Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis c auf:a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Einführung desElterngeldes– Drucksache 16/1889 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Einführung des Elterngeldes– Drucksache 16/2454 –aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Familie, Senioren, Frauen undJugend
– Drucksache 16/2785 –Berichterstattung:Abgeordnete Ingrid FischbachDr. Eva MöllringRedetChristel HummeCaren MarksIna LenkeJörn WunderlichDiana GolzeEkin Deligöz
– Drucksache 16/2788 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Ole SchröderDr. Frank SchmidtOtto FrickeRoland ClausAnna Lührmann
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend
– zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke,Miriam Gruß, Cornelia Pieper, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der FDPFlexible Konzepte für die Familie – Kinder-betreuung und frühkindliche Bildung zu-kunftsfähig machen– zu dem Antrag der Abgeordneten JörnWunderlich, Karin Binder, Klaus Ernst, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-KENElterngeld sozial gestalten– Drucksachen 16/1168, 16/1877, 16/2785 –Berichterstattung:Abgeordnete Ingrid FischbachDr. Eva MöllringChristel HummeCaren MarksIna LenkeJörn WunderlichDiana GolzeextEkin Deligözc) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungSiebter FamilienberichtFamilie zwischen Flexibilität und Verlässlich-keit – Perspektiven für eine lebenslaufbezo-gene FamilienpolitikundStellungnahme der Bundesregierung– Drucksache 16/1360 –Überweisungsvorschlag: für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
schussschuss für Bildung, Forschung undgenabschätzungAusschussRechtsausFinanzausAusschussTechnikfol
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerZu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSUund der SPD zur Einführung des Elterngeldes liegt je einEntschließungsantrag der Fraktion der FDP und derFraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-ministerin Frau von der Leyen.Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DerSiebte Familienbericht hat ein zentrales Thema. Das istdie Dynamik von Familie. Familie verändert sich imLaufe der Zeit. Kinder wachsen heran, Väter und Mütterwerden zu Großvätern und Großmüttern. Das heißt, dasssich Familienpolitik vor allem auch am Lebenslauforientieren muss. Eine Familie mit einem Säugling hatandere Bedürfnisse als eine Familie mit Teenagern odereine Familie, in der ältere Angehörige gepflegt werden.Familienpolitik ist damit eine Politik, die die ganze Zeitim Laufe des Lebens in einer Familie betrachtet.Die aktuelle Shell-Jugendstudie bringt das auf denPunkt. Mit einem wirklich glücklichen Leben verbindenJugendliche in erster Linie Familie. Aber sie wissenauch ganz genau, dass es nicht einfach ist, Ausbildung,Beruf, Partnerschaft, Karriere und Kindererziehung un-ter einen Hut zu bringen. Die Folgen dieser Skepsis sindhohe Kinderlosigkeit und das Verschwinden der Mehr-kindfamilie. Das heißt, Familie ist nach wie vor zeitge-mäß, aber die Rahmenbedingungen, die wir als Gesell-schaft Familien im 21. Jahrhundert zumuten, sind nichtmehr zeitgemäß.Zwei von drei jungen Frauen wollen heute Kinderund Beruf, und zwar in ganz unterschiedlichen Ausprä-gungen, von Teilzeit bis Vollzeit. Sie möchten, dass Fa-milienwerte und berufliches Fortkommen Hand in Handgehen. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Zwei vondrei jungen Männern wollen mehr Erzieher als nur Er-nährer ihrer Kinder sein. Sie wünschen sich Zeit mit ih-ren Kindern. Auch hier sieht die Wirklichkeit oft andersaus. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklich-keit haben die jungen Menschen mit Verzicht beantwor-tet: entweder Verzicht auf Kinder oder Verzicht auf Ent-faltung des Erlernten im Beruf.Es geht auch anders. Es ist im 21. Jahrhundert mög-lich, die Verantwortung für Erziehung und für Einkom-men als gemeinsame Verantwortung von Männern undFrauen zu sehen.
Das zeigen unsere west- und nordeuropäischen Nach-barn. Deshalb wird im Familienbericht das Elterngeldganz klar unterstützt, weil die Entscheidung, sich füreine bestimmte Zeit verantwortlich um sein Kind zukümmern, genauso wichtig ist wie der Beruf. Das Eltern-geld macht auch deutlich, dass die persönliche Verant-wortung für ein Kind nicht automatisch die Aufgabe deröhEuSgzsgwDetndzZsJesKswfmcZgudhnn
eshalb hat der im Elterngeld enthaltene Geringverdien-rbonus einen so hohen Stellenwert.Ein auffallender Befund des Siebten Familienberich-es ist, dass Mütter mit Kindern unter sechs Jahren in deneuen Bundesländern ein geringeres Armutsrisiko als inen westlichen Bundesländern haben, weil der Kontaktum Beruf für sie selbstverständlicher ist.Das Elterngeld beinhaltet auch die Partnermonate.um ersten Mal bekommen Väter die ehrliche Chance,ich für ihre unersetzliche Rolle Zeit zu nehmen.
etzt eröffnen wir ihnen die Möglichkeit, diese Grenz-rfahrung für einen bestimmten Zeitraum zu machen,ich Tag und Nacht um ihr Kind zu kümmern und für dasind da zu sein.
Mit dieser Grenzerfahrung geht eine schier unbe-chreibliche Explosion von Gefühlen einher. Bislangar es für Väter keine Selbstverständlichkeit, am An-ang des Lebens ihres Kindes da zu sein, sich Zeit neh-en zu können, Zeit zu haben und diese Erfahrung ma-hen zu können.
Auch wenn wir in der heutigen Debatte zu Recht überahlen, Daten und Fakten sprechen müssen, kann manar nicht oft genug hervorheben: Kinder sind ein schiernbeschreibliches Glück.
Ich möchte an dieser Stelle dem Parlament, vor allemem Fachausschuss, ausdrücklich dafür danken, dass wireute diesen historischen Moment erleben können. Inur zehn Monaten ist es gelungen, ein vollkommeneues Leistungsgesetz auf die Beine zu stellen und die
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Bundesministerin Dr. Ursula von der LeyenSituation junger Eltern und ihrer Kinder in Deutschlandgrundlegend zu verbessern.
Im Siebten Familienbericht werden drei Forderungenaufgestellt: ein Neuzuschnitt der Geldleistungen – zumBeispiel das Elterngeld –, eine Verbesserung der Chan-cen im Arbeitsalltag und mehr Zeit. Nachbarschaftsnetzeund Mehrgenerationenhäuser entlasten die Familien undschaffen dadurch Zeit. Aber die entscheidende Infra-struktur – auch das wird betont – ist eine flexible, viel-fältige Kinderbetreuung.
Auch hierzu wurden im Siebten Familienbericht eindeu-tige Aussagen getroffen. Familienpolitik muss sich amLebenslauf orientieren. Das heißt, das Elterngeld und dieKinderbetreuung werden nicht gegeneinander ausge-spielt. Sie gehen Hand in Hand.
In den ersten Tagen, Wochen und Monaten wünschensich die jungen Eltern nichts mehr als gemeinsame Zeitmit ihrem Neugeborenen. Erst allmählich erweitert sichihr Horizont, übrigens auch der des Säuglings, im Hin-blick auf andere Kinder und andere Erwachsene. Ebensoist es selbstverständlich, dass die Kinderbetreuung nachder ersten engen Phase mit ihrem Kind zunehmend inden Fokus der Eltern rückt.
Im Sommer dieses Jahres wurde der Erste Berichtzum Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährigevorgelegt. Endlich tut sich etwas. Allerdings haben wirnoch eine lange Wegstrecke vor uns, die wir zügig zu-rücklegen müssen. Gegenwärtig kann für fast jedessiebte Kind unter drei Jahren ein Kinderbetreuungsange-bot zur Verfügung gestellt werden; im Jahre 2002 wardas nur für jedes zehnte Kind möglich. In großen Städtenkann zurzeit fast jedem vierten Kind unter drei Jahrenein Betreuungsplatz angeboten werden. In Westdeutsch-land hat sich die Zahl der Betreuungsplätze fast verdop-pelt, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau ausge-hend.Immer noch bestehen große Ost-West-Unterschiede.Inzwischen sind aber in fast allen Kommunen konkreteSchritte zum Ausbau der Kinderbetreuung in Arbeit. Esliegen also entsprechende Beschlüsse des Gemeindera-tes, des Stadtrates oder der Kreisverwaltung vor. ZweiDrittel der Kommunen haben bereits mit dem Ausbauder Kinderbetreuung begonnen. Jede dritte Kommunewill ihr Ziel vor 2010 erreichen.Kinderbetreuung schafft nicht nur Zeit für Eltern,sondern auch Zeit für Bildung und Zeit für die frühe För-derung von Kindern. Kinder brauchen vor allem andereKinder, um sich zu entwickeln. Das sage ich auch vordem Hintergrund, dass inzwischen jedes dritte Kindkeine Geschwister hat. Im Familienbericht ist nicht nurvom Risiko der Vernachlässigung von Kindern die Rede.DvsmdfmtzehtGsamseednaeCßFtVLcfaIImeswz
Ein großer Teil ist Sozialleistung, nicht Einkommens-rsatzleistung. Deshalb enthält das Gesetz viele Kon-truktionsfehler. Das sind nicht die einzigen Gründe,eshalb die FDP-Fraktion diesem Gesetzentwurf nichtustimmen wird. Wir sind der Überzeugung, dass das
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Ina LenkeElterngeld nur erfolgreich sein kann, wenn nach demersten Geburtstag des Kindes die Anschlussbetreuunggesichert ist. Die Aussage, die die Ministerin heute ge-macht hat, steht für sich: Das wird auch ab dem 1. Januar2008 nicht in ganz Deutschland der Fall sein.
Was nutzt Eltern oder Alleinerziehenden ein Jahr El-terngeld, wenn anschießend Krippenplätze oder Tages-mütter und -väter fehlen?
Das Familienministerium hat dazu nachweislich keinenennenswerten Anstrengungen unternommen. Es gibtkein schlüssiges Gesamtkonzept der Bundesregierungfür die Betreuung von Kindern nach dem ersten Le-bensjahr, wenn das Elterngeld ausläuft. Es hat auch kei-nen Kinderbetreuungsgipfel gegeben, auf dem sich dieBundesregierung mit den Ländern und Kommunen aufein gemeinsames Konzept geeinigt hätte. Weder die da-malige SPD/Grüne-Bundesregierung, die acht Jahre re-giert hat,
noch die große Koalition von Union und SPD hat dieStädte und Gemeinden beim Ausbau der Kinderbetreu-ung finanziell unterstützt.
– Es ist so. Sie können ruhig protestieren. Acht Jahrelang waren die Grünen dabei und es ist nichts passiert.
– Dann waren es sieben Jahre.
Wenn Sie so nickelig sind, dann wollen Sie nur von Ih-ren Defiziten ablenken.
Meine Damen und Herren, den jungen berufstätigenPaaren fehlt eine verlässliche Grundlage für ein Lebenmit Kindern. Bereits in der Expertenanhörung des Bun-destages zum Elterngeld und auch jetzt durch die har-sche Kritik des Bundesrechnungshofes wurde öffentlich,dass Teile des Elterngeldgesetzes unvereinbar mit demGrundsatz der Gleichbehandlung in unserer Verfassungsind. Dazu wird meine Kollegin Sibylle Laurischk an-schließend Stellung beziehen.
Die FDP-Fraktion hat ihre Position zur notwendigenKinderbetreuung und zu den Schwachpunkten des El-terngeldgesetzes in zwei Anträgen begründet. UnsereKritikpunkte:wu–SBsgNkrprDPpKWuWFsez
Ja, Sie haben Recht, Frau Schewe-Gerigk: Das ist einkandal.
Zweitens – das ist mein Lieblingsthema –:
erufstätige Ehefrauen, die auf Steuerklasse V arbeiten,
ind die Verliererinnen. Ich werde den Bürgern das be-ründen. Sie wissen das, tun aber nichts richtig.
och einmal: Berufstätige Ehefrauen, die auf Steuer-lasse V arbeiten, sind bei diesem Gesetz die Verliere-innen.
Bei einem Bruttolohn von beispielsweise 2 000 Euroro Monat erhalten sie mit Lohnsteuerklasse V ein ge-ingeres Elterngeld als mit Lohnsteuerklasse III.
adurch haben sie monatlich 390 Euro weniger imortemonnaie. Deshalb schlägt die FDP das Bruttolohn-rinzip vor. Das ist gerechter.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Hendricks?
Aber gerne.
Frau Kollegin, darf ich Sie darauf hinweisen, dass die
ahl der Steuerklassen von Ehepartnern jederzeit auch
nterjährig – so heißt das – geändert werden kann?
enn eine Frau schwanger wird, dann kann sie also zum
inanzamt gehen und eine andere Steuerklasse wählen,
odass der Berechnung des Elterngeldes dann natürlich
in anderes Einkommen zugrunde liegt.
Frau Hendricks, ich bitte Sie, sich die Regelungenum Elterngeld ganz genau durchzulesen. Sie wissen,
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Ina Lenkedass nicht das Durchschnittseinkommen der letzten dreiMonate, sondern der letzten zwölf Monate genommenwird, und dass eine Schwangerschaft neun Monate dau-ert.
Das ist der erste Grund.Der zweite Grund ist, dass in Ihrem Koalitionsvertragsteht, dass Sie die Lohnsteuerklassen reformieren wollenund dass Sie einen Wechsel unterbinden, wenn es um dieBerechnung des Mutterschaftsgeldes geht, das acht Wo-chen lang gezahlt wird. Diese Möglichkeit gibt es dortnicht.Frau Hendricks, ich will Ihnen nur sagen, dass Sie alsStaatssekretärin und ich, die ich in diesem Beruf gear-beitet habe, diese steuerlichen Fachgesichtspunkte sehrwohl kennen. Sie glauben aber doch nicht, dass sich eineVerkäuferin, eine Facharbeiterin oder eine Ärztin mitdiesen Dingen besonders gut auskennen.
Sie werden ein böses Erwachen haben, wenn sie das El-terngeld beantragen werden. Das ist Fakt. Ihre fachspezi-fische Aussage wird den Eltern nicht helfen.Um diese Wortmeldung jetzt abzuschließen, sage ichnoch einmal: Frau Hendricks, die FDP schlägt das Brut-tolohnprinzip vor. Es wäre auch kein Problem gewesen,dies in dieses Gesetz einzubauen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage Ihrer Kollegin Laurischk?
Gerne.
Frau Kollegin Lenke, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass die unterjährige Änderung der Steuer-
klasse V in die Steuerklasse III nur dann möglich ist,
wenn beide Ehepartner einverstanden sind, was in der
Regel nicht der Fall ist, weil das eine Verkürzung des
Einkommens des Mannes bedeutet?
Insofern wird die Steuerklasse V zumindest bis zum Jah-
resende aufrechterhalten, was bei Scheidungsfällen ein
Problem ist.
Frau Laurischk, da Sie als Rechtsanwältin auf diesemGebiet Erfahrung haben, stimme ich Ihnen zu. Ich habedie Frage von Frau Hendricks so beantwortet, wie es dieRealität vorgibt, wie es die Bürger und Bürgerinnen imLbSAvnLeA–teteagTt–dnd–1G99DWBmvbKesDhEsrs
Von der Diskriminierung von Ehefrauen mitteuerklasse V komme ich zu meinem dritten Punkt:LG-II-Empfänger erhalten ein Mindestelterngeldon 300 Euro. Dazu habe ich von der Familienministerinoch keine Aussage gehört; denn das, Frau von dereyen, hat mit der politischen Idee des Einkommens-rsatzes nichts mehr gemein. Dagegen erhält einelleinerziehende, die selbstständig ist, kein Elterngeld man höre genau zu –, wenn sie über 30 Stunden arbei-en muss, um ihre Existenz zu sichern. Sie hat auch mitinem geringen Einkommen keinen Anspruch auf El-erngeld. Ist das sozial gerecht? Frau von der Leyen hatben in ihrer Rede gesagt, Elterngeld ist immer besserls Sozialhilfe. Ja, der Meinung bin auch ich. Aber dasilt auch für Selbstständige.
Viertens: Teilzeitarbeit. Neu ist die Anrechnung dereilzeitarbeit auf das Elterngeld. Zwei Drittel des Gehal-es bei Teilzeitarbeit wird angerechnet. Diese Regelung so die Meinung der FDP – schränkt die Wahlfreiheiter Familien enorm ein. Beim Erziehungsgeld war dasicht der Fall. Da konnte man etwas hinzuverdienen.Fünftens: Geringverdienerregelung. Die Geringver-ienerregelung ist wirklich zu kompliziert. Verdient man das muss man einmal öffentlich sagen – weniger als000 Euro netto, erhält man für jeweils 2 Euro wenigerehalt als 1 000 Euro 0,1 Prozent mehr Elterngeld. Bei96 Euro wären das 0,2 Prozent mehr Elterngeld, bei94 Euro 0,3 Prozent, bei 992 Euro 0,4 Prozent usw.
as ist ein bürokratisches Ungetüm.
Damit sind wir wieder beim Thema Bürgernähe.enn Sie einfachere Gesetze machten, dann könnten dieürger sie verstehen. Wenn Sie sie aber so kompliziertachen, wie Sie das tun, werden die Bürger sie nichterstehen und in die Falle laufen, die Sie aufgestellt ha-en.Sechstens: die Stichtagsregelung. Alle Paare, dereninder nach dem 31. Dezember 2006 geboren werden,rhalten das neue Elterngeld. Kommt das Baby aberchon Silvester zur Welt, gilt noch die alte Regelung.azu habe ich von Bürgern sehr viele Protestbriefe er-alten. Ich kann die Menschen verstehen: Wenn Sie daslterngeld als Einkommensersatz als eine neue politi-che Weichenstellung verstehen, dann hätte die Bundes-egierung sozialverträgliche Übergänge schaffen müs-en.
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Ina LenkeDie FDP fordert die Bundesregierung auf, ein verfas-sungskonformes Gesetz vorzulegen. Wir wollen eineEinkommensersatzleistung für den Elternteil, der seineErwerbstätigkeit zugunsten der Kinder einschränkt. DieFDP fordert bei der Berechnung des Elterngeldes, dasBruttolohnprinzip gelten zu lassen, um die gravierendenfinanziellen Nachteile bei der Steuerklasse V gar nichterst entstehen zu lassen.Wir fordern mehr Freiraum bei der zeitlichen Gestal-tung des Elterngeldes; das ist uns wichtig. Wenn Unter-nehmen Teilzeitmodelle anbieten und sich Eltern bei derBetreuung des Säuglings wochen- oder tageweise ab-wechseln wollen, darf das beim Elterngeldanspruchnicht zu ihrem Nachteil führen. Dazu ein kurzes Bei-spiel: Die Mutter betreut das Kind montags und diens-tags, der Vater mittwochs, donnerstags und freitags.Diese Möglichkeit kommt in Ihrem Gesetzentwurf zurEinführung des Elterngeldes nicht vor.
Ich will als familienpolitische Sprecherin der FDPganz deutlich sagen: Die Unternehmen müssen sich end-lich auf Familien mit Kindern einstellen; das ist äußerstwichtig. Hier muss ein Paradigmenwechsel erfolgen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss.
Eine zukunftsorientierte Familienpolitik muss alle
Lebensgemeinschaften mit Kindern und auch alle Berufe
gleichermaßen im Blick haben. Familien brauchen mehr
Wahlfreiheit, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu
gestalten. Mit diesem Gesetzentwurf zur Einführung des
Elterngeldes ohne flankierende Maßnahmen wird das
kein Schritt in eine familienfreundliche Zukunft sein.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Marks, SPD-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau
Ministerin von der Leyen! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal
möchte ich an meine Vorrednerin, Frau Lenke, gerichtet
feststellen: Ihre diffuse Kritik am Elterngeld ist unbe-
gründet.
Die Teilzeitmöglichkeiten während des Bezugs des El-
terngelds sind sehr wohl flexibel handhabbar.
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s ist schade, dass gute Arbeit bzw. gute Gesetze keine
nerkennung finden.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Lenke?
Ja.
Frau Kollegin, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir in
er vorherigen und in dieser Legislaturperiode zwei Ent-
chließungsanträge zu diesem Thema eingebracht haben,
ie Sie offenbar nicht gelesen haben?
Was die „diffuse Kritik“ angeht, überlassen wir die
ewertung besser den Bürgern. Ich finde, das ist ziem-
ich platt.
Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt auf Ihre dif-use Kritik eingehen und erläutern, warum sie unberech-igt ist. Welchen Rückhalt Sie bei Ihrem familienpoliti-chen Vorgehen haben, hat Ihre Fraktion schon mehrfacheutlich gemacht. Ich glaube, darauf muss ich jetzt nichtäher eingehen.
Warum wird aus dem Kinderwunsch oft keine Kin-erwirklichkeit? Diese komplexe Frage durchdringtiele Aspekte. Es gibt keine einfache Erklärung; es gibtielmehr mehrere Antworten.Eine Antwort lautet: Die Vereinbarkeit von Familiend Beruf ist in Deutschland alles andere als einfach.uf das Lebensmodell „Kinder oder Karriere“ hattenänner noch nie wirklich Lust. Inzwischen ist auch im-er mehr gut ausgebildeten Frauen die Lust auf diesesntweder-oder vergangen. Frauen meiner Generationissen, wovon ich rede. Viele sind nach einem gutenbitur – meistens sind sie besser als ihre Mitschüler –nd einem Studium mit gutem Abschluss – ebenfallsäufig besser als die männlichen Hochschulabsolven-en – ein paar Jahre erwerbstätig und steigen die erstenchritte auf der so genannten Karriereleiter empor. Un-erdessen beginnt die biologische Uhr zu ticken und dientscheidung für oder gegen ein Kind rückt näher.
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Caren MarksDer Entschluss für ein Kind bedeutete für die meistenFrauen in Westdeutschland, mindestens drei Jahre ausdem Beruf auszusteigen, weil es so gut wie keine Kin-derbetreuung für unter Dreijährige gab. Längere berufli-che Auszeiten sind mit einem Karriereknick verbunden.Für viele Frauen ist der berufliche Einstieg mehr alsschwierig. Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit von Müt-tern ist zudem mit großen finanziellen Einbußen verbun-den. Das wird sich durch das Elterngeld ändern.Das traditionelle Mutterbild bzw. das Hausfrauenmo-dell entspricht seit Jahren nicht mehr den Lebenswün-schen der meisten Frauen. Mütter begeben sich währendder ersten Lebensjahre ihres Kindes ungern in die wirt-schaftliche Abhängigkeit von ihrem Partner.Das Modell der Einverdiener- bzw. Versorgerehe istüberholt. Frauen sind gut ausgebildet, erwerbsorientiertund selbstbewusst. Abgesehen von Frauen à la EvaHerman wollen sie eine größere materielle Unabhängig-keit und wünschen sich mehr Betreuungs- und Erzie-hungsverantwortung der Männer bzw. Väter.Veränderte Lebenswirklichkeiten bzw. Lebenswün-sche benötigen veränderte Rahmenbedingungen. Das hatdie SPD erkannt und der Familienpolitik in den letztenbeiden Legislaturperioden einen sehr hohen Stellenwerteingeräumt. Nicht zuletzt bestimmt eine moderne, nach-haltige und sozial gerechte Ausgestaltung der Familien-politik die zukünftige Entwicklung unseres Landes.Kinder bedeuten eine Bereicherung, sowohl indivi-duell als auch gesellschaftlich. Die Entscheidung fürKinder ist und bleibt eine sehr persönliche. Ich will andieser Stelle deutlich sagen: Es gibt hier kein Richtigoder Falsch. Es darf keine Trennung der Gesellschaft inKinderlose und Kinderhabende geben. Als Familienpoli-tikerin möchte ich keine Bevölkerungspolitik betreiben.Vielmehr möchte ich durch die Verbesserung der Rah-menbedingungen all denen Mut machen, die Kinder-wünsche haben, aber bisher zögern, sich diese zu erfül-len.
Die Entscheidung für Kinder darf weder ein Armuts-risiko noch ein Hemmschuh für die berufliche Entwick-lung sein. Darüber hinaus benötigen Eltern und Kinderheute und zukünftig eine Politik, die die Gesellschaft,das heißt die Lebens- und Arbeitswelt, nachhaltig kin-der- und familienfreundlich gestaltet.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Gruß?
Gerne.
Bitte, Frau Gruß.
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Frau Gruß, die FDP stellt mittlerweile in jeder De-atte im Bundestag die Frage nach der Mehrwertsteuer-rhöhung. Das scheint bei Ihnen ein pawlowscher Reflexu sein. Ich habe daher mit Verlaub keine Lust, auf Ihrewischenfrage ernsthaft zu antworten.
Auch der aktuelle Siebte Familienbericht ist ein Plä-oyer für eine nachhaltige Familienpolitik. Der Fami-ienbericht untermauert den in den letzten Jahren vonns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einge-eiteten Politikwechsel. Eine moderne Familienpolitik istin Mix aus Infrastruktur, Zeit und Geld. Familien benö-igen – das ist klar – eine verbesserte Infrastruktur fürildung und Betreuung, mehr Zeit, zum Beispiel durchamilienfreundliche Arbeitswelten, und nicht zuletzteld für eine gezielte finanzielle Unterstützung. Mitem Tagesbetreuungsausbaugesetz für Kinder unter dreiahren und mit dem Investitionsprogramm zur Förde-ung von Ganztagsschulen haben wir in der letzten Le-islaturperiode eine wichtige Grundlage zur besserenereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen.
Ich freue mich, dass der von uns Sozialdemokratinnennd Sozialdemokraten eingeschlagene Kurs in der gro-en Koalition nun mit vereinten Kräften fortgesetztird. Gemeinsam ist es uns in der großen Koalition ge-ungen, das zentrale familienpolitische Projekt in deraufenden Legislaturperiode, das Elterngeld, umzuset-en.
s freut mich, dass der von Renate Schmidt mit großenngagement auf den Weg gebrachte Entwurf eines Ge-etzes zur Einführung des Elterngeldes – herzlichenank dafür – bereits heute verabschiedet wird.
in guter Tag für Deutschland, ein guter Tag für die Fa-ilien!
Natürlich ist das Elterngeld nicht die Antwort bzw.ie Lösung für alle Probleme, denen Familien heute
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Caren Marksbegegnen. Das Elterngeld ist vielmehr ein wichtigerBaustein einer modernen Familienpolitik. Mit dem El-terngeld fördern wir Familien in den ersten zwölf bzw.14 Monaten nach der Geburt. Gerade während dieserZeit benötigen Kinder eine intensive Betreuung. Elternwünschen sich in dieser Phase mehr Zeit für ihr Kind.
Mit dem Kernelement des Elterngeldes, der Einkom-mensersatzleistung, ermöglichen wir Eltern, sich dieseZeit ohne finanzielle Sorgen zu nehmen und danach soschnell wie möglich wieder in den Beruf zurückzukeh-ren. Da hier unabhängig vom Partnereinkommen einfinanzieller Ausgleich für den betreuenden Elternteilvorgesehen ist, bedeutet dies insbesondere für Mütterwirtschaftliche Selbstständigkeit innerhalb der Partner-schaft.Durch die Partnermonate geben wir Vätern mehrMöglichkeiten, sich partnerschaftlich an der Kinderbe-treuung zu beteiligen. Durch die Einkommensersatzleis-tung gewinnen Eltern mehr Wahlfreiheit hinsichtlichder Elternrolle. Es gibt nun eine echte Alternative zurtraditionellen Rollenaufteilung. Das Elterngeld ist einwichtiges gleichstellungspolitisches Instrument, das aberauch Kindern zugute kommen wird; denn Kinder brau-chen Väter und Mütter.
Das Elterngeld bietet insbesondere Müttern den An-reiz, nach der Kinderphase schneller als bisher in denBeruf zurückzukehren. Die neue Regelung des Ge-schwisterbonus verstärkt diesen Anreiz. Auch Allein-erziehende profitieren von dem Elterngeld, weil es diewirtschaftliche Eigenständigkeit bei der Erwerbsunter-brechung sichert.Frau Lenke, Sie fordern in Ihrem Antrag, die Betreu-ungs- und Bildungssituation zu verbessern. Das istgrundsätzlich zu begrüßen. Wie Sie wissen, meine Kol-leginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, haben wirmit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz einen Meilen-stein in Richtung Ausbau der Kinderbetreuung und früh-kindliche Förderung gesetzt. Die Richtung stimmt. Abereines muss klar sein: Nur in einem verantwortungsvollenBündnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen wirdes gelingen, unser Land wirklich familienfreundlicher zugestalten.
Der Siebte Familienbericht und der Bericht der Bun-desregierung über den Stand des Ausbaus der Kinderta-gesbetreuung für unter Dreijährige bestätigen, dass dereingeschlagene Weg richtig ist. Erfolge sind bereitssichtbar. Frau Ministerin von der Leyen hat die Zahlenvorhin genannt. Familien benötigen Taten und die habenwir, die SPD-Bundestagsfraktion, vorzuweisen.
Da, Frau Lenke, wo die FDP mitregiert, in wenigenLändern und manchen Kommunen, sind Sie herzlichezARMtIfZFüekGvsgSsmtmEFAddNfehsdüdkVMuzCWlclD
ber als Sie, meine Damen und Herren von der FDP, inheinland-Pfalz noch mitregiert haben, musste Sie derinisterpräsident Kurt Beck in Sachen Bildung und Be-reuung noch zum Jagen tragen.
n Ihrem Entschließungsantrag kritisieren Sie recht dif-us das neue Elterngeld. Sie kritisieren unterschiedlicheielsetzungen und komplizierte Berechnungen. Aber,rau Lenke, ein einfacher Dreisatz dürfte auch Sie nichtberfordern. Dass das Elterngeld vielschichtig wirkt, istine Stärke des Instruments.An die Damen und Herren von der PDS gerichtet: Wirönnen das reflexartige Einklagen von mehr sozialererechtigkeit in diversen Anträgen vernehmen. Ihr Bildon sozialer Gerechtigkeit ist nicht nur sehr einge-chränkt, sondern größtenteils auch falsch. Das Eltern-eld ist durch den Sockelbetrag, die Begrenzung fürpitzenverdiener und die Geringverdienerkomponenteozial gerecht und ausgewogen. Sowohl der Siebte Fa-ilienbericht als auch der Zweite Armuts- und Reich-umsbericht zeigen auf, dass sich Armutsrisiken von Fa-ilien am wirkungsvollsten mindern lassen, wenn dierwerbstätigkeit der Eltern unterstützt wird. Eine früheörderung der Kinder und Anreize zur Aufnahme undusweitung von Erwerbstätigkeit helfen, Armut zuurchbrechen und wirkliche Chancengleichheit für Kin-er herzustellen. Am Beispiel unserer nordeuropäischenachbarstaaten sieht man eindrucksvoll, dass die Ein-ührung des Elterngelds und die Steigerung der Frauen-rwerbsquote die Armutsrate bei Kindern und Familienat sinken lassen. Das Elterngeld ist ein wichtiger Bau-tein einer nachhaltigen Familienpolitik. Es ist ein Kinder SPD, auf das wir stolz sind.Vielleicht lautet in zehn oder 20 Jahren eine Zeitungs-berschrift: „Aus Kinderwunsch wird immer mehr Kin-erwirklichkeit“. Der Grund dafür: Deutschland ist eininder- und familienfreundliches Land geworden. Dieereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt. Frauen undänner teilen sich partnerschaftlich Kindererziehungnd Erwerbsarbeit. Gute Betreuungsangebote unterstüt-en Familien, frühe Bildung eröffnet Kindern echtehancen. Familien sind nicht mehr überfordert. Dieirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Kinder-achen und Kindertoben, Urlaube und Restaurantbesu-he mit Kindern werden gern gesehen, Kinder sind wirk-ich willkommen. – Eine schöne Aussicht.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich, Fraktionie Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Fraktion Die Linke wird diesem Entwurf
eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes nicht zu-
stimmen können.
