Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst vorzutragen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung ergänzt werden soll um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen. Ist das Haus mit der Aufnahme dieses Punktes auf die Tagesordnung einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Die folgende Amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat am 11. Oktober 1967 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner 5. Sitzung am 11. Oktober 1967 das vom Bundestag am 28. Juni 1967 beschlossene Gesetz über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968 bestätigt hat. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2068 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 125. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Oktober 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Staratzke, Drucksache V/2155 Nrn. 40, 41 und 42 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 10. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die in der ersten Frage angeführte Vorschrift ist im Jahre 1956 in das Zollgesetz aufgenommen worden. Die Anregung dazu ging von damaligen Angehörigen des Bundestages aus. Das Motiv dafür war, den zwischenstaatlichen Programmaustausch zwischen den Rundfunkanstalten zu erleichtern. Damals sah der Bundestag darin keine Benachteiligung privater Filmimporteure.
Die Bundesregierung sieht vorerst keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen. In diesem Zusammenhang darf darauf
*) Siehe 125. Sitzung, Seite 6324 C
hingewiesen werden, daß die Filmverleiher, die die inländischen Lichtspieltheater versorgen, aus dem Ausland regelmäßig Negative oder Zwischenpositive einführen, die schon nach dem Zolltarif zollfrei sind.
Die in den Fragen zwei und drei angesprochene Zollvergünstigung muß nicht erst eingeführt werden. Sie besteht schon. Waren, die zur Ansicht oder zum ungewissen Verkauf eingeführt werden und im Zollgebiet nicht abgesetzt werden können, sind zollfrei, wenn sie wieder ausgeführt werden. Diese Zollfreiheit, die sich aus § 64 der Allgemeinen Zollordnung ergibt, gilt auch für Filme.
Dann darf ich im Namen des Hauses den Herrn Präsidenten des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa, Herrn Jean Monnet, begrüßen.
Wir treten nun in die Tagesordnung ein.
Ich rufe den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Entschließungen des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa
— Drucksache V/2157 —
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Griechenland
- Drucksache V/1989 —
Das Wort zu einer Erklärung der Bundesregierung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute sind es auf den Tag zehn Monate, seit die Regierung der Großen Koalition vor dem Deutschen Bundestag jene Regierungserklärung abgegeben hat, die ihre Richtschnur ist und bleibt. Es gibt keinen Grund, die Politik des Friedens, der Entspannung und der Kooperationsbereitschaft zu ändern, die im vergangenen Dezember festgelegt worden ist. Es ist eine Politik, die die Regierung geschlossen vertritt.Meine heutige Erklärung wird sich auf die Europapolitik konzentrieren. Vorweg möchte ich jedoch einige Bemerkungen zum Thema der Nichtverbreitung von Atomwaffen machen.Hier im Bundestag ist im Frühjahr eine Grundsatzdebatte über den sogenannten Atomwaffen-
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Bundesminister BrandtSperrvertrag geführt worden. Seither ist der Genfer Abrüstungskonferenz bekanntlich der Bleichlautende Entwurf eines solchen Vertrages durch die beiden Kopräsidenten, also die Vertreter der USA und der UdSSR, vorgelegt worden. Ausgespart wurde dabei jener Artikel, der sich mit den Kontrollen befaßt. Darüber sind Verhandlungen und Konsultationen im Gange.Was die besonderen europäischen Aspekte angeht, stehen noch in diesem Monat wichtige Erörterungen bevor. Im übrigen hat der Gang der Genfer Konferenz nichts ergeben, was die Bundesregierung veranlassen könnte, ihre Haltung zu revidieren. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland nimmt zur Nichtverbreitung von Atomwaffen weiterhin eine konstruktive Haltung ein. Sie ist für einen Vertrag, der weltweit annehmbar ist. Dabei darf die zivile Nutzung der Kernenergie nicht behindert, sondern sie sollte gefördert werden. Es muß zu möglichst ausgewogenen Vertragsverpflichtungen kommen. Der Zusammenhang mit weiterreichenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung muß deutlich werden. Die Anpassung an die wissenschaftlich-technische Entwicklung darf nicht erschwert werden. Schließlich darf ein solcher Vertrag die Sicherheit nicht beeinträchtigen. Es hat sich gezeigt, daß wir es im Grunde nicht mit spezifisch deutschen Gesichtspunkten zu tun haben.Der Vertrag ist, wie man weiß, auch jetzt noch nicht unterschriftsreif. Er kann deshalb auch noch nicht abschließend beurteilt werden. Man kann davon ausgehen, daß die Diskussion sich im Laufe der nächsten Wochen zu den Vereinten Nationen — zur Generalversammlung — nach New York hin verlagern wird. Eine zusätzliche Problematik hat sich aus der Entwicklung von — wenn auch begrenzten — nuklearen Raketenabwehrsystemen ergeben.Nun komme ich zu unserer Europapolitik. Ich wende mich zunächst dem Teilgebiet zu, das in diesen Monaten besondere Aufmerksamkeit auf sich lenkte, also unsere Ostpolitik. Sie hat im Westen und in der neutralen Welt viel Beachtung gefunden. Der Bundesregierung liegt daran, von dieser Stelle aus all den Repräsentanten befreundeter Staaten zu danken, die unsere Politik der Friedenssicherung, der Aussöhnung und der sachlichen Zusammenarbeit geduldig erklärt und verständnisvoll gefördert haben.
Es ist das Ergebnis unserer Bemühungen und der Unterstützung unserer Freunde, daß niemand mehr glaubwürdig ist, der behauptet, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Störenfried oder ein Hindernis der Entspannung. Hier haben wir es mit einer echten Klimaveränderung zu tun. Die Vorwürfe, die Bundesregierung bereite eine Aggression vor, sie sei imperialistisch, sie gefährde den Frieden — und was es dergleichen noch gibt —, diese Vorwürfe gehen ins Leere. Wer sich steigert, wird dadurch nur noch unglaubwürdiger. Keine Propaganda kann die Tatsache aus der Welt schaffen, daß die Bundesrepublik Deutschland bereit ist, mit allen Staaten Ost- und Südosteuropas ihre Beziehungen zu normalisieren, die Beziehungen zur Sowjetunion auszubauen und zu verbessern und die Problematik des geteilten Deutschlands dabei keineswegs auszuklammern.Wir werden ein Stadium erreichen, in dem es noch offensichtlicher sein wird, als es heute schon ist, daß es allein vom guten Willen der Führungen in den östlichen Machtzentren abhängt — und nicht von der Haltung der Bundesregierung —, ob durch praktische Fortschritte, durch Verträge, Abkommen oder Übereinkünfte die Entspannung in Europa vorangebracht werden kann. Daß die Bundesregierung dazu bereit ist, daß sie bereit ist, sich beim Wort nehmen zu lassen, ist eine Realität, an der man auf die Dauer auch in Ostberlin nicht wird vorbeigehen können.Die Bundesregierung hat allen Grund, an ihrer Politik der konstruktiven Bereitschaft mit Geduld festzuhalten, keinen Illusionen nachzujagen, sich aber auch durch keinerlei Störmanöver von dieser Politik abbringen zu lassen. Es wird wichtig sein, wenn der Deutsche Bundestag, so wie dies durch die Zustimmung zur Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 geschah, diese Politik weiterhin in großer Einmütigkeit unterstützt.Meine Damen und Herren, über die Interdependenz zwischen der Ostpolitik und den innerdeutschen Fragen sind wir uns sicherlich im klaren. Die Bundesregierung bleibt bemüht, das Verhältnis der beiden Teile Deutschlands zueinander und zur Außenwelt mit der allgemeinen, wenn auch schwierigen Entwicklung zur Entspannung in Einklang zu bringen. Die beiden Briefe von Bundeskanzler Kiesinger an Herrn Stoph beweisen das; sie stellen keine Vorbedingung. Auch zwischen den beiden Teilen Deutschlands können, wie das im größeren Zusammenhang zwischen Ost und West gilt, nur dann Fortschritte erzielt werden, wenn mögliche Übereinkünfte auf Gebieten gemeinsamer Interessen nicht durch unerfüllbare Vorbedingungen verhindert werden. Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR kommt für uns nicht in Frage; sie ist kein Verhandlungs- und Gesprächsgegenstand.
Die Bundesregierung ist aber bereit, mit den nun einmal zuständigen Stellen die innerdeutschen Beziehungen zu verbessern und jene Hindernisse abzubauen, die sich dem menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch generell heute entgegenstellen. Die Bundesregierung wünscht gewiß nicht, daß die Menschen im anderen Teil Deutschlands isoliert werden, sondern sie erstrebt, daß alle Deutschen am Austausch und am Fortschritt teilhaben können. Solange wir die einzige Regierung auf deutschem Boden sind, die vom Volk in freien Wahlen gewählt worden ist, ergeben sich für uns besondere Pflichten. Soweit wir dazu in der Lage sind, haben wir uns um die Einheit der Nation zu kümmern und für das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes einzutreten. Wir haben keinen Anspruch darauf erhoben, gegenüber dem anderen Teil
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Bundesminister BrandtDeutschlands behördliche Macht auszuüben; von uns wird aber auch niemandes Leben bedroht, der von Deutschland nach Deutschland will.
Wir fühlen uns verpflichtet, unseren LandsleutenHilfe und Beistand zu gewähren, wo sie ihrer bedürfen und wo wir in der Lage sind, sie zu leisten.Meine Damen und Herren, die Beziehungen zur Sowjetunion haben in unseren Überlegungen selbstverständlich einen besonderen Rang. Dies zu betonen, entspricht den Realitäten und der Geschichte. Wir haben der Sowjetunion gesagt, daß wir jederzeit bereit sind, in eine Erörterung aller wesentlichen Fragen unserer Beziehungen einzutreten. Wir sind uns bewußt, daß eine derartige Phase ernsthafter Gespräche Zeit braucht. Wir haben uns auch bereit erklärt, die schneller lösbaren Fragen zunächst zu behandeln. Ich nenne als Beispiele: Wiederaufnahme von Verhandlungen zum Abschluß eines Handelsabkommens, Förderung der deutschsowjetischen Kulturbeziehungen, Abmachungen über technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit — auch auf dem Gebiet der Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke —, Einrichtung einer direkten Luftverbindung Frankfurt—Moskau. Die Regierung der Sowjetunion weiß, daß wir zum Austausch von Gewaltverzichtserklärungen bereit sind. Selbstverständlich haben wir uns bereit erklärt, auch über Fragen zu sprechen, an deren Erörterung der Sowjetunion liegen sollte. Ich kann dem Hohen Hause mitteilen, daß das Gespräch nicht erst zu beginnen braucht, sondern zu verschiedenen Fragen von gemeinsamem Interesse im Gange ist. Allerdings deutet zunächst leider noch nichts darauf hin, daß eine grundlegende Verbesserung ,der Beziehungen bevorstünde.Die Bereitschaft der Bundesregierung, die Beziehungen zu den Staaten und den Völkern Ost- und Südosteuropas zu verbessern, ist weithin registriert worden und gilt unvermindert. Ich bekräftige: Wir wünschen aufrichtig Aussöhnung und Entspannung mit jedem dieser Völker und Staaten. Diese Politik entspricht unseren Bemühungen um die Sicherung des Friedens in Europa und soll dazu beitragen, die Voraussetzungen für eine europäische Friedensordnung zu schaffen. Die Bundesregierung ist bereit, zu jedem dieser Staaten ihre Beziehungen in dem Maße zu entwickeln, in dem die Regierung dieses Staates ihrerseits dazu bereit und in der Lage ist.Uns geht es nicht nur um formale, sondern vor allem um praktische Fortschritte.Sie wissen, meine Damen und Herren, daß wir im Sommer dieses Jahres mit der Sozialistischen Volksrepublik Rumänien Botschafter ausgetauscht haben. Anfang August ist ein Abkommen über die Zusammenarbeit im technisch-wissenschaftlichen Bereich unterzeichnet worden. Verhandlungen für die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen stehen unmittelbar bevor. Die Gespräche, die ich im August in Bukarest und am Schwarzen Meer führen konnte, haben einen freimütigen politischen Dialog eingeleitet, den wir fortsetzen möchten und der der Entspannung zwischen Ost und West und damit auch anderen. Völkern zugute kommen kann. Unsere Beziehungen zu Rumänien bieten ein Beispiel für wirklichkeitsnahe Zusammenarbeit, die eine tragfähige Brücke schlägt über unterschiedliche politische Auffassungen hinweg.Mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ist Anfang August ,ein Abkommen über den Austausch von Handelsvertretungen und ein Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr unterzeichnet worden. Damit haben die beiden Länder zum erstenmal amtliche Beziehungen aufgenommen, die die Bundesregierung als einen Übergang zur Normalisierung der Beziehungen betrachtet. Wir messen dem Verhältnis zu dem einzigen unmittelbaren kommunistischen Nachbarstaat der Bundesrepublik Deutschland besonderes Gewicht bei und hoffen, daß ,die beiden Handelsvertretungen noch in diesem Jahre, und zwar möglichst wenig restriktiv, mit ihrer praktischen Arbeit beginnen können.Die Bundesregierung bedauert, daß die deutschpolnischen Beziehungen noch nicht verbessert werden konnten. Unser erklärtes Verständnis für den Wunsch des polnischen Volkes, in gesicherten Grenzen zu leben, ist vom Aussöhnungswillen diktiert. Wir haben ebenso offen gesagt, daß nur in einem Friedensvertrag über die Grenzfrage entschieden werden kann. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, der einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen und einem ernsthaften deutsch-polnischen Gespräch im Wege stehen könnte.
Wir haben den Eindruck, daß die Regierungen Ungarns und Bulgariens unseren Wunsch nach verbesserten Beziehungen teilen, daß sie jedoch aus Gründen, über die ich nicht Spekulationen anstellen will, die Zeit für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen noch nicht für gekommen halten. Wir respektieren diese abwartende Haltung, wir drängen niemanden und hoffen, daß die wechselseitigen Interessen unserer Staaten zu einer fortschreitenden Annäherung führen werden.Das blockfreie Jugoslawien ist ein in Ost und West geachtetes Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft. Es ist der Wunsch der Bundesregierung, gerade mit diesem Land Beziehungen wieder völlig zu normalisieren, und wir hoffen, daß die damit verbundenen rechtlichen bzw. politischen Schwierigkeiten überwunden werden können. Inzwischen üben die deutschen und jugoslawischen Stäbe bei ,den Schutzmachtvertretungen ohne formelle Änderung ihres Status praktisch die Aufgaben selbständiger Missionen aus. Die faktischen Beziehungen haben sich zufriedenstellend entwickelt. Verhandlungen über den Abschluß eines langfristigen Warenabkommens, über Gastarbeiter und über kulturelle Fragen sind vorgesehen.Dies ist eine Zwischenbilanz, die ich nicht negativ nennen würde. Dabei ist es wichtig zu wissen, daß unsere eigenen Bemühungen eingebettet sind in Überlegungen der westlichen Gemeinschaften, zu denen wir gehören. Ich denke hier vor allem auch an die Vorarbeiten zu Elementen einer europäischen Friedensordnung, an denen wir mitwirken, und an
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Bundesminister BrandtVorschläge für bessere Konsultationen und Koordinierung in Ost-West-Fragen, die wir angeregt haben und begrüßen.Meine Damen und Herren, Aussöhnung und Zusammenarbeit, wie wir sie mit den osteuropäischen Völkern anstreben, sind in Westeuropa bereits eine Tatsache geworden. Die Politik der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas ist ein wesentliches Element für die Organisierung des Friedens in unserer Welt.
Die Zusammenarbeit und Einigung Europas ist gegen niemanden gerichtet. In einer gefährlichen Zeit und einer zerstrittenen Welt sollte sie vielmehr ein Beispiel dafür sein, wie die Völker durch friedliches Zusammenwirken zu Wohlstand und Sicherheit gelangen können.Wir können mit Genugtuung fesstellen, daß ,die europäischen Gemeinschaften seit der Bundestagsdebatte vom 22. Februar dieses Jahres Fortschritte gemacht haben. Die Verschmelzung der drei Organe der europäischen Gemeinschaften ist ein erster Schritt zur Vereinfachung und Rationalisierung der Arbeit. Die Gemeinsame Kommission unter der Leitung des Präsidenten Jean Rey findet das volle Vertrauen und die Unterstützung der Bundesregierung. Bei idieser Gelegenheit liegt mir daran, als Bundesminister des Auswärtigen und zugleich für die Bundesregierung zu sagen, mit welcher Wertschätzung wir uns der bahnbrechenden Aktivität Professor Hallsteins erinnern.
Wir freuen uns mit ihm, wenn ihm morgen in Metz die Robert-Schumann-Medaille verliehen werden wird.
Meine Damen und Herren, auch der erfolgreiche Abschluß der Kennedy-Runde ist ein Erfolg für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist dabei als Gemeinschaft aufgetreten und hat wesentlich zum Gelingen dieser überaus wichtigen Verhandlungen beigetragen.Die Beitrittsanträge Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens sowie der Antrag Schwedens bestätigen die bisherige erfolgreiche Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie stellen uns und andere aber auch vor eine der großen Optionen der europäischen Politik: Soll und darf der Graben, der westeuropäische Länder voneinander trennt, erhalten bleiben? Sollen und dürfen europäische Staaten mit demokratischer Tradition und wirtschaftlicher Maturität vom europäischen Einigungswerk ausgeschlossen bleiben? Wir haben in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 gesagt — ich darf zitieren —:Die Gemeinschaft der Sechs soll allen europäischen Staaten offenstehen, die sich zu ihren Zielen bekennen. Besonders würden wir eine Teilnahme Großbritanniens und anderer EFTA- Länder begrüßen.
