Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Wir treten in Punkt 5 der Tagesordnung ein:Erklärung des Präsidenten zum 17. JuniMeine Damen und Herren, vor 18 Jahren, in den Tagen leidenschaftlicher Auseinandersetzung und Anteilnahme unseres ganzen Volkes am Aufstand in der sowjetischen Besatzungszone, gedachte Theodor Heuss hier im Deutschen Bundestag der Opfer des 17. Juni 1953. Er erinnerte an die Leiden der Berliner Blockade, er schilderte den Verlauf der Erhebung und die Spontaneität, mit der Tausende in OstBerlin, in Magdeburg, in Leipzig und in anderen Städten ihr Leben einsetzten, weil sie Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung wollten. Theodor Heuss sagte damals:Wir hoffen, daß die heute noch so undurchsichtigen Verhältnisse in der Sowjetzone sich bald wieder normalisieren, was man so nennen mag oder kann. Denn die Lebenslage von Millionen erträgt es nicht, daß jene Gespanntheit lange anhält. Es soll kein Blut mehr fließen, weder auf den Straßen noch in den Sand von Standgerichten. Die Menschen dort wissen ja, was die bare Macht, die immer in dem ungesicherten Zustand lebt, in bloße Gewalt überzugehen, an unübersehbaren Folgen schaffen kann.Er schloß mit den Worten:Wir haben es erlebt: eine Welt- oder doch eine Machtlage kann wohl durch Panzer zertrümmert, aber nicht wieder aufgebaut werden.Heute können wir diese Mahnung nach den Erfahrungen von 18 Jahren vielleicht eher begreifen als damals. Die Niederwerfung des Volksaufstandes in Ungarn drei Jahre später, der Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag vor drei Jahren haben gezeigt, was Macht, die zur Gewalt wird, zu bewirken vermag.Jede Anteilnahme an dem Geschehen des 17. Juni 1953 und jede Empörung muß vor der nüchternen Einsicht verstummen, daß uns und den mit uns verbundenen Mächten damals wie heute der Friede höher steht als alle Empfindungen von Recht undUnrecht. Wir wissen, daß weder innere noch äußere Gewalt die deutsche Frage lösen kann und jemals darf.Ohnmacht, Resignation und Angst trieben in den Jahren von 1953 bis 1961 nahezu zwei Millionen Menschen aus der DDR. Heute ist der Weg versperrt. Mauern, Stacheldraht und Minenfelder symbolisieren die deutsche Gegenwart.Am 17. Juni werden nun viele Fragen danach gestellt, welchen Sinn es hat, des Volksaufstandes von 1953 in besonderer Weise zu gedenken, oder danach, was aus diesem Tage werden soll.Die jüngere Generation hat ein anderes Verhältnis zur Geschichte, zu dem, was war, als wir, die voraufgehende Generation. Viele beklagen das zuweilen. Die Alteren wissen, daß zu den denkwürdigen Daten unserer Geschichte auch der 17. Juni 1953 gehört. Die Zeugen dieses Tages, die diesseits der Trennungslinie unseres Volkes leben, bitten deshalb die nachfolgende Generation, sich immer wieder die Bedeutung dieses Tages zu vergegenwärtigen.Allem voran gehen unsere Gedanken zurück zu den Särgen vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin. Wir gedenken der Opfer und ihrer Angehörigen, der Frauen, der Eltern, der Mütter und der Kinder.Zum anderen aber gehört der 17. Juni zu den in unserer Geschichte seltenen ganz großen politischen Willensbekundungen unseres Volkes, wie sie damals vor aller Welt manifestiert wurden, als wehrlose, unbewaffnete Arbeiter und Studenten mit Knüppeln und Fäusten auf Panzer losgingen, um die Freiheit zu gewinnen und sich Gehör zu verschaffen.Als die Bundesregierung mit einstimmiger Billigung in den ersten Tagen nach dem Volksaufstand diesen Tag zum nationalen Feiertag erklärte, sprach sie zweifellos im Namen und aus dem Herzen aller Deutschen. Heute, 18 Jahre danach, meint nun mancher, mit diesem Gedenktag sollten überholte Werte, Ziele und Begriffe, ja Rechtspositionen konserviert werden. Befürchtungen werden laut, wir würden uns damit nur an Vergangenes binden, uns selbst Fesseln anlegen und den Weg zu konstruktiven Lösungen verbauen.Es stellt sich auch die Frage danach, was aus diesem Tage werden soll: wieder ein Arbeitstag wie jeder andere? Oder soll er der Tag der deut-
Metadaten/Kopzeile:
7422 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
Präsident von Hasselschen Einheit bleiben - wie seit Jahren? Es wäre unredlich, zu verschweigen, daß es darüber Auffassungsunterschiede auch im Bundestag gibt. In unserem Volk reihen diesen Tag viele einfach in die Serie der Feiertage ein, nutzen ihn für ein verlängertes Wochenende und freuen sich, daß dieses in die schönste Zeit des Jahres fällt. Sie bemühen sich nicht mehr um seinen eigentlichen Sinn, sehen ihn zuweilen sogar als ein wohlerworbenes Recht. Wer damit kritische und besorgte Gedanken verbindet, hat einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden, so wie jeder Andersdenkende Toleranz verdient. Wenn ein solcher Gedenktag seine Berechtigung haben soll, so kann sie nur in einer lebendigen Auseinandersetzung mit diesem Ereignis im Zusammenhang unserer Geschichte zu suchen sein.Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 — ohne politische Führung, ohne geplante und organisierte Aktion — war ein spontanes und elementares Bekenntnis der unter unerträglichem Druck lebenden Deutschen zu politischen und sozialen Grundvorstellungen, die für uns hier selbstverständlich geworden sind. Sie sind in unserer Verfassung, in unseren Parteien und Institutionen, in unserem Staat und unserer Gesellschaft verankert, ohne daß wir mit dieser Feststellung unsere innere Ordnung für vollkommen erklären oder sie gar verherrlichen wollten.So ging es damals nicht um etwas, das heute abgetan ist, sondern um Richtpunkte, an denen wir uns gestern wie heute bei der Gestaltung der Zukunft orientieren: um menschenwürdige Verhältnisse, um die Beseitigung von Ausbeutung und Diskriminierung, um die Freiheit von unkontrollierter Macht, um eine demokratische Ordnung unseres Gemeinwesens.Deshalb ist der 17. Juni vor allem ein Tag der deutschen Demokratie. Wie am 20. Juli 1944 wurde auch hier deutlich, daß die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus nicht das Verlangen unseres Volkes nach Recht und Freiheit zu zerstören vermochte. Mit dem Ruf nach freien Wahlen hatte die Volkserhebung nicht nur symbolische Bedeutung, sie war, im geschichtlichen Sinne, ein unüberhörbares Plebiszit. Der 17. Juni 1953 steht dafür, daß jeder, der Macht über andere Menschen und Völker ausübt oder erstrebt, immer weniger der Frage wird ausweichen können, wozu er die Macht gebrauchen will; seine Vorwände, im Besitz der alleingültigen Wahrheit zu sein, werden sich dabei als immer brüchiger erweisen. Der Aufstand steht darüber hinaus aber auch dafür, daß in der Welt gesicherter Frieden nur dann sein kann, wenn überall die Freiheit vorhanden ist, die mündiger Menschen in unserer Zeit würdig ist. Deshalb muß es uns belasten, daß es den Bürgern im anderen Teil Deutschlands immer noch verwehrt wird, den Mächtigen bei ihnen zu sagen, daß sie frei darüber zu entscheiden wünschen, wie sie leben wollen und wer die Verantwortung für ihr Schicksal tragen soll.Es ist für manchen in unserem freien Land schon so selbstverständlich geworden, daß er darüber nicht mehr nachdenkt und vor allem auch nicht mehr zu werten weiß, daß er das Recht hat, zu sagen, was er für richtig hält, das Recht hat, zu glauben, was er für wahr hält, das Recht hat, zu handeln, wie es ihm sein Gewissen vorschreibt. Diese Tatsache verdanken wir den Leistungen unserer Staatsführung, den frei gewählten Parlamenten in den Ländern und im Bund, der Arbeit unserer seit 22 Jahren frei gewählten Organe und der sie tragenden politischen Parteien, ihrer parlamentarischen Fraktionen, ihrer Mitglieder im ganzen Land. Wenn es gelungen ist, das politische System unseres sozialen Rechtsstaates zu stabilisieren, so ist es das Verdienst auch all derer, die über die Parteien hinaus bereit sind, unseren Staat zu tragen.Zur gleichen Stunde vor zwei Jahren sagte ich — und daran hat sich nichts geändert —: Ich glaube, daß das ganze Haus darin übereinstimmt, wenn ich diese Stunde zum Anlaß nehme, zu erklären, daß die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien entschlossen sind, diese Arbeit mit aller Energie fortzusetzen. Heute vor 18 Jahren offenbarte sich darüber hinaus in besonderer Weise die ungebrochene Existenz unseres Volkes. Der 17. Juni ist darum der Tag der deutschen Einheit.Wenn die Zeit auch weitergegangen ist, wenn auch im anderen Teil Deutschlands ebenso wie bei uns eine neue Generation heranwächst oder herangewachsen ist, und wenn wir in der DDR ökonomisch und gesellschaftlich gefestigtere Bedingungen durch Aufbauleistungen registrieren, die unseren Respekt verdienen, so ist heute dennoch die Feststellung berechtigt, daß der Wille unseres ganzen Volkes nicht der ist, in separaten, durch Gräben und Todesstreifen voneinander getrennten Einzelstaaten zu leben.Der 17. Juni 1953 hinterläßt uns für heute und für die Zukunft bei allen Unterschieden im Standort, die für ein frei gewähltes Parlament selbstverständlich sind, die politische Verpflichtung und Aufgabe, für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes aller Deutschen, für die Einheit Deutschlands im Rahmen einer europäischen Friedensordnung zu arbeiten und die Einheit der Nation über die Zeiten zu bewahren.Es mag sein, daß damit heute und aus der Wirklichkeit unserer Gegenwart nicht mehr als Hoffnungen ausgesprochen werden. Doch auch Hoffnungen können die Geschichte bewegen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes— Drucksachen VI/ 1548, zu VI/ 154g —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache VI/. . . —Berichterstatter: Abgeordneter . . .
