Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung und Beschlussfassung des Antrags der
Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem NATO-geführten
Einsatz auf mazedonischem Territorium zum
Schutz von Beobachtern internationaler Orga-
nisationen im Rahmen der weiteren Implemen-
tierung des politischen Rahmenabkommens
vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Er-
suchens der mazedonischen Regierung vom
8. Oktober 2002 und derResolution 1371
des Sicherheitsrats derVereinten Nationen vom
26. September 2001
– Drucksache 15/10 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesmi-
nister der Verteidigung, Peter Struck, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das En-gagement der internationalen Gemeinschaft in Mazedo-nien ist eine Erfolgsgeschichte.
Wenn wir die heutige Situation dieses Landes mit der Lagevergleichen, in der es war, als wir zum ersten Mal über eininternationales Mandat entscheiden mussten, können wirsagen, dass das Engagement der internationalen Gemein-schaft Mazedonien auf den Weg der inneren Versöhnunggebracht sowie zum Erhalt eines multiethnischen Charak-ters und zur Festigung der Demokratie geführt hat.NATO, Europäische Union und OSZE haben unterdem Dach der Vereinten Nationen so zusammengewirkt,dass eine weitere Eskalation der Gewalt und ein drohen-der Bürgerkrieg im Keim erstickt werden konnten. Es istdabei in mustergültiger Weise gelungen, zivile und mi-litärische Instrumente mit dem gemeinsamen Ziel derFriedenssicherung zu verknüpfen.Die gesamte Region hat nunmehr eine wirkliche Per-spektive für die Zukunft gewonnen. Eines der wichtigstenZiele aber bleibt, das nur langsam wachsende Vertrauenzwischen den slawischen und albanischen Mazedoniernweiter zu festigen.Bei der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheitund Ordnung gibt es sichtbare Fortschritte; der Aufbauder multiethnischen Polizei ist auf einem guten Weg. Jetztkommt es darauf an, diese Erfolge umsichtig und beharr-lich zu konsolidieren. Nur mit einem umfassenden Aus-bau der multiethnischen Polizei und deren kontinuierli-cher Präsenz in den vorwiegend von Albanern bewohntenGebieten wird es gelingen, ein fortdauerndes Sicherheits-vakuum zu vermeiden. Dieser Prozess braucht allerdingsnoch Zeit.Zöge sich die internationale Gemeinschaft jetzt zurück,würden diese positiven Entwicklungen leichtfertig aufsSpiel gesetzt. Wir dürfen Mazedonien nicht zu früh sichselbst überlassen,
insbesondere deshalb nicht, weil es noch immer rund15 000 Vertriebene gibt, die in ihre Heimat zurückkehrenwollen und integriert werden müssen.Der jüngste Meilenstein auf dem Weg Mazedoniens zueiner vollständigen Normalisierung des öffentlichen Le-bens waren die Parlamentswahlen am 15. September.Diese Wahlen sind geordnet und störungsfrei verlaufen;alle Parteien haben sich den demokratischen Spielregelnunterworfen. Das Ergebnis dieser Wahlen wird landesweitakzeptiert. Der friedliche Regierungswechsel ist mittler-weile eingeleitet.In der neuen mazedonischen Regierung werden allerVoraussicht nach alle Ethnien angemessen vertreten sein.Der künftige Ministerpräsident Crvenkovski beweistpolitische Klugheit, indem er albanische Partner in sein
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Bundesminister Dr. Peter StruckKabinett aufnehmen wird, obwohl er das von den Mehr-heitsverhältnissen her nicht bräuchte.
Die NATO hat entscheidend dazu beigetragen, den po-litischen Prozess der inneren Versöhnung und der Norma-lisierung der Lebensbedingungen voranzubringen. DieBundeswehr hat hierbei seit Beginn der Operation Fox imJuni vergangenen Jahres substanzielle Beiträge geleistet.Deutschland ist mit rund 220 Soldaten zweitgrößter Trup-pensteller. Wir können mit Stolz feststellen, dass unsereSoldaten und Soldatinnen mit ihrem ausgeprägten Fin-gerspitzengefühl und ihrem klaren und zugleich zurück-haltenden Auftreten das Vertrauen der gesamten mazedo-nischen Bevölkerung gewonnen haben.
Den Beobachtern der Europäischen Union und derOSZE kommt bei der Wiederherstellung normaler Le-bensverhältnisse in Mazedonien weiterhin herausragendeBedeutung zu. Die Situation im Land ist allerdings nochnicht so stabil, dass die Beobachter auf militärischenSchutz verzichten können. Bei der Entscheidung desBundestages geht es deswegen darum, für die Beobachterder Europäischen Union und der OSZE militärischenSchutz zu gewährleisten. Präsident Trajkovski hat dahergebeten, die Operation Fox zunächst bis zum 15. Dezem-ber dieses Jahres fortzusetzen. Es liegt in unserem Inte-resse und in unserer Verantwortung, uns der Bitte der ma-zedonischen Regierung um diese Unterstützung nicht zuversagen.
Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die EUund die OSZE, bleibt in gleicher Weise umfassend gefor-dert, das Land politisch, ökonomisch und gesellschaftlichan das Europa der Integration heranzuführen.In Mazedonien und in internationalen Organisationen,auch in der NATO, beginnen Diskussionen über die Frage,ob auch im Jahre 2003, also über den beabsichtigen Zeit-raum hinaus, ein internationales militärisches Engagementerforderlich sein wird. Hier sollte der Maßstab sein, ob dieStabilität, die wir so mühsam aufgebaut haben, ausreicht,um auf den militärischen Schutz der Beobachter verzich-ten zu können. Ich meine, es wäre unverantwortlich, dasVertrauen der Mazedonier in die internationale Gemein-schaft zu enttäuschen und den Aussöhnungsprozessleichtfertig einer unnötigen Belastungsprobe zu unterzie-hen. Die internationale Gemeinschaft hat in Mazedonienmit großer Berechenbarkeit und hoher Verlässlichkeitagiert. Daran darf sich nichts ändern.Nach wie vor besteht die Möglichkeit, dass die Euro-päische Union die Führung in Mazedonien übernimmt,was die Bundesregierung begrüßen würde. Der Schlüsselfür eine EU-geführte Operation in Mazedonien bleibt eineDauervereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen NATOund EU unter der Überschrift „Berlin plus“. Diese liegtnoch nicht vor. Deshalb kann es jetzt nur darum gehen, derNATO die Möglichkeit zu geben, ihre wichtige Aufgabezunächst bis zum 15. Dezember zu erfüllen. Ich denke,meine Damen und Herren, dass der Bundestag, indem erdem Antrag der Bundesregierung zustimmt, in einer gutenKontinuität zum Aufbau stabiler Verhältnisse auf demBalkan beitragen kann.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Paul Breuer,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Man-dat für den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz der in-ternationalen Beobachter in Mazedonien soll heute überden 26. Oktober hinaus bis zum 15. Dezember dieses Jah-res verlängert werden.Ich stimme dem Bundesverteidigungsminister, HerrnStruck, zu, wenn er sagt, der Einsatz der Bundeswehr imRahmen des Einsatzes von 13 NATO-Nationen sei ein Er-folg gewesen.
Ich will jedoch darauf hinweisen, dass wir bei der Ab-stimmung im vergangenen Jahr, nachdem wir hier imDeutschen Bundestag darüber debattiert hatten, feststel-len mussten, dass die rot-grüne Regierung Schröder fürdiesen Einsatz über keine eigene Mehrheit verfügte.
Wir von der Opposition waren es, die Ihnen, Herr Bun-deskanzler, damals die Möglichkeit gegeben haben, die-sen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO zu ei-ner Erfolgsgeschichte werden zu lassen.
