Protokoll:
17153

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 153

  • date_rangeDatum: 20. Januar 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:36 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/153 die Einführung eines Mindestlohns Inhaltsverzeichnis Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . schaffen (Drucksachen 17/7483, 17/8385) . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mehrheitswillen respektieren – Gesetzlicher Mindest- lohn jetzt (Drucksache 17/8026) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . 18322 B 18323 C 18324 D 18326 A 18327 B 18328 B 18329 B 18331 A 18332 B 18333 B 18336 D 18336 D 18337 A 18338 D 18339 B Deutscher B Stenografisch 153. Sitz Berlin, Freitag, den 2 I n h a l Tagesordnungspunkt 22: a) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesell- schaft“ – Medienkompetenz (Drucksache 17/7286) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- net und digitale Gesellschaft“: Zwischen- bericht der Enquete-Kommission „In- ternet und digitale Gesellschaft“ (Drucksache 17/5625) . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . T a b 18317 A 18317 B 18317 B 18318 D 18320 B 18321 B Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18334 A 18335 B undestag er Bericht ung 0. Januar 2012 t : agesordnungspunkt 23: ) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Lösekrug-Möller, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Festset- zung des Mindestlohnes (Mindestlohn- gesetz – MLG) (Drucksache 17/4665 (neu), 17/8385) . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt Voraussetzungen für 18336 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . 18340 A 18340 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Roland Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beendigungsgesetz zum Berlin/ 18342 B 18344 A 18345 C Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutsch- lands 2011 und Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 17/8226) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . B (D R J J F W V T A (K T F R (D K D D D W N A L A Z A z O A A 18346 A 18347 B 18347 D 18349 C 18350 D 18351 D 18352 B 18353 C 18354 B 18355 C 18356 C 18358 C 18359 D 18362 B 18362 C 18364 A 18365 C 18366 C 18368 A 18369 C 18371 B 18372 D 18374 A 18375 A 18376 A onn-Gesetz rucksache 17/2419) . . . . . . . . . . . . . . . . . . oland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . ürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ohannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lorian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 26: ntrag der Abgeordneten Kerstin Müller öln), Tom Koenigs, Viola von Cramon- aubadel, weiterer Abgeordneter und der raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das egime in Syrien international isolieren rucksache 17/8132) . . . . . . . . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntrags: Tarifsystem stabilisieren (152. Sit- ung, Tagesordnungspunkt 19) ttmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18377 B 18377 B 18378 B 18379 C 18381 B 18382 D 18384 A 18384 D 18385 A 18386 A 18387 A 18387 C 18389 A 18390 B 18391 D 18393 A 18394 A 18394 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18317 (A) ) )(B) 153. Sitz Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18393 (A) ) )(B) Anlagen Meierhofer, Horst FDP 20.01.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 20.01.2012 Waltraud Zapf, Uta SPD 20.01.2012 Anlage 1 Liste der entschuldigte Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 20.01.2012 Altmaier, Peter CDU/CSU 20.01.2012 Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 Behrens, Herbert DIE LINKE 20.01.2012 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 20.01.2012 Brand, Michael CDU/CSU 20.01.2012 Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 20.01.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 20.01.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 20.01.2012 Ferner, Elke SPD 20.01.2012 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 20.01.2012 Freitag, Dagmar SPD 20.01.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 20.01.2012 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 20.01.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 Jung (Konstanz), Andreas CDU/CSU 20.01.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 20.01.2012 Kumpf, Ute SPD 20.01.2012 Laurischk, Sibylle FDP 20.01.2012 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 20.01.2012 Luksic, Oliver FDP 20.01.2012 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 M N D P R R D S S S D S S T T T W W W W D W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten öhring, Cornelia DIE LINKE 20.01.2012 ahles, Andrea SPD 20.01.2012 r. Nüßlein, Georg CDU/CSU 20.01.2012 oß, Joachim SPD 20.01.2012 oth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 oth (Esslingen), Karin SPD 20.01.2012 r. Schavan, Annette CDU/CSU 20.01.2012 chlecht, Michael DIE LINKE 20.01.2012 chneider (Erfurt), Carsten SPD 20.01.2012 chwabe, Frank SPD 20.01.2012 r. Solms, Hermann Otto FDP 20.01.2012 teinbrück, Peer SPD 20.01.2012 üßmair, Alexander DIE LINKE 20.01.2012 hönnes, Franz SPD 20.01.2012 ressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 agenknecht, Sahra DIE LINKE 20.01.2012 agner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2012 einberg, Harald DIE LINKE 20.01.2012 erner, Katrin DIE LINKE 20.01.2012 r. Westerwelle, Guido FDP 20.01.2012 olff (Wolmirstedt), SPD 20.01.2012 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 18394 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 (A) ) )(B) Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Tarifsystem stabili- sieren (152. Sitzung, Tagesordnungspunkt 19) Ottmar Schreiner (SPD): Eine Debatte zu diesem auch für meine Fraktion sehr wichtigen Themenkomplex haben wir im letzten Jahr zum Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen – 17/4437 – geführt. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren sich die Oppositionsfraktionen darüber einig, hierzu eine Anhörung von Sachverständi- gen durchzuführen. In der Ausschussberatung des Aus- schusses Arbeit und Soziales am 26. Oktober 2011 konn- ten wir daher die Durchführung einer öffentlichen Anhörung erreichen. Sie wird am 6. Februar 2012 sein. Heute debattieren wir über den Antrag der Linksfrak- tion. Berechtigtes Ziel beider Anträge ist es, das Tarifsys- tem in Deutschland zu stabilisieren. Unser Tarifsystem, das über viele Jahre und Jahrzehnte gute Dienste geleistet hatte, wird immer notleidender. Ein fairer Interessenaus- gleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmerschaft und den Interessen der Arbeitgeberschaft ist vielfach nicht mehr möglich. Seit Mitte der 90er-Jahre befindet sich das deutsche Tarifvertragssystem in einem Erosionsprozess. Das Pro- blem der sogenannten „weißen Flecken“ in der Tarif- landschaft wird immer größer. Tarifvertragsschwache und tariffreie Zonen nehmen überhand. Ursächlich hier- für ist zum einen der sinkende gewerkschaftliche Orga- nisationsgrad. Viel wichtiger ist jedoch die abnehmende Tarifbindung durch Tarifflucht der Unternehmen. Durch die Möglichkeit eines sogenannten „Blitzwechsels“ in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung können sich Un- ternehmen zum Beispiel bei einer drohenden Tariflohn- erhöhung kurzfristig aus dem Arbeitgeberverband verab- schieden. Es herrscht gegenüber den Gewerkschaften praktisch ein massives Drohpotenzial seitens der Arbeit- geber. Um das Ausmaß dieses Erosionsprozesses in der Tarif- landschaft zu beleuchten, möchte ich nur einige Zahlen nennen: Während in den 80er-Jahren circa 80 Prozent der Beschäftigten in Deutschland von einem Tarifvertrag er- fasst wurden, sind es mittlerweile nur noch etwa 60 Pro- zent. Die Tarifbindung ist also um ein Viertel zurückge- gangen. Innerhalb der europäischen Kernländer ist Deutschland bei der Tarifbindung der Beschäftigten Schlusslicht. Österreich, Belgien und Frankreich liegen zum Beispiel bei fast 100 Prozent. Bei der Tarifbindung der Betriebe ist die Lage noch dramatischer: In West- deutschland sind sage und schreibe 34 Prozent der Be- triebe tarifgebunden, im Osten sind es lediglich 17 Pro- zent. Das Nichtvorhandensein einer gesetzlichen Lohnun- tergrenze in Verbindung mit diesem Erosionsprozess in der Tariflandschaft führt dazu, dass die Löhne immer mehr ausfransen. Hierzu muss man sich nur die Zahlen zur Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung anschauen. D M h s s k u w g E E fr fl is n d d b U d g d u s ta d k A z z s – – – – – – – (C (D ieser Sektor umfasst mittlerweile über 7 Millionen enschen in Deutschland. Die Arbeitnehmereinkommen aben im letzten Jahrzehnt europaweit einen beispiello- en realen Rückgang erlitten. Der Zuwachs des gesell- chaftlichen Wohlstands kommt fast nur noch den Ein- ommen aus Gewinn und Vermögen zugute. Das kann nd will meine Fraktion so nicht akzeptieren. Deshalb werden auch wir in der nächsten Sitzungs- oche einen Antrag einbringen, der eine Änderung der esetzlichen Rahmenbedingungen fordert, um diesen rosionsprozess des Tarifvertragssystems zu stoppen. inig sind wir uns mit den anderen beiden Oppositions- aktionen, dass als unterste Haltelinie ein gesetzlicher ächendeckender Mindestlohn zwingend erforderlich t. Dreh- und Angelpunkt ist darüber hinaus das Arbeit- ehmer-Entsendegesetz. Es bedarf einer Ausdehnung es Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen, amit zum einen für alle Branchen die Allgemeinver- indlicherklärung geöffnet wird, aber auch ausländische nternehmen bei der Einhaltung von Arbeitsstandards in ie Pflicht genommen werden können. Wenn Löhne all- emeinverbindlich erklärt werden, sollten dies möglichst ie kompletten Lohntabellen sein, damit der Sog nach nten durchbrochen wird. Wir wollen die Stärkung der Tarifautonomie, eine tärkere Tarifbindung und eine Ausweitung der Flächen- rife. Wir wollen die existierenden hohen Hürden für ie Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen absen- en. Hierzu werden wir Vorschläge machen. nlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 891. Sitzung am 16. De- ember 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen uzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- atz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haus- haltsgesetz 2012) Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze Gesetz zur Neuordnung des Pflanzenschutzrech- tes Gesetz zur Änderung des EG-Verbraucherschutz- durchsetzungsgesetzes und zur Änderung des Un- terlassungsklagengesetzes Gesetz zur Änderung des Seefischereigesetzes und des Seeaufgabengesetzes Gesetz über die Statistik der Überschuldung pri- vater Personen (Überschuldungsstatistikgesetz – ÜSchuldStatG) Gesetz zur Optimierung der Geldwäschepräven- tion Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18395 (A) ) )(B) – Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstruktu- ren in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, – den Sparbeitrag der Krankenhäuser im Jahr 2012 vor dem Hintergrund der Tarifsteigerungen und der Qualitätssicherung in den Krankenhäusern zurück- zunehmen und den neuen Orientierungswert frist- gerecht einzuführen, – den Ländern die Möglichkeit zu geben, in Abhän- gigkeit von der konkreten Versorgungssituation ausnahmsweise Anforderungen an die Leitung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) anzu- passen, um die Förderung von MVZ zur Versor- gung im ländlichen Raum nicht zu verhindern. Die Struktur von MVZ muss dann so angelegt werden, dass Anreize für Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich der Arbeitsbedingungen geschaffen sowie flexible und mobile Versorgungsformen unter diesem Dach leichter verwirklicht werden können. – Gesetz zur Errichtung einer Visa-Warndatei und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes – Gesetz zur Wiedergewährung der Sonderzahlung – Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Ver- kündung und Bekanntmachung sowie der Zivil- prozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Ab- gabenordnung – Gesetz zur Aufhebung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen – Zweites Gesetz zur Neuregelung energiewirt- schaftsrechtlicher Vorschriften – Gesetz zu dem Abkommen vom 3. Februar 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer- verkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen – Gesetz zu dem Abkommen vom 17. Juni 2010 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Seeschifffahrt – Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutz- gesetz – BKiSchG) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Antrag Datenschutz und Verbrau- cherschutz in sozialen Netzwerken stärken, Grund- rechte schützen auf Drucksache 17/1589 zurückzieht. m S z m U n (C (D Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 atz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung u den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der NATO 55. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO vom 13. bis 17. November 2009 in Edin- burgh, Vereinigtes Königreich – Drucksachen 17/7232, 17/7907 Nr. 1 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 02 Titel 632 01 – Aufwendungen für Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherr- schaft – bis zur Höhe von 5 960 642 Euro – Drucksachen 17/ 8077, 17/8207 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 02 Titel 632 50 – BAföG Schüle- rinnen und Schüler – bis zur Höhe von 26 Mio. Euro – Drucksachen 17/8078, 17/8207 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 02 Titel 661 50 – BAföG Zinszu- schüsse und Erstattung von Darlehensausfällen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau – bis zur Höhe von 41,1 Mio. Euro – Drucksachen 17/8079, 17/8207 Nr. 3 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- er Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/7713 Nr. A.1 Ratsdokument 15566/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.3 Ratsdokument 15620/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.1 Ratsdokument 16394/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.3 EuB-BReg 194/2011 Drucksache 17/8227 Nr. A.4 EP P7_TA-PROV(2011)0472 Drucksache 17/8227 Nr. A.6 Ratsdokument 16532/11 Innenausschuss Drucksache 17/6985 Nr. A.10 Ratsdokument 12957/11 18396 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 (A) (C) (D)(B) Drucksache 17/7423 Nr. A.13 Ratsdokument 14367/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.14 Ratsdokument 14369/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.15 Ratsdokument 14378/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.16 Ratsdokument 14381/11 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/7713 Nr. A.10 Ratsdokument 15396/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.11 Ratsdokument 15397/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.12 Ratsdokument 15398/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.13 Ratsdokument 15399/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.15 Ratsdokument 15425/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.16 Ratsdokument 15426/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.10 Ratsdokument 16798/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.30 Ratsdokument 16650/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.31 Ratsdokument 16795/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.32 Ratsdokument 17245/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.33 Ratsdokument 17486/11 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/8082 Nr. A.12 Ratsdokument 16842/11 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/7549 Nr. A.11 Ratsdokument 15025/11 153. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 22 Zwischenberichte der „Internet“-Enquete-Kommission TOP 23 Gesetzlicher Mindestlohn TOP 24 Technologische Leistungsfähigkeit 2011 TOP 25 Berlin/Bonn-Gesetz TOP 26 Politik gegenüber Syrien Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 a und b auf:

a) Beratung des Berichts der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“

Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kom-
mission „Internet und digitale Gesellschaft“

Medienkompetenz

– Drucksache 17/7286 –

b) Beratung des Berichts der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“

Zwischenbericht der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“

– Drucksache 17/5625 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dazu stelle
ich Einvernehmen fest. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Jens Koeppen für die CDU/CSU-

ti
T
u
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k
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Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Jens Koeppen (CDU):
Rede ID: ID1715300100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Während wir hier zur besten Kernzeit im Deutschen
Bundestag über die Enquete-Kommission „Internet und
digitale Gesellschaft“ beraten und die Zwischenberichte
präsentieren, läuft wahrscheinlich zeitgleich auf Twitter
die Auswertung der Debatte; sie wird dort kommentiert
und analysiert. Kaum jemand kann und will heute noch
auf die Abendnachrichten um 20 Uhr warten; denn
wahrscheinlich ist das der kalte abgestandene Kaffee
vom Morgen, bestenfalls eine nette Zusammenfassung
des Tagesgeschehens, aber es hat nicht mehr sehr viel
mit News zu tun.

(C (D ung 0. Januar 2012 0 Uhr Das Internet ist viel, viel schneller. Das ist Informaon und Bildung. Das ist Selbstbestimmung, und das ist eilhabe. Das ist aber vor allen Dingen Unterhaltung nd Lebensfreude, und in allererster Linie ist es wirtchaftliche Betätigung. Damit das so ist, so bleibt und ontinuierlich weiterentwickelt wird, hat der Deutsche undestag die Enquete-Kommission „Internet und digile Gesellschaft“ ins Leben gerufen. Ich bedanke mich am Anfang der Debatte ganz ausrücklich bei all denjenigen, die mitarbeiten und mitelfen, dass diese Enquete zum Erfolg wird. Vor allen ingen bedanke ich mich bei den Abgeordneten aller raktionen, die dies neben den ganzen Fachthemen zu rer Herzensangelegenheit gemacht haben. Ich bedanke ich bei unseren Mitarbeitern und Referenten. Ich be anke mich beim Sekretariat und bei der Bundestagsveraltung. Ganz besonders bedanke ich mich – ich glaube, Namen des ganzen Hauses – bei unseren Sachver tändigen und Experten, die mit sehr viel Fleißarbeit, mit inem hohen Sachverstand und mit sehr viel Arbeitsaufand in vielen Arbeitsstunden neben ihrer eigentlichen ätigkeit dafür sorgen, dass die Enquete qualitativ sehr ut besetzt ist. Herzlichen Dank dafür! Wir arbeiten seit fast zwei Jahren engagiert in dieser Enquete-Kommission. So manche Ernüchterung hat sich gezeigt, weil die Mühsal der demokratischen Gremien für einige neu ist. Ideologische Schützengräben, in denen man sich abducken konnte, wurden von allen aufgetan. Aber das ist nicht entscheidend. Für mich ist entscheidend, dass es diese Enquete gibt. Für mich ist entscheidend, dass engagierte, leidenschaftliche Debatten geführt wurden, dass sehr viel Herzblut hineingegeben wurde und dass dort ein Wille zum Konsens besteht. Eines ist, insbesondere in dieser Enquete-Kommission, ganz klar: Die reine Lehre, das vielbeschriebene weiße Blatt Papier, mit dem man noch einmal neu anfangen könnte, gibt es nicht. Hier benutze ich gern die Worte unseres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. – Jens Koeppen )


(Beifall im ganzen Hause)





(A) )

Das sollten wir gerade in dieser Enquete-Kommission
beachten.


(Beifall des Abg. Axel E. Fischer [KarlsruheLand] [CDU/CSU])


Meine Damen und Herren, für mich und für meine
Arbeitsgruppe sind fünf Grundthesen ganz entscheidend.
Diese möchte ich Ihnen in aller Kürze vortragen.

Erstens. Das Internet ist ein Kulturbruch. In diesem
Kulturbruch liegt das große Potenzial. Das Netz erwei-
tert die Anzahl der Orte, an denen sich Menschen begeg-
nen. Raum und Zeit sind nahezu bedeutungslos gewor-
den. Soziale Netzwerke führen Menschen zusammen.
Neue Marktplätze entstehen. Neue Möglichkeiten zur
Entfaltung der Persönlichkeit eröffnen sich. Im Netz fin-
det Information praktisch auf Abruf statt. Es herrscht
eine Kultur der sofortigen Verfügbarkeit mit einer enor-
men Reichweite. Nur wer diese Netzkultur versteht, der
kann ermessen, was es bedeutet, wenn man Menschen
den Zugang zum Netz verwehrt. Das müssen wir unbe-
dingt verhindern.

Freiheit braucht aber auch Sicherheit. Das Verhältnis
zwischen der Freiheit im Netz und dem Bedürfnis der
Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit muss ausgewo-
gen und besonnen ausgestaltet sein. Natürlich – ich wie-
derhole mich da –: Jede funktionierende Gesellschaft
braucht ihre Leitplanken. Aber gerade hier müssen diese
besonnen und mit Augenmaß gesetzt werden.

Der zweite Punkt. Der gefühlte Klassenkampf zwi-
schen digitaler Welt und analoger Welt muss aufhören.
Es gibt die virtuelle Welt nicht, auch wenn wir immer
noch das Gefühl haben, dass es ein Leben im Netz und
ein Leben außerhalb des Netzes gibt. Wir müssen die
analoge Welt mitnehmen; das ist eine große Aufgabe.
Das Netz gehört niemandem, weder irgendwelchen
Nerds noch den selbsternannten Angehörigen der Com-
munity. Es gehört auch nicht irgendeiner digitalen Elite
und schon gar nicht einer bestimmten Partei oder Orga-
nisation. Online zu sein, ist ein ganz selbstverständlicher
Teil unseres Lebens geworden. Wir sollten die Gelegen-
heitsnutzer lieber aufklären, als sie vielleicht abfällig als
„Internetausdrucker“ zu bezeichnen. Das Netz ist auch
nicht gut oder schlecht. Es ist einfach da. Wir machen
das Netz. Es bestimmt unser Leben heutzutage maßgeb-
lich, selbst wenn wir meinen, wir würden es nicht nut-
zen. Netzpolitik muss auch nicht neu erfunden werden,
sondern wir müssen die analogen Erfahrungen an den
Erfordernissen der digitalen Welt prüfen und sie anpas-
sen.

Dritter Punkt. Das Internet gibt unserer Gesellschaft
neue Impulse. Nie zuvor konnten sich Bürgerinnen und
Bürger so umfassend über ihr Gemeinwesen informie-
ren. Größere Transparenz im staatlichen Handeln kann
mehr Bürgerbeteiligung, noch mehr Vertrauen und das
Pflichtgefühl befördern; denn das Internet ist ein Spie-
gelbild unserer Gesellschaft. Kein anderes Medium bie-
tet zum Beispiel Politikern und Wählern eine vergleich-
bare Möglichkeit, direkt miteinander zu kommunizieren.
Das sollten wir unbedingt bewahren und natürlich auch
befördern.

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(C (D Der vierte Punkt. Wir müssen Überregulierung vereiden. Selbstregulierung sollte Vorrang vor staatlicher egulierung haben. Das gilt aus meiner Sicht übrigens uch für die analoge Welt. Freiheit braucht jedoch Eienverantwortung und Medienkompetenz, über die wir achher noch genauer reden werden. Unser Leitbild des nlinenutzers ist der mündige Bürger. Wir setzen ganz lar auf Wettbewerb, Transparenz und Selbstregulieng, bevor der Gesetzgeber regulierend eingreifen uss. Schließen möchte ich mit dem fünften Punkt. Die etzpolitik ist für uns ein eigenständiges Politikfeld; enn heute ist nahezu jeder Aspekt unseres Lebens an as Internet angeschlossen. Netzpolitik ist ein Querchnittsthema. Die Netzpolitik muss auch dann, wenn ie Enquete-Kommission ihre Arbeit beendet hat, an eier hervorgehobenen Stelle im Bundestag und in der undesregierung eine Bedeutung haben. Ich wünsche mir, dass wir am Ende des Tages mit unerer Arbeit in dieser Kommission dafür sorgen, dass das hema Internet und digitale Gesellschaft noch mehr in en Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt wird und die olitik noch mehr agieren kann. Im Moment reagiert sie her. Das ist dieses alte Hase-und-Igel-Spiel. Meistens t das Internet natürlich viel schneller, als wir reagieren önnen. Zum Schluss wünsche ich mir, dass sich Anbier und Nutzer medienkompetent innerhalb der von uns esonnen gesetzten Leitplanken bewegen können. Wenn ir das erreicht haben, dann haben wir etwas Großes gen. Ich möchte Sie auffordern, daran in der Enquete eiterhin mitzuwirken. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort erhält nun der Kollege Lars Klingbeil für ie SPD-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Die Digitalisierung verändert die Welt, in der ir leben. Sie verändert die Welt, in der wir arbeiten, nd auch die Antwort auf die Frage, wie wir heute wirtchaften. Durch die Digitalisierung erfahren wir eine rundlegende Veränderung unserer Welt. Das bringt uch Anforderungen an die Politik mit sich. Arbeit verndert sich. Heute haben viele bzw. immer mehr Menchen die Möglichkeit, von jedem Ort der Welt zu jeder eit zu arbeiten. Der Betriebsbegriff ändert sich. Alles, as man heute braucht, ist ein Internetzugang. Der Lapp wird zur Werkbank des 21. Jahrhunderts. Wir sehen, dass diese Veränderung die Chance auf ehr Freiheit und auf eine bessere Vereinbarkeit von Failie und Beruf mit sich bringt. Wir sehen aber auch, ass neue Anforderungen an den Sozialstaat entstehen, ass die Anforderungen wachsen und wir uns mit der rage beschäftigen müssen, wie solche Formen der Areit abgesichert werden können. Lars Klingbeil )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300200

(Beifall bei der SPD)

Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1715300300




(A) )

Die Wirtschaft verändert sich. Wir sehen eine digitale
Wirtschaft, die wächst, aber wir sehen auch, dass sich
die klassischen industriepolitischen Branchen verändern.
Egal ob in der Stahlindustrie oder in der Automobilin-
dustrie: Viele Wertschöpfungsketten verlaufen heute ent-
lang digitaler Linien. Wir müssen uns fragen, wie wir
hier Innovationen weiter stärken können.

Auch die Bildung verändert sich. Wir diskutieren hier
heute den Zwischenbericht zur Medienkompetenz.
Junge Menschen sind immer mehr Informationen ausge-
setzt. Sie müssen lernen, hiermit umzugehen und sich in
neuen Technologien zurechtzufinden. Eine der größten
Herausforderungen, die wir in der Politik zu bewältigen
haben, ist: junge Menschen fit zu machen, sich in dieser
digitalen Welt zurechtzufinden.


(Beifall bei der SPD)


Auch die politischen Prozesse müssen sich verändern.
Die Menschen können Politik heute in Echtzeit verfol-
gen. Sie können sie kommentieren, aber es entsteht auch
der Wunsch, in Echtzeit dabei zu sein und Politik zu be-
einflussen. Genau diese Möglichkeiten müssen wir er-
öffnen. Wir müssen Beteiligungsformen anbieten, damit
die Menschen ihre Kommentare und Ideen in Echtzeit in
politische Prozesse einfließen lassen können.

Wir sehen auch, dass uns die Digitalisierung heute
vor neue, ungelöste Herausforderungen stellt, etwa vor
den permanenten Kampf zwischen individuellen Frei-
heitsrechten und notwendigen Sicherheitsinteressen. Ich
spreche die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung an,
bei der wir nicht vorangekommen sind. Das wird zwi-
schen den Fraktionen, aber auch in den Fraktionen dis-
kutiert. Hier müssen wir neue Antworten finden, und ich
sage auch: Wenn wir eine Balance zwischen Sicherheit
und Freiheit suchen, dann müssen wir aufhören, symbo-
lische Diskussionen wie solche um Netzsperren, die
Sperrung des Internetzugangs oder auch die Zensurinfra-
struktur im Internet zu führen.

In der digitalen Zeit stehen wir vor der Herausforde-
rung, das Urheberrecht zu reformieren. Auf der einen
Seite entstehen wunderbare Möglichkeiten für Kreative,
neue Verbreitungswege zu finden. Auf der anderen Seite
sehen wir aber auch, dass wir einen gesellschaftlichen
Konsens für ein neues Urheberrecht in einer digitalen
Zeit noch nicht geschaffen haben.

Die Politik in Gänze tut sich schwer, diese umfassen-
den gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umbrü-
che zu gestalten. Es ist deutlich geworden, dass Netz-
politik kein Nischenthema ist, sondern dass es hier um
große gesellschaftliche Veränderungen und eine mo-
derne Gesellschaftspolitik geht. Deswegen müssen der
Deutsche Bundestag und die Politik insgesamt endlich
anfangen, diesen Wandel zu gestalten. Im Ernst: Es ist
unsere Entscheidung, ob wir dabei sind. Dieser Wandel
kommt, und ich hoffe, wir entschließen uns, ihn zu ge-
stalten. Ansonsten findet er ohne uns statt.

In Anbetracht all dieser Herausforderungen und Ver-
änderungen, die ich gerade beschrieben habe, haben wir
im Jahr 2009 gemeinsam die Enquete-Kommission „In-
ternet und digitale Gesellschaft“ eingesetzt, verbunden

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(C (D it der Hoffnung, dass hiermit aus der Mitte des Parlaents der digitale Wandel gestaltet werden kann und ass die Enquete so etwas wie ein netzpolitischer Thinknk, eine Denkfabrik, und auch ein Experimentierfeld r neue Möglichkeiten der politischen Partizipation ist. Wenn wir heute, knapp zwei Jahre nach dem Start der nquete, eine Zwischenbilanz ziehen, dann müssen wir ststellen: Diesem hohen Anspruch, den wir an uns elbst gestellt haben, sind wir bisher nicht gerecht georden. Wir haben erlebt, dass wir auf viele drängende ragen der digitalen Entwicklung hier im Deutschen undestag noch keine Antwort und keine Sprachregeng gefunden haben. Genau deswegen sage ich: Wir üssen uns gemeinsam anstrengen, wenn es jetzt darum eht, die Arbeit der Enquete-Kommission weiterzufühn. Ich will das hier deutlich sagen: Wir sitzen alle in eiem Boot. Wir werden als Parlament als Ganzes gewinen oder als Ganzes verlieren, wenn es darum geht, Antorten zu formulieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


eswegen ist mein Appell, dass wir mit Taktierereien,
it parteipolitischen Reflexen und mit stundenlangen
iskussionen über Verfahrensfragen in der Enquete auf-
ören und uns darauf konzentrieren, den Streit in der Sa-
he zu führen – das ist notwendig –, und dass wir damit
nfangen, die Vision für eine digitale Gesellschaft noch
tärker zu definieren.


(Beifall des Abg. Jimmy Schulz [FDP])


Dabei will ich ausdrücklich an diejenigen appellieren,
ie wir als 18 Sachverständige eingebunden haben. Es
ar ein richtiger Schritt, dass wir uns geöffnet und neue
eteiligungsformen geboten haben. Das war die ausge-

treckte Hand an eine Netzcommunity, die zu den erfolg-
ichsten sozialen Bewegungen der letzten Jahre gehört.

Ob es die Debatte um die Netzsperren ist, ob es die
ebatte um die Vorratsdatenspeicherung oder den Ju-
endmedienschutz-Staatsvertrag ist: Wir waren immer
rfolgreich darin, Dinge zu verhindern. Bei der Enquete
achen wir jetzt das Angebot, etwas zu gestalten. Das
t schwieriger, als etwas zu verhindern. Demokratie ist
nstrengend. Dabei geht es darum, Mehrheiten zu ge-
innen. Es geht darum, zu überzeugen. Da mag es
anchmal einfacher sein, die Arbeit der Enquete-Kom-
ission auf Twitter hämisch zu begleiten. Aber mein
unsch ist, dass diejenigen, die Ideen haben, sich ein-

ringen und dass wir durch die Beteiligung des 18. Sach-
erständigen die Chance haben, die Arbeit der Enquete
rfolgreich zu Ende zu führen.

Dass die Enquete hier im Parlament wichtig ist, dass
pulse aus dem Parlament kommen müssen, zeigt die

etzpolitische Bilanz dieser schwarz-gelben Bundesre-
ierung. Dieser Regierung fehlt der Mut, auf einen kon-
equenten Breitbandausbau zu setzen und endlich das
rundrecht auf ein schnelles Internet zu verankern, not-
lls mit einem Universaldienst.





Lars Klingbeil


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jimmy Schulz [FDP]: Ihr müsst erst einmal die Netzsperren abschalten, die ihr eingefügt habt!)


Dieser Regierung fehlt der Mut, die gesetzliche Netz-
neutralität zu verankern und ein innovatives und freies
Internet aufrechtzuerhalten. Initiativen dieser Regierung
zur Modernisierung des Urheberrechts und zum Daten-
schutz? Fehlanzeige! Initiativen zur Weiterentwicklung
des Informationsfreiheitsgesetzes, zu Open Data? Fehl-
anzeige! Das Einzige, was von dieser Regierung bleibt,
ist die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes.
Diese Initiative kam fraktionsübergreifend aus der Mitte
des Parlaments.


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Hast du nicht eben gesagt, du willst keine parteipolitische Debatte haben?)


Ich bin überzeugt: Dieses Parlament kann Impulse für
die netzpolitische Arbeit in der deutschen Politik geben.
Deswegen meine Hoffnung und das Angebot der SPD,
die Arbeit der Enquete erfolgreich weiterzuführen. Wir
sollten jetzt noch einen draufsetzen und mit parteipoliti-
schen Spielen aufhören. Dann werden wir am Ende er-
folgreich sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Appell an euch! Sehr gut! – Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Nur die Krawatte wegzulassen, macht einen nicht zum Netzpolitiker! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie trauen sich ja nicht ohne Krawatte!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300400

Der Kollege Blumenthal ist der nächste Redner für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1715300500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

Lars Klingbeil, es entbehrt nicht einer gewissen unfrei-
willigen Komik, wie die Rede intoniert wurde und wie
dann das Ende vollzogen wurde. Das muss an dieser
Stelle einmal erwähnt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon wieder einer ohne Krawatte!)


Für die FDP-Fraktion war es im Bereich Medienkom-
petenz entscheidend, dass wir als Grundlage den aufge-
klärten und selbstbestimmten Nutzer in den Vordergrund
stellen. Für uns ist wichtig, dass wir keine staatliche De-
finition eines Otto Normalnutzers auf die Tagesordnung
setzen, sondern dass wir uns politisch Gedanken darüber

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(C (D achen: Wie können wir einzelne Menschen befähigen nd bestärken, das Potenzial und die Chancen im Interet zu nutzen, um im Umgang mit digitalen Medien erlgreich wirken zu können? Wir betrachten das als eine gesamtgesellschaftliche erausforderung. Wir haben zur Kenntnis genommen, ass gerade im Bereich Medienkompetenz ein Großteil er Initiativen auf Länderund Bundesebene immer sehr tark auf Jugendliche und junge Menschen fokussiert ar. Wir sagen: Das ist eine Chance für die gesamte Ge ellschaft. Auch die älteren Generationen müssen mitgeommen werden. Auch dort ist der Ruf nach Teilhabe uter geworden. Für uns ist wichtig, dass wir dann, wenn wir über die uswirkungen der digitalen Medien und die Chancen es Internets sprechen, eine differenzierte Sichtweise in en Vordergrund stellen. Wir haben in der öffentlichen ebatte in den letzten Jahren oft eine Tendenz zur Glorizierung oder Dämonisierung erlebt. Sie erinnern sich n die Umbrüche im Rahmen des arabischen Frühlings: a sprach man von der „Facebook-Revolution“ und vom Twitter-Umsturz“. Es ist und bleibt menschliches, individuelles Handeln. s wird nicht gelingen, nur mit Kommunikationsmedien anze Regime und Systeme zu stürzen und einen Wandel erbeizuführen. Ausgangspunkt und Fixpunkt bleibt das enschliche Handeln. Das menschliche Handeln be ingt den Mut, zu opponieren, den Mut, sich gegen ein egime zu stellen. Facebook und Twitter können hier ilfreich sein, aber es sind und bleiben Instrumente. Die rundlage und der Ausgangspunkt ist das individuelle andeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall des Abg. Marco Buschmann [FDP])


In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die
ndere Seite eingehen, die Dämonisierung des Netzes.
iele sagen: Das Internet ist ein Hort des Verbrechens, in
em illegale Handlungen möglich sind, etwa illegale
ownloads und Urheberrechtsverletzungen. Auch das
arf und kann man nicht dem Internet anlasten. Auch das
t und bleibt menschliches Handeln. Das sind Konse-
uenzen aus menschlichem Handeln. Wenn illegale
ownloads stattfinden, dann geschieht dies, weil sich

inzelne Menschen dazu entscheiden.

Bitte lassen Sie uns mit dieser pauschalen Glorifizie-
ng und Dämonisierung aufhören. Lassen Sie uns lieber

orge tragen dafür: Wie können wir den einzelnen Men-
chen die Möglichkeiten und die Qualifizierung mitge-
en, mit diesen neuen Chancen und mit diesen neuen
reiheiten richtig umzugehen?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Medienkompetenz ist und bleibt dabei die Grundlage.
ir haben vonseiten der Enquete-Kommission eine

anze Reihe von Handlungsempfehlungen ausgespro-
hen. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass auf
bene der Länder eine Vielzahl von lobenswerten Kam-





Sebastian Blumenthal


(A) )


)(B)

pagnen und Aufklärungsinitiativen gemeinsam mit
Schülern, Eltern, Lehrern und auch schon mit älteren
Menschen stattgefunden hat. Angesichts der knappen
Haushaltslage in den Ländern möchten wir anregen, dass
die Erkenntnisse aus diesen ersten Aufklärungskampa-
gnen zwischen den Ländern und dem Bund besser ver-
netzt werden. Wir haben entsprechende Vorschläge in
die Handlungsempfehlungen der Projektgruppe Medien-
kompetenz eingebracht.

Ein Punkt, der in der Projektgruppe Medienkompe-
tenz sehr stark umstritten war und kontrovers diskutiert
wurde, war der Jugendschutz. Sie haben sicherlich noch
in Erinnerung, dass der Jugendmedienschutz-Staatsver-
trag vor knapp zwei Jahren auf Länderebene grandios
gescheitert ist. Es zeigt sich hier, dass der Grundsatz der
Frequenzregulierung, der auf Landesebene immer noch
das Steuerungsinstrument für die Staatsverträge im Me-
dienbereich ist, nicht mehr in das Zeitalter der digitalen
Medien passt. Wir haben in der Projektgruppe Medien-
kompetenz darauf hingewiesen und gesagt: In der Abwä-
gung zwischen staatlichem Jugendschutz durch Staats-
verträge und der Förderung und Stärkung des Einzelnen
muss es eine ausgewogene Balance geben.

Die Projektgruppe Medienkompetenz hat ihre Arbeit
abgeschlossen. Die Diskussionen werden weitergehen,
und auch die Gestaltungsaufgabe für uns im Parlament
wird weiterbestehen. Die FDP-Fraktion war und ist von
Anfang an ein starker Partner in diesem Diskurs. Wir
werden damit weitermachen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal den
Kollegen aus der Projektgruppe, den Mitarbeitern des
Sekretariats, die es nicht immer leicht mit uns hatten,
und natürlich auch unseren Sachverständigen und dem
18. Sachverständigen aus den Reihen der Öffentlichkeit
zu danken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300600

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin

Wawzyniak das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715300700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Am Anfang stand ein großes Versprechen. Wir
wollten die gesellschaftlichen Veränderungen durch das
Internet untersuchen. Wir wollten neue Wege der Bür-
gerbeteiligung gehen. Wir wollten die Öffentlichkeit in
besonderem Maße einbeziehen, verschiedene Beteili-
gungsformen entwickeln und Anregungen der Öffent-
lichkeit in unsere Arbeit einfließen lassen.


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Alles erledigt!)


Was für eine Chance, habe ich gedacht. Ich hatte die
Hoffnung, dass wir Netzpolitik jenseits der herkömmli-
chen parlamentarischen Zwänge diskutieren können,
dass der Fokus der öffentlichen Debatte etwas mehr auf

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(C (D ie klassische Netzpolitik und die gesellschaftlichen eränderungen durch das Internet verlagert wird, dass ine Lust auf Einmischen in die Politik entsteht und dass rheberrecht, Datenschutz und Netzneutralität so diskuert werden, dass es alle verstehen und nicht nur ein paar xperten. Ich hatte die Hoffnung, dass wir den Alltag der Menchen aufnehmen und die gesellschaftlichen Auswirkunen auf die Lebens-, Produktions-, Arbeitsund Komunikationsweise debattieren. Ich nenne ein paar eispiele. Wir buchen unsere Reisen online. Stellenanebote finden wir online. Bankgeschäfte werden online rledigt. Blogs und soziale Netzwerke sorgen für eine eue Kommunikation. Was bedeutet das für die Politik? Welche Schlussfolerungen ziehen wir daraus? Ich habe gedacht, in einer nquete-Kommission könnten wir jenseits von Regiengsfraktionen und Oppositionsfraktionen arbeiten. as ist Parlamentarismus, der Spaß macht, wo das Arguent zählt und nicht die Fraktionszugehörigkeit. Die Politik ist aber wie das Leben, und Hoffnungen rweisen sich mitunter als Illusion. Das liegt nicht nur an en Mühen der Ebene und an vermeintlich unabänderlihen Gegebenheiten, sondern auch an fehlenden Visioen, mangelndem Mut und parteipolitischem Kalkül. Böse Zungen behaupten, dass die Ergebnisse der nquete mager und enttäuschend sind. Ich muss sagen: n vielen Stellen haben wir eher in Legislaturperioden edacht und kurzfristige Handlungsempfehlungen aufeschrieben, statt nach vorne zu schauen und weiter zu enken als bis zum Jahr 2013. Trotzdem gibt es einen sehr großen Erfolg für die nquete. Es gibt eine Sensibilisierung der Politik und alr Parteien für Netzpolitik und die gesellschaftlichen eränderungen, die das Internet mit sich bringt. Mittlereile ist allen klar: Eine Gesellschaftspolitik, die der Zuunft zugewandt ist, kommt nicht mehr ohne Netzpolitik us. Alle Parteien wissen, dass sie ihre Konzepte auf den nderen sogenannten Politikgebieten nur entwickeln önnen, wenn sie die Veränderungen, die das Internet it sich bringt, bedenken. Debatten über Urheberrecht, atenschutz und Netzneutralität werden mittlerweile in llen Parteien so geführt, dass nicht nur wenige Experten arüber diskutieren. Insofern danke ich der Enquete. Sie at dazu beigetragen, dass die Linke einen wunderbaren bschnitt in ihrem Parteiprogramm zur Netzpolitik forulieren konnte. Allein hätten wir das vielleicht nicht anz geschafft. Vielen Dank! (Beifall bei der LINKEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Glückwunsch! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja Halina Wawzyniak )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )

auch der Zukunft zugewandt! – Weitere Zurufe
von der SPD)

Ich glaube, wir haben in der Enquete ein wenig die
Chance verpasst, die Unterschiede produktiv zu nutzen.
Manchmal ist zugespitzter Widerspruch besser als ein
Kompromiss um jeden Preis oder der Versuch, die ei-
gene Position durchzudrücken; denn Letzteres führt zu
einer Blockadehaltung und vergibt die Chance, den
Sachverstand der Sachverständigen einzubeziehen. Wir
haben uns zu häufig in Formalien und Klein-Klein ver-
fangen. Ich mache das kurz an drei Beispielen deutlich.

Wir haben uns nicht von Anfang an dazu entscheiden
können, die Projektgruppen öffentlich tagen zu lassen.
Entschuldigung, aber das schließt externen Sachverstand
aus. Wir haben es zunächst nicht geschafft, die Werk-
zeuge der Beteiligung, zum Beispiel ein Internettool zur
Beteiligung, zu implementieren, weil die Koalitions-
mehrheit das verhindert hat, und das, obwohl es ein wun-
derbares Konzept der Sachverständigen gab. Dass wir
nun das Werkzeug haben, ist einer privaten Initiative zu
verdanken. Wir haben zudem die Abstimmung zu Netz-
neutralität und Datenschutz immer wieder verschoben,
weil die Gefahr bestand, dass Mehrheiten wanken.

Was mich richtig nervt, ist die Tatsache, dass wir in
der Enquete noch immer dem Verfahren Opposition ver-
sus Regierung verhaftet sind. Die Sachverständigen wer-
den immer als Sachverständige der entsprechenden
Fraktion bezeichnet. Nein, es sind Sachverständige der
gesamten Enquete und nicht der einzelnen Fraktionen.
Wir tun immer so, als würden wir in der Enquete Ge-
setze beschließen. Tatsächlich beschließen wir Hand-
lungsempfehlungen. Der Bundestag ist frei, diese Hand-
lungsempfehlungen aufzunehmen. Da kann man doch
ein bisschen mehr Mut haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will dennoch ein bisschen positiv in die Zukunft
schauen. Wir haben jetzt noch mindestens ein halbes
Jahr. Ich finde, wir sollten dieses halbe Jahr für einen Pa-
radigmenwechsel in wichtigen Punkten nutzen. Befreien
wir uns aus den strengen parlamentarischen Zwängen!
Machen wir entsprechende thematische Vorschläge, und
geben wir Handlungsempfehlungen, die über den Tag hi-
nausgehen! Wir sollten den Mut haben, unterschiedliche
Positionen nebeneinanderstehen zu lassen. Wenn wir die
Chancen der Enquete nutzen wollen, sollten wir uns auf
ein Verfahren verständigen, das Neugier, Interesse und
Lust auf Einmischung weckt, neue Wege der politischen
Teilhabe beschreiten und neue Diskussionskulturen eta-
blieren. Wir als Enquete sollten Vorbild sein für eine mo-
derne, transparente und beteiligungsorientierte Politik.
Die Linke macht das auf jeden Fall mit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300800

Das Wort erhält nun der Kollege Konstantin von

Notz.

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(C (D Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Liebe Kollegin Wawzyniak, ange-
ichts dessen, was du dir alles von der Enquete verspro-
hen hast, muss ich sagen: Das ist ein bisschen naiv.


(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich habe noch Träume!)


uch in einer Enquete wird Politik betrieben und gibt es
ie Mühen der Ebene. Damit müssen wir uns nun einmal
useinandersetzen. Ich möchte jetzt nicht nur das Kriti-
che, sondern auch das Positive der Enquete benennen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben uns am Anfang aus gutem Grund darauf
erständigt, dass Bürgernähe und Partizipation für diese
nquete nicht nur theoretische Themen sein dürfen, die
ir mit Expertinnen und Experten besprechen und zu de-
en wir am Ende etwas mehr oder weniger Schlaues auf-
chreiben. Vielmehr haben wir gesagt: Eine neue Form
er Bürgerbeteiligung muss bereits Arbeitsgrundlage der
nquete selbst sein. Das ist angesichts einer Entwick-
ng unserer Demokratie, bei der sich immer weniger
enschen richtig eingebunden und verstanden fühlen,

enau der richtige Schritt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)


Die grundsätzliche Bearbeitung eines so breiten und
ynamischen Politikbereichs wie der Netzpolitik ist eben
in Prozess. Niemand hat fertige Antworten, weder hier

Haus noch außerhalb dieses Hauses. Natürlich ist es
icht so, dass der Deutsche Bundestag eine Enquete ein-
etzt und dass wir dann nach zwei Jahren mit dem
hema durch sind. Deswegen sollten wir allzu kleinliche
ufrechnungen und Vorhaltungen vermeiden und das
icht dieses Gremiums nicht zu sehr unter den Scheffel
tellen;


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


enn es gibt viel Positives zu bilanzieren. Kaum ein an-
eres Parlament in der Welt beschäftigt sich derzeit so
tensiv und systematisch mit diesen für uns, für die mo-

erne Wissens- und Informationsgesellschaft so grundle-
enden Fragen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das will ich meinen! – Thomas Oppermann [SPD]: Aber einige Parlamente haben es schon hinter sich!)


Wir haben mit der Enquete die Einbindung externen
achverstands in unsere Arbeit institutionalisiert, und
war von der Wissenschaft und den Datenschützern über
en CCC und die Bloggern bis zum BITKOM und der
erbraucherzentrale. Hinzu kommen viele kluge Men-
chen, die uns in Anhörungen beraten. Durch diesen In-
ut, aber auch dank unserer sehr engagierten Mitarbeite-
nnen und Mitarbeiter – das muss man bei der Arbeit,
ie da angefallen ist, wirklich einmal sagen – sowie des





Dr. Konstantin von Notz


(A) )


)(B)

Sekretariats der Enquete, aber auch dank des Engage-
ments des Teams von Adhocracy wird der Output, den
diese Enquete erzeugt, für unsere zukünftige Arbeit, so
glaube ich, sehr wertvoll sein.

Die bislang vorliegenden Zwischenberichte samt
Handlungsempfehlungen sind nicht nur eine grundle-
gende Positionsbestimmung, sondern sie werden als
Kompass die netzpolitische Debatte der nächsten Jahre
in diesem Haus maßgeblich begleiten.

Ich freue mich besonders, dass wir unserem An-
spruch, den fundamentalen Umbrüchen mit entspre-
chend progressiven Ansätzen zu begegnen, ganz über-
wiegend gerecht werden, sowohl beim Datenschutz als
auch bei der Netzneutralität, bei Fragen der Medienkom-
petenz und beim Urheberrecht. Wer hätte am Anfang der
Arbeit dieser Enquete-Kommission gedacht, dass sich
der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend einsetzt
gegen Netzsperren, für mehr Open Data, für verbessertes
E-Government, für mehr Open-Source-Lösungen, für
mehr Creative-Commons-Modelle, für die Privatkopier-
regelung bei Downloads, für die Netzneutralität und für
eine grundlegende Weiterentwicklung des bestehenden
Urheberrechts? Das haben wir alle gemeinsam zu Papier
gebracht. Das alles sind harte Weichenstellungen, und
sie alle gehen in die richtige Richtung. Liebe Kollegin-
nen und Kollegen, damit kann man sehr zufrieden sein.

Neben diesen inhaltlichen Einsichten gibt es auch Po-
sitives bei der Form, wie gearbeitet wird. Da ist nicht nur
Adhocracy, die wir weiterzuentwickeln versuchen.
Heute werden alle Sitzungen der Enquete und auch die
Sitzungen einer Reihe von Projektgruppen gestreamt.
Zudem finden alle Anhörungen öffentlich und mit Betei-
ligungsmöglichkeiten statt. Das alles ist nicht perfekt,
aber, ich finde, es ist ein Anfang, und wir sind auf dem
richtigen Weg.

Ich bin unter dem Strich zuversichtlich, dass diese
Enquete trotz der überhöhten Erwartungen und des bru-
talen Zeitdrucks, der sich entwickelt hat, letztlich ihren
Auftrag erfüllen wird. Ich erwarte aber auch, dass dann
die Bundesregierung beginnt, gemeinsame Handlungs-
empfehlungen umzusetzen


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das haben wir beim TKG schon gemacht!)


– genau, Herr Jarzombek – und in der Tagespolitik nicht,
wie zuletzt beim Telekommunikationsgesetz, genau in
die andere Richtung zu rudern. Das ist ein hoch wider-
sprüchliches Verhalten.

Am Ende reichen die warmen Worte, die Sie im Ko-
alitionsvertrag aufgeschrieben haben, und die Einset-
zung der Enquete selbst nicht aus. Der Gesetzgeber muss
tätig werden: bei der Netzneutralität, beim Datenschutz
in der digitalen Welt, bei der Reform des Urheberrechts
und in vielen anderen Bereichen. Da können Sie, meine
Damen und Herren von der Koalition, sich nicht hinter
dieser Enquete wegducken.

Ganz herzlichen Dank.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/ CSU]: Bis auf das Letzte war es ganz gut!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715300900

Das Wort erhält nun der Vorsitzende der Enquete-

ommission, Axel Fischer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Als vor 13 Jah-
n die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in
irtschaft und Gesellschaft“ dem Deutschen Bundestag
ren Schlussbericht vorlegte, fand sich dort ein bemer-

enswerter Satz. Er lautete: „Kein Stein wird auf dem
nderen bleiben!“

Vor 13 Jahren hatten 6,6 Millionen Menschen in
eutschland Zugang zum Internet. Heute sind es 52 Mil-
onen, drei Viertel der Bevölkerung. Wenn man sich an-
chaut, wie Menschen in Deutschland heute Informatio-
en einholen, wie sie in Kontakt mit Freunden bleiben
der wie sie ihre Arbeit organisieren, dann stellt man
st: Das hat sich in den letzten 13 Jahren tatsächlich

ehr verändert. Diese Entwicklung ist noch lange nicht
n ihr Ende gekommen.

Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Ge-
ellschaft“ hat im Mai 2010 ihre Arbeit aufgenommen.
ereits bei der ersten Sitzung wurde deutlich, dass die
4 Mitglieder dieser Enquete unser Thema aus vielen un-
rschiedlichen Perspektiven behandeln werden. Wenn
nternehmer, Blogger, Journalisten, Künstler, Juristen,
issenschaftler, Gewerkschafter, Programmierer, Ver-
altungsfachleute und Abgeordnete zusammenarbeiten,
ann es dabei nur kontrovers und spannend zugehen.

Diese Erwartung hat sich erfüllt. Bisher lässt sich
ststellen, dass sich der Satz „Kein Stein wird auf dem

nderen bleiben“ auch heute ohne Mühe für den Bericht
er Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesell-
chaft“ verwenden ließe; denn die Entwicklung geht
eiter. Sie nimmt sogar an Dynamik zu.

Was sich in den letzten 13 Jahren nicht sehr verändert
atte, waren die politische Wahrnehmung des Themas
ternet und die Auswirkungen der Digitalisierung auf

ie Gesellschaft. Nicht nur in Deutschland konnte sich
as Thema Internet mit dem Etikett „klein, aber fein“
chmücken. Mit Ausnahme der USA, wo das Netz seit
em Wahlkampf von Barack Obama 2008 einen eigenen
olitischen Raum erobert hat, fristete das Thema Internet
der Politik ein Schattendasein. Erst in jüngster Zeit ist

as Thema mehr ins Zentrum der politischen und media-
n Öffentlichkeit gerückt. Dabei wird deutlich, dass das
ternet mehr als nur ein weiteres technisches Medium
t, das einige mehr und andere weniger versiert nutzen
önnen.

Das Netz ist für viele Menschen ein neuer kultureller,
irtschaftlicher und sozialer Raum, in dem sie viele Frei-
ume haben. In diesem neuen sozialen Raum müssen die
renzen der Freiheit des Einzelnen neu verhandelt wer-





Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)



(A) )


)(B)

den. Lange Zeit waren die durchaus vorhandenen politi-
schen Debatten rund um die Digitalisierung von vielen
Politikern nicht wahrgenommen worden. Das ändert sich
nun zusehends. In aller Bescheidenheit glaube ich, dass
dies auch ein wenig mit der Arbeit der Enquete-Kommis-
sion „Internet und digitale Gesellschaft“ zusammen-
hängt.

Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Ge-
sellschaft“, die heute ihren Zwischenbericht vorlegt, ist
derzeit das einzige parlamentarische Gremium der Welt,
das sich derart umfassend, tiefgreifend und dabei the-
menübergreifend mit den Herausforderungen der Digita-
lisierung für unsere Gesellschaft beschäftigt, und darauf,
denke ich, sollten wir alle stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben damit begonnen, uns die Fragen zu stellen,
die die Digitalisierung der Gesellschaft mit sich bringt:
Wie wollen wir die neuen digitalen Räume gestalten?
Warum gibt es kein deutsches Silicon Valley? Wie gehen
wir mit dem Problem der digitalen Spaltung um, also mit
der Tatsache, dass längst nicht alle Menschen Zugang
zum Netz haben und es nutzen können? Und nicht zu-
letzt: Wie und wo setzen wir Grenzen, beispielsweise bei
der Frage nach einem besseren Schutz vor Kriminalität,
aber auch bei den Schutzbedürfnissen von Urhebern und
Verbrauchern?

Ich muss gestehen, zu Beginn unserer Arbeit über-
rascht darüber gewesen zu sein, wie kontrovers die Dis-
kussionen verliefen und wie weit die Positionen teil-
weise auseinanderlagen. Das lag sicherlich zum Teil
daran, dass wir uns die großen Themen, die kontrovers
diskutiert wurden, zuerst vorgenommen haben: Netzneu-
tralität, Datenschutz und Urheberrecht. Es lag aber mei-
ner Meinung nach auch daran, dass diese Diskussionen
in dieser Breite so bisher überhaupt nicht geführt worden
waren. Bislang waren die Gruppen und Gleichgesinnten
unter sich geblieben, Gegenrede war kaum zu befürch-
ten. Der politische Mainstream hatte das Thema bisher
nicht oder kaum zur Kenntnis genommen.

Aufgrund der Arbeit der Enquete-Kommission sind
die Positionen jetzt klarer, mit mehr Argumenten unter-
füttert und durchdachter. Die Kommission hat sich in ei-
ner sehr zeitgemäßen Weise geöffnet und dabei neue
Wege der Bürgerbeteiligung beschritten. Die Kommissi-
onssitzungen sind zumeist live oder zumindest zeitver-
setzt online zu verfolgen. Eine eigens eingestellte Online-
Redakteurin schreibt Artikel über alle Projektgruppensit-
zungen. In einem Blog und einem Forum werden Mei-
nungen ausgetauscht, auf Twitter wird berichtet. Seit Fe-
bruar letzten Jahres ist es zudem möglich, auf einer
Beteiligungsplattform die Arbeitspapiere der Kommis-
sion in einem frühen Stadium zu kommentieren und ei-
gene Vorschläge zu machen, und schon heute kann ich
feststellen: Die Beteiligung der Bürger hat unsere Arbeit
sehr bereichert. Die Zahl der Bürger, die das Angebot ge-
nutzt haben, blieb zwar unter unseren Erwartungen, die
Qualität der Beiträge übertraf sie jedoch bei weitem.

Wir haben bei diesem bisher einmaligen Experiment
in der Geschichte des Deutschen Bundestages wertvolle

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(C (D rfahrungen sammeln können, und darauf können wir ufbauen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser oche haben die Betreiber der Internetplattform Wiki edia ihr englisches Informationsangebot für einen Tag us dem Netz genommen. All diejenigen, die darauf zureifen wollten, konnten das nicht. Als Grund dafür urde angegeben, dass die verantwortlichen Betreiber wei Gesetzesinitiativen in den USA missbilligen und eren Verabschiedung verhindern wollen. Dieser Vorgang zeigt mir, wie wichtig es ist, in unser vernetzten Welt zu Spielregeln zu kommen, die versslich eingehalten werden. Denn wer sich auf das Netz erlassen soll, der darf nicht verlassen sein. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


t es legitim, wenn vergleichsweise wenige mit ihrem
influss im Netz viele beeinträchtigen können? Wie ge-
en wir mit neu entstehenden Abhängigkeiten um? Wie
emokratisch soll bzw. kann die digitale Gesellschaft
nktionieren? Es werden viele Fragen der Ethik, der Le-

itimität, der politischen Beteiligung, des Gesetzesvoll-
ugs und vieles andere mehr aufgeworfen, die verbind-
ch zu klären sind.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich auf eine wei-
rhin intensive Diskussion innerhalb der Enquete-Kom-
ission; denn, meine Damen und Herren, auf diese Fra-

en müssen wir Antworten geben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715301000

Die Kollegin Aydan Özoğuz ist die nächste Rednerin

r die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Aydan Özoğuz (SPD):
Rede ID: ID1715301100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

rbeit der Projektgruppe Medienkompetenz, von der ich
erichten darf, hat bisher vielleicht am besten aufge-
eigt, für was eine Enquete-Kommission eigentlich gut
t: für eine konstruktive gemeinsame Arbeit mit großer
ereitschaft, dazuzulernen und sich auch auf verschie-
ene Ergebnisse zu verständigen. Das kann man ja leider
icht für die gesamte Arbeit der Enquete-Kommission
agen, wie wir schon gehört haben.

Der Zwischenbericht zum Thema Medienkompetenz
ann sich jedenfalls aus meiner Sicht wirklich sehen las-
en. Dazu haben vor allem die Sachverständigen beige-
agen, von denen ich zwei namentlich erwähnen
öchte, die nachweislich einen sehr großen Anteil an

iesem Bericht haben. Das ist zum einen Professor
olfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut, zum ande-
n ist das Professor Ring, ehemals KJM-Vorsitzender.
eide verdienen wirklich Dank und Anerkennung. Ich





Aydan Özoðuz


(A) )


)(B)


Aydan Özoğuz
glaube, Herr Jarzombek, da werden Sie mir auch zustim-
men.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Machen wir auch!)


– Sie auch, das ist schön. – Wer glaubt, dass es bei den
Diskussionen keine Bandbreite gab, dem möchte ich nur
mitteilen, dass neben besagtem Professor Ring auch
Alvar Freude Mitglied in dieser Projektgruppe war. Da-
mit ist wohl klar, dass wir durchaus eine ganze Reihe
von unterschiedlichen Meinungen zusammenbringen
mussten.

Ich vermute einmal, dass jeder hier im Raum schon
einmal die Forderung nach mehr Medienkompetenz er-
hoben hat oder zumindest davon gehört hat. Der Begriff
löst ja seit einiger Zeit sehr unterschiedliche Reaktionen
aus. Die einen können ihn kaum noch hören, weil sie
sich seit Jahrzehnten damit beschäftigen. Die anderen
wiederum finden, dass es noch viel zu tun gebe, beson-
ders in Bildungseinrichtungen, aber auch in Elternhäu-
sern, und dass wir erst am Anfang des Weges stünden.
Ich finde, dass beide Seiten recht haben und dass es nicht
nur eine Frage der Zeit ist, bis sich hierfür eine Lösung
abzeichnet. Auch neue Generationen wachsen ja nicht
geschlossen mit den gleichen Möglichkeiten, der glei-
chen Ausstattung oder der gleichen Förderung auf, was
gerade in der digitalen Welt zu großen Nachteilen führen
kann.

Unbestritten ist, dass der Begriff „Medienkompetenz“
in den letzten Jahren sehr inflationär gebraucht wurde.
Medienkompetenz gilt vielen auch als das Allheilmittel
für diverse Probleme und Phänomene im Internet. So
wird ganz verzweifelt nach Medienkompetenz gerufen,
wenn zum Beispiel Seniorinnen oder Senioren in Abo-
fallen tappen, wenn Schülerinnen und Schüler zu Mob-
bingopfern im Internet werden und ihre Eltern, sofern sie
es überhaupt erfahren, hilflos danebenstehen oder wenn
Eltern für die illegalen Downloads ihrer Sprösslinge zah-
len müssen.

Mitunter wundere ich mich auch über die Freizügig-
keit, mit der Bilder und private Daten im Netz veröffent-
licht werden. Ein Gespräch mit älteren Jugendlichen
zeigt häufig, dass diese den jüngeren Jugendlichen eher
davon abraten, allzu viel Freizügigkeit im Netz walten
zu lassen.

Ich zitiere zur Rolle der Nutzerinnen und Nutzer in ei-
ner digitalen Öffentlichkeit aus unserem Bericht:

Als Ziel hat die Enquete-Kommission daher die
aufgeklärten Nutzerinnen und Nutzer im Blick, die
sich beispielsweise durch kreatives Schaffen der
Medien bedienen und dabei verantwortungsvoll mit
eigenen persönlichen Daten und respektvoll mit den
Daten anderer Nutzer in den Medien umgehen. Die
Enquete-Kommission betrachtet die Nutzer inter-
aktiver Medien ausdrücklich mehrdimensional: als
Sender und Empfänger, als Konsumenten und Pro-
duzenten, als Wissende und Lernende.

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(C (D Medienkompetenz ist somit nicht nur der Schlüssel zur eilhabe an der digitalen Gesellschaft. Fehlende Medienompetenz hat vielmehr ganz konkrete Auswirkungen uf die Offlinewelt. Medienkompetenz hat erhebliche uswirkungen auf gesellschaftliche Teilhabe, Bildung nd sozialen Aufstieg. Mittlerweile ist sie unverzichtbar eworden. Das gilt vor allem für die Bereiche Schule, usbildung und Beruf. In der Enquete-Kommission haen wir hierfür den Begriff „digitale Selbstständigkeit“ eprägt. Damit ist gemeint, dass jede Bürgerin und jeder ürger in der Lage sein soll, alle Möglichkeiten der digilen Gesellschaft selbstständig zu nutzen und sich leichzeitig aber auch vor den damit verbundenen Risien möglichst gut schützen zu können. Das ist unser Ziel. Wir haben einige Handlungsempfehlungen formuert. Ich möchte nur ganz wenige herausgreifen. Herr lumenthal hatte die erste bereits erwähnt. Es gibt viele irklich tolle Initiativen und Projekte. Natürlich ist es ufgabe von Bund und Ländern, diese Initiativen und rojekte zu bündeln, besser aufeinander abzustimmen nd miteinander zu vernetzen. Darin waren wir uns völg einig. Bund und Länder müssen die Ausund Weiterildung von Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen nd Erziehern, Hochschullehrerinnen und Hochschulhrern und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen die möchte ich noch hinzufügen – an die Medienwirkchkeit anpassen. Medienkompetenz muss ein wichtiger austein in der Ausund Weiterbildung werden. An die änder wiederum richtet sich der Appell, medienpädaogische Inhalte stärker und verpflichtend in den Lehrlänen aller Schularten zu verankern. Wir wissen, dass eue Medien nicht an Staatsgrenzen haltmachen und chon gar nicht an den Grenzen von Bundesländern. Spätestens die Schule muss der Ort sein, an dem Kiner mit neuen Medien in Berührung kommen. Deswegen mpfiehlt die Kommission die Ausstattung aller Schülennen und Schüler ab der Sekundarstufe I mit einem obilen Endgerät. An dieser Stelle ist es mir besonders ichtig, hervorzuheben, dass diese Forderung nur im leichklang mit neuen digitalen Bildungskonzepten einergehen kann. Die SPD-Fraktion hat hierzu ein Sonderotum eingebracht: Wir sagen, der weitere Ausbau der ardwareausstattung oder die Ausstattung aller Schülennen und Schüler mit mobilen Endgeräten sind nur ann sinnvoll, wenn Lehrerinnen und Lehrer damit kometent und souverän umgehen können und wenn Bilungskonzepte dafür vorliegen, wie Computer sinnvoll den Unterricht zu integrieren sind. Eine bloße Aus tattung um der Ausstattung willen halten wir nicht für ielführend. Natürlich ist eine solche Ausstattung auch nicht kosnlos zu bekommen. Hier müssen wir alle konstruktiv usammenarbeiten und nach Lösungen suchen, damit de Schülerin und jeder Schüler unabhängig von der erkunft einen gleichwertigen mobilen Computer beommt. Ebenso möchte ich die Eltern in den Blick nehmen. s bedarf eines Bewusstseins der Eltern für ihre medienädagogische Verantwortung. Dazu brauchen wir ein iedrigschwelliges Beratungsangebot für Eltern. Aydan Özoðuz )





(A) )


Aydan Özoğuz
Zuletzt möchte ich erwähnen, dass die Enquete-Kom-
mission die Forderung erhoben hat, die Forschung im
Bereich Medienkompetenz zielgerichtet voranzutreiben,
da es dort noch große Lücken gibt. Hier möchte ich
meine Verwunderung über die Koalition zum Ausdruck
bringen:


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das war so gut bis jetzt!)


Die SPD-Fraktion hat bei den Beratungen zum Bun-
deshaushalt 2012 den Antrag gestellt, ein neues länger-
fristig angelegtes Programm zur Medienkompetenzfor-
schung zu initiieren. Der Antrag wurde von Ihnen, meine
Damen und Herren von der Koalition, einfach abgelehnt.
Herr Blumenthal sprach eben von einem Gestaltungsauf-
trag. Im ersten Moment, in dem die Gelegenheit dazu ge-
wesen wäre, haben Sie leider schon gleich wieder Nein
gesagt. Das bedauern wir sehr.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD – Sebastian Blumenthal [FDP]: Da bleiben wir dran!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715301200

Das Wort hat der Kollege Jimmy Schulz für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jimmy Schulz (FDP):
Rede ID: ID1715301300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Natürlich begrüße ich auch
die Zuschauerinnen und Zuschauer und Zuhörerinnen
und Zuhörer auf den Zuschauerrängen und zu Hause
ganz herzlich.


(Thomas Oppermann [SPD]: Die im Netz bitte auch begrüßen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zu Hause an den Rundfunkgeräten! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie müssen die Antenne erden!)


– Ja, genau.

Der Abschluss der ersten Projektgruppenstaffel ist ein
guter Anlass, auf die Arbeit der Internet-Enquete bis
heute zurückzublicken. Nachdem das Thema Netzpolitik
bislang sträflich vernachlässigt wurde, ist es nun durch
die Enquete ins Zentrum der politischen Aufmerksam-
keit gerückt worden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben Politik, Wissenschaft, Netzgemeinde und Inter-
netwirtschaft auf Augenhöhe an einen Tisch gebracht –
nicht nur kurzfristig, sondern über einen mehrjährigen
Zeitraum, der Platz lässt für tiefgreifende Diskussionen.

Die Aufteilung der Arbeit in thematische Projekt-
gruppen hat es uns ermöglicht, unsere Themen von allen
Seiten zu beleuchten. Das ist keineswegs selbstverständ-
lich. Wir haben intensiv und konstruktiv diskutiert, wie
schon mehrfach hier hervorgehoben wurde. Wir haben

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(C (D ns sogar gestritten. Aber vor allem haben wir viel voninander gelernt. Die Ergebnisse der Projektgruppen für Medienkometenz, Urheberrecht, Datenschutz und Netzneutralität ind bereits angesprochen worden. Lassen Sie auch mich inige Worte zur Projektgruppe Netzneutralität sagen. Ich glaube, dass man mit Fug und Recht behaupten ann, dass die Projektgruppe Netzneutralität einen groen Anteil daran hatte, mit welchem Enthusiasmus, mit elchem öffentlichen Widerhall ein vermeintliches Or hideenthema wie Netzneutralität im letzten Jahr diskuert wurde. Dies geschah nicht nur in den Blogs und in en IT-Magazinen, also in den üblichen Verdächtigen, ondern auch in der Mainstream-Presse. Nach ausführlihen und zu großen Teilen konstruktiven Diskussionen, ach Anhörung der Fachleute und Experten waren wir ns in der Analyse und sogar im Ziel einig. Der einzige nterschied bestand am Ende darin, wie wir dieses Ziel ines diskriminierungsfreien, neutralen Netzes sichern. Die Frage war, ob es einer sofortigen gesetzlichen Reelung bedarf oder eben nicht. Gerade diejenigen, die mer zu Recht vor einer zu großen Einmischung des taates warnen, sehen hier auf einmal einen akuten staatchen Regulierungsbedarf. Das Internetprotokoll wurde och einst so entwickelt, dass es selbst einen Atomkrieg berstehen kann. Es hat in der Vergangenheit auch eine anze Reihe von Innenministern überstanden. ir brauchen keine Vorratsgesetzgebung. (Beifall bei der FDP – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nein! Wir brauchen eine gesetzlich vorgeschriebene Netzneutralität! – Gerold Reichenbach [SPD]: Haben Sie so etwas in der Vergangenheit nicht zur Bankenregulierung gesagt?)


(Beifall bei der FDP)


ber angesichts der breiten Debatte können wir feststel-
n, dass die Zeit, in der man beklagen musste, dass
etzthemen in der Politik nicht gehört werden, endgültig
orbei ist.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Aufgabe der En-
uete ist es, Leitlinien für die Netzpolitik der Zukunft zu
ntwickeln. Allzu oft haben wir uns in den letzten Mona-
n aber in Diskussionen über Kommata und Fußnoten
erloren. Wir haben uns sehr auf Details bestehender
esetze und Regeln konzentriert, sodass wir zu oft den
lick für das Große und Ganze verloren haben. Das
ringt uns nicht weiter. Wir müssen in den kommenden
rojektgruppen darauf achten, uns nicht in der Tages-
olitik zu verlieren, sondern uns den Sinn für Visionen
u erhalten.

Bei der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ha-
en wir neue Maßstäbe in der parlamentarischen Arbeit
esetzt. Die auch unter www.demokratie.de zu errei-
hende Beteiligungsplattform Adhocracy ermöglicht es
dem, Vorschläge zu machen, über Ideen zu diskutieren
der sogar darüber abzustimmen. Natürlich wünsche
uch ich mir eine breitere Beteiligung. Aber die Diskus-
ion ist anregend, und der Anfang ist gemacht für, wie





Jimmy Schulz


(A) )


)(B)

ich hoffe, ein neues Miteinander zwischen Politik und
Gesellschaft.

Doch was bleibt am Ende? Was kommt nach der
Enquete? Wir müssen darüber nachdenken, wie wir das
Thema Internet und Digitalisierung in Zukunft behan-
deln wollen. Wir müssen einen Weg finden, die Diskus-
sion über das Internet positiv zu besetzen. Die Debatte
wird leider viel zu oft verengt geführt und befasst sich
nur mit dem Bahnhofsviertel des Internets. Ich will die
Chancen, die das Netz uns bietet, beleuchten und zum
Zentrum der Diskussion machen. Wir können vom Inter-
net und von der Digitalisierung so stark profitieren. Es
ist unangebracht, dass wir den Blickwinkel zu sehr auf
die negativen Seiten einschränken.

Die Enquete funktioniert, weil sie unterschiedliche
Fachrichtungen zusammenbringt: Innen- und Rechts-
politik, Wirtschaft, Kultur und Medien, Bildung und
Forschung und sogar Familienpolitik. Digitalisierung
berührt uns alle und in allen Lebensbereichen. Sie muss
deshalb auch politisch fachübergreifend behandelt wer-
den. Ich spreche mich deshalb hier und heute dafür aus,
der Netzpolitik den Raum zu geben, den sie braucht: ei-
nen eigenen Ausschuss und damit einen dauerhaften
Platz im deutschen Parlament.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Guter Ansatz!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715301400

Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Petra Sitte für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715301500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der

Projektgruppe Medienkompetenz haben wir es, anders als
beispielsweise in der Gruppe Urheberrecht, tatsächlich
über weite Teile geschafft, mit den Sachverständigen
wirklich inhaltsorientiert und konsensual zu arbeiten. So
sehe ich es zum Beispiel als großen Fortschritt an – es
wurde schon erwähnt –, dass wir Jugendmedienschutz
nunmehr von einem neuen Ausgangspunkt denken: weg
vom vormundschaftlichen Verbotsdenken gegenüber Ju-
gendlichen hin zu mehr Vertrauen auf die Fähigkeiten von
Jugendlichen, Medien sinnvoll und selbstbewusst nutzen
zu können.


(Beifall bei der LINKEN)


Praktisch heißt das dann auch, Altersfreigaben von Fil-
men oder Spielen für Jugendliche im Netz infrage zu stel-
len und daraus keine Glaubenskämpfe zu machen. – Herr
Brüderle, wäre es vielleicht möglich, dass Sie mir nicht
Ihren Rücken zuwenden? – Jetzt geht er sogar. Schade,
gerade bei dieser Debatte.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das haben Sie jetzt mit Ihrem blöden Hinweis erreicht!)


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(C (D Bei altersgerechter und interaktiver Medienbildung ird zumeist zuerst an Kinder und Jugendliche gedacht. achholbedarf – das haben die Diskussionen in der Meiengruppe gezeigt – haben vor allem ältere Generatioen. Gerade Erwachsene müssen sich permanent im mgang mit digitalen Medien fortbilden. Wie die CDU, sbesondere Herr Altmaier, dokumentiert, können dazu ehr schöne Erlebnisse erzählt werden. Herr Altmaier at es wunderbar zelebriert, wie man sich das Netz bei er politischen Arbeit erobern kann. Ältere können also urchaus ihre Scheu vor immer neuen Geräten überwinen und sie interaktiv nutzen. Allerdings gibt es viel zu wenig Forschung zur Meienbildung Erwachsener. Als Forschungspolitikerin berüße ich daher ausdrücklich, dass die Internet-Enquete ine Stärkung der Wissenschaft in diesem Bereich einrdert. Wir waren uns auch noch relativ einig, dass Medienildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet erden muss, sie aber in Deutschland einen noch viel zu eringen Stellenwert einnimmt. In der sogenannten Bilungsrepublik sind wir meilenweit davon entfernt, Meienbildung strukturiert und dauerhaft in unseren Bildungsinrichtungen anzubieten. Doch wie fast immer, wenn es m soziale Gerechtigkeit geht, hörte dann die fraktionsbergreifende Einigkeit auf. Was meine ich damit? Umssende Medienbildung kann nur funktionieren, wenn uch alle einen Medienzugang haben. Digitale Medien ürfen kein exklusives Spielzeug gut situierter Schichten leiben. Deshalb muss auch für sozial Schlechtergestellte ie Anschaffung und der Besitz von internetfähigen Enderäten möglich werden. h sage es noch einmal, auch wenn es die Kolleginnen nd Kollegen von der CDU/CSU, SPD und FDP nicht so erne hören und mir nicht zugestimmt haben: Ein paar uro mehr beim Hartz-IV-Satz für den Internetanschluss utzen nichts, wenn sich die Leute am Ende nicht einmal inen Computer leisten können. (Beifall bei der LINKEN – Aydan Özoğuz [SPD]: Das haben wir nur aufgeschoben! Das wollen wir prüfen!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


azit: Internetfähige Hardware muss künftig zum Exis-
nzminimum in unserer Gesellschaft gehören.


(Beifall bei der LINKEN)


Einig waren wir uns allerdings bei der Frage eines
otebooks für jede Schülerin und jeden Schüler. Wenn
ir es unabhängig vom Geldbeutel der Eltern schaffen,
iese Notebooks jeweils in den Schulranzen zu bekom-
en, wäre es eine richtig gute Sache. In vielen Ländern
t das längst der Fall. Wie visionär ein solches Projekt
t, zeigt sich beispielsweise daran, dass die KMK das
tzte Mal vor vier Jahren eine Erhebung zur IT-Ausstat-
ng deutscher Schulen durchgeführt hat. Natürlich dür-
n Schülernotebooks nicht auf geschlossene Betriebs-

ysteme oder auf bestimmte Programme eingeschränkt
erden. Natürlich müssen Lerninhalte offen und flexibel





Dr. Petra Sitte


(A) )


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gestaltet werden. Natürlich brauchen wir digitale Schul-
bücher. Warum sollen Kinder und Jugendliche kiloweise
Papier durch die Gegend schleppen, wenn wir Lernmate-
rial digital anbieten können,


(Beifall bei der LINKEN)


Lernmaterial übrigens, das Lehrerinnen und Lehrer in
der Unterrichtsvorbereitung kollaborativ, also gemein-
sam erstellen und jederzeit aktualisieren können? Das
wäre natürlich aber auch nur möglich, wenn wir es end-
lich schaffen, das Urheberrecht an diesem Punkt anzu-
passen. Wir warten bis heute auf den Dritten Korb der
Urheberrechtsnovelle. Deshalb muss Schluss sein mit
der Verzögerung der Urheberrechtsnovelle. Die Ände-
rungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich müssen
endlich erfolgen. Alles andere würde bedeuten, Wissens-
potenziale des Internets fahrlässig auszubremsen.

Die Projektgruppe Medienkompetenz hat für die On-
lineoffensive durchaus gute Vorschläge gemacht. Die
Linke hat ihre Reformvorschläge für das Urheberrecht,
wie beispielsweise die Bildungs- und Wissenschafts-
schranke oder die Förderung von Open Access, längst in
den Bundestag eingebracht. Hier wie dort darf die Re-
gierung kopieren, kopieren, kopieren – und sie muss des-
wegen nicht einmal zurücktreten.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Meine Güte!)


Ich bedanke mich.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715301600

Das Wort hat die Kollegin Tabea Rößner für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715301700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist einiges Kriti-
sches über die Arbeit in der Enquete-Kommission gesagt
worden. Im Gegensatz zu den Projektgruppen Daten-
schutz, Urheberrecht und Netzneutralität kann man die
Projektgruppe Medienkompetenz geradezu als Hort der
Harmonie bezeichnen.

Wir haben zwar in der Sache hart diskutiert, insge-
samt waren die Beteiligten jedoch alle an einem Konsens
interessiert. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten
ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit danken, nicht
zuletzt denjenigen, die sich über die Beteiligungsplatt-
form Adhocracy eingebracht haben. Wir haben in dieser
Projektgruppe tatsächlich fast alle Vorschläge einarbei-
ten können.

Ich hoffe, dass die aktuellen und künftigen Projekt-
gruppen sich ein Beispiel an der Projektgruppe Medien-
kompetenz nehmen; denn im Endeffekt schaden die
Querelen in der Enquete-Kommission dem Ansehen die-
ses Hauses insgesamt. Die vorangegangenen Reden ha-
ben mir gezeigt, dass alle Kolleginnen und Kollegen
eine konstruktive Fortführung und einen erfolgreichen
Abschluss unserer Arbeit wollen. Ich hoffe, das bleiben
keine Lippenbekenntnisse.

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(C (D Die teils unerfreulichen Begleitumstände der nquete-Kommission sollen uns nicht vollends von den halten ablenken. Stellen Sie sich daher bitte drei Sze arien vor: Ein älterer Herr sucht im Internet nach einem ochrezept und tappt dabei in eine Abofalle; (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Ole von Beust!)


in Teenager stellt unbedacht alberne Fotos von sich bei
acebook ein und wird zum Gespött der Schule; ein
olitiker twittert einen missverständlichen Kommentar,
nd eine virtuelle Welle der Empörung bricht über ihn
erein, sein Name wird sogar Trending Topic.

Tja, werden Sie sagen, wären diese drei nur medien-
ompetenter gewesen. – Alle rufen immer nach Medien-
ompetenz, wenn es darum geht, Menschen vor Fehlern

Internet zu bewahren. Selbst beim höchstumstrittenen
ugendmedienschutz-Staatsvertrag waren sich alle einig:

ir brauchen mehr Medienkompetenz. – Wie aber die-
es Mehr an Medienkompetenz genau aussehen muss,
aran scheiden sich die Geister.

Medienbildung darf nicht der kleinste gemeinsame
enner sein. Wir stehen in Zeiten des digitalen Wandels
or einer Mammutaufgabe. Deshalb ist es gut, dass wir
s in der Projektgruppe Medienkompetenz geschafft ha-
en, uns weitgehend auf einen Text zu einigen. Dabei
ill ich drei wichtige Punkte herausstreichen:

Erstens halte ich es für wichtig, dass die bereits vor
rei Jahren im medienpädagogischen Manifest beklagte
Projektitis“ endlich eingedämmt wird. Bewährte An-
ätze müssen wir ausweiten und verstetigen. Wir wollen
einen blinden Aktionismus und auch nicht, dass Me-
ienbildung zu Profilierungszwecken instrumentalisiert
ird. Deshalb empfehlen wir im Bericht, dass bei ge-
lanten Maßnahmen zunächst der Bedarf erhoben wird,
iele definiert und die Ergebnisse evaluiert werden. Vor
llem aber fordern wir eine stärkere und verpflichtende
erankerung von medienpädagogischen Inhalten in den
ehrplänen und in der pädagogischen Ausbildung.

Zweitens ist mir wichtig, dass die Aktivitäten im Be-
ich Medienpädagogik besser vernetzt werden, denn sie

iehen sich durch viele Politikfelder. Das wurde von ei-
igen Rednern bereits benannt. Es gibt zahlreiche Initia-
ven und Projekte. Damit aber nicht überall das Rad neu
rfunden werden muss und sich erfolgreiche Ansätze
erbreiten können, muss es einen regen Austausch ge-
en. Der Bund kann hier eine koordinierende Rolle über-
ehmen.


(Zuruf von der FDP: Das sagen Sie mal den Händlern!)


Drittens halte ich es für wichtig, dass wir Medien-
ompetenz nicht nur als Mittel zur Risikovermeidung se-
en, was sie meiner Ansicht nach auch gar nicht leisten
ann. Wir können höchstens Risiken minimieren. Nein,
edienkompetenz ist viel mehr: Sie befähigt zur gesell-

chaftlichen Teilhabe im digitalen Raum.

Im Bericht haben wir daher nicht nur die Chancen der
euen Medien herausgestellt, sondern auch die Risiken
enannt. Ja, man kann viele Fehler machen, wenn man





Tabea Rößner


(A) )


)(B)

sich im Internet bewegt; man kann sich aber auch groß-
artige neue Möglichkeiten erschließen. Für beides
braucht man umfassende Medienbildung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In den vergangenen Monaten hat uns das Thema
Cybermobbing immer wieder beschäftigt. Hier stoßen
wir an die Grenzen dessen, was Medienkompetenz tat-
sächlich leisten kann. Mobbing hat es zwar schon immer
gegeben, ob auf dem Pausenhof oder am Arbeitsplatz,
jedoch haben sich die Form und die Massivität durch das
Internet geändert. Wir müssen daher Medienbildung
ganzheitlich betrachten: Es geht nicht allein darum, tech-
nische Fertigkeiten zu erwerben oder die Urteilsfähigkeit
bei der Bewertung von Inhalten zu schärfen; es geht vor
allem auch um das Zusammenleben in einem neuen
Raum und das respektvolle Miteinander. Das, meine Da-
men und Herren, ist ein gesamtgesellschaftlicher Auf-
trag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Medienkompetenz lässt sich natürlich nicht lernen
wie Mathe oder Geschichte; Frontalunterricht, graue
Theorie und Abfragewissen sind fehl am Platz, wenn es
darum geht, jemandem beizubringen, wie man sich si-
cher und vor allen Dingen auch effektiv im Netz bewegt.
Surfen ist selten ein Selbstzweck: Meist ist man auf der
Suche nach Informationen, kommuniziert mit anderen
oder schafft selbst Inhalte. Genauso funktioniert auch
das Medienlernen: durch Ausprobieren, Selbstmachen
und Sammeln von Erfahrungen. Das betrifft nicht nur
Kinder und Jugendliche, sondern eben auch ältere Men-
schen: Eltern, Berufstätige, auch Soldaten, nicht zuletzt
Politiker. Je nach Alter, Wohnort, Beruf und Interessen-
lage entscheidet sich, welche Fähigkeiten und Kennt-
nisse eine Person medienkompetent machen. Da kann
der 16-jährige Berliner Großstadtjunge genauso viel da-
zulernen wie die 45-jährige Bundestagsabgeordnete aus
Mainz.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Ich hoffe, dass die Enquete ebenfalls dazulernt und
wir uns für die kommende Arbeit in den Projektgruppen
genügend Zeit nehmen und konstruktiv miteinander ar-
beiten, damit wir am Ende hier positiv über den Ab-
schlussbericht sprechen können.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715301800

Das Wort hat der Kollege Thomas Jarzombek für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1715301900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe

mein Leben lang in der IT gearbeitet. Als ich in den

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(C (D undestag gewählt wurde, habe ich mich gefragt: Wo ann ich all das Wissen, das ich gesammelt habe, einringen? Insofern bin ich dankbar, dass es diese nquete-Kommission gibt; denn sie bietet zum ersten al einen sehr prominenten Platz, an dem man über das ternet und über Netzpolitik reden kann. Die Enquete-Kommission hat allen, die daran beteigt sind, nicht nur einen Platz für Netzpolitik mit Strahlraft eingeräumt, sondern auch uns alle vor Langeweile eschützt: So viele Rednereinsätze an Abenden in Berlin ie auch im Wahlkreis hatte ich bei anderen Themen elten; ich fand es durchaus unterhaltsam. Allerdings muss man auch sagen – das ist mein perönliches Fazit nach knapp zwei Jahren –: Mich stört, ass wir in dieser Enquete-Kommission viel zu sehr Taespolitik gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


nstatt das große Bild zu entwickeln und uns auf Ge-
einsamkeiten der Netzpolitiker zu beziehen, anstatt

ns die Frage zu stellen, wie wir eigentlich die Internet-
gulierung der Zukunft gestalten wollen, haben wir ver-

ucht, tagesaktuelle Streitfragen in diese Enquete-Kom-
ission hineinzutragen.

Hier hebt sich die Projektgruppe Medienkompetenz,
ie ich finde, sehr deutlich ab; denn es gab ein sehr kon-

truktives Klima. Meine Kollegen haben es mir als Pro-
ktgruppenvorsitzendem leicht gemacht, hier zu einem
uten Ergebnis zu kommen. Dafür bedanke ich mich. –
kay, keiner applaudiert sich selbst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h dachte, wenn man Kollegen lobt, sei das eine sichere
arantie für Applaus.

Der Mitgründer des Chaos Computer Clubs, Wau
olland, hat einmal gesagt:

Jede Oma, die es schafft, einen modernen Videore-
corder zu programmieren, ist eine Hackerin.

as verdeutlicht ganz gut, worin die Herausforderung
ei der Vermittlung von Medienkompetenz besteht: Wir
üssen viele mitnehmen. Ich glaube, wir haben – schon

or mehr als einem halben Jahr – einen guten Bericht
orgelegt, der in der Szene mittlerweile viel Anerken-
ung gefunden hat und den ich heute gar nicht mehr im
inzelnen präsentieren möchte; denn er hat schon die
unde gemacht.

Es gibt ein Programm, das ich besonders spannend
nde – das haben auch schon einige Kolleginnen und
ollegen vor mir hier genannt –, nämlich das Programm

Ein Laptop für jeden Schüler“. Denn wir haben festge-
tellt, dass wir es ein bisschen mit dem Henne-Ei-Pro-
lem zu tun haben. Überall in der Schule wird viel zu
enig mit dem Internet gearbeitet. Es findet viel zu we-
ig Vermittlung von Medienkompetenz statt. Immer
ieder wird gefragt: Sollen wir erst Fortbildungen für
ehrer machen, oder sollen wir erst in Ausstattung in-
estieren?


(Aydan Özoğuz [SPD]: Beides!)






Thomas Jarzombek


(A) )


)(B)

Wir haben viel zu lange Klassensätze gekauft und
Computerräume ausgestattet und so letzten Endes dazu
beigetragen, dass zu viele die Gelegenheit haben, sich
wegzuducken und nicht über das Internet zu reden. Sie
könnten beispielsweise im Spanischunterricht spanische
Zeitungsartikel behandeln und im Deutschunterricht re-
flektieren, welcher Quelle sie im Internet eigentlich ver-
trauen können und welcher nicht. Das wird aber leider
nicht gemacht.

Deshalb sind wir konsensual zu der Meinung gelangt,
dass wir jedem Schüler einen eigenen Laptop oder ein
eigenes Tablet in die Hand geben müssen, um sie dazu
zu zwingen, sich mit dem Netz auseinanderzusetzen.


(Aydan Özoğuz [SPD]: Aber der Lehrer braucht auch etwas in der Hand!)


Ich glaube, das ist ein guter Weg, den wir jetzt über die
Länder und Kommunen verfolgen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gab beeindruckend viele Initiativen zur Förderung
der Medienkompetenz, und wir haben alle gewürdigt.
Darauf möchte ich verweisen und mich bei all denjeni-
gen bedanken, die dazu beigetragen haben. Ich möchte
mich auch bei unseren externen Sachverständigen, die
sich über Adhocracy beteiligt haben, bedanken; denn wir
haben viele ihrer Gedanken aufgegriffen. Ich möchte
mich bei den Professoren Ring und Schulz bedanken, die
sich – so finde ich – sehr stark als Sachverständige ein-
gebracht haben.

Ich möchte an dieser Stelle ein weiteres Thema plat-
zieren, das auch bezüglich der Herausforderungen, vor
die uns der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stellen
wird, eine Rolle spielen wird, nämlich die Frage der Ein-
beziehung der Eltern.

Wir haben auch heute hier viel über Schüler geredet.
Ich glaube, dass die Angebote zur Förderung der Me-
dienkompetenz von Eltern nach wie vor unzureichend
sind. Deshalb möchte ich einfordern, dass wir ein Recht
auf Medienkompetenz für Eltern schaffen, dass wir die-
ses Recht auch in Landesgesetzen verankern und dass es
einen konkreten Ansprechpartner gibt, bei dem Eltern
ihr Recht auf Förderung ihrer Medienkompetenz geltend
machen können. Allein ein undefiniertes Recht hilft
nicht. Ich wünsche mir vielmehr, dass an jeder Schule
ein Lehrer, engagierte Eltern, ehrenamtliche Dritte oder
vielleicht auch Schüler oder Gruppen von Schülern dafür
sorgen – sie können beispielsweise Elternabende veran-
stalten und im Rahmen dieser über Medienkompetenz
informieren –, dass Eltern ihr Recht einlösen können.
Das ist aus meiner Sicht eine sehr wichtige Forderung an
dieser Stelle.


(Aydan Özoğuz [SPD]: In Hamburg haben die das schon!)


Wir haben rund um das Thema Jugendmedienschutz-
Staatsvertrag gesehen, dass sich die Regulierung des
Rundfunks weiterentwickelt hat. Sebastian Blumenthal
hat das sehr gut zum Ausdruck gebracht: Wir können die
Regulierungsmechanismen des Rundfunks nicht eins zu
eins auf das Internet übertragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Deshalb ist es mir wichtig – und dafür wird sich auch ie CDU einsetzen, und ich meine, auch von einigen änderkollegen gehört zu haben, dass sie den Gedanken ut finden –, dass wir neben den Alterskennzeichnungen 6“, „12“ und „18“ – diese Kennzeichnungen kennen ir bereits von professionellen Medien – im Internet ine weitere Kennzeichnung einführen, und zwar ein Reime von Kennzeichnungen für bloggerund nutzergeerierte Inhalte, die ein Stück weit selbstreguliert sind nd bei denen Mechanismen des Crowdsourcings grein. Wir müssen also – das würde den freiwilligen elbstkontrollen ähneln, die wir schon heute von der ilmwirtschaft bis zur Spieleindustrie haben – auch bei loggerund nutzergenerierten Inhalten eine freiwillige elbstkontrolle einfordern. Wir haben es geschafft, das Zugangserschwerungsgeetz zurückzunehmen und zu sagen, dass wir keine Spern im Internet haben wollen. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist euch aber auch schwergefallen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h glaube, dass es als nächster Schritt gut wäre, auch
uf Länderebene zu sagen, dass wir uns vom Instrument
er Sperrverfügungen lösen wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In mehr als zehn Jahren wurde noch kein einziges
al eine Sperrverfügung erlassen. Professor Ring als

er scheidende KJM-Vorsitzende erklärte, es sei tech-
isch auch nur schwer möglich, das zu tun. Ich meine,
enn man es ohnehin nicht machen kann, dann sollte
an sich davon auch verabschieden, um hier nicht einen
indruck zu erwecken, den man gar nicht erwecken
öchte. Nur aus Jugendschutzgründen Inhalte für alle zu

perren, wäre meiner Ansicht nach unverhältnismäßig.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Ich möchte abschließend noch ein Thema ansprechen.
Zusammenhang mit dem Jugendmedienschutz-

taatsvertrag reden wir immer über Jugendschutzpro-
ramme. Für mich ist es wichtig, dass man in der Verlän-
erung von Anerkennungen, die jetzt anstehen, voraus-
etzt, dass diese auch für mobile Geräte verfügbar sind.
enn Jugendliche surfen heute nicht mehr vorwiegend
it Windows-PCs, sondern mit Smartphones und
ablet-PCs. Auch hierfür müssen wir Lösungen finden.

Ich freue mich, das mit Ihnen gemeinsam anzugehen.
um Schluss meiner Rede möchte ich den Chefredakteur
on Prentice Hall aus dem Jahre 1957 zitieren, der ge-
agt hat: Ich habe die Länge und Breite dieses Landes
ereist und mit den besten Leuten geredet und kann Ih-
en versichern, dass Datenverarbeitung ein Tick ist, wel-
her dieses Jahr nicht überleben wird.

Die Enquete-Kommission hat fast schon das zweite
ahr überlebt. Deshalb bin ich zuversichtlich: Wir wer-
en auch in der nächsten Zeit einen guten Job machen.

Ich danke Ihnen vielmals.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715302000

Das Wort hat der Kollege Gerold Reichenbach für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1715302100

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Zuschauer und Zuhörer! Früher hätte man
gesagt: Rezipienten; das würde auch die Twitterer und
Blogger umfassen.

Die Enquete ist ein bisschen wie ihr Gegenstand, das
Internet: nicht nur gut oder nur schlecht, nicht nur
schwarz oder nur weiß, sondern es gibt Licht und Schat-
ten. Deswegen sollte man sich davor hüten, die Enquete
und ihre Arbeit schlechtzureden; aber man sollte sie
auch nicht nur gutreden.

Natürlich war es so, Kollege Jarzombek, dass viele
Themen nicht ausdiskutierbar waren, weil die Abgeord-
neten der Koalitionsfraktionen Rücksicht auf die Kon-
flikte in der Koalition in der aktuellen Tagespolitik ge-
nommen haben. Und natürlich war es so, dass ein Teil
der Arbeit leider dadurch geprägt war, dass man unange-
nehme Entscheidungen und Abstimmungen durch Ta-
gesordnungstricks, durch Verschieben, durch Sitzungs-
unterbrechungen zu verhindern versuchte und mit
solchen Instrumenten teilweise auch den einen oder an-
deren Sachverständigen aus den eigenen Reihen zu dis-
ziplinieren versuchte.


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das ist was ganz Neues im Deutschen Bundestag!)


Das hat leider auch das Bild der Enquete in der Öf-
fentlichkeit und in der Szene stark geprägt. Dieser Ein-
druck ist zutreffend; aber das ist eben nicht alles. Es gab
– wir haben es angesprochen – in den Arbeitskreisen
breite Diskussionen, getragen von den Sachverständigen
und von den Abgeordneten und in der Vorarbeit übrigens
auch – in diese Richtung ebenfalls herzlichen Dank –
von den Mitarbeitern der Abgeordneten, der Fraktionen
und des Sekretariats der Enquete. In vielen Bereichen
konnten, wenn auch manchmal kontrovers – gerade im
Bereich des Datenschutzes gab es oft weder für die eine
noch für die andere Empfehlung eine Mehrheit –, zumin-
dest Perspektiven, Themenfelder und Konflikte aufge-
zeigt werden. Ich glaube, das ist gut so. Aber ich glaube
auch, dass wir uns – wir sollten uns da nicht unter Zeit-
druck setzen lassen und im Zweifel das Parlament bitten,
den Arbeitsauftrag zu verlängern – am Ende an der Qua-
lität unserer Arbeit orientieren sollten und nicht nur da-
ran, dass wir etwas vorlegen.

Natürlich ist es so, dass wir uns im Internet mit neuen
Qualitäten auseinanderzusetzen haben. Im Gegensatz
– das muss man offen ansprechen – etwa zum Bereich
der Medienkompetenz gibt es viele Bereiche, in denen es
gravierend unterschiedliche Einschätzungen gibt. Sie
alle kennen den schönen Witz, der nicht nur an Stammti-
schen, sondern manchmal auch in den Fraktionen über
die internetaffinen Politiker und Parteien gemacht wird:
Sie sitzen sich mit Laptops oder Smartphones gegenüber
und unterhalten sich über Twitter. Und dann lacht alles.

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(C (D (Manuel Höferlin [FDP]: Tragisch! Ich twittere Ihnen meine Meinung dazu, Herr Kollege!)


ie Tatsache, dass noch immer viele über diesen Witz
chen, sagt weniger etwas über die Situation im Netz

us als über diejenigen, die darüber lachen. Denn sie ver-
ennen völlig die Qualität des Netzes. Wenn ich jeman-
em gegenübersitze und mit ihm direkt spreche, dann
eschränkt sich die Kommunikation mit ihm auf die
eichweite meiner Akustik. Sie ist gebunden an Raum
nd Zeit. Wenn ich die Kommunikation ins Netz trage,
ann können auch Leute partizipieren, die nicht anwe-
end sind. Sie können zu einem viel späteren Zeitpunkt
ntworten und in andere Kommunikationszusammen-
änge eintreten. Dieses Beispiel ist symptomatisch für
as ganze Netz. Die Unabhängigkeit von Raum und Zeit

Netz, die teilweise durch Kommunikationsstrukturen,
ber auch durch Daten und Datenerfassung gegeben
ird, ist zum einen ein Vorteil, zum anderen stellt sie

ine Gefahr dar; denn den natürlichen Schutz der Per-
önlichkeitsrechte, die uns Raum und Zeit oft bieten,
ibt es im Netz vielfach nicht mehr. Vieles kann ausge-
rscht und verknüpft werden, was in der normalen ana-
gen Welt nicht ausforschbar und nicht verknüpfbar ist.

Hier liegt der Kern unserer grundsätzlichen Aus-
inandersetzungen. Es stellt sich schon die Frage: Funk-
oniert das alles nur durch reine Selbstorganisation nach
em Motto der alten, gescheiterten Mär „Der Markt wird
s schon richten“? Man könnte sagen: Das Netz wird es
chon richten. – Ein großer Teil der Mitglieder der En-
uete hat daran seine Zweifel; denn wir haben erlebt,
ass die Selbstregulierungskräfte und die Marktkräfte
uf den Finanzmärkten eben nicht zu Regulierungen ge-
hrt haben. Wir haben gerade schmerzlich erfahren
üssen, dass fehlende Regulierung dazu führen kann,

ass sich brutal unsoziales und teilweise sogar asoziales
erhalten durchsetzt. Beim Thema Internetstalking ha-
en wir erlebt, dass das auch im Netz passiert.


(Jimmy Schulz [FDP]: Schily hat das alles richtig gut gemacht!)


Lieber Jimmy Schulz, natürlich ist es wichtig, Kompe-
nzen im Internet zu erwerben. Die Frage ist nur: Reicht
as aus? Keiner käme auf die Idee, zu sagen: Wir stärken
ie Kompetenz im Bereich Baukunde, und deswegen
erzichten wir künftig darauf, Geländer vorzuschreiben.
as Problem ist doch, dass wir ein Ungleichgewicht im
etz haben – so war es auch in der Finanzkrise – zwi-

chen denjenigen, die konstruieren, die Abläufe kennen
nd sie nutzen können, und denjenigen, die konsumie-
n. Deswegen gab es eine zentrale Auseinandersetzung

m die Frage: In wie vielen Bereichen müssen wir den
erbraucher durch Regulierung schützen? Es geht also
m das zentrale Feld des Datenschutzes.

Leider konnten wir uns in vielen Bereichen nicht eini-
en. Wie sieht es denn aus? Kann ich den Verbraucher in
einem Surfverhalten ausforschen und sagen: Du hast ja
kzeptiert, dass der Browser so eingestellt bleibt, wie er
t? Muss ich dafür seine Zustimmung erhalten? Es geht
icht um die Frage, ob jemand im Netz reguliert oder re-
lementiert wird, sondern es geht um die Frage, ob er





Gerold Reichenbach


(A) )


)(B)

das, was er zulässt, auch bewusst zulässt, oder ob ihm
die Daten sozusagen aus der Tasche geklaut werden und
er gar nicht mitbekommt, was ihm passiert.

Leider muss man feststellen: Wir haben uns oft nur
auf Formulierungen einigen können, die konsensual re-
lativ schwach sind. Ich darf zitieren:

Deshalb empfiehlt die Enquete-Kommission dem
Deutschen Bundestag, die Informationspflichten so
auszugestalten, dass die Informationen von der Art
und vom Umfang her die Grundlage für informierte
und freiwillige Einwilligungen bilden, …


(Beifall des Abg. Manuel Höferlin [FDP])


Na super! Was denn nun?


(Manuel Höferlin [FDP]: Super formuliert!)


Opt-in oder Opt-out, Privacy by Design, Privacy by De-
fault – alles bleibt völlig schwammig und offen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich
glaube nicht – das Gleiche gilt auch für den Beschäftig-
tendatenschutz –, dass die Arbeit der Enquete zu Ende
ist. Jimmy, wir greifen deine Idee gerne auf – auch wenn
du dich jetzt lieber mit deiner charmanten Kollegin als
mit mir beschäftigst –, dass die Enquete ähnlich wie bei
der Enquete „Bürgerschaftliches Engagement“ am Ende
den Vorschlag unterbreitet, einen eigenen Ausschuss zu
diesem Thema einzurichten, der dann vom nächsten
Bundestag übernommen wird. Selbst dann haben wir ein
gutes Maß an Arbeit geleistet. Ich vertraue darauf, dass
wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode stärker
sachorientiert arbeiten. Wir sollten uns daran orientieren,
dass die Arbeit an diesem wichtigen Thema weitergeht,
damit wir weiterhin agieren und diskutieren können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715302200

Das Wort hat der Kollege Manuel Höferlin für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Manuel Höferlin (FDP):
Rede ID: ID1715302300

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zu-
schauer an den Fernsehgeräten und im Internet!


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Im Livestream!)


Ich begrüße auch diejenigen, die es später als Podcast
ansehen werden. Datenschutz ist auch eine Frage von
Medienkompetenz. Ich glaube, das haben wir in der
Enquete lernen können. Die einzelnen Projektgruppen
konnten wir nicht separat betrachten, aber es gab immer
wieder Schnittpunkte zwischen den Projektgruppen. Ich
habe als Vorsitzender der Projektgruppe Datenschutz öf-
ter den Hinweis gegeben, dass manches eher ein Thema
für die Projektgruppe Medienkompetenz sei. Die The-
men Medienkompetenz und Datenschutz greifen in-
einander, Herr Kollege Reichenbach – jetzt unterhält er

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(C (D ich mit einer netten Kollegin neben ihm, wie es Jimmy chulz vorhin mit seiner Kollegin getan hat –, as haben wir gelernt. Ich freue mich, dass es auch dir elungen ist, das zu erkennen. Die Projektgruppe Datenschutz hat seit der Konstiturung im Juni 2010 18 Sitzungen durchgeführt, in denen iel diskutiert wurde, in denen viele Ideen nicht nur von nseren offiziellen Sachverständigen, sondern auch vom ogenannten 18 Sachverständigen eingebracht wurden. ir haben schon ein paar Sachverständige genannt. Ich laube, jedem von uns war vor Beginn der Arbeit in der nquete der Name „MrTopf“ kein Begriff. Jetzt wissen ir: Es ist einer der 18. Sachverständigen, die sich imer stark einbringen. Ich bin dankbar, dass es viele gab nd gibt, die dies über die Beteiligungsplattform geacht haben. Es hat übrigens zu Beginn lange gedauert, is sie aufgebaut war. Wir haben uns in der Projektruppe zuerst über das Forum beholfen. Auch darüber urden gute Ideen eingebracht. Dies hat uns gezeigt: icht die Technik ist entscheidend, sondern vor allen ingen ist die Beteiligung der Community, um den Beriff wieder einmal zu benutzen, relevant. Wer sich einringt, wird in dieser Projektgruppe auch gehört. Über iele gute, qualitativ hochwertige Ideen wurde zuminest diskutiert; einige wurden übernommen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben in den Handlungsempfehlungen – das war
tztlich strittig; darüber wurde am meisten diskutiert –
Bereich Datenschutz viele konsensuale Punkte aufge-

ommen. Ich bin sehr froh darüber. Ich sehe es nicht so
egativ wie Sie, Herr Kollege Reichenbach, wenn wir
ine Formulierung finden, die die Frage nicht ganz be-
ntwortet.