Nach fast zehn Monaten Diskussion ist der Wille der
Koalition zur sozial besseren Ausgestaltung des Eltern-
gelds nach wie vor nicht erkennbar. Im Gegenteil: Be-
schämend an der breiten Diskussion ist zum einen die
Arroganz gegenüber außerparlamentarischem Sachver-
stand.
Zum anderen verstetigen Sie, Frau von der Leyen, char-
mant lächelnd, die sozialen Ungerechtigkeiten Ihrer
Politik.
Sie schaffen es sogar, im Einvernehmen mit den
Koalitionspartnern in zehn Monaten Gesetze zur Schröp-
fung von Arbeitslosen, Geringverdienern und Allein-
erziehenden durchzupeitschen sowie das größte Steuer-
erhöhungsprogramm seit Bestehen der Bundesrepublik
zu beschließen.
Schlimmer noch: Sie potenzieren die sozialen Ungerech-
tigkeiten in einem unerhörten Ausmaß. Ausgerechnet in
Haushaltsdebatten um den Einzelplan 17, bei dem Sie,
Frau von der Leyen, nennenswert Geld zur Ausweitung
der Förderung von Familien in die Hand nehmen, produ-
zieren Sie mit dem Elterngeld einen sozialpolitischen
Skandal erster Ordnung.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Griese?
Wir – auch die Kollegin Griese – hatten sowohl im
Familienausschuss als auch im Rechtsausschuss ausrei-
chend Gelegenheit, über dieses Thema zu diskutieren.
Deswegen muss sie sich meinen Vortrag jetzt erst einmal
anhören. Sie kann ja nach Beendigung meiner Rede eine
Kurzintervention machen.
Das Elterngeld benachteiligt Eltern mit niedrigem
oder gar keinem Erwerbseinkommen. Im Wissen darum,
dass jedes siebte Kind in Deutschland auf einem Ein-
kommensniveau lebt, das es von einer angemessenen so-
zialen und gesellschaftlichen Teilhabe ausschließt, ver-
schärfen Sie weiter die Kinderarmut in Deutschland.
Eine dreiviertel Milliarde Euro nehmen Sie, Frau von
der Leyen, gemeinsam mit der Bundesregierung in die
Hand, um Gut- und Besserverdienenden den Zugang zu
steuerfinanzierten Sozialleistungen zu ermöglichen. Die
wirklich Bedürftigen schließen Sie aus. Um den Skandal
perfekt zu machen, nehmen Sie auf Drängen der Unions-
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Sie haben eine Menge Geld in den Haushalt einge-
tellt, ohne zu wissen, ob Sie es überhaupt verfassungs-
emäß ausgeben. Entgegen den Bedenken der Sachver-
tändigen aus der Anhörung zum Elterngeld, entgegen
en Bedenken von Juristinnen und Juristen, entgegen
en Bedenken karitativer Wohlfahrtsverbände, entgegen
en Bedenken von über 18 000 Petentinnen und Peten-
en und entgegen den Bedenken des Bundesrechnungs-
ofs
ehmen Sie nur geringfügige redaktionelle Änderungen
n diesem Gesetzentwurf vor.
Sie, Frau von der Leyen, geben an – sie selbst sind
eine Juristin –, dass Sie sich auf den Rat Ihrer Juristen
erlassen. Seien Sie gewarnt; denn Ihre Juristen haben
m Rechtsausschuss trotz Kenntnis der verfassungsrecht-
ichen Bedenken des Bundesrechnungshofs, ohne ein
ort und ohne mit der Wimper zu zucken, diesem Ge-
etzentwurf zugestimmt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Kressl?
Nein. Da muss die Koalition jetzt durch.
Noch vorgestern wurde hier seitens der Koalition be-ont, dass der Bundesrechnungshof schreiben könne, wasr wolle. Ein derartiges Verhalten der Regierung kennenir schon aus der Debatte zur Föderalismusreform.ich wundert da inzwischen nichts mehr.Das Elterngeld ist eine prinzipiell positive Entwick-ung in der Familienpolitik und findet unsere Unterstüt-ung.
Ja, wirklich. –
as mich und meine Fraktion daran aber besonderstört, ist – ich wiederhole es – die soziale Unausgewo-enheit, das Festhalten an einer Umverteilung von Armach Reich. Das Gesetz soll Menschen ermutigen, sichür Kinder zu entscheiden. Wir brauchen primär nichtehr Kinder, sondern weniger Kinder, die in Armut undot aufwachsen.
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Jörn Wunderlich
Außerdem brauchen wir mehr Eltern, die ihre Vorstel-lung von Familienleben ohne finanzielle Zwänge oderSorgen um den Arbeitsplatz leben können. Wir braucheneine Kultur der Familien- und Kinderfreundlichkeit; dieswird aber nicht erreicht, indem eine Umverteilung derLeistungen an Familien von Arm nach Reich stattfindet.Wie heißt es so schön zur Problemschilderung zumElterngeld – ich zitiere –:In Deutschland steht Familien dann am wenigstenGeld zur Verfügung, wenn die Kinder am kleinstensind.In der in Ihrem Gesetzentwurf formulierten Lösung desProblems heißt es dann unter anderem – ich zitiere –:Es– damit ist das Elterngeld gemeint –eröffnet einen Schonraum, damit Familien ohne fi-nanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden …
Warum, frage ich dann, sollen diejenigen, die in unsererGesellschaft ohnehin schon finanziell schlecht dastehen,noch schlechter gestellt werden, als sie es ohnehin schonsind?
Müssen nicht gerade sie gefördert werden?
– Diese Fragen müssen Sie sich schon gefallen lassen. –Oder herrscht auch bei Ihnen der Geist wie bei einigenIhrer Fraktionskollegen, welche sich beispielsweise vorArbeitslose, die ihre Lebensmittel bei der Tafel holenmüssen, stellen und diesen auf Fragen nach der Mehr-wertsteuer entgegnen: Was regt ihr euch denn so über dieMehrwertsteuererhöhung auf? Sie betrifft in der Regeleh nur Sachen, die ihr euch nicht leisten könnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können jetztentgegnen, dass Sie mit Ihren Änderungsanträgen imAusschuss Neuregelungen getroffen haben. Das ist rich-tig. Es bedarf auch schon etwas Mühe, um die gut ver-packten Unzulänglichkeiten im Elterngeldgesetz heraus-zufinden.Erfreulich ist, dass Sie einen Regelungsvorschlag derVerbände und Sachverständigen aufgegriffen haben
und die flexible Zuschlagsregelung anstelle einer starrenFristenregelung für den Geschwisterbonus vorgesehenhaben. Auch erfreulich ist: Es soll klargestellt werden,dPngzzdlsDlduvcirossAhsmvcDvslkgrdfaÜsaztSbbwwdEze
Erstens. Die Änderung der Anspruchsberechtigungon Migrantinnen und Migranten bedeutet eine rechtli-he Verschlechterung für die Betroffenen. Grundsätzlichst zu kritisieren, dass die Begründung zu diesem Ände-ungspunkt von Ihnen stillschweigend ausgespart wird,bwohl das Bundesverfassungsgericht – in anderem Zu-ammenhang – diese Ungleichbehandlung für verfas-ungswidrig erachtet hat, wenn von einem dauerhaftenufenthalt ausgegangen werden kann bzw. muss, unab-ängig vom Aufenthaltstitel. Der in der geänderten Fas-ung enthaltene pauschale Ausschluss von Menschenit einem Aufenthaltstitel, der erkennen lässt, dass einoraussichtlich dauerhafter Aufenthalt vorliegt, ist si-herlich verfassungswidrig und nicht nachzuvollziehen.er in der geänderten Fassung enthaltene Ausschlusson Kettengeduldeten ist nicht sachgerecht und verfas-ungsrechtlich ebenfalls zweifelhaft. Die an eine bereitsängerfristig bestehende dauerhafte Erwerbstätigkeit ge-nüpfte Auffangklausel des § 1 Abs. 7 Nr. 3 des Eltern-eldgesetzes in der Ausschussfassung mit einer Dreijah-esfrist reicht nicht aus, um die Verfassungswidrigkeiter Regelung zu entkräften.Zweitens. Die Nichtberücksichtigung der steuer-reien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nacht-rbeit bei der Einkommensermittlung ist nach meinerberzeugung falsch. Wenn das Elterngeld eine Lohner-atzleistung sein soll, wie Sie immer sagen, dann mussuch der gesamte Lohn berücksichtigt werden. Die jet-ige Regelung benachteiligt Berufsgruppen in der Indus-rie und Frauen in typischen Frauenberufen, die etwachichtdienst leisten.
Drittens. Es ist unverständlich, warum nicht eine ver-esserte Regelung des gleichzeitigen Teilzeitelterngeld-ezuges in die Liste Ihrer Änderungen aufgenommenurde. Schließlich haben viele Verbände darauf hinge-iesen, dass hier im Gesetz eine klare Benachteiligunger Betroffenen enthalten ist. Eltern, die gleichzeitig ihrerwerbstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung redu-ieren, erhalten nur sieben statt 14 Monate Teilzeit-lterngeld.
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Auch diese Regelung ist verfassungsrechtlich fragwür-dig.Ein Alternativvorschlag der Verbände, der vom Deut-schen Juristinnenbund zur Anhörung vorgestellt wurdeund ohne weiteres realisierbar wäre, wird von Ihnen,Frau von der Leyen, wie gehabt, charmant lächelnd indie Ablage getan. Wir wenden uns entschieden gegeneine Benachteiligung von Eltern, die sich allen Widrig-keiten zum Trotz für ein partnerschaftliches Modell derKinderbetreuung in der ersten Zeit nach der Geburt ent-scheiden. Ihr Vorschlag ist ein fatales Signal in RichtungGleichstellungspolitik.
Viertens. Die ausgewiesene Stichtagsregelung führtzu einer Ungleichbehandlung von Familien mit Kindernfast gleichen Alters. Warum bekennen Sie sich nicht zueiner Übergangsregelung, die zeitlich und auch finan-ziell klar einzugrenzen und überschaubar ist?
Mit einem kühlen Lächeln in den Reihen der Koalitionwird dieses Anliegen – von übrigens einigen Tausendenvon Petenten – ad absurdum geführt.Weil die schwarz-rote Regierung mit dem Elterngeldnach eigenen Angaben 155 000 Familien – ich wieder-hole: 155 000 Familien – schlechter stellt und nicht da-nach fragt, wie es nach einem Jahr Elterngeldbezug fürdiese Familien weitergeht, fordert die Fraktion DieLinke: Erstens. Für Einkommensschwache, Eltern inAusbildung und Erwerbslose darf das Elterngeld keinefinanziellen Einbußen nach sich ziehen. 300 Euro mo-natlich müssen Eltern über 24 Monate zur Verfügungstehen.
Zweitens. Das Elterngeld darf nicht auf den Bezug vonArbeitslosengeld II und den Kinderzuschlag angerechnetwerden. Drittens. Alleinerziehende dürfen nicht benach-teiligt werden.
Ihnen muss unabhängig von ihrem Erwerbsstatus wiePaaren bis zu 14 Monate lang Elterngeld gezahlt werden.Viertens. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die die Le-bensverhältnisse von Eltern und Kindern verbessern.Wir stehen für einen Wechsel in der Familien- undKinderpolitik und fordern eine stärkere Übernahmeöffentlicher Verantwortung für Kinder und Familien.Kinder und Familien benötigen soziale Sicherheit undEntwicklungsmöglichkeiten, nicht nur schöne Worte, diean der Ernsthaftigkeit zweifeln lassen.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Krista Sager,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ab-ösung des Erziehungsgeldes und die Einführung eineseitlich verdichteten, erwerbsbezogenen Elterngeldesann ein sinnvoller Baustein einer modernen Familien-olitik sein. Ich sage aber bewusst: kann.Frau Ministerin von der Leyen, Sie haben mit diesemlterngeld Versprechen verbunden. Sie haben gesagt, esolle dazu beitragen, Familie und Beruf besser zu verein-aren. Sie selber haben die Erwartung formuliert – jungeamilien haben diese Erwartung auch –, dass hiermitine Überbrückungshilfe für das erste Lebensjahr desindes gegeben wird, um danach wieder in den Berufinzusteigen. Jetzt aber werden viele junge Familienchon nach einem Jahr feststellen können, dass genauieses Versprechen nicht eingehalten werden kann,
eil es in vielen westdeutschen Flächenländern für die-en Wiedereinstieg keine Betreuungsinfrastrukturibt.
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Krista Sager
Diese jungen Familien werden zu Recht den Eindruckhaben, dass die Politik ihnen wieder einmal falsche Ver-sprechungen gemacht hat und sie jetzt im Regen stehenlässt. So wird es aussehen.
Das Traurige ist, dass Sie heute den Eindruck hinterlas-sen haben, dass Sie auf dieser Baustelle nichts, aber auchgar nichts tun wollen, dass Sie daran nichts ändern wol-len.
Rot-Grün hat mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetzund dem Ganztagsprogramm die richtigen Weichen ge-stellt.
Jetzt muss der nächste Schritt kommen. Dieser besteht inder Verankerung eines Rechtsanspruchs auf Kinderbe-treuung ab dem ersten Lebensjahr.
Man fragt sich in der Tat: Warum gehen Sie diesenSchritt nicht? Sie wissen doch selber, dass ohne diesenSchritt Ihr stolzes Werk zu großen Enttäuschungen führtund ein riesiger Flop wird.
Mein Eindruck ist, dass Sie sich in der Auseinander-setzung um eine moderne Familienpolitik in Ihren eige-nen Reihen so aufgerieben haben, dass Sie sich jetztsozusagen zur Erholung lieber in das Reich der hehrenWorte zurückziehen möchten
und bloß nicht die Auseinandersetzung um die Familien-politik weiterführen wollen, weil Ihnen das offensicht-lich zu mühselig geworden ist.
Die Ausgestaltung des Elterngeldes zeigt doch, dass Sieimmer noch keine Einigung in der Frage erreicht haben,wohin Sie eigentlich wollen. Worum soll es denn gehen?Soll das Elterngeld eine Überbrückungshilfe für er-werbstätige Frauen darstellen, damit sie dann wieder indie Erwerbstätigkeit einsteigen können, oder handelt essich um eine Kinderprämie unabhängig von der vorher-gehenden Erwerbstätigkeit?Bei der Auseinandersetzung um den Geschwisterbo-nus haben Sie sich erst in den allerletzten Tagen geei-nzBgSbPSVuSvISlnwsKiewwEzermdbwbtdvDms
ei gleichzeitiger Teilzeitarbeit von Eltern ist die jetztefundene Lösung immer noch ungerecht.
ie haben es auf der einen Seite nicht für nötig gehalten,ei Alleinverdienerhaushalten eine Obergrenze für dasartnereinkommen festzusetzen, aber auf der andereneite bestrafen Sie Transferleistungsbezieher mit einererkürzung der Bezugsdauer. Das ist doch ungerechtnd unstimmig.
ie machen hier Politik nach dem Motto: Dit und dat,on jedem wat. – Das scheint ja geradezu ein Leitmotivhrer Regierungspolitik insgesamt zu sein.
o kann man aber keine stringente und moderne Fami-ienpolitik machen.Die einzelnen Familien müssen in ihrer Entscheidungicht stringent sein. Eltern müssen selber entscheiden,as sie wollen. Aber die Politik darf doch nicht beliebigein. Die Politik muss doch einmal die Fakten zurenntnis nehmen, auch dann, wenn sie eigentlich nichtn ihr Weltbild passen.Tatsache ist doch, dass die jungen Familien heute eherin partnerschaftliches Lebenskonzept verwirklichenollen, dass aber der Wunsch junger Mütter nach Er-erbstätigkeit und die Möglichkeit der Aufnahme einerrwerbstätigkeit in Deutschland ganz besonders schlechtusammengehen. Tatsache ist, dass wir in Deutschlandin im internationalen Vergleich extrem hohes Armuts-isiko bei Alleinerziehenden haben, aber auch bei Elternit kleinem Einkommen. Tatsache ist auch, dass in Län-ern mit besseren Erwerbsmöglichkeiten für Frauen undesseren Betreuungsstrukturen mehr Kinder geborenerden und ein besserer Schutz der Familien vor Armutesteht. Wir zahlen zwar besonders hohe Transferleis-ungen,
as führt aber keinesfalls dazu, dass die Familien besseror Armut geschützt sind.
as sind doch Tatsachen, die man zur Kenntnis nehmenuss.Man muss auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass diechlechte Betreuungsinfrastruktur dazu führt, dass ge-
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Krista Sagerrade in Problemstadtteilen, das Recht der Kinder auffrühe individuelle Förderung, das Recht der Kinder aufBildung von Anfang an, ignoriert und mit Füßen getre-ten wird. Dieser Gedanke gehört auch dazu.
Wir werden in wenigen Jahren einen Fachkräfte-mangel haben. Wir leisten uns aber immer noch ein Ehe-gattensplitting, das Anreize dafür bietet, dass die jungen,gut ausgebildeten Frauen möglichst zu Hause bleiben.Das sind doch alles Baustellen, bei denen wir erwartenkönnen, dass sie von einer Familienministerin angegan-gen werden.
Ich will gern zugestehen, dass das in Ihren eigenen Rei-hen nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig ist undkeine leichte Auseinandersetzung bedeutet. Aber Siemüssen diese Baustellen angehen.Sie haben sich auch nicht zu Wort gemeldet, als ei-nige Ihrer Herren Vorschläge für ein Familiensplittinggemacht haben und darüber schwadronierten. Das Fami-liensplitting setzt im Prinzip das System des Ehegatten-splittings, die alte Politik in neuem Gewand fort. Dazuhaben Sie nichts gesagt, obwohl das als Familienminis-terin Ihre Aufgabe gewesen wäre.
Ein Letztes noch zur Stichtagsregelung; Frau Lenkehat es angesprochen. Ich frage mich wirklich, warum Siesich das antun. Wir können uns doch alle vorstellen, wiees wenige Wochen vor dem Jahreswechsel sein wird.Alle Regionalzeitungen werden voll sein mit entzücken-den Bildern von süßen Neugeborenen und wir werdenlesen können, dass es für diesen bedauerlichen, armen,kleinen, süßen Fratz kein Elterngeld geben wird, weil erzwei Wochen zu früh auf die Welt gekommen ist. Werwird dann wohl der Schuldige sein? Die Schuldigen wer-den doch die Regierung sein und vor allem die gemeineFamilienministerin. Warum tun Sie sich das an? Ich be-greife das wirklich nicht. Wenigstens an diesem Punktsollten Sie den Rat der Opposition ernst nehmen. Er istin diesem Fall nicht nur gut, sondern er ist ausnahms-weise auch gut gemeint.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ingrid Fischbach,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine lieben Kol-leginnen und Kollegen! Bei Frau Lenke und HerrnWunderlich war es mir klar. Sie waren Opposition undseSIblaRsäddTtkdMhpdsgdssAmlsmlaerwVesM–vkbEiWPgf
ch war gespannt darauf, weil ich schon etwas länger da-ei bin und mich noch sehr gut an die Diskussionen imetzten Jahr erinnern kann, als Sie in der Regierungsver-ntwortung waren. Vielleicht hätten Sie einmal in derede Ihrer Kollegin Deligöz dazu nachlesen sollen, wieie sich zu den vagen Vorstellungen des Elterngeldes ge-ußert hat, die damals bereits auf der Tagesordnung stan-en. Ihre Fraktion hat damals an dieser Stelle vehementeutlich gemacht, wie wichtig die Verabschiedung desagesbetreuungsausbaugesetzes mit Blick auf das El-erngeld ist. Jetzt sind Sie in der Opposition und sagen:eine Politik der falschen Versprechungen. Meinten Sieamit Ihre Versprechungen vom letzten Jahr?
Ich mache keinen Hehl daraus, dass es die Frauinisterin vor allem in den eigenen Reihen nicht leichtatte. Die Koalitionspartner haben in Sachen Familien-olitik sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wir wollenen Familien keine Vorgaben machen, in welcher Formie zusammenzuleben haben und wie sie ihre Zukunft zuestalten haben. Die Familien sind klug genug, selberarüber zu entscheiden. Trotz der hohen Zahl der Ehe-cheidungen wollen sich 89 Prozent der jungen Men-chen für Familie und Kinder entscheiden. Es ist uns einnliegen, sie dabei zu unterstützen. Wir brauchen Rah-enbedingungen, durch die es jungen Menschen ermög-icht wird, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen.Ich weiß noch genau, was ich vor einem Jahr an die-er Stelle gesagt habe. Ich habe mich damals – die ehe-alige Ministerin sitzt im Plenum; sie kann sich sicher-ich noch daran erinnern – vehement gegen dasusgesprochen, was damals vorgelegt wurde, nämlichin reines Lohnersatzprogramm für Eltern, die beide be-ufstätig sind. Das war nicht das, was wir wollten. Wirollen den Familien nämlich nicht vorschreiben, dassater und Mutter arbeiten müssen. Wir wollen vielmehrin Programm, in dem sich alle wiederfinden. Deswegenind wir dankbar, Frau Ministerin, dass wir es mit demindestelterngeld geschafft haben, dass jede Familieunabhängig von der doppelten Erwerbstätigkeit – nunon dem Elterngeld profitieren kann. Jede Familie be-ommt also mindestens 300 Euro, unabhängig davon, obeide, also Vater und Mutter, berufstätig sind. Das ist einrfolg. Diese Regelung können wir heute gut mittragen.
Wir sehen die Notwendigkeit, Familien in der Phasehrer Gründung stärker zu unterstützen. Herrunderlich, erlauben Sie mir folgende Bemerkung: Ihreolemik mit den Zitaten fand ich nicht so prickelnd. Ichlaube, das haben Sie gar nicht nötig. Außerdem ist esür unser Vorhaben nicht hilfreich, wenn man so billig
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Ingrid Fischbachund polemisch argumentiert. Diese Polemik sollten Siean dieser Stelle besser unterlassen.
Wir wollen den Familien in den Situationen, in denender finanzielle Verlust am schmerzhaftesten ist, einenAusgleich geben. Das Elterngeld beträgt 67 Prozent desNettoeinkommens bis zu einer Maximalgrenze von1 800 Euro monatlich und ist auf ein Jahr angelegt.Trotzdem gibt es Vorwürfe, das sei das „Wort zum Sonn-tag“ und es sei unklar, was nach Ablauf des Jahreskomme.Frau Ministerin, Sie sind zwar noch nicht lange imAmt. Aber die Vehemenz, mit der Sie in der kurzen Zeitfamilienpolitische Leistungen durchgesetzt haben, habenwir in den vergangenen Jahren nicht erlebt. Dafür dankeich Ihnen im Namen der Familien ganz herzlich.
– Ich denke dabei an die steuerliche Absetzbarkeit derKinderbetreuungskosten, um die es am Anfang des Jah-res einen harten Kampf gab. Diesen Kampf hat die Fa-milienministerin ausgefochten und sich für die Familieneingesetzt, obwohl sie dafür doch gar nicht federführendzuständig war. Frau Kressl, auch Sie dürfen einmal lo-bend erwähnen, dass das eine gute Sache für die Fami-lien in unserem Lande ist.
Mit der Geringverdienerkomponente – Frau Lenkehat sie kompliziert vorgerechnet –
gehen wir einen richtigen Weg. Es muss deutlich sein,dass sich Arbeit immer lohnen muss. Es kann nicht da-rum gehen, alle Menschen in allen Lebenssituationenfinanziell gleich zu stellen. Ich halte die Geringverdie-nerkomponente, wie gesagt, für einen guten Weg. Denn:Auch wenn die Eltern weniger verdienen, lohnt es sichfür sie, eine Arbeit aufzunehmen.
Ein Lieblingsthema der Union in den letzten Monatenwaren sicherlich die Partnermonate.Man soll ja ehrlich miteinander umgehen. Wenn mansich die Auswertung von Umfragen einmal ansieht– auch innerhalb der CDU und ebenso der CSU; ich willdie CSU nicht außer Acht lassen –,
dann stellt man fest, dass 67 Prozent aller befragtenMänner diese Partnermonate begrüßen. KollegeSinghammer wird es gleich sicherlich noch einmal sa-gen: 53 Prozent der berufstätigen Männer zwischen18 und 45 Jahren begrüßen diese Partnermonate, weil siesdFkmggudurBhmJrmmrsgmtdäzksgl–rmkgmnga–ddddMA
Ein letzter Punkt, den ich inhaltlich ansprechenöchte, ist der Geschwisterbonus. An dieser Stelleuss man deutlich machen, wie aufnahmefähig wir wa-en. Frau Lenke und Frau Sager sagten, die Regierungolle sich auch einmal die Vorschläge der Sachverständi-en und der Opposition anhören. An dieser Stelleöchte ich ein ganz herzliches Dankeschön an den Juris-innenbund in Person von Frau Fuchsloch aussprechen,
ie sich wirklich bemüht hat, die in einer Anhörung ge-ußerten Meinungen der Sachverständigen zusammen-uführen und zu einer einheitlichen Vorgehensweise zuommen. Diese Regierung hört zu, das unterscheidet sieicher von den Vorgängerregierungen. Wir nehmen gutemeinte Vorschläge auf und arbeiten sie in unsere Vor-agen ein.
Es waren mehr als zwei, Frau Lenke. Sie sind an ande-er Stelle nicht in der Lage, überhaupt einen aufzuneh-en. Insofern seien Sie froh, dass wir diese aufnehmenonnten.
Wir haben den Vorschlag des Juristinnenbundes auf-enommen. Das heißt, der Geschwisterbonus ist so for-uliert worden, wie er vorgeschlagen wurde. Wird in-erhalb eines bestimmten Zeitraumes ein zweites Kindeboren, wird das Elterngeld um 10 Prozent, mindestensber um 75 Euro erhöht. Das ist sicherlich nicht vieldiese Kritik wird geäußert –; aber es ist ein Zeichen,as uns allen und vor allen Dingen den Familien gut tut,ie sich auch für ein zweites und drittes Kind entschei-en. Denn wir haben ja nicht nur das Problem der Kin-erlosigkeit, sondern auch das Problem, dass uns dieehrkinderfamilien fehlen. Dadurch haben wir keinenusgleich, der ansonsten vorhanden wäre. Wir haben
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Ingrid Fischbachalso ein Zeichen gesetzt, sich für mehr Kinder auszu-sprechen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Lenke?
Immer wieder gern.
Frau Fischbach, Sie haben sicher genau wie ich viele
Briefe von Studentinnen bekommen, die beklagen, dass
die jetzigen Regelungen zum Elterngeld für sie sehr
nachteilig sind. Sie bekommen nämlich nur ein Jahr und
nicht zwei Jahre Elterngeld. Sie haben gerade gesagt, wir
alle wollten, dass Frauen früher das erste Kind bekom-
men, damit dann auch ein zweites und ein drittes Kind
komme. Ich bin der Meinung, dass es gerade Studentin-
nen durch finanzielle Hilfe ermöglicht werden sollte, ein
Kind großziehen zu können. Wenn sie dann berufstätig
sind, haben sie schon einen Ganztagskindergartenplatz
für ihr Kind. Diese Möglichkeit haben Sie aber in dem
vorliegenden Gesetzentwurf verschlechtert. Ich würde
Sie gerne fragen: Warum haben Sie diese zum Beispiel
für Studentinnen schlechtere Komponente gewählt?
Frau Lenke, natürlich kann man sagen: Ein Jahr ist
viel zu wenig, damit verschlechtert sich die Situation.
Gerne hätten wir zwei, drei, sechs oder auch zehn Jahre
vorgesehen; da bin ich mit Ihnen vollkommen d’accord.
Verantwortungsvolle Politik heißt aber auch, die Rah-
menbedingungen zu beachten. Da die Kassenlage ist,
wie sie ist, muss man bestimmte Vorgaben berücksichti-
gen; das ist das eine.
Das Zweite ist – da hoffe ich auf Ihre Unterstützung,
darauf, dass Sie zum Beispiel der Fraktion der FDP in
Nordrhein-Westfalen Hilfestellung geben; sie ist dort
zusammen mit der Fraktion der CDU in der Regierungs-
verantwortung –, dass wir zum Beispiel auch Hoch-
schulabsolventinnen und Studentinnen mehr Kinderbe-
treuungsangebote eröffnen müssen. Das ist etwas, das
wir ganz schnell gemeinsam lösen könnten. Ich würde
mich freuen, wenn wir beide gemeinsam einen solchen
Vorstoß machen würden. Das heißt, wir müssen die Rah-
menbedingungen für junge Frauen, die sich im Studium
befinden, verbessern. Das heißt ferner, Angebote für die
qualitativ gute Betreuung der Kinder zu schaffen. Das
machen wir zusammen als eine Initiative; darauf freue
ich mich sehr. Das können wir ganz schnell umsetzen.
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Die Sachverständigen des Siebten Familienberichtsaben sich natürlich auch zum Elterngeld geäußert. Sieaben festgestellt – ich möchte zitieren –:Ein einkommensabhängiges Elterngeld hat … diegleiche Bedeutung wie die … Fortbildung für denBeruf, denn es ist eine Freistellung von der Er-werbsarbeit zur Unterstützung der Entwicklung vonHumankapital einer Wissensgesellschaft.Hier wird noch einmal ganz deutlich, welche beson-ere Verantwortung junge Paare übernehmen, wenn sieinder bekommen und sich der Erziehung ihrer Kinderidmen. Wir sollten gemeinsam alles tun, damit dieahmenbedingungen für junge Eltern besser werden, alsie bisher gewesen sind. Das würde es ermöglichen, dassie Entscheidung für das Kind spontaner, schneller undormaler getroffen wird. Wir sind uns doch auch allearüber im Klaren: Wenn wir, die wir jetzt Eltern sind,amals alle überlegt hätten, ob es der richtige Zeitpunktst, ein Kind zu bekommen, hätten wir viele Kinder nichtekommen. Wir haben es damals als normal empfunden,inder zu bekommen. Ich glaube, das ist ein wichtigerunkt, den wir in unseren Betrachtungen nicht außercht lassen dürfen.Wir brauchen eine kinder- und familienfreundli-here Gesellschaft. Sie können mir glauben: Wenn esazu eine Gesetzesvorlage gäbe, hätten wir sie schonängst auf den Weg gebracht. Sie gibt es aber nicht. Be-innen muss das in unseren Köpfen. Ich kann nur dafürerben, dass wir unsere täglichen Handlungen daraufhin
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5368 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Ingrid Fischbachüberprüfen, ob wir wirklich so kinderfreundlich sind,wie wir manchmal tun. Ich glaube, an der einen oder an-deren Stelle täte uns ein wenig mehr Kinderfreundlich-keit gut. Das ist ein Zeichen, das die jungen Leute brau-chen, das die Familien brauchen, um zu erkennen: Siewerden von uns, den Politikern, geachtet, respektiert undgefördert.