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie das schmerzt,kann ich verstehen; es ist aber die Wahrheit. –
Mit dieser Abstimmung des Deutschen Bundestageswurde die deutsche Handlungsfähigkeit im Rahmen derNATO, aber auch innerhalb der Europäischen Union ge-sichert.Für uns als CDU/CSU ist es oberster Grundsatz, dassdie außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesre-publik Deutschland im Rahmen der Bündnissysteme undin der Verbindung von politischen und militärischen Ele-menten für die Zukunft gesichert sein muss. Wir betreibenkeine billige Oppositionspolitik,
sondern eine Politik für die Verlässlichkeit der Bundesre-publik Deutschland.
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Das ist dringender denn je.
Dabei muss die billige und populistische Art und Weise,mit der dieser Bundeskanzler im Bundestagswahlkampfdie deutsche Verlässlichkeit riskiert hat, heute ebenfallsdebattiert werden.
Gleichwohl unterstützen wir die deutsche Politik.
Deutschland wird seinen Beitrag auch in Zukunft leisten.
Deutschland wird seinen Beitrag auch dadurch leisten,dass CDU und CSU im Deutschen Bundestag
die Verlässlichkeit Deutschlands unterstützen.Der Einsatz der 13 NATO-Staaten in Mazedonien unddie politischen Bemühungen der NATO, der Europä-ischen Union und der OSZE stehen beispielhaft für eineerfolgreiche und kooperative Vermittlungsarbeit gegen-über dem Land Mazedonien, in dem es zu großen Stabi-litätskonflikten, die aus interethnischen Problemen ent-standen sind, gekommen ist. Diese bestehen teilweisenach wie vor. Europa und Deutschland haben ihren Bei-trag dazu geleistet, dass eine Verständigung und Vermitt-lung zwischen den ethnischen Gruppen in Mazedonienund darüber hinaus stattgefunden haben. Man kann nichtvon der Hand weisen, dass die Instabilität, die von Maze-donien ausstrahlte, eine Bedeutung auch im Hinblick aufdie ohnehin tief greifenden Probleme des Kosovo und da-rüber hinaus gehabt hätte.Wir können froh sein, dass wir Europäer zusammenmit unseren NATO-Partnern in der Lage waren, das Rah-menabkommen von Ohrid zumindest zu begleiten. Wirhaben für eine Verständigung in einem Balkanland mitgroßen Schwierigkeiten Schrittmacherdienste geleistet.Wir sind unserer europäischen Sicherheitsverantwortunggerecht geworden.Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass dies nur in Ver-bindung mit der NATO möglich war. Wir Europäer soll-ten uns nicht überheben. Nur zusammen mit der NATOund zusammen mit den amerikanischen Partnern warenwir in der Lage, diese Arbeit – eine wichtige Arbeit für dieStabilität unseres Kontinents – zu leisten.
Mehr Rechte für die nationale Minderheit, die Wieder-herstellung der staatlichen Autorität im Lande und dieKonfliktminimierung sind mit einem starken deutschenBeitrag vorangetrieben worden. Ich möchte an dieserStelle den Soldaten der Bundeswehr, die in Mazedonieneinen hervorragenden Dienst geleistet haben und mit En-gagement und Hingabe im Einsatz waren und sind, im Na-men der CDU/CSU-Fraktion herzlich danken.
Die Bundeswehr hat in diesem Einsatz nicht nur Ein-satzstärke, sondern auch insofern Charakter bewiesen, alsdeutsche Truppenführer in heiklen Situationen das rich-tige Maß an Entschlossenheit, aber auch an Rücksicht-nahme und Vermittlungsbemühungen an den Tag gelegthaben. Das hat sich vor allen Dingen in dem Dreivierteljahrder deutschen Führungsfunktion in Mazedonien erwiesen.Mit Sicherheit wird dieses Mandat und seine Wahrneh-mung durch die Bundeswehr in einer hervorragendenWeise in die Geschichte der internationalen Einsätze derBundeswehr eingehen.Wir sollten nicht vernachlässigen, dass dieses Engage-ment deutscher Soldaten auf dem Balkan ein Engagementist, für das in dieser Gesellschaft immer wieder Unter-stützung gefunden werden muss. Mir wird von deutschenSoldaten oft gesagt: Wir leben in Deutschland in einerFriedensgesellschaft; schon unsere näheren Nachbarn ha-ben kein Verständnis dafür, dass der Vater, der Sohn, mög-licherweise auch die Mutter und Frau, über längere Zeit ineinem völlig anderen und gefährlichen Umfeld eingesetztwerden. – Wir alle müssen nicht nur dafür sorgen, dassden Soldaten der Bundeswehr der Dank entgegengebrachtwird, den wir ihnen schulden; vielmehr müssen wir sie indieser gesellschaftlichen Situation auch angemessen un-terstützen.
Wir müssen die Bundeswehr bei ihrer Aufgabenwahr-nehmung im Hinblick auf ihre Ausrüstung angemessenunterstützen.
Ich komme nicht daran vorbei, an dieser Stelle zu sagen,dass das, was im rot-grünen Koalitionsvertrag zur Zu-kunft der Bundeswehr festgehalten wurde, keine Grund-lage für eine vernünftige Weiterentwicklung der Bundes-wehr in Bezug auf ihre Aufträge enthält. Es iststümperhaft, was Sie dort zu Papier gebracht haben.
Es deutet sich an, dass die Bundeswehr in einer fernenRegion, in Asien, mehr Verantwortung übernehmen muss,als sie dort ohnehin bereits übernommen hat. Ich kann nureines feststellen: Die Grundlage für die Übernahme vonmehr Verantwortung durch die Bundeswehr ist nicht rich-tig gelegt worden und man kann von Ihnen auch nicht er-warten, dass dies in der Zukunft geschieht.Wir werden – wie es derzeit bereits der Fall ist – Sol-daten nach Afghanistan schicken, die sich darauf ein-richten müssen, lange Zeit dort zu bleiben. Die notwen-dige Ausrüstung und die Grundlagen für die weitereEntwicklung der Bundeswehr werden nach dem, was Siein Ihrem Koalitionsvertrag festgehalten haben, jedochnicht in ausreichendem Maße bereitgestellt.
Paul Breuer
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Paul BreuerMan kommt in einer Debatte wie dieser, in der es auchdarum geht, sich darüber zu freuen, dass wir der Verant-wortung gerecht geworden sind, nicht umhin, kritischdazu Stellung zu nehmen, dass Ihre Politik gegenüber derBundeswehr deutliche Defizite aufweist. Mehr Verant-wortung ohne mehr Unterstützung für die Bundeswehrund die deutschen Soldaten ist auf Dauer nicht möglich.
Meine Damen und Herren, ich stimme mit dem Vertei-digungsminister, Herrn Struck, darin überein, dass wir dieEntwicklung in Mazedonien im Blick behalten müssen.Ich stimme auch darin überein – das entspricht einer altenForderung der Union –, dass wir in zunehmendem Maßeeine europäische Verantwortung gegenüber dem Balkanund insbesondere gegenüber Mazedonien übernehmenmüssen. Ein erstes Beispiel dafür könnte ein EU-geführ-ter Präventiveinsatz zur Stabilisierung des Balkans bzw.Mazedoniens sein.Ich muss aber den Außenminister und den Verteidi-gungsminister darauf hinweisen, dass wir ein deutlichesEngagement von deutscher Seite in den europäischenGremien in der Vergangenheit leider vermissen mussten.
Es ist kein klares deutsches Engagement im Hinblick aufdie Erweiterung der europäischen Verantwortung gegen-über dem Balkan erkennbar.
Das hat auch etwas mit der Frage zu tun, welche Verant-wortung Sie für die Bundeswehr übernehmen.Lassen Sie mich eines feststellen: Es kann nicht sein,dass wegen einer Verstärkung der Anstrengungen in Af-ghanistan die notwendigen Stabilitätsbemühungen aufdem Balkan hintangestellt werden.
