Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich komme zunächst zu den Mitteilungen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um den Entwurf eines von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. eingebrachten Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes — Drucksache 12/3808 — zu erweitern. Der Zusatzpunkt soll ohne Debatte aufgerufen werden.
Ferner soll mit dem Tagesordnungspunkt II b auch der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch — Drucksache 12/3447 — beraten werden.
Außerdem soll von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen werden, soweit dies zu einzelnen Vorlagen der heutigen Tagesordnung erforderlich ist.
Darüber hinaus ist folgendes vereinbart worden:
Der Tagesordnungspunkt VI a und b, Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz und Investitionszulage, soll abgesetzt werden.
Der Tagesordnungspunkt VII, Zollrechtsänderungsgesetz, und der Tagesordnungspunkt VIII, Kreditwesengesetz, sollen ohne Aussprache beraten werden.
Der Tagesordnungspunkt IX, Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz, soll abgesetzt werden.
Im Ältestenrat ist außerdem vereinbart worden, daß am 2. Dezember keine Fragestunde, keine Aktuelle Stunde, keine Befragung der Bundesregierung stattfinden.
Sind Sie mit alldem einverstanden? — Das ist der Fall. Das ist mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 1993
— Drucksachen 12/3000, 12/3541, 12/3501 bis
12/3530, 12/3590, 12/3591 —
Dazu liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD, zwei Entschließungsanträge der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ein Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. — Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich weise darauf hin, daß über das Haushaltsgesetz und über einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD namentlich abgestimmt wird. Das wird etwa um 9.30 Uhr sein. Wie ich höre, werden die Redezeiten voll in Anspruch genommen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster ergreift der Abgeordnete Dr. Klaus Rose das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Stunde noch so früh und unchristlich ist — die Elite der Parlamentarier, nämlich die Haushaltspolitiker und auch die Parlamentarischen Geschäftsführer und sonstige zur Elite zählende Abgeordnete, ist bereits da.
Es geht ja schließlich um die dritte Lesung des Bundeshaushalts 1993. Das, was wir in den letzten Tagen gehört haben, sollte heute zusammengefaßt und nach Möglichkeit auch perspektivisch behandelt werden.Wir sollten uns kurz auf das Jahr 1982 zurückbesinnen, als die CDU und die CSU zusammen mit einer geläuterten F.D.P. das Steuer des maroden Staatsschiffs wieder in die Hand genommen haben. Damals steckte die Bundesrepublik Deutschland in einer hausgemachten schweren Wirtschafts- und Sozialkrise. Die Staatsfinanzen waren in einem desolaten Zustand. Die Ausgaben der öffentlichen Hand wuchsen von 1969 bis 1982 um durchschnittlich 9,5 %.
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10750 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Klaus RoseIn den Folgejahren haben wir diesen rasenden Ausgabenanstieg auf durchschnittlich 3,2 % gesenkt, beim Bund sogar auf 2,5 %. Wir müssen diesen für Stabilität und Wachstum so erfolgreichen Weg mit der 3-%-Linie von Bund und Ländern, wie sie im Finanzplanungsrat beschlossen wurde, fortsetzen.
Ohne den Regierungswechsel 1982 hätte die Nettokreditaufnahme 1983 bereits über 50 Milliarden DM betragen, also deutlich mehr, als wir jetzt, 1993, in der gewiß schwierigen Lage zu verzeichnen haben. Unter der SPD-Regierungsverantwortung — das möchte ich allen Kollegen, vor allem der Kollegin Matthäus-Maier, gerne sagen — hat sich der Schuldenstand des Bundes fast versiebenfacht und eine Größenordnung erreicht, die nur mit der jetzigen sozialistischen Erblast des DDR-Regimes zu vergleichen ist.
Ich nenne diese Daten immer wieder gerne, weil sie zeigen, wie unglaubwürdig und irreführend die Kritik der führenden finanzpolitischen Sprecher der SPD ist.Ich möchte die Frau Kollegin Matthäus-Maier — es tut mit leid, daß sie nicht anwesend sein kann —
nochmals ansprechen, weil sie wider besseres Wissen eine Äußerung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes hier falsch wiedergegeben hat.
In dieser Pressemitteilung vom Bundesrechnungshof, die allgemein und sicher auch der Frau Kollegin Matthäus-Maier bekannt war, steht, daß die Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder niemals vor einem Staatsbankrott gewarnt haben. Weiter steht darin:Dahin gehende Meldungen sind falsch, drohender Staatsbankrott würde die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Staates bedeuten. Davon kann keine Rede sein.Die Frau Kollegin Matthäus-Maier, die trotzdem das Gegenteil behauptet, ist auch bei der Beantwortung der ihr dazu gestellten Frage nicht davon abgerückt. Das ist eine bewußte Täuschung und Irreführung. Das können wir nicht hinnehmen.
Gerade diese unseriöse Panikmache verunsichert den Bürger. Sie ist vor allem in der jetzigen Zeit nicht angebracht.Es ist auch unerträglich, wenn die SPD dem Bundesfinanzminister immer wieder Entwicklungen anlastet, die nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen und die in der katastrophalen Mißwirtschaft der sozialistischen Machthaber und der von ihnen hinterlassenen Schuldenlast, im Zusammenbruch der osteuropäischen Absatzmärkte und in den unverantwortlichen Tarifentwicklungen begründet sind, die wir in der letzten Zeit erlebt haben.Der Haushalt 1993 setzt die auch im Rahmen des Einigungsprozesses durchgeführte konsequente Konsolidierungspolitik von den Eckwertebeschlüssen im Herbst 1990 über die Beschlüsse vom Mai dieses Jahres fort, die wir nicht nur eingehalten, sondern sogar noch unterschritten haben.
— Wenn ich das im vorigen Jahr gesagt habe, als die Eckwertebeschlüsse 1990 galten, und wenn sie in diesem Jahr gelten und wir sie noch unterschritten haben, dann bin ich gern bereit, das noch oft und oft zu sagen und euch um die Ohren zu schlagen, damit ja niemand von euch es anders machen kann.
Wir haben im Haushaltsausschuß — das möchte ich auch heute früh feststellen — unsere Hausaufgaben gemacht und dies durch eine gewaltige Einsparaktion bewiesen.Die Lebensweisheit aus Goethes „Faust II": „Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr" hat zumindest für uns im Haushaltsausschuß für den Haushalt 1993 nicht gegolten. Der Haushalt enthält auch alle erkennbaren Risiken und ist solide finanziert. Das dürfte sich am Ende dieser Haushaltswoche auch bei der SPD herumgesprochen haben.
Würde man nur haushaltspolitisch argumentieren, dann könnte man dem Bundeshaushalt 1993 zumindest die Note „befriedigend" geben, auch wenn man nicht zufrieden sein kann. Etwas schmerzlich ist sicher die Erhöhung der Nettokreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf. Diese Maßnahme war jedoch aus konjunkturpolitischen Gründen unabdingbar, wie uns ja auch ernstzunehmende Presseorgane bestätigt haben, u. a. die „Süddeutsche Zeitung" am 19. November 1992.
Ich bin dankbar — ich sage es gerade in diese Richtung —, daß wir als Mitglieder des Haushaltsausschusses in den letzten zehn Jahren an der Konsolidierung der Bundesfinanzen und damit auch an einer geordneten Finanzpolitik mitwirken konnten.
Nach den Turbulenzen der letzten Zeit hoffe ich, daß der Haushaltspolitik jetzt wieder der StellenwertDeutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Borm, Freitag, den 27. November 1992 10751Dr. Klaus Rosezukommt, der ihr für geordnete Staatsfinanzen, für Stabilität und Wachstum zukommt.
Leider ist die wirtschaftliche und auch die psychologische Gesamtlage — und das will ich nicht verhehlen—nicht gut. Häßliche Worte machen die Runde. Es ist von Stagnation die Rede. Es ist von Nullwachstum, auch von Rezession die Rede. Manche reden von der Inflation oder sogar einem Schock, wie man ihn unter dem Reichskanzler Brüning erlebte. All das zusammen muß uns zwingen, uns wieder mehr auf haushaltspolitische Grundsätze zu besinnen.
Wenn es tatsächlich ab 1993 zu einem schrumpfenden Bruttosozialprodukt kommt, müssen wir uns alle umgewöhnen. Ich betone: alle; nicht bloß die einen, und die anderen vielleicht nicht, und nicht nur die im Westen, im Norden, im Süden oder im Osten, sondern alle.Erste schlimme Auswirkungen wird es auf dem Arbeitsmarkt geben. Wie wir jetzt lesen können, sind schon Tausende und Zehntausende Arbeitsplätze in den großen Schlüsselindustrien gefährdet. Allein zahlenmäßig kann man jetzt schon nicht zufrieden sein. Aber haben wir uns nicht lange genug damit getröstet, daß viele der Arbeitslosen der letzten Jahre sowieso unechte Arbeitslose waren? Diese Zeiten und die Sprüche, die es gab, die zweifellos in gewissen Bereichen auch gestimmt haben, daß nämlich für Nichtstun gut kassiert wurde, Schwarzarbeit gemacht wurde, daß man sich auf Mallorca auf Krankenkassenkosten und auf anderer Leute Kosten dann noch gut erholte, werden dann endgültig vorbei sein müssen.Aber, darum geht es nur zum Teil.
In der Autoindustrie, beim Maschinenbau usw. gibt es ernste Anzeichen. Ist nur die Weltkonjunktur daran schuld, der Dollarkurs oder die hohen Lohnzusatzkosten? Oder nicht auch eine gewisse hausgemachte Politik? Dazu zählt auch die Verteufelung des Autos. Dazu zählen die Verhinderung von Industrieexporten, die Abnabelung von Zukunftstechnologien, die Verscheuchung des Kapitals durch so manche Ereignisse im Inland, und zwar von Kapital, das aus dem Ausland zu uns kommen sollte, aber auch von Inlandskapital, das ins Ausland gehen sollte. Die Gründe sind verschieden.Zu dieser allgemeinen Lage kommen bedrückende Zusatzforderungen aller möglichen wichtigen Bereiche. Wir müssen ja sowieso noch die Erblast finanzieren. Wir hören von der Bahnreform. Wir wissen, was bei der Treuhand passiert.
— Ich habe Sie schon hereinkommen sehen. Ich freuemich, daß die Kollegin Matthäus-Maier Zeit hatte,hierherzukommen und zuzuhören. Es tut ihr sicher gut.
Wir haben Finanzierungsprobleme, die auch mit dem Einwanderungsdruck auf uns zukommen. Wir wissen jetzt schon, daß die Leistungsbilanz nicht mehr die ist, an die wir uns gewöhnt hatten.Wir haben Gott sei Dank noch Währungsreserven. Aber auch da gibt es schon Schlaue, die sagen: Nehmt halt die Währungsreserven her; man könnte einiges finanzieren; dann sind sie zwar weg, aber wir haben zumindest kurzfristig finanziert.Wir führen manchmal eine Geisterdiskussion. Ich möchte das heute zum Abschluß dieser Haushaltsberatungen sagen. Ich nenne hier nur Begriffe wie vorgezogener Nachtragshaushalt, Haushaltssicherungsgesetz oder auch halbierte Mehrwertsteuer auf Ostprodukte. Bei dieser Mehrwertsteuer müssen wir ein neues Kontrollsystem einführen. Wie sollte man ganz genau wissen, was im Osten produziert wird und was nicht, welche Firmen das zu ihren Gunsten ausnutzen? Ich meine, daß das hoffentlich niemand will. Eine Kontrolle allerdings brauchen wir, wenn wir den vielfältigen Wünschen entsprechen wollen, die von allen Seiten und natürlich auch von den neuen Bundesländern kommen. Das ist die haushaltspolitische Kontrolle.
Ohne sie brauchen wir uns über das dauernde Vorgeführtwerden und über den Verlust des Markenzeichens „solider Bundeshaushalt" nicht zu wundern.Wer nicht will — Sie wissen, daß ich solche Vergleiche gerne bringe —, daß die Bundesrepublik Deutschland aus der Bundesliga in die zweite Liga und noch weiter abrutscht, wie es in manchen Fachzeitungen bereits befürchtet wird,
der muß endlich gegensteuern.Damit ich nicht mißverstanden werde: Ich wende mich nicht gegen notwendige, gegen sinnvolle Leistungen für den dringend notwendigen Aufbau Ost. Ich wende mich auch nicht gegen eine vernünftige Industriepolitik. Jeder weiß, daß mit einer Industriepolitik im Lauf der Jahre auch eine gute, mittelstandsorientierte Zubringerpolitik gemacht werden kann. Nur, finanzieren muß man können und nicht das Defizit unbegrenzt erhöhen wollen.Wir müssen deshalb auch wieder dazu kommen, daß die Haushaltspolitik entscheidend von den Fachleuten bestimmt wird und diese in der öffentlichen Diskussion den Ton angeben. Nur dann ist sichergestellt, daß der Grundsatz „Keine Ausgaben ohne Deckung", der von Fritz Schäffer, dem früheren Bundesfinanzminister,
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10752 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Klaus Roseder immerhin einer meiner Vorgänger im Wahlkreis Passau war, stammt, wieder so nachhaltig zur Geltung kommt, wie es damals war.In der letzten Woche wurde ein neuer Klub, der Fritz-Schäffer-Club, gegründet, und dabei wurde noch einmal zusammengestellt, welches die historischen Leistungen von Fritz Schäffer waren. Ich möchte es noch einmal erwähnen: Bei der Gründung der Bundesrepublik hatten die Steuer- und Abgabenlasten 43 % betragen; nach seiner Finanzpolitik betrug die Steuerlast nur noch knapp über 30 %. Trotz einer sehr schwierigen Aufbauphase konnte man mit einer gezielten Finanzpolitik gute Ergebnisse bringen.
Herr Abgeordneter Dr. Rose, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Natürlich.
Herr Dr. Rose, würden Sie dem Haus bestätigen, daß der Finanzminister Schäffer das große Glück hatte, keine Verteidigungsausgaben in seinem Haushalt etatisieren zu müssen, und daß er angespart hat, um die Bundeswehr zu finanzieren?
Ich bestätige das für die ersten Jahre seiner Zeit, nicht für die Zeit danach, denn das Geld wurde größtenteils für die Bundeswehr genommen. Er war noch Finanzminister, als die Bundeswehr schon bestand. Eines ist richtig, Kollege Wieczorek, der Juliusturm, der damals gemacht wurde, ist garantiert gut angelegt gewesen, aber er ist von gierigen Leuten leider viel zu schnell abgebaut worden. Das soll nicht wieder geschehen.
Wir müssen uns zu der ordnungspolitischen Grunddiskussion zurückbegeben. Auch wegen der öffentlichen Diskussion, die zur Verunsicherung der Märkte, der Wirtschaft und letztlich auch der Währung führt, dürfen wir es einfach nicht zulassen, daß immer nur noch vom Schröpfen der Besserverdienenden die Rede ist, daß immer, wenn irgend etwas zwickt, von Steuererhöhung die Rede ist.
Wir dürfen nicht zulassen, daß sonstige Rezepte aus der verstaubten sozialistischen Mottenkiste kommen. Die Stimmung im Lande sinkt damit noch tiefer, und die Union muß aufpassen, daß sie sich bei aller notwendigen Bereitschaft zu einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit in zentralen Fragen nicht in das Boot der SPD ziehen läßt.
Gerade der letzte Parteitag der SPD hat wieder bestätigt, wie wenig die SPD in der Wirtschafts- und Finanzpolitik dazugelernt hat.
Im Kern werden doch wieder nur riesige staatliche Ausgabenprogramme und Steuererhöhungen gefordert.
Aber diese Partei erfindet ja, wie Franz Josef Strauß in seiner letzten Abgeordnetenrede vor dem Deutschen Bundestag am 21. September 1978 zutreffend ausgeführt hat, immer wieder neue Maskeraden für ein und dieselben steinzeitsozialistischen Vorstellungen.
Jetzt ist ein Pakt der finanzpolitischen Vernunft gefordert, an dem alle öffentlichen Haushalte, die Sozialversicherungen, die Länder im Bundesrat, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber mitwirken. Dabei muß Sparsamkeit und darf nicht der Ruf nach sogenannten Einnahmeverbesserungen des Staates Vorrang haben.
Lassen Sie mich abschließend wiedergeben, was der englische Moralschriftsteller Samuel Smiles über den Wert der Sparsamkeit ausgeführt hat. Ich zitiere es, weil es für einen Haushälter so schön ist und weil so viele Kolleginnen und Kollegen anwesend sind:
Liegt schon in dem großen Bemühen, für einen würdigen Zweck zu sparen, Würde, so erzeugt Sparsamkeit auch ein wohlgeregeltes Gemüt. Sie gewährt der Klugheit einen Triumph über die Ausschweifung, gibt der Tugend allmählich die Herrschaft über das Laster und stellt die Leidenschaft unter Aufsicht.
Meine Damen und Herren, finanzpolitisch sollten wir diese Leidenschaft alle gemeinsam in Zukunft zähmen.
Als nächster spricht der Abgeordnete Rudi Walther.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
— Das Chaos haben wir ja schon, Frau Kollegin; darüber brauchen wir nicht mehr zu reden.Ich wollte nur kurz zu Klaus Rose sagen: Leidenschaften zügeln hat etwas mit dem Jahrgang zu tun; darum machen wir das unterschiedlich.Was die Berufung auf Franz Josef Strauß angeht, bin ich — das meine ich ernst — ganz sicher: Wenn Franz Josef Strauß heute noch lebte, würde er angesichts der Finanzpolitik seines Nachfolgers im Parteivorsitz
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10753
Rudi Walther
nicht nur sämtliche Hände, sondern auch die Füße über dem Kopf zusammenschlagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zunächst über unsere Arbeit im Haushaltsausschuß in den letzten drei Monaten berichten. Trotz dieses unter außerordentlichen Umständen zustande gekommenen Rumpfhaushalts war es eigentlich wie in all den Jahren zuvor. Der Ausschuß hatte den Haushaltsentwurf der Regierung zu beraten. Turbulente Sitzungen bis in die Nacht hinein, eine Fülle von Arbeit: alles, wie gehabt.Innerhalb eines kurzen Zeitraumes mußten nicht nur der Regierungsentwurf, sondern auch die zahlreichen Änderungsanträge der Koalition beraten werden. Kurzfristig mit Papierbergen zugeschüttet zu werden, darüber kam richtig Freude auf, und zwar so, daß auch die Antragsteller häufig nicht mehr wußten, wo sie nun eigentlich was beantragen wollten. In diesem Jahr war alles ein noch größerer Quell der Freude, da zusätzlich, zumindest von der Koalition, jeden Morgen Zeitungen, Frühstücksfernsehen, Rundfunk und die Tickermeldungen zu studieren waren, ob nicht in der vorangegangenen Nacht Mitglieder der Bundesregierung weitere Umschichtungs-, Aufstockungs- oder Kürzungsanträge angekündigt hatten.
Mein ganz besonderer Dank gilt deshalb allen Ausschußmitgliedern, voran den Obleuten Jochen Borchert, Wolfgang Weng und Helmut Wieczorek.
— Na, nun klatscht doch einmal! Seid ihr alle so müde heute morgen?
Sie hatten es aus unterschiedlichen Gründen nicht ganz leicht, ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Stange zu halten.Mein persönlicher Dank gilt übrigens überdies meinem Vorredner und Stellvertreter Klaus Rose, der mir bei dem großen Arbeitspensum sehr geholfen hat. Dieser Dank kommt nicht nur formal, sondern er ist wirklich persönlich gemeint, lieber Klaus Rose.
Ich habe dir im letzten Jahr bereits gesagt und will es heute gern wiederholen: Wenn du mein Amt— wenn die CSU ab 1994 in die Opposition geht — reibungslos übernimmst, dann hat das etwas damit zu tun, daß wir hier gut zusammengearbeitet haben.
— Ich sprach doch nur von der CSU, lieber Jochen Borchert; du warst doch gar nicht gemeint!
Mein Dank gilt aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ressorts, vor allem des Bundesfinanzministeriums. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschußsekretariats haben auch in diesem Jahr mit außergewöhnlichem Engagement in denWochen der Haushaltsberatungen mehr oder weniger rund um die Uhr die Ausschußarbeit vorbereitet.
Ich sage es mal so: Wir haben alle Regeln des öffentlichen Dienstrechts, dessen Reform ich ja seit Jahren vergeblich anmahne, und der Arbeitszeitordnung souverän mißachtet.Der Ablauf der diesjährigen Haushaltsberatungen sollte allen Abgeordneten hier im Saale hohen Respekt vor ihren Haushaltsausschußkollegen abnötigen. Es sind ja nicht viele mehr da.
— Ich sehe: Es ist eine ganze Menge mehr. Darum sage ich es noch einmal: Das sollte allen Abgeordneten hier im Saal Respekt vor ihren Haushaltsausschußkollegen abnötigen.Das Tollhaus, das sich weniger im Ausschuß, sondern mehr um ihn herum abgespielt hat, war eine ganz besondere Vorstellung. Insgesamt — das sage ich mehr für unsere Seite — waren diese Beratungen für die Opposition eine Zumutung. Das unerträgliche Bild, das die Bundesregierung durch ihre ständig neuen Vorschläge in der Öffentlichkeit gezeichnet hat, hinterließ seine Wirkung natürlich auch und gerade bei der Ausschußarbeit.Deshalb bitte ich um Verständnis, daß ich meinen Fraktionskollegen hohen Respekt zolle, weil sie gleichwohl trotz dieser Umstände mit viel Sachkunde und Ernst bei der Sache waren. Wie soll vernünftige, gewissenhafte und konstruktive Arbeit geleistet werden, wenn gelegentlich noch nicht einmal den Regierungsfraktionen klar war, worüber im Ausschuß eigentlich beraten wurde?
Leider genügen jedoch weder Ironie noch Sarkasmus, um das zu beschreiben, was uns die Bundesregierung zugemutet hat. Ich verwahre mich noch einmal mit aller Entschiedenheit gegen Vorwürfe, die den Antrag meiner Fraktion auf Absetzung der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts zu Beginn der Woche als Show bezeichnen. Insbesondere die Mitglieder des Haushaltsausschusses wissen genau: Das, was heute zur Abstimmung steht, ist nur ein Rumpfhaushalt.
Wenngleich bei den Beratungen des sogenannten Haushalts 1993 weder Struktur noch grobe Linien erkennbar waren, so sei doch festgehalten, daß sich die Koalitionskollegen große Mühe gegeben haben, die Ausgabensteigerung auf 2,5 % zu begrenzen. Daß dennoch eine deutlich erhöhte Nettokreditaufnahme nötig war, kann man fast nur noch resignierend feststellen. Daß die 2,5 %-Grenze nur durch gelegentlich aktionistisches Umschichten, Streichen und Erhöhen von Ansätzen an anderer Stelle eingehalten werden konnte, will ich nur am Rande vermerken. Aber ich gebe auch zu, es war in der Situation, in der Sie gestanden haben, unvermeidbar. — Damit es
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Rudi Walther
völlig klar ist: Ich sage das in diese Richtung, nicht in jene.Eigentlich könnte ich mir meine eigenen Anmerkungen ganz ersparen;
ich bräuchte nur aus Presseberichten der letzten Wochen und Tage zu zitieren.Der öffentliche Verriß der Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung in allen Medien — gleich, welcher Couleur — ist bis heute einhellig geblieben. Das auch für Sie von der Koalition sicher unverdächtige „Handelsblatt" hat den Abschluß der Beratungen des Haushalts 1993 in wahrscheinlich ungewollter Komik so kommentiert: „Koalition spricht von solider Haushaltspolitik."Ja, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie sprechen von solider Haushaltspolitik, aber ernsthaft kann man nicht so reden. Weder im Osten noch im Westen Deutschlands wird Ihnen dies attestiert.Es wäre aber sicher zu kurz gedacht, würde sich die Kritik auf den Finanzminister beschränken. Unsere Kritik gilt primär demjenigen, nach dessen Richtlinien auch der Bundesfinanzminister seine Politik zu gestalten hat.Ich will wiederholen: Die Verdienste des Bundeskanzlers und seines damaligen Außenministers um das Zustandekommen der deutschen Einheit sind unbestritten. Aber alles, was danach kam, wäre mit der Bezeichnung „Trauerspiel" nur unzulänglich umschrieben.
Machtbesessenheit und Machtvergessenheit, diese Begriffe, vom Bundespräsidenten in die Debatte eingeführt, waren offensichtich vor allem auf die Bundesregierung gemünzt.
— Karl Stockhausen war damit nicht gemeint; das will ich gern zugeben.Hätte ein ganz normaler Geschäftsmann sich bei seinen Aktivitäten so grandios verschätzt wie die Bundesregierung beim Prozeß der deutschen Einheit, säße er wegen Konkursvergehens schon lange hinter schwedischen Gardinen.
Der Mann, der so oft vom Mantel der Geschichte spricht, hat beim Angehen der Wiedervereinigung einen aus meiner Sicht historischen Fehler gemacht. Er hat die damit verbundenen Lasten, die auf die Bundesbürger zukommen, heruntergespielt, ja sogar geleugnet. Sicher, viele haben sich über das angeblich vorhandene Volksvermögen der DDR getäuscht.Im übrigen — ich füge das in Klammern hinzu — frage ich mich manchmal, wer eigentlich was mit wem besprochen hat, als es die alte DDR noch gab und wer dann z. B. die Berichte des Bundesnachrichtendienstes im Bundeskanzleramt gelesen hat.
Ob die alle in dem Panzerschrank des Herrn Jung, des Schulfreundes des Bundeskanzlers, gelandet sind? Ich frage mich das, nachdem wir alle oder einige oder viele von uns überrascht tun, daß wir die Berichte über ein angeblich großes Volksvermögen von 1 000 Milliarden DM geglaubt haben.Auch das totale Wegbrechen der Ostmärkte war in seinem ganzen Ausmaß nicht abzusehen.
Dennoch: Jedem Bürger in Deutschland war bewußt, daß der Aufbau dieses Teils unsers Landes und die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse ungeheuer viel Geld kosten würden. Auch heute ist noch nicht zu verstehen, warum der Bundeskanzler damals und bis jetzt nicht den Mut aufgebracht hat, unangenehme Wahrheiten zu sagen.
Im Gegenteil: Oskar Lafontaine ist in übler Weise bei seiner Beschreibung der Situation beschimpft und als Gegner einer Wiedervereinigung verunglimpft worden.Vieles wäre einfacher und auch klimatisch besser geworden, wenn die Bevölkerung in Ost und West z. B. darauf vorbereitet worden wäre, daß Deutschland im Zuge der deutschen Einheit Opfer von allen in West und Ost erfordert. Psychologisch wirkt der fatale Satz, wonach es nach der Einheit keinem schlechter gehen werde, gerade in den neuen Ländern immer noch nach. Viele haben den Zusicherungen geglaubt, mit der Einführung der D-Mark werde sich im Osten alles von selbst entwickeln.Den ersten schweren Vorwurf der Steuerlüge hat sich der Bundeskanzler selber eingebrockt; er ist keine Erfindung von Sozialdemokraten.Nun — um auf den hier zu beratenden Haushalt zurückzukommen — findet eine weitere Täuschung statt. Den Bürgern wird vorgemacht, wir würden hier seit Wochen über den endgültigen Haushalt 1993 debattieren. Dabei weiß doch jeder, daß über die Belastungen, die den einzelnen Bürger tatsächlich treffen werden, noch gar keine Entscheidung gefallen ist.Lassen Sie mich den Bogen etwas weiter spannen. Wir alle beklagen die Staatsverdrossenheit der Bürger, die Verdrossenheit gegenüber den Parteien. Wir stellen auch eine immer geringer werdende Wahlbeteiligung fest — ein aus meiner Sicht ganz schlimmer Aspekt. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht das, was uns die Bundesregierung immer wieder zumutet, ganz erheblich zu dieser Staatsverdrossenheit beiträgt. Lesen Sie die Pressemeldungen der letzten Wochen im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen, oder sprechen Sie mit den Bürgern in Ihrem Wahlkreis! Sie werden von allen Seiten hören, daß die von der Bundesregierung vertretene Politik nicht ernst genommen wird. Dabei räume ich ein — ich freue
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Rudi Walther
mich, daß mein Fraktionsvorsitzender diesen Satz jetzt hören kann —,
daß auch wir Sozialdemokraten unsere Entscheidungen gelegentlich in einer Art und Weise fällen, die manchen Bürgern nur sehr schwer nahegebracht werden kann.
Aber im Vergleich zu Ihnen, meine Damen und Herren, sind wir immer noch Mustermädchen und Musterknaben.
Nehmen Sie nur die vom Bundeskanzler für 1995 angekündigten Steuererhöhungen. Theodor Waigel hat dazu in seiner unnachahmlichen Art gesagt — vielleicht sagt er es heute nicht mehr —, Steuererhöhungen seien nur von dem Vorsitzenden einer Partei angekündigt worden, der er nicht angehöre. Aber wer glaubt denn wirklich diese Ankündigung, daß die Steuern erst 1995 erhöht werden? Gerade jetzt wäre es aber dringend erforderlich, der Wirtschaft feste und kalkulierbare Rahmenbedingungen zu verschaffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bürger müssen den Aussagen der Politiker wieder vertrauen können.
Weil Klaus Rose in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, möchte ich Ihnen nun gern drei Zitate vortragen. Ich schicke voraus, daß alle drei Zitierten keine Sozialdemokraten sind und alle noch leben.Erstens:Vor allem ist mittelfristig — das ist das Problem — eine echte Herabführung der Neuverschuldung nicht in Sicht. Das ist der tiefste Grund — wir wissen alle, daß in einem Jahr nicht mehr viel bewegt werden kann —, warum die Staatsverschuldung inzwischen zur Hauptursache für das tief begründete Mißtrauen in unserem Volk geworden ist. Sie glauben nicht mehr, daß die Regierung mit der Staatsverschuldung fertig wird.Zweitens:Wie wird wohl einem Finanzminister zumute sein, der einen Haushalt einbringt, von dem er genau weiß, daß er vorne und hinten nicht stimmt und dem er auch noch bescheinigt, daß er der Wahrheit und Klarheit entspricht? Ich nehme an, daß er sich als der Verantwortliche für die Finanzen der Bundesrepublik Deutschland nicht wohl fühlen wird. Der Haushaltsentwurf ist jedenfalls nicht wahr und nicht klar und auch nicht stocksolide, wohl aber ist das deutsche Volk auf die Politik dieser Bundesregierung stocksauer.Drittens:Noch schlimmer als die ausgeräumten Staatskas-sen, die astronomische Staatsverschuldung unddie Massenarbeitslosigkeit mit ihrer steigendenTendenz, die der Bundeskanzler persönlich verantworten muß, ist der allgemeine Vertrauensverlust, den er bewirkt. Vertrauen ist in einer freien Gesellschaft die wichtigste Grundlage der Staatsautorität. Vertrauensverlust führt in einer freien Gesellschaft zu Stagnationen, zu Kaufzurückhaltung und zu Kapitalflucht. Ohne Vertrauen in die Beständigkeit der staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt es keine Investitionen und keinen Aufschwung. Eine Regierung, die Vertrauen in dem Maße eingebüßt hat wie die jetzige, kann es nicht mehr zurückgewinnen. Sie kann dem Land nur noch einen Dienst erweisen: zurücktreten, aber bald!
— Ich sage es gleich. Das waren drei Zitate. Das erste Zitat stammt von Hans-Jörg Häfele, vermutlich aufgeschrieben von seinem damaligen persönlichen Referenten Heinz Günter Zavelberg, der heute morgen schon in einem anderen Zusammenhang erwähnt worden ist. Das zweite stammt von Manfred Carstens. Das dritte stammt von Alfred Dregger; alle aus dem Jahre 1982. Aber, meine Damen und Herren, heute treffen sie zu auf das, worüber wir heute reden, über die riesigen Schuldenberge, über die riesigen Zinsbelastungen. Dagegen war das, worüber wir 1982 geredet haben, eine relativ geringfügige, lässige Sünde.
— Liebe Frau Albowitz, in den zehn Jahren, in denen Sie mit der CDU/CSU an der Regierung sind, haben Sie mehr Schulden gemacht als alle Bundesregierungen zuvor, obwohl diese Bundesregierung 100 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen einkassiert hat und die Vorgängerregierung nur 10 Milliarden DM.
Wenn Sie diese 90 Milliarden DM Bundesbankgewinne nicht gehabt hätten, hätten Sie noch zusätzlich fast 100 Milliarden DM neue Schulden gehabt. Sie hatten das Glück der hohen Bundesbankgewinne. Sie sollen Ihre eigene Vergangenheit nicht verleugnen, Frau Kollegin Albowitz.
Herr Abgeordneter Walther, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Weng?
Herr Kollege Walther, stimmen Sie mir zu, daß es christlicher wäre, anderen Sünden zu vergeben als sich selbst?
Ich habe nichts dagegen, Herr Kollege Weng, Ihnen Ihre Sünden zu vergeben. Das ist gar keine Frage. Was mich ärgert, ist, daß Sie so tun, als hätten Sie nie Sünden begangen.
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10756 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Rudi Walther
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zum Rumpfhaushalt 1993 machen. Die Steigerungsrate von 2,5 %, die die Koalition wie eine Ikone vor sich herträgt, wäre in der Tat recht passabel, wenn es bei einer Nettoneuverschuldung von 38 Milliarden DM geblieben wäre. Keiner kann ernsthaft behaupten, daß hier eine Konsolidierung der Staatsfinanzen auf den Weg gebracht worden sei. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen kann doch nur bedeuten, daß auch die Überschuldung angegangen wird. Die Zeit drängt. Die Bundesregierung muß hier endlich schlüssige Konzepte entwikkeln.Nun wird der Bundesfinanzminister heute, wie ich ihn kenne, zu unserer großen Erheiterung wieder mit Fröhlichkeit über all die Probleme hinweggehen. Aber vielleicht hat er sich aufgeschrieben, wie er sich in Zukunft — zumindest ansatzweise — die Lösung der Finanzprobleme vorstellt. Wir würden dann zum erstenmal nach Ihrer Rede etwas schlauer sein, Herr Kollege Waigel.
In diesem Zusammenhang ist in diesen Tagen immer wieder der Begriff der Erblast gefallen. Dieser Begriff muß relativiert werden. Die Höhe der Schulden, die Theo Waigel lange geleugnet hat, liegt nach wie vor im Schattenhaushalt. Erst hat er gesagt, er kenne sie gar nicht. Ich habe ihm das hier immer vorgehalten. Dann hat er gesagt, er habe schon einmal etwas davon gehört. Dann hat er gesagt, das sei zwar ein Problem, es sei aber nicht so dringend, es komme erst 1995. Erst in diesem Jahr räumt er zum erstenmal ein, daß es diese Schattenhaushalte gibt. So lang war der Weg, Herr Bundesfinanzminister, von der Unwissenheit bis zur Wahrheit.
Die Höhe der Schulden, die nach wie vor in Schattenhaushalten schlummern, ist darauf zurückzuführen, daß ihm, dem Finanzminister, schwere handwerkliche Fehler unterlaufen sind; das ist überhaupt keine Frage.Wer wissen will, was ich meine, sollte einmal nachlesen, wie die Währungsreform 1948 in den Westländern gehandhabt worden ist. Ich deute dies nur an, weil heute morgen für eine vertiefende Fachdebatte die Zeit fehlt. Aber wer sich darüber informieren möchte, was ich meine, sollte nachlesen, wie in den Westländern 1948 die Währungsreform gehandhabt worden ist . Da hatten wir keine Erblast, obwohl auch damals ein großer Geldumtausch stattfand. — Du weißt doch genau, daß der Kreditabwicklungsfonds etwa mit der Währungsreform in der ehemaligen DDR am 1. Juli 1990 zu tun hat. — Was darin stand, hat Theo Waigel unterschrieben.
— Darüber können wir reden. — Ich sage nur, wer von Erblast redet, sollte nicht so tun, als bestünden alle Probleme, über die wir reden, auf Grund der Erblast der ehemaligen DDR. Die Zinsen für die Kredite, die Sie in der Zwischenzeit zur Begleichung der damaligen Schulden aufgenommen haben, sind keine Erblasten der ehemaligen DDR. Dies sind zumindest teilweise Schulden, die Theo Waigel und seine Regierung gemacht haben.