(Gerold Reichenbach [SPD]: „Nicht ganz“ ist gut!)


ie Enquete-Kommission beschließt eben nicht alles,
ondern sie gibt Handlungsempfehlungen. Sie gibt dem
eutschen Bundestag nicht vor, wie er zu handeln hat.
h finde es richtig, dass hier im Deutschen Bundestag

m Ende die Schlussfolgerung gezogen wird, was getan
ird, nachdem wir aufgezeigt haben, welche Möglich-
eiten es gibt.

Wir haben in der Projektgruppe Datenschutz bei eini-
en Punkten erlebt, dass sich, wenn es zwei Positionen
ab, die unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel dar-
tellten, keine Mehrheit für eine der Positionen finden
eß. Ich finde auch das nicht negativ. Wir konnten zei-
en, dass es zwei Optionen gibt. Der Deutsche Bundes-
g hat nach Vorlage des Berichts die Möglichkeit, inten-

iv über diese zwei Optionen zu lesen. Natürlich weiß
icht jeder außerhalb der Enquete so viel darüber wie
ir; wir konnten in dieser Zeit viel darüber lernen. Des-
egen ist es gut und sinnvoll, dass teilweise ausführliche
exte über diese Themen vorliegen.


(Beifall bei der FDP)






Manuel Höferlin


(A) )


)(B)

Wichtig ist für uns auch, zu verstehen, dass Daten-
schutz nicht nur eine rechtliche Herausforderung ist,
sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir
haben zum Beispiel intensiv über Fragen der Anonymi-
tät und des Umgangs mit Identitäten in den Netzwerken
diskutiert. Dies betrifft häufig auch Tagespolitik. Wir ha-
ben erlebt, dass tagespolitische Themen von Kollegen
der Opposition bewusst eingebracht wurden. Dies zu be-
mängeln und den Koalitionsfraktionen vorzuwerfen,
dass man darauf geachtet hat, dass tagespolitische Ent-
scheidungen nicht blockiert werden, ist etwas scheinhei-
lig. Sie haben solche Themen bewusst eingebracht. Da-
bei ist klar, dass wir als Regierungskoalition darauf
achten, dass aktuelle Punkte, auf die wir uns gerade
– teilweise nach intensiven Diskussionen in der Koali-
tion oder in den Fraktionen – geeinigt haben, auch um-
gesetzt werden.

Lassen Sie mich zum Ende noch Dank sagen. Ich
möchte Dank sagen an all die Kollegen in allen Fraktio-
nen, die konstruktiv mitgearbeitet haben, an die Sachver-
ständigen, an die Mitarbeiter, auch die Mitarbeiter des
Sekretariats, die sehr viele Texte sortieren mussten und
dies sehr gut geschafft haben. Ich glaube, wir müssen
vor allen Dingen den von außen aktiv Beteiligten dan-
ken. Die Möglichkeit zur Beteiligung haben wir geschaf-
fen, aber es reicht nicht, diese nur zu schaffen. Sie muss
auch genutzt werden. Deswegen richte ich einen herzli-
chen Dank an die Sachverständigen außerhalb des Parla-
ments, die uns bei der Arbeit geholfen haben.

Ich freue mich auf die zweite Hälfte und hoffe, dass
wir weitere strittige, nicht immer konsensuale, aber am
Ziel orientierte Berichte erstellen werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715302400

Das Wort hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1715302500

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Es passt sehr gut, dass wir über das Thema Medien-
kompetenz als erstes inhaltliches Ergebnis der Arbeit der
Enquete-Kommission hier im Plenum diskutieren. Me-
dienkompetenz ist zwar nicht die Antwort auf alle Fra-
gen, die sich uns im Zusammenhang mit dem Internet
stellen. Aber nur ein aufgeklärter, mündiger Nutzer kann
die Chancen realisieren, die sich ihm im Zusammenhang
mit dem Internet bieten, und nur ein aufgeklärter, mündi-
ger Nutzer kann mit den Risiken umgehen, die mit einer
Nutzung des Netzes verbunden sind.

Medienkompetenz kann nicht gesetzlich verordnet
werden. Ihre Vermittlung ist auch nicht allein Aufgabe
des Staates. Aber der Staat muss und kann entsprechende
Bildungsangebote initiieren und fördern. Ein wichtiger
Erkenntnisgewinn und ein wichtiges Ergebnis der Arbeit
der Enquete-Kommission ist für mich persönlich, dass
im Zwischenbericht eine lange Liste von Initiativen, die

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(C (D s in diesem Bereich schon gibt, zu finden ist. Das Rad uss nicht neu erfunden werden. Aber es ist eine wichge Handlungsempfehlung, die bestehenden Angebote esser zu vernetzen. Die Vermittlung von Medienkompetenz ersetzt nicht ndere staatliche Aufgaben wie zum Beispiel den Verraucherschutz oder den Jugendmedienschutz. Da gibt s natürlich auch Berührungspunkte. Eine große Leisng der Enquete-Kommission in diesem Bereich ist, ass man sich im Konsens auf ein Leitbild verständigt at, wie gerade der Jugendmedienschutz im Verhältnis ur Medienkompetenz zu bewerten ist. Frau Özoğuz und err Jarzombek haben mit Herrn Professor Ring, Herrn rofessor Schulz und Alvar Freude schon wichtige rotagonisten genannt, die diesen Konsens gefunden haen. Das darf man nicht unter den Teppich kehren. Meine Damen und Herren, nicht jeder Jugendliche, so edienkompetent er auch sein mag, muss, soll oder kann lle Angebote, die ihm das Internet bietet, verarbeiten. an kann ihn auch nicht zu 100 Prozent schützen, vor llem dann nicht, wenn er gezielt nach gewissen Angeoten sucht. Schutz im Internet ist daher immer auch ine Art Risikomanagement, bei dem es darum geht, je ach Zielgruppe und Schutzzweck Verantwortlichkeiten u verteilen, mit dem Ziel, die Risiken zu minimieren. ier hat die Enquete-Kommission wichtige Grundlagen elegt, an denen man sich bei zukünftigen Entscheidunen darüber, wie sich die Politik in diesem Spannungsld positioniert, orientieren kann. Wir haben neben der Behandlung der inhaltlichen ragestellungen als zusätzlichen Auftrag vom Bundestag it auf den Weg bekommen, die Öffentlichkeit in geeig eter Art und Weise in unsere Arbeit einzubinden. Das t auch ein Lernprozess. Was meines Erachtens durchaus erfolgreich läuft, ist nsere Beteiligungsplattform www.enquetebeteiligung.de, ber die die interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit at, mitzudiskutieren, eigene Vorschläge einzubringen nd über die Vorschläge anderer abzustimmen. Fast alle orschläge, die wir über das Internet bekommen, sind on hoher Qualität. Das zeigt, dass sich auch außerhalb es Deutschen Bundestages wirkliche Sachverständige onstruktiv und ernsthaft mit diesen Themen beschäftien. Von dieser Stelle aus möchte ich denen, die sich über iese Plattform einbringen, herzlich danken. Ich möchte meinen Dank explizit auch diejenigen einschließen, ie diese Adhocracy-Plattform, zum Teil in ehrenamtliher Arbeit, mit aufgebaut haben und die sie im Moment m Laufen halten. ie Ergebnisse fließen direkt in unsere Arbeit und Texte it ein. Wenn ich sage: „Das ist auch ein Lernprozess“, eine ich damit, dass wir vielleicht noch lernen müssen, ies besser nach außen zu dokumentieren und den Nutern aus dem Bundestag heraus ein Feedback zu geben. h glaube, wenn wir hier besser werden, dann erhöhen ir auch den Anreiz für die interessierte Öffentlichkeit, ich inhaltlich noch mehr zu beteiligen. Dr. Reinhard Brandl )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Meine Damen und Herren, wenn es um das Bild geht,
das wir aus unseren öffentlichen Sitzungen der Enquete-
Kommission über den Livestream nach draußen trans-
portieren, bin ich durchaus kritisch und auch selbstkri-
tisch.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715302600

Kollege Brandl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Reichenbach?


Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1715302700

Ja.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715302800

Bitte.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1715302900

Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass es der

Enquete-Kommission als Ganzes vielleicht gutgetan
hätte, wenn wir nicht nur unser Plenum öffentlich über-
tragen, sondern auch die viel sachbezogenere Arbeit in
den Projektgruppen öffentlich gemacht hätten?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sicher nicht! – Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Das konnten die Projektgruppen selbst entscheiden! – Gegenruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie hätten zustimmen müssen!)


Sind Sie vielleicht bereit, darüber mit uns noch einmal
zu diskutieren?


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sehr gute Frage!)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1715303000

Ich sehe hier ein Spannungsfeld. Wir erleben in den

Projektgruppen eine sehr konstruktive Zusammenarbeit
der Sachverständigen und der Abgeordneten und auch
das, was man von einer Enquete-Kommission erwartet,
dass sich nämlich die Abgeordneten und Sachverständi-
gen aus unterschiedlichen Fraktionen und vor unter-
schiedlichen Hintergründen aufeinander zu bewegen.
Genau das passiert in den Projektgruppen.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Ja!)


Herr Kollege, ich erlebe aber auch etwas anderes: Ich
erlebe die öffentlichen Sitzungen der Enquete-Kommis-
sion, die per Livestream im Internet übertragen und na-
türlich direkt über Twitter intensiv kommentiert werden,
und auch entsprechende Rückkopplungen.


(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Fensterredner von der SPD!)


Diese Sitzungen unterscheiden sich atmosphärisch


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na!)


und auch von der Art und Weise der Zusammenarbeit
her diametral von den Sitzungen der Projektgruppen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D ine Annäherung oder Kompromissfindung findet in iesen öffentlichen Sitzungen nicht statt. Stattdessen teht immer die Vermittlung der eigenen Position, der eienen unverrückbaren Wahrheit im Vordergrund. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Gerold Reichenbach [SPD]: Das liegt doch an Ihnen und an uns! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Genau, an Ihnen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: An uns! An allen!)


Der Herr Kollege Notz hat ja vorhin dargestellt, bei
elchen wichtigen und zentralen Punkten wir einen
onsens gefunden haben.

Ich bin hier, wie ich gerade gesagt habe, selbstkri-
sch. Es liegt an uns, das besser darzustellen. Auch ich
abe kein Patentrezept dafür.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Dann lassen Sie es uns doch versuchen!)


h beobachte nur, dass in den öffentlichen Sitzungen
er Enquete-Kommission, die per Livestream übertragen
erden, zwar vordergründig die totale Transparenz ge-
eben ist, aber eigentlich nicht die Wirklichkeit des kon-
truktiven Miteinanders vermittelt wird.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Also, Sie halten Transparenz für schädlich! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Die Frage war ein Fehler, Herr Reichenbach! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Schon hier war die Frage ein Fehler! Wie soll das erst im Netz sein?)


Herr Reichenbach, ich habe versucht, Ihre Frage diffe-
nziert zu beantworten. Ich bin nicht gegen Transparenz

nd gegen Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Wir müssen
ersuchen, das, was wir hier tun, in der Öffentlichkeit
chtig darzustellen.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Dann machen wir es doch!)


ie müssen mir aber zustimmen, Herr Kollege: Die Er-
hrung, die wir in den öffentlichen Sitzungen gemacht

aben, ist nicht geeignet, das Bild der Enquete-Kommis-
ion in der Öffentlichkeit zu fördern.


(Abg. Gerold Reichenbach [SPD] nimmt Platz – Volker Kauder [CDU/CSU]: Halt, stehen bleiben! Die Frage ist noch nicht beantwortet! – Gegenruf des Abg. Gerold Reichenbach [SPD]: Das sind doch nur noch Wiederholungen! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ich dachte, Stehplätze gibt es nur beim Fußball! – Abg. Gerold Reichenbach [SPD] erhebt sich wieder – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


s wundert mich deswegen auch nicht, dass sich die
enschen, wenn sie nur dieses Schauspiel erleben, ent-
uscht abwenden und sagen, die Enquete-Kommission

ei gescheitert. – Herr Kollege Reichenbach, Sie dürfen
ich setzen.





Dr. Reinhard Brandl


(A) )


)(B)


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gerold Reichenbach [SPD]: Das war noch immer keine Begründung, warum das nicht passiert! Sie reden jetzt seit zwei Stunden darüber und haben noch immer keine Begründung!)


Ja, ich habe deswegen eine so lange Antwort auf Ihre
Frage gegeben,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da muss er wieder aufstehen!)


weil mir das ein Anliegen ist und das ein Thema ist, mit
dem ich mich beschäftige, nämlich wie es uns besser ge-
lingen kann, das konstruktive Miteinander öffentlich
darzustellen und nicht immer nur den Streit zu betonen.
Auch Streit ist wichtig, weil die Menschen wissen müs-
sen, wer in der Politik für was steht. Aber das ist nicht
das, was sie von der Enquete-Kommission erwarten.

Wir haben sehr gute Zwischenberichte vorgelegt, ins-
besondere zur Medienkompetenz. Wer den Bericht liest,
sieht, dass wir und die Sachverständigen sehr viel Mühe
darauf verwendet haben, die teilweise sehr komplexen
Zusammenhänge von verschiedenen Seiten zu beleuch-
ten und auch in weiten Teilen zu konsensualen Hand-
lungsempfehlungen zu kommen.

Mir hat die Arbeit sehr viel Freude gemacht. Ich kann
auch sagen: Ich habe in der Arbeit viel von den Sachver-
ständigen gelernt. Herzlichen Dank für den tollen Input,
den Sie immer wieder geliefert haben. Ich freue mich auf
die zweite Hälfte der Arbeit der Enquete-Kommission
und auf die weitere konstruktive Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303100

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Michael Kretschmer für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1715303200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zunächst einmal: Nachdem wir vor zwei Jahren
während der Koalitionsverhandlungen überlegt hatten,
diese Enquete-Kommission einzusetzen – ein Vorschlag
von unserem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder –,


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Guter Vorschlag!)


haben wir in diesem Parlament eine breite Mehrheit für
die Einsetzung der Enquete-Kommission „Internet und
digitale Gesellschaft“ gesucht und auch gefunden. Ich
glaube, das war die richtige Entscheidung. Wir können
bereits heute sagen: Das hat sich gelohnt.

Wir haben auf der einen Seite das Bewusstsein im
Parlament für die Themen der Netzpolitik und der Digi-
talisierung gesteigert, und wir haben auf der anderen
Seite ein Signal in die Gesellschaft gegeben, dass uns
diese zwei Themen besonders wichtig sind. Es handelt

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(C (D ich deswegen um zwei Themen, weil „Netzpolitik“ und Digitalisierung“ nicht dasselbe meinen. Netzpolitik entält wichtige Dinge, über die wir heute schon gesprohen haben, etwa Netzzugang und Datenschutz. Auch unkte wie die Regulierung des Internets sind nicht zu ernachlässigen. Da gibt es eine ganze Menge Nachholedarf. Aber man darf die Digitalisierung nicht darauf verenen. Die Digitalisierung ist die große bahnbrechende ntwicklung dieses Jahrhunderts. Es geht darum, die hancen beherzt zu ergreifen und daraus, gerade für das ightechland Deutschland, Wertschöpfung, Wachstum nd Arbeitsplätze zu generieren. Wir erleben heute bei dieser technischen Revolution as, was auch in den vergangenen Jahrhunderten bei echnologiebrüchen häufig der Fall war, dass versucht ird, Besitzstände zu verteidigen, zum Teil mit scheineiligen Argumenten. Ein Beispiel, an dem man das gut ehen kann, ist die Einführung der elektronischen Geundheitskarte. Hier hätte die Digitalisierung viel Nuten stiften können, aber die Lobby hat verhindert, dass ine wirklich gute Lösung kommt. Wir dürfen bei diesem konkreten Thema, aber auch ei den anderen Punkten nicht klein beigeben. Die Digilisierung ist eine große Chance für unser Land. Wir üssen sie aber auch ergreifen. Das Internet und die Di italisierung warten nicht auf 80 Millionen Deutsche. ber 80 Millionen Deutsche haben enorme Gestaltungsöglichkeiten und können Standards setzen, wenn sie ich in diesem Bereich an die Spitze der Bewegung seten. Es ist in den Diskussionen in der Enquete-Kommision, aber auch hier im Plenum des Deutschen Bundesgs und in der Öffentlichkeit deutlich geworden, dass ie Digitalisierung ein Querschnittsthema für Politik und esellschaft ist, das eine stärkere Koordinierung und ine stärkere Verantwortlichkeit an einer Stelle erfordert. eswegen muss in den nächsten Monaten und Jahren daber gesprochen werden, ob es nicht in der Regierung ine zentrale Verantwortlichkeit, eine zentrale Koordiierung in Gestalt eines Ministers oder Staatssekretärs eben muss. In den verschiedenen Beiträgen war viel von den 8 Sachverständigen die Rede. Dies haben wir mit eineführt, als wir die Enquete-Kommission eingesetzt haen. Ich finde, es war richtig, sich die Mühe zu machen, uch intensiv über das richtige Beteiligungstool nachudenken und sich dafür die passenden Regelungen zu eben. Immerhin haben sich über 2 200 registrierte itglieder an der Arbeit der Enquete-Kommission beiligt. Es hat insgesamt rund 2 200 Kommentare und 2 000 Bewertungen gegeben. Für die Arbeit einer Enuete-Kommission sind das, vor allen Dingen vor dem intergrund, dass es zum ersten Mal in dieser Form tattgefunden hat, große Zahlen. Ich finde, auch deshalb ann man sagen: Es war ein Erfolg. Michael Kretschmer )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Die Bedenken, ob man ein Beteiligungstool schaffen
und einen 18. Sachverständigen fest etablieren sollte, be-
ruhten, glaube ich, zum großen Teil auf einem zentralen
Missverständnis, was die Frage angeht, ob dieser
18. Sachverständige über das entscheiden sollte, was
letzten Endes der Deutsche Bundestag beraten und be-
schließen oder was die Enquete-Kommission an Ergeb-
nissen erzielen soll. Das geht natürlich nicht. Der Sach-
verständige von außen kann immer nur beraten.

Ich finde, dass wir es über das Beteiligungstool Ad-
hocracy gut organisiert haben, uns eine Lobbygruppe zu
schaffen, wie sie in anderen Politikfeldern völlig selbst-
verständlich ist: Der ADAC berät in der Verkehrspolitik,
der BDI begleitet die Wirtschaftsfragen, und Greenpeace
erhebt in Umweltfragen die Stimme.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Es geht um Beteiligung! Das ist ein kleiner Unterschied! Es geht um Beteiligung, nicht um Lobbys!)


An keiner Stelle erwartet man, dass die einzelne Lobby-
gruppe repräsentativ für die gesamte Bevölkerung bzw.
für die gesamte Politik sprechen kann. Aber es ist uns
trotzdem wichtig, zu hören, was Greenpeace denkt, was
der BDI meint oder welche Position der ADAC vertritt.
Deswegen ist es richtig, den 18. Sachverständigen einge-
führt zu haben. In diesem Selbstverständnis müssen wir
offen damit umgehen, auch in Zukunft Partizipations-
möglichkeiten im Deutschen Bundestag und in den Par-
teien bis hin zur Kommunal- und Landespolitik zu schaf-
fen. Wenn man dieses Selbstverständnis hat, kann man
diese Möglichkeit der Beteiligung selbstbewusst und of-
fen schaffen. Wir zumindest wollen das gern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es wurde viel über die Frage gesprochen, wie viel
Staat nötig ist. Ich teile die Einschätzung, dass gerade
beim Internet die Selbstregulierung und Selbstverant-
wortung sehr gut funktionieren, sodass man sagen kann:
An vielen Punkten im Internet ist durch die Experten und
Akteure Gutes entstanden. Das zeigt auch die Domain-
vergabe in den vergangenen Jahrzehnten, ein äußerst
komplexes Verfahren, das gut gemanagt worden ist.

Aber wir sehen auch: Je weniger technisch die regu-
lierten Bereiche werden, desto stärker wird der Legiti-
mationsdruck, wenn es keine staatlichen Vereinbarungen
und Gesetze gibt, in denen die Regularien festgelegt
werden, sondern alles von nichtstaatlichen Organisatio-
nen geregelt wird. Deswegen ist es richtig, dass wir auf
internationale oder europäische Vereinbarungen drän-
gen, die gewisse Bereiche des Internets regulieren.

Insofern ist es richtig, dass sich die Europäische
Union darüber Gedanken macht, wie der Datenschutz im
Internet innerhalb der Europäischen Union organisiert
werden kann. Wenn die Europäische Union als großer
Raum einen Standard setzt, besteht natürlich die Mög-
lichkeit, dass dieser Standard auch international verstärkt
zum Vorbild genommen wird.

Aber zu dem Entwurf der EU-Datenschutzverord-
nung, der am 25. Januar vorgestellt werden soll, gibt es
eine ganze Reihe von Fragezeichen und Bedenken, die
wir intensiv miteinander diskutieren müssen. Ich weiß
nicht, ob es in dieser Verordnung einen angemessenen

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(C (D usgleich zwischen dem Schutz des Privaten und den teressen der Öffentlichkeit gibt. Ich bin mir nicht si her, ob die Linie zwischen dem Datenschutzrecht und em Äußerungsrecht richtig gezogen worden ist. Ich eiß nicht, ob das, was man sich zum Thema „Recht auf ergessen“ vorgenommen hat, technisch möglich ist. (Manuel Höferlin [FDP]: Ein Recht auf Vergessen gibt es auch in analogen Fragen!)


Ich wäre dankbar dafür, wenn nicht nur in der Inter-
et-Enquete-Kommission, sondern auch darüber hinaus
tensiv über die Vorschläge der Europäischen Union

iskutiert würde. Denn das Gegenteil von gut ist gut ge-
eint. Es geht darum, etwas Richtiges aus der Verord-

ung zu machen. Wir sollten uns intensiv in die Diskus-
ion einbringen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303300

Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 a bis c auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-

neten Anette Kramme, Gabriele Lösekrug-
Möller, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die

(Mindestlohngesetz – MLG)

– Drucksache 17/4665 (neu)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

– Drucksache 17/8385 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Paul Lehrieder

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jetzt Voraussetzungen für die Einführung ei-
nes Mindestlohns schaffen
– Drucksachen 17/7483, 17/8385 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Paul Lehrieder

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jutta
Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Mehrheitswillen respektieren – Gesetzlicher
Mindestlohn jetzt
– Drucksache 17/8026 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die not-
wendigen Umgruppierungen in den Fraktionsreihen so
vorzunehmen, dass wir die Aussprache eröffnen und
dann den Rednerinnen und Rednern zuhören können.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Peter Weiß für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1715303400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die gerechte Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und deren Beteiligung am wirtschaftli-
chen Erfolg sind ein zentraler Markenkern einer sozialen
Marktwirtschaft. Das legendäre Credo Ludwig Erhards
„Wohlstand für alle“ war und ist unter anderem eine
klare Absage an Dumpinglöhne. Ludwig Erhard hat spä-
ter als Bundeskanzler formuliert:

Ziel der deutschen Sozialpolitik muss es sein, alle
sozialen Gruppen vor einer Entwicklung zu bewah-
ren, in der sie zunehmend bloß Objekte staatlicher
Fürsorge sind.

Das ist eine deutliche Ansage gegen eine Politik der
Ausgrenzung und zugleich ein Appell gegen staatliche
Bevormundung und Einmischung in alle Bereiche des
Lebens.

Um Lohndumping und damit Wettbewerbsverzerrung
zu verhindern, hat übrigens erstmals eine Koalition aus
CDU/CSU und FDP im Jahr 1996 mit der Verabschie-
dung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes die Möglich-
keit geschaffen, für bestimmte Bereiche einen allge-
meinverbindlichen Mindestlohn festzulegen. Schauen
wir uns vor diesem Hintergrund die jüngste Entwicklung
an. Zum 1. Januar dieses Jahres sind drei Mindestlohn-
regelungen neu bzw. erneut in Kraft getreten. Zum ersten
Mal gibt es eine Mindestlohnregelung bzw. eine untere
Lohngrenze für den Bereich der Zeitarbeit.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die mussten wir Ihnen aber abringen!)


Die Gültigkeitsdauer der bestehenden Mindestlohnrege-
lungen für Dachdecker und Gebäudereiniger wurde ver-
längert, und die Mindestlöhne wurden angehoben. Damit
sind heute 4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in Deutschland in Bereichen beschäftigt, in de-
nen allgemeinverbindliche Mindestlohnregelungen gel-
ten. So viele Mindestlöhne gab es in Deutschland noch
nie.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So viele Mindestlöhne gibt es nicht etwa unter einem so-
zialdemokratischen Kanzler, sondern unter einer christ-
demokratischen Kanzlerin. Das ist doch bemerkenswert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei allen heute geltenden Mindestlohnregelungen
handelt es sich um Regelungen, die die Tarifpartner, Ar-

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(C (D eitgeber und Gewerkschaften, frei ausgehandelt haben nd die anschließend durch das Bundesarbeitsminisrium per Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich rklärt worden sind. Die Erfahrungen, die mit Mindesthnen gemacht wurden, sind positiv. Es sind diese Bun esregierung und diese Koalition aus CDU/CSU und DP, die eine wissenschaftliche Evaluierung der in eutschland geltenden Mindestlohnregelungen haben ornehmen lassen. Das Ergebnis ist – zusammengefasst –, ass sich keine negativen Effekte zeigen. Die Mindesthnregelungen haben sich allesamt bewährt. Das zeigt, ass der Weg, Mindestlohnregelungen durch die Tarifartner frei aushandeln zu lassen und sie dann für allgeeinverbindlich zu erklären, richtig und erfolgreich ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun legen uns die Sozialdemokraten heute einen Ge-
etzentwurf zur Abstimmung vor,


(Stefan Rebmann [SPD]: Der richtig ist!)


er einen ganz anderen Weg vorsieht. Er sieht vor, dass
er Bundestag die Höhe des Mindestlohns beschließt
nd dass die Tarifpartner eingeladen werden, an einer
ommission mitzuwirken, in der sie darüber beraten
ürfen, ob der Mindestlohn nächstes oder übernächstes
ahr angehoben werden soll. Im Gesetzentwurf steht
chon, dass dann, wenn sie sich nicht einig werden, die
undesministerin für Arbeit und Soziales das erledigt. –
uf gut Deutsch: Dieser Gesetzentwurf der Sozialdemo-
raten ist nichts anderes als ein Misstrauensantrag gegen
ie Tarifpartner in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Weiß, dann stimmen Sie unserem Antrag zu!)


Warum soll eigentlich noch ein Arbeitnehmer oder
ine Arbeitnehmerin einer Gewerkschaft beitreten, wa-
m soll ein Unternehmen einem Arbeitgeberverband

eitreten,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist selbst unter Ihrem Niveau, Herr Weiß!)


enn die Tarifpolitik in Wahrheit im Parlament und in
er Bundesregierung gemacht wird und der Beitritt zu
iner Gewerkschaft oder zu einem Arbeitgeberverband
r die Tarifgestaltung überhaupt keine Bedeutung mehr

at?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deshalb „fürchten“ sich die Gewerkschaften auch so sehr vor einem gesetzlichen Mindestlohn! Wo ist denn da Ihre Logik? Das ist selbst unter Ihrem Niveau, Herr Weiß!)


er mit staatlicher Lohnfestsetzung beginnt, Herr Heil
das wäre der Beginn einer staatlichen Lohnfest-

etzung –, schwächt in Wahrheit die Gewerkschaften
ie die Arbeitgeberverbände, untergräbt die Arbeit der
arifpartner und beschädigt das Erfolgsrezept, das wir
ei der Lohnfindung in Deutschland bisher hatten.





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ist das peinlich!)


Im Gegensatz dazu ist der Beschluss des Bundespar-
teitags der CDU vom November des vergangenen Jahres
ein wegweisender Beschluss,


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja, das ist er!)


der deutlich macht: Wir wollen die Tarifpartner stärken.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Die sollen in die Gewerkschaft eintreten! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: In welcher sind Sie denn, Herr Kauder? – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Ich habe immer gesagt, dass wir die Gewerkschaften brauchen!)


Unser Beschluss lautet: Wir wollen eine gemeinsame
Kommission der Tarifpartner, der Gewerkschaften und
Arbeitgeber, die miteinander eine allgemeine untere
Lohngrenze verhandeln können, die anschließend durch
eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Ar-
beit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt wer-
den kann. Das heißt, die Verantwortung für die Lohnfin-
dung bleibt dort, wo sie hingehört: bei den Tarifpartnern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist ein Vorschlag, der die Tarifpartner stärkt: Wer
gute Mindestlöhne will, muss in die Gewerkschaft ein-
treten. Wer als Arbeitgeber mitreden will, muss in den
Arbeitgeberverband eintreten. Es muss frei miteinander
verhandelt werden. Lohnpolitik gehört nicht in das Par-
lament, sie gehört nicht in die Bundesregierung; sie ge-
hört dorthin, wo der Sachverstand dafür stets vorhanden
ist, nämlich bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bei der Bundesregierung wird doch auch Sachverstand sein! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wenn Sie jetzt sagen, dass bei der Bundesregierung kein Sachverstand ist, dann müssen wir zustimmen!)


Die Tarifpartner haben in der Vergangenheit in den
verschiedensten Situationen gezeigt, dass sie zu sachge-
rechten Lösungen sehr wohl imstande sind. Mit der in
Deutschland gewachsenen Tradition der Sozialpartner-
schaft verfügen wir über ein Modell, das staatlichen Ein-
griffen weit überlegen ist – es ist übrigens international
anerkannt – und für das wir von vielen beneidet werden.


(Zuruf von der LINKEN: Das ist Schnee von gestern, von vorgestern!)


Es ist nicht lange her, dass das Zusammenspiel der So-
zialpartner den entscheidenden Beitrag zur Überwin-
dung der Finanz- und Wirtschaftskrise geleistet hat. Des-
halb finde ich: Eine solche Ohrfeige, wie sie hier von
den Sozialdemokraten ausgeteilt wird, haben die Tarif-
parteien nicht verdient.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Bemerkenswert, dass ihr euch freut!)


Mit dem System der Tarifautonomie sind die Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland letztlich
uch stets gut gefahren. Richtig ist, dass wir heute in vie-
n Bereichen eine geringe Tarifbindung und einen ge-
ngen gewerkschaftlichen Organisationsgrad haben.


(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)


enau das veranlasst uns als Union ja dazu, eine Rege-
ng zusätzlich vorzuschlagen, über die wir mit unserem
oalitionspartner in den nächsten Wochen und Monaten
erhandeln wollen.


(Lachen bei der SPD – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ach so? Was meint der denn? Das war jetzt aber ein wichtiger Hinweis!)


Da gerade bei den Sozialdemokraten Parteitagsbe-
chlüsse angeblich eine so hohe Bedeutung haben, bitte
h doch, das auch der CDU zuzubilligen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh! – Klug gekontert! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was ist denn der Parteitagsbeschluss der FDP dazu?)


Weil eben in Teilbereichen nur diese geringe Bindung
orhanden ist, wollen wir eine Regelung schaffen, nach
er über die Branchen hinaus, in denen schon heute Min-
estlöhne bestehen, die Tarifpartner miteinander eine
llgemeine Lohnuntergrenze verhandeln können. Ich
laube, dass dieses Modell letztlich genau den Erfolg ha-
en wird, den gute und starke Tarifpartner bei Tarifver-
andlungen auch bisher zustande gebracht haben. Des-
alb gilt für uns in dieser Debatte über untere
ohngrenze und Mindestlöhne in Deutschland: Wir wol-
n in der Lohnpolitik an das Erfolgsrezept der sozialen
arktwirtschaft anknüpfen. Das heißt: Nein zum Staats-
terventionismus, Ja zu starken Tarifparteien und Ja zu
ariflöhnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303500

Kollegin Enkelmann, zur Geschäftsordnung?


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303600

Danke, Frau Präsidentin. – Kollege Weiß hat in sei-

em Beitrag deutlich gemacht, dass das Thema, über das
ir hier debattieren, für das gesamte Haus sehr wichtig
t. Er sprach darüber, dass es dazu Verhandlungen in-
erhalb der Koalition gibt. Wir meinen schon, dass dann
uch die zuständige Ministerin im Plenum anwesend
ein sollte und nicht nur der Staatssekretär.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


nsere Fraktion fordert deswegen die Herbeirufung der
inisterin Frau von der Leyen.





Dr. Dagmar Enkelmann


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Abstimmen! – Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Ihr habt doch gar keine Mehrheit!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303700

Wünscht jemand das Wort dazu, oder ist das allge-

meiner Konsens?


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der SPD und der LINKEN: Ja!)


– Das ist offensichtlich der Fall.

Hat die Bundesregierung einen Hinweis für mich, wo
sich die Ministerin befindet?


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie hat sich bei den PGFs nicht entschuldigt!)


– Deswegen frage ich. Ich habe keine offizielle Ent-
schuldigung vorliegen.

Dann unterbreche ich die Sitzung.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wieso? – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weil Sie nicht widersprechen!)


– Ich habe zweimal nachgefragt. – Es gibt jetzt doch eine
Wortmeldung aus der Unionsfraktion.


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1715303800

Ich habe Frau Enkelmann so verstanden, dass sie

möchte, dass die Ministerin anwesend ist. Aber offen-
sichtlich legt sie doch nicht so viel Wert darauf, dass die
Ministerin kommt, weil sie dazu keinen Antrag stellt.

Wir sehen keine Notwendigkeit, dass die Ministerin
an dieser Debatte teilnimmt. Das Ministerium ist durch
den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Brauksiepe
vertreten. Es handelt sich um die Beratung der Be-
schlussempfehlungen des Ausschusses. Da ist es ohne-
hin nicht üblich, dass Minister noch das Wort ergreifen.
Wir sehen jedenfalls keine Veranlassung, sie herbeizuru-
fen, zumal uns dieses Thema regelmäßig beschäftigt und
die Ministerin zu Anträgen der Opposition immer wieder
das Wort ergriffen hat und die Positionen dazu klarlie-
gen. Es besteht also keine Veranlassung, die Ministerin
herzubitten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715303900

Gut. Frau Enkelmann hat dies beantragt. Ich hatte ge-

fragt, ob es dazu eine Gegenrede gibt, und Sie hatten
durch Kopfnicken vorerst signalisiert, dass Sie einver-
standen sind.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist das beim Mindestlohn! Mal dafür, mal dagegen!)


Nun haben Sie deutlich gemacht, dass die Unionsfrak-
tion diesen Konsens nicht mitträgt.

Wir stimmen also ab, ob die Frau Ministerin herbei-
gerufen wird. Ich bitte diejenigen, die für die Herbei-

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(C (D fung der Bundesministerin sind, um das Handzeihen. – Wer stimmt dagegen? – (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht nicht!)


as Präsidium ist sich leider in der Feststellung des Ab-
timmungsergebnisses nicht einig.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sehtest!)


lso machen wir einen Hammelsprung. Ich bitte Sie,
en Plenarsaal zu verlassen.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen der FDP-
raktion, erstens sich zu erheben und zweitens sich auf
en Weg zum Ausgang zu machen. Ich kann mir ja vor-
tellen, dass Sie manches beschwert. Aber jetzt ist erst
inmal Hammelsprung aufgerufen.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die es noch
icht geschafft haben, durch die Tür zu gehen, dies jetzt
u tun. – Sind alle drei Türen geschlossen? – Die Schrift-
hrerinnen und Schriftführer sind an ihren Plätzen, und

ie Türen sind verschlossen. Dann können wir die Türen
ffnen und mit dem Hammelsprung beginnen.

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die sich noch
or den Türen befinden, den Saal wieder zu betreten.
ach unserem Überblick ist dies ohne Weiteres möglich.

Die Türen werden geschlossen. Die Abstimmung ist
amit beendet.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mir
as Ergebnis der Auszählung mitzuteilen. –

Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit ich das Ergebnis
er Abstimmung über die Herbeizitierung der Bundes-
inisterin bekannt geben kann: 138 Kolleginnen und
ollegen haben mit Ja gestimmt, 190 Kolleginnen und
ollegen haben mit Nein gestimmt. Enthalten hat sich
eine Kollegin bzw. kein Kollege. Damit ist dieser An-
ag abgelehnt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist aber schade! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wo ist denn die Ministerin?)


Zur Erklärung für all diejenigen, die diesem unge-
ohnten Prozedere das erste Mal beiwohnen: Wir haben
ei dieser Gelegenheit festgestellt, dass der Deutsche
undestag auch jetzt, um 11.25 Uhr, noch beschlussfä-
ig ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die an diesem
agesordnungspunkt jetzt nicht mehr teilhaben können,
ns zu ermöglichen, in dieser Debatte fortzufahren, das
eißt, die Gespräche, die unbedingt notwendig sind, vor
en Plenarsaal zu verlagern. Diese Bitte richte ich an
ertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen und im Üb-
gen auch an die Regierungsbank.

Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat der Kol-
ge Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715304000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man in Zeiten wie diesen im Deutschen Bundestag
in einer öffentlichen Debatte redet, dann taucht immer
wieder ein Begriff auf, der im Hinblick auf das Ver-
trauen der Menschen in demokratische Politik so etwas
wie die knappste Ressource zu sein scheint, nämlich der
Begriff der Glaubwürdigkeit. Willy Brandt hat einmal
gesagt, wie Glaubwürdigkeit entsteht: Man muss sagen,
was man tut, und tun, was man sagt. Deshalb tun wir So-
zialdemokraten das, was wir sagen, und legen heute die-
sem Haus in zweiter und dritter Lesung unseren Gesetz-
entwurf zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns
vor.

Herr Weiß, ich finde, das ist ein Unterschied zu dem,
was Sie hier geboten haben. Bei Ihnen klaffen Reden
und Handeln meilenweit auseinander. Es gibt nichts Gu-
tes, außer man tut es!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viel über den Mindestlohn zu schwadronieren, aber kei-
nen Gesetzentwurf vorzulegen, das ist kein Ruhmesblatt.

Wir schlagen vor, in Deutschland einen existenz-
sichernden gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, damit
Menschen, die hart arbeiten, von ihrer Arbeit auch leben
können. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, gibt
Gelegenheit, die Lebenssituation von über 5 Millionen
Menschen in Deutschland zu verbessern, von 16 Prozent
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bisher
weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen. Unter
dem Strich helfen wir damit nicht nur den Menschen
– das alleine wäre bereits ein Grund, dem Gesetzentwurf
heute zuzustimmen –, sondern auch den öffentlichen
Kassen und somit der Gesellschaft insgesamt.

Eine Studie des renommierten Prognos-Instituts hat
nachgewiesen, dass die fiskalischen, die finanzpoliti-
schen Wirkungen der Einführung eines Mindestlohns für
die öffentlichen Haushalte zu einem Plus von 7 Milliar-
den Euro führen würden, und zwar durch steigende Er-
werbseinkommen für private Haushalte und damit stei-
gende Steuer- und Beitragseinnahmen, durch eine
Stärkung der Binnennachfrage, was gerade in Zeiten wie
diesen sehr wichtig ist, und nicht zuletzt durch sinkende
Sozialausgaben.

Angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Men-
schen trotz Vollzeitarbeit ergänzend Arbeitslosengeld II
vom Amt abholen müssen, sagen wir: Es muss Schluss
damit sein, dass wir immer mehr Armutslöhne in diesem
Land mit Steuergeldern aufstocken müssen. Das darf
nicht sein; das wollen wir beenden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von den bisherigen
Regierungsfraktionen, ein Mindestlohn ist auch ord-
nungspolitisch geboten, weil es um fairen Wettbewerb
geht, weil wir die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die

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(C (D re Leute anständig bezahlen wollen, vor Dumpingettbewerb schützen wollen. Es muss um den Wettbeerb um die besten Produkte, Verfahren und Dienstleisngen gehen; es darf nicht um die niedrigsten Löhne in eutschland gehen. Wir haben uns angehört, was Herr Weiß vorhin gesagt at. Herr Weiß, bei allem gebotenen Ernst: Ich nehme nen persönlich ab, dass Sie Gutes wollen; das unter telle ich Ihnen in dieser Frage. Ich sage Ihnen: Wir müsen uns in den Wahlkämpfen, auch im kommenden undestagswahlkampf, nicht streitig mit dem Thema indestlohn auseinandersetzen; wir müssen das nicht. ir können – unsere Hand ist ausgestreckt – noch in die er Legislaturperiode zu einer zureichenden Lösung ommen, zu einer vernünftigen Lösung, die den Menchen hilft. Ich will Ihnen sagen, was wir damit meinen: Erstens. Wir wollen, wie auch Sie, den Vorrang der arifautonomie in Deutschland beibehalten. Wir wollen, ass Gewerkschaften und Arbeitgeber in Lohnverhandngen auf Augenhöhe Löhne festsetzen; das soll der Re elfall bleiben. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Dann ziehen Sie mal sofort Ihren Antrag sofort zurück, Herr Heil!)


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Wenn Mindestlöhne notwendig sind, wol-
n wir – das konstatieren Sie auch – einen Vorrang für
ranchenspezifische Mindestlöhne nach dem Tarifver-
agsgesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
uch da könnten wir gemeinsam etwas machen: Wir
önnten es erleichtern, dass tarifvertragliche branchen-
ezogene Mindestlöhne zustande kommen.

Ich will Ihnen eines sagen: Sie rühmen sich hier, zum
. Januar in drei Branchen Mindestlöhne eingeführt zu
aben. Ich kann mich ganz gut erinnern – die Kollegin
othmer auch –, wie mühsam wir Ihnen diese Mindest-
hne in den Bereichen der Zeit- und Leiharbeit, des
icherheitsgewerbes und der Weiterbildung in den Ver-
andlungen abringen mussten.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!)


h sage Ihnen: Wir könnten es einfacher machen, indem
ir das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ändern und jeder
ranche, die das will und kann, die Möglichkeit eines
ranchenspezifischen Mindestlohns nach dem Arbeit-
ehmer-Entsendegesetz geben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715304100

Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Wadephul?


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715304200

Bitte schön.


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1715304300

Herr Kollege Heil, ich bin geneigt, Sie ernst zu neh-

en –






(A) )


)(B)


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715304400

Das kann ich nur wünschen.


(Zuruf von der FDP: Schon falsch!)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1715304500

– und auf Ihr Angebot einzugehen, gemeinsam da-

rüber zu diskutieren. Das, was Sie gerade vorgetragen
haben, findet sich aber sämtlich nicht in Ihrem Gesetz-
entwurf wieder. Werden Sie deshalb in dieser Debatte,
bei diesem Tagesordnungspunkt Ihren Gesetzentwurf
zurückziehen und damit gegebenenfalls ermöglichen,
dass man zu gemeinsamen Regelungen kommt, oder
werden Sie diesen Gesetzentwurf inkonsequenterweise
zur Abstimmung stellen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715304600

Herr Kollege, ich bin Ihnen für diese Frage ausge-

sprochen dankbar, weil sie mir die Gelegenheit gibt, die-
sen Zusammenhang zu erläutern. Ich habe eben gesagt:
Wir wollen einen Vorrang für tarifvertragliche Lösun-
gen. Ich erwähne das, weil Herr Weiß das angesprochen
hat und dabei insinuiert hat, unterstellt hat, wir würden
die Tarifautonomie infrage stellen. Herr Wadephul, ich
frage Sie an dieser Stelle einmal – die Frage ist offen –:
Wären die Gewerkschaften in diesem Land für einen ge-
setzlichen Mindestlohn, wenn es stimmen würde, dass
seine Einführung die Gewerkschaften schwächt?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann Wadephul [CDU/ CSU]: Das war nicht meine Frage!)


Deshalb ist der Zusammenhang klar.

Herr Wadephul, unser Vorschlag an Sie ist: Lassen
Sie uns dafür sorgen, dass es einen Vorrang für tarifver-
tragliche Lösungen gibt, damit wir zu fairen Löhnen in
Deutschland zurückkehren. Das wird durch unseren Ge-
setzentwurf nicht verunmöglicht; im Gegenteil: Er
stärkt, wie ich gleich zeige, die Tarifautonomie. Wir
wollen einen Vorrang für Mindestlöhne in einzelnen
Branchen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz; sie
sind schon jetzt möglich, aber wir wollen es einfacher
machen. Ich sage Ihnen: Wir brauchen gleichwohl


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Sie müssen nur Ja oder Nein sagen!)


– diese Klarstellung müssen Sie sich gefallen lassen –
eine verbindliche Lohnuntergrenze und einen gesetzli-
chen Mindestlohn. Das unterscheidet uns möglicher-
weise noch.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück!)


Wenn ich mir Ihren Antrag und Beschluss vom Partei-
tag in Leipzig anschaue, dann fällt mir Folgendes auf:
Sie sagen, dass Sie einen Mindestlohn oder eine gesetzli-
che Lohnuntergrenze für die Bereiche wollen, in denen
es keine Tarifverträge gibt. Ich sage Ihnen: Das ist schon

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(C (D eute über das Mindestarbeitsbedingungengesetz rechtch möglich, nur funktioniert es leider nicht. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es werden überhaupt keine Anträge gestellt, Herr Heil! Stellen Sie sich das einmal vor! – Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU] nimmt wieder Platz)


Herr Wadephul, bleiben Sie bitte stehen. Ich will die
rage, die Sie gestellt haben, beantworten. – Frau Präsi-
entin, ich finde es ein bisschen ungehörig, eine Frage
u stellen und sich dann hinzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ber okay: So sind die Bürgerlichen im Moment.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Kein Anstand! Keine Moral!)


Herr Wadephul, ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir
rauchen eine gesetzliche Lohnuntergrenze auch in den
ereichen, in denen die Tarifautonomie einfach nicht
ehr funktioniert. Die berühmte Friseurin in Thüringen,

ie 3,18 Euro pro Stunde verdient, erhält diesen Lohn
emäß Tarifvertrag. Wir wollen die Lebenssituation die-
er Menschen konkret verbessern. Deshalb brauchen wir
inen gesetzlichen Mindestlohn. Das gehört zusammen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unser Angebot steht: Sie von der Koalition können
eute ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn
ie sich auf diesen Weg einlassen. Das werden Sie aller
oraussicht nach nicht tun, auch weil Ihr Koalitionspart-
er Sie wieder einmal an einem richtigen Schritt hindert.
diesem Zusammenhang muss ich der FDP an einer

telle ausnahmsweise recht geben. Herr Kollege Vogel
on der FDP, ich habe heute im Handelsblatt gelesen,
ass Sie die Position der Union schön umschrieben ha-
en: Sie verstünden nicht genau, was die Union in die-
em Bereich wolle. Am Ende des Tages sei das ein kräf-
ges Jein der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Sachen
indestlohn.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)


o die FDP recht hat, hat sie recht: Sie eiern in dieser
rage herum.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb habe ich mich an den Lateinunterricht erin-
ert, den ich vor mehr als 20 Jahren hatte.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Da kann man nur sagen: Si tacuisses, philosophus mansisses!)


a haben wir gelernt, was der Begriff „Placebo“ bedeu-
t. Placebo heißt – ich musste noch einmal nachgucken –
örtlich übersetzt „Ich werde gefallen“. Im gemeinen
prachgebrauch nehmen wir den Begriff „Placebo“
eute für Arzneimittel, die keine Wirkung entfalten.
eshalb kann man das, was Sie auf dem Parteitag in
eipzig beschlossen haben, tatsächlich nur als einen Pla-





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)

cebo-Mindestlohn beschreiben. Sie wollen gefallen, aber
Sie bewirken nichts mit dem, was Sie da beschließen.
Auch hier gilt Willy Brandt: Politik, die nicht dazu bei-
trägt, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern,
soll uns in diesem Land gestohlen bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Weiß und Herr Schiewerling, ich nehme Ihnen
ab, dass Sie Gutes wollen. Ich bezweifle nur, dass Sie
eine Mehrheit im eigenen Laden und eine Mehrheit in
dieser Koalition haben. Dass die Kanzlerin in dieser
Frage schweigt und sich im Bereich der Finanztransak-
tionssteuer – da ist es ähnlich – nicht gegen einen schwä-
chelnden Koalitionspartner durchsetzen kann, ist
schlimm genug.

Wir könnten miteinander zu vernünftigen Lösungen
kommen. Wir legen Ihnen heute einen schlanken, einen
guten, einen einfachen Gesetzentwurf vor.


(Dr. Johann Wadephul nur nicht zu Ihrer Rede! Sie werden ihn ablehnen. Aber damit sind Sie das Thema nicht los. Wir wollen faire Löhne in Deutschland. Wir werden dafür sorgen, dass der Mindestlohn kommt. Wenn Sie es nicht schaffen, wird dies nach der Bundestagswahl 2013 die erste Amtshandlung einer rot-grünen Bundesregierung sein. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Da gefrieren sogar die Mienen der Grünen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715304700

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege

Dr. Heinrich Kolb.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1715304800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Heil, mit solchen „Versprechungen“, was
man nach der Wahl machen werde, soll man vorsichtig
sein.


(Lachen und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Nein, warten Sie es erst einmal ab. Der Schuss geht für
Sie nach hinten los, Herr Kollege Heil. Sie haben vor der
Bundestagswahl 1998 schriftlich versprochen: Als Ers-
tes werden wir nach einer gewonnenen Bundestagswahl
den demografischen Faktor, den Schwarz-Gelb einge-
führt hat, abschaffen. – Das haben Sie auch getan, aber
nur ganz kurz. Denn wenig später haben Sie festgestellt,
das passt gar nicht zusammen, und Sie haben den demo-
grafischen Faktor als Nachhaltigkeitsfaktor wieder ein-
geführt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was hat das mit dem Mindestlohn zu tun?)


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(C (D eien Sie also vorsichtig mit solchen Aussagen, die die ukunft betreffen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Müder Applaus!)


Das Zweite, was ich sagen will – damit ich es nicht
ergesse, sage ich es vorab –: Ein einheitlicher gesetzli-
her Mindestlohn ist kein Projekt dieser schwarz-gelben
undesregierung.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hört! Hört!)


as steht klar und unmissverständlich im Koalitionsver-
ag. Und um es noch klarer zu sagen: Sie können dabei
as Wort „einheitlich“ auch durch die Worte „flächende-
kend“ oder „für alle Branchen geltend“ ersetzen. Das
ndert an der Bewertung durch unsere Fraktion nichts.
ir stehen zum Koalitionsvertrag, und ich habe keinen

weifel, anzunehmen, dass das bei unserem Koalitions-
artner anders gesehen wird.


(Anette Kramme [SPD]: Je lauter der Hund bellt, desto größer sind seine Sorgen!)


Herr Kollege Heil, zu Ihrem Gesetzentwurf. Sie ha-
en die Glaubwürdigkeit an den Anfang Ihrer Rede ge-
tellt. Glaubwürdigkeit beinhaltet für mich, dass das,
as man sagt, stimmen sollte,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich glaube Ihnen, dass Sie es nicht wollen!)


nd man sollte keine falschen Eindrücke erwecken. Da
telle ich gewisse Anforderungen an Sie persönlich
denn ich schätze Sie sehr –, aber auch an Ihre Fraktion.
h finde, eine Partei, die von 1998 bis 2009 den Bun-

esarbeitsminister gestellt hat, kann nicht einfach so ei-
en Antrag hinschmieren, wie Sie es mit dem vorliegen-
en Antrag offensichtlich getan haben. Ich will Ihnen
as an sieben Punkten untermauern.

Ich erwarte von der SPD, dass sie im Gesetz selbst
nd nicht nur in der Begründung – Sie sagten nämlich,
er hart arbeite, müsse davon auch leben können – klar

agt, dass ihr Mindestlohn existenzsichernd nur für al-
instehende Vollzeitbeschäftigte sein soll


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Absolut richtig!)


nd dass ihr Mindestlohn nichts daran ändern würde,
ass auch in Zukunft in mehreren Hunderttausend Fäl-
n, in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Menschen
ufstockerleistungen in Anspruch nehmen müssten, um
r eigenes Einkommen dem tatsächlichen Bedarf anzu-

assen, nämlich Verheiratete und Familien mit Kindern.
as ist übrigens keine Schande – das will ich hier einmal

ehr deutlich sagen –, sondern es ist eine Errungenschaft
nseres Sozialstaates, dass genau diese Aufstockung des
inkommens bis zum Bedarf stattfindet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich erwarte von der SPD, Herr Kollege Heil, dass sie
re Begründung eines Mindestlohns laufend überprüft.
ie haben in Ihrem Antrag vom Februar 2011 noch da-
or gewarnt, dass eine Invasion von Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmern aus Osteuropa nach Deutschland un-





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

mittelbar bevorstünde. Die Entwicklung des letzten Jah-
res hat gezeigt, dass genau das nicht eingetreten ist. Des-
halb hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie sagen, dass
jedenfalls dieses Argument zur Begründung eines Min-
destlohnes in Deutschland nicht mehr taugt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Ich erwarte von der SPD, Herr Kollege Heil, dass,
wenn sie auf Seite 5 ihres Gesetzentwurfs schreibt, der
Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Ar-
mutslöhnen sei zwischen 1998 und 2008 von 8,3 auf
12,7 Prozent gestiegen, sie dann auch dazuschreibt: Das
ist genau der Zeitraum, in dem die SPD den Arbeitsmi-
nister in diesem Land gestellt hat.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Geht es Ihnen um die Menschen oder um Polemik? 95 steht da! Sie haben die Zahlen vertauscht!)