Damit würden wir unserer Verantwortung nicht umfas-send gerecht werden. In einer solchen Debatte ist es not-wendig, im Bewusstsein der Verantwortung in aller Klar-heit und kritisch darüber nachzudenken.Die CDU/CSU wird der Verlängerung des Mandats derBundeswehr zur Beteiligung an dem NATO-geführtenEinsatz heute zustimmen. Wir sind als Opposition dazubereit, die damit verbundene Verantwortung zu überneh-men.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Günther Nolting für die FDP-
Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bun-desminister der Verteidigung hat zu Recht auf den Erfolgdes Einsatzes in Mazedonien hingewiesen. Dafür gebührtunseren Soldatinnen und Soldaten unser Dank.
Es ist allerdings bemerkenswert, zu welchen Leistun-gen die Bundeswehr trotz der zum Teil desolaten materi-ellen Ausstattung, trotz der Unterfinanzierung und dernicht immer von Fürsorge gekennzeichneten Behandlungseitens Ihrer politischen Führung in der Lage ist.
Darauf werde ich noch eingehen.Die internationale Präsenz verhinderte einen Bürger-krieg in Mazedonien. Daran besteht kein Zweifel und daswird auch von der FDP gewürdigt. Der politische Versöh-nungsprozess befindet sich weiterhin auf einem gutenKurs. Aber bei allem Optimismus muss auch erwähntwerden, dass die Lage in Mazedonien noch nicht so stabilist, wie wir uns das wünschen. Die Fortsetzung von Am-ber Fox ist deshalb nach Auffassung der FDP-Fraktionunverändert notwendig.Die wünschenswerte Übernahme der Führung derOperation in Mazedonien durch die ESVP kann leidernoch nicht stattfinden. Auch wenn es Fortschritte in derZusammenarbeit gegeben hat, sagen wir von der FDP:Europa muss auch in dieser Frage sichtbar Flagge zeigen.
Im Interesse der Stabilität Mazedoniens muss dieNATO ihre militärische Präsenz auch über den 15. De-zember 2002 hinaus vorbereiten. Dabei muss selbstver-ständlich die Auftragsübernahme durch die ESVP forciertwerden. Aber es muss flankierend eine politische Gesamt-strategie für die Region erarbeitet werden. Die FDP hatim letzten Jahr Vorschläge dazu gemacht. Wir werdendiese Vorschläge auch in diesem Jahr wieder einbringen.Wir brauchen eine politische Lösung; denn eine dauer-hafte sicherheitspolitische Absicherung politischer Lö-sungen ist nicht darstellbar.Die Belastungsgrenzen werden sichtbar, und zwar über-all. In Deutschland sind sie allerdings besonders gravie-rend, da die Bundeswehr falsch strukturiert ist und dieBundesregierung vier Jahre hat ins Land ziehen lassen,ohne wirkungsvoll gegenzusteuern.
Es muss endlich die Reform der Reform der Bundeswehrangepackt werden.Im zweiten Halbjahr 2001 hat die FDP-Bundestagsfrak-tion einen Mazedonien-Einsatz mit einem ehrlichen Man-dat gefordert. Zu diesem Mandat gehörten und gehören einklarer Auftrag, eine verlässliche Finanzierung, ein be-grenzter Zeitrahmen und eine auftragsgerechte Ausrüs-
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tung. Dazu stehen wir als FDP-Bundestagsfraktion auchnoch heute.
Damals haben wir nach langem Ringen dem Mandat fürein drittes Einsatzgebiet auf dem Balkan zugestimmt. Wirhaben diesen Einsatz – dies sage ich ganz offen – sehr kri-tisch gesehen. Gerungen haben wir aber auch, weil dieserEinsatz für die Soldatinnen und Soldaten eine zusätzlicheBelastung darstellt. Die Voraussetzungen müssen einfachstimmen. Hier ist die Bundesregierung maßlos im Verzug.Die versorgungsrechtlichen Ansprüche der Soldatensind zum Beispiel mehr als schlecht gestaltet. Auf eineschriftliche Anfrage antwortete die Bundesregierung mirAnfang dieses Monats – hören Sie gut zu –, es handle sichum eine systembedingt – ich betone: systembedingt – un-terschiedliche Ausgestaltung der Unfallversorgung. Diesist aus meiner Sicht eine menschenverachtende Aussage.
Verunglückt zum Beispiel ein Zeitsoldat, ist die Versor-gung alles andere als ausreichend. Seine Existenz und dieseiner Familie sind dann gefährdet.Neben der unverzüglichen Verbesserung des Versor-gungsrechts stünde es der Bundesregierung gut an, unteranderem sehr schnell die Einsatzdauer bei Auslands-einsätzen generell auf vier Monate zu reduzieren,
grundsätzlich mehr Flexibilität bei der Dienstpostenbe-setzung zu praktizieren und die bei der Truppe Unruhestiftenden Experimente bei der Auslandsverwendungs-zulage zu unterlassen.
Hier sollte übrigens neben dem Gefährdungsgrad auch dieBelastungsstärke einbezogen werden.Die FDP-Bundestagsfraktion wird heute der Fortset-zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischemTerritorium zustimmen. Aber wir haben noch eine MengeKritik an der Regierung zu üben. Es kann nicht angehen,dass die Fraktionen gestern erst nach 18 Uhr benachrich-tigt wurden, wie die Beschlusslage der Bundesregierungaussieht. Dies ist nicht hinnehmbar, Herr Bundeskanzler.Sie hätten Zeit gehabt, dies vorzubereiten.
In der Vergangenheit hat es durchaus Beispiele gegeben,die zeigen, dass es auch anders gehen kann. Als es um denKosovo-Einsatz ging, haben das alte und das neue Parla-ment gemeinsam beraten. Dies ist alles machbar, wennman nur will.Herr Bundeskanzler, ich sage Ihnen: Wenn hier keineVeränderung eintritt, müssen Sie in Zukunft sehen, woherSie Ihre Mehrheiten bekommen.
Dies gilt schon für die Beschlussfassung im Dezember.Ich erwarte von Ihnen, dass Sie dann den Bundestag recht-zeitig beteiligen.Herr Minister Struck, Sie haben vor dem Verteidi-gungsausschuss insbesondere in Bezug auf die Informa-tionspolitik Besserung gelobt. Ich muss leider feststellen,dass es hier seit der Amtszeit von Herrn Scharping keineVeränderungen gibt. Ich fordere Sie auf, endlich für Ver-besserungen zu sorgen und das Parlament rechtzeitig zubeteiligen. Wir haben keine Regierungsarmee, wir habeneine Parlamentsarmee. Wir wollen, dass auch Sie sich da-nach richten.
Meine Damen und Herren, ich wünsche unseren Sol-datinnen und Soldaten, wie allen für den Frieden arbei-tenden Menschen, viel Glück.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Bundesminister Joseph Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurdezu Recht darauf hingewiesen, dass die Politik zu einer er-folgreichen Entwicklung in Mazedonien beigetragen hat:Sie hat hier nicht einen barbarischen Bürgerkrieg, der oft-mals verbunden ist mit Metzeleien, Massenvergewalti-gungen und der Zerstörung eines ganzen Landes, in Formeiner Intervention unterbunden, sondern hat vorher ge-handelt. Ich denke, das ist der entscheidende Punkt. Dafürhaben wir den beteiligten Soldaten – unseren Soldaten,aber auch denen anderer Verbündeter – zu danken.Ich möchte hier aber auch ausdrücklich den Hohen Be-auftragten der Europäischen Union, Javier Solana, undden Generalsekretär der NATO, Lord Robertson, erwäh-nen. Deren Einsatz hat es ermöglicht, dass an die Stellevon Gewalt, Zerstörung und furchtbaren Grausamkeitenin Mazedonien ein Vertrag getreten ist.