— Lieber Kurt Rossmanith, Du bist doch ein intelligenter Junge. Stell doch nicht so falsche Behauptungen auf!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es hier zweifellos mit komplizierten Vorgängen zu tun, zu kompliziert, um die Einzelheiten hier auszubreiten. Ich möchte daher darauf verzichten, z. B. das Zusammenwirken zwischen dem Kreditabwicklungsfonds und den ehemaligen DDR-Banken aufzuzeigen. Das ist eine spannende Geschichte. Der Finanzminister hat es unterlassen, eine überschaubare Konstruktion zur Bewältigung der Schulden der ehemaligen DDR mit der Treuhandanstalt und z. B. der Wohnungswirtschaft zu organisieren. Hier blicken nur noch wenige durch, offensichtlich noch nicht einmal alle Mitglieder der Bundesregierung. Wenn ich mir die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanzministerium, dem Wirtschaftsministerium und dem Wohnungsbauministerium zu Gemüte führe, die hier in der letzten Wochen öffentlich ausgetragen worden sind, stelle ich fest, daß auch hier nicht alle Mitglieder der Bundesregierung durchblicken.Ich schließe auch nicht aus, daß in Grauzonen krumme Geschäfte gelaufen sein könnten. Sollte sich herausstellen, daß nur die Banken verdient haben und dies zu lasten des Bundes gegangen sein sollte, werden die Sozialdemokraten alle parlamentarischen Hebel in Bewegung setzen, um diese Sachverhalte aufzuklären. Ich sage das hier mit allem Ernst. Ich weiß, wovon ich rede. Es gibt viele, die mir in dem Zusammenhang recht geben.Zum Hauptmangel dieses Rumpfhaushalts: In seiner Einbringungsrede und auch am Dienstag wieder hat der Bundesfinanzminister stolz davon gesprochen, daß mit dem Haushalt 1993 mit rund 92 Milliarden DM der größte Beitrag zum Finanztransfer für die jungen Bundesländer geleistet werde. Herr Finanzminister, wieso eigentlich „jung"? Ist Bayern so viel älter als Sachsen oder Thüringen oder Brandenburg? Das sind alles alte Länder. Wieso sind die in Ihrer Diktion auf einmal jung? „Neu", das akzeptiere ich, aber wieso die jung sein sollen, das ist mir völlig schleierhaft.
— Außer dem Kollegen Waigel nennt sie niemand so.Er hat stolz verkündet, daß es ein solches solidarisches Werk innerhalb eines Volkes, einen solchen Lastenausgleich in der Geschichte der Völker noch nicht gegeben habe. Diese gewaltige Sprache verschleiert jedoch manche Tatsache. Es wird der Eindruck suggeriert, als ob sich hinter diesen scheinbar
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Rudi Walther
hohen Bundesleistungen Mittel verbergen würden, die zusätzlich den neuen Ländern zur Verfügung stünden. Tatsache ist aber, daß mit diesen 92 Milliarden DM knapp 20 % der gesamten Bundesausgaben in die neuen Lander fließen, aber dort leben schließlich 20 % der Bundesbevölkerung. Mit dem gleichen Recht könnte auch behauptet werden, es würden rund 340 Milliarden DM in die alten Bundesländer transferiert. Die eigentlichen Transferleistungen werden durch die Arbeiter und Angestellten mit ihren Beiträgen zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung, also nicht durch den Bundeshaushalt erbracht.
Die, die nicht zu solchen Beiträgen herangezogen werden, also Selbständige, Beamte, Regierungsmitglieder und Abgeordnete, werden an den Kosten der Transferleistungen nicht beteiligt. Das kann und darf so nicht bleiben.
Sieht man sich den Bundeshaushalt genauer an, so zeigt sich, daß die investiven Ausgaben des Bundes für den Osten in den nächsten Jahren zurückgehen werden. Der Bundesfinanzminister hat als die Ausgaben des Bundes für die neuen Länder Zahlungen und Leistungen einfach zusammengerechnet, die auf Grund ganz normaler gesetzlicher Verpflichtungen in allen Bundesländern gleichmäßig zu leisten sind. Wieso gelten eigentlich Erziehungsgeld, Kindergeld, BAföG und Leistungen im Rahmen des Straßen- und des sozialen Wohnungsbaus als zusätzliche Leistungen für die neuen Länder? Können Sie mir das erklären? — Das kann kein Mensch erklären. Das ist wirklich Täuschung. Wenn man ganz großzügig ist, kann man von maximal 30 Milliarden DM echten Transferleistungen in diesem Haushalt sprechen, aber von keinem Pfennig mehr.
Die Struktur des Haushalts ist in keiner Weise so verändert worden, daß wirklich ein Umpolen von West- nach Ostdeutschland möglich ist. Wenn Sie in dem von Ihnen schon angekündigten Nachtragshaushalt, Herr Kollege Waigel, dies erheblich korrigieren, dann werden wir Sie dabei unterstützen. Da können Sie ganz sicher sein.Ich möchte mich noch gern an den Kollegen Rühe wenden.
Erstens. Ich mahne noch einmal eine ordentliche Bundeswehrplanung an. Sie haben sie angekündigt. Ich will dem nicht vorgreifen. Ich hoffe, sie wird besser als all die Ihrer Vorgänger. Die waren alle Makulatur, wie wir wissen.Zweitens. Lassen Sie den Finger vom Jager 90.
Verkaufen Sie uns nicht ein angeblich 90 Millionen DM pro Stück schweres Flugzeug als einen neuen Jäger 90.
Ich habe mir die Vier-Nationen-Studie angeguckt, die Sie in Auftrag gegeben haben. In dieser Studie kommen die 90 Millionen DM an keiner Stelle vor.
— Ja, ohne Mehrwertsteuer. Passen Sie schön auf. Da sollen Sie wieder über den Tisch gezogen werden. Kollege Rühe, denken Sie daran, hier steht Ihre eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bereits Anfang dieser Woche hatte ich darauf hingewiesen, daß die politische Funktion des Haushalts, über das parlamentarische Budgetrecht lenkend und kontrollierend auf die Politik der Bundesregierung Einfluß nehmen zu können, mißachtet wird, wenn der Bundestag heute gezwungen wird, über einen nur unvollständigen Rumpfhaushalt zu beschließen.Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle ausgeführt, daß Abkehr von Verschuldenspolitik heißt, in erster Linie zu sparen. Diese triviale Erkenntnis hat nichts an Richtigkeit verloren. Aber hinzu kommen muß auch noch die genauso triviale Erkenntnis, daß Sparen im Kleinen anfängt, meine Damen und Herren.
Auch von daher bedaure ich, daß mein Vorschlag, die Leitungsebene der Ministerien, insbesondere die Zahl der Parlamentarischen und beamteten Staatssekretäre drastisch zu verringern, als eine populistische Forderung abgetan wurde.
Würde man den Grundsatz, daß überall gespart werden muß, konsequent durchhalten, nicht aber, wie Sie es getan haben, alles oben drauftun, wäre es um die Finanzen unseres Landes besser bestellt.Übrigens: Wenn 13 % der Mitglieder der Regierungsfraktionen gleichzeitig Mitglied der Bundesregierung sind und weitere 25 % darauf warten, daß sie beim nächsten Mal berücksichtigt werden, dann frage ich mich, wie es wirklich um die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung bestellt ist.
Dies frage ich mich, wenn jeder hofft, durch Wohlverhalten beim nächsten Mal dranzukommen.
— Ich habe kein Wort verstanden, Herr Kollege.
— Nein. Wenn Sie sich hier so ausdrücken, daß man hier kein Wort versteht, dann ist das nicht mein Problem.
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Rudi Walther
Zum Schluß ein persönliches Wort als alter Haushälter an Theodor Waigel. Sie, Theodor Waigel, sollten sich nach meiner Überzeugung folgendes sagen: „Ich, Theodor Waigel, habe mit den Gaben und Befähigungen, die mir der liebe Gott mitgegeben hat, das Bestmögliche gemacht und mich über alle Maßen angestrengt, und ich brauche mich dessen auch nicht zu schämen. Aber es hat trotzdem nicht gereicht, um den einmaligen, riesigen Herausforderungen des deutschen Einigungsprozesses gerecht zu werden. Ich werde deshalb den Bundeskanzler um meine Entlassung bitten und hoffen, er werde jemanden finden, der es besser kann als ich."
Meine Damen und Herren, würde ich parteipolitisch denken, müßte ich Theodor Waigel bitten, das genaue Gegenteil von dem zu machen, was ich ihm soeben geraten habe. Aber das Wohl des Vaterlandes ist gewiß wichtiger als jedweder parteipolitische Vorteil.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden Ihren Rumpfhaushalt heute ablehnen und stellen Ihnen unseren Entschließungsantrag als Alternative einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung entgegen.Eines ist schon heute sicher: Wir werden uns schon bald wiedersehen, wenn wir über den richtigen Haushalt 1993 beraten und beschließen. Der Bundeskanzler hat auf dem CDU-Parteitag von der Stunde der Wahrheit gesprochen. Bis jetzt war das aber leider nur eine halbe Stunde, meine Damen und Herren. Die ganze Stunde, also die ganze Wahrheit, wird noch auf den Tisch kommen. Hoffen wir, daß Regierung und Koalition die noch verbleibende halbe Stunde sinnvoll nutzen. Glauben kann ich es zwar nicht, aber hoffen, meine Damen und Herren, wird man noch dürfen.Vielen Dank.
Es spricht jetzt der Abgeordnete Dr. Wolfgang Weng.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch eine Vielzahl anderer politischer Probleme kann der Deutsche Bundestag zum Abschluß der Haushaltswoche nicht ganztägig in dritter Lesung über den Etat 1993 beraten. Er hat sein parlamentarisches Recht trotzdem in dieser Woche nachhaltig wahrgenommen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Regierungsspitze, vor allem Bundeskanzler und Bundesfinanzminister, in außergewöhnlicher Form in die Debatte eingegriffen haben.Vor der abschließenden Entscheidung steht der Dank der F.D.P.-Fraktion und ihrer Abgeordneten im Haushaltsausschuß an die Ausschußmitarbeiter ebenso wie an die Beamten der Ministerien, vor allem an diejenigen des Finanzministeriums, die unsere Arbeit unterstützt haben.
— Herr Kollege Jungmann, diesen Teil der Debatte werden wir an anderer Stelle führen. Das haben wir in dieser Woche besprochen.Des weiteren danken wir den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen für die im wesentlichen konstruktive Zusammenarbeit. Daß es bei angespannten Nerven auch einmal zu Überreaktionen kommt, ist nicht zu verhindern. Bei grundsätzlich kollegialer Einstellung sind die Probleme schnell wieder vom Tisch.Mein besonderer Dank gilt natürlich dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Rudi Walther. Seine verschiedenen Portraits in Tageszeitungen dieser Woche, vor allem in der „Süddeutschen Zeitung", zeigen ja den guten Griff, den die SPD-Fraktion mit dieser Besetzung gemacht hat.
Wir beschließen heute den Bundeshaushalt für 1993, der der geänderten Finanzsituation ebenso Rechnung trägt wie den veränderten Wirtschaftsdaten. Der geplante Ausgabenumfang von 435 Milliarden DM soll auch durch die weiteren Pläne, die für Anfang nächsten Jahres angekündigt sind, nicht verändert werden.Mit der Etatsteigerung von nur 2,5 % gegenüber dem Ansatz 1992 ist der Bundesfinanzminister im Wort. Die F.D.P.-Fraktion wird ihn nach besten Kräften unterstützen.
— Durch Masse haben wir uns nie ausgezeichnet, meine Damen und Herren.Wir wissen, daß praktisch umgehend nach unseren Beratungen in dieser Woche die Gespräche über den sogenannten Solidarpakt beginnen werden und daß in der ersten Hälfte des kommenden Jahres in Grundzügen die gesamten Strukturen der zukünftigen Verteilung der öffentlichen Finanzen geregelt werden müssen. Wir wissen, daß wir noch mehr für die neuen Bundesländer werden tun müssen. Eine ganze Reihe einzelner Überlegungen sind ja schon öffentlich bekannt geworden. Aber wir wissen auch, daß die zur Finanzierung im Osten zusätzlich erforderlichen Einsparungen allen Bürgern in unserem Land Opfer auferlegen, daß sie alle Bürger in unserem Land einschränken werden.Die vergangene Woche hat zwar wie bei allen Haushaltsberatungen der letzten Jahre den Mangel an tatsächlichen Alternativen der Opposition erneut deutlich gemacht, aber es ist doch in leiseren Tönen debattiert worden. Wo Gemeinsamkeiten noch nicht deutlich geworden sind, klang doch häufig die Bereitschaft durch, solche Gemeinsamkeiten zu suchen. Die objektiven Schwierigkeiten sind die Schwierigkeiten
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Dr. Wolfgang Weng
aller politisch Verantwortlichen. Schuldzuweisungen mögen für Wahlkämpfe wieder nützlich sein. Im Moment, jetzt, wo Problemlösungen gefordert sind, nützen sie nichts.Gerade wegen der bekannten Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Bundestag — hier die Koalition der Mitte, dort SPD-geführte Regierungen unterschiedlicher Zusammensetzung — ist die SPD zwangsläufig mit im Boot, mit in der Verantwortung. Ohne sie sind eine Reihe von Entscheidungen nicht zu erreichen. Es ist deshalb erfreulich, daß sich die Vorabfestlegungen der Sozialdemokraten in dieser Woche in engen Grenzen gehalten haben. Sie wissen natürlich auch, Herr Kollege Walther, daß Bürger und Wähler in der Vergangenheit Blockadepolitik nicht honoriert haben.Auch wenn man sich das Verhandlungspaket für den Solidarpakt im großen Rahmen vorstellen und eigentlich auch schon Ergebnisse prognostizieren könnte, will ich mir Prophezeiungen ersparen. Alle Beteiligten aus Politik und Wirtschaft werden handlungsbereit sein müssen, denn Untätigkeit könnte schnell in eine wirklich schwierige Lage führen.Der Präsident des Bundesrechnungshofs ist zwar falsch zitiert worden, daß er einen Staatsbankrott voraussage — er hatte sich auch recht leichtfertig in diese Gefahr begeben —, aber der von ihm dargestellte Ernst der Lage unserer Staatsfinanzen muß auch uns besorgt machen. Ständig wachsende Zinslasten engen unsere Spielräume ein, und die Forderungen an den Staat werden leider ständig mehr statt weniger. Ich will nochmals darauf hinweisen, daß in dieser Situation die Chance, ja, sogar die Notwendigkeit besteht, den Staat auf den Kern seines Handelns zurückzuführen.
Hierbei sind natürlich vor allem die beiden großen Parteien gefordert, die in Ländern und Gemeinden die Mehrheiten der Parlamente ganz wesentlich bestimmen, und wo wir können, unterstützen wir.Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen in großem Umfang bietet auch für den Bürger die Chance der Beteiligung, z. B. an Einrichtungen der Ver- und Entsorgung, sie bietet zusätzlich die Chance effektiverer und damit preiswerterer Leistungen für den Bürger.
Es hat wenig Sinn, uns aus schwieriger Lage in eine totale Krise reden zu wollen. Schauen wir uns einmal die Situation in anderen, auch vergleichbaren Ländern in Europa an, dann wird uns wieder bewußt, daß wir nicht gerade am Hungertuch nagen. Wehklagen auf hohem Niveau ist zwar eine beliebte deutsche Sportart, aber wir sollten sie nicht übertreiben. Allein 360 Milliarden DM geschätzte Steuereinnahmen für den Bund im Jahr 1993 sind ein Zeichen außerordentlicher Finanzkraft, und nach rund zehn Jahren ständigen Wirtschaftswachstums kann nicht einleuchten, daß ein kurzfristiger Stillstand eine Weltuntergangsstimmung hervorrufen müßte.Nicht nur die Kräfte der Weltwirtschaft, auch der größer gewordene deutsche Binnenmarkt und der ab Januar in Kraft gesetzte europäische Binnenmarkt beinhalten Wachstumschancen, die unsere Wirtschaft mit gut ausgebildeten und fleißigen Arbeitnehmern einerseits, mit kreativen und optimistischen Unternehmern andererseits nutzen werden.
Ich würde mir wünschen, daß sich die außenpolitische Situation in Europa beruhigt, daß in unserer Nachbarschaft — der sehnlichste Wunsch der Menschen — wieder Frieden einkehrt und der Frieden auch bei uns erhalten bleibt. Ich hoffe sehr, daß in den östlichen Nachbarländern selbsttragende Aufschwungskräfte greifen und sich dadurch auch unsere Möglichkeiten verbessern. Ich wünsche mit sehr eine Entwicklung in unserem Land, die die üblen Auswüchse am rechten Rand des Spektrums zum Erliegen kommen läßt,
in gleicher Weise, wie es nach 1970 am linken Rand des Spektrums geschah. Ich wünsche mir eine Entwicklung, die die verblendeten Gewalttäter und ihr Umfeld schnellstens wieder verschwinden läßt.
Denn trotz aller Schwierigkeiten für unser Land und seine Bürger gibt es begründete Hoffnung in die Zukunft, und die sollten sich unsere Bürger nicht durch einige wenige Chaoten, so schlimm diese sein mögen, zerstören lassen; dafür ist unser Land zu wichtig.Im Zusammenhang mit den politischen Willenserklärungen der abgelaufenen Haushaltswoche ist deutlich geworden, daß die handelnde Politik, daß die Koalition hier im Deutschen Bundestag, daß ganz wesentlich aber auch die Opposition die Probleme erkannt haben. Ihre Lösung wird von uns mit aller verfügbaren Kraft in Angriff genommen. Der Haushalt für das Jahr 1993, dem die F.D.P.-Fraktion auch in dritter Lesung zustimmt, ist ein klarer Beleg für finanzpolitische Kontinuität und notwendige Zukunftsgestaltung.Vielen Dank.
Als nächster ergreift das Wort Herr Dr. Dietmar Keller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir in dieser Woche in diesem Hohen Hause erlebt haben, erinnert manchmal etwas an absurdes Theater. Die Koalition wollte brillieren, konnte aber nicht — mit dem, was sie vorgelegt hat, ist das klar —; die SPD-Opposition könnte eigentlich auf Konfrontationskurs gehen, wollte aber nicht; der Finanzminister hielt eine Rede, die über weite Teile der begonnenen Fastnachtszeit im Rheinland entsprach;
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10760 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Dietmar Kellerder Kanzler reagierte sich aus Verzweiflung darüber, daß ihm die Opposition nicht genügend Material lieferte, an der PDS ab und sprach ihr wieder einmal Demokratiefähigkeit ab; große Teile der Koalitionsmehrheit klatschten da begeistert Beifall, insbesondere die, die bei der Eröffnung des neuen Hauses bei der Rede von Herrn Professor Herzog, als er über Toleranz und Politikfähigkeit des Parlaments sprach, ebenfalls geklatscht hatten.Ich denke mir, wir sind als Parlament in dieser Woche unserer Aufgabe eigentlich nicht gerecht geworden.
Uns unterscheidet, daß wir Selbstkritik gelernt haben.
Aber Ihre Arroganz und Ihre fehlende Fähigkeit, sich selbst einzuschätzen, bereitet den Boden dafür vor, daß Sie sich schon jetzt Gedanken machen müssen, was Sie ab 1995 machen. Wenn Sie dieses Land so weiter regieren, werden Sie eine wunderbare Rechnung der Wähler dieses Landes bekommen.
Wenn man das Fazit dieser Woche zieht, dann muß man sagen: Die Mehrheit des Bundestages wird ein Gesetz beschließen, während hinter den Türen schon an den Fundamenten des Gesetzes gesägt wird, und manche machen sich schon Gedanken, warm denn in der nächsten Woche über Änderungen des Gesetzes über den Bundeshaushalt 1993 hier im Parlament diskutiert werden soll.Der Kanzler sagte den schönen Satz: Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. — Leider sprach er aber nicht über die 5 Millionen, die direkt von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, über die 4 Millionen Sozialhilfeempfänger, über die 4,4 Millionen Rentner in der Bundesrepublik, die eine Rente unter 600 DM bekommen, und er sprach auch nicht über all die, die unterhalb der Armutsgrenze leben.Dankenswerterweise hat sich in dieser Woche die Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" dieser Frage gewidmet. Ich halte das für eine sehr interessante Lektüre für unsere Haushaltsdebatte: Einkommensarmut in der Bundesrepublik Deutschland, Armut und Wohnungsnot in der Bundesrepublik Deutschland, Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland usw. Ich hoffe, daß diese Bürger, von denen hier sehr wenig gesprochen worden ist, auch weiterhin Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sein können und sein werden.Natürlich — und das ist verständlich — haben der Kanzler und der Finanzminister wieder das Lied von der Erblast-Diskussion angestimmt. Es ist anzumerken, daß derselbe Finanzminister mehrfach erklärt hat, im Finanzplan sei für die mittelfristigen finanzpolitischen Aufgaben, die infolge der Einheit und des Einigungsvertrages noch zu bewältigen seien, Vorsorge getroffen worden. Jetzt soll das alles nicht mehr gelten, weil angeblich Schulden in Höhe von 400 Milliarden DM zu bedienen sind.Der geringste Teil der jetzt von Herrn Waigel aus dem Hut gezogenen Rechnung über diese 400 Milliarden DM kann als DDR-Altlast bezeichnet werden. Sie wissen das, meine Damen und Herren. Die Inlandsverschuldung der DDR, die Teil des Kreditabwicklungsfonds geworden ist, betrug am 3. Oktober 1990 rund 28 Milliarden DM. Diese Zahl, die jüngst vom nordrhein-westfälischen Finanzminister Schleus-ser noch einmal bestätigt wurde, ist keine Erfindung von uns. Ich kann den Kolleginnen und Kollegen des Hauses auch nur empfehlen, einen Blick in die Ausschußdrucksache 26 des Unterausschusses Treuhand vom 10. Mai 1991 zu werfen und dort die Zahlen zur Kenntnis zu nehmen, die der Bundesfinanzminister aufgelistet hat. Auslandsschulden von 55,6 Milliarden DM standen Forderungen in Höhe von 36,3 Milliarden DM gegenüber. Die Nettoverschuldung der DDR gegenüber dem Ausland betrug demnach 19,3 Milliarden DM. Insgesamt betrug also die Verschuldung der DDR zuletzt rund 47,3 Milliarden DM.
Diese Zahlen können Sie, wie wir auch, dem Monatsbericht der Bundesbank vom Juli 1990 entnehmen. Wenn Sie sich selbst nicht glauben, glauben Sie wenigstens den Leuten, die davon Ahnung haben; und die Bundesbank ist eine Institution, die Sie sehr ernst nehmen sollten.Interessant ist — und darüber wird sehr wenig gesprochen —, daß 1995 die Gesamtverschuldung aller öffentlichen Haushalte, Schattenhaushalte und Sondervermögen 2,2 Billionen DM betragen wird. Wenn man nun von den 2,2 Billionen die 400 Milliarden — und ich beziehe mich einmal auf diese Zahl, weil Sie sie benutzen — abzieht, so bleibt ein Anstieg der Gesamtverschuldung um 700 Milliarden DM, die Sie, Herr Waigel, eben nicht mit Altlasten der DDR begründen können.Selbst dann, wenn man die 400 Milliarden als DDR-Erblast zugrunde legt, würde die viereinhalbfache Summe, nämlich 1 800 Milliarden DM, auf das Konto der Bundesrepublik Deutschland gehen. Und da sage ich Ihnen: Sie können über die Erblast „DDR" reden, wie Sie wollen; in Kürze wird man über die 'Erblast von Theo Waigel sprechen müssen. Denn das ist eine Verschuldung, die das deutsche Volk einmal abfragen muß, und da sind die Schulden, die die DDR in die deutsche Einheit eingebracht hat, ein nur kleiner und geringer Teil.
Sie wissen es, aber es ist verständlich, daß Sie darüber nicht offen reden.
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Dr. Dietmar KellerDie Bundesregierung will nicht zur Kenntnis nehmen, daß der Aufbau — —
— Erzählen Sie doch nicht so einen Quatsch, Herr Weng! Also, ich habe Sie immer für einen gebildeten Menschen gehalten. Sie begeben sich jetzt aber auf ein Niveau, über das man erschrecken muß.
Herr Abgeordneter Keller, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Weng kann anschließend eine Erwiderung von sich geben.
Die Bundesregierung will nicht zur Kenntnis nehmen, daß der Aufbau der ostdeutschen Länder
und eines funktionierenden Systems der sozialen Sicherheit nicht mit zwei- bis dreijährigen Programmen im Rahmen einer Anschubfinanzierung erreicht werden kann. Die PDS teilt die Überzeugung der Memorandengruppe, daß für diese Zwecke über zehn Jahre mindestens 150 Milliarden DM jährlich aufgebracht werden müssen, im übrigen eine Zahl, die Ihr Ministerpräsident Biedenkopf ebenfalls genannt hat.
Was hindert die Bundesregierung daran, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1976 umzusetzen und die Anpassung der Einheitswerte für Grundstücke an die gestiegenen Verkehrswerte gesetzlich zu regeln?
Die Kosten der Einheit haben bisher die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer dieses Landes finanziert. Die Vorschläge der PDS, endlich diejenigen zur Kasse zu bitten, die sich an der Einheit dumm und dämlich verdient haben,
sind nicht neu.
Ich nenne hier nur die wichtigsten: Rücknahme der beschlossenen Senkung der Vermögen- und der Gewerbesteuer, Investitionshilfeabgabe des westdeutschen warenproduzierenden Gewerbes, eine Ergänzungsabgabe auf Körperschaft- und Einkommensteuer unter Ausschluß der Geringerverdienenden und eine Arbeitsmarktabgabe für Beamte, Selbständige und nichtsozialversicherungspflichtige Besserverdienende sowie eine Anleihe mit Zeichnungspflicht für Banken und vermögensstarke Privathaushalte.
Ein Betriebsrat aus der ehemaligen DDR hat dieser Tage gesagt: In der DDR standen wir wirtschaftlich vor dem Abgrund. Jetzt sind wir ein ganzes Stück weiter. — Wie wahr, wie wahr!
Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Abgeordnete Dr. Weng.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Zwischenruf beinhaltete die Tatsache, daß die PDS sich selbst als die Nachfolgeorganisation der SED bezeichnet und damit ihre hier anwesenden Repräsentanten für mich zweifelsfrei die Erben der Schuld und der Zerstörungen sind, die die SED in der DDR angerichtet hat.
Ich habe das nicht genau verstanden. Von wem sprechen Sie als von einem Rindvieh? Von einem Abgeordneten? Dann muß ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. Persönliche Beleidigungen sind hier nicht gestattet.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans Peter Schmitz .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mit zwei Vorbemerkungen beginnen. Herr Kollege Walther, Sie haben hier drei Kollegen, frühere und jetzt noch anwesende Kollegen, zitiert, bezogen auf 1982. Diese Kollegen hatten damals im Lichte der Erkenntnis, daß Sie, die damalige Koalition, eine Nettoneuverschuldung von 53 Milliarden DM geplant hatten, recht.
Sie hatten unrecht mit diesem Zitat, bezogen auf die jetzige Bundesregierung.
Ein zweiter Punkt. Ich habe eben eine Reihe von Anträgen des BÜNDNISSES 90 gesehen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90 bitten, bei der dritten Lesung dann wenigstens auch anwesend zu sein. Das ist parlamentarisch üblich. Ich denke, das sollte man ihnen einmal nahebringen.
Meine Damen und Herren, die Beratungen über den Bundeshaushalt 1993, die wir heute abschließen werden, haben sich deutlich von mancher Routineberatung der früheren Jahre unterschieden. Sie haben stattgefunden im Zeichen der besonderen Situation, vor der wir in Deutschland drei Jahre nach dem Fall der Mauer und zwei Jahre nach der Wiedervereinigung stehen. Richtig ist, daß wir alle das schlimme Ausmaß der SED-Erblast zunächst unterschätzt haben.Eigentlich wollte ich auf einen Vertreter dieser Gruppierung nicht mehr eingehen. Aber das, was der Kollege hier zur Erblast gesagt hat, zwingt mich dazu. Herr Kollege, sind Sie wirklich der Meinung, daß die
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10762 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Hans Peter Schmitz
maroden Betriebe, die maroden Verkehrsverhältnisse, daß alles das nicht mit addiert werden muß, wenn es um die Erblast geht? Sie machen es sich für meine Begriffe zu leicht!
Richtig ist aber auch, daß andere unvorhersehbare Umstände die Bewältigung unserer großen Aufgaben zusätzlich erschweren. Ich nenne nur beispielsweise den völligen Zusammenbruch der Ostmärkte. Das ist gerade für die wirtschaftliche Entwicklung in den jungen Bundesländern ein herber Rückschlag. Die abgeflaute Weltkonjunktur, die in den letzten Monaten mit ihren negativen Auswirkungen auch unsere Volkswirtschaft eingeholt hat, hat übrigens auch zu der schwierigen Situation, vor der wir jetzt stehen, beigetragen.Das findet auch in den Ergebnissen der jüngsten Steuerschätzung Ausdruck, nach der die zu erwartenden Steuereinnahmen für das vor uns liegende Haushaltsjahr entsprechend der konjunkturellen Lage korrigiert werden müßten.Wer heute so tut, als seien die unvorhersehbaren Entwicklungen der letzten beiden Jahre bereits 1990 bekannt gewesen, der schließt sich damit eigentlich selbst aus dem Kreis der seriösen Gesprächspartner aus.Meine Damen und Herren, die vielen Gespräche und Beratungen über den Haushalt 1993 in den letzten Wochen waren sicherlich nicht immer einfach. Manchmal habe ich aber den Eindruck, daß es noch heute eine ganze Reihe von Zeitgenossen gibt, die immer noch an Verteilen und Draufsatteln denken. Aber dies ist vorbei. Das war sicher für eine Reihe von Leuten angenehmer als Kürzen und Sparen.Vor dem Hintergrund, den ich eben skizziert habe, ist es eine große politische Leistung, daß das Ausgabenwachstum entsprechend den Eckwertebeschlüssen der CDU/CSU-Fraktion und der Koalition vom Mai dieses Jahres auf 2,5 % begrenzt bleibt, daß sich die Nettokreditaufnahme trotz konjunkturell bedingter Steuermindereinnahmen von 8 Milliarden DM lediglich um 5 Milliarden DM erhöht und mit 43 Milliarden DM immer noch um 2 Milliarden DM unter den ursprünglichen Planungen geblieben ist und daß das Moratorium eingehalten wurde, wonach zusätzliche haushaltswirksame Maßnahmen gerade auch für die jungen Bundesländer durch entsprechende Gegenfinanzierung an anderer Stelle gedeckt werden.Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle in aller Klarheit zum Ausdruck bringen: Dies ist eine beachtliche politische Leistung, an der Bundesfinanzminister Theo Waigel einen maßgeblichen Anteil hat, meine Damen und Herren.
Deswegen sage ich auch: Die bisweilen haltlose und recht schäbige Kritik, die in den letzten Wochen gerade auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, an der Person des Bundesfinanzministers geübt wurde, hat keinen Bezug zur unbequemen Realität unserer Zeit. Das muß ich Ihnen doch einmal sagen.
Statt dessen wäre es sinnvoller gewesen, wenn Sie sich als Opposition in verantwortlicher Weise mit konkreteren, konstruktiveren Vorschlägen an dieser Haushaltsdebatte beteiligt hätten.Bemerkenswert ist auch das, was die Kollegen im Haushaltsausschuß geleistet haben. Das sollte man auch einmal herausstellen. Denn den den Koalitionsfraktionen angehörenden Kollegen ist es gelungen, die in den letzten Wochen und Monaten angefallenen unabdingbaren Mehranforderungen von ca. 10 Milliarden DM — ich nenne stichwortartig nur Kreditabwicklungsfonds, Gewährleistungen an die GUS, Arbeitslosenhilfe, Kokskohlenbeihilfe — durch entsprechende Einsparungen und Umschichtungen auszugleichen. Darüber hinaus sind die Leistungen für die jungen Bundesländer noch einmal um weitere 3 Milliarden DM aufgestockt worden.Trotz der bekannten problematischen Rahmenbedingungen kommt der Haushalt 1993 ordnungsgemäß und vor allem rechtzeitig zustande. Das haben die von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, geführten Bundesregierungen in 13 Jahren meistens nicht geschafft, sondern nur ein einziges Mal, 1980, zustande gebracht.
Herr Kollege Walther, wir beide sind ja alte Haushälter und, ich denke, auch kampferprobt; das muß sein. Aber ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal mit dem Grundsatz der Vorherigkeit der Haushalte zu beschäftigen.
— Der Vorherigkeit der Haushalte; das ist ein Haushaltsgrundsatz. — Sie haben sich in dieser Zeit — das ist wissenschaftlich untersucht und nachweisbar — nur im Jahre 1980 an diesen Grundsatz gehalten.Diese Bundesregierung hat von 1983 bis 1990 den Grundsatz der Vorherigkeit stets eingehalten. Ich kann Ihnen das Material gern zur Verfügung stellen. Sie wären ein seriöser Gesprächspartner, wenn Sie in den Fragen der Haushaltsführung auch im Blick auf die damalige Zeit konsequent argumentieren würden. Denn was haben Sie seinerzeit gemacht? Sie haben sich der Vorherigkeit entzogen, indem Sie alles auf den Art. 111 des Grundgesetzes geschoben haben, auf die vorläufige Haushaltsführung. Dann konnten Sie auch aktualisieren. Dann war es möglich, die letzten Steuerschätzungen einzubeziehen. Sie haben im Jahre 1971 den Haushalt des laufenden Jahres — 1971 — kurz vor Weihnachten verabschiedet. Ich hätte gern einmal erlebt, was passiert wäre, wenn wir das gemacht hätten. Dann wäre hier von Ihnen Zeter und Mordio gerufen worden. Das ist Ihre Politik, und daran beteiligen wir uns nicht.
Herr Abgeordneter Schmitz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?
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Bitte sehr.
Herr Kollege Schmitz, Sie waren ja jahrelang — Sie haben darauf hingewiesen — Mitglied des Haushaltsausschusses. Die letzten Jahre habe ich Sie dort nicht mehr gesehen.
Im letzten Jahr nicht.
Aber darauf will ich nicht rekurrieren. — Ist es nicht so gewesen, daß in den Zeiten, über die wir reden und die Sie völlig zutreffend beschreiben, auch Sie überhaupt keine Einwendungen dagegen hatten, daß so verfahren wurde, und daß Sie erst 1980 oder 1981, glaube ich, zum Verfassungsgericht gegangen sind, um der damaligen Bundesregierung Schwierigkeiten zu machen, und daß Sie dann ein Urteil erstritten haben, an das Sie sich jetzt natürlich auch halten müssen? Ich frage noch einmal: War es nicht so, daß Sie damals stillschweigend und im Einverständnis mit der sozialliberalen Koalition diesen Zeitablauf gebilligt hatten?
Wenn wir damit einverstanden gewesen wären, dann wären wir ja nicht zum Verfassungsgericht gegangen.
— Entschuldigung! Wir haben in fast jeder Haushaltsdebatte darauf hingewiesen, daß das ein Zustand ist, der auf Dauer nicht haltbar ist. Sie aber hatten jedesmal diese vorläufige Haushaltsführung und sagen heute, in einer wirklich schwierigen Situation, daß der Bundesfinanzminister einen Haushalt vorgelegt habe, der Makulatur sei, in dem die neuesten Daten nicht berücksichtigt seien. Ich sage ganz offen, Herr Kollege Walther, und appelliere auch an Ihre Seriosität: Ich finde das intellektuell unredlich.
— Ja, das ist nun einmal so. — Ich finde das intellektuell unredlich, was Sie mit dem Finanzminister zu machen versuchen. Er wird deswegen aber nicht umfallen; glauben Sie mir.
Darüber hinaus, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen sagen, daß die problematischen Rahmenbedingungen des Haushalts — —
— Herr Kollege, Sie wissen genau, daß ich nicht feige bin, aber Sie wissen auch, daß ich Sie auf dem falschen Fuß erwischt habe und daß Sie nicht dagegen argumentieren können. Das ist doch das Problem.
