Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 11/1899 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gröbl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Wetzel auf:
Auf Grund welcher rechtlicher und politischer Bedenken hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Dr. Töpfer auf einer Pressekonferenz in Hannover am 16. Februar diesen Jahres den Vorwurf gegen die Nuklearindustrie erhoben, daß die bei Handelsgeschäften mit Uran üblichen Manipulationen der Herkunftsangaben den Tatbestand der „Schieberei" erfüllten?
Bitte sehr.
Herr Bundesminister Professor Dr. Töpfer hat den Begriff „Schieberei" im Zusammenhang mit dem Umflaggen von Uran nie verwendet. Die dem Bundesumweltministerium vorliegenden Pressemeldungen bestätigen diese Feststellung.
In der Pressekonferenz in Hannover hat Bundesminister Professor Töpfer allerdings darauf hingewiesen, daß das sogenannte Umflaggen von Uran — unbeschadet der rechtlichen Zulässigkeit — vor dem Hintergrund von Transnuklear und Nukem nicht geeignet sei, das Vertrauen in die Kernenergie zu stärken.
Herr Kollege Wetzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte gern eine Nachfrage stellen: Da Herr Minister Töpfer „keinerlei Verständnis" — Zitat aus dem „Spiegel" vom 22. Februar — für diese Umdeklarationen zeigte, hatte er angekündigt, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Frage der Umdeklaration mit der Europäischen Atomgemeinschaft aufarbeiten sollte. Könnten Sie uns über die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe etwas mitteilen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Bundesminister Töpfer hat nicht eine Arbeitsgruppe eingesetzt, sondern eine
Arbeitsgruppe nach Brüssel gesandt, um sich dort an Ort und Stelle von der Rechtmäßigkeit dieser Vorgänge zu überzeugen. Dies ist geschehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich diese Antwort so verstehen, daß sich Herr Minister Töpfer inzwischen der Auffassung von Herrn Bundesminister Riesenhuber angeschlossen hat, daß Umdeklarationen von Spaltmaterial legal, also im Sinne der Euratom rechtlich zulässig seien, obwohl die eindeutige Identifizierbarkeit von Spaltmaterial Grundvoraussetzung jeder Spaltstoffflußkontrolle ist?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, dies ist bereits die Frage 2.
Ja, das ist bereits die zweite Frage. Darf ich das so verstehen, daß Sie das noch verdeutlichen wollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich hatte die Antwort auf die erste Frage nicht verstanden, und zwar aus folgendem Grund: Bereits in der Antwort auf die erste Frage war die rechtliche Zulässigkeit als Auffassung des Herrn Ministers dargestellt worden, so daß unklar wurde: Wozu überhaupt noch eine Arbeitsgruppe? Denn nach der ursprünglichen Ankündigung war es ja Aufgabe der Arbeitsgruppe, die Problematik dieser Umdeklarationen zu überprüfen.
Also, Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt deshalb so viel Möglichkeiten gehabt, in der Fragestunde ins Mikrophon zu sprechen, weil Sie im Bundestag neu sind und noch nicht die Erfahrung haben, die notwendig ist, um sich präzise an die Geschäftsordnung zu halten. — Haben Sie dazu noch Erläuterungen zu geben, Herr Parlamentarischer Staatssekretär?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich würde mit Ihrer Erlaubnis jetzt gern die Beantwortung der Frage 2 — zur Verdeutlichung auch dieser Frage — vornehmen.
Dann rufe ich jetzt die Frage 2 — —
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4312 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Vizepräsident Stücklen— Entschuldigung. Herr Abgeordneter Klejdzinski, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn „schieben" „bewegen" heißt oder man zumindest unterstellen kann, daß „schieben" eine Bewegung bedeutet und man gleichzeitig davon ausgehen kann, daß Umflaggen, bezogen auf das Produkt, das man geschoben hat, eine Kennzeichnungsänderung bedeutet: Wie ist denn dann Ihre rechtliche Würdigung dieses Tatbestandes?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich beteilige mich nicht an Ihrer Auslegung der Begriffe „schieben" und „umflaggen" , indem ich beide gleichsetze.
Die rechtliche Würdigung dieses Vorgangs hat der Bundesforschungsminister in der in der zweiten Frage zitierten Ausschußsitzung vorgenommen. Dieser rechtlichen Würdigung schließt sich der Bundesumweltminister an.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weiss, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn die Umdeklarationen oder die Entaustralisierungen oder Entsüdafrikanisierungen zu dem Zweck vorgenommen worden sind, daß z. B. die USA Uran aus Südafrika annehmen, das sie eigentlich nicht annehmen wollen oder nicht annehmen dürfen, dann heißt das doch nichts anderes, als daß den USA hier etwas untergeschoben wird. Würden Sie vor diesem Hintergrund nicht doch den Begriff „Schieberei" für zutreffend halten?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: In keiner Weise, Herr Kollege. Die Antwort hat im übrigen auch das Bundesforschungsministerium in dieser Ausschußsitzung gegeben.
Herr Abgeordneter Stiegler, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn der Vorgang der Umflaggung, den der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zunächst auch so beurteilt hat, wie wir ihn beurteilen, rechtlich sein sollte, was wird die Bundesregierung denn unternehmen, um durch eine Änderung der Rechtslage solche Manipulationen in Zukunft zu unterbinden?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hält auf Grund der vorhandenen Rechtslage eine Initiative zur Änderung dieser Rechtslage nicht für erforderlich.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Wetzel auf:
Wie bewertet der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die von Bundesforschungsminister Dr. Riesenhuber geteilte Auffassung , daß die Fälschung der Herkunftsbezeichnung rechtlich zulässig und für den Kontrollvorgang durch die Euratom unerheblich sei?
Bitte schön.
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zur Frage 2. Der Bundesumweltminister stimmt in der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit ebenso wie in der Bewertung des Umflaggens von Uran als unerheblich für den Kontrollvorgang durch die Euratom mit dem Bundesforschungsminister überein.
Zusatzfrage, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ich frage Sie trotz der Merkwürdigkeit, daß Umflaggungen geltende Verträge zwischen Australien und der Bundesrepublik verletzen, und trotz der Tatsache, daß Herr Bundesminister Töpfer öffentlich keinerlei Verständnis für diese Vorgänge geäußert hat: Wie gedenken Sie, wie gedenkt das Umweltministerium die faktischen Differenzen zu der entgegenstehenden Auffassung des Bundesforschungsministers Riesenhuber im Kabinett zu klären?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: In der Fragestellung sind schon zwei Fehler enthalten.
Denn erstens sind keine Verträge zwischen Australien und der Bundesrepublik verletzt. Zum zweiten hat der Bundesumweltminister nicht davon gesprochen, daß er für diese Praxis kein Verständnis habe, sondern er hat davon gesprochen, daß er diese Praxis für wenig geeignet halte, das Verständnis der Öffentlichkeit für diese Vorgänge zu verbessern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, wenn Sie bei einem anderen Produkt die Herkunftsbezeichnung fälschen, ist das ein Tatbestand, der von den Behörden durchaus verfolgt wird, oder nicht?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Wir sprechen bei der Umflaggung nicht von „fälschen" , sondern hierfür ist ja, wie Ihnen bekannt ist, der englische Begriff „flag swap " geprägt worden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß durch den von Ihnen so nett gebrachten englischen Begriff möglicherweise auch das Umgehen von Embargovorschriften ermöglicht wird, und wird die Bundesregierung initiativ werden, um so etwas in Zukunft verhindern zu können?Gröbl, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Im übrigen möchte ich darauf verweisen, daß diese Frage wohl auch Gegenstand der Verhandlungen im Untersuchungsausschuß sein wird.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4313
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weiss.
Herr Staatssekretär, nachdem in den Lieferverträgen mit Australien eine Begrenzung der Anreicherung enthalten ist, frage ich mich nun: War die australische Regierung unterrichtet? Geschah das Umflaggen oder „flag swap", wie Sie das nennen, mit dem Einverständnis der australischen Regierung oder nicht, bzw., wenn es tatsächlich mit Einverständnis gewesen sein sollte, wieso ist dieser „flag swap" dann überhaupt noch notwendig gewesen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Sie wissen, daß es grundsätzliche Gespräche zwischen Euratom, Australien, Kanada und USA gibt — das sind die drei Länder, die strengere Lieferbedingungen haben — und daß in diesen grundsätzlichen Absprachen alle diese Fragen geklärt worden sind. Auch das hat der Bundesforschungsminister in der von Ihnen zitierten Ausschußsitzung klargestellt.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, ist der Begriff des „flag swap", den Sie hier eingeführt haben, die vornehme Umschreibung von Betrug, Schummelei, Mogelei usw., oder wollten Sie uns nur zeigen, daß Sie Englisch können?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Dazu bedürfte es nicht dieser Fragestunde, Frau Kollegin. Dieser Begriff kann so, wie Sie das wünschen, nicht gedeutet werden.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn jemand Apfelsinen aus Südafrika importiert und ein Schild „Marokko" auf die Apfelsinen klebt, dann zumindest eine Täuschung des Käufers vorgenommen wird, . . .
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident — —
Nein, Sie brauchen auf Apfelsinen nicht zu antworten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
... und ist das bei Uran anders?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Ich würde doch bitten, die Frage nach den Apfelsinen dem Kollegen Gallus zu stellen. Ich äußere mich dann zu dem anderen Bereich.
Er hat es Ihnen etwas leicht gemacht, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wenn er nur die Kisten mit dem veränderten Etikett erwähnt hätte, dann wären Sie zuständig gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Traupe.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für angemessen, wie Sie dem Parlament in einer so wichtigen Frage antworten? Ich möchte deswegen wiederholen: Glauben Sie nicht, daß man eine Verfälschung der Herkunftsbezeichnung in der deutschen Justiz ahnden müßte?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Die erste Frage beantworte ich mit Ja. Ich habe angemessen geantwortet.
— Das ist Ihre Bewertung.
Frau Abgeordnete Traupe,
wenn Abgeordnete durch eine Antwort der Regierung nicht ausreichend informiert sind, so sieht die Geschäftsordnung dafür eine Reihe von Möglichkeiten vor. Aber erzwingen läßt es sich in den Zwischenfragen nicht.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben Sie noch Ergänzungen zur zweiten Frage zu machen?
Gröbl, Parl. Staatssekretär: Zweite Frage: Für die deutsche Justiz habe nicht ich zu sprechen. Sie kennen die Unabhängigkeit der deutschen Justiz.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Vahlberg auf:
Welche Verträge und Abmachungen sind die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Behörden, Großforschungseinrichtungen etc. mit Pakistan, Indien, Ägypten, Brasilien und Argentinien auf dem Gebiet der Kerntechnik eingegangen, und mit welchen personellen wie sachlichen Aktivitäten sind diese Verträge und Abmachungen ausgefüllt worden?
Herr Kollege Vahlberg, Ihre Frage 3 beantworte ich wie folgt:Die kerntechnische Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit den genannten Ländern beruht auf Regierungsvereinbarungen, die in den Jahren 1969 bis 1981 geschlossen wurden und teils die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit insgesamt, teils speziell die Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie regeln. Diese grundlegenden Zusammenarbeitsvereinbarungen sind in der Folgezeit durch verschiedene Einzelver-
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4314 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Probsteinbarungen zwischen deutschen Großforschungseinrichtungen, insbesondere der KfK Karlsruhe und der KFA Jülich, und entsprechenden Einrichtungen im Partnerland und in zwei Fällen auch durch Ressortabkommen ausgefüllt worden.Die sachlichen Aktivitäten betreffen in allen fünf Fällen Fragen der kerntechnischen Entwicklung in den Bereichen nukleare Sicherheit, Abfallbehandlung und -lagerung sowie Strahlenschutz. Außer bei Indien sind auch die Uransuche und -gewinnung sowie die Herstellung von Brennelementen eingeschlossen, im Falle Argentiniens ferner die Reaktortechnik und schließlich im Falle Brasiliens praktisch alle Bereiche der Kerntechnik einschließlich der Anreicherung mit dem Trenndüsenverfahren, die Weiterentwicklung von Sicherungsmaßnahmen und früher auch die Wiederaufarbeitung. Die Wiederaufarbeitung ist mangels Interesses und auch mangels finanzieller Möglichkeiten in der Zwischenzeit eingestellt worden.Die personellen Aktivitäten bestehen in der Ausbildung, bei Gastaufenthalten von Wissenschaftlern und Ingenieuren aus den Partnerländern in deutschen Forschungseinrichtungen und manchmal auch in Industrieunternehmen, in der Entsendung von Ausbildungspersonal, Experten und Projektmitarbeitern in das Partnerland und in der Veranstaltung gemeinsamer Seminare, Arbeitstreffen und Symposien.Soweit die Zusammenarbeit den Transfer deutscher kerntechnischer Materialien, Anlagen, Ausrüstungen oder entsprechender Technologie bedingt oder auslöst, ist sichergestellt, daß darauf im Partnerland Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergieorganisation IAEO Anwendung finden.
Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Vahlberg.
Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, daß diese Lieferungen und Unterstützungen bei der Erstellung der Bombe in diesen Ländern einen Beitrag geleistet haben respektive einen Beitrag leisten, soweit dieses Ziel verfolgt worden ist oder verfolgt wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Soweit es sich um sachliche Beiträge handelt: keine. Soweit es kerntechnisches Wissen anbelangt: sehr gering, da Mitarbeiter in sensitive Bereiche in der Bundesrepublik Deutschland nicht eindringen können. Aber der Transfer von Wissen in Köpfen ist natürlich nicht ganz auszuschließen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund jüngster Ereignisse und jüngster Diskussionen im Zusammenhang mit der Atomtechnik: Gedenkt die Bundesregierung bei ihren vertraglichen Verpflichtungen und ihren sonstigen Aktivitäten in bezug auf diese Länder eine Umorientierung herbeizuführen, oder wird wie bisher Unterstützung geleistet?
Dr. Probst Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung überprüft diese Verträge natürlich ständig, auch
Folgeverträge, soweit sie hiervon Kenntnis hat. Aber sie sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Praxis ihres Handels zu ändern.
Sie wollen eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Bindig? — Bitte sehr.
Wie kommen Sie zu der Einschätzung, daß nur relativ wenig Kenntnisse in andere Bereiche abwandern können? Ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. im Zusammenhang mit Brasilien eine namhafte Zahl von Wissenschaftlern, die zunächst im zivilen Atomtechnikbereich ausgebildet worden sind, diesen Bereich verlassen haben und im militärtechnischen Bereich wieder aufgetaucht sind?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung ist das nicht bekannt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weiss.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit den Lieferungen von Atucha II nach Argentinien ist es ja so — das ist letzte Woche vor dem Untersuchungsausschuß bestätigt worden —, daß die Bundesrepublik den Auftrag nur deshalb bekommen hat, weil von der Bundesrepublik geringere Safeguard Standards verlangt worden sind als vom Land Kanada. Deswegen hat Argentinien den bundesdeutschen Auftrag genommen.
In dem Zusammenhang: Wieso widersetzt sich eigentlich die Bundesregierung immer noch dem Verlangen der IAEO, für alle Lieferungen Full Scope Safeguards zu verlangen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die SafeguardsBestimmungen für diese Lieferungen haben den Standard der IAEO, und es ist keineswegs so, daß diese Standards nicht genügten oder geringer wären.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Vahlberg auf:Über welche Kontakte und Aktivitäten der bundesdeutschen Privatwirtschaft zur Unterstützung der Kerntechnik in Pakistan, Indien, Ägypten, Brasilien und Argentinien hat die Bundesregierung Kenntnis?Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Vahlberg, Ihre Frage 4 beantworte ich wie folgt.Der Bundesregierung sind im Zusammenhang mit der von ihr geförderten kerntechnischen Zusammenarbeit vor allem die Liefer- und damit verbundenen Dienstleistungsverträge zur Errichtung von Kernkraftwerken in Argentinien — Atucha I und II — und Brasilien — Angra II und III — sowie gemeinsame Firmengründungen deutscher Unternehmen mit argentinischen und brasilianischen Partnergesellschaften bekannt. Hingegen sind der Bundesregierung keine derartigen Abschlüsse deutscher Firmen mit Ägypten,
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4315
Parl. Staatssekretär Dr. ProbstIndien und Pakistan bekanntgeworden, was jedoch Kontakte nicht ausschließt, z. B. im Zusammenhang mit Serviceleistungsangeboten zur Erhöhung der Betriebssicherheit des pakistanischen Kernkraftwerks.Im übrigen werden Kontakte und Aktivitäten deutscher Unternehmen mit dem Ausland, die nicht mit staatlich geförderter internationaler Zusammenarbeit zusammenhängen, in der Regel nur über Ausfuhrgenehmigungsanträge nach dem Außenwirtschaftsrecht bekannt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, dem ist also zu entnehmen, daß die Bundesregierung von sich aus nicht aktiv Informationen nachgeht, die z. B. aus der Tagespresse zu ersehen sind, was Aktivitäten deutscher Firmen in den angesprochenen Ländern über den Komplex Argentinien hinaus, den Sie genannt haben, anlangt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung tut das, soweit es in ihrer Zuständigkeit liegt und als notwendig erachtet wird.
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß private Aktivitäten, an denen die Bundesregierung von sich aus nicht beteiligt ist, nicht Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik berühren könnten?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich achtet die Bundesregierung darauf, daß die Sicherheitsinteressen, die mit der Kernkraft zusammenhängen, berücksichtigt werden. Deshalb ist ja auch der Export von kerntechnischen Anlagen außenwirtschaftsrechtlich geregelt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in deutschen kerntechnischen Anlagen bzw. Kernforschungsanlagen Pakistanis zur Ausbildung waren bzw. Praktikantenausbildung genossen haben?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ja. — Das ist eine klare Antwort, Herr Präsident.
Ja, ja.
Herr Abgeordneter Weiss, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es gibt einen Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und der pakistanischen Atomenergieorganisation. Können Sie uns sagen, was der Inhalt dieses Vertrages ist oder was dieser Vertrag betrifft?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen den Umfang dieser Verträge aufgelistet. Das habe ich bereits ausgeführt.