Mit dem Abkommen von Ohrid ist es gelungen, eineGrundlage zu schaffen, auf deren Basis freie und geheimeWahlen und sodann ein demokratischer Machtwechselmöglich wurden. Damit hat die internationale Staatenge-meinschaft und damit hat vor allen Dingen Europa ge-zeigt, dass man aus den Tragödien der jugoslawischenErbfolgekriege die Lehren gezogen hat. Daraus erwächsteine politische Verantwortung für die gesamte Region, dieja Teil Europas ist. Dieser Verantwortung müssen wir unsstellen.Um auch das zu erwähnen: Es wird hier bisweilen derEindruck erweckt – bedingt durch unsere Verfassung; ichmeine das nicht kritisch, sondern stelle das nur fest –, alswenn die Hauptaufgabe darin bestehe, einen Beschlussüber die Verlängerung des militärischen Mandats herbei-zuführen. Dabei wissen alle Beteiligten, insbesondere dieGünther Friedrich Nolting
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Bundesminister Joseph FischerKolleginnen und Kollegen in den Fachausschüssen, dassdie überwiegende Arbeit heute bereits im zivilen Bereichgeschieht. Nur: Dadurch, dass wir konstitutiv über einenMilitäreinsatz beschließen müssen, rücken diese Faktennicht so sehr in den Vordergrund, wie sie es eigentlich ver-dient hätten.Die Europäische Union ist heute dort bereits politischim Rahmen von Demokratieentwicklung und im Be-reich Infrastruktur tätig. Deswegen wäre es nur konse-quent, wenn auch die letzte Rückversicherung, die mi-litärische Sicherungskomponente, von der EuropäischenUnion übernommen werden könnte. Dies trifft innerhalbder Europäischen Union auf breite Unterstützung. Aller-dings bedarf es hier noch einiger Klärungen. Ich hoffe,dass es Javier Solana in den vor uns liegenden Wochen ge-lingen wird, diese Klärungen – vor allen Dingen zwischender Türkei und Griechenland – herbeizuführen, sodass eshier zu einem ersten rein europäischen Einsatz kommenkann. Die Europäische Union wäre dann umfassend inMazedonien engagiert. Mazedonien hat nämlich eineSchlüsselrolle für die friedliche Entwicklung der ganzenRegion hin zu einem Europa der Integration. Insofernwäre das meines Erachtens ein konsequenter Schritt.Am Ende dieser Entwicklung müsste dann aber auchdie militärische Komponente Schritt für Schritt zurückge-fahren werden, sodass die zivilen Komponenten unterEinschluss der polizeilichen in den Vordergrund tretenkönnen. Das ist die Politik, die wir gemeinsam mit unse-ren Partnern in der Europäischen Union vertreten.
Wer die Entwicklung auf dem Balkan kennt, weiß al-lerdings auch, dass dort alles mit allem zusammenhängt.Man muss sehen, dass Mazedonien aufs Engste mit derSicherheitslage im Kosovo verbunden ist. Im Kosovo hat– lassen Sie mich an dieser Stelle einen weiteren Namen er-wähnen – Michael Steiner hervorragende Arbeit geleistet.
Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass im Kosovo dieWahlen ermöglicht werden.
– Das ist ohne jeden Zweifel richtig, Herr Glos. Sie soll-ten aber doch zumindest anerkennen, dass Herr Steinerdort eine sehr gute Arbeit leistet. Da dürfen auch Sie ru-hig einmal klatschen.
Wichtig ist, dass wir begreifen, dass die Sicherheitssi-tuation auf dem Balkan, vor allen Dingen im Kosovo, vonentscheidender Bedeutung für die Stabilisierung ist. So-lange wir nicht weitere substanzielle Fortschritte im Ko-sovo machen, so lange wird es schwierig sein, einen voll-ständigen Abzug des militärischen Sicherungspotenzialsaus Mazedonien zu erreichen. Das würde wenig Sinn ma-chen, solange die Instabilität in Mazedonien jederzeitwieder aufflackern kann, weil es in diesem Fall zu einerneuen Entsendung kommen müsste. Insofern ist hier dieGesamtverantwortung zu sehen. Die BundesrepublikDeutschland hat sich dieser Gesamtverantwortung immergestellt.Lassen Sie mich im diesem Zusammenhang nochmalsdie politische Entwicklung auf dem gesamten Balkan be-leuchten. Wichtig wird sein, dass wir uns auch nach denWahlen in Montenegro weiter engagieren und dass wir imehemaligen Jugoslawien insgesamt vorankommen, ge-rade auch im Zusammenhang mit dem Verfassungspro-zess in Serbien und dem Verhältnis zwischen Serbien undMontenegro. Wir müssen zudem weiter daran arbeiten, inBosnien, dem ersten Land, in dem es zu einem entspre-chenden militärischen Engagement kam, die Verfestigungder ethnischen Konfrontation zu überwinden und ein Zu-sammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, damit der mi-litärische Ansatz auch dort langsam in den Hintergrundtreten kann, die Versöhnungsarbeit Erfolge zeitigt undBosnien eine Zukunft als multiethnisches Staatswesenhat.Der Gesamtansatz, den wir auf dem Balkan vertreten,ist alternativlos, wenn man – denn eigentlich ist im Lebennie etwas alternativlos – den Frieden zum Maßstab seinerPolitik macht.
Ein Zurückziehen des europäischen und damit auch deut-schen Engagements hätte zur Konsequenz, dass sich dasRisiko der Destabilisierung, des Wiederaufbrechens eth-nischer Konflikte erhöhen würde. Das kann niemand wol-len, auch und gerade angesichts dessen, was wir geleistethaben.
Unter all diesen Gesichtspunkten ist es wichtig, dasswir in diesen Fragen jetzt möglichst geschlossen vorge-hen. Herr Breuer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen– ich möchte mich bei der Opposition dafür bedanken –,dass es hier nicht nur um die Vertretung europäischer und,darin eingebunden, deutscher Interessen geht, sondernauch um die Sicherheit unserer Soldaten. Darüber hi-naus – das möchte ich hier nochmals unterstreichen – gehtes um die Sicherheit unserer Diplomaten, unserer zivilenHelfer und der Deutschen im EU- und im OSZE-Auftragvor Ort, die dort eine notwendige und meines Erachtensteilweise auch gefahrvolle Arbeit leisten, sowie um dievielen Landsleute, die dort auf vielfältige Art und Weisein Nichtregierungsorganisationen tätig sind. All denenmuss unser Interesse, auch unser Schutzinteresse, gelten.Ich kann nur nochmals betonen: Wer einmal in Prizrenwar und gesehen hat, wie das militärische Element mitdem zivilen, nicht militärischen Element und dem Nicht-regierungselement zusammenarbeitet, der weiß, welcheBedeutung dort ein umfassendes Engagement hat und was„Nationen bauen“ tatsächlich bedeutet. Das nämlich istder entscheidende Auftrag, um den es dort geht: dasBauen einer demokratischen Friedensordnung. Das be-deutet das Schaffen demokratischer Nationen, eines de-
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mokratischen Selbstbewusstseins in diesen Nationen so-wie verlässlicher sozialer und ökonomischer Grundlagen.Das ist der Auftrag, an dem wir arbeiten. Dafür stehen un-sere Soldaten; dafür steht dieses Mandat.Im Namen der Bundesregierung bitte ich um Ihre breiteUnterstützung.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Christian Schmidt,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen undKollegen! Der Bundesaußenminister hat soeben von Kon-sens gesprochen und sich bei dir, lieber Paul Breuer, füreine wirklich außerordentlich gute Rede bedankt,
in der alle Aspekte der Gemeinsamkeit im Hinblick daraufenthalten waren, wie sich sowohl die Regierungsfraktio-nen als auch die Oppositionsparteien verhalten haben.Die Oppositionsparteien, wir, haben den Weg der ge-meinsamen außenpolitischen Basis nicht verlassen. Werhat ihn denn verlassen? Es war die außenpolitische Cha-rakterlosigkeit des Gerhard Schröder.