— Gut, ist ja in Ordnung!
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben das damals so jedenfalls nicht geschafft. Der heute zu verabschiedende Haushalt — —
— Das wird auch dadurch nicht anders, daß Sie hier herummaulen, Herr Kollege Walther. Das ist nun einmal so.
— Das ist aber sehr laut.
Der heute zu verabschiedende Haushalt 1993 ist jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt, wie wir ihn verstehen, nicht nur rechtmäßig, sondern auch klar und eindeutig.Unabhängig davon — und das ist unstrittig —: Im nächsten Jahr werden wir über bereits beschlossene Maßnahmen hinaus zusätzliche Aufbauhilfen für die jungen Länder brauchen. Das, was sich daraus an zusätzlichem Finanzbedarf ergibt, wird nach Abschluß der Beratungen durch einen entsprechenden Nachtragshaushalt bereitgestellt werden. Das ist eine ganz saubere und ordentliche Lösung, meine Damen und Herren. Dieser Nachtragshaushalt wird weder das Gesamtausgabenvolumen noch die Nettokreditaufnahme erhöhen.Um hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Für die nächsten Jahre sind für alle Gebietskörperschaften entlastende strukturelle Einsparungen erforderlich. Dieses Ziel muß in Absprache zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über die Neuregelung des Finanzausgleichs und das föderale Konsolidierungskonzept erreicht werden, wobei vor dem Hintergrund der vor allem durch die Erblastfinanzierung bedingten neuen großen Herausforderungen eine für Bund, Länder und Gemeinden akzeptable Lastenverteilung herauskommen muß.Bei den im Zusammenhang mit dem föderalen Konsolidierungskonzept erforderlichen Einsparungen darf es grundsätzlich keine Tabus geben. So müssen zunächst sämtliche Leistungsgesetze auf den Prüfstand gestellt werden. Das gleiche gilt für Subventionen. Aber auch im Bereich des öffentlichen Dienstes, der öffentlichen Verwaltungen, sind Einsparmöglichkeiten zu prüfen.Meine Damen und Herren, ich bin froh, daß zwischenzeitlich auch in den Ländern darüber nachgedacht wird. Denn wer kann es eigentlich noch ertragen, daß sich z. B. in einem Bundesland die Zahl der Spitzenbeamten in den B-Gruppen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt hat?
— In Nordrhein-Westfalen. Glaubt denn jemandernsthaft, daß der Leistungsdruck auf diese Gruppe so
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10764 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Hans Peter Schmitz
hoch gewesen ist, nämlich 100 %, daß man die Zahl verdoppeln mußte? Ich nicht! Deswegen meine ich, daß auch hier ein Umdenken erforderlich ist.
— Ich wollte ja nur Ihren Freunden in Nordrhein-Westfalen eine Bestätigung geben. Warum sind Sie dagegen?
Im Zusammenhang mit diesem Konzept müßten auch Leistungsgesetze auf den Prüfstand gestellt und auch der Abbau von Steuervergünstigungen als eine Art Sozialausgleich mit in die Überlegungen einbezogen werden.Von entscheidender Bedeutung ist allerdings auch, daß den Kommunen durch Entlastung die Möglichkeit gegeben wird, ebenfalls eine Grenze von 3 % einzuhalten. Deswegen ist es auch hier notwendig — und ich kann die Bundesregierung in ihren Bemühungen nur bestärken —, überzogene, kostentreibende Regelungen zu überprüfen. Als Beispiel will ich eine Regelung nennen und fragen, wer das versteht; unsere Kollegen aus den neuen Bundesländern mit Sicherheit nicht.Wenn wir z. B. Regelungen — ich habe das in meinem Wahlkreis nun wirklich intensiv nachgeprüft — beim Bau von Klärwerken geschaffen haben, mit denen wir in der dritten Reinigungsstufe mit einem Kostenaufwand von 100 Millionen DM für die nächsten drei Jahre das Ergebnis von 97 auf 98 % heraufschrauben, muß man, meine Damen und Herren, bei diesem 1 % und bei diesen 100 Millionen DM doch das Verhältnis wieder einmal herstellen: In den neuen Bundesländern gibt es genügend Gebietskörperschaften, Städte und Gemeinden, die gar keine Kläranlage haben. Hier müssen wir doch umdenken. Da darf ich wirklich fragen: Haben wir noch alle Tassen im Schrank, wenn wir das nicht korrigieren?
Nun verstehe ich ja die Umweltpolitiker, die kommen und sagen: Das ist ein Rückschritt. So habe ich Herrn Fischer gestern abend gehört: Das würde ein Rückschritt sein. Aber Sie können doch keinem normal denkenden Menschen klarmachen, daß wir für dieses 1 % zum Schluß 20 Millionen DM pro Kläranlage zusätzlich ausgeben müssen. Das begreift kein Mensch, wenn der Effekt, den wir in ostdeutschen Bundesländern erreichen würden, weitaus größer wäre. Das bestreitet doch wohl niemand.Meine Damen und Herren, jede erfolgversprechende Therapie setzt zunächt eine präzise Diagnose voraus. Deshalb müssen wir bei den Beratungen der nächsten Wochen über das föderale Konsolidierungskonzept —
—ja, gut —, der Erkenntnis Rechnung tragen, daß denöffentlichen Haushalten in der Vergangenheit bisweilen einfach zuviel zugemutet worden ist. Der Staat istnun einmal nicht in der Lage, alles Wünschenswerte — und das nach Möglichkeit zum Null-Tarif — zu gewähren und zu leisten. Das ist nicht möglich, meine Damen und Herren!Dabei ist das Anspruchsdenken an den Staat doch gerade auch von sozialdemokratischen Bundesregierungen ab 1969 bis ins fast Uferlose gefördert worden: Der Staat regelt alles. — Ich füge hinzu: vielleicht auch noch auf Pump. Das geht nicht! Das ist doch das verhängnisvolle Politikverständnis Ihrer Partei vor allem in der ersten Hälfte der siebziger Jahre gewesen.Ich sage es ganz offen: Das war damals verhängnisvoll. Es wurde eine Staatsgläubigkeit herbeigeführt. Müssen wir uns nicht wirklich überlegen: Wenn wir alles für den Bürger regeln, entmündigen wir ihn nicht irgendwo damit auch schleichend? Darüber müssen wir also auch nachdenken.Wir müssen in Zukunft wieder dahin kommen, daß wir das Wünschenswerte mit dem Machbaren in Einklang bringen. Dazu gehört auch, daß wir der banalen Weisheit Rechnung tragen, daß alles, was verteilt wird, zunächst einmal erarbeitet werden muß.
Wenn wir uns die drastischen Sparmaßnahmen vor Augen führen, die zur Zeit in anderen europäischen Staaten beschlossen werden oder schon beschlossen worden sind, bedarf es auch bei uns der Einsicht in die Notwendigkeit, daß wir um strukturelle Einsparungen nicht herumkommen.Wenn ich an so manche Verteilungskämpfe der letzten Wochen und Monate denke, stelle ich mir manchmal die Frage, ob die Leute nicht leider oft darüber nachdenken „Wie verteilen wir das Wenige, das vorhanden ist?", statt darüber nachzudenken „Wie mehren wir das, um mehr verteilen zu können — zu einem Zeitpunkt, zu dem wir es uns leisten können?" . Heute können wir es uns aber nicht leisten. Also ist ein Umdenken erforderlich, meine Damen und Herren!
Die Herausforderungen, die vor uns liegen, müssen von uns allen gemeinsam bewältigt werden. Alle gesellschaftlichen Gruppen sind hier im Rahmen des Solidarpaktes gefordert, jeweils ihren Solidarbeitrag zu leisten. Auch die Opposition ist gefragt. Ich habe — Herr Kollege Weng hat das eben auch schon festgestellt — in den vergangenen Tagen — und dies ist erfreulich — bei Ihnen hier und da doch die Bereitschaft vernommen, sich konstruktiv an den Gesprächen über den Solidarpakt und das föderale Konsolidierungskonzept zu beteiligen. Das ist gut so.
— Nein, das muß man auch einmal feststellen, HerrKollege Müntefering. Das ist doch ganz normal. Ich
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Hans Peter Schmitz
lade Sie herzlich ein, diesen positiven Ankündigungen dann auch Taten folgen zu lassen.
— Es geht nicht um die Ankündigung, Frau Kollegin, sondern darum, daß Sie diesen Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Angekündigt haben Sie schon eine ganze Menge und dann nachher nichts gehalten. Das wissen wir. Das ist nicht das Problem.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Entwurf des Haushaltes 1993 ist die Basis für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik in schwieriger Zeit. Eigentlich könnten Sie deshalb auch, meine Damen und Herren von der Opposition, wie wir diesem Haushalt ruhigen Gewissens zustimmen.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Bevor ich in der Rednerabfolge fortfahre, möchte ich den Präsidenten der Abgeordnetenkammer der Republik Italien, den Kollegen Napolitano, ganz herzlich begrüßen.
Er hat seine erste Auslandsreise in diesem Amt nach Deutschland unternommen,
in die alten und die neuen Bundesländer, und er hat mich und andere gestern nachdrücklich wissen lassen, für wie wichtig er ganz intensive deutschitalienische Beziehungen erachtet, um die anstehenden Probleme in Europa miteinander lösen zu können. Ich wünsche Ihnen einen guten Aufenthalt in der Bundesrepublik!
Wir setzen die Debatte fort. Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Ulrich Briefs.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere es, daß im Gegensatz zu einigen früheren Beiträgen in dieser Haushaltsdebatte nun nicht das ganze Plenum das Vergnügen hat, diesen Höhepunkt der Debatte zu erleben.
Wir warten noch auf den Höhepunkt. Für ihn wird gleich Finanzminister Waigel sorgen.
Dieser Haushalt 1993 ist nun wahrhaftig kein Ruhmesblatt in der Parlamentsgeschichte der BRD. Er ist ein Torso. Nach wie vor nämlich stochern Parlament und Öffentlichkeit mit der Stange im Nebel, um dem wirklichen Umfang des staatlichen Finanzdesasters auf die Spur zu kommen.
Der Nachtragshaushalt ist bereits angekündigt. Die Verschuldungsorgie dieser Bundesregierung treibt die Staatsverschuldung in noch vor wenigen Jahren ungeahnte Höhen.
Was immer in der DDR vermurkst wurde — es gilt eines: Mit zunehmender Entfernung vorn Tag der Vereinigung wird die Erblast der DDR durch die Erblast dieser Bundesregierung abgelöst. Diese Bundesregierung lebt zudem zunehmend auf Kosten der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungskraft der nächsten Generation. Vom sinnvollen Sparen kaum eine Spur; vom unsozialen Sparen sehr wohl!
Der Rüstungshaushalt bleibt trotz des ersatzlosen Wegfalls des traditionellen Feindes im Osten auf nahezu der Höhe des unseligen kalten Krieges. Am Jäger 90 wird festgehalten — unter neuem Namen und in leicht abgeschlankter Version: einer der größten Verschwendungsakte und eine der nutzlosesten Ausgaben im Haushalt 1993.Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der Kollege Rudi Walther, hat zu Beginn der Etatberatungen im Ausschuß das mögliche Einsparvolumen im Rüstungsetat ohne Personalabbau — wenn wir daran einmal festhalten — auf eine Milliarde beziffert. Nicht einmal diese eine Milliarde wird eingespart.Die besonders umweltfeindlichen Etats wie der Verkehrsetat werden drastisch erhöht,
Der Umweltetat, sowieso ein Kleinstetat, dagegen wird gesenkt. In dieser Zeit der deutschen Pogrome gegen ausländische Flüchtlinge wird der Etat für Entwicklungshilfe, der an den Wurzeln der weltweiten Fluchtbewegungen ansetzen soll, abgesenkt. Die reiche Bundesrepublik bringt damit im Vergleich inzwischen nicht einmal die Hälfte dessen auf, was die Niederlande, Frankreich, Norwegen, Dänemark und Schweden aufbringen.Im Forschungs- und Technologieetat wird weiter auf riskante Hoch- und Großtechnologien gesetzt.
Die Ansätze zur Humanisierung der Arbeit hingegen führen weiter ein Kümmerdasein. Ebenso führen ein Kümmerdasein die Mittel für ökologischen Umbau der Produktion und des Verkehrssystems. Die Mittel für eine soziale und ökologische Kontrolle neuer Technologien kümmern ebenso dahin. Die Technologiefolgenabschätzung des Bundestages ist im internationalen Vergleich sehr kärglich dotiert. Von einer durchgreifenden Durchorganisation und Durchratio-
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Dr. Ulrich Briefsnalisierung des Subventionsgestrüpps ist keine Rede!Gespart wird allerdings an den Stellen, wo es um die Leistungen für Arbeitslose und für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geht. Es ist unerträglich, daß es dabei gerade besonders benachteiligte Gruppen wie die Langzeitarbeitslosen trifft.Dieser Haushalt ist obendrein kein Haushalt in einer Notzeit; das wird vergessen. Er ist ein Haushalt in einer Zeit mit nach wie vor hoher Produktion und weiter steigender Produktivität und Profiten. Die Bundesregierung scheut sich, nur diejenigen zu belasten, die durchaus belastbar sind: die Reichen, die Wirtschaft, das Industrie-, das Handels-, das Finanzkapital. Die Finanzierung des Bundeshaushaltes 1993 ist schlicht und einfach unsozial, noch unsozialer als selbst die Haushalte der letzten Jahre.In den beiden Schicksalsfragen des neuen Deutschland, der Behandlung von Ausländern und dem Abbau der Ost-West-Disparität, versagt die Politik dieser Bundesregierung auch in diesem Haushalt. Insbesondere für den Aufbau im Osten wird nach wie vor nicht genug getan. Kein Ansatz für eine zweckmäßige, wirksame Kombination staatlichen Mitteleinsatzes und privaten Kapitals, z. B. in Form gemischtwirtschaftlicher Produktionseinrichtungen zur Sicherung der wenigen noch vorhandenen Industriekerne im Osten.Dort, wo die Bürger und Bürgerinnen mit Alternativprojekten beginnen, um ökologisch und sozial sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, setzt der staatliche Rotstift an.Grundgedanke dieser Bundesregierung — das ist falsch — ist: Gefördert wird, was Wachstum und mehr Produktion, vor allem aber Profit bringt. Gefördert wird damit allerdings auch die weitere Umweltzerstörung. Gefördert wird damit allerdings auch das weitere soziale Auseinanderdriften von Ost und West, von Arm und Reich, von Metropolen und Peripherie, von reichem Norden und armem Süden in der Welt. Gefördert wird auch die nach wie vor in dieser Gesellschaft von oben nach unten, von rechts nach links vorhandene Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen und Mädchen.Nein, dieser Haushalt ist wirklich kein Ruhmesblatt des Parlaments.
Er ist eine Fortsetzung einer verhängnisvollen Politik, die dieses Land noch unsozialer, noch aggressiver, noch ungerechter, noch unmenschlicher macht. Daß er nur ein Rumpfhaushalt ist, kann kein Trost sein. Der Nachtragshaushalt und die kommenden Haushalte werden — das ist mit Fug und Recht zu befürchten — mindestens genauso schlimm sein.Frau Präsidentin, ich danke Ihnen.
Als nächstes spricht die Abgeordnete Frau Ina Albowitz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Geschäftsordnungsdebatte am Dienstag hatte ich es bereits angekündigt. Leider hat sich die SPD an meine Vorhersage gehalten und uns in dieser Woche ein Theaterstück von besonderer Qualität geboten.
Den Titel der Inszenierung haben die Redner der Opposition wohl offensichtlich einstimmig beschlossen, nämlich: Außer Spesen nichts gewesen.Die Darbietungen haben allerdings sogar meine Vorstellungskraft noch bei weitem übertroffen. Eine solche Vielzahl von sich widersprechenden Aussagen, wie sie die Opposition in den vergangenen Tagen präsentiert hat, gibt es normalerweise nur im Bereich des Kindertheaters. Deshalb können wir Ihre Vorstellungen, meine Damen und Herren von der Opposition, zur Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes auch nur in die Abteilung Märchenspiele überweisen.
Über die Unvereinbarkeit der Zusagen Ihres Parteiund Ihres Fraktionsvorsitzenden, am Solidarpakt mitzuarbeiten, dessen Grundlage wohl der Haushalt 1993 ist, und über den Versuch Ihrer Fraktion, diese Debatte in dieser Woche zu verhindern, hat sich die deutsche Öffentlichkeit schon am Dienstag gewundert.In den letzten Tagen haben Sie uns nun munter Ihre vermeintlich neuen Programme, die übrigens alles alte Hüte sind und die deutschen Steuerzahler mit rund 100 Milliarden DM Mehrausgaben belasten würden, präsentiert. Entsprechende Finanzierungsvorschläge gibt es, wie üblich, bei Ihnen nicht.Die ehrlichen Bemerkungen des Kollegen Hans Georg Wagner auf Ihrem Sonderparteitag, daß noch nicht einmal für ein Drittel der vorgeschlagenen Maßnahmen Deckung vorliegt, werden ignoriert. Ich bedauere sehr, daß die Haushaltspolitiker der SPD in ihrer Fraktion so wenig Durchsetzungskraft haben.
Am Dienstag hat sich der Kollege Rudi Walther mit der Aussage, das Chaos war noch nie so groß, zu präsentieren versucht. Aber das beste Beispiel der Chaotentruppe SPD — oder soll ich sagen: der Laienspielschar? — ist uns gestern abend bei der Beratung zum Haushaltsgesetz vorgeführt worden. Hand-streichartig, ohne jegliche Beratung — aber genau das fordern Sie immer sehr sorgfältig und seriös, Herr Kollege — sollten von der Juniortruppe der SPD einmal eben 2 000 Millionen DM umgewidmet werden. Besser als Sie selbst, meine Damen und Herren, kann niemand die Unseriosität Ihrer Finanzpolitik darstellen. Das tun Sie am besten selber.
Der Himmel bewahre Deutschland davor, daß Sie in absehbarer Zeit Regierungsverantwortung übernehmen.
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Ina AlbowitzIn den kommenden Jahren wird noch viel Arbeit auf uns alle zukommen. Der Haushalt 1993 ist nur eine finanzpolitische Etappe, aber dafür eine äußerst wichtige. Die zusätzlichen Maßnahmen im Rahmen des Solidarpakts werden weiter Umschichtungen und Einsparungen notwendig machen. Wir alle, Bund, Länder und Gemeinden, müssen eine energische Sparpolitik betreiben. Bei der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs wird sich hoffentlich beweisen, daß die Solidaritätsbekenntnisse nicht nur leere Worte sind.Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien haben bewiesen, daß sie es mit dem Sparen ernst meinen. Der Haushalt 1993 setzt dafür ein ausdrucksvolles Signal.Ich danke Ihnen.
Ich erteile jetzt das Wort dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich, Frau Präsidentin, daß Sie die Rede als Höhepunkt angekündigt haben. Das war auch dringend notwendig,
um die ungerechtfertigten Schmähungen der SPD in der geeigneten präsidentiellen Art und Weise zurückzuweisen.
Schon der griechische Dichter Aristophanes hat erkannt:
— Haben Sie das gehört: „Wer ist das schon wieder?"
Er hat die Komödie „Die Vögel" geschrieben.
Der griechische Dichter Aristophanes — nach der Meinung von der SPD jemand, der mit den Worten „Wer ist das schon wieder?" zu bezeichnen ist —
hat erkannt: „Aber wer klug ist, der lernt fürwahr vom Gegner gar vieles.Nur, meine Damen und Herren, wenn man diese Weisheit beherzigt, was hat man dann eigentlich nach der viertägigen Haushaltsdebatte von der SPD gelernt? Soll ich auf alle schon beschlossenen oder angekündigten Aufbaumaßnahmen noch einmal —wie Frau Kollegin Matthäus-Maier oder der Kollege Klose es forderten — 10 Milliarden DM jährlich draufsatteln? Sollen wir auf die AFG-Novelle verzichten und damit dem Bundeshaushalt weitere 7 Milliarden DM an Ausgabenverpflichtungen aufbürden? Soll ich trotz dieser Milliardenforderungen die Kreditaufnahme reduzieren,
wie es viele SPD-Sprecher aus der dauerhaft sicheren Rolle der Opposition heraus immer wieder fordern?
Soll ich die Steuern und Abgaben senken, damit der Kollege Klose sich nicht wieder über die steigende Steuer- und Abgabenlast beklagen kann? Soll ich möglicherweise die Steuern erhöhen, um den von der SPD geforderten höheren Grundfreibetrag zu finanzieren?Es ist schon ein starkes Stück, sich hier herzustellen und die Vereinbarungen zwischen dem Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern zu kritisieren, wenn dort die Mehrzahl SPD-Minister sind und diese sich mit uns auf genau diese Lösung verständigt haben.
Zusammengefaßt: Soll ich nun sparen oder mehr ausgeben, soll ich Rücksicht auf die Konjunktur nehmen oder die Schulden weiter absenken? Soll ich die Steuern erhöhen, oder soll ich sie senken? Für alles, was ich nannte, hatte die SPD einen Zeugen.
— Kollege Rudi Walther, Sie sitzen dort, wohin Sie eigentlich nicht gehören. Sie haben mir in bewegten Worten den Rücktritt nahezulegen versucht. Für mich war ein erfahrener Ratgeber der frühere Kollege Genscher, der ja die längste Dienstzeit hatte. Der hat mir gesagt: Wissen Sie, Herr Kollege, es ist immer wichtig, daß man eine ungerade Zahl von Urkunden daheim hat; dann ist man nämlich im Amt.
Ich habe scharf nachgedacht: Ich habe eine ungerade Zahl von Urkunden zu Hause, folglich bin ich im Amt. Als zu Beginn meiner Rede auch noch der Bundeskanzler durch die Türe hereinkam, wußte ich, ich mache es noch eine Zeitlang.
— Wie lange ich dieses Amt noch ausüben will, hängt vor allen Dingen von mir selbst ab, von meinen politischen Freunden und ihrer Unterstützung. Nachdem die Woche für uns so gut gelaufen ist, habe ich an meinem Amt mehr Spaß als je zuvor.
Herr Kollege Walther, wenn meine von mir geschätzten Vorgänger aus der SPD Möller, Schiller, Schmidt, Apel, Matthöfer und Lahnstein
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10768 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Bundesminister Dr. Theodor Waigelnur einen Bruchteil der Probleme zu lösen gehabt hätten, dann hätten sie längere Dienstzeiten gehabt. Denn sie sind von Ihnen nicht gerade besonders gut behandelt worden.
Sie sind, da sie mit Ausnahme des Kollegen Möller Gott sein Dank noch alle am Leben sind, in ihrer Kritik viel zurückhaltender und fairer als Sie. Das sollten Sie sich bei Ihrer Diskussion und bei Ihrer Bewertung einmal gut überlegen.Von Ihnen wird permanent das Wort Kassensturz im Munde geführt. Wo bleibt eigentlich der oppositionspolitische Kassensturz? Wann setzen sich denn Ihre Steuerpolitiker, Finanzpolitiker, Sozialpolitiker und Haushaltspolitiker endlich an einen Tisch und stellen ein Gesamtkonzept auf? Wo ist denn eigentlich das Konzept der SPD-regierten Bundesländer, die uns erklären, welchen Beitrag sie für den Finanzausgleich zu leisten bereit sind, um zu einer stärkeren Solidarität zu gelangen?
Übrigens, lesen bildet. Es muß ja nicht immer Aristophanes sein. Es genügt schon die Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr. KlausDieter Feige, Christina Schenk, Werner Schulz und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 12/3260. Darin finden Sie alles, was Sie wissen wollen: Nettokreditaufnahme, Schuldenstand der öffentlichen Haushalte einschließlich der von Ihnen als Schattenhaushalte bezeichneten Sondervermögen Fonds deutsche Einheit, Kreditabwicklungsfonds und ERP.Wenn Sie nur eine Seite umblättern — das ist nicht zuviel verlangt —, finden Sie weiterhin die Nettokreditaufnahme und den Schuldenstand der Deutschen Bundesbahn, der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundespost dargestellt. Schließlich wird auch über die Finanzsituation der Treuhandanstalt und der Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland mit exakten Zahlenangaben berichtet.Wenn Sie die von uns mitgeteilten Zahlen endlich auch einmal lesen würden, müßte Ihr Fraktionsvorsitzender, der Kollege Klose, in seinen Debattenbeiträgen keine falschen Zahlen verwenden. Das gilt z. B. für die angeblich 1,7 Billionen DM an Schulden der öffentlichen Haushalte. Die richtige Zahl lautet rund 1,3 Billionen DM, was auch sehr viel ist, aber eben deutlich weniger als das, was die SPD behauptet.Auf der Grundlage aller von uns vorgelegten Haushaltsdaten sind wir dabei, die finanzpolitischen Aufgaben der kommenden Jahre zu ordnen und Schritt für Schritt zu lösen. Wir haben keinerlei Anlaß, die Probleme, die uns 40 Jahre sozialistischer Mißwirtschaft hinterlassen haben, zu verniedlichen, zu verstecken oder zu verheimlichen. Jeder kann wissen, daß wir über Jahrzehnte eine sozialistische Erblast von rund 400 Milliarden DM zu finanzieren haben.Der Gesamtfinanztransfer in die ostdeutschen Bundesländer von mehr als 5 % unseres Bruttosozialprodukts geht 1993 entgegen den Behauptungen der Opposition nicht zurück, sondern er steigt noch um 7 Milliarden DM auf 135 Milliarden DM. Rund 50 Milliarden DM an Wohnungsbauschulden müssen dauerhaft durch Mieteinnahmen und kurzfristig durch Zinshilfen von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert werden. Schließlich habe ich auch schon in meiner Rede am Dienstag den Finanzbedarf der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn mit einem jährlichen zweistelligen Milliardenbetrag grob umrissen.Unser finanzpolitischer Fahrplan zur Lösung dieser großen Finanzierungsaufgaben liegt auf dem Tisch. Wir gehen jetzt die Aufgaben an, für die Lösungen erst zur Mitte der 90er Jahre vorliegen müssen. Mehr kann niemand von uns verlangen. Wir können die Entscheidungsprozesse allerdings nicht stärker beschleunigen, als es die Konsens- und Kompromißbereitschaft unserer Verhandlungspartner in der Opposition und in den Länderregierungen zuläßt.Eine Bemerkung nehme ich übrigens gerne auf, Kollege Rudi Walther. Sie haben kritisiert, daß ich junge Länder sage. Wir haben früher neue Länder gesagt. Darauf haben uns die jungen Länder gesagt, sie seien keine neuen, sondern alte Länder, wie völlig zu Recht dargestellt wurde. Um sie im Finanzausgleich und anderen Verfahren zu unterscheiden, sind wir gebeten worden, sie junge Länder zu nennen. Wenn Sie es aber lieber haben, daß ich sie anders nenne, bitte.Natürlich ist der Freistaat Sachsen, auf den wir als zweiten Freistaat stolz sind, ein altes Land; gar keine Frage. Auf die Frage, wer älter ist, möchte ich mich jetzt gar nicht einlassen. Das könnte bei den Abstimmungen zu Komplikationen führen. Daß sich Bayern in seinem Alter, seiner Souveränität, seinem Selbstbewußtsein und seinem beispielhaften föderalen Denken natürlich mit allen messen kann, wird wohl niemand bestreiten.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit unserem Förderungsprogramm halte ich es für irreführend, wenn nur nach den effektiven Haushaltsauszahlungen im Jahre 1993 gefragt wird. Förderzusagen und Programmerweiterungen sind mindestens ebenso wichtig wie Kassenflüsse, auch wenn sie erst 1994 oder 1995 im Bundeshaushalt zu Buche schlagen. Entscheidend ist der ökonomische Effekt, nicht die Finanzmasse, die bewegt wird.Der nächste Schritt ist die Vorlage des Nachtragshaushaltes 1993, mit dem zusätzliche konkrete Hilfen für die jungen Bundesländer auf Grund zusätzlicher Einsparungen geleistet werden können. Bereits jetzt verhandeln wir auch mit den Bundesländern über das von mir vorgeschlagene föderale Konsolidierungsprogramm,
über den ab 1995 neu zu gestaltenden Länderfinanzausgleich und über die Finanzierung der sozialistischen Erblasten.Diese drei Themen gehören zusammen; denn die nachhaltige Konsolidierung ist die elementare Voraussetzung für eine gesamtwirtschaftlich vernünftige Lösung der großen Fianzierungsprobleme. Nur bei
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Bundesminister Dr. Theodor Waigeleiner gemeinsamen Lösung können auch die Belastungen gleichmäßig auf die öffentlichen Haushalte verteilt werden. Ich habe am Dienstag die Lösungskonzeptionen kurz umrissen, ich will das nicht wiederholen.Die SPD wirft uns vor, wir hätten im Bundeshaushalt 1993 keine Vorsorge für zusätzliche konjunkturelle Risiken getroffen.
Sie haben sich dabei auch auf die etwas ungünstigere Konjunkturprognose des Sachverständigenrates be - rufen. Hätten Sie das Gutachten jedoch auch einmal gelesen, hätten Sie gesehen: Der Sachverständigenrat kommt fast exakt zur gleichen Steuerschätzung für 1993, wie zuvor der Arbeitskreis Steuerschätzung, dem der Sachverständigenrat im übrigen auch angehört.Wer unter realen Bedingungen verantwortliche Entscheidungen treffen muß, kann nicht davon ausgehen, daß alles so läuft, wie er sich es vorstellt. Ebenso falsch wäre es aber, alle Entscheidungen unter Zugrundelegung der ungünstigsten Annahmen zu treffen. Tatsächlich ist es 1985 gelungen, in der Prognose und der Modellrechnung fast auf den Punkt genau vorherzusagen, wie sich die Situation 1989 dann tatsächlich entwickelt hat. Ich glaube, wir sind auch heute auf dem richtigen Weg, die Dinge zu ordnen und eine verläßliche Grundlage für die Finanz- und damit für die Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre zu treffen.
Ich sehe im übrigen trotz der eher ungünstigen aktuellen Konjunkturdaten keinen Anlaß, eine länger andauernde Wachstumsschwäche zu befürchten. In den Vereinigten Staaten hellt sich der Konjunkturhimmel zunehmend auf. Die gerade ermittelte Wachstumsrate für das dritte Quartal von 3,9 % begründet zusätzliche Wachstumshoffnungen für die USA und für die Weltwirtschaft insgesamt.Das Zinsniveau in Deutschland hat mit nur noch rund -71/3% den langjährigen Durchschnitt der Kapitalmarktzinsen deutlich unterschritten. Die sich abzeichnende Lohnmoderation schafft deutliche Erleichterung bei den Lohnkosten und bei den Preissteigerungsraten. Auf dieser Basis sind weitergehende Zinsermäßigungen im nächsten Jahr möglich.Der in der letzten Woche gefundene — in der EG allerdings noch nicht abgesicherte — Kompromiß bei den GATT-Verhandlungen eröffnet ein Wachstumspotential des Welthandels von rund 300 Milliarden Dollar, von dem wir als exportorientiertes Land besonders profitieren werden.Wir sind in vielen Bereichen dabei, Wachstumsvoraussetzungen zu verbessern. Wenn man sich einmal vorstellt, daß in den Jahren 1991 und 1992 Sanierungsleistungen von fast 130 Milliarden DM erbracht wurden, dann ist der Vorwurf, wir würden einen industriellen Kahlschlag betreiben, wirklich nicht realistisch, nicht berechtigt und unwahr.
Das Standortsicherungsgesetz richtet sich durch die Senkung des Steuersatzes für Körperschaften und andere Gewerbebetriebe und durch die eigenkapitalschonende Ansparförderung ausschließlich an den Unternehmensbereich. Ich kann deshalb nicht verstehen, warum Frau Kollegin Matthäus-Maier und der Kollege Poß immer noch von einer Entlastung der Spitzenverdiener sprechen.Ich kann auch die Schadenfreude des Kollegen Poß im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundfreibetrag nicht ganz nachvollziehen;
denn zum einen betrifft die Entscheidung des Verfassungsgerichts die Grundfreibeträge seit 1978. Sie hätten ja schließlich mehr tun können.
Wenn wir damals nicht Ihren Schuldenberg hätten übernehmen müssen, — —
— Meine Damen und Herren, da hilft Ihnen doch das „Aha" nicht. Wir mußten Ihre Schulden übernehmen, die, mit 7 % verzinst, etwa die Schulden von heute ausmachen. Das ist doch die reine Wahrheit.
— Es ist ja nicht zu fassen: Sie leiden unter einem Realitätsverlust und wissen am Ende der für Sie mißlungenen Debatte dieser Woche nicht einmal, wieviel Schulden Sie damals, 1982, hinterlassen haben.
Wir müssen — das ist richtig — alles daransetzen, die Verschuldung zu begrenzen. Niemand wird widersprechen, wenn von vielen der starke Anstieg der Staatsschulden seit der Wiedervereinigung als bedrohlich empfunden wird.
Aber es mußte auch noch niemals zuvor ein völlig heruntergewirtschaftetes Wirtschaftssystem durch massive öffentliche Zuschüsse völlig umstrukturiert werden.Es mußten noch niemals Erbschulden in einer Größenordnung von 400 Milliarden DM bis 1995 in die öffentliche Haushaltsrechnung eingestellt werden. Es ist schlichtweg unredlich, dem Bundesfinanzminister und dieser Bundesregierung die Übernahme von 400 Milliarden DM Erblastschulden und die unumgängliche Zusatzverschuldung durch die deutsche Einheit zuzurechen. Es ist ein falsches Zeugnis, das aus billiger Polemik heraus gegeben wird.
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10770 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Bundesminister Dr. Theodor WaigelWenn das Defizit in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in diesem Jahr 2,9 % des Bruttoinlandprodukts beansprucht und damit — im Gegensatz zu der Behauptung von Frau Matthäus-Maier — unterhalb der durch den Maastrichter Vertrag gesetzten Grenze liegt, dann ist das keine negative, sondern eher eine positive Überraschung. Wenn wir den Bundeshaushalt mit einem Zuwachs von nur 2,5 % im nächsten und in den kommenden Jahren wachsen lassen, dann kann uns niemand vorwerfen, wir würden die Verschuldungsproblematik nicht ernst nehmen.Übrigens hat der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Herbert Hax, die Richtigkeit unserer Anstrengungen erst vorgestern in einem Interview bestätigt, als er sagte, der Haushalt sei insofern konsolidiert, als das Ausgabenwachstum sehr stark begrenzt werde.
Auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf, die Bundesregierung kassiere und verfrühstücke den Bundesbankgewinn, möchte ich auf einen weiteren Beleg unserer finanzpolitischen Verantwortung verweisen. Seit 1987 haben wir 17 Milliarden DM aus dem Bundesbankgewinn unmittelbar zur Schuldentilgung eingesetzt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Tagen natürlich unsere unterschiedlichen Standpunkte ausgetauscht und uns Vorwürfe nicht erspart. Das gehört zum wichtigen System parlamentarischer Kontrolle, die wir alle bejahen. Es wäre falsch, diese Auseinandersetzung als unerheblich abzuwerten. Die Unterschiede werden und müssen auch weiterhin bestehen. Trotzdem müssen wir uns jetzt an einen Tisch setzen — egal, ob rund oder viereckig — und die zentralen Zukunftsaufgaben unseres Landes gemeinsam angehen.
Das muß jetzt unmittelbar angepackt werden.
Wir brauchen eine neue Qualität des Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern, zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern und zwischen den demokratischen Parteien.
Es nützt keiner Seite, wenn man glaubt, den anderen auflaufen lassen zu können. Lösungen und Entscheidungen sind gefragt beim Finanzausgleich, beim Sparpaket und beim Mißbrauch des Asylrechts. Wenn wir zu dieser Gemeinsamkeit finden, dann brauchen wir uns vor der Zukunft nicht zu fürchten.Der französische Dichter Victor Hugo hat einmal geschrieben
— ich bitte um Entschuldigung —:
Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachenist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen istsie das Unbekannte, und für die Tapferen ist sie die Chance.
— Sie dürfen sich wieder beruhigen.