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7423
Präsident von Hasselbb) Mündlicher Bericht des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen
- Drucksache VI/2287 —Berichterstatter: Abgeordneter HöslAbgeordneter Zebisch
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes
— Drucksache VI/796 —Mündlicher Bericht des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen Berichterstatter: Abgeordneter HöslAbgeordneter Zebisch
Ich danke den Berichterstattern und frage sie, ob sie eine mündliche Ergänzung wünschen. — Der Abgeordnete Zebisch als Berichterstatter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes hat der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen auf seiner 45. Sitzung am 15. Juni 1971 abschließend beraten und einstimmig angenommen. Wegen der Verschiebung in der Tagesordnung des heutigen Tages konnte ein Schriftlicher Bericht nicht mehr rechtzeitig vorgelegt werden. Der Kollege Hösl von der CDU/CSU-Fraktion und ich werden darum als Berichterstatter des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen den Bericht mündlich erläutern. Ich werde mich dabei auf die Geschichte, die Zielsetzung und die tragenden Grundsätze des Entwurfs beschränken. Unser Kollege Hösl wird die Einzelbestimmungen und den Entschließungsantrag des Ausschusses zum Verhältnis der Schwerpunkt- zur Flächenförderung erläutern. Er wird auch einen Überblick über die Verwendung der zusätzlichen 80 Millionen DM geben, die im Bundeshaushalt 1971 zur Förderung sozialer und kultureller Maßnahmen und für den Wohnungsbau im Zonenrandgebiet eingesetzt worden sind.
Darf ich um etwas Aufmerksamkeit für den Redner bitten!
Anstoß zur Vorbereitung und Erarbeitung dieses Gesetzes wurde durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes im Juli 1970 gegeben. Dort wurde festgestellt, daß die Sonderabschreibung durch den Billigkeitsparagraphen 131 der Abgabenordnung nicht gedeckt sei und nur auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorgenommen werden könne. Die Entscheidung führte zu einer Übergangslösung bis zur Vorbereitung dieses Gesetzes und zu intensiven Beratungen der beteiligten Bundes- und Landesministerien wie der Spitzenverbände.Als erster Entwurf wurde in der 52. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Mai 1970 der Gesetzentwurf des Abgeordneten Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache VI/796 anläßlich der Debatte des Strukturberichts 1970 vorgelegt. Der Regierungsentwurf wurde auf Grund eines Entschließungsantrages der Koalitionsfraktionen SPD und FDP anläßlich der Strukturdebatte 1970 von der Bundesregierung am 9. Dezember 1970 vorgelegt. Die erste Lesung der Entwürfe fand in der 84. Sitzung des Bundestages am 9. Dezember 1970 in diesem Hause statt. Die Entwürfe wurden an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und den Finanzausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen.In seiner 30. Sitzung am 21. Januar 1971 hat der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen eine interfraktionelle Arbeitsgruppe eingesetzt, um die beiden Entwürfe und die zu ihnen eingegangenen Eingaben und Petitionen verabschiedungsreif bearbeiten zu lassen. Die Beratung erfolgte auf der Grundlage und nach der Systematik des Regierungsentwurfs. Der Entwurf des Abgeordneten Dr. Warnke und der CDU/CSU-Fraktion wurde zur Beratung herangezogen.Der jetzt vorgelegte Entwurf ist das Ergebnis von 15 Sitzungen der interfraktionellen Arbeitsgruppe, die ihn nach eingehenden Beratungen mit den Vertretern der Bundesregierung, der Länderregierungen und teilweise auch der Spitzenverbände einstimmig gebilligt hat.In der 42. Sitzung des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen am 6. Mai 1971 wurde die von der interfraktionellen Arbeitsgruppe Zonenrandförderung erarbeitete Fassung des Gesetzentwurfs einstimmig gebilligt und den mitberatenden Ausschüssen zur Stellungnahme zugeleitet. Am 13. Mai dieses Jahres haben der mitberatende Finanzausschuß und der mitberatende Ausschuß für Wirtschaft die vorgelegte Fassung des Gesetzentwurfs einstimmig gebilligt. Der Haushaltsausschuß hat mit Drucksache VI/2315 erklärt: „Der Gesetzentwurf ist mit der Haushaltslage vereinbar." Der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen hat schließlich in seiner 45. Sitzung am 15. Juni 1971 den Gesetzentwurf abschließend beraten und die Fassung vom 6. Mai 1971 bestätigt.Meine Damen und Herren! Ziel des Gesetzentwurfs ist es, entsprechend dem § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Raumordnungsgesetzes die Leistungskraft des Zonenrandgebiets bevorzugt zu stärken. Die bisher auf Grund der verschiedensten Vorschriften gewährten Förderungsmaßnahmen sollen dabei gesetzlich abgesichert werden. Alle sonstigen auch das Zonenrandgebiet betreffenden Rechtsvorschriften, Richtlinien und Programme bleiben unberührt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.Die Zonenrandförderung soll sich nach dem Entwurf in folgenden Bereichen realisieren:Erstens. Alle Behörden des Bundes, alle bundesunmittelbaren Planungsträger, die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts haben der Zonenrandförderung besonderen Vorrang einzuräumen.
Metadaten/Kopzeile:
7424 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
ZebischZweitens. Die regionale Wirtschaftsförderung wird im Zonenrandgebiet zum Ausgleich von Standortnachteilen, zur Sicherung und Schaffung von Dauerarbeitsplätzen sowie zur Verbesserung der Infrastruktur bevorzugt durchgeführt. Das gilt für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, für die Förderung des Ausbaus der Infrastruktur, für die Frachthilfe und für die Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Durch die Formulierung haben wir deutlich gemacht, daß damit die möglichen Maßnahmen nicht abschließend beschrieben sind, sondern daß der Förderungskatalog auch für die Zukunft offen ist.Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang war das Verhältnis der Zonenrandförderung zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Der Ausschuß war sich ebenso wie die interfraktionelle Arbeitsgruppe darüber einig, daß alle Beteiligten nach dem Verfahren des Gesetzes „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" das Zonenrandgebiet bevorzugt zu berücksichtigen haben. Gesetzestechnisch haben wir das durch eine Ergänzung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gelöst.Meine Damen und Herren, über die steuerlichen Vorschriften und ihre Auswirkungen, über die Regelungen zur Förderung der Verkehrsbedienung und -erschließung wird Ihnen der Kollege Hösl berichten. Das gleiche gilt für die Maßnahmen auf dem Sektor sozialer Wohnungsbau und Arbeitnehmerwohnungsbau. Er wird auch die kulturellen und sozialen Förderungsmaßnahmen im einzelnen erläutern.Der Ausschuß war sich darüber einig, daß der derzeitige Besitzstand des Zonenrandgebiets nicht durch Gebiets- und Verwaltungsreformen in den einzelnen Bundesländern gefährdet werden darf. Wir wollen damit verhindern, daß der Widerstand gegen notwendige Reformen in der Zusammensetzung der unteren Verwaltungsgliederungen durch den Wegfall der Förderung nach dem Zonenrandförderungsgesetz noch verstärkt wird. Als Gebietsstand gelten darum die Gebiete, die am 1. Januar 1971 zu den in der Anlage des Gesetzes genannten Stadt- und Landkreisen gehören.Der Ausschuß hat sich während seiner Beratungen umfassend mit den Vertretern der beteiligten Bundesministerien über die Probleme der Zonenrandförderung unterhalten. Soweit dies in der Kürze der Zeit möglich war, wurden auch von den Ministerien erarbeitete Änderungsvorschläge zu den Verwaltungsvorschriften für die Sonderabschreibungen und die anderen Förderungsmaßnahmen erörtert und auf die Zielsetzung des neuen Gesetzes hin abgestimmt.Unser Dank gilt darum unseren Mitarbeitern aus dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, dem Bundesarbeitsministerium und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, die unter Koordinierung durch den Parlamentarischen Staatssekretär Herold unsere Arbeit durch Vorlage von Formulierungshilfen und Richtlinienentwürfen wesentlich erleichtert haben. Besonderer Dank gilt auch den Mitarbeitern des koordinierenden Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen.Ich darf zum Schluß kommen. Der Ausschuß sieht in der Vorlage einen fairen und tragbaren Kompromiß und stellt mit besonderer Genugtuung fest, daß es ihr gelungen ist, in dieser wichtigen Frage der nationalen Solidarität mit dem Zonenrandgebiet Einmütigkeit zu erzielen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat als Mitberichterstatter der Abgeordnete Hösl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Ergänzung der vom Kollegen Zebisch soeben gegebenen Begründung darf ich zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes folgendes ausführen.Die Aufgabenstellung war, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 9. Juli 1970 nach einer Rechtsgrundlage zu suchen, die die bisherige Praxis im gesetzesfreien Verwaltungsraum sichert. Dabei durfte keine Verschlechterung durch die gesetzliche Absicherung eintreten. So bin ich der Meinung, daß das interfraktionell erarbeitete Ergebnis bei Erlangung der gesetzlichen Grundlagen erwarten läßt, daß den politischen Notwendigkeiten Rechnung getragen werden kann und die zwingend erforderliche steuerliche Rechtssicherheit erreicht wird.Im besonderen sind die in § 2 des Entwurfes gesicherten Anreize für eine wirtschaftliche Stärkung des Zonenrandgebietes zu erwähnen, die eine Überwindung bzw. einen etwaigen Ausgleich der Standortnachteile ermöglichen sollten. Es gilt hier, bei Einbezug des Zonenrandgebietes in die Gemeinschaftsaufgabe die politisch bedingte Vorrangigkeit in der Förderung zu sichern.Im § 3, der die steuerlichen Maßnahmen regelt, waren die bisher schon gewährten Vorteile zu sichern, um die wirtschaftlichen Nachteile aufzuheben und die Investitionsbereitschaft zu fördern und zu sichern.Die erstmals umschriebene Prosperitätsklausel war Gegenstand eingehender Beratungen im Dialog mit den zuständigen Bundes- und Landesbehörden. Mehrfach geäußerte Besorgnis über die Gefahr einer rückläufigen Entwicklung durch die vielleicht zu enge Auslegung und Anwendung der Prosperitätsklausel konnte mit der Versicherung der wie bisher großzügigen Anwendung zerstreut werden. Bei ihrer Anwendung sollten — das war die allgemeine Meinung — die regionalen Interessen und möglichen Erfolgschancen nach raumordnerischen und zonenrandpolitischen Gesichtspunkten vorherrschend sein.Der im Vollzuge des § 3 erforderliche Verwaltungserlaß, der die Billigung des Bundes und der Länderressorts fand, war Gegenstand eingehender Beratung in der interfraktionellen Arbeitsgruppe und fand schließlich einhellige Zustimmung. Ange-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7425
Höslsichts der teils sehr komplizierten Materie gebührthier den Finanz- und Steuerreferenten vom Bundund den vier Zonenrandländern besonderer Dank.