Frau Kollegin.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Bischof Huber
über die Bedeutung der Familie schließen:
Heute geht es darum, die Bedeutung der Familie
wie das Glück mit Kindern neu zu entdecken … Für
beides ist neues Zutrauen nötig. Ein Zutrauen zur
Leistungsfähigkeit unserer Familien. Und ein Zu-
trauen zu einem Leben mit Kindern.
Wir von CDU/CSU haben dieses Zutrauen: Für un-
sere Familien, für unsere Kinder, für unsere Zukunft!
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sibylle Laurischk,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Ministerin, an Ihrem Gesetzentwurf gefällt
mir gut, dass Sie das Thema der Väter in den Blick ge-
nommen haben. Das Stichwort „Vätermonate“ hat mir
die Hoffnung gegeben, dass die Bedeutung der Väter
in der Diskussion stärker herausgestellt wird. Ich sage
bewusst als alleinerziehende Mutter und Scheidungs-
anwältin: Väter finden in Deutschland zu wenig statt.
Dennoch bleiben – das muss ich insbesondere nach der
Diskussion im Ausschuss feststellen – verfassungs-
rechtliche Bedenken. Deswegen wird die FDP-Fraktion
diesen Gesetzentwurf ablehnen müssen.
Die Vermischung von einkommensunabhängiger So-
zialleistung, nämlich dem Mindestelterngeld in Höhe
von 300 Euro, das allen Eltern in Anerkennung ihrer Er-
ziehungsleistungen anrechnungsfrei gezahlt werden soll,
und der gleichfalls aus Steuermitteln gewährten Einkom-
mensersatzleistung, dem eigentlichen Elterngeld in
Höhe von 67 Prozent des letzten über einen Zeitraum
von zwölf Monaten erzielten Einkommens, fällt uns be-
sonders ins Auge. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz ist
die Grundlage für das Mindestelterngeld als einkom-
mensunabhängige Sozialleistung nach Bedürftigkeit. Als
Grundlage für die Gewährung als Einkommensersatz-
leistung reicht das nicht. Die verfassungsrechtlich sau-
bere Lösung wäre eine beitragsfinanzierte Leistung, wie
es sie in Schweden gibt.
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Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Kucharczyk,
PD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauinisterin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meineehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Le-ung zum Elterngeld setzt die jetzige Koalition in der Fa-ilienpolitik den richtigen Weg, den die vorherige Re-ierung eingeschlagen hat, konsequent fort. Der Siebteamilienbericht macht deutlich: Das Elterngeld, das eseiden Elternteilen ermöglicht, eine berufliche Auszeitu nehmen, ist der richtige Weg in eine Zukunft der ver-ntwortlichen Gleichstellungs- und Familienpolitik.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5369
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Jürgen KucharczykDabei ist die Vereinbarkeit von Familie und Berufkeineswegs nur ein Frauenthema. Junge Eltern habenheute den Anspruch, selbst zu entscheiden, wer von bei-den wie lange zu Hause bleibt, um ohne finanzielle Eng-pässe für ein Kind zu sorgen. Dafür bietet das Elterngelddie notwendige Flexibilität. Im ersten Lebensjahr desKindes erhält ein nicht voll erwerbstätiges Elternpaar dieOption auf eine Lohnersatzleistung in Höhe von 67 Pro-zent des vormaligen Nettoeinkommens des betreuendenElternteils. Mit mindestens 300 Euro – auch für zuvornicht arbeitende Eltern – und maximal 1 800 Euro unter-stützen wir junge Familien bei ihrer wichtigen Aufgabeder Kinderbetreuung in den ersten Monaten. Bei einerMindestbeteiligung der Väter von zwei Monaten wirddas Elterngeld 14 Monate lang gezahlt.Im Gegensatz zum Erziehungsgeld kombinieren wirnun eine höhere finanzielle Unterstützungsleistung miteiner kürzeren Laufzeit. Das entspricht den aktuellen Le-bensumständen junger Eltern. Sie möchten ihren Le-bensstandard nicht gefährden und haben beruflich kaumAufstiegsmöglichkeiten, wenn sie für mehrere Jahre ausdem Arbeitsleben ausscheiden.Dem Anschein nach entscheiden sich heute vielejunge Männer gegen die Gründung einer Familie. Istdiese Aufgabe wirklich eine Last? Ist es so viel wenigerattraktiv, Kinder zu bekommen und zu erziehen, als demBeruf absoluten Vorrang einzuräumen? Es muss einmalganz deutlich gesagt werden: Kinder machen Spaß. Siebereichern das Leben und sind eine schöne Herausforde-rung, für die es sich lohnt, zu kämpfen.
Als zweifacher Vater und zweifacher Großvater kann ichIhnen das versichern.Eine Meinungsumfrage des Forschungsinstituts Ipsosunter Männern hat ergeben, dass sich 68 Prozent der be-fragten Männer durchaus vorstellen können, Elternzeitzu nehmen. Das zeigt deutlich: Väter wollen heute be-wusst mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Die Rea-lität zeigt leider, dass vielen, die heutzutage eine Auszeitvom Job für ihre Kinder nehmen, dies, insbesondere inFührungspositionen, als Nachteil in den Unternehmenausgelegt wird. Dort setzen wir nun in einem erstenwichtigen Schritt mit dem Elterngeld an. Die Unterneh-mensvorstände würden gut daran tun, sich an unserenskandinavischen Nachbarländern zu orientieren. Amdortigen System wird deutlich, wie die Vereinbarkeitvon Familie und Beruf funktionieren kann.Laut einer DIW-Studie ist es für Männer außerordent-lich wichtig, über ein stabiles Einkommen zu verfügen,ehe sie eine Familie gründen. Gerade für Väter ist dieHöhe des Nettolohns entscheidend, um außerberufliches,familiäres Engagement attraktiv zu gestalten. Seit derReform des Bundeserziehungsgeldgesetzes 2001, das biszu 30 Wochenstunden Erwerbsarbeit während der In-anspruchnahme der Elternzeit zulässt, sind immerhin5 Prozent der Personen in Elternzeit Männer. DiejenigenElternpaare, die heute keine Elternzeit in Anspruch neh-men, begründen dies überwiegend mit finanziellen undberuflichen Nachteilen. Auch beim traditionellen Haus-fuesizgtfswizEEnjbvDembetdsndvDrdlbdDsRmdDrf
Solange es allerdings Personalverantwortliche gibt,ie junge Frauen bei der Arbeitsplatzvergabe benachtei-igen, weil sie im gebärfähigen Alter sind, wird das Pro-lem der Kinderlosigkeit in unserer Gesellschaft mitem Elterngeld allein nicht gelöst.
enn nur eine aufgeklärte und zukunftsorientierte Ge-ellschaft wird nicht mehr thematisieren, dass Frauenabenmütter sind, wenn sie arbeiten, sondern es als nor-al ansehen.
Fakt ist, dass bislang nur die Hälfte aller Mütter auser Elternzeit in die Erwerbstätigkeit zurückkommen.as sind zu wenig. Die Berufstätigkeit von Frauen ge-ade in Zeiten eines drohenden Fachkräftemangels zuördern, muss in unser aller Interesse sein.
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5370 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Jürgen Kucharczyk
Dazu gehört allerdings auch, wirtschaftspolitisch etwaszu unternehmen, um dem Trend von immer weniger fes-ten Arbeitsplätzen hin zu immer mehr Patchworkbiogra-fien Einhalt zu gebieten. Auch die deutsche Wirtschaftträgt Mitverantwortung für die künftigen Generationen inunserem Land. Praktika, befristete Arbeitsverhältnisse,Teilzeit oder – im schlimmsten Fall – Erwerbslosigkeitbieten zu wenig materielle Sicherheit, um Kinder groß-zuziehen. Arbeitsplatzsicherheit und die Perspektive,den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können, wer-den dazu beitragen, dass sich Männer und Frauen eherfür Kinder entscheiden.Eine nachhaltige Familienpolitik muss, wenn sie einezukunftsorientierte Änderung der bestehenden Rollen-verteilung anstrebt, umso mehr auch Geschlechterpoli-tik sein. Für unsere Gesellschaft ist es wertvoll und uner-lässlich, dass auch berufstätige Karrierefrauen Kinderbekommen und ihnen ein Vorbild sein können.
Daher möchte ich betonen: Wir brauchen einen gesell-schaftlichen Wandel.Liebe Kolleginnen und Kollegen, um zu verdeutli-chen, dass wir die Leistungen für Familien nicht auf daserste Jahr beschränken wollen, erinnere ich ausdrücklichan das Tagesbetreuungsausbaugesetz, welches den Aus-bau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die steuer-liche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten vor-sieht, und die steuerliche Förderung haushaltsnaherDienstleistungen.Selbstverständlich gibt es auch im Hinblick auf dasElterngeld noch Verbesserungsvorschläge. Für uns So-zialdemokraten sind nicht alle Entscheidungen zufrie-denstellend, aber wir haben einen Kompromiss ausge-handelt, mit dem wir unsere erfolgreiche Familienpolitikder letzten Wahlperiode fortsetzen. Für die Bezieher desALG II bzw. der Grundsicherung haben wir eine Rege-lung realisiert, die vorsieht, dass für die Dauer von zwölfMonaten ein Elterngeld in Höhe von 300 Euro gezahltwird. Diese Ergänzung des Elterngeldes um ein Leis-tungselement für Eltern mit geringem Einkommen istwichtig, um allen Erziehenden eine Mindestleistung zugarantieren.Mit dem Elterngeld treffen wir die richtige Entschei-dung für die Zukunft. Mit der Förderung der Elternzeitfür beide Erziehungsberechtigten legen wir den Grund-stein für einen Wandel vom nicht mehr zeitgemäßenHausfrauenmodell hin zu einer emanzipierten und ge-schlechtergerechten Gesellschaft. Mit dem Elterngeldsind wir auf dem richtigen Weg. Wir in der Koalition re-den nicht nur über bessere Familienpolitik, sondern wirpacken sie auch kreativ und konstruktiv an.Herzlichen Dank.
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Herr Kucharczyk, Sie haben Recht: Gesellschaftli-her Wandel braucht Zeit. Wir wissen nicht, wie sichas Elterngeld auswirken wird. An einem Punkt bin ichllerdings etwas optimistisch: Ich erhoffe mir sehr, dassich zumindest bei den Vätern etwas tun wird. Dennunge Väter wollen mehr partnerschaftliches Miteinan-er. Die Rahmenbedingungen und der dazu nötige finan-ielle Spielraum werden nun endlich geschaffen. Manann die jungen Väter nur noch auffordern: Ergreiftiese Chance! Allerdings haben sie jetzt auch eine Aus-ede weniger, wenn es nach wie vor so sein sollte, dasshre Frauen die Erziehungsarbeit allein bewältigen undas Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie al-ein lösen müssen.
ier ist auch die Initiative der Väter gefragt.
Nun komme ich zu meinen Kritikpunkten: Noch ges-ern habe ich eine Pressemeldung der CDU gelesen, iner sie die ursprüngliche Fassung der Regelung der Part-ermonate als staatliche Bevormundung betitelt hat.
en qualitativen Unterschied zwischen der Formel10 plus 2“ und der Formel „12 plus 2“ konnte mir bis-er niemand erklären.
as liegt daran, dass es keinen gibt. Daher werden auchie einen solchen Unterschied hier nicht darstellen kön-en. Entweder sind beide Modelle eine staatliche Bevor-undung oder keines der beiden Modelle ist eine staatli-he Bevormundung. Werden Sie sich endlich einmalinig, was Sie eigentlich wollen!
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5371
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Ekin Deligöz
Von Ihrer Seite wurde gesagt, Studierende würdennicht schlechter gestellt. Das ist aber die Unwahrheit.Das stimmt nicht. Für ein Paar, das sich für das Haus-frauenmodell entscheidet, gilt das Modell „12 plus 2“.Ein Paar, das sich entscheidet, während der Elternzeit zustudieren, erhält das Elterngeld aber nur zwölf Monatelang.
– Doch, genau das machen Sie. Wenn Studierende nurzwölf Monate Elterngeld bekommen und alle anderen 14,gibt es eine Ungleichheit. Das gilt erst recht für die Ar-beitslosengeld-II-Empfänger: Auch diesen werden nurzwölf Monate Elterngeld gewährt. Diese soziale Un-gleichheit können Sie eigentlich nicht verteidigen.
Geschwisterbonus. Sie sagen, Sie hätten den Zeit-raum, um in den Genuss des so genannten Geschwister-bonus zu kommen, auf 36 Monate verlängert. SchauenSie einmal genau nach, was Sie eigentlich gemacht ha-ben: Sie haben nicht die Geschwisterbonusregelung ge-ändert, sondern Sie haben deutlich mehr Anreize für dieErwerbstätigkeit von Frauen nach der Geburt des erstenKindes gesetzt,
indem Sie die Bemessungsgrundlage verändert haben.Ich finde es gut, dass Sie das gemacht haben;
denn damit fördern Sie nicht das Zuhausebleiben, son-dern die Erwerbstätigkeit.
Aber stehen Sie endlich dazu! Ihre Ministerin tut dasauch; das ist gut so. Warum verstecken Sie sich hinterFloskeln, warum sagen Sie nicht einfach, was Sie ma-chen? Das wäre eine ehrliche Politik.Mein letztes Argument: Ich weiß, Sie möchten dasR-Wort nicht hören. Gemeint ist der Rechtsanspruch.Kinderbetreuung ist für Sie ein unbeherrschbares Na-turereignis. Sie verstecken sich hinter den Kommunenund den Ländern, wenn Sie darauf verweisen, dass derBund nichts tun könne.
Ich kann nur eins sagen: Für einen Rechtsanspruch istder Bund zuständig. Wir auf Bundesebene können denRechtsanspruch einführen.WwuuLzZCHgSGtDwbtMwmEntugbkfsVzgmdrti
ir müssen ihn einführen. Solange wir das nicht tun,ird sich auf dem Markt wenig tun. Das Tagesbetreu-ngsausbaugesetz war gut. Aber es muss mehr Betreu-ngseinrichtungen geben. Sonst wird Ihr Elterngeld inseere laufen und nur zu Mitnahmeeffekten führen – undwar der Besserverdienenden. Das kann ja wohl nichtiel der Familienpolitik sein!
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Einige tun hier so, als werde mit dem Eltern-eld, das wir am heutigen Tag verabschieden wollen, einorgenkind den politischen Lebensweg beginnen. Dasegenteil ist der Fall: Für die meisten Eltern ist das El-erngeld ein Wunschkind, auf das sie sehnlich warten.
ie Kinderstube ist gut ausgestattet, für die Erziehungird gesorgt – das Elterngeld wird eine gute Zukunft ha-en. Bis zu 1 800 Euro im Monat plus Kindergeld be-rägt die höchstmögliche Transferleistung. 300 Euro alsindestelterngeld, ohne großen bürokratischen Auf-and, plus – beim ersten Kind – 154 Euro Kindergeldacht 454 Euro für jedermann, für jederfrau, für jedeslternpaar. Das ist doch kein Pappenstiel! Ich versteheicht, wie man hier krampfhaft versuchen kann, das El-erngeld kleinzureden, es madig zu machen. Freuen wirns doch, dass wir gemeinsam einen Schritt nach vorneemacht haben!
Für uns ist wichtig, dass die unterschiedlichen Le-ensmodelle berücksichtigt werden, das heißt, auch dielassische Familie zu ihrem Recht kommt. Deshalb warür uns auch entscheidend, ein Mindestelterngeld vorzu-ehen. Selbstverständlich ist es ein Vorteil, wenn für dieätermonate statt der Regel „12 minus 2“ – das heißtehn Monate, wenn der Vater nicht aussetzt – „12 plus 2“ilt, was bedeutet, dass zwei Bonusmonate hinzukom-en, wenn der Vater aussetzt. Wer nicht erkennt, dassies ein erheblicher Vorteil ist, sollte einmal die Grund-echenarten durchgehen! Wir sind froh, dass wir die El-ernmonate bzw. Vätermonate durchgesetzt haben. Dasst eine Verbesserung.
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Johannes SinghammerEbenso wichtig war uns die Einführung einer Gering-verdienerkomponente, das heißt, dass Menschen mitwenig Einkommen nicht mit Arbeitslosengeld-II-Emp-fängern gleichgesetzt werden und dass für Familien, indenen der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kin-des weniger als 1 000 Euro netto verdient hat, das El-terngeld von 67 auf 100 Prozent des Nettoeinkommensangehoben werden kann.Das ist auch wichtig für die Gruppen, über die wir ge-rade gesprochen haben, weil das im Einzelfall eine Bes-serstellung bedeutet.
Auch an die Kolleginnen und Kollegen von der FDP ge-richtet, sage ich: Dahinter verbirgt sich ein Grundsatz,den auch Sie, so denke ich, alle unterschreiben können:Arbeit muss sich immer lohnen – auch beim Elterngeld.
Kinderreichtum darf nicht materielle Armut bedeuten.Deshalb war es für uns wichtig, einen Geschwister-bonus einzuführen. Ursprünglich waren 24 Monate imGesetzentwurf vorgesehen. Auch das war schon einFortschritt. Nun ist es uns mit der Ausdehnung auf36 Monate gelungen, eine größere Wahlfreiheit zu ga-rantieren. Das heißt, niemand wird bei der Familienpla-nung unter Druck gesetzt. Ich glaube, dass das ein wich-tiger Schritt ist, um die Familien mit mehr Kindern, diein dieser Debatte immer wieder beschworen wordensind, ein Stück weit voranzubringen. Darüber bin ichfroh.
Schließlich ist noch ein weiterer Punkt von Bedeu-tung: Das Elterngeld wird attraktiv sein. Die Menschenwarten darauf. Wir wollen aber auch, dass dadurch nichtfalsche Anreize für die Immigration ausgelöst werden.Deshalb war es uns wichtig, dass Nichtdeutsche, diesich nur vorübergehend in unserem Land aufhalten, ebenkein Elterngeld erhalten können. Das ist auch gerechtfer-tigt; denn ein Spezialitätenkoch beispielsweise, der sichnur für einige Zeit hier in Deutschland aufhält, hat einenanderen Status als jemand, der dauerhaft in Deutschlandlebt.Wir freuen uns, dass die Wirtschaft dieses Elterngeldgut angenommen hat. In einer kürzlich durchgeführtenBefragung wurde festgestellt, dass sich eine große Mehr-heit von 72 Prozent mitverantwortlich dafür sieht, denBeschäftigten die Entscheidung für Kinder zu erleich-tern. Das ist ein erheblicher Fortschritt. Viele der befrag-ten Arbeitgeber zeigen sich jetzt auch für konkreteMaßnahmen offen, durch die insbesondere der Wieder-einstieg ins Erwerbsleben erleichtert wird.Ich sage an dieser Stelle aber auch, dass wir uns mitdem Elterngeld nicht begnügen wollen. Das ist ein ersterwichtiger Schritt. In dem Siebten Familienbericht, umddSftdaDaucfDtanRut–daKtmFzfgidsd1
eshalb begrüße ich es, dass die 145 Familienleistungenuf den Prüfstand gestellt werden, dass wir sie bewertennd dann versuchen – das werden wir nicht nur versu-hen, sondern auch schaffen –, einige breite Schneisenür eine übersichtliche Familienförderung zu schlagen.
ie durch den reduzierten Bürokratieaufwand eingespar-en Mittel wollen wir für die Familien reservieren undusgeben. Ich denke, dass dem alle hier zustimmen kön-en.
Das gilt auch für die so genannte demografischeendite. Immer häufiger ist zu hören, man könne hiernd dort etwas einsparen. Das betrifft alle Körperschaf-en. Durch den Geburtenrückgang ist in der Tat für viele auch für die Kommunen – eine neue Situation entstan-en. Es gibt immer weniger Kinder. Deshalb werdenuch weniger Aufwendungen notwendig.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Lenke?
Aber sehr gerne.
Herr Grübel, Herr Singhammer und ich haben ein gu-
es kollegiales Verhältnis. Das mag zwischen Ihnen und
ir ja anders sein.
Herr Singhammer, ich habe eine wirklich ernsthafte
rage. Wir alle wollen, dass die 145 Familienleistungen
usammengeführt und geprüft werden. Wir müssen uns
ragen, welche notwendig sind und welche erhöht oder
estrichen werden müssen. Meine Frage lautet: Warum
st das nicht im ersten Schritt geschehen? Bezogen auf
ieses Ergebnis hätte dann ein neuartiges Elterngeld ent-
tehen können. Warum kommt der zweite Schritt vor
em ersten?
Liebe Frau Kollegin Lenke, das Vorhaben, die45 Familienleistungen zu bewerten, zu prüfen und neu
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Johannes Singhammerzu ordnen, ist eine geradezu titanenhafte Aufgabe. Damitwerden nämlich 50 Jahre Familienpolitik in Deutschlandneu bewertet und erarbeitet. Das kann nicht in ein paarWochen geschehen.Uns war wichtig, dass das Elterngeld, das wir ver-sprochen haben, rasch und unverzüglich auf den Weg ge-bracht wird. Schneller als bis zum 1. Januar kommendenJahres war das nicht möglich. Wir sind froh, dass wir dasgeschafft haben. Ich versichere Ihnen: Wir werden dieNeuordnung der Familienleistungen zügig angehen underfolgreich sein.
Lassen Sie mich kurz meinen Gedanken zu Endebringen. Der Geburtenrückgang wird in vielen Berei-chen des Finanzwesens zu Einsparungen führen. DieseEinsparungen dürfen aber nicht zur Konsolidierung derHaushalte verwandt werden. Wir brauchen hier zumin-dest eine Aufrechterhaltung des Status quo in allen Be-reichen der öffentlichen Haushalte, sodass Leistungenim Sinne von Kinder- und Familiengerechtigkeit aufdem bisherigen Niveau bleiben. Jeder durch Geburten-rückgang eingesparte Euro soll und sollte für Familienverwandt werden; das ist ganz wichtig.Die finanzielle Gerechtigkeit wird weiterhin einegroße Rolle spielen. Das ist aber nicht der einzige Punkt.Wichtig ist auch ein Umdenken in den Köpfen in unse-rem Land. Familien und Kinder gehören in unsere Ge-sellschaft. Mit dem Elterngeld haben wir nicht nur dielangjährige Forderung erfüllt, ein finanzielles Aus-gleichssystem zu schaffen und so die Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf zu verbessern, sondern wir habenauch dazu beigetragen, dass Familien und Kinder bei unseinen ganz hohen Stellenwert haben. Diesen werden wirweiter ausbauen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Christel Humme, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-
nen! Entgegen dem, was in der Medienlandschaft nach-
zulesen ist, hat sich Rot-Schwarz am heutigen Tag geei-
nigt.
Wir verabschieden heute das Gesetz zur Einführung
des Elterngeldes. Wir haben es geschafft – das sage ich
nicht ohne Stolz; darauf hat auch Frau Fischbach hinge-
wiesen –, uns trotz verschiedener Familienbilder zu ver-
ständigen. Ab dem 1. Januar 2007 profitieren 365 000 Fa-
milien von der Einführung des Elterngeldes, und zwar
stärker als von dem jetzigen Erziehungsgeld. Das ist ein
wesentlicher Erfolg dieser Koalition.
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Wir haben eine gemeinsame Antwort auf die Frage
on jungen Männern und Frauen gefunden, wie sie in
ukunft Familienarbeit und Beruf untereinander besser
ufteilen können. Eine Umfrage in dieser Woche hat ge-
eigt, dass in der Tat 68 Prozent der Männer – Herr
ucharczyk hat das schon erwähnt – bereit sind, Eltern-
eit zu nehmen. Ich sage an dieser Stelle: Ich wäre froh,
enn nur die Hälfte der Männer dies tatsächlich machen
ürde; denn das wäre eine Steigerung von heute
Prozent auf 34 Prozent in der Zukunft. Das heißt, etwa
00 Prozent mehr Männer als heute würden Elternzeit
ehmen. Das würde ich sehr begrüßen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, in der
ergangenheit – das war auch in der Ausschussdebatte
o – habe ich immer geglaubt, das Aufbrechen bestehen-
er Rollenbilder sei auch Ihr Thema.
Natürlich? Jetzt stellen Sie sich allerdings hier hin und
ehnen unseren Gesetzentwurf zur Einführung des El-
erngeldes mit dem alleinigen Argument ab, es sei ver-
assungswidrig.
olche Argumente kommen eigentlich immer nur dann,
enn man selber kein Konzept hat.
as lässt vermuten, dass Sie kein schlüssiges familien-
olitisches Konzept vorlegen können. Sie geben den jun-
en Männern und Frauen keine Antwort auf ihre Fragen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Laurischk?
Bitte.
Frau Kollegin Humme, wir haben ausgeführt, dass inem Gesetzentwurf eine Vielzahl von Ungereimtheitenesteht und dass Ungleichbehandlungen vorgesehenind, die sicherlich auch verfassungsrechtlich relevantind. Nehmen Sie zur Kenntnis und wie stehen Sie dazu,ass die von mir angeführten Ungleichbehandlungenicherlich auch zu einer Vielzahl sozialgerichtlicher
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Sibylle LaurischkVerfahren führen werden? Nach meiner Einschätzungwird eine Vielzahl von Betroffenen zur Klärung der Be-rechnungsgrundlage für das Elterngeld den Klagewegbeschreiten müssen. Das wird die Verschärfung der Lagean den Sozialgerichten und eine stärkere finanzielle Be-lastung der Justizhaushalte zur Folge haben.
Wenn ich Ihren Entschließungsantrag richtig verstan-den habe, begründen Sie Ihre Forderungen unter ande-rem – –
– Ich kann nicht alles zitieren; dann bräuchte ich dreiStunden.Ich will nur Ihr Argument der verfassungsrechtlichenBedenken aufgreifen. Sie meinen, dass eine steuerfinan-zierte einkommensabhängige Leistung eine verfassungs-rechtlich unzulässige Ungleichbehandlung ist. Wirhaben aber mit der Arbeitslosenhilfe jahrelang steuerfi-nanzierte und einkommensorientierte Leistungen ge-währt.
Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand dage-gen verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht hat.
– Doch, das war die Antwort auf Ihre Frage.Oberstes Ziel des Elterngeldes – das wurde heuteschon mehrfach gesagt – ist die Geschlechtergerechtig-keit. Im Laufe der Debatte ist aber auch immer wiederdie Frage der sozialen Gerechtigkeit angesprochen wor-den. Ich meine, beides hängt eng miteinander zusam-men. Es lohnt sich vielleicht, das Elterngeld auch unterdiesem Aspekt zu betrachten.Dabei stellt sich zunächst die Frage, an wen sich dasElterngeld vor allem richtet. Ich glaube, es ist heute nochnicht richtig deutlich geworden, wen wir damit erreichenwollen. Es geht um Männer und Frauen um die 30 – über95 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe sind be-rufstätig –, die sich für eine Familie entscheiden wollen.Diesen Menschen möchten wir mit unserem Elterngelddie Entscheidung für Familie und Beruf erleichtern.Wir wissen, dass die berufstätigen Frauen in dieserAltersgruppe keine Reichtümer verdienen. Sie verdienenim Durchschnitt 1 200 Euro. Wir fördern also nicht dieReichen und es geht uns auch nicht um eine Umschich-tung. Im Gegenteil: Wir wissen schließlich, dass bei derGründung einer Familie das größte Risiko von denFrauen getragen wird. Wenn Frauen zu Hause bleibenund ein Einkommen wegfällt, ist es deshalb richtig,67 Prozent dieses Einkommens zu ersetzen, um den Le-bensstandard der Familien zu sichern.Ein besonderes Risiko tragen Geringverdiener– auch das wurde bereits angesprochen –, darunter vieleAlleinerziehende und Familien mit zwei und mehr Kin-dk1dirshslnMmngelotdv–azslHkg–WrsdwrFgFdgbM
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der längeren Be-ufspause. Die Frauen haben oft Schwierigkeiten, an-chließend wieder eine Beschäftigung aufzunehmen. Sieaben berufliche Nachteile und ihnen fehlt eine eigen-tändige Absicherung im Alter.Darum ist es sozial gerecht, das Elterngeld grundsätz-ich nur für ein Jahr zu zahlen und anschließend die Auf-ahme der Beschäftigung zu erleichtern. Ich bin dereinung, dass teure – leider oft wirkungslose; das mussan kritisch feststellen – Wiedereinsteigerprogrammeach einer langen Familienphase der Vergangenheit an-ehören sollten. Auch das ist zu berücksichtigen, wenns um soziale Gerechtigkeit geht.Wir haben uns bewusst entschieden, auch den Arbeits-sengeldempfängern zwölf Monate lang 300 Euro El-erngeld zu zahlen, obwohl wir dafür sehr kritisiert wur-en. Den Linken ist das zu wenig – sie haben offenbariel Geld in der Haushaltskasse
ja, das hat Herr Wunderlich gesagt; ich komme gleichuf den Bundesrechnungshof zu sprechen –, sie wollenwei Jahre Elterngeld für Arbeitslose. Die FDP schließtich dem Bundesrechnungshof an. Sie hätten lesen sol-en, was der Bundesrechnungshof dazu festgestellt hat,err Wunderlich. Er empfiehlt nämlich, Arbeitslosenein Elterngeld zu zahlen. So ist das hier im Parlamentanz links und rechts.
Ganz rechts wäre falsch. Es geht um die Sitzordnung.ir halten sowohl das eine als auch das andere für unge-echt. Wir wollen die Schwächsten in unserer Gesell-chaft, die Arbeitslosen, mitnehmen und dafür sorgen,ass auch sie vom Elterngeld profitieren. Deshalb habenir uns für diese Lösung entschieden. Sie ist sozial ge-echt.
Herr Kucharczyk hat Recht: Die Vereinbarkeit vonamilie und Beruf darf zukünftig nicht allein Angele-enheit der Frauen sein. Wenn sich mehr Männer an deramilienarbeit beteiligen – ich hoffe, dass das Elterngeldazu führen wird –, dann ergeben sich auch Veränderun-en in den Betrieben. Frauen werden mehr Chancen ha-en, wenn es um Bewerbung und Beförderung geht.änner trauen sich eher, in die Elternzeit zu gehen, weil
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Christel Hummeauch sie einen Anspruch auf Elterngeld haben. Wir kom-men dann der tatsächlichen Gleichstellung sehr viel nä-her.Wir ersetzen heute das Erziehungsgeld durch das El-terngeld und erreichen damit mehr Geschlechtergerech-tigkeit und gleichzeitig – davon bin ich überzeugt – mehrsoziale Gerechtigkeit.