Wir werden unsere Chance wahrnehmen. Wir haben keine andere Alternative als zuzupacken, unsere Aufgaben wie bisher selbst in die Hand zu nehmen und so die Wiedervereinigung zu vollenden; denn das ist unsere geschichtliche Aufgabe und der Auftrag, den uns die Deutschen in Ost und in West gegeben haben.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1993. Dazu liegen mir mehrere Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor.' ) Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung. —
Ich mache darauf aufmerksam, daß nach dieser namentlichen Abstimmung eine weitere namentliche Abstimmung folgt.
Ist noch ein Mitglied im Hause, das seine Stimme nicht abgegeben hat? — Ich sehe niemanden mehr und schließe die Abstimmung. Wir werden Ihnen das Ergebnis der Abstimmung später bekanntgeben.** )
Wir fahren fort mit der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3812. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? Sind alle Stimmen abgegeben? — Dies ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Abstimmungsergebnis wird später bekanntgegeben. ***)Wir setzen die Beratungen fort.Wir stimmen jetzt über weitere Entschließungsanträge ab. Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3813 ist zurückgezogen worden.Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3858? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/3783? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.*) Anlagen 2 und 3**) Seite 10772B***) Seite 10774 ; zu Protokoll gegebene Erklärungen siehe Anlage 4
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10771
Vizepräsident Hans KleinWir kommen zum Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/3836. Die Gruppe verlangt getrennte Abstimmung.Wer stimmt für Nr. I des Entschließungsantrages? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Nr. I ist abgelehnt.Wer stimmt für die Nr. II des Entschließungantrages? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. II ist ebenfalls abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/3863. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Ich rufe Punkt V der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern— Drucksachen 12/3582, 12/3725 —a) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 12/3847 —Berichterstattung:Abgeordnete Günter Klein Manfred Eugen Hampelb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 12/3848 —Berichterstattung:Abgeordnete Jochen BorchertDr. Wolfgang Weng Helmut Wieczorek (Duisburg)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Ausprache und erteile dem Kollegen Günter Klein das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte in Ergänzung zu dem vorliegenden Bericht einige Bemerkungen zu dem Verhalten der SPD-regierten Lander im Bundesrat machen, und zwar zur Weigerung des Bundesrats Anfang November, sich an der Finanzierung des Nachteilsausgleichs zu beteiligen. Ich möchte eine Bemerkung zur Forderung dieser Lander machen, der Bund möge mit der Sanierung der Finanzen des Saarlands und Bremens beginnen.
Herr Kollege Klein, darf ich einen Moment unterbrechen. — Es hat sich beruhigt. — Bitte fahren Sie fort.
Ich rufe in Erinnerung, daß das Bundesverfassungsgericht am 27. Mai 1992 festgestellt hat, daß dem Lande Nordrhein-Westfalen und dem Lande Bremen insgesamt 766 Millionen verfassungswidrig verkürzter Bundesergänzungszuweisungen fehlen und daß dieser Betrag vom Bund und von den empfangsberechtigten Ländern zu erstatten sei. Der Bund tut mit dieser Vorlage das, was seine Pflicht ist. Er beteiligt sich an der Zahlung des Nachteilsausgleichs in Höhe von 238 Millionen DM in zwei Jahresraten zu je 119 Millionen DM. Der Rest, 528 Millionen DM, soll von den empfangsberechtigten Ländern aufgebracht werden, die Bundesergänzungszuweisungen erhalten.Der Bundesrat weigert sich nun, diese Zahlungen zugunsten Nordrhein-Westfalens in Höhe von 31 Millionen DM und zugunsten Bremens in Höhe von 735 Millionen DM mitzufinanzieren.Diese Weigerung verletzt das Urteil nicht nur dem Geist, sondern auch dem Wortlaut nach. Denn wenn man diese Weigerung ernst nähme, wenn der Bund den gesamten Betrag von 766 Millionen DM Nachteilsausgleich übernehmen würde, wäre eine verfassungswidrige Handlung zu beklagen. Das Nivellierungsverbot wäre verletzt, das vorschreibt, daß die Bundesergänzungszuweisung die finanzschwachen Länder nicht über 100 % des finanziellen Durchschnitts der Länder heben darf. Das wäre der Fall, wenn der Bund die Finanzierung des Nachteilsausgleichs allein übernähme.Noch erheblicher ist die Forderung des Bundesrates, der Bund möge mit der Sanierung der Finanzen Bremens und des Saarlands beginnen. Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, daß eine Entlastungsnotwendigkeit zugunsten Bremens in Höhe von 8,5 Milliarden DM und zugunsten des Saarlands in Höhe von 7,6 Milliarden DM bestehe. Diese erheblichen Entlastungsnotwendigkeiten kann der Bund nicht allein übernehmen. Es muß hier zu einer Abstimmung zwischen allen Ländern kommen, wie es im Urteil eindeutig festgestellt ist. Es ist Pflicht aller Glieder des Bundes, diese Entlastung vorzunehmen. Selbstverständlich muß im Zusammenhang mit dem neuen Finanzausgleich auch berücksichtigt werden, was die jungen Länder an berechtigten Forderungen stellen. Wichtig ist also, die Forderung abzulehnen, daß der Bund mit der finanziellen Sanierung des Saarlands und Bremens beginnen möge. Es muß eine Abstimmung im Zusammenhang mit dem neuen großen Finanzausgleich erfolgen.Nach der Ablehnung des Bundesrats und der Forderung, der Bund solle allein beginnen, gibt es ein positives Signal. Die Finanzminister der Länder haben am 19. November zum erstenmal anerkannt, daß die finanzielle Sanierung Bremens und des Saarlands Bestandteil der Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich sein müssen. Es ist eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die unter Federführung des Bundesfinanzministers bis Ende Januar 1993 Vorschläge erarbeiten soll. Daran ist zu erkennen, daß man nicht bis 1995 warten möchte, bis zum Beginn der Zahlungen aus dem neuen Finanzausgleich, sondern daß man möglichst bald unter Prüfung der vorliegenden Sanierungsprogramme des Saarlands und Bremens mit der Hilfe, wie das Bundesverfassungsgericht es anordnet, beginnen möchte.
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10772 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Günter Klein
Das ist ein günstiges Signal. Das läßt mich hoffen, daß der Bundesrat beim zweiten Durchgang dieser Vorlage sein Nein zur Mitfinanzierung des Nachteilsausgleichs zurücknehmen wird. Der Nachteilsausgleich ist nichts anderes als ein erster Schritt in Richtung Sanierung der Finanzen, vor allem Bremens. Die Bremische Bürgerschaft hat übrigens beschlossen — und zwar mit Zustimmung der dort in Opposition befindlichen CDU —, daß der gesamte Betrag von 735 Millionen DM zur Absenkung der großen Verschuldung Bremens benutzt werden soll. Das ist ein Signal für die Glaubhaftigkeit der Sanierungsbemühungen Bremens. Auch Bremen muß selbstverständlich Eigenanstrengungen vollziehen.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine vorsorgliche Bemerkung machen: Die Überschuldung Bremens —jetzt rund 17 Milliarden DM, hat nichts zu tun mit der Kleinheit dieses Zweistädtestaates, sondern hat ursächlich zu tun mit der expansiven, mit der extremen Finanzpolitik der SPD in einer viel zu langen Zeit der absoluten Mehrheit, die jetzt Gott sei Dank zu Ende gegangen ist.
Die Sanierung Bremens ist also ein Beitrag zur Lebensfähigkeit Bremens. Bremen war bis Anfang der 70er Jahre nicht verschuldet, war nicht nehmendes Land im Finanzausgleich, und mit Hilfe der Solidarität des Bundes muß dieser Zustand wieder hergestellt werden, damit Bremen noch auf lange Zeit selbständig bleiben kann.Ich darf mich bedanken.
Herr Kollege Poß, einen Moment. Bevor ich Ihnen das Wort gebe, gebe ich das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1993 bekannt. ) Abgegebene Stimmen: 576, ungültige Stimmen: keine, Ja-Stimmen: 368, Nein-Stimmen: 208.*) Vgl. Seite 10770 DEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 575; davon:ja: 368nein: 207JaCDU/CSUDr. Ackermann, ElseAdam, UlrichDr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, WolfBaumeister, BrigitteBayha, RichardBelle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-DirkDr. Blank, Joseph-Theodor Blank, RenateDr. Blens, Heribert Bleser, PeterDr. Böhmer, MariaBörnsen , Wolfgang Dr. Bötsch, WolfgangBohl, FriedrichBohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, KlausBreuer, PaulBrudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler , Klaus Büttner (Schönebeck),HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Clemens, JoachimDehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, KarlDeß, AlbertDiemers, Renate Dörflinger, Werner Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, AlfredEchternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, UdoEichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, RainerEylmann, Horst Eymer, Anke Falk, IlseDr. Faltlhauser, KurtFeilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H.Fockenberg, Winfried Francke , Klaus Frankenhauser, HerbertDr. Friedrich, GerhardFritz, Erich G.Fuchtel, Hans-JoachimGanz , Johannes Geiger, MichaelaDr. Geiger , Sissy Geis, NorbertDr. von Geldern, Wolfgang Gerster , Johannes Gibtner, HorstGlos, MichaelDr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, PeterGres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-PeterDr. Grünewald, Joachim Günther , Horst Frhr. von Hammerstein,Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ,GottfriedHaschke , Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, RainerHauser , Otto Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, ErnstHintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, PaulDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, SiegfriedHüppe, Hubert Jäger, ClausJaffke, Susanne Jagoda, Bernhard Dr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, RainerDr. Jüttner, EgonJung , Michael Junghanns, UlrichDr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, SteffenDr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, IrmgardKauder, Volker Keller, PeterKiechle, Ignaz Kittelmann, PeterKlein , Günter Klein (München), Hans Klinkert, UlrichKöhler ,Hans-Ulrich Dr. Köhler , VolkmarDr. Kohl, Helmut Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, RudolfDr. Krause , GüntherDr. Krause ,Rudolf KarlKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, NorbertLamp, Helmut Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-JosefLehne, Klaus-HeinerLenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, EdithaLink , Walter Lintner, EduardDr. Lippold ,Klaus W.Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ,WolfgangLouven, Julius Lummer, Heinrich Dr. Luther, MichaelMaaß , Erich Männle, UrsulaMagin, TheoDr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, ErwinMarten, GünterDr. Mayer , MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Dr. Meseke, HeddaDr. Meyer zu Bentrup, ReinhardMichalk, Maria Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, ThomasMüller , Elmar Müller (Wadern),Hans-WernerMüller , Alfons Nelle, EngelbertDr. Neuling, Christian Neumann , Bernd Nitsch, JohannesNolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, EduardOtto , NorbertDr. Päselt, GerhardDr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, AntonPfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, GeroDr. Pflüger, FriedbertDr. Pinger, Winfried
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10773
Vizepräsident Hans KleinPofalla, RonaldDr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, DieterRahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfRauen, Peter Harald Rawe, WilhelmReddemann, Gerhard Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, ErikaRepnik, Hans-Peter Dr. Rieder, NorbertDr. Riedl , Erich Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode , Helmut Rönsch (Wiesbaden),HanneloreRomer, FranzDr. Rose, KlausRossmanith, Kurt J. Roth , Adolf Rother, HeinzDr. Ruck, Christian Rühe, VolkerDr. Rüttgers, Jürgen Sauer , Roland Scharrenbroich, Heribert Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schartz , Günther Schemken, Heinz Scheu, GerhardSchmalz, UlrichSchmidbauer, Bernd Schmidt , ChristianDr.-Ing. Schmidt ,JoachimSchmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans Petervon Schmude, Michael Dr. Schneider , OscarDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer,Reinhard
Schulz , Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, StefanDr. Schwarz-Schilling, ChristianDr. Schwörer, Hermann Seehofer, HorstSeesing, Heinrich Seibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H.Dr. Sopart, Hans-Joachim Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Spranger, Carl-DieterDr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, HansDr. Frhr. von Stetten, WolfgangStockhausen, KarlDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, MichaelDr. Süssmuth, Rita Susset, EgonDr. Töpfer, Klaus Verhülsdonk, Roswitha Vogel , Friedrich Vogt (Duren), WolfgangDr. Voigt ,Hans-PeterDr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, TheodorGraf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, JürgenDr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, KerstenWiechatzek, GabrieleDr. Wieczorek , BertramDr. Wilms, Dorothee Wilz, BerndWimmer , Willy Dr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, MatthiasDr. Wittmann, Fritz Wittmann ,SimonWonneberger, Michael Wülfing, ElkeWürzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zierer, BennoZöller, WolfgangF.D.P.Albowitz, InaDr. Babel, GiselaBaum, Gerhart Rudolf Beckmann, KlausDr. Blunk, Michaela Bredehorn, Günther Cronenberg ,Dieter-JuliusEimer , Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, JörgDr. Feldmann, Olaf Friedrich, HorstFunke, RainerDr. Funke-Schmitt-Rink, MargretGallus, GeorgGanschow, JörgGrünbeck, JosefGrüner, MartinGünther , Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, DirkHeinrich, UlrichDr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Dr. Hoth, SigridDr. Hoyer, Werner Irmer, UlrichKleinert , Detlef Kohn, RolandDr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, JürgenDr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,SabineLühr, UweMischnick, WolfgangNolting, Günther Friedrich Otto , Hans-JoachimPaintner, JohannPeters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, HermannDr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, JürgenDr. Schnittler, Christoph Schüßler, GerhardSchuster, HansDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaSeiler-Albring, Ursula Dr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, JürgenDr. von Teichman, Cornelia Dr. Thomae, DieterTimm, JürgenTürk, JürgenWalz, IngridDr. Weng , WolfgangWolfgramm , TorstenWürfel, UtaZurheide, BurkhardZywietz, WernerNeinSPDAdler, BrigitteAntretter, RobertBarbe, AngelikaBartsch, HolgerBecker , Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Bindig, RudolfBlunck, LieselottDr. Böhme , Ulrich Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Brecht, EberhardDr. von Billow, Andreas Bulmahn, EdelgardBury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, PeterDr. Däubler-Gmelin, Herta Daubertshäuser, KlausDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Dobberthien, Marliese Dreßler, RudolfEbert, EikeDr. Eckardt, PeterDr. Ehmke , Horst Eich, LudwigDr. Elmer, KonradErler, GernotEsters, HelmutEwen, CarlFerner, ElkeFormanski, NorbertFuchs , Katrin Fuhrmann, ArneGansel, NorbertDr. Gautier, FritzGilges, KonradDr. Glotz, Peter Graf, GünterGroßmann, Achim Habermann, Michael Hacker, Hans-Joachim Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, KlausDr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Heyenn, GüntherHiller , Reinhold Hilsberg, Stephan Huonker, Gunter Iwersen, GabrieleJäger, RenateJanz, IlseDr. Janzen, Ulrich Jaunich, HorstDr. Jens, UweJungmann , Horst Kastner, SusanneKastning, Ernst Klappert, MarianneDr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, SiegrunKlose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbow, WalterKoltzsch, RolfKoschnick, Hans Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Kuhlwein, Eckart Lange, Brigittevon Larcher, Detlev Leidinger, RobertDr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann , KlausDr. Lucyga, Christine Maaß , Dieter Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, MarkusMehl, UlrikeMeißner, HerbertDr. Mertens , Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Mosdorf, SiegmarMüller , Michael Müller (Völklingen), Jutta Müller (Zittau), Christian Müntefering, Franz Neumann (Bramsche), Volker Neumann (Gotha), Gerhard Dr. Niehuis, EdithDr. Niese, RolfNiggemeier, Horst Odendahl, Doris Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, PeterDr. Penner, Willfried Peter , Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, AlbertDr. Pick, Eckhart Poß, JoachimPurps, RudolfRappe , Hermann von Renesse, Margot Rennebach, RenateReschke, OttoRixe, GünterSchaich-Walch, Gudrun Schanz, Dieter
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10774 Deutscher Bundestag -- 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Vizepräsident Hans KleinDr. Scheer, Hermann Scheffler, Siegfried Schily, OttoSchloten, DieterSchluckebier, Günter Schmidt , Ursula Schmidt (Nürnberg), Renate Schmidt-Zadel, ReginaDr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, EmilSchreiner, Ottmar Schröter, GiselaSchröter, Karl-Heinz Dr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Schwanitz, RolfSeuster, LisaSielaff, HorstSimm, ErikaSinger, JohannesDr. Skarpelis-Sperk, SigridDr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Steen, Antje-MarieSteiner, Heinz-Alfred Stiegler, LudwigDr. Struck, PeterTappe, JoachimDr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Tietjen, GüntherToetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, SiegfriedVerheugen, GünterDr. Vogel, Hans-Jochen Voigt , Karsten D. Vosen, JosefWallow, HansWaltemathe, Ernst Walter , RalfWalther , Rudi Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, BarbaraWeis , Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Wernitz, AxelEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 569; davon:•) Vgl. Seite 10770DWester, Hildegard Westrich, LydiaDr. Wetzel, Margrit Weyel, GudrunDr. Wieczorek, Norbert Wieczorek , Helmul Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, DieterDr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, HannaZapf, UtaDr. Zöpel, ChristophPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Enkelmann, DagmarDr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, RuthDr. Gysi, GregorDr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, UllaDr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, IngeborgDr. Schumann ,FritzStachowa, AngelaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, IngridPoppe, GerdSchenk, ChristinaWeiß , Konrad Wollenberger, VeraFraktionslosDr. Briefs, Ulrich Henn, BerndLowack, Ortwinja: 208nein: 359enthalten: 2 JaCDU/CSUVogt , Wolfgang SPDAdler, BrigitteAntretter, Robert Barbe, Angelika Bartsch, HolgerBecker , Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bindig, RudolfBlunck, LieselottDr. Böhme , Ulrich Börnsen (Ritterhude), Arne Dr. Brecht, EberhardDr. von Bülow, Andreas Bulmahn, Edelgard Burchardt, UrsulaBury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, PeterDr. Däubler-Gmelin, Herta Daubertshäuser, KlausDr. Diederich , Nils Diller, KarlDr. Dobberthien, Marliese Dreßler, RudolfEbert, EikeDr. Eckardt, PeterDr. Ehmke , Horst Eich, LudwigDr. Elmer, Konrad Erler, GernotEsters, HelmutEwen, CarlFerner, ElkeFormanski, Norbert Fuchs , Katrin Fuhrmann, Arne Gansel, NorbertDr. Gautier, Fritz Gilges, KonradDr. Glotz, Peter Graf, GünterGroßmann, Achim Habermann, Michael Hacker, Hans-Joachim Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, KlausDr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Heyenn, GüntherHiller , Reinhold Hilsberg, Stephan Huonker, Gunter Iwersen, GabrieleJäger, RenateJanz, IlseDr. Janzen, Ulrich Jaunich, HorstDr. Jens, UweJungmann , Horst Kastner, SusanneKastning, Ernst Klappert, MarianneDr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, SiegrunKlose, Hans-UlrichDr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbow, WalterKoltzsch, RolfKoschnick, Hans Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Kuhlwein, Eckart Lange, Brigittevon Larcher, Detlev Leidinger, RobertDr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann , Klaus Maaß (Herne), Dieter Mascher, UlrikeMatschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, MarkusMehl, UlrikeMeißner, HerbertDr. Mertens , Franz-JosefDr. Meyer , Jürgen Mosdorf, SiegmarMüller , Michael Müller (Völklingen), Jutta Müller (Zittau), Christian Müntefering, Franz Neumann (Gotha), Gerhard Dr. Niehuis, EdithDr. Niese, RolfNiggemeier, Horst Odendahl, Doris Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, PeterDr. Penner, Willfried Peter , Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, AlbertDr. Pick, Eckhart Poß, JoachimPurps, RudolfRappe , Hermann von Renesse, Margot Rennebach, RenateReschke, OttoRixe, GünterSchaich-Walch, Gudrun Schanz, DieterDr. Scheer, Hermann Scheffler, Siegfried Schily, OttoSchloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidt , Ursula Schmidt (Nürnberg), Renate Schmidt-Zadel, ReginaDr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Dr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Schwanitz, Rolf Seuster, LisaSielaff, HorstSimm, ErikaSinger, JohannesDr. Skarpelis-Sperk, SigridDr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Steen, Antje-MarieSteiner, Heinz-Alfred Stiegler, LudwigDr. Struck, Peter Tappe, JoachimDr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Tietjen, GüntherToetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, SiegfriedDas Haushaltsgesetz 1993 ist damit beschlossen.
Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3812 bekannt: *)Abgegebene Stimmen: 572, ungültige Stimmen: keine. Ja-Stimmen: 209, Nein-Stimmen: 361, Enthaltungen: 2.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10775
Vizepräsident Hans KleinVerheugen, GünterDr. Vogel, Hans-Jochen Voigt , Karsten D. Vosen, JosefWallow, HansWaltemathe, Ernst Walter , RalfWalther , Rudi Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, BarbaraWeis , Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen (Wiesloch), Gert Dr. Wernitz, AxelWester, Hildegard Westrich, LydiaDr. Wetzel, Margrit Weyel, GudrunDr. Wieczorek, Norbert Wieczorek , Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, DieterDr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, HannaZapf, UtaDr. Zöpel, ChristophF.D.P.Baum, Gerhart Rudolf Dr. Hirsch, BurkhartPDS/Linke ListeBläss, PetraDr. Enkelmann, DagmarDr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, RuthDr. Gysi, GregorDr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, UllaDr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ,FritzStachowa, AngelaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, IngridPoppe, GerdSchenk, ChristinaWeiß , Konrad Wollenberger, VeraFraktionslosDr. Briefs, Ulrich Henn, BerndNeinCDU/CSUDr. Ackermann, ElseAdam, UlrichDr. Altherr, Walter FranzAugustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-GünterDr. Bauer, Wolf Baumeister, BrigitteBayha, Richard Belle, MeinradDr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-DirkDr. Blank, Joseph-Theodor Blank, RenateDr. Blens, HeribertBleser, PeterDr. Böhmer, MariaBörnsen , Wolfgang Dr. Bötsch, WolfgangBohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, PaulBrudlewsky, Monika Brunnhuber, GeorgBühler , Klaus Büttner (Schönebeck), HartmutBuwitt, DankwardCarstens , Manfred Clemens, Joachim Dempwolf, GertrudDeres, KarlDeß, AlbertDiemers, Renate Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, Alfred Echternach, JürgenEhlers, Wolfgang Ehrbar, UdoEichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, AnkeFalk, IlseDr. Faltlhauser, KurtFeilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H.Fockenberg, Winfried Francke , Klaus Frankenhauser, HerbertDr. Friedrich, GerhardFritz, Erich G.Fuchtel, Hans-JoachimGanz , Johannes Geiger, MichaelaDr. Geiger , Sissy Geis, NorbertDr. von Geldern, Wolfgang Gerster , Johannes Gibtner, HorstGlos, Michael Göttsching, Martin Götz, PeterGres, Joachim Grochtmann, ElisabethGröbl, Wolfgang Grotz, Claus-PeterDr. Grünewald, Joachim Günther , Horst Frhr. von Hammerstein,Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ,GottfriedHaschke , Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, RainerHauser , Otto Hedrich, Klaus-JürgenHeise, ManfredDr. Hellwig, RenateDr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, ErnstHintze, PeterHörsken, Heinz-Adolf Hörster, JoachimDr. Hoffacker, PaulDr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, HubertJäger, ClausJaffke, SusanneJagoda, Bernhard Dr. Jahn ,Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, KarinDr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, EgonJung , Michael Junghanns, UlrichDr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, SteffenDr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, VolkerKeller, PeterKiechle, IgnazKittelmann, PeterKlein , Günter Klein (München), Hans Klinkert, UlrichKöhler ,Hans-UlrichDr. Köhler , VolkmarDr. Kohl, Helmut Kolbe, ManfredKors, Eva-MariaKoschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, RudolfDr. Krause , GüntherKrause , Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, ArnulfKronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, KarlDr. Lammert, Norbert Lamp, HelmutLattmann, Herbert Dr. Laufs, PaulLaumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, EdithaLink , Walter Lintner, EduardDr. Lippold , Klaus W.Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, SigrunLohmann , WolfgangLouven, JuliusLummer, Heinrich Dr. Luther, MichaelMaaß , Erich Männle, UrsulaMagin, TheoDr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Marten, GünterDr. Mayer , MartinMeckelburg, Wolfgang Meinl, RudolfDr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup,ReinhardMichalk, Maria Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, ThomasMüller , Elmar Müller (Wadern),Hans-WernerMüller , Alfons Nelle, EngelbertDr. Neuling, Christian Neumann , Bernd Nitsch, JohannesNolte, ClaudiaDr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto , Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, PeterPesch, Hans-Wilhelm Petzold, UlrichPfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, AntonPfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, GeroDr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, RonaldDr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, DieterRahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, HansDr. Ramsauer, Peter Rau, RolfRauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, ErikaDr. Rieder, NorbertDr. Riedl , Erich Riegert, KlausDr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode , Helmut Rönsch (Wiesbaden),HanneloreRomer, FranzDr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth , Adolf Rother, HeinzDr. Ruck, Christian Rühe, VolkerDr. Rüttgers, Jürgen Sauer , Roland Scharrenbroich, Heribert Schätzle, OrtrunDr. Schäuble, Wolfgang Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, BerndSchmidt , Christian Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke),JoachimSchmidt , Andreas Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler),Hans Petervon Schmude, MichaelDr. Schneider , Oscar
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10776 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Vizepräsident Hans KleinDr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer,Reinhard
Schulz , Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, StefanDr. Schwarz-Schilling,ChristianDr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, WilfriedSeiters, RudolfSikora, JürgenSkowron, Werner H.Dr. Sopart, Hans-Joachim Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Spranger, Carl-DieterDr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, HansDr. Frhr. von Stetten,WolfgangStockhausen, KarlDr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, MichaelDr. Süssmuth, Rita Susset, EgonTillmann, Ferdi Dr. Töpfer, KlausVerhülsdonk, RoswithaDr. Voigt , Hans-PeterDr. Vondran, RuprechtDr. Waffenschmidt, HorstDr. Waigel, TheodorGraf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, JürgenDr. Warrikoff, Alexander Werner , Herbert Wetzel, Kersten Wiechatzek, GabrieleDr. Wieczorek ,BertramDr. Wilms, Dorothee Wilz, BerndWimmer , WillyDr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, MatthiasDr. Wittmann, Fritz Wittmann ,SimonWonneberger, Michael Wülfing, ElkeWürzbach, Peter Kurt Yzer, CorneliaZeitlmann, Wolfgang Zierer, BennoZöller, WolfgangSPDWartenberg , Gerd F.D.P.Albowitz, InaDr. Babel, Gisela Beckmann, Klaus Dr. Blunk, MichaelaBredehorn, Günther Cronenberg ,Dieter-JuliusEimer , Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, JörgDr. Feldmann, Olaf Friedrich, Horst Funke, RainerDr. Funke-Schmitt-Rink,MargretGallus, Georg Ganschow, Jörg Grünbeck, Josef Grüner, MartinGünther , Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-DieterHansen, DirkHeinrich, UlrichDr. Hitschler, WalterDr. Hoth, Sigrid Dr. Hoyer, Werner Irmer, UlrichKleinert , Detlef Kohn, RolandDr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, JürgenDr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,SabineLühr, UweMischnick, WolfgangNolting, Günther Friedrich Otto ,Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, LisaDr. Pohl, EvaRichter , ManfredRind, Hermann Dr. Röhl, KlausSchäfer , Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), ArnoDr. Schmieder, JürgenDr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard Schuster, HansDr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, MaritaSeiler-Albring, UrsulaDr. Semper, SigridDr. Solms, Hermann OttoDr. Starnick, JürgenDr. von Teichman, Cornelia Dr. Thomae, DieterTimm, Jürgen Walz, IngridDr. Weng , WolfgangWolfgramm , TorstenWürfel, UtaZurheide, Burkhard Zywietz, WernerFraktionslos Lowack, OrtwinEnthaltenCDU/CSUDehnel, Wolfgang F.D.P.Türk, JürgenDamit ist der Antrag abgelehnt.
Wir fahren in der Aussprache fort. Ich erteile das Wort dem Kollegen Jochen Poß
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vordergründiger Anlaß dieser Debatte ist der Gesetzentwurf, zu dem der Kollege Klein bereits Stellung bezogen hat. Aber mit dem Gesetzentwurf sollte, Herr Kollege Klein, eigentlich auch das Urteil des Verfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 gesetzgeberisch umgesetzt werden. Ich finde — im Gegensatz zu Ihrer Bewertung des Vorganges —, daß dieser Gesetzentwurf symptomatisch ist für die Behandlung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durch die Bundesregierung. Es wird ein Gesetz vorgelegt, daß im Vorfeld nicht einmal mit den Ländern abgestimmt worden ist. Deswegen auch hat der Bundesrat bezeichnenderweise das Gesetz in allen Teilen abgelehnt. Es wird ein Gesetz vorgelegt, in dem eine wichtige, vielleicht die bedeutsamste Forderung des Bundesverfassungsgerichts, überhaupt nicht erfüllt ist: ein Sanierungsprogramm für Bremen und für das Saarland. Der Bundesfinanzminister verstößt damit sowohl gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch gegen hauswirtschaftliche Notwendigkeiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, daß Bund und Länder unverzüglich die Sanierung der in extremer Haushaltslage befindlichen Länder Bremen und Saarland in Angriff zu nehmen haben. Hierfür hat der Gesetzgeber, Herr Kollege Klein, also der Bund, einen Vorschlag zu unterbreiten. Ein Beginn erst ab 1995 ist mit Sicherheit nicht „unverzüglich" im Sinne des Bundesverfassungsgerichts.
Es ist genauso wenig aus dem Urteil abzuleiten, daß nur Bremen und das Saarland Sanierungsvorschläge zu unterbreiten haben — diese liegen im übrigen bereits vor —, sondern daß auch die Bundesregierung ein eigenes Sanierungsprogramm vorzulegen hat. Hieran fehlt es bisher. Aber wir sind es inzwischen ja gewohnt, daß diese Regierung zu keinem Konzept mehr in der Lage ist.
Es wäre auch finanzwirtschaftlich geboten, ein solches Programm alsbald, spätestens ab dem 1. Januar 1994, in Kraft treten zu lassen. Solange die Landeshaushalte von Bremen und dem Saarland nicht saniert sind, befinden sie sich in einem nicht verfassungsgemäßen Zustand. Außerdem werden die Schulden weiter anwachsen, Zinsausgabenquote und Steuerquote werden sich weiter verschlechtern und die Sanierung insgesamt für den Bund und die restlichen Länder insgesamt wesentlich teurer werden. Da durch das heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz die Lander Bremen und Nordrhein-Westfalen den ihnen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zustehenden Nachteilsausgleich erhalten, stim-
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Joachim PoBmen wir diesem Gesetz trotz meiner kritischen Ausführungen zu. Was wir heute als Länderfinanzausgleichsgesetz beraten, ist nur der Anfang einer Reform des Länderfinanzausgleichs, die sich bis Ende nächsten Jahres hinziehen wird und Bund, Länder und die Gesetzgebungsorgane Bundestag und Bundesrat noch eingehend beschäftigen wird. Dennoch möchte ich zwei Anmerkungen machen, die das gesamte Reformprojekt Länderfinanzausgleich betreffen.Erstens. Ich halte es nicht nur für eine mangelnde Sachkompetenz, sondern auch für eine Leichtfertigkeit, wenn Politiker aus diesem Kreise — nicht unbedingt Finanzpolitiker, aber der Kollege Genscher zum Beispiel — immer wieder der Bevölkerung verkünden und damit den Anschein erwecken, daß die Reform des Länderfinanzausgleichs alle Probleme im Osten Deutschlands lösen könne. Erinnern Sie sich, Herr Kollege Genscher hat eine Zeitlang gerade in Ostdeutschland jedes Wochenende eine solche Losung ausgegeben, und er hat mit Blick auf die dortige Bevölkerung im übrigen auch zur Irreführung beigetragen.Die Länder, die Westländer, die von Herrn Klein so gescholtenen Westländer, haben durch die Vorlage eigener Vorstellungen über die Grenzen des verfassungsrechtlichen Rahmens und die Grenzen ihrer Belastbarkeit konstruktive Vorschläge gemacht und wiederholt erklärt, daß sie sich der gesamtstaatlichen Verantwortung nicht entziehen werden. Es ist ein Teil der Falschaussagen aus den Verhandlungen über den Einigungsvertrag, wenn wir jetzt den Länderfinanzausgleich zu einem so zentralen Streitpunkt hochstilisieren, an dem sich auch maßgebend der jetzige Bundesminister Dr. Krause beteiligt, während er bei den Vertragsverhandlungen leider völlig ohne Einsicht das fatale Gegenteil verkündet hatte. Er trat damals als Sachwalter der neuen Länder auf, und es ist nicht zu spät zu zitieren, was er damals, nämlich am 14. August 1990 zu den Verhandlungsergebnissen mit dem Bundesfinanzminister festgestellt hat — ich zitiere Herrn Dr. Krause:Die jetzt gefundenen Finanzregelungen im Entwurf des Einigungsvertrags stellen den entscheidenden Beitrag zur Sicherung der finanziellen Ausstattungen der künftigen Länder der DDR dar. Von einer zukünftigen Zweitklassigkeit der DDR-Länder im Vergleich zu den übrigen Bundesländern und einer katastrophalen Verschuldung dieser neuen Länder kann überhaupt nicht die Rede sein.Ich kann nur sagen: Walter Romberg läßt grüßen.Ich möchte weiter die Ergebnisse der Verhandlungspartner von West- und Ostdeutschland über die Finanzausstattung der neuen Länder mit den Worten des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden in der DDR-Volkskammer, Herrn Dr. Krause, dokumentieren:Im übrigen hält die Finanzausstattung der Länder der DDR jedem Vergleich mit der Finanzausstattung anderer Bundesländer stand.Krause berechnet, daß sich nach den Regelungen des Einigungsvertrages eine verbleibende Gesamtverschuldung für 1994 von ca. 44 Milliarden DM ergebe. Rechne man die Gesamtverschuldung der DDR-Länder auf die Einwohner um, so ergebe sich eine Pro-Kopf-Verschuldung von ca. 2 750 DM. Dr. Krause folgert, daß die Regelung im Einigungsvertrag dem Finanzbedarf der Länder und Gemeinden der DDR Rechnung trage und einen Vergleich mit der finanziellen Lage anderer Bundesländer nicht zu scheuen brauche; denn eine Verschuldung von Bundesländern sei auch in der Bundesrepublik üblich.Wenn diese historischen Fehlleistungen der zuständigen Verhandlungspartner Waigel und Krause nicht so traurige Folgen hätten, könnte man über so viel komprimierten Unsinn auch noch lachen.
Herr Kollege Poß, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Günther Krause zuzulassen?
Ja, bitte.
Sehr geehrter Herr Kollege, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß während der Verhandlung des Einigungsvertrages die DDR einen Länderfinanzausgleich gegen den Willen der westdeutschen SPD-Länder durchgesetzt hat, weil die SPD-Verhandlungslinie „Netto-Kredit-Aufnahme über den Fonds Deutsche Einheit" hieß und wir schon gewußt haben: Teilung kann nur durch Teilen überwunden werden?
Herr Dr. Krause, das ändert an dem, was ich zitiert habe, und an der Bewertung überhaupt nichts.
Gestatten Sie auch eine zweite Frage?
Herr Kollege, würden Sie vielleicht akzeptieren, daß wir in beiden Parlamenten und im Bundesrat mit Zweidrittelmehrheiten diesem „Teilung kann nur durch Teilen überwunden werden" gegen den Willen der SPD-regierten Länder, den Fonds Deutsche Einheit zu verdoppeln, zugestimmt haben?
Wir hatten in der damaligen Situation — sicherlich auch zu Recht — keine andere Möglichkeit, als unsere Zustimmung zum Einigungsvertrag zu geben. Das ändert aber überhaupt nichts an dem Ergebnis und an der katastrophalen Fehleinschätzung des Verhandlungsteils, den Sie und Herr Dr. Waigel mit zu verantworten haben.
Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Probleme in den neuen Ländern sind nicht nur Finanzprobleme, nicht nur Probleme des unzureichenden Finanztransfers. Die ungelösten Eigentumsfragen, die
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10778 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Joachim Poßmangelnde Handlungsfähigkeit der Kommunen und der schleppende Verwaltungsaufbau behindern den Aufschwung Ost mindestens ebenso. Deshalb müssen die Finanzfragen möglichst bald entschieden werden, um zumindest hier Klarheit und Planungssicherheit zu erhalten. Eine solche Entscheidung sollte möglichst keine Verfassungsänderung erfordern. Vom Bundesfinanzminister erwarten wir, daß er bei diesem wichtigen Thema keine neuen Tricks versucht und auch keine rein taktischen Vorschläge macht. Wir erwarten jetzt vom Bundesfinanzminister ein tragfähiges Gesamtkonzept zur Neugestaltung des Finanzausgleichs, das sowohl die finanzielle Situation des Bundes und der Länder beachtet als auch dem föderativen Prinzip unseres Gemeinwesens entspricht.
— Das liegt noch nicht vor; das müssen Sie mir einmal zeigen.
Das Wort hat der Kollege Gerhard Schüßler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es würde die zur Verfügung stehende Zeit überschreiten, wenn ich das alles richtigstellen wollte, Herr Poß, was Sie jetzt gerade falsch vorgetragen haben.Meine Damen und Herren, in dem vorliegenden Gesetzentwurf werden erste Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Finanzausgleich vom 27. Mai 1992 gezogen. Es geht lediglich um Korrekturen der in der Vergangenheit erlittenen Nachteile, begrenzt auf die Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen. Das ist es, worum es in diesem Gesetzentwurf geht. Für die betroffenen Länder sind die Beiträge allerdings nicht von Pappe. Für Bremen geht es immerhin um einen dreistelligen Millionenbetrag.Die heutige Diskussion — das haben wir gerade erlebt — ist eigentlich der parlamentarische Auftakt für einen der wohl heftigsten Verteilungskämpfe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, den wir in unserem föderalen System bisher erlebt haben. Ab 1995 müssen die neuen Bundesländer am gesamtstaatlichen Finanzausgleich teilnehmen. So sieht es der Einigungsvertrag vor, und so ist es notwendig, und wir wollen das alle, die F.D.P. eher früher als später. Es ist darüber hinaus nicht zu leugnen, daß das Nebeneinander von vertikalem Finanzausgleich, Länderfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisungen, Gemeinschaftsaufgaben und Investitionszuschüssen zu einem komplizierten und an vielen Stellen sicher auch ineffizienten System geführt hat, das geradezu nach mehr Vereinfachung, Transparenz und Ausgewogenheit schreit.
Dazu kommt dann auch noch die überfällige Gemeindefinanzreform. Meine Damen und Herren, bei den anstehenden Verfassungsänderungen und bei den steuerlichen Entlastungen für die Unternehmen müssen die grundsätzlich garantierte Finanzautonomieund die Selbstverwaltung der Gemeinden gewahrt und gestärkt werden.Die Neuordnung des Finanzausgleichs mag ohne Verfassungsänderung gelingen. Für die notwendige Verbesserung der finanzverfassungsrechtlichen Struktur ist das nicht möglich. Hier steht der Föderalismus sicherlich auf dem Prüfstand, meine Damen und Herren. Es muß schon 1993 gelingen, eine Übereinkunft über die wesentlichen Eckwerte des neuen Länderfinanzausgleichs und die Finanzierung der Erblasten herzustellen. Die finanzpolitischen Unsicherheiten müssen so schnell wie möglich beseitigt werden, um allen Beteiligten eine Kalkulationsgrundlage für ihre mittelfristige Finanzplanung und die wirtschaftliche Entwicklung zu geben. Die Probleme sind bekannt. Ich will sie nicht alle aufzählen. Was wird mit den Schulden des Kreditabwicklungsfonds und der Treuhandanstalt? Wie bewältigen wir die Aufstockung der Leistungen des Fonds Deutsche Einheit für 1993 und 1994? Direktbeiträge des Bundes und der alten Lander sind notwendig. Das „und" unterstreiche ich. Die alten Länder dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Wie sieht es mit der Anschlußregelung bei den Bundesergänzungszuweisungen aus? Wie gelingt die Sanierung des Landes Bremen und des Saarlandes?Das ist, meine Damen und Herren, ein Sack voller Fragen und Unbekannten. Es könnte noch viel mehr genannt werden. Der Bund ist kompromißbereit. Er stellt die Vorabregelung zur Ländersteuergarantie, deren Streichung er vorgeschlagen hat, zurück. Er beteiligt sich etwa zur Hälfte an der Korrektur des Nachtragsausgleichs zugunsten Bremens, indem er die Bundesergänzungszuweisungen für 1992 um jeweils 119 Millionen DM erhöht. Auf Grund des Verfassungsgerichtsurteils besteht dazu offensichtlich keine Verpflichtung. Die andere Hälfte soll und muß jedoch aus dem Gesamtvolumen der Bundesergänzungszuweisungen finanziert werden. Der Bundesrat verweigert sich total und verlangt, der Bund solle den Gesamtbetrag in Höhe von 766 Millionen DM außerhalb des Volumens der Bundesergänzungszuweisungen allein zahlen. So geht das nicht. Das heißt doch, wenn man ehrlich ist, daß die Bundesergänzungszuweisungen noch weiter aufgestockt werden sollen. Wie der Begriff schon sagt, sind sie aber nur eine Ergänzung; sie sind nicht als Ersatz des horizontalen Finanzausgleichs gedacht. Da kann man von Solidarität bei den Bundesländern schon nicht mehr sprechen. Es ist ja ohnehin erstaunlich: Die Bundesländer wehren sich aus gutem Grund grundsätzlich gegen alle zentralstaatlichen Tendenzen, nur bei den Finanzen nicht. Da wird alles dem Bund zugeschoben.
Bund und Länder sind gemeinsam verpflichtet, hier eine Lösung zu finden. Ich denke, der Bremer Senator Herr Kröning hat es in der Sitzung des Bundesrates am 6. November richtig erkannt; er hat Bund und Lander aufgefordert, durch beiderseitiges Aufeinanderzuge-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10779
Gerhard Schüßlerhen die Finanzierungsfrage ohne Vermittlungsverfahren zu klären. Dem schließt sich die F.D.P.-Fraktion an, meine Damen und Herren. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt Ihnen heute zur Beschlußfassung vor.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Joachim Grünewald.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht, wie Herr Kollege Schüßler gerade schon gesagt hat, hier und heute nur um kleine Nachbesserungen, die auf Grund des verfassungsgerichtlichen Urteils unabdingbar notwendig geworden sind; denn sie beziehen sich auf den laufenden Vollzug. Das ist das Entscheidende. Hier geht es nicht, Herr Poß, wie Sie meinten, um das große Problem einer generellen Regelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.
— Sie haben darauf hingewiesen. Sie haben aber den Bundesfinanzminister aufgefordert, er solle seine Schularbeiten machen. Wir haben unverzüglich nach dem Urteil unsere Schularbeiten gemacht. Wir haben den Ländern ein Thesenpapier vorgelegt. Das, was hier immer gefordert wird — eine singuläre Regelung für Bremen und für das Saarland vorab —, ist schon nach dem verfassungsgerichtlichen Urteil überhaupt nicht möglich; denn die Grundsätze, die das Verfassungsgericht aufgestellt hat, sind für die Regelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch mit Blick auf die neuen Länder von großer Aussagekraft, und da sind die Probleme ungleich schwergewichtiger als bei Bremen und beim Saarland.
Am 19. November haben wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts — Herr Poß, das ist von Ihnen verkannt worden — handelt es sich bei den BundLänder-Finanzbeziehungen primär um horizontale Probleme, die also von den Ländern untereinander zu lösen sind, und nur ergänzend — deswegen „Bundesergänzungszuweisungen" — um die vertikale Problematik; ohne die Länder kann da der Bund überhaupt nichts machen. Die Länder sind herzlich gern eingeladen und aufgefordert, uns bei der Lösung dieser schwierigen Probleme zu helfen.Jetzt noch einmal zurück zum eigentlichen Anlaß der heutigen Diskussion. Hier und heute geht es darum, einige Nachbesserungen vorzunehmen, die nun unverzüglich notwendig sind. Es sei hier auch einmal folgendes gesagt — es wird ja immer etwas anderes kolportiert —: Das Bundesverfassungsgericht hat unseren geltenden bundesstaatlichen Finanzausgleich im wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt und hat uns nur in einzelnen Punkten — eben bei der Ländersteuergarantie und bei Einzelregelungen des Nachteilsausgleichs; für Nordrhein-Westfalen nahezu unbedeutend, anders aber für Bremen — zum Handeln aufgefordert.Wir hatten im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen, die Ländersteuergarantie aufzuheben. Das ist auch nicht neu. Ich selbst habe für die Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe schon unsere eigenen Bedenken im Hinblick auf diese Ländersteuergarantie vorgetragen, so daß es uns gar nicht überrascht hat, daß das Verfassungsgericht diese Ländersteuergarantie, die außerordentlich kompliziert ist und im Grunde genommen nur eine Korrekturrechnung beinhaltet, für verfassungswidrig erklärt hat.Die Länder — der Bundesrat — wünschen die Aufhebung nicht. Sie haben einfach Sorge, daß das präjudizierenden Charakter für die große Lösung ab 1995 haben könnte. Um im Interesse von Bremen, Herr Poß, alsbald helfen zu können, die Haushaltsnotlage zu mildern, haben wir auf die Herausnahme der Ländersteuergarantie verzichtet, allerdings mit großem Bedauern, denn die Rechtsunsicherheit für den Vollzug von 1991 bis zur Neuregelung 1995 bleibt für die Länder leider erhalten.Der zweite Regelungskomplex betrifft die ergänzenden Deckungen, die wir für die Bereinigung in bezug auf Bremen und Nordrhein-Westfalen brauchen. Hier ist wieder folgendes interessant: Darüber, wie wir das zu berechnen haben und wie der Anspruch von Bremen und der kleine Anspruch von Nordrhein-Westfalen ist, waren wir mit den Ländern sofort einig. Aber es ist wie immer: Immer wenn es ums Zahlen geht, verweigern sich die Länder, obgleich es sich — ich wiederhole es — primär um eine horizontale Aufgabe handelt.Lassen Sie mich sagen, was der neugewählte Bundesratspräsident Oskar Lafontaine in der letzten Bundesratssitzung zu Recht gesagt hat: Die Lösung dieser Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist die größte Herausforderung für den Bundesrat in der Nachkriegsgeschichte. — Lassen Sie mich hinzufügen: So wie sich dieser gnadenlose Verteilungskampf angelassen hat, ist das die Bewährungsprobe für unseren Föderalismus überhaupt.
Deswegen sollte man hier nicht immer nur mäkeln, sondern man sollte sich auf den Weg machen, diese Probleme — das wollen wir tun — zumindest in den Eckwerten gemeinsam mit den Ländern schon bis zur Sommerpause nächsten Jahres zu erledigen.Die Bundesregierung hält es schlicht und einfach für unverzichtbar, daß jetzt bei dieser Vorabregelung auch schon die Länder mindestens die Hälfte der zusätzlichen Kosten tragen. Herr Poß, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie diesem Weg gestern zugestimmt haben. Ich hoffe und erwarte sehr, daß der Bundesrat das nun auch tut. Denn, Herr Kollege Krumsiek, wenn man das ganz einfach betrachtet, ist es doch so — jetzt spreche ich an die Adresse des Bundesrates —: Gemessen an der Entscheidung des Verfassungsgerichts haben sich die übrigen Länder durch den nicht vorgenommenen Nachteilsausgleich ungerechtfertigt bereichert. Sie geben doch jetzt nur einen Teil dieser ihrer ungerechtfertigten Bereicherung zurück. Wir geben, ohne daß es dazu überhaupt eine rechtliche Notwendigkeit geben würde, unseren Anteil hinzu. Deswegen knüpfe ich an diese Stunde
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10780 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Parl. Staatssekretär Dr. Joachim Grünewaldhier am heutigen Morgen schon die nachhaltige Erwartung, daß der Bundesrat nun dieses Gesetz auch passieren läßt und der Beschlußempfehlung, die wir dankenswerterweise gestern zusammen mit der SPD treffen konnten, folgt, auch und nicht zuletzt im Interesse von Bremen, damit wir wenigstens schon ein Stück weit dieser extremen Haushaltsnotlage, wie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, abhelfen können.Ich danke Ihnen sehr.
Vorbehaltlich der Antwort auf Ihre Frage, Herr Kollege Faltlhauser, schließe ich jetzt die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Regierungsentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, Drucksachen 12/3582 und 12/3847. Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Um das gleiche bitte ich jetzt diejenigen, die ihn ablehnen wollen. — Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? — Das ist auch niemand. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt VII auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zollrechtsänderungsgesetzes
— Drucksachen 12/3436, 12/3734 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 12/3860 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Claus Jäger Lydia Westrich
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung? — Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Wer dagegen ist, möge sich vom Platz erheben. — Wer sich enthält, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt VIII auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute
— Drucksache 12/3377 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 12/3852 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl Fell Martin Grüner
Elmar Müller Dr. Norbert Wieczorek
b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 12/3853 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Nils Diederich Hans-Werner Müller (Wadern)
Werner Zywietz
Eine Aussprache ist auch dazu nicht vorgesehen. Der Berichterstatter hat aber um das Wort gebeten. Herr Kollege Müller , bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kreditwesengesetz ist nach mehrmonatiger Beratung im Finanzausschuß einstimmig verabschiedet worden. Ich denke, mit dem Ergebnis können alle Beteiligten zufrieden sein. Der Finanzausschuß und die Berichterstatter — Dr. Karl Fell, Martin Grüner, Dr. Norbert Wieczorek und ich — haben jedoch vereinbart, daß wir auf eine besondere Passage noch einmal mündlich hinweisen wollen, damit am Montag nicht in den Zeitungen steht, daß das Sparbuch abgeschafft worden sei.Es geht um die Vorschriften des Sparverkehrs in den §§ 21, 22 und 22a. Diese werden zwar gestrichen, weil es für ihren Verbleib im KWG tatsächlich keinen Grund mehr gibt; jedoch bleibt es weiterhin bei durch den Gesetzgeber bestimmten Rahmenregelungen für den Sparverkehr; denn in § 11, der sich mit den Liquiditätsgrundsätzen der Kreditwirtschaft befaßt, wird ein Satz 4 angefügt, der besagt:In den Grundsätzen ist an die Definition der Spareinlagen, insbesondere des Sparbuches, in der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute, die insoweit der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedarf, anzuknüpfen.Das also ist die Anknüpfung. Darauf wollen wir insbesondere hinweisen. Damit ist klargestellt: Es bleibt inhaltlich beim Sparverkehr, es bleibt beim Sparbuch. Wir ändern lediglich gesetzestechnisch dahin gehend ab, daß die Einzelheiten nicht mehr direkt im KWG, sondern in der Rechnungslegungsverordnung festgelegt werden, und zwar mit Zustimmung des Deutschen Bundestages. Damit ist klargestellt, daß es beim Sparbuch bleibt.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10781
Elmar Müller Danke schön.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und zur Schlußabstimmung. Ich bitte alle, die dem Gesetz zustimmen wollen, sich vom Platz zu erheben. —Jetzt das gleiche für die, die ihn ablehnen wollen. — Jetzt die, die sich der Stimme enthalten wollen. — Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II b und den vorhin aufgesetzten Zusatzpunkt auf:
II b Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche
— Drucksache 12/3684 —
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rolf Schwanitz, Achim Großmann, Robert Antretter, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche — Verlängerung des Kündigungsschutzes für gewerblich genutzte Räume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke
— Drucksache 12/3447 —Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses
— Drucksache 12/3862 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther Dr. Eckhart Pick
ZP Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Baumeister, Dr. Rita Süssmuth, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Franz Müntefering, Peter Conradi, Gerd Wartenberg , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ina Albowitz, Manfred Richter (Bremerhaven), Dr. Jürgen Starnick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bundesbauverwaltung (Zuständigkeitsanpassungs-Gesetz)
— Drucksache 12/3808 —
Überweisungsvorschlag:
Ältestenrat
Rechtsausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen gleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. in der Ausschußfassung, Drucksache 12/3684 und Drucksache 12/3862. Wer stimmt dafür? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Niemand. Dieser Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. — Jetzt bitte ich diejenigen, die ablehnen wollen, sich zu erheben. — Wer möchte sich enthalten? — Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung empfiehlt der Rechtsausschuß, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3447 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Zusatzpunkt. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ältestenrat, zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und an den Haushaltsausschuß zu überweisen.
Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist die Überweisung mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt X auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege
— Drucksache 12/1217 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 12/3832 —
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Eylmann Jörg van Essen
Dr. Wolfgang Götzer
Detlev Kleinert Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Dr. Eckhart Pick
Dieter Wiefelspütz
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Professor Dr. Eckhart Pick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute in
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10782 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Eckhart Pickzweiter und dritter Lesung ein Gesetz, das unter dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege" im November 1991 vom Bundesrat in das parlamentarische Verfahren eingebracht worden war. Hinter diesem Titel verbarg sich der radikalste Eingriff in fast alle Verfahrensordnungen der letzten hundert Jahre. Der Gesetzentwurf stieß damals in der Öffentlichkeit auf große Kritik. Manche sahen darin schon an den Grundlagen des Rechtsstaates gerüttelt und reagierten mit Empörung. Von keiner Seite erhielten die Vorschläge ungeteilte Zustimmung. Auch die Bundesregierung konnte in ihrer Stellungnahme ungefähr die Hälfte aller Vorschläge nicht bzw. nur mit Bedenken akzeptieren. Ebenso hat der Bundestag in seiner ersten Lesung allgemein zurückhaltend auf die Initiative des Bundesrates reagiert.Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich betonen: Die Initiative des Bundesrates hätte in der Fassung, in der sie im November 1991 vorgelegen hat, nie und nimmer unsere Zustimmung gefunden. Die SPDFraktion hat ihre grundsätzliche Kritik an der fehlenden Gesamtkonzeption festgemacht und insbesondere die Änderungen und die Vorstellungen zur Änderung der Rechtsmittel und des Beweismittel-rechts im Strafverfahren kritisiert. Dazu wird mein Kollege Jürgen Meyer im einzelnen noch Stellung nehmen.Ich denke, es war richtig, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, um die Verfahren von Beschwernissen zu befreien, wodurch die Rechtssuchenden nicht unangemessen belastet werden, den Gerichten aber eine Verfahrensstraffung ermöglicht wird. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich dabei von folgenden Grundsätzen leiten lassen.Erstens. Wir sind kein sogenannter Rechtsmittel-staat, wie gelegentlich behauptet wird. Wir sind ein Rechtsstaat, und die Justizgewähr, d. h. die Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, ihr Recht notfalls vor Gericht geltend zu machen, ist ein hohes Gut. Die Gerichte müssen die Instrumente erhalten, um zügig und doch entsprechend der Bedeutung der Streitgegenstände angemessen und gründlich — und hoffentlich auch richtig — entscheiden zu können,Zweitens. Es kam uns darauf an, die Bedeutung des Amtsgerichts als der im Regelfall ersten Instanz zu stärken. Mit der Erweiterung der Zuständigkeit bis zu einem Streitwert von 10 000 DM wird dieser Vorstellung Rechnung getragen. Auch die Erhöhung der Berufungssumme auf 1 500 DM entspricht diesem Prinzip, weil dadurch die Verantwortung des Amtsgerichts gestärkt wird. Es wird ja bekanntlich eine Überprüfung des Urteils generell unmöglich, wenn eine Partei mit weniger als 1 500 DM beschwert ist. Die Amtsgerichte werden schließlich auch zusätzlich belastet.Diese von uns vorgesehenen Maßnahmen greifen aber nur dann in der erwarteten Weise, wenn bei den Richterinnen und Richtern an den Amtsgerichten auch eine Akzeptanz für sie erreicht wird. Dies kann der Gesetzgeber von Bonn aus nicht regeln. Aber wir erwarten von den Ländern, daß die sogenannte Pensenzahl, d. h. die Zahl der Erledigungen, merklich gesenkt wird, weil mit zunehmenden Streitwerten die Sachen auch an Schwierigkeit zunehmen.Wir erwarten ferner, daß auch die Zahl der Beförderungsstellen spürbar erhöht wird. Die für 1994 vorgesehene Erhöhung auf ein Verhältnis von 1:7 muß bei den jetzt vorgesehenen Maßnahmen mindestens 1 : 5 modifiziert werden. Wir möchten dies dem Bundesrat, den Ländern ins Stammbuch schreiben,Der Rechtsausschuß hat in seiner Anhörung vom 29. April dieses Jahres alle von der Rechtspflege Betroffenen zu den Vorschlägen des Bundesrates gehört und einen sorgfältig vorbereiteten Fragenkatalog vorgelegt. Ich kann dazu sagen, daß die SPD-Fraktion Kritik und Verbesserungsvorschläge offen aufgenommen und zu einem Großteil auch übernommen hat.Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir in vielen Veranstaltungen mit den Betroffenen diskutiert und wertvolle Anregungen bekommen haben. Beispielsweise haben wir im Rahmen der Rechtsmitteldiskussion im Zivilverfahren sowohl die Zulassungsberufung als auch die Zulassungsrevision verworfen. Beides erschien uns weder entlastend noch in das System der Rechtsmittel bruchlos einfügbar. Letztlich waren wir der Auffassung, daß damit auch weniger individueller Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sei.Bei der Zuständigkeit der Zivilkammern der Landgerichte sah der Entwurf des Bundesrates die obligatorische Zuständigkeit des Einzelrichters bis zu einem Streitwert von 30 000 DM vor. Wir sind diesem Vorschlag so nicht gefolgt. Wir wollen es bei einer flexiblen Handhabung durch die Kammer belassen. Deswegen haben wir formuliert, daß der Einzelrichter in der Regel zuständig sein soll, daß aber in Streitsachen von grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Schwierigkeit die Kammer an seine Stelle treten soll. Ganz bewußt ist die Forderung aufgegriffen worden, daß auch der Vorsitzende der Kammer angemessen Berichterstattungen zu übernehmen hat.Für uns Sozialdemokraten kam es auch darauf an, die vorgesehenen Änderungen daraufhin zu überprüfen, ob sie sozial vertretbar sind. Deswegen haben wir z. B. bei der Bemessung der Berufungssumme sehr sorgfältig abgewogen, welche Art von Rechtsstreitigkeiten mit der Berufung nicht mehr anfechtbar werden. Wenn beispielsweise, wie zum Teil gefordert, die Berufungssumme auf 2 000 DM erhöht worden wäre, wäre ein beträchtlicher Teil von Mietstreitigkeiten und Schadenersatzprozessen künftig nur noch in einer einzigen Instanz entschieden worden. Deswegen waren wir für eine Erhöhung auf nur 1 200 DM.Die Einschnitte in das Verfahren vor den Sozialgerichten stoßen auf unsere Bedenken. Hier konnten wir uns jedoch nicht durchsetzen. Wir werden abwarten müssen, ob der sogenannte Rechtsentscheid sich bewähren wird.
— Wir wollen das ja überprüfen. Es ist jetzt nur auf Zeit festgelegt, Herr Geis. Insofern können wir es in der Tat überprüfen.Wir sind aber froh, daß die fiktive Klagerücknahme gerade in diesem Bereich jetzt vom Tisch ist.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10783
Dr. Eckhart PickIm Ergebnis tragen wir die Beschlüsse des Rechtsausschusses mit. Es ist nicht die von uns angemahnte Strukturreform der Rechtspflege.
— Insofern, Herr Geis, sind die Blütenträume noch nicht gereift.Wir wollen eigentlich mehr als bisher Prozesse erst gar nicht zum Gericht kommen lassen. Deswegen sind die Instrumente der außergerichtlichen Streitbeilegung — ich füge hinzu: auch die Anreize gebührenrechtlicher Art — von uns noch zu verstärken. Wir mahnen an, die zweifelsfrei vorhandenen organisatorischen Mängel in der Organisation der Gerichte abzubauen. Erst wenn Konsequenzen aus den vorhandenen Untersuchungen gezogen worden sind, sind wir bereit, über weitere Schritte zu reden. Wir haben nicht zuviel an Justizgewähr, sondern wir haben unerschlossene Potentiale an Effektivität im gerichtlichen Ablauf. Das Tempo des Aktenwagens darf die Effizienz der innergerichtlichen Abläufe nicht mehr bestimmen.Meine Damen und Herren, unser Gerichtswesen hat sich bewährt. Es lohnt sich aber weiterhin, über Verbesserungen im Interesse der Rechtsuchenden nachzudenken.
Schönen Dank.
Herr Kollege Horst Eylmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz in den neuen Bundesländern — darüber besteht sicherlich Einigkeit — ist eine der zentralen Aufgaben des Einigungsprozesses. Unabhängige Gerichte sind unabdingbare Voraussetzung dafür, daß der Staat die Freiheitsrechte seiner Bürger sichern kann.Unsere Mitbürger in den neuen Ländern haben seit 1933 keine unabhängige Justiz mehr erleben können. Sie müssen jetzt Vertrauen zu dieser neuen, unabhängigen Richterschaft fassen können. Das ist schon deshalb nicht einfach, weil notwendigerweise ein Teil der alten Richter auch die neuen sind und die aus der alten Bundesrepublik dorthin übergewechselten oder abgeordneten Richter als landesfremde „Wessis" auch nicht völlig ohne Vorbehalte betrachtet werden. Auf der Justiz in den neuen Ländern lastet eine große Verantwortung, denn nicht zuletzt von ihrer Arbeit wird es abhängen, ob sich dort eine feste Akzeptanz unseres Rechtsstaates ausbreitet.Der Deutsche Bundestag hat allen Anlaß, den Richtern und Justizbediensteten zu danken denen aus den neuen wie denen aus den alten Ländern —, daß sie sich seit der Wiedervereinigung dieser Aufgabe unter beschwerlichen Bedingungen mit großem Einsatz gewidmet haben.
Mit Befriedigung und Respekt können wir außerdem zur Kenntnis nehmen, daß die Justizministerien der neuen Länder mit dem organisatorischen Aufbau einer Justiz nach dem Muster der alten Bundesrepublik gut vorangekommen sind. Aber es darf andererseits, meine Damen und Herren, auch nicht verschwiegen werden, daß in den neuen Ländern nach wie vor ein großer Richtermangel herrscht. Viele Verfahren können nicht in angemessener Zeit erledigt werden. Das muß notwendigerweise den Vertrauensprozeß beeinträchtigen.Es gibt in Deutschland ohnehin eine ungute Tradition sich lang hinziehender Gerichtsverfahren. Beschleunigungsversuche werden gern mit dem Hinweis gekontert, es dürfe kein „schneller Prozeß" gemacht werden. Natürlich darf Schnelligkeit nicht zu Lasten der Gerechtigkeit gehen; aber zu glauben, mit der Dauer eines Prozesses steige auch die Qualität seines Ergebnisses, ist ein großer Irrtum.
Nur schnelles Recht ist gutes Recht. Eine Strafe verliert weitgehend ihren Sinn, wenn sie Jahre nach der Tat verhängt wird.Für das Ansehen und das Vertrauen, das unser Rechtsstaat genießt, ist es zur Zeit z. B. von ganz wesentlicher Bedeutung, daß rechtsextremistische Gewalttäter schnell angeklagt und verurteilt werden,
Aber auch Zivilprozesse, die erst nach vielen Jahren vom BGH rechtskräftig entschieden werden, befriedigen selbst die obsiegende Partei nicht mehr. Die Dauer verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren ist für die Bürger weitgehend unzumutbar. Man kann es wohl nur als das Ergebnis eines langwierigen Gewöhnungsprozesses deuten, mit welchem Gleichmut die Dauer manchen verwaltungsrechtlichen Verfahrens hingenommen wird, was ja nicht zuletzt damit zusammenhängt, daß 50 % unserer Verwaltungsrichter mit Asylsachen beschäftigt sind. Daß dann auch noch 70 bis 80 % der Urteile, die von dieser Hälfte der deutsche Verwaltungsrichter jede Woche in Deutschland gefällt werden, völlig wirkungslos bleiben, weil abgelehnte Asylbewerber noch nicht abgeschoben werden, zeigt, mit welcher verschwenderischen Großzügigkeit bei uns in manchen Bereichen mit der knappen und auch teuren Ressource Justiz umgegangen wird.Der Rechtsausschuß hat sich in der laufenden Legislaturperiode bereits mehrfach mit den Problemen beschäftigt, die sich im Zusammenhang mit der Gewinnung von Justizpersonal für die neuen Länder ergeben. Er hat wiederholt an die Landesjustizminister und auch an die Bundesregierung appelliert, alle möglichen Maßnahmen auszuschöpfen, die einen verstärkten Einsatz berufserfahrener oder auch pensionierter Richter und Staatsanwälte in den neuen Ländern ermöglichen können, auch den erweiterten Einsatz von Berufsanfängern in den alten Ländern.Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen können, daß es in dieser Hinsicht an nachhaltigen Bemühungen in den alten Bundesländern nicht
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10784 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Horst Eylmanngefehlt hat. Ich kann — sicherlich für den gesamten Rechtsausschuß — den Justizministern in den alten Ländern dafür unsere Anerkennung und unseren Respekt aussprechen.
Zur Vollständigkeit gehört allerdings auch, nicht zu verschweigen, daß es zuweilen auch unnötige bürokratische Hemmnisse und das Bemühen gab, nur nicht im eigenen Bereich Beeinträchtigungen der Verfahrensabläufe hinnehmen zu müssen. Wir wissen alle, meine Damen und Herren: Zur Überwindung der Teilung gehört das Teilen. Wir wissen auch: Es fällt der Wohlstandsgesellschaft im Westen schwer zu teilen, und die Justiz ist — wie sollte es anders sein — eben auch ein Teil dieser Gesellschaft.
Ich bin nahezu 30 Jahre Anwalt, und ich habe Jahre erlebt, in denen wir in einzelnen Rechtszweigen im Durchschnitt eine längere Verfahrensdauer als heute hatten. Das rechtsuchende Publikum hat gestöhnt, die Wirtschaft hat protestiert, aber die Welt ist nicht untergegangen. Wenn das aber so ist, so können wir jetzt in den alten Ländern erst recht einige kleine Beschwernisse in Kauf nehmen, wenn wir damit das Ausmaß der großen Beschwernisse in den neuen Ländern verringern.
Machen wir in der Justiz nicht den Fehler mancher Lokalpolitiker, die vollmundig von Skandal und Wortbruch der Bundesregierung reden, wenn wegen der Umleitung der Strukturmittel ihr Plan zum Ausbau der nächsten Fußgängerstraße ins Stocken gerät, während sich in den neuen Ländern Straßenverhältnisse finden, die meilenweit von den unsrigen entfernt sind!
Als der Bundesrat Ende letzten Jahres den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vorlegte, rief er im Rechtsausschuß zunächst einen zwiespältigen Eindruck hervor. Herr Kollege Pick hat davon gesprochen.Auf der einen Seite erkannten wir die Zielsetzung dieses Entwurfes an, nämlich durch Straffung und Vereinfachung von Verfahrensabläufen Justizpersonal einzusparen. Andererseits stießen wir in dem Entwurf auf altbekannte Vorschläge, die die Länder schon vor Jahren, als von der Wiedervereinigung noch keine Rede war, immer wieder gemacht hatten,
die aber auch ebenso häufig von uns abgelehnt worden waren. In solchen Situationen rächt es sich dann, wenn man durch ständiges Klagen über die Überlastung der Justiz eine gewisse Abhärtung bei den Adressaten dieser Klage hervorruft.
Hinzu kommt, daß man als Anwalt bei manchenvergeblichen Versuchen, zu Beginn oder gegen Endeder Woche im Gerichtsgebäude eines Richters habhaft zu werden, geneigt ist, in Variation eines Wortes von Tucholsky zu sagen, die deutsche Gerichtsbarkeit stehe seit nahezu 100 Jahren am Rande des Zusammenbruchs, fühle sich dort aber ausgesprochen wohl.
Diese Skepsis, die wir gegenüber manchen Vorschlägen im Entwurf hatten, hat sich nun aber keineswegs in einer grundsätzlich ablehnenden Haltung niedergeschlagen.
Wir haben allerdings mit aller Sorgfalt, die sowohl eine Sachverständigenanhörung als auch eine längere Bearbeitungszeit notwendig machte, jeden Vorschlag des Entwurfs vor allem im Hinblick darauf abgeklopft, ob er tatsächlich geeignet ist, Gerichtsverfahren so zu vereinfachen, daß Richterstellen eingespart werden können.Im Bereich des Zivilprozesses haben wir uns mit dem zentralen Anliegen des Entwurfs, die Streitwertgrenze für die Zuständigkeit des Landgerichts von 6 000 auf 10 000 DM anzuheben, sehr schwergetan. Wir haben uns aber letzten Endes dieser von den Ländern sehr nachhaltig verfolgten Forderung nicht verschlossen, denn daß hier ein spürbarer Entlastungseffekt eintritt, ist nicht zu leugnen. Etwa 26 % der bislang beim Landgericht anhängigen Verfahren kommt jetzt in die Zuständigkeit des Amtsgerichts und werden dort nur von einem Richter bearbeitet. Bundesweit dürften dann nach Schätzungen der Län- der etwa 400 Richterstellen freiwerden.Allerdings darf nicht verkannt werden — und auch darauf hat Kollege Pick zu Recht hingewiesen —: Der Arbeitszuwachs in den Zivilprozeßabteilungen der Amtsgerichte ist erheblich. Organisatorische Schwierigkeiten werden kurzfristig auftreten. Die personelle und auch die sachliche Ausstattung müssen dem Arbeitszuwachs angepaßt werden. Die Länder müssen also zu Lasten der Landgerichte mehr Amtsrichterstellen schaffen und dürfen auch Beförderungsstellen nicht vergessen. Wenn wir den Amtsrichtern Entscheidungen bis 10 000 DM anvertrauen, benötigen wir qualifizierte Richter an den Amtsgerichten.
Ich will nicht verschweigen, meine Damen und Herren, daß die Anhebung der Streitwertgrenze gleich um 4 000 DM ein weiterer Schritt in Richtung Dreistufigkeit ist. Es hat auch in den Jahren zuvor einige kleinere Schritte in diese Richtung gegeben. Zuweilen habe ich den Eindruck, daß in den Justizverwaltungen mancher Länder im Hinblick auf die Dreistufigkeit die Parole „Niemals davon reden, immer daran denken" ausgegeben worden ist.Mir scheint es an der Zeit zu sein, nach langen Jahren des Stillschweigens in eine offene Diskussion über die Vor- und Nachteile eines drei- oder vierstufigen Aufbaus der Zivilgerichtsbarkeit einzutreten. Ich will das Ergebnis einer solchen Überprüfung nicht vorwegnehmen. Sollten wir aber zu dem Ergebnis kommen, daß es sich nach wie vor empfiehlt, an der Vierstufigkeit festzuhalten, können wir nicht auf dem
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Horst Eylmanneingeschlagenen Weg fortfahren, den Landgerichten immer mehr Zuständigkeiten zu entziehen.Wir haben lange darüber debattiert, ob wir dem Wunsch des Bundesrates entsprechen sollten, die Berufungssumme auf 2 000 DM anzuheben. Schließlich überwogen die Bedenken. Wir haben die Grenze bei 1 500 DM festgelegt. Gibt es kein Rechtsmittel gegen amtsgerichtliche Entscheidungen, sind Amtsrichter in diesem Bereich allmächtig. Die Allmächtigkeit bringt gewisse Versuchungen mit sich. Wir wollten diese Versuchungen nicht zu groß machen.Beim Landgericht haben wir den Druck auf die Zivilkammern, in geeigneten Fällen den Einzelrichter verhandeln und entscheiden zu lassen, verstärkt. Ihm soll in Zukunft das Entscheidungsrecht übertragen werden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Bislang handelte es sich um eine Kann-Vorschrift, bei deren Anwendung — diesen Vorwurf kann ich der Richterschaft an den Landgerichten nicht ersparen — die Zivilkammern zu einem erheblichen Teil versagt haben. Sie haben sich zum Teil als unfähig oder unwillig erwiesen, mit der Freiheit, die wir ihnen mit der Institution des Einzelrichters einräumen wollten, in der richtigen Weise umzugehen. Es bleibt zu hoffen, daß sie es nach der Neuregelung besser schaffen.Die Landesjustizverwaltungen werden mit einer Änderung des Pensenschlüssels nachhelfen müssen, wozu ich sie ausdrücklich ermuntere. Auch in der Vergangenheit hätte auf diese Weise dazu beigetragen werden können, daß die Zivilkammern die bei ihnen anhängigen Verfahren ökonomischer erledigen.Die vom Bundesrat vorgeschlagene Zulassungsberufung haben wir abgelehnt, und zwar in großer Einmütigkeit. Schon bei der Anhörung wurden überzeugende Gegenargumente vorgetragen. Die notwendige Begründung der Nichtzulassung hätte die erstinstanzlichen Gerichte zusätzlich stark belastet. Auch von der Annahmeberufung halten wir nichts.