Im § 4 des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die vorrangige Verkehrserschließung und Verkehrsbedienung beabsichtigt. Dies ist sicherlich eine gute Voraussetzung für die strukturelle Fortentwicklung dieses Raums und eine unabdingbare Grundlage der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Dabei sind wir uns alle im klaren, daß wir den den Massenverkehr nun einmal deutlich unterstreichenden Unfallgefahren nur mit der Forderung nach Flächenerschließung begegnen können. Hier, glaube ich, müssen wir um Kriterien ringen, die ihre Gleichwertigkeit bei den Vollzugsbehörden finden.
In § 5 ist das Wohnungswesen, chis verstärkt gefördert werden soll, angeführt. Wir sind uns nach jahrelangem Bemühen um die Förderung des engeren Zonenrandgebietes darüber im klaren, daß der Wohnungsbau eines der wirksamsten Mittel echter Zonenrandförderung ist, weil mit dem Wohnungsbau junge Familien in diesem vom Nachteil gekennzeichneten Lebensraum gebunden werden können. Wir sind deshalb sehr zuversichtlich, daß durch die Veränderung der Fördergrenzen und auch durch Anhebung der Einkommensgrenzen Möglichkeiten verstärkten Wohnungsbaus eröffnet werden.In § 6 sind die sozialen Einrichtungen angeführt, die im Zonenrandgebiet verstärkt ihren Standort finden sollen. Für diese Aussage wie auch für die in § 7 vorgesehenen Einrichtungen der Bildung und Kultur sind wir sehr dankbar, weil wir glauben, daß damit der Freizeitwert, aber auch der Wert des Lebensraums gesteigert wird. Wir alle wissen, daß hier die Möglichkeit für die öffentliche Hand gegeben ist, einmal den Wahrheitsbeweis für die vielfach vertretenen politischen Thesen anzutreten, in diesem Raum verstärkt öffentliche Investitionen zu verwirklichen. Die sozialen Einrichtungen wie auch die Einrichtungen der Bildung und Kultur werden bei ihrer Verwirklichung natürlich immer wieder auf die fehlende Attraktivität in diesem Raum stoßen. Wir müssen bemüht bleiben, den Schritt der Verbesserung der Lebensverhältnisse zu wagen, und dieses Gesetz sollte uns dabei eine besondere Hilfe sein.Als ein sichtbarer Erfolg muß die mit der Zielsetzung des Zonenrandförderungsgesetzes erfolgte Finanzaufstockung von 80 Millionen DM im Haushalt 1971 angesehen werden. Mit diesem materiellen Inhalt sollte dein ersten Gesetz zur Förderung des Zonenrandgebietes ein guter Start beschieden sein, insbesondere wenn die Vollzugsbehörden als Auftragsverwaltung das politische Wollen von Parlament und Regierung zur Grundlage ihres Wirkens machen. Hier wird dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, dem im Mühen um das Zonenrandgebiet Dank und Anerkennung gebührt, eine besondere Aufgabe in der Verwaltungsanordnung erwachsen.So wurde auch aus praktischen Erfahrungen die Entschließung formuliert, um deren Annahme das Hohe Haus gebeten wird. Denn mit dieser Entschließung soll die gebotene Beweglichkeit gesichert werden, um notwendigen Strukturmaßnahmen Rechnung tragen zu können.Der vorliegende Gesetzentwurf entspringt einer zielstrebigen und sachbezogenen Beratung der interfraktionellen Arbeitsgruppe, so daß auch ich allen beteiligten Kollegen, den Referenten der Bundes-und Landesressorts und den Vertretern der Spitzenverbände für ihre Mitarbeit Dank sagen möchte. Es trifft sich aber auch in dieser Stunde, in der wir eine gesetzliche Grundlage zur Förderung des Zonenrandgebietes schaffen, all denen, die seit der schmerzlichen Trennung unseres Landes in diesem Gebiet das öffentliche Leben gestaltet haben und um wirtschaftliche Stärkung und Fortschritt des einseitig orientierten Lebensraums bemüht waren und sind, zu danken.Um den notwendigen Beitrag zu einer erfolgreichen Fortentwicklung des vom Schatten der Trennungslinie getroffenen Zonenrandgebietes zu sichern, bitte ich namens des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen, der den Gesetzentwurf einmütig gebilligt hat, um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Ich denke, es wird am besten sein, die angekündigten Erklärungen jetzt vor Aufruf der einzelnen Paragraphen abzugeben. Oder haben die Fraktionen — ich war gestern abwesend — anders beschlossen?