Es war der abgetauchte Joschka Fischer, der schon dreiWochen nach der Wahl einer britischen Zeitung gesagthat, das Wort vom deutschen Weg, mit dem Stimmen ge-sammelt worden seien, sollten die anderen vergessen.Vergessen, vorbei? So einfach wird das nicht gehen. Da-rüber werden wir zu sprechen haben – nicht um den Wahl-kampf fortzusetzen,
sondern um darzulegen, welcher Schaden unserem Landdaraus erwachsen ist und noch erwachsen wird.
Herr Struck hat von dem ausgeprägten Fingerspitzen-gefühl der Soldatinnen und Soldaten in Mazedonien ge-sprochen. Jawohl, das haben sie. Leider hat die Regierungnicht das Fingerspitzengefühl, die deutschen Interessenim Ausland vernünftig darzustellen.
Es ist jetzt zu hören, welche Diskussionen sich in Vor-bereitung auf den NATO-Gipfel, der in vier Wochen inPrag stattfinden wird, abspielen, welche Forderungen ausWashington kommen und was bis heute nicht geklärt wor-den ist. Herr Außenminister, Sie hatten angesichts IhresWahlsiegs von dem süßen Augenblick der Freude und denbitteren Zeiten, die kommen werden, gesprochen. Diesind relativ schnell da.Sie werden wohl beantworten müssen, ob Sie eine eu-ropäische Eingreiftruppe, die derzeit Papierstatus hat,zur Realität werden lassen wollen und ob Sie einerNATO-Eingreiftruppe nach amerikanischem Vorschlagzustimmen. Dann werden Sie sich in wirkliche außenpo-litische Solidaritäten hineinbegeben und deutsche Interes-sen wahren müssen. Ich sage Ihnen voraus: Das wird fürSie nicht einfach sein, und zwar aus zweierlei Gründen:zum einen, weil die in der Außenpolitik Verlässlicherenauf unserer Seite des Hauses sitzen,
und zum anderen, weil Sie nicht davon ausgehen sollten,dass wir den Schlamassel, den Sie vielleicht jeweils in Ih-rer Fraktion haben werden, ohne weiteres ausbügeln wer-den.
Sie werden darüber hinaus, wenn der neue Haushalt 2003eingebracht wird, darlegen müssen, wie Sie all die Auf-gaben, mit denen Sie die Bundeswehr zu belasten neigen,finanzieren wollen. Das sind Fragen, die nicht beantwor-tet worden sind.Sie behalten nicht im Kalkül, dass das, was Sie ab undzu in Form eines politischen Ablasshandels versuchen,nämlich sich in anderen Bereichen der Welt im Rahmen ei-ner militärischen Sicherung zu engagieren, auf keinen Fallbilliger sein wird als das, was man als verlässliche Politikbezeichnen kann. Es wird uns teuer zu stehen kommen.Wir werden sehr intensiv über ein neues Afghanistan-Mandat sprechen müssen. Wir wissen, dass sich die Si-tuation in Mazedonien stabilisiert hat; darauf wurdemehrfach hingewiesen. Wir wissen, dass in Mazedonientrotzdem noch politischer Mord geschieht und an der Ta-gesordnung ist. In Tetovo gab es erst vor kurzem wiederzwei dieser Todesopfer. Das heißt, dass die Stabilität nochnicht vollständig hergestellt worden ist. Wenn Sie sichüber die Situation in Afghanistan informieren, dann stel-len Sie fest, dass man dort von Stabilität noch sehr, sehrweit entfernt ist und dass man auch mit der Vorstellung,mit zivilen oder polizeilichen Maßnahmen Sicherheit zuschaffen, sehr weit von der Realität entfernt ist. Dannstellt sich allerdings die A-Frage, die Ausrüstungsfrage.Wer A sagt, der muss auch B wie „Budget“ sagen und dermuss über die Frage der Ausrichtung der Bundeswehr alseines Teils einer Bündnisarmee Auskunft erteilen. Daswollen unsere Verbündeten wissen. Da ist bisher kom-plette Fehlanzeige.Das macht das Ganze so schal und das macht es uns in-nerlich so schwer, dem heute die für unser Land und fürunseren Kontinent notwendige Zustimmung zu geben.Wir werden sie geben. Wir behalten in Erinnerung, dasses vor einem Jahr nur uns zu verdanken war, dass der Ein-satz überhaupt zustande gekommen ist. Wir hoffen, dasssich die Stabilität dort so gut entwickelt, dass nicht wei-tere Verlängerungen der Operation notwendig sind. Da-rüber werden wir zu gegebener Zeit zu reden haben.Lassen Sie mich bei der Gelegenheit noch einmal aufdas deutsch-amerikanische Verhältnis zurückkommen,Bundesminister Joseph Fischer
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Christian Schmidt
dem Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung ein außerordent-lich langes Kapitel an Prosa gewidmet haben. Daraus istaber allenfalls ein schlechtes Gewissen zu erkennen sowieder Versuch, Signale in der Richtung zu geben: So habenwir es doch nicht gemeint; wir mussten nur das deutscheVolk vor der Bundestagswahl – augenzwinkernd, lässig,wie das der Stil dieser Bundesregierung und dieses Bun-deskanzlers ist – ein bisschen hinters Licht führen. – Daswird nicht reichen!Nicht nur die Damen und Herren in der politischenSzenerie in Washington, sondern auch die in den europä-ischen Hauptstädten beginnen, an Deutschland zu zwei-feln.
Sie beginnen daran zu zweifeln, ob wir verlässlich sind,ob wir in der Lage sind, beispielsweise auf europäischerEbene die Dinge, die mit einer gemeinsamen europä-ischen Eingreiftruppe zusammenhängen, wirklich zu be-fördern. Ich darf wiederholen: Wir reden seit fast einemJahr darüber, dass gerade der Mazedonieneinsatz von ei-ner europäischen Führung im Rahmen der ESVP über-nommen werden sollte. Außer dem Dank an HerrnSolana – dem schließe ich mich gern an; denn der kannnichts dafür; aber andere können was dafür, dass nichtspassiert ist – habe ich dazu nichts gehört. Die Berlin-plus-Vereinbarung wurde von Herrn Struck angesprochen. Wassind denn die Konsequenzen daraus? Wie geht es voran?Wie werden Fragestellungen zwischen Griechenland undder Türkei beantwortet? Hat es dazu deutsche Initiativengegeben? Welche Intentionen gibt es? Was verbinden wireigentlich mit unseren Auslandseinsätzen? Wollen wir mitdiesen Auslandseinsätzen unseren eigenen Interessen die-nen? Wer ist denn überhaupt bereit, unsere eigenen Inte-ressen zu definieren? Ich stelle fest, dass in den letztenJahren und vor allem in den letzten Monaten gravierendgegen deutsche Interessen verstoßen worden ist.In einem Kommentar einer in Frankfurt erscheinendenZeitung steht heute eine ganz lesenswerte Passage. Die,finde ich, sollten wir uns alle, auch Sie, Herr Fischer, nocheinmal vor Augen führen. Ich zitiere:Der Triumph der „Operation Wiederwahl“ hat ebeneinen – hohen – Preis. Das Land wird zu spüren be-kommen, dass er vielleicht zu hoch war, Europaauch. Aber es musste ja sein.