Die Zulassungsrevision fand ebenfalls keine Gnade vor den Augen der Mitglieder des Rechtsausschusses.
Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels davon abhängig zu machen, ob die Überprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, stößt auf grundsätzliche Bedenken. Angesichts der zuweilen zu beobachtenden Neigung mancher Senate, mit einer allzu ungebundenen Fortbildung des Rechts dem Gesetzgeber Konkurrenz zu machen, schien es uns gefährlich zu sein, eine Bestimmung in die Zivilprozeßordnung aufzunehmen, die man auch als Ermunterung zu solchem Tun mißverstehen könnte. Auch Obergerichte sind dazu da, der Gerechtigkeit im Einzelfall durch ihre Urteilsfindung zu dienen.
Daran möchte der Rechtsausschuß an dieser Stelle ausdrücklich erinnern.In der Strafrechtspflege wirft das Bemühen um eine innerdeutsche Angleichung der Arbeitsweise der Justiz spezifische Probleme auf. Die unterschiedliche Intensität der Strafrechtspflege in West und Ost verletzt in besonderer Weise das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Solange in den neuen Bundesländern die Strafverfolgung weniger effizient ist als im Westen, besteht eine verhängnisvolle Sogwirkung für Kriminelle, die ihr Betätigungsfeld in die neuen Bundesländer verlegen und dort die Bevölkerung und ein investitionsfreundliches Klima schädigen.Nachdem die Menschen in der ehemaligen DDR 40 Jahre lang staatlicher Willkür bis hin zum staatlichen Terror ausgesetzt waren, besteht eine berechtigte und die Politik verpflichtende Sehnsucht der Menschen in den neuen Bundesländern nach einem Rechtsstaat, der die Freiheit des rechtstreuen Bürgers sichert und ihn durch eine wirksame Strafverfolgung vor Verbrechern schützt. Nicht nur die Strafrechtspflege — aber sie ganz besonders — lebt nicht allein von den Gesetzen, sondern auch von qualifizierten und einsatzbereiten Juristen, die diese umsetzen. Ein besonnener Staatsanwalt ist wichtiger als manche Bestimmung der Strafprozeßordnung. Ein lebenserfahrener Richter ist wichtiger als manche Bestimmung des Strafgesetzbuches.
Erfahrene Richter und Staatsanwälte lassen sich nicht durch Neueinstellungen aus dem Zylinder zaubern. Sie können nur duck Erlangung beruflicher Praxis heranwachsen.Da die gesamte Strafjustiz der ehemaligen DDR politisch belastet war und deshalb — mit Ausnahme von Brandenburg — die überwiegende Zahl der ehemaligen DDR-Richter entlassen wurde, ist die für den Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern erforderliche Anzahl von Strafrichtern und Staatsanwälten nur aus dem Justizdienst der alten Bundesländer zu gewinnen. Deshalb ist es für die Strafrechtspflege in den neuen Bundesländern besonders wichtig, durch eine Entschlackung unserer Strafprozeßordnung und die dadurch ermöglichte Verfahrensstraffung zum einen die westdeutsche Justiz so zu entlasten, daß Strafrichter und Staatsanwälte an die neuen Bundesländer ausgeliehen werden können, und zum anderen die Strafrechtspflege in den neuen Bundesländern in die Lage zu versetzen, effizienter zu arbeiten. Daß bei alldem die Rechte der am Strafverfahren Beteiligten keine rechtswidrige Verkürzung erfahren dürfen, ist selbstverständlich und war auch für uns im Rechtsausschuß immer klare und eindeutige Richtschnur.Wir haben uns schnell auf eine erleichterte Verfahrenseinstellung bei Straftaten mit geringer Bedeutung und geringem Schaden verständigen können.Wir haben die vom Bundesrat vorgeschlagene Ablehnung von Beweisanträgen sorgfältig geprüft. Der Beweisantrag ist die entscheidende Waffe des Strafverteidigers. Diese Waffe darf nicht stumpf werden. Wir haben deshalb zwei der Vorschläge abgelehnt, einmal den Antrag, Beweisanträge wegen Ver-
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Horst Eylmannschleppungsabsicht erleichtert ablehnen zu können, und einmal den Antrag, Eventualbeweisanträge erleichtert ablehnen zu können, der schon deshalb keine Wirkung gehabt hätte, weil viele Verfahren durch die Möglichkeit von Eventualbeweisanträgen nicht verlängert, sondern verkürzt werden. Wir haben eine Erleichterung bei der Ablehnung von Beweisanträgen geschaffen, die sich auf die Vernehmung von im Ausland lebenden Zeugen beziehen. Wir konnten hier die mißlichen Erfahrungen, die bei Prozessen zur Rauschgiftkriminalität gemacht wurden, nicht ganz außer acht lassen. Aber auch hier können diese Beweisanträge jetzt nur abgelehnt werden, wenn sie nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht notwendig sind.Wir haben einen sehr vorsichtigen Einstieg in die Annahmeberufung gewagt, haben allerdings die Tagessatzgrenze auf 15 vermindert.Wir haben in vielen Punkten ein Einvernehmen mit der Opposition erreichen können, nicht aber beim Strafbefehl, der jetzt auch bei Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt werden, zulässig sein soll. Wir haben als Vorsichtsmaßnahme eingebaut, daß dies nur möglich ist, wenn der Angeschuldigte einen Verteidiger hat. Hiergegen gibt es sicher auch Bedenken, die bei der Opposition zu dem angekündigten Antrag führen. Sicher schaffen wir dann auch eine Möglichkeit, einen Handel — Akzeptieren der Strafe gegen Verzicht auf eine Hauptverhandlung — zu provozieren. Aber dies hängt entscheidend — dieser Handel ist immer möglich — von der Qualität und der Haltung der beteiligten Staatsanwälte und Richter ab.Meine Damen und Herren von der Opposition, argumentieren Sie nicht damit, dies sei eine Regelung zugunsten gutbetuchter Angeschuldigter. Sie würden damit die SPD-geführten Länder desavouieren, die diesen Vorschlag gemacht und mitgetragen haben.Meine Damen und Herren, der Rechtsausschuß hat seinen Part geleistet. Das Ergebnis wird — wie ich bisher gehört habe — von den Ländern mit einiger Befriedigung zur Kenntnis genommen. Nun ist es an den Ländern, ihren Teil zur Entlastung der Justiz dadurch beizutragen, daß sie alle Möglichkeiten zur Modernisierung und zur ökonomischeren Gestaltung der Arbeitsabläufe in der Justiz ausloten.
Ich schließe mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums. Die Zusammenarbeit war auch in diesem Fall wieder fair und sehr angenehm.
Ich schließe in diesen Dank auch alle Kolleginnen und Kollegen des Rechtsausschusses ein, insbesondere die Berichterstatter. Wenn ich meinen Kollegen Dr. Götzer, der in unserer Fraktion die Hauptlast getragen hat, hier ausdrücklich erwähne, dann deshalb, weil er krank ist und ich heute seinen Teil übernehmen mußte.
Ich erteile dem Kollegen Detlef Kleinert das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist nun wirklich das erste Mal, daß wir uns der interessanten Frage widmen, was man alles zur Beschleunigung von Verfahren und zur Entlastung der Gerichte beitragen kann. Man muß sich wundern, daß es im Laufe der Jahrzehnte — ich überblicke jedenfalls zwei Jahrzehnte dieser Art — gelungen ist, immer wieder neue Titel für den immer gleichen Gesetzeszweck zu erfinden, so daß wir jetzt beim „Entlastungsgesetz" angekommen sind und wegen des tatsächlich — Herr Eylmann hat es schon gesagt — sehr vordergründigen Hinweises auf die unbestreitbar dringenden Bedürfnisse in den neuen Bundesländern, kaum daß wir das letzte Gesetz dieser Art gemacht haben — auf dringenden Wunsch noch gegen Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedet —, jetzt schon wieder zur Tat schreiten. Wegen der besonderen Nöte in den neuen Ländern — auch weil einige Vorschläge damals vielleicht nicht so gesehen worden sind wie jetzt, verhältnismäßig kurze Zeit später, und einen gewissen Charme haben — haben wir uns noch einmal in erster Linie von den Bundesländern drängen lassen und hier in einem Kompromiß, der wohl vernünftig genannt zu werden verdient, den Wünschen der Länder, soweit es denn ging, entsprochen. Ein so erfahrener und kampferprobter Mann wie der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Krumsiek, wird uns seine Ansicht noch darstellen.Wir möchten auf jeden Fall eins nicht: Wir möchten nicht, daß man denkt, man könnte uns hinter die Fichte führen, wie Herr Eylmann das vorhin schon angedeutet hat, nämlich: Immer daran denken, nie davon reden; wir wollen die Dreistufigkeit.
Als ob wir nicht wüßten, daß das, was hier mit der Anhebung auf 10 000 Deutsche Mark — Streitwertgrenze zwischen Amtsgericht und Landgericht geschieht, ein erheblicher Schritt in diese Richtung sein könnte; aber auch nur könnte, nämlich unter der Voraussetzung, daß sich hinterher eine Mehrheit findet, die das dann auch in Konsequenz mitträgt.Außerdem ist es sehr bedauerlich, daß die Geldentwertungsrate in den letzten Jahren wieder so angestiegen ist, daß man einige dieser Zahlen nicht mehr so dramatisch sehen kann und im realen Kaufkraftvergleich mit Zahlen Anfang der 50er Jahre die Verschiebung zwischen den Instanzen nicht so dramatisch ist, wie sie sich auf den ersten Blick darstellt.Wir haben uns schließlich deshalb auf diese Streitwertgrenze eingelassen, weil wir in uns wesentlicher erscheinenden Fragen, nämlich in der Sache der Zulassungsberufung, die wir ganz und gar nicht wollen, weil es nicht bei dem entscheidenden Richter liegen kann, ob er sich selbst den blauen Himmel der Rechtskraft verschafft oder nicht, Ergebnisse wollten. Allerdings habe ich viele Urteile gesehen — übrigens
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Detlef Kleinert
sind es in aller Regel die besonders guten Urteile —, die am Ende dann die Revision eröffnen und die damit sehr großzügig, auch im Bereich der Finanzgerichte, umgehen. In aller Regel sind es die guten Urteile.Im übrigen kann man nach wie vor nicht etwa erst durch Lesen, sondern schon durch schlichtes Wiegen den Unterschied zwischen Urteilen, die ohne Rechtsmittel oder denen, die mit Rechtsmitteln verabschiedet werden, feststellen;
denn die Begründungen unterscheiden sich dramatisch voneinander. Es läßt sich tatsächlich durch Wiegen feststellen, ob hier Berufung droht oder nicht.
Wir wollen Erleichterungen. Wir möchten lieber ein ganz anderes Richterbild. Eins möchten wir auf gar keinen Fall, und ich muß es wiederholen, obwohl Herr Eylmann das alles schon so zutreffend dargestellt hat: Wir möchten auf gar keinen Fall eine Verschiebung zwischen Rechtsetzung und Rechtsprechung, wie sie sich in manchen Bereichen und bei manchen Senaten — das muß man ja auch deutlich sagen; das ist keine durchgängige Erscheinung —
abzuzeichnen beginnt — sei es beim Bundesgerichtshof, sei es auch beim Bundesfinanzhof —, sondern wir möchten den zufälligen Zugang zu unseren oberen Gerichten, jedenfalls oberhalb einer gewissen Streitwertgrenze, die sich nun einmal technisch zur Zeit nicht anders darstellen läßt, damit über alles dort einmal entschieden werden kann und sich die Richter nicht das aussuchen, was der Fortbildung, der Weiterentwicklung und somit in manchen Fällen eben doch eher der Rechtsetzung als der Rechtsprechung für den Einzelfall dient. Das muß vorangetrieben werden.Daß wir uns alle darin so einig waren und daß wir auch über diese grundsätzlichen Aspekte unseres Rechtsverständnisses und unseres Verständnisses nicht nur vom Aufbau unserer Gerichte, sondern von ihrer grundsätzlichen Funktion und dem, was wir von ihnen möchten, bei dieser Gelegenheit wieder unterhalten haben und dabei sehr einig gewesen oder geworden sind,
das ist ein Verdienst der Beratung, die hier von den Bundesländern provoziert worden ist.Ich glaube, es muß aber nun zum Schluß deutlich gesagt werden: Dieses war bitte schön das letzte Mal, daß man versucht, mit immer noch einmal daran Herumnibbeln, wieder mit kleinen Flickschustereien hier Rechtsreformen in Gang setzen zu wollen. Etwas grundsätzlicher darf es in Zukunft sein. Auf diesem Wege Zahlen auszutauschen, wollen wir uns nicht weiter reformerisch betätigen. Dazu haben wir das inzwischen zu oft gemacht.Man muß sich ja doch ein klein wenig schämen, wenn die Tätigkeit des Rechtsausschusses inzwischen ganz verzweifelt der Tätigkeit des A- und SAusschusses ähnelt, der auch immer neue Pflaster auf früher schon verkorkste Konstruktionen pappt
und dann denkt, damit wäre Rechtsentwicklung und der Entwicklung unserer verdienstvollen Systeme ein guter Dienst geschehen. Wir wollen das bitte schön nicht noch einmal machen, statt dessen grundsätzliche Dinge angehen.Ich wäre ja mit dem Vorherrschen des Einzelrichters hochzufrieden, wenn wir den Zugang zum Richteramt bei etwa 40 Jahren — nach reichlicher Berufserfahrung — ansetzen könnten, aber wir befinden uns ja in einem Teufelskreis. Kann ich die Gerichte nicht entlasten, kann ich es mir nicht erlauben, so lange zu warten, bis ich diese berufserfahrenen Richter gewinne. Also kriege ich die Geschichte nicht im gedachten Sinne in Gang. Aber wenn man irgendwann einmal mit der Hälfte der Zahl der jetzigen Richter — und dann meistens als Einzelrichter und als wirklich überzeugende Persönlichkeiten — zurechtkommen könnte, dann könnten wir über eine Fülle von Fragen hier ganz anders reden, und das würde auch einige der Bedenken, die die Opposition hier vorgetragen hat und die hier auch noch zur Abstimmung stehen werden, wohl etwas vermindern.Ich bleibe dabei: Die Art, wie heute Großverfahren geführt werden — auch wenn wir die Beweisrechte der Verteidiger nicht angetastet haben —, ist nicht verständlich, auch vor dem Hintergrund, wie früher — ich habe das Beispiel hier schon einmal erwähnt, repetitio est mater studiorum, ich tue es noch einmal — verfahren wurde. Der I lamann-Prozeß ist mit seinen zig Leichen und Leichenteilen vor 50 Jahren in drei Tagen in Hannover abgewickelt worden. Heute wird für vergleichsweise kleine Verfahren eine Zeit von mehreren Monaten als normal angesehen. Nicht Geschichtsschreibung in sämtlichen Details ist Aufgabe unserer Gerichte, sondern die Bestrafung des Täters in den wesentlichen und gravierenden Punkten.
Herr Kollege Kleinert!
Vor ungefähr 15 Jahren haben wir uns in einer Anhörung des Rechtsausschusses — Herr Präsident, ich komme unmittelbar, geradezu blitzschnell zum Ende —
von allen Sachverständigen — ich muß das doch alles immer allein erklären, Herr Wiefelspütz — bestätigen lassen, daß die prozessualen Mittel für eine viel straffere Verfahrenskonzentration ausreichend vorhanden sind. Warum sie nicht geschieht, wird ein Geheimnis bleiben. Wenn dies und die verdienstvollen Ergebnisse der von der Bundesregierung vorgelegten Untersuchung von Herrn Kienbaum, insbe-
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Detlef Kleinert
sondere von Herrn Dr. Kötz, jetzt nicht von den Länderjustizministern beachtet wird,
dann haben wir einen Vertrauensvorschuß leichtfertig aus der Hand gegeben. Wir hoffen jedoch, daß jetzt auf anderen Gebieten daran gearbeitet wird, die benötigte Entlastung herbeizuführen, und danken allen Beteiligten, daß sie daran mitgewirkt haben.
Herr Kollege Wiefelspütz, das ist nämlich so: Es gibt Kollegen, die machen sich Manuskripte, mit denen sie dann nicht rechtzeitig fertig werden; dazu gehört Kleinert nicht. Es gibt andere Kollegen, die sich sozusagen am Mikrofon verplaudern. Dann gibt es eine dritte Kategorie von Kollegen, die fest davon überzeugt sind, daß sie dem Auditorium einen Schmerz zufügen, wenn sie aufhören; dazu gehört Detlef Kleinert.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Professor Dr. Uwe-Jens Heuer.
Ich weiß nicht, in welche Kategorie Sie mich einordnen, Herr Präsident.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag soll heute ein Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege verabschieden. Der ursprünglich vorgelegte Entwurf — das ist heute schon mehrfach gesagt worden — hat in den Justizvereinigungen bis hin zur Bundesrechtsanwaltskammer zum Teil helle Empörung, auf jeden Fall aber heftige Ablehnung hervorgerufen. Das gilt insbesondere für eine Reihe von Änderungen der Strafprozeßordnung, die die formale Sicherung hergebrachter und bislang für unabänderlich gehaltener Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens angriffen. Das betrifft das formale Beweisantragsrecht, auch das nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschützte Recht eines jeden Angeklagten, das erstinstanzliche Urteil durch eine weitere Instanz überprüfen zu lassen.Mit der Beschlußempfehlung ist der Entwurf in wesentlichen Punkten abgemildert worden. Der Rechtsausschuß hat hier zweifellos eine große Arbeit geleistet. Hinsichtlich des formalen Beweisantragsrechts etwa sind die Bestimmungen nicht aufgenommen worden; darüber ist hier ausführlich gesprochen worden.Die Begründung der Gesetzesinitiative und auch manches, was im Beschlußentwurf jetzt noch enthalten ist, lassen mich bestimmte Einwände aufrechterhalten. Die Begründung lautet, daß die deutsche Einheit den Bedarf an Juristen, insbesondere an Richtern, erhöht habe und daß dieses Problem nur durch eine Straffung und Vereinfachung der gerichtlichen Verfahren zu lösen sei.Die Bundesrechtsanwaltskammer hat bereits in ihrer Stellungnahme zur Anhörung vor dem Rechtsausschuß dargelegt, daß diese Begründung nicht stichhaltig ist. Herr Kleinert hat heute von einem vordergründigen Hinweis gesprochen. Angesichts der Juristenschwemme, der Möglichkeit einer Verbesserung der gerichtlichen Verwaltung und der Bereitschaft der Anwaltschaft, für eine Übergangszeit erfahrene Juristinnen und Juristen für eine Richtertätigkeit zur Verfügung zu stellen, sind die im Rechtspflegeentlastungsgesetz getroffenen Regelungen nach meiner Ansicht nicht erforderlich. Das Problem kann mit Neueinstellungen und einer Verbesserung der Verwaltungsorganisation gelöst werden. Ich werde in meinen Einwänden auch dadurch bestärkt, daß derartige Angriffe auf rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze in der Vergangenheit — auch in der Form von Gesetzesvorhaben — schon mehrfach geplant waren; darauf hat Herr Eylmann schon hingewiesen. Ich erinnere an die sogenannte Horrorliste der Justizministerkonferenz von 1981.Die Fragwürdigkeit dieser Gesetzesinitiative überhaupt läßt mich das gesamte Gesetzesvorhaben — auch die vorliegende Beschlußempfehlung — in Zweifel ziehen. Ich halte es nicht für erforderlich.Das Verfahrensrecht sollte behutsam, sparsam und nur dort geändert werden, wo es in der Gerichtspraxis versagt hat. Auch für die Beschlußempfehlung bleibt man in meinen Augen den Nachweis schuldig, daß die Praxis tatsächlich verbessert wird, daß z. B. Richter eingespart werden. Hier ist heute schon gesagt worden, man brauche dann auf der einen Stufe bei den Landgerichten zwar weniger Richter, dagegen bei den Amtsgerichten natürlich mehr. Ich sehe das Ganze als einen Kompromiß an, mit dem ein weitergehender Angriff abgewehrt werden sollte.Abzulehnen ist in meinen Augen vor allem die Beschlußempfehlung zur Änderung der Vorschriften über den Strafbefehl, mit der weitgehend die Vorschläge der Bundesregierung übernommen worden sind. Die Änderung bedeutet — das ist hier bereits angedeutet worden —, daß die schwerwiegendste Sanktion, die das Strafrecht kennt, nämlich die Freiheitsstrafe — auch wenn sie zunächst nur zur Bewährung ausgesprochen worden ist —, ohne eigene Beweisaufnahme des Gerichts, ohne persönliche Kenntnis des Angeklagten verhängt wird. Die Gefahr von Fehlentscheidungen ist bei einem solchen Verfahren vorprogrammiert.Ich lehne diese Änderung der Strafprozeßordnung auch deshalb ab, weil im Wege einer weitgehenden Entkriminalisierung ein besserer Entlastungseffekt erzielt würde, etwa durch eine Regelung dahin gehend, daß eine Freiheitsstrafe unter einem Jahr künftig nur noch unter ganz besonderen Umständen verhängt werden kann. Im Bereich der Bagatellkriminalität könnte durch eine solche Regelung zeitraubenden Konflikten in amtsgerichtlichen Hauptverhandlungen begegnet werden.Ich meine auch, daß sich das Problem der Entkriminalisierung nicht ohne weiteres mit den §§ 153 und 153a der Strafprozeßordnung lösen läßt. Untersuchungen zeigen nämlich, daß bei der Anwendung dieser Paragraphen schichtenspezifische Ungleichbehandlungen und nicht unerhebliche regionale Anwendungsunterschiede aufgetreten sind. In meinen
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Dr. Uwe-Jens HeuerAugen sind materiellrechtliche Lösungen des Problems der Bagatellkriminalität der gerechtere und rechtsstaatlich abgesichertere Weg.
Problematisch sind in meinen Augen auch viele Vorschläge hinsichtlich der Änderung der Zivilprozeßordnung, der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer verfahrensrechtlicher Bereiche. Man bleibt meines Erachtens nach wie vor den Nachweis schuldig, daß durch Einschränkungen in diesen und anderen Bereichen reale Vorteile erlangt werden. Das Gesetz schafft, wie Sachverständige erklärten, kostenträchtige Unsicherheiten und erhöhten Personalbedarf in bestimmten Bereichen.Dieses Gesetzesvorhaben hat für mich prinzipiellen Charakter. Was einmal abgeschafft ist, läßt sich schwerlich neu installieren. Die Entlastungsvorschläge sind für mich kein Ausblick auf notwendige Reformen; auch Herr Kleinert hat über — in seinen Augen notwendige — Reformen gesprochen. Ich meine, dies ist ein erster Schritt in Richtung einer Gegenreform. Ein Jahr angestrengter Arbeit des Rechtsausschusses an diesem Gesetzesvorhaben hätte es vielleicht doch ermöglichen können, einen Schritt in Richtung einer wirklichen Reform zu tun. Nach meiner Meinung ist hier eine Möglichkeit verpaßt worden.Danke schön.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Professor Dr. Jürgen Meyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Strafverfahrensteil des Rechtspflegeentlastungsgesetzes wechseln in bunter Folge Licht und Schatten. Bei der von allen Sachverständigen gerügten Qualität des vom Bundesrat vorgelegten Entwurfs konnte allerdings auch niemand ein Gesamtkunstwerk erwarten. Eine überzeugende Konzeption zur Entlastung der Strafrechtspflege war nicht erkennbar. Durch die Nachbesserungsbemühungen des Rechtsausschusses ist nunmehr ein Flickenteppich entstanden, dessen politische Bewertung schwerfällt.Die SPD-Fraktion steht dem im Gesetzentwurf beschriebenen Ziel der Entlastung auch der Strafrechtspflege durch eine Vereinfachung und Straffung der Verfahren durchaus aufgeschlossen gegenüber. Allerdings sollte man dabei, wie es Herr Kollege Eylmann schon getan hat, neben dem erhofften Einsparungseffekt stärker das rechtsstaatliche Beschleunigungsgebot betonen. Bekanntlich hat der Beschuldigte nach Art. 6 der Menschenrechtskonvention einen unmittelbaren Anspruch auf Beschleunigung. Ein überlanges Strafverfahren kann wegen seiner für den Beschuldigten belastenden Wirkung sogar strafmildernd berücksichtigt werden. Die Straffung des Verfahrens findet aber dort ihre Grenze, wo sie elementare Rechtsstaatsgrundsätze verletzen kann. Das wird in dem nunmehr vorliegenden Entwurf, wie ich noch darlegen werde, nicht überall ausreichend beachtet.Wir Sozialdemokraten treten auch weiterhin dafür ein, die notwendige Entlastung der Strafjustiz nicht durch weniger Rechtsstaatlichkeit, sondern durch eine Reduzierung und Eindämmung der auf die Gerichte einstürzenden Prozeßflut zu erreichen. Wir fordern deshalb für den unteren Deliktsbereich materiellrechtliche und prozeßrechtliche Entkriminalisierungsschritte und einen modernen Täter-Opfer-Ausgleich, der Rechtsfrieden herstellen und viele der heutigen Straf- und Zivilprozesse durch mehrere Instanzen überflüssig machen kann. Wir werden noch in dieser Legislaturperiode Gesetzesinitiativen in dieser Richtung vorlegen.Als kleinen Schritt in die richtige Richtung begrüßen wir die im Entwurf vorgesehene Erweiterung der Einstellung von Strafverfahren, wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.Einige Vorschläge des Bundesratsentwurfs sind während der Ausschußberatungen so weiterentwikkelt worden, daß wir ihnen nunmehr zustimmen können. Das gilt insbesondere für die Erweiterung der Zuständigkeit des Einzelrichters auf Strafsachen mit einer Straferwartung bis zu zwei Jahren statt — wie bisher — bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Die ursprünglich bestehende Befürchtung einer Austrocknung der Schöffengerichte als des Kernstücks der Laiengerichtsbarkeit in Strafsachen konnte dadurch beseitigt werden, daß auf unseren Vorschlag neben der Zuständigkeit des Einzelrichters auch die der Schöffengerichte erweitert wird, und zwar auf Strafsachen mit einer Straferwartung von vier Jahren statt bislang drei Jahren. Die nunmehr vorgesehene Regelung kann geradezu als Aufwertung des Einzelrichters und als Einstieg in einen dreistufigen Gerichtsaufbau gesehen werden.Auf unsere Initiative geht auch die vorgesehene Neuregelung der Verjährungshemmung zurück. Dadurch soll in Großverfahren vor dem Landgericht der Anreiz für Angeklagte und ihre Verteidiger reduziert werden, durch eine Verzögerung des Verfahrens das rettende Ufer der Verjährung zu erreichen. Bei unseren Bemühungen in dieser Richtung sind wir durch das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen unterstützt worden.Schließlich hat das Bundesjustizministerium auf unsere Initiative hin ausdrücklich zugesagt, daß im Rahmen der bevorstehenden Neuregelung des Gebührenrechts anwaltliche Tätigkeiten, die zu einer angemessenen Erledigung ohne Hauptverhandlung führen, besser honoriert werden sollen.
Im übrigen liegt die Stärke der Ausschußfassung des Entwurfs noch am ehesten dort, wo er untaugliche und rechtsstaatlich bedenkliche Vorschläge des Bundesratsentwurfs gestrichen hat. Das gilt für die vorgeschlagene Veränderung des Beweisantragsrechts durch eine Verschärfung des Ablehnungsgrundes der Prozeßverschleppung ebenso wie für die vorgeschlagene erleichterte Ablehnung verspäteter Beweisanträge. Von beiden Änderungen war sogar nach der Entwurfsbegründung keine spürbare Entlastung zu erwarten. Das gilt ebenso für die vom Rechtsausschuß abgelehnte Einführung einer Zulassungsrevision.
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10790 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Jürgen Meyer
Und die Sprungrevision soll — entgegen dem Vorschlag des Bundesrates — nicht zuletzt wegen ihrer disziplinierenden Wirkung für die Rechtsstaatlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens beibehalten werden.Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kritik der SPD-Fraktion am vorliegenden Entwurf setzt bei der vorgesehenen erleichterten Ablehnung von Auslandszeugen ein. Die Ablehnung entsprechender Beweisanträge soll künftig ebenso wie bei der Einnahme eines Augenscheins möglich sein, wenn die Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Abgesehen davon, daß die Verteidiger die Vernehmung von Auslandszeugen künftig vorsorglich vor Beginn der Beweisaufnahme beantragen werden, wenn über die Erforderlichkeit noch nichts gesagt und die Ladung allein schon zur Vermeidung späterer Verzögerungen durchgesetzt werden kann, ist die Vorschrift in einem zusammenwachsenden Europa geradezu provinziell. Künftig kann also das Landgericht Freiburg die Ladung eines Zeugen aus dem benachbarten Straßburg leichter ablehnen als aus dem weitaus ferneren Flensburg oder Rostock.
Der Vorschlag ist auch widersprüchlich, weil die Ladung von Auslandszeugen durch die Neuregelung des § 37 StPO gleichzeitig deutlich erleichtert wird, was wir ausdrücklich begrüßen.Ähnlich starke Bedenken haben wir gegen die Einführung der Annahmeberufung bei erstinstanzlichen Geldstrafen von nicht mehr als 15 Tagessätzen. Geht man einmal davon aus, daß bisher mehr als 40 % — also annähernd die Hälfte — der Berufungen gegen Strafurteile der Amtsgericht erfolgreich waren, ergibt sich folgende paradoxe Konsequenz: Das Berufungsgericht wird die Berufung vor dem Hintergrund dieser Erfahrung bei mindestens der Hälfte der Anträge zulassen. Das Verfahren verlängert sich in diesen Fällen also dadurch, daß nach der förmlichen Zulassungsberufung und dem Austausch entsprechender Schriftsätze die Berufungshauptverhandlung dann doch durchgeführt wird.
— Ja, Herr Kollege Geis, es erfordert genaues Nachdenken, um dieses festzustellen.Für die andere Hälfte der Verfahren tritt an die Stelle der Berufungshauptverhandlung das schriftliche Verfahren über die Zulassung der Berufung. Und das Berufungsgericht hat kaum weniger Arbeit als bei der heutigen Praxis, dem in erster Instanz Verurteilten und seinem Verteidiger bei Beginn der Berufungshauptverhandlung zur Rücknahme der Berufung zu raten.
Es kommt hinzu, daß es eine besondere Schicht von Angeklagten ist, die hier betroffen sein könnte, nämlich sozial Schwächere: nicht nur mit der für sie typischen Kleinkriminalität, sondern vor allem auch dem Nachteil, sich keinen Verteidiger für die erfolgreiche Durchführung des Zulassungsverfahrens leisten zu können,
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der größte Schwachpunkt des vorliegenden Entwurfs aber ist der darin vorgesehene Strafbefehl über Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr mit Bewährung. Dabei soll nicht übersehen werden, daß der Rechtsausschuß einen von uns in der ersten Lesung gerügten Schwachpunkt des Bundesratsentwurfs auf unsere Initiative hin korrigiert hat. Das Privileg, der Prangerwirkung einer öffentlichen Hauptverhandlung durch Annahme eines Strafbefehls entgehen zu können, wird nicht auf Angeschuldigte beschränkt, die sich einen Verteidiger leisten können. Vielmehr soll nunmehr entsprechend unserer Forderung dem Angeschuldigten für derartige Verfahren künftig ein Pflichtverteidiger beigeordnet,
der Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe also als Fall der notwendigen Verteidigung anerkannt werden. Ich freue mich, daß die Vertreter der Regierungskoalition unserer Initiative entsprochen haben.
Entscheidend ist aber, daß der Richter künftig Freiheitsstrafen im schriftlichen Verfahren verhängen können soll, ohne den Angeschuldigten überhaupt zu Gesicht bekommen zu haben. Das ist ein tiefer Einschnitt in die Struktur unseres Strafverfahrens, der dem „deal", dem in vielen Fällen nur so zu charakterisierenden Kuhhandel zwischen Staatsanwalt und Verteidiger, neue Dimensionen eröffnet.
Wir Sozialdemokraten werden die Entwicklung sehr genau und kritisch beobachten. Wir wissen doch, daß etwa 40 % der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen am Ende, nach Widerruf der Bewährung, schließlich doch vollstreckt werden. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, wollen also allen Ernstes, daß unsere Richter in Zukunft Tausende von Angeklagten hinter Schloß und Riegel bringen können, ohne sie auch nur angehört zu haben.
— Wir haben zwar schon jetzt den Strafbefehl, aber nicht über Freiheitsstrafen; das wissen Sie genau, Herr Geis.Wir haben während der Ausschußberatungen einen Formulierungsvorschlag des Bundesjustizministeriums zur Abstimmung gestellt, wonach das Gericht dem Angeschuldigten vor Erlaß des Strafbefehls
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10791
Dr. Jürgen Meyer
Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben soll. Wir wiederholen heute diesen Antrag.
Mit dem Strafbefehl über Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ohne Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht überschreitet der Gesetzgeber nach unserer Überzeugung die Grenzen des Vertretbaren. Fiskalische Interessen werden höher eingestuft als Grundprinzipien unseres Strafverfahrens.Wir fordern Sie deshalb auf: Denken Sie daran, daß Strafverfahrensrecht angewandtes Verfassungsrecht ist, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, ohne dessen Annahme wir diesem Teil des Gesetzes nicht zustimmen werden.Ich danke Ihnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Herrn Minister der Justiz aus Nordrhein-Westfalen, Dr. Rolf Krumsiek , das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bedanke mich für die freundliche Begrüßung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Entlastung der Rechtspflege ist für die Länder so wichtig, daß ich um Verständnis bitte, wenn ich in diesem Hohen Hause als Landesjustizminister einige Sätze zur Begründung beitragen möchte.Meine Damen und Herren, unsere Forderungen waren nicht vordergründig. Die neuen Länder brauchen zum Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz noch auf Jahre Hilfe erfahrener Richter und Staatsanwälte. Solche Richter und Staatsanwälte gibt es nur in den alten Ländern. Glücklicherweise sind immer noch genügend Mitarbeiter zu dieser Hilfe bereit. Dafür möchte ich öffentlich Dank sagen:
den Richtern, den Staatsanwälten, die in die neuen Länder gehen, und auch denen, die hierbleiben und die Mehrarbeit erledigen; die werden nämlich oft vergessen. Das gilt genauso für die Rechtspfleger und den mittleren Dienst.Der Umfang unserer personellen Hilfe ist beträchtlich. Die Justiz schickt mehr Mitarbeiter in die neuen Länder als alle anderen Fachressorts der Länder.
Ich will das an Nordrhein-Westfalen belegen: Nordrhein-Westfalen hat in das Partnerland Brandenburg und in den Bezirk Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern über 480 Jusitzbedienstete entsandt, davon über 200 Richter und Staatsanwälte"Über die Abordnung von Personal hinaus leisten wir vielfältige Hilfe durch Partnerschaften zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften beider Länder. Die Partner in den neuen Ländern werden vor allem durch kurzfristige Personalentsendung zur Beratung vor Ort und zur Fortbildung unterstützt. Hinzu kommen umfangreiche Hilfen zur Aus- und Fortbildung von Bediensteten der neuen Länder in allen Sachbereichen.
Die Ausgaben Nordrhein-Westfalens allein für die Hilfe im Bereich der Justiz werden 1992 über 48 Millionen DM betragen.