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreutzmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1953 gibt es eine Zonenrandförderung von Bund und Ländern. Sie war die Einsicht in die Notwendigkeit, der Bevölkerung eines Raumes zu helfen, die in besonderem Maße die Last der deutschen Teilung zu spüren bekam. Die Grenze, die damals mitten in Deutschland errichtet worden war, zerschnitt einen Raum, der in einer vielhundertjährigen Geschichte zusammengewachsen war und der seit Jahrhunderten Grenzen nur in Form von Grenzsteinen kannte. Diese Situation hatte verheerende Folgen für die Bevölkerung. Die neue Grenze zerschnitt nicht nur Straßen und Verkehrsverbindungen. Sie trennte nicht nur ganze Landschaften von ihren Mittelpunkten und Versorgungseinrichtungen. Sie griff tief in die Bereiche des menschlichen Lebens ein. Sie nahm Arbeitsplätze, Verdienstmöglichkeiten und Absatzgebiete. Sie trennte aber auch Familien, für die der Verwandtenbesuch zu den Selbstverständlichkeiten gehörte, da die vorhandenen Landesgrenzen höchstens eine historische Reminiszenz waren.Ich habe an diese Dinge noch einmal erinnert, nicht etwa um ein Klagelied über das Schicksal die-
Metadaten/Kopzeile:
7426 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
Dr. Kreutzmannses Raumes anzustimmen. Die Bevölkerung des Zonengrenzgebietes hat nie zur Selbstbemitleidung geneigt, sondern sich stets bemüht, aus Eigenem etwas gegen die Hypothek dieser Grenze zu tun. Ich will alle diese Dinge nur noch einmal in Erinnerung rufen, weil man oft die Meinung hört, das Zonenrandgebiet bedürfe keiner Sonderförderung, seine wirtschaftliche Situation sei die gleiche wie die des übrigen Bundesgebietes. Man weist dann gern daraufhin, daß es recht unterschiedliche Strukturen aufzeige. Beispiele wie Schweinfurt, Kassel, Salzgitter oder die schleswig-holsteinische Ostküste scheinen diese Theorie zu bestätigen. Was man dabei übersieht, ist der besondere politische Akzent, unter dem dieser Raum steht und der auch scheinbar so stabile Schwerpunkte seines industriellen Besatzes bei den geringsten Erschütterungen unserer Wirtschaft sofort krisenanfällig werden läßt.Die Sonderförderung des Zonengrenzgebietes hat also ihre Daseinsberechtigung. Sie ist von Bund und Ländern von Anfang an bejaht worden, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität und Einsatzbereitschaft. Dabei hat man lange darum gerungen, ob die Zonenrandförderung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden sollte oder in den Rahmen der regionalen Wirtschaftspolitik einzuordnen sei. Die früheren Bundesregierungen haben sie in erster Linie unter dem Aspekt der Wirtschaftsförderung gesehen. Die Zonenrandförderung war daher zumindest bis zum Beginn der sechziger Jahre fast ausschließlich Wirtschaftsförderung, ein Teil des regionalen Förderungsprogramms, von dem nach einem internen Schlüssel 60 % der Zonenrandförderung zufließen sollten.Erst allmählich setzte sich der Gedanke durch, daß die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im Zonenrandgebiet, wenn die Bemühungen um die Verbesserung seiner Wirtschaftsstruktur Erfolg haben sollten, mindestens gleichrangig zu behandeln sei. So wurden dann die ersten Ansätze für kulturelle Förderung des Zonenrandgebiets, für die Verbesserung der Verkehrsverbindungen und der kommunalen Infrastruktur geschaffen. Die Länder stiegen zum Teil mit erheblichen Eigenmitteln in die Zonenrandförderung ein.Die Ansätze des Bundes blieben jedoch jahrelang auf der gleichen Höhe. Im Jahre 1964 war man sogar entschlossen, im Rahmen der damaligen restriktiven Haushaltsmaßnahmen von dem seit Jahren gleich hoch angesetzten Betrag von 120 Millionen DM für das regionale Förderungsprogramm erhebliche Abstriche zu machen. Es war der Zonengrenzbereisung des damaligen Gesamtdeutschen Ausschusses unter dem Vorsitz Herbert Wehners zu verdanken, daß es dazu nicht gekommen ist. Der aus den Eindrücken dieser Reise herrührende Bericht der Kollegen Höhmann, Hösl und Mischnick ist seither so etwas wie die Magna Charta der Zonenrandförderung geworden, die die eindeutige Priorität dieses Raumes — nach Berlin — gegenüber den übrigen Förderungsgebieten festlegt.Gesetzlich wurde der hier angeregte Maßnahmekatalog dann im Bundesraumordnungsgesetz abgesichert. Der Wunsch nach der Schaffung eines eigenen Zonenrandförderungsgesetzes aber stand immer im Raum und wurde von der Bevölkerung des Zonenrandgebietes bei jeder Gelegenheit nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Wir Sozialdemokraten haben diesen Wünschen in einem umfassenden Programm zur Zonenrandförderung im Jahre 1965 Rechnung getragen, das später in dem Förderungsprogramm Ruhr-Saar Zonenrand seinen Niederschlag fand und im Rahmen der regionalen Aktionsprogramme dann wirkungsvoll ergänzt wurde. Die Erfolge dieses Programms mit der Schaffung von 150 000 neuen industriellen Arbeitsplätzen, davon 70 000 bis 80 000 im Zonenrandgebiet, in Jahresfrist liegen inzwischen offen auf der Hand.Die Vorlage eines Zonenrandförderungsgesetzes ist ein weiterer Fortschritt auf dem Wege der Verbesserung der Zonenrandförderung. Dieses Gesetz gibt der Zonenrandförderung solide rechtliche Grundlagen. Es macht es EWG-sicher und ordnet sein Verhältnis zum Gesetz über die Gemeinschaftsaufgaben. Es ist also ein notwendiges Gesetz. Diese Ansicht hat dazu geführt, daß sich alle drei Fraktionen des Bundestages auf einen Gesetzentwurf geeinigt haben, der, auf dem Entwurf der Bundesregierung aufbauend, eine tragfähige gemeinsame Basis darstellt, um die man keinen Prioritätsstreit führen sollte.Dieser Entwurf schreibt zunächst einmal das fest, was bisher vorhanden war. Er bringt — das sei ausdrücklich vermerkt — keinerlei Einschränkungen und Verschlechterungen gegenüber dem bisher bestehenden Zustand der Zonenrandförderung. Er verbessert den ursprünglichen Regierungsentwurf in manchen Punkten, wie der Regierungsentwurf ja seinerseits auch Verbesserungen gegenüber dem CDU/CSU-Entwurf enthielt, wobei ich den Entwurf der bayerischen Landesregierung hier außer Betracht lassen möchte, der ja von ihr selbst nicht ganz ernst genommen wurde, wie sein Schicksal bewies.Die Verbesserungen des Regierungsentwurfs bestehen darin, daß die Landwirtschaft und die freien Berufe in den Regierungsentwurf mit hineingenommen wurden. Wir hatten das ursprünglich nicht beabsichtigt, weil es sich bei der Landwirtschaft nur um einen sehr geringen Betrag handelt, der kaum als nennenswerte Hilfe für sie angesehen werden kann. Wir haben schließlich ihrer Hereinnahme zugestimmt, weil wir gewährte Förderungen nicht rückgängig machen wollten. Unsere Ansicht, die freien Berufe sollten zunächst herausgenommen werden, war darin begründet, daß auch im Zonenrandgebiet die Lage dieser Berufe im allgemeinen kaum wesentlich schlechter ist als im übrigen Bundesgebiet. Wenn wir uns schließlich doch zu einer Aufnahme der freien Berufe in die Förderungsmaßnahmen entschlossen haben, dann deshalb, weil wir der Meinung waren, daß alles getan werden müsse, um durch zusätzliche Anreize eine zumindest gleich gute Versorgung dieser Randgebiete der Bundesrepublik mit Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten zu sichern.Eine wesentliche Rolle hat bei unseren internen Diskussionen auch die Frage der Prosperitäts-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7427
Dr. Kreutzmannklausel und der Konzernklausel gespielt. Kreise der der Wirtschaft und der Kommunalpolitik haben einen Verzicht auf die Prosperitätsklausel nahegelegt, weil es ja gerade im Interesse des Zonenrandgebietes liegen müsse, möglichst gesunde und kapitalkräftige Unternehmen in das Zonenrandgebiet zu bringen. Das ist selbstverständlich auch unser Wunsch. Wir haben uns daher auf eine möglichst großzügige Auslegung der Prosperitätsklausel geeinigt. Ganz abschaffen wollten wir sie allerdings nicht, um denen das Handwerk zu legen, die die steuerlichen Hilfen für das Zonenrandgebiet entweder dazu mißbrauchen, ihre Dividende weit über das zuträgliche Maß hinaus aufzustocken, oder die das Zonenrandgebiet, wie es ja auch vorkommt, wie Goldsucher betrachten und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich mit Hilfe staatlicher Förderungsmaßnahmen überhöhte zusätzliche Gewinne zu verschaffen.Auch die Begünstigung von Zweigunternehmen von Konzernen hat uns im Ausschuß lange beschäftigt. Wir haben uns schließlich gemeinsam dazu entschlossen, die Konzernklausel aus dem Regierungsentwurf zu streichen. Es hat sich gezeigt, daß die Ansiedlung eines Zweigbetriebs eines potenten Unternehmens im Zonenrandgebiet die Wirtschaftsstruktur des Raumes oft nachhaltiger positiv beeinflußt hat als die Ansiedlung mehrerer Kleinbetriebe. Wir wollten uns im Gesetz diese Chance nicht nehmen lassen, weil es sich immer wieder gezeigt hat, daß auch solche Großbetriebe die Möglichkeit staatlicher Hilfen ausnutzen und ihre Standortwahl entscheidend davon bestimmt wird.Einen Fortschritt bringt das Gesetz schließlich im Hinblick auf die Verwaltungsreform, die in allen vier Zonenrandländern im Gange ist. ln all diesen Ländern ist bei Zusammenschlüssen zwischen Kreisen und Gemeinden die Sicherung der Zonenrandeigenschaft ein entscheidendes Problem. Wir haben im Gesetz festgestellt, daß sinnvolle Verwaltungsreformmaßnahmen durch die Befürchtung, die Zonenrandeigenschaft zu verlieren, nicht behindert werden sollen. Das Gesetz legt eindeutig fest, daß, wer am 1. Januar 1971 die Zonenrandeigenschaft besessen hat, sie auch in Zukunft haben wird.Damit ist auch die Frage geklärt, ob man etwa den 40-km-Abstandsradius von der Zonengrenze ändern sollte. Wir