– Nein, 98. Ich habe mir das selbst herausgeschrieben;


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, das ist aber mit Fehlern beladen!)


ich schreibe meine Reden durchaus noch selbst. – Dass
wir diesen Niedriglohnsektor haben, ist übrigens kein
Zufall und auch nicht versehentlich passiert. Vielmehr
war es ein bewusstes Ergebnis Ihrer Politik. Sie wollten
einen Niedriglohnsektor; Sie haben ihn ganz aktiv ange-
strebt.

Ich erwarte von der SPD, Herr Kollege Heil, wenn sie
behauptet, der wachsende Niedriglohnsektor führe zu ei-
ner Erosion der Einnahmebasis der Sozialversicherun-
gen und des Staates, wie es auf Seite 1 ihres Antrages
steht, dass sie das wenigstens überschlägig mit der Rea-
lität vergleicht. Schon ein kurzer Blick in die Beitrags-
und Steuerkassen hätte Ihnen gezeigt: Die Sozialver-
sicherungsbeiträge und Steuern sprudeln auf Rekord-
niveau in diesem Lande. Das zeigt, dass Ihre Prämisse an
dieser Stelle falsch ist.

Ich hätte von der SPD, Herr Kollege Heil, auch er-
wartet, dass sie nicht vordergründig behauptet, sie wolle
selbstverständlich einen unpolitischen Mindestlohn,
dann aber ein System vorschlägt, das politischer nicht
sein könnte. Was passiert denn, Herr Heil, wenn die
Kommission der Meinung ist, dass 8,50 Euro zu hoch
sind, wenn sie der Meinung ist, dass es in Deutschland
überhaupt keinen Mindestlohn geben sollte, oder sich
auf keinen Mindestlohn einigen kann, was jedenfalls
nicht ganz ausgeschlossen werden kann, oder wenn das
BMAS an dem vorgeschlagenen Mindestlohn keinen
Gefallen findet? In all diesen vier Fällen ist die Konse-
quenz Ihres Gesetzentwurfes – schütteln Sie nicht den
Kopf; lesen Sie es in Ihrem Gesetzentwurf nach, denn
dort steht es –, dass das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales, also die Politik, einen Mindestlohn in
Deutschland festsetzt. Das ist für uns nicht akzeptabel.

Von der SPD, Herr Kollege Heil, erwarte ich nicht
nur, sondern verlange es auch, dass sie verantwortungs-
voll mit der Tarifautonomie umgeht. Was ist, wenn die
Tarifpartner zu dem Ergebnis kommen, dass sie von dem
Mindestlohn nach unten abweichen wollen? Das wollen

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(C (D ie nicht zulassen. In der Begründung zu § 8 Ihres Anags heißt es nur lapidar, man wolle den Tarifpartnern in Jahr Zeit zur Anpassung lassen. Da kann ich nur saen: Respekt vor der Tarifautonomie sieht nach unserer uffassung anders aus, Herr Kollege Heil. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ja, Niedriglöhne! Dann sind Sie auch dafür, wenn es 3 Euro sind!)


Von der SPD erwarte ich auch, Herr Kollege Heil,
ass sie weiß – und Sie wissen das auch –, dass man mit
inem Mindestlohn von 8,50 Euro nicht, auch nach
5 Arbeitsjahren nicht, erreichen kann, dass vollzeitbe-
chäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine
lterssicherung haben, die oberhalb der bedürftigkeits-
rientierten Leistung der Grundsicherung im Alter liegt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist kein Argument dagegen!)


5 Jahre Beschäftigung mit 8,50 Euro – natürlich in
eitwerten; das wird ja fortgeschrieben – führen aktuell
u einer Rente von 571 Euro, mithin 100 Euro unter dem
rundsicherungsniveau im Alter.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wenn man sein ganzes Erwerbsleben auf dem Niveau bleibt!)


o kann man Menschen für dumm verkaufen, Herr Kol-
ge Heil. Das lassen wir Ihnen als ehemaliger Regie-
ngspartei einfach nicht durchgehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Man könnte zu Ihrem Antrag noch viel sagen. Zu dem
ntrag der Grünen etwas zu sagen, lohnt sich nicht; er
t viel zu dünn, Frau Kollegin Pothmer.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben schon einen Gesetzentwurf vorgelegt!)


ber eine grobe Skizze unverbindlichster Art geht er
icht hinaus; deshalb ist er nicht der Rede wert.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt die FDP eigentlich? Was wollen Sie?)


Zu den Kollegen der Linken muss man sagen, dass sie
ir zu abgedreht sind. Über deren Antrag kann man

uch nicht ernsthaft diskutieren.

Am Ende muss ich leider sagen: Die SPD hat bei die-
er Aufgabe schändlich versagt. Das hätte ich von einer
hemaligen Regierungspartei nicht erwartet.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Schönen Gruß an die 2-Prozent-Partei!)


ir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen, ebenso wie
ie Anträge der weiteren Oppositionsparteien.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war die 2-Prozent-Partei!)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715304900

Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715305000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kolb, es kann sein, dass wir aus Ihrer Sicht
abgedreht sind, aber Ihre Position zum Mindestlohn, ein-
schließlich die der gesamten Koalition, ist für jeden Ar-
beitnehmer, der wenig Geld verdient, eine Bedrohung
der Existenz. Das ist viel schlimmer, Herr Kolb. Das will
ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben ja gesagt: Aufstocken ist keine Schande! – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Wir sind noch nicht im Sozialismus!)


Wir stimmen über einen Gesetzentwurf der SPD zum
Mindestlohn ab. Seit sechs Jahren diskutieren wir über
diese Frage. Sie blockieren alles. Sie sind damit für die
Armut durch Arbeit in diesem Land verantwortlich, und
zwar alle miteinander, so wie Sie hier sitzen. Das will
ich Ihnen sagen.


(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihnen hat es ins Hirn hineingeregnet!)


Die Einführung einer allgemeinverbindlichen Lohn-
untergrenze ist dringend notwendig. Es stimmt, was in
Ihrem Gesetzentwurf steht: Jeder fünfte sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigte arbeitet im Niedriglohnbe-
reich, 1,15 Millionen für weniger als 5 Euro in der
Stunde. Herr Kolb, für dieses Geld würden Sie morgens
nicht einmal das Augenlid heben, um das einmal deut-
lich zu sagen.


(Christian Lindner [FDP]: Das sagt der Richtige! – Heiterkeit bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe keinen Porsche, Herr Kollege! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo er recht hat, hat er recht, Herr Kolb!)


3,4 Millionen arbeiten für weniger als 7 Euro die Stunde.

Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2008. Inzwi-
schen haben die Probleme in diesen beiden Lohnseg-
menten deutlich zugenommen. Im SPD-Antrag, mit dem
wir uns natürlich auseinandersetzen müssen, heißt es:
Zwischen 1998 und 2008 ist der Anteil der Beschäftigten
mit Armutslöhnen von 8,3 Prozent auf 12,7 Prozent ge-
stiegen. – Das ist eine Steigerung um 50 Prozent. Das
Problem hat sich seit 1998 dramatisch verstärkt.

Liebe Genossinnen und Genossen von der sozialde-
mokratischen Partei, an dieser Stelle hat Herr Kolb
recht; denn Sie müssen sich schon die Frage stellen: Wer
hat damals regiert? Was ist in Ihrer Regierungszeit pas-
siert, dass die Armutslöhne in unserem Land plötzlich so
zugenommen haben? Es war Ihre Regierung, die die
Leiharbeit geradezu gefördert hat.


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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So weit ging es dann doch nicht!)


Herr Kolb, Sie haben übrigens immer zugestimmt. Da
rauchen Sie gar nicht versuchen, sich herauszureden.

Die Schutzregelungen für Arbeitnehmer bei befriste-
n Arbeitsverhältnissen wurden gelockert. Es war letzt-

ndlich die Agenda 2010 – die Sie heute wieder verteidi-
en –, die dazu geführt hat, dass Arbeitnehmerinnen und
rbeitnehmer Arbeit aller Art anzunehmen haben, auch
enn es nur 1 Euro dafür gibt. Deshalb haben Sie das
roblem mit verursacht. Sie sind nicht die Lösung, Sie
ind die Ursache des Problems, liebe Genossinnen und
enossen, das muss ich euch leider sagen.


(Beifall bei der LINKEN)


s ist zwar recht und schön, wenn man die Feuerwehr
ft, wenn es nicht mehr geht, aber wenn man vorher den
rand selber gelegt hat, dann ist das nicht glaubwürdig.

Liebe Genossinnen und Genossen – –


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Kolleginnen und Kollegen! So viel Zeit muss sein!)


Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind nicht mein Genosse! Ich habe andere hier!)


ie CDU/CSU hat das, was ihr gemacht habt, immer sehr
efreut, sie freut es noch heute. Ihr wart der Türöffner
r eine Entwicklung, die die Konservativen gefreut hat.
ies alles hat im Ergebnis dazu geführt – Sie berufen

ich gerne auf den DGB und die Tarifautonomie –, dass
er Vorsitzende des DGB Ihnen allen ins Stammbuch
chreibt, dass Arbeit in unserem Land so billig geworden
t wie Dreck. Deswegen brauchen wir einen Mindest-
hn, was Sie verhindern. Insofern ist der Gesetzentwurf

er Sozialdemokraten durchaus richtig, weil er in die
chtige Richtung geht.

Wir müssen mithelfen, ein Problem zu lösen, für das
ie selbst maßgeblich verantwortlich sind. Aber
,50 Euro als Mindestlohn reichen nicht aus. Herr Kolb
at hier im Übrigen auch recht.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zweimal jetzt schon! Beim dritten Mal gebe ich einen aus, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist doch schön! Eine Koalition aus FDP und Linke!)


Ihrem Gesetzentwurf weisen Sie richtigerweise darauf
in, dass es einen Zusammenhang zwischen der Renten-
öhe und den Löhnen gibt. Klar ist, dass zu niedrige
öhne zu niedrigen Renten führen. Sie schreiben in Ih-
m Gesetzentwurf – ich zitiere –:

Mit einem ausreichenden Mindestlohn würde er-
reicht, dass vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer eine Alterssicherung erreichen
können, die oberhalb der bedürftigkeitsorientierten
Leistungen der Grundsicherung im Alter liegt.





Klaus Ernst


(A) )


)(B)

Das stimmt. Leider tritt das bei einem Mindestlohn von
8,50 Euro nicht ein.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wenn ich davon ausgehe, dass die Leute ein Leben lang nur den Mindestlohn bekommen! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei 10 Euro übrigens auch nicht! Rechnen Sie das einmal nach!)


Ich habe die Bundesregierung gefragt: Wie hoch
müsste denn ein Lohn sein, damit ein entsprechendes
Rentenniveau erreicht wird? Ich habe eine Antwort be-
kommen. Die würde ich Ihnen gerne vortragen. Die Ant-
wort ist nämlich eindeutig. Am 11. Mai habe ich vom
Bundesministerium für Arbeit mitgeteilt bekommen:

Um eine Nettorente im Alter in Höhe von 684 Euro

(Wert von 2009) zu erreichen, wäre rechnerisch ein

Stundenlohn von 10 Euro erforderlich.

Herr Heil, das ist das Problem.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich will aber nicht, dass die Leute nur einen Mindestlohn ihr Leben lang haben! Das ist zu wenig!)


Es tut mir leid: Mit Ihrem Antrag werden Sie Ihren eige-
nen Anforderungen nicht gerecht. 10 Euro Mindestlohn
sind notwendig, damit Menschen, die ihr ganzes Leben,
also 45 Versicherungsjahre lang, vollzeitbeschäftigt wa-
ren, später eine Rente erhalten, für die sie nicht zum Amt
gehen müssen. Das wird mit Ihrem Antrag nicht erreicht.


(Beifall bei der LINKEN – Anette Kramme [SPD]: Vorsicht!)


Es ist bereits auf die Studie des Schweizer For-
schungsunternehmens Prognos hingewiesen worden;
Herr Heil, Sie haben das getan. Ich möchte betonen, dass
bei einem Mindestlohn von 10 Euro der Einkommenszu-
wachs mehr als 26 Milliarden Euro betragen würde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unter der Vorgabe, dass keine Beschäftigung wegfällt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist das Hauptkampffeld für die Linke! Sonst kriegt ihr euren Laden nicht zusammengehalten! Das ist doch der Punkt!)


So sagt es Prognos. Das ist deutlich mehr als das, was
durch Ihren Gesetzentwurf zu erwarten wäre.

Von uns allen hier hängt ab, ob wir letztendlich ein
entsprechendes Gesetz beschließen werden. Wir werden
Ihrem Antrag zustimmen, weil er in die richtige Rich-
tung geht, auch wenn der Betrag noch nicht stimmt.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ach! Das ist ja mal was! Das hätten wir bei der Argumentation der Rede nicht erwartet! – Anette Kramme [SPD]: Da sind wir stolz drauf! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ich dachte, Sie würden mit Nein stimmen, bei der Rede!)


Ich sage allen, die dagegen stimmen werden, dass Arbeit
auch etwas mit Würde zu tun hat. Wenn Menschen voll-
zeitbeschäftigt sind und von ihrer Arbeit nicht mehr le-
ben können, dann nimmt man ihnen die Würde. Ich sage

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(C (D nen, dass es dringend notwendig ist, den Menschen re Würde zurückzugeben. as erreichen wir, wenn wir einen gesetzlichen Mindesthn einführen. Ich bitte Sie: Reißen Sie sich in diesem usammenhang einmal am Riemen! Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol gin Brigitte Pothmer das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist llein in dieser Legislaturperiode die siebte Debatte zum hema Mindestlohn. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich befürchte, das ist nicht die letzte! – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch richtig so! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bestimmt nicht die letzte!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715305100
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715305200

ber, Hubertus, es gibt immerhin einen kleinen Fort-
chritt. Das Bohren dicker Bretter hat sich gelohnt. Wir
den heute nicht mehr ernsthaft über die Frage, ob es ei-

en Mindestlohn geben soll, sondern wir reden heute
ber die Frage, Herr Kolb, wie dieser Mindestlohn aus-
estaltet werden wird.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann haben Sie meine Rede nicht aufmerksam verfolgt!)


Diese Frage ist alles andere als trivial. Wenn Frau von
er Leyen – ich will an dieser Stelle noch einmal sagen:
h finde es nicht hinnehmbar, dass sie bei einer solchen

entralen arbeitsmarktpolitischen Debatte nicht anwe-
end ist –


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ei ihrer Position bleibt, nämlich einen Mindestlohn nur
r die Bereiche einzuführen, in denen es keine Tarifver-
äge gibt, dann springen Sie mit diesem Ansatz deutlich
u kurz. Sie können doch die Friseurin aus Sachsen mit
inem Tariflohn von 3,06 Euro nicht dafür bestrafen,
ass sie sich im Tarifsystem befindet. Sie können doch
ie Floristin aus Thüringen nicht dafür bestrafen. Das
leiche gilt für die vielen Beschäftigten im Hotel- und
aststättengewerbe, im Gartenbau und in der Landwirt-

chaft.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


Wenn diese Beschäftigten vom Mindestlohn profitie-
n wollen, dann müssen sie aus dem Tarifsystem aus-

teigen. Wenn Sie das machen, was Sie angekündigt ha-
en, dann ist das ein Projekt zur Forcierung der
arifflucht. Das können Sie nicht wirklich wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715305300

Kollegin Pothmer, gestatten Sie eine Frage oder Be-

merkung des Kollegen Weiß?


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber nicht so laut!)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715305400

Ja, bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1715305500

Frau Kollegin Pothmer, ich möchte Sie nur um eine

sachliche Klarstellung bitten: Würden Sie bitte dem
Hohen Hause und auch der Öffentlichkeit sagen, dass
die von Ihnen genannten Tarifverträge, die in der Tat
eine sehr geringe Entlohnung vorsehen, die wir alle uns
eigentlich gar nicht vorstellen können, zum Teil seit
zehn Jahren gekündigt sind und nur noch die sogenannte
Nachwirkung entfalten?


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715305600

Sie sind trotzdem weiterhin wirksam. Herr Weiß, weil

Sie das wissen – ganz offensichtlich anders als Frau von
der Leyen –, haben Sie in Ihrem Vorschlag, den die Ar-
beiternehmergruppe zur Umsetzung des Beschlusses des
CDU-Parteitags vorgelegt hat, vorgesehen, dass diese
Nachwirkungsfrist auf ein Jahr begrenzt wird; denn Sie
wollen das, was Frau von der Leyen will, ganz offen-
sichtlich nicht. Sie wollen mit Ihrem Beschluss errei-
chen, dass auch die Leute, in deren Branchen es Tarif-
verträge gibt, vom Mindestlohn profitieren. Das ist
richtig. Das unterstützen wir im Übrigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Welche Haltung
nimmt der Wirtschaftsflügel der CDU zu Ihren Vorschlä-
gen ein? Bisher war es leider so, dass die gutgemeinten
Vorschläge der CDA immer so weit ausgehöhlt worden
sind, dass sie am Ende überhaupt keine Substanz mehr
entfaltet haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So wie der Antrag der Grünen!)


Frau von der Leyen – sie ist ja nicht da –, in einer sol-
chen Situation, in der der Arbeitnehmerflügel der CDU
etwas vorlegt und der Arbeitgeberflügel der CDU dem
widerspricht, kommt es zentral auf die Arbeitsministerin
an. Sie muss jetzt zeigen, auf welcher Seite sie eigentlich
steht. Sie hat in einem Interview mit der HAZ gesagt, sie
wolle sich mit Verve dafür einsetzen, dass es noch in die-
ser Legislaturperiode einen Mindestlohn gibt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann müsste sie heute mal hier sein! Das merkt man jetzt!)


Von dieser Verve konnte jedenfalls ich bisher nicht viel
erkennen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es geht ja auch nur um Schlagzeilen!)


Bisher jedenfalls – das zeigt ihre Abwesenheit bei der
heutigen Debatte zum x-ten Mal – hat sie sich nicht ge-

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(C (D de als Speerspitze der Mindestlohnbewegung gezeigt. enn überhaupt, war sie vielleicht eine Mitläuferin. Der CDU-Parteitagsbeschluss ist Herrn Laumann zu erdanken. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das stimmt!)


er Vorschlag zur Umsetzung dieses Beschlusses
ommt aus der Arbeitnehmergruppe Ihrer Fraktion. Frau
on der Leyen ist die Prokura in Sachen Mindestlohn
anz offensichtlich endgültig entzogen worden. Dabei
üsste sie jetzt in die Debatte eingreifen. Sie müsste die
keptiker in ihrer Fraktion mit Fakten überzeugen. Die
akten, meine Damen und Herren, sind hier x-fach ge-
annt worden. Die Fakten liegen auf dem Tisch.

Nahezu 3,6 Millionen Menschen arbeiten für Löhne
nter 7 Euro die Stunde. 1,3 Millionen Beschäftigte
üssen, obwohl sie hart arbeiten, noch zum Jobcenter

ehen, um sich Finanzspritzen zu holen.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Nein! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und was ist mit Verheirateten und Familien mit Kindern?)


as ist entwürdigend, und das ist teuer für die Gesell-
chaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist Ihre Politik gewesen! Rot-grüne Politik!)


eder vierte Beschäftigte, der arbeitslos wird, fällt sofort
Hartz IV, weil die Löhne so skandalös gering sind.
ass Mindestlöhne keine Arbeitsplätze bedrohen, haben
ie Studien, die Sie selber in Auftrag gegeben haben,
ndgültig unter Beweis gestellt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Das kann man so nicht sagen! Ich bitte Sie, die auch mal zu lesen!)


Unter dem Strich ist festzustellen: Für viele Men-
chen ist Ihr Slogan „Arbeit soll sich wieder lohnen“
irklich purer Hohn. Für diese Menschen gilt etwas
anz anderes: Armut trotz Arbeit. Das, finde ich, ist ein
ozialpolitischer Skandal, der mit der sozialen Markt-
irtschaft nicht zu vereinbaren ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Kolb, jetzt zu Ihnen. Das, was ich gesagt habe,
ehen Ihre Wählerinnen und Wähler ganz offensichtlich
aargenau so. Eine Umfrage des Instituts Infratest dimap
us dem Jahre 2009 kam zu dem Ergebnis, dass über
0 Prozent der FDP-Wählerinnen und -Wähler für einen
indestlohn sind, Herr Kolb.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Für einen Mindestlohn oder für Branchenmindestlöhne oder für was genau?)


euere Zahlen kann ich Ihnen leider nicht vorlegen. Das
ängt damit zusammen, dass die Zahl der Wählerinnen
nd Wähler der FDP so weit geschrumpft ist, dass ihre





Brigitte Pothmer


(A) )


)(B)

Auffassungen nicht mehr messbar sind. Das kann Sie
aber nicht ernsthaft wundern. Sie arbeiten doch mit
Hochdruck daran, Ihre Umfragewerte in den Keller zu
treiben. Ihre Wählerinnen und Wähler sind für den Min-
destlohn. Ihre Wählerinnen und Wähler sind für die Fi-
nanztransaktionsteuer.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Kümmern Sie sich doch auch mal um Ihre Wähler, Frau Pothmer!)


Aber hier im Bundestag blockieren Sie all die Projekte,
die Ihre Wählerinnen und Wähler wollen. Daher müssen
Sie sich nicht wundern, dass Sie inzwischen bei 2 Pro-
zent gelandet sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oh! Da hat jetzt aber niemand geklatscht! Das scheint nicht so originell gewesen zu sein! – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir haben Mitleid!)


Meine Damen und Herren, das Jahr 2012 könnte das
Jahr des Mindestlohns werden. Die Bevölkerung will
ihn. Die Vorschläge der Opposition liegen auf dem
Tisch. Es gibt auch einen entsprechenden CDU-Partei-
tagsbeschluss. Wenn die Union ihre sozialpolitische
Glaubwürdigkeit nicht vollkommen verlieren will, dann
muss sie jetzt etwas vorlegen – mit oder ohne FDP.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715305700

Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer für

die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1715305800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

richtig: Wir in der CDU haben uns die Debatte um Min-
destlöhne und Lohnuntergrenzen nicht einfach gemacht.
Die Union war und ist der Meinung, dass ein Lohn dann
ungerecht ist, wenn er von einer Seite festgelegt ist, sei
es von den Arbeitgebern, sei es vom Staat. Deswegen
haben wir lange – vielleicht viel zu lange – ausschließ-
lich auf die Tarifautonomie gesetzt. Im Prinzip ist es
richtig: Löhne von den Tarifpartnern verbindlich aushan-
deln zu lassen, ist der beste Weg, und er sorgt für ge-
rechte Löhne. Wir haben aber auch anerkennen müssen,
dass die Bindungswirkung von Tarifverträgen abnimmt –
auch als unbeabsichtigte Folge staatlichen Handelns,
nämlich der Hartz-IV-Gesetze.

Nun stellte sich für uns die Frage: Wie finden wir ein
möglichst sinnvolles Verfahren, das die Grundidee der
Tarifautonomie und die Grundidee gerechter Löhne in
dieser neuen Situation miteinander verbindet? Das Er-
gebnis war der Beschluss von Leipzig.

Hier wird schon ein Merkmal deutlich, das uns von
den Sozialdemokraten unterscheidet: Wir haben sehr in-
tensiv darum gerungen und darüber nachgedacht, wie

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(C (D in gerechter Mindestlohn zustande kommt. Die SPD nd ihre geistigen Milchbrüder von den Linken haben arüber geredet, wie hoch er sein soll. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sind denn bitte „Milchbrüder“?)


Ich weiß, dass es in der Sozialdemokratie und bei den
inken eine Tradition gibt, die Parteitagsbeschlüsse bei
er Konstruktion der sozialen Wirklichkeit zur Bibel zu
achen, aber mir ist bis heute noch nicht ganz klar, auf-

rund welcher Eingebung Sie zu den verbindlichen Zah-
n von 8,50 Euro bzw. 10 Euro Mindestlohn kommen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da will ich Sie aufklären!)


Nun hat die SPD einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich
alte den Gesetzentwurf für schlecht, und zwar nicht,
eil das gewissermaßen in der – –


(Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Der Kollege Heil.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715305900

Ich wollte Sie nicht mitten im Satz unterbrechen, aber

enn Sie schon freiwillig aufhören.


Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1715306000

Für den Kollegen höre ich gerne mitten im Satz auf.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715306100

Bitte schön, Herr Kollege.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715306200

Herr Kollege Zimmer, weil Sie nicht begriffen haben,

ie wir auf 8,50 Euro kommen: Können Sie bitte zur
enntnis nehmen, dass das keine willkürlich herausge-
riffene Zahl, sondern der Betrag ist, mit dem zumindest
afür gesorgt würde, dass ein Alleinstehender, der voll-
eitbeschäftigt ist, kein ergänzendes Arbeitslosengeld II
ehr braucht? Deshalb kamen wir auf 8,50 Euro. Das ist

anz einfach zu berechnen und müsste sich auch Ihnen
rschließen. Sie müssen unsere Meinung ja nicht teilen,
ber Sie können sich nicht hier hinstellen und sagen, wir
ätten gewürfelt.

Ich sage Ihnen: Das, was vorhin gesagt wurde,
timmt. Natürlich wird eine Grundsicherung notwendig
ein, wenn ein Angehöriger hinzukommt, aber wir wür-
en im diesem Bereich Millionen von Arbeitnehmern
elfen und auch Mittel für die Grundsicherung sparen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nicht Millionen! Ihr Ansatz ist falsch! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein!)


eine Bitte ist deshalb, dass Sie das einfach zur Kennt-
is nehmen.


Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1715306300

Herr Kollege Heil, ich unterbreche meine Rede für

re sehr intellektuellen Zwischenfragen immer gerne. –





Dr. Matthias Zimmer


(A) )


)(B)

Gleichwohl gebe ich an dieser Stelle doch einmal zu be-
denken: Sie wollen einen Mindestlohn von 8,50 Euro ge-
wissermaßen flächendeckend einführen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Genau!)


Ich komme aus Frankfurt. Dort ist es mit 8,50 Euro
wahrscheinlich nicht getan. In anderen Landesteilen rei-
chen diese 8,50 Euro aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Insofern halte ich das, was Sie hier vortragen, dass näm-
lich 8,50 Euro gewissermaßen der Schlüssel- bzw. Zau-
berbetrag ist, durch den sich die soziale Wirklichkeit
endgültig zum Besseren entwickelt, für problematisch.
Diesen Optimismus teile ich nicht. – Danke schön.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo liegt er denn bei Ihnen?)


Die SPD hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, den ich
für staatsrechtlich bedenklich und handwerklich schlecht
gemacht halte.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: „Staatsrechtlich bedenklich“?)


Schauen wir in Art. 1. Dort heißt es:


(1) Als unterste Grenze des Arbeitsentgelts wird der

Mindestlohn festgesetzt. Er soll vollzeitbeschäftig-
ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein ihre
Existenz sicherndes Einkommen gewährleisten …

Hier habe ich erst einmal gestutzt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da muss man die Begründung lesen!)


Normalerweise wird in einführenden Paragrafen über
den Geltungsbereich eines Gesetzes gesprochen. Will
die SPD den Mindestlohn nur für Vollzeitbeschäftigte
und nicht für Teilzeitbeschäftigte? Nein, natürlich nicht.
Ich vermute einmal, Sie haben hier nur ein wenig Prosa
in den Gesetzentwurf hineingeschrieben. Diese Prosa hat
hier aber nichts zu suchen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Gesetzentwurf ist schlampig gemacht! Der Referent, der das geschrieben hat, muss entlassen werden!)


Sie führt nur zu Verwirrung und schlimmstenfalls zu
Rechtsunsicherheit.

Zur Festsetzung des Mindestlohns. In § 4 Abs. 1 Ihres
Entwurfs heißt es:


(1) Die Mindestlohnkommission schlägt unverzüg-

lich nach Inkrafttreten des Gesetzes, danach jeweils
zum 31. August eines jeden Jahres den Mindestlohn
durch Beschluss vor.

Ein wenig später heißt es in Abs. 5:


(5) Schlägt die Mindestlohnkommission bis zu dem

in Absatz 1 genannten Zeitpunkt keinen Mindest-
lohn vor, bestimmt das Bundesministerium für Ar-
beit und Soziales den Mindestlohn …


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also die Politik!)


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(C (D Also: Schlägt die Mindestlohnkommission nicht unerzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes einen indestlohn vor, bestimmt das Ministerium. Da Sie in 4 Abs. 2 bereits festgelegt haben, dass der Mindestlohn indestens 8,50 Euro beträgt, wird er dann unmittelbar ach Verabschiedung des Gesetzentwurfs vom Ministeum erhöht, weil Sie in diesem Absatz ja auch festgelegt aben, dass nur ein höherer Mindestlohn vorgeschlagen erden kann. Das ist ein politischer Dreisprung, gegen en sich die Echternacher Springprozession harmlos usnimmt. Der Kollege Heil hat von der Tarifautonomie gesprohen und davon, dass er sie hochhält. Mir scheint hingeen: Es ist im Wesentlichen das Ministerium für Arbeit nd Soziales, das in dem ganzen Prozess, den Sie hier orschlagen, eine herausragende Rolle spielt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weil er davon träumt, einmal Arbeitsminister zu werden!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as Ministerium benennt den Vorsitzenden der Kom-
ission, die dann noch acht weitere Mitglieder enthält.
ber die Abstimmungsmodalitäten sagen Sie nichts. Ich
ermute einmal, dass der Vorsitzende gewissermaßen
er Tiebreaker sein wird.

Das Ministerium kann, wenn die Kommission zu kei-
er Einigung gekommen ist, einen Mindestlohn bestim-
en und durch Rechtsverordnung festlegen. Das Minis-
rium kann den Mindestlohn, wenn ihm die von der
ommission festgelegte Höhe nicht passt, ablehnen. Das
inisterium hat also ein Vetorecht.

Was Sie hier vorschlagen, Herr Heil, ist ein mindest-
hnpolitisches Ermächtigungsgesetz für das Ministe-
um für Arbeit und Soziales.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ganz vorsichtig mit solchen Begriffen! Herr Präsident, es geht nicht, dass er von „Ermächtigungsgesetz“ spricht! Das ist unhistorisch! Er sollte sich entschuldigen! – Gegenruf von der CDU/CSU: Regen Sie sich doch nicht so auf!)


h habe keine Sorge, Herr Heil,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist unglaublich gegenüber einer Partei, die dagegen gestimmt hat! Es ist unerträglich, „Ermächtigungsgesetz“ zu sagen!)


ass unsere Ministerin mit einer solchen Machtfülle
icht verantwortlich umgehen würde. Aber bei Ihnen
abe ich da meine Zweifel. Vor jeder Wahl würde ein
PD-geführtes Ministerium Lohngeschenke machen
önnen. Sie wären Ihrem alten Traum näher gekommen,
ahlgeschenke auf Kosten Dritter machen zu können.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nachfolger der Partei, die den Ermächtigungsgesetzen zugestimmt hat, das sind Sie! Unglaublich! Nehmen Sie das zurück!)


h sage hingegen, Herr Heil, auch gegen das Gebrüll,
as von Ihnen kommt: Ein Lohn ist ungerecht, wenn er





Dr. Matthias Zimmer


(A) )


)(B)

in der Weise, die Sie vorschlagen, vom Staat festgelegt
werden kann.

Letzter Punkt. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf
in § 1 Abs. 2, dass die Festsetzung des Mindestlohns un-
ter Berücksichtigung der Beschäftigungseffekte, des
Existenzminimums und der gesamtwirtschaftlichen Aus-
wirkungen erfolgt. Gleichzeitig schreiben Sie aber auch,
dass sich der Mindestlohn auf mindestens 8,50 Euro be-
laufen muss, und zwar unabhängig von den Beschäfti-
gungseffekten und den gesamtwirtschaftlichen Auswir-
kungen.

Auch zum Existenzminimum habe ich eine Frage. Ich
komme aus Frankfurt. Da ist ein Lohn von 8,50 Euro
nicht auskömmlich. Aber ich kann mir vorstellen, dass
das in anderen Regionen anders ist. Ungleiches gleich zu
behandeln – schafft das nicht neue Ungerechtigkeiten?
Könnte es sein, dass Sie damit in ländlichen Regionen zu
einer zusätzlichen Abwanderung beitragen, weil die re-
gionalen wirtschaftlichen Auswirkungen für Arbeitgeber
nicht mehr zu tragen sind?


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU])


Was ist, wenn die Kommission empfiehlt, ein Min-
destmaß an regionaler Flexibilität einzuführen, was
unseren Überlegungen entspricht? Nach Ihrem Modell
kassiert dann mit einer großen Geste des „Basta!“ das
Ministerium den Vorschlag ein und macht, was es für
richtig hält. Klug ist das nicht, eher schon ideologisch
getrieben.

Ihr Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht. Er ist
missverständlich. Er gibt dem Ministerium zu viel
Macht. Er ist von einem Misstrauen gegen die Tarifpart-
ner geprägt. Ihr Gesetzentwurf ist wie eine rektale Zahn-
behandlung. Sie kann unter Umständen erfolgreich sein,
richtet aber auf dem Weg dahin so viel Schaden an, dass
die Gesamtbilanz negativ ist. Wir werden den Gesetzent-
wurf ablehnen und zu gegebener Zeit einen eigenen Ge-
setzentwurf zu diesem Thema vorlegen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715306400

Herr Kollege Zimmer, wir haben in diesem Hause

sehr wenige Regeln. Zu den wenigen Regeln gehört,
dass wir Grenzüberschreitungen vermeiden sollten, etwa
Grenzüberschreitungen derart, eine andere demokrati-
sche Partei zu verdächtigen, dass sie etwas tue, was in
irgendeinem Zusammenhang mit dem Nationalsozialis-
mus steht. Deswegen ermahne ich Sie, so etwas wie „Er-
mächtigungsgesetz“ nicht zu wiederholen. Ich tue das
ganz freundlich. Diesen Stil wollen wir uns nicht wech-
selseitig zumuten.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Frak-
tion.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für re Worte, Herr Präsident. Es hat mich schwer erschütrt, dass der Begriff „Ermächtigungsgesetz“ im Zusamenhang mit der SPD verwendet wird, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie wissen, dass er das so nicht gemeint hat! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann soll er es so nicht sagen, oder klarstellen!)

Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1715306500

iner Partei, deren Mitglieder durch den Nationalsozia-
smus verfolgt worden sind, die wegen ihres Kampfes
egen den Nationalsozialismus gestorben sind.


(Patrick Döring [FDP]: Zwischen Ihnen und Herrn Vizepräsidenten liegen Welten!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir ein we-
ig schwer, zur Tagesordnung überzugehen, aber wir
iskutieren hier über einen Mindestlohn in der Bundes-
publik Deutschland. An sich weiß jeder hier im Saal,

ass es kein Argument gegen einen gesetzlichen Min-
estlohn gibt. Wir können Ihnen die Zahlen an den Kopf
nallen und beobachten Ignoranz. Herr Kolb wirft uns
or, dass wir nicht imstande sind, in dieser Republik
raumwelten zu schaffen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Ich werfe Ihnen vor, dass Sie einen schlampigen Gesetzentwurf gemacht haben! Das können Sie besser, und das sollten Sie auch besser machen!)


as bedauern wir auch. Sicherlich wäre es wunderbar,
enn wir es schaffen würden, über einen Mindestlohn
icht nur Vollzeitbeschäftigte, sondern auch Familien
bzusichern. Sicherlich wäre es wunderbar, wenn wir es
chaffen würden, über einen Mindestlohn beispielsweise
uch Teilzeitbeschäftigte mit 30 Stunden abzusichern.
icherlich wäre es auch wunderbar, wenn bereits die
inführung eines ersten Mindestlohns dazu führen
ürde, dass Rentenansprüche oberhalb der Grundsiche-
ng liegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
ennoch einige Zahlen nennen, die an sich bei Ihnen zu
roßer Sorge führen müssten, sodass Sie sich endlich
edanken zu diesem Thema machen und einen Gesetz-

ntwurf vorlegen. Das gilt auch für Sie von der FDP.

Wir haben in der Bundesrepublik einen Niedriglohn-
ektor, der dem in den USA gleicht. 22 Prozent aller Be-
chäftigten in der Bundesrepublik Deutschland sind im
iedriglohnsektor tätig.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Erfolg von zehn Jahren SPD-Politik!)


Dänemark sind es demgegenüber nur 8,5 Prozent, in
rankreich 11,1 Prozent. Wir hatten zwischen 1995 und
006 einen 40-prozentigen Zuwachs zu verzeichnen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wegen der Regierungszeit der SPD!)


untersten Quartil sind die Löhne in den letzten Jahren
ogar um fast 14 Prozent gesunken. Wenn man eine ein-
eitliche Niedriglohnschwelle sowohl für den Osten als





Anette Kramme


(A) )


)(B)

auch für den Westen der Bundesrepublik Deutschland
definiert, dann sind 40 Prozent aller Ostdeutschen im
Niedriglohnsektor tätig.

20 Prozent der Aufstocker arbeiten mehr als 35 Stun-
den, aber 50 Prozent bekommen weniger als 6,44 Euro
Lohn. 25 Prozent arbeiten sogar für weniger als
4,95 Euro.

Niedriglöhne gefährden damit die Funktionsfähigkeit
der Sozialversicherungssysteme. Die Krankenversiche-
rungsbeiträge reichen nicht aus.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Gucken Sie doch mal die Zahlen an, Frau Kramme! Die Beitragseinnahmen wachsen in vielen Bereichen der Sozialversicherung!)


– Herr Kolb, Sie haben völlig recht. Ich würde Ihnen
gerne antworten, wenn Sie mich lassen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann sagen Sie nicht so einen Quatsch!)


– Es ist richtig, dass die Zahl der Erwerbstätigen gestie-
gen ist, Herr Kolb. Aber es ist nicht richtig, dass die indi-
viduelle Beitragshöhe gestiegen ist. Sie müssen zugeben,
dass ein Niedriglohnempfänger insgesamt auch sehr
niedrige Beiträge in die Krankenversicherung einzahlt.

Leider müssen wir auch immer häufiger beobachten,
dass das System des Arbeitslosengelds I nicht greift,
sondern Menschen direkt Aufstockungsleistungen in
Anspruch nehmen müssen. Herr Kolb, Sie haben selber
dargelegt, wie die Situation in der Rentenversicherung
ist. Was sollen wir von diesem Rentenversicherungssys-
tem perspektivisch erwarten, wenn 40 Prozent der Ost-
deutschen im Niedriglohnsektor tätig sind? Wie sollen
diese Menschen jemals auf eine Rente oberhalb der
Grundsicherung kommen?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Mindestlohn wird das Problem nicht lösen! Dann muss man sich etwas anderes einfallen lassen!)


Mindestlöhne generieren zusätzliche staatliche Ein-
nahmen. Gerade in der gegenwärtigen internationalen
Situation wäre es wunderbar, eine Art kleines Konjunk-
turprogramm zu haben. Wir könnten durch einen Min-
destlohn in Höhe von 8,50 Euro 14,5 Milliarden Euro
zusätzlich an Erwerbseinkommen erzielen. Die zusätzli-
chen Steuereinnahmen hat Hubertus Heil auf der Grund-
lage der Berechnungen des Prognos-Instituts bereits be-
ziffert, ebenso die Entlastungen bei Sozialtransfers. Wir
könnten die zusätzlichen Einnahmen beispielsweise
dazu nutzen, in eine vernünftige Fachkräfteinitiative zu
investieren. Auch das ist ein Thema, dem sich diese
Koalition leider verweigert.

Mindestlöhne gefährden keine Arbeitsplätze. Sie soll-
ten die Recherchen ernst nehmen, die Sie selber haben
durchführen lassen, meine Damen und Herren von der
Koalition.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir können nur
hoffen, dass der Entwurf der Union irgendwann kommt.
Er wäre wenigstens ein erster Schritt in die richtige
Richtung.

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(C (D Sie wollen eine Beschränkung auf Branchen ohne Tafvertrag einführen. Das bedeutet zunächst einmal, dass s keinerlei rechtliche Weiterung im Vergleich zum Minestarbeitsbedingungengesetz gibt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das gibt es schon!)


Der nächste Punkt ist: Wir bedürfen an sich gesetzli-
her Mindestlöhne auch im Bereich der Tarifverträge.
ie sollen die Gewerkschaften dort künftig agieren?

ollen Gewerkschaften auf Tarifverträge verzichten?
err Kolb hat sehr offensiv gesprochen und behauptet,
ir würden einen Misstrauensantrag gegen die Gewerk-

chaften stellen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war nicht ich, sondern Herr Weiß!)


h kann nur sagen: Nach meiner Auffassung handelt es
ich bei Ihrem Vorschlag um einen Attentatsversuch auf
ie Gewerkschaften; denn diese kämen in die kuriose Si-
ation, auf eigene Tarifverträge verzichten zu müssen,

m Beschäftigten in den betreffenden Branchen und
ektoren eine Mindestabsicherung zu ermöglichen.
berdies wäre das Ganze quasi ein Heiratsantrag an
cheingewerkschaften. Diese würden befördert werden,
eil eine ganze Branche durch den Abschluss eines
cheintarifvertrags für die Lohnuntergrenze gesperrt
erden könnte.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie wollten doch zum Schluss kommen, Frau Kollegin Kramme!)


Sie wollen des Weiteren nach Branchen und Regionen
ifferenzieren. Das wird zu erheblichen zeitlichen Ver-
ögerungen führen. Es wird Jahre dauern, bis wir in der
undesrepublik Deutschland durchgängig Mindest-
hne haben. Viele Arbeitnehmer werden niemals wis-

en, welcher Mindestlohn für sie gilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten endlich
ur Vernunft kommen. Ich finde, es gibt kein Thema, bei
em es so eindringliche Argumente gibt, die nahelegen,
ndlich zu einer gesetzlichen Lösung zu kommen. Aber
iese Koalition scheint auch in diesem Punkt nicht hand-
ngsfähig zu sein.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715306600

Das Wort hat nun Johannes Vogel für die FDP-Frak-

on.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715306700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iebe Kollegin Kramme, Sie haben eben gesagt, wir
ürften bei der Betrachtung der Lage und unseren Über-
gungen, wie wir am besten darauf reagieren, nicht
norant sein. Ich glaube, Sie haben recht. Aber dann

ollten wir zur Versachlichung der Debatte beitragen.





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

Wir müssen uns zuerst überlegen, was wir wollen, und
dann schauen, welches der beste Weg ist.


(Zurufe von der LINKEN)


Wir wollen auf dem Arbeitsmarkt Fairness gegenüber
drei Gruppen erreichen; Sie, liebe Kolleginnen und Kol-
legen von der Linken, müssten dem eigentlich zustim-
men. Wir wollen, dass Arbeitnehmer gute Löhne bekom-
men. Wir wollen aber auch, dass die Unternehmen in der
Lage sind, die Löhne zu zahlen; denn nur dann entstehen
Wachstum und Arbeitsplätze. Wir wollen außerdem
Fairness und Perspektiven für diejenigen, die noch auf
den Arbeitsmarkt wollen, und für diejenigen, die bei fal-
schem politischen Handeln Gefahr laufen, ihren Arbeits-
platz zu verlieren. Ausdruck von falschem politischen
Handeln sind Ihre Vorlagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die taugen nix, alle drei!)


Die Alternative ist das Vorgehen in drei Schritten, das
unserer sozialen Marktwirtschaft entspricht und zu der
sich diese Koalition – auch meine Fraktion – bekennt.
Erstens. Die Tarifautonomie, die Vorrang hat und We-
sensbestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft ist, er-
fordert starke Arbeitgeber und Gewerkschaften. Das
sollte der Regelfall sein.

Zweitens. Wir sollten in Branchen, in denen es Pro-
bleme gibt, in denen die Unternehmen weniger zahlen,
als sie könnten, die Möglichkeit nutzen, Tarifverträge für
allgemeinverbindlich erklären.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann sind Sie auch dafür, das Streikrecht auszuweiten?)


Die Lohnhöhe wird aber von den Tarifvertragsparteien
festgelegt.

Drittens. Mit dem Mindestarbeitsbedingungengesetz
gibt es eine letzte Auffanglinie für die dann noch beste-
henden weißen Flecken in Deutschland.

Dieses Vorgehen in drei Schritten entspricht der so-
zialen Marktwirtschaft. Dazu bekennen wir uns, und das
ist besser als das, was Sie vorschlagen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Schauen wir uns einmal an, was dafür und was dage-
gen spricht. Sie haben bereits die Ergebnisse der von
dieser Regierung in Auftrag gegebenen Evaluation des
Systems aus Mindestlöhnen und Allgemeinverbindlich-
erklärungen in einzelnen Branchen angesprochen. Ich
finde die Ergebnisse hochinteressant. Sie sind ein Indiz
für vieles, aber sicher kein Argument dafür, von diesem
System abzukehren. Zwei Ergebnisse dieser Evaluation
sind hervorzuheben. Es gibt Beschäftigungseffekte.
Wenn zu hohe Löhne festgelegt werden, dann passieren
Dinge – in geringem Ausmaß ist das in einzelnen Bran-
chen bereits der Fall –, die weder Sie noch wir wollen.
Es gibt negative Beschäftigungseffekte. Es werden
Lohnbestandteile abgebaut, die zuvor gewährt wurden.
Beschäftigte werden teilweise durch Zeitarbeiter oder
durch befristet Beschäftigte ersetzt. Es gibt dann also
den von Ihnen beschriebenen negativen Effekt.


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(C (D (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Beweisen Sie das einmal! Bitte mit Fußnote!)


Das besagt die Evaluation. Wir können das gerne
unkt für Punkt durchgehen. Darüber haben wir im Aus-
chuss schon diskutiert. Lieber Hubertus, leider konntest
u an der entsprechenden Ausschusssitzung nicht teil-
ehmen. Aber wir können darüber gerne noch einmal
usführlicher diskutieren.

Die Evaluation beweist aber auch, dass diese Effekte
ering sind – das ist richtig –, weil die Tarifpartner gut
arin sind, die richtige Lohnhöhe zu treffen. Aber das
ann nicht allen Ernstes als Beleg dafür angeführt wer-
en, die Lohnfindung den Tarifpartnern wegzunehmen
nd sie der Politik in die Hand zu geben. Wir sollten bei
em bewährten System bleiben, das wir haben.


(Abg. Sabine Zimmermann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich freue mich über eine Zwischenfrage der Kollegin
immermann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715306800

Ja, bitte. – Herr Kollege Ernst, auch Sie haben sich

emeldet, aber die Kollegin Zimmermann hat sich zuerst
emeldet und somit den Vortritt.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715306900

Ladies first, Herr Kollege, sie war zuerst.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715307000

Lieber Herr Vogel, ich höre Ihnen immer wieder gern

u.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715307100

Dito.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715307200

Ich muss aber jetzt einmal fragen, ob Sie in Folgen-

em mit mir einer Meinung sind: Wenn die Leute mehr
eld in der Tasche haben, können Sie mehr kaufen.
ann muss mehr produziert werden. Das schafft Ar-
eitsplätze.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine mögliche Sichtweise der Dinge!)


eshalb der Hinweis auf den gesetzlichen Mindestlohn.
ind Sie in dieser Hinsicht mit mir einer Meinung?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Daran ist schon die DDR untergegangen! Einheit von Sozialund Wirtschaftpolitik, das kennen wir alles noch!)


as müssten auch Sie verstehen.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715307300

Liebe Kollegin Zimmermann, ich bin der Meinung,

ass diese Sicht leider ein wenig unterkomplex ist,





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist das Wort des Jahres! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Brutto ist nicht netto!)


weil Sie völlig außer Acht lassen, dass dann, wenn der
Lohn zu hoch angesetzt wird – das ist nachweisbar; die
Evaluation, die wir in Auftrag gegeben haben, hat das
gerade wieder belegt –, der Arbeitsplatz weg sein kann.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!)


Dann sind die Menschen arbeitslos. Das wollen wir alle
nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Dann werden gar keine Löhne gezahlt, und dann kann
auch nichts ausgegeben werden. Das ist die Balance, die
wir halten müssen, und diese Balance – das ist der Punkt –
halten die Tarifpartner besser als die Politik. Deshalb
sollten wir dabei bleiben, Frau Kollegin Zimmermann.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe)


– Teil unseres Austausches hier ist: Wir sollten die Argu-
mente ernst nehmen und gewichten. Ich höre Ihnen auch
gern zu, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Oppo-
sition.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715307400

Herr Kollege, der Kollege Ernst will auch noch eine

Zwischenfrage stellen.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715307500

Er will auch noch eine Zwischenfrage stellen. Gern,

lieber Kollege Ernst.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der kann mit seinem Dienstfahrzeug heimfahren! Die anderen brauchen den Zug! – Weitere Zurufe)


– Ich höre auch gern Zwischenfragen zu, Frau Kollegin.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715307600

Ich freue mich, Herr Kollege, dass Sie sich so sehr für

die Verteidigung der Tarifautonomie einsetzen.


(Patrick Döring [FDP]: Ja, wir glauben noch daran! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir stehen auf der Basis des Grundgesetzes, Herr Kollege Ernst!)


Mich wundert das etwas, wenn ich an die Positionen der
FDP zur Tarifautonomie in der Vergangenheit denke.


(Zuruf von der FDP: Fragen!)


– Man darf nicht nur eine Frage stellen. Herr Kollege,
Sie wissen, man kann auch eine Bemerkung machen.
Darauf möchte ich einmal hinweisen.

Aber ich möchte Sie schon auch etwas fragen, Herr
Vogel. Sie haben gesagt, dass letztendlich durch die Ta-
rifautonomie die richtigen Löhne zustande kommen.
Jetzt wissen wir, dass wegen der Schwäche der Gewerk-
schaften inzwischen Tariflöhne von 3,56 Euro gelten.

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(C (D ind Sie der Auffassung, dass das ein richtiger und angeessener Lohn ist? Sind Sie der Auffassung, dass wir in iesem Bereich eine funktionierende Tarifautonomie haen? (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist nur Verzögerungstaktik! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sind Gewerkschaftssekretär! Was haben Sie getan? – Patrick Döring [FDP]: Warum entziehen Sie der Gewerkschaft Ihre Arbeitskraft, indem Sie hier sind?)


ind Sie mit mir der Auffassung, dass es notwendig ist,
ie Tarifautonomie gerade von unten zu stützen, um wie-
er zu vernünftigen Löhnen bei Tarifauseinandersetzun-
en zu kommen?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sind Sie mit mir der Auffassung – das ist meine letzte
rage –, dass der DGB und die Einzelgewerkschaften
eshalb durchaus recht haben, wenn sie zur Unterstüt-
ung der Tarifautonomie – sie verstehen etwas davon –
r einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn

ind?


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715307700

Lieber Herr Ernst, Sie haben viele Fragen gestellt. Ich

eue mich, wenn ich ausreichend Zeit bekomme, die
ragen zu würdigen.

Erstens. Ja. Ich bekenne mich bewusst zur Tarifauto-
omie und zu starken Arbeitgebern und Gewerkschaf-
n. Ich finde, der heutige Tag, an dem die IG Metall

rstmals seit vielen Jahren wieder steigende Mitglieder-
ahlen vermeldet, ist ein guter Tag, das zu tun. Es ist
lsch, was Sie machen, nämlich die Tariffindung den
arifpartnern aus der Hand nehmen zu wollen, was Ih-
m Antrag zugrunde liegt, lieber Herr Ernst.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


h finde es schade, dass Sie diesen Weg gehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 1: 0 für Vogel!)