— Ich kann Ihnen jetzt nicht im einzelnen auflisten, was die thematischen Inhalte einer solchen Zusammenarbeit sind.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen gerne auflisten, welche Themenbereiche hier im einzelnen behandelt sind.
Aber ich bitte Verständnis zu haben, daß man damit, da es doch eine Vielzahl von Kooperationen gab, nicht jede einzelne Aktivität voll erfassen kann. Eine vollständige Beantwortung hier würde einfach sehr, sehr lange dauern und wahrscheinlich dann auch noch nicht vollständig sein.
Aber ich bin gerne bereit, Ihnen diese allgemeinthematische Unterlage zukommen zu lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfuhl.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang: Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, diese Ausbildung von Praktikanten in privatwirtschaftlichen Unternehmen dieser Branche zu überwachen bzw. zu kontrollieren?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Soweit es sich um Kooperationsvereinbarungen auf Regierungsseite handelt, in vollem Umfang; denn die privatwirtschaftliche Ausbildung ist in diese Programme einbezogen.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Köhler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre Zustimmung zu Entwicklungshilfeleistungen innerhalb der EG für Nicaragua, während sie es gleichzeitig auf bilateraler Ebene ablehnt, Entwicklungshilfe an Nicaragua zu leisten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Bindig, von einer generellen Zustimmung der Bundesregierung zu Entwicklungshilfeleistungen der EG an Nicaragua kann nicht die Rede sein. Allerdings stellt die Meinungsbildung in den zuständigen EG-Ausschüssen immer einen Kompromiß zwischen den verschiedenartigen Ausgangspositionen der Mitgliedsländer dar.Die Bundesregierung vertritt dabei die Auffassung, daß im Rahmen der sogenannten Nichtassoziiertenhilfe der EG die Länder Zentralamerikas bei der Verteilung der Hilfe gleichgewichtig zu berücksichtigen
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4316 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Köhlersind, d. h. daß die Länder bevorzugt werden müssen, die bisher relativ geringe Zusagen erhalten haben, nämlich Guatemala und El Salvador, während Nicaragua in den vergangenen Jahren überproportional bedacht worden ist. Daher hat die Bundesregierung im EG-Ausschuß für Hilfe an die Entwicklungsländer in Asien und Lateinamerika im Januar und Dezember 1987 zwei von der Kommission für Nicaragua vorgeschlagene Vorhaben abgelehnt.Allerdings ist die Bundesregierung bereit, einer EG-Nahrungsmittelhilfe zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung Nicaraguas zuzustimmen. Eine solche Hilfe müßte über humanitäre, besonders kirchliche, Organisationen abgewickelt werden, da bei Abwicklung über staatliche Stellen nicht gewährleistet ist, daß die gesamte Nahrungsmittelhilfe wirklich an die bedürftigen Bevölkerungskreise gelangt.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so auslegen, daß die Bundesregierung bei den Konsultationen in der EG versucht, darauf hinzuwirken, daß, abgesehen von diesem Fall Nahrungsmittelhilfe, keine Entwicklungshilfe nach Nicaragua gegeben wird; und wie wird denn das bei diesen Konsultationen von den anderen europäischen Ländern innerhalb der EG aufgenommen?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, es gibt hier neben der Nahrungsmittelhilfe verschiedene andere Aspekte, z. B. Projekte, die der regionalen Entwicklung länderübergreifend dienen, wobei Nicaragua bei einer solchen regionalen Entwicklung eingeschlossen wäre. Solchen Projekten haben wir uns bisher in keiner Weise in den Weg gestellt.
Bei der Frage einer ausgewogenen Berücksichtigung der einzelnen zentralamerikanischen Staaten ist die Bundesregierung je nach dem Einzelfall keineswegs allein in ihrer Haltung gewesen. Die Auffassung, daß hier keine einseitige Bevorzugung Nicaraguas erfolgen darf, wurde von Fall zu Fall von anderen europäischen Regierungen geteilt.
Weitere Zusatzfrage.
Wieso nehmen Sie das Wort von der einseitigen Bevorzugung Nicaraguas hier in Ihre Formulierung auf, wo es doch in Wahrheit so ist, daß Nicaragua gegenüber den anderen zentralamerikanischen Staaten einseitig benachteiligt wird und diese anderen Staaten beispielsweise die Vereinbarungen, die zum Friedensprozeß verabredet worden sind, zum Teil noch wesentlich weniger als Nicaragua eingehalten haben; wieso also eine Benachteiligung statt einer Bevorzugung?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, ich habe im Sinn Ihrer Frage über das Verhalten und die Situation in den letzten Jahren zu sprechen. Diese Jahre waren dadurch gekennzeichnet, daß Nicaragua tatsächlich im Rahmen der zentralamerikanischen Staaten in besonderem Maß von der EG-Hilfe bedacht worden war, während andere Staaten, die sich schon seit einiger Zeit um die Entwicklung und
Festigung der Demokratie bemühen, etwa Guatemala, so gut wie nichts erhielten. Dieses Mißverhältnis haben wir kritisiert, weil es nach unserer Auffassung auch der Linie widerspricht, die sowohl im Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Staaten Zentralamerikas wie auch in den entsprechenden Beschlüssen des Bundestages festgelegt ist, nämlich daß wir die Linie verfolgen sollen, eine ausgewogene regionale Entwicklung in dem Gesamtraum zu fördern.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Auf welche Weise will die Bundesregierung sicherstellen, daß in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft den Landwirten ein Angebot zur Flächenstillegung gemacht wird, das nach der Leistungsfähigkeit der Böden differenziert und so hoch ist, daß die Landwirte dieses Angebot auch annehmen?
Herr Kollege Eigen, am 11. und 12. Februar dieses Jahres hat der Europäische Rat unter deutscher Präsidentschaft in seinem Grundsatzbeschluß zur Flächenstillegung neben einem bisher schon vorgesehenen Höchstsatz der Beihilfe für stillgelegte Flächen auch einen Mindestsatz festgelegt, so daß EG-weit eine Beihilfe zwischen 100 und 600 ECU pro Hektar und Jahr mit abnehmendem EG-Finanzierungsanteil von 50 %, 25 % bis 15 %, in Ausnahmefällen mit Zustimmung der Kommission 700 ECU, angeboten werden muß.
Die Kommission erläßt im Verwaltungsausschußverfahren die Kriterien, die die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Beihilfe befolgen müssen. Die Höhe der zu zahlenden Beihilfe pro Hektar stillgelegter Fläche wird EG-weit entsprechend Einkommensverlusten infolge der Stillegungen, d. h. einkommensneutral festgesetzt werden. Dadurch ist gewährleistet, daß der am Programm teilnehmende Landwirt von der stillgelegten Fläche durch Beihilfe etwa den gleichen Deckungsbeitrag erhält wie im Falle der Bewirtschaftung. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für eine EG-weite Annahme eines solchen Programms geschaffen worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, verstehen Sie, daß bei der Landwirtschaft — mit dem Damoklesschwert über dem Kopf, daß eine Überschreitung von 160 Millionen t Getreide und 4,5 Millionen t Raps empfindliche Preiseinbußen nach sich zieht — , die große Sorge besteht, daß sich die anderen Länder der Europäischen Gemeinschaft wie Holland — Minister Braks hat das schon dargelegt — jedenfalls nicht so wie wir an dieser Stillegungsaktion beteiligen und daß damit sozusagen unser guter Wille in Richtung auf
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4317
EigenMengeneinschränkung der Produktion konterkariert werden könnte?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung kann zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Aussage darüber machen, wieweit sich die anderen Länder Europas an dieser Aktion beteiligen werden, zumal auch wir unsere Verordnungen und Gesetze noch nicht auf den Weg gebracht haben. Wir können erst nach einem Jahr sagen, wer wieviel in den einzelnen europäischen Staaten stillgelegt hat.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß die Bundesregierung schon jetzt, am 6. März bei Beginn der nächsten Sitzung des Agrarministerrates, die anderen Mitgliedsländer bitten, dazu bringen, von ihnen fordern müßte, daß sie auch ein differenziertes Angebot machen, so daß auch in anderen Ländern diese Maßnahme angeboten wird? Die Sorge ist groß, daß bei einem so niedrigen Zuschuß wie 100 ECU pro Hektar — das ist der Mindestsatz nach dem Beschluß von Brüssel — die Maßnahme in anderen Ländern nicht entsprechend durchgeführt wird.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, nachdem die Bundesregierung die Flächenstillegung bei den Verhandlungen durchgesetzt hat, werden wir bei jeder Gelegenheit darauf drängen, daß dies eine Angelegenheit ist, die in der ganzen EG angeboten werden muß und nach unserer Auffassung gleichgewichtig durchgeführt werden sollte.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß, bezogen auf die Flächenstillegungsprogramme, die Entschädigung durchaus so hoch sein könnte, daß sich auch ein Abgeordneter, der Landwirt ist, an diesem Programm beteiligt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Die letzten paar Worte habe ich nicht verstanden, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Klejdzinski, akustisch wurde die Frage nicht verstanden.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß die geldliche Entschädigung für eine Flächenstillegung durchaus so hoch sein könnte, daß sich auch ein Abgeordneter als Landwirt an diesem Programm beteiligen könnte?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das sind zwei gänzlich verschiedene Dinge. Falls ein Abgeordneter auch noch einen Bauernhof bewirtschaftet, hat er dort die gleichen Preise wie jeder andere auch, der nicht Abgeordneter ist. Insofern kann er natürlich auch solche Programme in Anspruch nehmen.
Ich glaube aber, das wird nicht mit den Einkommen in Vergleich gebracht werden können, die außerhalb der Landwirtschaft erzielt werden können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, es trifft doch zu, daß es der Bundesregierung nicht gelungen ist, in der Brüsseler Übereinkunft die anderen Länder zu verpflichten, sich an diesem Programm zu beteiligen. Welche Handhaben hat denn die Bundesregierung, die anderen Länder anzuhalten, sich a) zu beteiligen und b) ihre nationalen Konditionen im Rahmen der Brüsseler Rahmenbedingungen so auszugestalten, daß es nicht nur Scheinangebote sein werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie die Verhandlungen beim Gipfel in Kopenhagen verfolgt haben und das, was die Bundesregierung beim Gipfel in Brüssel als Abschluß erzielt hat, wissen Sie, daß man durchaus von Erfolg sprechen kann. Denn die Flächenstillegung wird dafür sorgen, daß die Preise nicht ins Unendliche absinken. Allerdings, die Vorschläge, die der Bauernverband gemacht hat und die angeblich auch die Ihrigen sind, nämlich in allen europäischen Ländern bei jedem Landwirt zwangsweise einen gewissen Prozentsatz festzulegen, — —
— Angebote müssen gemacht werden, in ganz Europa. Es gibt bloß keine Zwangsstillegung. Die Bundesregierung hat sich insofern mit ihrer Aufassung durchgesetzt, daß in allen Ländern Europas dieses Angebot gemacht werden muß. Aber es ist nicht davon die Rede gewesen, daß in ganz Europa jeder Bauernhof einen bestimmten Prozentsatz stillegen muß. Das wäre meines Erachtens auch nicht gut und nicht durchführbar.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Pfuhl auf.Entsprechen Pressemeldungen der Wahrheit, daß die Europäische Kommission ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet hat mit dem Ziel, die nationale Förderung des Flachsanbaus und seiner Verarbeitung zu unterbinden?Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pfuhl, die Pressemeldungen beruhen auf einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. 1024 vom 29. Januar 1988. Die Mitteilung bezieht sich auf eine von Schleswig-Holstein beabsichtigte Maßnahme zur Förderung der Beschaffung von Ernte- und Bearbeitungsmaschinen für Flachs. Das Land Schleswig-Holstein hatte mit der Maßnahme in Aussicht genommen, diese Maschinen mit 50 % der Investitionskosten zu bezuschussen. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1987 hat die EG-Kommission die Höhe des Beihilfesatzes beanstandet und für Erntemaschinen einen Beihilfehöchstsatz von 20 % als zulässig erklärt. Im Einvernehmen mit den Land SchleswigHolstein wurde mit Schreiben vom 12. November 1987 an die EG-Kommission erklärt, daß die Zuschüsse für die Beschaffung von Erntemaschinen für Flachs beschränkt und in ihrer Höhe auf bis zu 20 %
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4318 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Parl. Staatssekretär Gallusder förderungsfähigen Kosten begrenzt werden. Die Differenzen mit der EG-Kommission sind damit beigelegt.Die obengenannte Veröffentlichung im Amtsblatt der EG erfolgte lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen. Sie ist in der Sache überholt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich dann davon ausgehen, daß die Begründung der Kommission bei der Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens, daß der notwendige Grad der Selbstversorgung mit Lein in der Europäischen Gemeinschaft voll erfüllt und deswegen eine Förderung mit dem Recht des Gemeinsamen Marktes unvereinbar sei, nicht haltbar ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen vorgetragen, daß die Kommission durchaus der Meinung ist, daß eine Förderung mit den Sätzen, die ich hier genannt habe, Rechtens ist und auch überall durchgeführt werden kann.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann davon ausgehen, daß die Mittel, die wir im Bundeshaushalt für die Förderung des Flachsanbaus und der Flachsverarbeitung vorgesehen haben, unter diesen Gesichtspunkten der Landwirtschaft auch weiterhin zugute kommen werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Sie dürfen davon ausgehen, daß der Flachsanbau weiterhin im Rahmen der Möglichkeiten, die hier eröffnet worden sind, gefördert wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine Förderung eigentlich sehr richtig wäre, weil wir durch den Flachsanbau gerade eine Möglichkeit schaffen wollen, eine Alternative zum Getreideanbau zu haben, und daß der jetzige Konsum nicht so entscheidend ist wie die Möglichkeit, zukünftig z. B. Asbest durch Flachswerk zu ersetzen und damit auch eine gesundheitlich sehr wichtige Maßnahme zu treffen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Flachs gehört in dem Zusammenhang in die Kategorie der nachwachsenden Rohstoffe, die sehr unterschiedlich verwendet werden können. Man muß aber immer davon ausgehen, daß die Produktion nur in dem Maße ausgedehnt werden kann, wie eine Nachfrage am Markt besteht. Sonst würden wir auch dort auf Halde produzieren.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Klejdzinski auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, daß ganztägig arbeitende Arbeitnehmer, die die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, also auch den entsprechend hohen Beitrag an Arbeitslosenversicherung, bei Eintritt in die Arbeitslosigkeit nur die Hälfte der ihnen zustehenden Unterstützung — sprich Arbeitslosengeld — erhalten, wenn sie sich dem Arbeitsmarkt nicht mehr ganz-, sondern nur noch halbtägig zur Verfügung stellen können?
Herr Präsident, darf ich bitten, daß die Fragen 10 und 11 gemeinsam beantwortet werden?
Sie sind nicht einverstanden; dann werden die Fragen einzeln beantwortet. —Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Klejdzinski, Arbeitslose, die infolge tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen, z. B. wegen der Betreuung aufsichtsbedürftiger Angehöriger, nicht mehr so lange arbeiten können, wie in ihrer letzten Beschäftigung, erhalten Arbeitslosengeld nach dem entsprechenden verminderten Arbeitsentgelt. Diese Regelung berücksichtigt, daß Arbeitslosengeld an die Stelle des Arbeitsentgeltes tritt, daß der Arbeitslose bei der Arbeitsaufnahme verdienen könnte. Würde das Arbeitslosengeld nach dem bisher erzielten Arbeitsentgelt bemessen, wäre es häufig höher als das erzielbare Arbeitsentgelt. Eine Arbeitsaufnahme wäre dann keine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung mehr.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn das so ist, dann könnte das noch plausibel sein. Aber wenn einer halbtags beschäftigt ist und arbeitslos wird und dann eine Ganztagsbeschäftigung anstrebt, nach welchen Sätzen wird er dann bedient; bekommt er im Umkehrschluß dann Arbeitslosenunterstützung für einen Vollerwerbsjob?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist nicht so, wie Sie sagen. Nur muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Regelung, die für denjenigen gilt, der zunächst ganztags gearbeitet hat und dann nur noch halbtags arbeiten will, so ist, daß sein künftiges Einkommen die Grundlage für das Arbeitslosengeld darstellt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, das ist mir nicht ganz einsichtig, und ich frage noch einmal nach. Wenn ich eine Leistung erbracht habe, also den Beitrag für einen Vollerwerbsjob gezahlt habe, wieso können Sie dann sagen, daß ich, weil ich möglicherweise anschließend auf eine Halbtagsbeschäftigung übergehe, nur die Unterstützung für eine Halbtagsbeschäftigung bekomme?Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, jetzt fügen Sie ein Wort ein, nämlich „möglicherweise". Wenn von Anfang an — bei der Antragstellung —
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4319
Parl. Staatssekretär Höpfingerfeststeht und jemand sagt, er wolle künftig nur noch Halbtagsarbeit leisten, dann geht ja daraus klar hervor, daß er dann auch weniger verdient. Ob das möglicherweise der Fall ist, müßte sich ja erst im Laufe der Zeit herausstellen. Sonst würde der Betreffende zunächst einmal Arbeitslosengeld beziehen, so als wollte er wieder eine Ganztagsarbeit aufnehmen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, Sie haben uns den bestehenden Rechtszustand geschildert. Sehen Sie nicht die Gefahr, daß jemand im Wissen um das, was passieren könnte, sagt, er oder sie möchte eine Ganztagsbeschäftigung aufnehmen, und dann nach Ablauf der Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung in seinen Wünschen auf Halbtagsarbeit umsteigt?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Wenn der Arbeitssuchende zunächst zu verstehen gibt, daß er eine Ganztagsarbeit aufnehmen will, und dann erst im Laufe einer gewissen Zeit feststellt, er bekomme keine Ganztagsarbeit, sich ihm aber eine Halbtagsarbeit anbietet, dann wird er die Arbeit aufnehmen, und damit wird ja praktisch die Bezahlung von Arbeitslosengeld sowieso in Wegfall geraten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Hält es die Bundesregierung mit den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit für vereinbar, daß dieser — insbesondere Frauen benachteiligende — Rechtszustand weiter beibehalten wird?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Die gesetzliche Regelung ist, wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 3. April 1979 festgestellt hat, sachgerecht. Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, den gesetzgebenden Körperschaften eine Änderung vorzuschlagen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, das bedeutet also, wenn jemand bisher halbtags gearbeitet hat und Beiträge für diesen Halbtagsjob entrichtet hat, daß er dann, obwohl er erklärt, er wolle anschließend einen Ganztagsjob haben, nur eine Arbeitslosenunterstützung in der Höhe erhält, in der er bisher Beiträge entrichtet hat, nämlich für einen Halbtagsjob? Ist das richtig?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, das ist jetzt nicht mehr die Frage. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen konkret Auskunft zu geben, wie der Gesetzestext zu diesem Tatbestand ist.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bitte, mir einfach die Frage zu beantworten: Bekommt jemand, der anschließend eine Ganztagsarbeit aufnehmen will, die Hälfte, oder bekommt er Arbeitslosenunterstützung, als wenn er einen Ganztagsjob gehabt hätte?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Wenn er eine Ganztagsarbeit anstrebt und bisher halbtags gearbeitet hat, dann hat er ja praktisch nur Beiträge aus der Halbtagstätigkeit gezahlt; das geht doch daraus hervor. Ob er nachher eine Ganztagsarbeit aufnehmen kann, ist ja offen. Insofern wird zunächst einmal sicher von der Halbtagsarbeit ausgegangen werden. Aber Sie haben ja nach dem rechtlichen Bestand dieser Entscheidung gefragt. Diese Frage habe ich Ihnen mit dem Hinweis darauf beantwortet, daß das Bundesverfassungsgericht die bestehende Regelung als sachgerecht anerkannt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß dieser Zustand, wie Sie ihn beschrieben haben, dazu führen kann, daß sich Arbeitnehmer beim Arbeitsamt nur deshalb ganztags zur Verfügung stellen, um in den Genuß des vollen Arbeitslosengeldes zu kommen, obwohl sie am Ende gar nicht mehr ganz zur Verfügung stehen, daß dies also ein Tatbestand ist, der zur Verschleierung bestimmter zukünftiger Arbeitsaufnahmen führen kann?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Ich würde das den betreffenden Arbeitslosen nicht unterstellen.