Diese grundsätzliche Orientierung ist für uns maßgebend gewesen. Deshalb stimmt die Regierung auch dem zu, was die drei Fraktionen dieses Hohen Hauses durch ihre Entschließung anstreben. Wir haben gegenüber niemandem ein Hehl daraus gemacht, daß der Beitritt Großbritanniens und anderer EFTA-Länder im deutschen Interesse liegt, wirtschaftlich und politisch, aber wir haben nicht versäumt, alle sich im Zusammenhang mit dem Beitritt dieser Länder zu den europäischen Gemeinschaften stellenden Probleme sorgfältig zu prüfen. Wir kamen zu dem Ergebnis — und alle interessierten Ressorts waren an dieser Prüfung beteiligt —, daß diese Probleme sich mit jenem Maß guten Willens lösen lassen, mit dem wir uns bereits an den Verhandlungen beteiligt haben, die seinerzeit zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft führten.
Inzwischen liegt auch die Stellungnahme der Kommission der europäischen Gemeinschaften zu diesen Anträgen vor. Das Hohe Haus wird hoffentlich verstehen, daß ich kurz vor der Debatte im Ministerat über dieses Dokument mir eine gewisse Zurückhaltung auferlegen muß. Soviel kann jedoch gesagt werden: Die Stellungnahme der Kommission gibt ein umfassendes Bild der Probleme, die sich im Laufe der Beitrittsverhandlungen stellen werden. Die Bundesregierung kann sich dem Grundsatz der Kommission anschließen, daß neu beitretende Staaten den Vertrag in seiner heutigen Form und die bisher ergangenen Entscheidungen annehmen müssen. Sie müssen auch bereit sein, sich die allgemeinen Zielsetzungen der europäischen Gemeinschaften für die Zukunft zu eigen zu machen. Mit der Kommission sind wir der Meinung, daß die mit einem Beitritt verbundenen wirtschaftlichen Probleme lösbar sind, wenn ein positiver politischer Entschluß der Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften erst einmal zu Verhandlungen geführt haben wird. Die in dem Dokument der Kommission analysierten Probleme, darunter so schwierige Probleme wie die Agrarfrage und die Währungsfrage, sollten unserer Meinung nach im Gespräch mit Großbritannien und den übrigen beitrittswilligen Ländern geklärt werden, und die Bundesregierung wünscht, daß es bald zu solchen Gesprächen kommt.
Manchmal ist in der hinter uns liegenden Zeit gefragt worden, was denn die Bundesregierung tue, um die Erweiterung der europäischen Gemeinschaften aktiv zu fördern. Hierzu ist zu sagen, daß der EWG-Vertrag für die Aufnahme neuer Mitglieder Einstimmigkeit vorschreibt. Wir respektieren diese Vorschrift. Wir haben unsere Haltung in den Organen der Gemeinschaft und in bilateralen Konsultationen und Besprechungen klargemacht. Wir meinen, daß die historische Gelegenheit, auf dem Wege nach Europa voranzukommen, nicht versäumt werden darf.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6335
Bundesminister BrandtWir gehen dabei — ich sage es mit anderen Worten noch einmal — von der Erwartung aus, daß die Antragsteller bereit sind, an einem einigen, an einem zunächst sich einigenden Europa ohne Vorbehalte mitzuwirken. Die Antragsteller werden verstehen, daß die Sorge um die Erhaltung des Geschaffenen legitim ist und eine ernsthafte Prüfung verdient. Wir haben die Argumente der französischen Regierung nicht auf die leichte Schulter genommen, sondern halten unsere guten Dienste bereit, um zu einem Ausgleich der noch stark divergierenden Auffassungen beizutragen.Es muß allerdings auch die Frage gestellt werden, welche Lage in Europa eintreten würde, wenn die Erweiterung der europäischen Gemeinschaften nicht gelänge.
Es wäre bestimmt keine einfache Lage. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die wirtschaftliche Auseinanderentwicklung im westlichen Europa für verschiedene Länder schon jetzt ernste Probleme geschaffen hat. Das uns befreundete Dänemark wird hierdurch beispielsweise besonders betroffen, und der Bundeskanzler und der Bundesminister des Auswärtigen gleichermaßen möchten, daß unsere dänischen Nachbarn und andere wissen, daß wir es wissen.
Neben dem inneren Ausbau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Wirtschaftsunion und der soeben erörterten Erweiterung der Gemeinschaften wird auch die Verschmelzung der drei europäischen Gemeinschaften auf die Tagesordnung kommen. Ich meine, wenn unsere Partner den Vorschlägen des deutschen Ratspräsidenten folgen, wird der Beitritt Großbritanniens und der übrigen EFTA- Länder dadurch nicht erschwert, sondern erleichtert werden.Meine Damen und Herren, bevor ich mich zu den übrigen Punkten im Antrag der drei Fraktionen äußere, möchte ich einige Bemerkungen machen dürfen zu jenem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, der sich mit Griechenland befaßt. Die Bundesregierung würde es begrüßen wenn sie sich dazu im einzelnen vor dem Ausschuß äußern könnte.Es ist im übrigen nicht pharisäerhaft und es entspringt auch keiner Neigung zur Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen, ja befreundeten Landes, wenn wir sagen: die Entwicklung in Griechenland hat uns mit großer Sorge erfüllt. Mit dieser Entwicklung meine ich die Aufhebung von Grundrechten und die Abkehr von der Demokratie. Im Ministerkomitee des Europarates wird die Bundesregierung über das Ergebnis der Ermittlungen und das Votum der Kommission für die Menschenrechte mit zu entscheiden haben, die dem Ministerkomitee als Ergebnis der von Schweden, Norwegen, Dänemark und Holland eingeleiteten Beschwerde gemäß Artikel 24 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte Anfang 1968 vorliegen werden. Uns geht es dabei um nichts anderes als Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, damit aber auch um die damit verbundene Glaubwürdigkeit von Organisationen, an denen wir beteiligt sind.
Die Bundesregierung kennt die Erklärungen, die der König von Griechenland über die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen abgegeben hat. Gerade die traditionelle Freundschaft zum griechischen Volk läßt uns wünschen, daß dieser Prozeß nicht lange auf sich warten lassen und gut verlaufen möge.
Meine Damen und Herren, ich darf zu den europäischen Gemeinschaften zurückkehren. Sie haben, wie wir wissen, beachtliche Erfolge aufzuweisen. Wenn aber Europa seine wirtschaftliche Wachstumsrate und Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt aufrechterhalten will, so müssen auf einigen technologischen Gebieten, die für die Entwicklung moderner Industriezweige von entscheidender Bedeutung sind, größere Fortschritte gemacht werden. Noch Ende dieses Monats wird der Ministerrat der Gemeinschaften die Probleme der technologischen Zusammenarbeit in Europa eingehend erörtern. Die Bundesregierung wird dabei initiativ werden und geeignete Vorschläge unterbreiten.Wir begrüßen es, daß der Antrag der drei Fraktionen auch eine Entschließung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa über die Gestaltung der technologischen Entwicklung der europäischen Gemeinschaften enthält. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß der Ministerrat beschließen sollte, die bereits begonnenen Arbeiten zur Schaffung der für Forschung und Entwicklung notwendigen Rahmenbedingungen beschleunigt fortzusetzen. Insbesondere sollten gefördert werden die Steuerharmonisierung, das europäische Patent- und Gesellschaftsrecht und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs als notwendige Rahmenbedingungen. Außerdem sollte geprüft werden, ob vorrangig auf folgenden Gebieten Möglichkeiten der Zusammenarbeit bestehen: Informationsverarbeitung und -verbreitung, Umweltbelästigung, Ozeanographie, Entwicklung neuer Werkstoffe und Verkehrsmittel und Meteorologie.Im engen Zusammenhang damit stehen unsere Bemühungen, zu einem realistischen dritten Forschungsprogramm von Euratom zu kommen. Daß der Beitritt Großbritanniens mit seinem beachtlichen Potential bei den Bemühungen, den technologischen Rückstand Europas zu vermindern, eine wesentliche Bedeutung haben würde, liegt auf der Hand. Der Sinn der europäischen Einigung liegt, so meine ich, auch darin, daß unser Kontinent rasch und zielstrebig Anschluß gewinnt an die Dimensionen des 21. Jahrhunderts.
Wenn die europäischen Gemeinschaften sich weiterhin so ausweiten und entwickeln, wie die Bundesregierung es wünscht, so wird ihre, der Gemeinschaften, Rolle in der Welt, so wird Europas Rolle in der Welt wirtschaftlich und politisch gestärkt werden. Die engen Beziehungen zu den Vereinigten
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Bundesminister BrandtStaaten, die auf dem Gebiet der Handelspolitik schon in der Kennedy-Runde hergestellt wurden, werden auf andere Gebiete ausgedehnt werden können. Die Vision eines selbständigen Europa, das mit einer Stimme spricht und ebenbürtig neben die Vereinigten Staaten tritt, kann dann Wirklichkeit werden.Im übrigen sind die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Gemeinschaften heute schon recht eng. Ein amerikanischer Botschafter ist bei den Gemeinschaften akkreditiert. In der OECD, im GATT und im Internationalen Währungsfonds geht eine wenig spektakuläre, aber wirkungsvolle Zusammenarbeit vor sich. Die Bundesregierung ist dafür, diese Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Dabei wird auch der Gedanke eines Verbindungsausschusses von Nutzen sein können.Schließlich — das ist das vierte Element jenes Antrages. der das Hohe Haus heute befaßt — soll die europäische Einigung jener konsequenten und wirksamen Friedenspolitik dienen, durch die die politischen Spannungen zwischen Ost und West beseitigt werden sollen. Alle Bestrebungen, die Gemeinschaften für dieses Ziel nutzbar zu machen, finden die Unterstützung der Bundesregierung. Sie ist überzeugt, daß die Zusammenarbeit, zu der sich die westeuropäischen Völker bereit gefunden haben, auch für die Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa von Bedeutung sein wird. Die europäische Einigung ist nicht nur kein Hindernis für den Ausgleich der Interessen, sondern sie wird sich als ein fördernder und als ein stabilisierender Faktor erweisen.Auch die Sowjetunion und die anderen osteuropäischen Länder sind gut beraten, wenn sie die Europäischen Gemeinschaften realistisch einschätzen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer, zumal sich erweiternden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit einer optimalen Koordinierung der Osthandelspolitik wird den osteuropäischen Ländern ihr wohlverstandenes Interesse an einem sich ausdehnenden Ost-West-Handel noch klarer vor Augen führen. Wir denken dabei auch — wie in dem vorliegenden Antrag ausgeführt ist — an einen verstärkten Austausch technologischer Kenntnisse. Gerade hier bietet sich für die Ost-West-Zusammenarbeit ein Feld an, das für den Frieden und die Wohlfahrt der europäischen Völker von entscheidender Bedeutung ist.Für die Bundesregierung besteht kein Gegensatz zwischen ihren Bemühungen um die Einigung der westeuropäischen Länder und den Bemühungen um Zusammenarbeit mit Osteuropa. Nach wie vor handelt es sich darum, daß die Europäischen Gemeinschaften wirtschaftlich und politisch gestärkt werden. Aber die durch die Einigung vergrößerte Potenz soll dem Dialog zwischen West- und Osteuropa dienen mit dem Ziel, über die unterschiedlichen Systeme hinweg eine auf gesunden Interessen beruhende Zusammenarbeit einzuleiten.Was die politische Zusammenarbeit und Einigung in unserem Europa angeht, so sind unsere Erwartungen im Vergleich zu den unmittelbaren Nachkriegsjahren gedämpft worden. Wir werden für eine solche Entwicklung zur politischen Einheit größere Zeiträume zugrunde legen müssen. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Überzeugung, daß die mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unwiderruflich gewordene Entwicklung eines Tages in eine vertragliche Form der politischen Zusammenarbeit Europas münden wird.
Dieser Prozeß wird nicht so perfektionistisch verlaufen, wie es von manchen erhofft worden ist; aber er wird auch nicht die Eigenart der europäischen Völker auslöschen, wie es von anderen befürchtet wird.Die Zusammenarbeit und Einigung Europas entspricht der Logik unserer Zeit, der sich auf die Dauer keiner entziehen kann. Nur durch die Zusammenfassung der begrenzten Kräfte der einzelnen Völker können wir Europa einen guten Platz in der Welt von morgen sichern. Nur auf diese Weise können wir seiner, Europas Stimme gebührend Gewicht verschaffen. Nur auf diesem Wege werden wir Europäer imstande sein, für die Bewahrung des Weltfriedens und die Wohlfahrt der Völker volle Mitverantwortung zu übernehmen.Meine Damen und Herren! Nach Jahren der Stagnation hat die Gipfelkonferenz in Rom vom vergangenen Mai den Gedanken der europäischen politischen Zusammenarbeit wiederbelebt. Die Bundesregierung hofft, daß es bald zu einer weiteren Konrenz dieser Art kommen wird. Im übrigen nehmen wir jede Gelegenheit wahr — sei es 'im Rahmen des Europarats, der Westeuropäischen Union oder der Europäischen Gemeinschaften —, um mit unseren Kollegen aus den anderen Ländern einen laufenden Gedankenaustausch zu pflegen.Zum Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich nicht versäumen, hier einmal die Arbeiten der verschiedenen europäischen parlamentarischen Gremien zu würdigen und ihren besonderen Wert für die europäische Politik herauszustellen. Ich weiß, daß diese Arbeiten für zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses mit Mühen und zusätzlichen Belastungen verbunden sind. Aber die europäische Politik der Regierungen muß Stückwerk bleiben, wenn sie nicht von den Völkern getragen wird, die in den europäischen Parlamenten vertreten sind.
Die Bundesregierung ihrerseits ist jedenfalls entschlossen, auf dem hier dargelegten Weg weiterzugehen. Im übrigen stehen wir gern für weitere Beratungen in den Ausschüssen zur Verfügung, wenn das Hohe Haus dies wünschen sollte.
Daß das Haus in eine Beratung dieser Erklärung der Bundesregierung einzutreten wünscht, ist wohl selbstverständlich.Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6337
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt die Gelegenheit zu dieser Aussprache über die auswärtige Politik. Wir sehen in der Erklärung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen einen guten Überblick über die Lage, die Fortschritte und die Absichten der Politik der Bundesregierung. Wir werden uns auch unsererseits möglichst auf die Punkte beschränken, die der Herr Bundesaußenminister in seiner Regierungserklärung angesprochen hat.Ich möchte .deshalb erstens auch ein paar Worte zu den europäischen Dingen sagen, dabei allerdings im Westen beginnen.Durch ,die Politik der europäischen Vereinigung gelang — und dies bleibt festzuhalten — die Aussöhnung mit unseren Nachbarn im Westen, Süden und Norden. Wir sind nun gleichberechtigt. Die Menschen in ganz Europa spüren, daß dies ein lohnender und guter Weg war. Der Lebensstandard im freien Teil Europas ist gestiegen; die Arbeitnehmer wie ,die Unternehmer und die Unternehmen genießen Freizügigkeit. Der größere Gemeinsame Markt macht die Höhen und Tiefen der Konjunkturverläufe weniger dramatisch. Er fördert die wirtschaftliche, die soziale und ,die politische Verflechtung. Eine Jugend wächst heran, die im Bewußtsein europäisch ist, deren Probleme ähnlich sind wie ihr Geschmack und die miteinander Grenzen für altmodische Zöpfe hält.Wir dürfen also sagen, daß sich die EWG bewährt hat und daß sie deshalb in der Art wie in der Methode der Motor bleiben muß. Die sechs Volkswirtschaften der Länder der Gemeinschaft sind nun — wenn auch nach Branchen natürlich sehr unterschiedlich — so verzahnt, daß keiner mehr — ohne den größeren Schaden für sich selbst — alles wieder rückgängig machen könnte.
Wenn ich ein Bild gebrauchen darf: aus sechs Eiernist ein Omelett geworden, und daraus macht niemand mehr sechs Eier, meine Damen und Herren.
Wenn dies so ist und weil dies so ist, sind wir veranlaßt, auch politisch Rücksicht aufeinander zu nehmen. Und so erinnern wir daran, daß wir früher in diesen Einigungsprozeß manche Vorleistung bewußt eingebracht haben. Wir haben uns nie versagt, wenn einer einen Wunsch hatte oder ein Gespräch erbat. Nun wünschen wir etwas. Wir haben den Wunsch und die Bitte, daß — und zwar bald — solide Sachgespräche der Gemeinschaft mit den beitrittswilligen Ländern Europas aufgenommen werden..
Meine Damen und Herren, hier ist durch den Herrn Bundesminister des Auswärtigen auf die Regierungserklärung hingewiesen worden; sie ist zitiert worden. Wir stimmen dem unverändert zu. Auch wir wissen, daß die durch diese Beitrittsgesuche aufgeworfenen Probleme schwierig sind. Deshalb muß man darüber sprechen, und wir erwarten, daß niemand vor der Tür oder vor dem Runden Tisch solcher Sachgespräche ein Nein sagt.Wir hatten aus anderem Anlaß im vergangenen Jahr Gelegenheit genommen, in unserer Fraktion einen Beschluß zur europäischen Politik zu fassen, um unsere Position zu verdeutlichen. Ich möchte das hier noch einmal in Erinnerung bringen. Wir haben am 8. September 1966 folgendes beschlossen, was für uns' fortgilt; aber ich hätte es gern auch im Protokoll dieser Debatte:Die politische Einigung der Staaten des Gemeinsamen Marktes mit offener Tür für den Beitritt anderer Staaten zu gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung für die Lösung der großen Lebensfragen des europäischen Kontinents und eine Vorbedingung für seine politische, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Stellung in der Welt der Zukunft. Es gibt auch keine bessere europäische Sicherheitspolitik als die konsequente Arbeit für die Einheit Europas.