Zweitens. Ich bin sehr wohl der Auffassung, dass ne-
en dem Regelfall der funktionierenden Tarifautonomie
einzelnen Problembranchen von einzelnen Unterneh-
en, von schwarzen Schafen teilweise, in der Tat zu

iedrige Löhne gezahlt werden, niedrigere, als sie zahlen
önnten. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir dort
uffanglinien brauchen. Deshalb bekennen wir uns zur
llgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.

Wir bekennen uns sogar zu einer weiteren Auffangli-
ie nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz. Aber
er Vorrang für die Lohnfindung durch die Tarifpartner
leibt bei dem, was wir in der Koalition machen, ge-
ährleistet; bei Ihnen nicht, und das ist der große Unter-

chied, Herr Ernst.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 2:0 für Vogel!)


Drittens. Sie haben die Höhe von Tariflöhnen ange-
prochen; darauf will ich jetzt eingehen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: 3,56 Euro!)






Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

– Das trifft sich gut, weil ich mich sowieso gerade mit
den Argumenten auseinandersetzen wollte, die gegen
das System, das wir heute in Deutschland haben, heute
häufig genannt wurden.

Lieber Hubertus Heil, du hast wie immer – das wird ja
gern getan – den Tarifvertrag für Friseure in Thüringen
angeführt. Das meine ich, wenn ich sage: Lasst uns ein-
mal in die Details schauen! Das Interessante ist ja: Wenn
wir genauer hinschauen, Herr Ernst, sehen wir: Die Ta-
rifpartner machen ihre Arbeit besser, als Sie es ihnen of-
fenbar zutrauen. Das Beispiel der Friseure in Thüringen
habe ich mir angeschaut. Wenn wir die anderen Bei-
spiele im Ausschuss diskutieren, werden wir zu ähnli-
chen Ergebnissen kommen; da bin ich ganz sicher. Das
können wir gerne im Detail machen.

In Thüringen, Herr Ernst, ist es so, dass im Tarifver-
trag eine Umsatzbeteiligung fest vereinbart ist. Das
heißt, der Stundenlohn ist da gar nicht der einzige Lohn-
bestandteil, sondern es kommt ein großer Teil Umsatz-
beteiligung dazu.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 3: 0 für Vogel! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie groß ist denn der Teil bei der Friseurin in Euro und Cent?)


Wenn man das mit dem durchschnittlichen Umsatz der
Betriebe dort berechnet – lieber Hubertus Heil, du
kennst die Zahl so gut wie ich –, dann kommt man je
nach Geschäftsbetrieb auf einen Stundenlohn von 7 bis
8 Euro, lieber Herr Ernst.

Das zeigt: Die Tarifpartner verstehen mehr von ihrem
Geschäft als Sie, und deshalb gibt es erneut keinen
Grund, ihnen die Tarifbindung aus der Hand zu nehmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen, auf die ande-
ren Argumente, die von der Opposition angeführt wur-
den, einzugehen. Es wurde wieder einmal von der Zahl
der Aufstocker geredet. Frau Kollegin Pothmer und Kol-
lege Heil haben das getan.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen Sie wieder damit!)


– Ich muss Sie leider erneut darauf hinweisen, selbst
wenn es in der Debatte vorher genannt wurde.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715307800

Kollege Vogel, haben Sie Lust, noch eine weitere

Zwischenfrage zu beantworten?


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715307900

Von wem denn?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715308000

Von der Linkspartei.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715308100

Ich nehme auch gerne noch eine dritte Zwischenfrage

an.

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(C (D Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Ich möchte nur urz darauf hinweisen – ich komme aus Thüringen und abe mich ausgiebig damit befasst –, dass der durchchnittliche Lohn der Friseure unter 7 Euro inklusive der msatzbeteiligung liegt, weil diese nicht immer so optial ist, wie Sie es darstellen. Bei Mietpreisen, zum Bei piel in Jena, wo ich herkomme, die sich auf dem Niveau on vergleichbaren Städten wie Marburg usw. oder sogar arüber bewegen, kann man mit solchen Einkommen urchaus als arm gelten. Deshalb ist ein gesetzlicher indestlohn erforderlich; denn wenn ich eine durch chnittliche Kaltmiete von 6 Euro pro Quadratmeter abe, muss ich mit einem Einkommen in Höhe von Euro bei 150 Arbeitsstunden noch zum Amt laufen nd Hilfe erbetteln. Das ist wirklich nicht tragbar. Stimen Sie mir darin zu, dass das nicht korrekt ist? Herr Kollege, ich nehme Ihre Zwischenbemerkung rstens als Bestätigung dafür, dass die Tarifpartner in hüringen sehr wohl eine Umsatzbeteiligung vereinbart aben. Es ist schön, dass das festgehalten wird. Zweitens rneuere ich mein Angebot, dass wir uns diese Tarifveräge im Detail im Ausschuss anschauen. Drittens sage h zur Frage der Aufstocker: Die Statistik zu den Auf tockern ist die wichtigste Statistik; denn sie sagt etwas arüber aus, wer in Deutschland von seinem Lohn leben ann und wer nicht. Die Statistik zeigt, dass wir etwa 00 000 Vollzeitaufstocker in diesem Land haben, nicht ehr. Das heißt, es sind diejenigen erfasst, die wegen er Lohnhöhe aufstocken, und nicht die, die nur Teilzeit rbeiten. Von diesen 300 000 stockt aber die weit überiegende Zahl deshalb auf, Herr Kollege Lenkert und ebe Kollegin Pothmer, weil sie eine große Familie hat. uch wenn Sie es ignorieren, (Zuruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715308200

(Beifall bei der LINKEN)

Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715308300

enn Ihnen das gesagt wird: Ich finde – das kann ich für
ie gesamte Koalition sagen –, dass eine Familie dabei
nterstützt wird, auf einem ordentlichen Niveau zu le-
en, ist eine sozialpolitische Errungenschaft in Deutsch-
nd.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 6 Millionen unter 7 Euro pro Stunde!)


as ist nichts, was Sie schlechtreden sollten, Frau Kolle-
in, und das bleibt so.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die zweite interessante Zahl zeigt, dass die Aussage
es Kollegen Heil – er ist leider hinausgegangen –, die
ahl würde steigen, schlicht nicht stimmt. Die Zahl der
ollzeitaufstocker in Deutschland sinkt seit Jahren. Wir
ollen diesen Prozess beschleunigen, deshalb bekennen
ir uns zur sozialen Marktwirtschaft. Sie tun das nicht.
as ist der große Unterschied, liebe Kolleginnen und
ollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

Ich muss an dieser Stelle sagen: Auch das letzte Argu-
ment, das während der gesamten Debatte immer wieder
angeführt wurde, kann nicht überzeugen. Die letzen bei-
den Argumente bezogen sich auf die Prognos-Studie, die
beweise, es sei gut für die Einnahmen des Staates, einen
Mindestlohn einzuführen. Dazu muss man jedoch der
Ehrlichkeit halber sagen: Diese Prognos-Studie beinhal-
tet keine Betrachtung der Beschäftigungseffekte; das sa-
gen die Verfasser ganz offen.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist die entscheidende Frage, wenn es um Min-
destlöhne geht. Deshalb bitte ich Sie, diese Studie, die
man wirklich nur als unseriös bezeichnen kann, beiseite
zu lassen.

Die zweite Behauptung ist – Frau Kollegin Kramme
hat es eben wieder gesagt –, der Niedriglohnsektor in
Deutschland würde steigen. Erstens ist das interessant,
da Sie immer einen Zeitraum ansprechen, in dem Sie
von den Grünen mit der SPD Regierungsverantwortung
getragen haben. Zweitens muss man sich dies genauer
anzuschauen. Die Wahrheit ist nämlich: Der Niedrig-
lohnsektor steigt seit fünf Jahren nicht – im Gegenteil.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Kollege Heil konnte die Wahrheit nicht mehr ertragen und ist hinausgegangen!)


Auch dazu kann ich nur sagen: Wir wollen, dass sich
dieser Prozess fortsetzt, Sie offenbar nicht, sonst würden
Sie diese positiven Zeichen zur Kenntnis nehmen.

Es bleibt dabei: Es ist richtig, dass die Lohnfindung in
Deutschland bei den Tarifpartnern bleibt. Dort sollten
wir sie belassen, und im Notfall finden wir branchendif-
ferenzierte Lösungen, um Ausbeutung zu verhindern.
Ein allgemeiner Mindestlohn von Aachen bis Cottbus
und von Flensburg bis Konstanz, der am Ende noch von
der Politik bestimmt wird, hilft keinem Arbeitnehmer
und führt nicht zu höheren Löhnen, sondern nur zu höhe-
rer Arbeitslosigkeit. Deshalb lehnen wir ihn sowie Ihre
Vorlagen ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715308400

Das Wort hat nun Jutta Krellmann für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715308500

Vielen Dank. – Guten Tag, Herr Vorsitzender! Meine

Damen und Herren! Herr Vogel, sind Sie Mitglied einer
Gewerkschaft oder einer anderen Tarifvertragspartei?
Dieser Eindruck drängt sich ja nach Ihrem Plädoyer für
die Tarifautonomie auf. Wenn Sie das bisher noch nicht
sind – ich habe einen Aufnahmeschein dabei; den kann
ich Ihnen gerne geben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ – fü d Ic w n u M N M is „ S in re te a s v S w v le K d W re a g fü m F w b v m ja lo (C (D NEN] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt ja keinen Zwang, in die Gewerkschaft einzutreten!)


Nein, gibt es nicht. Aber angesichts seines Plädoyers
r die Tarifautonomie wäre es ja ein logischer Schritt,

as zu tun.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Steht im Grundgesetz! Wir werden uns doch noch zum Grundgesetz bekennen dürfen!)


Ich habe kein Problem, über Mindestlöhne zu reden.
h finde aber, langsam muss Schluss damit sein, dass
ir darüber reden. Ich möchte gerne, dass es endlich ei-
en Mindestlohn gibt,


(Beifall bei der LINKEN)


nd – davon gehe ich aus – Tausende, wenn nicht sogar
illionen Menschen, insbesondere die, die in diesen
iedriglohnbereichen arbeiten, möchten das ebenfalls.
it dieser Debatte muss endlich einmal Schluss sein. Es
t unerträglich, dass wir immer wieder über die Frage
Mindestlohn, ja oder nein?“ diskutieren, aber keinen
chritt wirklich nach vorne gehen.


(Patrick Döring [FDP]: Sie stellen doch laufend Anträge!)


Schauen wir uns doch einmal an, wie die Diskussion
den letzten Jahren gelaufen ist: Die SPD hat vor Jah-
n – ungefähr vor zehn Jahren wurde durch meine Par-
i der erste Antrag dazu gestellt – darin einen Angriff

uf die Tarifautonomie gesehen. Die Grünen konnten
ich zu dem Zeitpunkt einen Mindestlohn für alle nicht
orstellen. Seinerzeit wurde in einer Debatte gesagt:

Sie können doch nicht alles über einen Kamm sche-
ren und einen x-beliebigen Vertrag aufsetzen.

olche Worte sind damals gefallen.

Ich persönlich kann mir ganz viele Wege vorstellen,
ie man es erreichen kann, dass der Niedriglohnbereich
erkleinert wird. Aber nachdem nun über 20 Prozent al-
r Beschäftigten im Niedriglohnbereich arbeiten, ist der
arren so tief in den Dreck gefahren, dass er jetzt unbe-
ingt wieder herausgeholt werden muss.


(Beifall bei der LINKEN)


ir reden nicht über eine geringe Anzahl, sondern wir
den insgesamt über 3,6 Millionen Beschäftigte. Das ist

bsolut keine vernachlässigbare Anzahl.

Ich habe in letzter Zeit viele Diskussionen mit Kolle-
innen und Kollegen aus dem Gewerkschaftsbereich ge-
hrt, aber auch mit Beschäftigten. Dabei habe ich im-
er wieder gehört: 8,50 Euro – so lautet ja die aktuelle
orderung des DGB – sind im Grunde genommen zu
enig. Diese Forderung des DGB ist ja auch schon drei
is vier Jahre alt. Mit 8,50 Euro kann man gerade einmal
erhindern, dass Arbeitnehmer aufstocken müssen, aber
assiv ändert sich dadurch nichts. Zur Altersarmut hat
auch schon mein Kollege Klaus Ernst einen Satz ver-
ren.





Jutta Krellmann


(A) )


)(B)

Die Grünen nennen nach wie vor leider noch keine
Zahl. Das stellt sich für mich so dar: Wasch mich, aber
mach mich nicht nass.


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beate MüllerGemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Ach! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nur in diesem Antrag nicht! Das war ein Angebot an die CDU/CSU!)


Mit anderen Worten: Diese Herangehensweise ist für
mich ziemlich unbefriedigend.

Wegen der Sache und weil im Grunde viele Men-
schen, die davon betroffen sind, den Eindruck haben,
dass das, was wir hier machen, Pillepalle ist, weil wir
nicht in der Lage sind, in der Sache einen Schritt nach
vorne zu gehen, werden wir als Linke beiden Anträgen
zustimmen. Ich fordere Sie von den Koalitionsfraktionen
auf, das ebenfalls zu tun.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die CDU in Form von Karl-Josef Laumann


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: In Person!)


hatte damals gesagt, dass sie beim besten Willen keine
gesellschaftliche Unterstützung für unseren Wunsch
sehe, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Mitt-
lerweile unterstützen 86 Prozent der Menschen in unse-
rem Land die Forderung nach Einführung eines Mindest-
lohns. An die CDU/CSU gerichtet – die FDP lasse ich
einmal außen vor; die haben sich ja gerade ganz eindeu-
tig erklärt –, sage ich: Es wird Zeit für einen Mindest-
lohn. Machen Sie deshalb das, was der Mehrheitswille
dieser Gesellschaft ist, und nichts anderes! Hören Sie
auf, ständig hin und her und drum herum zu reden!

Angeblich haben Sie auf Ihrem letzten Parteitag so et-
was wie die Einführung eines Mindestlohns beschlossen.
Tatsächlich handelt es sich aber um eine branchenabhän-
gige Lohnuntergrenze inklusive einer Teilung in Ost und
West. Dafür können Sie ernsthaft keine Zustimmung er-
warten. Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich ma-
chen: Jeder Tarifvertrag hat die Form eines Branchenta-
rifvertrags. Gewerkschaften sind doch nicht unterwegs,
um überall nur Mindestlöhne zu vereinbaren.


(Beifall bei der LINKEN)


Jeder Tarifvertrag ist ein Branchentarifvertrag, und jeder
Tarifvertrag beinhaltet eine sogenannte unterste Entgelt-
gruppe, die als Einstiegsgruppe dient. Darunter findet
nichts mehr statt, nur oberhalb. Die Arbeitgeber können
natürlich gerne mehr bezahlen als das, was im Tarifver-
trag steht, aber nicht weniger.

Genau das ist das System, das wir mit Mindestlöhnen
meinen. Wir brauchen eine Untergrenze, und das ist die
Höhe des Mindestlohns. Alle Arbeitgeber können – da-
ran wird niemand jemals etwas kritisieren – gerne mehr
bezahlen, aber nicht weniger.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Zu Herrn Weiß möchte ich noch etwas sagen. Geerkschaften sollen ihre Arbeit machen, aber erst, wenn ir gemeinsam den Dreck weggeräumt haben, den die egierungen der letzten Jahre produziert haben. as gilt für alle. Daher geht dieses Thema alle an. Wir, ie Linke, sind bereit, dabei zu helfen, den Karren aus em Dreck zu ziehen. Wir müssen es aber auch machen nd nicht nur darüber reden. Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom en. Daher meine Aufforderung: Stimmen Sie zu, damit ir an dieser Stelle weiterkommen und nicht einen chritt nach hinten machen. Wir haben lange genug daber geredet. Das Wort hat nun Beate Müller-Gemmeke für die raktion Bündnis 90/Die Grünen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715308600
Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715308700

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715308800
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! In der Regel übe ich meist Kritik;
eute möchte ich aber einmal mit einem Lob beginnen,
nd zwar für den Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU-
raktion. Sie haben energisch die Initiative für einen
indestlohn ergriffen und lassen auch nicht locker. Ein

esetzlicher Mindestlohn in Deutschland ist seit Jahren
berfällig. Bleiben Sie also dran; denn er ist die elemen-
re Grundlage für mehr soziale Gerechtigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe auch, dass Sie geradlinig bleiben und es
icht zulassen, dass es viele verschiedene Mindestlöhn-
hen geben wird, die sich von Region zu Region oder
on Branche zu Branche unterscheiden. Vor allem appel-
ere ich an Sie – besonders an Sie, Herr Weiß –, dass Sie
uf einen Tarifvorrang verzichten. Die daraus entstehen-
en Probleme kennen wir von der Leiharbeit. Wollen Sie
en Pseudogewerkschaften wirklich wieder Tür und Tor
ffnen und dann auf jahrelange Gerichtsverfahren hof-
n? Wollen Sie tatsächlich neue Beschäftigte erster und

weiter Klasse schaffen?

Ein gesetzlicher Mindestlohn ist per Definition der
leinste gesetzlich zulässige Lohn. Er muss also flächen-
eckend und für alle Beschäftigten gleichermaßen einge-
hrt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


lles andere kann ich nur als Etikettenschwindel be-
eichnen.





Beate Müller-Gemmeke


(A) )


)(B)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt möchte
ich mit vier Aspekten kurz, aber grundsätzlich etwas zu
all denjenigen sagen, die einen gesetzlichen Mindestlohn
immer noch ablehnen.

Erstens. Die Internationale Arbeitsorganisation, ILO,
listet bereits über 100 Staaten auf, die über einen Min-
destlohn verfügen. Mindestlöhne gehören längst welt-
weit zu den etablierten Instrumenten, um den Arbeits-
markt gerechter zu gestalten. Die Bundesregierung hat
das aber anscheinend noch nicht verstanden.

Zweitens. Der Europarat wertet den fehlenden Min-
destlohn in Deutschland als Verstoß gegen das Recht auf
ein gerechtes Arbeitsentgelt, das in der Europäischen
Sozialcharta festgeschrieben ist.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hört! Hört!)


Wir sind also längst verpflichtet, allen Beschäftigten, die
diesen Schutz brauchen, einen angemessenen Lebens-
standard durch einen Mindestlohn zu ermöglichen. Al-
lein dieses Argument müsste doch überzeugen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Drittens. Tarifautonomie und gesetzlicher Mindest-
lohn sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Diverse
Studien und auch Aussagen der ILO belegen, dass Tarif-
autonomie und gesetzlicher Mindestlohn zusammenge-
hören und sich ergänzen. Neben den Verhandlungen der
Tarifparteien dient der Mindestlohn vorrangig dem
Zweck, Beschäftigte im Niedriglohnsektor zu schützen.
Das ist fair und fördert übrigens auch den sozialen Frie-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viertens. Abschließend möchte ich kurz darauf einge-
hen, warum Sie sich gerade jetzt in der Euro-Krise mit
Lohnpolitik und mit dem Mindestlohn beschäftigen soll-
ten. Wenn Löhne im Verhältnis zur Produktivität niedrig
sind, dann entstehen Ungleichgewichte, und diese Un-
gleichgewichte sind eine Ursache der Euro-Krise. Mit
einer solidarischen Lohnpolitik, das heißt mit einem
Mindestlohn und mit gerechten Tariferhöhungen, würde
Deutschland endlich seinen Beitrag zu mehr makroöko-
nomischer Stabilität leisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion
dies immer noch nicht nachvollziehen kann, habe ich
noch eine weitere Anregung: Klaus Schwab, der Präsi-
dent des Weltwirtschaftsforums, sagte in dieser Woche
in Genf bei der Pressekonferenz – ich zitiere sinngemäß –:
Der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form passt nicht
mehr in die Welt. Wir haben die Lektionen aus der
Finanzkrise von 2009 nicht gelernt. Die globale Trans-
formation muss dringend damit beginnen, dass sich
weltweit wieder ein Sinn für soziale Verantwortung aus-
breitet.

Sehr geehrte Regierungsfraktionen, beginnen Sie ein-
fach hier in Deutschland, und zwar mit einem Mindest-
lohn.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715308900

Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1715309000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Zunächst eine Richtigstellung an die
dresse des Kollegen Klaus Ernst von der Linkspartei.
ie haben vorhin das Plenum mit der Bezeichnung „Ge-
ossen“ angeredet. Das trifft zwar für einen Teil, aber
um Glück nicht für die weitaus meisten Mitglieder die-
es Hauses zu. Sie haben hier nicht auf einem Parteitag
er Linken geredet, sondern im Plenum des Deutschen
undestages, dessen Mitglieder überwiegend keine Ge-
ossen sind.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber es werden mehr!)


ir hoffen, dass das so bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir sind aber alle Zeitgenossen! „Genossen“ kommt von „genießen“!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bisherige De-
atte hat ergeben: Wir haben das gleiche Ziel, aber un-
rschiedliche Wege. Das Mindestlohnkonzept, das Sie,
err Heil, vorstellen, ist nicht realisierbar. Lohnpolitik
t gerade nicht per se zuallererst Sozialpolitik. Das ist
er entscheidende Fehler in Ihrem Entwurf.

Sehr geehrter Herr Heil, Sie haben in Ihrer Rede
elbst ausgeführt, dass die Löhne existenzsichernd sein
ollen. Dann stellt sich aber die Frage – auch darauf ha-
en bereits einige Vorredner hingewiesen –, für wen sie
xistenzsichernd sein sollen: Für den Singlehaushalt?
ollege Vogel hat eben die 300 000 Singlehaushalte an-
esprochen, für die eine Lohnuntergrenze Sinn macht.
ber man muss natürlich wissen, dass beispielsweise

ine vierköpfige Familie schon jetzt über Sozialleistun-
en mehr Geld bekommt, als mit den von Ihnen gefor-
erten Mindestlohnhöhen – also 8,50 Euro bzw. 10 Euro –
us eigener Kraft verdient werden kann.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, da gibt es einen Kinderzuschlag! Gott sei Dank! Aber das spricht nicht dagegen!)


Zukunft müsste es also auch nach Einführung von
indestlöhnen ergänzende Sozialleistungen geben.

Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle das Bauhand-
erk erwähnen. Hier wurde von einer CDU/CSU-ge-
hrten Bundesregierung ein branchenspezifischer Min-

estlohn eingeführt. Es gibt noch Kollegen unter uns
wie den Kollege Kolb –, die damals an der Einführung

es Blüm’schen Mindestlohns mitgewirkt haben und
tzt als Zeitzeugen fungieren können. Dieser Mindest-
hn war wichtig, um inländische Arbeitsplätze zu schüt-





Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

zen und Dumpinglöhne zu verhindern. Sie sehen: Hier
und auch in weiteren Branchen waren die Beweggründe,
Lohnuntergrenzen einzuführen, nicht sozialpolitisch mo-
tiviert. Mindestlöhne stellen einen geordneten Wettbe-
werb her und gleichen negative externe Effekte einzelner
Branchen aus.

Meine Damen und Herren der Opposition, wir haben
auch über das Baugewerbe hinaus weitere zielführende
Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, die bereits für
viele Millionen Menschen Verbesserungen gebracht ha-
ben. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sorgt derzeit für
zwingend gültige Arbeitsbedingungen in sage und
schreibe elf Branchen und verhindert negative Auswir-
kungen auf die Lohnentwicklung von Geringverdienern.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reicht aber nicht!)


Ich möchte ausdrücklich festhalten: An der Einführung
aller in diesen elf Branchen bestehenden Mindestlöhne
war die Union beteiligt. Das heißt, die Union ist die Par-
tei der Mindestlöhne. Die Union hat sich dafür einge-
setzt und nicht Sie von den Oppositionsfraktionen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie dabei nicht rot werden!)

Neben dem Baugewerbe gehören dazu bereits die Ab-
fallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Win-
terdienst, der Steinkohlebergbau, das Dachdeckerhand-
werk


(Zuruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


– das müssen Sie sich schon einmal anhören, Herr Heil –,
das Elektrohandwerk, die Gebäudereinigung, das Maler-
und Lackiererhandwerk, die Pflegebranche, Sicherheits-
dienstleistungen und Wäschereidienstleistungen im Ob-
jektkundengeschäft. Seit dem 1. Januar 2012, also seit
knapp drei Wochen,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das mussten wir Ihnen abringen!)


gilt für die rund 900 000 Beschäftigten in der Zeitarbeit
ein Stundenlohn von mindestens 7,01 Euro im Osten und
7,89 Euro im Westen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das sind doch Aufstocker! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Davon kann man doch nicht leben, auch nicht im Osten! Das ist zu wenig!)


– Für Sie ist es immer zu wenig; das wird auch in der
Zukunft so sein. – Da sind wir schon ziemlich nahe an
Ihrer Forderung. Bei der Zeitarbeit ist uns wichtig, dass
nach einer angemessenen Einarbeitungszeit – jetzt pas-
sen Sie einmal auf; da können Sie etwas hinzulernen –
der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit gezahlt wird.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Prima! Dann macht doch etwas!)


– Hören Sie zu, Herr Heil! Bleiben Sie mit den Füßen
auf dem Boden! – Hier soll noch in den nächsten Mona-
ten eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden.

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(C (D (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich bin begeistert! Ich applaudiere Ihnen!)


b der Bereich der Weiterbildung zukünftig auch aufge-
ommen wird, wird derzeit ebenfalls überprüft. Meine
amen und Herren, das ist der richtige Weg. Diesen
eg wollen wir für weitere Branchen eröffnen, und den

ugang dazu wollen wir erleichtern.

Schauen wir beispielsweise einmal nach Frankreich.
der Tat zeigen Studien – selbst wenn diese politisch
ie wissenschaftlich zum Teil umstritten sind –, dass
ort der monatliche Mindestlohn von 1 365 Euro – das
ntspricht einem Stundenlohn von 9 Euro; er liegt also
wischen den beiden Mindestlöhnen, die jeweils von Ih-
en gefordert werden – nicht zu Arbeitsplatzverlusten
hrt. Allerdings muss man hier auch sehen, dass die Un-
rnehmen, die die Minimumlöhne auszahlen, vom fran-

ösischen Staat tatkräftig unterstützt werden. Die Sub-
entionen für Sozialversicherungsbeiträge in Frankreich
eliefen sich bereits im Jahr 2010 auf immerhin 30 Mil-
arden Euro.

Zudem darf hier nicht außer Acht gelassen werden,
ass es durch die staatlichen Subventionen zu erhebli-
hen Mitnahmeeffekten kommt und die Unternehmen
ich bemühen, möglichst nur den niedrigen, subventio-
ierbaren Mindestlohnsatz zu zahlen. Das heißt, dass
ich die Höhe der Löhne in Frankreich durch die Einfüh-
ng des gesetzlichen Mindestlohnes sogar nach unten

ntwickelt hat. Sollte der Staat seine Unterstützungszah-
ngen also nicht weiter leisten, so ist davon auszugehen,

ass auch in Frankreich erhebliche Arbeitsplatzverluste
rohen.

Nehmen wir das Beispiel Großbritannien; auch Groß-
ritannien wird gern als Beispiel für einen gesetzlichen
indestlohn angeführt. In Großbritannien gibt es im-
erhin 14 Ausnahmen beim bestehenden gesetzlichen
indestlohn, unter anderem für alle Auszubildenden un-
r 19 Jahren, für Auszubildende zwischen dem 19. und
em 25. Lebensjahr im ersten Ausbildungsjahr, bei Prak-
ka insgesamt, bei Praktika von Studenten, für Au-pairs,
r Soldaten, für Fischer, für Gefangene, für freiwillig
ienstleistende, auch für Angehörige bestimmter Reli-
ionsgemeinschaften.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die fahren auch anders auf der Straße als wir!)


Die Geltung des gesetzlichen Mindestlohnes in Groß-
ritannien ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Man
ann nicht sagen, dass die Mindestlohnregelung, die in
roßbritannien gilt, bei uns den erwünschten Effekt
ätte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Schweizer Käse in England!)


enachteiligt wären vor allem Geringqualifizierte.

Für die Mehrheit der in Deutschland beschäftigten Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten schon heute
arifverträge; ich habe bereits darauf hingewiesen. Dass
doch die Tarifbindung in der Vergangenheit abgenom-
en hat, konstatieren wir durchaus, Herr Ernst. Um so-

iale Verwerfungen in den Branchen zu verhindern, in de-





Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

nen keine Tarifverträge gelten oder Tarifverträge nur eine
geringe Wirkungskraft entfalten, haben wir die Rechte
der Tarifvertragsparteien ausgeweitet. Diese haben künf-
tig neben den Möglichkeiten, die das Arbeitnehmer-Ent-
sendegesetz bietet, auch die Möglichkeit, branchen- und
regionalspezifische Lohnuntergrenzen vorzuschlagen.
Diese Vorschläge der Tarifvertragsparteien kann die Bun-
desregierung für verbindlich erklären und auch auf aus-
ländische Arbeitnehmer erstrecken. Wir sind offen, die-
sen Prozess zu erleichtern. Wir wollen keine Billiglöhne.
Wir wollen branchenspezifische Mindestlöhne. Wir wol-
len starke Tarifpartner und Gewerkschaften.

Vorhin wurde auch das Thema „Nachwirkungen von
tarifvertraglichen Niedriglöhnen“ angesprochen. Hierzu
darf ich festhalten: Um künftig zu verhindern, dass sich
eine Tarifvertragspartei auf der Nachwirkung eines Ta-
rifvertrages ausruht, um Haustarifverträge mit Nied-
riglöhnen ablösen zu können, soll die Nachwirkung von
Tarifverträgen im Tarifvertragsgesetz auf ein Jahr be-
schränkt werden. Wir werden Verwerfungen und Fehl-
entwicklungen also auch da entgegenwirken.

Das Aushandeln der Löhne muss die Aufgabe der So-
zialpartner sein und auch bleiben; denn eine funktionsfä-
hige Tarifautonomie braucht starke Arbeitgeberverbände
und starke Gewerkschaften. Nur mit einer starken Posi-
tion können diese für ihre Mitglieder verbindliche und
wirkungsvolle Abmachungen treffen. Wenn der Gesetz-
geber die Tarifautonomie abschaffen würde, hätten wir
Lösungen, die nicht den Verhältnissen in den Branchen
und Regionen entsprechen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ist der Mindestlohn zu niedrig, ist sein Nutzen zur Ar-
muts- und Ausbildungsabwehr gering. Ein zu hoher
Mindestlohn wiederum zwingt Unternehmen dazu, mehr
für Arbeit zu zahlen, als sie einbringt, und er wird zur
Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. Das wird Ihnen
jeder, der vernünftig rechnen kann, bestätigen.

Kurz vor Ende meiner Rede möchte ich noch auf eine
Aussage von Frau Kollegin Pothmer eingehen. Frau
Pothmer, Sie haben vorhin ausgeführt, wir hätten der
Bundesarbeitsministerin die Prokura für das Thema Min-
destlohn entzogen; das war Ihre Formulierung. Bestäti-
gen Sie das?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entzogen!)


– Sehr gut. – Ich stelle fest: Wir haben sie der Bundesar-
beitsministerin nicht entzogen. Wenn die Bundesarbeits-
ministerin unsere Arbeitsgemeinschaft in einen Arbeits-
kreis einbezieht, so ist das nur von Vorteil.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wo ist sie denn?)


Frau Pothmer, ich dachte mir vorhin: Dieselbe For-
mulierung habe ich schon einmal irgendwo gelesen. Ich
habe nachgeschaut. Im Handelsblatt steht ein Zitat von
Herrn Kollegen Heil. Sie haben Herrn Heil zitiert, ohne
dies kenntlich zu machen. Man sollte Zitatstellen kennt-
lich machen, meine Damen und Herren.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Guttenberg!)


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(C (D Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünche Ihnen alles Gute. Das Wort hat nun Josip Juratovic für die SPD-Frak on. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Bei der Debatte, die wir hier führen, werde ich en Eindruck nicht los, dass der soziale Fortschritt in unerem Land seit Jahrzehnten hinter dem technologischen ortschritt zurückbleibt. Wenn ich einige Mitglieder der undesregierung höre, habe ich den Eindruck, dass un er technischer Fortschritt zwar im 21. Jahrhundert angeommen ist, dass unser sozialer Fortschritt aber beim lmosengedanken des 19. Jahrhunderts stehen geblieen ist. Die Debatte um einen Mindestlohn in Deutschland ird selten mit einem Blick auf die Realität in unseren etrieben und in unserer Gesellschaft geführt. Wir haben war eine hohe Beschäftigungsquote, aber das Jobwuner ist ein Jobwunder der prekären Beschäftigung. Jeder echste Mensch in unserem Land ist armutsgefährdet. as zeigt: Armut ist nicht nur ein Problem für die Men chen, die keinen Job haben; vielmehr sind auch viele enschen mit Job armutsgefährdet, weil ihr Job schlecht ntlohnt ist, weil sie über einen Werksvertrag, befristet der in Teilzeit beschäftigt sind. Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, ehen Sie es mir bitte nach – ich kann es nicht unerwähnt ssen –: Frau Ministerin von der Leyen zeigt sich auf otos gerne mediengerecht mit strahlenden Kindern und t so, als würde sie sich um deren Wohlergehen kümern. Gleichzeitig toleriert sie aber, dass viele Eltern ieser Kinder einen Hungerlohn erhalten und dass somit ut UNICEF jedes sechste Kind in Deutschland dem Ri iko der Kinderarmut ausgesetzt ist. Im November letzten Jahres schien es für einen Moent so, als ob in Sachen Mindestlohn endlich Bewe ung in die Union gekommen sei. (Zuruf von der SPD: Im Moment bewegt sich nichts mehr!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715309100

(Beifall bei der SPD)

Josip Juratovic (SPD):
Rede ID: ID1715309200

(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


merhin haben Sie auf Ihrem Bundesparteitag im No-
ember 2011 einmal über das Thema Mindestlohn ge-
tritten. Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich
te Ihnen, Ihre Ideen neu zu sortieren. Sie loben die
ranchenmindestlöhne immer wieder in den Himmel
nd behaupten, hier schon einiges getan zu haben.

Ich sage jedoch: Gerechtigkeit kann nicht Schritt für
chritt eingeführt werden. Es reicht nicht, Gerechtigkeit
einzelnen Branchen einzuführen und die anderen
ranchen von der Gerechtigkeit auszuschließen; denn





Josip Juratovic


(A) )


)(B)

das Brot kostet für alle – für Leiharbeiter, Gebäudereini-
ger oder Industriearbeiter – gleich viel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen flächendeckend handeln; denn wir sind ge-
wählt, für alle Menschen in unserem Land Verantwor-
tung zu tragen und nicht nur für diejenigen, die zufällig
in der richtigen Branche arbeiten.


(Beifall bei der SPD)


Während der Finanz- und Euro-Krise ist auch die Be-
deutung des Mindestlohns stark gestiegen. Wir alle wis-
sen, dass Abstiegsängste nicht nur bei den Niedrigquali-
fizierten am Rand unserer Gesellschaft existieren,
sondern dass auch viele Facharbeiter Angst vor dem ge-
sellschaftlichen Abstieg haben.

Niedriglöhne betreffen immer mehr Menschen der
Mitte in unserem Land. Diese Facharbeiter sind nicht
nur wirtschaftlich bedroht, sondern sie fürchten auch da-
rum, gesellschaftlich stigmatisiert zu werden, beispiels-
weise bei der Kreditvergabe oder der Wohnungssuche.
Viele Menschen empfinden es als Schande, dass sie auf-
grund der Niedriglöhne nicht genug verdienen, um ihre
Familien ernähren zu können, sodass sie am Ende des
Monats über Leistungen des Sozialamts aufstocken müs-
sen, etwa indem sie Wohngeld beantragen.

Der Gang zum Sozialamt ist für viele Menschen eine
Verletzung der Würde und des Selbstwertgefühls, was
übrigens auch eine Ursache der zunehmenden psychi-
schen Erkrankungen ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist medizinisch nicht belegt!)


Die Menschen in unserem Land wollen aber keinen
Staat, der Almosen verteilt, sondern einen sozial gerech-
ten Staat, der sich gegen Niedriglöhne und Abstiegs-
ängste einsetzt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man darf nicht vergessen: Ein würdevoller Lohn und
Gerechtigkeit sind der Kitt des sozialen Zusammenhalts
unserer Gesellschaft.

Frau Merkel redet europaweit immer davon, wie
wichtig es ist, die Staatsverschuldung zu senken. Hier in
Deutschland treibt sie dagegen munter die Verschuldung
in die Höhe, indem sie den Menschen ein eigenständiges
Leben ohne die Notwendigkeit, über Leistungen vom
Sozialamt aufzustocken, verweigert. Ein gesetzlicher
Mindestlohn würde die Staatskasse um mehr als 7 Mil-
liarden Euro entlasten.

Die FDP verspricht immer, Subventionen abzubauen.
Gleichzeitig verteilt sie aber munter Subventionen an die
Menschen, die von ihrem Lohn nicht leben können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sind keine Subventionen, das sind wertvolle Sozialleistungen)


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(C (D as ist paradox und nur ein weiterer politischer Unsinn er FDP. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Gesetzent-
urf können wir Gleichgewicht in die soziale und wirt-

chaftliche Entwicklung unseres Landes bringen: Wir
enken die Staatsverschuldung, und wir schaffen soziale
erechtigkeit für rund 6 Millionen Arbeiter, die von
iedriglöhnen betroffen sind.

Ich rede mit sehr vielen Unternehmern. Auch sie wol-
n einen Mindestlohn, damit um Qualität konkurriert
ird und sie nicht der Lohndrückerei ausgesetzt sind.
eshalb sind die politischen Rahmenbedingungen für

ine soziale Gestaltung der Arbeit so wichtig. Hier kön-
en wir nach Baden-Württemberg schauen, wo nach
em Regierungswechsel dank SPD und Grünen an ei-
em Tariftreuegesetz gearbeitet wird und ein Konzept
r gute und sichere Arbeit existiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir für
anz Deutschland, am besten auch nach einem Regie-
ngswechsel.

Nun möchte ich mich an die Kolleginnen und Kolle-
en der Linken wenden. Vorhin hat hier der Kollege
laus Ernst – er ist nicht mehr hier – stark kritisiert, dass
ie rot-grüne Regierung damals den Mindestlohn nicht
ingeführt hat. Ich bin ein IG-Metaller. Klaus Ernst
üsste als damaliger 1. Bevollmächtigter der IG Metall
issen, welch schwierige Diskussionen es innerhalb der
ewerkschaften gab.


(Zurufe von der SPD: Ja! – Das ist wohl war!)


ls wir uns geeinigt hatten, war es zu spät; dann hatten
ir keine Kanzlermehrheit mehr. Ich denke, das gehört

ur Wahrheit dazu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715309300

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

gen Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion das
ort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1715309400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! In die Debatte um eine untere Lohngrenze ist
urch einen Beschluss des Bundesparteitages der CDU
der Tat Bewegung gekommen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das bewegt noch nichts!)


err Kollege Heil, wir können das erfreulicherweise vor
em Hintergrund einer hervorragenden wirtschaftlichen





Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

Entwicklung in Deutschland angehen. Dank unserer
Strukturpolitik für Deutschland gibt es eine Beschäfti-
gungsquote, die wir unter Kanzler Schröder nie erreicht
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist übrigens die beste Sozialpolitik, die man in
Deutschland machen kann.

Herr Kollege Juratovic, Sie haben hier das Bild von
armen Kindern bemüht. Es ist in jedem Fall traurig,
wenn ein Kind in armen Verhältnissen aufwächst. Wir
müssen danach streben, jeweils die Lage zu verbessern.
Aber diese Koalition hat genau das gemacht. Wenn Sie
Frau von der Leyen in diesem Zusammenhang erwäh-
nen, dann sollten Sie sie lobend erwähnen. Ursula von
der Leyen hat das Bildungs- und Teilhabepaket durchge-
setzt; das haben Sie verabsäumt, meine sehr verehrten
Damen und Herren von der Opposition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


Wir tun etwas für die Bildung der Kinder, damit es ihnen
besser geht.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind ein guter Kabarettist, Herr Kollege!)


Die Diskussion ist völlig transparent. Jeder kann sich
an ihr beteiligen. Jeder weiß, wie die Diskussionspro-
zesse ablaufen. Sie haben die Diskussion innerhalb der
CDU verfolgt; wir werden mit unserer Schwesterpartei
CSU über diese Frage zu diskutieren haben.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr konstruktiv!)


– Sehr konstruktiv, wie der Kollege Lehrieder sagt. Das
ist bei dem CSU-Parteivorsitzenden, der Vorsitzender
der Vertretung des Arbeitnehmerflügels der CSU war,
eine Selbstverständlichkeit.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer sind Sie und, wenn ja, wie viele?)


Auch mit den Freien Demokraten werden wir in der
Koalition darüber zu diskutieren haben.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Irgendwann ist die Legislaturperiode vorbei!)


Ich hoffe, dass wir zu einer Einigung kommen. Ansonsten
können wir hier im Deutschen Bundestag in dieser Wahl-
periode zu keiner gesetzlichen Regelung kommen. Wir
sind aber zuversichtlich; bei den Freien Demokraten tut
sich viel. Herr Kollege Kolb, Sie haben die ersten Dinge
in diesem Bereich schon im vorletzten Jahrzehnt mit Bun-
desarbeitsminister Blüm angeschoben. Dafür herzlichen
Dank von der Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Kolb ist ein guter Mann! Das muss so bleiben!)


Darauf wollen wir aufbauen.

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(C (D Darüber hinaus ist der einzige Sozialminister, den die reien Demokraten stellen – mein Freund Heiner Garg Kiel –, der Auffassung, dass wir hier zu einer gesetzli hen Regelung kommen sollten. Das ist ein weiterer austein, wenn es darum geht, die erfolgreiche Arbeit nserer Koalition auch in diesem Bereich fortzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber der ist bald nicht mehr im Amt!)


Intransparent ist allein das, was die SPD hier vorträgt.
err Kollege Heil, Sie haben wie immer eine lautstarke
ede gehalten,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, und Sie haben es wieder nicht gehört!)


ur passte sie überhaupt nicht zu dem Gesetzentwurf,
en Sie hier vorgelegt haben; das ist das Problem in der
anzen Debatte.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie wollen einen generellen gesetzlichen Mindestlohn
nbieten und reden dann hier von branchenspezifischen
ösungen. Sie reichen uns noch formaliter die Hand.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, bitte schön!)


Ja, bitte, wo ist Ihre Hand? – Ich habe Sie gefragt: Zie-
en Sie den Gesetzentwurf zurück?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Noch ist es nicht zu spät, den Gesetzentwurf zurückzuziehen, Herr Heil!)


ann sind Sie, wie Sie es als früherer Generalsekretär
er SPD gelernt haben, ausgewichen und haben die
rage nicht beantwortet.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Waren Sie auch mal Generalsekretär?)


enn die Sozialdemokraten ernsthaft an einer Verständi-
ung in dieser Frage interessiert wären und das nicht nur
hetorik wäre, Herr Kollege Heil,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer, Herr Kollege!)


ann würden Sie diesen Gesetzentwurf einkassieren. Er
idet an zahlreichen Mängeln. Viele davon sind ausge-
iesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Im Übrigen gibt es insbesondere für die Sozialdemo-
raten, aber auch für die Grünen keinen Anlass zu
elbstgerechtigkeit. Herr Heil, Sie haben so getan, als
abe der Mindestlohn quasi schon im Godesberger Pro-
ramm der SPD gestanden. Mitnichten! Das ist nun
irklich eine neue Entwicklung. Auch auf dem Niedrig-
hnsektor, den Sie als hochproblematisch darstellen,

ollzieht sich keine neue Entwicklung. Noch 2005 hat
ich Ihr Bundeskanzler Gerhard Schröder


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Den mögen Sie nicht! Das wissen wir!)






Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

hier hingestellt und gesagt, Rot-Grün habe unter seiner
Kanzlerschaft den erfolgreichsten und effektivsten Nie-
driglohnsektor der ganzen Welt geschaffen. Meine Da-
men und Herren, vergessen Sie das nicht.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Zitat kenne ich nicht!)


– Das hat Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschafts-
forum in Davos gesagt; ich kann es Ihnen gleich zeigen. –
Sie werden die Geister, die Sie selber gerufen haben,
nicht mehr los, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-
Grün, und dazu sollten Sie auch stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Darüber hinaus sollten Sie nicht den Eindruck erwe-
cken – Herr Kollege Vogel hat das schon sehr gut deut-
lich gemacht –, es sei in Deutschland vorstellbar, dass
wir im Niedriglohnsektor eine Lohnhöhe hinbekommen,
die sicherstellt, dass niemand mehr in diesem Bereich
auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen ist. Sie
selber, Herr Heil, haben eingeräumt, dass das bei einem
Stundenlohn von 8,50 Euro nicht hinhauen würde.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn Sie ein Gesetz mit 12 Euro vorlegen, stimmen wir zu!)


Denn das sei maximal ausreichend für einen alleinste-
henden Vollzeitbeschäftigten. Nun wissen wir: Viele
sind nicht vollzeitbeschäftigt, und zum Glück sind auch
nicht viele alleinstehend, sondern haben einen Partner
oder eine Partnerin. Die 8,50 Euro reichen nicht aus. Es
wird also immer ergänzend der staatlichen Zuschüsse
bedürfen.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kein Argument, um dann gar nichts zu machen!)


Ich finde, gerade als Sozialpolitiker sollten wir das
nicht diskreditieren. Die Menschen haben einen An-
spruch auf staatliche Zuschüsse.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)


Sie sollten sich nicht dafür schämen; denn sie haben ei-
nen Rechtsanspruch auf diese Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir als diejenigen, die diese Rechtsansprüche hier im
Parlament beschließen, sollten das nicht schlechtreden,
meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ja, wir, die Union, tun uns schwer mit einer gesetzli-
chen Regelung in diesem Feld. Das haben wir deutlich
gemacht, und das merken Sie in allen Diskussionen, die
wir auch innerparteilich führen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Genau! Das heißt Herumeiern!)


Das liegt daran, dass wir nach wie vor an die Tarifauto-
nomie glauben. Herr Kollege Heil, Sie haben vorhin in
diesem Zusammenhang zu Recht – das ist völlig unstrei-
tig – auf die Tradition der Sozialdemokratie hingewie-
sen. Bemerkenswerterweise sind wir, die Mitglieder der

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(C (D hristlich-liberalen Koalition, die letzten Verfechter der arifautonomie in diesem Hause. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as ist mittlerweile das Ergebnis.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da müssen Sie selber lachen, oder? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich nicht so wichtig nehmen!)


enn den Bereich, den Sie gesetzlich regeln wollen,
ehmen Sie den Tarifvertragsparteien weg.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie uns doch mal, wie hoch die Tarifbindung im Osten noch ist!)


as heißt, dies bedeutet ein Weniger an Regelungskom-
etenz für die Gewerkschaften.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Erstaunlich, dass die Gewerkschaften dafür sind, oder?)


Deswegen wäre es angebrachter gewesen, wenn all
iejenigen, die sich hier als die vermeintlich größten
erfechter von Gewerkschaftsrechten darstellen, ihre
ede in Moll und nicht in Dur gehalten hätten. Das gilt
uch für Ihre Rede, Herr Kollege Heil.

Richtig ist: Der Organisationsgrad der Gewerkschaf-
n hat rapide abgenommen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und der der CDU auch!)


s gibt weiße Flecken. Es gibt in der Tat auch Probleme,
eil immer mehr Menschen nicht unter Tarifverträge
llen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, genau! Das ist das Problem!)


eswegen müssen wir in diesem Bereich auch handeln;
as ist keine Frage. Wir werden das auch machen. Es ha-
en schließlich viele zum Ausdruck gebracht, dass die
olitische Hoffnung auch vieler Oppositionsabgeordne-
n auf den Schultern der christlich-liberalen Koalition
ht.


(Lachen der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])


a sind diese Hoffnungen gut aufgehoben. Wir werden
ns dieser Thematik mit Augenmaß annehmen.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Aufgrund der Bedeutung der Tarifautonomie wird un-
er Maßstab sein: Wir werden nur das Allernotwendigste
geln. Insofern ist der Ausspruch, den ich von Ihnen ge-

ört habe – „Mindestlohn light“ –, völlig falsch. Es geht
arum, „Tarifautonomie XL“ zu garantieren


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Placebo-Mindestlohn, was Sie machen!)


nd möglichst viel Tarifautonomie aufrechtzuerhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Dr. Johann Wadephul


(A) )


)(B)

Deswegen sollte eine paritätisch zusammengesetzte
Kommission mit dieser Aufgabe betraut werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das gibt es schon! Mindestarbeitsbedingungengesetz!)


Ich bin gegen eine pauschale Politikerschelte. Ich bin der
Meinung, der Ausspruch „Schuster, bleib bei deinem
Leisten“ gilt auch für Politiker. Politiker sollten sich
nicht anmaßen, etwas von Wirtschaft und von den Löh-
nen, die auf dem Arbeitsmarkt zu zahlen sind, zu verste-
hen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das gilt für Ihre Koalition möglicherweise!)


Das ist nicht unsere Aufgabe. Dafür haben wir Gewerk-
schaften und Arbeitgeberverbände, und denen sollten
wir uns anvertrauen.


(Zuruf des Abg. Stefan Rebmann [SPD])


Da sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut
aufgehoben. Auf diesem Wege kommen wir zu einer
vernünftigen Lösung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715309500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion der SPD zur Festsetzung des Mindest-
lohns. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/8385, den Gesetzentwurf der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/4665 abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen
die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Da-
mit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere
Beratung.

Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Druck-
sache 17/8385 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung
des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/7483 mit dem Titel „Jetzt Voraussetzun-
gen für die Einführung eines Mindestlohns schaffen“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen der beiden Regierungsfrak-
tionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei
Enthaltung der SPD angenommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8026 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung

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(C (D Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2011 und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksache 17/8226 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu keien Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile – ganz langam, damit zuvor wieder Ruhe einkehren kann – dem arlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel für die undesregierung das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1715309600


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
amen und Herren! Deutschland ist Spitze in Europa –
eim Wirtschaftswachstum und bei den Beschäftigungs-
ahlen. Das ist angesichts der Finanz- und Staatsschul-
enkrise wahrlich bemerkenswert.

Was ist die Grundlage dieser positiven Entwicklung
Deutschland? Die Bundesrepublik hat ein äußerst

rfolgreiches Modell entwickelt, um mit innovativen
rodukten und Dienstleistungen und einer starken indus-
iellen Basis im weltweiten Wettbewerb bestehen zu
önnen. Allein ein Fünftel der Wirtschaftsleistung
eutschlands beruht auf dem Export von Technologie-
ütern. Das zeigt: Eine hohe Innovationskraft zahlt sich
us.

Deutschland verbessert sich im aktuellen Innova-
onsindikator der Telekom-Stiftung im Vergleich zum
ahr 2009 aus dem Mittelfeld auf Rang vier. Als einen
esentlichen Grund für dieses gute Ergebnis werden
ehr Investitionen der öffentlichen Hand in Wissen-

chaft und Forschung genannt.

In der Tat: Diese Bundesregierung investiert mehr
eld in Forschung und Entwicklung als jede andere Re-
ierung zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


wischen 2005 und 2011 stiegen die Ausgaben der Bun-
esregierung für Forschung und Entwicklung um sage
nd schreibe 42 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ies ist ohne Zweifel ein Signal, ein Signal an die Wis-
enschaft und an die Wirtschaft. So haben die deutschen
nternehmen trotz Finanz- und Schuldenkrise ihre In-
estitionen in Forschung und Entwicklung im Jahr 2010
uf 47 Milliarden Euro gesteigert. Das ist ein Plus von
0 Prozent gegenüber dem Jahr 2005.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) )


)(B)

Insgesamt haben wir es gemeinsam geschafft, dass der
Anteil für Forschung und Entwicklung am Bruttoin-
landsprodukt von 2,5 Prozent im Jahr 2005 auf 2,82 Pro-
zent im Jahr 2010 gestiegen ist. Wir kommen immer nä-
her an das 3-Prozent-Ziel heran.

Entsprechend ist auch die Zahl der in Forschung und
Entwicklung tätigen Menschen gestiegen. Ich sehe Uwe
Schummer hier sitzen,


(René Röspel [SPD]: Ist der jetzt auch da tätig?)


einen Arbeitnehmervertreter. Er weiß, wie es bei den Ar-
beitnehmern in der Forschung aussieht. Wir brauchen
sie. Zwischen 2005 und 2010 gab es einen beachtlichen
Zuwachs von 72 000 Stellen im Bereich Forschung und
Entwicklung. Das ist ein wahrlich erfolgreiches Ergeb-
nis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In der rot-grünen Regierungszeit ist zwischen 2000 und
2005 die Zahl der im Bereich FuE tätigen Personen zu-
rückgegangen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Oh!)