haben damit auch zu der Frage klar Stellung bezogen, ob etwaige Sonderförderungen für die sogenannten Balkongemeinden geschaffen werden sollten. Das Schicksal dieser Gemeinden unmittelbar am Stacheldraht ist zweifellos von dem der anderen Gemeinden unterschieden. Aber dieses Schicksal wird entscheidend auch davon bestimmt, ob die Gemeinden über ein gesundes Hinterland verfügen können.Wir haben also an der bisherigen Abgrenzung festgehalten und meinen, das auch vertreten zu können. Jede Abgrenzung, das ist uns klar, bringt Ungerechtigkeiten. Aber wir dürfen letzten Endes die Augen auch nicht vor der Gefahr verschließen, daß jede Änderung neue scheinbare Ungerechtigkeiten schafft und vor allem die Gefahr mit sich bringt, das vorhandene Förderungsvolumen so aufzusplittern,daß es um den wesentlichen Teil seiner Wirkung gebracht wird.Das war auch der Grund, weshalb wir uns der Notwendigkeit einer gewissen Schwerpunktbildung nicht verschließen konnten. Sie muß jedoch anders gesehen werden als in den anderen regionalen Förderungsgebieten. Im Zonenrandgebiet tritt neben den Aspekt der Stärkung der Wirtschaftskraft auch der Aspekt der Erhaltung seines Bevölkerungspotentials. Der Raum soll nicht zu einem einzigen Asyl für Rentner und aus dem produktiven Berufsleben ausgeschiedene Bevölkerungskreise werden. Daher ist eine Abweichung von der üblichen Schwerpunktförderung dort, wo es geboten erscheint, unerläßlich. Deshalb hat auch die Förderung des Wohnungsbaues im Zonenrandgebiet besonderes Gewicht. Wir haben im Gesetz dieser Tatsache Rechnung getragen, indem wir auf Wunsch der Opposition die Förderungsmöglichkeiten für den Wohnungsbau verbessert haben.Das Gesetz ist aber auch durch die Initiative der Bundesregierung, die 80 Millionen DM für die Verbesserung der sozialen Infrastruktur zusätzlich zu den bereits in den letzten Jahren erfolgten wesentlichen finanziellen Verbesserungen bereitgestellt hat, ein in besonderem Maße soziales Gesetz geworden, das erheblich mit dazu beitragen kann, die soziale Situation der Arbeitnehmerschaft im Zonenrandgebiet zu verbessern. Mit Hilfe der zusätzlich bereitgestellten Mittel kann Erhebliches für den Raum auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge, des Sports, der Familienerholung und der Jugendpflege getan werden. Die Verbesserung der Lebensbedingungen gibt dem Gesetz endlich auch eine wirkungsvolle Ergänzung nach der Arbeitnehmerseite hin, die man bisher bei den getroffenen Maßnahmen vielfach vermißt hat.Ich meine, daß wir damit einen großen Schritt nach vorne gekommen sind. Sicherlich, ein perfektes und ein vollkommenes Gesetz wird es niemals geben. Aber ich meine, der Bundestag hat hier ein Werk vollbracht, mit dem er sich in der Öffentlichkeit sehen lassen kann. Es ist in einer fairen Zusammenarbeit aller drei Parteien des Bundestages entstanden, die damit bewiesen haben, daß es gerade in den Fragen des Schicksals der von der deutschen Teilung betroffenen Menschen Möglichkeiten der Verständigung und Zusammenarbeit gibt. Dafür möchte ich — auch im Namen meiner Fraktion — allen Verantwortlichen und Beteiligten Dank sagen.Das Gesetz verdankt seine Existenz aber auch der tätigen Mithilfe, Aufgeschlossenheit und Loyalität der an der Bearbeitung beteiligten Beamten und Angestellten der Bundesministerien, wobei ich ganz besonders dem Parlamentarischen Staatssekretär im Ministerium für innerdeutsche Beziehungen Karl Herold für seine stete und verständnisvolle Hilfe Dank sagen möchte.Dank möchte ich aber auch den mitberatenden Ausschüssen sagen, die dieses Gesetz einstimmig passieren ließen. Mein Dank gilt auch dem Kollegen Hösl, der sich als fairer und sachlicher Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe stets um eine
Metadaten/Kopzeile:
7428 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
Dr. Kreutzmanngemeinsame Basis bemüht hat. Mein Dank gilt ebenso dem Kollegen Franz Zebisch, der als Mitberichterstatter viel Arbeit und Mühe auf das Zustandekommen des Gesetzes verwendet hat.Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Gedanken vortragen. Was wir mit dem Gesetz nicht lösen konnten, was aber als Frage geblieben ist, ist die Bezeichnung des betroffenen Raumes als „Zonenrandgebiet". Wir leben — man mag das registrieren, wie man will — nicht mehr in einem Deutschland, das aus Zonen zusammengesetzt ist. Die Bevölkerung des Raumes fühlt sich daher keineswegs mehr in der Rolle glücklich, als Zonenrandbewohner apostrophiert zu werden. Hier eine brauchbare Lösung zu finden, die eine bessere Bezeichnung des betroffenen Gebietes bringt, ist eine Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können.Gerade der heutige Tag sollte uns Anlaß und Ermutigung sein, darüber nachzudenken und Wege zu finden, dieser Grenze mitten durch Deutschland, die soviel Leid und so viel Probleme gebracht hat, ihre Schärfe zu nehmen. Sie muß nicht so sein, wie sie ist. Sie darf nicht so bleiben, wie sie ist, wenn wir einen dauerhaften Frieden im Herzen Europas wollen.Das Gesetz, das wir heute hier verabschieden, hat keinerlei aggressive Bedeutung und will den bestehenden Zustand nicht verewigen. Sein Sinn ist es, den Menschen dieses Raumes zu helfen, mit den bestehenden Verhältnissen in der Hoffnung fertig zu werden, daß dieser Grenze eines Tages die Schärfe genommen werden kann und Deutsche mit Deutschen so zu verkehren vermögen, wie es an den meisten anderen Grenzen Europas möglich ist. Wir sind überzeugt, daß das Gesetz diesem Ziel dient, und werden ihm daher in zweiter und dritter Lesung unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Warnke.
Herr Präsident.! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt die Verabschiedung des Zonenrandförderungsgesetzes, auch wenn wir in den Beratungen manche Vorstellungen nicht durchsetzen konnten.
Wir haben seinerzeit bewußt einen Entwurf vorgelegt, um der Bundesregierung, als die Grundsatzentscheidung über die Einbringung eines Zonenrandförderungsgesetzes auf Regierungsebene noch nicht gefallen war, diese Entscheidung etwas zu erleichtern und um ihr hilfreich zu sein. Wir sind dann auch bewußt den Weg der interfraktionellen Einigung gegangen, damit das sichergestellt werden konnte, was wir als das unverzichtbare Minimum der Zonenrandförderung empfunden haben. Dies ist gelungen.
Bei der Behandlung der beiden Gesetzentwürfe im Parlament wurde ein völlig neues Element eingeführt, das in keinem der Entwürfe bisher vorhanden war: Es wurde das Verhältnis zwischen Zonenrandförderung und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" geklärt. Wir haben herausgestellt und gesetzlich fixiert, daß Zonenrandförderung auch dann und dort, wo sie Wirtschaftsförderung ist, nicht nur und nicht in erster Linie wirtschaftlich, sondern politisch motiviert ist und daher ihren Rang in der Präferenzskala unmittelbar im Anschluß an die Berlin-Hilfe herleitet.
Das Gesetz wird neue Akzente auch in der Förderung des Arbeitnehmerwohnungsbaues im Zonenrandgebiet, in der Sorge für die alten Menschen und in der Förderung sozialer Einrichtungen im Zonenrandgebiet setzen und damit eine notwendige Verbesserung der unmittelbaren Arbeitnehmerförderung mit sich bringen.
Daß die Vorstellungen der bayerischen Staatsregierung, die darüber hinaus einen steuerlichen Arbeitnehmerfreibetrag im Grenzland in ihrem Gesetzentwurf verlangt hat, weder im Bundesrat noch in diesem Hause durchzusetzen waren, das, meine Damen und Herren, ist für uns, die wir aus dem Zonenrand kommen, bitter. Aber wir werden es nicht dulden, daß diese Bemühungen deshalb hier abschätzig beurteilt werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Ja.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß der Bundesfinanzminister des Jahres 1969, Herr Franz Josef Strauß, damals in einem Schreiben vom 14. Februar die Einführung einer Steuerpräferenz und einer Zulage für die Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet ganz entschieden abgelehnt hat?
Herr Kollege, das ist mir genau so bekannt, wie es Ihrem Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner bekannt war, als er vier Wochen darauf der Bevölkerung im Zonenrandgebiet vor der Wahl versprach, würde die SPD an die Regierung kommen, dann gäbe es diesen Arbeitnehmerfreibetrag, — und heute gibt es ihn nicht.
Deshalb sage ich, wir werden es nicht zulassen, daß diese Bemühungen, die wir ehrlichen Herzens unternommen haben, hier abschätzig beurteilt werden.Nun, meine Damen und Herren, die 80 Millionen DM Zonenrandförderungsmittel, die zusätzlich bereitgestellt worden sind, sind — darüber sind wir uns auf allen Seiten des Hauses einig — nicht im ersten Anlauf optimal verteilt worden. Diese Sache muß von uns 1972 in Ordnung gebracht werden. Wir erwarten auch, daß bei dieser Gelegenheit die gesonderte Ausweisung der Wirtschaftsförderungsmit-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7429
Dr. Warnketel für das Zonenrandgebiet im Bundeshaushalt gemäß den Absprachen, die wir in der interfraktionellen Arbeitsgruppe getroffen haben, durchgeführt wird.Mit allem Freimut wollen wir bekennen — vielleicht auch zur Beruhigung mancher Kollegen innerhalb dieses Hauses —, daß dieses Gesetz, das wir heute verabschieden, kein fahrender Platzregen Gottes ist, mit dem die Probleme des Zonenrandgebiets in reicher Fülle gelöst werden könnten. Das kann es gar nicht sein. Dieses Gesetz ist ein Instrument, das uns helfen soll, einer Entwicklung gegenzusteuern, die durch wirtschaftliche Schwächung zur Abwanderung und damit zur demographischen Verfestigung einer Demarkationslinie führen könnte, die als dauernde Grenze anzuerkennen wir nicht bereit sind.