Dies wollten wir heute noch einmal dartun, meine Damen und Herren.Nun liegt uns — und es ist veröffentlicht worden — das Papier der Europäischen Kommission zu diesen Fragen vor. Diesem Papier kann jeder unschwer entnehmen, daß kein leichter Weg vor uns liegt. Die Fragen der verschiedenen Beitritte und der nuancierten Gesuche etwa auch anderer sind sachlich schwierig und nicht allein durch die rechte Einstellung zu Beginn zu lösen. Aber es muß darüber gesprochen werden, und zwar muß so offen, so klar und so ohne Schönfärberei darüber gesprochen werden, wie die Kommission selbst diese Probleme herausgearbeitet hat.Die Eröffnung solcher Sachgespräche nimmt niemandem etwas von seiner Möglichkeit, abschließend auch politisch zu votieren. Diese Freiheit bleibt. Solche Sachgespräche sind aus einem weiteren Grunde nötig: Die Kommission hat ihrem Bericht keinen endgültigen Charakter geben können, weil auch für sie erst durch Gespräche — auch mit den Beitrittsgesuchstellern — alle Sachverhalte so weit aufgeklärt werden können, daß ein Gesamtbild entsteht, auf Grund dessen ein Gesamturteil möglich wird. Sachliches Urteil erfordert also die Aufnahme der Verhandlungen. Wenn sich daraus am Schluß ein positives Urteil für die einzelnen Bereiche ergeben sollte, bleibt immer noch das Ganze zusammen zu sehen und auch die politische Frage zu stellen.Hier stimme ich einer Überlegung des Herrn Bundesaußenministers zu. Ich will sie hier nur noch etwas pronocierter darstellen, wie es, glaube ich, Recht und Möglichkeit des Parlaments ist. Gewiß, die Beitritte würden die Qualität der bisherigen Gemeinschaft verändern. Aber es ist doch auch zu fragen: Würde es nicht die Qualität Europas, also nicht nur die Qualität unserer so erfolgreichen Gemeinschaft, die doch nur Teil Europas ist, auch ver-
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Dr. Barzeländern, wenn etwa die Beitrittsgesuche zurückgewiesen würden?
Meine Damen und Herren, eben dies würde — und das sollte niemand übersehen — die Sturktur Europas nicht nur berühren, sondern beeinträchtigen. Dies würde auch nicht ohne langfristige Wirkung auf zahlreiche außenpolitische Fragen sein, die zum vitalen Kreis unserer Probleme gehören.So stimmen wir erneut zu, wenn die Bundesregierung hier — auch öffentlich — dargetan hat, daß die deutsche Position in diesen Fragen - nicht etwa, weil wir es so wünschen, sondern weil es so ist — ein Stück Mitverantwortung auch für andere Europäer trägt. Der Herr Bundesaußenminister hat — wir begrüßen das — Dänemark ausdrücklich genannt. Er hätte anderes hinzufügen können.Meine Damen und Herren, ich möchte in dieser europäischen Debatte anmerken — und damit folge ich einer guten Tradition des verehrten Heinrich von Brentano —, daß wir bei all diesen europäischen Entwicklungen gut daran tun, auch den Rang und die Rolle der Neutralen für ganz Europa — für uns und für eine künftige Friedensordnung — im Auge. zu behalten und offen zu sein für das, was die Neutralen zu diesem Thema für sich vorschlagen.
Meine Damen und Herren, heute wird man weniger Widerspruch ernten, wenn man feststellt: Wir Europäer haben in den 40er und in den 50er Jahren viel Kraft im Methodenstreit verbraucht. Heute wissen wir alle, daß das natürlich wichtig ist. Wichtiger aber ist, daß es weiter vorangeht. Auch pragmatische Entscheidungen und Kompromisse, die durch Fakten das Gemeinsame stärken, helfen weiter.So frage ich mich: Was soll alles Gerede vom ganzen, vom größeren Europa? Was sollen alle großen Perspektiven einer europäischen Friedensordnung, wenn wir über diesen großen Gedanken vergessen, was wir heute für diese Ziele praktisch tun können?
Meine Damen und Herren, wir können etwas praktisch tun. Zum Greifen nahe liegt die Chance, einen größeren Markt der Europäer zu organisieren und damit einen weiteren Schritt für das vereinte Europa zu tun und hierbei — ich wiederhole es — auch den Neutralen Verständnis zu erweisen.Wenn wir ein modernes Land bleiben wollen, müssen wir Europa wollen. Auch wir hoffen und unterstützen das, was in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen ist, daß eine weitere Konferenz der Regierungschefs — so wie sie von Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger in Rom angeregt und durch seinen Einfluß verabredet worden ist — bald zustande kommt.Meine Damen und Herren, wir haben Walter Hallsteins mit Recht durch Applaus gedacht. Ich hoffe, wir alle in diesem Hause und draußen in der Öffentlichkeit stimmen ihm zu in den Worten, die er hierzu sagt und die ich nun zitiere:Als ohnmächtige Zuschauer verfolgen die Europäer, wie gewaltige Mächte kontinentalen Umfangs der Versuchung ausgesetzt sind, Himmel und Erde untereinander aufzuteilen. Vom Mittelpunkt der Weltpolitik ist Europa an ihre Peripherie gerückt. Sein früheres geistiges Übergewicht wird zum wissenschaftlich-technologischen Untergewicht. Provinzialismus und die Mattigkeit der Sättigung dominieren.Meine Damen und Herren, das ist ein Ausspruch eines Mannes, der die Verhältnisse kennt.So meine ich noch einmal, daß nicht nur die Überschrift gilt: Wenn wir ein modernes Land bleiben wollen, müssen wir Europa wollen. Vielmehr brauchen wir auch, wenn all das, was uns in diesem Hause seit über einem Jahr besonders beschäftigt, nämlich die Stärkung der deutschen Wirtschaftskraft, erfolgreich sein soll, den europäischen Impuls und, wenn es gewünscht wird, auch den der altlantischen Zusammenarbeit.
Wir meinen also — und ich kann mich hierzu kürzer fassen, als ich dachte, weil die Erklärung des Herrn Außenministers zu dem gemeinsamen Antrag bereits sehr präzis war —, daß es an der Zeit ist,1. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zügig und kraftvoll durch volles Ausschöpfen der Möglichkeiten des Vertrages fortzuentwickeln und der technologischen Kooperation Wege zu eröffnen — wir begrüßen insbesondere, was der Herr Bundesaußenminister hierzu gesagt hat —;2. über die Beitrittsgesuche Großbritanniens, Irlands, Norwegens und Dänemarks bald in solide Sachverhandlungen einzutreten;3. deutlich zu machen, daß dieses sich vereinigende Europa die Partnerschaft zu den USA sucht — der Bundesaußenminister hat eben ein gutes Wort gefunden; wenn ich es vorher geahnt hätte, hätte ich versucht, es nachzuformulieren, um die Gemeinsamkeit zu unterstreichen, als er von „ebenbürtig" sprach —;4. scheint es uns an der Zeit zu sein, ebenso deutlich zu machen, daß dieses sich vereinigende Europa offen nach Osten und bereit zur Zusammenarbeit ist.Wir freuen uns — wie Sie aus dem Antrag ersehen können —, in diesen vier Zielrichtungen völlig einig zu sein mit den Parteien und Gewerkschaften aus den sechs Ländern der Gemeinschaft, die dem Europäischen Aktionskomitee unter dem Vorsitz des hochverdienten Jean Monnet angehören und dort zusammenwirken.
Meine Damen und Herren, der uns vorliegende Antrag beruht auf einer Absprache in diesem Komitee. Er sollte, wie das die Übung des Hauses ist, im Auswärtigen Ausschuß im einzelnen weiter beraten werden. Lassen Sie mich nur noch eines oder, besser, zweierlei dazu sagen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6339
Dr. BarzelEs gibt gelegentlich in Diskussionen mit dem Blick auf den Nahen Osten und auf andere Bereiche der Welt die Frage: Wo bleiben wir, die Europäer? Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich: Allein wir selbst enthalten uns Rang und Einfluß in der Welt vor, indem wir uns nicht vereinigen. Kein anderer tut das, nur wir selber.
Wir haben in der Kennedy-Runde erfolgreich mit einer Stimme gesprochen. Es war ein Erfolg für jeden und für das Ganze zugleich. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unterlassen, auch +dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und dem Herrn Bundesbankpräsidenten ein Kompliment zu sagen für den Erfolg, den sie für die Gemeinschaft durch eine an dem Gemeinschaftsgeist orientierte Haltung bei der Lösung der schwierigen internationalen Währungsprobleme zuletzt in Rio erreicht haben.
Haben wir nicht- so frage ich zum Schluß diesesersten Kapitels —, auch schon in der Zeit unserer Zusammenarbeit, hat nicht auch Frankreich, hat nicht Italien, hat nicht auch Großbritannien in den letzten Jahren zu spüren bekommen, wie eng die Grenzen der Realität für das gesonderte Wirken jedes einzelnen europäischen Landes in dieser Welt heute sind? Nur miteinander haben wir Erfolgschancen in der Welt der Zukunft.Meine Damen und Herren, der Herr Bundesaußenminister hat den Blick gleich zu Anfang auf das östliche und mittlere Europa geworfen. Auch wir meinen das ganze, wenn wir von Europa sprechen, so wie wir 'das ganze Deutschland meinen. Es sollte die Übung aufhören, daß man glaubt, deutsche Außenpolitik in eine Abteilung West und eine Abteilung Ost trennen zu können. Man muß das zusammen sehen.Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß wir es — wir haben es zur Einleitung dieses Bundestages für unsere Fraktion im Jahre 1965 gesagt — als die Aufgabe unserer Generation begreifen, die Aussöhnung auch nach Osten zu erreichen. Wir möchten heute, aus einem guten Grunde, wie ich glaube, einen Faden wieder aufnehmen, den Konrad Adenauer am 1. September 1959 zu weben begonnen hat. Er erklärte zu diesem 20. Jahrestag des Ausbruchs ides zweiten Weltkriegs — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich dieses Zitat hier verlesen, das nicht in die Vergessenheit geraten sollte, weder in der Aussage noch im Datum —:
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6340 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit dieses Zitat, dem wir in aller Form zustimmen.Wir stimmen auch zu, wenn die Bundesregierung in der Sommerpause im Zusammenhang mit einem bedeutenden Besuch in Polen ihre Position nochmals unterstrichen hat mit dem Satz, den ich auch hier zitieren möchte:Die Geschichte weist die jetzt unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiete seit Jahrhunderten als deutsches Land aus, aus dem die deutschen Bewohner zu Unrecht vertrieben worden sind.
Meine Damen und Herren, wer eine Lösung für die Zukunft will, darf nicht mit falschen Perspektiven aus der Vergangenheit beginnen.
Der Herr Bundeskanzler hat Herrn Stoph Vorschläge gemacht, die wir hier unterstützt haben und die wir heute in Erinnerung rufen. Herr Stoph kann es sich offenbar nicht erlauben, die Briefe des Herrn Bundeskanzlers zu veröffentlichen, das ist zu bedauern. Wir begrüßen es — und dies wollen wir für jeden ganz klar machen, der künftig, dann aber wider besseres Wissen, etwas anderes erfindet —, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Herrn Stoph rasch, sachlich, korrekt, präzis und klar geantwortet und dabei die politische Mündigkeit und Würde der deutschen Nation unüberhörbar vertreten haben.
Meine Damen und Herren, wenn soviel von Provisorium gesprochen wird, so kann man darüber nachdenken, aber eins ist kein Provisorium, nämlich diese deutsche Nation. Wenn einige überlegen, ob
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6341
Dr. Barzeldie SBZ Inland oder Ausland sei, so sollte man ob all solchen Überlegens nicht vergessen und zunächst betonen, daß auch das Deutschland ist.
Das, meine Damen und Herren, scheint uns wichtig zu sein. Wir bleiben dabei, daß wir den Menschen im ganzen Deutschland die Not der Teilung erleichtern wollen; hierzu werden wir die Pankower immer wieder bedrängen, und die Regierung hat unsere Unterstützung, wenn wir die Initiative behalten.Es bleibt aber ebenso unbestreitbar, daß die Lösung der deutschen Frage ein Weltproblem ist. Unsere Außenpolitik steht im Dienst seiner Lösung. Über diese politischen Fragen ist mit Moskau, nicht mit Pankow zu sprechen. Das Gespräch mit Moskau setzt unsere bleibenden Freundschaften mit dem Westen als Basis voraus. Der Herr Bundeskanzler hat diese Konzeption in seiner Rede zum 17. Juni dieses Jahres im einzelnen dargetan. Diese Rede gehört für uns zum essentiellen Bestandteil unserer politischen Aussage.
Zu dieser Politik gehört Geduld und sehr präzises, stetiges Verfolgen der Vorgänge im anderen Teil Europas und Deutschlands. So vermerken wir mit großem Interesse — ich will einmal einen konkreten Punkt herausnehmen — folgendes: Am 18. Dezember 1965 erklärte Gerhard Kegel, ein wichtiger Mann drüben in Pankow, es gebe „zwei voneinander unabhängige deutsche Nationalstaaten, jeder von ihnen mit einem deutschen Staatsvolk". Ein Textvergleich der Silvesteransprachen Ulbrichts aus den letzten Jahren und Reden aus ähnlichem Anlaß zeigt, daß er von Mal zu Mal immer weniger vom „deutschen Volk" als der Bevölkerung beider Teile Deutschlands gesprochen hat und der Begriff „Volk" immer häufiger allein auf die Bevölkerung der SBZ angewandt wurde. Allein in der letzten Neujahrsansprache sprach Ulbricht fünfmal von „unserem Volk" und den „Völkern beider Staaten", nicht ein einziges Mal vom deutschen Volk und seiner nationalen Einheit. Noch in dem Material der SED zur Vorbereitung ihres letzten Parteitages, dem sogenannten parteiinternen Material, kam Ulbricht mehrfach darauf zu sprechen, daß man von der Vereinigung nicht mehr reden solle. Ich zitiere:Jetzt von Vereinigung zu reden, heißt die historische Klassenauseinandersetzung durch mystischen Nationalismus ersetzen und das Geschäft der Imperialisten besorgen.Am 20. Januar 1967 erklärte Albert Norden:Das Gesetz der Geschichte — das wir in der DDR erfüllten — befiehlt der deutschen Arbeiterklasse, sich selber als Nation zu konstituieren .. .Die parteiinternen Diskussionen zur Vorbereitung des VII. Parteitages haben Ulbricht dann offenbar doch bewogen, die Frage der nationalen Einheit nicht mehr gar so klein zu schreiben wie beabsichtigt, und so erklärte er auf dem VII. Parteitag:Eine Einheit der deutschen Nation unter der Führung der Arbeiterklasse ... erstreben wir mit heißem Herzen.Und nun lesen wir im Brief des Herrn Stoph vom 18. September 1967 die Erwähnung der Einheit der deutschen Nation. Wir sehen also, daß die politische Diskussion in Deutschland das Grundmotiv der nationalen Einheit nicht verloren hat, daß dieses Grundmotiv vielmehr im Jahre 1967 offenbar neuenAuftrieb erhalten hat, so daß die SED sich gezwungen sieht — entgegen ihrem ausdrücklichen Willen —, die Frage der nationalen Einheit zumindest nicht totzuschweigen.Meine Damen und Herren, das mag wenig sein; aber wenn wir nicht so genau hingucken, werden wir keinen Schritt weiterkommen. Ich glaube, wir dürfen hier sagen, daß es der Politik der Bundesregierung gelungen ist, der Diskussion um Deutschland innerhalb und außerhalb unseres Landes neuen Auftrieb zu geben.Diese Diskussionslage zeigt allerdings auch, welch hohen Maßstab die deutsche Gesellschaft an diese Koalition auch insoweit legt, welchen Ansprüchen wir gerecht werden müssen, wenn unser politisches Handeln auf der Höhe der innerdeutschen Diskussion bleiben soll. Meine Damen und Herren, man darf allerdings nicht übersehen, daß die SED zwar gezwungen worden ist, ihr Vokabular auf die innerdeutsche Diskussionslage hin abzustimmen, daß sie jedoch keineswegs von ihrem Deutschlandprogramm abgelassen hat. Für dieses Deutschlandprogramm der SED, das langfristig angelegt ist, sind noch folgende Grundsätze maßgebend; sie ergeben sich auch aus diesem parteiinternen Material: Die deutsche Frage sei seit der Oktober-Revolution Bestandteil der Auseinandersetzung Sozialismus — Imperialismus. Die Deutschlandpolitik der SED ist — jenseits aller Ereignisse der letzten 25 Jahre, jenseits auch aller diplomatischen Bemühungen der fünfziger Jahre, ob uns das paßt oder nicht — noch immer ideologisch angelegt. Seit über 20 Jahren bestehe — so sagt die SED — der Klassenkampf zwischen beiden deutschen Staaten, und eben deshalb sei die Vereinigung nur im Sozialismus möglich. Weiter heißt es: Auch nach einer „Normalisierung" der Beziehungen zwischen zwei deutschen Staaten würden die innerdeutschen Spannungen nicht nachlassen, weil die Widersprüche zwischen beiden deutschen Staaten nach dem Willen der SED antagonistischen Charakter hätten und allein in einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland aufgehoben werden könnten.Auch dies ergibt sich aus dem Vertragsentwurf, den Herr Stoph beigefügt hat.Meine Damen und Herren, für den Fall, daß dies dem einen oder anderen zu langatmig-theoretisch war, kann ich dasselbe aus dem Blick in die heutigen Tageszeitungen beweisen. Da ist die Frankfurter Buchmesse. Die Veranstalter haben aus einer Einstellung, die ich begrüße, Verlage aus der SBZ zugelassen. Sie haben eine Großmut bewiesen, die man tolerieren sollte. Aber was haben die Gäste daraus gemacht? Sie haben als erstes eine Schmäh-
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6342 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. Barzelschrift gegen den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland ausgelegt,
und damit zeigen sie: solange SBZ gleich SED ist, ebensolange heißt dies unversöhnliche, feindliche Aggressivität.