Ich gehe zunächst einmal davon aus, daß jemand, der ganztags beschäftigt war und arbeitslos geworden ist, wieder eine Ganztagsarbeit anstrebt. Nur dann, wenn er keine Ganztagsarbeit findet und vom Berater des Arbeitsamts die Möglichkeit der Halbtagsarbeit angeboten bekommt, ist er vor die Frage gestellt, ob er sie annimmt oder nicht.
Herr Kollege, Sie haben einen anderen Fall mit angesprochen. Es gibt ja auch die Möglichkeit, daß jemand zunächst Ganztagsarbeit leistet, dann aber aus gesundheitlichen Gründen nur noch weniger Stunden zur Verfügung steht. Hier ist die Situation eine andere. Hier ist der Gesundheitszustand ausschlaggebend, nicht aber die Überlegung, ob jemand vorher ganztags und nachher nur noch halbtags arbeiten will.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Unruh.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie nicht meiner Meinung, daß hier vorprogrammiert ist, daß Menschen, um sich nicht selbst zu schaden, lügen müssen?Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich darf nochmals sagen, Frau Kollegin Unruh: Ich unterstelle das den Arbeitslosen nicht. Wenn jemand sagt „Ich will aus bestimmten Gründen nur noch halbtags arbeiten", muß er wissen, daß er damit sein Arbeitslosengeld verkürzt, weil die gesetzliche Bestimmung besagt, daß das Arbeitslosengeld in einem solchen Fall vom künftigen Einkommen her zu bemessen ist, nicht von dem her, was vorher an Beiträgen geleistet wurde.
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4320 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Schemken auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen grundlegende Maßnahmen trifft, um die Verkehrsverhältnisse im Ruhrgebiet in West-Ost-Richtung zu regeln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schemken, der Bundesregierung sind Überlegungen des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers, die Verkehrsverhältnisse im Ruhrgebiet durch eine zweite Autobahn über oder unter der A 430 zu verbessern, lediglich aus der Presse bekannt. Der zuständige Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich zwischenzeitlich gegen diese Überlegungen ausgesprochen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Schemken auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Landesministers von Nordrhein-Westfalen Zöpel auf Verzicht der A 44 als Entlastungs- bzw. als Entwicklungsachse zur Bewältigung der zunehmenden Verkehrsbelastung in den Wohnlandschaften und Innenstädten des Reviers von Essen bis Dortmund?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nein, die geplante A 44 Düsseldorf—Bochum—Dortmund ist nach Auffassung der Bundesregierung eine wichtige Entwicklungsachse für das Ruhrgebiet in West-OstRichtung mit großer strukturpolitischer Bedeutung. Von der Autobahn wird ferner eine Entlastung der häufig überlasteten Straßen in der Ruhrregion erwartet.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sehen Sie auch einen Zusammenhang mit der strukturellen Problematik im Revier, soweit es sich hier um die nicht erschlossenen Gebiete — ich denke insbesondere an den Schwerpunkt Hattingen — handelt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Eindeutig ja, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf:
Wie ist der Stand der Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Regierung der CSSR über die Eröffnung eines Grenzübergangs zwischen Waldsassen und Eger, und was wurde bisher auf bundesdeutscher Seite unternommen, um die Wiedereröffnung dieses Grenzübergangs vorzubereiten und zu betreiben?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, die Bundesregierung hat die Eröffnung eines weiteren Übergangs an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze auf verschiedenen Ebenen wiederholt zur Sprache gebracht. Nach dem Austausch mehrerer Verbalnoten ist auch die tschechoslowakische
Regierung bereit, in dieser Frage Expertenverhandlungen aufzunehmen. Diese können nach gegenwärtiger Planung voraussichtlich im dritten Quartal 1988 beginnen.
Die Bundesregierung bereitet zur Zeit im Benehmen mit den zuständigen Stellen des Freistaates Bayern diese Gespräche vor.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gab es bei dem Kanzlerbesuch in der CSSR zu dieser Frage Gespräche und Übereinkünfte? Ist ein Zeithorizont ins Auge gefaßt worden, bis zu dem man den Grenzübergang — als Endpunkt, auf den man hinarbeitet — eröffnen will?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann diese Frage unter Hinweis auf diese Verhandlungen nicht beantworten. Ich bin aber gerne bereit, in einem Gespräch noch einige weitere Hinweise zu geben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf:
Welche Konzeption verfolgt der Bundesminister für Verkehr hinsichtlich der Wiedereröffnung des Grenzüberganges Waldsassen/Eger , und nach welchem Zeitplan sollen die verkehrstechnischen Voraussetzungen für die Wiedereröffnung dieses Grenzüberganges geschaffen werden?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Umfang und Zeitplan des Ausbaus hängen vom Ergebnis der erwähnten deutsch-tschechoslowakischen Gespräche ab. Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Grenzübergang Waldsassen/Eger zusätzlich zum Übergang Schirnding für den Pkw-Verkehr und möglicherweise für einen begrenzten örtlichen Lkw-Verkehr ausgebaut wird. Dieser Ausbau ist mit relativ geringem Kostenaufwand möglich. Bei nennenswertem Lkw-Verkehr würde dagegen in Teilbereichen eine Neutrassierung der B 299 notwendig.
Die Bundesregierung wird sich für einen möglichst frühzeitigen Öffnungstermin einsetzen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird auch über die Wiedereröffnung der Schienenverbindung zwischen Waldsassen und Eger gesprochen, oder ist die Schiene völlig aus den Überlegungen ausgeschieden?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, danach haben Sie nicht gefragt. Aber ich mache mich gerne sachkundig.
— Das habe ich übersehen. Herr Kollege, ich werde das nachreichen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4321
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 23 der Frau Abgeordneten Faße auf:
Wann ist mit einer endgültigen Entscheidung für eine Referenzstrecke der Magnetbahn in der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen, und welche Kriterien werden zur Entscheidung herangezogen?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Entscheidung über eine Referenzstrecke der Magnetbahn ist Mitte des Jahres 1988 zu erwarten. Hierbei werden die Kriterien der Bundesverkehrswegeplanung zur Beurteilung herangezogen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Welche Berücksichtigung findet bei der Entscheidung über diese Referenzstrecke der Struktur- und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn zwei Strecken in verkehrlicher Hinsicht gleich zu bewerten sind, wenn die Vorprüfung in bezug auf Umwelt die gleichen Ergebnisse erbringt, dann mag Ihr Argument mit eine Rolle spielen. Zunächst einmal steht das aber nicht im Vordergrund.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist die finanzielle Beteiligung von Bundesländern ein Kriterium, und, wenn ja, welchen Rang würden Sie diesem Kriterium einräumen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kenne bisher noch kein Angebot seitens eines Bundeslandes. Schön wäre es.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Herr Staatssekretär, treffen Berichte zu, daß in Kreisen der Bundesregierung bereits eine Vorzusage gemacht wurde, eine Referenzstrecke nach Norddeutschland zu legen, und haben zu diesem Thema schon Gespräche mit den vier norddeutschen Bundesländern stattgefunden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Meldungen treffen nicht zu.
Herr Abgeordneter Jungmann, eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn mit mir der Auffassung, daß eine Referenzstrecke in Norddeutschland — z. B. von Kiel über Hamburg nach Hannover, wie sie in der Presse genannt worden ist — erheblich dazu beitrüge, die Arbeitslosigkeit in diesen Räumen zu reduzieren und einige Probleme zu lösen, die diese Länder haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte spielen ganz gewiß bei der Auswahl eine Rolle. Was die Kollegin
Faße vorher allerdings gemeint hat, war nicht langfristig gedacht, sondern eher kurzfristig.
Wir müssen davon ausgehen, daß die Realisierung einer solchen Strecke einige Jahre in Anspruch nimmt. Darüber hinaus kann ich Ihnen aber nichts zu einer Streckenführung, zu einer Trassenfindung sagen. Diese Entscheidung fällt nicht heute in der Fragestunde.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, trifft es denn zu, daß die Bundesbahn — also kein interministerieller Arbeitskreis, sondern die Bundesbahn — intern schon eine Vorentscheidung getroffen hat: heraus aus den Ballungsgebieten und hinauf in die norddeutschen flacheren Gebiete? Das entspräche ungefähr der Streckenführung, die gerade genannt worden ist: Hannover—Hamburg—Kiel.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, mir ist nur bekannt, daß die Bundesbahn nicht mittendrin in Ihrem System eine Magnetbahn haben möchte, und zwar aus den Gründen des Umsteigens.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 24 der Frau Abgeordneten Faße auf :
Welche Auswirkungen wird diese Referenzstrecke auf die Planungen der Deutschen Bundesbahn und der Lufthansa haben, insbesondere in der möglichen Verbindung von Flughäfen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wie aus der vorangegangenen Frage und Antwort hoffentlich deutlich geworden ist, handelt es sich derzeit noch nicht um eine bestimmte Referenzstrecke. Im Rahmen der derzeitigen Untersuchungen wird aber auch die Anbindung von Flughäfen an eine Magnetbahnstrecke geprüft. Konkrete Aussagen sind erst nach Abschluß der Untersuchungen möglich.
Bitte sehr.
Ich hatte nach den Auswirkungen gefragt und möchte noch einmal nachfragen: Ist bei den Auswirkungen auch an eine eventuelle Trägerschaft von Bundesbahn oder Lufthansa gedacht?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es wurde schon öfter über eine Trägerschaft seitens der Deutschen Bundesbahn diskutiert. Bei der Deutschen Lufthansa habe ich solches noch nicht gehört.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß der Wettbewerbsvorsprung, den wir gegenüber Japan noch haben, nach den für mich doch recht offenen Antworten überhaupt noch gehalten werden kann?
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4322 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Dr. Schulte. Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich hoffe dies. Wir müssen allerdings sauber untersuchen. Das Ergebnis wird Mitte dieses Jahres vorliegen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Da die hier schon genannte Referenzstrecke zwischen Kiel, Hamburg und Hannover zwei Flughäfen berühren würde und Sie eben in der Antwort gesagt haben, daß bei den Untersuchungen betreffend eine Referenzstrecke die Anbindung von Flughäfen mit untersucht wird: Können Sie mir bitte sagen, welche Flughäfen untersucht werden und ob die beiden, die ich genannt habe, für die Referenzstrecke Kiel—Hamburg—Hannover dabei sind?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es werden alle Flughäfen untersucht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort, daß alle Flughäfen untersucht werden, läßt den Schluß zu, daß Ihre vorherige Antwort nicht ganz richtig war, in der Sie gesagt haben, daß die Deutsche Bundesbahn nicht in die Ballungsgebiete und in das zentrale Streckennetz hineingehen würde. Auf Grund dieser Tatsache scheiden wohl einige Flughäfen aus. Hamburg und Hannover wären dann auf Grund der Flächensituation prädestiniert für eine solche Referenzstrecke.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir können das viel kürzer machen. Ich habe von der Auffassung der Deutschen Bundesbahn berichtet. Die Frage nach der Untersuchung der Flughäfen richtete sich nicht an die Bundesbahn, sondern an die Bundesregierung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung diese Entscheidung nicht nur unter verkehrspolitischen Aspekten treffen, sondern dabei auch berücksichtigen, daß ein solches Verkehrsmodell auch ein technologischer Durchbruch mit Auswirkungen vor allen Dingen auf die Branchen Stahlbau, Waggonbau, aber auch elektronische Industrie, Hoch- und Tiefbau sein kann und daß ein solches Projekt deshalb hervorragend geeignet wäre, nicht nur Standortnachteile, sondern auch Strukturnachteile auszugleichen, wie sie z. B. im Norden der Republik, insbesondere in Schleswig-Holstein, zu verzeichnen sind?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Belange werden mit berücksichtigt werden.
Eine weitere Zusatzfrage zu diesem Problem? — Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Flughäfen Hamburg und Hannover von ihrer Lage im dortigen Raum her den Grundkriterien der Deutschen Bundesbahn genügen würden, die
sie bisher für den Bau dieser Strecke genannt hat, und daß es von daher naheliegen würde, daß sich auch die Bundesregierung dieser Auffassung annähert, um zu einer einvernehmlichen und schnellen Lösung zu kommen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie können aus meiner vorherigen Antwort alles ableiten, was logisch ist. Ich gehe aber nicht über die Aussage hinaus, daß diese Strecke in der Fragestunde nicht festgelegt wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weiss.
Herr Staatssekretär, wenn tatsächlich so ein Magnetschnellbahnprojekt verwirklicht werden sollte, wie können Sie dann Befürchtungen entkräften, daß ein solches Projekt noch mehr auf die Metropolen zugeschnitten sein und deshalb noch stärker dazu beitragen müßte, daß das flache Land immer stärker abgehängt wird, ganz im Gegensatz zu dem, was eigentlich sonst mit Verkehrssystemen erreicht werden soll, nämlich Flächenerschließung?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn Sie davon ausgehen, daß das Projekt sicherlich ein bestimmtes Verkehrsaufkommen verlangt, dann wird klar, daß es in der Fläche nicht realisiert werden kann. Wenn es Ihnen mißfällt, daß Ballungsräume oder z. B. Flughäfen verbunden werden, dann bliebe als denkbare Antwort nur noch übrig, daß man das Ganze nicht verwirklicht, und ich glaube, das ist nicht in unser beider Interesse.
Keine weitere Zusatzfrage.
— Sie haben ja eine gehabt. Zu jeder Frage haben Sie nur eine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Kastning auf:
Wie hat sich die Zahl der Oberbaumaschinen im Bereich privater Unternehmen im Vergleich zu den Oberbaumaschinen der Deutschen Bundesbahn seit 1980 entwickelt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kastning, im Hochleistungsbereich der Deutschen Bundesbahn — das sind die Gleisanlagen, auf denen die hauptsächlichen Zugleistungen erbracht werden — waren 1980 vier DB-eigene Umbauzüge und ein Unternehmerumbauzug im Einsatz. 1987 waren es noch zwei DB-eigene und ein Unternehmerumbauzug. Einer der beiden DB-eigenen Züge wird nur noch für die in Bau befindlichen Neubaustrecken eingesetzt. Darüber hinaus finden an untergeordneten Gleisen der Deutschen Bundesbahn ein DB-eigener und zwei unternehmereigene kleine Umbauzüge älterer Bauart noch vorübergehend Verwendung.