Aber wir alle sind uns im Parlament einig – ich glaube,das muss ich nicht mehr betonen –, dass neben der Ein-führung eines Elterngelds unbedingt die Betreuungssi-tuation verbessert werden muss.Frau Ministerin, der von Ihnen angesprochene SiebteFamilienbericht enthält viele Vorschläge, die deutlichmachen, was in Zukunft eine nachhaltige Familienpoli-tik ausmacht. Zwei Leitlinien stehen dabei im Vorder-grund: zum einen gleiche Chancen für die Geschlechterund zum anderen gute Entwicklungschancen aller Kin-der. Das alles erfordert eine wirksame finanzielle Förde-rung, mehr Zeit und eine bessere Infrastruktur.Frau Lenke, Sie haben gesagt, wir hätten nichts mehrgemacht. Aber Sie, die Sie genauso wie ich schon seit1998 Mitglied dieses Parlaments sind, wissen ganz ge-nau, dass wir den Perspektivwechsel, der im SiebtenFamilienbericht gefordert wird, mit dem Ganztagsschul-programm von 2003 und dem Tagesbetreuungsausbau-gesetz von 2005 längst eingeleitet haben. Diesen Prozesssetzen wir heute mit dem Elterngeld und in Zukunft– wenn das Angebot an Betreuungsplätzen in den Kom-munen nicht ausgebaut wird – mit einem Rechts-anspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährigefort; darauf haben wir uns in der Koalition festgelegt.
Wir müssen zudem mehr für Bildung und Betreuungtun. Dafür stellen wir – wie im Familienbericht gefor-dert – alle steuerlichen Maßnahmen auf den Prüfstand,damit wir mehr in Betreuung und Erziehung investierenkönnen. Ich bin gespannt, welche familienpolitischenKonsequenzen wir gemeinsam aus dem Siebten Fami-lienbericht ziehen.Schönen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zur Ab-stimmung kommen, möchte ich Frau StaatsministerinMüller – sie ist leider schon gegangen; aber gerade warsie noch da – für die Zukunft – sie geht für ein Jahr inden Erziehungsurlaub –
– Entschuldigung, Elternurlaub –
alles Gute wünschen.
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Wie verschiedene Studien in der jüngsten Zeit leiderottes offenbart haben, gibt es durchaus auch Defizite,nsbesondere im Schulbereich. Gerade die jüngsteprint-Studie zum Sportunterricht, die die Länder inuftrag gegeben haben, offenbart, dass bedauerlicher-eise jedes sechste bis siebte Kind an den deutschenchulen übergewichtig ist und dass die Schülerinnen undchüler in Deutschland am Tag durchschnittlich sagend schreibe dreieinhalb Stunden vor dem Fernseherzw. vor dem Computer verbringen.
Die Schäden und die Auswirkungen sind allgegen-ärtig, seien es Haltungsschäden, Rückenleiden oderssstörungen – jedes fünfte Kind in Deutschland leidetnter Essstörungen –, seien es mangelnde Konzentra-ionsfähigkeit, abnehmende Lernbereitschaft, Herz- undreislauferkrankungen oder die schon eben erwähnteettleibigkeit.Es muss uns alle erschrecken, dass 43 Prozent aller- bis 17-Jährigen bei einer einfachen Rumpfbeuge nichtis zur Fußsohle kommen. Ich kann Sie nur dazu animie-en, dies einmal zu versuchen.
Ich hoffe, dass die Prozentzahl in diesem Haus niedri-er ist. 86 Prozent aller Kinder zwischen vier und 17önnen nicht einmal eine Minute lang auf einem Beintehen und 35 Prozent aller untersuchten Jugendlichenonnten nicht einmal mindestens zwei Schritte rück-ärts balancieren.
Dies sind meiner Meinung nach Auswirkungen, dieesorgniserregend sind. Sie sind ein ganz klares Signalahin gehend, dass alle gesellschaftlichen Ebenen, nichtur die Bundesebene und auch nicht nur alle politischenbenen, aufgefordert sind, hier entsprechend gegenzu-teuern.
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Stephan Mayer
Ich halte es für besorgniserregend, dass die Anzahlder Sportstunden immer mehr zurückgeht. Ich führeviele Gespräche mit mittelständischen Unternehmen.Dadurch habe ich viele Appelle vernommen, die Lehr-pläne zu straffen, um für vermeintlich wichtigere Unter-richtsfächer mehr Schulstunden zur Verfügung zu stel-len. Ich bitte aber, bei dieser Gelegenheit nicht außerAcht zu lassen, dass viele Jugendliche außerhalb derSchule keine Gelegenheit wahrnehmen, Sport zu treiben.Deswegen ist es meines Erachtens wichtig, dass Sport-unterricht zumindest zwei oder drei Stunden in der Wo-che angeboten wird. Dieses Fach ist – das bitte ich mitzu bedenken – für Schüler mit schwächeren Schulleis-tungen durchaus eine Möglichkeit, sich zu profilierenund mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Das kann positive Auswirkungen auf die Leistungen undauf die Erfolge in anderen Schulfächern haben. Wir müs-sen in Zukunft mit Sicherheit schon früher anfangen,Kinder und Jugendliche an den Sport heranzuführen.Man darf den gesamten Bereich der Kindergärten hiernicht ausklammern.Ein ganz wichtiger Punkt ist mit Sicherheit, dass dieInfrastruktur im Sportbereich deutschlandweit verbes-sert wird. Früher gab es in der Nähe eines jeden einenSpielplatz. Dies ist heute leider Gottes nicht mehr so. Esist ganz entscheidend, dass alle politischen Ebenen et-was dafür tun, dass wir in Deutschland eine ausgewo-gene und angemessene Sportstättenlandschaft haben.Bei dieser Gelegenheit bitte ich, immer zu bedenken,dass wir – natürlich auch aufgrund der veränderten Fami-lienverhältnisse und der veränderten Schullandschaft –verstärkt das Bedürfnis haben, nach 20 Uhr Sport zu trei-ben. Wir sollten uns an dieser Stelle vielleicht einmalGedanken machen, ob es sinnvoll ist, die Bundes-Immis-sionsschutzverordnung so zu ändern, dass strengereImmissionsschutzwerte nicht schon ab 20 Uhr, sondernerst ab 22 Uhr gelten.
Ein sehr wichtiger Punkt ist in diesem Zusammen-hang, dass Sportvereine und Schulen in Zukunft stärkerzusammenarbeiten. Es gibt in Bayern ganz positive Er-fahrungen mit dem Programm „Sport nach 1“. DiesesProgramm sieht vor, dass die Sportvereine nach Schul-schluss in die Schulen kommen und Sportmöglichkeitenanbieten; die Teilnahme geschieht natürlich auf freiwilli-ger Basis. Im Angebot sind unter anderem Sportarten,die in der Schule in der Regel nicht betrieben werden.Ich glaube, dieser Ansatz sollte in Zukunft noch stärkerverfolgt werden.Ein Bereich, der bei der Förderung der Bewegung unddes Sports in Deutschland keinesfalls außer Acht gelas-sen werden darf, ist der Gesundheitssektor. Es ist er-schreckend, dass die jüngste Studie des Robert-Koch-In-stituts ergeben hat, dass insgesamt 50 Prozent allerFrauen und 67 Prozent aller Männer übergewichtig sind.EtStAdgedawggSbgBzSuzmPasgnwoB
Abschließend möchte ich sagen: Es sollte unser alleretitum sein, ob auf der Bundes-, auf der Landes- oderuf der kommunalen Ebene: Wir sollten nicht am Sportparen, sondern mit dem Sport sparen. Ich möchte dieserade nicht mit dem Appell verbinden, dabei immereue Gesetze zu schaffen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen; sonst
ird es zu anstrengend.
Ich komme gerne zum Ende und zitiere nur noch einberstes Verfassungsorgan, nämlich den Präsidenten desundesverfassungsgerichts. Er hat vor kurzem gesagt:Der Gesetzgeber muss sich wieder mehr auf dieGrundlagen der freiheitlichen Verfassungsordnungbesinnen. Er sollte Freiheit, Selbstbestimmung undEigenverantwortung der Bürger stärken, anstatt sichum alle gesellschaftlichen Felder bis zur letzten Fa-cette selbst kümmern zu wollen.
Herzlichen Dank.
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Ich erteile das Wort Kollegen Detlef Parr, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! StephanMayer hat zu Recht Hans-Jürgen Papier zitiert. Wir sindhier sehr nahe beieinander. Ich kann das nur unterstrei-chen. – Zum Präventionsgesetz werde ich nachher nochetwas sagen.Am 18. Januar hat die FDP-Fraktion den Antrag„Sprint-Studie des Deutschen Sportbundes darf nichtfolgenlos bleiben – Jetzt bundesweite Wende im Schul-sport einleiten“ vorgelegt, der am 16. Februar in diesemHaus debattiert wurde.
Sieben Monate später machen CDU/CSU und SPDihre damalige Ankündigung wahr, einen Koalitionsan-trag einzubringen, der – ich darf hierzu meinen geschätz-ten Kollegen Klaus Riegert aus jener Debatte zitieren –„die gesellschaftspolitischen und die sportpolitischenAspekte des Sports einschließlich des Schulsports undanderer Elemente umfasst“. Das ist eine ganz schönlange Zeit, um sich über die umfassende Förderung vonSport und Bewegung in Deutschland zu einigen.
Das ist ein weiteres Beispiel für langwierige Abstim-mungsprobleme einer großen Koalition auf einem ei-gentlich streitfreien Feld. Wenn Sie schon dafür siebenMonate brauchen, wie soll es dann eigentlich bei der Ge-sundheitsreform weitergehen?
Wir freuen darüber, dass wir die Debatte jetzt endlichweiterführen können. Wenn man beide Anträge neben-einander legt, findet man schon viele Gemeinsamkeiten.Ich möchte bereits hier unsere Bereitschaft signalisieren,Kollege Riegert, bei den Ausschussberatungen zu einemgemeinsamen Antrag zu kommen. Wir werden sehen.Einig sind wir uns darüber, dass auch vor dem Hinter-grund einer Neuorientierung unseres Gesundheitssys-tems ein möglichst früher Einfluss auf Lebensstil undLebensgewohnheiten unserer Kinder und Jugendli-chen durch Elternhaus und Schule dringend geboten ist.Einig sind wir uns auch darüber, dass viele Sportver-eine hervorragende, die Gesundheit fördernde Pro-gramme anbieten, die Bestandteil von Bonusregelungenfür die Versicherten sein und von den Krankenkassenauch anderweitig vertraglich unterstützt werden sollten.Konsens besteht mittlerweile auch darüber – vor sie-ben Monaten sah das noch ein bisschen anders aus –, dieSchulsportstudie „Sprint“ mit ihren Ergebnissen ernst zunehmen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Wir müs-sbSdgBszitatdgZrDJDtanghlsmstsnSiAhMDddszssRa
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5379
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Die Angebote zur Prävention sollen auf die Bedürfnisseder Zielgruppen zugeschnitten und geeignet sein, ge-sundheitsgerechtes Verhalten zu begünstigen. Sie müs-sen dem Bürger ermöglichen, auf guter Information ba-sierende Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet für diePräventionsstrategie, dass nicht in erster Linie Verboteund Reglementierungen im Vordergrund stehen, sondernAnreize und Informationen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in seiner BerlinerRede „Bildung für alle“
hat Bundespräsident Horst Köhler den Sport an verschie-denen Stellen erwähnt. Er hat dabei deutlich gemacht– ich zitiere –:Bei der Konkurrenz um die knappe Schul- undLernzeit dürfen Fächer wie Musik, Kunst und Sportnicht ins Hintertreffen geraten. Denn Musik, Kunstund Sport bringen Vernunft und Gefühl zusammen,und das ist wichtig für die Persönlichkeit und gutfür Intuition und Kreativität.
Ich füge hinzu: Sport und Bewegung müssen wie selbst-verständlich wieder zu den Grundfertigkeiten wie Lesen,Rechnen und Schreiben gehören. Dann sind wir auf demrichtigen Weg.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Martin Gerster, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Noch vor einer Viertelstunde war ich guten Mutes und
voller Hoffnung, dass wir heute den ereignisreichen Tag
erleben, an dem die FDP auch einmal einen Antrag der
Koalitionsfraktionen lobt. Ich habe allerdings in den ers-
ten Minuten relativ viel Kritik gehört
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Lieber Detlef Parr, Sport und Bewegung sind der gro-
en Koalition so wichtig, dass wir heute hier im Plenum
ber unseren eigenen Antrag debattieren.
Denn wir glauben, dass das Thema Sport und Bewe-
ung nicht nur eine Frage im Zusammenhang mit dem
chulsport ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche He-
ausforderung darstellt, der wir uns stellen müssen.
Ich habe den Eindruck, dass wir gerade erst am
ienstag dieser Woche in unserer Annahme bestätigt
orden sind, denn da wurde die Studie KIGGS veröf-
entlicht. Vielleicht haben Sie von der Opposition das
uch wahrgenommen. Dabei wurde deutlich, dass das
roblem in Deutschland nicht ist, dass der Sportunter-
icht zu wenig leistungsorientiert gestaltet wird, sondern
ielmehr ist, dass Kinder aus sozial schwachen Familien
nd aus Migrantenfamilien kaum bewegungsaktiv sind.
ie Chance der regelmäßigen sportlichen Betätigung ist
n diesen Gruppen zwei bis dreimal geringer, vor allem
ei Mädchen. Das ist doch an dieser Stelle das Problem
n Deutschland.
Die Forscher der Studie KIGGS empfehlen uns, die
eschlechtsspezifischen, schichtspezifischen und mi-
rationsspezifischen Unterschiede im Bewegungsver-
alten von Herauswachsenden als notwendige Ansatz-
unkte für gezielte Interventionen von Politik und
esellschaft zu nutzen. Insofern widerspreche ich auch
em, was Sie vorhin für die FDP-Fraktion in punkto Prä-
entionsgesetz gesagt haben.
Kollege Gerster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Parr?
Ja, gern.
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5380 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Herr Kollege Gerster, wenn Sie den Antrag der FDP-
Fraktion lesen und die Leistungsorientierung heraus-
stellen, haben Sie dann verstanden, dass wir mit Leis-
tungsorientierung die individuelle Leistungsorientie-
rung meinen, also dass der Einzelne im Rahmen seiner
Möglichkeiten im Schulsport leistungsmäßig gefördert
werden soll und damit individuell mehr Freude am
Sport, mehr Freude an der Leistung haben soll, und dass
nicht die Spitzenleistung gemeint ist?
Lieber Kollege Detlef Parr, ich habe den Antrag gele-
sen. Man kann die Formulierung so verstehen, wie Sie
das jetzt hier vorgetragen haben. Man kann sie auch an-
ders verstehen. Ich habe deutlich gemacht, dass aus mei-
ner Sicht das Problem beim Thema Sport und Bewegung
in Deutschland nicht etwa die mangelnde Leistungsori-
entierung ist, sondern dass bestimmte Gruppen in
Deutschland viel zu wenig bewegungsaktiv sind. Insbe-
sondere fehlen die Möglichkeiten, sich entsprechend zu
bewegen.
Ich möchte das auch gern im Hinblick auf unseren
Antrag deutlich machen. Ich kann in dieser kurzen Rede-
zeit nicht auf jedes Detail eingehen. Aber ich fand es
schon sehr interessant, dass in dem FDP-Antrag zum
Beispiel leider nicht auf das Programm „Soziale Stadt“
der Bundesregierung Bezug genommen wird, das ich in
diesem Zusammenhang als ein gutes Programm ansehe.
Mit ihm sollen Stadtteile, die zu Problemquartieren, zu
so genannten Bewegungswüsten geworden sind, umge-
staltet und gestärkt werden. Ich glaube, das ist ein richti-
ger Ansatz, den wir auf jeden Fall weiter verfolgen soll-
ten. Vielleicht können wir uns darüber im Ausschuss
auch noch einmal verständigen.
Ich möchte an der Stelle noch einmal betonen, wie
wichtig es für die Einzelne oder den Einzelnen ist, schon
im jugendlichen Alter tätig zu werden und sich genü-
gend zu bewegen. Geschieht das nicht, können die Spät-
folgen in der Tat für den Einzelnen oder die Einzelne
verheerend sein. Ich glaube, auch gesamtgesellschaftlich
müssen wir unbedingt daran arbeiten, dass junge Heran-
wachsende im Hinblick auf Motorik frühzeitig Sport
treiben. Wir wissen aus den Studien von Professor
Spitzer, dass dies auch elementare Auswirkungen auf die
Entwicklung von Intelligenz und von sozialen Fähigkei-
ten und Kompetenzen hat.
Deshalb sage ich: Gut, dass der Sport auch Thema
beim Integrationsgipfel der Bundesregierung ist.
Das ist ein ganz wichtiges Thema in diesem Zusammen-
hang. Gut, dass wir in Deutschland auch in vielen Sport-
arten wieder ganz vorn mit dabei sind. Ich habe bei-
spielsweise bei der Fußballweltmeisterschaft gemerkt,
dass sie bei ganz vielen jungen Leuten wieder Enthu-
siasmus ausgelöst hat, Sport zu treiben. Aber auch in an-
deren Sportarten wie Hockey und Reiten – ich erinnere
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Ich erteile das Wort Kollegin Martina Bange
Entschuldigung, Martina Bunge – von der Fraktion
ie Linke.
Bange machen gilt nicht!Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!en Grundtenor Ihres Antrages, verehrte Kolleginnennd Kollegen von den Koalitionsfraktionen, kann ich,ann meine Fraktion begrüßen.
a: Sport und Bewegung gehören zu einer gesunden Le-ensweise und sie müssen gefördert werden. Als Vorsit-ende des Ausschusses für Gesundheit sage ich: Mehrport und Bewegung ist die beste Gesundheitsreform.
Was mich aber umtreibt, ist, dass zwischen vielen undchönen richtigen Worten, wie im vorliegenden Antrag,nd Ihrem Handeln in Regierung und im Parlament – icheine nicht speziell die Anwesenden, sondern die Koali-ionsfraktionen insgesamt – eine riesige Lücke klafft.
Die Fakten: Sie fordern die Bundesregierung auf, aufie Länder einzuwirken, um die in der SchulsportstudieSprint“ aufgeführten Defizite im Schulsport zu behe-en. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,arum stimmen Sie dann bei der Föderalismusreformafür, die Zuständigkeit für die Bildung und damit auchür den Sport einzig auf die Länder zu verlagern?
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Ich denke, der Zug ist abgefahren. Da müssen Sie schonselber alle sozusagen in die Spur gehen und Ihren Lan-desregierungen auf die Füße treten.Dennoch wäre es sinnvoll, sich auf Ausstattungsstan-dards für die sportliche Infrastruktur zu verständigen– das gilt auch für die Standards für Menschen mit Be-hinderungen –, den Investitionsbedarf zu ermitteln undein kommunales Investitionsprogramm zu starten, wiees meine Fraktion seit langem vorschlägt.
Sie fordern die Bundesregierung auf, im anstehendenPräventionsgesetz der Bedeutung von Sport und Bewe-gung angemessen Rechnung zu tragen. Sie zitieren einekanadische Studie, wonach jedem Dollar, der in die För-derung körperlicher Bewegung investiert wird, eine Er-sparnis zwischen 2 und 5 Dollar im Arbeits- bzw. Ge-sundheitsbereich folgt. Ich frage: Wäre es da nichtsinnvoll, die Prävention vor der Gesundheitsreform aus-zugestalten oder zumindest mit ihr? Das Präventionsge-setz soll aber nach Aussage der Ministerin erst nach derGesundheitsreform und nach der Novellierung des Pfle-gegesetzes kommen.
Das wird angesichts des Dilemmas, mit dem wir bei derGesundheitsreform konfrontiert sind – für die Pflegeschwant mir Ähnliches –, erst im Herbst nächsten Jahresder Fall sein. Warum muss noch mehr Zeit verstreichen,um die unübersehbaren Synergien zu erschließen?Sie schreiben sehr richtig, dass die Bewegungserzie-hung umso nachhaltiger ist, je komplexer sie erfolgt,also von Kindesbeinen an: in der Familie, im Kindergar-ten, in der Schule, im Sportverein und in einem bewe-gungsfreundlichen Umfeld. Das Präventionsgesetz ausder vorigen Legislaturperiode sah für diesen Fakt diePrävention in „Lebenswelten“ vor. Schaut man aber indie noch nicht autorisierten Gesetzentwürfe zur Gesund-heitsreform, dann erkennt man, dass im ersten Entwurfüber § 20 a noch die Überschrift „Prävention und Ge-sundheitsförderung in Lebenswelten“ stand. In den fol-genden Entwürfen steht davon nichts mehr. Da kann ei-nem angst und bange werden; um beim Wort desPräsidenten zu bleiben.
Meines Erachtens ist Folgendes unerträglich: Jahre-lang haben sich viele Expertinnen und Experten in unzäh-ligen Runden über Gesundheitsziele verständigt. EinigeLänder haben solche Ziele für Kinder und Jugendlicheformuliert. Neben Stressabbau und gesunder Ernährungwurde eindeutig die intensivere Bewegung genannt. Wielange noch sollen sich Engagierte in Modellprojekten undIghfdDgstmderKbgpwdmFHsdJWlfhwhSumKaSfW
Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Hermann,
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Vor einem Jahr hat sich die große Koalitionportpolitisch zusammengerauft, im Koalitionsvertragen ersten verbalen Flachpass produziert und jetzt einahr lang geübt und trainiert, um einen großen verbalenurf zum Sport vorzustellen. In der Tat, es ist ein verba-er Wurf. Umfassend werden die Probleme und Heraus-orderungen beschrieben; die Benachteiligten und Be-inderten haben Sie übrigens vergessen. Umfassendird die Notwendigkeit beschrieben, dass umfassend ge-andelt werden soll. Leider muss man sagen: Das, wasie in dem vorliegenden Antrag produziert haben, istmfassend allgemein. Auch Ihre Reden waren so allge-ein.Sie vermeiden es, eigene, klare bundespolitischeonzepte vorzulegen, die Sie hier durchsetzen und ver-ntworten können.
ie reden über das, was andere Ebenen tun sollen. Inso-ern haben Sie sozusagen folgenden Beitrag geliefert:ort statt Sport!
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Winfried HermannSie haben viel gesprochen und nichts dazu gesagt, wasSie tun wollen.Was könnte der Bund tun? Der Bund kann einigestun, auch wenn er verfassungsmäßig gar nicht für dieSchule, den Schulsport usw. zuständig ist. Trotzdemkann er etwas tun.Beispiel eins: Sportstättenbau und Sportstättensa-nierung. Sie haben wortreich beschrieben, wie schwie-rig die Situation ist. Aber den Goldenen Plan Ost habenSie schon jetzt beschnitten. So kann man zwar vorgehen;aber Sie haben überhaupt keine Alternativen vorgelegt.Zum Beispiel hätte man sagen können: Es gibt ein er-folgreiches Altbausanierungsprogramm, mit dem vonder KfW und über den Bundeshaushalt der Klimaschutzgefördert wird. Man hätte sagen können: Wir legen einSportstättensanierungsprogramm auf, weil Sportstättenauch ökologisch saniert werden müssen
und es auch dort etwas zu fördern gibt. Sie könnten um-weltfreundlich umgestaltet werden. Das wäre ein An-stoß, die Sportstättensituation auf diese Weise zu verbes-sern.
Man hätte das Förderprogramm „Spiel- und bewe-gungsfreundliche Stadt“ auflegen können. Ich will nichtsagen, dass man Milliarden hätte ausschütten können.Aber man hätte zumindest Anstöße geben und die Kom-munen davon überzeugen können. Man hätte auch sagenkönnen: Wir sehen die Notwendigkeit, das Bundesbau-gesetzbuch zu ändern und hineinzuschreiben, dasswohnortnahe Spiel- und Sportgelegenheiten zu schaffensind bzw. dass die bestehende Situation zu verbessernist.
Nichts ist getan worden.Beispiel zwei. Sie sprechen davon, dass Bewegungim Alltag besonders wichtig ist. Wir haben vor einigenJahren den Masterplan Fahrrad aufgelegt und noch zurot-grünen Zeiten umgesetzt. Seitdem herrscht Stagna-tion. Hier könnte man sagen: Bewegung ist im Alltagwichtig; also fördern wir das sichere Radfahren von Kin-dern und Jugendlichen zur Schule oder von Erwachse-nen zu ihren Arbeitsplätzen. Daran hätten Sie ansetzenund sagen können: Wir wollen, dass das endlich umge-setzt wird, und wir wollen nicht nur darüber reden.Dritter Punkt. Sie haben alle schon aus der KIGGS-Studie, die in dieser Woche herauskam, zitiert; sie wurdeübrigens von Rot-Grün angestoßen. Darin gibt es einModul „Motorik“ und man muss festhalten: Die Ergeb-nisse sind nicht so dramatisch schlecht, wie es vorher be-hauptet wurde.ztsiaJDubcdduzpzElSingsMdrmtCMgGPsss
Es ist allerdings klar geworden, dass das von der so-ialen Schicht der Familie abhängt. Kinder aus Migran-enfamilien oder aus sozial benachteiligten Schichtenchneiden besonders schlecht ab,
m Hinblick sowohl auf die Übergewichtigkeit als auchuf die Beweglichkeit. Dabei gibt es schon seit einigenahren ein Programm namens „Integration durch Sport“.ies ist aber mit viel zu geringen Mitteln ausgestattetnd hat deshalb das Integrationsangebot nicht wirklichereichern können. Wir wollen die Mittel dafür aufsto-ken, weil wir da einen Schwerpunkt sehen. Wir wollenie Benachteiligung beim Sport durch verschiedene Mo-elle aufgreifen und wollen das flächendeckend im Landmsetzen, um Anstöße für die Kommunen und Länderu geben, damit sie in diesem Bereich etwas tun.Die KIGGS-Studie mahnt ganz eindeutig an: Hier istolitische Intervention angesagt. Sie haben das ja sogaritiert. Aber wo ist Ihre konkrete politische Intervention?s passiert nichts. Der Antrag ist ein allgemeiner verba-er Rundumschlag über das Gute und das Schöne import und darüber, wie notwendig und wichtig der Sportst. In allen Punkten, wo man hätte konkret werden kön-en, sind Sie nicht konkret geworden.Wer wirklich etwas dazu beitragen will, dass Bewe-ung und Sport in Deutschland gefördert werden, derollte Sportpolitik nicht als besorgtes Plaudern über dieisere im Sport und die allgemeine Unbeweglichkeiter Jugend missverstehen, der sollte auch nicht viel da-über reden, was alle anderen tun sollten, der sollte viel-ehr endlich einmal auf den Tisch legen, was er selberun kann und will.
Ich erteile das Wort Kollegen Hermann-Josef Scharf,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Laut Umfra-en unter der Bevölkerung findet es fast jeder besser,esundheit zu erhalten, als Krankheiten zu kurieren.rävention ist also die bessere Wahl. Aber die Realitätieht erschreckend anders aus.Am Montag hat uns das Robert-Koch-Institut wissen-chaftlich fundiert bestätigt, was wir eigentlich schoneit langem wussten: Fast jedes siebte Kind in Deutsch-
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Hermann-Josef Scharfland ist zu schwer. Die meisten Kinder leiden unter Hal-tungsschäden und – wir haben es schon gehört – beinahejedes zweite Kind bekommt keine ordentliche Rumpf-beuge hin. Die fortschreitende Bewegungsarmut beiKindern ist für uns alle ein alarmierendes Signal. Vordiesem Hintergrund sehen wir uns als große Koalition inder Verantwortung, Sport und Bewegung in Deutschlandumfassend zu fördern und uns alle zu einer gesünderenLebensweise zu motivieren.
Seit Jahren können die Ausgaben der sozialen Versi-cherungssysteme nicht mehr durch die Einnahmen ge-deckt werden. Natürlich erhält dennoch jeder Krankeeine ausreichende Behandlung ungeachtet der Ursacheseiner Erkrankung. Das wollen wir so und das entsprichtunserem Leitbild, dem christlichen Menschenbild. Nurmüssen wir uns fragen lassen, wie lange ein solches Sys-tem funktionieren kann, das ein solidarisches und ver-antwortliches Handeln eines jeden Einzelnen voraus-setzt.Ich möchte hier keine Debatte über die Gesundheits-reform führen. Aber wenn wir es schaffen, unseren An-trag mit Leben zu erfüllen, ist das sicher eines der bestenVersicherungssysteme für unsere Gesundheit.
Um das Bewusstsein für eine gesündere Lebensweiseneu zu beleben, bedarf es einer großen Bewegung, wobeialle, Eltern, Erzieher, Lehrer, die Kommunen, die Länderund wir hier auf Bundesebene, gefordert sind. Die Prä-vention, das Praktizieren einer gesunden Lebensweise,muss von Kindesbeinen an erlernt werden. Wenn unserNachwuchs gesünder aufwächst, treten viele Krankhei-ten erst gar nicht auf. Wir müssen deshalb bei der Früh-betreuung von Kindern, im Kindergarten und in derSchule ansetzen. Der Sportunterricht an unseren Schu-len muss wieder den ihm gebührenden Stellenwert inner-halb des Ausbildungsplanes eines jeden Kindes erhalten.
Erste Erfolge können wir bereits verzeichnen; zufrie-den stellend sind sie aber noch nicht. Durch Spiel undWettkampf werden nicht nur Fitness, Ausdauer undKraft trainiert; unsere Kinder erwerben auch wichtigesoziale und psychische Fähigkeiten. Sport ist auch Bil-dung. Ich appelliere an die Verantwortlichen der Länderund Kommunen, uns hierbei zu unterstützen.
An dieser Stelle möchte ich auf die besondere Situa-tion behinderter Kinder hinweisen. Sport ist eine wun-derbare Möglichkeit, den Integrationsprozess auf spiele-rische Weise zu erleichtern.MtiwsdzügHaWbtgksaheuNbhdzSWwGEhwdiNfAwl
eines Erachtens gibt es hier noch viele ungenutzte Po-enziale.Werdende Mütter wünschen sich an erster Stelle fürhr Neugeborenes: Hauptsache, gesund! Gott sei Dankerden die meisten Kinder auch gesund geboren. Aberpätestens hier setzt die Verantwortung der Mutter undes Vaters an, ihr Kind zu einer gesunden Lebensweiseu erziehen. Die Vorbildfunktion von Eltern gegen-ber ihren Kindern bei der Ernährung und der Freizeit-estaltung wird oft unterschätzt. Wo, wenn nicht zuause, in der Familie, sollen Kinder lernen, was zu einerusgewogenen Ernährung gehört?!
enn der Fernseher oder der Computer das Familienle-en bestimmt, sind Bewegungsarmut und Konzentra-ionsstörungen vorprogrammiert. Ein sachgerechter Um-ang mit diesen neuen Medien muss erlernt werden.