Dies ist leider die Lage. Auch darum sage ich — und ich freue mich, daß der Herr Bundesaußenminister es auch gesagt hat —, die Anerkennung der SBZ als „DDR" würde mithin die Spannung nicht entschärfen.Meine Damen und Herren, die rechtlichen und die historischen Argumente gegen die Anerkennung der SBZ als „DDR" sind bekannt. Ich möchte aber heute 'im Hinblick auf die Diskussion draußen im Lande ein paar politische Fragen dazu stellen.1. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Berliner? Ich weißt nicht, wie das freie Berlin bleiben könnte, was es ist, falls die SBZ als „DDR" anerkannt würde.2. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Deutschen? Wir würden durch Anerkennung jeden Anspruch verlieren, für das Schicksal unseres ganzen Vaterlandes zu wirken. Jeder Versuch, etwas für die Menschen im anderen Teil Deutschlands zu tun, wäre Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.3. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Wiedervereinigung? Die Anerkennung würde die Spaltung rechtlich endgültig machen. Wir würden uns damit auch über den Anspruch unserer Landsleute auf Selbstbestimmung hinwegsetzen.4. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Entspannung? Anerkennung, meine Damen und Herren, würde eines Status quo fixieren, den die Deutschen nicht wollen, den wir als Unrecht empfinden. Anerkennung würde verhärten, nicht entspannen, würde, wie die Dinge liegen, Rivalität und Fehde zweier Systeme auf deutschem Boden legalisieren.5. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für eine europäische Friedensordnung? Ohne gerechte Ordnung, welche die Völker als solche empfinden und die eben deshalb dauerhaft ist, kommen wir dieser Friedensordnung keinen Schritt näher. Europäische Friedensordnung schaffen heißt: Nicht Gräben zementieren, sondern zuschütten; nicht Spannungen legalisieren, sondern abbauen; nicht Völker teilen oder gegeneinanderführen, sondern zusammen- und zum Miteinander führen. Europäische Friedensordnung heißt zunächst miteinander leben ohne Gewalt. Anerkennung würde Gewalt anerkennen, würde nicht zum Miteinander hin, sondern davon wegführen. Anerkennung bedeutete die Hinnahme des Anspruchs der SED, die Spannung in Deutschland als Klassenkampf zu verewigen, und dies wäre ein negatives Modell für Europa.6. Wo läge der Vorteil der Anerkennung für die Welt? Die Staaten der Welt dürften kaum ein Interesse haben, unter dem Tarnmantel „DDR" Kommunisten deutscher Zunge Tür und Tor für das Einwirken in ihre Länder zu öffnen. Es kann auch nicht das Interesse freier Länder sein, den Feinden der Demokratie in Europa Legalität zu attestieren und ihre Wirkmöglichkeit in aller Welt zu verbessern.Mir erschien es wichtig, das hier einmal so zu fragen und zu beantworten, weil wir die Fragen, die von draußen an dieses Haus gestellt werden, auch hier, wie ich glaube, beantworten sollten. Wir stellen für unsere Fraktion fest: die Bundesregierung ist auch ostpolitisch auf dem richtigen Wege. Wir werden diesen Weg unterstützen und nach Kräften fördern.
Ich möchte noch eine Schlußbemerkung machen, die an das anschließt, was der Herr Bundeskanzler und auch der Herr Bundesaußenminister in der letzten Zeit an die Adresse der Sowjetunion gesagt haben. Dort in Moskau beginnen nun die Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Sowjetunion. Wir, als Christliche Demokraten, nehmen jeden ernst, der an seine Sache glaubt — auch Marxisten, auch Kommunisten. Nur muß das glaubhaft sein.Wir lassen für sie gegen uns gelten, daß unser Engagement als Christen durch Taten glaubhaft sein muß, z. B, in der sozialen Politik, im Dienst am Frieden, in Rücksicht auf andere.Warum ich dies sage? Meine Damen und Herren, nun feiert man in Moskau 50 Jahre Sowjetunion. Nun hören wir wieder, wie man den Kommunismus als den „wahren Humanismus" anpreisen und wie man aus dem neuesten Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zitieren wird. Da gibt es dann Sätze wie diesen: „Humanes Verhalten und gegenseitige Achtung der Menschen: Der Mensch ist des Menschen Freund, Kamerad und Bruder." Soweit das Zitat aus dem Programm der KPdSU. Welcher Europäer, der die Mauer in Berlin kennt, kann und wird das glauben? Fällt nicht durch die Wirklichkeit in Deutschland ein Schatten auch auf die Feierlichkeiten in Moskau? Sieht die Sowjetunion nicht, wie sie sich selbst und dem Kommunismus durch die Mauer in Berlin selbst im Wege steht?
„Wir sind", so heißt es in der Regierungserklärung, „keine leichtfertigen Unruhestifter, denn wir wollen ja gerade den Unruheherd der deutschen Teilung, die auch eine europäische Teilung ist, durch friedliche Verständigung beseitigen und unserem Volk seinen Frieden mit sich und mit der Welt wiedergeben."Wenn unsere Beharrlichkeit wie unsere Klugheit ausreichen, werden wir diese Ziele in unserer Generation erreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6343
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Erlauben Sie mir, zu Beginn einige Bemerkungen zum Formalen, zur Methode der heutigen Debatte zu machen. Die Debatte leidet für uns wenigstens — etwas darunter, daß wir den Text der Regierungserklärung, ganz gegen die bisherige Gewohnheit, und zwar gegen die Gewohnheit in siebzehn Jahren des Bestehens des Bundestages, erst heute morgen erhalten konnten. Es ist verständlich, daß man eine solche Debatte auch in den Fraktionen vorbesprechen will. Daß das unmöglich gewesen ist, zumindest soweit es den Text der Regierungserklärung angeht, das, glaube ich, werden Sie verstehen. Ich möchte darum bitten, daß in der Zukunft der alte Brauch wieder eingeführt wird, sofern das möglich ist. Ich weiß nicht, ob vielleicht der Hintergrund der verspäteten Übersendung des Textes die Notwendigkeit gewesen ist, in Nachtarbeit die Meinungen der Koalitionspartner auf einen Nenner zubringen.
Denn eines ist ja richtig: diese Debatte ist auf Grund eines Wunsches der Bundesregierung zustande gekommen, und ich habe für diesen Wunsch Verständnis. Denn es hat sich in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, daß es für die Koalition notwendig ist, ihre Position in der Außenpolitik, in der Verteidigungspolitik und in der Deutschlandpolitik hier und vor der deutschen Öffentlichkeit darzulegen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
— Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt!
Darf ich gleich zwei Fragen stellen, Herr Scheel. — Ich würde gern wissen; welcher alte Brauch war das, von dem Sie gesprochen haben: Und zweitens Ist Ihnen wirklich entgangen, daß diese Debatte auf Initiative dieses Hauses zustande 'gekommen ist und nicht auf Initiative der Regierung?
Es war, Herr Kollege Schmidt, der alte Brauch, Regierungserklärungen, vor allem solche zur Außenpolitik, der Opposition — ich weiß nicht, wie es bei der Koalition ist — am Vorabend zur Verfügung zu stellen. Das ist in der Vergangenheit immer so gewesen.
— Es ist immer so gewesen. Wir möchten das, was wir früher getan haben, auch gern von Ihnen zugebilligt bekommen. Ich hoffe, daß das möglich sein wird.
Ich wiederhole, ich habe Verständnis dafür, daß die Regierung hier ihre Position darlegen wollte. Denn eis hat ja in den letzten Tagen und Wochen eine gewisse Unklarheit über die Meinung der Bundesregierung, über die Meinung einzelner Mitglieder der Bundesregierung zur Außen-, Verteidigungs- und Deutschlandpolitik gegeben. Ich habe mir gedacht, daß die Bundesregierung und die Koalitionsparteien hier möglicherweise ein — nun, wie nennt man es mit einem modernen Begriff? - öffentliches brain storming veranstalten, um zu einer einheitlichen, durchschlagskräftigen Meinung zu kommen, um die Konturen der Regierungspolitik, die im Augenblick etwas verwischt sind, wieder sauberer darzustellen, damit idie Politik ider Bundesregierung an Glaubwürdigkeit gewinnt; und daran sind wir alle interessiert.
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob der Herr Präsiden Ihre Wortmeldung schon gesehen hat.
Sie gestatten offenbar eine Frage?
— Bitte, Herr Abgeordneter Kiep!
Herr Kollege Scheel, ist Ihnen bekannt, daß brain storms nicht veranstaltet werden, sondern normalerweise von selbst eintreten?
Ja, aber ich habe gedacht, die Bundesregierung bedürfe dazu eines Anstoßes.
Meine verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hatte in seiner Regierungserklärung vorn 13. Dezember 1966 ein außenpolitisches Programm vorgelegt, das auch die Zustimmung der Opposition gefunden hat, jedenfalls in den wesentlichen Punkten. Das Bekenntnis zu einer wirksamen Friedenspolitik war in der Regierungserklärung das entscheidende Element. Die Regierungserklärung sprach von den guten Beziehungen zu den östlichen Nachbarn, die es herzustellen und zu pflegen gelte. Die Regierungserklärung setzte sich als Aufgabe, die Entkrampfung im geteilten Deutschland zu betreiben, und zwar dadurch — wie festgestellt wurde —, daß man zwischen den Behörden der Bundesrepublik und der DDR Kontakte aufnehmen sollte, um technische und andere Fragen zu lösen. Die Bundesregierung schien nach dieser Erklärung zu einem konsequenten Entspannungskurs auf allen Gebieten der Politik entschlossen. Es hat sich aber sehr bald herausgestellt, daß dieser konsequente Entspannungskurs durch ständig wachsende innere Widersprüche innerhalb der Regierungskoalition nicht durchgehalten werden konnte, auf jeden Fall nicht so sichtbar wurde, wie das hätte erwartet werden können. Das liegt nun einmal daran, daß die Koalitionsparteien bei der großen Spannungsbreite an Meinungen es schwer haben, in den einzelnen Bereichen der Politik einen gemeinsamen Nenner hoher politischer Qualität zu finden. Das ist nicht nur in der Außenpolitik so, das ist auch in der Innenpolitik so. Ich darf hier einmal den Herrn Bundesfinanzminister zitieren, der in der Debatte über die Wirtschafts- und Finanzpolitik gesagt hat, daß die Lösungsvorschläge, die die Bundesregierung uns bieten kann, natürlich nicht an der, wie er sagte, politisch-soziologischen Struktur der Koalitionsparteien vorbeigehen können. Damit meinte
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6344 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Scheeler: Wir müssen auf die vielfältigen, unterschiedlichen Meinungen dieser Koalitionsparteien Rücksicht nehmen.Auch in der Außenpolitik vermissen wir das klare Konzept, und klare, konkrete Entschlüsse und Beschlüsse, wie man die einzelnen Bereiche der Außenpolitik miteinander in Übereinstimmung bringen will, wie man sie harmonisieren will, wie man die Verteidigungspolitik, die Europapolitik, vor allem aber auch die Deutschlandpolitik sinnvoll mit dem Ziel der allgemeinen Entspannung verbinden will. Gegenwärtig sind diese Bereiche unserer Politik auf jeden Fall nicht sinnvoll miteinander verbunden. Es gibt eine ganze Reihe von Unvereinbarkeiten, die noch beseitigt werden müssen.Unvereinbarkeit Nr. 1 ist ganz ohne Zweifel das Nebeneinander, und zwar das unkoordinierte Nebeneinander von Entspannungspolitik in Europa und Verteidigungspolitik. Am 13. Dezember hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu diesem Komplex gesagt, daß eine wirksame Friedenspolitik betrieben werden soll, die Spannungen allüberall beseitigen, die das Wettrüsten eindämmen soll, soweit wir dazu beitragen können. Er hat weiter gesagt, daß die Bundesrepublik keine nationale Verfügung über Atomwaffen, daß sie keinen Besitz von Atomwaffen anstrebe. Er hat eine ganze Anzahl freundlicher Worte an die Adresse der osteuropäischen Staaten gerichtet und im ganzen eine Politik mit einer friedlicher Zielsetzung skizziert, die unseren Beifall gefunden hat.Die Tatsachen in der Folgezeit entwerten aber einen Teil dieser Erklärung. Die Bundesregierung ist nämlich offenbar nicht bereit, die Verteidigungspolitik ihrer Osteuropapolitik anzupassen. Immer wieder hat die FDP in der Vergangenheit, und zwar schon als sie noch Mitglied der vorigen Bundesregierung war, auf diesen Widerspruch hingewiesen. Es sind unsere Freunde in der Welt, aber auch die Mächte, die unsere Politik skeptisch betrachten, die heute einfach nicht einsehen, warum die Bundesrepublik an atomaren Trägerwaffen festhält. Wir verfügen nicht über Sprengköpfe, ja, wir streben, wie wir immer wieder ausdrücklich sagen, auch keinen Mitbesitz von atomaren Waffen oder die Verfügung über atomare Waffen an. Ich muß hier sagen, wir haben auch objektiv überhaupt keine Chance, jemals über atomare Waffen ganz oder zum Teil zu verfügen; das müssen wir wissen. Daher verstehe ich einfach nicht, warum wir an einem Waffensystem festhalten, das wir jetzt haben, das aber unter diesen politischen Bedingungen für uns unbrauchbar ist. Es scheint hier so zu sein, als ob wir eine ungeladene Pistole als ein besonders wirkungsvolles Instrument der Selbstverteidigung betrachteten. Es erwächst uns kein Schutz aus dieser Art von Bewaffnung.
Wir haben ein kostspieliges System aufgebaut mit all den Schwächen, die hier in der Vergangen heit von uns allen immer wieder diskutiert und kritisiert worden sind. Dieses kostspielige System von atomaren Trägerwaffen ist für uns militärisch ohneWert. Es hält uns davon ab, unsere Kräfte auf eine sinnvollere Bewaffnung mit konventionellen Waffen zu konzentrieren.Es liegt doch auf der Hand, daß überall in der Welt, in Ost und West, Überlegungen angestellt werden, ob denn die Friedensbeteuerungen der Bundesregierung wirklich echt sind, ob sie ehrlich gemeint sind, wenn wir an einem Waffensystem festhalten, das mit dieser Politik nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.
— Ich glaube, daß die Beantwortung dieser Frage für Sie insofern nicht ganz günstig ausgehen kann, als das deutsche Volk wohl einen Anspruch darauf erhebt, wirkungsvoll geschützt zu werden. Hier geht es nicht etwa darum, daß wir für andere ungefährlich sind, sondern daß wir uns wirkungsvoll schützen können.
Dazu ist eine ungeladene Pistole jedoch völlig ungeeignet.Es liegt einfach auf der Hand, daß man mit einer solch widerspruchsvollen Politik das Mißtrauen in der Welt anregt, und zwar gleichgültig, ob der Verdacht berechtigt ist oder nicht, wir hielten daran fest, weil wir in Wahrheit doch Atomwaffen besitzen wollten. Ich sage hier ganz klar: ich bin fest davon überzeugt, daß ein solcher Verdacht dieser Bundesregierung gegenüber unberechtigt ist. Aber darauf kommt es nicht an. Wir sollten auch alles tun, um den Schein zu vermeiden, der in der Welt entstehen kann, vor allem, da wir doch alle wissen, daß die Sache von Interessierten angeheizt wird. Es wird an der Bundesregierung liegen, durch eine konsequente Verteidigungspolitik und eine konsequente Rüstungspolitik spektakulär den defensiven Charakter unserer Verteidigungskonzeption zu betonen, alle diese Verdachtsmomente auszuräumen und gar keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit unserer Friedenspolitik aufkommen zu lassen. Ich will diese Problematik nicht weiter vertiefen, weil Sie im nächsten Monat Gelegenheit haben werden, detailliert über die Verteidigungspolitik zu diskutieren.Ich darf in dem Zusammenhang nur eine Bemerkung zu dem sogenannten Atomsperrvertrag machen, über den der Herr Bundesaußenminister heute morgen weniges gesagt hat. Ich gebe zu, daß sicherlich noch nicht viel dazu zu sagen ist. Aber bei den paar Bemerkungen des Bundesaußenministers fehlte mir eigentlich eine, die ich für politisch besonders bedeutsam halte. Es fehlte mir eine Bemerkung, die den Willen und die Entschlossenheit der Bundesregierung ausdrückt, auf die Partner beim Abschluß eines solchen Vertrages — und zwar auf die, die ihn konzipiert haben — einzuwirken, daß der Vertrag Bestimmungen enthält, die die Nichtatommächte gegenüber jeder Form von atomarer Bedrohung und Erpressung schützen. Solche Bestimmungen müssen im Vertrag sein.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6345
ScheelJa, ich gehe noch darüber hinaus: man müßte sogar den Versuch unternehmen, mit den einzelnen Partnern, und zwar mit den atomar gerüsteten Partnern, zu zusätzlichen Vereinbarungen zu kommen, die eine Anwendung von Atomwaffen gegen Nichtatommächte vollkommen ausschließen.
Ich komme zu einem zweiten Punkt, bei dem die Politik der Bundesregierung nicht in allen Phasen in Übereinstimmung zu bringen ist: das ist die Europapolitik. Als der Herr Bundeskanzler im Januar dieses Jahres seine erste Reise nach Frankreich machte, hat er in außerordentlich beeindrukkenden, um nicht zu sagen, überschwenglichen Worten darauf hingewiesen, daß es gelungen sei, den Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland wiederzubeleben. Diesem schönen und guten Gefühl, in einem wiederbelebten Freundschaftsverhältnis mit Frankreich zu stehen, stünde auch nicht entgegen — so sagte der Herr Bundeskanzler —, daß es natürlich noch Meinungsverschiedenheiten gebe. Das sei ganz selbstverständlich; es liege an der unterschiedlichen Interessenlage der Partner. Fundamentale Gegensätze aber, so sagte er, die die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland berührten, gebe es nicht. Es scheint so zu sein, daß der Herr Bundeskanzler die Unterschiede in der Beurteilung des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Frankreich und Deutschland nicht zu den „fundamentalen Gegensätzen" rechnet, die die deutsch-französische Freundschaft berühren.