All dies zeigt, dass die heutige Bundesregierung auf
dem richtigen Weg ist. Dies sagt auch die Expertenkom-
mission „Forschung und Innovation“. Sie hebt die positi-
ven Effekte der Hightech-Strategie hervor. Ich zitiere:

Die Expertenkommission befürwortet diese Neu-
ausrichtung

– der Hightech-Strategie –

ebenso wie die Auswahl der prioritären Bedarfsfel-
der.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Hört! Hört! – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch nicht das Ende! Da kommt noch etwas hinterher! Kritische Anmerkungen!)


Das ist für uns Ansporn und Ermutigung.

Dabei orientieren wir uns an drei Prinzipien:

Erstes Prinzip. Wir wollen die Zusammenarbeit zwi-
schen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stärken. Das
ist das Markenzeichen dieser Bundesregierung. Wir sind
davon überzeugt, dass sich die Schlüsselthemen unseres
Landes, wie der Umbau der Energieversorgung oder der
demografische Wandel, nur im Zusammenspiel aller Ak-
teure erfolgreich gestalten lassen. Allein zwischen 2010
und 2013 wird die Bundesregierung im Rahmen der
Hightech-Strategie knapp 27 Milliarden Euro in den Be-
reich Klima und Energie, in die Gesundheitsforschung,
in die Mobilitätsforschung, in die Informations- und
Kommunikationstechnologie sowie in die Sicherheits-
forschung investieren.

Mit ganz konkreten Zukunftsprojekten arbeiten wir
an den großen, uns alle bewegenden gesellschaftlichen
Herausforderungen. Wir arbeiten an einer Vision von
CO2-reduzierten und energieeffizienten Städten. Mit
dem „Internet der Dinge“ gestalten wir die vierte indus-

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(C (D ielle Revolution. Mit der Förderinitiative „Forschungsampus“ schaffen wir langfristige öffentlich-private artnerschaften zwischen Wirtschaft und Wissenschaft uf Augenhöhe, und das Ganze unter einem Dach. Mit em Spitzencluster-Wettbewerb mobilisieren wir geeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft Zukunftsvestitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Gestern aben wir die neuen Sieger vorgestellt. Ich nenne stellertretend für alle den Bioökonomiecluster in Sachsen nd Sachsen-Anhalt. Man sieht: Es bewegt sich etwas in eutschland, und das ist gut so. Zweites Prinzip: mehr Freiheit für wissenschaftliche itiative. Spitzenleistungen in Forschung und Wissen chaft brauchen einen Raum der Kreativität und Freiheit, amit sie sich entfalten können. Diese Bundesregierung teht dafür, dass sich die Forschungseinrichtungen entlten können, dass sie mehr Flexibilität und mehr Frei eit bekommen. Damit unterscheidet sich die Bundesgierung von der Opposition. Wir wollen thematische reite und keine grüne Gängelung in der Forschung. re grüne Gängelung führt zu Abwanderung von Forchungskapazitäten, wie wir dies gerade bei der Verlageng der Grünen Gentechnik von BASF ins Ausland erben mussten. Sie von den Grünen freuen sich darüber, ir nicht. Drittes Prinzip: alle Qualifikationen und Talente in eutschland nutzen. Jeder muss seine Chance bekomen, sich und seine Talente zu entwickeln. (René Röspel [SPD]: Talent ist eine alte griechische Währung!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Lachen des Abg. René Röspel [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


uch hier gibt es positive Entwicklungen:

Erstens. Mit dem beschlossenen Anerkennungsgesetz
ürdigen wir die im Ausland erworbenen Berufsqualifi-
ationen. Mit der Verbesserung der Zuzugsregelung für
ochqualifizierte im Gesetzentwurf der Bundesregie-
ng stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Zweitens. Mit über 500 000 ist die Zahl der Studien-
nfänger so hoch wie nie zuvor. Mit dem Hochschulpakt
aben Bund und Länder dafür den entscheidenden Rah-
en gesetzt.

Drittens. Seit 2005 hat sich die Zahl der Stipendien
r Begabte mehr als verdoppelt. Jeder kann sich jetzt in

iese Stipendienkultur einbringen und dazu beitragen,
ass wir mehr Stipendien in Deutschland bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Viertens. Noch nie hatten wir so viele ausländische
tudierende an deutschen Hochschulen. Das zeigt die
ttraktivität des Hochschul-, Wissenschafts- und For-

chungsstandorts Deutschland.

Meine Damen und Herren, Bildung, Forschung und
novationen sind der Schlüssel für Fortschritt und
ohlstand in diesem Lande. Sie stärken unsere Wettbe-





Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) )


)(B)

werbskraft. Sie fördern die individuellen Zukunftschan-
cen und die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten.
Der Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland
ist in den letzten Jahren wahrlich attraktiver geworden.
Auf diesem erfolgreichen Weg wird die Bundesregie-
rung weiter vorangehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715309700

Das Wort hat nun René Röspel für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Michael Kretschmer [CDU/ CSU]: Es ist alles gesagt, Herr Röspel!)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715309800

Es wurde leider noch gar nichts zum Thema gesagt,

Kollege Kretschmer. – Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Als ich Ende Dezember 2011
erfuhr, dass wir in der ersten Sitzungswoche im Januar
den Expertenbericht „Forschung und Innovation“ bera-
ten, habe ich gedacht: Wow, der liegt ja früh vor. Norma-
lerweise wird er im Februar oder März veröffentlicht,
und nun werden wir schon im Januar den EFI-Bericht
2012 beraten. – Als ich dann in die Tagesordnung
schaute, habe ich gesehen, dass wir über die Unterrich-
tung durch die Bundesregierung zum EFI-Gutachten
2011 diskutieren werden. Das heißt, die Bundesregie-
rung hat zehn Monate gebraucht, um eine Stellung-
nahme zu diesem Gutachten zu erarbeiten.

Dafür könnte ich sogar Verständnis haben. Diese Be-
richte sind wirklich sehr interessant und enthalten eine
Menge Material und Informationen. Man braucht Zeit,
dies vernünftig durchzuarbeiten. Aber dann habe ich
diese Stellungnahme in die Hand genommen. Sie um-
fasst nur etwa acht DIN-A4-Seiten. Der Umfang besagt
ja nicht alles. Also habe ich gedacht: Gut, vielleicht steht
in der Stellungnahme viel Aussagekräftiges zu diesem
Bericht. Aber mit so gut wie keinem Wort geht diese
Bundesregierung auf das EFI-Gutachten ein. Das ist aber
unser Thema.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kollege Staatssekretär Rachel, in Ihrem mündlichen
Vortrag haben Sie dies leider auch nicht getan; das be-
dauere ich sehr. Dabei wäre ein Blick in dieses Gutach-
ten ganz interessant gewesen. Im EFI-Gutachten 2011 ist
wieder eine Reihe von Kernthemen behandelt worden.
Ich will nur eines beispielhaft herausgreifen. Die Kom-
mission nimmt ein zwischen der Bundesregierung und
der Landesregierung Schleswig-Holstein aufgetretenes
Geschacher auf: Ein zu 50 Prozent vom Land Schleswig-
Holstein finanziertes meereswissenschaftliches Institut
war in die Helmholtz-Gemeinschaft überführt worden,
sodass es nur noch zu 10 Prozent vom Land finanziert
werden muss. Die schleswig-holsteinische Landesregie-
rung kann dadurch also Geld sparen. Dieses Vorgehen,
für das es politisch und wissenschaftlich überhaupt kei-
nen Grund gibt


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(C (D (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Na, na, na!)


doch, die Expertenkommission sagt es mit etwas ande-
n Worten: keine wissenschaftliche Grundlage –,


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Stimmt gar nicht!)


at die Expertenkommission zum Anlass genommen, zu
berlegen, ob man die Forschungsfinanzierung nicht auf
ine andere Basis stellen sollte. Sie sagt: Ein einheitli-
her Finanzierungsschlüssel für Forschung ist nicht nur
öglich, sondern auch nötig. Das ist eine wegweisende
ormulierung. Ich finde, Forschungspolitik muss sich
amit befassen. Es ist beschämend, dass die Bundesre-
ierung darauf überhaupt nicht eingeht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als wir fast auf den Tag genau vor sechs Jahren da-
ber diskutiert haben, wie die Forschungsberichterstat-
ng in Deutschland zukünftig aussehen könnte, haben
ir hier im Parlament einheitlich gesagt: Ja, es ist rich-
g, dass ein unabhängiges Gutachtergremium die Situa-
on der Forschung in Deutschland beleuchtet, seine Kri-
k darstellt und uns Handlungsoptionen aufzeigt. Alle
aren sich einig. Die Bundesregierung schreibt in ihrer
tellungnahme, dass dieses Gutachten eine gute Analyse
er Stärken und Schwächen des Innovationsstandortes
arstellt. Sie schreibt – ich zitiere aus dem Kopf –, dass
ieses Gutachten für sie sogar Grundlage für weitere for-
chungs- und innovationspolitische Entscheidungen sein
ird. Allerdings muss man ein solches Gutachten dann

uch lesen und Kritik aufnehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir waren uns damals einig, dass wir uns von außen ei-
en Spiegel vorhalten lassen und die Kritik annehmen
üssen. Aber die Bundesregierung schaut an diesem
piegel vorbei.


(Beifall bei der SPD)


h habe zuerst gedacht, es sei ein Zufall, dass das dieses
al wieder so ist. Aber beim Blick in die anderen Gut-

chten habe ich festgestellt: Es ist offenbar die Strategie
nd Systematik dieser Bundesregierung, sich von außen
icht beraten zu lassen und nicht einmal vernünftige
orschläge anzunehmen.

Im EFI-Bericht 2008 – das ist fast sogar ein positives
eispiel, an dem Sie sich laben könnten – hat als eines
er Kernthemen die steuerliche Forschungsförderung
ehr breiten Raum eingenommen, also die steuerliche
örderung von Unternehmen, die in Forschung und Ent-
icklung investieren. Wir als SPD haben das etwas

urückhaltend beurteilt. Wenn man dadurch tatsächlich
vestitionen heben kann, ist das ein geeignetes Instru-
ent. Wenn damit Wirtschaftsförderung einhergeht,

ann man darüber reden. Aber es kostet viel Geld – die
otwendigen Mittel muss man haben –, und es darf nicht
ulasten der Projekt- oder Grundlagenforschung gehen.





René Röspel


(A) )


)(B)

Vor diesem Hintergrund waren wir hier sehr zurückhal-
tend.

Es waren die beiden Fraktionen von CDU/CSU und
FDP und eine Bundesministerin, die sich in Sachen steu-
erliche FuE-Förderung so weit aus dem Fenster gelehnt
haben, dass dem Betrachter schon schwindelig wurde.
Wissen Sie, was passiert ist? Nichts. Selbst die Gutach-
tenempfehlung, die für Sie eigentlich positiv ausgefallen
ist und positiv angenommen worden ist, ist nicht umge-
setzt worden.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Sie haben sich zwar weit aus dem Fenster gelehnt, aber
Sie haben kein Stück zur steuerlichen FuE-Förderung in
Deutschland beigetragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im EFI-Gutachten 2009 war Bildung eines der
Kernthemen. Gleich im Vorwort steht ein ganz wichtiger
Satz: dass uns die Schwächen des deutschen Bildungs-
systems nachhaltig belasten und zu einer Bedrohung für
die Innovationsfähigkeit Deutschlands werden. Ein
bestimmtes Diagramm, das in diesem EFI-Bericht ent-
halten war, habe ich danach auch in vielen anderen Pu-
blikationen gesehen. Hier geht es darum, dass die Bil-
dungschancen der Menschen in Deutschland so sehr wie
in keinem anderen Industrieland von der Herkunft ab-
hängig sind. Diese Abbildung macht deutlich: Von
100 gleich begabten Kindern, die aus Akademikerfami-
lien stammen, werden 83 ein Studium aufnehmen, von
100 gleich begabten Kindern, die aus Arbeitnehmerfa-
milien stammen, nur 23. Die Herkunft entscheidet also
über die Bildungschancen. Der Appell, hier aktiv zu
werden, wurde übrigens nicht nur an die Bundesregie-
rung, sondern auch an die Politik insgesamt gerichtet.

Was haben Ihre Fraktionen gemacht? Sie haben vor
diesem Gutachten wie erstarrt verharrt. Der Bundespar-
teitag der CDU hat sich dann entschieden, sich von der
Hauptschule zu verabschieden – völlig ignorierend, dass
viele CDU-Bürgermeister in ländlichen Regionen längst
Abstand von der Hauptschule genommen haben, weil sie
sich diese aus demografischen Gründen nicht mehr leis-
ten können.

Aber es gibt auch Regierungen, die die Ungleichge-
wichte im Bildungssystem wahrnehmen und handeln.
Ich bin sehr froh, dass die neue rot-grüne Landesregie-
rung in Nordrhein-Westfalen die Studiengebühren aus-
gesetzt und zurückgenommen hat. Sie sind nämlich ein
wesentliches Kriterium dafür, dass Arbeitnehmerkinder
kein Studium aufnehmen. Es gibt also tatsächlich Regie-
rungen, die handeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heiner Kamp [FDP]: Ein großer Fehler war das! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Leider!)


– Nein, das war kein großer Fehler. Vielleicht muss man
etwas weniger als ein Abgeordneter, also weniger als
8 000 Euro im Monat, verdienen, um sich vorstellen zu

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(C (D önnen, dass eine normale Arbeitnehmerfamilie Schwiegkeiten hat, 1 000 Euro pro Jahr für das Studium der inder aufzubringen. ielleicht ist das eine Wahrnehmungsfrage. (Heiner Kamp [FDP]: Ach was! Machen Sie doch jetzt keine Neiddebatte auf! Das ist doch eine reine Neiddebatte!)


(Beifall des Abg. Oliver Kaczmarek [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715309900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Murmann?


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715310000

Aber gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715310100

Bitte schön.


Dr. Philipp Murmann (CDU):
Rede ID: ID1715310200

Lieber Kollege Röspel, es ist nett, dass Sie eine Zwi-

chenfrage gestatten. – Auch Sie haben sich inzwischen
etwas von dem Gutachten entfernt. Deswegen möchte
h Sie fragen, wie Sie folgende Zusammenfassung, die

m Ende des Gutachtens zu lesen ist, bewerten:

Die dargestellte Bilanz zeigt: Deutschland ist im
Bereich von Forschung und Innovation attraktiver
und stärker als je zuvor.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!)


Deutschland hat seine Stellung als dynamischer
Innovations- und Forschungsstandort in den ver-
gangenen Jahren deutlich verbessert. Die Bundesre-
gierung arbeitet daran, diesen Erfolgskurs in den
kommenden Jahren fortzusetzen und Deutschlands
Innovationsführerschaft weiter auszubauen – mit
umfangreichen Maßnahmen, zielgerichteter Förde-
rung und übergreifender strategischer Innovations-
politik unter dem Dach der Hightech-Strategie.
Denn Bildung, Forschung und Innovationen sind
der Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und Zu-
sammenhalt und damit eine der wichtigsten Grund-
lagen für eine gute Zukunft in Deutschland.

Das, was ich zitiert habe, war die komplette Zusam-
enfassung der Studie. Wie bewerten Sie das?


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715310300

Das kann ich nur voll unterstreichen, weil es in der

at so ist, dass Deutschland heute besser dasteht als vor
0 oder 15 Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Philipp Murmann [CDU/ CSU]: Danke!)


Das ist noch Teil der Beantwortung. – Im EFI-Gutach-
n ist übrigens immer eine ganz spannende Tabelle ent-
alten, die weit über das hinausgeht, was in der Stellung-





René Röspel


(A) )


)(B)

nahme der Bundesregierung zu lesen ist, in der nämlich
nur die Entwicklung seit 2005 betrachtet wird. Aus dem
Stand: Im EFI-Bericht 2009 können Sie auf Seite 72 die
Abbildungen 13 und 14 finden. Dort ist die Entwicklung
der Anteile der Ausgaben für Forschung und Entwick-
lung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, seit 1982 dar-
gestellt. Hier wollen wir uns ja dem vereinbarten Ziel
– das sagte auch Staatssekretär Rachel – nähern. Man
sieht hier: Als Helmut Schmidt die Regierung an Helmut
Kohl abgegeben hat, war dieser Anteil viel höher als zu
dem Zeitpunkt, als Helmut Kohl die Regierung an
Gerhard Schröder abgab.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wie war es 1950?)


Das heißt, die erste christlich-liberale Koalition hat die-
sen Bereich heruntergewirtschaftet.

Unter der rot-grünen Bundesregierung, seit 1998, ha-
ben wir der Forschung und Entwicklung sowie der Bil-
dung wieder einen Stellenwert gegeben und entspre-
chende Finanzen dafür zur Verfügung gestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist richtig und gut, dass die Große Koalition das fort-
gesetzt hat und Sie das jetzt auch tun. Deswegen kann
ich das unterstreichen.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wir steigern das!)


Urheber waren aber nicht Sie, sondern andere.

Ich denke, damit ist Ihre Frage in aller Kürze ausrei-
chend beantwortet.

Wenn man sich das vorletzte EFI-Gutachten, das von
2010, anschaut, dann sieht man: Eines der Kernthemen
ist die Föderalismusreform. Seit der Föderalismusreform
hat der Bund nicht mehr die Möglichkeit, den Ländern
und sogar den Kommunen finanzielle Mittel für Bildung
zur Verfügung zu stellen. Wer in den Kommunen tätig
ist, der weiß, dass sie danach lechzen. Das Ganztags-
schulprogramm der rot-grünen Bundesregierung aus
dem Jahre 2003 hat zu über 7 000 Ganztagsschulen ge-
führt und den Kommunen geholfen. Das ist jetzt nicht
mehr möglich.

Im EFI-Bericht 2010 findet sich zum ersten Mal die
Forderung, dass das Kooperationsverbot dringend besei-
tigt werden muss. Diese Forderung, die auch im aktuel-
len Bericht steht, ist an uns alle gerichtet, weil wir das in
der Großen Koalition beschlossen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Hier muss etwas passieren. Auch dazu hätte ich mir eine
Äußerung seitens der Bundesregierung gewünscht. Viel-
leicht hören wir ja aus den Regierungsfraktionen gleich
noch etwas dazu. Das ist ein dringender Appell der Ex-
pertenkommission. Dem sollten wir uns annehmen.

Wir als SPD haben das getan. Wir werden in der
nächsten Woche einen Antrag in Richtung Aufhebung

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(C (D es Kooperationsverbotes einbringen, und Sie als Regieng sind herzlich eingeladen, an diesem vernünftigen ntrag mitzuwirken und ihn zu unterstützen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715310400

Das Wort hat nun Martin Neumann für die FDP-Frak-

on.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1715310500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Kollege Röspel, Sie haben völlig recht: Wir
üssen uns mit dem EFI-Gutachten und mit den Aussa-

en darin kritisch auseinandersetzen. Das werden wir
n. Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf Ausfüh-
ngen zum Gutachten 2011. Darin gibt es eine ganze
eihe von Empfehlungen. Ich gehe der Reihe nach vor
nd ziehe nicht nur die eine oder andere heraus.

Ich möchte an dieser Stelle feststellen, dass wir – das
t dort deutlich vermerkt worden – nach der Finanz- und
irtschaftskrise wieder eine führende Position in der
eltwirtschaft eingenommen haben, vor allen Dingen

uch aufgrund der guten Forschungs- und Innovations-
olitik.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Richtig!)


in Grund für diese Entwicklung – das kann ich an die-
er Stelle nur noch einmal unterstreichen – ist natürlich
nsere technologie- und innovationsorientierte Volks-
irtschaft.

Im Gutachten kann man recht deutlich nachlesen,
ass wir vor allen Dingen von den forschungsintensiven
dustrien und von Spitzen- und Höchsttechnologien

rofitieren. Auch in diesem Jahr wird die Entwicklung
ei uns aufgrund eines Wirtschaftspotenzials mit Wachs-
mserwartungen von 0,75 Prozent überaus stabil sein.

Diese Leistungsfähigkeit wird vom Innovationsindi-
ator belegt. Hier ist Deutschland – das ist immer wieder
ervorzuheben – auf gutem Wege. Das lassen wir uns
icht schlechtreden. In den letzten Jahren haben wir uns

Ranking der innovativsten Nationen auf einen der
orderen Spitzenplätze vorgearbeitet. Das ist ganz wich-
g. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass wir gegen-
ber vielen anderen OECD-Staaten und Konkurrenten
inen Vorsprung durch Ideen und Innovationen haben.
as müssen wir bewahren und weiter ausbauen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den Mitglie-
ern der Expertenkommission Forschung und Innova-
on für ihre geleistete Arbeit.

Kollege Röspel, jetzt komme ich auf einen Punkt zu
prechen, den Sie auch angesprochen haben. Ein Grund
r diese erfolgreiche Entwicklung liegt vor allem in der





Dr. Martin Neumann (Lausitz)



(A) )


)(B)

selbstkritischen Analyse. Das ist genau der Punkt, und
genau das tun wir an dieser Stelle.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist die denn?)


– Frau Sager, Sie haben ja gleich im Anschluss noch Ge-
legenheit, das aus Ihrer Sicht darzustellen. – Ich glaube,
wir dürfen uns an dieser Stelle nicht auf den Erfolgen
ausruhen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –,


(René Röspel [SPD]: Einverstanden!)


sondern wir haben unsere Position immer wieder bzw.
fortwährend zu überprüfen.

Hier brauchen wir auch kritische Stimmen, die uns
die Schwächen vor Augen führen und an der Bewertung
keinen Zweifel aufkommen lassen. Diese kritischen
Stimmen können und sollen natürlich auch aus dem Wis-
senschaftssystem selbst kommen. An dieser Stelle muss
es einen Dialog geben. Ich möchte hervorheben – des-
halb ist dieser Bericht für uns sehr wertvoll –, dass aus
meiner Wahrnehmung heraus der Stellenwert der Exper-
tenkommission mit jedem Bericht wächst.

Es gehört zur kritischen Analyse, dass wir über die
Grenzen hinausschauen. Das ist ganz wichtig, vor allen
Dingen in diesem Wettbewerb. Wenn wir uns die inter-
nationalen Entwicklungen konkreter anschauen und ana-
lysieren, stellen wir wieder fest, dass wir an dieser Stelle
wirklich führend sind. Wenn wir zum Beispiel nach
Skandinavien blicken oder in den südostasiatischen
Raum, stellen wir fest, dass wir uns mitten in einem
Wettbewerb befinden. Dieser Wettbewerb – das ist an
alle Adressen gerichtet – nimmt keine Rücksicht auf
Versäumnisse, sei es bei Investitionen, sei es bei der not-
wendigen Weichenstellung für Forschung und Innova-
tion. In diesem Wettbewerb zählt nur die richtige For-
schungspolitik.

An dieser Stelle hat die Expertenkommission den Fin-
ger tief in die Wunde gelegt. Die Schwächen werden be-
nannt – das ist ganz klar – und Empfehlungen gegeben.
Ich glaube aber festzustellen – in diesem Kontext treffen
wir uns dann wieder –, dass der Weg richtig ist und dass
vor allen Dingen – das gilt auch in der Wirtschaft – das
richtige Klima geschaffen wird – das ist ein ganz wichti-
ger Punkt –, sei es zum Beispiel durch die Erhöhung der
Investitionen des Bundes, sei es zusätzlich durch eine
Wirtschaftspolitik, die Mehrausgaben in Forschung und
Entwicklung generiert. Dabei belegt das Gutachten
2011, dass wir mit der strukturellen und vor allen Dingen
strategischen Ausrichtung auf dem richtigen Weg sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Koalition hat mit der weiterentwickelten High-
tech-Strategie 2020 eine missionsartige – so möchte ich
das sagen – Ausrichtung vorgenommen und die For-
schungs- und Innovationsförderung auf globale Heraus-
forderungen ausgerichtet. Daneben ist der Pakt für For-
schung und Innovation als ein ganz entscheidendes
Instrumentarium etabliert.


(René Röspel [SPD]: Gute sozialdemokratische Erfindung!)


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(C (D ir zielen mit dem Pakt auf die außeruniversitären Forchungseinrichtungen, die wir als integralen Bestandteil nseres Innovationssystems verstehen. Genau diese Einchtungen müssen weiter gestärkt und auch weiter an ie Wirtschaft herangeführt werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier ist eine jährliche Steigerung der Mittel von min-
estens 5 Prozent zu verzeichnen. Damit geben wir ein
eutliches Signal. Hier kommt die Stelle, an der wir ge-
auer hinschauen müssen, Herr Kollege Röspel – das
age ich auch an Ihre Adresse –: Wir müssen darauf ach-
n, dass es in der Finanzierung der Hochschulen in der
ombination mit den außeruniversitären Forschungsein-
chtungen eine Balance zwischen der Steigerung der
ittel, die ich gerade angesprochen habe, und dem, was

ber die Länderhaushalte an Mitteln für die Hochschulen
ereitgestellt werden muss, gibt. Auf diese Balance müs-
en wir achten.


(René Röspel [SPD]: Einverstanden!)


Das heißt aber auch – dazu wird in dem EFI-Gutach-
n ausreichend Stellung genommen –, dass wir das ge-

amte System der Wissensgesellschaft im Auge behalten
üssen. Das beginnt tatsächlich mit dem „Haus der klei-

en Forscher“ im Kitabereich und hört bei hochwertigen
orschungsergebnissen auf. Wenn man sich die
iografien der vielen erfolgreichen Nachwuchswissen-

chaftler genauer anschaut, sieht man, dass ihre Karriere
tsächlich auf Förderung und vor allen Dingen auf der
ohen Qualität des Studiums beruht. Vor diesem Hinter-
rund sollten wir das Talentmanagement im Bereich der
orschung und der Hochschulen tatsächlich als eine zu-
ünftige Aufgabe erkennen.

An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen
das muss man hervorheben, weil es ein Schritt auf dem
chtigen Weg ist –, dass wir mit der Aufstockung der
ittel für den Qualitätspakt Lehre und dem Hochschul-

akt eine wirklich sehr gute finanzielle Grundlage gelegt
aben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Weil es zum System gehört und weil die Opposition
mer verschiedene Argumente dagegen anführt: In die-

em Zusammenhang freut mich die positive Aufnahme
es Deutschlandstipendiums durch die Expertenkom-
ission. Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie im-
er machen.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Jawohl!)


ie sagen immer: Das ist eine einseitige Orientierung.
h sage noch einmal: Wir brauchen eine Kultur der För-

erung und der Unterstützung der Hochschulen in den
egionen, wir brauchen ein funktionierendes bürger-

chaftliches Engagement und müssen alle Kräfte der Ge-
ellschaft bündeln, die ein Interesse daran haben, dass es
uf diesem Weg weitergeht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist
u knapp, um sich den vielen Aspekten zu widmen. Die





Dr. Martin Neumann (Lausitz)



(A) )


)(B)

Kommission hat uns sehr viele Empfehlungen mit auf
den Weg gegeben. Darüber muss geredet werden. Ich
habe das vorhin betont. Damit wir weiterhin Erfolg er-
zielen, ist, glaube ich, auch eine selbstkritische Analyse
wichtig. Ich kann Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen,
dass wir uns in allen Projekten, die notwendig sind, bei
allem Guten und Positiven wie auch da, wo wir tatsäch-
lich noch Kräfte bündeln müssen, nicht auf dem Erfolg
ausruhen, sondern wir werden uns als christlich-liberale
Koalition für eine Fortentwicklung des Forschungs- und
Innovationssystems einsetzen.

Lieber Kollege Röspel, ich muss das noch anspre-
chen, weil Sie es hervorgehoben haben: Auf die vielen
Empfehlungen und Hinweise werden wir Antworten ge-
ben.


(René Röspel [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)


Ich bedanke mich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715310600

Das Wort hat nun Petra Sitte für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715310700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden

heute über ein Gutachten der Expertenkommission For-
schung und Innovation. Dieser Gruppe gehören sechs
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Wirt-
schafts-, der Rechts- und der Sozialwissenschaft an. Sie
haben, wie man es von der Wissenschaft erwarten darf,
auch im Jahr 2011 – Herr Röspel hat es schon gesagt –
ihrer Auftraggeberin kein Gefälligkeitsgutachten vorge-
legt und nicht nur eitel Freude bereitet.


(Zuruf von der FDP: Richtig!)


Dafür kann man sich bei den Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern nur bedanken.

Ich hoffe, dass auch nach der personellen Umbeset-
zung dieser Gruppe eine solche kritische Distanz be-
wahrt werden kann. Immerhin haben die Gutachten der
letzten Jahre deutliche Signale gesetzt. Ich denke bei-
spielsweise an den Verriss der Studienreform – nichts
anderes als ein Verriss war es – oder an die Kritik zur
Komplexität und Budgettransparenz eben jener von Ih-
nen gelobten Hightech-Strategie und Innovationspolitik.
So weit, so gut.

Wie hat die Bundesregierung auf das Gutachten 2011
reagiert? Auch in diesem Jahr hat die Bundesregierung
zunächst einmal mit bunten Bildchen reagiert. Mit ihnen
werden die wachsenden Mittel für Forschungsförderung
gefeiert. Das Eigenlob aus den Haushaltsberatungen be-
kommt sozusagen einen visuellen Gedächtnisschrein.
Aber die Expertenkommission ist eben nicht in Andacht
erstarrt. Sie hat vielmehr festgestellt, dass man den Auf-
wuchs der Mittel grundsätzlich anerkennen müsse.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. René Röspel [SPD])


as ist aber auch schon alles. Nicht die Menge macht es;
anchmal macht es erst die Qualität. Es bleibt festzuhal-
n, dass mehr Mittel allein kein Garant für eine mo-
erne Innovationspolitik sind.

Zu den dann folgenden Kritiken – das hat Herr Röspel
chon gesagt – äußert sich die Bundesregierung entwe-
er gar nicht, oder sie reagiert durch gegenteilige Politik
arauf. Deshalb frage ich mich: Warum vergibt die Bun-
esregierung überhaupt derartige Aufträge, wenn sie in
iesen Punkten nicht wirklich im Kern etwas ändern
ill? Da kippt der Buddha aus dem Schrein.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Das ist vollkommen falsch!)


Die Linke dagegen will etwas ändern. Lassen Sie
ich das an einem Thema erklären, welches schon fast

ls Dauerbrenner der Berichte gelten kann: Föderalismus
nd Bildung. Die Kommission fordert unmissverständ-
ch, den Wettbewerbsföderalismus im Bildungsbereich
inzudämmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – René Röspel [SPD]: Wie zu Zeiten Willy Brandts!)


tattdessen soll eine kooperative Bildungspolitik prakti-
iert werden. Ebenso fordern die Expertinnen und Ex-
erten erneut die Überwindung der sozialen Spaltung im
ildungswesen. Das wurde also nicht nur 2009 gefor-
ert, wie Herr Röspel gesagt hat, sondern auch im dies-
hrigen Gutachten. Mehr Menschen aus bildungsfernen
chichten sollen an die Hochschulen dieses Landes
ommen können. Ich frage mich: Wie viele Gutachten
raucht es noch, bis man in diesem Punkt nachhaltig um-
teuert?


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich werden neue Angebote für Ganztagsschu-
n gefordert. Die Lernbedingungen sollen verbessert
nd die Zahl der Abgänge ohne Abschluss soll gesenkt
erden.

Die Linke fühlt sich durch die Kommission in ihren
ositionen bestärkt. Ich zitiere aus dem Gutachten:

Gute Bildungspolitik ist die Voraussetzung guter
Innovationspolitik.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Seit Jahren drängen wir hier im Bundestag auf ein
ildungswesen, das individuelles Lernen tatsächlich er-
öglicht. Es soll Schwächen ausgleichen, und es soll

ben auch die vielfältigen Talente von Kindern und Ju-
endlichen fördern. Das wird aber nicht ohne Bundes-
ilfe gehen. Das bleibt auch in Bundesverantwortung,
eil Bildung zur Gleichwertigkeit von Lebensverhält-
issen gehört.





Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)


(Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Was macht die Bundesregierung? Statt das Koopera-
tionsverbot zu beerdigen und mit den Mitteln konse-
quent und ohne Umwege das öffentliche Bildungswesen
zu stärken, wird viel Geld auf Nebengleisen – mit vielen
bürokratischen Zwischenstopps – geparkt oder in solche
Programme wie Bildungs- und Teilhabepaket sowie ein
elitäres Studienprogramm geleitet. Das alles sind büro-
kratische Monster, bei denen klar ist, dass viel Geld an
Stellen verpulvert wird, die mit Bildung direkt nichts zu
tun haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mittel sinnlos verpulvern, das können sie!)


Viel wichtiger wäre es, mit diesen vielen Mitteln das öf-
fentliche Bildungswesen zu stärken. So könnte man we-
sentlich mehr Effekte erzielen.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Gemeinsam mit den Ländern sollte flächendeckend
für eine gute Ausstattung der Bildungseinrichtungen ge-
sorgt werden. Die Umsetzung moderner Lern- und Lehr-
formen sollte gesichert werden. Gute Kitaplätze für alle
Kinder, längeres gemeinsames Lernen in Ganztagsschu-
len, offene, attraktive Hochschulen, und zwar nicht nur
an einzelnen exzellenten Standorten, sondern überall,
genau das sind die Aufgaben, die im Gutachten der Ex-
pertenkommission nachzulesen sind. Genau das gehört
zu einer guten Innovationspolitik.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber auch in Wissenschaft und Forschung wächst nun
die Kritik am Wettbewerbsföderalismus. Das Einwerben
von zusätzlichen Mitteln, sogenannten Drittmitteln, aus
der Wirtschaft und Bundesprogrammen wie beispiels-
weise der Exzellenzinitiative dominiert mehr und mehr
die Haushaltsanstrengungen an Wissenschaftseinrichtun-
gen. Heute wissen wir aber aus vielen Schilderungen,
dass der Dauerstress wegen endloser Antragsrennen ins-
besondere personelle Ressourcen bindet, die letztlich
massiv in der Lehre, aber auch in der Forschung fehlen.
Angesichts der 19 000 Programme, die das Bundesfor-
schungsministerium bereits jetzt finanziert, fragt man
sich doch: Wäre das Geld nicht viel besser angelegt,
wenn man einen Teil davon nutzte, um die Grundausstat-
tung von Wissenschaftseinrichtungen zu verbessern?


(René Röspel [SPD]: Die wollen die 20 000 vollmachen!)


– Das kann sein. Aber wir werden versuchen, das zu ver-
hindern.

Schließlich könnten die Perspektiven des wissen-
schaftlichen Nachwuchses dadurch verlässlicher und ge-
rechter gestaltet werden. Natürlich gehört dazu auch eine

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(C (D ntsprechende Änderung des Wissenschaftszeitvertragsesetzes. Laufen nun Hochschulpakt und Exzellenzinitiative in in paar Jahren aus, müssen wir dann sowieso über ein achhaltiges Finanzkonzept diskutieren. Mir ist völlig lar, dass ein solches Konzept nicht erarbeitet werden ann, ohne zuvor das Kooperationsverbot beerdigt zu aben. Die Expertinnen und Experten, also die Geister, die ie selbst gerufen haben, haben viele praktikable Vorchläge gemacht. Es bedarf schlicht und ergreifend mutier und innovativer Grundsatzentscheidungen. Beim ooperationsverbot können Sie damit anfangen. ächste Woche werden wir darüber im Bundestag diskueren. Dann werden wir sehen, welche Schlussfolgerunen Sie ziehen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715310800

Das Wort hat nun Krista Sager für die Fraktion Bünd-

is 90/Die Grünen.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715310900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-

esregierung hat das Jahresgutachten 2011 der Experten-
ommission Forschung und Innovation leider ausgespro-
hen selektiv zur Kenntnis genommen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Leider! – René Röspel [SPD]: Sehr!)


ass Sie in Ihrer Stellungnahme zu jedweder Kritik total
chweigen – das haben die Kollegen bereits angespro-
hen –, ist peinlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


iese Expertenkommission wurde von der Bundesregie-
ng eingesetzt. Was haben Sie denn eigentlich von die-

en Experten erwartet? Kollektive Lobhudelei, oder was?


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


ie behandeln das wie das Rauschen im Wald. Ich finde,
ass Sie eine Missachtung gegenüber Ihren eigenen Ex-
erten an den Tag legen, wenn Sie kritische Aspekte mit
einem Wort erwähnen. Dass die Opposition das nun an-
ers macht, wird Sie sicherlich nicht verwundern.


(Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Nein!)


Kommen wir also zu einem besonders beliebten
hema: die steuerliche Forschungsförderung. Die
xpertenkommission hat die steuerliche Forschungsför-
erung wiederholt angemahnt. Wir wissen, dass sich das
anderen Ländern als ein ergänzendes Instrument für

leinere innovative Unternehmen bewährt hat, die von
er Projektförderung viel weniger profitieren als Groß-





Krista Sager


(A) )


)(B)

unternehmen. Dass die CDU/CSU da bisher nichts zu-
stande bekommen hat, finde ich besonders peinlich.


(Beifall des Abg. René Röspel [SPD] – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Die Legislatur dauert vier Jahre, nicht zwei Jahre!)


Sie haben sich gleich zweimal ein Bein gestellt, sehr
verehrter Herr Rupprecht. Das erste Mal haben Sie sich
ein Bein gestellt, als Sie sich auf die dödelige Klientel-
politik der FDP, lieber Hoteliers zu fördern, als steuerli-
che Forschungsförderung zu betreiben, eingelassen ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das zweite Mal haben Sie sich ein Bein gestellt, als
Sie sich von den Industrieverbänden ein besonders teu-
res Modell haben einreden lassen. Dieses Modell wäre
nicht nur teuer; es würde vor allen Dingen die Großkon-
zerne der Pharma- und Autobranche bevorzugen. Dass
Sie das bei Ihrem Bundesfinanzminister schlecht durch-
bekommen, muss einen nicht verwundern. Die Gutachter
haben einfach recht, wenn sie sagen: Da muss die Koali-
tion jetzt endlich einmal etwas zustande bringen und
Farbe bekennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Die Kolleginnen und Kollegen haben zu Recht darauf
hingewiesen, dass es richtig ist, im Zusammenhang mit
der Innovationspolitik die Bildungspolitik zu thematisie-
ren, weil sie die Grundlage jeder Innovationspolitik ist.


(Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Da finden die Gutachter erfreulicherweise klare Worte.
Sie sagen nämlich ganz deutlich: Das deutsche Bil-
dungssystem ist selektiv, und es bietet zu wenig Chan-
cengerechtigkeit und Chancengleichheit. Die Bildungs-
reserven werden aus Sicht der Gutachter nicht effektiv
genug mobilisiert.

Sie benennen auch Problemgruppen. Dazu gehören
ganz besonders Kinder und junge Menschen aus ein-
kommensschwächeren Familien, die von der Kinderbe-
treuung über die Schule bis in den Hochschulbereich hi-
nein benachteiligt werden.

Vor diesem Hintergrund muss man noch einmal eines
feststellen: In diese Logik hinein kommen Sie jetzt mit
Ihrem Betreuungsgeld, das Eltern belohnen soll, wenn
sie ihre Kinder nicht in eine Kita mit der damit verbun-
denen Frühförderung bringen, sondern davon fernhalten.
Das ist bildungspolitisch ein Irrläufer erster Klasse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – René Röspel [SPD]: Harakiri!)


Dass Sie darüber kein Wort verlieren, finde ich auch bla-
mabel.

Dieses Instrument der Betreuungsprämie passt auch
nicht zu einem anderen Thema der Gutachter, nämlich
dass wir die Potenziale der jungen Frauen nicht genü-

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(C (D end ausschöpfen. Die Große Anfrage der Opposition at gerade gezeigt, dass nicht nur im Wirtschaftsbereich, ondern auch im Wissenschaftsbereich der Fortschritt ider immer noch eine Schnecke ist, wenn es darum eht, Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Die Bunesregierung scheut davor zurück, da endlich zu verindlichen Regelungen zu kommen. Auch da: Schlechte olitik! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Expertenkommission fordert außerdem, den sich
bzeichnenden Fachkräftemangel stärker durch eine ge-
ielte Einwanderungspolitik zu bekämpfen. Was macht
ie Regierung da? Flickenteppich! Stückwerk! Hier eine
inzelfalllösung, dort eine Einzelfalllösung! Wir brau-
hen wirklich ein Punktesystem für die Einwanderung,
nd wir brauchen auch eine wirkliche Willkommenskul-
r. Das zu Recht als Unwort des Jahres qualifizierte
ort „Döner-Morde“ zeigt doch, dass wir bei der Will-

ommenskultur wirklich noch Nachholbedarf haben.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Bleiben Sie mal sachlich!)


Das Jahresgutachten 2011 setzt sich ausgesprochen
ritisch mit der Föderalismusreform 2006 auseinander.
ie Gutachter – das wurde von den Kolleginnen und
ollegen hier schon gesagt – fordern die Rückkehr zu ei-
em kooperativen Föderalismus. Sie fordern ganz klar
ie Rücknahme des Kooperationsverbotes. Für diese
orderung erfahren sie mit Sicherheit nicht nur viel Un-
rstützung bei den Wissenschafts- und Bildungsorgani-

ationen, sondern zunehmend auch in der Bevölkerung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen stellt sich besonders die Frage: Warum
chweigt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu
iesem Punkt?


(René Röspel [SPD]: Sprachlosigkeit!)


s ist doch unlogisch, dass die Länder eine zunehmend
teigende Belastung aus der gemeinsamen Forschungs-
nanzierung zu verkraften haben, dass sie immer weni-
er in der Lage sind, die Grundfinanzierung ihrer Hoch-
chulen angemessen sicherzustellen, aber parallel dazu
er Bund sich beim Ganztagsschulausbau seit 2006 aus
er gemeinsamen Finanzierung verabschiedet hat. Da
asst eindeutig etwas nicht zusammen. Daher brauchen
ir eine Verfassungsreform, zu der sich die Bundesre-
ierung dann auch bekennen müsste.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bemerkenswert ist auch, dass die Gutachter kritische
nmerkungen zur gemeinsamen Forschungsfinanzie-
ng machen. Auch wir sind der Meinung, dass die

trukturen nicht mehr logisch zu erklären sind: die un-
rschiedlichen Finanzierungsschlüssel und die Zuord-
ung von Einrichtungen zu Forschungsorganisationen.
ir haben dazu einen eigenen Antrag vorgelegt und den-

en, dass wir hierüber in eine Diskussion kommen müs-
en. Das, was die Gutachter als einheitlichen Schlüssel





Krista Sager


(A) )


)(B)

vorlegen, hat uns nicht überzeugt, weil es viele Unge-
rechtigkeiten und Ungereimtheiten nicht beseitigt.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Keiner sagt, was es kostet!)


Aber es darf wegen dieser Problematik nicht mit der
„Helmholtzifizierung“ der Forschungslandschaft weiter-
gehen. Wir müssen an dieses Thema heran, das hat der
Wissenschaftsrat angemahnt und das sagt auch der Präsi-
dent der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wir erwar-
ten, dass sich auch die Bundesregierung diesem Thema
endlich stellt.

Es gibt im deutschen Forschungs- und Innovations-
system durchaus mutmachende Aufbruchsignale – das
bestreiten wir überhaupt nicht –, aber es gibt auch viele
Baustellen. Aber wenn eine Bundesregierung überhaupt
nicht in der Lage ist, sich auf Kritik einzulassen, dann
bezweifeln wir, dass sie zu dem in der Lage ist, was die
Gutachter immer wieder anmahnen: eine kritische, trans-
parente und ehrliche Bestandsaufnahme und ehrliche
Evaluation Ihrer Politik. Das leistet Ihre Stellungnahme
in keiner Weise.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715311000

Das Wort hat nun Michael Kretschmer für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1715311100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Für die Koalitionsfraktionen ist klar: Nur mit
Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit kön-
nen wir auf internationaler Ebene bestehen und unseren
Wohlstand im internationalen Vergleich auch in den
kommenden Jahren und Jahrzehnten erhalten.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Sehr richtig!)


Deshalb, meine Damen und Herren: Deutschland soll ein
innovatives Industrieland sein und bleiben.


(René Röspel [SPD]: Wir haben nichts dagegen!)


Wir haben in den Krisen der vergangenen Jahre mehr
als deutlich gelernt, welch große Bedeutung die innova-
tive Kraft und die technologische Leistungsfähigkeit un-
seres Landes haben, um durch diese Krisen hindurchzu-
kommen. Aus diesem Grund ist für uns vollkommen
klar, dass wir in diesem Bereich weiter investieren müs-
sen und jeder Euro, der in die Wissenschaft geht und für
technologische Kooperation sowie für die Fachkräfteent-
wicklung angewendet wird, gut angelegtes Geld ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir investieren in den schweren Zeiten der Haus-
haltskonsolidierung, in Zeiten, in denen wir eine Ver-
schuldungsbremse haben, zusätzliches Geld in Milliar-
dengrößenordnungen in diesen Bereich und haben es

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(C (D eschafft, dass Deutschland das erste Mal seit der Wieervereinigung 1990 beim Anteil der Ausgaben für Forchung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt wieer vor den USA liegt. Das ist ein starkes Signal. Wenn hier zwischen Helmut Schmidt, Helmut Kohl nd Gerhard Schröder verglichen wird, dann muss man ur Kenntnis nehmen, dass dazwischen die deutsche inheit, ein gewaltiger Kraftakt, gelegen hat, den dieses and, den wir erfolgreich gestemmt haben. Ich finde, es ehört zur Redlichkeit dazu, dass man dies immer wieer sagt, Herr Kollege Röspel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – René Röspel [SPD]: Ja, das habe ich auch schon in der letzten Rede getan!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nein, meine Damen und Herren, diese Koalition unter
er Regierung von Angela Merkel hat nicht nur davon
esprochen, dass Forschung und Entwicklung wichtig
ind, sondern sie hat dies wie keine Regierung in der
ergangenheit, in der Geschichte der Bundesrepublik
eutschland, wahrgemacht und in Forschung und Ent-
icklung investiert. Das können Sie beklagen,


(René Röspel [SPD]: Das beklagen wir überhaupt nicht!)


nd Sie können immer irgendwie daran herumkritteln,
ber die deutschen Forschungsorganisationen, die deut-
che Wissenschaft sowie der hier vorliegende Bericht
prechen eine ganz klare Sprache: Es wird anerkannt,
nd die Menschen sind dankbar dafür, dass auf uns Ver-
ss ist, dass wir in diesem Bereich gemeinsam investie-
n.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben drei Punkte angesprochen: den einheitli-
hen Finanzierungsschlüssel, die steuerliche For-
chungsförderung und das Kooperationsverbot. Zu allen
rei Punkten möchte ich etwas sagen.

Der einheitliche Finanzierungsschlüssel ist ein wich-
ger Teil der Überlegungen zu der Frage, wie man das
issenschaftssystem und die außeruniversitäre For-

chung in Zukunft neu aufstellt. Ich möchte nur eines zu
edenken geben: Als die Regierung von Wissenschafts-
inisterin Edelgard Bulmahn hier aktiv war, gab es nur

in Hauen und Stechen zwischen Ländern und Bund,
eil sie permanent mit dem Kopf durch die Wand
ollte.


(René Röspel [SPD]: Es gab auch ein paar CDU-geführte Bundesländer, die blockiert haben!)


ie hat per Dudenhausen-Erlass verfügt, dass sich die
ußeruniversitäre Forschung nicht mehr an den Fachpro-
rammen des BMBF beteiligen konnte. Damit haben wir
ufgeräumt. Wir haben heute eine ganz andere Koopera-
onskultur. Heute herrscht ein Klima, in dem über einen
inheitlichen Finanzierungsschlüssel gesprochen wird.


(René Röspel [SPD]: Weil die Kultusministerin in Baden-Württemberg eine andere ist! – Michael Kretschmer )





(A) )

Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Es gibt keinen Roland Koch mehr!)

Ich bin froh darüber, dass neutrale Wissenschaftler die-
sen Gedanken aufwerfen. Wir sollten uns damit intensiv
beschäftigen.

Wir sollten allerdings nicht so tun, Herr Kollege
Röspel, als würde die Welt von diesem kleinen Raum
hier gesteuert. Wir leben vielmehr in einem föderalen
Land. Das heißt, die Länder haben ein ganz gewichtiges
Wort mitzusprechen. Für meine Fraktion möchte ich
ganz deutlich sagen: Wir wollen diese Diskussion füh-
ren, aber auf Augenhöhe mit den Ländern und nicht mit
erhobenem Zeigefinger. Das ist der größte Unterschied
zwischen unseren Fraktionen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – René Röspel [SPD]: Oha!)


Wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir die
Grünen und die SPD überzeugt, dass die steuerliche For-
schungsförderung in Deutschland eingeführt werden
soll. Das ist ein tolles Signal. Das war in den vergange-
nen Jahren anders.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns nicht! – René Röspel [SPD]: Nein, nein! Es muss nur bezahlbar sein!)


Ich habe da ganz andere Sachen gehört. Für die Koali-
tionsfraktionen ist klar, dass die steuerliche Forschungs-
förderung ein wichtiges Instrument ist, das wir gerne
realisieren möchten. Aber, meine Damen und Herren,
man muss ehrlich und redlich sein und seine Prioritäten
klar benennen.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hotels! – Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Wir haben unsere Prioritäten in den vergangenen Jahren
und auch in diesem Jahr deutlich gemacht: Hochschul-
pakt, Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzini-
tiative und viele andere Dinge.


(René Röspel [SPD]: Alles SPD-Initiativen! – Ulrich Kelber [SPD]: Hotelbettensteuersenkung!)


Sobald finanzieller Spielraum für die steuerliche For-
schungsförderung da ist, werden wir sie auch einführen.
Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Ich finde
es in Ordnung, dass Sie Ihre Position in diesem Punkt
geändert haben. Sie können gerne auch an diesen Projek-
ten mitwirken, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hatten den ersten Antrag dazu geschrieben! Sie haben ein schlechtes Gedächtnis!)


Der letzte Punkt betraf die Frage des Kooperations-
verbotes. Es wird in der kommenden Woche ja noch ein-
mal Gelegenheit sein, intensiv darüber zu diskutieren.
Auch in der Diskussion darüber stört mich einiges. Ich
kenne keinen Antrag SPD-regierter Länder im Bundes-
rat, in dem gefordert wird, dass das Kooperationsverbot
aufgehoben wird.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!)


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(C (D as wäre allerdings der erste Schritt, der passieren üsste. Wir reden dauernd von Bundesländern, die ihre ufgaben nicht erfüllen können – vor allen Dingen Sie rzählen davon. Sie sagen nicht, dass vor allen Dingen änder, in denen die SPD regiert oder mitregiert, wie hüringen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und jetzt ecklenburg-Vorpommern, bei Wissenschaft und For chung kürzen. (René Röspel [SPD]: Wer ist in Thüringen noch einmal Ministerpräsidentin? – Ulrich Kelber [SPD]: Thüringen hat eine CDU-Ministerpräsidentin!)


ir werden in der nächsten Woche die Zahlen noch ein-
al miteinander diskutieren können. Vor allen Dingen
n Sie aber so, als könnten Sie für die Länder bestim-
en und denen sagen, was richtig und was falsch ist.
enn es um das Kooperationsverbot geht, müssen wir

ls Allererstes –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715311200

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1715311300

– ich bin sofort so weit – zur Kenntnis nehmen, dass

s eine gemeinsame Kommission von Bundesländern
nd Bundestag, geführt von Müntefering und Stoiber,
ab, in der auf Augenhöhe all das verhandelt wurde, was
ir dann, übrigens auch gemeinsam mit der SPD, umge-

etzt haben. Wenn hier jetzt wieder Veränderungen ange-
ahnt werden, sollten wir darüber genau auf derselben
ugenhöhe diskutieren und nicht versuchen, uns gegen-

eitig Vorwürfe zu machen.


(Zurufe von der SPD)


as führt mit Sicherheit nicht zu einem vernünftigen Er-
ebnis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715311400

Das Wort hat Oliver Kaczmarek für die SPD-Frak-

on.


Oliver Kaczmarek (SPD):
Rede ID: ID1715311500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

chon etwas verwundert über den Verlauf der Debatte.
h habe das Gutachten gar nicht als eine Beurteilung

es Regierungshandelns der schwarz-gelben Koalition
elesen, sondern als einen reichhaltigen Denkanstoß für
ie Entwicklung von Innovationen in Deutschland.