Unsere Sportvereine spielen für die Motivation zuörperlicher Betätigung eine unschätzbare Rolle. Sietärken durch ihre Angebote den Bürger in seiner Ver-ntwortung für seine physische Fitness und sein gesund-eitliches Wohlbefinden. Unsere Vereinslandschaft weistine so reiche Vielfalt auf, dass jede sportliche Neigungnd Vorliebe abgedeckt wird. Derzeit erfreut sich dasordicwalking immer größerer Beliebtheit. Besondersei unserer älteren Generation vergrößert sich die An-ängerschaft. Durch das Engagement von vielen tausen-en ehrenamtlich tätigen Bürgern können viele ihre Frei-eit aktiv gestalten. Den Ehrenamtlichen gilt an diesertelle unser aller Dank.
ie wir auch im Koalitionsvertrag betont haben, sindir uns ihrer herausragenden Bedeutung für unser alleremeinwohl bewusst und möchten bürgerschaftlichesngagement weiter stärken.Der heutige Antrag möchte zu einer neuen Gesund-eitskultur beitragen. Um diesen Prozess zu stärken,erden wir in Kürze erneut über das Präventionsgesetziskutieren.
Wir möchten Prävention als eine eigenständige Säulem Gesundheitswesen verankern.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung:ehmen wir einmal an, unsere Staatskassen wären ge-üllt, unser Gesundheitssystem bräuchte sich über dieusgabenseite keine Gedanken zu machen. Dennochürde es nicht möglich sein, Gesundheit, die durcheichtsinniges Verhalten – vielleicht aus Unkenntnis
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Hermann-Josef Scharfheraus – aufs Spiel gesetzt wurde, hundertprozentig zu-rückzuerhalten, auch nicht durch die beste Therapie.Lernen wir also endlich wieder, unser wertvollstes Gut,unsere Gesundheit, zu achten und zu schützen.Herzlichen Dank.
Nun hat Kollege Reinhold Hemker, SPD-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Es ist schon lustig, wenn Sportskameraden wie WinfriedHermann, mit dem ich noch bis vor wenigen Monatengemeinsam in einer Koalition gekämpft habe, jetzt, nacheinigen Monaten großer Koalition, so tun, als ob in die-ser Zeit hinsichtlich der Umsetzung nichts passiert sei.Denn es war doch so, dass wir Sportpolitiker in der letz-ten Legislaturperiode Initiativen auf den Weg gebrachthaben, und zwar einvernehmlich, die dann in einen Ent-wurf für ein Präventionsgesetz eingemündet sind. Dasssich dann die politischen Verhältnisse geändert haben,sodass wir auf der Grundlage dessen, was in der letztenLegislaturperiode beschlossen wurde, quasi einen Neu-anfang machen mussten – sei’s drum! Entscheidend istdoch, was in den letzten Jahren in der Gesellschaft pas-siert ist: Auf der Grundlage des Rahmenkonzeptes„Sport Pro Gesundheit“ des Deutschen Sportbundeswurden für viele Lebenswelten – „Settings“, um dasWort noch einmal aufzugreifen; so steht es im alten Prä-ventionsgesetz und so wird es im neuen wieder stehen –begeisternde Sportangebote geschaffen. Ich muss mirnur ansehen, was allein in meinem Umfeld im Zuge derEinrichtung der offenen Ganzheitsgrundschule gesche-hen ist. Trainer aus den Vereinen sind in die Schulen ein-geladen worden. Es finden Arbeitsgemeinschaften statt.Neue Mitglieder für die Sportvereine werden gewonnen.Ein anderes Beispiel: Wir haben uns alle gewünscht,dass es zu einer Zertifizierung der Fitnesscenter kommt,die man früher Muckibuden genannt hat. Heute sind dasvielfach Gesundheitszentren, die mit den Krankenkassenzusammenarbeiten und im Präventionsbereich hervorra-gende Programme auflegen. In meinem Wahlkreis hatsich eine Bürgerinitiative gebildet, die sich für einenBarfußpfad, vom Kneippbecken bis zur Sandspielwiese,engagiert. Es gibt dort eigene Tümpel für die Kinder, diedort – so haben wir es früher genannt – „rumräubern“können, um einen Begriff aus dem Fitnesssport aufzu-nehmen.
– Der Präsident von Rot-Weiß Essen lacht schon. Erkönnte uns sicher weitere solcher tollen Beispiele erzäh-len.Herr Staatssekretär aus dem Gesundheitsministe-rium, hören Sie gut zu! Sie sollten mit Ihrem Ministe-rium alle diese Initiativen begleitend fördern und nichtnur eigene Initiativen stärken, wie die lobenswerte3lddrdhduDlmagwwaAu–lndfgssunnFgkmdAiSdnnwneHSzFvlbD
Ich sehe, dass ein guter Skiläufer unter uns bereitsacht. Bevor wir auf die Skier steigen, müssen wir trai-ieren, damit wir uns nicht die Knochen brechen oderie Muskeln zerreißen.
Das genau, lieber Norbert, liefert das Stichwort, dasür unsere Diskussion wichtig ist: Bewusstsein füresunde Lebensführung. Das ist der dritte Block in un-erem Antrag. Was die gesunde Lebensführung angeht,o gibt es in der Tat einen Graben zwischen Möglichkeitnd Realität. Wir wissen doch alle, auch wir Abgeord-ete, dass wir ständig sagen: Ich habe keine Zeit. Daehmen wir natürlich lieber die Fahrbereitschaft als dasahrrad. Die Häuser des Bundestages sind auch so ein-erichtet, dass es überall tolle Aufzüge gibt. Dabeiönnte man wenigstens für eine Etage die Treppe neh-en. Aber unser Bewusstsein ist eben ein anderes: Inieser Republik gibt es alles. Wir können es uns leisten.lso fahren wir auch mit dem Auto. Während die Kinderm südlichen Afrika morgens bis zu zwei Stunden zurchule laufen und mittags die gleiche Strecke zurück,iskutieren wir hier über die Frage, ob wir nicht noch ei-en Bus mehr einsetzen können, damit die Kinder auchoch für die letzten 200 Meter vor der Haustür abgeholterden.Mit anderen Worten: Ich glaube, dass wir Abgeord-ete uns daran beteiligen können, dieses Bewusstsein fürine gesunde Lebensführung zu fördern. Wir in diesemause sind Vorbilder. Gott sei Dank haben wir ja dieportgemeinschaft Bundestag, die nicht nur zu Skifrei-eiten einlädt, sondern auch Laufgruppen hat, sich amußballsport beteiligt und jedes Jahr ganz in der Näheom Bundestag zeigt, wie wichtig es ist, zu walken, zuaufen und Skaterwettbewerbe durchzuführen.Warum sage ich das? Lieber Winfried Hermann, lie-er Detlef Parr, natürlich werden wir, die sich an dieserebatte beteiligenden Sportpolitiker, in dieser Legisla-
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Reinhold Hemkerturperiode wieder tätig werden und einen neuen Anlauffür ein Präventionsgesetz nehmen. Aber angesichts des-sen, was in der letzten Legislaturperiode geschehen ist,rege ich an: Wir sollten uns nicht wieder so sehr mit denFormalien beschäftigen – damit, ob der Bund 40 Prozentdes eingesammelten Kapitals bekommen soll, ob dasnicht zu wenig ist oder ob das Land 40 Prozent erhaltensoll –, sondern lieber darüber reden, wie auf der Basis allder positiven Beispiele, die ich erwähnt habe, ein großangelegter Kriterienkatalog ausgestaltet werden kann.Einige von Ihnen wissen, dass ich selbst den „Drei-klangsport“, wie ich ihn nenne, betreibe. Hierbei er-schöpft sich die Bewegung nicht im Laufen, sondernzum Anfang wird das Urelement Wasser genutzt. Wennsich Kleinkinder im Wasser bewegen, schafft dies dieGrundlage für eine gute Motorik. Anschließend nutztman bei diesem Sport eine der größten Errungenschaf-ten, die es in der Menschheitsgeschichte gegeben hat:das Rad bzw. das Fahrrad. Zum Schluss erst kommt dasLaufen, was wiederum vielfältige Bewegungsmöglich-keiten in sich birgt. Es hat mich sehr gefreut, dass einKollege in seiner Rede darauf hingewiesen hat, dass dasNordicwalking mittlerweile zu einer richtigen Bewe-gung geworden ist.Wenn wir all das verfolgen, dann werden wir esschaffen, aus dem Homo Sedens – ich habe eben nocheinen Kollegen gefragt, ob mein Latein nach 50 Jahrennoch einigermaßen stimmt – wieder einen Homo Mo-vens zu machen, also jemanden, der sich auf vielfältigeArt und Weise bewegt. Ohne dass sich jeder von unsgleich bemühen sollte, dreifacher Olympiasieger zu wer-den, können wir dann vielleicht bald wieder mit EmilZátopek sagen: „Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Menschläuft.“Schließen möchte ich mit dem schönen Wort: Bewe-gung ist Leben, erst der Stillstand bringt den Tod.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen alles Gute für un-sere weiteren Debatten. Herr Staatssekretär, richten Sieder Ministerin aus, dass wir in dieser Legislaturperiodeein gutes Präventionsgesetz auf den Weg bringen wer-den.Herzlichen Dank!
Ich schließe die Aussprache.
Das soll aber nicht heißen, dass Sie sich nun alle fort-
bewegen sollen. Es wäre gut, wenn noch ein paar Abge-
ordnete hier bleiben würden; denn die Debatte geht wei-
ter.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/1648 an die in der Tagesordnung aufge-
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieinke hat Ihnen einen kurzen, prägnanten Antrag vorge-egt: Nehmen Sie die Mehrwertsteuererhöhung zurück!ch möchte drei Argumente für diesen Antrag anführen:rstens handelt es sich bei der Mehrwertsteuererhöhungm die größte Wahllüge des vergangenen Jahres.
weitens machen Sie damit ganz klar Politik gegen dienteressen der Mehrheit der Bevölkerung.Drittens haben Sie damit eine absolut konjunktur-eindliche Maßnahme beschlossen.
Lassen Sie mich kurz zu allen drei Argumenten aus-ühren: Sicherlich ist Ihnen allen noch in Erinnerung,ass Frau Merkel im vergangenen Jahr durch die Landeog und tönte, dass sie für eine ehrliche Politik sei undeshalb im Wahlkampf die Wahrheit sagen werde. Da-als hat sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer umProzentpunkte angekündigt. Nicht in einer einzigenahlkampfveranstaltung war von einer Erhöhung derehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte die Rede. Das warine Lüge der CDU/CSU.
Nun zur SPD. Sie sind durch die Lande gezogen undaben überall verkündet, dass es mit Ihnen keine Mehr-ertsteuererhöhung geben werde. Ich denke, insbeson-ere Ihre Stammwählerinnen und Stammwähler, aber
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Dr. Barbara Höllauch viele andere Bürgerinnen und Bürger haben Sie alsGaranten dafür gesehen, dass sich die CDU/CSU mit ih-rem Anliegen nicht durchsetzen wird.Aber was ist geschehen? Es wurde nicht eine 1-pro-zentige Mehrwertsteuererhöhung beschlossen – das hätteman sich als Ergebnis der Verhandlungen einer großenKoalition ja noch vorstellen können –, sondern Sie ha-ben sich darauf verständigt, die Mehrwertsteuer um3 Prozentpunkte zu erhöhen.
Einen solch dreisten Griff in die Taschen der Bürgerin-nen und Bürger gab es in der gesamten Geschichte derBundesrepublik Deutschland nicht.
Bis 1968 betrug die Mehrwertsteuer 10 Prozent. Siewurde dann erhöht, ebenfalls 1978, 1979, 1983, 1993,1998, jeweils um einen Prozentpunkt. Nun haben Sie inIhrer großen Koalition beschlossen, die Mehrwertsteuergleich um 3 Prozentpunkte auf 19 Prozent zu erhöhen.Sie erhoffen sich eine Sanierung Ihres Haushaltes durchMehreinnahmen von anfangs 20 bis 23, später 24 Mil-liarden Euro pro Jahr. Wir lehnen das ab. Es ist Ergebniseiner feigen Politik, jeden Einzelnen zu belasten, um die,die Geld haben, zu verschonen. Das ist eine Politik ge-gen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, insbe-sondere gegen die Interessen derjenigen, die ihr Einkom-men Monat für Monat vollständig in den Konsumstecken müssen, Menschen mit niedrigem oder keinemeigenen Einkommen.Selbst das Bundesfinanzministerium geht davon aus,dass, wenn der Handel die Mehrwertsteuererhöhung involler Höhe weitergibt, jeder Bundesbürger, jede Bun-desbürgerin ab dem nächsten Jahr pro Monat 29 Euromehr ausgeben wird – ausgeben muss! Dies betrifftMenschen mit einem hohen Einkommen natürlich kaum.Nach Ihren eigenen Berechnungen käme es bei dieserkleinen Gruppe der Bevölkerung zu einem geringen Ein-kommensverlust, während die Masse der Bevölkerungeinen großen Einkommensverlust hinzunehmen hätte.Wie ist das erst für Menschen, die Arbeitslosengeld IIbzw. Hartz IV bekommen, das heißt 345 Euro monat-lich! Wir können nicht genau sagen, wie viel von diesen345 Euro tatsächlich für Produkte ausgegeben wird, diedem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen, undwie viel für Produkte, die dem vollem Mehrwertsteuer-satz unterliegen. Doch selbst wenn wir davon ausgehen,dass nur die Hälfte des Geldes für Letztere ausgegebenwird, hieße das bei 345 Euro eine Mehrbelastung von5 bis 10 Euro im Monat. Das ist unzumutbar, es ist eineFrechheit. Sie brauchen sich dann nicht zu wundern,wenn Bürgerinnen und Bürger sagen: Wozu sollen wirwählen gehen? Die da oben machen doch sowieso, wassie wollen: Sie machen das, was uns schadet.
Vor diesem Hintergrund finde ich es eine besondereDreistigkeit, dass Sie auf eine Kleine Anfrage, die ichIhnen gestellt habe – wie Sie die Mehrwertsteuererhö-hung bei den Transferleistungen zu berücksichtigen ge-ddbddVwkwDMWmElBsscewUCHuhlanEideFdLedfvlpliu
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dann sehen Sie, dass wir noch viele Milliarden Euro vondem vorgegebenen Ziel entfernt liegen, da wir Investi-tionen von rund 23,5 Milliarden Euro planen. Der Ge-danke, dass wir 2007 den Art. 115 des Grundgesetzeswieder nicht einhalten, ist für die große Koalition nichthinnehmbar.
Wir sprechen nicht nur von einer soliden Finanzpolitik,wir machen sie auch.
Wir haben in erster Lesung über den Haushalt 2007gesprochen; demnach verringern wir die Nettoneuver-schuldung von jetzt 38 Milliarden Euro auf 22 Milliar-den Euro. Diese 16 Milliarden Euro sind durch Einspar-maßnahmen nicht aufzubringen, auch wenn die FDP dasimmer wieder sagt und Sie von den Linken das offen-sichtlich auch meinen. Im Gegenteil: Wenn ich mir dieAnträge der Linken anschaue, dann sehe ich, dass dieAusgaben bei Ihnen noch deutlich höher sein würden.
Ich sage an dieser Stelle: Ohne diese 7 Milliarden Eurowerden wir den Anforderungen des Grundgesetzes imkommenden Jahr nicht gerecht.Nun kann es so sein, dass bei Ihnen stabile Finanzenkeine entscheidende Rolle spielen.
Okay. Als Ökonom sage ich aber: Alle Länder, die demZiel der Haushaltssanierung langfristig nicht die notwen-dige Bedeutung beigemessen haben, haben letztlichkeine solide Wirtschaftspolitik gemacht.
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Dabei zeigt sich wieder einmal: Die neue Linke istder alte Lafontaine. Was Sie von uns unterscheidet, ist,dass wir konsequent auf Steuersenkungen und Entlastun-gen setzen. Sie senken die Steuern an der einen Stelle,erhöhen sie aber ordentlich und kräftig an der anderenStelle. Das ist kein Konzept.
So, Frau Kollegin Höll, schafft man keine Arbeitsplätzeund Wirtschaftswachstum schon gar nicht.Im letzten Absatz Ihres Antrages zeigen Sie Ihr wah-res Gesicht: Sie wollen die Steuern erhöhen, und zwardie Einkommensteuer,
die Unternehmensteuer und die Erbschaftsteuer. IhrKlassiker: die Einführung der Vermögensteuer. Sie wol-len also noch stärker abkassieren, als das die großeKoalition schon macht. Das ist ein starkes Stück.
Falsche Thesen werden nicht dadurch richtig, dassman sie gebetsmühlenartig wiederholt. Das Problem derLinken ist, dass sie geistig in der Vergangenheit stehengeblieben sind. Für Sie sind Unternehmer immer nochGegner.
Wenn man Gewinne erwirtschaftet, erscheint Ihnen dashöchst verdächtig. Solange Sie aus diesem Stadium nichtherauskommen, sind Sie nicht in der Lage, die Zukunftdieses Landes mitzugestalten.
Sie müssen irgendwann einmal begreifen, dass man inder Marktwirtschaft nicht gegeneinander, sondern nurmiteinander erfolgreich sein kann. Ein Miteinander setztjedoch gegenseitiges Vertrauen voraus.Der Paradigmenwechsel, der in der Politik zurzeitstattfindet, ist bedenklich. Während Steuererhöhungenbei der großen Koalition geradezu in Mode sind, ist Spa-ren eine Sekundärtugend geworden. Schwarz-Rot suchtsein Heil in Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen.WdlBMduwzKdnSocaSsaenSuwezdsUdfBüsdrsEgrdugdhhsdWh
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Vornehmstes Ziel ist dabei, die Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte voranzubringen, und zwar so
schnell und dauerhaft wie möglich. Dazu gehören ge-
zielte Einsparungen bei Subventionen und sonstigen
Fördertatbeständen, der Abbau von Steuervergünstigun-
gen, Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung und
einzelne Steuersatzanhebungen, darunter auch bei der
Mehrwertsteuer.
Es ist bekannt – auch Herr Wissing müsste das wis-
sen –, dass der Abbau von Steuervergünstigungen und
Subventionen erst mittelfristig haushaltswirksam wird,
weil Übergangsregelungen und Vertrauensschutz zu be-
rücksichtigen sind. Deswegen haben auch die Sachver-
ständigen bestätigt, dass bei unserer Haushaltslage kurz-
fristig wirksame Maßnahmen wie Steuererhöhungen
unerlässlich sind.
Sie, meine Damen und Herren von der linken Frak-
tion, waren gegen jeden einzelnen Vorschlag. Sie sind
nicht daran interessiert, dass unser Staat handlungsfähig
bleibt.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höll?
Ja.
Liebe Kollegin Westrich, würden Sie bitte zur Kennt-
is nehmen, dass wir uns sicherlich in dem Punkt von Ih-
en unterscheiden, dass wir Ihre Politik nicht für alterna-
ivlos halten, und dass wir selber in unserem Antrag
den Ihr Vorredner eben kritisiert hat – Alternativen
ufzeigen: eine Reform der Einkommensbesteuerung
it einem niedrigen Eingangssteuersatz und einem or-
entlichen Spitzensteuersatz. Warum nicht wieder – wie
ei Herrn Kohl – 50 Prozent?
Wir schlagen außerdem eine Vermögensbesteuerung
damit hätten wir die Bundesländer entlastet – und eine
eue Erbschaftsbesteuerung vor.
Frau Kollegin, Sie müssen eine Frage stellen und dür-
en nicht Ihr Programm darlegen.
Ja, Herr Präsident. – Können Sie mir zustimmen, dass
amit sehr wohl Alternativen auf dem Tisch liegen und
ir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen?
Frau Kollegin Höll, wir haben uns hier schon einmalarüber auseinander gesetzt. Dadurch, dass Sie es nuniederholen, wird es nicht besser. Wir, die Koalition,ind jedenfalls daran interessiert, eine wachstumsorien-ierte Politik zu machen.
ir wollen Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze schaf-en und nicht Maßnahmen ergreifen – zur Wiedereinfüh-ung der Vermögensteuer sage ich nachher noch etwas –,ie günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft ver-indern.
as ist für die Menschen wichtiger als eine Erhöhunges Spitzensteuersatzes.
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Lydia WestrichMeine Damen und Herren von der Linken, ich sehe, dassSie sich ständig vor der Verantwortung für die Zukunftdrücken, weil es einfacher ist, in den Tag hinein Politikzu machen.Herr Wissing, auch wenn sich die Einnahmeseite er-freulicher entwickelt als erwartet, bleibt – das müssen Siezugeben – ein riesengroßer gesamtstaatlicher Schul-denberg in Höhe von weit über 1 Billion Euro bestehen.Gerade Ihre Fraktion hat sich ständig mahnend geäußert,wenn wir das Maastrichtkriterium nicht erfüllt haben.Fast 15 Prozent der Ausgaben müssen wir für Zinszah-lungen aufwenden. Wie weit sollen wir Ihrer Meinungnach dieses Spiel noch treiben?Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfrak-tion, Ihr Antrag ist für mich ein deutliches Zeichen, dassSie den von Ihnen so hochgeschätzten Wirtschaftsökono-men Keynes gründlich missverstanden haben, oder Siebeweisen damit, dass seine Theorien in der Praxis nichtfunktionieren können. Gebetsmühlenartig hat Ihr Frakti-onsvorsitzender seit Jahren gefordert: In wirtschaftlichschlechten Zeiten muss der Staat Förderprogrammeauflegen und sich verschulden, um die Wirtschaft anzu-kurbeln. Der von Ihnen bevorzugte Sachverständige Pro-fessor Jarass, der natürlich ebenfalls gegen die Mehr-wertsteuererhöhung wettert, hat fast in jeder Anhörungvorgetragen, dass wir antizyklisch handeln müssen undstaatliche Förderprogramme auflegen sollen. Aber zeigtsich wie momentan ein Silberstreif am Horizont, ist derzweite Teil der Theorie prompt vergessen. Sofort werdenneue Begehrlichkeiten wach und der Schuldenberg bleibtbestehen bzw. wächst bei der nächsten Wirtschaftsdellewieder. Das ist Politik nach dem Motto „Nach mir dieSintflut!“.
Sie hat mit Verantwortungsbewusstsein wenig zu tun, istallerdings bequem und kommt bei Versammlungen im-mer gut an; denn Sie gaukeln damit vor, dass Sie die vor-handenen Probleme im Handumdrehen lösen können,ohne jemandem wehzutun.
Ich persönlich hätte mir vielleicht ebenfalls eine an-dere Lösung vorstellen können. Aber Koalitionen funk-tionieren nur, wie Sie aus eigenen Erfahrungen wissen,wenn es ein Geben und Nehmen gibt. Eines ist klar:Auch andere Lösungen hätten den Menschen wehgetan;denn sie hätten ebenfalls dem Erreichen des Ziels dienenmüssen, den Haushalt dauerhaft und wirksam zu konso-lidieren. Wie man es dreht und wendet, irgendwo hättees schmerzhafte Einschnitte geben müssen. Auch dashätte Ihnen nicht gefallen. Wir hätten dann ähnliche De-batten über Maßnahmen geführt und Sie hätten sichebenfalls verweigert. Sie machen keine Politik für dieZukunft.
Es ist ein Witz, dass Sie ständig wiederholen, dass dieEinnahmen aus der Vermögensteuer es schon richtenwrShktbFVmtAwevaghMtblÜ–nlKksSdSdusWlßwur
ie müssten sich doch ein bisschen Realismus bewahrtaben. Was glauben Sie denn, wie schnell große undleine Vermögen aus Deutschland weg sind oder in Stif-ungen geparkt sind, wenn wir uns mit der Wiederbele-ung dieser Steuerart beschäftigen? Dann können Sie dieinanzverwaltung Silberlöffel zählen schicken und dieermögensteuer darauf berechnen lassen. Glauben Sieir, der Aufwand wird sehr viel größer sein als der Er-rag!
ußerdem haben wir damals, als die Vermögensteuereggefallen ist, die Erbschaftsteuer als Kompensationrhöht.Solche Wirtschaftstheorien wie die von Keynes, dieon Ihnen ständig vorgetragen werden, wurden schonusprobiert, zum Beispiel in solchen wichtigen undlücklichen Ausnahmefällen wie bei der deutschen Ein-eit. Aber es gibt nicht nur eine angenehme Seite deredaille, sondern auch eine zwingende. Wir, die Koali-ion, wollen die Schulden, die wir machen mussten, so-ald wie möglich zurückführen, damit der Staat hand-ungsfähig bleibt. Jetzt ist die Zeit dafür gekommen.
Es wundert mich nicht, dass die FDP zumindest derberschrift Ihres Antrages zustimmt.
Ich hätte mir auch andere Lösungen vorstellen kön-en. – Die neoliberalen Kolleginnen und Kollegen wol-en sowieso alles privatisieren. Ihnen kann ein engesorsett des Staates nur Recht sein. Aber Sie von der Lin-en sollten wissen, dass ein schwacher Staat nur dentarken Schultern nützt. Die Schwachen, deren Anwaltie mit Ihrem Antrag angeblich sein wollen, brauchenen starken Staat. Sie brauchen einen Staat, der Schulen,traßen und Pflegeheime bauen kann,
er Familien unterstützt, für hochwertige Bildung sorgtnd günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaftchafft. Als Koalition verfolgen wir genau dieses Ziel.ir brauchen Wachstum. Dafür haben wir ein 25-Mil-iarden-Euro-Programm in Gang gesetzt, das vom Stra-enbau bis zur Familienförderung reicht – heute habenir über das Elterngeld abgestimmt – und die Wirtschaftnterstützt und belebt. Die Wirtschaftsentwicklung istobust. Viele Unternehmen werden das bestätigen.
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Lydia WestrichDass am nächsten 1. Januar der große Hammerkommt, glaubt in diesem Saal eigentlich niemand. Siewissen selbst, dass klammheimlich viele Preise schon er-höht worden sind. Wenn wir Ihrem Antrag folgen wür-den, dann hieße das, dass die Konsumenten die höherenPreise sowieso bezahlen würden, der Staat das Nachse-hen hätte und die Unternehmen höhere Gewinne erzielenwürden. Wenn sie die hier versteuern, hätten wir viel-leicht noch einige zusätzliche Einnahmen. Einen seriö-sen Haushalt kann man mit diesen Vermutungen nichtaufstellen.So weh es tut: Die Mehrwertsteuererhöhung wird ge-braucht. Ich will mich nicht damit abfinden, jährlich40 Milliarden Euro mehr an Zinsen zahlen zu müssen.Ich will das Geld, das heute für Zinsen gezahlt werdenmuss, in Bildung, in Wissenschaft, in Weiterbildung, inIntegration, in Umweltschutz, in erneuerbare Energienund in Familienförderung stecken. Ich will die Netto-kreditaufnahme schnell auf null senken und endlich andie Tilgung der Schulden herangehen. Wir stehen in derVerantwortung für die zukünftigen Generationen. Das istZukunftsmusik; ich weiß das. Aber mit unserer Haus-haltspolitik der maßvollen Erhöhung der Einnahmeseiteund moderater Ausgabenkürzung können wir diese Tönejetzt schon hören. Wir werden unserer Verantwortung alsKoalition für die Zukunft gerecht.Wenn Sie ernsthaft daran interessiert sind, Armutsri-siken in unserem Land zu bekämpfen, dann verlangenSie nicht den Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung,sondern helfen Sie mit, die Haushaltsungleichgewichtezu korrigieren und dadurch für die Ausgaben in For-schung, in Entwicklung, in Bildung und in InnovationenRaum zu schaffen. Nur indem wir den Menschen dieChancen einräumen, ein gutes Erwerbseinkommen zuerzielen, kommen wir gegen Armut an. Deshalb tun wirals Koalition alles, um günstige Rahmenbedingungen fürdie Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen her-zustellen. Nur durch den Ausbau von Bildungs-, Ausbil-dungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten haben dieMenschen wirkliche Teilhabechancen.
– Herr Wissing, für die Zukunft ist die andere Politikrichtig.
Auch Sie würden das einsehen, wenn Sie in der Regie-rung sitzen würden. Sie sagen das jetzt nur, weil Sie inder Opposition sind. Selbst Ihr großer Vorsitzender hatzugegeben, dass Sie das alles mitmachen würden, wennSie in eine Koalition eintreten könnten.
– Das kann man in Zeitungsartikeln nachlesen. – Wieviele Mehrwertsteuererhöhungen haben Sie denn schonmitgemacht? Das muss ich Ihnen auch noch einmal sa-gen.zDtNnsssAnvgdvwwmtekgmresusnadsNlPHMHzghwhnde
Ich erteile das Wort Kollegen Gerhard Schick, Frak-ion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Grü-en haben dem Haushaltsbegleitgesetz nicht zuge-timmt, weil wir gegen die Mehrwertsteuererhöhungind. Es hat sich nichts geändert an unserer Position. Wirind nach wie vor gegen die Mehrwertsteuererhöhung.ber Ihr Antrag, Frau Höll, bringt uns in der Debatteicht weiter. Er reflektiert den Diskussionsstand, den wiror der Sommerpause hatten, als es um dieses Gesetzing. Dieser Antrag ist nicht nur kurz, sondern er ist lei-er auch dünn. Wir Grünen haben dagegen eine Reiheon neuen Ideen in die Diskussion eingebracht. Icherde gleich darauf zurückkommen. Mit diesen Ideenürden wir in der Debatte weiterkommen. Ich würdeir von der Linksfraktion innovative Vorschläge erwar-en und nicht nur diesen Einzeiler, auf die Mehrwertsteu-rerhöhung zu verzichten. Das ist wirklich nicht nururz, sondern dünn.
Die große Koalition spricht von Prioritäten und be-ründet die Mehrwertsteuer mit nicht tragenden Argu-enten. Frau Westrich, Sie sagen, Haushaltskonsolidie-ung sei das vornehmste Ziel. Auch Herr Bernhardt hats angesprochen: Solide Haushaltspolitik und gute Wirt-chaftspolitik gehören zusammen. Damit rennen Sie beins Grünen natürlich offene Türen ein; denn dieser Zu-ammenhang ist extrem wichtig.Wenn Haushaltskonsolidierung wirklich Ihr vor-ehmstes Ziel wäre, dann müsste Ihr Haushalt andersussehen. Von den 20 Milliarden Euro Mehreinnahmenurch die Mehrwertsteuererhöhung bleiben für die Kon-olidierung nur 16 Milliarden Euro: Sie reduzieren dieeuverschuldung von 38 Milliarden Euro auf 22 Mil-iarden Euro. Das heißt, im Endeffekt nutzen Sie dieotenziale nicht wirklich. Wir Grünen haben in denaushaltsberatungen Vorschläge für Einsparungen inilliardenhöhe vorgelegt, die Sie alle abgelehnt haben.aushaltskonsolidierung als Ihr vornehmstes Ziel zu be-eichnen und damit die Mehrwertsteuererhöhung zu be-ründen, das funktioniert nicht; sonst müsste Ihre Haus-altspolitik anders aussehen.