Ich erteile dem Kollegen Gernot Erler, SPD-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esgibt in der Tat gute Nachrichten aus Mazedonien. Am15. September haben Wahlen zur Sobranie, dem maze-donischen Parlament, stattgefunden. Der Verlierer die-ser Wahl, der bisherige Premierminister Georgievski, hatsie als die friedlichsten Wahlen seit 12 Jahren bezeichnet.Das wird auch durch 850 internationale Wahlbeobachterund etwa ebenso viele akkreditierte, für diese Wahlennach Mazedonien gekommene internationale Journalistenbestätigt.Gewonnen hat diese Wahl die bisherige Opposition,die SDSM, die Sozialdemokratische Union Mazedoniens,mit ihren Partnern. Man ist als Wahlbündnis „Gemeinsamfür Mazedonien“ angetreten. Die SDSM wird mit BrankoCrvenkovski den nächsten Premierminister stellen. Siewird die Regierung bilden zusammen mit einer neuen al-banischen Partei, der DUI, der Demokratischen Union fürIntegration, die sich vor allen Dingen aus ehemaligenAngehörigen der albanischen Einheiten zusammensetzt,die das Land an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht hat-ten. Diese Koalition wird eine stabile Mehrheit von 76 von120 Mandaten in dem mazedonischen Parlament haben.Man reibt sich allerdings die Augen, wenn man sich ei-nige Besonderheiten und Premieren in diesem Prozess an-schaut. Wir erinnern uns ja noch daran, dass dieses Landim letzten Jahr mit mehr als einem Bein mitten in einemblutigen Bürgerkrieg gestanden hat. Bei dieser Wahl hates erstmals Wahlzettel gegeben, die nicht nur in Mazedo-nisch, sondern auch auf Albanisch, Romanes, Serbisch,Vlahisch, Türkisch und Bosnisch geschrieben waren. Von120 gewählten Abgeordneten sind 22 Frauen; erstmals istauch eine albanische Frau Abgeordnete. Das ist ein enor-mer Wandel in diesem Land. Bei der konstituierenden Sit-zung der Sobranie am 3. Oktober haben erstmals ethnischalbanische Abgeordnete Albanisch im Parlament gespro-chen. Dies geschah in Umsetzung der Friedensgesetzevon Ohrid, die im August letzten Jahres verabschiedetworden sind.Welche Strecke der politischen Stabilisierung dorttatsächlich zurückgelegt wurde, zeigt sich, wenn man ei-nen Blick auf diese neue albanische Partei und überhauptauf die Zusammensetzung der ethnisch albanischenAbgeordneten wirft. Unter ihnen befinden sich nämlichelf amnestierte ehemalige Kommandanten der UCK.Dazu kommen drei Abgeordnete, deren Status nicht klarist und die es nicht gewagt haben, an der konstituierendenSitzung teilzunehmen. Das bedeutet aber, dass man denÜbergang von einer Bürgerkriegssituation zu einer Norma-lisierung in Form eines parlamentarischen Wettbewerbsdramatischer gar nicht beschreiben kann; die Entwick-lung ging vom bewaffneten Kampf zum parlamentari-schen Wettbewerb. Ich finde, auch die Tatsache, dass derMachtwechsel so glatt vor sich gegangen ist, ist schon einkleines Wunder.
Bei dieser Gelegenheit muss ich Ihnen, Herr Breuer,Herr Nolting und Herr Schmidt, sagen: Ich finde es schonbedauerlich und auch ein bisschen traurig, dass Sie hierauf diese Situation, auf diese Entwicklung praktisch über-haupt nicht eingegangen sind,
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sondern dass Sie die uns bekannten Wahlstereotypenwiederholt haben, die auch durch Wiederholung nichtüberzeugender werden. Damit haben Sie eigentlich nureines bewiesen: dass Sie schlechte Wahlverlierer sind.Das ist eigentlich das, was man aus dieser Diskussionmitnehmen muss.
Das kleine Wunder, das ich hier zu beschreiben ver-sucht habe, kommt nicht von ungefähr. Der DeutscheBundestag dankt denen in Mazedonien, die zu diesemkleinen Wunder, die zur friedlichen Wahl und zu einemguten Übergang zu einem parlamentarischen System, bei-getragen haben.
Wir dürfen ebenfalls darauf hinweisen, dass diese Ent-wicklung auch ein Erfolg europäischer Friedenspolitik,wie wir sie uns wünschen, ist, einer Politik, die zwar invier blutigen Konflikten auf dem Balkan in den 90er-Jah-ren leider nicht zum Erfolg geführt hat, jetzt aber tatsäch-lich greift. Aus unserer Sicht ist Mazedonien ein Stückweit ein europäisches Modell für Friedensvermittlung ineinem regionalen Konflikt. Dieses Modell besteht aus dreiKomponenten. Erste Komponente: Europa ist zum erstenMal mit einem einheitlichen politischen Konzept voran-gegangen – das war ein großer Erfolg –, und zwar in Ko-operation mit der NATO, mit der OSZE, mit den UN undmit den Vereinigten Staaten. Zweite Komponente: EinFriedensprozess wurde auf der Basis eines Friedensab-kommens verbindlich organisiert, nämlich des Abkom-mens von Ohrid vom 13. August letzten Jahres, das eineeindeutige Priorität der Politik vorsieht. Dritte Kompo-nente: Man war bereit, diesen Friedensprozess durch denEinsatz bewaffneter Kräfte abzusichern. Auch das warwichtig.So erfreulich die geschilderte Entwicklung ist: DieNormalisierung des Stabilisierungsprozesses in Mazedo-nien ist noch nicht abgeschlossen. Die radikalen Kräfteauf beiden Seiten, die auch gewaltbereit sind, haben nochnicht aufgegeben. Wir haben gerade gehört: Es gibt bisheute blutige Zwischenfälle, bei denen Opfer zu beklagensind. Eine ganze Reihe von Gesetzen, die zum Ohrid-Prozess gehören, sind noch nicht verabschiedet, auch sol-che, die schwierig sind und bei denen es Widerstände ge-ben wird.Zwar konnte die Rückkehr der mazedonischen Sicher-heitskräfte in jene 138 Ortschaften, die längere Zeit unterUCK-Kontrolle waren, im Juli dieses Jahres abgeschlos-sen werden, aber wir befinden uns noch in einem sehrkomplizierten und sensiblen Prozess des Übergangs imRahmen jenes auf sechs Monate angelegten so genanntenCommunity Policing Transition Plan zur Reetablierungder mazedonischen Regierungs- und Staatskontrolle indiesen Ortschaften. Wir benötigen weiterhin jene200 OSZE-Beobachter und jene etwa 40 EU-Beobachter,die diesen Normalisierungsprozess begleiten sollen.Diese Beobachter benötigen ihrerseits, da die mazedoni-sche Seite ihnen den Schutz noch nicht garantieren kann,den internationalen Schutz durch die Task Force Fox mitihren 1 000 Kräften, von denen im Augenblick etwa225 aus Deutschland kommen.Wir benötigen diese Beobachter und diesen Schutzauch noch für einen weiteren wichtigen Schritt in Maze-donien: Vom 1. bis zum 15. November soll eine Volks-zählung durchgeführt werden. Diese Volkszählung istgeradezu konstitutiv für den Erfolg des Ohrid-Prozesses.Da er ja überall darauf beruht, dass in unterschiedlichenethnischen Verhältnissen unterschiedliche Regeln ange-wandt werden sollen, muss man diese ethnischen Verhält-nisse kennen. Die EU bemüht sich mithilfe ihres statisti-schen Fachdienstes Eurostat, das zu einem Erfolg zuführen.Auch in Anbetracht dessen wäre es ein fataler Fehler,sich jetzt aus Mazedonien zurückzuziehen. Deswegensind wir auch heute hier, um das Mandat zu verlängern.Der mazedonische Präsident und die neue mazedonischeRegierung haben ausdrücklich den Wunsch geäußert, dassdiese Mission verlängert werden möge. Wir brauchen indieser Frage eine Kontinuität im Engagement, auch um zuzeigen, dass wir die Mahnung von Kofi Annan, die er imDeutschen Bundestag vor uns ausgesprochen hat, beher-zigen. Er meinte, dass wir eine neue Qualität von Frie-denspolitik im Sinne einer nachhaltigen Friedensstrate-gie, eines „sustainable peace“, brauchen. Diese Qualitätbedeutet, dass man sich in solchen Fällen nicht hinein-und dann sofort wieder herausbegeben darf, sondern dassman eine Kontinuität des Engagements zeigen muss. Dasist eine neue Qualität von Friedenspolitik; das ist das eu-ropäische Modell, das in Mazedonien jetzt zum Erfolg ge-führt werden kann. Dazu müssen und sollten wir hier imDeutschen Bundestag beitragen.