Eine Zusatzfrage, bitte.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4323
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Maschinenpark in der Hand der privaten Unternehmen in der Regel auf neuerem technischen Stand als bei der den Gleisbaustellen der Bundesbahn ist, und was gedenken Sie zu tun, um diesen Abstand zu vermindern?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die DB hat z. B. im letzten Jahr einen neuen, modernen Umbauzug bestellt. Sie ist also bemüht, sich modernst auszurüsten.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Darf ich fragen, ob diese Bestellung sowohl Gleisstopfmaschinen als auch Weichenstopfmaschinen beinhaltet, oder ist es hier eine Teilbestellung gewissermaßen von einer der genannten Maschineneinrichtungen? Wenn Sie es jetzt nicht sagen können, wäre ich auch mit einer schriftlichen Antwort zufrieden.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß diese Bestellung umfassend ist. Ich werde dies aber noch einmal nachprüfen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Herr Staatssekretär, mir liegen Zahlen vor, die sich auf die Maschinenarten beziehen, die in der Frage des Abgeordneten Kastning benannt sind, und danach sind im Bereich der Deutschen Bundesbahn beispielsweise 12 Gleisstopfmaschinen, während im Unternehmerbereich 36 solcher Maschinen vorzufinden sind. Im Bereich von Weichenstopfmaschinen sind im Bereich der Bundesbahn 9 und im Bereich privater Unternehmer 53. Wenn Sie das in Ihre Aussagen zu den Umbauzügen mit einbeziehen, haben Sie nicht den Eindruck, daß sich sozusagen strukturell die Konkurrenzfähigkeit der Oberbauabteilung der Deutschen Bundesbahn gegenüber den Angeboten und Möglichkeiten von Privatunternehmen strukturell zum Nachteil der Bundesbahn verändert?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesbahn hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die in einem Zeitraum von etwas über einem Jahr diese Fragen untersucht. Ergebnisse liegen noch nicht vor; sie sind noch im Jahre 1988 zu erwarten. Sie müssen aber bitte davon ausgehen, daß in dem angesprochenen Gesamtbereich der Anteil der Deutschen Bundesbahn gegenüber den Privatleistungen gestiegen ist und daß bisher entgegen Ihren Zahlen, die ich überhaupt nicht bestreiten will, die Gesamtleistung der DB bei 70 lag.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir eine vernünftige Erklärung dafür geben, daß die Leistung der DB gestiegen ist, während die maschinelle Einrichtung der Privaten überproportional gewachsen ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kann mir das nur so erklären, daß hier ein Teilbereich herausgegriffen wurde.
Ich rufe nun die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Kastning auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Oberbau der Deutschen Bundesbahn einen weiteren Umbaumaschinensatz benötigt, und sind die dafür notwendigen Investitionen vorgesehen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das auf den Verkehrsmarkt ausgerichtete Angebot der Deutschen Bundesbahn erfordert künftig insgesamt zwei leistungsstarke Umbauzüge, die in kurzen Sperrzeiten, vier bis sechs Stunden, einen wirtschaftlichen Gleisumbau erlauben. Einer dieser Umbauzüge steht unternehmerseitig bereits zur Verfügung. Für den zweiten ist die Beschaffung eingeleitet; ich habe das vorhin schon kurz erwähnt. Die erforderlichen Investitionsmittel stehen zur Verfügung.
Zusatzfrage? — Bitte.
Kastning ; Darf ich noch einmal fragen, Herr Staatssekretär, was die Deutsche Bundesbahn bewogen hat, das Verhältnis Bundesbahn — Privatunternehmen in Zukunft — rein maschinenbautechnisch —1 : 1 zu gestalten, statt wie bisher bundesbahneigene Anlagen und Maschinen schwergewichtig einzusetzen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Die Deutsche Bundesbahn war bestrebt, einen Teil dieser Arbeiten selber zu machen. Insgesamt sind die Arbeiten aber zurückgegangen. Die Deutsche Bundesbahn hat sich bemüht, die Arbeiten, die ihr verblieben sind, mit wirtschaftlichem Einsatz zu betreiben. Da aber der Arbeitsanfall insgesamt niedriger geworden ist, hat die Bahn beschlossen, Personal einzusparen und einen Teil der nicht mehr benötigten Maschinen nicht mehr zu erneuern oder wiederanzuschaffen.
Zusatzfrage.
Ohne auf noch folgende Fragen vorgreifen zu wollen, möchte ich dann doch noch fragen: Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß ein Privatunternehmen in diesem Bereich grundsätzlich wirtschaftlicher als die Bundesbahn arbeitet, wenn man vergleichbare Grundvoraussetzungen schaffen würde?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Entscheidung trifft nicht die Bundesregierung, sondern die Bundesbahn in eigener Verantwortung.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Herr Staatssekretär, wenn wir eine Situation bekommen, daß das Verhältnis zwischen Privatunternehmen und Deutscher Bundesbahn hinsichtlich der Maschinenausstattung im Obergleisbau,
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4324 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Andresder Umbauzüge künftig 1 : 1 sein wird — Sie sagen, daß nach den Planungen DB '90 zwei Drittel in Bahnregie und ein Drittel durch Privatanbieter gemacht werden soll — , dann gibt das von der Maschinenausstattung her doch ein Verhältnis von 50 : 50. Kann man dann nicht davon ausgehen, daß das Ergebnis für diesen Teilbereich der Bundesbahn eine strukturelle Wettbewerbsunfähigkeit sein wird?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe nicht von DB '90 und nicht von der Zukunft, sondern — umgekehrt — von der Vergangenheit gesprochen. Ich habe gleichermaßen gesagt, daß die Bundesbahn eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die diesen Gesamtkomplex überarbeiten wird. Ergebnisse werden noch in diesem Jahr vorliegen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiehm.
Herr Staatssekretär, könnte der Kostenvorteil, den Sie festgestellt haben, unter Umständen darauf zurückzuführen sein, daß die Verwaltungskosten, die von der Zentrale der Bundesbahn sozusagen mit beeinflußt werden, gegenüber den Privaten überproportional hoch sind?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe keinen Kostenvorteil festgestellt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weiss.
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon sagen, daß die Entscheidung hinsichtlich des Einsatzes von Privatfirmen die Deutsche Bundesbahn trifft: Trifft es dann auch zu, daß dies erzwungen wird, weil Sie von der Bundesbahn verlangen, daß sie jährlich 10 000 Menschen, Personalstellen einspart und so unter dem Zwang steht, Personalkosten in Sachkosten umzuwandeln, so daß das dann nicht mehr eigenes Personal, sondern Fremdauftrag ist, was sich in den Sachkosten niederschlägt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir verlangen von der Bundesbahn Wirtschaftlichkeit; die bestimmt sich nach Ausgaben und Einkünften. Wie sich dies im einzelnen gestaltet, ist Aufgabe der Bundesbahn.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Andres auf:
Wie hat sich die Beschäftigungszahl, aufgeschlüsselt nach Bundesbahndirektionen im Fachbereich Oberbau, in den letzten fünf Jahren entwickelt, und wie sehen mittelfristige Personalplanungen in diesem Bereich aus?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben Zahlen abgefragt, die bis in die einzelnen Bundesbahndirektionen hineingehen und fünf Jahre umfassen. Ich habe hier eine große Liste, die ich Ihnen gerne überreichen möchte. Es würde den Rahmen der Fragestunde sprengen, würde ich dies alles jetzt vortragen.
Einverstanden, Herr Abgeordneter? Sie bekommen das schriftlich.
Ich nehme die Liste gerne entgegen.
Dann keine weiteren Zusatzfragen?
Doch!
Sie wissen ja noch gar nicht, was da drin steht.
Deswegen wollte ich ihn ja bitten, zumindest die Tendenz zu sagen. Dann kann er mir die Liste überreichen.
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, darf ich vielleicht die Jahre vortragen, nicht aufgeschlüsselt auf die einzelnen Direktionen, sondern die Gesamtzahlen?
Ja, ja.
Darf ich die Frage als erledigt betrachten?
Nein, er wollte jetzt vortragen, nicht die ganzen Zahlenkolonnen, sondern nur die Jahre insgesamt, Herr Präsident. Das wird erträglich sein.
Ich appelliere nur ein bißchen an das Solidaritätsgefühl, weil wir doch so viele Fragen haben und die anderen Abgeordneten noch zum Zuge kommen sollen. Ich will Sie aber nicht in Ihren Rechten beeinträchtigen, wenn Sie glauben, es muß sein.
Nein, nein.
Danke schön. Dann darf ich die nächste Frage aufrufen.
Nein. Der Herr Staatssekretär wollte nur die Jahre vortragen. Herr Präsident, lassen Sie ihn einmal reden, er macht das schon.
Gut, gut.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich mache es ganz kurz: 1983 12 530, 1987 10 024.
Jetzt habe ich meine zwei Zusatzfragen, Herr Präsident.Erstens. Daraus ist ablesbar, daß die Zahl der Beschäftigten im Gleisoberbau weiter zurückgeht. Wenn Sie die Maschinenbesatzungen oder -ausstattung so machen, wie Sie das soeben gesagt haben, was glauben Sie, wie sich das auf die Beschäftigtenzahl auswirkt?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das kann Ihnen heute noch niemand sagen, nicht einmal der Vorstand der Bundesbahn.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4325
Zweite Frage: Können Sie, wenn das niemand sagen kann, denn dann einmal eine Tendenz beschreiben, was Sie glauben, wo es hingeht?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß es mehr wird.
Also keine weiteren Zusatzfragen? —
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Andres auf:
Welche Planungen gibt es bei der Deutschen Bundesbahn, die Gleisbauhöfe unternehmerisch neu zu organisieren , und welche Auswirkungen hat dies auf die Zahl der Gleisbauhöfe oder die im Gleisbau Beschäftigten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat gemäß seinem Beschluß vom 19. Oktober 1987 das Projekt „Organisation der Oberbauinstandhaltung" eingerichtet. Die entsprechenden Untersuchungen sind aufgenommen. Ergebnisse werden nicht vor Ende dieses Jahres vorliegen. Ich präzisiere also im Vergleich zu vorher: nicht vor Ende dieses Jahres.
Nach der Zielvorgabe soll das Projekt mit dem Vorschlag eines Organisationsmodells und eines Realisierungsplans abschließen. Eine Alternative Gleisbauhof-Holding wird in die Überlegungen einbezogen. Aussagen über eventuelle Auswirkungen auf die Gleisbauhöfe und die im Gleisbau Beschäftigten — da muß ich mich wiederholen — sind zur Zeit nicht möglich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter Kastning.
Sie haben zwar dem Bundesbahnvorstand eine gewisse Unfähigkeit unterstellt, indem Sie meinten, er könne ja wohl keine Zahlen, was die künftige Beschäftigtenentwicklung angeht, voraussehen. Aber ich denke, Sie können mir, Herr Staatssekretär, die Frage beantworten: Wird die unternehmerische Umgestaltung oder die Umorganisation des Gleisbaus zu einer Abnahme von Personalstellen führen, wie hoch auch immer?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es steht noch nicht fest, welches Konzept verwirklicht wird. Ich sage dies jetzt zum vierten oder fünften Mal. Wir müssen davon ausgehen, daß die Zahl der insgesamt in diesem Bereich Beschäftigten — ob bei der Bahn oder bei Privaten — nicht größer wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Weiss auf:
Wann wird die Deutsche Bundesbahn den Zugbetrieb auf der Strecke Wuppertal-Elberfeld—Wuppertal-Cronenberg aufnehmen, wie das Bundesbahngesetz es vorschreibt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Bundesbahn ist vereinbart, die am 20. Juli 1984 zum Reisezugbetrieb und am 25. August 1986 zum Güterzugbetrieb der Strecke Wuppertal-Elberfeld nach Wuppertal-Cronenberg eingeleiteten Verfahren nach dem
Bundesbahngesetz in Kürze zum Abschluß zu bringen.
In Anbetracht der geringen Verkehrsnachfrage und des derzeitigen Verfahrensstandes muß die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von rund 2,3 Millionen DM für die Wiederherstellung der Befahrbarkeit mit dem damit zu erzielenden Nutzen abgewogen werden. Deswegen ist eine Sperrung dieser Strecke bei gleichzeitiger Bedienung auf der Straße bis zur endgültigen Entscheidung im Rahmen des Verfahrens nach dem Bundesbahngesetz mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich verstehe leider nicht, wie das Ganze mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar sein soll, wenn die Strecke jetzt deshalb stillgelegt wird, weil sie angeblich so heruntergekommen ist, daß sie nicht mehr betriebssicher ist; denn in § 4 des Bundesbahngesetzes heißt es eigentlich: Die Deutsche Bundesbahn ist verpflichtet, die Anlagen, Fahrzeuge und Zubehör in gutem betriebssicheren Zustand zu erhalten und unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze nach dem jeweiligen Stand der Technik zu erneuern, zu ersetzen und weiterzuentwickeln. Gegen diesen § 4 des Bundesbahngesetzes ist ja eindeutig verstoßen worden, weil die Strecke ohne Verfahren jetzt einfach stillgelegt wird. Ich frage Sie:
Herr Abgeordneter Weiss, nicht die Feststellung als solche, sondern die Frage ist hier gefordert. Bitte schön.
Ich hatte schon angesetzt. — Ich frage Sie, was das Bundesministerium für Verkehr nun auf Grund dieses wohl eindeutigen und klaren Verstoßes gegen § 4 des Bundesbahngesetzes machen oder unternehmen wird.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Der Bundesminister für Verkehr hat die Deutsche Bundesbahn mehrfach auf die gesetzlichen Vorschriften hingewiesen. Es ist jetzt allerdings insofern ein anderer Stand, als zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Bundesbahn eine Vereinbarung abgeschlossen wurde. Jetzt geht es um die Frage, ob man wegen ein, zwei, drei Monaten noch einen Haufen Geld investiert.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Strecke wurde ja für den Reisezugbetrieb stillgelegt, weil sie angeblich nicht mehr betriebssicher ist. Nun sind gestern in der „Wuppertaler Zeitung" Bilder von Güterzügen veröffentlicht worden, die noch munter auf dieser Strecke herumfahren. Ich frage Sie: Wieso ist die Strecke für den Personenverkehr nicht mehr betriebssicher, für den Güterzugverkehr gleichwohl betriebssicher, obwohl doch die Güterzüge die weitaus größeren Massen haben und damit die Strecke ungemein stärker beanspruchen als die Personenzüge?
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4326 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das klingt alles schön, was Sie sagen. Es war nur so, daß sieben leere Expreßgutwagen noch in Wuppertal-Cronenberg waren. Sie mußten überführt werden, und dies im Schrittempo und nicht in Form einer Regelfahrt.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Unruh.
Meinen Sie nicht, daß der Präsident der Bundesbahndirektion Köln und ehemalige Wuppertaler Stadtverordnete Dr. Beck, SPD, eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen hat, indem er jahrelang bundesbahnintern — wohlgemerkt; in Wuppertal selbst nicht — die Stillegung des sogenannten Samba-Expresses, eines ganz beliebten Zuges in ein Erholungsgebiet, betreibt, obwohl die begonnene Sanierung lief und 300 000 DM bereits verbaut wurden?
Dr. Schulte, Parl, Staatssekretär: Ich kenne die Äußerungen des Bahnpräsidenten. Wir haben uns diese Äußerungen nicht zu eigen gemacht. Es steht jetzt allerdings eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Land und der DB bevor, wo alle diese offenen Fragen geklärt werden. Ich hoffe, daß hier auch die Vergangenheit bereinigt werden kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Kiehm auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation, daß in den Gleisbauhöfen qualifiziertes Personal zu wettbewerbsfähigen Kosten Leistungen erbringen könnte, jedoch der dazu notwendige leistungsfähige Maschinenpark nicht vorhanden ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir kommen zurück, Herr Präsident, zum Oberbau der Deutschen Bundesbahn.
Die im Oberbau der Deutschen Bundesbahn vorzuhaltenden Personal- und Maschinenkapazitäten mußten in den vergangenen Jahren dem stark zurückgegangenen Gesamtaufwand zur Oberbauerhaltung angepaßt werden. Dabei war nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn die Anpassung des Maschinenparks schneller möglich als die des Personalkörpers.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben schon zu Beginn vom Rückgang des Arbeitsanfalls gesprochen. Ich will jetzt auch nicht nach den konzeptionellen Vorstellungen des Unternehmens fragen, sondern: Meinen Sie nicht auch, daß diese beiden Faktoren, Abbau des Arbeitsanfalls und nicht hinreichende technische Ausrüstung, zur Folge haben, daß Personal abgebaut werden muß? Ich frage jetzt nicht nach den Zielen, sondern nach den Fakten.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist klar, daß ein Unternehmen wie die Deutsche Bundesbahn, das in den bekannten Schwierigkeiten steckt, entsprechend handeln muß.
Zusatzfrage, bitte.
Glauben Sie nicht, daß dieser Arbeitsanfall im Bereich der Bundesbahn gut und optimal zu erbringen wäre, wenn man die private Leistung zurücknimmt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß das ganz aufgehen würde.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres, bitte.
Herr Staatssekretär, im Oberbau ist eine Verteilung der Arbeitsleistung von etwa 80 : 20 zwischen Deutscher Bundesbahn und Privatanbietern festzustellen. Ist nicht davon auszugehen, wenn die Deutsche Bundesbahn systematisch oder als Ergebnis — weil das schneller geht — die maschinelle Ausstattung dieses Bahnbereiches nicht zügig vornimmt, daß dann sozusagen eine schleichende Wettbewerbsunfähigkeit des Oberbaus das Ergebnis ist und damit weiterer Personalabbau oder weitere Vergabe von Aufträgen an Private?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei all ihren Überlegungen muß die Deutsche Bundesbahn die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Betriebs überdenken. Wir müssen allerdings sehen, daß bei der DB ein Personalüberhang vorhanden war, den man aus sozialen Gründen langsamer angegangen ist als die Maschinen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Kiehm auf:
Besteht die Absicht, in diesem Jahr oder im 1. Halbjahr 1989 für die Deutsche Bundesbahn einen weiteren Umbaumaschinensatz anzuschaffen, und wo wird er stationiert?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn hat 1987 einen neuen, leistungsstarken Umbaumaschinensatz, einen Umbauzug, bestellt, der voraussichtlich bis Ende 1988 zur Verfügung stehen wird. In Anbetracht der laufenden Untersuchungen hinsichtlich der konzeptionellen Fortentwicklung der Oberbauinstandhaltung — ich habe vorhin darüber gesprochen — ist derzeit eine Aussage über den voraussichtlichen Standort noch nicht möglich.
Zusatzfrage.
Können Sie etwas über die Planungen der Bundesbahn in diesem Investitionssektor überhaupt aussagen, Herr Staatssekretär?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen gesagt, daß eine neue Konzeption erstellt wird. Ich habe gesagt, daß Investitionsmittel für die Beschaffung eines weiteren Umbaumaschinensatzes zur Verfügung stehen. Es geht hierbei um 8,1 Millionen DM. Sie sind im Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für die Jahre 1987 und 1988 eingestellt. Mehr kann ich im Moment nicht sagen.
Weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4327
Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß die Langfristigkeit der Planung der Deutschen Bundesbahn nicht gegeben ist, da sich das ja von Fall zu Fall je nach konzeptioneller Aussage verändern kann?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß die Deutsche Bundesbahn im Augenblick gerade eine langfristige Konzeption erarbeitet.
Eine weitere Zusatzfrage? — Gerade noch erwischt.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für sehr unwahrscheinlich, daß ein großes Unternehmen eine nicht unbeträchtliche Investitionsentscheidung trifft und nicht weiß, wo dieser Umbauzug stationiert werden soll?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Diese Züge sind sehr beweglich, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Stahl sowie die Fragen 41 und 42 des Abgeordneten Dr. Penner sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden.
Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Wie hoch ist die Zahl der Eheschließungen zwischen deutschen und ausländischen Partnern, und wie ist die Entwicklung in den letzten fünf Jahren zu beurteilen?
Herr Kollege Müller, die Zahl der Eheschließungen zwischen Deutschen und Ausländern bewegte sich in den Jahren 1982 bis 1986 zwischen 25 700 und 28 250. Eine erwähnenswerte Tendenz ist nicht zu erkennen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie schätzt die Bundesregierung die Folgen dieser Entwicklung für die Integration der hier lebenden Ausländer ein?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe nicht, daß es hier irgendeine Problematik positiver oder negativer Art gibt. Auch die Tendenz, die sich aus den Zahlen ergibt, läßt nichts Entsprechendes erkennen.
Zusatzfrage, bitte.
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Zahl der Scheidungen vor, die zwischen Deutschen und Ausländern verlaufen, wenn solche Ehen geschlossen werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe hier entsprechend Ihrer Frage nur die Zahl der Eheschließungen. Aber ich bin gern bereit, nachzuforschen, ob auch Zahlen über Scheidungen vorliegen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Nach welchen Nationalitäten gliedern sich die mit ausländischen Ehepartnern eingegangenen Ehen auf?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Betrachtet man die Zahl der Eheschließungen zwischen Deutschen und Ausländern nach Nationalitäten, so sind die Eheschließungen zwischen Deutschen und US-Staatsangehörigen, Italienern, Österreichern, Jugoslawen, Türken und Staatsbürgern aus Großbritannien und Nordirland hervorzuheben. Ich werde Ihnen, Herr Kollege Müller, zur weiteren Information zwei entsprechende Tabellen zuleiten. Sie sind zu ausführlich, um sie hier in der Fragestunde vorzutragen.
Ich darf abschließend noch darauf hinweisen, daß sich die vorliegenden Zahlen zu Eheschließungen zwischen Deutschen und Ausländern aus den Eheschließungen im Bundesgebiet einschließlich Berlin ergeben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Kuppler und Makler an der Vermittlung von Ehen zwischen Deutschen und Partnerinnen aus den Ländern der sogenannten Dritten Welt zwischen 10 000 und 15 000 DM pro Vermittlung verdienen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es werden bei Eheschließungen auch im übrigen Maklergebühren bezahlt. Ich weiß jetzt nicht, inwieweit das besonders hohe Gebühren sind und inwieweit sie bei dieser Art von Eheschließungen, die Sie zum Gegenstand der Fragestunde gemacht haben, von den üblichen Sätzen abweichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich habe noch eine Zusatzfrage: Nach meiner Kenntnis sind hier schlimme Praktiken zu verzeichnen, besonders in der Vermittlung von Ehen mit Partnerinnen aus den Ländern Thailand, Indonesien usw. Die Folgen, die dann hier bei uns im Lande auszutragen sind, veranlassen mich zu der Frage: Was gedenkt die Bundesregierung gegenüber dieser Entwicklung zu tun? Sind da besondere Aufklärungsmaßnahmen eingeleitet worden, oder wird das einfach so hingenommen?Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich muß hier auch innerhalb der Bundesregierung, was die Zuständig-
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4328 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Parl. Staatssekretär Sprangerkeit anlangt, Abklärung veranlassen. Ich werde das gerne tun und Ihnen hier ergänzende Informationen übermitteln.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Olms, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, ob es auch in deutschen Ehen schlimme Praktiken gibt, die auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland ausgetragen werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Olms, hier möchte ich wieder auf die Zuständigkeit und auf die Frage des Kollegen Müller verweisen. Da sehe ich keine ausreichenden Zusammenhänge.
Keine weiteren Wortmeldungen zu dieser Frage.
Dann rufe ich die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Hält die Bundesregierung es für erforderlich, „die im öffentlichen Dienstrecht enthaltenen Grundsätze — für Beamte Artikel 33 Abs. 5 GG und die Vorschriften des Beamtenrechts, für die übrigen Mitarbeiter die entsprechenden tarifrechtlichen Bestimmungen — und ihre Konsequenzen vor allem für die Wahrnehmung ministerieller Aufgaben in ihrem Verhältnis zur Arbeit der politischen Parteien und der Parlamentsfraktionen klarzustellen und zu verdeutlichen" , und wie beurteilt sie im Rahmen der Beamtenrechtsrahmenkompetenz des Bundes einen entsprechenden Beschluß der Landesregierung Schleswig-Holstein?
Bitte sehr.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die beamtenrechtlichen Vorschriften, § 35 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und § 52 des Bundesbeamtengesetzes, stellen eindeutig klar, daß die Beamten dem ganzen Volk und nicht einer Partei dienen. Diese Gemeinwohlverpflichtung und die parteipolitische Neutralität sind klare Regelungen auch für die Wahrnehmung ministerieller Aufgaben im Verhältnis zur Arbeit der politischen Parteien und der Parlamentsfraktionen. Einer besonderen Klarstellung bedarf es aus der Sicht des Bundes nicht. Dies gilt entsprechend für den Arbeitnehmerbereich.
Die Rahmenkompetenz des Art. 75 Nr. 1 des Grundgesetzes gibt dem Bund das Recht, Rahmenvorschriften über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen zu erlassen. Die Ausführung der entsprechenden Landesvorschriften obliegt den jeweiligen Dienstherren.
Die Bundesregierung ist aber gern bereit, die angesprochenen Fragen gemeinsam mit allen Ländern in den zuständigen Arbeitskreisen zu erörtern.
Zusatzfrage, bitte.
Wann wird die Bundesregierung dieses tun, und welche Konsequenzen wird sie für ihren eigenen Zuständigkeitsbereich ziehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sagte Ihnen im ersten Teil meiner Antwort, daß es auf Grund des Sachverhaltes, den Sie angesprochen haben, aus der Sicht des Bundes und damit für den Bund einer Klarstellung nicht bedarf.
Was die Erörterung in den zuständigen Arbeitskreisen anlangt, ist es natürlich vor allem Sache der Länder, zu sagen: Hier besteht für uns Erörterungsbedarf. — Wir werden uns dann der Erörterung nicht entziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Halten Sie also Regelungen, wie sie die schleswig-holsteinische Landesregierung nach der Barschel/Pfeifer-Affäre für Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst ausgegeben hat, für überflüssig, oder bilden Sie sich ein, daß eine solche Affäre im Bereich Ihrer Bundesregierung nicht geschehen könnte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich darf noch mal auf den ersten Teil meiner Ausführungen Bezug nehmen, wo ich klar zum Ausdruck gebracht habe, daß aus der Sicht des Bundes und damit auch für die Bundesregierung kein Handlungsbedarf erkennbar und im übrigen die Ausführung der Rahmenbestimmungen entsprechend Art. 75 des Grundgesetzes Sache der Länder ist, in die die Bundesregierung nicht eingreifen sollte und auch nicht eingreifen will.
Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs und auch der Fragestunde angekommen.
Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Abgeordnete Garbe gemeldet. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Für die Fraktion DIE GRÜNEN beantrage ich gemäß Nr. 1 Buchst. b der Richtlinien für Aktuelle Stunden eine Aktuelle Stunde zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 2 des Kollegen Wetzel zum Thema Ausstellung falscher Herkunftsbescheinigungen für australisches und südafrikanisches Uran durch die Firma Nukem mit Wissen der Euratom.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 Buchst. b der Richtlinien für Aktuelle Stunden zu der Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 2, die ja miteinander in unmittelbarem Zusammenhang stehen, eine Aktuelle Stunde verlangt.Damit ist die Bedingung der Geschäftsordnung erfüllt. Die Aussprache muß nach Nr. 2 Buchst. a der Richtlinien unmittelbar jetzt stattfinden. Ich rufe also auf :
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4329
Vizepräsident StücklenAktuelle StundeAusstellung falscher Herkunftsbescheinigungen für australisches und südafrikanisches Uran durch die Firma Nukem mit Wissen der Euratom.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wetzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bundestag hat sich aus gutem Grund dazu genötigt gesehen, zu dem Atomskandal, in dem wir mittendrin stecken, einen eigenen Untersuchungsausschuß einzurichten. Der Sachverhalt, der dem zugrunde liegt, ist Ihnen allen bekannt: Schmiergeldzahlungen an Betreiber nuklearer Anlagen in Millionenhöhe, ohne daß wir wissen, wer eigentlich wofür geschmiert wurde und ob dabei Probleme ins Spiel kommen, die mit der Nichtverbreitung von nuklearem Material zu tun haben. Sie kennen weiter die in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit heiß diskutierte Frage der Falschdeklaration von Atommüllfässern. Diese Atomindustrie wird mit dem Müll, den sie produziert, nicht fertig und muß sich deshalb rechtswidriger Praktiken bedienen.
Wir sind schließlich auf den Punkt gestoßen worden, daß sogar die Aufsichtsbehörde Euratom, in die die Bevölkerung bisher ihr Vertrauen setzen zu dürfen meinte, sich aktiv an der Fälschung von Ursprungszertifikaten für Spaltmaterial beteiligt. Das war der Hintergrund der heute von uns an den Bundesumweltminister Töpfer gerichteten beiden Fragen.
Ich verhehle nicht, sondern will ganz offen aussprechen, warum wir diese Fragen gestellt haben. Wir haben in einer Pressekonferenz des Ministers in Hannover vom 16. Februar 1988 ein Zeichen für Hoffnung gesehen. Der Bundesumweltminister erklärte dort nämlich, daß er über diese Praktiken durchaus beunruhigt sei und daß er — so teilte er der Öffentlichkeit mit — eine eigene Arbeitsgruppe zur Überprüfung dieser Praktiken nach Brüssel geschickt habe.
Für uns war das deswegen ein Zeichen der Hoffnung, weil ich am 20. Januar 1988 eine fürchterliche Sitzung des Ausschusses für Forschung und Technologie erlebt hatte.
Noch einmal. Der Sachverhalt war folgender. Euratom ermöglicht die Manipulationen bei der Spaltflußkontrolle; Euratom tauscht Sicherheitscodes aus; Euratom bricht Abkommen mit Uranabbauländern; Euratom erlaubt, daß Natururan vertragswidrig zu waffenfähigem Material angereichert wird. Das war der Hintergrund.
Wir hatten im Ausschuß für Forschung und Technologie eine scharfe Distanzierung des Bundesforschungsministers erwartet. Das Gegenteil war der Fall. Er erklärte ausdrücklich derartige Praktiken für legal; die Rechtsauffassung von Euratom sei zugleich seine eigene. Und das in dieser Phase der Aufdeckung des Atomskandals!
Die Argumentation, die er vorbrachte, war geradezu abenteuerlich. Er meinte, man dürfe fälschen, man dürfe umflaggen, man dürfe swapen in dem Maß, wie es sich um den Austausch äquivalenter Mengen handle.
Den Hintergrund unserer heutigen Fragen bildet das Problem: Was soll eigentlich Spaltflußkontrolle, was soll die Sicherung gegen mißbräuchliche Verwendung von Spaltmaterial, wenn die präzise Identifizierung derartigen Materials durch derartige abenteuerliche Rechtspraktiken unmöglich gemacht wird?
Was Praxis in diesem unserem Land ist, ist nichts anderes, als daß die Überwacher sich zu den professionellen Fälschern machen mit der Möglichkeit, daß alle möglichen anderen Instanzen, private Interessen wie halböffentliche, — —
— Ich gebe Ihnen, wenn der Präsident es gestattet, gern Gelegenheit zu einer Zwischenfrage.
— Verzeihung!
Noch einmal. Ich glaube, Sie davon überzeugen zu können, meine Damen und Herren. Hören Sie mir bitte zu. Ich wende mich an diejenigen von Ihnen, die sich mit der Problematik beschäftigt haben. 1978 fand die INFCE-Konferenz in Wien statt, zur Überprüfung, ob die Kontrollmaßnahmen im Atomwaffensperrvertrag ausgebaut werden sollten oder ob sie befriedigend funktionieren. Natürlich war die Grundlage aller Erwägungen, wie man Spaltmaterial kontrollieren kann, die eindeutige Identifizierbarkeit von Spaltmaterial. Jetzt beteiligt sich Euratom mit Zustimmung des Forschungsministers an derartigen Umdeklarationen.
Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit ausgeschöpft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf zum Schluß — — Vizepräsident Stücklen: Nur einen Satz noch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unsere Hoffnung war, daß der Umweltminister seinen Einspruch auch hier im Plenum in Gestalt der Antworten auf unsere Fragen politisch geltend macht. Er hat es nicht getan. Das Resultat ist: Er sieht keinen — —
Herr Abgeordneter, großzügig habe ich Ihnen nach dem roten Licht noch einen Satz gegeben. Jetzt hängen Sie einen an und noch einen an. Ich bitte, das Redepult frei zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Umweltminister sieht wie der Forschungsminister keinen Klärungs- und Handlungsbedarf. Wir bleiben weiter in dem Atomskandal stecken.
Danke.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenzer.
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4330 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Wetzel, ich habe Sie eigentlich bisher immer als einen fairen und sachkundigen Debatter im Ausschuß erlebt. Aber was Sie sich heute hier an Angriffen auf den Bundesforschungsminister geleistet haben, ist nicht nur für mich völlig unbegreiflich, sondern geht weit über das in einer politischen Auseinandersetzung Zuträgliche hinaus.
Der Bundesforschungsminister hat Ihnen umfassend
— das können Sie doch gar nicht beurteilen, Sie waren doch gar nicht dabei — , der Bundesforschungsminister hat Ihnen in der Ausschußsitzung, von der Sie gesprochen haben, umfassend zur Verfügung gestanden. Es hat Ihnen darüber hinaus der Leiter der zuständigen Unterabteilung, Herr Ministerialdirigent Loosch, zur Verfügung gestanden. Es hat weiterhin zur Verfügung gestanden Herr Dr. Randl, der zuständige Referatsleiter aus dem BMFT. Beide Herren werden übrigens auch als Zeugen im zweiten Untersuchungsausschuß noch auftreten bzw. sind schon aufgetreten. Sie haben etwa zwei Stunden Gelegenheit gehabt wie wir alle miteinander, Fragen zu stellen. Es ist nicht eine einzige Frage offen geblieben. Als Ergebnis ist am Ende dieser Diskussion herausgekommen, daß alle Kernmaterialien, alle nukleartechnischen Anlagen, vom Kraftwerk bis zu Anlagen des Brennstoffkreislaufs — —
— Herr Kollege Schäfer, das wissen Sie doch genauso gut wie ich; auch Sie sind doch schon lange in diesem Metier. — Es hat sich herausgestellt, daß es nicht einen einzigen Anlaß gibt, daran zu glauben, daß das wirklich lückenlose Überwachungssystem,
was durch IAEO in Wien und durch die Euratom im Rahmen der bestehenden Verträge, des Nichtverbreitungsvertrages, des Verifikationsabkommens usw., sichergestellt wird, in irgendeiner Form verletzt worden wäre. Sie hätten durch Befragung Ihres Kollegen Schily, der ja Mitglied im 2. Untersuchungsausschuß ist — sprechen Sie mit Ihrem Nachbarn, mit dem Herrn Kollegen Weiss, der diesem Ausschuß als stellvertretendes Mitglied angehört — , erfahren können, daß beispielsweise auch die Aussagen des zuständigen Verantwortlichen bei Euratom, Herrn Gmelin, ebenfalls in dieser ganz spezifischen Angelegenheit der Umflaggung, von der Sie gesprochen haben, ergeben haben
— ich gehe auf das ein, Herr Kollege, was der Kollege Wetzel hier quasi an Beschuldigungen aufgestellt hat — , daß dies ein völlig normaler Vorgang sei
und daß Euratom die ganze Angelegenheit von Anfang an unter Kontrolle gehabt habe.
Wie Sie daraus eine Mitbeteiligung, ja, sogar eine Mitverantwortung des Bundesministers für Forschung und Technologie herleiten wollen, entzieht sich in der Tat meiner Kenntnis.
Meine Damen und Herren, es geht ja auch um eine Reaktion von Euratom auf den bekannten Artikel eines Wochenmagazins. Euratom erklärt gegenüber der Presse noch einmal ganz eindeutig und klar, daß der Flaggentausch — ich nenne das einmal so — keine geheime oder illegale Praxis sei, sondern mit den bilateralen Vereinbarungen der Euratom mit Australien, mit Kanada und den Vereinigten Staaten voll kompatibel ist. Es gab für Euratom also überhaupt keine Veranlassung tätig zu werden. Ausschließlich Flaggentausch mit nuklearen Materialien außerhalb der Gemeinschaft — nur außerhalb der Gemeinschaft — bedürfen der vorherigen Zustimmung dieser Drittländer, mit denen die Kommission ein bilaterales Abkommen geschlossen hat.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie zur Sachlichkeit zurückkehren würden. Wir werden alle diese Fragen im 2. Untersuchungsausschuß von den verschiedensten Experten und auch Zeugen sicherlich noch sehr, sehr genau und sehr intensiv beleuchten lassen.