(Beifall bei der SPD)


ielleicht sollten wir uns mehr auf diesen Aspekt kon-
entrieren. Sie listen hier – auch die Bundesregierung
at das getan – alles nur akribisch auf, greifen aber keine
inzige Empfehlung der Kommission konstruktiv auf.
ur Redlichkeit – darauf ist hier ja schon eingegangen
orden – gehört auch, zu sagen, dass die wesentlichen
ig Points, auf die sich die Forschungspolitik heute in
eutschland bezieht, gar nicht von der schwarz-gelben
oalition eingeführt worden sind, sondern dass die ent-





Oliver Kaczmarek


(A) )


)(B)

sprechenden Grundlagen während der rot-grünen Regie-
rungszeit gelegt worden sind und die Hightech-Strategie,
die so oft angesprochen worden ist, während der Großen
Koalition in Angriff genommen worden ist. Das zu sa-
gen, hätte auch zur Redlichkeit gehört. Hier schmückt
man sich mit fremden Federn.


(Beifall bei der SPD)


Völlig richtig ist, dass der Bericht auch festhält, dass
es eben nicht nur um Forschung und Entwicklung gehen
darf, sondern dass auch nach dem gesellschaftlichen
Nutzen von Forschung und Innovation zu fragen ist;
denn nicht jede Innovation, nicht alles Neue ist zugleich
ein Fortschritt.

Für die SPD verbindet Fortschritt technologische
Innovation und wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaft-
lichem und individuellem Wohlstand. Fortschritt soll
eben auch zu sozialer Sicherheit und demokratischer
Teilhabe der gesamten Gesellschaft beitragen. Wir müs-
sen auch erkennen: Das Fortschrittsverständnis der Ver-
gangenheit stößt bezüglich Ressourcenverbrauch und
Klimaschutz an seine Grenzen. Nicht zuletzt deshalb ha-
ben wir ja auch parteiübergreifend eine Enquete-Kom-
mission eingerichtet, die zum Ziel hat, einen alternativen
Wohlstandsindikator zu entwickeln.


(Beifall bei der SPD)


Vielleicht findet diese Verbindung von gesellschaftli-
chem Fortschritt und Innovation derzeit ihren deutlichs-
ten Ausdruck in der Bedeutung und Nutzung des Inter-
nets. Innovation ohne das Internet kann zumindest ich
mir nicht vorstellen. Deswegen widmet die Experten-
kommission diesem Thema einen breiten Raum und
zeigt auf, dass das Internet zumindest derzeit der größte
und dynamischste Raum für Innovationen ist. Der
Schutz dieses innovationsfreudigen Raumes war auch
Teil einer Debatte von heute Morgen, als die Enquete-
Kommission ihren Zwischenbericht vorgelegt hat. Der
Schutz dieses innovationsfreudigen Raums ist eine for-
schungspolitische Aufgabe von, wie ich meine, größter
Bedeutung. Die Expertenkommission weist zu Recht da-
rauf hin, dass der Erhalt des offenen und neutralen Inter-
nets im Widerspruch zu möglicher Preisdifferenzierung,
Zugangsgebühren oder Marktallianzen steht. Sie sieht
die Netzneutralität – wörtliches Zitat – akut gefährdet.
An der Stelle sind wir uns womöglich auch noch einig.

Uneinig sind wir uns in der Frage, wie man diesen
Raum für Forschung und Innovation, aber auch für an-
dere Entwicklungen schützen kann. Aus meiner Sicht ist
es eine wichtige Voraussetzung, dass Daten im Internet
diskriminierungsfrei transportiert werden können. Es
darf kein Privileg für einzelne Anbieter mit Marktmacht
geben. Deswegen wollen wir im Unterschied zur Koali-
tion die Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz
verbindlich festschreiben.


(Beifall bei der SPD)


Jeder Mensch muss im Internet grundsätzlich zu jedem
Inhalt freien Zugang haben und Inhalte selbst anbieten
können, selbstverständlich nur Inhalte, die sich im Rah-
men von Recht und Gesetz bewegen.

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(C (D (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Dazu hat jeder die Möglichkeit!)


iese Diskriminierungsfreiheit ist ein konstitutiver Be-
tandteil des Internets. Wer das nicht versteht, hat das In-
rnet nicht verstanden. Deswegen darf diese Diskrimi-
ierungsfreiheit nicht allein dem Markt überlassen
erden.


(Beifall bei der SPD)


Nur kurz will ich ein weiteres Thema ansprechen; es
t hier schon betont worden: Seit Jahren weist die Exper-
nkommission auf die bremsende Wirkung des Bil-
ungssystems in Deutschland für Innovationen hin. Die
oziale Selektivität ist hier schon angesprochen worden.
sgesamt will ich nur ein kleines Wort der Kritik an dem
ericht äußern. Aus meiner Sicht wird die Rolle der be-
flichen Bildung allenfalls am Rande benannt und die
edeutung der beruflichen Bildung nicht ausreichend ge-
ürdigt. Deshalb eine kleine Anregung für den Bericht
nächsten Jahr: Das duale System der Berufsausbil-

ung gehört in Deutschland zu den wichtigsten Faktoren
er Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesell-
chaft. Deshalb sollte es auch im nächsten Bericht aus-
hrlicher beleuchtet und gewürdigt werden.


(Beifall bei der SPD)


Das Kooperationsverbot war hier schon Thema. Ob
ewegung in diese Diskussion kommt, werden wir in
er nächsten Woche sehen, wenn wir die Debatte hier im
eutschen Bundestag führen.

Zu den Vorschlägen: Die Bundes-SPD – so viel zum
hema Augenhöhe – hat unter Beteiligung vieler Kultus-
inister und Ministerpräsidenten der SPD einen Vor-

chlag erarbeitet, der es dem Bund und den Ländern
rlauben soll, gemeinsam Bildungsaufgaben zu finanzie-
n. Es wäre gut, wenn dies gelänge. Das sage ich ganz

ffen. Anders geht es auch gar nicht. Es wäre gut, wenn
ir im Bundestag einen breiten Konsens darüber finden
ürden, dass wir diese Aufgabe angehen und das Ko-
perationsverbot aufheben.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Der Bundesrat ist der richtige Ort, nicht der Bundestag! Fassen Sie einen Beschluss im Bundesrat, dann reden wir weiter! – Gegenruf des Abg. René Röspel [SPD]: Dann brauchen wir auch noch die Bayern!)


Auch im Bundesrat, aber es wäre schön, wenn der
undestag auch dieser Meinung wäre. Sie können davon
usgehen, dass die sozialdemokratischen Ministerpräsi-
enten den Änderungsvorschlag im neuen Art. 104 c GG
ittragen werden. Ich weise aber darauf hin, dass dies

icht das Einzige ist. Sie müssen auch dafür sorgen, dass
ie Länder ihre hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen
önnen. Dazu gehört es auch, auf Steuerentlastungen zu
erzichten und zusätzliche Mittel für Bildung bereitzu-
tellen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir darüber
ine Diskussion führen werden, weil die Gesellschaft
iel weiter ist als die Diskussion, die wir hier in diesem
aum führen.





Oliver Kaczmarek


(A) )


)(B)

Meine Damen und Herren, es stimmt: Deutschland ist
ein innovationsfähiges und innovationsfreudiges Land.
Das liegt vor allem an den vielen Menschen, die tagtäg-
lich in Bildung, Wissenschaft und Forschung und in den
Betrieben daran arbeiten. Innovationen bringen die Ge-
sellschaft jedoch nur dann weiter, wenn wir die Debatte
darüber zulassen, welchen gesellschaftlich und ökolo-
gisch nachhaltigen Ertrag Innovationen bringen. Des-
halb ist es gut, dass uns die Expertenkommission als
Ratgeber zur Verfügung steht. Ich würde mich freuen,
wenn wir zukünftig wieder mehr über die einzelnen
Empfehlungen diskutieren würden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715311600

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1715311700

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her-

ren! Frau Sitte, es ist natürlich und zum Glück kein Ge-
fälligkeitsgutachten. Dennoch gefällt uns die zentrale
Botschaft des EFI-Gutachtens sehr wohl. Diese Bot-
schaft lautet nämlich, dass die Innovationskraft Deutsch-
lands exzellent ist. Das EFI-Gutachten belegt dies mit
Schlüsselindikatoren. Ich zitiere aus dem Gutachten: Die
Innovationskraft einer Volkswirtschaft bemisst sich an
den Patentanmeldungen. Hier liegt Deutschland welt-
weit nach der Schweiz auf dem zweiten Platz. – Das
EFI-Gutachten lobt explizit den massiven Mittelzuwachs
zur Erreichung des 10-Prozent-Zieles, die Hightech-
Strategie, die Anstrengungen bei der Elektromobilität
und in vielen anderen Bereichen.

Während die Länder um uns herum in Arbeitslosig-
keit und in Verschuldung versinken, wird Deutschland
von Tag zu Tag stärker.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wie-
dervereinigung und mehr Lehrstellen als jugendliche Be-
werber. Hingegen erleben wir, dass in anderen Ländern
Europas die Jugendarbeitslosigkeit 40 Prozent und mehr
beträgt.

All diese Erfolge wären ohne Forschung und ohne die
Kraft zur Innovation nicht möglich. Deutschland belegt
in der Tat Spitzenplätze im weltweiten Standortvergleich.
Deutschland belegt – das wurde bereits gesagt – Platz vier
beim Innovationsindikator der Stiftung Telekom und
Platz vier beim weltweiten Vergleich der Europäischen
Union. Auch andere Untersuchungen zeigen, dass wir in
den letzten Jahren in sehr großer Anzahl Spitzenplätze bei
den Indikatoren einnehmen.

Was sagt der Mittelstand zu diesen Entwicklungen?
2005 haben bei Befragungen nur 10 Prozent der mittel-
ständischen Betriebe gesagt, dass die Standortpolitik in
Deutschland gut ist. Heute bewerten 77 Prozent der Un-

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(C (D rnehmen die Standortpolitik in Deutschland als gut. as ist ein großer Erfolg. as alles haben wir trotz Finanzund Wirtschaftskrise nd trotz Euro-Schuldenkrise erreicht. Daran hat die orschungsund Innovationspolitik einen großen Anteil. Am Ende der Legislaturperiode werden wir gegenber 2005 – die Zahl ist schon mehrfach genannt woren, aber sie muss auch heute wieder genannt werden – inen Zuwachs des Bildungsund Forschungsetats im undeshaushalt um sage und schreibe 74 Prozent haben. as ist mit Ausnahme des asiatischen Raums weltweit ie Spitzenposition. In der Tat kann man sagen: Das EFI-Gutachten ist ein Gefälligkeitsgutachten, sondern es zeigt uns, an elchen Stellen es noch etwas zu tun und zu verbessern ibt. Frau Sitte und Frau Sager, an allen Punkten, die Sie ufgeführt haben, arbeiten wir im Augenblick. Da die egislaturperiode nicht zwei Jahre, sondern vier Jahre mfasst, ist es vernünftig, sich ein Programm für die auer von vier Jahren vorzunehmen und nicht alles in as erste Jahr hineinzupacken. Wir werden in den nächsn zwei Jahren die anderen Punkte abarbeiten. (René Röspel [SPD]: Die Zeit wird aber knapp!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen
t nach wie vor ein wichtiges Thema. Deswegen werden
ir an der Einführung der steuerlichen Forschungsförde-
ng in dieser Legislaturperiode festhalten, sobald der
aushalt das zulässt. Wenn Sie die Medienberichterstat-
ng der letzten Wochen verfolgt haben, dann wissen
ie, dass sowohl bei der Klausurtagung der CSU in
reuth als auch bei der CDU-Vorstandstagung in Kiel

xplizit Beschlüsse gefasst wurden, in denen diese
unkte enthalten sind. Diese Beschlüsse wurden von al-
n und nicht nur von den Forschungspolitikern mitge-
agen.

Vor einer Sache möchte ich warnen: Jeder, der sich
it Innovationspolitik in Deutschland beschäftigt, ver-

teht, dass man den Mittelstand nicht gegen die Großin-
ustrie ausspielen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ine steuerliche Forschungsförderung muss sowohl den
ittelstand als auch die Großindustrie, also den gesam-
n Standort, umfassen, weil nämlich vernetzt geforscht
nd entwickelt wird. Man darf also nicht den einen ge-
en den anderen ausspielen.

Ähnliches gilt für die Themen Wagniskapital und
usiness Angels, bei denen wir nach wie vor strukturelle
efizite haben. Ich sage an dieser Stelle aber auch, dass
ir in der Großen Koalition nicht die Kraft hatten, in
iesem Bereich etwas Vernünftiges hinzubekommen.
uch daran arbeiten wir im Augenblick. Wir werden

uch da Verbesserungen erreichen, sobald der Haushalt
ies zulässt.






(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715311800

Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung

des Kollegen Rossmann?


Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1715311900

Ja.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1715312000

Herr Rupprecht, wir sind in Bezug auf die steuerliche

Förderung etwas erregt, weil es von Ihnen und vor allem
vonseiten der Ministerin schon Presseerklärungen und
Ankündigungen gab, dass diese Förderung in den Jahren
2010 und 2011 eingeführt werden sollte. Es ist immer
wohlfeil zu sagen, dass man daran arbeitet. Meine Frage
ist daher: Wann wird diese steuerliche Förderung kom-
men?

Ich habe noch eine zweite Frage. Halten Sie den Un-
terschied zwischen 600 Millionen und 2 Milliarden Euro
für relevant? Ist heute Ihre Botschaft, dass dieser Unter-
schied keine Relevanz hat? Dann müssten Sie ja – um
meine Frage einzuleiten – zu einer Differenzierung kom-
men. Meine Frage ist: Sind Sie zur Differenzierung be-
reit, oder schließen Sie eine Differenzierung aus?


Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1715312100

Zum ersten Punkt, zum Zeitablauf. Sie werden nicht

gehört haben, dass ich mich abschließend auf einen Ein-
führungszeitpunkt festgelegt habe; denn ich bin mir be-
wusst, dass das ein Thema für die ganze Legislaturperiode
ist und dass wir angesichts der großen Krisen im Augen-
blick beim Haushalt ganz klar Prioritäten zu setzen haben.
Deswegen haben sich die Pressemeldungen auf das Kon-
zept bezogen, das wir einführen wollen. Der Ablauf war
in der Unionsfraktion ganz klar. Ähnlich war es bei den
FDP-Kollegen. Wir haben zunächst intern in den Fraktio-
nen Eckpunkte formuliert. Diese Eckpunkte liegen vor.
Diese haben in der Unionsfraktion einen sehr ausführli-
chen Diskussionsprozess ausgelöst. Zum Schluss gab es
einen Beschluss aller fachpolitischen Gremien, der be-
sagt: Wir wollen das. Eine entscheidende Frage ist noch
offen: Wann soll das in dieser Legislaturperiode sein? Das
ist eine Frage der Finanzierung. Ich glaube, das ist ver-
nünftig. Alles andere würde die Bevölkerung nicht ver-
stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Rossmann, ich will noch Ihre zweite Frage beant-
worten. Sie fragten nach der Differenzierung. Noch ein-
mal: Ich bin mit Blick auf die Vernetzung von Innovatio-
nen der festen Überzeugung, dass sich der Mittelstand in
Deutschland nicht entwickeln kann, wenn es keine Groß-
industrie gibt. Der Mittelständler, der der Automobilin-
dustrie zuliefert, der Mittelständler, der als Maschinen-
bauer zuliefert, braucht Innovationsnetzwerke mit der
Großindustrie.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht das Thema!)


– Frau Sager, es bringt uns nichts, wenn EADS nach Pa-
ris geht, weil der Mittelständler dann in Paris zuliefern
wird.

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(C (D (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht das Thema!)


eswegen ist es entscheidend, dass im Wettbewerbsver-
leich zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen
eutschland und anderen Ländern Deutschland auch im
ereich der Großindustrie punktet. Ich stimme Ihnen zu
das ist unser Konzept –, dass der Mittelstand höhere
ätze bekommen soll.


(René Röspel [SPD]: Das wird immer teurer!)


nser Vorschlag ist, dass der Mittelstand dreimal höhere
ätze bekommt als die Großindustrie bzw. die Großindus-
ie entsprechend niedrigere Sätze, aber trotzdem davon
artizipiert. Wenn Sie mich persönlich fragen – darüber
ibt es keinen Beschluss der Koalitionsfraktionen –, ob
h der Meinung bin, dass man im Zweifelsfalle mit einer
ittelstandskomponente beginnen sollte, um den Ein-

tieg zu schaffen, so sage ich: Wenn wir feststellen, dass
ns in einem Jahr nach wie vor die Euro-Schuldenkrise,
ie Haushaltskonsolidierung und anderes den großen
urf erschweren, dann sollte man mit einem kleinen

chritt anfangen. Ich teile aber nicht die Position von
rau Sager, dass man auf Dauer die Großindustrie drau-
en lassen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir brauchen bei all diesen steuerlichen Maßnahmen
atürlich die Zustimmung der Ministerpräsidenten. Ich
telle die Frage an Sie, ob Sie es gewährleisten können,
ass die SPD-Ministerpräsidenten den steuerlichen Maß-
ahmen auch zustimmen können?

Beim Kooperationsgebot und bei der Verfassungsfrage
timmen wir mit Ihnen überein, dass wir für die befriste-
n Pakte, sobald sie auslaufen, eine längerfristige Lö-

ung brauchen. Deswegen wird in wenigen Tagen der
issenschaftsrat beauftragt, bis 2013 einen Vorschlag

orzulegen. Zur Wahrheit gehört aber auch, sehr geehrte
amen und Herren, dass es noch nie so viel Kooperation
nd noch nie so viel Geld des Bundes für originäre Län-
eraufgaben im Bereich der Bildung gab wie heute:
ochschulpakt, Bildungspaket, Bildungsketten und vie-
s andere mehr. Zu behaupten, derzeit wäre es nicht mög-
ch, dass wir im Bereich der Bildung vonseiten des Bun-
es den Ländern unter die Arme greifen, ist eine
alschaussage. Im Gegenteil. Im Augenblick tun wir das
o stark wie noch nie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich muss leider zum Ende kommen. Gerne würde ich
och etwas zum Thema Fachkräfte sagen. Dazu steht
icht nur etwas im EFI-Gutachten, sondern das Kabinett
at auch bereits ein Maßnahmenbündel beschlossen, das
sbesondere Absolventen ausländischer Hochschulen in
eutschland das Aufenthaltsrecht erleichtert, was wir

uch wollen. Dies werden wir im Frühjahr auch im
eutschen Bundestag beschließen. Summa summarum
eißt das, dass wir die Punkte, die in dem EFI-Gutachten
ngesprochen sind, in der Legislaturperiode sehr wohl
earbeiten und auch umsetzen werden.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. 2005, als wir
ie Regierung übernommen haben, betrug die Arbeitslo-





Albert Rupprecht (Weiden)



(A) )


)(B)

sigkeit 5 Millionen. Jetzt, nach sieben Jahren, gibt es so
viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie noch
nie. Wir haben eine so geringe Arbeitslosigkeit wie seit
20 Jahren nicht. Das ist auch eine Leistung unserer Inno-
vations- und Forschungspolitik.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312200

Kollege Rupprecht, gestatten Sie mir den Hinweis:

Die mehrfache Ankündigung des Endes der Rede ersetzt
nicht den Schlusspunkt.

Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin
Nadine Schön für die Unionsfraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich kann nahtlos an den Kollegen Rupprecht
anschließen: Ja, wir können stolz sein auf unser Land.
Deutschland gehört im Vergleich von 26 Industrielän-
dern zu den vier innovativsten Standorten weltweit. Zu
diesem Ergebnis kam unlängst der Innovationsindikator
2011.

Das ist ein sehr großer Erfolg, vor allem, wenn man
weiß, dass wir 2005 noch auf dem zehnten Platz lagen.
Unter CDU/CSU-geführten Regierungen sind wir in die
Weltspitze aufgerückt; und darauf können wir wirklich
stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Innovationsindikator wie auch das EFI-Gutachten,
über das wir heute reden, sagen ganz klar: Deutschland
ist auf Erfolgskurs. Wir sind innovativ, wir sind inter-
national konkurrenzfähig, und wir haben gute Zukunfts-
perspektiven.

Was sind die Gründe für den Erfolg? An erster Stelle
sind es die Investitionen. Trotz Krise – das haben die
Kollegen bereits gesagt – hat Deutschland in den letzten
Jahren konsequent in Bildung und Forschung investiert.
Seit 2005 sind die Ausgaben des Bundes in diesem Be-
reich um 42 Prozent gestiegen.

Als Mitglied des Wirtschaftsausschusses will ich auch
die Privatwirtschaft erwähnen. Auch hier sind die Aus-
gaben in Forschung und Entwicklung gestiegen, und
zwar um 20 Prozent seit 2005. Das ist eine beachtliche
Zahl; sie muss auch erwähnt werden. Diese Investitionen
sind der Treibstoff für Innovationen. Sie sind der Grund
dafür, weshalb unser Land gerade in der aktuellen Krise
so gut dasteht. Das wird in allen Studien positiv heraus-
gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Gelobt werden in den Gutachten neben den Investitio-
nen auch die Programme der Bundesregierung, vor al-
lem die Hightech-Strategie. Als Abgeordnete, die aus ei-
nem Land kommt, das sich gerade im Strukturwandel
befindet – weg von der Montanindustrie, hin zu einem

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(C (D odernen Industrieund Technologiestandort –, nämlich em Saarland, weiß ich um die Bedeutung dieser Proramme, wie etwa das Zentrale Innovationsprogramm ittelstand, das für die Unternehmen vor Ort wirklich ehr wichtig ist. Dieses Programm haben wir gerade ieder um 500 Millionen Euro aufgestockt. Solche Proramme sind wichtig; sie sind wirkungsvoll, sie sind efktiv, und davon profitieren alle. Das sind die Gründe r den Erfolg Deutschlands in der Welt. Allerdings dürfen wir uns darauf nicht ausruhen; da ebe ich Ihnen völlig recht. Die Konkurrenz schläft ämlich nicht. China beispielsweise fördert seine FuEätigkeiten jährlich mit 100 Milliarden Euro. Auch anere Regionen und Staaten streben dynamisch voran. ir dürfen mit den derzeitigen guten Plätzen nicht zuieden sein; wir müssen vielmehr immer besser werden, enn wir diese Spitzenpositionen verteidigen wollen. eshalb brauchen wir noch innovationsfreundlichere ahmenbedingungen. Was wir uns vorstellen, haben die Kollegen bereits ngesprochen: zunächst die steuerliche Forschungsförerung. Egal ob Weltkonzern oder innovativer Mitteltand – in unseren Gesprächen vor Ort hören wir immer ieder, dass die steuerliche Forschungsförderung in den etrieben ein wichtiges Thema ist. Auch das EFI-Gutchten empfiehlt ein solches Instrument. Wir wissen sehr wohl: Man muss die steuerliche Forchungsförderung mit Bedacht angehen. Auch Sie haben ie in Ihrer Regierungszeit nicht umgesetzt. Natürlich ist ie Haushaltskonsolidierung immer unser prioritäres iel; das sage ich vor allem als junge Abgeordnete. Meier Meinung nach liegen jetzt gute und machbare Vorchläge auf dem Tisch. Wir wissen um die Chancen diees Instruments. Deshalb sollten wir diese Ideen nicht us den Augen verlieren. (René Röspel [SPD]: Das ist mal eine klare Aussage!)


Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Wagniskapital.
nser Problem: In Deutschland entstehen die Ideen, um-
esetzt werden sie aber in anderen Ländern. Neben MP3
nd der Tintenstrahltechnik gibt es viele weitere Bei-
piele: Die Ideen wurden in Deutschland entwickelt, in
merikanischen oder asiatischen Unternehmen jedoch
urden sie zu marktfähigen Produkten gemacht. Wir

ber wollen, dass in Deutschland nicht nur die Ideen ent-
tehen, sondern dass hier aus den Ideen auch Produkte
erden und die entsprechende Wertschöpfung in
eutschland stattfindet. Denn nur dann profitieren wir

lle von den Innovationen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


er Knackpunkt dabei ist oft die Finanzierung auf dem
ngen Weg von der Idee zum Produkt.

Für die Finanzierung haben wir den High-Tech-
ründerfonds, seit vergangenem Jahr sogar den Grün-
erfonds II, mit großen Investitionen von Staat und Un-
rnehmen. Das ist eine tolle Sache mit wirklich großer
irkung. Allerdings reicht das nicht: Wir brauchen in
eutschland – das sieht man im Vergleich mit anderen





Nadine Schön (St. Wendel)



(A) )


)(B)

Ländern – noch mehr privates Kapital, zum einen für die
Gründungsphase, zum anderen für die ganz entschei-
dende Wachstumsphase. Auch hier liegen gute Vor-
schläge unsererseits auf dem Tisch, an die wir in den
nächsten Monaten herangehen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Innovationen ent-
stehen vor allem in einer Gesellschaft, die Innovationen
will, die sie akzeptiert und zulässt. Deshalb brauchen wir
neben all den Rahmenbedingungen vor allem innovative
Köpfe. Wir brauchen Menschen, die Lust haben, etwas
zu erfinden, etwas zu tun. Das geht mit dem Spaß am
Tüfteln im Kindesalter los, geht mit dem Erfindergeist in
den Schulen weiter und mündet schließlich in dem Mut,
sich selbstständig zu machen, mit seinen Ideen nach au-
ßen zu gehen und den Mut zu haben, sich mit seinem
Produkt dem Markt zu stellen.

Dazu braucht es auch eine Gesellschaft, die für neue
Technologien, Fortschritt und Unternehmertum, aber
auch für Risiko offen ist. Daran, liebe Kolleginnen und
Kollegen, können wir alle arbeiten. Jeder von uns kann
etwas dazu beitragen und mithelfen, dass wir ein innova-
tives und erfolgreiches Deutschland und eine gute Zu-
kunft haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8226 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland
Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Beendigungsgesetz zum Berlin/Bonn-Gesetz

– Drucksache 17/2419 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Roland Claus für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor 21 Jahren wurde die deutsche Teilung überwunden.
Vier Jahre danach folgten der Beschluss zum Umzug
von Parlament und Regierung nach Berlin und das ihn

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(C (D egleitende Berlin/Bonn-Gesetz, das die Aufteilung der undesregierung auf die beiden Standorte Berlin und onn regelte. Die Teilung der Bundesregierung war dait ein Preis für die deutsche Einheit. Seit vielen Jahren chlägt Ihnen die Fraktion Die Linke die Wiedervereiniung der Bundesregierung in Berlin vor. Da sagen Sie inmal, dass Sie hier keine lustvolle und kreative Oppoition haben! (Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Bei Ihnen denke ich nicht sofort an „lustvoll“, Herr Kollege!)


Die Linke garantiert: Keinem Bonner wird es
chlechter gehen. Die Fakten 2012 sind aber: Fast die
älfte der Regierungsmitarbeiter ist nach wie vor am
tandort Bonn. Auf der anderen Seite sind alle der Bun-
esstadt Bonn versprochenen Ausgleichsmaßnahmen
im Sinne der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie des
rhalts und der Fortführung des Betriebs von Liegen-
chaften – seit 2005 bei weitem übererfüllt, unter ande-
m durch die Ansiedlung von 19 UN-Behörden.

Diese Teilung erweist sich inzwischen als außeror-
entlich uneffektiv für das Regierungshandeln: Die Ent-
cheidungsfindung dauert zu lange und wird durch büro-
ratische Teilung behindert. 170 Beamte des Bundes
ind auch in dieser Minute, in der wir jetzt debattieren,
der Luft, zwischen Berlin und Köln/Bonn. In jüngster
eit haben wir erfahren: Die Teilung der Regierung ist
r akutes Reagieren in Krisensituationen absolut un-
uglich.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich ist Bonn eine wunderschöne Stadt, in der
uch ich zeitweilig gern gelebt habe.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Ulrich Kelber [SPD]: Da sehen Sie mal, wie tolerant wir in Bonn sind!)


ber wie soll ein Absolvent einer britischen Universität,
er Bundesbeamter werden will, seiner englischen Part-
erin auf dem Weg nach Deutschland erklären, dass der
eg nicht in die Bundeshauptstadt Berlin, sondern nach
onn führt?


(Ulrich Kelber [SPD]: Das Argument hat mich jetzt überzeugt!)


Die Linke stellt einen Antrag, der moderat und reali-
tsnah ist und dem Sie sich – das glaube ich – auch an-

chließen können. Wir nehmen Institutionen, wie bei-
pielsweise das Haus der Geschichte der Bundesrepublik
eutschland, die in der Region Köln/Bonn inzwischen
st verankert sind, selbstverständlich aus unseren Um-

ugsabsichten aus.


(Ulrich Kelber [SPD]: Echt? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie großzügig!)


Nun wird mir gelegentlich vorgehalten, die Linke in
onn und Köln vertrete dazu eine andere Position. Das

timmt ja auch. Ich sage allerdings: Na und? Das ist bei
llen anderen Fraktionen auch so.


(Zuruf von der FDP: Nein!)






Roland Claus


(A) )


)(B)

Für unseren Antrag sympathisiert selbstverständlich eine
Mehrheit in diesem Deutschen Bundestag. Die Aus-
nahme sind Abgeordnete aus den Landesgruppen NRW,
aber das ist in allen Fraktionen so.

Wenn Sie dauernd von uns verlangen, wir sollten so
etwas wie eine normale Partei werden, dann machen wir
das auch einmal. Aber dann dürfen Sie uns auch nicht
wieder dafür kritisieren, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Selbstverständlich ist die Linke offen für weitere und
bessere Ideen. Der Antrag liegt schon eine ganze Weile
vor, und wir werden ihn heute in den Ausschuss über-
weisen. Beispielsweise haben wir im Haushaltsaus-
schuss in der Zeit von 2006 bis 2009 in einer interfrak-
tionellen Arbeitsgruppe sehr wohl darüber diskutiert.
Leider wurden wir kurz vor dem Ergebnis und dem Mut
zur Entscheidung aufgrund von Koalitionsentscheidun-
gen und -anweisungen angehalten.

Wir machen das nicht, um die Bundesregierung zu är-
gern, sondern um sie zu verbessern, und mehr können
Sie von einer Opposition nun wirklich nicht erwarten.
Wir handeln ganz im Sinne des berühmten Neujahresge-
bets aus Münster: Gib den Regierenden ein besseres
Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung. –
Eine wiedervereinigte Bundesregierung in Berlin ist
möglich, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ergo: Das Berlin/Bonn-Gesetz hatte seinen Sinn. Es
hatte seit 1994 auch eine gute und lange Zeit. Doch auch
hier gilt das Bibelwort: Ein jegliches hat seine Zeit. – Es
heißt nicht: Ein jegliches hat seine Ewigkeit.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es heißt aber: „…in Ewigkeit. Amen.“!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312500

Das Wort hat der Kollege Jürgen Herrmann für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1715312600

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege
Claus, solche Worte aus Ihrem Mund zu hören, über-
rascht mich schon. Nichtsdestotrotz widersprechen Sie
der Wahrheit und nehmen nicht die Fakten wahr, die wir
zur Kenntnis nehmen müssen.

Der Antrag der Linken ist aus meiner Sicht wieder
einmal ein Show-Antrag. Sie haben selbst gesagt, dass
Sie ihn jährlich stellen, aber auch durch Wiederholungen
wird er sichtlich nicht besser. Wenn man den Tatbestand
dieses Berlin/Bonn-Gesetzes einmal aufarbeitet, dann
muss man sicherlich auch historische Aspekte berück-
sichtigen.

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(C (D Die Hauptstadtfrage wurde 1990 im Einigungsvertrag eregelt. Danach schloss sich aber die Frage an, wo der arlamentsund Regierungssitz sein wird. In einer lanen, historischen und sehr emotional geführten Debatte das muss man einmal sagen, und der eine oder andere ollege unter uns war damals auch zugegen – wurde ann mit sehr knapper Mehrheit beschlossen, dass der egierungssitz nach Berlin verlegt wird. Auch als Nordrhein-Westfale sage ich hier ganz beusst, dass das eine gute Entscheidung war. Sie ist histosch begründet und absolut vertretbar, und ich würde iese Entscheidung auch am heutigen Tag wieder so mitagen. Die Frage war allerdings: Wie geht es mit Bonn weir? Wie geht es mit der Region rund um Bonn weiter, ie als vorläufiger Regierungssitz ohne Frage ein guter astgeber war? Befürchtungen wurden laut, dass es zu inem Verlust von Arbeitsplätzen kommen könnte, Oranisationen würden die Region verlassen und die Infratruktur entsprechend leiden. Daher wurde 1994 das Berlin/Bonn-Gesetz auf den eg gebracht, in dem eine Vereinbarung über die Aus leichsmaßnahmen in der gesamten Region rund um onn vorgesehen war. Zusagen wurden dahin gehend emacht, Teile der Bundesregierung, Ministerien, aber uch Bundesbehörden in Bonn zu belassen und die Aniedlung internationaler Institutionen und Verbände vonzutreiben. Diese Forderungen wurden bis zum Umzug des Deutchen Bundestages und 20 weiterer Bundesbehörden ach Berlin im Jahre 1999 auch umgesetzt und festgechrieben. Heute haben neun Ministerien ihren ersten itz in Berlin, wobei auch hier immer noch die Frage zu lären ist, ob der Erstbzw. Zweitsitz in Bonn oder in erlin liegen soll; darüber gibt es aber auch Absprachen. Natürlich – und das muss man ehrlicherweise auch agen – hat es Verschiebungen in der Personalstruktur egeben. Heute sind 55 Prozent der Beschäftigten in den inisterien hier in Berlin angesiedelt; nur noch 45 Pro ent sind in Bonn angesiedelt. Das ist zulässig, obwohl as Gesetz sagt, dass die Mehrheit eigentlich in Bonn erbleiben soll. Das ist aus meiner Sicht zulässig, weil ie Organisationshoheit bei den Behörden, also bei der egierung, liegt. Eine Frage ist für mich als Haushälter ganz entscheiend: Wie sieht es mit den Kosten aus? Wir haben uns ftmals irgendwelche Geschichten, Vermutungen und erüchte anhören müssen, wie teuer es ist, die Institutioen in Bonn aufrechtzuerhalten. Seit 2008 gibt es erfreucherweise einen Teilungskostenbericht, den wir als aushälter eingefordert haben. Darin sind Zahlen, Daten nd Fakten genannt worden, die für mich ein überrachend deutliches Ergebnis gebracht haben: Die zweigeilte Struktur ist gar nicht so teuer, wie wir immer verutet haben. Die Kosten sinken sogar. Das muss man an ieser Stelle festhalten. 2010 haben wir noch 10,6 Milonen Euro für Flüge von Mitarbeitern oder den Aktenansport zwischen Bonn und Berlin ausgegeben. 2011 aren es nur noch 9,2 Millionen Euro, und in diesem Jürgen Herrmann )





(A) )

Jahr werden wir voraussichtlich nur noch 8,8 Millionen
Euro zur Verfügung stellen müssen.

Die Haushälter haben im Übrigen immer eingefor-
dert, dass nur notwendige Dienstreisen, zum Beispiel zu
Ausschusssitzungen, erfolgen und ansonsten viel mehr
Video- und Telefonkonferenzen einberufen werden.


(Johannes Kahrs [SPD]: Schön wär’s!)


Außerdem – das mag vielleicht kein tragendes Argument
sein, aber es kam ja auch gerade von der Opposition –
bietet Bonn auch im Hinblick auf die Nähe zu gewissen
Institutionen Vorteile. Brüssel ist nicht sehr weit ent-
fernt.

Ein gewichtiges Argument ist für mich allerdings die
Frage: Was würde der Umzug in Gänze kosten? Welche
Auswirkungen hätte er insgesamt? Bisher haben wir
circa 9 Milliarden Euro für den Umzug nach Berlin aus-
gegeben. Da können die Vorschläge der Linken noch so
gut sein, dass man das Tempelhofer Feld nutzen sollte,
um dort Regierungsbauten zu errichten. Es wäre auch
schön, wenn wir dort wieder einen Flugplatz hätten;
dann könnte man die Dinge noch viel besser zusammen-
bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber es würde Milliarden kosten, das umzusetzen.

Auch die Rekrutierung von Arbeitskräften wäre nicht
einfach. Ich erinnere an den demografischen Faktor, mit
dem wir uns schon jetzt bei der Haushaltsaufstellung
auseinandersetzen müssen; denn es gibt nicht mehr sehr
viele junge Leute, die freiwillig in den öffentlichen
Dienst gehen. Das schwache Argument der Linken, Ber-
lin sei so hip, dass alle nach Berlin kommen würden, um
hier zu arbeiten, scheint mir nicht sehr überzeugend.
Diejenigen, die in der Rhein-Region leben, wissen, wie
schön es dort ist.


(Beifall der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zudem wären Sonderregelungen für Beschäftigte er-
forderlich. Diese Erfahrung haben wir in vielen Berei-
chen schon gemacht. Als der Umzug der Ministerien da-
mals geplant wurde, war es erforderlich, Maßnahmen in
Bezug auf Reisekosten, Trennungsgeld usw. zu treffen,
und viele waren nicht bereit, freiwillig zu gehen. Einige
haben wir überzeugen können, ihren Wohnsitz nach Ber-
lin zu verlegen, keine Frage. Aber was würde passieren,
wenn wir von allen verlangen würden, umzuziehen? Ich
glaube, das wäre der Arbeitsmoral und der Arbeitsbereit-
schaft nicht dienlich.

Wir haben unter anderem damit zu kämpfen – das
muss man an dieser Stelle noch einmal sagen –, dass
Vereine, Organisationen, NGO und Stiftungen nicht
mehr bereit wären, in Bonn zu bleiben. Auch darüber
muss man sich im Klaren sein; denn letztendlich suchen
sie die Nähe zur Regierung.

Das würde dazu führen, dass sich Bonn in vielen Be-
reichen wieder verschlechtern würde. Die Ängste, die

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(C (D amals mit Blick auf den Umzug aufkamen, nämlich ass Bonn zu einer Region verkommt, in der nichts mehr s ist, würden wieder geschürt. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion teht zum Berlin/Bonn-Gesetz und zu dem Wort, das wir er Bonner Region damals voller Überzeugung und mit roßer Mehrheit gegeben haben. Daran wird sich erst inmal nichts ändern lassen. Ich bin der festen Überzeuung, dass die Argumente für einen Verbleib in Bonn eutlich besser sind als die dagegen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312700

Der Kollege Johannes Kahrs hat für die SPD das

ort.


(Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Der will jetzt, dass alles nach Hamburg kommt!)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1715312800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Diese Debatte gehört zu denen, die für einen
bgeordneten relativ schwierig sind. Denn auf der einen
eite hat man Grundüberzeugungen, und auf der anderen
eite ist die Diskussionslage sehr differenziert.


(Zuruf des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter)


Außerdem wird man von Staatssekretären genötigt. –
um einen ist es so, dass man der heutigen Linkspartei
afür danken muss, dass sie damals mit ihren Stimmen
azu beigetragen hat, dass die Hauptstadt umziehen
onnte. Ich finde, das kann man durchaus erwähnen. Das
ar ein vernünftiger Beitrag.


(Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt trägt er hier wieder seine Privatmeinung vor! – Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Haben andere dafür nicht gestimmt, oder wie?)


Ich lobe nicht wirklich häufig die Linkspartei. Wenn
h es dann einmal tue, dann möge man es mir durchge-
en lassen. In diesem Fall ist es, glaube ich, vernünftig.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zu Recht! Ohne die hätte es nicht gereicht! Das ist eine Schande!)


um anderen glaube ich, dass wir damals einen richtigen
nd einen guten Beschluss gefasst haben. Bonn ist die
auptstadt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das muss im Protokoll wörtlich sein: Bonn ist die Hauptstadt!)


as ist auch gut so. Ich selber bin Hamburger, ich bin
aushälter und als solcher würde ich das gerne bewer-
n.

Wir haben von der Linkspartei gehört, dass sie den
mzug gerne sehr schnell hätte, am besten sofort. Ich
laube, dass das nicht funktioniert. Danach haben wir ei-





Johannes Kahrs


(A) )


)(B)

nen historisch rückblickenden Beitrag bekommen, wie
die Gesetzeslage ist, und den Hinweis, dass man sich an
Gesetze halten muss. Das ist richtig. Aber wir alle wis-
sen auch, dass Gesetze evaluiert werden müssen, dass
man überprüfen muss, ob Gesetze noch zeitgemäß sind.
Man muss auch in der Lage sein, Gesetze zu evaluieren,
insbesondere nach über 15 Jahren. Das tun wir in vielen
anderen Bereichen auch.

Man muss an dieser Stelle all denjenigen danken, die
diese Zweiteilung überhaupt möglich machen, nämlich
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zwischen
Bonn und Berlin pendeln müssen. Das ist nicht wirklich
einfach. Einige von ihnen verbringen ein Drittel ihrer
Arbeitszeit auf Reisen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ach Gott, Johannes!)


Sie stehen bei uns im Haushaltsausschuss teilweise den
ganzen Tag vor der Tür, dann wird der Tagesordnungs-
punkt aber abgesetzt und sie fahren zurück.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist im Schnitt eine Reise pro Jahr!)


So läuft es weiter. Ich glaube, dass man würdigen muss,
was die Mitarbeiter auf sich nehmen. Es ist ein wichtiges
Zeichen, das immer wieder zu erwähnen.

Wenn man am Berlin/Bonn-Gesetz irgendetwas än-
dern sollte, dann muss man das in einem breiten Kon-
sens machen. Es geht hier nicht um Fragen von Regie-
rung oder Opposition. Man muss gemeinsam überlegen,
wie man einen vernünftigen Weg findet. Deswegen wird
die SPD heute den Antrag der Linkspartei ablehnen, weil
ich glaube, dass es nichts bringt, einen Hauruck-Antrag
vorzulegen. Man muss sich vielmehr überlegen, wie man
eine entsprechende Regelung vernünftig ausgestaltet.
Einfach einen Komplettumzug zu fordern, ist ein Tot-
schlagargument. Damit wird keine Debatte angestoßen,
die wirklich interessant ist.

Als bekannt wurde, dass ich in dieser Debatte rede,
hatte ich sofort ein Gesprächsangebot von meinem Bon-
ner Kollegen Uli Kelber.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bei euch nicht anders als bei uns! – Ulrich Kelber [SPD]: Treu steht die Wacht am Rhein!)


Das ist in jeder Fraktion so, aber ich muss sagen: Wenn
ich Bonner Bürger wäre, würde ich gar nicht anders kön-
nen, als Uli Kelber zu wählen,


(Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Sieht aus wie Kahrs, redet aber anders!)


weil er die Interessen Bonns massiv und energisch ver-
tritt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Von 8 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern!)


– Das ist ganz wunderbar. Das ist ja auch richtig.


(Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Wo ist Johannes Kahrs?)


Es ist richtig, die Wahlkreisinteressen zu vertreten, man
muss sie auch vertreten können, und auch die Bundes-


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(C (D nder müssen ihre Interessen vertreten können. Aber ich nde, es gibt auch ein gesamtstaatliches Interesse. Bei iesem gesamtstaatlichen Interesse muss man sich übergen, wie man einen Zustand erreichen kann, der dazu hrt, dass wir in Berlin eine vernünftige Arbeitsweise ntwickeln können, ohne dass man Bonn nachhaltig chädigt; das will keiner. Ich habe dort ein ganz reizenes Jahr verbracht. Die Haushälter innerhalb der SPD-Bundestagsfrakon haben einmal für sich aufgeschrieben, wie sie sich o etwas vorstellen können: eine stetig weitergeführte onzentration ministerieller Kernaufgaben in Berlin und ie Erledigung von Verwaltungsaufgaben in Bonn, und as über einen vertretbaren mehrjährigen Zeitraum. Ich nde, das ist angemessen, um Nachteile für Bonn und ohe Zusatzkosten eines zeitnahen Umzugs großer unktionsbereiche der Bundesregierung nach Berlin zu ermeiden. Wenn man das als Maßstab nimmt, dann ommt man zu vernünftigen Ergebnissen. Der Bundesregierung muss mehr Freiheit für die Ausbung ihrer Organisationshoheit gegeben werden. Dazu t es meiner Meinung nach notwendig, § 4 Abs. 4 des erlin/Bonn-Gesetzes aufzuheben. Damit gibt man der undesregierung die Flexibilität, die sie braucht. Im Veridigungsbereich haben wir es gesehen: Große Teile der undesregierung mühen sich, vernünftig damit klarzuommen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da hättet ihr nur den Peter Struck überzeugen müssen!)


(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])


leichzeitig wäre es zielführend, § 4 Abs. 2 und 3 aufzu-
eben, um eine freie Aufteilung der Erst- und Zweit-
ienstsitze zu ermöglichen. Man muss aber auch über-
gen, welche Verwaltungsbereiche sinnvollerweise in
onn verbleiben oder hinzukommen können.

Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man die Mög-
chkeit schafft, die Verantwortung für den Bund weiter
uszubauen bzw. aufrechtzuerhalten, aber gleichzeitig
ie Region Bonn unberührt zu lassen. Das ist relativ
chwierig, aber im Ergebnis sehen wir, dass es zurzeit
icht um die Frage geht: Wie viele Tonnen Post trans-
ortiere ich hin und her – ob es 1 oder 2 pro Tag sind –,
der wie viele Tausende von Kilometern werden geflo-
en? Das ist nicht der Punkt. Die Frage ist: Wie be-
ommt man gutes Regieren hin?


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber keine Entschuldigung für die jetzige Regierung!)


Ich selber bin Berichterstatter für den Bereich Ver-
ehr, Bau und Stadtentwicklung. Da ist es sehr viel prak-
scher, wenn man mit den Mitarbeitern reden kann,
enn man sich mit ihnen trifft, wenn man kurzfristig

ine Konferenz anberaumen kann. Wenn die in Bonn sit-
en, ist das relativ schwierig. Ich glaube, dass das zur
ebenswahrheit gehört und dass man sich anschauen
uss, wie man es vernünftig hinbekommt.

Ein Kompromiss ist immer sinnvoll, setzt aber auch
oraus, dass die Beteiligten kompromissbereit sind. Zu





Johannes Kahrs


(A) )


)(B)

sagen: „Ein Gesetz ist ein Gesetz, und das muss ewig so
bleiben“, widerspricht der Praxis in diesem Hause. Wir
sind ständig dabei, Gesetze zu evaluieren und zu ändern.
Früher unter Rot-Grün gab es die Nachbesserung von
Gesetzen,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser, als sie schlecht zu lassen! – Zuruf von der FDP: Nicht nur da!)


damit sie lebensnah und lebenspraktisch werden. Die
Lebensrealität in diesem Land ändert sich. Die Region
Bonn ist wirtschaftlich hervorragend aufgestellt. Ich
glaube, dass man zusammen einen vernünftigen Weg
finden muss. Ich glaube auch, dass man hierbei nicht in
Kategorien wie Regierung und Opposition denken sollte.
Gruppenanträge könnten zum Beispiel hilfreich sein.
Die Abgeordneten der jeweiligen Fraktionen könnten ih-
rer Auffassung folgen, und man könnte gemeinsam ein
Ergebnis erreichen, mit dem am Ende alle leben können.
Dazu muss man einen vernünftigen Vorschlag vorlegen.
Kompromisse sind immer gut und wären hier wichtig.
Die Diskussion über die Aufteilung der Regierungsfunk-
tionen wäre dauerhaft beendet.

Zurzeit wächst der Frust bei vielen Abgeordneten im
Deutschen Bundestag, weil man bei diesem Thema im-
mer auf eine Totalblockade stößt. Da wir bei jeder Wahl
neue Abgeordnete bekommen, die Bonn nicht kennen,
wird das irgendwann dazu führen, dass das ganze Gesetz
gekippt wird, so wie es die Linkspartei fordert. Das kann
weder im Interesse der Bonner noch im Interesse aller
anderen sein. Deswegen halte ich einen vernünftigen
Prozess, den alle gemeinsam unterstützen, für sinnvoll.
Ich glaube, dafür müssen sich einige bewegen. Wenn die
örtlichen Abgeordneten weiter für ihren Wahlkreis
kämpfen, ist das gut – das tun andere auch –, der Rest
hat aber gesamtstaatliche Verantwortung wahrzuneh-
men.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715312900

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Florian

Toncar das Wort.


Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1715313000

Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Der Antrag ist – Herr Claus hat es selber
gesagt – im Grunde genommen ein Dauerbrenner. Man
muss festhalten: Die Linken haben die Wirtschaftlichkeit
nicht immer im Blick, aber dass man eine Idee fünfmal
zu einem Antrag macht, ist ausgesprochen wirtschaft-
lich. Diese Erkenntnis des heutigen Tages möchte ich für
das Protokoll festhalten.


(Johanna Voß [DIE LINKE]: Sehr erhellend!)


Ich möchte einige Punkte nennen, warum der Antrag
heute nicht unsere Zustimmung bekommt.

Zum einen wird in dem Antrag behauptet, die Rolle
Berlins als Bundeshauptstadt werde dadurch ge-

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(C (D chwächt, dass es Ministerien gibt, die zwei Dienstsitze aben, und dass die Beamten auf zwei Städte verteilt ind. Ich glaube, dass das eine ziemliche Übertreibung t. Heute ist völlig unstrittig, dass Berlin die richtige undeshauptstadt ist und dass es diese Funktion voll usfüllen kann. Berlin ist eine Metropole, die sich gealtig entwickelt hat. Es ist eine weltoffene Stadt und ine Weltstadt geworden. Die Anerkennung für Berlin Inund Ausland ist – meines Erachtens zu Recht – ewachsen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob lle Ministerien in Berlin sind oder nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen darf man sich nicht nur anschauen, wohin
ie Touristen gehen, sondern man muss auch schauen,
ohin unsere Bürger gehen, wenn sie politische Anlie-
en haben. Wo wird für oder gegen etwas demonstriert?
ommt irgendjemand auf die Idee, das in Bonn zu ma-

hen, oder ist es nicht vielmehr so, dass die politische
einungsbildung, dass Versammlungen in Berlin statt-

nden?


(Otto Fricke [FDP]: Alle in Düsseldorf!)


erlin hat die politische Funktion, aber auch die kultu-
lle Funktion einer Hauptstadt. Das hat wirklich nichts

amit zu tun, wie viele Stellen heute noch wo angesie-
elt sind. Das muss man einmal festhalten.


(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)


Der zweite Punkt. Die Teilungskosten, das heißt die
osten der zwei Dienstsitze, werden übertrieben darge-

tellt. Die Berichte liegen vor. Es sind circa 10 Millionen
uro pro Jahr. Die Kosten werden in den nächsten Jah-
n tendenziell sinken. Dies hängt auch mit modernen
echnologien zusammen. Die Akten, die früher auf dem
ostweg, zum Beispiel mit Flugzeugen, transportiert
erden mussten, werden heute per E-Mail verschickt.
as kostet nichts. Auch das muss man sehen.

Eine Komplettverlagerung innerhalb kürzester Zeit
ach Berlin würde erst einmal erheblich Geld kosten. In
erlin wären Investitionen in Milliardenhöhe notwen-
ig, um die Gebäude herzurichten, auszustatten etc. Die
eamten, die Mitarbeiter aus den Ministerien würden
ntsprechende Leistungen für den Umzug bekommen.
as alles würde von der öffentlichen Hand finanziert
erden. Das heißt, man müsste in den nächsten Jahren

ehr viel Geld in die Hand nehmen, und das in einer Zeit,
der es darum geht, dass wir die Nullverschuldung, ei-

en Haushalt ohne neue Schulden, schaffen. Ich glaube,
ass solche hohen Investitionskosten nicht mit diesem
iel, das wir in den nächsten fünf Jahren vorrangig anzu-
treben haben, zu vereinbaren wären.

Auch nach dem Vorschlag der Linken hätten die
inisterien, die dann alle in Berlin wären, natürlich ge-

ennte Dienstsitze. Auch dann wären also nicht alle un-
r einem Dach, sondern Sie schlagen die getrennte Un-
rbringung innerhalb einer Stadt vor. Dies würde in
dem Fall weitere Kosten nach sich ziehen, weil es un-
rschiedliche Dienstsitze nebeneinander gäbe. Wenn





Florian Toncar


(A) )


)(B)

man sich genau anschaut, was Sie eigentlich fordern,
muss man feststellen, dass sich die Einsparungen, die Sie
sich davon versprechen und die Sie den Bürgern verspre-
chen, etwas relativieren.