Auch das Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken,ird gern zur Begründung der Mehrwertsteuererhöhungerangezogen. Wir machen bei einer Senkung der Lohn-ebenkosten gern mit. Die Lohnnebenkosten steigenurch die Politik der großen Koalition aber; sie sinkenben nicht. Daher lässt sich Ihre Mehrwertsteuer-
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Dr. Gerhard Schickerhöhung auch nicht damit begründen, dass Sie dieLohnnebenkosten senken wollen.Wenn Sie an der Mehrwertsteuererhöhung schon fest-halten wollen, dann nutzen Sie sie bitte komplett zurSenkung der Lohnnebenkosten, um eine neue Dynamikam Arbeitsmarkt auszulösen. Aber auch diesen Vor-schlag von uns haben Sie abgelehnt.Sie haben eben von einer wachstumsorientierten Poli-tik gesprochen. Dazu muss ich sagen: Wenn man solchein Konjunkturrisiko eingeht, dann ist das natürlich eineheikle Sache. Wenn Sie an der Mehrwertsteuererhöhungschon festhalten wollen, dann gehen Sie doch bitte indrei Stufen vor, um es konjunkturunschädlich zu machenund die Wachstumspotenziale nicht zu gefährden. DieserVorschlag wurde vom Finanzminister hier ebenfalls inBausch und Bogen abgelehnt, mit der wackeligen Be-gründung, er schätze keine Fortsetzungsromane. Sie ha-ben sich mit diesem Gedanken also nicht einmal ernst-haft auseinander gesetzt.
Es stellt sich natürlich die Frage: Welche Funktion hatdiese Mehrwertsteuererhöhung eigentlich? Es ist ziem-lich klar: Sie brauchen die Mehrwertsteuererhöhung, umdie Schwächen Ihrer Politik zu überdecken. Sie brau-chen sie als Schmiermittel für die Koalition. Sonst wür-den beim Thema Haushalt nämlich dieselben Konfliktewie bei allen anderen Reformen, die Sie in Angriff ge-nommen haben, massiv aufbrechen. Die Mehrwertsteuerhat nur die Funktion, hier die Wogen zu glätten, damitSie wenigstens an einer Stelle Ruhe haben. Das kanndoch nicht die Begründung sein, wenn Sie die Bürger indiesem Maße belasten.
Sie haben Glück: Die Konjunktur gibt Ihnen Rücken-wind. Aber Sie sollten sich auf dieses Glück nicht ver-lassen. Sie kennen die Risiken für die Konjunktur: Öl-preiserhöhungen, Krise in Nahost. Das sind durchausgefährliche Signale. Wir wünschen uns, dass Sie unseresinnvollen Vorschläge ernst nehmen und Ihre Politik indiesem Punkt überdenken.Danke.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/2507 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden?
– Kollege Beck, bitte.
Wir beantragen die sofortige Abstimmung über die-
sen Antrag.
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Ich rufe die Zusatzpunkte 9 bis 11 auf:
ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Michael Meister, Otto Bernhardt, Eduard
Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reinhard
Schultz , Bernd Scheelen, Ingrid
Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD
Deutscher Finanzdienstleistungsmarkt im
Wandel – Bezeichnungsschutz für Sparkassen
erhalten
– Drucksache 16/2748 –
ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Dr. Thea Dückert, Britta Haßelmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Deutscher Finanzdienstleistungsmarkt im
Wandel – Bezeichnungsschutz für Sparkassen
erhalten
– Drucksache 16/2752 –
ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Axel
Troost, Dr. Barbara Höll, Roland Claus, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Sparkassen-Namensschutz sichern – EU-
Recht wahren – Parlamentarische Einfluss-
nahme sicherstellen
– Drucksache 16/2745 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache.
Bevor ich dem Kollegen Reinhard Schultz, SPD-
Fraktion, das Wort erteile, bitte ich die Kollegen, die an
der Debatte jetzt nicht teilnehmen wollen, ihre Gesprä-
che draußen fortzusetzen. – Bitte, Herr Kollege.
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Wenn darüber verhandelt wird, ob die Bundesregie-ung gegenüber der EU zusagen kann, § 40 KWG zuerändern, mag das auf den ersten Blick eine Regierungs-ngelegenheit sein, aber letztendlich ist das Parlamentefragt, nämlich wir. Wir bringen mit unserem Antragum Ausdruck: Wir wollen an dieser Eigentumsordnungichts ändern.Das hat Gründe. Wir sind kein Verein zur Pflege öko-omischer Traditionen, sondern wir wissen, dass sichas dreigliedrige System seit vielen Jahren bewährt hat,ass die Sparkassen insbesondere in wirtschaftlichchwierigen Zeiten einen hohen Stabilisierungsfaktor füren gesamten Finanzsektor darstellen, dass die Sparkas-en nicht nur die Geldversorgung in der Fläche sicher-tellen, sondern insbesondere auch für die kleinen Leute,ie auf Transferleistungen angewiesen sind und woan-ers kein Girokonto – ich nenne nur das Stichwort „Gi-okonto für jedermann“ – bekommen, da sind. Wir wis-en, dass die Sparkassen etwa 43 Prozent der gesamtenittelstandsfinanzierung über Unternehmenskredite ineutschland leisten. Wir wissen, dass zwei Drittel allerredite für das Handwerk inzwischen über die Sparkas-en laufen. Wir wissen, dass jede zweite Existenzgrün-ung in Deutschland mithilfe von Sparkassen zustandeommt. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte möchtenir ungern am System rütteln lassen.
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5394 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Reinhard Schultz
Warum will überhaupt jemand daran rütteln? Regel-mäßig hört man zum Beispiel vom IWF, wenn er sichüber die Stabilität des deutschen Finanzplatzes und derdeutschen Wirtschaft Gedanken macht, die Aussage,häufig sogar relativ unvermittelt: Im Übrigen wäre esschon längst an der Zeit, dass der öffentlich-rechtlicheSparkassensektor zur Privatisierung freigegeben wird.Ich frage mich immer, warum. Aus den Berichten, diewir vom IWF zu lesen bekommen, lässt sich das nichtherleiten. Vielmehr sprechen zum Beispiel die Berichteüber Stresstests des IWF – den Bankensektor unterziehter regelmäßig solchen Tests – eine ganz andere Sprache.Bei diesen Stresstests werden extreme wirtschaftlicheSituationen simuliert und es wird geschaut, wer diese ei-nigermaßen glücklich übersteht. Wenn man die Berichteliest, stellt man nämlich fest, dass von den drei Säulen– Banken, Volksbanken und Sparkassen – regelmäßigdie Sparkassen am besten abschneiden. Trotzdem fordertder IWF ausdrücklich die Privatisierung. Das ist nichtnachvollziehbar.
Wer hätte etwas von der Privatisierung? Es gibt eineReihe von Privatbanken, die diese regelmäßig fordern.Deren Dachverband flüstert dem zuständigen EU-Kom-missar, auf dessen Schreibtisch er sozusagen übernach-tet, regelmäßig ins Ohr: Sparkassen privatisieren, Spar-kassen privatisieren, Sparkassen privatisieren! Warumwollen die Privatbanken dies? Weil sie in der Vergan-genheit mit ihrer Geschäftspolitik komplett gescheitertsind. Einige Banken gibt es gar nicht mehr als eigenstän-dige Banken, andere haben sich völlig aus der Fläche zu-rückgezogen, stehen damit für die Geldversorgung indiesem Bereich nicht mehr zur Verfügung und haben denMittelstand bzw. die Existenzgründer als Kunden verlo-ren. Nachdem sie eingesehen haben, dass ihre Geschäfts-politik falsch war, würden sie sich ganz gerne des Ver-triebsnetzes der Sparkassen bedienen. Das ist ihreAbsicht: Sie wollen sich fett fressen zulasten anderer.Ich denke, es ist nicht Aufgabe des Parlaments, ihnenhierzu die Hand zu reichen.
Die Sparkassen sind schon etwas Besonderes. Siesind nicht nur öffentlich-rechtlich organisiert, sie sindauch in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet.Die Gewinne, die sie machen, müssen sie entweder the-saurieren oder für gemeinnützige Zwecke im weitestenSinne in der Regel in ihrer Region zur Verfügung stellen.Auch das trägt natürlich zur Stabilität von regionalenbzw. kommunalen und politischen Strukturen vor Ortbei. Einen solchen Stabilitätsfaktor möchten wir sehr un-gerne opfern.Nun zur Frage Berliner Bankgesellschaft und dazugehöriger Sparkasse. Hierbei handelt es sich um einenunglücklichen historischen Sonderfall. Das sage ich inaller Offenheit; die Berliner mögen es mir verzeihen.EEhwEfdnwkdrhwtnSHddssközanlpövmid–wsirrsit––v
elbst die Berliner Bankgesellschaft war als eine Artolding mehr eine privatrechtliche Konstruktion, in dieann eine ehemals öffentlich-rechtliche integriert wor-en ist. Da hätte man vielleicht vor zehn Jahren als Auf-icht „reingrätschen“ können; das hat man aus politi-chen Gründen jedoch nicht getan. Dieser Fehler ist aberein Grund dafür, dass man den Fehler für alle anderenffentlichen Kreditinstitute und Sparkassen sozusagenur Regel macht.Auch die Fragen nach Name und Gattung sind nichtuseinander zu halten. Der Name „Sparkasse“ bezeich-et etwas ganz Besonderes, Spezielles, nämlich öffent-ich-rechtlich organisiert und dem Gemeinwohl ver-flichtet. Wer den Namen „Sparkasse“ führt, mussffentlich-rechtlich organisiert und dem Gemeinwohlerpflichtet sein. Wer eine Bank führt, die nicht dem Ge-einwohl verpflichtet ist oder nicht öffentlich-rechtlichst, darf sie nicht Sparkasse nennen. Deshalb wollen wiren Namenschutz, wie es so schön heißt
oder auch Bezeichnungsschutz –, der in § 40 Kredit-esengesetz zugrunde gelegt ist, gemäß unserem Ent-chließungsantrag ausdrücklich aufrechterhalten. Das istm Interesse der gesamten Sparkassenfamilie und der da-an hängenden Kommunen, denen die Sparkassen gehö-en, der 377 000 Mitarbeiter, der Kunden und des Mittel-tandes, der darauf angewiesen ist. Sie alle können sichn dieser Frage auf die SPD-Fraktion und auf die Koali-ion verlassen.
Bitte?
Das musst du gleich selber sagen, Leo. Ich würde inielen Fällen gern Generalprokura von Euch bekommen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5395
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Reinhard Schultz
Ich habe sie aber noch nicht, deshalb musst du be-stimmte Dinge schon selbst aussprechen.Ich denke, wir müssen die Frage Beihilfeverfahrenund Vertragsverletzungsverfahren als ein Paket sehen.Deshalb bitten wir die Bundesregierung, das weiterhinals ein Paket zu behandeln. Wir dürfen nicht auf den Ver-such der EU hereinfallen, das auseinander zu dröselnund erst die Beihilfefrage zu entscheiden und dann trotz-dem zu versuchen, das generelle Sparkassenrecht undSparkassenprivileg zu kippen.
Es muss letztendlich eine Lösung aus einem Guss geben.
Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierunggut verhandelt, dass sie die heutige Stellungnahme desParlamentes mit zur Grundlage ihrer Stellungnahmemacht und dass das Parlament der Regierung gegenÜbergriffe, die weder rechtlich noch sachlich gebotensind, den Rücken stärkt. Ich bin ganz zuversichtlich,dass wir Rücken an Rücken im Interesse der Sparkassenaus dieser Angelegenheit gut herauskommen.Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Fraktionen,die auf unterschiedlichen Wegen zum Ausdruck bringen,dass auch sie unseren Antrag in Ordnung finden. DieLinken haben mir gesagt, dass sie ihren Antrag gleichzurückziehen und unserem zustimmen werden. Die Grü-nen haben wortgleich denselben Antrag vorgelegt, weilsie aus irgendwelchen Gründen nicht im Kopf unseresAntrages erscheinen konnten.
Ich sage: Bei den vielen Großkarierten gibt es schon Un-terschiede in der Größe des Karos; das ist manchmal so.Letztendlich zählt das Ergebnis: Es wird eine breiteMehrheit geben.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Frank Schäffler von der
FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Streitum den Namen „Sparkasse“ geht mit Ihrem Antrag ineine neue Runde. Bisher sind die Verhandlungen derBundesregierung mit der EU-Kommission ein Auf undAb der Gefühle gewesen. Erst sicherte die Bundeskanz-lerin im Mai bei der Einführung des neuen Sparkassen-präsidenten Haasis noch vollmundig zu, den öffentlich-rechtlichen Status der Sparkassen zu schützen. Dannschlug die Bundesregierung eine Insellösung für die Ber-liner Sparkasse vor. Etwas später legte die Regierungdann einen neuen § 40 Kreditwesengesetz vor, der auchprivate Rechtsformen und private Eigentümer zuließ.Jetzt machen Sie mit Ihrem Antrag eine Rolle rückwärts.DieulgPlrtdBltDNdduEushszdIraBpdndtNftkdbukkD
s gibt in Deutschland keine Bank mehr, die in Europanter den Top Ten ist. Dabei sind wir in Europa mit Ab-tand die größte Volkswirtschaft. Länder um uns herumaben ihre Finanzmärkte reformiert, haben ihr Banken-ystem durchlässiger gemacht und den Staatsanteil redu-iert. Deutschland hat dagegen in Europa nach wie voren höchsten Staatsanteil im Bankensektor. In Spanien,talien, Schweden, in den Niederlanden und in Frank-eich wurden nach teilweise schweren Krisen Reformenktiv eingeleitet. Der Wettbewerb wurde intensiver,ankprodukte sind preiswert und die Institute stehenrofitabel da.Das Dreisäulensystem in Deutschland ist längst iner Veränderung begriffen. Der Vertrieb über das Inter-et hebelt das Regionalprinzip aus, an das sich die Lan-esbanken ohnehin nicht halten. Der Einstieg von priva-en Investoren bei einer Landesbank, der HSHordbank, ist bereits erfolgt. Das Land Nordrhein-West-alen will seinen Anteil an der West-LB ebenfalls priva-isieren. Landesbanken übernehmen längst Privatban-en. Gleichzeitig findet ein konstruktiver Wettbewerb inen Ländern um das beste Sparkassengesetz statt. Dasegrüßen wir ausdrücklich.Thomas Fischer, der Vorstandssprecher der West-LBnd Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Ban-en, hat am 25. November 2004 im „Handelsblatt“ er-lärt:Wir sollten es den Eigentümern von Landesbankenund Sparkassen überlassen, wie sie mit ihren Eigen-tumstiteln verfahren. Das ist nicht Sache von Vor-ständen und Verbandspräsidenten.as sehe ich genauso.
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Frank SchäfflerIn diesem Prozess schlagen Sie jetzt in Ihrem Antragvor, Berlin wieder zu einer Insel zu machen. WenigeTage vor dem Tag der Deutschen Einheit ist dies beson-ders pikant. Sie akzeptieren mit der Insellösung Berlinimmerhin, dass Sie sich an die Entscheidung der EU-Kommission zu den Umstrukturierungsbeihilfen zuguns-ten der Landesbank Berlin Holding halten wollen. Dawaren aus dem Regierungslager in den letzten Tagen undWochen auch schon andere Töne zu hören.Eine diskriminierungsfreie Privatisierung der Landes-bank Berlin Holding und damit auch der Sparkasse Ber-lin kann jedoch nur erfolgen, wenn Rechtssicherheitbesteht und wenn alle Bieter den Geschäfts- und Vermö-genswert zu gleichen Bedingungen erwerben können.Erst dann kann das Veräußerungsverfahren eingeleitetwerden. Dazu ist das Zeitfenster für eine Verständigungmit der EU-Kommission sehr klein. Gelingt dies nicht,dann drohen Deutschland Schadensersatzforderungen ineiner Größenordnung von bis zu 9,7 Milliarden Euro.Ich glaube nicht, dass Sie das Beihilfeverfahren vomVertragsverletzungsverfahren trennen können. Dazuhat diese Bundesregierung zu viele Scherben in Brüsselverursacht. Sie werden mit Ihrem Antrag die Frontenweiter verhärten. Deshalb sind Ihre Anträge nicht hilf-reich. Die Bundesregierung sollte sich um einen Erfolgbei den Verhandlungen mit der EU-Kommission bemü-hen.Sie schlagen die Schlachten der Vergangenheit. Einjahrelanger Rechtsstreit mit der EU-Kommissionschwächt den Finanzplatz Deutschland. Wir werden unsdaran nicht beteiligen und uns deshalb der Stimme ent-halten.
Wir fordern Sie auf, sich endlich auf die Kommissionzuzubewegen und sich mit ihr zu einigen, damit die an-stehende deutsche Ratspräsidentschaft nicht weiter be-lastet wird. Wir Liberale wollen einen dynamischen Fi-nanzmarkt zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger undinsbesondere des Mittelstandes in diesem Lande.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Leo Dautzenberg,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Die Vielstimmigkeit ist ge-rade in der Politik nicht immer ein Garant für eine ge-meinsame Komposition. Manchmal endet der vielstim-mige Einsatz, geschieht er auch in vermeintlichgemeinsamer Sache, in Kakofonie. Vor einer derartigenKakofonie möchte ich in unserer heutigen Diskussionüber die Zukunft des deutschen Dreisäulensystems in derKdctdVlaiczdsIKdTnTBsknZvsmFdddsVrWwisoruSeBhBifmVD
Es erfreut mich, dass auch die Fraktion des Bündnis-es 90/Die Grünen von einer Kakofonie Abstand nimmt.ch sehe es ihr daher nach, dass sie den Antrag deroalitionsfraktionen einfach kopiert hat. Die CDU/CSU,ie SPD und die Grünen sprechen also heute beimhema Sparkassen mit einer Stimme. Es bleiben nuroch die Vielstimmigkeit in der FDP und die falscheonlage der Fraktion Die Linke.Ich denke, es ist unstrittig, dass wir im Deutschenundestag in der großen Mehrzahl den Bezeichnungs-chutz im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Spar-assen und damit § 40 des Kreditwesengesetzes in sei-em Kern erhalten möchten. Aber dieses gemeinsameiel allein reicht nicht aus. Wir – damit meine ich dieerhandlungsführende Bundesregierung im Schulter-chluss mit dem Parlament – brauchen auch einen ge-einsamen Weg dorthin.Der Weg, den Sie, meine Damen und Herren derraktion Die Linke, in Ihrem Antrag vorschlagen, istazu mit Sicherheit nicht geeignet. Sie nageln die Bun-esregierung auf zwei Verhandlungslinien fest. Entwe-er soll die Bundesregierung auf ihrem Kompromissvor-chlag vom Juni dieses Jahres beharren oder sie soll einertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Ge-ichtshof in Kauf nehmen. Beides ist kein gangbarereg. Das Beharren auf einem Kompromissvorschlagiderspricht dem Wesen jeder Verhandlung, bei der sichmmer wieder neue Positionen entwickeln können undollen. Die wissentliche Inkaufnahme und das geradezuffensichtliche Ansteuern eines Verfahrens vor dem Eu-opäischen Gerichtshof sind, gesamtstaatlich betrachtet,nverantwortlich.Wenn wir den Bezeichnungsschutz im Hinblick aufparkassen in Deutschland bewahren möchten, kommts auf Folgendes an: Zunächst einmal müssen wir dieundesregierung in ihren aktuellen komplizierten Ver-andlungen mit der EU-Kommission unterstützen. Dieundesregierung hat wie wir den Bezeichnungsschutzm Hinblick auf Sparkassen zum Ziel. Wir kämpfen hierür eine gemeinsame Sache. Dafür sollten wir als Parla-ent den Verhandlungsführern den Weg für eine guteerhandlungslösung bereiten und diesen Weg, meineamen und Herren von der Linken, nicht verbauen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5397
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Leo DautzenbergDer Antrag der Koalitionsfraktionen ist dazu ge-eignet, einen solchen Weg zu bereiten. Wir legen dieBundesregierung einerseits nicht auf eine einzige Ver-handlungslinie fest. Andererseits beziehen wir aber auchsehr deutlich Position zur Bedeutung des Dreisäulensys-tems einschließlich der Sparkassen. Dadurch zeichnenwir mögliche Lösungsansätze vor und machen deutlich:Wir sind nicht bereit, jedes Brüsseler Verhandlungser-gebnis zu akzeptieren.Worin besteht nun die besondere Bedeutung des Drei-säulensystems einschließlich der Sparkassen als ihremintegralen Bestandteil? Ich bin fest davon überzeugt,dass gerade der Wettbewerb zwischen und innerhalb derdrei Säulen dafür gesorgt hat und weiterhin sorgt, dasswir in Deutschland eine flächendeckende Versorgungmit Bankdienstleistungen sowohl für Privathaushalte alsauch für Unternehmen sicherstellen können.
Zu dieser Versorgung trägt jede Säule in unterschiedli-cher Weise bei, die Privatbanken ebenso wie die Genos-senschaftsbanken und die Sparkassen.Die besonderen Leistungen der Sparkassen beruhendabei vor allem auf ihrem besonderen Strukturmerkmal.Das sind erstens die kommunale Bindung und zweitensdie gemeinwohlorientierte Ausrichtung in der Geschäfts-politik und Gewinnverwendung. Institutionell abgesi-chert werden diese Strukturmerkmale der Sparkassendurch das Regionalprinzip und die öffentliche Rechts-form.Ziel muss es sein, dass diese institutionelle Absiche-rung bei den Verhandlungen mit der EU-Kommissionim Sinne des § 40 KWG – das heißt im Kern – bewahrtwird. Diese institutionelle Absicherung ist das am bestengeeignete Instrument, um die von uns gewollte Gemein-wohlorientierung der Sparkassen auch zukünftig sicher-zustellen. Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Chan-cen haben, mit der EU-Kommission eine Lösung imSinne dieser Forderung zu erzielen.Denn wir haben gute Argumente, auch EU-rechtliche,auf unserer Seite. Ich möchte hier nur zwei nennen. Ers-tens lässt Art. 295 EG-Vertrag die Eigentumsordnung inden Mitgliedstaaten unberührt. Das heißt, die Entschei-dung über die Privatisierung eines öffentlich-rechtlichenKreditinstituts fällt in die Zuständigkeit des jeweiligenMitgliedstaates. Zweitens enthält der Bezeichnungs-schutz für Sparkassen gemäß § 40 KWG keine Diskrimi-nierung, da er sowohl für inländische als auch für aus-ländische Investoren gilt.Losgelöst von dieser grundsätzlichen Problematik des§ 40 Kreditwesengesetz ist der Fall des Beihilfeverfah-rens der Bankgesellschaft Berlin zu betrachten; daraufwurde ja schon von Kollegen Bezug genommen. Ichdenke, wir sind uns darin einig, dass es hierbei um einenSonderfall geht. Für diesen Sonderfall sucht die Bundes-regierung derzeit richtigerweise einen gesonderten Lö-sungsansatz mit der Kommission.sshIaGnfpdsV§ßnetjStaKsdabfmshdLwwdDtPstndD
So wie ich uns Parlamentariern rate, beim Bezeich-ungsschutz für Sparkassen Kakofonie zu vermeiden, sorwarte ich auch von den Verhandlungsführern – die In-eressenvertretung der Sparkassen eingeschlossen; da ista auch nicht alles einheitlich –, dass sie mit einertimme in Brüssel sprechen.Ich bin davon überzeugt, dass der Antrag der Koali-ionsfraktionen zwei Funktionen erfüllt. Zuerst und vorllem ist der Antrag ein eindeutiges Signal an die EU-ommission. Er zeigt: Wir wollen einerseits das Drei-äulensystem in Deutschland weiterentwickeln und fürie Zukunft fit machen. Andererseits wollen wir aberuch seine Stärken bewahren. Als einer dieser Stärkenekennen wir uns eindeutig zu dem Bezeichnungsschutzür die Sparkassen. Neben dem Signal an die EU-Kom-ission soll der Antrag aber auch eine praktische Hilfe-tellung für die Bundesregierung sein. Er soll die Ver-andlungen positiv flankieren.Mit diesem Flankenschutz wollen wir dazu beitragen,ass die Bundesregierung zu einer einvernehmlichenösung mit der EU-Kommission kommt. Dies gilt so-ohl für den Sonderfall Berlin als auch für § 40 Kredit-esengesetz insgesamt. Ziel ist eindeutig die Einstellunges Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland.ies gebietet alleine unsere gesamtstaatliche Verantwor-ung. Dass wir dieses Ziel allerdings nicht um jedenreis verfolgen, macht der Antrag ebenso deutlich.Ich würde mich freuen, wenn heute aus unserer viel-timmigen Fürsprache für das deutsche Dreisäulensys-em und die Sparkassen eine einstimmige und damitoch viel deutlichere Unterstützung würde. Ich werbeamit um Ihre Unterstützung für unseren Antrag.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Axel Troost, Fraktionie Linke.
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5398 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich mit einer ganz einfachen Frage anfan-
gen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Spar-
kassen und der Deutschen Bank? Sparkassen leisten,
bei aller Kritik im Einzelnen, eine Grundversorgung
auch in strukturschwachen Gebieten. Sparkassen können
ein wichtiges Instrument kommunaler Wirtschaftspolitik
sein. Sparkassen haben keine Renditeziele in Höhe von
25 Prozent. Sparkassen sind öffentlich-rechtlich und
müssen nicht Gewinne maximieren wie die Privatban-
ken. Weil das so ist – das sage ich ganz klar –, sollen
Bürgerinnen und Bürger auch am Namen erkennen kön-
nen, welches Institut eine Sparkasse und welches Institut
eine Privatbank ist.
Das ist klar und transparent. Das sichert das erfolgreiche
Dreisäulensystem der deutschen Kreditwirtschaft.
Leider ist diese Klarheit in Gefahr. Die EU-Kommis-
sion und der Bundesverband deutscher Banken behaup-
ten: Der Namensschutz für Sparkassen ist mit Europa-
recht nicht vereinbar. Was setzt das Finanzministerium
dem entgegen? Nichts. In den Verhandlungen mit Brüs-
sel fährt es seit Monaten einen völlig undurchsichtigen
Zickzackkurs. Es hat keine Strategie, die man nachvoll-
ziehen könnte. Diesen Zickzackkurs sollte das Parlament
nicht länger hinnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU
und der SPD, ich habe mich über Ihren Antrag wirklich
sehr gefreut. Seien wir doch ehrlich: Ihr Antrag, der fünf
Tage vor Ablauf der Frist für Verhandlungen mit Brüssel
vorgelegt wurde, ist eine Ohrfeige für das Finanzminis-
terium. In letzter Sekunde haben Sie wirklich ordentli-
che Arbeit geleistet.
Weil das so ist, kann ich für die Fraktion Die Linke
sagen: Wir ziehen unseren Antrag zurück, weil wir er-
reicht haben, was wir erreichen wollten. Wir haben er-
reicht, dass wir heute über die Sparkassen debattieren.
Vor allen Dingen haben wir erreicht, dass das Parlament
zum Zickzackkurs von Herrn Steinbrück laut und deut-
lich Nein sagt.
Oppositionsarbeit ist insbesondere für die Linke ein
hartes Geschäft. In der letzten Zeit haben wir immer und
immer wieder gesagt: Es kann doch nicht sein, dass das
Parlament dem tatenlos zuschaut.
In der letzten Woche haben wir im Finanzausschuss eine
Selbstbefassung zu diesem Thema für diese Woche ver-
abredet. Als deutlich wurde, dass Sie eher nicht handeln
würden, haben wir unseren Antrag geschrieben. Wir ha-
ben ihn bewusst weich formuliert, damit die Kolleginnen
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Das steht in unserem Antrag doch überhaupt nicht
rin. – In letzter Sekunde zeigen Sie dem Finanzministe-
ium – das hat Herr Schäffler durchaus richtig erkannt –
ie rote Karte. Das ist kein Zufall, das hängt vielmehr
it unserer Hartnäckigkeit zusammen.
Klar ist aber auch, dass das nicht allein unser Erfolg
st. In allen großen Parteien rumort es. Es gibt dort etli-
he Stimmen, die sagen: Das Finanzministerium muss
iesbezüglich endlich an die kurze Leine genommen
erden.
Der Erfolg von heute ist also ein Erfolg einer großen
oalition. Damit meine ich nicht Schwarz-Rot, sondern
ie unausgesprochene große Koalition, die aus Mitglie-
ern verschiedener Parteien besteht, die für Sparkassen
treiten. In dieser großen Koalition hat jeder an seinem
latz im Sinne der Sache gekämpft. Jetzt sehen wir den
rfolg. Ich hoffe, es wird nicht der letzte sein.
Ich erteile das Wort Kollegin Kerstin Andreae, Frak-
ion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Das Dreisäulensystem hat sich bewährt. Vieleedner haben bereits darauf hingewiesen, dass das Ne-eneinander von Sparkassen, Genossenschaftsbankennd privaten Kreditinstituten für einen erfolgreichenettbewerb sorgt. Davon profitieren die deutsche Wirt-chaft und die Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen.parkassen leisten mit ihrer flächendeckenden Präsenz,it ihrer kommunalen Bindung und mit ihrer gemein-ohlorientierten Ausrichtung einen unverzichtbareneitrag zum deutschen Finanzmarkt. Ihre erfolgreicheittelstandsfinanzierung ist von großem Wert für denirtschaftsstandort Deutschland.Deshalb unterstützen wir die Bundesregierung in ih-em Bemühen, den Bezeichnungsschutz für Sparkassenemäß § 40 des Kreditwesengesetzes zu erhalten. Woparkasse draufsteht, muss auch Sparkasse drin sein.Wir fordern die Bundesregierung daher auf, im lau-enden Vertragsverletzungsverfahren dafür Sorge zu tra-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5399
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Kerstin Andreaegen, dass der wesentliche Inhalt des § 40 erhalten bleibt.Das heißt, Finanzdienstleistungsinstitute, die den Namenund das Logo „Sparkasse“ führen, müssen die Pflicht zurGemeinwohlorientierung und das Regionalprinzip erfül-len. So weit, so gut.
Wie stärkt man nun die Verhandlungsposition desFinanzministers in Brüssel? Sie haben es gesagt: indemman ihm den Rücken stärkt – das sagten Sie, HerrSchultz – und indem man mit einer Stimme spricht – dassagten Sie, Herr Dautzenberg. Deswegen gab es sehrfrüh die Überlegung und die gemeinsame Absprache:Lasst uns bei diesem wichtigen Thema das Parteienge-zänk aus der Debatte heraushalten und einen gemeinsa-men Antrag stellen, um die Verhandlungsposition inBrüssel zu stärken. Das wäre die richtige Strategie gewe-sen.
Nun haben wir gesagt: Ja, weil das die richtige Strate-gie ist und die Verhandlungsposition dadurch gestärktwird, stellen wir mit Ihnen einen gemeinsamen Antrag.
Es hat sehr lange gedauert, bis ein Antrag aus den Rei-hen der großen Koalition kam, weil man überlegt hat, obder Termin – bis jetzt 4. Oktober – vielleicht noch einbisschen weiter nach hinten geschoben wird.
– Der Zeitpunkt war entscheidend. Es hat eine Weile ge-dauert. Insofern sage ich ganz klar: Die Initiative derLinkspartei war richtig, um Schwung in die Sache zubringen.