Ich darf schließen mit den Aussagen der Herren, die dort bisher vorgetragen haben, inklusive des Oberstaatsanwalts in Hanau: Es gibt Null-Komma-Null Beweis dafür, daß in irgendeiner Weise gegen geltendes Recht verstoßen worden wäre.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon merkwürdig, wie die Bundesregierung diese schwierigen Themen hier abhandelt. Herr Kollege Lenzer, es geht nicht darum, was Ihnen der Minister irgendwo im Ausschuß weisgemacht hat. Es geht vielmehr darum, was hier in diesem Parlament gesprochen wird. Ich will Ihnen einmal sagen, wie sich das mir hier darstellt.Da gibt es den Herrn Töpfer.
Der ist praktisch für die Besorgten in unserem Lande zuständig. Der erklärt seine Sorgen und sagt, in einer Presseerklärung nachzulesen, daß das Umflaggen im Grunde genommen nicht in Ordnung sei. Da gibt es den Herrn Riesenhuber. Der ist dann für das Grobe zuständig. Der ist für die Atomindustrie. Der muß die dann wieder beruhigen.
Meine Damen und Herren, dann gibt es noch Euratom, und die erklären: Es kann überhaupt nichts passieren, denn wir haben alles fest im Griff, wie es so schön heißt: alles fest im Griff auf dem sinkenden
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4331
ReuterSchiff. Nur, meine Damen und Herren, von einer lükkenlosen Überwachung hat, wie der Kollege Lenzer wieder der staunenden Öffentlichkeit weismachen will, Euratom nicht gesprochen. Euratom hat gesagt: Wir wissen, wo das Material ist, und wenn abgezweigt wurde, wissen wir auch bis zu dem Zeitpunkt, in dem der, der abgezweigt hat, eine Atombombe bauen kann, daß das Material dort ist. Das ist Ihre lückenlose Kontrolle dieses Materials.Da schwimmt auf dem Meer ein Schiff mit Uran. Das Uran kommt möglicherweise aus Südafrika. Weil es denen, die damit handeln, gerade in den Kram paßt, sagen diese: Wir entafrikanisieren das; so wörtlich im Untersuchungsausschuß.
— Ich kann es als Beispiel ja auch so herum erklären: Vielleicht hat man es ja entaustralisiert und südafrikanisiert oder auch umgekehrt. Aber bei dieser Regierung, meine Damen und Herren, weiß ja sowieso die Rechte nicht, was die Linke tut,
so daß ich mich also nur auf das beziehen kann, was ich hier gehört habe.
— Wenn es Ihnen zu flach ist, dann müssen Sie sich etwas bücken, Herr Kollege Lenzer. — Als Ergebnis stelle ich hier fest, daß die Kontrolle dann erschwert wird, wenn man da einfach Flaggen tauscht. Es wäre genauso, wenn Sie Äpfel aus Israel kaufen wollten und da grüne Äpfel stünden und Sie dann glaubten, diese seien aus Israel, sie aber in Wirklichkeit aus Südafrika kämen. Das wollen Sie nicht. Das ist die gleiche Methode, wie wenn Sie sagen: Da muß man umflaggen, dann hat das seine Ordnung.Meine Damen und Herren, meine Großmutter hätte da früher gesagt: Das ist eigentlich Urkundenfälschung, was hier gemacht wird. Es ist Urkundenfälschung, wenn Sie Papiere verändern und Herkunftsländer anders deklarieren und das so machen, wie Sie das hier vorhaben.Meine Damen und Herren, es gibt doch bei dieser Regierung auch jemanden, der Kanzler spielt. Er hat ja die Richtlinienkompetenz. Es kann doch nicht dauerhaft hingenommen werden, daß ein Minister erklärt, das sei ein Skandal, und der andere Minister erklärt, das sei aber so in Ordnung. Die Bürger haben bei diesem Skandal einen Anspruch darauf, zu erfahren, was diese Bundesregierung von diesen Methoden hält, ob das Umflaggen nun, wie Töpfer meint, ein Skandal ist, oder ob Riesenhuber recht hat, daß man das so ohne weiteres machen kann.Meine Damen und Herren, Sie haben auch als Regierungspartei hier eine Verantwortung, die Regierung zu kontrollieren
und nicht uns das Geschäft allein zu überlassen. Sie machen sich nämlich hier zum Handlanger der Atomindustrie.
— Herr Kollege, zu Hanau will ich Ihnen sagen, weil Sie gerade das Stichwort „Hanau" erwähnen: Wenn der Sprecher einer Hanauer Nuklearfirma der staunenden Öffentlichkeit gegenüber erklärt
— aber Sie begreifen es ja trotzdem nicht, Herr Dr. Göhner; ich sage es Ihnen noch einmal —
— nein, ich lag nicht falsch; ich liege im Gegensatz zu Ihnen niemals falsch —,
daß Uran so gehandelt wird wie Zucker oder wie Kohle — so pflegt er sich da auszudrücken — , dann meine ich, daß die Leute nicht mehr die Zuverlässigkeit besitzen, mit einem so hochkomplizierten und so hochgefährlichen Material umzugehen.
— Die, die ich eben vorgetragen habe. Wenn Sie nicht durch Zwischenrufe ständig stören würden, hätten Sie es begriffen.
Sie sind, Herr Kollege Göhner, auch einer derjenigen, die sich unreflektiert zum Handlanger einer Regierung machen, die nicht mehr weiß, wo die Reise langgeht.
— Heute morgen war es ein ganz anderes Zitat.
Schönen Dank für Ihre Ungeduld.
Ich erteile das Wort dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist außerordentlich bedauerlich, daß mit dieser Frage, die unter dem Stichwort „Flaggentausch" in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, Verwirrungsveranstaltungen auf verschiedenen Ebenen durchgeführt werden. Hier wird nichts zur Aufklärung beigetragen;
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4332 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Probsthier wird ausschließlich versucht, Stimmung zu machen.
Dadurch, daß Sie ständig wiederholen, daß hier Geschäfte am Grenzbereich zur Illegalität durchgeführt werden,
wird diese Behauptung natürlich nicht zur Tatsache und nicht wahr.
Der Flaggentausch ist keine geheime oder illegale Praxis, sondern mit den bilateralen Vereinbarungen Euratoms mit Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten voll kompatibel. Hier handelt es sich überhaupt nicht um einen Vorgang, in dem die Bundesregierung verantwortlich zeichnet;
denn allein der Flaggentausch mit nuklearem Material außerhalb der Gemeinschaft bedarf der vorherigen Zustimmung dieser Drittländer, mit denen die Kommission ein bilaterales Abkommen hat, und diese Zustimmung ist gegeben worden.Der Flaggentausch erklärt sich und rechtfertigt sich aus wirtschaftlichen und Sicherheitsgründen.
Ein einfaches Beispiel kann einen Flaggentausch illustrieren. In der Gemeinschaft besitzt ein Betreiber, z. B. ein Hersteller von Brennelementen für Kernkraftwerke, 80 % kanadisches Uran und 20 % australisches Uran, das er für die Herstellung seiner Brennelemente benötigt. Da er die gesamte Menge benötigt, liegt damit auf dem Material ein doppelter Ursprung. Das hat aber mit der Safeguard-Problematik überhaupt nichts zu tun, weil das Gesamtmaterial in diesen Prozeß eingebracht ist.
— Meine sehr geehrten aufgeregten Damen und Herren, es wäre wesentlich besser, wenn Sie diesen Ausführungen zuhören würden, als die Ohren zu verschließen und zu brüllen.
Der Betreiber A richtet sich an einen anderen Betreiber B in der Gemeinschaft, der zustimmt, daß die20 % Uran australischen Ursprungs von A nun umgetauft werden in Uran kanadischen Ursprungs, während er selbst im Austausch 20 % seines kanadischen Urans mit der Flagge Australiens versieht.Diese Praxis rechtfertigt sich nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern ebenso aus Sicherheitsgründen: Man verhindert mit Hilfe des Flaggentausches den physischen Transfer von Kernbrennstoffen von einem Ort zum anderen.
Es liegt ein ähnlicher Sachverhalt vor, als wenn Sie dem Bäcker zwei Kilogramm Mehl abliefern und daraus Brot gebacken haben möchten. Dann werden Sie in dem Endprodukt auch nicht sozusagen die Moleküle Stärke geliefert bekommen, die Sie angeliefert haben, sondern einen Anteil aus dem Gesamtkuchen.
Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage ist somit nicht die Herkunft des Urans, sondern die Anwendung der physischen Kontrollen und die Buchführung, die es erlauben, der Spur, der Menge und der Qualität der Produkte zu folgen, die aus dem Mineral Uran entstanden sind.Meine Damen und Herren, daraus folgt nicht nur, daß diese Prozedur rechtlich einwandfrei ist, sondern daß sie darüber hinaus auch sinnvoll wirtschaftlich ist und voll und ganz im Einklang mit den bestehenden Vorschriften getätigt wird.Danke schön.
Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Wetzel das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Für diese Metaphysik der Uranbewegungen äußerte Bundesminister Töpfer — wörtlich — „überhaupt kein Verständnis". Ich bitte daher, Herrn Minister Töpfer aufzufordern, ins Plenum zu kommen und seine Position hier darzustellen.
Das ist ein Antrag nach der Geschäftsordnung. Ich danke.
Das braucht nicht begründet zu werden. Nach § 42 der Geschäftsordnung hat eine Fraktion die Herbeirufung des Ministers beantragt, Herr Abgeordneter Bohl, können Sie schon eine Auskunft darüber geben, ob der Herr Minister in greifbarer Nähe oder unerreichbar ist? Im letzteren Falle müßten wir, nachdem dieser Geschäftsordnungsantrag besteht, die Sitzung unterbrechen.
Herr Angeordneter Bohl, können Sie in dieser Frage behilflich sein? Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE GRÜNEN hat zwar einige Minuten vor Ende der Frage-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4333
Bohlstunde angekündigt, daß sie eine Aktuelle Stunde im Zusammenhang mit den Fragen 1 und 2 der Fragestunde dieser Woche beantragen wollte. Wir bedauern, daß diese Ankündigung so kurzfristig erfolgte.
Wir hatten ja die Möglichkeit, uns darüber schon häufiger und länger zu unterhalten: daß es wünschenswert ist, diesen Wunsch in solchen Fällen rechtzeitig zum Ausdruck zu bringen. Sie hatten dazu auch gestern abend Gelegenheit. Wir hatten gestern abend ja eine Sitzung des Ältestenrates. In dieser Sitzung des Ältestenrates hat Ihre Parlamentarische Geschäftsführerin eine solche Ankündigung nicht gemacht.
Meine Damen und Herren, kein Grund zur Aufregung. Geschäftsordnungsmäßig ist das in Ordnung. Aber bisher hat ja immer die Querverbindung bestanden — dieser sogenannte kleine Dienstweg —, daß sich die Parlamentarischen Geschäftsführer über das verständigt haben, was vor sich geht. Dabei handelt es sich nicht um eine geschäftsordnungsmäßig verbindliche Information, sondern um etwas, was sich eingespielt hat. Das war bisher für die Beratungen im Plenum auch sehr nützlich.
Herr Abgeordneter Bohl, fahren Sie bitte fort.
Ich habe mich unbeschadet dessen natürlich darum bemüht, daß die Minister, die hier involviert sind, informiert werden. Es war möglich, daß der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gröbl und auch der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst sofort anwesend sein konnten.
Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst hat in der Debatte ja auch schon das Wort ergriffen.
Meine Damen und Herren, wenn Herr Abgeordneter Bohl durch Zurufe aufgehalten wird, muß ich ihm fairerweise seine Redezeit über die fünf Minuten hinaus verlängern, damit er sie wirklich ausschöpfen kann.
Bitte schön.
Ich habe darüber hinaus Gelegenheit gehabt, mit Herrn Bundesminister Dr. Riesenhuber zu sprechen. Herr Bundesminister Dr, Riesenhuber hat erklärt,
daß er selbstverständlich die Gelegenheit wahrnehmen wolle, in das Plenum zu kommen. Er war in einer Besprechung
die er sofort abgebrochen hat. Mir ist seitens des Ministeriums versichert worden, daß er sozusagen schon im Auto ist und eigentlich in wenigen Minuten hier eintreffen müßte.
Nun war Ihr Begehren darüber hinaus, daß auch Herr Bundesminister Töpfer erscheinen solle. Ich habe dafür insofern etwas wenig Verständnis, als Herr Staatssekretär Gröbl anwesend ist
und auch der Parlamentarische Staatssekretär Probst anwesend ist,
die für die Bundesregierung stehen, hier auch Auskunft geben können und das zum Teil ja auch schon getan haben.
Sie dürfen davon ausgehen, daß wir Herrn Bundesminister Dr. Töpfer ebenso unterrichtet haben wie Herrn Bundesminister Dr. Riesenhuber. Herr Bundesminister Dr. Töpfer hat auch die Gelegenheit wahrgenommen, uns zu versichern, daß er bereit sei, hier sofort zu erscheinen. Er befand sich gleichfalls in einer Veranstaltung, die er unterbrechen mußte und auch unterbrochen hat. Herr Bundesminister Dr. Töpfer ist also ebenfalls auf dem Wege hier in den Deutschen Bundestag.
Angesichts dieses Sachverhaltes und der Tatsache, daß es im Grunde genommen nur noch weniger Minuten, um nicht zu sagen, weniger Sekunden bedarf, um sein Erscheinen hier zu ermöglichen, braucht man, glaube ich, auf einer solchen Herbeizitierung nicht zu bestehen.
Ich bedauere den Antrag auch deshalb, weil ich über diesen Sachverhalt, den ich Ihnen nun erläutern konnte, auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN informiert habe; sie ist über diesen Sachverhalt unterrichtet.
Herr Präsident, ich bedauere es sehr, daß wir nun zu einer Abstimmung kommen müssen. Wenn dem so ist, Herr Präsident, dann möchte ich aber jetzt schon rein vorsorglich darauf hinweisen, daß ich in einem solchen Falle mit der Abstimmung über diese Herbeizitierung die Forderung nach Feststellung der Beschlußfähigkeit verbinden müßte.
Herr Abgeordneter Bohl, Sie haben den Bonus ausgeschöpft. Sie haben eine zweite Geschäftsordnungsdebatte angekündigt — ich habe Sie verstanden — , und damit, kann man sagen, haben Sie das, was man normalerweise in zweimal fünf Minuten sagt, in sieben Minuten für uns alle deutlich erkennbar dargestellt.
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4334 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Herr Präsident, wenn Sie mir nur noch gestatten, einen Schluck Wasser zum Abschluß meines Debattenbeitrages zu nehmen, dann bin ich Ihnen sehr verbunden und bedanke mich für die geschätzte Aufmerksamkeit.
Zur Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Weyel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine Geschäftsordnung, an die wollen wir uns auch halten. Wir haben außerdem alle ein gewisses Zeitbudget. Meine Frage an den Vertreter der GRÜNEN ist nun: Wären Sie einverstanden, daß wir noch zwei Redebeiträge hören, Sie für diese Zeit Ihren Antrag zurückziehen und ihn in zehn Minuten wieder stellen? Bis dahin ist vielleicht Herr Töpfer da. Dann können wir viel Zeit sparen.
Danke schön, Frau Abgeordnete Weyel.
Jetzt komme ich zu dem Punkt, wo ich auch durch gedehntes Sprechen vermutlich nicht den Zeitpunkt erreichen werde, der erforderlich wäre, um über den Geschäftsordnungsantrag wegen Vollzuges nicht mehr abstimmen zu müssen. Da aber dieser Tatbestand noch nicht erreicht ist, obwohl er sehr deutlich und beinahe überzeugend in dem Beitrag des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion in der Geschäftsordnungsdebatte hier dargelegt wurde, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als jetzt abstimmen zu lassen, auch auf die Gefahr hin — — Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ist jetzt nicht mein Bier, daß ist jetzt reine Geschäftsordnung hier von diesem Stuhl aus. Es ist der Antrag auf Herbeirufung des Bundesministers Töpfer gestellt.
— Wollen Sie den Antrag zurückziehen? Nur das ist jetzt möglich. Sie können zurückziehen. — Herr Abgeordneter Wetzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, gestatten Sie mir, das hier vom Saalmikrophon aus kurz zu erledigen. Nach den völlig überzeugenden Ausführungen des Kollegen von der CDU/CSU halte ich es nicht für nötig, an diesem Antrag festzuhalten. Ich bin sicher, daß der Minister binnen fünf Minuten hier sein wird.
Herr Abgeordneter Wetzel, Sie haben hier die Herbeirufung des Herrn Bundesministers Töpfer beantragt, nicht des Bundesministers für Forschung und Technologie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie verzichten auf die Abstimmung, d. h. wir brauchen nicht zu unterbrechen, wir brauchen nicht abzustimmen, sondern wir fahren in der Debatte fort in der Hoffnung, daß Herr Bundesminister Töpfer kommt. Das ist eine sehr pragmatische Regelung in diesem Hause, und man sollte sich durchaus bereit finden, solche pragmatischen Lösungen zu akzeptieren.
Damit erteile ich der Frau Abgeordneten Simonis das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob sich die GRÜNEN mit dem Antrag auf Herbeizitieren des Bundesministers Töpfer einen Gefallen getan haben, denn ich wage zu bezweifeln, ob der Herr Staatssekretär Gröbl in der Zukunft sein „bazi"haftes Verhalten ändern wird, wenn er hinterher so eine Sau durch das Dorf getrieben sieht wie jetzt. Im übrigen ist es auch dem Ernst des Themas nicht angemessen, wenn sich alle auf die Schenkel klopfen und kugeln, wie wunderbar nun wieder Zeit rausgeschunden worden ist, um einem Antrag nicht zustimmen zu müssen.Es geht um etwas ganz anderes. Es geht darum, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium glaubt, das Parlament behandeln zu können, wie er das im Bayerischen Landtag offensichtlich gewohnt ist.
