Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bundestag hat sich aus gutem Grund dazu genötigt gesehen, zu dem Atomskandal, in dem wir mittendrin stecken, einen eigenen Untersuchungsausschuß einzurichten. Der Sachverhalt, der dem zugrunde liegt, ist Ihnen allen bekannt: Schmiergeldzahlungen an Betreiber nuklearer Anlagen in Millionenhöhe, ohne daß wir wissen, wer eigentlich wofür geschmiert wurde und ob dabei Probleme ins Spiel kommen, die mit der Nichtverbreitung von nuklearem Material zu tun haben. Sie kennen weiter die in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit heiß diskutierte Frage der Falschdeklaration von Atommüllfässern. Diese Atomindustrie wird mit dem Müll, den sie produziert, nicht fertig und muß sich deshalb rechtswidriger Praktiken bedienen.
Wir sind schließlich auf den Punkt gestoßen worden, daß sogar die Aufsichtsbehörde Euratom, in die die Bevölkerung bisher ihr Vertrauen setzen zu dürfen meinte, sich aktiv an der Fälschung von Ursprungszertifikaten für Spaltmaterial beteiligt. Das war der Hintergrund der heute von uns an den Bundesumweltminister Töpfer gerichteten beiden Fragen.
Ich verhehle nicht, sondern will ganz offen aussprechen, warum wir diese Fragen gestellt haben. Wir haben in einer Pressekonferenz des Ministers in Hannover vom 16. Februar 1988 ein Zeichen für Hoffnung gesehen. Der Bundesumweltminister erklärte dort nämlich, daß er über diese Praktiken durchaus beunruhigt sei und daß er — so teilte er der Öffentlichkeit mit — eine eigene Arbeitsgruppe zur Überprüfung dieser Praktiken nach Brüssel geschickt habe.
Für uns war das deswegen ein Zeichen der Hoffnung, weil ich am 20. Januar 1988 eine fürchterliche Sitzung des Ausschusses für Forschung und Technologie erlebt hatte.
Noch einmal. Der Sachverhalt war folgender. Euratom ermöglicht die Manipulationen bei der Spaltflußkontrolle; Euratom tauscht Sicherheitscodes aus; Euratom bricht Abkommen mit Uranabbauländern; Euratom erlaubt, daß Natururan vertragswidrig zu waffenfähigem Material angereichert wird. Das war der Hintergrund.
Wir hatten im Ausschuß für Forschung und Technologie eine scharfe Distanzierung des Bundesforschungsministers erwartet. Das Gegenteil war der Fall. Er erklärte ausdrücklich derartige Praktiken für legal; die Rechtsauffassung von Euratom sei zugleich seine eigene. Und das in dieser Phase der Aufdeckung des Atomskandals!
Die Argumentation, die er vorbrachte, war geradezu abenteuerlich. Er meinte, man dürfe fälschen, man dürfe umflaggen, man dürfe swapen in dem Maß, wie es sich um den Austausch äquivalenter Mengen handle.
Den Hintergrund unserer heutigen Fragen bildet das Problem: Was soll eigentlich Spaltflußkontrolle, was soll die Sicherung gegen mißbräuchliche Verwendung von Spaltmaterial, wenn die präzise Identifizierung derartigen Materials durch derartige abenteuerliche Rechtspraktiken unmöglich gemacht wird?
Was Praxis in diesem unserem Land ist, ist nichts anderes, als daß die Überwacher sich zu den professionellen Fälschern machen mit der Möglichkeit, daß alle möglichen anderen Instanzen, private Interessen wie halböffentliche, — —
— Ich gebe Ihnen, wenn der Präsident es gestattet, gern Gelegenheit zu einer Zwischenfrage.
— Verzeihung!
Noch einmal. Ich glaube, Sie davon überzeugen zu können, meine Damen und Herren. Hören Sie mir bitte zu. Ich wende mich an diejenigen von Ihnen, die sich mit der Problematik beschäftigt haben. 1978 fand die INFCE-Konferenz in Wien statt, zur Überprüfung, ob die Kontrollmaßnahmen im Atomwaffensperrvertrag ausgebaut werden sollten oder ob sie befriedigend funktionieren. Natürlich war die Grundlage aller Erwägungen, wie man Spaltmaterial kontrollieren kann, die eindeutige Identifizierbarkeit von Spaltmaterial. Jetzt beteiligt sich Euratom mit Zustimmung des Forschungsministers an derartigen Umdeklarationen.