Ich meine hingegen, dies ist ein fundamentaler Gegensatz, der diese Freundschaft berührt. Ich meine auch, man muß eindeutig sagen, daß es keinen Zweck hat, mit freundlichen Bemerkungen und blumenreichen Worten die harte Realität auch in der westeuropäischen Politik zu überdecken. Sie ist nicht aus der Welt zu schaffen, und wir müssen hier Stellung nehmen. Wenn es wahr ist, was unsere Wirtschaftsminister, Herr Professor Erhard und auch Herr Professor Schiller, uns immer gesagt haben, daß es — wirtschaftlich in unserem nationalen Interesse liegt, und wenn es wahr ist, was wir alle wissen, daß es auch politisch in unserem nationalem Interesse liegt, daß Großbritannien und in seinem Gefolge andere europäische Länder dem Gemeinsamen Markt beitreten, müssen wir hier eine härtere Politik unserem Freund gegenüber treiben, als wir das bisher getan haben.
Der Bundesaußenminister hat uns im Mai dieses Jahres berichtet, daß die Bundesregierung ihre ganze Überzeugungskraft einsetzen werde, um Frankreich zu einer anderen Haltung zu bewegen. Entweder ist das noch nicht geschehen, oder die Überzeugungskraft ist, objektiv gesehen, nicht sonderlich wirkungsvoll gewesen; denn bisher hat sich die Haltung Frankreichs, soweit ich unterrichtet bin, überhaupt nicht geändert.Statt dessen hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in einer Rede in Luxemburg Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Bundesregierung wirklich diese Entschlossenheit in der Praxis zeigt, die Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien zu beschleunigen und wirkungsvoll zu unterstützen. Die Äußerung des Herrn Bundeswirtschaftsministers läuft, wenn ich seine im Bulletin wiedergegebene Erklärung richtig interpretiere, auf die Feststellung hinaus: „Das Ergebnis" — nämlich seiner Vorschläge über den Zusammenhang zwischen der Fusion der Verträge und den Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien — „wäre dann ein Beitritt Großbritanniens und der anderen Staaten zu einer fusionierten und damit in sich gefestigten, nicht mehr zu gefährdenden Gemeinschaft." Das kann doch jeder normale Mensch nur so interpretieren: Erst Fusionierung, und, wenn diese vollendet ist, Beitritt Großbritanniens.
— Der Herr Bundeskanzler ruft mir, was mich natürlich sofort sympathisch berührt, ein Nein zu. Es ist ja auch der Versuch gemacht worden, diese Bemerkung zu interpretieren. Der Versuch ist gemacht worden durch den Regierungssprecher, Herrn Ahlers. Der Herr Bundesaußenminister hat im Auswärtigen Ausschuß eine andere Interpretation vorgenommen. Der Herr Bundeskanzler macht gerade die klare Bemerkung: „Nein"; der Herr Bundesaußenminister hat heute morgen ebenfalls noch einmal einen Interpretationsversuch unternommen. Ich nehme das mit Befriedigung zur Kenntnis. Ich darf nur darauf hinweisen, daß andere, auf die es in der Welt doch auch ankommt, das nicht so auffassen, trotz der Interpretationsversuche.Ich darf nur ein einziges Wort aus einer Zeitung zitieren, die an dem Ort erscheint, an dem die Rede gehalten wurde, und .deswegen zitiere ich das. Die Zeitung erscheint in deutscher Sprache. Sie ist sicher nicht so bedeutend wie andere; es ist eine Luxemburger Zeitung. Sie ist aber mit großer Aufmerksamkeit an allem interessiert, was um Europa geschieht. Diese Zeitung schreibt:Was jedoch den Parallelismus— das ist eine neue Wortprägung in diesem Zusammenhang, es gibt ja viele Wortprägungen; darauf komme ich später noch zurück —zwischen Englands Beitritt und Vertragsfusion angeht, so entlarvte die deutsche Forderung sich als unlauterer Vasallendienst für Frankreich.Es folgt dann eine etwas gehässigere Bemerkung, die ich nicht zitieren will. Aber mit diesem kurzen Zitat habe ich schon dokumentiert, daß kritische Stimmen im Ausland unsere Haltung mißdeuten könnten, und ich bin froh darüber, daß die Bundesregierung heute noch einmal Stellung genommen hat. Wir können in diesem Punkte nicht genug sagen, vor allem aber können wir unsere Meinung im Rahmen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages nicht deutlich genug artikulieren.Ich habe manchmal das Gefühl, daß die Bundesregierung — es ist vielleicht bequemer — verbale
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6346 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
ScheelÜbereinstimmung erreichen möchte, daß sie sich damit zufrieden gibt und die Gefährdung, die durch eine allzu deutliche Sprache wirklich entstehen könnte, scheut. Aber in diesem Punkt ist das am Ende eine Politik, die zu einem Mißerfolg führen muß. Wir dürfen es hier an Deutlichkeit nicht fehlen lassen, und das muß so früh wie möglich geschehen.
Es hat mich etwas merkwürdig berührt, daß die Bundesregierung diesem so wichtigen Thema des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in ihren eigenen Dokumenten, die sie uns übermittelt, einen sehr, sehr geringen Raum gewidmet hat. Ich habe das uns übermittelte Dokument vor mir liegen, das sich auf den Bericht über ,die Integration der Gemeinschaften bezieht. Sie kennen das alles. Es ist ein Bericht der Bundesregierung. Dieser Bericht umfaßt 35 zweispaltige Seiten. Wenn ich das auf die Zeilenzahl umrechne, auf die es mir ankommt, so sind das 70 Zeilen. Von diesen 70 Zeilen Bericht über die Probleme der europäischen Integration nimmt die Bemerkung 'der Bundesregierung zu der Bedeutung des Beitritts Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft präzise viereinhalb Zeilen in Anspruch. Ich meine, daß auch dies ein Indiz dafür ist, daß dieses Problem in seinem Maßstab von der Bundesregierung vielleicht nicht richtig beachtet wird.
— Diese viereinhalb Zeilen, Herr Kollege Dr. Barzel, sind auch nicht von einem solchen Gewicht, daß der Mangel ihrer Kürze dadurch aufgehoben würde; sie haben beinahe überhaupt kein Gewicht. In diesen viereinhalb Zeilen steht nur: Großbritannien hat den Beitritt gewünscht; das Verfahren wird eingeleitet. Mehr steht nicht darin. Hier hätte es einer Meinungsäußerung der Bundesregierung bedurft.Ich meine, daß in der gesamten Europapolitik der Bundesregierung kein rechtes Ziel zu erkennen gewesen ist. Es ist bisher nie die Rede davon gewesen, wie man sich denn dieses Europa, das mit einer Stimme sprechen soll, in Wahrheit vorstellt. Dieses Europa, das mit einer Stimme sprechen soll, kann nur ein Europa sein, dem auch Großbritannien angehört, denn eines ist sicher: wenn es ein Europa ohne Großbritannien gibt, hat Europa zwei Stimmen, denn die Stimme Großbritanniens wird in der Welt immer eine Stimme bleiben. Wenn wir also eine Stimme haben wollen, dann müssen wir diese Art des einigen Europa anstreben.
Heute morgen hat der Herr Bundesaußenminister — ich glaube, zum erstenmal — eine etwas weiter in die Zukunft reichende Vorstellung der Bundesregierung zu europäischen Fragen dargelegt. Er hat das sicher in Anbetracht der Tatsache getan, daß ein bedeutender europäischer Politiker, der mehr für die europäische Einigungsbewegung getan hat als viele andere, unter uns weilt. Es ist gut so, daß wir diese Gelegenheit wahrnehmen, um ein Bekenntnis zu Europa, auch ein Bekenntnis zu einem politisch geeinten Europa der Zukunft abzugeben. Denn eines ist doch sicher, meine verehrten Damen und Herren: der Kontinent, auf dem wir wohnen, wird keine Zukunft haben, wenn er nicht zu einer wirtschaftlichen und politischen Einigung findet.
Wir dürfen uns aber nicht durch die letzten Jahre Europapolitik in unserer Aktivität beeinflussen lassen. Wir dürfen uns nicht durch das Schachern um kleine Vorteile der beteiligten Länder beeinflussen lassen, auch nicht durch den Rückfall in nationalstaatliches Denken des vorigen Jahrhunderts, der hier und da festzustellen ist, — übrigens gar nicht nur in Frankreich. Wir müssen trotzdem an dem Ziel festhalten, an einem geeinten Europa zu arbeiten, wenn auch unsere Begeisterung, gerade die Begeisterung unter der meine eigene Generation angetreten ist, durch so vieles heute bis fast auf die Gefrierzone herabgekühlt wurde. Ich möchte hier feststellen, daß ich mich trotzdem nicht von dem einmal als richtig erkannten Ziel, das heute noch so gültig ist wie immer, abbringen lasse.Wer am 17. Juni dieses Jahres die Berichte über die Explosion der ersten Wasserstoffbombe Rotchinas gelesen hat, muß schon kein Verhältnis zur politischen Dynamik haben, wenn er nicht zu der Überzeugung gekommen ist, daß es jetzt allerhöchste Zeit ist, daß sich Europa wieder mit neuem Elan an seine Einigung macht, wenn wir in der sich verändernden Struktur der Welt überhaupt noch eine Rolle spielen wollen.
Es gibt natürlich Zeitgenossen, denen das Leben am Rande der politischen Kraftfelder möglicherweise sympathisch ist, denen es angenehm ist, sozusagen im Beiboot der Supermächte zu sitzen, gut ernährt zu werden und einen guten Tag zu leben. Ich gehöre nicht zu dieser Spezies von Menschen. Ich bin vielleicht anspruchsvoller, ehrgeiziger, was meine europapolitischen Vorstellungen angeht. Ich meine, wir sind es unserer gemeinsamen europäischen Geschichte von Jahrtausenden schuldig, wir sind es unserem gemeinsamen kulturellen Erbe und auch der gemeinsamen liberalen und humanitären Tradition schuldig, alle Anstrengungen zu machen, durch eine Einigung unserer Kräfte einen Einfluß auf die Weltpolitik zu gewinnen, einen Einfluß auf die friedliche Entwicklung der Welt zurückzugewinnen. Aber nur wenn man die wirtschaftliche Dynamik eines Marktes wie desjenigen des vereinten Europas zur Grundlage macht und ausnutzt, wird uns dieser Schritt möglich sein.Ich darf Ihnen hier vielleicht einmal ein kleines persönliches Erlebnis schildern. Es sind jetzt nahezu 20 Jahre her, als ich zum erstenmal für längere Zeit in den Vereinigten Staaten war. In der damaligen Zeit war das alles sehr faszinierend. Eines ist mir unauslöschlich in der Erinnerung an diese Reise geblieben, die ich als verhältnismäßig junger Mann gemacht habe. Das war erstens, daß ich fast körperlich gespürt habe, welche Kraftströme ein solch gewaltiges soziales Gebilde auslöst, dessen Lebensraum von keiner Grenze durchschnitten wird, wieDeutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6347Scheeles die Vereinigten Staaten darstellen. Das zweite, was ich auf dieser Reise empfunden habe, war, daß es doch ein Glück ist, Europäer zu sein. Das mag paradox klingen. Möglicherweise ist es manchem von Ihnen auch schon so gegangen.Wenn wir aber — entschuldigen Sie diese kleine sentimentale Abschweifung —
an die europäische Zukunft denken, dann dürfen wir nicht übersehen, daß wir in manchen Bereichen den Anschluß an die übrige Welt schon verloren haben. Die materielle und die intellektuelle Basis, das materielle und das intellektuelle Potential der isolierten Volkswirtschaften in Europa ist eben trotz der Kooperation in manchen Bereichen nicht tragfähig genug für die modernsten und zukunftsträchtigsten Bereiche unserer neuzeitlichen Technologie.Ich freue mich deswegen, daß in der gemeinsamen Entschließung der drei Fraktionen des Bundestages diesem Sektor, der Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet, so großes Gewicht beigemessen worden ist. Ich glaube, wir müssen sehen, daß wir im Sektor Technik schneller zu praktischen Ergebnissen kommen, als es bisher den Anschein hat. Denn die Zeit entwickelt sich so rasend, daß jeder Tag, der verloren ist, uns nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen kann.Wenn ich in diesem Zusammenhang von Europa spreche, meine Damen und Herren, dann versteht es sich von selbst, daß ich nicht die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft meine, sondern daß ich hier das Europa meine, dem alle die Länder angehören können, die sich diesem Kontinent zugehörig fühlen. Ich sage: angehören können; denn wer nicht dazu kommt, auf den können wir zu allerletzt, so glaube ich, nicht warten.Wir sollten die Periode der Ernüchterung, die hoffentlich hinter uns liegt, als eine Durchgangsphase betrachten und sollten uns stärker als bisher darauf einrichten, durch neue politische Impulse das unverrückbare Ziel eines vereinigten Europa anzusteuern. Gerade für uns Deutsche ist das aus politischen Gründen so wichtig. Wenn man sich die Möglichkeit der Wiedervereinigung heute vorstellt, dann doch wohl nur in einem europäischen Zusammenschluß, in einer europäischen Föderation, in der sich der Ost-West-Gegensatz langsam abbaut und in der das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands möglich ist, auch aus Gründen der Sicherheitsstruktur eines solchen Raumes.Ich meine, die Vision Europa hat noch Kraft. Unsere Politik sollten wir immer an diesem Ziel messen, und wir sollten diese Vision — ich zitiere hier den Herrn Bundesaußenminister — nicht aus dem Auge verlieren. Resignation ist eine schlimme Untugend in der Politik, meine Damen und Herren. Wenn wir resignieren, wenn wir unserer Jugend vor allem keine Hoffnung in diesem Teil der Politik geben, dann weiß ich gar nicht, was sie halten sollte, auf diesem Kontinent zu bleiben.
Nur die Aussichten, eines Tages einem politisch geeinten und wirtschaftlich bedeutenden Europa anzugehören, das bei den Lösungen der großen Friedensfragen dieser Welt in vorderster Front aus eigener Erfahrung mitwirken kann, nur die Aussicht auf eine solche Zukunft zerstört nicht die Hoffnung unserer Jugend. Wir sollten sie nicht zerstören. Wir sollten alles tun, daß sich diese Hoffnung eines Tages erfüllt.
Nun komme ich zu einem Bereich, der heute von dem Herrn Bundesaußenminister an den Anfang seiner außenpolitischen Erklärung gestellt worden ist, nämlich zur Deutschlandpolitik. Auch hier sind gewisse Tendenzen, die in den letzten Wochen sichtbar geworden sind, unzeitgemäß. In seiner Regierungserklärung vom Dezember 1966 versicherte der Herr Bundeskanzler im Hinblick auf die Politik seiner Regierung gegenüber der DDR unter anderem: „Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen." Daraus mußte gefolgert werden, daß der Regierungschef alles tun wird, um den anderen Teil Deutschlands mit in die Entspannungspolitik einzubeziehen, die die Regierung ansonsten treibt, daß er also alles vermeiden werde — anders ausgedrückt —, was neue Verhärtungen und Spannungen hervorrufen könnte.Wir sind nicht blind gegenüber der Tatsache, daß die Bundesregierung tatsächlich Versuche gemacht hat, die Spannungen zwischen beiden Teilen Deutschlands zu vermindern. Wir übersehen auch nicht, daß auf der anderen Seite der Mauer Politiker sitzen, deren Bereitschaft zur sachlichen Zusammenarbeit — ich möchte es mal ganz vorsichtig ausdrükken — nicht gerade besonders entwickelt ist. Ich kann jedoch nicht umhin, festzustellen, daß die Bundesregierung in vielen Fällen ihre eigenen Bemühungen um Entspannung durch eine Reihe von Fehlern in der Ost- und Deutschlandpolitik entwertet, manchmal sogar ins Gegenteil verkehrt hat. Ihre sehr unterschiedlichen Interpretationen, die sie den eigenen Absichten in der. Deutschland- und. Ostpolitik gegeben hat, stifteten vielfach Verwirrung und erweckten besonders in Osteuropa den Eindruck einer wenig 'konsequenten, wenn nicht sogar nicht ganz aufrichtigen Politik. Ich will hier nicht im einzelnen die vielen widersprüchlichen Aussagen von Mitgliedern der Bundesregierung, etwa zur Frage des Alleinvertretungsrechts, zitieren, um das herum ein ganzer Strauß neuer Begriffe entwickelt worden ist, die deswegen noch vielfältiger sind als in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, weil der Bildungshintergrund der Beteiligten differenzierter ist. Ich will also nicht im einzelnen darauf eingehen und nur sagen, daß Äußerungen wie die des Herrn Bundesministers des Auswärtigen in Bukarest — daß man bei den Bemühungen um eine europäische Friedensordnung von den gegebenen Realitäten auszugehen habe und daß dies auch für die beiden politischen Ordnungen gelte, die gegenwärtig auf deutschem Boden bestehen — die Zustimmung der christlich-demokratischen Koalitionspartner nicht gefunden haben.
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6348 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
ScheelIm Gegensatz dazu ließ der Herr Bundeskanzler kaum eine Gelegenheit vorbeigehen, ohne den Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung ,ausdrücklich zu betonen, der von anderen Mitgliedern des Kabinetts — —
— In einer Erklärung, die ich gleich zitiren will.