Dann haben Sie Anfang der Woche Ihren Antrag ein-gereicht. Wir haben Ihnen signalisiert: Ja, wir machenmit, weil wir Sachpolitik machen.
Was passiert? Die Union signalisiert: Wenn die FDPnicht mitmacht, können die Grünen nicht mitmachen.Den Zusammenhang müssen Sie mir einmal erklären. Erist mir nicht klar. Dass die Haltung der FDP seit jeher ist,die Position der Sparkassen zu schwächen und langfris-tig sogar § 40 anzugehen, ist bekannt. Daher können Siedoch nicht ernsthaft zu uns sagen: Das eine geht nur zu-sammen mit dem anderen.
Insofern muss ich sagen: Sie haben sich auf eine ganzkleinliche Parteienlösung eingelassen und sind nicht dengemeinsamen Weg eines fraktionsübergreifenden An-trags gegangen.
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Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Es ist vereinbart, dassber die gleich lautenden und inhaltsgleichen Anträgeer Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie der Frak-ion des Bündnisses 90/Die Grünen gemeinsam abge-timmt werden soll. – Dagegen höre ich keinen Wider-pruch. Dann verfahren wir so.Wir stimmen also ab über die Anträge der Fraktionener CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion des Bünd-isses 90/Die Grünen mit dem Titel „Deutscher Finanz-ienstleistungsmarkt im Wandel – Bezeichnungsschutzür Sparkassen erhalten“. Wer stimmt für die Anträge aufen Drucksachen 16/2748 und 16/2752? – Wer ist dage-en? – Enthaltungen? – Dann sind die Anträge ange-ommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, derraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Frak-ion Die Linke bei Enthaltung der FDP-Fraktion.Die Fraktion Die Linke hat beantragt, ihren Antrag aufrucksache 16/2745 mit dem Titel „Sparkassen-Namens-chutz sichern – EU-Recht wahren – Parlamentarischeinflussnahme sicherstellen“ für erledigt zu erklären. Wertimmt dafür? – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? –ann ist der Antrag einstimmig für erledigt erklärt.Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a bis c auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedHermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENTreibhausgasemissionen bei Dienstreisen aus-gleichen – Vorbildfunktion der öffentlichenHand erfüllen– Drucksache 16/1066 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitFinanzausschussAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss
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5400 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldtb) Beratung des Antrags der Abgeordneten HellmutKönigshaus, Dr. Karl Addicks, Ernst Burgbacher,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPKeine Flugticketabgabe – Mit solider Finanz-politik mehr Haushaltsmittel erwirtschaften– Drucksache 16/2660 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung
– zu dem Antrag der Abgeordneten HeikeHänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, MonikaKnoche, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der LINKENFlugticketabgabe jetzt – Entwicklungsfinan-zierung auf breitere Grundlagen stellen– zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe,Kerstin Andreae, Marieluise Beck ,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENUmsetzung des EU-Stufenplans zur Ent-wicklungsfinanzierung
durch Flugticketsteuer unterstützen– Drucksachen 16/1203, 16/1404, 16/2783 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Christian RuckDr. Sascha RaabeHellmut KönigshausHeike HänselUte KoczyNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minutenerhalten soll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dannist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort demKollegen Thilo Hoppe von der Fraktion desBündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Endlich können wir im Deutschen Bundestag über zweiAnträge beraten und abstimmen, die schon vor vielenMonaten eingebracht, aber leider von der Mehrheit desHauses in eine lange Warteschleife geschickt wordensind. Es geht um die Einführung einer Flugticketabgabezur Finanzierung von Entwicklungsvorhaben für dieÄrmsten der Armen.sgnlb3pAgHhMnlngfkMnhGvmFWedsKErtwmrdiFmBwMDmEuKDL
Man kann natürlich ewig darüber diskutieren, welcheinanzierungsinstrumente am besten geeignet sind.enn es nach uns ginge, dann hätte Deutschland längstine Initiative zur Einführung der Devisenumsatzsteuer,er Tobin Tax, oder der Kerosinsteuer mit ihrer ökologi-chen Lenkungswirkung ergriffen. Aber wir müssen zurenntnis nehmen, dass es dagegen auf internationalerbene große Widerstände gibt.Was ist gegenwärtig machbar und umsetzbar? Frank-eich, Brasilien, Chile, Norwegen, Südkorea und 13 wei-ere Staaten haben es uns vorgemacht. In diesen Ländernird bereits eine Flugticketsolidarabgabe erhoben oderan steht unmittelbar vor ihrer Einführung. In Frank-eich beträgt diese Abgabe für innereuropäische Flüge iner Touristenklasse 1 Euro und für Interkontinentalflügen der Businessclass 40 Euro. Das hält niemanden vomliegen ab. Aber es bringt immerhin zusätzliche Einnah-en von 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr, die zurekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ver-endet werden können. Würde man das schwedischeodell, das kurz vor seiner Einführung steht, aufeutschland übertragen, ginge es um ganz andere Sum-en. Dann kämen Einnahmen in Höhe von 1 Milliardeuro zusammen.Es ist ein Trauerspiel, dass Deutschland abseits stehtnd sich nicht dazu durchringen kann, dem Aufruf vonofi Annan zu folgen. Es ist beschämend, dass sicheutschland nicht der Initiative von Jacques Chirac undula anschließt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5401
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Thilo HoppeVorgestern haben wir im Ausschuss für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung ausführlich überReformen der Entwicklungszusammenarbeit diskutiert.Es wurde immer wieder betont, dass wir internationalanschlussfähig werden, uns am Agenda-Setting beteili-gen und auf der internationalen Bühne stärker auftretenmüssen. Jetzt stehen wichtige Entscheidungen an. Die18 Länder, die ich erwähnt habe, diskutieren darüber,wie die Mittel unter der Verantwortung von Unitaid ver-wendet werden sollen. Deutschland beteiligt sich an die-ser internationalen Debatte nicht und steht abseits.Ich bin mir sicher, dass die Entwicklungsministerinund viele Kolleginnen und Kollegen aus der Koalitionheute am liebsten unserem Antrag zustimmen würden,wenn es nicht die Koalitionszwänge geben würde. DerWirtschaftsminister stellt sich quer, weil er den faden-scheinigen Argumenten der Luftfahrtbranche folgt.
Finanzminister Steinbrück fürchtet Schlagzeilen in der„Bild“-Zeitung, in denen von einer neuen Steuerabzockedie Rede sein könnte.
Sein Vorgänger hingegen, der Kollege Hans Eichel – erist heute leider nicht hier –,
verfährt ganz anders: Er hat einen Appell von ATTACunterschrieben, eine Flugticketabgabe einzuführen. Jetztwürde ich gerne an den Kollegen Eichel appellieren;aber er ist nicht hier.
Ich bitte alle, die diese Initiative unterstützt haben, diesich im Ausschuss, in den Diskussionen, in der entwick-lungspolitischen Community klar und deutlich für eineFlugticketabgabe ausgesprochen haben, uns jetzt nichtmit Vertröstungsfloskeln zu kommen, sie bräuchten nochZeit – sie haben viele Monate gehabt –, oder auf andereInstrumente zu verweisen, die noch in der Diskussionsind. Jetzt ist der Zeitpunkt, Rückgrat zu zeigen und sichklar und deutlich für die Flugticketabgabe auszuspre-chen. Bitte stimmen Sie den Anträgen zu.
Das Wort hat nun die Kollegin Anette Hübinger für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heutereden wir darüber, auf welchem Weg wir das Ziel, daswir uns gesetzt haben, erreichen: unsere Mittel für ent-wicklungspolitische Zusammenarbeit bis 2015 auf0i–wwhsKDldwKOtDHlzFanWMznlvkmdrnFtEmef
ie begrüßenswerten Aufwüchse spiegeln unser globa-es Politikverständnis wider und die Tatsache, dass sichie Bundesregierung unter Angela Merkel ihrer Verant-ortung für die Ärmsten dieser Welt bewusst ist. Imoalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass wir dieDA-Quote auf 0,7 Prozent des Bruttonationalproduk-es erhöhen werden.
azu wollen wir, wenn nötig, neben der Erhöhung deraushaltsmittel und der Entschuldung der Entwick-ungsländer innovative Finanzierungsinstrumente heran-iehen, um den EU-Stufenplan umzusetzen.
ür dieses Jahr und das kommende Jahr ist schon jetztbzusehen, dass wir die Zielmarken unseres Stufenpla-es zur Erhöhung der ODA-Quote erreichen werden.
ie Sie sehen, stellt sich die Frage nach zusätzlichenitteln zum jetzigen Zeitpunkt nicht.Unser Nachbar Frankreich hat zum 1. Juli 2006 eineusätzliche Abgabe auf innereuropäische und transkonti-entale Flüge eingeführt, die zwischen 1 und 40 Euroiegt. Jetzt fordern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegenon Bündnis 90/Die Grünen, Deutschland solle sichurzfristig dem französischen Modell anschließen, umit den zusätzlichen Einnahmen zu gewährleisten, dassie ODA-Quote entsprechend erhöht wird. Frankreichechnet damit, dass die Flugticketsteuer zu Mehrein-ahmen von circa 200 Millionen Euro führt.
ür Deutschland werden, würde es das französische Sys-em übernehmen, Einnahmen von rund 270 Millionenuro prognostiziert. Das heißt, mit einem solchen Instru-ent würden wir unseren Beitrag zwar erhöhen, dochin Durchbruch wäre das nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie wissen,ührt Deutschland mit unseren EU-Partnern intensive
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5402 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Anette HübingerGespräche über die Entwicklung und Ausgestaltung in-novativer Instrumente zur Finanzierung der Entwick-lungspolitik. Auch über eine Flugticketabgabe wird da-bei diskutiert. Wichtig wäre allerdings eine europaweiteAkzeptanz, gleich für welches Instrument wir uns ent-scheiden. Bevor wir neue Finanzierungsinstrumente he-ranziehen, müssen wir deren Notwendigkeit und Wirk-samkeit sorgsam prüfen.
Dass Mehreinnahmen erzielt werden, darf nicht dasalleinige und ausschlaggebende Bewertungskriteriumsein. Es entspricht nicht einer nachhaltigen Entwick-lungspolitik, wie wir als CDU/CSU-Fraktion sie verfol-gen. Übrigens hat die Ministerkonferenz der Afrikani-schen Union ihre Besorgnis über die Einführung einerFlugticketsteuer geäußert. Sie befürchtet negative Fol-gen für den Tourismus in Entwicklungsländern.Wir sehen das französische Modell auch deshalb kri-tisch, weil die Mittel, die eingenommen werden, in einennoch einzurichtenden Fonds fließen sollen. Deutschlandsetzt sich seit längerem für eine straffere Organisations-struktur der internationalen Entwicklungspolitik ein. Einneuer Fonds bedeutet sowohl für die Geberländer alsauch für die Entwicklungsländer einen zusätzlichen Ko-ordinierungsaufwand und zusätzliche Verwaltungskos-ten.
Darüber hinaus werden schon heute viele Aufgaben, de-ren Erledigung man sich mit diesem Fonds zum Ziel ge-setzt hat, von bereits existierenden Institutionen abge-deckt. Die Notwendigkeit dieser Neugründung ist fürmich bisher nicht ersichtlich.Genauso wenig nachvollziehbar ist für mich der An-trag der Fraktion der Linken, die fordern, dass wederEinnahmen aus einer Flugticketsteuer noch Entschul-dungsmaßnahmen in die ODA-Quote einfließen sollen.
Sie fordern eine Finanzierung aus reinen Haushaltsmit-teln. Wer die Augen vor der Haushaltssituation Deutsch-lands so verschließt, wie Sie dies tun, der gefährdet letzt-endlich das gemeinsame Ziel, nämlich die Armut in derWelt zu reduzieren.
Neben neuen Finanzierungswegen müssen wir dieWirksamkeit der eingesetzten öffentlichen Mittel einerkritischen Überprüfung unterziehen und wir müssen un-ser Ziel noch klarer und deutlicher formulieren. DieCDU/CSU-Fraktion hat für sich drei klare Ziele heraus-gearbeitet: erstens die Solidarität mit den ärmsten Men-schen aufgrund unseres christlich-humanitären Weltbil-des, zweitens die Gefahrenabwehr und die Herstellungvon Sicherheit für die Entwicklungsländer und damitletztendlich auch für unser eigenes Land und drittens dieSdlnmHösZietzOWlnrsdalBSuwüEZwZseFwdIF
u deren Ausgleich kann auch eine zusätzliche Abgabem richtigen Maß beitragen, die in ein Gesamtkonzeptinfließen muss.Meine Damen und Herren, wir als CDU/CSU-Frak-ion sehen zu diesem Zeitpunkt kein Erfordernis, eineusätzliche Flugticketabgabe einzuführen, um denDA-Stufenplan einzuhalten.
ir sind auf einem guten Weg. Das wird durch die Zah-en für dieses und auch für das kommende Jahr belegt.Den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-en, mit dem sie eine Klimaschutzabgabe bei Dienst-eisen fordert, sehen wir als nicht geeignet an, zur Lö-ung umweltpolitischer Probleme beizutragen. Dieadurch erzielten geringen Einnahmen stehen in keinemngemessenen Verhältnis zu der damit verbundenen Be-astung der Verwaltung und den zusätzlich anfallendenürokratiekosten.
Die Bekämpfung der weltweiten Armut ist unser Ziel.ie erfordert weitere Anstrengungen auf internationalernd nationaler Ebene. Wir sind uns bewusst, dass die Er-artungshaltung der internationalen Gemeinschaft gegen-ber Deutschland auch aufgrund seiner herausragendenxpertisen in vielen Feldern der entwicklungspolitischenusammenarbeit sehr hoch ist. Gerade deshalb lassenir uns aber nicht zu voreiligen Handlungen drängen.Wir verfolgen eine Entwicklungspolitik mit klarenielen und erfassbaren Ergebnissen, die vor den kriti-chen Augen der Öffentlichkeit standhält. Wir sind aufinem guten Weg, den ODA-Stufenplan einzuhalten. Dieorderung zur Einführung einer Flugticketabgabe haltenir zum jetzigen Zeitpunkt für nicht erforderlich.Herzlichen Dank.
Frau Kollegin Hübinger, das war Ihre erste Rede iniesem Haus. Ich gratuliere Ihnen herzlich und wünschehnen weiterhin alles Gute.
Nun hat der Kollege Hellmut Königshaus für dieDP-Fraktion das Wort.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5403
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das istschon eine merkwürdige Melange von Anträgen, die wirhier gemeinsam beraten sollen.
Die Grünen wollen einen ökologischen Ausgleich fürDienstreisen – natürlich auf Kosten der Steuerzahler –und eine Flugticketabgabe – diese wollen im Übrigenauch die Linken –, die natürlich erst recht auf Kosten derBürger – in diesem Fall der Reisenden – erhoben werdensoll. Sie liegen damit im Übrigen auf einer Linie mitdem Bundesfinanzminister, der den Bürgern nach seinerRückkehr aus dem Urlaub – quasi noch auf der Gangwaystehend – ihren Anspruch auf Urlaubsreisen streitig ma-chen wollte.
Dabei tut die Koalition schon einiges dafür, den Bürgerndas Reisen wirtschaftlich unmöglich zu machen – vor al-lem, aber nicht nur mit Steuer- und Abgabenerhöhungen.
Nun beantragen die Grünen, Herr Kuhn, und dieLinke das, was sich die Koalitionäre nicht oder jeden-falls noch nicht trauen, nämlich noch mehr draufzupa-cken: eine Flugticketabgabe – wie es so schön heißt – alsEinstieg in die Schaffung „innovativer Finanzierungs-instrumente“. Eine wahrhaft große Koalition der Abkas-sierer!Zum „Dienstreiseantrag“ der Grünen ist nur eines zusagen: Es kommt darauf an, Dienstreisen auf das abso-lute Minimum zu reduzieren. Das wäre der beste Beitragzum Klimaschutz und würde der Vorbildfunktion der öf-fentlichen Hand eher gerecht als solche Pseudoaktivitä-ten.Nun zur Flugticketabgabe. Koalition und Bundesre-gierung haben die Einführung einer Flugticketabgabebereits mehrfach angekündigt. Wie so oft, haben sieauch bei dieser Ankündigung nur heiße Luft produziert.In diesem Fall muss man sagen: Gott sei Dank! Es istnämlich zu bezweifeln, dass die Einnahmen unter demStrich wirklich der Entwicklungshilfe zugute kommenwürden.Es ist ein alter Trick von Rot-Grün, der jetzt vonSchwarz-Rot wiederbelebt wird: Man erhöht eine Steueroder Abgabe, verbindet das mit einem guten Zweck, derdamit angeblich verfolgt wird, vergisst nach der Steuer-erhöhung diesen guten Zweck und stopft mit den Mehr-einnahmen die selbst verschuldeten Haushaltslöcher.So haben Sie erst jüngst – natürlich für einen gutenZweck – die Eigenheimzulage gestrichen, und zwar fürdie Bildung, wie Sie behauptet haben.
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Auch Sie sollten da einmal hineinschauen. Durch-chnittsverdiener – das darf ich einmal in Richtung aufie Großkoalitionäre sagen – arbeiten auch Freitagnach-ittag, auch wenn das anders abgesprochen sein sollte.Wenn also mehr Geld benötigt wird, dann darf manicht abkassieren, sondern das muss durch Sparen er-irtschaftet werden. Aber brauchen wir hier und jetztberhaupt mehr Geld für die Entwicklungszusammenar-eit?
ngesichts der Positionen im Einzelplan 23, dem Ent-icklungshaushalt, kann dies zumindest derzeit nur ver-eint werden. Wir müssen die dort genannten Projekterst einmal durchforsten; denn da könnten wir Milliar-en freimachen.
Ich will hier einige Beispiele nennen: China wirdoch immer mit Finanzhilfen bedacht, ein Land, dasber 1 Billion US-Dollar als Devisenreserve verfügt.underte Millionen Euro werden in fragwürdige Schul-enerlasse und Budgethilfen geschaufelt. Da gehen Mil-ionen über Millionen in unkontrollierte und unkontrol-ierbare multilaterale Fonds.
Zusätzlich bedienen Sie noch den Moloch des Euro-äischen Entwicklungsfonds. Der EEF hatte gar keineerwendung für die Mittel. Trotzdem wollen Sie dieses
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5404 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Hellmut KönigshausJahr wieder 700 Millionen Euro hinschaufeln. Währendnoch gar nicht alle Mittel des 8. EEF abgerufen waren,haben Sie zugestimmt, einen 9. EEF aufzulegen und da-für noch einmal Mittel freizumachen. Nun wollen Sie700 Millionen Euro jährlich in einen 10. EEF zusätzlicheinzahlen, während noch 3,5 Milliarden Euro als deut-sche Zahlungsverpflichtung offen sind. Ein Fass ohneBoden!
– 3,5 Milliarden Euro sind viel Geld, Herr Kuhn, auchwenn es die Grünen nicht wahrhaben wollen.
Dafür wollen Sie die Bürger mit einer zusätzlichenFlugticketsteuer noch weiter schröpfen? Das darf dochwohl nicht wahr sein!
Solange Sie keine überzeugenden Verwendungsmöglich-keiten aufzeigen und neue Projekte nicht begründen kön-nen, können wir einer Erhöhung des EZ-Haushalts underst recht der Einführung einer neuen Steuer nicht zu-stimmen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun der Kollege Sascha Raabe für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Wenn man eine Weile mit einem Kolle-gen im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung zusammenarbeitet, der an Anhörungenteilnimmt und viele Länder bereist, dann fragt man sich,was er sich dort wohl angeschaut hat, wenn er hier so tut,als wären die Mittel für die Entwicklungszusammen-arbeit nicht sinnvoll, weil sie irgendwo versenkt würden,wenn er den Aufwuchs des Entwicklungsetats infragestellt, und meint, wir sollten stattdessen lieber in dieLohntüten der Deutschen schauen, Herr Königshaus.Wenn täglich 30 000 Menschen an den Folgen von Hun-ger und Armut sterben, wenn fast die Hälfte der Weltbe-völkerung von weniger als 2 US-Dollar pro Tag lebt und800 Millionen weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Ver-fügung haben, dann ist es schäbig, wenn Sie hier mit ei-nem Glas Wasser in der Hand und wohlgesättigt dafüreintreten, den Ärmsten der Armen kein Geld mehr zurVerfügung zu stellen. Sie sollten sich fragen, ob Sie indem Ausschuss richtig aufgehoben sind.
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Deswegen haben wir uns im Sommer Zeit genom-en, Herr Kollege Hoppe, um abzuwarten, wie sich deraushalt 2007 entwickeln wird. Da wir mit diesemaushalt mit einem Plus von fast 8 Prozent auf einemehr guten Wachstumskurs sind, sind wir davon ausge-angen, dass wir zum Januar 2007 keine zusätzlichenittel durch ein innovatives Finanzierungsinstrumentrauchen. Denn laut Koalitionsvertrag wollten wir imahr 2006 eine ODA-Quote von 0,33 Prozent erzielen.ir haben aber schon 2005 – also ein Jahr früher – mitiner ODA-Quote von 0,35 Prozent gezeigt, dass wir gutm Plan liegen.Wir werden uns aber auch damit befassen müssen,ie wir das Niveau gemäß unserer Zielsetzung imaushalt 2008 halten bzw. steigern können. Bis dahinerden einige Entschuldungseffekte auslaufen. Es istichtig, dass wir die ärmsten Länder entschuldet haben;s ist aber auch klar, dass dann wieder viel Geld ge-raucht wird.
ie ODA-Quote würde nämlich wieder sinken, wennan keine neuen Mittel generiert. Insofern glaube ich,ass wir uns dann gemeinsam mit möglichen innovati-en Finanzierungsinstrumenten befassen müssen, um
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5405
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Dr. Sascha Raabeden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag entsprechend2008 zusätzliche Mittel aufzubringen.Ich will nicht alle Argumente der Lobbyisten aufgrei-fen, die gegen die Flugticketabgabe vorgebracht wurden.Auch ich habe mich über einiges geärgert, das ich als un-fair und unehrlich empfand. Zum Beispiel haben dieLuftverkehrswirtschaft und der BDI alle Abgeordnetenangeschrieben – auch Sie haben das aufgegriffen, FrauHübinger –, wobei etwas falsch dargestellt wurde, näm-lich dass sich die Afrikanische Union gegen eine Flugti-cketabgabe ausgesprochen hätte. Damit hat die Luftver-kehrswirtschaft schlicht gelogen. Wir haben uns nachder Quelle erkundigt. Schließlich erhielten wir die klein-laute Antwort, dass, wie aus einem Dokument hervor-gehe, die Verkehrsminister in der Afrikanischen Unionkeine Ticketabgabe für innerafrikanische Flüge erhebenwollten, um damit Start- und Landebahn und andere In-frastrukturmaßnahmen zu finanzieren. Die AfrikanischeUnion hat natürlich niemals beschlossen, dass sie keinGeld mehr für die Hungerbekämpfung haben will. Dasist völliger Blödsinn.An dieser Stelle muss gesagt werden, dass mancheArgumentationen, die große Wettbewerbsnachteile andie Wand malen, nicht ganz einleuchtend sind. Wenn dieTicketabgabe für alle Airlines gleichermaßen gilt undwenn Transitpassagiere davon ausgenommen werden,dann frage ich mich allen Ernstes, welchen Schaden esanrichtet, wenn ein Economypassagier 1 Euro bzw.4 Euro mehr, wie es das französische Modell vorsieht,für einen Flug bezahlen soll. Man darf nicht vergessen,wie viel schon heute an Sicherheitsgebühren und Flug-hafensteuern auf die Flugtickets aufgeschlagen wird. Ichglaube daher, dass der Tourismus durch die Einführungeiner Ticketabgabe nicht wegbricht.Dass sich sogar die US-amerikanische Botschaft ineinem Brief an den Haushaltsausschuss an uns wendetund mehr oder weniger deutlich sagt, dass wir in derheutigen Debatte darauf achten sollen, dass die bean-tragte Flugticketabgabe abgelehnt wird, weil sonst alleszusammenbricht, halte ich für einen ungewöhnlichenVorgang. Offenbar glaubt die US-amerikanische Regie-rung, uns frei gewählten und demokratisch legitimiertenAbgeordneten solche Tipps erteilen zu müssen. Werhätte gedacht, dass die Weltmacht USA von unsererFlugticketabgabe in die Knie gezwungen wird? Dashalte ich für sehr überzogen. Wenn wir schon dabei sind,Kollegen in anderen Ländern Ratschläge zu geben: DieKollegen im US-amerikanischen Kongress sollten dieMittel, die sie weltweit für das Militär und den Irakkriegausgeben, besser für die Entwicklungszusammenarbeitverwenden.
Dann gäbe es mehr Sicherheit auf der Welt und die Si-cherheitsgebühren an den Flughäfen wären geringer.Weltweit wurden im letzten Jahr 1 000 Milliarden Eurofür Militär, Rüstung und Krieg, davon ein Großteil fürden Irakkrieg, ausgegeben, aber nur 70 Milliarden EuroflzmdtwdrgzvwdWmMpF2SgnmcwtdMp6mfdgmahatEmzsFfdmZRlgtweo
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5406 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Nun erteile ich der Kollegin Heike Hänsel für die
Fraktion Die Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vorab möchte ich ein Wort zu Ihnen sagen, Herr Raabe.Man kann nicht eine Armut gegen eine andere ausspie-len. Armut ist immer subjektiv. Ich finde, Leute, dienicht arm sind, sollten sich zurückhalten, über die Armutund die Situation der Menschen zu urteilen.
– Ja, aber soziale Ausgrenzung kann auch hier zu schwerwiegenden Folgen führen. Man kann nicht die eine Ar-mut gegen die andere ausspielen. Wir haben die Auf-gabe, Armut generell, egal wo und in welcher Form sieauftritt, zu überwinden.
Wir haben wie die Grünen einen Antrag eingebracht,eine Flugticketabgabe zu erheben. Wir möchten dieseAbgabe nicht, Herr Königshaus, um Haushaltslöcher zustopfen. Uns ist es vielmehr ein Anliegen, einen Beitragzur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tbc zu leisten.Das sind große Herausforderungen. Da ist jeder Tropfen,der auf den heißen Stein fällt, sehr wichtig, für mancheMenschen überlebenswichtig.Wir hatten den Antrag im Frühjahr gestellt. Mittler-weile haben wir Herbst und leider wird er erst jetzt be-sprochen. Es gab während dieser Zeit viele Initiativenaußerhalb des Parlaments. ATTAC hat viele Unterschrif-tAtt1FhrrinBHduaGecdbth4pawtDüsrmcMhtAOihQPlcned
Wir sprechen von einer Abgabe in Höhe von 1 Eurom Inland, von 4 Euro bei internationalen Flügen und ei-em entsprechend höheren Betrag für Flüge mit derusinessclass. Das sind wahrlich keine großen Beträge.eute haben wir über die Mehrwertsteuererhöhungiskutiert. Sie haben keine Skrupel, die Mehrwertsteuerm 3 Prozentpunkte zu erhöhen,
ber bei solchen Abgaben verweigern Sie sich. Derrund ist: Sie haben nicht den Mut, den Menschen nochine weitere Abgabe zuzumuten. – Wir sind für die Strei-hung der Mehrwertsteuererhöhung und plädieren fürie Unterstützung solch wichtiger Initiativen.
Es geht auch um die internationale Zusammenar-eit. Es wäre eine Probe, ob wir es schaffen, Steuern in-ernational zu vereinbaren und national zu erheben. Zie-en viele Länder mit? 18 Länder weltweit machen mit,0 Länder haben ihr Interesse bekundet. Die Bundesre-ublik, die gern international Verantwortung übernimmt,ber fast nur noch militärisch, ist nicht dabei. Es wäreichtig, zu zeigen, dass wir bei solch einer zivilen Initia-ive und einer internationalen Vereinbarung mitmachen.
as wäre ein wichtiges Zeichen. Es wäre auch wichtig,ber die Verwendung der Gelder in diesem Fonds zuprechen. So geht es zum Beispiel darum, billige Gene-ika für die Bekämpfung von Aids einzukaufen und da-it Einfluss auf das zu nehmen, was dieser Fonds ma-hen kann. Wenn man aber nicht dabei ist, hat man keineöglichkeit, Vorschläge zu machen. Insofern sind wirier in meinen Augen international isoliert.Ganz kurz zum Antrag der Grünen: Unser Antrag un-erscheidet sich von dem der Grünen. Wir wollen dasufkommen aus der Flugticketabgabe nicht auf dieDA-Quote anrechnen. Wir brauchen Umschichtungenm Haushalt, die dazu führen, dass die ODA-Quote er-öht wird. Es ist nicht unser einziges Ziel, die ODA-uote zu erhöhen. Es muss vielmehr eine ganz andereolitik gemacht werden, die einen Beitrag zur Entwick-ung leistet. Wir betrachten die Abgabe als ein zusätzli-hes Finanzierungsinstrument. Wir halten es für eineeue Herausforderung, in die internationale Besteuerunginzusteigen. Die Kerosinsteuer ist sehr wichtig, ebensoie Devisentransaktionssteuer. Da gibt es viele Vor-
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Heike Hänselschläge und viele Ideen. Das wäre ein Schritt in die rich-tige Richtung.Für uns wäre die richtige Antwort auf die Fragen derGlobalisierung, in diese Richtung zu gehen. Deswegenhoffen wir, dass sich die die Bundesregierung tragendenKoalitionsfraktionen doch noch einen Ruck geben– Herr Raabe und Herr Ruck, Sie haben sehr viele Vor-teile einer Flugticketabgabe genannt – und diesem An-trag zustimmen. Das würde uns sehr freuen. Wir haltenes für die richtige Initiative.Danke.
Ich schließe die Aussprache.
Bezüglich der Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b
wird interfraktionell die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/1066 und 16/2660 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Dabei soll die Vorlage auf Drucksache 16/1066 zu Ta-
gesordnungspunkt 32 a federführend beim Innenaus-
schuss beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.