Wir werden durch dieses Gesetz also nicht der Verpflichtung enthoben, als Parlament dem Selbstbehauptungswillen der Bevölkerung des Zonenrands von Jahr zu Jahr durch die Haushaltsgestaltung in der Einzelausführung Rechnung zu tragen. Äußerungen, wie sie von hoher Verwaltungsseite gefallen sind, der Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet stelle eigentlich nur eine mehrfarbig illustrierte Landkarte dar, sind eine Art von Realismus, der wir hier im Hause bei der Ausführung dieses Gesetzes entgegenwirken wollen.Dieses Gesetz trägt einen Namen, der hier in letzter Zeit nicht mehr unumstritten war. Ich wiederhole, Herr Minister Franke, was ich Ihnen an anderem Ort zu anderer Zeit gesagt habe: auch für die Unionsfraktion ist der Begriff „Zonenrand" nicht etwa ein Wert an sich. Aber er ist gegenüber der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abgesichert. Er ist in seiner Bedeutung für die Förderung des Zonenrandes in seiner jetzigen technischen Gestalt von Flensburg bis nach Passau eine sichere Grundlage. Jede, auch gutgemeinte, sprachliche Neuschöpfung läuft Gefahr, uns nicht nur wirtschaftliche Risiken durch die Beanstandung der Förderung beispielsweise für das Grenzland gegenüber der Staatsgrenze zur Tschechoslowakei, sondern darüber hinaus schwere außenpolitische Verwicklungen zu bringen. Deshalb möchte ich hier für meine Fraktion in Entgegnung auf die Worte des Kollegen Kreutzmann davor warnen, daß wir uns in terminologische Schwierigkeiten einlassen, die nach meiner Beurteilung in der Mentalität und dem Verlangen der Bevölkerung des Zonenrandes keine Stütze finden werden.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz hat starken Rückhalt im Haus und außerhalb gefunden. Das gleichgerichtete Zusammenwirken von Kammern und Verbänden, von Kommunen und Spitzenorganisationen, der Verwaltung und Ministerien im Bund und in Ländern, vor allem aber die interfraktionelle Solidarität bei den Parlamentsberatungen verdient Dank — ich schließe mich hier in vollem Umfang und mit gleicher Adresse den Worten des Kollegen Dr. Kreutzmann an — und war gerade für ein jüngeres Mitglied dieses Hauses eine ermutigende Erfahrung in der Beschaffenheit des deutschen Parlamentarismus. Wir haben damit eine Tradition fortgesetzt, die vor fast 20 Jahren be- gründet wurde, als hier im Deutschen Bundestag die Zonenrandförderung aus der Taufe gehoben wurde. Ich nenne dankbar die Namen der Männer, die damals dafür verantwortlich waren und die, jeder auf seine Weise, die Förderung des Zonenrandgebietes bis zum heutigen Tage begleitet haben: Herbert Wehner, Dr. Heinz Starke und Gerhard Wacher.
Diese interfraktionelle Solidarität war nicht frei von dialektischen Intervallen und wird es auch in Zukunft nicht sein; denn ihrer bedarf es als Stimulans für die weitere Entwicklung. Für heute hält die Unionsfraktion dafür, daß es dem Bundestag gelungen ist, mit der Zonenrandförderung und mit dem Zonenrandförderungsgesetz nicht nur hohe Worte zu deklamieren, sondern einen sachlichen und aufbauenden Beitrag zur Einheit der deutschen Nation zu leisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Borm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man an einem Tage, der in der Geschichte unseres Volkes nicht wegzudenken ist und der aus der Initiative dieses Volkes heraus einen Maßstab setzt, sich überlegt, wie man diesen Tag ausgestalten sollte, glaube ich in der Tat, daß das, was hier im Deutschen Bundestag geschieht, beispielhaft ist.Man mag diesen Tag feiern, man mag an ihm arbeiten — aber eines darf man nicht tun: vergessen, was an diesem Tag geschehen ist und welche Aufgabe für die Zukunft aus ihm erwächst.
Infolgedessen glaube ich, daß der Deutsche Bundestag gut beraten war, dieses Gesetz durch übereinstimmenden Beschluß seiner Fraktionen — und auch der Regierung — heute auf die Tagesordnung gesetzt zu haben.Es ist ein Werk tätiger Solidarität, es ist ein Schritt, der in der Welt und ebenfalls in unserem Volke klarmacht, daß dieser Deutsche Bundestag seiner Aufgabe, für das Schicksal des gesamten deutschen Volkes zu sorgen, verhaftet bleibt. Und es ist in der Tat hoffnungerweckend, daß es gelungen ist, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Billigung aller Fraktionen — ohne Ausnahme — gefunden hat. Hierfür haben wir in der Tat all denen Dank auszusprechen, die dies fachlich ermöglicht haben, aber auch all denen, die sich in ihrer gedanklichen Arbeit in dieser Aufgabe gefunden haben.Ein Wort des Herrn Kollegen Dr. Kreutzmann möchte ich als Berliner unterstreichen. Er hat hervorgehoben, daß dieses Gesetz denjenigen Men-
Metadaten/Kopzeile:
7430 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
Bormschen gelten soll, die in erster Linie an den Folgen der deutschen Teilung ständig schwer zu tragen haben — aber er hat hinzugefügt: nach den Berlinern. Und in der Tat, meine Damen und Herren, so ist es: Demjenigen gehört unsere bevorzugte Förderung, der am meisten zu leiden hat, der stellvertretend für uns alle in seinem täglichen Leben die Folgen der deutschen Tragik, der tragischen deutschen Teilung erlebt. Wir sollten nicht vergessen, daß dabei an erster Stelle jene Stadt steht, die mindestens ebenso leiden muß, aber auch politisch so gefährdet ist wie — lassen Sie es mich jetzt, bevor ich darauf zurückkomme, noch einmal so sagen - das Zonenrandgebiet. Es geht eben um jene Stadt Berlin, und dafür danke ich, daß bei sämtlichen Verhandlungen in den Fraktionen und den anderen Gremien zum Ausdruck gekommen ist, daß selbstverständlich Berlin als der gefährdeste Punkt an erster Stelle steht.Ich will heute keineswegs auf die Einzelheiten eingehen; die liegen Ihnen alle vor. Lassen Sie mich bitte nur einige grundsätzliche politische Bernerkungen machen.Dieses sorgfältigst vorbereitete Gesetz enthebt uns nicht der Verpflichtung, dessen eingedenk zu sein, daß dieses Gesetz erst dann seine Erfüllung gefunden haben wird, wenn es nicht mehr notwendig ist, wenn es einfach nicht mehr vorhanden zu sein braucht, weil eben das Gebiet, für das wir jetzt sorgen wollen, nicht länger ein Randgebiet sein wird.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zum Namen des Gesetzes. Ich bin dankbar dafür, daß dieses Problem in unterschiedlicher Beleuchtung auf den Tisch gekommen ist. Einmal handelt es sich um die Absicherung des Zonenrandgebietes gegenüber der EWG. Das ist sicherlich ein bedeutungsvolles und folgenschweres Argument. Und zum anderen wies der Kollege Dr. Kreutzmann darauf hin, daß man sich in der Tat überlegen sollte, ob der Name „Zone", der ja nun einmal drüben — mit Recht oder nicht — irgendwelche Ressentiments hervorruft, weiterhin Gültigkeit haben sollte. Ich glaube schon, daß man der Anregung oder den Bedenken Rechnung tragen und prüfen sollte, ob im Verhältnis zur EWG Komplikationen eintreten könnten, wenn man sich nach einer anderen Bezeichnung umsieht. Das sollte man tun. Aber ich glaube nicht, daß es unmöglich ist, einen Consensus darüber herbeizuführen, daß sich durch eine Namens- und Bezeichnungsänderung der Inhalt der notwendigen Hilfe nicht ändert. Ich habe grade erst in der vergangenen Woche im Europäischen Parlament in Straßburg Gelegenheit gehabt, diese Frage in internen Gesprächen anzuschneiden. Ich habe durchaus den Eindruck gewonnen, daß man bereit ist anzuerkennen, daß wegen der tragischen Teilung unseres Volkes Hilfsmaßnahmen unbedingt notwendig sind.Vielleicht könnte man sich auf eine Bezeichnung einigen, die nun einmal den Tatsachen entspricht.Ich hätte aber Bedenken, etwa „Bundesgrenzgebiet" zu sagen; denn es ist in der Tat keine von uns auf die Dauer zu billigende Grenze.