Meine Damen und Herren, wenn auch Richter und Staatsanwälte und andere Justizangehörige dankenswerterweise bereit sind, in die neuen Länder zu gehen, so haben wir in den Altländern das Problem, wie wir die Erledigung der Arbeit bei uns gewährleisten, die ja nicht weniger geworden ist. Damit die Altländer Richter und Staatsanwälte für die neuen Länder freigeben können, müssen wir unsere seit vielen Jahren ohnehin überlastete Justiz nach Möglichkeit entlasten.
Es ist unmöglich, das durch Schaffung von immer neuen Richterplanstellen oder neuen Planstellen überhaupt zu tun. Die Haushaltslage der Länder erlaubt die Schaffung neuer Planstellen einfach nicht mehr. Ohnehin haben wir die höchste Richterdichte der Welt.
Deshalb müssen wir in unserem Gerichtsaufbau mehr Aufgaben dorthin verlagern, wo sie mit weniger Personalaufwand erledigt werden können. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß in Zivilsachen ein Richter am Amtsgericht mindestens dreimal so viel Prozesse erledigt wie ein Richter am Landgericht. Deshalb müssen mehr Prozesse auf die Amtsgerichte verlagert werden, und die Amtsgerichte müssen gestärkt werden.
Das ist der ganz einfache Grund, warum die Anhebung der Zuständigkeitsgrenze für die Amtsgerichte auf den neuen Streitwert von 10 000 DM
die wichtigste Entlastungsmaßnahme dieses Gesetzes sein wird.Sehr begrüßenswert ist die Übertragung der zivilprozessualen Einzelrichterlösung auf die Verwaltungsgerichtsordnung. Es wäre unvertretbar gewesen, auch die einfachste Beihilfesache beim Verwaltungsgericht weiterhin von drei Berufsrichtern entscheiden zu lassen, wenn in Zukunft alle Zivilprozesse bis 10 000 DM Streitwert vom Amtsrichter allein entschieden werden.Meine Damen und Herren, sie haben hier im Gesetz die Formulierung gewählt: „soll in der Regel". Ich will nur darauf hinweisen, daß von der Kann-Bestimmung des § 76 des Asylverfahrensgesetzes, nämlich die
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Minister Dr. Rolf Krumsiek
Entscheidung in Asylsachen auf den Einzelrichter zu übertragen, in der Praxis bisher kaum Gebrauch gemacht wird.Dankenswert ist auch die Erweiterung des Strafrahmens für das Schöffengericht bis vier Jahre Freiheitsstrafe. Die Überlastung der Strafkammern beim Landgericht ist ja allgemein bekannt.Meine Damen und Herren, ich hätte mir eine noch stärkere Prozeßbeschleunigung in Strafsachen gewünscht. Ich halte es wie Sie, Herr Kollege Kleinert, für unerträglich, daß es dann, wenn das deutsche Fernsehen Verbrechensgeschehen begleitet hat, anschließend noch zu einer Prozeßdauer von einem Jahr kommt. — Ich habe das ja in Nordrhein-Westfalen erlebt. — Aber um das zu vermeiden, hätten Sie in der Strafprozeßordnung ganz andere Einschnitte vornehmen müssen. Nur, bei der Rechtsprechung unserer Obergerichte und des Bundesverfassungsgerichts werden wir wohl nicht die Verfahrensbeschleunigung in Strafsachen erreichen, die wir uns gewünscht hätten.
Wir hätten gern auch die Berufungssumme von 1 200 DM auf 2 000 DM erhöht, weil dies die einzige Maßnahme ist, durch die Verfahren echt wegfallen. Wir wären damit immer noch deutlich unter der Berufungsgrenze in Frankreich und in Holland geblieben. Sie haben als Kompromiß lediglich 1 500 DM akzeptiert.Auch in anderen Punkten hätte ich mir eine noch weitergehende Entlastung vorstellen können, z. B. bei den Rechtsmitteln. Aber im Interesse eines breiten Konsenses für diesen Gesetzentwurf unterstütze ich ausdrücklich den hier gefundenen Kompromiß.Ich bin den Kollegen außerordentlich dankbar, die im Rechtsausschuß des Bundestages die Beratungen über diese rechtspolitisch sicher nicht einfachen Fragen mit besonderer Überzeugungskraft jetzt zu einem guten Abschluß gebracht haben.Zu den praktischen Auswirkungen der Streitwertänderung nur eine Zahl: Allein in Nordrhein-Westfalen liegt der rechnerische Gewinn durch die erweiterte Zuständigkeit der Amtsgerichte per saldo in der Größenordnung von fast 200 Richterarbeitskräften.
Die organisatorischen Probleme dieser Auf gabenverlagerung sind lösbar. Die Zahl der Richterstellen, die an die Amtsgerichte verlagert werden müssen, entspricht bei uns etwa einem Einstellungsjahrgang an Nachwuchskräften. Selbst wenn sich kein Richter vom Landgericht versetzen ließe, brauchten wir also nur den normalen Nachwuchs ein Jahr lang ausschließlich an die Amtsgerichte zu lenken.Der Mehrbedarf der Amtsgerichte an Diensträumen wird in engen Grenzen bleiben. Gerade die großen Amtsgerichte, bei denen dies am ehesten eine Rolle spielt, liegen meistens zugleich auch am Sitz eines Landgerichts, so daß Verschiebungen leichter sind. Jedenfalls kann diese Frage kein ernsthaftes Hindernis für eine strukturell notwendige Aufgabenverlagerung sein.Man muß natürlich berücksichtigen, daß auf die Amtsgerichte nun auch schwierigere Rechtsstreitigkeiten zukommen. Ich habe keinen Zweifel, daß unsere Amtsrichter qualifiziert genug sind, auch solche Fälle zu entscheiden.
Das Pensum der Amtsrichter muß dazu angemessen verbessert werden. Ich trete mit Nachdruck dafür ein, daß dies rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes geschieht.
Wir werden darauf achten, daß bei dieser Gelegenheit nicht allgemeine Begehrlichkeit auf allen Stufen des Gerichtsaufbaus ausbricht. Sonst könnte schnell der Punkt erreicht werden, wo statt Entlastung mehr Stellenanforderungen herauskommen.
Das können, wollen und werden wir nicht zulassen.Das Ziel des Gesetzes ist die Entlastung der Justiz, die wir dringend brauchen, um den neuen Ländern weiterhin zu helfen. Ich bitte Sie, uns dies zu ermöglichen und dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz, unserem Kollegen Dr. Reinhard Göhner, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorredner haben die Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs hier eingehend beleuchtet. Der jetzt in großem Konsens gefundene Kompromiß entspricht im wesentlichen der Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates.Ich möchte mich deshalb auf einige Bemerkungen zur Zielsetzung des Gesetzentwurfs beschränken. Denn das Ziel, die Justiz in den alten Ländern durch ein breitgefächertes Bündel von verfahrensrechtlichen Entlastungsmaßnahmen in die Lage zu versetzen, beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz in den neuen Ländern weiterhin personell wirksam zu helfen, diese Hilfe zu verstärken, ist nach wie vor von hoher Aktualität. Die 16 Monate, die seit der Beschlußfassung des Bundesrates vergangen sind, haben daran leider nichts geändert.Die Rechtspflege in den neuen Ländern ist zwar von dem -- von vielen vorhergesagten und von manchen befürchteten — Zusammenbruch verschont geblieben, aber sie befindet sich natürlich nach wie vor in einer nicht einfach zu bewältigenden Anpassungsund Aufbauphase. Nach den Erledigungsstatistiken halten sich die Erledigungszahlen ungefähr im Rahmen der Eingänge, und sie halten in manchen
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10793
Pari. Staatssekretär Dr. Reinhard Göhner Gerichtsbereichen einem Vergleich mit den alten Ländern durchaus stand. Das gilt aber eben nicht überall. Es gibt vor allem keine Gewähr, daß das so bleiben wird.Wir wissen, daß das Grundbuchwesen z. B. nach wie vor — aus Gründen, die wir hier mehrfach diskutiert haben — hohe Rückstände aufweist und daß — wie ich bei Besuchen in Grundbuchämtern festgestellt habe — diese in manchen Bereichen sogar anwachsen. In manchen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit — der Zwangsvollstreckung — gibt es Defizite.In Zivilsachen und vor allem in Strafsachen ist jetzt verständlicherweise ein Anstieg der Eingänge zu verzeichnen, wobei ich gerade im Hinblick auf Staatsanwaltschaften und Strafgerichte in den neuen Ländern gern eine Bemerkung machen möchte — auch der Kollege Eylmann hat das schon angesprochen —: Ich finde es sehr anerkennenswert, mit welcher Entschlossenheit sich Staatsanwaltschaften und Strafgerichte den neuen Aufgaben in den neuen Bundesländern widmen. Gerade im Hinblick auf die Verfolgung und Ahndung rechtsextremistischer Taten in den neuen Ländern sollten wir dankbar anerkennen, daß dort mit großer Entschlossenheit und hohem Tempo entschieden zu Werke gegangen worden ist. Daran könnten sich manche Justizorgane in den alten Ländern durchaus ein Beispiel nehmen.
Auch in der Verwaltungs-, und in der Sozialgerichtsbarkeit nimmt die Geschäftsbelastung deutlich zu. Was die Belastung bei den Arbeitsgerichten angeht, so wissen wir, daß sie die in den alten Ländern deutlich übersteigt.Wir müssen aber auch an die Rehabilitierungsangelegenheiten denken. Hier gibt es einen Rückstau von 50 000 Verfahren. Das hier vor einiger Zeit verabschiedete Erste SED-Unrechtsbereinigungsgesetz hat bei den Opfern Erwartungen begründet, die wir nun nicht dadurch enttäuschen dürfen, daß sich die Verfahren verzögern. Insofern gibt es hier anhaltend hohe Anforderungen beim Aufbau der Justiz in den neuen Ländern.Dem Auftrag des Einigungsvertrages, die Gerichtsstrukturen neu zu ordnen und den Übergangszustand zu überwinden, entsprechen die neuen Länder mit großen Anstrengungen. Das Rechtspflege-Anpassungsgesetz hat hierfür eine wichtige Grundlage geschaffen. Amts-, Land- und Oberlandesgerichte sind in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt bereits errichtet. In Sachsen werden sie Anfang kommenden Jahres vorhanden sein.Auch die besonderen Gerichtsbarkeiten sind bereits vielfach verselbständigt worden. Dies erhöht wegen des Wegfalls der verfahrenserleichternden Übergangsregelung die Belastung der Rechtspflege in den neuen Ländern.Ohne die massive Unterstützung aus den alten Ländern wäre die bisher insgesamt alles in allem durchaus positive Bilanz nicht zu ziehen. Im Augenblick sind in der Justiz der neuen Länder rund 840 berufserfahrene Richter und Staatsanwälte und 610 Rechtspfleger aus den alten Ländern im Einsatz. Darauf können wir nicht verzichten. Rund 40 % der dort tätigen Richter und Staatsanwälte und ein Drittel der Rechtspfleger kommen aus den alten Ländern.Es ist unerläßlich, daß diese Hilfe fortgesetzt und —vielleicht auch als Auswirkung dieses Gesetzes, das wir hier beraten — verstärkt wird. Das berufserfahrene Justizpersonal wird noch für geraume Zeit das Rückgrat der Rechtspflege der neuen Bundesländer sein. Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen, die daran — teilweise unter großen Beschwernissen — mitwirken, herzlich zu danken. Ohne ihren persönlichen Einsatz wäre der Rechtsstaat nicht in einem solchen Tempo aufzubauen, wie es jetzt geschieht.
Ich schließe mich gern dem Dank von Minister Krumsiek an die Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger an, die unverändert eine hohe Arbeitslast in den alten Ländern tragen und zum Teil — sehr wohl etwa in den Grundbuchämtern spürbar — die Arbeit mit zu erledigen haben, die die Kollegen nicht erfüllen können, die jetzt in den neuen Ländern im Einsatz sind.Deshalb können die alten Länder mit Recht verlangen, daß der Bundesgesetzgeber durch Entlastungsmaßnahmen seinen Teil dazu beiträgt, eine einheitliche rechtsstaatliche Justiz in Deutschland sicherzustellen. Das ist auch ein Teil der Solidarität. Insofern betrachte ich das Ziel dieses Gesetzes nicht als vordergründig. Ich finde, wir sollten dem Bundesrat auch dafür danken, daß er in dieser Frage die Gesetzgebungsinitiative ergriffen hat.
Die Ausschußberatungen haben dem Gesetzentwurf eine Fassung gegeben, die die notwendige Entlastung unserer Justiz erreicht, ohne rechtsstaatliche Erfordernisse und Garantien aufzuheben.Ich möchte darauf nur mit zwei Anmerkungen zur Zivilgerichtsbarkeit und zum Strafprozeß eingehen.Ich halte es für eine gelungene und gut vertretbare Lösung, daß in dem Verfahren vor dem Landgericht in Zivilsachen der Einzelrichtereinsatz durch eine behutsame Weiterentwicklung des geltenden Rechtes verstärkt werden soll. Man darf wohl kritisch anmerken, daß die bisherigen Möglichkeiten des Gesetzes nicht immer hinreichend ausgeschöpft wurden. Aber gerade deshalb ist die jetzige Lösung vernünftig.Die ebenfalls maßvolle Erhöhung verschiedener Wertgrenzen und die Erweiterung der amtsgerichtlichen Zuständigkeiten sind weitere Änderungen, bei denen eine Entlastungswirkung sicher vorauszusehen ist.Wir begrüßen aber auch, daß sich der Vorschlag nicht durchgesetzt hat, eine Zulassungsberufung einzuführen. Solche Vorschläge waren unter dem Gesichtspunkt des Ziels, der Justizentlastung, zu prüfen. Diese Entwurfsvorschläge in diesem Zusammenhang waren schwerlich geeignet, den Arbeitsanfall für die Gerichte zu mindern. Auch im Hinblick auf die Zulassungsrevision ist es sicher vernünftig, diesen
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Parl. Staatssekretär Dr. Reinhard GöhnerVorschlag derzeit nicht zu verwirklichen. Noch bleibt abzuwarten, ob sich die Belastung des Bundesgerichtshofs durch den Beitritt der neuen Länder so verstärkt, daß gesetzgeberische Maßnahmen unerläßlich sind.Für das Strafverfahren und die Straf gerichtsverfassung ist sicher zu begrüßen, daß die ursprünglich vorgesehenen, in ihrer Summierung bedenklichen Entwurfsvorschläge auf einen Umfang zurückgeführt wurden, der rechtsstaatlichen Mindeststandard nicht beeinträchtigt. Vor allem die Änderungen im Beweisantragsrecht beschränken sich jetzt auf eine behutsame Akzentverschiebung. Die Zuständigkeitserweiterung allerdings für den Strafrichter und das Schöffengericht beim Amtsgericht versprechen eine fühlbare Entlastung der besonders stark beanspruchten erstinstanzlichen Strafkammern. Um diesen Entlastungseffekt ging es.In den rechtspolitischen Diskussionen über den jetzt zur Verabschiedung anstehenden Gesetzentwurf ist zu Beginn der Diskussion vor allem in der Öffentlichkeit Kritik geäußert worden, die der Realität nicht gerecht wird. Jedenfalls ganz sicher in der heute zu beschließenden Form enthält das Gesetz durchaus neue und zukunftsweisende Ansätze und nicht lediglich alte „Ladenhüter" aus dem Arsenal gescheiterter früherer Vorschläge.Unberechtigt erscheint mir auch der Vorwurf, daß nur deshalb an der Gesetzgebungsschraube gedreht werde, weil die Justizverwaltung zu einer sachgerechten, modernen und effizienten Justizorganisation nicht in der Lage sei. Die vom Bundesministerium der Justiz zu diesem Punkt veranlaßten Untersuchungen — Herr Kollege Kleinert hat darauf bezug genommen — sind von den Ländern aufgenommen worden. Dort, wo Verbesserungen angezeigt sind, sollen diese zügig verwirklicht werden.Ich denke, das Entscheidende an diesem Gesetzentwurf wird angesichts seines Ziels jetzt sein, daß die mögliche Justizentlastung dazu benutzt wird, die personelle Hilfe beim Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Ländern zu stärken.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zur Abstimmung hat der Kollege Bachmaier eine Erklärung gemäß § 31. der Geschäftsordnung hinterlegt.*)
Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege auf den Drucksachen 12/1217 und 12/3832 in der Ausschußfassung.
Die Fraktion der SPD hat zu einer Vorschrift gesonderte Abstimmung verlangt.
Ich rufe daher zunächst Art. 1 bis 3 Nr. 12 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltun-
*) Anlage 5
gen? — Bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste wurde zugestimmt.
Ich rufe Art. 3 Nr. 13 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 12/3833 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? — Die Gegenprobe! — Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Wer stimmt für Art. 3 Nr. 13 in der Ausschußfassung? — Die Gegenprobe! — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis ist Art. 3 Nr. 13 angenommen.
Ich rufe nunmehr Art. 3 Nr. 13a bis Art. 18, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste und des Kollegen Bachmaier, der dazu ja etwas erklärt hat, und des Kollegen Meyer sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Bei Enthaltung des Kollegen Bachmaier und gegen die Stimmen der Gruppe PDS/Linke Liste ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe den letzten Punkt der heutigen Tagesordnung auf, den Punkt XI:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Verheugen, Katrin Fuchs , Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Nichtverbreitung von Kernwaffen — Drucksache 12/3099 —
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Verteidigungsausschuß
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem unserem Kollegen Günter Verheugen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Sie zunächst davon in Kenntnis setzen, daß wir wohl die Stunde nicht ganz brauchen werden, denn ich habe nicht die Absicht, die der SPD für diese Debatte zustehende Redezeit voll in Anspruch zu nehmen.Erinnern Sie sich bitte an den Anfang dieses Jahres. Damals waren die deutschen Zeitungen voll von Erklärungen aller Fraktionen und all derer, die zur Außen- und Sicherheitspolitik etwas beitragen zu können meinen, was für eine dramatische Situation in bezug auf die Weiterverbreitung von Kernwaffen entstanden sei, was für eine unmittelbar drohende Gefahr bestehe, und daß unbedingt etwas dagegen geschehen müsse. Vom damaligen Außenminister bis
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10795
Günter Verheugenhin zu denen, die sich immer zu Wort melden, wurden gewaltige Katastrophengemälde entworfen.Es ging wie häufig in der Politik: Es stellte sich heraus, daß es die vagabundierenden Atomwaffen, von denen damals die Rede war, doch nicht gab. Dann verlor man das Interesse am Thema, obwohl es eines der wichtigsten der internationalen Politik ist.Am 16. März hat die größte deutsche Tageszeitung getitelt — das habe ich mir herausgesucht —: „Die Katastrophe ist da: Die Mullahs haben drei Atombomben. " Mit den Mullahs war der Iran gemeint. Dem war unterstellt worden, er habe Atomwaffen aus den Beständen Kasachstans erworben. Wenig später stellte sich heraus, daß die Meldung falsch war. Aber sie ist immer wieder in anderen Zeitungen aufgetaucht, zuletzt in der von mir sehr geschätzten Süddeutschen Zeitung am 13. Oktober dieses Jahres, die erneut berichtete, der Iran wolle atomare Gefechtsköpfe aus Kasachstan kaufen.Dabei ist bekannt, daß Kasachstan im Sommer dieses Jahres sämtliche taktischen Atomwaffen nach Rußland transferiert hat und daß auf seinem Territorium jetzt ausschließlich strategische Atomwaff en sind, deren Sprengköpfe, von Moskau aus ferngesteuert, jederzeit deaktiviert werden können.Aber wir müssen wohl feststellen, daß die Welt nervöser geworden ist und daß es zunehmend vorstellbar erscheint, daß die Zahl der Atomwaffenmächte sprunghaft wächst und damit die Politik der Nichtweiterverbreitung vollends scheitert. Der Zusammenbruch der Sowjetunion ist nicht der einzige Anhaltspunkt für diese Befürchtung. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen.Einer liegt darin, daß Länder, wie auch die Bundesrepublik, in einem unverantwortlichen Maße Technologien und Materialien exportiert haben, die für den Bau von Atomwaffen benutzt werden können.
Ein anderer Grund ist, daß sich die zivile Kernenergie weltweit ausbreitet und über die zivile Kernenergienutzung Techniken der Urananreicherung und der Wiederaufbereitung erlernt wurden, die eine Eigenproduktion von waffenfähigem Spaltmaterial möglich machen. Die Liste der Länder, die das können — dazu gehören übrigens auch wir —, wird von Jahr zu Jahr länger.Nicht zuletzt ist das Vertrauen in die Wirksamkeit des Nichtweiterverbreitungsvertrages dadurch gesunken, daß internationale Organisationen wie die Internationale Atomenergiebehörde, die diese Entwicklung unter Kontrolle halten könnten, mit ihrer Aufgabe überfordert sind. Sie leiden unter Personal-und Finanzkürzungen, und sie haben leider immer noch nicht die notwendigen Kompetenzen für eine effiziente Arbeit.Über viele Jahre haben vor allem die beiden Supermächte USA und Sowjetunion die Zahl der Atomwaffenbesitzer begrenzen können. Sie haben den mit ihnen verbündeten oder von ihnen abhängigen Staaten Sicherheitsgarantien geben können und ihren jeweiligen Einflußbereich weitgehend kontrolliert. Diese Zeiten sind vorbei.Rußland hat als Nachfolgestaat der Sowjetunion die Macht über deren frühere Klientelstaaten überall in der Welt verloren. Rußland kann nicht einmal die Zuverlässigkeit vertraglicher Verpflichtungen der Ukraine garantieren.Auch die Einwirkungsmöglichkeiten der USA sind zurückgegangen. Nukleare Schwellenländer, wie Taiwan, Südkorea, Pakistan oder Brasilien, die früher dem westlichen Lager zugerechnet wurden, lassen sich durch Disziplinierungsversuche des alten Typs nicht mehr beeindrucken. Deshalb brauchen wir für die Politik der Nichtweiterverbreitung eine erneuerte, verbesserte Grundlage.Der SPD-Antrag zur Sicherung der Nichtweiterverbreitung, der die Grundlage der heutigen Beratung ist, wird zu einem Zeitpunkt gestellt, von dem ich sagen möchte, daß die Charakterisierung „fünf Minuten vor Zwölf " nicht überdramatisiert ist. Wir stellen den Antrag, bevor die Verbreitung von Kernwaffen außer Kontrolle geraten ist, zu einem Zeitpunkt, wo man noch handeln kann, aber die Chance zur Gefahrenabwehr nicht mehr unbegrenzt lange gegeben sein wird.
Wenn heute nichts Entscheidendes zur Sicherung des Nichtweiterverbreitungsvertrags getan wird, wird sich der Kreis der Atomwaffenstaaten fast zwangsläufig erweitern. Was das angesichts der wachsenden Krisen in der Welt einschließlich der Krise vor unserer eigenen Haustür bedeutet, kann sich jeder ausmalen.Wir verstehen unseren Antrag als einen Beitrag zur Konfliktverhütung. Wir wissen alle, daß bisher die meisten Versuche gescheitert sind, den Ausbruch von Konflikten durch vorbeugende und vorausschauende Maßnahmen zu verhüten. Im Normalfall wird hinterher gehandelt. Das können wir uns aber bei Atomwaffen wahrlich nicht leisten. Wir können nicht warten, bis es zehn oder zwanzig Atommächte gibt. Es muß gehandelt werden. Dazu macht unser Antrag konkrete Vorschläge.Die neue Grundlage für eine wirksame Nichtweiterverbreitung kann nicht in einer verstärkten Abschrekkungspolitik gegenüber nuklearen Schwellenländern liegen, nicht in militärischen Maßnahmen zur Verhinderung einer Atomwaffenproduktion. Wir sehen sie vielmehr in einer umfassenden Nutzung der völkerrechtlichen und der politischen Instrumente.Die vertragliche Verpflichtung zum Atomwaffenverzicht muß durch den Ausbau des internationalen Rechts so lückenlos abgesichert werden, daß eine Produktion im verborgenen und eine Vertragsumgehung ausgeschlossen werden. Dazu muß ein enges Netz von Kontrollen geknüpft werden, das sämtliche Stufen und Vorstufen der Atomwaffenproduktion erfaßt und auch die Herstellung von Raketen und anderen Trägersystemen einschließt.Heute, im Zeitalter weltumspannender computergestützter Datenspeicherung und Information, ist es durchaus möglich, Informationen über die Produktion, den Import und den Export von nuklearem Material und charakteristischen technischen Kompo-
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10796 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Günter Verheugennenten so zu erfassen, daß man frühzeitig ein Bild über Absichten einer Atomwaffenherstellung erhält.Ich möchte an einem Bild verdeutlichen, was ich meine: Ich stelle mir eine Art internationale Rasterfahndung vor, wo in einer Zentralstelle die Informationen über Export von sensitiver Technologie, aber auch die Anfragen nach Import von sensitiver Technologie zusammenlaufen, so daß sich aus den eingehenden Informationen über Importwünsche und Exportlieferungen ein Bild darüber ergibt, was ein bestimmter Staat mit einer Export- oder Importpolitik anfangen kann, vor allem dann, wenn er seine Wünsche diversifiziert, wie wir das in der Praxis einiger Schwellenländer, z. B. Pakistans, in den letzen Jahren erlebt haben.Wir wollen früh ein Bild über die Absichten gewinnen, ob jemand Atomwaffen herstellen will oder kann. Voraussetzung ist, daß die Unterzeichnerstaaten des Nichtverbreitungsvertrags wahrheitsgemäß und detailiert über private und staatliche Aktivitäten im Bereich der sensiblen Technologie und sensiblen Stoffe informieren.Der Fall Irak hat gezeigt, daß es dafür keine Garantie gibt. Darum können wir hier nicht allein nach dem Grundsatz von Treue und Glauben handeln, sondern es muß Sanktionen und ein funktionierendes System internationaler Kontrolle und Kontrollinstanzen geben. Diese Kontrollinstanzen müssen die Befugnis erhalten, Verdachtskontrollen durchzuführen, um mit besonderen Inspektionen auch nicht erklärte verdeckte Anlagen ausfindig machen zu können.
— Ich weiß nicht, ob ich die Unruhe bei Ihnen, Herr Kollege, so verstehen darf, daß das die F.D.P. für eine nicht marktwirtschaftliche Lösung hält.
Ich stimme dem zu, daß das nicht sehr marktwirtschaftlich ist, muß allerdings sagen, daß die Anwendung der Grundsätze der Marktwirtschaft beim Export und Import von Technologien zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen mit Sicherheit der falsche Maßstab ist.
Hier darf es nicht um Geschäfte gehen, sondern hier kann es nur um Sicherheit gehen.Ich möchte Sie vorsorglich darauf aufmerksam machen, daß die Einführung des Instruments von Verdachtskontrollen bei Inspektionen im Abrüstungsbereich zu den wirklich bedeutenden Leistungen des früheren Bundesaußenministers gehört.
Da es sich hier um einen Abrüstungstatbestand handelt, sähe ich es gern, wenn dieses Instrument der Verdachtskontrolle und der besonderen Inspektion in dem allergefährlichsten Bereich von Waffen, nämlich dem der Massenvernichtungswaffen, ebenfalls eingeführt würde. Ich glaube nicht, daß wir da weit auseinander sein werden.Die Entscheidung über den Nichtweiterverbreitungsvertrag muß 1995 fallen. Dann muß er entweder verlängert werden, oder er scheitert. Die Bundesregierung und die Fraktionen — natürlich auch die SPD-Fraktion — sind sich über die Notwendigkeit der Verlängerung des Nichtweiterverbreitungsvertrags einig. Aber die Verlängerung wird nicht automatisch eintreten.Mehr und mehr wichtige Länder vor allem der Dritten Welt sind es leid, weiterhin akzeptieren zu sollen, daß die offiziellen Atommächte ihre Waffen ständig modernisieren und nicht einmal bereit sind, ihre Nuklearwaffentests endgültig zu beenden, während alle anderen an der Entwicklung von Atomwaffen gehindert werden sollen.Die Großmächte — das muß man nun deutlich an deren Adresse sagen — nehmen für sich Rechte in Anspruch, die sie anderen vorenthalten. Das wird von vielen als Ungerechtigkeit und als Dominanzstreben empfunden, auch von den Staaten, die selber keine Absicht haben, sich Atomwaffen zuzulegen.Ich muß noch einmal daran erinnern, was die Grundlage des Nichtweiterverbreitungsvertrags von 1970 war: Der Vertrag ist nur deshalb zustande gekommen, weil die Großmächte, also die Atomwaffenbesitzer, damals erklärt haben, daß sie die Atomwaffenbestände drastisch abbauen werden. An diese Vereinbarung haben sie sich nicht gehalten.
— Nein. Ich muß Sie leider eines Besseren belehren. Denn selbst die jüngsten quantitativ weitreichenden Vereinbarungen bedeuten nicht, daß die frühere Sowjetunion oder die USA mit ihren Kernwaffenbeständen den Stand von 1970, als der Vertrag abgeschlossen wurde, wieder erreicht hätten. Sie liegen auch nach Vollzug der neuesten Abkommen weit über den Kernwaffenbeständen von 1970, als sie eine Abrüstungsvereinbarung unterschrieben. Darum kann es für mich keinen Zweifel geben, daß die USA und die frühere Sowjetunion ihre Verpflichtungen aus dem Nichtweiterverbreitungsvertrag in gefährlicher Weise verletzt haben.Bei der Forderung nach Beendigung der Atomwaffentests hat es allerdings Fortschritte gegeben. Zur Zeit testet nur die Volksrepublik China. Rußland, die USA und Frankreich haben einseitige Moratorien erlassen, die für Rußland und die USA bis zum Juli 1993 und für Frankreich bis Ende 1992 befristet sind.Ich möchte auch an dieser Stelle an die testenden Atommächte appellieren, dieses lebensgefährliche Unternehmen endlich zu unterlassen. Solange Atomwaffen getestet werden, wird es neue geben. Der Teststopp ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, daß das Nichtweiterverbreitungssystem auch in Zukunft funktioniert. Ich bitte die Bundesregierung dringend, gegenüber den Atommächten eine intensive und aktive Politik in der Absicht zu betreiben, daß die Atomwaffentests umfassend und lückenlos beendigt werden.Ich freue mich, daß die neue amerikanische Regierung unter Präsident Clinton die bisherige Position der
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Günter VerheugenUSA überprüfen wird. Die Bundesregierung sollte die Chance der Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Regierung nutzen. Da sie als Nichtnuklearwaffenstaat besondere Interessen zu vertreten hat, scheint mir diese Zusammenarbeit besonders dringlich zu sein.Es geht aber nicht nur um die USA, sondern auch um China, das nach wie vor Atomwaffen mit einer Stärke im Megatonnenbereich zur Explosion bringt. Außenminister Kinkel besteht darauf, die Beziehungen zu China zu intensivieren. Darüber will ich jetzt nicht diskutieren. Aber ich denke, zum politischen Dialog mit China gehört, daß wir uns nicht nur um die Interessen der deutschen Exportwirtschaft kümmern, sondern daß auch unsere Sicherheitsinteressen beachtet werden.
Es geht auch um die KSZE-Mitglieder Rußland, Frankreich und England, zu denen wir beste Beziehungen haben. Diese Beziehungen müssen mehr als bisher dafür eingesetzt werden, daß die Atomwaffentests beendet werden.Unabhängig davon wünschen wir einen aktiven Einsatz für die Verlängerung des Nichtweiterverbreitungsvertrags. Der sicherheitspolitische Wert dieses Vertrags ist so hoch, daß es selbstschädigend wäre, wenn wir die Atommächte für ihr fortgesetztes Testen und Rüsten dadurch strafen wollten, daß wir den Vertrag in Frage stellten. Das Gegenteil ist richtig. Die Einhaltung des Vertrags muß verbessert und die Zeit, die uns bleibt, klug genutzt werden.Wenn wir wollen, daß die Kernwaffen derjenigen Staaten, die früher zur Sowjetunion gehörten, und die Kernwaffen der anderen Atommächte unter internationale Kontrolle gestellt werden und die kostspielige Vernichtung vorhandener Atomwaffen tatsächlich stattfindet, dann müssen wir uns mit größeren Beiträgen als bisher an internationalen Aufgaben beteiligen.Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Bundestag einen Kostenplan vorzulegen, aus dem hervorgeht, wie hoch die Belastung für eine künftige effiziente Kontrolle der vorhandenen Atomwaffen sein werden.Die Konsequenz aus den Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kann für uns nur die sein, daß wir den nichtnuklearen Nationen mehr Interesse für ihre nationale und wirtschaftliche Situation entgegenbringen müssen, wenn wir verhindern wollen, daß das Beispiel einiger Nachfolgerstaaten der Sowjetunion Nachahmer findet, ein Beispiel, das sich darin widerspiegelt, daß ökonomisch schwach entwickelte Staaten als Atomwaffenbesitzer plötzlich in den Kreis der mächtigen Nationen der Welt aufzurücken glauben und sich entsprechend verhalten.
Die Bundesrepublik ist in allen wichtigen Gremien vertreten, die diese Aufgaben wahrnehmen können: in der G-7-Gruppe, in der Weltbank, im Internationalen Währungsfonds und in der Europäischen Gemeinschaft. Niemand hindert die Bundesregierung daran, in diesen Organen ihrer Verantwortung für die Stärkung der Nichtweiterverbreitung nachzukommen. Sie muß es nur wollen. Wir fordern sie dazu auf.Der vorliegende Antrag gibt Anregungen und bietet Initiativen an, diese Politik zu betreiben. Wir wären dankbar, wenn wir uns mit den anderen Fraktionen in den Ausschußberatungen auf einen Text verständigen könnten, der am Ende eine gemeinsame Initiative des Deutschen Bundestages ausdrückt.Ich danke Ihnen.
Ich erteile unserem Kollegen Dr. Friedbert Pflüger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob wir die größte Abrüstung in der Geschichte zustande bringen oder aber die größte Proliferation.Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat die Proliferationsgefahr auf dramatische Weise zugespitzt. Lagerung, Bewachung, Transport und Vernichtung von 30 000 sowjetischen Nuklearsprengköpfen setzen höchste logistische, organisatorische und technische Fähigkeiten voraus.In dieser ernst gewordenen Situation ist es gut, daß Anträge dazu gestellt werden, auch wenn wir die heute zur Debatte stehenden Themen schon mehrmals besprochen haben und es dazu schon einen umfangreichen Koalitionsantrag gibt, den wir im Juni angenommen haben.Ich selber durfte für meine Fraktion schon am 14. Februar und am 24. Juni dieses Jahres konkrete Vorschläge zur Eindämmung der Weiterverbreitung vortragen. Wir freuen uns, daß nun auch die SPD einen entsprechenden Katalog vorlegt. Er enthält eine ganze Reihe konstruktiver Vorschläge, die wir im Ausschuß ebenso konstruktiv behandeln werden.Die SPD sieht — so sagt sie in ihrem Antrag — im Streben nach Massenvernichtungswaffen „schwerste Gefahren für den Weltfrieden". Das ist wahr.Ich erinnere mich aber gut daran, daß in der Debatte im Februar ähnliche Hinweise von unserer Seite als Krisengerede gebrandmarkt wurden. Wer zu Beginn des Jahres 1992 die neuen Gefahren für den Frieden benannte, galt in den Augen der SPD leicht als Schwarzmaler, dem es nur darum gehe, neue Argumente für neue Rüstung zu finden.Es ist gut, daß Sie in Ihrem Antrag nun klar einräumen, daß die Proliferationsbedrohung eine neue Qualität bekommen hat, daß sie real und kein Phantasiegebilde rüstungswütiger Konservativer ist.Ich will mich mit dem Antrag der SPD-Fraktion im einzelnen auseinandersetzen.Zunächst begrüßen wir ausdrücklich, daß die Sozialdemokraten das System des Nichtweiterverbreitungsvertrags von 1970 als grundsätzlich wirksam bezeichnen. Positiv ist ferner, daß sich der Geltungsbereich des Vertrages in jüngster Zeit ausgeweitet hat, wobei wir vor allem an Frankreich, Südafrika und China denken.