Zu der Verwirrveranstaltung, die der Herr Staatssekretär Probst hier bedauert, hat genau sein Kollege beigetragen. Wenn im „Spiegel" von Herrn Töpfer gesagt wird, daß das Argument der Entfernung absolut unsinnig ist, weil z. B. in Hanau nur die Papiere von einem Zimmer zum anderen getragen werden, das Material aber, das angeblich nicht transportiert werden soll, draußen im Hof liegt, dann frage ich mich, wieso Herr Gröbl meint, hier nicht antworten zu müssen. Wenn der Vergehenstatbestand des Umetikettierens im Hamburger Hafen dazu führt, daß Leute Strafgeld bezahlen, wenn sie etwas von der einen Kiste auf die andere kleben, dann soll das ausgerechnet bei Uran nach Ihrer flapsigen Antwort von heute mittag nicht nötig sein?
Daß Sie Englisch können, Herr Staatssekretär Gröbl, haben wir Ihrer Antwort in der Fragestunde entnommen — das können Sie sogar ohne Stottern, als ob ein unter Umständen illegaler Tatbestand durch englische Bezeichnung legal würde — , aber ob ich Ihnen vertraue, daß Sie diese sensible Materie sensibel behandeln, ist nach dem Schauspiel, das Sie heute mittag hier geliefert haben, allerdings mit großen Fragezeichen zu versehen.
Wir haben Sie nicht hierher zitiert, weil heute morgen im Ausschuß zufällig anständig geantwortet worden ist — das mag sein, da war ich nicht dabei — , sondern weil wir anderen, die wir nicht im Ausschuß sind, auch von unseren Wählern gefragt werden: Was ist denn da eigentlich los? Da kann ich nur sagen: Da gibt es einen Staatssekretär, der nicht weiß, wie man sich benimmt. Das ist alles, was ich euch antworten kann.
Wenn der zuständige Minister in einem — von Ihnen hoffentlich auch anerkannten — halbwegs seriösen Interview erklärt, daß der Vorgang des Umetiket-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4335
Frau Simonistierens nicht in Ordnung ist, nicht verständlich ist, von ihm nicht gebilligt wird, und sein Staatssekretär meint, er könnte mal eben mit dem linken Handgelenk so ein paar Dummerchen von Abgeordneten hier abfüttern, dann, meine Lieben, ist das allerdings in der Tat ein Grund, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, und das werden wir auch in Zukunft so machen.
Herr Lenzer, ob das Umflaggen ausgerechnet bei Uran — die machen sich doch diese Mühe, weil sie damit etwas vorhaben, das macht man nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil man was kaschieren will — ein so völlig normaler Vorgang ist, wie Sie es freundlicherweise gerade gesagt haben, wird sich am Ende der Debatte, am Ende des Untersuchungsausschusses, am Ende der Diskussion im Ausschuß erweisen und nicht per Ordre de Mufti von Ihnen hier erklärt werden. Das wird auch nicht dadurch rechtmäßiger oder unrechtmäßiger, daß sich ein Parlamentarischer Staatssekretär aus Bayern im Parlament nicht zu benehmen weiß.
Das ist nicht die Entscheidungsgrundlage, sondern die Entscheidungsgrundlage sind die Beratungen der Kollegen und die Debatten hier im Bundestag.In der Bibel heißt es: „Deine Rede sei ja, ja, nein, nein ... " — — und daran soll sich auch ein Parlamentarischer Staatssekretär halten, wenn er gefragt wird und
— das war die Sache, mein Lieber — zur Sache Schätzchen —
nicht den Eindruck erwecken, daß der es nicht für nötig hält, zu antworten. Deswegen haben wir eine Aktuelle Stunde beantragt, weil ich mich als Parlamentarierin hinter die Fichte geführt fühlte, wenn sich hier jemand hinstellt und es nicht für nötig hält, auf eine Frage mit Ja, Ja oder mit Nein, Nein zu antworten, sondern einfach sagt: Das habe ich nicht nötig. Deswegen haben wir darum gebeten, daß die Aktuelle Stunde kommt.Sie sind Antworten auf die Fragen schuldig geblieben. Sie sind nicht mal in der Lage, Ihren eigenen Minister rauszuhauen oder rauszupauken oder ihm zu helfen; Sie haben ihn mit Ihren lümmelhaften Antworten sogar noch hineingeritten. Das hat uns — zu Recht — aufgebracht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Laufs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uran ist ein Rohstoff der Energieversorgung und seit Jahrzehnten eine Handelsware, die weltweit vertrieben wird. In den Handelslagern unterscheiden keine Qualitätsunterschiede die Herkunft einzelner Chargen. Die Umflaggung ist deshalb zur Verhinderung von unnötigenTransporten aus wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gründen in Übereinstimmung mit der IAEO und Euratom
international üblich. Die Umflaggung ist rechtmäßig
und wird von allen Herkunfts- und Empfängerländern, einschließlich den USA, akzeptiert. Das Wort „Schieberei" hat der Bundesumweltminister, Professor Töpfer, nicht gebraucht; das ist eine Unterstellung. Er hat sinngemäß gesagt, diese Vorgänge seien nicht gerade vertrauensbildend. Und das kann man im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion jetzt im Bereich der Kernenergie verstehen.Der Staatssekretär Gröbl hat die Rechtslage und die Haltung der Bundesregierung richtig dargestellt. Ihre Bemerkungen, Frau Kollegin Simonis, hier in diesem Hause finde ich wirklich unverschämt.
Entscheidend ist die genaue internationale Kontrolle des Mengenflusses. Niemand hat behauptet, daß jemals spaltbares Material durch Umflaggung abgezweigt worden wäre oder Menschen und Umwelt gefährdet worden sind.Aber es geht ja letztlich um etwas ganz anderes: Wir verurteilen diese durchsichtigen Manöver von SPD und GRÜNEN, schwierige technische Vorgänge aus dem Bereich der Kernenergienutzung fortwährend zu mißdeuten und haltlosen Verdacht zur Verunsicherung der Bevölkerung immer wieder zu verbreiten.
Der Fallrückzieher des Kollegen Hauff
bei der Verbreitung des unbegründeten Verdachts des Mißbrauchs atomwaffenfähigen Materials sollte allen noch in frischer Erinnerung sein.
Es ist beschämend, wie sich die alte Volkspartei SPD verhält, seit sie sich die Vernichtung dieser Technik auf die Fahnen geschrieben hat,
einer Technik, auf die sich die großen Hoffnungen einer energiehungrigen Welt richten.
Die Politik der Opposition wird von zwei Triebkräften angeschoben:
der Mißgunst und der Angst — zwei mächtige, aberdestruktive Kräfte. Bei der Kernenergienutzung befin-
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4336 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Dr. Laufsden wir uns in der Abteilung Angst. Das gilt übrigens auch für die Chemiepolitik, die Gentechnik, die Computertechnologie und die ganze moderne Industrie. Es ist offenbar ein Vergnügen, am Ast zu sägen, auf dem man selber sitzt.
SPD und GRÜNE wollen daraus einen Volkssport machen.
— Ja, gerade Sie in Baden-Württemberg plakatieren zur Zeit einen „neuen Fortschritt"
Was soll denn das sein? Das ist nichts anderes als der Ausstieg aus bekannten, kalkulierbaren und belastbaren Techniken, deren Risiken man kennt und beherrschen kann,
und der Soforteinstieg in eine Traumwelt der Illusionen.
Sie von der Opposition sind zu einer langfristig angelegten Politik, die sich an den Realitäten orientiert, überhaupt nicht mehr fähig. Es ist wirklich erschrekkend, wie schnell Sie aus momentanen Stimmungslagen heraus Illusionen anhängen und sich der Verantwortung für die tatsächliche Welt entziehen, sich von ihr verabschieden.
Wo man, Herr Kollege Reuter, in Generationen denken muß wie bei der Energieversorgung, sieht man hier bei Ihnen nicht mehr über den nächsten Wahltag hinaus.
Das ist die Wahrheit.
Die CDU steht zur Verantwortung und drückt sich nicht; die Opposition baut goldene Luftschlösser, in die kein Mensch jemals wird einziehen können.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, darf ich bitten, daß wir die Zwischenrufe in dieser Aktuellen Stunde angesichts der Kurzbeiträge von fünf Minuten auf ein notwendiges Mindestmaß
— und das notwendige Mindestmaß würde ich sehr klein ansetzen — beschränken. Ich wäre Ihnen sehr dankbar.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weiss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ja Verständnis für den Satz, den Herr Töpfer im „Spiegel" geprägt hat, für die Umdeklarationen habe er kein Verständnis. Diesen Satz hat aber Herr Gröbl in Ihrem Namen, Herr Töpfer, heute offensichtlich widerrufen, weil er erklärt hat, daß alles normal und einwandfrei sei.Der Skandal an der Geschichte ist doch der: Da gibt es Material, und es gibt Papiere dazu. Die Papiere passen nicht zu dem Material. Also tauscht man sie kurzerhand aus.
Genau das begründet unseren Verdacht.
Die ganze Spaltflußkontrolle funktioniert so, daß es spaltbares Material gibt, und dann gibt es Papiere dazu. Wenn dann eine Behörde wie Euratom sagt: „Es macht gar nichts aus, wenn die Papiere falsch sind, dann tauschen wir sie eben aus", dann ist das einfach ein schwerwiegender Verdacht in dem ganzen Zusammenhang.
Im übrigen ist es natürlich auch eine Frage: Wie geht man eigentlich mit Herkunftsländern um? Wissen die Australier das?
Haben die Australier — mit gutem Grund vielleicht — in ihren Vertrag hineingeschrieben: Australisches Uran darf nicht über 20 % angereichert werden? Wenn sie es wissen, dann ist kein Umdeklarieren notwendig, weil sie dann sozusagen ihr Einverständnis signalisieren. Aber wenn sie es nicht wissen, dann hintergehen Sie die Lieferländer oder die Empfängerländer, die sich eben darauf einstellen und aus guten Gründen sagen: Wir wollen kein Uran aus Südafrika, oder: Wir reichern Uran aus Südafrika bei uns nicht an. Genau denen — da können Sie wirklich von Schiebung sprechen — unterschieben Sie das Material, indem Sie ihnen vormachen, es käme aus Kanada oder woanders her, wo es nicht herkommt.Wir haben jedenfalls in diesem Zusammenhang ein ganz schweres Mißtrauen gegen Euratom, die IAEO und die Kontrollbehörden, wenn sie mit solchen Praktiken einverstanden sind.
Aus diesem Grund können Sie uns mit diesen verharmlosenden Erklärungen, mit denen Sie die Euratom-Kontrollen bloß als eine Schönfärberei verbreiten wollen, wonach alles gesichert sei, in keiner Weise beruhigen. Für uns ist jeder Umgang mit diesem Material potentiell proliferationsfähig. Deshalb können wir es uns nicht weiter leisten.Danke.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4337
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe diese polemische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nicht. Ich habe sehr sorgfältig gelesen, was der Bundesminister Töpfer hier durch seinen Staatssekretär hat erklären lassen. Dieser Meinung schließe ich mich an. Diese Erklärung gibt ja — jedenfalls bei mir — zu einem gewissen Nachdenken Anlaß.
In der Pressekonferenz in Hannover hat Bundesminister Töpfer darauf hingewiesen, daß das sogenannte Umflaggen von Uran unbeschadet der rechtlichen Zulässigkeit, die er nicht in Frage stellt, vor dem Hintergrund von Transnuklear und Nukem nicht geeignet sei, das Vertrauen in die Kernenergie zu stärken.
Dem stimme ich zu. Die Bundesregierung hat durch Herrn Töpfer dies heute hier erneut erklärt. Frau Simonis, was soll diese Polemik? Es ist eine sehr überlegte Antwort.
Dann geht es weiter. Der Bundesminister Töpfer hat — das hat Herr Gröbl auf Befragen erklärt — eine Arbeitsgruppe nach Brüssel gesandt, um sich dort an Ort und Stelle von der Rechtmäßigkeit dieser Vorgänge zu überzeugen. Er hat also etwas Zusätzliches getan. Er hat offenbar einen Anlaß gesehen zu handeln und hat eine Gruppe nach Brüssel geschickt.
Nun sagt er uns zum Nachdenken:
Der Bundesumweltminister stimmt in der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit ebenso wie in der Bewertung des Umflaggens von Uran als unerheblich für den Kontrollvorgang durch die Euratom mit dem Bundesforschungsminister überein.
In diesen Punkten stimmt er überein. Offenbar hat er eine gewisse Distanz zu diesem Vorgang. Ich habe das auch. Ich möchte hier aber keine abschließende Meinung bilden, meine Damen und Herren; denn wir haben ja einen Untersuchungsausschuß.
Wir werden uns hier mit dieser Frage genau befassen müssen.
Ich habe soeben sehr aufmerksam zugehört, was Herr Probst gesagt hat. Ich habe den Eindruck, daß dieses Umflaggen ein Motiv hat, das nicht Unsichtbarmachung der Herkunftsländer, sondern Vereinfachung bestimmter Vorgänge bedeutet. Ich habe den Eindruck, daß es kein geheimes Umflaggen, sondern ein transparentes Umflaggen ist.
Da wird man einfach einmal fragen müssen: Ist das so notwendig? Ist das gerechtfertigt? Insbesondere — Herr Kollege Timm hat mich darauf hingewiesen —wird man auch fragen müssen: Werden denn die Rechte, die Erwartungen der Herkunftsländer erfüllt? Darauf lege ich allerdings Wert.
Ist es richtig, daß die Begrenzung, die die Australier vorschreiben, auf der Menge und nicht auf einem bestimmten Quantum liegt?
Ich meine, der Bundesminister, der heute hier hat antworten lassen, hat die Voraussetzungen für eine sinnvolle, sachkundige Debatte gelegt, die wir im Untersuchungsausschuß fortführen sollten. Ich sehe überhaupt keinen Anlaß, heute hier in eine allgemeine Polemik auszubrechen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bitte sehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich erst etwas verspätet hier sein konnte, was ich zu entschuldigen bitte, kann ich nur das aufgreifen, was der Abgeordnete Baum zuletzt gesagt hat: Diese Polemik und Verunsicherung kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Das, was Herr Staatssekretär Gröbl in meiner Vertretung hier geantwortet hat, gibt den Sachverhalt exakt so wieder, wie er zu bewerten ist.Wir sind immer und an vielen Stellen gefragt, ob etwas, was durchaus rechtmäßig ist, in seiner Wirkung in der Öffentlichkeit nicht dazu beitragen kann, daß Vertrauen dort in Frage gestellt wird, wo Vertrauen dringend notwendig ist. Dies war eine Entwicklung, die in einer Situation, in der Kernenergie Vertrauen verloren hatte, dieses Vertrauen mangels vorhandener Transparenz in diesem Moment erneut in Frage stellt. Dies habe ich mir tatsächlich erlaubt auch festzustellen.
— Ich habe das Wort Schieberei nicht genannt. Aber es geht hier nicht um die Frage, ob ich das eine oder andere Wort verwendet habe. — Es geht um die Tatsache, daß ich gesagt habe: In dieser Situation ist alles das dem Vertrauen abträglich, was wiederum die Besorgnis bringt, hier würde nicht transparent gehandelt. Dies habe ich gesagt. Ich habe es sehr nachhaltig gesagt, völlig unbeschadet der rechtlichen Wertung. Das konnte ich an dieser Stelle auch gar nicht anders tun, denn zwei Gründe haben mich dazu gebracht, dies nicht anders vorzunehmen: erstens, weil ich die Aufgabenverteilung in der Bundesregierung kenne und weiß, daß für die Beurteilung der Spaltflußkontrolle der Kollege Riesenhuber, das Bundesforschungsministerium, und ergänzend das Umweltministerium verantwortlich ist, und zweitens, weil ich, zuständig für die Frage der Zuverlässigkeit eines Unternehmens und deren Überprüfung, gesagt habe: Wir müssen unmittelbar und direkt vor Ort klären, ob aus diesem Vorgang Hinweise auf die fehlende Zuverlässigkeit eines Unternehmens abzuleiten sind. Deswegen habe ich einen Mitarbeiter von mir zur Versorgungsagentur nach Brüssel geschickt, der diese Information noch einmal vor Ort herbeigeführt hat und mit dem Hinweis zurückgekommen ist, daß
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4338 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Bundesminister Dr. Töpferdaraus ein Mangel an Zuverlässigkeit nicht abgeleitet werden kann. Das ist der Sachzusammenhang.Dann frage ich mich: Warum müssen wir an dieser Stelle diese gewaltige Diskussion haben? Ich kann es mir wieder nur so erklären — das sage ich völlig ohne Polemik, nur muß man sich ja einen Reim aus irgend etwas machen — : Der eine Reim könnte sein, daß man sich bemüht, zwischen dem Kollegen Riesenhuber und dem Bundesumweltminister eine Trennlinie zu ziehen. Ich kann nachhaltig und nicht nur aus der Aktualität heraus sagen, daß diese Trennlinie nicht besteht. Eine zweite Möglichkeit könnte darin bestehen, die bisherigen Erkenntnisse und Entwicklungen im Untersuchungsausschuß etwas zu relativieren, denn bis zur Stunde ist eines ganz deutlich geworden:
daß es nicht den Schimmer eines Hinweises darauf gibt, daß von Deutschland oder von deutschen Firmen eine Verletzung des Nonproliferationsvertrages vorgenommen worden ist.
Ich zitiere hierbei einen, ich glaube, von der SPD hinzugezogenen Zeugen, den Herrn Fisher, der deutlich gesagt hat: „Germany is one of the most safeguarded countries of the world. "
— the most; ich bin gerne bereit, mich zu korrigieren. Dies sollten wir der deutschen Öffentlichkeit immer wieder mitteilen: Germany is the most safeguarded country, ist das die Fragen der Nonproliferation am stärksten überwachende und kontrollierende Land der Welt. Dies ist die Botschaft, die ich in diesem Zusammenhang gern noch einmal festhalten will.Dies ist völlig unabhängig davon, daß solche Entwicklungen in einer sehr kritischen und schwierigen Zeit das Vertrauen in die Kernenergie in Deutschland weiter gefährden könnten. Gleichzeitig weise ich darauf hin, daß rechtliche Probleme damit nicht verbunden sind und die Bundesrepublik Deutschland die Nichtverbreitung von spaltbarem Material in gleicher Weise ernstnimmt. Diese drei Konsequenzen ziehe ich aus dieser Aktuellen Stunde.