Mazedonien kann tatsächlich zu einem ersten Beispielfür eine gelingende europäische Friedenspolitik werden,wenn wir weiterhin an diesem Prozess Anteil nehmen,wenn wir uns nicht durch dramatische Entwicklungen inanderen Weltregionen von unserer europäischen Verant-wortung ablenken lassen und wenn wir fortfahren – wiees insbesondere Deutschland in den letzten Monaten ge-tan hat –, auf allen Ebenen, die wichtig sind, unsere Hilfeund unsere Unterstützung für den Erfolg des Ohrid-Pro-zesses zu geben.Der konkrete Beschluss, der hier ansteht, hat alle er-forderlichen Voraussetzungen: Es liegt die Anforderungdes mazedonischen Präsidenten vor; es liegt der Be-schluss des NATO-Rates vom 11. Oktober dieses Jahresvor. Die UN-Resolution 1371 vom 26. September letztenJahres ist weiterhin gültig, die diese gesamte Mission in-dossiert, das heißt, sie sich zu Eigen macht und gutheißt.Ebenso liegt der gestrige Beschluss des neuen Bundeska-binetts vor, der ja nicht früher gefasst werden konnte.Jetzt geht es darum, dass dieses Hohe Haus zum fünf-ten Mal die konstitutive Zustimmung zur Fortsetzung die-ser wichtigen Mission gibt. Das ist ein Stück europäischeVerantwortung. Die SPD-Bundestagsfraktion wird ausÜberzeugung und einmütig Ja zur Fortsetzung der Mis-sion sagen.Gernot Erler
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Gernot ErlerIch bitte alle Kolleginnen und Kollegen des DeutschenBundestages, dies auch zu tun. Wir wünschen den Solda-ten der Bundeswehr bei ihrer schwierigen und verantwor-tungsvollen Mission Glück und Erfolg.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort der Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
gehöre dem Bundestag genauso lange an, wie SPD und
Grüne die Bundesregierung stellen, also seit 1998. Im sel-
ben Zeitraum hatte ich 17-mal über Auslands- bzw.
Kriegseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden.
Ich habe 17-mal mit Nein gestimmt und ich werde es
heute zum 18. Mal tun.
Als wir das erste Mal über einen Bundeswehreinsatz
in Mazedonien stritten, ging es angeblich darum, eine
halbe Million Feuerwaffen – ein gefährliches Arsenal der
Zerstörung, wie sich sehr leicht denken lässt – einzusam-
meln.
Eingesammelt und vernichtet wurde nicht einmal 1 Pro-
zent davon, sondern lediglich 4 000 Waffen.
Eine andere Prognose, die schon damals von der PDS
aufgestellt wurde, trat allerdings ein: Der Mazedonien-
Einsatz war eben nicht nach 30 Tagen beendet, sondern
wurde ein ums andere Mal verlängert.
Wir haben leider Recht behalten.
Dabei geht es nicht nur um eine gefährliche Gewöh-
nung, es geht auch um einen militärischen Brückenkopf.
Mein Kollege Gehrcke stellte in der Bundestagsdebatte
am 14. Juni dieses Jahres fest:
Mit dem jetzt stattfindenden Probelauf in Mazedo-
nien soll die vorgesehene europäische Sicherheits-
truppe, eine Interventionstruppe mit 60 000 Perso-
nen, durchgesetzt werden.
Sie wissen, wie unheimlich nahe Wolfgang Gehrcke den
inzwischen fortgesetzten Planungen damit kam. Deshalb
sage ich Ihnen: Diesen Kurs der weiteren Militarisierung
der europäischen Politik können wir nicht mittragen.
Ich schlage Ihnen vor: Widmen Sie die 1,5 Millionen
Euro, die Sie für diesen Einsatz vorgesehen haben, um.
Stecken Sie sie in den Balkanstabilitätspakt; damit wäre
allen gedient.
Nun will ich die humanitären Erwägungen, die manch
einen von Ihnen umtreiben, nicht leichtfertig wegwi-
schen,
obwohl es mir nach wie vor schwer fällt, humanitäre Ab-
sichten mit kriegerischen Einsätzen unter einen Hut zu be-
kommen.
Mit Blick auf die Balkan-Politik der Bundesrepublik
will ich auf einen anderen Widersinn hinweisen: Wenn es
darum geht, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu begrün-
den, dann gibt es entsprechend drastische Lageeinschät-
zungen. Dieselben Lageeinschätzungen gelten plötzlich
nicht mehr, wenn es darum geht, Bürgerkriegsflüchtlinge
oder Asylsuchende abzuschieben.
Auch deshalb werden Gesine Lötzsch und ich heute mit
Nein stimmen.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, erteile ich demKollegen Christian Ströbele das Wort zu einer Erklärungnach § 31 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Ich danke.Ich bin auch deshalb in den Deutschen Bundestag ge-wählt worden, weil ich mich in der Öffentlichkeit konse-quent gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr ausgespro-chen habe und hier im Deutschen Bundestag bisher gegensie gestimmt habe.Vor einem Jahr habe ich gegen den Mazedonien-Ein-satz der Bundeswehr gestimmt, weil ich der Meinung war,dass er sich zu einem Kriegseinsatz entwickeln könnte.Ich habe die NATO und insbesondere die USA für die fal-sche Sicherheitstruppe in Mazedonien angesehen, weil siezu stark mit einer der dort Krieg führenden Gruppierun-gen, der UCK, verbandelt waren. Außerdem habe ich dieLegitimation dieses Einsatzes angezweifelt, da die dama-lige Regierung in Mazedonien diesen Einsatz unter sehrstarkem Druck gewünscht hat.Bei den weiteren Entscheidungen über den Einsatz derBundeswehr in Mazedonien habe ich mich der Stimmeenthalten, weil ich gemerkt habe, dass sich ein Teil mei-ner Befürchtungen – diese hatten auch viele andere – Gott
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sei Dank nicht bewahrheitet haben, dass es nicht zu einerkriegerischen Entwicklung, zu einer kriegerischen Eska-lation in Mazedonien gekommen ist.Ich stelle jetzt fest, dass sich die Bundeswehr in Maze-donien nicht in einem Kriegseinsatz befindet und dassauch kein Kriegseinsatz bevorsteht,
weil die Bundeswehr nicht in Mazedonien ist, um zu tö-ten, zu vernichten und zu zerstören, sondern ausschließ-lich zum Schutz der Beobachter.
Den Schutz der Beobachter halte ich für richtig und not-wendig.
Allerdings wünsche ich mir, dass dieser Schutz nichtdurch die NATO und nicht durch die Bundeswehr, dasheißt: nicht durch das Militär, garantiert wird, sonderndass wir dahin kommen, dass dieser Schutz nichtmi-litärisch geleistet wird.
Die heutige Erklärung des Bundesaußenministers, dassdie Bundesregierung sobald wie möglich die Auswechse-lung durch nicht militärische Einheiten vornehmen wird,hat mich bestärkt, heute dem zeitlich begrenzten Einsatzder Bundeswehr ausschließlich zum Zwecke des Schutzeszuzustimmen.