Aber vielleicht sollte man vom „Bundesrandgebiet" sprechen, denn ein Randgebiet ist es ohne Zweifel. Ein Rand braucht nicht unverrückbar zu sein. Ich möchte das hier nur in die Debatte eingeführt haben; vielleicht hilft es etwas weiter.In einem solchen Zusammenhang sollte man aber auch einmal den Blick nach drüben richten. Wir sind gezwungen, durch gesetzgeberische Maßnahmen den Versuch zu machen, die Folgen der Teilung zu überwinden. Drüben hat man es einfacher. Drüben geht all das in der gesteuerten Wirtschaft unter, die die Probleme auch des Grenz- oder Randgebietes zu uns auf verwaltungsmäßigem Wege regeln kann. Ich bin froh darüber, daß das bei uns nicht möglich ist, sondern daß der Gesetzgeber hier diejenigen Maßnahmen ergreifen muß, die notwendig sind, um in demokratischer Weise mit den Problemen fertig zu werden.Solange die heutige Situation besteht, wird es notwendig sein, die betroffenen Gebiete zu fördern. Ich glaube, zu einem solchen Gesetz gehört auch die Bereitschaft aller, der Verwaltung, des Bundestages, aber auch der Länderparlamente, eine Erfolgskontrolle durchzuführen. Das Leben steht nun einmal nicht still, und das, was heute richtig ist, kann morgen schon nicht mehr zweckentsprechend sein. O Es enthebt uns neben der Notwendigkeit, an der Aufhebung dieser unnatürlichen Grenze zu arbeiten, nicht der Verpflichtung zu prüfen, ob das, was wir heute beschließen, weiterhin seinen Zweck erfüllen kann.Niemand weiß, ob nicht aus der Ostpolitik, die jetzt betrieben wird — ich stehe nicht an zu sagen: die betrieben wird mit der vollen Zustimmung meiner Fraktion, ja, zum Teil auf Grund ihrer Initiative —, etwas Neues, eine neue politische Situation, entstehen kann. Es wird Aufgabe der Regierung und dieses Parlaments sein, darüber zu wachen, daß sich auch im Randgebiet des Bundes gegenüber der DDR Verhältnisse entwickeln, die es, auch wenn sie noch nicht zu einer politischen Bereinigung führen können, immerhin möglich machen sollten, in wirtschaftlicher Beziehung ebenso wie auf kulturellem Gebiet über diese Demarkationslinie, diese Trennungslinie hinaus zu Vereinbarungen zu kommen. Das scheint mir über das Gesetz, das nur für uns Gültigkeit haben kann, hinaus ein Weg zu sein, der uns in die Lage versetzen könnte, die unnatürliche Trennung und deren Folgen zu beseitigen.Unsere ständige politische Aufgabe bleibt es - ich wiederhole es —, darüber zu wachen, daß das Gesetz, das wir heute verabschieden, einmal durch sich selbst und durch unsere Politik seiner Notwendigkeit entkleidet wird, indem Deutschland wieder das wird, was wir wollen: ein einheitliches Kulturgebiet, ein einheitliches politisches Gebiet und ein einheitliches Wirtschaftsgebiet.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7431
BormMeine Damen und Herren, meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung zustimmen. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich babe keine Wortmeldungen in zweiter Beratung mehr.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die einzelnen Paragraphen auf, und zwar die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 mit der Anlage, 10, 10 a, 11, 12, Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich gehe über zur
dritten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Gradl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Schlußphase der Beratung des Zonenrandförderungsgesetzes möchte ich als Vorsitzender des Ausschusses, der mit dieser Aufgabe besonders betraut war, ein paar zusammenfassende Bemerkungen machen. Ich habe dabei nicht die Absicht, mich in die Diskussion über den Namen „Zonenrand" einzulassen. Ich finde, Streit um Namen und Begriffe haben wir genug. Wichtiger erscheint mir etwas ganz anderes. Der Zonenrand ist im Laufe der Jahre — und jetzt muß man sagen: im Laufe der Jahrzehnte — zu einem so gewohnten und alltäglichen Wort geworden, daß der Inhalt des Begriffes kaum noch präzise ins Bewußtsein tritt. Zonenrand, das ist jene ungewollte Trennungslinie zwischen beiden Teilen Deutschlands, die weit mehr als tausend Kilometer Länge aufweist. Die Zahl der Menschen, die auf der Seite der Bundesrepublik entlang dieser Linie leben, zählt mehr als 7 Millionen. Die Menschen dort sind durch die Zerreißung Deutschlands buchstäblich an den Rand gerückt, und sie sind es in einem vielfachen Sinne. Sie sind Rand im Verhältnis zur Bundesrepublik, sie sind Rand im Verhältnis zum EWG-Raum, und zugleich haben sie durch eine jede Beziehung und jede Verbindung abschneidende, von den Urhebern als „perfekt" bezeichnete Gewaltgrenze einen wesentlichen Teil ihrer natürlichen Landschaft und Verbundenheit verloren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Burgbacher!
Dr. Burgbacher : Herr Kollege Gradl, Sie haben eben gesagt, der Zonenrand sei auch Rand des EWG-Gebiets. Darf ich Sie bitten, in Betracht zu ziehen, daß West-Berlin gewachsener EWG-Raum ist?
Das erkennen wir dankbar an, Herr Kollege Burgbacher.
Ich habe eben bewußt etwas umständlich gesagt: getrennt von ihrer natürlichen Landschaft und Verbundenheit. Es widerstrebt mir, den gelegentlich zu hörenden, fast geläufigen Ausdruck „getrennt von ihrem Hinterland" in diesem Zusammenhang zu gebrauchen; denn das Land, das da östlich der Trennungslinie auf der anderen Seite liegt, ist ja nicht hinteres Land, sondern es ist zusammen mit dem Land auf der westlichen Seite die deutsche Mittellinie, es ist exakt die deutsche Mitte.Wenn wir — wie mit diesem Gesetz - dem uns zugänglichen Gebiet Hilfe und Förderung geben, dann tun wir das nicht nur aus Gründen menschlicher Pflicht und wirtschaftlicher Notwendigkeit, sondern wir tun es auch deshalb, weil die Verkümmerung des Zonenrandgebietes verhindert werden soll und weil wir eben an dem großen Ziel festhalten, dieses Land einmal wieder auch politisch zur Mitte Deutschlands werden zu lassen in einem nach freier Selbstbestimmung geeinten und gestalteten Deutschland.
Das Gesetz, über das jetzt abschließend zu entscheiden ist, gibt der Förderung des östlichen Randgebietes der Bundesrepublik eine verläßliche Grundlage. Bisher waren die Förderungsmaßnahmen aufgesplittert in Verwaltungsregelungen und Spezialgesetze. Nunmehr wird auch die Förderung nach den Verwaltungsregelungen eine gesetzliche Grundlage erhalten. Es ist ein eindrucksvoller Katalog von Förderungen, die jetzt gesetzlich im Gesamtzusammenhang fundiert und gesichert sind. Ich nenne nur einige: das regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung, die Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen, die Bereitstellung von Bundesmitteln für sozialen Wohnungsbau, steuerliche Vergünstigungen, Entwicklung der Verkehrswege, Sportstättenbau, kulturelle Förderung und andere.Sehr viel hängt natürlich von der konkreten, praxisgestaltenden Ausfüllung des Gesetzes durch die Verwaltung ab. Das Gesetz schafft die Grundlage und zieht die Grundlinien. Bund, Länder und Gemeinden, die kommunalen Zusammenschlüsse, Wirtschaft und Gewerkschaften müssen in der Praxis zusammenwirken, damit auf der Grundlage dieses Gesetzes eine gedeihliche und verläßliche Wirklichkeit für jenes großes Gebiet entsteht, das auf unserer Seite nach Berlin am stärksten von der widernatürlichen Zerreißung Deutschlands unmittelbar betroffen ist.Meine Damen und Herren, nicht allen Wünschen und Anregungen, die dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen vorgetragen worden sind, konnte entsprochen werden. Aber jeder Wunsch und jede Anregung wurde gründlich erwogen. Wenn einige Zeit vergangen ist und Erfahrung mit dem Gesetz vorliegt, wahrscheinlich im Herbst nächsten Jahres, wird der Ausschuß das Zonenrandgebiet auf-
Metadaten/Kopzeile:
7432 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971
Dr. Gradlsuchen, um einen unmittelbaren Eindruck zu gewinnen.Wenn man in diesem Augenblick mit einer gewissen Genugtuung feststellen darf, daß mit dem Gesetz eine Art Grundgesetz der Zonenrandförderung gelungen ist, dann darf dabei doch nicht einen Augenblick vergessen werden, daß die eigentliche Not damit nur gemildert, nicht beseitigt werden kann.
Die eigentliche Not, das ist die menschliche Not, die Not der Trennung von den vertrauten Menschen und Orten auf der anderen Seite. Nachbarstädte und Nachbardörfer beiderseits der Trennungslinie scheinen weiter voneinander entfernt als Erdteile. Nichts gibt es an kultureller Verbindung, an sportlichem Wettbewerb, Besucher müssen nach einem komplizierten Genehmigungsverfahren grotesk weite Umwege nehmen, um Orte zu erreichen, die sie mit dem Blick auf der anderen Seite erfassen können. Schon der Gedanke an Begegnungen und nachbarliche Zusammenarbeit zwischen Nachbargemeinden, um gemeinsam interessierende Maßnahmen durchzuführen, hat heute den Charakter einer reinen Illusion. Das, was als DDR international hoffähig werden und in die großen Organisationen der Völkergemeinschaft hinein will, verhält sich dort, wo es allein die Verantwortung hat, so abschließend, trennend, isolierend wie ein Seuchengebiet. Man beruft sich in Ost-Berlin auf Weltgesundheit, Umweltschutz und dergleichen, um Zugang in die internationalen Organisationen zu fordern. Aber entlang der Trennungslinie, wo die Sauberkeit der Gewässer oder der Wald- und Feuerschutz oder die Bekämpfung von Tierseuchen eine praktische Notwendigkeit sind und deshalb eine Selbstverständlichkeit sein sollten, da ist nichts von Verantwortung und kooperativer Bereitschaft in den menschlichen und sachlichen Beziehungen zu spüren.