Ich fahre fort: den Alleinvertretungsanspruch ausdrücklich. zu betonen, der von anderen Mitgliedern des Kabinetts in gewisser Weise, so will ich einmal sagen, zurückgenommen worden ist in ,die zweite Linie, was ich für gut halte.Wir wissen heute, daß die Erklärung ides Herrn Bundeskanzlers vom 1. Februar 1967 anläßlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien einige leider sehr erfolgreiche Gegenaktionen der DDR gegen die deutsche Ostpolitik provoziert hat. Durch die Betonung des Alleinvertretungsanspruchs in diesem Zusammenhang kam es zur Errichtung des sogenannten „Eisernen Dreiecks" zwischen Moskau, Warschau und Ostberlin. Es folgte der Zusammenbruch der Hoffnungen auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den übrigen Staaten Ost- und Südosteuropas in absehbarer Zeit.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Scheel, sind Sie der Meinung, daß die Betonung ,des Alleinvertretungsanspruchs der einzige Grund für die Dreiecksverträge gewesen ist, und sind Sie nicht mit mir der Ansicht, daß die aggressive Gesamtpolitik 'der Sowjetunion dahintersteckt?
Ich beantworte Ihre Frage mit Nein. Ich bin der Meinung, daß das nicht der alleinige Grund gewesen ist, aber er hat diese Tendenz gefördert; das habe ich eben zum Ausdruck gebracht. Das von der Bundesregierung gewünschte „geregelte Nebeneinander" der beiden Teile Deutschlands scheiterte natürlich nicht zuletzt an der Halsstarrigkeit, Herr Dr. Becher, der Funktionäre in Ost-Berlin. Das will ich ganz deutlich sagen. Aber auch die Ungeschicklichkeit der Bundesregierung z. B. bei der Beantwortung der Briefe aus Ost-Berlin kann in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Wenn der Bundesaußenminister heute erklärt hat, daß im Briefverkehr mit Herrn Stoph in der Zukunft keine Vorbedingungen irgendwelcher Art das Zustandekommen von Gesprächen behindern sollen, so ist das schon ein gewisser Fortschritt, den man begrüßen kann.Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist in dem Zusammenhang allerdings unvermeidlich, auf die — ich möchte sagen — fatale Rede des Herrn Bundeskanzlers in Berlin am 10. Oktober einzugehen. Wir wissen sehr genau, wen der Regierungschef mit Formulierungen wie „Anerkennungspartei" oder „Anerkennungsgerede" gemeint hat.
— Kommt ja! — Wir sind gespannt, ob sich der so angesprochene Koalitionspartner
— das meine ich nämlich — hier heute zu diesen Vorwürfen zu Wort melden wird.
Deswegen will ich aber nicht dazu sprechen, sondern ich möchte auf etwas anderes hinweisen. Ich möchte nämlich mit allem Nachdruck davor warnen, in jene Methoden zurückzufallen, mit denen in der Vergangenheit manchmal politisch Andersdenkende mit dem Mittel der Diffamierung verketzert worden sind. Diese Methoden haben nämlich nicht nur katastrophale politische Folgen, die wir alle vermeiden wollen. Ich glaube, es lag zwar nicht in der Absicht des Herrn Bundeskanzlers, aber hier ist zum erstenmal eine Gefahr sichtbar geworden, mit leichten Formulierungen Gruppen zu verketzern, sie außerhalb unserer ehrlichen Diskussionsbereiche zu stellen. Das 'sollte nicht geschehen, zumal das auch auf die Außenpolitik Auswirkungen haben muß. Mich quält leider etwas die Sorge, daß durch diese Bemerkung die Schwierigkeiten in der Deutschland- und in der Osteuropapolitik für die Zukunft nicht gerade kleiner geworden sind.
Lassen Sie mich nur noch wenige Bemerkungen zu dein Bereich Verhandlungen mit der DDR machen. Ich meine, daß sich beide Seiten darauf einstellen müssen, daß bei kommenden Gesprächen nicht nur über solche Themen verhandelt werden kann, die der jeweiligen Seite besonders angenehm sind. Die Bundesregierung sollte ruhig in aller Gelassenheit auch den von der DDR vorgeschlagenen Verhandlungsthemen Beachtung schenken. Wir besitzen für unsere Vorstellungen nicht nur gute und überzeugende Argumente, sondern wir besitzen auch die Fähigkeit, Verhandlungen mit einem so schwierigen Partner gut durchzustehen. Wir sollten in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken, als fürchteten wir uns vor den Argumenten des politischen Gegners und seien uns unserer eigenen Sache nicht so sicher. Das Ziel solcher Verhandlungen kann gegenwärtig nur sein, daß in der vielleicht langen Zeitspanne bis zu einer umfassenderen Lösung der deutschen Frage beide Teile Deutschlands so eng wie möglich vor allem im wirtschaftlichen, im technischen und im kulturellen Bereich zusammenarbeiten.Um Mißverständnissen vorzubeugen, ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung notwendig. Auch die Freie Demokratische Partei lehnt nach wie vor die völkerrechtliche Anerkennung der DDR, die zu einer Verewigung der Spaltung führt, entschieden ab.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6349
ScheelEs ist gerade der Sinn win Verhandlungen mit Ostberlin, eine Entwicklung zu verhindern, die die Zweiteilung unseres Vaterlandes für alle Zeiten fixiert.Und noch eine andere Anmerkung ist hier unvermeidlich, die sich insbesondere an die polnischen Nachbarn des geteilten Deutschlands richtet. Eine Regelung der ungelösten europäischen Probleme — es sind deren ja viele — kann, wenn sie einem dauerhaften Frieden dienen soll, nur in einer freien Vereinbarung der beteiligten Staaten gefunden werden. Besonders schwierig wird dabei eine Vereinbarung über die Grenzprobleme zwischen Polen und Deutschland sein. Aber in Europa sind nicht nur diese Grenzfragen zu lösen, sondern auch Probleme der europäischen Sicherheit, europäische Wirtschaftsprobleme. Die Zusammenarbeit zwischen EWG und COMECON z. B. ist ein Problemkreis, auf den der Bundesaußenminister eben in seiner Erklärung zu Recht hingewiesen hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Scheel, irre ich mich, wenn ich davon ausgehe, daß es etwas anderes ist, wenn die EWG mit COMECON verhandelt, als wenn wir die EWG ermuntern, den Ländern Ost- und Mitteleuropas Zusammenarbeit anzubieten? Ist Ihnen diese Nuance präsent?
Herr Kollege Barzel, es ist mir geradezu angenehm, daß Sie eine Verdeutlichung der Rede des Herrn Bundesaußenministers vorgenommen haben.
Herr Kollege Scheel, ich habe mich bemüht, Ihnen den Text, den wir beide zusammen unterschrieben haben, in Erinnerung zu rufen.
Ich weiß nicht genau, welchen Text Sie meinen. Ich sprach von der Rede des Bundesaußenministers. Deren Text habe ich nicht unterschrieben. Sie sind der Zeit voraus!
Darf ich Ihre letzte Einlassung — deshalb habe ich mich gemeldet — nicht als ein Abgehen von der Ziffer 4 des dem Bundestag von uns gemeinsam vorgelegten Antrags ansehen?
Nein, wir haben ja den Antrag des Monnet-Komitees unterschrieben.
Da steht aber etwas anderes drin, als Sie eben sagten, Herr Kollege.
Ich habe ja eben die Rede des Außenministers kommentiert, nicht den Antrag, den wir unterschrieben haben.
Offensichtlich falsch kommentiert! Wir sind uns also wieder einig?
Wir sind uns nicht einig. Aber ich freue mich, daß Sie eine Verdeutlichung der Rede des Außenministers gegeben haben.
Sie sind für Bemühungen EWG und COMECON, Herr Kollege Scheel?
Ich bin für Unterhaltungen darüber, inwieweit solche Kontakte zu nützlichen Ergebnissen führen können, und ich glaube, das wäre möglich.
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Scheel, daß in Ländern Ost- und Mitteleuropas die Zusammenarbeit mit dem Westen über COMECON abgelehnt und als eine sehr schlechte Geschichte für die Zukunft betrachtet wird?
Sie müßten mich völlig mißverstanden haben, Herr Kollege Barzel, wenn Sie etwa den Eindruck gewonnen hätten, ich sei für eine Zentralisierung des Handels über COMECON. Davon kann gar keine Rede sein.
Irre ich mich, wenn ich jetzt feststelle, Herr Kollege Scheel, daß wir doch einig sind?
Ich bin nicht sicher. Die Differenzierung liegt in dem Standort, von dem aus wir beide Politik machen.
Meine Damen und Herren, ich darf jetzt an die Bemerkungen zu den ungelösten Fragen im Verhältnis zu unserem Nachbarn Polen anknüpfen. Polen sollte endlich einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesrepublik als einziges Land auf Produktion und Besitz von ABC-Waffen verzichtet hat und ihre politischen Interessen allein mit friedlichen Mitteln verfolgt. Warschau sollte einsehen, daß die Bundesrepublik Deutschland gar kein Recht hat, so wie sie nun einmal provisorisch — jetzt benutze ich das Wort — strukturiert ist, allein auf Rechtstitel zu verzichten, bevor Gespräche über die Regelung der deutschen und europäischen Fragen überhaupt begonnen haben. Jedes unter Druck zustande gekommene Zugeständnis der einen oder anderen Seite führt unvermeidlich zu neuem Unfrieden in Europa. Aber das deutsche Volk will den Frieden, und niemand hat das Recht, an diesem Friedenswillen der Deutschen länger zu zweifeln.
Nicht wenige Menschen in unserem Lande haben bei der Bildung der Großen Koalition gehofft, daß diese von einer überwältigenden Mehrheit getragene Regierung imstande sein werde, das zu tun, was die FDP ihrem Koalitionspartner trotz größter Anstrengungen nicht abzuringen vermochte: die
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6350 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
ScheelDeutschlandpolitik von überholten Vorstellungen und Methoden zu befreien und damit der deutschen Außenpolitik wieder einen größeren Spielraum zu geben. Diese Hoffnung — das wissen wir heute, meine Damen und Herren — ist enttäuscht worden. Wir Freien Demokraten haben genug Verantwortungsbewußtsein gegenüber Volk und Staat, um über diese Entwicklung alles andere als glücklich zu sein. Wir würden lieber auf leichte propagandistische Erfolge verzichten, als erleben zu müssen, wie eine von inneren Widersprüchen gezeichnete, weitgehend gegeneinander gelähmte Koalition immer mehr Kraft verliert, die Chancen für eine zukunftsträchtige Außen- und Deutschlandpolitik wahrzunehmen.
Wir wünschen dieser Bundesregierung aufrichtig jeden möglichen Erfolg bei der Lösung der deutschlandpolitischen Probleme. Selbst wenn uns das am Wahltag, Herr Wörner, einige Stimmen kosten sollte, sind wir bereit, die Regierung mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu unterstützen, wann immer sie sich zu mutigen, zeitgemäßen und überzeugenden Schritten entschließt — das ist allerdings die Einschränkung —,
um die deutsche Frage aus der Sackgasse herauszubringen und somit der europäischen Zusammenarbeit einen neuen starken Impuls zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in Arbeitsteilung mit meinen Kollegen Dr. Eppler und Blachstein, die später zu anderen Themen der heutigen Debatte sprechen werden. Ich kann mich auf das Thema Europa konzentrieren.
Zunächst kann ich da erfreut feststellen, daß es in diesem Hause im -Positiven eine sehr große Übereinstimmung gibt. Diese Übereinstimmung kommt schon darin zum Ausdruck, daß wir gemeinsam die Entschließung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa, des MonnetKomitees, haben einbringen können. Hier werden Bekenntnisse zu dem abgelegt, was jetzt in diesen Gemeinschaften ansteht. Es ist der große Schritt von dem kleinen Europa zu dem größeren Europa. Herr Dr. Barzel hat sehr eindrucksvolle Gedanken und Formulierungen gefunden, um uns klarzumachen, daß dieser Kontinent und dieses Volk diesen Schritt tun müssen, wenn sie nicht einen Tempoverlust haben wollen, wenn sie nicht hinter der Entwicklung in den großen Ländern, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, hoffnungslos herhinken wollen.
Aber es gibt wahrscheinlich in diesem Hause auch volle Übereinstimmung in bezug auf das Negative.
Herr Scheel, jetzt spreche ich Sie an. Sie haben hier kritische Bemerkungen gegenüber der Bundesregierung gemacht. Es ist natürlich eine vornehmliche Pflicht der Opposition, kritische Bemerkungen zu machen, aber nicht nur die Opposition schaut mit kritischen Augen auf das, was die Regierung tut, sondern auch die Koalition tut das, und besonders zwei so große Fraktionen beobachten das genau, was da geschieht; übrigens nicht nur wieder in Arbeitsteilung etwa die CDU die SPD-Minister und die SPD die CDU-Minister — das geschieht natürlich auch —, sondern das tun im parallelen Verkehr auch die Fraktionen im Blick auf die aus ihnen hervorgegangenen Minister. Ich werde nachher im Namen meiner Fraktion und wahrscheinlich auch im Namen der Koalitionsfraktionen kritische Bemerkungen machen, die vielleicht, wenn selbstverständlich auch im Ausdruck ganz geschliffen und höflich und respektvoll vorgebracht, über das hinausgeht, was die Opposition hier gesagt hat. — Bitte, Herr Dr. Mende.
Herr Kollege Mommer, können Sie aus der 18jährigen Praxis hier bestätigen, daß sich zum Unterschied von der Theorie des Parlamentsrechts in der Praxis doch die jeweiligen Regierungsfraktionen als Schutzgemeinschaft für die eigene Bundesregierung bewähren, daß also die Regierungsfraktionen die Blößen der Regierung nicht aufdecken, sondern im allgemeinen zuzudecken pflegen?
Herr Dr. Mende, die Sache ist komplizierter. Eine Mehrheit im Parlament hat erstens die Aufgabe, die Mehrheit dieser aus ihr hervorgegangenen Regierung zu sein, und das heißt: sie zu schützen. Zweitens hat aber diese Mehrheit auch die Aufgabe, dem Tun und Lassen der Regierung kritisch gegenüberzustehen. Diese Kritik wird natürlich in der Regel in camera caritatis vorgetragen. Aber es kann nichts schaden, wenn sie in der gebührenden Form auch einmal öffentlich vorgetragen wird.Doch nun zu meinem Thema. Ich brauche nicht mehr darzulegen, was da alles an Positivem über diese 10 Jahre EWG, die jetzt hinter uns liegen, zu sagen ist. Das waren große Erfolge, das waren auch Erfolge im Politischen. Sie sind hier schon hervorgehoben worden. Wir haben erstmalig in einer wichtigen Sache, bei dieser Kennedy-Runde, mit einer Stimme sprechen können. Auch bei den Verhandlungen über die Reservewährung hat es sich jetzt gezeigt, daß die Zusammenarbeit so weit gediehen ist, daß auch da wieder gemeinsame Haltungen in schwierigen Fragen möglich waren.Aber der größte politische Erfolg, den diese Gemeinschaften erzielt haben, liegt wohl in den Beitrittsgesuchen, mit denen wir es jetzt zu tun haben.