Diese Zustimmung wird mir ermöglicht, erstens, weil derEinsatz der NATO in diesem Gebiet begrenzt ist, wahr-scheinlich bis Dezember, zweitens, weil ich gehört undgelesen habe, dass sich die US-Armee wahrscheinlichspätestens ab 15. Dezember aus Mazedonien zurückzie-hen wird,
und drittens – das ist der entscheidende Punkt –, weil esin Mazedonien eine neue, frei gewählte Regierung gibt,die die Verlängerung dieses Mandats zum Schutz der Be-obachter zweifellos aus freien Stücken wünscht.
Ich respektiere den ohne Druck zustande gekommenenWillen des mazedonischen Parlamentes und der neuenmazedonischen Regierung und sage: Ich will euch diesenSchutz nicht verweigern, obwohl ich den Einsatz derBundeswehr nach wie vor sehr kritisch sehe. Deswegenwerde ich zustimmen.Danke sehr.
Es liegt noch eine schriftliche Erklärung zur Abstim-
mung des Kollegen Winfried Hermann vor.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstim-
mung über den Antrag der Bundesregierung zur Fortset-
zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischem
Territorium auf Drucksache 15/10. Die Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen hierzu
namentliche Abstimmung.
Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und
Kollegen, sorgfältig darauf zu achten, dass sie nur Stimm-
karten der 15. Wahlperiode verwenden und dass die
Stimmkarten ihren Namen tragen.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist das geschehen? –
Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat?
– Dann warten wir noch einen Moment.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen1). Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der nament-
lichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über den Antrag der Bundesregierung zur Fortset-zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischemTerritorium bekannt. Abgegebene Stimmen 596. Mit Jahaben gestimmt 584, mit Nein haben gestimmt 6, Enthal-tungen 6. Der Antrag ist damit angenommen.Hans-Christian Ströbele1) Ergebnis Seite 46.
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Präsident Wolfgang Thierse
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 596;davonja: 584nein: 6enthalten: 6JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter Wilhelm DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerMartin DörmannPeter DreßenDetlef DzembritzkiSebastian EdathySiegmund EhrmannHans EichelMarga ElserGernot ErlerPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerAnnette FasseElke FernerGabriele FograscherRainer FornahlGabriele FrechenDagmar FreitagLilo Friedrich
Iris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacAngelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnKerstin GrieseGabriele GronebergAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl Hermann Haack
Hans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannAlfred HartenbachMichael Hartmann
Anke HartnagelNina HauerHubertus HeilReinhold HemkerRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogPetra HeßMonika HeubaumGabriele Hiller-OhmGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike HovermannKlaas HübnerChristel HummeLothar IbrüggerBrunhilde IrberRenate JägerJann-Peter JanssenKlaus Werner JonasJohannes KahrsUlrich KasparickSusanne KastnerUlrich KelberHans-Peter KemperKlaus KirschnerHans-Ulrich KloseAstrid KlugDr. Heinz KöhlerWalter KolbowFritz Rudolf KörperKarin KortmannRolf KramerAnette KrammeErnst KranzNicolette KresslVolker KröningDr. Hans-Ulrich KrügerAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfDr. Uwe KüsterChristine LambrechtChristian Lange
Christine LehderWaltraud LehnDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDr. Christine LucygaDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkCaren MarksChristoph MatschieHilde MattheisMarkus MeckelUlrike MehlPetra-Evelyne MerkelUlrike MertenAngelika MertensUrsula MoggMichael Müller
Christian Müller
Gesine MulthauptFranz MünteferingDr. Rolf MützenichVolker Neumann
Dietmar NietanDr. Erika OberHolger OrtelHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeKarin Rehbock-ZureichGerold ReichenbachDr. Carola ReimannChristel Riemann-HanewinckelWalter RiesterReinhold RobbeRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth
Michael Roth
Gerhard RübenkönigOrtwin RundeMarlene Rupprecht
Thomas SauerAnton SchaafAxel Schäfer
Gudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Heinz Schmitt
Carsten SchneiderWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserWilfried SchreckOttmar SchreinerGerhard SchröderGisela SchröterBrigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-DürenDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltLudwig StieglerRolf StöckelChristoph SträsserRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesHans-Jürgen UhlRüdiger VeitSimone ViolkaJörg VogelsängerUte Vogt
Dr. Marlies VolkmerHans Georg WagnerHedi WegenerAndreas WeigelPetra WeisReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelAndrea WickleinJürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenWaltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfManfred Helmut ZöllmerDr. Christoph ZöpelCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter Altmaier
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Oktober 2002 47
Präsident Wolfgang ThierseDietrich AustermannNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerDr. Rolf BietmannClemens BinningerRenate BlankPeter BleserAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerJochen BorchertWolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepeHelge BraunPaul BreuerMonika BrüningGeorg BrunnhuberVerena ButalikakisHartmut Büttner
Cajus CaesarPeter H. Carstensen
Gitta ConnemannHubert DeittertAlbert DeßAlexander DobrindtVera DominkeThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornAnke Eymer
Georg FahrenschonIlse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelEnak FerlemannIngrid FischbachHartwig Fischer
Dirk Fischer
Axel E. Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Michael FuchsDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisRoland GewaltEberhard GiengerGeorg GirischMichael GlosRalf GöbelDr. Reinhard GöhnerTanja GönnerJosef GöppelPeter GötzDr. Wolfgang GötzerUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundKarl-Theodor Freiherr vonund zu GuttenbergOlav GuttingHolger HaibachGerda HasselfeldtHelmut HeiderichUrsula HeinenSiegfried HeliasUda Carmen Freia HellerMichael HennrichJürgen HerrmannBernd HeynemannErnst HinskenPeter HintzeRobert HochbaumKlaus HofbauerMartin HohmannJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeDr. Egon JüttnerBartholomäus KalbIrmgard KarwatzkiBernhard KasterVolker KauderSiegfried Kauder
Gerlinde KaupaEckart von KlaedenJürgen KlimkeJulia KlöcknerKristina KöhlerManfred KolbeNorbert KönigshofenHartmut KoschykThomas KossendeyRudolf KrausMichael KretschmerGünther KrichbaumGünter KringsDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesWerner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertBarbara LanzingerKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Patricia LipsDr. Michael LutherDorothee MantelErwin Marschewski
Stephan Mayer
Cornelia Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzLaurenz Meyer
Doris Meyer
Maria MichalkHans MichelbachKlaus MinkelMarlene MortlerDr. Gerd MüllerHildegard MüllerStefan Müller
Bernward Müller
Bernd Neumann
Claudia NolteGünter NookeDr. Georg NüßleinFranz ObermeierMelanie OßwaldEduard OswaldRita PawelskiDr. Peter PaziorekUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberHannelore RoedelFranz RomerHeinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheAlbert Rupprecht
Peter RzepkaAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteAndreas ScheuerGeorg SchirmbeckBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian Freiherr vonStettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblThomas Strobl
Michael StübgenMichaela TadjadodAntje TillmannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAngelika VolquartzAndrea Astrid VoßhoffGerhard WächterMarco WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschMatthias WissmannWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingWolfgang ZeitlmannWolfgang ZöllerWilli ZylajewBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck
Volker Beck
Cornelia BehmBirgitt BenderMatthias BerningerGrietje BettinAlexander BondeEkin DeligözDr. Thea DückertJutta Dümpe-KrügerFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellJoseph Fischer
Katrin Dagmar Göring-EckardtAnja HajdukWinfried HermannAntje HermenauPeter HettlichUlrike HöfkenThilo HoppeMichaele HustedtFritz KuhnRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth
Dr. Reinhard LoskeAnna Lührmann
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-tages auf Dienstag, den 29. Oktober 2002, 10 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.