In diesem Sinne bin ich sehr dankbar dafür, das an dieser Stelle im Deutschen Bundestag noch einmal sagen zu können.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Soell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche so nüchtern wie möglich auf das Problem hinzuweisen,
das heute durch die Antworten oder auch Nicht-Antworten des Staatssekretärs entstanden ist.
Denn, Herr Kollege Probst: Die Verwirrungsveranstaltung ist durch die Bundesregierung verursacht worden,
und zwar dadurch, daß zwei Minister in der öffentlichen Wirkung — hier nehme ich das auf, was der Kollege Töpfer gesagt hat — zwei unterschiedliche Auffassungen erzeugt haben. Davon können Sie nicht herunter.Ganz eindeutig ist — das ist meine erste Bemerkung — : Die Umflaggung ist nur dann möglich, wenn die Lieferländer ausdrücklich zugestimmt haben. Wie ist sonst zu erklären, daß die Botschafter der betroffenen Länder inzwischen Recherchen anstellen?
Wie ist es möglich, frage ich Sie, daß im Schreiben der Versorgungsagentur vom Euratom vom 19. November 1987 — ich zitiere aus dem Spiegel vom 22. Februar 1988 —
gesagt worden ist: „Die Legalität eines solchen Austausches ist zuweilen in Frage gestellt worden" und auch in weiteren Passagen dieses Briefes diese Frage zusätzlich vertieft worden ist?
— Was heißt „schlechte Literaturstelle"? Wir werden im Untersuchungsausschuß sicher noch bessere, originale Zitate bekommen.
Aber ich bin jetzt bei dieser Gelegenheit darauf verwiesen.Jedenfalls ist Australien eines der Länder gewesen, das seinen Botschafter beauftragt hat, nachzufragen, wie es mit dieser Umflaggungsaktion steht und was die rechtliche Grundlage dafür ist.Im übrigen muß man ganz klar sehen — nun komme ich auch auf die Probleme, die einfach durch die Weltmarktsituation gegeben sind — : Der Markt an Natururan ist gegenwärtig ein Käufermarkt. Die Abnehmerländer bestimmen die Bedingungen. Auch das macht die Reaktion der Länder sehr verhalten, die Lieferländer sind. Auch deswegen haben sie bisher noch nicht aufgeschrieen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4339
Dr. SoellIm übrigen ist in dem ganzen Bereich der Nukleartechnologie, auch der Hochtechnologie — hier sind wir als eines der Hauptlieferländer betroffen — ein Käufermarkt. Auch das ist eines der Themen des Untersuchungsausschusses.Herr Kollege Töpfer, Sie haben David Fisher aus einer der ersten Anhörungen der letzten Woche zitiert. Er hat gesagt: Sicherlich ist die Bundesrepublik ein ganz wichtiges Land für das Funktionieren des Kontrollregimes des Nichtverbreitungsvertrags. Aber die Bundesrepublik war und ist teilweise noch höchst unsensibel,
was die Bedeutung des Exports
von Hochtechnologie im Bereich der Anreicherung und der Wiederaufarbeitung angeht. Das hat Herr Fisher gesagt. Er hat sich nicht nur auf die 70er oder gar auf die 60er Jahre bezogen, wo unter Ihrer Regierungsverantwortung auch noch an Südafrika geliefert worden ist, sondern er hat sich auch auf das Verhalten der Bundesregierung auf der 3. Überprüfungskonferenz von 1985 bezogen, wo sich die Bundesregierung geweigert hat, der australischen Bedingung zuzustimmen, daß alle Anlagen in einem Land, in das Hochtechnologie im Bereich der Anreicherung geliefert wird, unter die volle Überwachung der Wiener Behörde gestellt werden. Das sind die Fakten.Mein letzter Punkt. Herr Kollege Laufs, Sie sagen, man dürfe nicht am Ast der modernen Industrie sägen, und man müsse in Generationen denken. Ich sage Ihnen etwas als Historiker, der weiß, daß die schriftlich überlieferte Geschichte etwa 5 000 Jahre, also knapp 200 Generationen gedauert hat. Ich bin in diesem Punkt — ich war sonst ein Kernkraftdulder, wenn Sie so wollen — immer am betroffensten gewesen. Das bringt mich nach vielen Jahren der Überlegung dazu zu sagen: Wenn wir hier mit Materialien umgehen, mit denen wir bei der Entsorgung, wie sie auch immer aussehen mag, Tausende von Generationen binden, wirft sich vor dem Hintergrund einer Geschichte voller Krisen, Konflikte, Brüche — ich meine es jetzt nicht im geologischen Sinne, sondern ich meine Brüche innerhalb der Menschheitsgeschichte — wirklich die Frage auf, ob man dieser Technologie mit allen ihren Risiken noch weiter vertrauen darf.Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Irmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt ganz spontan noch einmal gemeldet, weil ich das nicht so im Raum stehenlassen kann, was der Herr Soell, der sich gerade mit seinem Nachbarn, dem Herrn Schäfer, unterhält, gesagt hat; denn — ich weiß nicht — vielleicht haben Sie, Herr Soell, in der Tat nicht richtig zugehört,
als der Herr Fisher seine Aussage gemacht hat.
— Ja, dann hatten Sie Ihre Notizen nicht dabei.
Der Herr Fisher hat — wenn ich es richtig in Erinnerung habe — gesagt
— wir werden das im Protokoll feststellen, da werden wir es genau überprüfen können — , daß seiner Auffassung nach die Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren eine etwas wenig sensible Exportpolitik in diesem Bereich betrieben habe. Das hat er gesagt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann schauen wir uns mal die Fakten an. Was hat er denn gemeint? Er hat erst von Südafrika gesprochen.
— Es interessiert mich doch gar nicht, unter welcher Regierung das war. — Das unterscheidet uns von Ihnen: Uns geht es um Aufklärung, und Ihnen geht es lediglich um politische Schuldzuweisungen. Das ist doch das Problem.
Da laufen wir doch immer wieder auf. Das ist doch immer dasselbe bei Ihnen.
Zu den 60er Jahren, der Sache mit Südafrika:
Erstens gab es damals noch gar keinen Atomwaffensperrvertrag. Zweitens hat die Bundesregierung damals von diesen Geschichten nichts gewußt.
Was Brasilien angeht: Die Vereinbarungen mit den Abnehmern in Brasilien waren so, daß genau dieselben völkerrechtlich verpflichtenden Bestimmungen, denen sich die Bundesrepublik Deutschland unterworfen hat, auch für Brasilien galten. Dasselbe gilt für Argentinien. Zum Beispiel haben in Atucha II die bundesrepublikanischen Anbieter nicht etwa deshalb den Zuschlag bekommen, weil sie geringere Sicherheitsstandards gehabt hätten, sondern deshalb, weil sie technisch besser waren als die Kanadier. Es war sogar so, daß dort die IAEO-Kontrollen genau auf die Materialien angewandt wurden und nach wie vor angewandt werden, die überhaupt noch in Umlauf sind, bis zum vollen Ausscheiden aus dem Kreislauf.
Dann zu der Debatte insgesamt: Herr Baum und Herr Töpfer haben hier sehr eindrucksvoll das Notwendige gesagt. Ich möchte aber noch etwas an Ihre
4340 Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
Irmer
Adresse hier sagen: Der Verdacht, es sei gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen worden, hat die Bundesrepublik Deutschland international in große Schwierigkeiten gebracht. Der Ruf der Bundesrepublik Deutschland ist zumindest stark angeknackst gewesen. Alles, was sich bisher im Untersuchungsausschuß herausgestellt hat, läßt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß der Atomwaffensperrvertrag nicht verletzt worden ist.
— Moment! Sie müssen ja eine Beweiswürdigung vornehmen.
Ich nehme zusammen, was uns die Herren Gmelin, Fisher und Farwick gesagt haben. Farwick hat gesagt: „Null Komma Null Beweis". —
Gmelin hat gesagt: „Kein Befund". — Und da ist es leichtfertig, wenn von Ihrer Seite der Ruf der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor geschädigt wird, weil Sie nämlich nach wie vor völlig haltlos die Behauptung aufstellen, es seien hier Verdachtsmomente.
Da bitte ich Sie jetzt mit aller Eindringlichkeit, Ihren Kollegen, unseren Kollegen Hauff, der diesen Verdacht offensichtlich leichtfertig in die Welt gesetzt hat,
damit dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland geschadet hat, einmal zu fragen, worauf er sich gestützt hat. Herr Hauff hat zunächst öffentlich erklärt, er habe eine zuverlässige Quelle für diese Informationen.
Er habe Beweise, hat er gesagt, und dann haben wir ihn gefragt: Wo sind denn Ihre Beweise? Wo ist denn Ihr Informant? Da sagte er: Ich ziehe mich auf mein Aussageverweigerungsrecht als Abgeordneter zurück.
Das ist mir ein schöner Aufklärungsgeist, der hier herrscht!
Ich fordere den Herrn Hauff noch einmal öffentlich auf, Roß und Reiter zu nennen oder keine haltlosen Bemerkungen mehr in die Welt zu setzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einen Begriff, den Herr Töpfer hier eingeführt hat. Er hat beklagt, daß Vertrauen in die Kernenergiewirtschaft verlorengegangen ist, und hat von da aus den Vorgang des Umflaggens gerügt. Ich erweitere das, was er ausgeführt hat. Wir haben den Sachverhalt, daß nicht nur Vertrauen in die Kernenergiewirtschaft verlorengegangen ist, sondern auch Vertrauen in die Verantwortungs- und Entscheidungskompetenz der Politik schlechthin.
Ich verstehe unsere gemeinsame Aufgabe jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils so, daß wir auch durch die Art und Weise, wie wir auch die kontrovers zu diskutierenden Sachprobleme politisch-parlamentarisch behandeln, das Ziel haben sollten, politisch abhanden gekommenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Deswegen werde ich zu dem, was ansteht, jetzt einige Bemerkungen machen und Fragen stellen.Ich fange mit den Fragen an. Herr Umweltminister Töpfer, wenn Sie beklagend feststellen, daß Sie kein Verständnis für das Umflaggen haben, geben Ihnen 70 % der deutschen Bevölkerung recht. Aber wenn wir Sie fragen, was daraus für Sie folgt, sagen Sie: Dafür ist der Bundesforschungsminister Riesenhuber zuständig, weil der für die Spaltflußkontrolle zuständig ist.
So gewinnt man kein politisches Vertrauen zurück.
Wenn man eine zielgerichtete Meinung hat, Herr Kollege Töpfer, muß man dafür Sorge tragen, daß man dafür auch im Bundeskabinett eine Mehrheit bekommt.Ich nenne ein zweites Beispiel. Heute hat Herr Probst — Herr Riesenhuber, Sie hätten es nicht besser machen können — hier in einem leidenschaftlichen Plädoyer das Umflaggen verteidigt. Keine Spur von Nachdenklichkeit; kein Hauch davon, mehr Transparenz zu verlangen! Ja sagen Sie mal: Bewegt Sie das denn nicht, Herr Probst?
Da wird behauptet: Das machen wir, um Transportkosten zu sparen, um Gefahrenrisiken zu minimieren. Gleichzeitig wissen wir: Es wird innerhalb Hanaus in einer Entfernung von nicht einmal zwei Kilometern umgeflaggt.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988 4341
Schäfer
Da sind überhaupt keine Transportwege eingespart. Da gibt's überhaupt keine Minimierung des Risikos. Da wird „entaustralisiert" — Uran, das aus Australien kommt — , da wird „entsüdafrikanisiert" — Uran, das aus Südafrika kommt — .
Das hat uns der Herr Loosch erklärt — hier sitzt er —, Abteilungsleiter des Bundesforschungsministers.Wo ist hier eigentlich die Sensibilität für Fragen, die die Menschen bewegen, Sensibilität, die notwendig ist, um Vertrauen zurückzugewinnen?
Ich komme zum dritten Punkt und schließe damit meine Bemerkungen, Fragen und Feststellungen ab. Ich komme zum Bereich des Atomwaffensperrvertrags. Da verbindet uns hier ein gemeinsamer Wunsch. Wir alle, unterstelle ich — und ich glaube auch daran — , haben die Hoffnung und die Erwartung, daß es nicht beweisbar ist, daß unter Beteiligung deutscher Firmen gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen worden ist; denn dies wäre ein Schlag gegen das internationale Ansehen unserer Bundesrepublik Deutschland
und würde die Friedensfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen.
Statt sich nun gemeinsam zu bemühen, jeder Spur nachzugehen, rufen Sie lediglich „Hauff". Damit ist das Problem für Sie erledigt. Glaubwürdigkeit und Vertrauen gebieten, der Wahrheit die Ehre zu geben. Die Wahrheit ist: Als erstes war es der hessische Ministerpräsident Wallmann, der mit seiner Amtsautorität als hessischer Ministerpräsident
öffentlich den Verdacht geäußert hat, unter Beteiligung deutscher Unternehmen könne gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen worden sein. Als zweites war es der hessische Umweltminister Weimar.
Als drittes war es am 15. Januar 1988 mit der Autorität einer Regierungserklärung Bundesumweltminister Töpfer, der öffentlich von dieser Stelle aus den Verdacht geäußert hat,
unter Beteiligung deutscher Firmen könnte gegenden Atomwaffensperrvertrag verstoßen worden sein.
Ich werfe Ihnen das nicht vor, Herr Töpfer. Sie haben diesen Verdacht öffentlich nur geäußert, weil Sie einen solchen Verstoß für möglich halten und gehalten haben.
Unser gemeinsames Bemühen sollte doch sein: Erstens. Klarheit und Wahrheit zu suchen. Wir hoffen, am Ende der Untersuchung steht fest: es ist nicht gegen den Vertrag verstoßen worden. Das ist der Überbegriff. Zweitens lassen Sie uns alles gemeinsam tun,
daß wir die Möglichkeiten, von denen Herr Töpfer, von denen Herr Wallmann und von denen Herr Weimar ausgingen, die es offenkundig gibt, um gegen den Atomwaffenvertrag verstoßen zu können, so verschließen, daß wir voller Überzeugung sein können: Es gibt keine Möglichkeit, daß mit deutscher Beteiligung gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen wird.
Darüber einen Wettstreit herbeizuführen,
das erhöht die politische Glaubwürdigkeit, das würde unserem Parlament gut anstehen und nicht, hier kleinkarierte Rechthaberei zu betreiben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidbauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine abenteuerliche Veranstaltung, vor allen Dingen die letzte Wortmeldung von Herrn Kollegen Schäfer, der hier so tut, als hätte er hier diese Dinge zum erstenmal gehört und als wären diese Dinge von irgendwelchen anonymen Mitmenschen und Mitbürgern in die Welt gesetzt worden.Ich darf daran erinnern, Herr Kollege Schäfer, daß Sie am 21. Dezember folgendes ausgeführt haben:Der Vorgang— nämlich Transnuklear —zeigt, wie leicht es möglich ist, Plutonium abzuzweigen .Solche Dinge in die Welt gesetzt ohne Hinweise, auf Verdacht!
— Der Kollege Schäfer; ich zitiere ihn wörtlich. Ich zitiere wörtlich den SPD-Pressedienst. — Er schreibt dann weiter:
Metadaten/Kopzeile:
4342 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1988
SchmidbauerDie Warnung vor dem Mißbrauch des Plutonium für militärische Zwecke wird leider bestätigt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dann hierher zu gehen und so zu tun, als ob es andere gewesen wären, halte ich für eine — — um nicht unparlamentarisch zu werden, will ich das unterdrükken. Herr Kollege Schäfer, diese Rede hätten Sie früher halten müssen und nicht heute bei dieser Veranstaltung.
Dann führen Sie weiter aus — jetzt kommt der Höhepunkt vom 21. Dezember — :Deshalb müssen auch Experten der Internationalen Atomenergieorganisation beziehungsweise von Euratom mit in die Untersuchungen einbezogen werden.Da schließt sich der Kreis, was Minister Töpfer eben vermutet hat. Wir haben das jetzt gemacht; wir sind den Dingen nachgegangen. Wir haben die Experten im Untersuchungsausschuß gehabt.
Dies war Fehlanzeige mit Ihren eigenen Zeugen. Alle Zeugen haben behauptet: Es gab und gibt keine Hinweise, daß in der Bundesrepublik Deutschland gegen den NV-Vertrag verstoßen wurde.Dann muß es logischerweise — das war auch der Verdacht, den der Minister ausgesprochen hat — Ersatzveranstaltungen geben. Man muß hier erneut Klamauk machen, man muß verunsichern, und man betont zum gleichen Zeitpunkt hier von diesem Pult denSchaden für unser Land. Ja, wer hat den denn angerichtet?
Dann benutzt man noch Aussagen von Ministern, um von diesen Dingen abzulenken.Ihnen geht es nicht darum aufzuklären. Ihnen geht es darum, zu verunsichern und Ängste zu schüren. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme.
— Herr Kollege Soell, lesen Sie einmal, wenn das Protokoll da ist, wenigstens Ihre Äußerungen.Zum Schluß möchte ich David Fisher anführen, der sagt: Diese Bundesregierung ist sensibler geworden. Da waren die Exportgeschäfte offensichtlich anders gehandhabt als zu anderen Zeiten. Kollege Irmer hat recht: Uns hat dies nicht zu interessieren: Wir werden mit großem Interesse auch die 70er Jahre aufklären, ob da jeder so sensibel war. Nichts anders bedeutete die Bemerkung von Minister Töpfer, unabhängig von der Rechtslage: Wie sensibel müssen wir sein, mit den Dingen umzugehen? Ich spreche Ihnen ab, daß Sie sensibel sind. Herr Schäfer, Sie haben heute wieder bewiesen, daß es alles andere als Sensibilität ist, was Sie hier zeigen.Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 3. März 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.