Das ist ein historischer Augenblick, in dem wir den Geburtsfehler der Gemeinschaft loswerden können, der darin lag, daß wir damals gezwungen waren, klein, mit sechs Mitgliedern anzufangen. Durch
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Dr. Mommerdiese Anträge besteht jetzt die Möglichkeit, den Graben zuzuschütten, der sich seit damals zwischen der EWG und der EFTA entwickelt hat. Das ist der Kernpunkt der Monnet-Entschließungen, die wir hier vorgelegt haben. Wir dürfen diese Chance nicht verspielen. Das ist mit Abstand die wichtigste Aufgabe, vor der die EWG steht, und damit auch eine höchstrangige Aufgabe unserer Bundesregierung, die ein so gewichtiges Mitglied in den Gemeinschaften ist.Trotz der Erfolge, die die Gemeinschaften zu verzeichnen haben, sind wir uns bewußt, wie klein dieses Europa noch ist, daß es mehrfach geteilt ist, daß die politischen Strukturen unterentwickelt sind und daß wir, weil es eben so ist, in der Weltpolitik nicht die Rolle spielen können, die Europa zukäme. Wir haben mit Bitterkeit feststellen müssen, wie es in der Zeit, als vor unserer Türe, unsere Interessen direkt berührend, der Nahostkonflikt ablief, vergeblich war, daß ein Mitgliedland versuchte, sich einzuschalten, und wie man überhaupt nicht daran denken konnte, die Gemeinschaften als solche zu einem Faktor zu machen.Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen, die zeigen, wie es um die wirtschaftliche Basis bestellt ist, die gegeben sein muß, um — nicht gleichberechtigt; wie haben Sie gesagt? —
ebenbürtig mit den Vereinigten Staaten sprechen zu können. Nun, das Bruttosozialprodukt der Gemeinschaft der Sechs beträgt 43 % des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn wir die Gemeinschaften erweitern, wird das Bruttosozialprodukt der Zehn 60 % des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten betragen. Ebenbürtig werden wir also dann auch nur mit Rabatt sein, wenn wir uns nicht sehr anstrengen. Trotz der Anstrengungen, die wir in Europa in den letzten Jahren gemacht haben, sind wir in der wissenschaftlich-technologischen Entwicklung hoffnungslos zurückgeblieben. Da ich auf dieses Thema im weiteren Verlauf nicht näher eingehen kann, darf ich hier einen Satz aus der Stellungnahme der Kommission zu den Beitrittsgesuchen kurz zitieren. Da heißt es:Es ist festzustellen, daß die Aussichten für die Gemeinschaft durch den Beitritt Großbritanniens verbessert würden, zwar nicht die Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung in der Technollgie einschließlich des Atombereichs einzuholen, wohl aber den Prozeß umzukehren, der den Rückstand Europas noch mehr vergrößert.Der Abstand wird größer, wenn wir die größere Gemeinschaft nicht zustande bringen; der Abstand wird kleiner werden — die Möglichkeit dazu ist gegeben —, wenn es uns gelingt, das Europa der Zehn zu schaffen. Darum geht es bei der heutigen Aufgabe, Europa aus dieser Schwäche und aus diesem Zurückbleiben in der Entwicklung herauszubringen.Wir Sozialdemokraten sind mit dem MonnetKomitee der Meinung, daß Europa eine angemesseneRolle in der Welt nur spielen kann, daß es besonders auch in der Gestaltung des Friedens zwischen Ost- und Westeuropa nur erfolgreich sein kann, daß es den Ehrgeiz, die Vereinigten Staaten im wissenschaftlichen und technischen Bereich einzuholen, nur haben kann, wenn es den Zusammenschluß nicht nur der Sechs, sondern der Zehn zustande bringt, wenn dieses Europa nicht großtut, sondern groß wird. Darauf kommt es an.Ich meine, bei dem, was jetzt kommt, bei den Gesprächen und Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens und der anderen Bewerber, wird es wichtig sein, diesen Leitgedanken, diese Zielsetzung immer vor Augen zu haben. Denn wir werden jetzt mit den Schwierigkeiten konfrontiert, die zwangsläufig mit der Erweiterung der Gemeinschaft verbunden sind. Die Stellungnahme der Kommission, die in der vorigen Woche veröffentlicht wurde, macht den Umfang und den Grad der Schwierigkeiten sehr deutlich. Ich würde sagen: das ist geradezu ein Berg von Hindernissen, der sich auf dem Weg zur Einverleibung neuer und so bedeutender Mitglieder in die schon zehn Jahre bestehende Gemeinschaft auftürmt. Aber nur die, die die Erweiterung nicht wollen, können diesen Berg von Hindernissen zum Anlaß nehmen, die Kapitulation zu empfehlen. Wir sollten, wenn wir mit den Schwierigkeiten in der Zukunft ringen, nicht vergessen, wie es mit diesen Schwierigkeiten aussah, als die Verträge für die Gemeinschaften vor mehr als zehn Jahren ausgehandelt wurden. Der Berg war damals noch größer. Und damals handelte es sich um eine Erstbesteigung. Inzwischen wissen wir, wie man mit solchen Schwierigkeiten, wie wir sie vor uns haben werden, fertig wird. Die Überwindung hängt vom politischen Willen ab.Ich habe hier keine Zeit, in die Diskussion der Einzelfragen, der Sach- und Fachfragen einzutreten. Es ist ja doch klar, daß die Kommission in Brüssel und alle beteiligten Regierungen bis auf die französische der Meinung sind, daß alle sachlichen Schwierigkeiten und Fragen lösbar sind. Auch der Herr Bundesaußenminister hat das in seinen Ausführungen betont. Die Untersuchungen, die wir hier über diese Probleme gemacht haben, zeigen, daß es nicht leicht ist, daß es aber geht. Die Kommission sagt in ihrer Stellungnahme wörtlich:Die Analyse der wichtigsten Probleme, die durch eine Erweiterung der Gemeinschaft aufgeworfen werden, zeigt deutlich, daß der Beitritt neuer Mitglieder, die in ihrer politischen und wirtschaftlichen Struktur wie in ihrem Entwicklungsstand den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sehr ähnlich sind, die Gemeinschaft zugleich stärken und ihr einen Anstoß für neue Fortschritte geben kann,— die Kommission ist hier sehr positiv in ihrer Stellungnahme zu den Gesuchen; weiter geht es im Zitat —:vorausgesetzt, daß die neuen Mitglieder die Bestimmungen der Verträge wie auch später ergangene Entscheidungen akzeptieren, wozu sie nach ihren Erklärungen auch bereit sind.
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6352 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. MommerDie Kommission schließt dann ihre Untersuchung mit der Feststellung — das ist auch für das Verfahren äußerst wichtig —, daß man eine Reihe von Sachproblemen nur wird klären können, wenn man in Verhandlungen mit den Bewerbern eintritt und dabei feststellt, ob etwa die Dynamik der Gemeinschaften, die nicht gefährdet werden darf, durch die Beitritte gefährdet würde..Wir von der sozialdemokratischen Fraktion empfehlen hier so wie die Kommission und wie die anderen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Frankreichs, daß wir in die Verhandlungen mit den Antragstellern und nicht in Verhandlungen unter ,den Sechs eintreten. Aus allem, was in Großbritannien in den letzten Jahren und besonders in diesem Jahr vor sich gegangen ist, muß doch klar sein, daß die britische Regierung, die Regierung Wilson, auf Gedeih und Verderb mit der Beitrittspolitik verbunden ist. Die britische Regierung hat ihren Willen erklärt, die Verträge und die entstandene Rechtsordnung zu übernehmen. Sie hat mehr getan: Die brititsche Regierung bejaht die Dynamik der Verträge und die künftigen Entwicklungen in den Gemeinschaften auch auf dem außen- und verteidigungspolitischen Gebiet. Wir haben es mit einem vollen Bekenntnis der britischen Regierung zu der europäischen Entwicklung zu tun. Ähnlich sind die Stellungnahmen der anderen drei Bewerber: Irlands, Dänemarks und Norwegens.Nun, das Aufnahmeverfahren kommt in Gang, es ist schon im Gange. Und schon gibt es dabei Verfahrensprobleme. In der Entschließung Nr. 1 des Monnet-Komitees, die vor uns liegt, heißt es, daß die Aufnahme und der rasche Abschluß der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens erfolgen muß zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft „in ihrer derzeitigen Form". Das ist eine wichtige Formulierung: Beitritt zur Wirtschaftsgemeinschaft in ihrer derzeitigen Form.Auf der Tagung des Rates in Luxemburg am 2. Oktober hat Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller drei Aufgaben für die nächsten Monate in der Gemeinschaft genannt, und zwar erstens den inneren Ausbau der EWG auf den Gebieten des Steuerrechts, der Energie- und der Konjunkturpolitik und anderen mehr, zweitens die Behandlung der Beitrittsanträge und drittens die Fusion der Verträge, die erfolgen muß, nachdem die Fusion der Kommissionen und der Räte schon Wirklichkeit geworden ist. Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller hat dabei zum Ausdruck gebracht, daß es keine gegenseitigen Behinderungen und Verzögerungen unter den drei Aufgaben — der einen durch die andere Aufgabe — geben dürfe. Er geht jedoch davon aus, daß die Fusionsverhandlungen schnell vorangehen könnten, daß gleichzeitig Aufnahmeverhandlungen mit Großbritannien auf der Basis des bestehenden EWG-Vertrages geführt werden und daß dann im Abschluß ein um die Fusionsprobleme erweiterter EWG-Vertrag zur Unterschrift vorliegen kann. Da sind in Großbritannien und auch in den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die Besorgnisse entstanden, von denen Herr Scheel hier gesprochen hat, ob nicht durch das Hereinbringen der Fusion der Verträge eine Behinderung und Verzögerung der Beitrittsverhandlungen eintreten müsse. Ich muß hier freimütig sagen, daß auch wir in meiner Fraktion diese Besorgnis haben. Ich sehe an dem Nicken auf den Bänken der CDU/CSU, daß es diese Besorgnis im ganzen Hause gibt.Man muß, wenn man über diese Fusionsverhandlungen spricht, erstens bedenken, daß dieselbe Kommission, die die Verhandlungen um den Beitritt führen muß, auch die Fusionsverhandlungen führen muß. Auch von seiten der sechs Regierungen werden es sehr oft dieselben Menschen sein, die diese Verhandlungen führen müssen. Da gibt es also rein wegen der Unteilbarkeit der Zeit und der Schwierigkeiten des Terminkalenders schon Behinderungen.Zweitens. Wenn jemand eine Verzögerungstaktik einschlagen will — es ist wohl nicht ein völlig ungerechtfertigter Verdacht, wenn man glaubt, daß es jemand geben könnte, der das wollte —, dann bieten sich hier natürlich mannigfache Gelegenheiten für eine solche Verzögerungstaktik.Schließlich ein dritter Grund, der mit den beiden anderen allerdings nichts zu tun hat. Wie sieht es denn am Verhandlungstisch aus, an dem es um die Fusion geht? Wir hier sind daran interessiert, daß die Substanz der europäischen Integration, wie wir sie bisher erfochten haben, bewahrt bleibt. Ist es vorstellbar, daß jetzt an diesem Verhandlungstisch diese Substanz unangetastet bleibt, oder besteht nicht die Gefahr, daß ein Status quo minus dabei herauskommt?Meine Herren von der Bundesregierung, darf ich hier, auch ein wenig mit dem Blick in die Zukunft, folgendes sagen: Das wird einmal von sechs europäischen Parlamenten ratifiziert werden müssen. Da ist schon ein dicker Brocken drin, daß wahrscheinlich und leider die schwache Position des Europäischen Parlaments so schwach sein wird, wie sie jetzt ist. Aber weitere Abstriche von dieser Substanz werden diese Parlamente — das möchte ich prophezeien — nicht hinnehmen. Da gibt es keine Ratifikation, und dann gibt es keine Fusion; wenn es keine Fusion gibt, dann gibt es die drei Verträge. Wir in den Parlamenten sind in der glücklichen Lage, daß ein Nein diesmal nicht bedeutet, daß alles in die Brüche geht; man wird dann eben mit den drei Verträgen weiterleben müssen.So komme ich zu der Bitte an die Bundesregierung — und das geht über das hinaus, was Herr Scheel für die Opposition hier gesagt hat —, doch noch einmal zu prüfen, ob es richtig ist, jetzt Fusionsverhandlungen von uns aus zu fordern, oder ob es nicht besser wäre, von uns aus den Versuch zu machen, mit den Schwierigkeiten der drei Verträge noch eine Weile 2u leben. Zweitens muß natürlich jeder Zweifel beseitigt werden, damit, wenn die Fusionsverhandlungen doch laufen sollten, nicht ein faktisches Junktim — kein gesetztes — zwischen Fusion und Beitritt herauskommt.Meine Fraktion ist nachdrücklich für die Ausweitung der EWG, um das Potential der anstehenden Bewerber hereinzuziehen. Dieses Potential, das im übrigen auch das älteste demokratische Potential auf diesem Kontinent Europa ist, sollte in der Waagschale auch etwas bedeuten. Die Hereinzie-
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Dr. Mommerhung dieses Potentials in die Gemeinschaften ist in der Rangordnung der Ziele und Aufgaben gegenwärtig bei weitem die wichtigste aller Aufgaben. Wir müssen deswegen alles vermeiden, was der Erreichung dieses Ziels nicht dienlich ist und was dieses Ziel gar gefährden könnte.Nun zu der Frage: Was kann denn die Bundesregierung tun, die ist doch guten Willens? Ja, die Bundesregierung ist guten Willens. Herr Bundeskanzler, ich habe damals nach Ihrer Regierungserklärung hier gesprochen und habe meine Zustimmung, meinen Respekt und meine Bewunderung für diese Regierungserklärung bekundet. Aber dieser Punkt war nicht der stärkste Punkt in der Regierungserklärung. Denn worauf kommt es an, Herr Scheel? Nicht darauf, daß man den Beitritt Großbritanniens „begrüßt", sondern es kommt, wenn das, was wir mit der Einbringung 'der Entschließung des Monnet-Komitees getan haben, ernst gemeint ist, darauf an, daß die Bundesregierung nicht nur den Beitritt „begrüßt", sondern ihn mit den Mitteln herbeiführt, die ihr zur Verfügung stehen.
Man schaut auf uns draußen in der Welt, und wir hören es auch, wenn wir 'draußen sind. Man ist geneigt, uns vorzuwerfen, daß hier in Bonn Lippenbekenntnisse zu diem Beitritt abgelegt würden, daß man aber nicht (das tue, was man tun könnte.Nun, was könnte man tun? Es ist richtig, daß die Bundesregierung über keinen Hebel verfügt, mit dem sie das Recht auf das Nein, das ich Vetorecht nenne, aus den Angeln heben könnte. Das ist so, und so steht es klipp und klar im Vertrag. Allerdings, Herr Bundesaußenminister, steht im Vertrag auch, und zwar in der Präambel und in eben diesem Art. 237, das Gebot der offenen Tür für alle, die die Bedingungen für den Eintritt in diesen Klub erfüllen. Das ist die andere Seite der rechtlichen Lage bei diesen Beitrittsanträgen.Was die Bundesregierung tun kann, ist, meine ich, folgendes. Sie kann der uns befreundeten französischen Regierung, die ja, wie wir wissen, auch keine Freude daran hat und haben kann, ein zweites Mal — wie im Januar 1963 — ein Veto auszusprechen, sagen, daß die Erweiterung der Gemeinschaften wirklich das ist, was hier eben schon in den Reden von Herrn Dr. Barzel und von Herrn Scheel zum Ausdruck gekommen ist und was unsere gemeinsame Überzeugung ist, die Überzeugung dieses Hauses, daß nämlich die Erweiterung dieser Gemeinschaften für uns ein Lebensinteresse — auf französisch sagt man: intérêt vital, und man weiß, was das bedeutet — ist, ein Ziel von allerhöchstem Rang, und dies aus folgenden Gründen. Erstens wegen der politischen Gesamtkonzeption von dem größeren Europa; dazu ist hier schon viel gesagt worden, und ich will es im einzelnen nicht ausführen. Das ist seit vielen, vielen Jahren, seit mehr als zehn Jahren, eine Grundlinie der Politik dieses Landes gewesen.Zweitens — und da möchte ich etwas ausführlicher sein — gebieten unsere wirtschaftlichen Interessen, daß die Tür für die Bewerber, die draußen stehen, nicht zugeschlagen wird. Ich will Ihnen dazu ein paar Zahlen nennen; ich weiß, Zahlen hört man nicht gerne, aber ich muß sie vortragen. Im Jahre 1965 führte die Bundesrepublik nach Großbritannien Güter im Werte von 2,8 Milliarden DM aus, Frankreich für 1,8 Milliarden DM. Nach Dänemark, Norwegen und Schweden führten wir für 7,4 Milliarden DM aus, Frankreich nur für 1,5 Milliarden DM. Auf 'der Einfuhrseite besteht die gleiche Diskrepanz zwischen unserer wirtschaftlichen Verbindung mit diesen Ländern und Frankreichs Verbindung mit 'den gleichen Ländern. Die Bundesrepublik führte aus Großbritannien ein für 3,1 Milliarden DM, Frankreich für 2,1 Milliarden DM. Die Bundesrepublik führte ein aus Dänemark, Norwegen und Schweden für 4,8 Milliarden DM, Frankreich für 1,2 Milliarden DM.Meine Damen und Herren, die handelspolitische Interessenlage Frankreichs und der Bundesrepublik gegenüber diesen um Beitritt oder Assoziierung nachsuchenden Staaten ist fundamental unterschiedlich. Dieses Urteil wird erhärtet, wenn man den Außenhandel mit allen Ländern 'der EFTA zum Vergleich heranzieht. Die Ausfuhr der Bundesrepublik in die EFTA-Länder betrug im Jahre 1965 19,3 Milliarden DM; das sind 50 % der Gesamtausfuhr aus der EWG in die EFTA. Die Ausfuhr Frankreichs in die EFTA-Länder betrug insgesamt 6,3 Milliarden DM; das sind 16 % der Gesamtausfuhr der EWG in die EFTA. Die Einfuhr der Bundesrepublik aus den EFTA-Ländern betrug 12,1 Milliarden DM, 43 % der Gesamteinfuhr der EWG-Länder aus den EFTA-Ländern, die Einfuhr Frankreichs aus den EFTA-Ländern. 4,6 Milliarden DM; das sind 16 % der Gesamteinfuhr der EWG aus den EFTA-Ländern. Die französische Ausfuhr in die EFTA-Länder macht also weniger als ein Drittel der Ausfuhr der Bundesrepublik in die EFTA-Länder aus und die Einfuhr Frankreichs aus diesen Ländern 'ein wenig mehr als ein Drittel der Einfuhr der Bundesrepublik aus jenen Ländern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Ertl!
Herr Kollege Mommer, würden Sie bitte auch noch die Zahlen des Außenhandels zwischen der Bundesrepublik und Österreich nennen, und würden Sie nicht vielleicht daraus eine besondere Verpflichtung ableiten, daß wir uns für die Assoziierung Österreichs .einsetzen müßten, was die Bundesregierung bisher offensichtlich nicht sehr aktiv betrieben hat?
Herr Kollege Ertl, der Außenhandel mit Österreich ist ja mit in den Zahlen enthalten, die ich für den Außenhandel mit der EFTA genannt habe. Im übrigen ist ja bekannt — und ich danke Ihnen, daß Sie mich dazu zwingen, das hier zu sagen —: es geht nicht nur um die Aufnahme der vier Länder, die Vollmitglieder werden wollen, sondern es geht um reine Erweiterung des wirtschaftlichen gemeinsamen Marktes, der noch viel größer
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Dr. Mommerwerden soll, als er es durch die Aufnahme der vier Länder würde, die Mitglied werden wollen. Wir wissen, daß wir auch für die Länder, die wie Österreich aus politischen Gründen nicht Vollmitglied werden können, in unserem Interesse, im Interesse Gesamteuropas und auch im Interesse jener Länder angemessene Lösungen finden müssen.
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Ich glaube, daß das auch heute zutrifft.