Tagesordnungspunkt 32 c: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung auf Drucksache 16/2783. Der Ausschuss
empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die
Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 16/1203 mit dem Titel „Flugticketabgabe
jetzt – Entwicklungsfinanzierung auf breitere Grundla-
gen stellen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist
diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1404
mit dem Titel „Umsetzung des EU-Stufenplans zur Ent-
wicklungsfinanzierung durch Flugti-
cketsteuer unterstützen“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann
ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
angenommen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian
Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner
Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Rechtsstaatskonforme Behandlung von Ver-
hafteten nach der Übergabe durch deutsche
Stellen im Ausland sicherstellen
– Drucksache 16/2096 –
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ur so viel: Die Verfassung verlangt hier ganz klar eineufklärende Regelung. Das Verfassungsgericht hat klaresagt – Bestimmtheitserfordernis –, dass wir solche Re-elungen vorzugeben haben und es nicht einfach jedeminzelnen Soldaten vor Ort überlassen dürfen, mit demrundgesetz unter dem Arm solche Verhaftungen vorzu-ehmen.Noch ein letztes Wort. Diplomatische Versicherun-en allein reichen hier nicht aus, wenn sichergestellterden soll, dass Personen, die von deutschen Soldatenm Ausland verhaftet werden, einer rechtsstaatskonfor-en Behandlung zugeführt werden. Die Unzulänglich-eit und Unverbindlichkeit solcher Zusagen hat sich iner Vergangenheit bereits mehrfach erwiesen. Deswegenordert meine Fraktion hier verbindliche Regeln. Deswe-en unser Antrag, meine Damen und Herren, liebe Kol-egen.Es darf am Ende nicht heißen: Die Bundeswehr machtm Ausland keine Gefangenen. – Die Bundeswehr sollm Ausland Gefangene machen, aber sie muss sich auchedanken darüber machen, was mit diesen Gefangenenach Überstellung an die zuständigen örtlichen Stellenassiert, und darf sie nicht ihrem Schicksal überlassen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Ute Granold für die CDU/CSU-Fraktion
at ihre Rede zu Protokoll gegeben.1)
Damit hat als nächster Redner der Kollege Michael
eutert von der Fraktion Die Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!lar ist, dass sich deutsche Soldaten im Ausland aneutsches Recht und Gesetz zu halten haben und damituch an unser Wertesystem, das die Menschenrechte be-nhaltet. Nichts anderes wird in diesem Antrag der FDPkizziert. Durch ihn soll die Bundesregierung daraufestgelegt werden, dass sie sich insbesondere dann, wennie Bundeswehr Gefangene im Ausland macht und anrittstaaten übergibt, auch daran hält. In diesem Sinnenterstützen wir den FDP-Antrag ganz klar.
Allerdings geht uns dieser Antrag nicht weit genug.Anlage 2
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Michael Leutert
Ich möchte auch erklären, warum. Wir haben uns in die-sem Hause ja schon sehr oft darüber unterhalten, wiesich deutsche Behörden, insbesondere Geheimdienste,im Ausland verhalten. Wir haben darüber diskutiert, dassGeheimdienstmitarbeiter in Guantanamo Gefangene ver-hören, einem Lager, in dem die Menschenrechte nicht sogroß geschrieben werden, wie es eigentlich sein sollte.Damit sind wir wieder bei unseren amerikanischenFreunden. An dieser Stelle kann man von ihnen wiedereinmal ganz klar die sofortige Schließung von Guanta-namo fordern.
Mit dieser Forderung ist allerdings eine gewisse Ambi-valenz verbunden: Während Guantanamo im Fokus derÖffentlichkeit steht – wir wissen wenigstens einigerma-ßen, was da abläuft –, wissen wir nicht, was in den vie-len nicht öffentlichen Guantanamos stattfindet. Es bleibtzu befürchten, dass diese nicht öffentlichen Guantana-mos auch nach Schließung von Guantanamo bestehenbleiben.Auf alle Fälle bleibt festzuhalten: In Guantanamo op-fert Amerika unter strategischen Gesichtspunkten Men-schenrechte. Das ist der eine Punkt. Der andere Punktist: Wie handelt unsere Regierung? Da möchte ich anUsbekistan erinnern; darüber haben wir hier schon ge-sprochen. Das Regime in Usbekistan ist eines der grau-samsten auf der Welt. Ich kenne kein anderes Land, indem über 800 Personen bei einer Demonstration überden Haufen geschossen wurden. Deutschland opfertauch dort unter strategischen Gesichtspunkten Men-schenrechte,
nämlich indem wir dort den Militärflughafen Termes be-treiben und dieses Jahr auch noch 19 Millionen EuroWirtschaftshilfe unter dem Deckmantel der Entwick-lungszusammenarbeit leisten. Ich halte dies, ehrlich ge-sagt, für einen Skandal.Jetzt ist die Frage, wie wir unsere Regierung, die un-gefähr das Gleiche wie die amerikanische Regierungmacht, indem sie Menschenrechte unter strategischenGesichtspunkten opfert, darauf verpflichten, dass sie beider Übergabe von Gefangenen an Drittstaaten auf Men-schenrechte achtet. Angesichts dessen geht, wie ichdenke, der Antrag nicht weit genug, weil er das Parla-ment letztendlich wieder außen vor lässt. Er müsste umdie Forderung ergänzt werden, dass die Bundesregierungeinen monatlichen Bericht darüber abgibt, wann werverhaftet und an welchen Drittstaat übergeben wurde.Das müsste als laufender Bericht gestaltet werden, so-dass wir nachvollziehen können, wo sich die Betroffe-nen in Gefangenschaft befinden und was mit ihnen inGefangenschaft passiert ist. Zumindest diese Ergänzungwerden wir in die laufenden Beratungen einbringen.nMgKfssmwBwbofSHnzslsbtrdzml2uDBggBdhW
Nun hat das Wort der Kollege Johannes Jung für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Dieser Antrag der Kollegen von der FDP gilt ei-em ernsten Thema und hat ein berechtigtes Anliegenum Inhalt. Ganz gewiss müssen und wollen wir sicher-tellen, dass von deutschen Sicherheitskräften im Aus-and festgenommene und den dortigen Behörden über-tellte Personen nach rechtsstaatlichen Grundsätzenehandelt werden.Auch in dieser Legislaturperiode wurde vom Bundes-ag, von den Koalitionsfraktionen und der Bundesregie-ung mehrfach die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit iner internationalen Politik im Allgemeinen und im Spe-iellen bei der Bekämpfung des internationalen Terroris-us betont. Ich erinnere hier gern und auch aus aktuel-em Anlass an den Beschluss des Bundestages vom6. Januar dieses Jahres. Darin heißt es kurz und bündignter Punkt 3:Der Deutsche Bundestag bekräftigt nochmals seinegrundsätzliche Auffassung zur Einhaltung dergrundlegenden Menschenrechte und Grundfreihei-ten von Gefangenen, wie er sie bereits zum Aus-druck gebracht hat.ies ist übrigens eine Passage aus dem Beschluss desundestages zu Guantanamo, gilt also der gegenwärti-en US-Administration und nicht einem labilen Über-angsregime im einem Failing State. Das macht dieseneschluss in meinen Augen noch gewichtiger.Er hat leider keineswegs an Aktualität eingebüßt;enn in den USA hat gestern nach dem Repräsentanten-aus auch der Senat das neue Antiterrorgesetz gebilligt.ir alle wissen, dass damit die so genannten alternativen
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5410 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Johannes Jung
Verhörmethoden und das gesamte staatliche Antirechts-staatsprogramm von Guantanamo formal legalisiert wer-den soll. Das ist ungeheuerlich und wird von der ameri-kanischen Bürgerrechtsunion zu Recht als drastischerRückschrift für die Menschenrechte scharf kritisiert.
Hoffnung gibt mir einzig der Anlass, der hinter diesengesetzgeberischen Maßnahmen steckt. So war es nacheiner Serie von Gerichtsurteilen letztlich der Oberste Ge-richtshof der USA, der die bisherige Praxis der militäri-schen Sondertribunale für rechtswidrig erklärt hat.Wer sich die Mühe macht – damit komme ich konkretzum Antrag der Fraktion der FDP – und ein bisschen inden Bundestagsdrucksachen stöbert, stellt fest, dass dieFDP immer wieder um das heutige Thema kreist. DieFDP-Fraktion erhält auch immer wieder geduldig Ant-worten auf allerlei Anfragen, die sie zu diesem Themastellt. Allerdings ist in Ihren Beiträgen keine inhaltlicheWeiterentwicklung erkennbar. Sie stagnieren und wie-derholen sich.
Das legt den Schluss nahe, dass Sie das Thema taktischund nicht inhaltlich bearbeiten. Das ist sehr bedauerlich.Ich bitte Sie deshalb herzlich, diese geduldigen Antwor-ten, die Sie immer wieder erhalten, auch einmal zurKenntnis zu nehmen und intellektuell zu verarbeiten.Das spart so manchen Antrag.Das, was sich die FDP heute in diesem Antragwünscht, ist durch das Völkerrecht, durch zwischenstaat-liche Vereinbarungen und durch die UN-Mandatierun-gen bei Einsätzen längst abgedeckt.
– Ich komme gleich auf die Fälle. – Dort, wo Sie Pro-bleme in der Operationalisierung guter Absichten sehen– die haben wir natürlich –, liefern Sie selbst keinen ein-zigen Verbesserungsvorschlag. Ihre Generalforderung,bestehende verbindliche Regelungen noch verbindli-cher zu machen, ist weder geistreich noch hilfreich. Hin-sichtlich der praktischen Fragen im konkreten Einsatz-fall hätte Ihnen vielleicht auch die Antwort derBundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion DieLinke weitergeholfen. Dort wird am Beispiel von ISAFin Afghanistan Wesentliches dazu erläutert. Schauen Siesich bitte auch diese Antwort einmal an.Ihr Antrag ist aus meiner Sicht nicht nur sachlich un-genügend, er ist auch politisch durchsichtig; denn Sieunternehmen damit den untauglichen Versuch, aus Ver-dächtigungen gegenüber der Bundesregierung und staat-lichem Handeln im Allgemeinen taktisch Kapital zuschlagen. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:Diese Frage– also die Frage der rechtsstaatskonformen Behandlung –DvkwgdUMlddsRemsZrübfnfsvMsusep
Ihr Antrag wird der komplizierten internationalenechtslage nicht gerecht. Als Beispiel seien die rules ofngagement bei UN-Einsätzen genannt. Ihr Antragacht Andeutungen, die nicht belegt werden. Als Bei-piel sei die angebliche Unwirksamkeit diplomatischerusagen genannt. Ihr Antrag hilft mit sechs Einzelforde-ungen am Ende und der Generalforderung – sie stehtber allem –, alles müsse noch verbindlicher werden alsisher, niemandem über den Status quo hinaus weiter.Kurzum: Ihr Antrag verbessert nichts. Deshalb emp-ehlen wir, diesen Antrag nach Überweisung abzuleh-en.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile nun dem Kollegen Volker Beck das Wort
ür die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Meine Damen und Herren! Das Anliegen der Antrag-teller, dass bei der Behandlung von Gefangenen, dieon der Bundeswehr im Ausland gemacht werden, dieenschenrechtsstandards eingehalten werden, teilen wirelbstverständlich. Ich glaube, in diesem Punkt sind wirns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig. Selbstver-tändlich ist auch die Bundeswehr bei ihren Auslands-insätzen an Recht und Gesetz gebunden.Die UN-Charta, die Menschenrechtsstandards des Euro-arates und das Grundgesetz verhindern aus unserer
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Volker Beck
Sicht bereits jetzt die Übergabe von Gefangenen an an-dere Staaten, wenn damit zu rechnen ist, dass ihreGrundrechte geschmälert werden. Dies ist heute gelten-des Recht und ist eine Selbstverständlichkeit. Auch dieBundeswehr muss sich an den hohen Maßstäben desBundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Wahrungder Rechte überstellter Personen messen lassen.Der Antrag weist auf ein reales Problem hin. DiesesProblem ist nicht in fehlenden rechtlichen Übereinkom-men begründet, sondern es hat mit der Frage zu tun: Wiewird praktisch überprüft, dass sich die Vertragsparteien,mit denen wir gegebenenfalls im Rahmen des Gefange-nenaustausches zusammenarbeiten, tatsächlich an dievon ihnen zugesicherten Standards halten? Da kommt esnicht so sehr, wie es in Ihrem Antrag suggeriert wird, aufdie Frage an, ob es sich um eine diplomatische Zusiche-rung oder um völkerrechtliche Übereinkommen handelt.Im Übrigen rate ich beim Thema völkerrechtlicheÜbereinkommen dazu, die Länder, die dies noch nichtgemacht haben, zu bewegen, die entsprechenden Kon-ventionen des Europarates zu unterzeichnen. Diesegibt es nicht nur für die Mitglieder des Europarates, son-dern sie können auch von anderen Staaten unterschrie-ben werden.Das Problem liegt darin, dass wir nicht wirklich über-prüfen, was mit den Gefangenen geschieht, die wir über-stellt haben. Ich glaube, wir sollten im Ausschuss imZuge der Diskussion über den Antrag – die Diskussionhat nicht das Ziel, ihn zu beschließen – darüber reden,wie das Monitoring von solchen Verfahren verbessertwerden kann.Meine Idee in diesem Zusammenhang ist – sie mussnicht die einzige sein –, die Position des Menschen-rechtsbeauftragten der Bundesregierung zu stärken,indem wir ihn in die Lage versetzen, in Kooperation mitdem Auswärtigen Amt und mit dem diplomatischenDienst vor Ort Nachforschungen anzustellen. Er kannsich dafür einsetzen, dass die Gefangenen ordentlich be-handelt werden, dass sie nicht verschwinden, dass sienicht gefoltert werden und dass sie entweder als Kriegs-gefangene oder als Strafgefangene im Rahmen einesrechtsstaatlichen Verfahrens behandelt werden.Man kann sicher auch andere Modelle entwickeln.Aber man muss sich daranmachen, das Problem desMonitorings zu lösen. Man darf nicht glauben, mankönne durch die Produktion von zusätzlichem Papier aufinternationaler Ebene etwas für die Menschenrechte tun.Es geht darum, dass die Menschenrechte in diesem Be-reich gestärkt werden. Deshalb müssen wir zu einer Ver-besserung der realen Situation kommen.
Der Kollege Leutert hat den Betrag von einigen100 Millionen Euro erwähnt, den wir für Auslandsein-sätze ausgeben. Er spricht davon, dass dies zeigt, wieverkehrt unsere Politik sei, weil für andere Dinge keinGeld da sei. Angesichts der Situation im Libanon und inIsrael – dort haben die Vereinten Nationen, militärischunterstützt durch die internationale Staatengemeinschaft,dnddzazkzADstgDfvsAFhsKF
uch wenn das noch ein paar 100 Millionen kostet:iese Millionen zahlen wir gern, um einen Genozid zutoppen. Deshalb muss ich sagen: Dieses Argument soll-en Sie besser zurückziehen. Das war der Sache nicht an-emessen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/2096 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, Dr. Norman
Paech, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN
70. Jahrestag der Gründung der Internationa-
len Brigaden in Spanien – Würdigung des
Kampfes deutscher Freiwilliger an der Seite
der Spanischen Republik für ein antifaschisti-
sches und demokratisches Europa
– Drucksache 16/2679 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich
öre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
en.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
ollegen Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ür den deutschen Faschismus war Spanien vor
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5412 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Wolfgang Gehrcke70 Jahren der Probelauf für einen barbarischen Krieg,mit dem er später ganz Europa überzog. Damals gab eszwei Gesichter Deutschlands. Es gab auch ein Deutsch-land, das Krieg und Faschismus aufhalten und abwendenwollte. Mit den deutschen Freiwilligen in den Internatio-nalen Brigaden beschäftigt sich das deutsche Parlamentheute zum ersten Mal seit seinem Bestehen im Plenum.Auch das ist leider sehr bezeichnend.Zwei Persönlichkeiten, die in Spanien ihr Leben fürdie Republik, die Freiheit und gegen den Faschismuseingesetzt haben, befinden sich heute auf der Zuschauer-tribüne unseres Parlamentes. Ich freue mich ausgespro-chen, dass Santiago Carrillo, der frühere Generalsekre-tär der Kommunistischen Partei Spaniens, und KurtGoldstein, der Ehrenpräsident des InternationalenAuschwitzkomitees, unserer Debatte beiwohnen.
Auch das hat für das deutsche Parlament eine große Be-deutung.Die Geschichte des deutschen Widerstandes gegenden Faschismus begann nicht erst mit dem ZweitenWeltkrieg. Die deutschen Freiwilligen im spanischenBürgerkrieg waren Teil des antifaschistischen Wider-standes Deutschlands.Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass dieserTeil des Widerstandes in die Erinnerungskultur aufge-nommen wird, dass er endlich wieder Gesicht undStimme erhält. Unter den Interbrigadisten waren Kolle-gen von uns, Abgeordnete des Reichstages und des Bun-destages. Stellvertretend nenne ich Artur Becker, FritzKahmann, Peter Blachstein, Gustav Gundelach undWilly Brandt. Ich schlage vor, dass sich der Ältestenratdes Bundestages damit beschäftigt, ob nicht auch in die-sem Parlament eine Ehrentafel an diejenigen Menschenerinnern sollte, die ihr Leben gegen den Faschismus inSpanien eingesetzt haben.
Es geht uns um das Gedenken, um das Denken, umdas Nachdenken. Wir Linken hinterfragen unsere eigeneGeschichte kritisch. Es geht auch darum, die einseitigeWahrnehmung des spanischen Bürgerkrieges zu kor-rigieren. Sagen wir es einmal so: Die Republik West hateine rechte Schlagseite. Es geht darum, dieses Über-bleibsel des Kalten Krieges zu korrigieren. Im spani-schen Bürgerkrieg hatte Deutschland zwei Gesichter:das der Legion Condor, die Guernica in Schutt undAsche legte, und das der Interbrigadisten, deren Heimatvor Madrid war und die diese Heimat gegen den Faschis-mus verteidigten. Für die einen gab es im Westen nach1945 Renten; Straßen und Kasernen wurden nach ihnenbenannt. Über die Taten der anderen wurde geschwie-gen.Heute bricht der Deutsche Bundestag dieses Schwei-gen. Damit setzt er auch ein Signal dafür, dass wir nachder Vereinigung nicht einfach Geschichte West fort-schreiben und fortschreiben können, sondern dass wirden Mut haben sollen, eine andere Geschichte, die Ge-ssgwDbAwnddzsBLEtAuDhmGnvdab
ber der Begriff der Einheit verbindet Oskar Lafontainend mich in dieser Frage. Ich bitte Sie sehr, dass wir alseutscher Bundestag deutlich machen: Geschichtlichat Brandt über Hitler, hat Demokratie über den Faschis-us gesiegt. Auch das haben wir heute zu verteidigen.Herzlichen Dank.
Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Manfred
rund, CDU/CSU-Fraktion.
Es gibt Umarmungen, gegen die sich Willy Brandticht mehr wehren kann. – Frau Präsidentin! Meine sehrerehrten Damen und Herren! Bei der Vorbereitung aufiesen Tagesordnungspunkt, bei der Wiederannäherungn das Thema „Internationale Brigaden in Spanien“ ha-en in der DDR sozialisierte Bundesbürger Bilder vor
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5413
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Manfred GrundAugen, die noch von einer sehr einseitigen und verklä-renden Geschichtsbetrachtung geprägt sind und diesich auch im Antrag der Linksfraktion wiederfinden, sodas Bild von den Antifaschisten aus der ganzen Welt, diefür die Rechte des spanischen Volkes und seiner demo-kratisch gewählten Regierung unter dem Satz „Für eureund unsere Freiheit!“ kämpften.
Unter den deutschen Freiwilligen werden im Antragunter anderem Hans Beimler und Willy Brandt nament-lich erwähnt. Zu beiden wäre etwas anzumerken, aberauch zu den im Antrag nicht erwähnten Spanienkämp-fern Wilhelm Zaisser und Erich Mielke.
Denn der Antrag der Linken, Herr Kollege Gehrcke, istTeil einer Legendenbildung, die sich der Deutsche Bun-destag in dieser Einseitigkeit nicht zu Eigen machensollte.
Das im Antrag gezeichnete Bild folgt dem in derDDR gepflegten Erbe der Spanienkämpfer, freilich auchin der charakteristischen Einseitigkeit, durch die sichkommunistische Historiengemälde auszeichnen. DieRolle der Kommunisten wird im Stil einer Heiligenle-gende geschildert, politisch unliebsame Einzelpersonenoder Ereignisse werden totgeschwiegen und ausgeblen-det.Die Internationalen Brigaden waren von der Komin-tern rekrutierte und ausgebildete Freiwilligenverbände,die im spanischen Bürgerkrieg an der Seite der gewähl-ten spanischen Regierung gegen die von Franco ange-führten aufständischen Verbände kämpften.
– Es waren Freiwillige, die im Auftrag der spanischenRegierung gegen die von Franco geführten aufständi-schen Verbände gekämpft haben. Was ist daran falsch,Kollege Ramelow?
Mehr als die Hälfte der insgesamt circa 40 000 Inter-brigadisten kam im Zuge der Kampfhandlungen ums Le-ben. Viele kamen im Zuge der stalinistischen Säube-rungen ums Leben; denn ein sehr dunkles Kapitel derInterbrigaden sind die stalinistischen Säuberungen, beidenen die Internationalen Brigaden Opfer und Täter wa-ren.Zu Anfang waren die Interbrigaden noch eine Samm-lung von Antifaschisten unterschiedlicher politischerund religiöser Einstellungen. Mit der Zeit wurden sieaber durch materielle und vor allem ideologische Auf-rsIsSAFEclLegMnDPsdzBjessFBltsnApddKhd
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Rainer Stinner fürie FDP-Fraktion.
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5414 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Ich bin der Fraktion Die Linke für diesen Antrag
sehr dankbar; denn dieser Antrag zeigt in aller Deutlich-
keit, mit welcher Heuchelei, Unseriosität und Doppel-
züngigkeit sie hier im Deutschen Bundestag ihre Politik
betreibt.
Die Fraktion Die Linke fordert uns in ihrem Antrag
auf, den Einsatz deutscher Freiwilliger im spanischen
Bürgerkrieg zu würdigen – das erstaunt –; denn das,
was vor 70 Jahren – ich zitiere – „ein wichtiger Beitrag
im Kampf für die Verteidigung demokratischer Werte“
war, bezeichnet die gleiche Fraktion heutzutage als Ter-
rorismus.
Meine Damen und Herren von der Fraktion Die Linke,
Sie müssen sich entscheiden: Sind kriegerische Mittel
grundsätzlich nicht erlaubt oder nur selektiv?
Wenn Sie militärische Einsätze im Deutschen Bun-
destag grundsätzlich ablehnen, dann muss das auch für
die Vergangenheit gelten. Oder Sie geben zu, dass es
sinnvolle militärische Einsätze gibt und weniger sinn-
volle. Diese Diskussion können Sie auch durch Zwi-
schenrufe und noch so große Erregung nicht vom Tisch
wischen. Dieser Diskussion müssen Sie sich stellen.
Sie argumentieren heute im Gegensatz zu gestern und
letzter Woche völlig anders; das passt hinten und vorne
nicht zusammen. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie end-
lich einmal eine kohärente Politik betreiben.
Gregor Gysi hat am 19. September dieses Jahres an
dieser Stelle gesagt:
Krieg ist eine Höchstform von Terror und mittels
Terror kann man Terror nicht wirksam bekämpfen.
Das Protokoll vermerkt anschließend Beifall bei Ihnen.
Sie haben geklatscht. Heute sollten Sie zu diesem Beifall
stehen. Ist Krieg immer Terror? Dann gilt das natürlich
auch für den Krieg von damals, den Sie befürworten.
Das müssen Sie sich klar machen.
Sie müssen sich entscheiden. Ich weiß, dass Ihnen das
nicht gefallen kann. Das ist völlig klar. Wenn zwischen
Ihren Argumenten der letzten Tage und denen von heute
eine solch große Diskrepanz herrscht, dann kann Ihnen
das nicht gefallen. Das würde auch mir nicht gefallen.
Wenn ich mir die Reden der Kollegin Knoche von ges-
tern und letzter Woche zum Afghanistaneinsatz vor Au-
gen führe, komme ich zu dem Ergebnis, dass Ihre Frak-
tion vor 70 Jahren, wenn es sie damals schon gegeben
hätte, den sofortigen Abzug aller freiwilligen Truppen
hätte fordern müssen. Sie hätten Rechtsstaatsbildung,
Wirtschaftshilfe und die Beachtung von Menschenrech-
ten fordern müssen, natürlich – wie immer bei Ihnen –
ohne jede konkrete Möglichkeit zur Verwirklichung der
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Sie definieren das so. Wenn Sie dazu wenigstens ste-en würden. Das wäre ja in Ordnung. Sie lehnen hieroch jeden militärischen Einsatz ab. Für Sie gibt es heut-utage keinen sinnvollen militärischen Einsatz. Aber vor0 Jahren in der goldenen Vergangenheit gab es ihn Ihrereinung nach. Das ist unaufrichtig. Das müssen wir hierehr deutlich sagen.Sie sind heutzutage zu keiner Abwägung bereit. Wirtehen bei jedem einzelnen Einsatz vor einer schwieri-en Gewissensfrage. Wir wägen alles ab. Manchmaltimmen wir zu und manchmal eben nicht. Zu dieserrundsätzlich realitätsbezogenen Politik sind Sie nichtereit.Ich persönlich, obwohl ich die Meinung von Pazifis-en nicht teile, habe großen Respekt vor wirklichen Pazi-isten, gerade deshalb, weil es eine sehr hochmoralischeosition ist, die so wahnsinnig schwierig in der Realitäturchzuhalten ist, was Pazifisten immer wieder merken.iese Position teile ich nicht; aber ich respektiere sie.
hre Position kann ich jedoch nicht respektieren und Ihreartei auch nicht. Sie bedienen sich im Pazifismus wie ininem Gemischtwarenladen.
Das kann Ihnen nicht gefallen; das finde ich gut. Ichin Ihnen dankbar und freue mich über Ihre Resonanz.erzlichen Dank. Machen Sie so weiter! Ich freue micharüber. Danke schön.Ihre Widersprüchlichkeit können Sie so nicht weiterm Deutschen Bundestag betreiben. Sie wird Tag für Tageutlicher. Ein vielleicht nicht einmal schlechtes Anlie-en wird so durch die, die es hier vertreten, völlig kom-romittiert. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006 5415
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Dr. Rainer Stinner
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun Herr Kol-
lege Gehrcke.
Es gibt ja immer noch Steigerungsmöglichkeiten.
Ich finde, dass Herr Stinner einen Anspruch darauf
hat, relativ rasch eine Reaktion auf seine Rede zu erhal-
ten.
Seine Argumente waren ja zu erwarten.
Ich bitte Sie darum, mit mir gemeinsam über Folgen-
des nachzudenken: Warum sind diese Freiwilligen nach
Spanien gegangen? Die ganzen geschichtlichen Bemer-
kungen – ich weiche denen nicht aus – machen das Op-
fer, das sie gebracht haben, und ihre Entschlossenheit,
Herr Grund, noch viel größer. Sie waren in einer ge-
schichtlich schwierigen Situation. Sie mussten sich ent-
scheiden. Sie sind nach Spanien gegangen, um die De-
mokratie gegen den Faschismus zu verteidigen.
Es waren Freiwillige, die nach Spanien gegangen
sind. Sie haben sich entschieden, mit der Waffe – auch
das darf nicht verschwiegen werden – zu kämpfen.
Jetzt komme ich auf die Unterschiede zu heute zu
sprechen. Ein Argument unserer Fraktion – das können
wir beweisen – lautet, dass zwar immer mehr Militärein-
sätze mit dem Einsatz für die Menschenrechte begründet
werden, dass aber tatsächlich Öl, Erdgas oder andere In-
teressen im Mittelpunkt stehen.
Darüber hinaus geht es heutzutage – das lässt sich an
vielen Beispielen belegen – um den Einsatz von Ar-
meen, nicht um das Engagement von Freiwilligen. Zu-
dem muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit eine
andere geworden ist. Beispielsweise bin ich heute fest
davon überzeugt – das gilt für die Linke insgesamt als
Paradigmenwechsel; das gebe ich zu –, dass politische
Probleme nicht mit Gewalt und Bürgerkrieg zu lösen
sind.
Einer Debatte gehen Sie immer aus dem Weg: Wir
brauchen andere Regulierungsmechanismen. Daher frage
ich: Warum eigentlich werden die Vereinten Nationen
nicht mit einer ständigen, unter dem Kommando ihres
Generalsekretärs stehenden Polizeitruppe ausgerüstet,
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5416 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. September 2006
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Eine Erwiderung auf eine persönliche Erklärung im
Plenum ist nicht üblich.
– Wenn auch Sie in einigen Sätzen eine persönliche Er-
klärung abgeben wollen, dann gebe ich Ihnen gerne das
Wort, aber wirklich nur zu einer persönlichen Erklärung.
Frau Kollegin Knoche, Sie haben die Unwahrheit ge-
sagt. Ich habe die Sitzung mit den afghanischen Parla-
mentarierinnen im Verteidigungsausschuss persönlich
geleitet. Ich war bei dieser Sitzung von der ersten bis zur
letzten Sekunde anwesend.
Vielen Dank.
Sie werden im Ausschuss Gelegenheit haben, diesen
Dialog und die weiteren Gespräche fortzusetzen.
Ich erteile nun das Wort als letztem Redner in dieser
Debatte dem Kollegen Jürgen Trittin, Fraktion Bündnis
90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei al-
lem Respekt vor den Argumenten aller Seiten muss ich
sagen: Ich weiß nicht, ob wir denjenigen, die damals als
Europäer – das sollten wir uns klar machen – versucht
haben, den Putsch eines Militärs gegen eine demokra-
tisch gewählte Regierung zu verhindern, mit dieser Form
der Debatte gerecht werden.
Ich sage das mit allem Nachdruck, weil wir uns in der al-
ten Bundesrepublik Deutschland lange schwer damit ge-
tan haben, mit diesem Teil der Geschichte umzugehen,
wie die Debatten über das Jagdgeschwader, das nach
Herrn Mölders benannt war, und über die Legion Condor
zeigen. Bis in die jüngste Vergangenheit haben wir ver-
sucht, dieses ein ganzes Stück aufzuarbeiten. Deswegen
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Dazu gehört aber die Betrachtung der ganzen Ge-
chichte, nicht nur der Beteiligung Deutscher an faschis-
ischen Verbrechen wie in Guernica. Dazu gehört ebenso
ie Feststellung: Ja, diejenigen, die als Freiwillige dort
ekämpft haben, waren nicht alle Demokraten und
icht immer ist dieser Kampf für die Demokratie mit de-
okratischen und rechtsstaatlichen Mitteln geführt wor-
en. Das müssen wir mit aufarbeiten, wenn wir geden-
en wollen. Es gibt durchaus Geschichtswissenschaftler,
ie sagen, dass die Schwächung der republikanischen
räfte vor Madrid viel damit zu tun hat, dass innerhalb
ieser Brigaden durch die von der Komintern verwende-
en Methoden des Stalinismus die Kräfte des Kampfes
ür die Demokratie, diese Stadt zu halten, geschwächt
urden.
Deswegen rate ich uns allen: Versuchen wir, in dieser
ituation den Respekt vor denjenigen, die da für die De-
okratie, für Europa gekämpft haben, zu verknüpfen mit
iner Betrachtung der Geschichte, die auch die grauen
nd die schwarzen Seiten dieses Kampfes für die Demo-
ratie erhellt und aufzeigt. Ich denke, in diesem Sinne
önnen wir deutschen Parlamentarier, wie in diesem An-
rag gefordert, derjenigen, die für die Demokratie dort
estorben sind, ernsthaft gedenken.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe nun die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/2679 an die in der Tagesordnung aufgeführ-
n Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federführung ab-
eichend von der Tagesordnung beim Auswärtigen Aus-
chuss liegen soll. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
ehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
chlossen.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am
chluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 18. Oktober, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine
ngenehme sitzungsfreie Zeit.
Die Sitzung ist geschlossen.