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10798 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Friedbert PflügerBesonders freue ich mich über die Anerkennung der SPD, daß die Bundesrepublik Deutschland „in jüngster Zeit Fortschritte bei der Verschärfung von Exportkontrollen" gemacht habe. Es wäre gut, wenn die Sozialdemokraten das nicht nur hier, sondern auch zu Hause, an der Basis, in Diskussionsveranstaltungen einräumen könnten.Andere Behauptungen im SPD-Antrag vermögen dagegen nicht zu überzeugen. Es ist z. B. nicht wahr, daß die offiziellen Nuklearmächte ihre Abrüstungsverpflichtungen aus dem Nichtweiterverbreitungsvertrag erfüllt haben und deshalb die Verlängerung des 1995 auslaufenden Abkommens gefährden.Herr Kollege Verheugen, natürlich ist richtig, daß die Nuklearwaffenbestände selbst nach der Verwirklichung der Initiative von Jelzin und Bush vom Juni höher sind als 1970. Ich behaupte dennoch, daß es für die Staaten, die sich 1994 zur Verlängerung des Vertrags wieder treffen, entscheidend ist, was in den letzten Jahren erreicht worden ist.Deshalb muß man doch einräumen, daß es einen dramatischen Fortschritt gegeben hat. Durch das START-I-Abkommen und die Bush-Jelzin-Initiative vom Juni, die in START II münden wird, wird die Zahl der amerikanischen strategischen Nuklearsprengköpfe von 12 646 auf 3 500 und die Zahl der sowjetischen von 10 216 auf 3 036 abgebaut. Mit anderen Worten, in wenigen Jahren verständigten sich die Großmächte auf eine Reduzierung ihrer Interkontinentalraketenarsenale um mehr als zwei Drittel.Ich glaube, das hätten die meisten vor wenigen Jahren nicht in ihren kühnsten Träumen gehofft. Ganze Waffenkategorien — Mittelstreckenraketen und bodengestützte taktische Nuklearwaffen — sind demobilisiert worden. Wer von den Friedensdemonstranten im Bonner Hofgarten im Jahre 1983 hätte denn geglaubt, daß nicht einmal zehn Jahre später echte Nullösungen vereinbart sein könnten?
Dazu hat die Bundesregierung entscheidend beigetragen, und meine Fraktion dankt ihr dafür.Natürlich ist noch nicht alles umgesetzt worden, was an nuklearer Abrüstung vereinbart worden ist. Jeder von uns weiß, daß es dabei auch viele Gefahren und Probleme gibt. Rußland und Kasachstan haben den START-Vertrag ratifiziert, nicht dagegen —jedenfalls bisher nicht — die Ukraine und Weißrußland. In der Ukraine, so hören wir, gibt es sogar ernste Probleme. Wir fordern beide Länder auf, sich der STARTVereinbarung so schnell wie möglich zu unterwerfen und danach als Nichtbesitzerstaaten dem NV-Vertrag beizutreten. Das ist die Voraussetzung für die Mitwirkung in der internationalen Staatengemeinschaft.Die Autoren des SPD-Antrags haben recht, wenn sie auch darauf hinweisen, daß es keine Alternative zu einer weltweit gültigen Kontrolle der Weiterverbreitung gibt. Warum sie aber das in Amerika angedachte Raketenabwehrsystem gegen drohende Attacken mit Kernwaffen — GPALS, d. h. Ground Protection Against Limited Strikes -- in Bausch und Bogen ablehnen ist schwer verständlich. Man mag über Art und Umfang einer solchen Verteidigung unterschiedlicher Auffassung sein; warum sie allerdings, wie die SPD kühn behauptet, das „Risiko eines Atomkrieges beträchtlich vergrößert", bleibt in den Sternen.
Wenn die von uns allen gewünschte Prävention gegen Proliferation nicht greift, Herr Kollege Verheugen, sollen wir uns dann nicht verteidigen dürfen?Ebenso vereinfacht erscheinen die Ausführungen zu einem allgemeinen Nuklearteststoppvertrag. Die Koalition hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß er überfällig ist: d. h. wir setzen uns dafür ein, der Bundeskanzler an der Spitze. Der Teststopp ist in der Tat entscheidend für die Bereitschaft mancher Nichtbesitzerstaaten, sich auch nach 1995 dem Nichtverbreitungsregime zu unterwerfen, wie Sie es ausgeführt haben. In der Zielsetzung gibt es auch keinen Dissens zwischen uns. Unzutreffend aber ist nach meiner Einschätzung die Behauptung, daß die Verweigerung des Teststopps automatisch bedeutet, daß die Atomrüstung der Besitzerstaaten weitergeht. Im Moment jedenfalls ist eher das Gegenteil der Fall.Warum erwähnen Sie in Ihrem Antrag nicht die großen Fortschritte beim Teststopp? Sie haben das zwar mündlich getan, aber ich würde sagen, Sie hätten das auch in den Antrag schreiben müssen. Sie hätten das Moratorium erwähnen müssen, das die USA und Rußland bis zum 30. Juni 1993 beschlossen haben.
— Wir wollen den Antrag ja gemeinsam im Ausschuß verbessern.
Es gibt auch andere Fortschritte, wie Sie wissen. Der amerikanische Kongreß hat ferner angekündigt, ab 1996 zu einem allgemeinen Teststopp zu kommen, wenn sich auch die anderen Kernwaffenstaaten dazu bereit erklären. Bush hat kein Veto eingelegt, und Clinton — das haben Sie ausgeführt — dürfte eher noch weitergehen, übrigens dabei ermutigt von der Bonner Koalition.Der von der SPD vorgeschlagene Forderungskatalog von den Verdachtskontrollen der Internationalen Atomenergie-Organisation über die Einrichtung regionaler Kontrollsysteme bis zur Einbeziehung von Dual-use-Gütern findet unsere grundsätzliche Zustimmung. Die meisten Vorschläge sind nicht neu; in manchen Fällen ist die Wirklichkeit schon etwas weiter. So hat sich z. B. die Nuclear Supplier Group, also die 27 Staaten, die heute schon auf dem nukleartechnologischen Gebiet als Anbieter auftreten, am 3. April 1992 auf Dual-use-Exportrichtlinien verständigt und 65 Kategorien aufgestellt, bei denen vom Käufer eine Festlegung für den Endverbrauch gefordert wird.Seltsam unkonkret bleibt die SPD hinsichtlich der Sanktionen gegen Staaten, die die NVV-Regelungen verletzen. Was für Sanktionen meinen Sie? Sollen bei bewiesener Atomrüstung nur die Botschafter abgezo-
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Dr. Friedbert Pflügergen werden? Denkt die Opposition an wirtschaftliche Sanktionen? Oder ist nicht die Herstellung oder der Erwerb von Massenvernichtungswaffen eine „Bedrohung für den Frieden" im Sinne von Kapitel VII der UN-Charta?Herr Verheugen, wenn wir es ernst meinen mit dem NVV-Regime, dann müssen militärische Sanktionen erlaubt sein. Wenn dies aber so ist, dann frage ich mich, warum das nicht in dem Papier der SPD steht. Es gibt dann auch keinen Grund, daß deutsche Soldaten abseitsstehen. Niemand, der die Beteiligung deutscher Soldaten an entsprechenden UN-Aktionen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt, kann sich glaubwürdig für Sanktionen aussprechen.
— Ja, diese Auffassung haben Sie von mir nicht das erste Mal gehört. Es ist in der Tat notwendig, daß die SPD auf diesem Gebiet aus ihrer Ecke herauskommt. Man kann nicht auf der einen Seite UN-Sanktionen fordern — Sie haben soeben noch einmal gesagt, Herr Kollege Verheugen, auch Sie seien dafür, daß militärische Sanktionen verhängt würden — — Sie sagten: militärische Sanktionen.
— Dann habe ich Sie falsch verstanden. — Aber was bringen wirtschaftliche Sanktionen gegen Leute, die wirklich entschlossen sind, Nuklearwaffen einzusetzen? Im Notfall muß die Staatengemeinschaft die Möglichkeit haben, auch militärisch dagegen vorzugehen. Darm kann man nicht sagen: Alle anderen sollen das tun, nur wir Deutschen halten uns zurück. Mit dieser Haltung haben wir keine Chance, bündisfähig zu bleiben.In einer anderen Passage ihres Antrages fordert die SPD die Verlängerung der Geltungsdauer und die Verbesserung des NVV-Vertrages. Das hört sich natürlich gut an, aber der zweite Teil dieser Forderung ist keineswegs unproblematisch. Experten weisen uns schon jetzt darauf hin, daß gerade der Versuch, das NVV-Regime zu verbessern, dazu führen könnte, daß die Verlängerung nicht zustande kommt. Ich bin für die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Vertrages, und ich bin auch für seine Verbesserung, aber im Zweifel sage ich: Ich bin für Verlängerung vor Verbesserung. Das heißt: Wenn die Bemühungen um eine Verbesserung nur dazu führen, die Verlängerung der Geltungsdauer des NVV-Vertrages nachher unmöglich zu machen, dann ist es doch vielleicht klüger, auf die Verbesserung zu verzichten und all die konkreten Maßnahmen, über die ja Übereinstimmung zwischen uns besteht, dann vielleicht unterhalb der Ebene der NV-Verhandlungen durchzusetzen.Was in dem SPD-Papier völlig fehlt, sind die konkreten Maßnahmen, die notwendig sind, um ein Proliferations-Containment in der GUS zu bewirken. Der Bundeskanzler wird voraussichtlich am 15./ 16. Dezember 1992 nach Moskau fahren, u. a. um dort ein Rahmenabkommen zur Zusammenarbeit bei der Abrüstung sowjetischer Massenvernichtungswaffen zu unterzeichnen. Geplant ist Hilfe bei einer Einrichtung in Tscheljabinsk, wo Kernwaffenmaterial für friedliche Zwecke umgewandelt werden soll, ferner die Lieferung von Spezialfahrzeugen für den Transport und Unfalischutzeinrichtungen. Die im Einzelplan 05 eingesetzten 10 Millionen DM sind ein Einstieg in diese Maßnahmen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.Schließlich geht es in Moskau endlich um das Internationale Technologie- und Wissenschaftszentrum, in dem sowjetische Nuklearwissenschaftler ihre Kenntnisse zur friedlichen Beherrschung der Kernkraft anwenden sollen.Vorbildlich sind die entsprechenden Maßnahmen der Amerikaner. Der amerikanische Kongreß hat bereits 1 Milliarde Dollar für Abrüstung und Non-Proliferation bewilligt. In den nächsten zehn Jahren wollen die USA bis zu 500 t angereicherten Urans von Rußland kaufen. 100 sowjetische Eisenbahnwaggons sollen umgerüstet werden, um spaltbares Material sicher zu transportieren. Die USA stellen ferner Depots für die Zwischenlagerung und ein EDVSystem zur Buchhaltung über die nuklearen Bestände zur Verfügung.Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte, einen letzten Gedanken vorzutragen. Wenn wir die Weiterverbreitung wirksam verhindern wollen, dann müssen wir auch neue, unkonventionelle Wege gehen. Im European Center for International Security in Starnberg wird unter der Leitung von Albrecht von Müller über ein sogenanntes Incentive Based Verification, also eine Anreizverifikation, nachgedacht. Von Müller geht davon aus, daß das bisherige Verifikationsinstrumentarium — Satelliten, Nachrichtendienste und Inspektionen vor Ort — nicht mehr ausreicht, die vielen geheimen Proliferationsvorgänge zu kontrollieren. Man sollte deshalb überlegen, ob nicht folgende Maßnahmen weiterführen könnten:Die NVV-Staaten zahlen einen bestimmten Promillesatz ihres Bruttosozialprodukts auf ein Konto der Weltbank ein. Sie bleiben aber Eigentümer dieses Geldes und erhalten regelmäßig Zinsen. Durch jährliche Einzahlungen steigt der Kapitalstock ständig. Wird der betreffende Staat bei der Verletzung eines Proliferationsabkommens ertappt, wird das gesamte über Jahre eingezahlte Kapital eingezogen. Jedes Jahr wächst somit der Anreiz für einen Staat zur Einhaltung des Vertrages, und anfänglich noch vorhandene Verletzungen werden aus eigenem Interesse abgebaut, um nicht das ganze Geld zu verlieren.Die Signatarstaaten loben eine Prämie von z. B. 3 Millionen Dollar aus, die an denjenigen gezahlt wird, der Verstöße gegen bindende Verträge aufdeckt. Der Betreffende erhält ferner das Recht, für sich und seine Familie Pässe eines Landes seiner Wahl zu erhalten. Dies könnte auf der staatlichen Ebene, aber auch auf der Ebene der Privatwirtschaft Wirkung entfalten. Keine Firma könnte nämlich das Risiko eingehen, daß sich ein unvermeidbarer Mitwisser, den die Prämie mehr lockt als sein Jahresgehalt, an die Öffentlichkeit oder z. B. an die IAEO wendet.Vielleicht darf ich mir die Anregung erlauben, daß das Bundesministerium der Verteidigung oder das
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10800 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Friedbert PflügerAuswärtige Amt Kontakt mit den Experten von EUCIS in Starnberg aufnimmt, weil ich finde, daß es genau solche unkonventionellen Anregungen sind, die wir in der Proliferationsdebatte brauchen.Ich möchte abschließend sagen, Herr Kollege Verheugen, ich finde es gut, daß wir die Gelegenheit gehabt haben, auch wenn zu dieser Stunde nur noch wenige Kolleginnen und Kollegen anwesend sind, uns über diese Fragen auszutauschen und das Thema der Massenvernichtungswaffen auf der Tagesordnung zu halten. Es sind nicht nur der Treibhauseffekt, das Ozonloch und die Bevölkerungsexplosion, sondern ganz entscheidend auch die jetzt angesprochenen Fragen, die in der Zukunft für die Sicherheit und den Frieden auf dieser Welt eine große Bedeutung haben werden.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Günther Friedrich Nolting das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die generelle Forderung des SPD-Antrags, die Nichtverbreitung von Kernwaffen, entspricht vom Grundsatz her auch den Intentionen der F.D.P.-Bundestagsfraktion. Die Nichtverbreitung von Kernwaffen und waffenfähigem Material muß ein vitales Interesse von uns allen sein. Die Redebeiträge am heutigen Freitagmittag hier haben dies ja auch gezeigt.
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland dasjenige Land auf der Erde ist, welches sich mehrfach und unmißverständlich dazu verpflichtet hat, auf die Entwicklung, die Herstellung, den Besitz oder die Verfügungsgewalt zu verzichten, sollten wir, Herr Kollege Verheugen, nicht immer wieder als öffentlicher Lehrmeister anderen Nationen gegenüber auftreten. Wenn auch die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen und vor allen Dingen die Verlängerung der Geltung des Nichtverbreitungsvertrags für Kernwaffen wünschenswert sind, so müssen wir doch auch die gewandelten Rahmenbedingungen und Realitäten zur Kenntnis nehmen. Es macht aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn, die Nuklearmächte und hier besonders die nuklearen Supermächte zu einem Zeitpunkt verbal anzugreifen und sie der Nichterfüllung ihrer Abrüstungsverpflichtungen zu bezichtigen, da sie doch in einer früher kaum vorstellbaren Weise bereit sind, die Zahl ihrer Atomwaffen zu reduzieren und diese Waffen auch zu vernichten. Der Kollege Pflüger hat auf die Zahlen hingewiesen; ich brauche sie an dieser Stelle nicht zu wiederholen.
Wir wissen aber auch, meine Damen und Herren, wie schwierig es ist, Kernwaffen abzurüsten, sie zu zerlegen und die Bestandteile so zu entsorgen, daß keine ökologischen Risiken entstehen. Wir wissen ebenfalls, daß Abrüstung Geld kostet, und zwar nicht gerade wenig.
Herr Kollege Nolting, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Günter Verheugen?
Er hat heute zwar schon gesprochen, aber bitte.
Bitte sehr, Herr Kollege Verheugen.
Würden Sie mir zustimmen, daß die Abrüstungsvereinbarungen, die jetzt getroffen worden sind, qualitativ nur deshalb so stark wirken, weil sie das Ergebnis einer dem Vertrag von 1970 nicht entsprechenden wahnsinnigen Aufrüstung in den 70er und 80er Jahren sind? Wenn Sie nicht so viel aufgerüstet hätten, könnten Sie jetzt nicht so viel abrüsten.
Herr Kollege Verheugen, ich habe darauf hingewiesen, daß Abrüstungsmaßnahmen vorgenommen werden, und zwar in einem sehr beträchtlichen Umfang. Ich denke, wir sollten verhindern, diese Maßnahmen zu stören. Ich habe die Befürchtung, daß wir, wenn wir hier verbale Attacken reiten, wie es teilweise aus Ihrem Antrag hervorgeht, genau diesen Prozeß stören. Das möchte ich nicht erreichen.
Meine Damen und Herren, gerade Rußland als Rechtsnachfolger der untergegangenen Sowjetunion hat wahrlich genügend strukturelle Probleme zur Durchsetzung der Kontrolle über die eigenen Waffen, als daß es gerade von uns Deutschen nun auch noch attackiert werden müßte.Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß das Pentagon in diesem Jahr nahezu eine halbe Milliarde Dollar für die Unbrauchbarmachung ehemaliger sowjetischer Kernwaffen ausgibt. Auch Deutschland beteiligt sich aktiv an finanziellen Hilfen für die Staaten der GUS im Rahmen der Abrüstungshilfe. So sind im Etat des Auswärtigen Amts im nächsten Jahr 27 Millionen DM für Beratungshilfen für die mittelosteuropäischen Staaten und für die GUS-Staaten vorgesehen. 10 Millionen DM hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Beseitigung ehemaliger Massenvernichtungswaffen bewilligt.Wenn man bedenkt, daß allein 33 000 Atomsprengköpfe entsorgt werden müssen, kann man die gewaltige Aufgabe ermessen, die zu bewältigen ist.Weiterhin ist vorgesehen, russische Experten aus-und fortzubilden, damit sie eben nicht in bestimmte Länder abwandern. Auch mit Transport-, Schutz- und Sicherheitsmaterial wollen wir helfen. Ich füge hinzu: Diese Hilfe entspricht im übrigen auch unseren ureigensten Sicherheitsinteressen.Gestrige Presseveröffentlichungen haben gezeigt, daß in Rußland die Bereitschaft zu einer ehrlichen und offenen Zusammenarbeit mit dem Westen bei der Bewältigung der atomaren Altlasten weiter wächst. Die Übergabe von Karten an die Amerikaner mit den vermuteten Lageplätzen gesunkener sowjetischer Atom-U-Boote und konkrete Angaben über Versenkungsplätze von atomarem Müll sind offensichtliche Beispiele für diesen Willen zur Kooperation.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992 10801
Günther Friedrich NoltingWir alle sind uns der Probleme bewußt, die sich aus dem Zerfall der Sowjetunion und damit der Verteilung von Kernwaffen auf mehrere neue Staaten ergeben. Die Gefahr der Proliferation von spaltbarem Material, die Gefahr des Wissenstransfers durch abgeworbene Wissenschaftler und die Gefahr des Verkaufs von ganzen Sprengköpfen sind gewaltig gewachsen. Dennoch ist es wenig hilfreich, Gefahren heraufzubeschwören, sondern jetzt muß, wie gerade von mir aufgezeigt, die Hand zur Hilfe gereicht werden. Länder wie die Ukraine müssen wissen, was es heißt, Atomwaffen auf ihrem Territorium zu haben. Wir müssen erreichen, daß die Verpflichtungen beachtet werden, die sich aus den Abrüstungsverträgen ergeben.Das heißt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Nuklearmächten und gemeinsame beharrliche diplomatische Initiativen aller Nichtnuklearstaaten, denen die weltweite Eingrenzung und Verminderung des nuklearen Potentials am Herzen liegt, sind das Gebot der Stunde und nicht plakative parlamentarische Beschlüsse, wie sie die SPD in ihrem Antrag vorsieht.Meine Damen und Herren, bei allen Bemühungen um die weitestgehende Abrüstung und die Eindämmung des Kreises der kernwaffenbesitzenden Länder müssen wir damit rechnen, daß einsatzfähige Waffen in die Hände von gewissenlosen politischen Hasardeuren oder skrupellosen Machtpolitikern gelangen. In diesem Zusammenhang möchte auch ich, wie es der Kollege Pflüger getan hat, an die Sinnhaftigkeit amerikanischer Überlegungen hinsichtlich eines Mechanismus zum Schutz vor ballistischen Flugkörpern erinnern. Obwohl es derzeit bestimmt nicht opportun ist, vor möglichen konkreten militärischen Gefahren zu warnen, halte ich Vorsorgemaßnahmen als Versicherung für durchaus betrachtenswert. Wir sollten uns in nächster Zeit einmal in den zuständigen Ausschüssen über diese Thematik unterhalten. Ich erinnere daran, welch herausragende Bedeutung die Abwehr von ballistischen Flugkörpern beim Schutz der israelischen Bevölkerung vor erwarteten irakischen Angriffen hatte.Ich sagte zu Beginn, daß auch für die F.D.P.-Bundestagsfraktion die Nichtverbreitung von Kernwaffen ein wichtiges Anliegen ist. Ich muß die SPD aber fragen, Herr Verheugen, ob sie mit der geforderten erweiterten internationalen Überwachung der Trägermittel und der Sprengköpfe nicht zu weit geht. Ich könnte mir Länder vorstellen, die zwar kontrolliert werden müssen, denen ich dieses Recht selbst aber nicht zugestehe.Herr Kollege Verheugen, eine Kontrolle, wie Sie sie hier angesprochen haben, ist bestimmt in allen Bereichen der Abrüstung wichtig und auch richtig. Da stimmen wir überein.Ich kann uns allen deshalb nur empfehlen, einmal das Zentrum für Verifikation in Geilenkirchen zu besuchen und die Bundeswehr bei der Wahrnehmung dieser auch vertrauensbildenden Arbeit zu unterstützen.Ich möchte auf einen weiteren Punkt des Antrags eingehen, der hier auch vom Kollegen Verheugen vorgetragen wurde. Herr Kollege Verheugen, ich finde es schon bemerkenswert, wenn Sie in Ihrem Antrag die Schaffung eines Sanktionsmechanismus fordern. Ich frage Sie aber: Wer sollte diesen Mechanismus überwachen? Sie fordern zwar ständig — auch heute wieder — die Durchsetzung von notwendigen Sanktionen. Nur sind Sie letztlich nicht bereit, zuzulassen, daß wir Deutsche uns an der Durchführung beteiligen, wie wir es jetzt z. B. in der Adria erleben. Auch Ihr Parteitagsbeschluß — lassen Sie mich das dazusagen — läßt eine solche Vorgehensweise leider weiterhin befürchten.Ich wiederhole hier: In dieser Frage muß sich die SPD bewegen, damit Deutschland nicht in eine außenpolitische Isolation gerät. Ich hoffe immer noch, Herr Kollege Verheugen, daß die SPD einer Grundgesetzänderung in allen Teilen zustimmen wird. Die F.D.P. hat hier Vorschläge gemacht. Ich hoffe, daß wir uns auf dieser Ebene einigen, vielleicht wir mit Ihnen, aber wahrscheinlich nicht mit der Gesamtpartei. Ich hoffe, daß Sie sich mit Ihren Vorstellungen in Ihrer Fraktion durchsetzen können.Meine Damen und Herren, Überwachung und Kontrolle der Abrüstungsverträge sind gut. Aber eben nicht durch verbale Attacken und plakative Entschließungen, sondern durch diplomatisches Geschick und beharrliches Verhandeln sind sie zu gewährleisten. Die deutsche Außenpolitik wird das auch in Zukunft bewältigen und, Herr Kollege Schäfer, auch bestätigen; da bin ich mir sicher.Dem Antrag der SPD können wir in der Form, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen. Aber, Herr Kollege, Sie haben ja weitergehende Vorschläge gemacht. Wir werden die Ausschußberatungen abwarten müssen. Dann sehen wir, ob wir uns letztendlich einigen können.Vielen Dank.
Frau Kollegin Dr. Ruth Fuchs, Sie haben jetzt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kernwaffen sind und bleiben auch nach dem Ende des kalten Krieges eine Bedrohung. Ganz besonders gilt das in Phasen instabiler Verhältnisse, wie sie sich mit den gegenwärtigen politischen sowie gesellschaftlichen Umbrüchen vollziehen. Somit sind wir für ihre Verminderung, besser noch: für ihre Abschaffung.Der SPD-Antrag ist auf wichtige Aspekte der Verhinderung ihrer Weiterverbreitung sowie die Erhaltung und Fortschreibung des Nichtweiterverbreitungsvertrages gerichtet. Insofern findet er unsere Unterstützung.Trotzdem folgende Anmerkungen.Es führt in eine völlig falsche Richtung, wenn die Gesamtproblematik so dargestellt wird, als läge das Wesen der Sache in den Anstrengungen einiger machthungriger Regierungen in der Dritten Welt oder etwa in der Kontrolle über die Kernwaffen der ehemaligen Sowjetunion. Allerdings übersehen wir natürlich die Gefahren entsprechender Entwicklungen nicht.
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10802 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1992
Dr. Ruth FuchsDas Kernproblem sind und bleiben bis auf den heutigen Tag die nahezu ungebremsten Aktivitäten der etablierten Kernwaffenstaaten. Für sie ist der Besitz von Kernwaffen bzw. von ständig neuen Kernwaffentypen immer noch Prestigeobjekt der Machtpolitik. Das gilt auch für die dazugehörigen Forschungs- und Entwicklungsprogramme.Des weiteren sind sie ihrer im Vertrag eingegangenen Verpflichtung, auf diesem Gebiet ernsthaft abzurüsten, nur teilweise nachgekommen. An dieser Stelle muß sich die Bundesregierung fragen lassen, was sie für die nukleare Abrüstung und für die Stärkung des Regimes der Nichtweiterverbreitung tut. Es liegt gewiß nicht in diesem Sinne, wenn mit Zustimmung der Bundesregierung entgegen den weltweiten Erwartungen und jeder vernünftigen Bedrohungsanalyse im Oktober dieses Jahres die Nukleare Planungsgruppe der NATO erneut das Prinzip des Ersteinsatzes von Kernwaffen bekräftigte. Das ehemalige Hauptargument, die erdrückende Überlegenheit des Warschauer Vertrages, kann wohl nicht mehr gelten. Die GUS-Staaten haben den Verzicht der ehemaligen Sowjetunion auf den Ersteinsatz für sich ausdrücklich bekräftigt.Es ist geradezu paradox: Diese Staaten nehmen inzwischen am NATO-Konsultationsrat teil. Die Masse der westlichen Kernwaffen aber zielt nach wie vor auf sie. Jene Staaten der Dritten Welt, die man zu den sogenannten Risikozonen rechnet, befinden sich außerhalb der Reichweite der luftgestützten Kernwaffenträger der NATO.Damit stellt sich augenscheinlich eine rein militärische Frage, nämlich die nach der notwendigen Verlegung der Kernwaffenkräfte zum Zeitpunkt einer drohenden Gefahr an den Rand des NATO-Vertragsgebiets. Eine solche Verlegung könnte unter Einbeziehung der großen Vorwarnzeiten auch vom Territorium der USA aus erfolgen. Das heißt, unter diesen Voraussetzungen hätten wir erstmals die risikolose Möglichkeit des völligen Abzugs der 700 luftgestützten Kernwaffen aus Europa. Ein ernsthaftes Nachdenken über eine solche oder ähnliche Lösung findet leider nicht statt.Eine dritte Frage, bei der die Bundesregierung ihren tatsächlichen Möglichkeiten entsprechend kaum etwas unternimmt, ist die Einstellung der Kernwaffen-tests. Ihre engsten Verbündeten, die USA, Frankreich und Großbritannien, setzen ihre Versuche zur Vervollkommnung ihrer Kernwaffen fort, völlig im Widerspruch zum Anliegen und zu den Verpflichtungen des Nichtweiterverbreitungsvertrages.Wo bleibt der Protest oder auch nur die klare Forderung der Bundesregierung an diese Staaten, ihre destabilisierende Praxis einzustellen?Es ist eine Tatsache: Niemand anderes als die Kernwaffenstaaten selbst zerstören diesen wichtigen internationalen Vertrag. Wer dieser Praxis, ob gewollt oder ungewollt, nicht entschieden entgegentritt, wird mitschuldig, wenn in naher Zukunft Bedingungen entstehen, die alle bisherigen Hemmschwellen für eine Kernwaffenrüstung unkontrollierbar werden lassen. Die Bundesregierung darf von der nuklearen Abrüstung nicht nur reden, sie muß für das vereinte Deutschland friedensstiftende Zeichen setzen.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich nunmehr dem Herrn Staatsminister im Auswärtigen Amt, unserem Kollegen Helmut Schäfer, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte heute zeigt sehr deutlich, daß wir uns darin einig sind: Der Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen muß höchste Priorität in den weltweiten Bemühungen um Rüstungskontrolle haben. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewußt. Die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen ist ein Kernanliegen deutscher Außenpolitik, gerade weil Deutschland der Staat ist, der bereits seit Jahrzehnten sowohl auf atomare wie biologische und chemische Waffen verzichtet hat. Das hat auch Bundesminister Kinkel vor der diesjährigen UN-Generalversammlung nachdrücklich dargelegt.Die Bundesregierung kann auf Erfolge verweisen. Ich bin dankbar, Herr Kollege Pflüger, Herr Kollege Nolting, auch Herr Verheugen, daß das heute angesprochen wurde. Herausragendes Beispiel aus jüngster Zeit ist die Chemiewaffenkonvention, die unter unserem Vorsitz und unserer maßgeblichen Mitwirkung nach fast zehnjähriger Verhandlungsdauer im September 1992 fertiggestellt wurde. Das ist ein weltweit anerkannter Erfolg deutscher Rüstungskontrollpolitik.Auch bei der nuklearen Nichtverbreitung, die im Zentrum der heutigen Debatte steht, ist eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Die Zahl der Mitgliederstaaten des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages, den wir als ein Schlüsselelement internationaler Stabilität und Friedenssicherung verstehen, ist inzwischen auf mehr als 150 angestiegen. Ich bin sehr froh, daß seit wenigen Monaten sowohl China als auch Frankreich diesem Vertrag angehören. Wir müssen uns weiterhin konsequent bemühen, daß die immer noch außerhalb stehenden Länder wie Indien und Pakistan, aber auch Algerien, Argentinien, Brasilien, Kuba und nicht zuletzt Israel diesem Vertrag endlich beitreten.Wir setzen uns gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nachdrücklich für eine baldige Umsetzung ihres Beitritts ein. Das gilt insbesondere für die Ukraine, für Weißrußland und Kasachstan, die sich im Lissaboner Protokoll zum START-Vertrag dazu verpflichtet haben und ihren Verpflichtungen jetzt konsequent gerecht werden müssen.Die Bundesregierung sieht die für 1995 vom Vertrag vorgesehene Verlängerungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages als einen wichtigen Eckpunkt. Zusammen mit unseren Verbündeten und weiteren Staaten setzen wir uns für die unbefristete Verlängerung des Vertrages ein. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung, die die anerkannten Kernwaffenstaaten in Art. VI des Vertrages übernommen haben, eine wich-
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Staatsminister Helmut Schäfertige Rolle bei der Vertragsverlängerung spielen wird. Günstige Rahmenbedingungen schaffen der START-Vertrag und die Absprache der Präsidenten Bush und Jelzin, die beiderseitigen Arsenale um etwa 70 % zu verringern. Es kommt jetzt aber auch darauf an, daß sich die kleineren Nuklearmächte am Abrüstungsprozeß stärker beteiligen.Weitere Fortschritte in Richtung auf einen Stopp nuklearer Tests, Herr Kollege Verheugen, werden für viele Staaten ein wichtiger Maßstab für den Erfolg der Verlängerungskonferenz 1995 sein.Ermutigend ist, daß nach zeitlich begrenzten Nukleartest-Moratorien nun auch die Vereinigten Staaten von Amerika erstmals auf einen konditionierten und stufenweisen Verzicht auf Nukleartests eingehen. Die Chancen für eine Aufnahme von entsprechenden Verhandlungen in der Genfer Abrüstungskonferenz sind damit erheblich gestiegen.Die Bundesregierung beobachtet allerdings mit Sorge die Gefahr, daß das bestehende Nichtverbreitungssystem unterlaufen werden kann und womöglich wird. Sie unterstützt alle Bemühungen um wirksamere Kontrollmaßnahmen. Auch hier sind wir ein gutes Stück vorangekommen.So wird eine Fülle von Meldepflichten in Zukunft dafür sorgen, daß der Internationalen Atomenergiebehörde neue Nuklearanlagen schon ab dem Zeitpunkt des Baubeschlusses gemeldet werden müssen, daß darüber hinaus Sonderinspektionen möglich sind, nämlich nicht deklarierte Nuklearanlagen eines Mitgliedslandes zu inspizieren, und daß die IAEO in Zukunft hoffentlich auch — dafür setzen wir uns ein — zusätzliche Informationen über Produktion, Lagerung und vor allem internationalen Transfer von nuklearem Material und von Exporten bestimmter nuklearrelevanter Ausrüstungen erhält.Die strikte Einhaltung nationaler und international abgestimmter Richtlinien der Hauptlieferländer für Nuklearexporte und für relevante Trägertechnologie ist ein weiteres wichtiges Anliegen deutscher Nichtverbreitungspolitik. Die Einbeziehung nuklearer dual-use-Güter durch ein eigens dafür geschaffenes, neues internationales Kontrollregime und die Vereinbarung von sogenannten full-scope-safeguards — die Sprache der Abrüster ist schwierig —, also von umfassenden Sicherheitsmaßnahmen, sind hierbei besonders wirksame Kontrollinstrumente.Das Problem der Kontrolle und Beseitigung der ehemals sowjetischen Nuklearwaffen — sie sind heute mehrfach angesprochen worden — stellt eine neuartige und wichtige Aufgabe auch für unsere Rüstungskontrollpolitik dar. Zusammen mit unseren westlichen Bündnispartnern haben wir an der Beseitigung dieser Waffen ein wesentliches Interesse, um dem Risiko ihrer Verbreitung entschieden entgegenzutreten. Wir begrüßen daher die Entscheidung des Deutschen Bundestages, erstmalig 1993 Haushaltsmittel in Höhe von 10 Millionen DM im Rahmen der Abrüstungshilfe für die Zusammenarbeit mit Rußland sowohl im nuklearen Sektor als auch bei der Zerstörung chemischer Waffen bereitzustellen.Dieser Betrag kann aber — darauf ist hingewiesen worden — nur ein Einstieg sein. Wir müssen dem Beispiel anderer westlicher Staaten folgen, die hierfür bereits erheblich größere Mittel zur Verfügung gestellt haben. Mit der russischen Seite finden bereits intensive Gespräche über die Lösung der sich stellenden Probleme statt. Der Bundeskanzler — darauf ist hingewiesen worden — wird das im Dezember tun.Auch das Internationale Wissenschafts- und Technologiezentrum, das in diesen Tagen in Moskau offiziell gegründet wird, beruht mit auf einer deutschen Initiative. Dafür hat die EG 20 Millionen ECU zur Verfügung gestellt, was maßgeblich auf unseren Einsatz zurückzuführen ist.Meine Damen und Herren, die Staatengemeinschaft kann und darf der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht tatenlos zusehen. Staaten, die versuchen, sich Kenntnisse und Potentiale für die Herstellung solcher Waffen zu beschaffen, sollten mit schärfstmöglichen Sanktionen bedroht werden. Nur ihre völlige Isolierung wird sie davon abhalten können, ihre für den Weltfrieden und für die Existenz der Menschheit bedrohlichen Aktivitäten fortzusetzen.Es ist deshalb wichtig, daß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Abschlußerklärung des Gipfeltreffens am 31. Januar 1992 — übrigens auf Vorschlag des damaligen Außenministers Genscher — klargestellt hat, daß die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit darstellt. Damit hat sich der Sicherheitsrat einen Handlungsrahmen für konkrete Maßnahmen gegen Proliferatoren geschaffen. Die Bundesregierung wird dafür eintreten, daß der VN-Sicherheitsrat seine Verantwortung in diesem Sinne tatkräftig wahrnimmt.Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich schließe die Aussprache, weil weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 12/3099 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Dann ist diese Überweisung so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 2. Dezember 1992, 9 Uhr ein.
Ich wünsche ein schönes Wochenende oder zumindest nach dieser anstrengenden Woche nicht zu viele zusätzliche Termine.
Die Sitzung ist geschlossen.