Auch wir als FDP-Fraktion wollen, dass die Kosten,
die mit dem Vorhandensein zweier Dienstsitze verbun-
den sind, optimiert werden. Hier besteht in der Tat noch
Handlungsbedarf. Da geht es beispielsweise um die
Frage: Verfügen die unterschiedlichen Ministerien ei-
gentlich über die entsprechende Technik, zum Beispiel
über die erforderliche Konferenztechnik, um Videokon-
ferenzen durchführen zu können, damit man nicht stän-
dig mit dem Flugzeug unterwegs sein muss, um sich ein-
mal persönlich zu treffen? Es gibt heutzutage ganz
hervorragende technische Lösungen, mit denen wir,
wenn wir sie einsetzen würden, Reisekosten sparen
könnten.

Natürlich muss man, auch aus Sicht des Bundestages,
kritisch hinterfragen, ob tatsächlich in jeder Ausschuss-
sitzung die persönliche Anwesenheit jedes zuständigen
Mitarbeiters einer Bonner Liegenschaft nötig ist oder ob
nicht manche Leute für wenige Minuten, in denen sie
vielleicht noch nicht einmal etwas sagen müssen, nach
Berlin kommen und einen ganzen Arbeitstag mit einer
Reise verbringen. Auch der Deutsche Bundestag kann
also im täglichen Betrieb Kosten optimieren.

Ich will auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Sie ha-
ben in Ihrem Antrag geschrieben: Gerade jetzt, in der
Wirtschafts- und Finanzkrise, brauchen wir handlungsfä-
hige Ministerien und Strukturen. – Deshalb wollen Sie
innerhalb der nächsten fünf Jahre alles nach Berlin ho-
len. Unabhängig davon, ob man einen oder zwei Dienst-
sitze richtig findet: Wenn Sie in fünf Jahren 10 000 Be-
schäftigte und ihre Familien nach Berlin holen und hier
neu unterbringen wollen, dann sorgen Sie garantiert für
eines, nämlich dafür, dass durch Umstellungen und Ein-
arbeitung Ressourcen gebunden werden und die Men-
schen erst einmal anderes machen, als sich um ihre
Kernaufgaben zu kümmern. Es wäre für jede Struktur
und jede Verwaltung eine Belastung, würde man sie
schlagartig nach Berlin holen. Die Beschäftigten müss-
ten sich, wie gesagt, hier erst einmal einarbeiten. Das
Argument, gerade angesichts der Wirtschaftskrise könne
man durch einen Komplettumzug für eine größere Hand-
lungsfähigkeit sorgen, kann ich nicht nachvollziehen.
Das ist mit Sicherheit eher ein Argument, das konstruiert
ist und nicht trägt.

Im Übrigen muss man sagen: Wenn es in der Privat-
wirtschaft zu Unternehmensfusionen kommt, hat dies
meistens nicht zur Folge, dass zunächst einmal alles in
einer Liegenschaft zentralisiert wird. So geht man auch
in der Privatwirtschaft nicht automatisch vor. Es spricht
also einiges dafür, dass Effizienz nicht immer mit Zen-
tralisierung einhergeht, sondern dass es erst einmal
wichtiger ist, dafür zu sorgen, dass bestehende Arbeits-
einheiten arbeitsfähig sind und arbeitsfähig bleiben und
nicht mit einem Umzug oder ähnlichen Dingen beschäf-
tigt werden. Insofern ist Ihr Antrag, auch was die Kosten
und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung angeht, nicht
unbedingt weiterführend.

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(C (D Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Konsens der Beiligten. Auch ich glaube, es ist richtig, dass man sich mer wieder fragt: Ist das eine sachgerechte Lösung? önnen wir damit gut arbeiten? Aber es ist auch wichtig, ass man das Gespräch miteinander sucht, das Gespräch it der Stadt Bonn und das Gespräch mit den Beschäfgten. Es wundert mich, dass ausgerechnet die Linken inen Antrag einbringen, der gar nicht mit den Beschäfgten besprochen worden ist; das finde ich bemerkensert. s geht immerhin um 10 000 Menschen und die dazugeörigen Familien, die einfach mal eben nach Berlin geolt werden sollen; (Ulrich Kelber [SPD], an die LINKE gewandt: Da geht es nicht nur um den höheren Dienst! Auch um den einfachen und gehobenen Dienst! 3 500 Beschäftigte!)


(Otto Fricke [FDP]: Leider wahr!)


iese Entscheidung würde, ginge es nach Ihnen, von
ben herab gefällt werden, ohne dass zuvor ein entspre-
hender Konsens erzielt worden wäre. Mit Beamten
ann man das machen. Das ist rechtlich möglich. Ob es
ir ist, dies ohne entsprechende Konsultationen zu tun,
t eine andere Frage.

Konsens herzustellen, ist bei Veränderungen, die man
gendwann einmal vornehmen will, die zu einem späte-
n Zeitpunkt vielleicht auch überzeugender sind als

eute, sicherlich ganz wichtig. Darum muss man sich be-
ühen, bevor man solche Initiativen beschließt. Insofern
ürde ich mir mehr Pragmatismus wünschen. Ich denke

llerdings, dieses Thema wird in den nächsten Jahren
icht entscheidend sein, wenn es darum geht, die Finan-
en zu retten und die Arbeit unserer Verwaltung zu ver-
essern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715313100

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland für die

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715313200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

ollege Claus, wie lustvoll es bei der Linkspartei zu-
eht, weiß ich nicht;


(Otto Fricke [FDP]: War Oskar wieder da?)


as will ich auch gar nicht beurteilen. Ihre Rede jeden-
lls war munter und spaßig; das gestehe ich Ihnen zu.
um Teil war das sogar Realsatire. Wenn Sie sagen,
iese Regierung hätte in der Finanz- und Euro-Krise bes-
ere und zügigere Entscheidungen getroffen, wenn alle
inisterien in Berlin gewesen wären, frage ich Sie: Wer

oll das bitte glauben?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Dazu, dass Sie auf die Frage, was denn noch in Bonn
leiben soll, großzügig das Haus der Geschichte der





Wolfgang Wieland


(A) )


)(B)

Bundesrepublik Deutschland erwähnen, muss ich sagen:
Auch das ist eher Karneval.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Auch dass das Bundeszentralregister, das von Berlin
nach Bonn verpflanzt wurde, nicht wieder zurückver-
pflanzt werden soll: Danke schön für diese Großzügig-
keit.

Eigentlich wollte auch ich damit anfangen, dass wir
ohne die PDS überhaupt nicht hier in Berlin wären. Frau
Vogelsang, das ist leider so. Ich war damals gemeinsam
mit den anderen Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus
– parteiübergreifend – abends im Schöneberger Rathaus.
Wir haben dort stundenlang gestanden – von Sitzen war
gar keine Rede – und auf das Ergebnis gewartet. Von da-
her weiß ich, wie hoch emotional das gerade für die Ab-
geordneten der CDU war. Sie hätten ihre Parteibücher
spontan zerrissen, wenn ein anderes Ergebnis heraus-
gekommen wäre. Deswegen habe ich auch das Abstim-
mungsergebnis im Kopf: 338 zu 320. Deshalb: Ehre,
wem Ehre gebührt, und Schande, wem Schande gebührt.

Das muss man zu diesem Tag noch einmal sagen;
denn das geschah in einer Zeit, als hier ein ehemaliger
VEB nach dem anderen geradezu implodierte,


(Otto Fricke [FDP]: Ja!)


als wir die Aufgabe hatten, einen Wasserkopf Ost und ei-
nen Wasserkopf West der Verwaltungen zusammenzu-
führen, was natürlich nur durch Entlassungen möglich
war, und als gleichzeitig die Berlinhilfe West so gekürzt
wurde, dass auch die flache Produktion im Westen zu-
sammenbrach. In dieser Situation hätte eine Entschei-
dung für Bonn bedeutet, dass wir hier die Bürgersteige
hochgeklappt hätten und wie in Dessau oder anderen
Städten im Osten nur noch über Stadtrückbau und da-
rüber hätten reden müssen, wie es sich in einem großen
Freilichtmuseum lebt, das die Touristen besuchen, um
einmal zu sehen, wie eine Industriestadt ausgesehen hat.

Das alles ist uns erspart geblieben. Deshalb ist uns
dieser Beschluss auch so etwas wie heilig; das sage ich
ganz ausdrücklich. Nach Punkt 4 dieses Beschlusses soll
eine faire Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn ver-
einbart werden. Darin steht nicht: Wir schieben die Bon-
ner irgendwann so über die Rolle, wie ihr Berliner bei-
nahe über die Rolle geschoben worden wäret, wenn
40 Jahre Sonntagsreden über deutsche Einheit und über
Hauptstadt Berlin in die Tonne getreten worden wären. –
Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch kei-
nem anderen zu: Dieses Motto gilt auch hier.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU])


Herr Kollege Claus, ich muss auch sagen, dass es
mich wundert: Sie schreiben zwar, wie prächtig sich
Bonn entwickelt hat – das stimmt –, aber Sie verschwei-
gen, dass sich auch Berlin in dieser Zeit ganz prächtig
entwickelt hat.


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(C (D (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Die einen sagen so, die anderen sagen so!)


Ja. – Ich darf Sie erinnern: Zehn Jahre lang trug Ihre
artei hier Verantwortung; Ihr Gregor Gysi nur sechs
onate und den Rest der Zeit Ihr Harald Wolf.

Auch als Opposition sage ich jetzt einmal zu diesem
t-roten Senat: Das ist eine positive Entwicklung. Die

ugend der Welt kommt heute nach Berlin und will hier
uch leben und arbeiten. Wir müssen keine Anwerbeprä-
ien und keine Zitterprämien mehr zahlen. Das alles ist

icht mehr nötig. Das war so nicht vorauszusehen. Des-
egen können wir ganz gelassen sein und arbeitet die
eit auch irgendwo für Berlin.


(Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Aber es waren doch zehn Jahre Wowereit!)


Ich bin ja auch dafür, dass man flexibel ist, aber man
arf doch keine Basta-Politik machen und keinen ent-
prechenden Antrag – jetzt ist Schluss! – stellen. Wir
üssen den politischen Aushandlungsprozess weiterfüh-
n. Wenn es zum Beispiel im Rahmen einer Bundes-
ehrreform sinnvoll ist, hier Veränderungen herbeizu-
hren, dann soll man das tun. Das alles lässt sich lösen,
enn man gleichberechtigt und ohne solche Scheuklap-
en bzw. Schubladen, wie „Bonn gegen Berlin“ oder
Berlin gegen Bonn“, vorgeht.

Deswegen sage ich auch ganz bewusst: Die vielen
ufpasserinnen und Aufpasser aus Bonn hier wären gar
icht nötig gewesen. Wir in Berlin sind inzwischen sehr
elassen.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir sind insoweit verostet, dass wir das Motto „Freitags
b eins macht jeder seins“ übernommen haben.


(Otto Fricke [FDP]: Nur nicht im Plenum!)


eswegen gibt es hier in dieser Runde nur relativ wenige
bgeordnete aus Berlin.


(Holger Krestel [FDP]: Na, na!)


– Herr Krestel, ich habe Sie nicht übersehen. Ich sage
ur: Hier sitzen relativ wenige Abgeordnete aus Berlin

Vergleich zu den Aufpassern aus der Rhein-Ruhr-Re-
ion.


(Holger Krestel [FDP]: Ach so! Es gibt sie hier ja auch im Dutzend günstiger!)


on daher nehmen Sie das als Zeichen unserer Harmlo-
igkeit. Nehmen Sie das auch als Zeichen unserer Dank-
arkeit. Wir wissen, wie viel Solidarität wir in Berlin er-
hren haben. Deswegen treten und schlagen wir auch

icht um uns.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])







(A) )



(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715313300

Auch Freitag nach eins gilt allerdings: Wenn das Mi-

nuszeichen vor der Redezeit auftaucht, ist sie tatsächlich
abgelaufen, Kollege Wieland.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die war wieder die kürzeste von allen, Frau Präsidentin!)


– Woran lag es wohl, dass das so ist? Aber gut.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verstehe ich immer wieder nicht!)


Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Volkmar Klein für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Volkmar Klein (CDU):
Rede ID: ID1715313400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Kollege Wieland hat gerade zu Recht darauf
hingewiesen, dass das gegenwärtig geltende Gesetz ei-
nen fairen Ausgleich zwischen Bonn und Berlin beinhal-
tet. Ich kann mir diesbezügliche Anmerkungen sparen
und vielleicht auf den Antrag zurückkommen, in dem
vorgegeben wird, sparen zu wollen. Offensichtlich hof-
fen die Antragsteller, dadurch gute Kommentare zu er-
halten.

Nur, erstaunlicherweise sind Sparen und wirtschaftli-
ches Denken normalerweise überhaupt nicht Sache der
Linken. Dennoch bekommen wir hier in regelmäßigen
Abständen einen solchen Antrag vorgelegt. Vielleicht
gibt es dafür auch ganz andere Gründe. Vielleicht will
eine Partei, deren eigene Historie von Stacheldraht und
Diktatur geprägt ist, vielleicht sogar zusammengehalten
wird, ein Symbol für Demokratie und Freiheit in
Deutschland am liebsten abschaffen; denn genau dafür,
für Freiheit und Demokratie in Deutschland, steht Bonn,
für Werte, die mit Bonn eigentlich in Deutschland erst
heimisch geworden sind.

Aber das gilt nicht nur für Freiheit und Demokratie.
Bonn steht auch für gelebten Föderalismus und Dezen-
tralität. Einige Länder auf der Welt suchen für sich an-
dere Hauptstädte, mit denen sie genau das dokumentie-
ren können. Das sind natürlich alles Themen, mit denen
die Linken keinen Vertrag haben; all das sind Werte, mit
denen sie weiterhin fremdeln. Hier sollen offensichtlich
Traditionslinien gekappt und Identitäten deutscher De-
mokratie infrage gestellt werden. Das machen wir nicht
mit. Uns ist wichtig: Ohne Bonn in der deutschen Ge-
schichte gäbe es auch keine Freiheit für Chemnitz.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Und Leipzig!)


Diese ist uns genauso wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist jetzt alles ein bisschen platt! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ohne Bonn hätte es auch keinen Radikalenerlass gegeben!)


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(C (D Jetzt ist es natürlich nicht so, dass dies ein teures obby wäre, wie hier und da insinuiert wird, ganz im egenteil: Wir haben eben schon einiges zu den Zahlen ehört. Wir müssen davon ausgehen, dass maximal 10 illionen Euro an jährlichen Kosten für die getrennten tandorte entstehen. enn man aber einmal überlegt, was ein Umzug – die chätzungen liegen zwischen 3 und 5 Milliarden Euro – osten würde, dann kann man selbst bei dem heutigen xtrem niedrigen Zinsniveau zu horrenden Zinszahlunen kommen. Wenn wir von Kosten in Höhe von nur Milliarden Euro und von nur 2 Prozent Zinsen ausge en, dann macht das 60 Millionen Euro Zinsen im Jahr. as heißt, die ganze Operation, mit der vorgegeben ird, sparen zu wollen, kostet aufgrund der horrenden inszahlungen am Ende im Jahr viermal so viel wie eute. Also auch wirtschaftlich ist dieser Antrag subtanzlos. Jetzt hat der Kollege Claus in seiner ihm eigenen eundlichen Ironie eben auf die Normalität seiner Partei ingewiesen und damit ein bisschen kaschiert – von Diaktik versteht man bei den Linken mehr als bei den aneren –, dass da noch einiges auszudiskutieren ist. Wenn an sich die Anträge der Linken im nordrhein-westfäli chen Landtag ansieht – er hat selber darauf hingewieen –, stellt man fest, dass diese diametral in die andere ichtung gehen. Da wird nicht nur gesagt: „Am Berlin/ onn-Gesetz muss festgehalten werden“, vielmehr soll as sogar jede einzelne Position betreffen. Ich will das tzt nicht vorlesen; die Zeit können wir uns sparen. Es t die Landtagsdrucksache 15/2907. Ich schlage vor, iese internen Probleme erst einmal bei den Linken seler zu klären. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Kosten eiter zu senken; auch das haben wir eben gehört. Die er Prozess kann sicherlich noch verbessert werden. onn muss jedenfalls ein Symbol für Freiheit und Deokratie in Deutschland bleiben. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/2419 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Müller Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Regime in Syrien international isolieren – Drucksache 17/8132 – )


(Ulrich Kelber [SPD]: Ausgaben!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715313500





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Kerstin Müller für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Situation in Syrien ist wirklich dramatisch. Seit
mehr als zehn Monaten protestieren Hunderttausende in
Syrien gegen das Assad-Regime und riskieren dabei ihr
Leben. Mehr als 5 000 wurden laut UN-Angaben bisher
getötet, darunter mehr als 300 Kinder. Hunderte starben
durch Folter, auch darunter viele Kinder. Mehr als
60 000 Menschen werden vermisst. Das ist noch nicht
alles. Das IKRK darf keine Aufständischen versorgen.
Damit wird klar gegen Konventionen verstoßen. Staatli-
che Krankenhäuser werden zu Folterkammern. Ärzte,
die Aufständische versorgen, werden gefoltert und er-
mordet.

Ich denke, es geht den meisten hier so, dass es ange-
sichts dieser Lage unerträglich ist, dass die internatio-
nale Gemeinschaft diesem Morden immer noch hilflos
zuschaut, weil das wichtigste für Frieden und Sicherheit
zuständige internationale Gremium, nämlich der UN-
Sicherheitsrat, diese schweren Menschenrechtsverlet-
zungen bis heute nicht einmal verurteilt, geschweige
denn Sanktionen verhängt hat. Ich halte das für einen
politischen Skandal.


(Beifall im ganzen Hause)


Was sind die Gründe dafür? Es liegt vor allem daran,
dass Russland eine knallharte internationale Interessen-
politik betreibt, Kriegsschiffe für Assad auffährt und das
Regime weiter mit Waffen versorgt. Ich möchte an die-
ser Stelle Russland und China auffordern: Beenden Sie
Ihre Blockade im Sicherheitsrat! Der Sicherheitsrat muss
die Gräueltaten des Assad-Regimes klar verurteilen. Das
ist das Mindeste. Solange das nicht passiert, sind Sie
– auch das sage ich sehr deutlich – mitverantwortlich für
jedes weitere Morden in Syrien. Solange das nicht pas-
siert und das Regime nicht endlich politisch isoliert
wird, wird es umso brutaler gegen die eigene Bevölke-
rung vorgehen, weil es hofft, den Kampf doch noch
überleben zu können.

Immerhin haben die Europäische Union, die USA und
andere inzwischen Sanktionen, ein Öl- und ein Waffen-
embargo verhängt. Dass zum Beispiel das Ölembargo
wirkt, hat der syrische Ölminister gestern selbst gesagt.
Er hat von schweren Verlusten in Höhe von 2 Milliarden
US-Dollar gesprochen.

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(C (D Ich denke, zumindest die vernünftigen Teile der Linen sollten die abstruse Position bestimmter Teile der raktion noch einmal überdenken, dass solche Sanktioen Kriegsvorbereitung seien. Sie sind vielmehr die ichtmilitärische Alternative zum Krieg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich begrüße ausdrücklich, dass der Europäische Rat
m Montag seine Sanktionen weiter verschärfen will.
h denke auch, dass es ein wichtiger Schritt war, dass

ie Arabische Liga aktiv geworden ist. Sie hat die Mit-
liedschaft Syriens suspendiert und Sanktionen für den
all beschlossen, dass der von der Liga vorgelegte Frie-
ensplan nicht akzeptiert wird.

Auch die Entsendung der Beobachtermission war zu-
ächst eine richtige Maßnahme. In der Zeit haben im-
erhin die größten Demonstrationen stattgefunden, die
yrien bis dato gesehen hat. Allerdings: Jemanden wie
en sudanesischen General Mustafa al-Dabi, der dem ei-
en oder anderen hier gut bekannt ist und der als verant-
ortlicher General selbst schwerste Menschenrechtsver-
tzungen in Darfur zu verantworten hat, zum Chef der
ission zu machen, heißt, den Bock zum Gärtner zu ma-

hen. Die 165 Beobachter haben sich wohl zum Teil
iemlich ahnungslos vom Assad-Regime vorführen las-
en. Damit ist die Mission diskreditiert. Ich erwarte da-
er nicht sehr viel von dem morgigen Bericht.

Fest steht: Von den Bedingungen des Friedensplans
er Arabischen Liga, deren Einhaltung die Mission über-
achen sollte, hat Assad keine einzige erfüllt: kein
ückzug der Armee aus den Städten und kein Ende der
ewalt. Im Gegenteil: Während der Mission gab es laut
N mehr Tote als zuvor. Ich fordere daher die Arabische
iga auf: Wenn sie Glaubwürdigkeit zurückgewinnen
ill, muss sie ihre eigenen Beschlüsse ernst nehmen.
as heißt, sie muss sofort ihre Mission beenden, Syrien
auerhaft aus der Arabischen Liga ausschließen und den
all an den UN-Sicherheitsrat überweisen. So hat es die
rabische Liga beschlossen. Mit einer Fortsetzung der
eobachtermission, unter deren Augen das Morden ein-
ch weitergeht, macht sich die Arabische Liga für das
egime zum nützlichen Idioten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich komme nun auf einen schwierigen Punkt zu spre-
hen. Ich bin der Meinung, dass hier die Voraussetzun-
en für Responsibility to Protect, die Wahrnehmung der
ternationalen Schutzverantwortung, gegeben sind. Da

ie syrische Regierung die einheimische Bevölkerung
assakriert, haben wir, die internationale Gemeinschaft,

ie Verantwortung, die Zivilbevölkerung zu schützen.
h sage: Ja, es ist richtig, es besteht die Gefahr eines
lächenbrands, wenn die Lage eskaliert. Deshalb ist eine
tervention oder die Einrichtung einer No-fly-Zone die
lsche Antwort. Dennoch will ich zum Schluss zu be-

enken geben, ob es nicht notwendig ist, dass die inter-
ationale Gemeinschaft über Sanktionen hinaus eine hu-
anitäre, entmilitarisierte Sicherheitszone – nicht in





Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

Syrien, wohl aber in der Türkei – einrichtet, in die die
Flüchtlinge, aber auch Deserteure, die sich zur Abkehr
entschlossen haben, fliehen können; denn die Schutzver-
antwortung verpflichtet uns, alles zu tun, um die Zivilbe-
völkerung zu schützen. Dieser Verantwortung werden
wir bislang nicht gerecht.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715313600

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Dr.

Thomas Feist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1715313700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir beraten über Sanktionen – diese werden
immer dringlicher – und ein klares Bekenntnis gegen das
syrische Regime. Heute ist der richtige Zeitpunkt dafür.
Sicherlich wäre ein früherer Zeitpunkt noch besser ge-
wesen – Ihr Antrag stammt von Dezember letzten Jahres –;
aber es ist gut, dass wir uns heute dafür Zeit nehmen.

Wir sind uns in diesem Hause über wesentliche
Punkte einig. Frau Müller, Sie haben das kurz angespro-
chen: Es gibt immer einige Spinner, die dagegen spre-
chen. So gab es bereits gestern eine Aktuelle Stunde zu
einem abstrusen Aufruf, den sechs Bundestagsabgeord-
nete der Linken unterschrieben haben. Ich kann Ihnen,
meine Damen und Herren von der Linken, nur sagen: Es
wäre wichtig, dass sich Ihre Führung eindeutig dagegen
ausspricht und sich klar davon distanziert. Dieser Aufruf
ist menschenverachtend und zynisch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mehr als 5 000 Tote, Zehntausende in Internierungsla-
gern, psychische und physische Folter, dazu können und
wollen wir nicht schweigen.

Nun zu dem Antrag der Grünen. Frau Müller, Sie ha-
ben völlig recht: Der UN-Sicherheitsrat und die Arabi-
sche Liga sollten hier endlich klare und akzeptable
Signale setzen. In Ihrem Antrag fordern Sie die Bundes-
regierung auf, darauf hinzuwirken. Aber die Bundesre-
gierung tut genau das. Sie hat es im UN-Sicherheitsrat
nicht vermocht, die lupenreinen Demokraten in Russ-
land oder die Kapitalkommunisten in China zu überzeu-
gen, entsprechende Positionen zu unterstützen. Daran
müssen wir sicherlich noch arbeiten. Aber wie Sie wis-
sen, ist es schwierig, gegen die Eigeninteressen von
Russland, China und Syrien anzukämpfen. Dennoch dür-
fen wir nicht nachlassen. Wir brauchen eine Resolution
des UN-Sicherheitsrats, die das Vorgehen der syrischen
Führung klar und deutlich verurteilt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Ich möchte an dieser Stelle auf die besondere Verantortung hinweisen, die die Arabische Liga trägt. Es hanelt sich hier um den ersten größeren Einsatz der Arabichen Liga. Sie hat schon Sanktionen ausgesprochen. as ist in der Geschichte beispiellos. Aber wir werden ie Staaten der Arabischen Liga daran zu messen haben, b es ihnen gelingt, die Sanktionen gegen Syrien umzuetzen; denn vorwiegend müssen die Probleme dort gest werden, wo sie entstanden sind. Das ist der arabi che Raum. Deswegen fordern wir die Arabische Liga uf, sich noch deutlicher und klarer als bisher gegen das egime in Syrien zu positionieren. Sie fordern in Ihrem Antrag eine stärkere Isolation yriens. Das ist immer ein zweischneidiges Schwert das wissen wir alle –; denn es wäre nicht das erste Mal, ass man es in einem neuen System auch mit Funktionsägern aus dem vorherigen System zu tun hat. Desween versuchen wir dort, wo es möglich und sinnvoll ist, och Unterstützung zu geben. Ich nenne als Beispiel dafür die Auswärtige Kulturnd Bildungspolitik. Natürlich konnten wir nicht anders die Regierung hat hier sehr verantwortungsvoll entchieden –, als diejenigen, die nicht unbedingt notwenig sind, um in den Goethe-Instituten oder den deutchen Auslandsschulen zu unterrichten, zurückzuholen. ber es ist wichtig, für die syrische Opposition, vor allen ingen für die Intellektuellen, Anlaufpunkte offenzuhaln. Ich bin unserer Staatsministerin sehr dankbar dafür, ass wir das nach wie vor tun; denn bei einem Regimeechsel braucht man Brücken. Wir haben gesehen, wie ervorragend das in Ägypten funktioniert hat, gerade urch das Engagement der Goethe-Institute auch in chwieriger Zeit. Ich darf noch zu einzelnen Punkten kommen. Keine ngst, ich werde die zwölf Minuten Redezeit nicht ganz usschöpfen! Ich habe Ihnen zwei Minuten geschenkt, nd ich werde auch dem Hohen Haus sozusagen noch in paar Minuten zukommen lassen. Es ist wichtig, dass die nächsten Schritte wirklich anktionen bringen, die fühlbar werden. Das Waffenemargo, das Einfuhrverbot für Ölprodukte und den xportstopp für Technologie nach Syrien haben Sie anesprochen. Dazu ist in Ihrem Antrag ein Punkt zu finen. Darin geht es um ein Kraftwerk, das Siemens dort auen soll. Sie sagen, es wäre gut, wenn das in der moentanen Situation nicht geschähe. Auf der anderen Seite reden Sie davon, dass das eutsch-syrische Rückübernahmeabkommen aufgekünigt werden soll. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag. en kann man nicht so einfach außer Kraft setzen. Sie issen doch auch ganz genau, dass momentan – das ist estern angesprochen worden – keine syrischen Flüchtnge aus Deutschland abgeschoben werden. (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nach Ungarn!)


Nach Ungarn, aber nicht nach Syrien. Von Ungarn wo-
ndershin zu kommen, das war 1989 für die DDR-Bür-
er etwas anderes.





Dr. Thomas Feist


(A) )


)(B)


(Lachen der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja eben!)


Ich denke schon, dass auch die Ungarn ihrer Verantwor-
tung gerecht werden. Wir werden auf jeden Fall von
Deutschland aus darauf achten, dass jetzt möglichst
keine Flüchtlinge abgeschoben werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715313800

Kollege Feist, gestatten Sie eine Frage des Kollegen

Beck?


Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1715313900

Aber gern.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Sie wollten doch Zeit sparen!)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715314000

Herr Kollege, Sie sprechen davon, dass Sie davon

ausgehen, dass Ungarn nicht nach Syrien abschiebt. Ist
Ihnen bekannt, was ich gestern in der Aktuellen Stunde
bereits angesprochen habe, nämlich dass die aktuelle Er-
lasslage in Ungarn vorsieht, weiter nach Syrien abzu-
schieben, dass dies auch geschieht und dass es deshalb
unverantwortlich ist, wenn wir die Drittstaatenregelung
nach der Dublin-II-Verordnung bei syrischen Flüchtlin-
gen für Ungarn weiter anwenden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1715314100

Deswegen gibt es einen Erlass, in dem steht, dass es

momentan nicht ratsam sei, syrische Flüchtlinge abzu-
schieben. Das haben Sie gestern auch angesprochen. Mir
geht es nicht in erster Linie um die Formulierung, die ge-
wählt worden ist, sondern mir geht es darum, dass dies
momentan ausgesetzt wird.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist Gewäsch!)


– Dafür sind die Linken bekannt, vor allen Dingen Sie,
Kollege Gehrcke.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Schönen Dank!)


Die Grünen sagen, dass Assad zurücktreten muss.
Das ist etwas, was wir durchaus teilen. Die Frage ist nur,
ob die deutsche Regierung jemanden auffordern kann,
zurückzutreten und sich freiwillig vor dem Internationa-
len Strafgerichtshof seiner Verantwortung zu stellen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auffordern schon! Aber ob das was nützt, ist die Frage!)


Das sind Fragen, die in der weiteren Beratung sicher
noch eine Rolle spielen werden. Wir sind heute in der
ersten Beratung. Wir werden noch weiter darüber reden.

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(C (D Abschließend möchte ich noch etwas zum humanitän Engagement Deutschlands sagen. Sie haben die lüchtlinge in der Türkei angesprochen. Das internatioale Rote Kreuz und der Rote Halbmond kümmern sich m diese Flüchtlinge. Deutschland – auch das ist ein eutlicher Beweis dafür, dass wir uns um die Problemak der Flüchtlinge kümmern – ist an der Finanzierung ieser Maßnahmen mit 50 Prozent beteiligt. Ich denke, as ist eine gute Nachricht. Dies sollten wir festhalten: auf der einen Seite humaitäre Hilfe leisten und auf der anderen Seite schauen, ass Sanktionen genau das bringen, was sie bringen soln, nämlich den Freiheitswillen des syrischen Volkes zu nterstützen. Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Wochenende. Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Mützenich für die PD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie in vergleichbaren Fällen gibt es auch im Falle yriens keine einfachen Antworten. Das gilt für die Verangenheit und wird gerade in dieser Region wahrcheinlich leider auch für die Zukunft gelten. Jedes Land nd jede Situation ist anders. Deshalb muss auch jede eaktion von der internationalen Staatengemeinschaft ohlüberlegt und unter Umständen auch anders sein. ber in jedem Fall muss die Gewalt vonseiten des ssad-Regimes beendet werden. as steht für alle Fraktionen im Vordergrund der Fordengen gegenüber dem syrischen Regime. Ich bekenne mich persönlich: Wir sind parteiisch und icht frei von Sympathien und Hoffnungen für die Deonstranten, die für Demokratie und Gerechtigkeit eineten. Aber ich fühle auch Scham und Hilflosigkeit, eil wir nicht in dem Maße reagieren können, wie es otwendig wäre, weil – das haben die Vorredner schon ngeführt – die Rahmenbedingungen dafür nicht gegeen sind, weil es in dem Gremium, das nach dem Zwein Weltkrieg für Frieden und Kooperation geschaffen orden ist, für weitergehende Handlungen keine Einigeit gibt. Es ist nicht leicht, dass man nicht mehr tun ann. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu. Syrien ist ein ethnisch und religiös gespaltener Staat, er von seiner Geschichte geformt ist. Aber ich will vor iner leichtfertigen Reaktion, wie man sie oft in der Bechterstattung sieht, warnen. Viele Menschen in Syrien Kurden, Christen, Drusen und andere – wollen geauso Freiheit und Gerechtigkeit gegenüber dem Reime und unterstützen nicht vordergründig Assad. Sie aben ihre eigene Biografie mitgebracht. Ich denke, dieen Unterschied sollten wir beachten. Wir sollten nicht em fatalen Irrtum anheimfallen, anzunehmen, dass eth Dr. Rolf Mützenich )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715314200

(Beifall bei der SPD)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1715314300

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )

nische oder religiöse Auseinandersetzungen immer
machtpolitisch missbraucht werden. Wir haben in der ei-
genen europäischen Geschichte gesehen, wie ethnische
und religiöse Konflikte – wie im ehemaligen Jugosla-
wien – für Machtpolitik missbraucht worden sind. Die-
ser einfachen Logik dürfen wir in Syrien nicht folgen.
Deshalb habe ich allen Respekt vor jenen, die in Syrien
gegen dieses Regime demonstrieren, egal welcher
Ethnie oder Religion sie angehören.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Genauso differenziert müssen wir die Rolle der Ara-
bischen Liga betrachten. Sie hat sich mit den Umbrü-
chen in der arabischen Welt verändert. Sie ist differen-
zierter und angemessener geworden. Sie handelt
vielleicht noch nicht mutig genug; aber ich denke schon,
dass wir die Arabische Liga und die Verantwortlichen
heute stärker darin unterstützen sollten, das Regime in
Syrien an den Pranger zu stellen. Die Suspendierung war
richtig. Aber im Grunde muss sie nach dem morgen vor-
liegenden Bericht der Beobachtermission tätig werden
und über die geschlossenen Kompromisse hinausgehen.

Kollegin Müller hat es angesprochen: Der Leiter der
Beobachtermission ist ein suspekter Akteur. Er wurde
vom Assad-Regime in dieser Rolle gewünscht, und die
Arabische Liga ist dem gefolgt. Das kann man nicht ak-
zeptieren. Ich finde, morgen sollte die Arabische Liga
sehr deutlich machen, dass sie dies nicht mehr goutiert,
dass sie in eine andere Richtung geht und gegenüber
dem syrischen Regime viel deutlicher aktiv wird als in
der Vergangenheit. Ansätze dafür sind vorhanden. Es
waren mutige Beobachter in der Mission, die gesagt ha-
ben: Ich kann mein Amt nicht mehr ausführen. Ich habe
so viel Gewalt und so viele Schandtaten erlebt, dass ich
mich zurückziehe. – Es hat mutige Vertreter in der
Beobachtermission gegeben, die sich den Machenschaf-
ten dieses Regimes ausgeliefert fühlten und von ihrem
Amt zurückgetreten sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Aspekt, der meines Erachtens für ein dif-
ferenziertes Bild mit berücksichtigt werden muss, ist die
Rolle des Westens gegenüber Syrien. Diese ist ebenso
wie die Rolle des Westens gegenüber Russland – ich
werde gleich noch kurz darauf eingehen – von den Er-
fahrungen geprägt, die Syrien machte, als es in der Ver-
gangenheit zu Verwerfungen in den Nachbarländern ge-
kommen ist. So hat Syrien zum Beispiel eine Menge
Flüchtlinge aus dem Irak – wir kennen die Situation dort –
und aus dem Libanon aufnehmen müssen. Die Syrer ha-
ben diese Bürgerkriege vor Augen und auch die sehr
schwierigen Situationen, die damit in der Vergangenheit
verbunden waren. Wenn es all diese Ereignisse in der un-
mittelbaren Nachbarschaft von Syrien in der Vergangen-
heit nicht gegeben hätte, wären heute möglicherweise
noch mehr Syrer bereit, gegen ihr Regime auf die Straße
zu gehen und zu kämpfen. Doch jetzt haben sie auch im-
mer diese Bilder aus der Vergangenheit vor Augen.
Wenn wir, völlig zu Recht, Vorwürfe gegen andere Ak-

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(C (D ure im Sicherheitsrat erheben, müssen wir uns natürch auch immer wieder die geschichtliche Verantworng des Westens in der Vergangenheit in Erinnerung fen. Dennoch: Die syrische Opposition bekommt von uns lle Sympathien und alle Unterstützung. Das sollte nicht ur verbal geschehen, sondern auch im Rahmen des zureit Möglichen. Damit komme ich zur Rolle der Türkei. h finde es beeindruckend, dass insbesondere Minister räsident Erdoğan seine Haltung gegenüber Syrien in eiem wahrscheinlich schwierigen Umdenkprozess geänert hat und dass heute die Türkei eine andere Rolle innimmt als in den vergangenen Wochen. Das hat auch er Opposition genützt. So konnten sich syrische Oppoitionelle in der Türkei treffen. Vertreter des Deutschen undestages hatten Gelegenheit, dabei in der Türkei mit nen zu reden. Dass die Opposition auch von weiteren achbarländern so unterstützt wird, geht letztlich auf as Konto der Türkei. Deswegen sollte die Bundesregieng die Türkei bei ihrer Haltung jedwede Unterstützung usagen, nicht nur bezüglich der Flüchtlinge, sondern sbesondere auch politisch. Ich bedaure, dass die dritte Rede von Präsident Assad icht den geringsten Anlass zur Hoffnung gegeben hat. r hat weder signalisiert, dass er bereit wäre, auf Gewalt u verzichten, noch gab es irgendein Anzeichen dafür, ass er der Opposition Angebote machen wird. Das ist icht erträglich. Das müssen wir insbesondere auch ussland sagen. Russland muss klargemacht werden, ass es, wenn es schon meint, eine Schutzfunktion überehmen zu müssen, auch auf eine Änderung des Verhalns von Präsident Assad hinwirken muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iese Verantwortung hat Russland; sonst macht es sich
uf internationaler politischer Bühne schuldig.

Gezielte Sanktionen vonseiten der Europäischen
nion oder auch von einzelnen Ländern sind richtig, wie
as Einfrieren von Konten oder die gezielte Außerkraft-
etzung einzelner Handlungsoptionen der Akteure des
yrischen Regimes. Weiterhin aktuell ist für Deutschland
ber auch – wir hatten ja im letzten Jahr fast zur selben
eit einen entsprechenden Antrag gestellt – die Kündi-
ung des Rückübernahmeabkommens, die Aussetzung
on Abschiebungen. Wir sollten das nicht auf verschlun-
enen Pfaden umsetzen, sondern ein ganz deutliches
eichen setzen, indem wir dieses Rückübernahmeab-
ommen kündigen und keine Abschiebungen mehr vor-
ehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zum Schluss möchte ich der Bundesregierung noch
ine Überlegung mit auf den Weg geben: Frau Staats-
inisterin, ich möchte Sie wirklich bitten, noch einmal

u überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, alle europäi-
chen Botschafter, zumindest zu Konsultationen, zu-
ckzuziehen. Ich glaube, damit würden wir der Opposi-

on ein deutliches Signal geben. Das Argument, das
isher dagegen gesprochen hat, nämlich dass man sich





Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

so der einzigen Möglichkeit berauben würde, um mit der
Opposition in Kontakt zu treten, trägt heute nicht mehr.
Dieses Vorgehen wäre zumindest erwägenswert.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715314400

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1715314500

Wie schön.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715314600

Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht allzu sehr über-

rascht.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1715314700

Nein, vielen Dank. – Liebe Frau Präsidentin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die Süddeutsche Zeitung hat
für einen Artikel vom 20. Dezember 2000 folgende
Überschrift gewählt: „Damaszener Morgenluft“. In die-
sem Artikel wurde auf die Reformen eingegangen, die
der damals neue Präsident Assad junior, der ein halbes
Jahr vorher installiert worden war, in Angriff genommen
hat. Das heißt, seine Amtsübernahme ist positiv bewertet
worden und gab Anlass zur Hoffnung. Assad hatte das
berüchtigte Mezze-Gefängnis, in dem Tausende von Ge-
fangenen gefoltert worden sind, aufgelöst. Die Süddeut-
sche Zeitung schrieb:

Die Presse in Syrien ist so frei wie noch nie. Sogar
die Gründung privater Zeitungen wird diskutiert.
Wenn Intellektuelle mehr Freiheit fordern und die
Regierung kritisieren, lässt Baschar al-Assad sie
gewähren. Anfragen seines Sicherheitsdienstes, ob
man gegen die Kritiker wie in alten Tagen vorgehen
solle, beschied der Präsident abschlägig.

Das war damals nach Beobachtung von uns allen ein
Hoffnungsschimmer in Syrien. Die Süddeutsche Zeitung
hat es so ausgedrückt, wie wir es sicherlich auch alle
empfunden haben. Es gab Hoffnung, dass dieser junge,
im Westen ausgebildete Präsident als Nachfolger seines
Vaters anders vorgehen würde. Leider hat die Zeit ge-
zeigt, dass dieses Hoffnungspflänzchen Monat für Mo-
nat, Jahr für Jahr zertrampelt worden ist. Syrien ist in
den Folgejahren eher zu einer Art Schurkenstaat gewor-
den.

Dennoch haben wir als Opposition es damals für gut
befunden, dass der damalige Außenminister Steinmeier
als hochrangiger Vertreter erstmals Syrien besucht und
auch hier den syrischen Außenminister empfangen hat.
Wir fanden das gut; denn es ist richtig und wichtig
– auch heute noch –, zu versuchen, auch auf Staaten, mit
denen man Probleme hat, politischen Einfluss zu neh-
men. Wir haben das damals ausdrücklich unterstützt. Ich
nehme von dieser Unterstützung auch heute nichts zu-


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(C (D ck. Leider hat sich dann vieles sehr dramatisch entwikelt, wie wir zur Kenntnis nehmen müssen. Der arabische Frühling ist spätestens seit den Ereigissen in Libyen und in Syrien fast zu einem arabischen rama geworden. So hoffnungsvoll es begonnen hat, so roblematisch ist die Situation speziell in Syrien und Liyen. Nun werden Libyen und Syrien häufig miteinaner verglichen – auch darin, was wir machen können und as wir nicht machen können. Natürlich gibt es Verleichsmöglichkeiten: Die Leute gehen auf die Straße, eil sie mit der Situation unzufrieden sind. Es gibt aber uch jede Menge gigantischer Unterschiede zwischen ibyen und Syrien. Deshalb ist eine Vergleichbarkeit der ituation nicht gegeben. Ein großer Unterschied ist, dass Libyen ein relativ oliertes Land mit geringen Auswirkungen auf andere achbarstaaten ist. Das ist in Syrien völlig anders. Die roblematik der Situation liegt darin begründet, dass Syen im Zentrum einer gefährlichen Region liegt. Alles as, was in Syrien passiert, hat Auswirkungen auf den ibanon, auf Iran, auf Israel, auf die gesamte Region. eshalb ist Syrien ein Pulverfass, und deshalb müssen ir uns darüber Gedanken machen, wie wir hier am besn vorgehen. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Arabische Liga eien Paradigmenwechsel vorgenommen hat. Das war für iese Länder nicht einfach. Frau Müller, über Ihren Vorchlag, darauf hinzuwirken, dass die Beobachter abzieen, müssen wir aber noch einmal intensiv reden. Wir üssen uns wirklich überlegen, ob dieser Vorschlag chtig ist. Ich bezweifle das zum jetzigen Zeitpunkt, rau Müller. Wenn die Arabische Liga ihre Beobachterission fortsetzt – heutigen Agenturmeldungen zufolge oll die Zahl der Beobachter auf 300 verdoppelt werden –, eißt das, dass sie mit im Boot ist und für das in Haftung enommen werden kann, was passiert. Ich glaube, es ist chtig und wichtig, dass wir die regionalen Kräfte eininden. Ich habe großen Respekt vor der veränderten olle der Arabischen Liga. Dass sie nicht so handelt, wie ir es wollen, ist völlig klar. Wir müssen uns aber auch berlegen, wo diese Leute herkommen. Es gab noch nie en Fall, dass es die Arabische Liga gewagt hat, einen itgliedstaat so zu behandeln wie Syrien. Das ist ein euer Schritt. Wir fordern mehr; aber wir sollten die rabische Liga in ihrem Handeln unterstützen. Ähnlich sieht es mit der Rolle der Türkei aus. Herr ützenich, ich stimme dem, was Sie dazu ausgeführt ha en, völlig zu. Wir können dankbar sein, dass sich die ürkei einmischt. Wir müssen auch froh darüber sein und dies bestärken –, dass uns, dem Westen, nicht imer automatisch die Rolle des Weltpolizisten zukommt, er die Probleme lösen muss. Ich hoffe, es wird in Zuunft öfter passieren, dass schlagkräftige regionale Parter dafür sorgen, dass sich die Situation verändert. Desalb finde ich es sehr gut, dass die Arabische Liga eitermacht, und deshalb finde ich es auch sehr gut, dass ie Türkei sich nach langem Zögern eindeutig positioiert hat. Dr. Rainer Stinner )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )

Die Europäische Union und Deutschland haben den
syrischen Nationalrat, also die Oppositionsbewegung,
anerkannt. Herr Ghaliun war am 14. November letzten
Jahres hier in Berlin und hat mit Außenminister
Westerwelle gesprochen. Damit haben wir sehr deutlich
gemacht, auf welcher Seite wir stehen.

In Syrien erleben wir in diesen Tagen interessanter-
weise eine Spaltung der Baath-Partei. Es gibt eine neue
Baath-Partei; es gibt dort neue Entwicklungen, die wir
genau beobachten müssen. Auch das Bild dieses Re-
gimes bröckelt natürlich, und das müssen wir im Auge
behalten.

Aus heutiger Sicht sieht die Perspektive für die Zu-
kunft nicht sehr positiv aus. Wir müssen zunächst einmal
versuchen, zu erreichen, dass das Morden aufhört. Des-
halb stimme ich allen Vorrednern zu, dass es darum geht,
zu versuchen, mit Sanktionen so viel wie möglich zu er-
reichen. Ich bin sehr froh darüber, dass alle Vernünftigen
im Deutschen Bundestag einhellig der Meinung sind,
dass wir dies tun sollten.

Es besteht natürlich die Gefahr eines Bürgerkrieges.
Außerdem besteht die Gefahr, dass sich weitreichende
Spill-over-Effekte ergeben. Das ist außerordentlich pro-
blematisch. Es kann sogar passieren, dass nach Über-
winden des Assad-Regimes die Aleviten, die circa 10 bis
15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, die aber das
Regime stellen, plötzlich zu Verfolgten werden. Wir
müssen dann besorgt sein, ob es nicht eventuell einen
Völkermord mit umgekehrten Vorzeichen gibt. Mit all
diesen Dingen müssen wir uns beschäftigen.

Ich plädiere dafür, dass die Bundesregierung ihre
sinnvolle Einflussnahme fortsetzt und dass sie zusam-
men mit anderen europäischen Staaten das Sanktionsre-
gime verstärkt. Ich plädiere vor allem dafür, dass wir die
Regionalkräfte ermuntern, ihren Einfluss geltend zu ma-
chen. Das ist wahrscheinlich sinnvoller und wirkungs-
voller als all das, was wir hier tun können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715314800

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715314900

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Kolleginnen

und Kollegen, ich hätte mir nach der gestrigen Veranstal-
tung – eine Debatte ist es ja nicht gewesen –


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Vielleicht meinen Sie Herrn Maurer!)


sehr gewünscht, dass man heute einmal tatsächlich über
Syrien und über die Probleme des Landes redet, was nur

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(C (D ilweise der Fall war. Ich will mich mit dem anderen nsinn nicht beschäftigen. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Sie brauchen sich nur einmal persönlich zu distanzieren, Herr Gehrcke!)


Ich habe mich immer an das gehalten, was die linken
nd demokratischen Kräfte in den betroffenen Ländern
elbst vorschlagen und fordern. Ich will Ihnen einmal
orlesen, welche Forderungen der Nationale Koordinie-
ngsrat – dort sind die linken und demokratischen
räfte der Opposition vertreten – aufgestellt hat:

Wir halten dabei an drei Ablehnungen fest:

das muss von allen Mitgliedern unterschrieben werden –

nein zur Gewalt, nein zur konfessionellen Spaltung
des Landes und nein zur ausländischen Einmi-
schung.

Das sind die Forderungen. Ich finde sie richtig und
ile sie.

Ich schlage Ihnen erstens vor, dass wir nächste Woche
wir werden eine namentliche Abstimmung beantra-
en – über zwei Punkte entscheiden. Der Deutsche Bun-
estag muss sich gegen jegliche Form – ohne Tricks –
on Abschiebungen nach Syrien aussprechen, und das
uss möglichst von allen Fraktionen getragen werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


h bin zweitens dafür, dass wir uns auf einige Sanktio-
en hier einigen. Ich möchte unbedingt, dass wir uns ge-
einsam gegen Rüstungsexporte und Waffenlieferungen

ach Syrien und in die gesamte Nahostregion ausspre-
hen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe auch nichts dagegen, wenn gegen die Reprä-
entanten dieses Regimes Reiseverbote verhängt wer-
en. Aber ich unterstütze keine Sanktionen, die die Be-
ölkerung treffen. Darüber kann man nächste Woche in
amentlicher Abstimmung entscheiden.

Ich will jetzt zu den einzelnen Forderungen etwas sa-
en. Die Forderung „Nein zur Gewalt“ richtet sich in
rster Linie an das Regime Assad. Das muss ausgespro-
hen werden, und es wird auch von der Linken ausge-
prochen. Von Assad geht die staatliche Gewalt aus. Er
etzt staatliche Gewalt ein. Es ist in keiner Weise akzep-
bel und auch nicht begründbar, wie die staatliche Ge-
alt in Syrien eingesetzt wird. Das soll hier klar ausge-

prochen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte aber auch feststellen, dass wir davon ab-
ten, dass auf der anderen Seite Gewalt eingesetzt wird

der dass von außen zur Gewalt aufgerufen wird. Hier
ibt es eine Differenz mit meinen Freunden in Syrien.
ie sagen, Verhandlungen mit dem Assad-Regime sind
nsinnig, bringen nichts. Ich sehe aber keinen anderen
eg als Verhandlungen. Das ist eine nicht ganz einfache





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)


)(B)


Frage. Syrien, das sich in Teilen schon in einem Bürger-
krieg befindet, darf nicht weiter in einen Bürgerkrieg ab-
gleiten.

Ich will den Kollegen Hans-Ulrich Klose zitieren
– das mache ich nur selten –, der zu diesem Thema am
16. Januar etwas sehr Vernünftiges gesagt hat. Er hat ge-
sagt: „Internationale Bemühungen sollten sich darauf
konzentrieren, überhaupt Gesprächskontakte zwischen
beiden Konfliktparteien herzustellen.“ Er sagte weiter-
hin, die Alternative dazu sei der Bürgerkrieg. Ich sehe es
ähnlich. Man muss miteinander reden, wenn man verhin-
dern will, dass weiter aufeinander geschossen und ge-
mordet wird.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Assad redet und mordet trotzdem! Das ist das Problem!)


Man muss miteinander reden, um zu Vereinbarungen zu
kommen. Ich sehe keinen anderen Weg.

Ich bin auch dafür, dass hier deutlich gegen ausländi-
sche Einmischung, gegen militärische Bedrohung und

Wer nicht will, dass weiter geschossen wird, sollte
auch bereit sein, zu Verhandlungen überzugehen. Da
muss man Druck auf das Regime ausüben. Ich bin nicht
für unverbindliche Verhandlungen.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht sollte Gysi noch einmal zu Assad fahren wie damals zu Milosevic!)


Ich bin für klare Verhandlungen, die ein Ergebnis brin-
gen, dass das Morden und die Gewalt in Syrien aufhö-
ren. Das ist die Position, die ich vorschlagen möchte.
Das ist eine Position, die auch in Syrien sehr breit akzep-
tiert wird. Gehen Sie nicht nur von Ihren Bildern von au-
ßen aus, sondern reden Sie mit den politischen Kräften,
die in der Opposition sind, dann werden Sie zu anderen
Ergebnissen kommen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715315000


das Spiel mit militärischer Drohung Stellung bezogen
wird. Wir – ich jedenfalls bin es – sind alle gebrannt von
dem, was in Libyen passiert ist. Es fing harmlos an, und
es endete bei 50 000 Toten in diesem Krieg. Ich weiß,
wie der Irakkrieg in Szene gesetzt worden ist. Ich
möchte keine Wiederholung.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie etwa Syrien mit der Irak-Situation vergleichen? Das ist absurd!)


Erinnern Sie sich doch daran, was der Kollege
Mißfelder hier ausgeführt hat. Waffengewalt bleibt auf
der Tagesordnung. Sie können viele Zitate finden, dass
der Bürgerkrieg in Syrien mindestens von außen ange-
heizt wird, weil man kein Interesse an einer Vereinba-
rung hat.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist ja abstrus! Gewäsch ist das!)


D

v
s

o

d

w
(D

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/8132 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages ein auf Mittwoch, den 25. Januar 2012, 13 Uhr.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende, so-
eit dies möglich ist.

Die Sitzung ist geschlossen.