Dies ist die andere deutsche Wirklichkeit am Zonenrand, die wir mit diesem Gesetz nicht bessern können. Sie zu ändern ist die große nationalpolitische Aufgabe. Über den Weg gibt es zwischen uns hier schwere Meinungsverschiedenheiten. Die Aufgabe selbst ist und bleibt uns allen gestellt.Dies, meine Damen und Herren, am Tag der deutschen Einheit nicht uns hier — da wäre es nicht nötig —, sondern nach draußen und drüben zu sagen, schien mir aus Anlaß eines Gesetzes, das als Folge der Teilung Deutschlands notwendig ist, geziemend zu sein.Lassen Sie mich zum Schluß auch ein Wort des Dankes sagen. Die Aufgabe, die der Gesetzentwurf stellte, war schwierig. Die Meinungen über das, was richtig, möglich und notwendig sei, waren zum Teil sehr verschieden, zum Teil gegensätzlich. Schließlich war Zeitnot; denn wir wollten das Gesetz vor der Sommerpause verabschiedet haben. Daß der selbst gestellte Termin eingehalten und darüber hinaus ein von allen Fraktionen getragener Gesetzestext vorgelegt werden konnte, ist vor allem ein Verdienst der interfraktionellen Arbeitsgruppe, die wir gebildet hatten. Sie hat in vielen Beratungen ohne Rücksicht auf Pausen und Ferien die Einigung herbeigeführt. Den Mitgliedern dieser Gruppe möchte ich als Vorsitzender des Ausschusses deshalb heute hier besonders danken. In den Dank muß ich aber, weil sie es wirklich verdient haben, auch die Beamten der beteiligten Ministerien und anderen öffentlichen Institutionen einbeziehen.
Ich bitte das Haus um Zustimmung zu dem Gesetz.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen von den Fraktionen mehr vor.
Ich erteile daher das Wort dem Herrn Bundesminister Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor das Hohe Haus zur Abstimmung über das Zonenrandförderungsgesetz in dritter Lesung kommt, möchte ich aus meiner Sicht als zuständiger Ressortminister einige Bemerkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf machen.Die einmütige Zustimmung, die der Entwurf des Zonenrandförderungsgesetzes in den bisherigen Beratungen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages gefunden hat, ist ein guter Beweis dafür, daß alle Seiten die große Bedeutung der Förderung des Zonenrandgebietes erkannt und anerkannt haben.Der Weg bis zur Schaffung des Gesetzes ist sehr lang und mühsam gewesen. Es hat viele Versuche gegeben, den Problemen in diesem Gebiet gerecht zu werden, Lösungen und Beiträge zu finden, die die besondere Lage der Menschen dort verbessern helfen sollten. Aber nunmehr haben wir mit diesem Gesetz eine Handhabe, eine Möglichkeit bekommen, aus einer besonderen Verpflichtung heraus mit besonderen Mitteln zu wirken.Wir wissen, daß die Menschen im Zonenrandgebiet noch heute in ganz besonderem Maße unter den Folgen der Spaltung Deutschlands leiden. Es bleibt unser Ziel, alles zu tun, um in diesem Raum Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die denen im übrigen Bundesgebiet mindestens gleichwertig sind. Das ist nicht nur eine Frage der Strukturverbesserung, sondern eine erstrangige politische Aufgabe, der sich mein Haus in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Aus diesem Grunde hat die Federführung für das Zonenrandförderungsgesetz auch im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen gelegen.Ich freue mich, daß ich heute dem Hohen Hause und seinen Ausschüssen für die umfangreiche und bis in die Einzelheiten künftiger Erlasse gehende Arbeit danken kann. Mein Dank gilt insbesondere der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen, die unter Leitung der Kollegen Hösl und Zebisch in 16 teils ganz-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Juni 1971 7433
Bundesminister Franketägigen Sitzungen die Hauptlast der Beratungen getragen hat. Mein Dank gilt aber auch dem Bundesrat, der das Gesetz noch im zweiten Durchgang behandeln wird. Mein Dank gilt ebenso den Regierungen der vor allen Dingen interessierten Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern sowie all den vielen Sachverständigen, den Spitzenverbänden, die sich seit vielen Jahren um die Lösung der Probleme bemühen, all denen, die während der Ausschußberatungen immer wieder Anregungen und Verbesserungsvorschläge gemacht haben.Die Förderung des Zonenrandgebietes ist seit vielen Jahren Bestandteil des gemeinsamen Bemühens des Deutschen Bundestages. An dieser Stelle möchte ich meinem Vorgänger im Amt, Herbert Wehner, für sein Wirken und seine Initiativen während seiner Amtszeit danken. Ja, ich glaube, die besonderen politischen Probleme, die sich für dieses Gebiet über die ganzen Jahre gezeigt und entwickelt haben, sind unlösbar auch mit dem Namen Herbert Wehner verbunden,
der von Anbeginn bemüht war, der jeweiligen konkreten Situation gerecht zu werden, und der auch immer um die breite Zustimmung dieses Hauses bemüht war, weil es um eine lebenswichtige Frage für unser ganzes Volk ging. Es ist daher nur selbstverständlich, daß viele Elemente aus jener Entwicklungszeit Eingang in dieses Gesetz gefunden haben.Mit der Verabschiedung des Zonenrandförderungsgesetzes wird die bisherige bewährte Förderung des Zonenrandgebietes, die auf dem Verwaltungswege durchgeführt wurde, ungeschmälert gesetzlich verankert. Darüber hinaus ist in das Gesetz aber auch eine Reihe von Verbesserungen gegenüber den seitherigen Verwaltungsregelungen eingearbeitet worden, die wesentlich dazu beitragen, die wirtschaftliche Struktur, die Arbeits- und Lebensbedingungen in diesem Gebiet zu verbessern. Bereits in diesem Jahr werden für das Zonenrandgebiet zusätzlich 80 Millionen DM zur Verfügung stehen.Wenn dennoch nicht alle Wünsche und Erwartungen, die an das Inkrafttreten des Gesetzes geknüpft werden, erfüllt werden können — diese Wünsche und Erwartungen sind vielschichtiger Natur, wie auch schon aus der Diskussion zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zu erkennen war —, so ist das allein auf die Knappheit der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, aber auch der Haushaltsmittel zurückzuführen. Das Gesetz gibt der Bundesregierung die Möglichkeit, in akuten Notfällen wie bisher auch in Zukunft rasch und unkonventionell zu handeln. Unsere Bemühungen zielen darauf, die Struktur des Zonenrandgebietes in entsprechenden Bereichen so zu verbessern, daß sie trotz ihrer ungünstigen wirtschaftsgeographischen Lage dereinst auf besonders intensive Förderung verzichten können. Wir habenuns da zwar ein hohes Ziel gesteckt, aber durch ständiges Bemüheen scheint es erreichbar zu sein; und dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege dahin.Dieses Gesetz ist kein Subventionsgesetz — darum habe ich mir eben auch diese Bemerkung erlaubt , sondern ein Gesetz, durch das Hilfe zur Selbsthilfe gegeben werden soll.Wir sprechen über einen Raum, der bis zum Kriegsende eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Ost und West im Zentrum des Deutschen Reiches erfüllte, der sich dann aber plötzlich in eine Randlage gedrängt sah. Diese Randlage ist vielschichtig bedingt, und das Gebiet trägt nicht zuletzt auch als Grenzgebiet der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft seine besonderen Erkennungszeichen. Unseren dort lebenden Mitbürgern können die Belastungen und Schwierigkeiten, die sich aus der Randlage ergeben, nicht allein aufgebürdet werden, sondern sie müssen auf alle Schultern verteilt werden. Mit der Verabschiedung des Zonenrandförderungsgesetzes wird diese Aufgabe durch den Bundestag insgesamt bejaht und gesetzlich fixiert. Dies scheint mir ein Stück praktischer Deutschlandpolitik zu sein. Denn eines, meine Damen und Herren, ist für unsere Arbeit verpflichtend: wir haben für jeden einzelnen von der Spaltung betroffenen Deutschen das uns Mögliche zu tun, um seine konkrete Lage zu verbessern. Das ist unsere Leitlinie, und davon läßt sich die Bundesregierung in ihrer gesamten Deutschlandpolitik leiten. Ich danke Ihnen und bitte, dem Gesetz die Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. In zweiter Beratung sind sämtliche Paragraphen, Einleitung und Überschrift einstimmig angenommen worden. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.
Wir haben noch über die Ziffern 2, 3 und 4 des Ausschußantrages abzustimmen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier stelle ich einstimmige Annahme fest.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Sitzung des Wirtschaftsausschusses nicht, wie vorgesehen, um 14.30 Uhr, sondern um 15 Uhr beginnen soll. Damit sind wir am Ende der für heute vorgesehenen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 18. Juni 1971, 9 Uhr, ein.
Ich schließe die heutige Sitzung.