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Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein Wort zur Frage der europäischen Einigung sagen. Hier sind wir von einigen Diskussionsrednern gemahnt worden, in der Frage des Beitritts Großbritanniens entschiedener, es fiel sogar das Wort „härter", zu sein. Wir sollten dem Eindruck vorbeugen oder den Eindruck verwischen, als ob wir in dieser Frage nur Lippendienst leisteten.Zunächst wieder ein Wort an Ihre Adresse, Herr Kollege Scheel. Sie sagten, ich hätte damals nach dem Besuch in Paris gesagt, es gebe zwischen uns und Frankreich keine fundamentalen Gegensätze; hier aber liege ein solcher fundamentaler Gegensatz. Nun, in Sachen der Außenpolitik pflegt man — das ist uralte Tradition der Diplomatie — sehr genau und sehr abgewogen zu formulieren. Darf ich Ihnen in die Erinnerung rufen, was ich damals gesagt habe. Ich habe gesagt:Wir haben weiter- in dem Gespräch in Paris —einen Überblick über die politische Situation in der Welt vorgenommen. Wir haben die Interessenlage unserer Völker und ihr Verhältnis zu anderen Mächten zu vergleichen versucht. Dabei haben sich natürlicherweise nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Abweichungen ergeben. Aber wir wurden uns einig, daß auf keinem Gebiet derart fundamentale
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Bundeskanzler Dr. h. c. KiesingerGegensätze unserer Interessen und Auffassungen bestehen, daß sie— wohlgemerkt! —die Zusammenarbeit unserer Länder nach dem Geist und dem Gehalt des deutsch-franzosischen Vertrages verhindern könnten.
Das ist ganz etwas anderes, als was Sie gesagt haben.
Es gibt in der Tat zwischen uns und der französischen Regierung, nicht nur was das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und zum nordatlantischen Bündnis anlangt, sondern auch in der Frage des Beitritts Großbritanniens und anderer zur Europäischen Gemeinschaft, einen großen Unterschred. Wir haben um dieses Problem in den beiden großen Gesprächen, die wir miteinander geführt haben, sehr gerungen.Nun ist es eine Frage, wie wir dieses politische Ziel — nicht nur unseren Wunsch, Herr Kollege Mommer — zum guten Ende bringen können. Nun, wir wissen alle, wie die Dinge liegen. Gegenüber General de Gaulle härter zu sein, Herr Kollege Scheel, würde ich in diesem Falle für ein höchst untaugliches Mittel halten. Wenn Sie sagen: so überzeugend wie möglich zu sein, dann stimme ich Ihnen zu, und dann sage ich Ihnen auch, daß wir das tun.
Worauf kommt es an? Sie dürfen mir glauben — und ich bitte insbesondere einen so engagierten Europäer, wie Sie es sind, Herr Mommer, mir das zu glauben —: es kommt darauf an, in dieser schwierigen Frage, in der sich zwei fast unvereinbare Auffassungen in voller Härte gegenüberstehen, die Sechs an einem Tisch zu halten, einen Eklat, wie er schon einmal passiert ist, zu verhindern. Um das zu vollbringen, genügt es aber nicht, daß man sagt: Fünf sind ja dafür, einer ist dagegen. Dieser eine ist sehr gewichtig, und dieser eine hat eine sehr entschiedene Auffassung. Also bleibt uns nur übrig, eine Prozedur zu finden, in der dieses Beisammenlassen der sechs Partner garantiert erscheint und in der ein wirkliches Sachgespräch über die Probleme, die die Auffassung unter den Sechsen trennen, garantiert ist.Wenn wir uns so verhalten, daß der französische Partner von vornherein den Eindruck hat: da sind fünf, die haben gesagt, wir wollen dieses Ziel erreichen, was du sagst, interessiert uns überhaupt nicht, darüber gehen wir zur Tagesordnung über, dann lege ich die Hand dafür ins Feuer, daß der Beitritt Großbritanniens aufs neue scheitern würde. Und das wollen wir nicht.
— Aber ein klein wenig klang es danach. Was notwendig ist, ist eine geduldige, behutsame Politik.Ich will sagen, wie ich die Dinge sehe. Ich habe in Rom damit begonnen, zu sagen: Wenn einer von uns Sechsen so schwere Bedenken gegen die Erweiterung der Gemeinschaft geltend macht, dann müssen wir auf ihn hören und müssen mit ihm darüber sprechen. Das müssen wir tun in der ersten Phase der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens. Wenn das nicht geschieht, wenn etwa, was andere wollten, Großbritannien sofort zu diesen Verhandlungen hinzugezogen worden wäre — Sie kennen ja die verschiedenen Standpunkte —, hätten wir sofort wieder ein Scheitern unserer Bemühungen feststellen müssen. Deswegen müssen wir nach einem Phasenplan vorgehen, über den ich mit fast allen Beteiligten inzwischen gesprochen habe, einem Phasenplan, der ein wirkliches Gespräch ermöglicht. Denn wie soll dieses einige Europa unter Einschluß Großbritanniens und der anderen anders zustande kommen können als unter der vollen freiwilligen Zustimmung aller Beteiligten, eben auch Frankreichs? Das ist unsere Aufgabe. Ich sehe darin eine sehr wichtige und vorrangige Aufgabe der deutschen Politik in dem Stadium der Verhandlungen, in das wir nun eintreten. Sie dürfen überzeugt sein, wir werden alles tun, was in unseren Möglichkeiten steht, um diese Einigkeit herbeizuführen. Mehr können wir nicht versprechen.Als der britische Premier und der britische Außenminister bei uns waren, haben wir ihnen klargemacht, daß wir das britische Anliegen nicht hemdsärmelig und derb vorantreiben können, sondern daß wir unsere guten Dienste für einen Brückenschlag der entgegengesetzten Meinungen zur Verfügung stellen werden. Das haben wir seitdem ohne Unterlaß getan und wir werden diese Bemühungen fortsetzen.In der Tat, Herr Kollege Scheel, dies ist das große unserer Generation aufgegebene Werk dieses Jahrhunderts. Wir haben seit vielen Jahren für dieses einige Europa gekämpft. Wir sind immer wieder enttäuscht worden. Immer wieder sind wir durch neue und unerwartete Entwicklungen zurückgeworfen worden.Es ist wahr, was in der Präambel des Entschließungsentwurfs steht, über den wir heute beraten: daß Europas Stimme in dieser Welt fehlt und daß Europas Gewicht, das Gewicht, das Europa haben könnte, in dieser Welt nicht in die Waagschale der Entscheidungen geworfen werden kann. Das liegt ausschließlich und allein an den europäischen Völkern selbst.
Niemand hindert uns, unsere Kräfte zu verbinden. Man ermutigt uns. Amerika hat uns all die Jahre ermutigt. Auch der Osten kann uns, wenn er auch die Einigung Westeuropas nie gern gesehen hat, an dieser Einigung nicht hindern. Er wird es vielleicht sogar aufgeben, darin eine Gefahr zu sehen, wenn ihm deutlich wird, daß diese Einigung in unsere großen Bemühungen um die Anbahnung einer europäischen Friedensordnung hineingestellt ist.Ich möchte nur den Vorwurf zurückweisen, daß die Bundesregierung hier mit halbem Herzen und
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Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingermit halbem Mut arbeite. Manchmal brauchen die größten und schwierigsten Probleme, mit denen man zu tun hat, eben die stillste und lautloseste Arbeit. Wenn man still und lautlos arbeitet, dann bedeutet das keineswegs, daß man nicht mit leidenschaftlichem Herzen an dieser Arbeit ist. Meine Damen und Herren, mit leidenschaftlichem Herzen sind wir bei alledem, was sich die Regierung der Großen Koalition und die Große Koalition selber vorgenommen haben und wozu — dafür danke ich — auch die Opposition im Prinzip ihre Zustimmung ausgesprochen hat. Das heißt, daß wir, dieses Volk, unsere ganze Kraft daransetzen wollen, einen wirklichen europäischen Frieden herbeizuführen, daß wir dazu die Einigung der Völker Westeuropas beschleunigen, sie in Bezug zu dem, was wir die Heranbahnung einer europäischen Gesamtfriedenordnung nennen, setzen wollen, daß wir zwar unser großes deutsches Anliegen mit aller Würde und mit aller Festigkeit vertreten wollen und daß wir uns kein Zugeständnis abringen lassen, das gegen die Lebensinteressen dieses Volkes steht, daß wir uns aber zugleich der Verantwortung dieses unseres Volkes für das Ganze der Welt und für den Frieden in der Welt bewußt sind.Wenn man eine Formel für die Politik dieser Regierung und der Großen Koalition suchen will, dann ist es diese: Wir wollen uns so verhalten, daß die Welt mit Respekt zur Kenntnis nimmt, was wir vertreten, daß sie aber ebenso mit Achtung und Sympathie sieht, .daß dieses Volk weiß, daß es in einer Welt steht, in der alle für den Frieden und die Wohlfahrt der Völker verantwortlich sind. Wenn sich dieser Eindruck vom deutschen Volk und seiner Politik überall in der Welt und nicht nur bei unseren Verbündeten und nicht nur in der „Dritten Welt", sondern auch in der östlichen Welt durchgesetzt haben wird, meine Damen und Herren, dann haben wir jene Kräfte mobilisiert, die allein uns helfen können, dieses große, speziell deutsche Problem zu lösen, die Wiedervereinigung der Deutschen in Frieden und Freiheit. Das ist die Unterstützung, die wir durch die moralische Billigung unserer Politik durch die übrigen Völker der Welt erfahren. Je einiger wir diese Politik darstellen, nicht nur in diesem Hause — und daher mein Appell auch nach draußen —, je einiger das ganze deutsche Volk in diesem Hause und in seinen gesellschaftlichen und in seinen publizistischen Kräften hinter dieser Politik steht und je weniger Mißdeutungen man zuläßt, desto sicherer dürfen wir auf einen Erfolg hoffen.
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort gebe, teile ich dem Hause mit, daß wir hier noch sechs Wortmeldungen und außerdem noch eine Fragestunde haben. Ich frage das Haus, ob in Anbetracht dieser Lage eine Unterbrechung von einer Stunde eintreten soll. Wird das gewünscht? — Ich mache darauf aufmerksam, daß dann die Debatte weitergeht und sich unmittelbar daran die Fragestunde anschließt, wenn die anderen Tagesordnungspunkte erledigt sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Birrenbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in dieser Debatte nur zu zwei Fragen Stellung nehmen, welche beide die künftige Entwicklung Europas entscheidend berühren, zur Frage der horizontalen und vertikalen Ausdehnung der Europäischen Gemeinschaft, wie sie das Monnet-Komitee in seiner Entschließung vom 15. Juni dieses Jahres gefordert hat, und zum Atomsperrvertrag, der die militärische Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit dieses Kontinents unmittelbar berühren wird.Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft, des Europas der Sechs, ist ein Ereignis europäischer Nachkriegspolitik von historischer Bedeutung. Die sechs Partner dieser Gemeinschaft sind sich darüber einig, daß die Stabilität und die innere Konsolidierung dieser Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nach der Präambel und nach Art. 237 des Vertrages von Rom soll dieser die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker werden. Das heißt, der Vertrag ist offen für alle europäischen Nationen, die sich die politischen Ziele des Vertrages zu eigen machen und sich den im Vertrage vereinbarten Verpflichtungen unterwerfen.Der Antrag des Vereinigten Königreichs, Dänemarks, Norwegens und Irlands auf Eintritt in die Europäische Gemeinschaft stellt die Gemeinschaft vor die entscheidende Frage ihrer Erweiterung. Das Monnet-Komitee fordert in seiner ersten Entschließung einen baldigen Beginn dieser Verhandlungen mit den beitrittswilligen Staaten und befürwortet ihren alsbaldigen Abschluß. Das Komitee geht in seiner Erklärung davon aus, daß der europäische Zusammenschluß auf der Grundlage der Überwindung der Spaltung Westeuropas die Stellung Europas in der Welt unmittelbar verändert. Ein erweitertes, in sich politisch und wirtschaftlich geschlossenes Europa, das mit einer Stimme spricht, wird kraft des Schwergewichts seiner politischen und wirtschaftlichen Macht zu einem gleichwertigen Partner der Vereinigten Staaten.Der Konkretisierung dieser Forderung durch den Vorschlag eines europäisch-amerikanischen Verbindungsausschusses dient die dritte Entschließung. Ein in sich geeintes Europa kann sich noch mehr dem Osten öffnen, Brücken schlagen über die West und Ost heute trennende Demarkationslinie dergestalt, daß in Zukunft eine Überwindung der Spaltung in einer Friedensordnung Gesamteuropas denkbar wird.Das wiederum ist die Substanz der letzten und vierten Entschließung über die organisierte wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit der EWG mit Osteuropa und der Sowjetunion. Kommt aber diese Entwicklung zustande, so würde, wie es heißt, der politische Zusammenhang, d. h. die Konstellation der Welt derart geändert, daß auf diese Weise auch eine Lösung der deutschen Frage erleichtert
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Dr. Birrenbachwird. Das ist in Wahrheit die Philosophie, die hinter der Gemeinsamen Erklärung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa steht.Die Europäische Kommission hat dem Ministerrat einen ausführlichen Bericht über die künftigen Verhandlungen über die Erweiterung der Gemeinschaften vorgelegt. Dieser legt fest, unter welchen Bedingungen der Beitritt dieser Staaten möglich ist, ohne die innere Konsolidierung der Gemeinschaft zu gefährden. Er bringt aber auch mit nicht zu übersehender Deutlichkeit zum Ausdruck, welche Bedeutung der Erweiterung der Gemeinschaft durch den Zutritt der vier neuen Bewerber beigemessen werden muß. Das wirtschaftliche Potential der Europäischen Gemeinschaft würde, wie schon Herr Mommer erklärt hat, 60 % des Sozialprodukts der Vereinigten Staaten erreichen. Der innere Warenaustausch würde sich um mehr als ein Drittel vergrößern. Der Anteil der Gemeinschaft am Welthandel würde von 16 auf 20 % steigen. Die Europäische Gemeinschaft würde die größte Außenhandelsmacht der Welt werden. Die technologische Position der Europäischen Gemeinschaft, die heute noch weit hinter der der Vereinigten Staaten und zum Teil auch hinter der der Sowjetunion liegt, würde durch das Potential Englands verstärkt, ihr Rückstand substanziell verringert werden.Im politischen Bereich würde die Einbeziehung Großbritanniens für die Europäische Gemeinschaft eine große Bereicherung bedeuten. Die demokratische Tradition Westminsters findet in Europa nicht ihresgleichen. Diese Tradition ist beispielgebend auch in den skandinavischen Ländern, wie es die freiheitliche in Irland ist. Die weltpolitischen Erfahrungen und Bindungen des Vereinigten Königreiches aus der Zeit des englischen Weltreiches und später des Commonwealth würden der künftigen europäischen Einheit zugute kommen. Großbritannien hat sich im Verlaufe des letzten Jahrzehnts zu der Erkenntnis durchgerungen, daß die Beschränkung auf die insulare Lage durch die Geschichte überholt ist und ihre politischen Ziele sich, richtig verstanden, im wesentlichen mit denen Europas decken.Das ist auch der Tenor der Rede des englischen Premierministers in Straßburg am 23. Januar dieses Jahres und der Rede des englischen Außenministers Brown vor der WEU am 6. Juli 1967.Die Erweiterung Europas ist daher nicht nur ein europäisches, sondern auch ein eminent wichtiges deutsches Problem. Diese Vorteile auf politischem, wirtschaftlichem und technologischem Gebiet können für die EWG aber nur dann fruchtbare Realität werden, wenn die Gemeinschaft aus dieser Erweiterung keinen Schaden an ihrer inneren Kohäsion erleidet. Die Beitrittskandidaten müssen —das hat die Europäische Kommission ebenso klar wie das Monnet-Komitee zum Ausdruck gebracht — die europäischen Verträge annehmen, wie sie sind. Sie müssen ihre politische Zielsetzung akzeptieren. Das gleiche gilt für den gemeinsamen Zolltarif, für die gemeinsamen Politiken, die Institutionen und alle Verpflichtungen der Gemeinschaft. Das alles wird bei Ländern wie Dänemark, Norwegen und Irland nicht sonderlich schwierig sein.Der Fall Großbritanniens liegt komplizierter, wenn er auch lösbar erscheint. Auf drei Fragenkomplexe wird, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, Großbritannien insbesondere eine befriedigende Auskunft geben müssen, auf die Frage der Beziehungen zu den Ländern des Commonwealth, auf die Agrarfrage und insbesondere auf die Frage der inneren Stabilität des Pfundes und seiner Funktion als Reservewährung in der Welt. Von diesen Fragen scheint mir die dritte die schwierigste zu sein. Alle diese Fragen müssen in künftigen Verhandlungen mit Großbritannien und den übrigen Antragstellern eingehend und objektiv behandelt werden. Dazu sind Verhandlungen notwendig, auf die die Antragsteller ebenso wie die Partner der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen unverzichtbaren Anspruch haben. Wie in der jetzigen Situation, die Sie alle kennen, ein Weg zu diesen Verhandlungen geöffnet werden kann, hat in sehr beredten Worten der Bundeskanzler aufgezeigt. Ich möchte mich hier auf seine Erklärungen berufen und sie nur noch unterstreichen.Solange diese Verhandlungen schweben, soll aber nach der gemeinsamen Erklärung des Aktionskomitees die EWG nicht stillstehen. Die Vollendung der Zollunion und die Weiterentwicklung der Wirtschaftsunion stehen neben anderen wichtigen Problemen auf dem Programm der zuständigen Gremien.Das Aktionskomitee fordert die Regierungen auf, der technologischen Entwicklung der Gemeinschaft nunmehr ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In den letzten Jahren ist die technologische Lücke, die Europa in manchen Wissenschafts- und Wirtschaftszweigen von den Vereinigten Staaten, aber auch von der Sowjetunion trennt, immer schmerzlicher deutlich geworden. Dieser Abstand besteht auf industriellem Gebiet in der Atomtechnik, der Weltraumforschung, dem Flugzeugbau, dem Motorenbau, der Elektronik und der Datenverarbeitung, um nur diese zu nennen, und in einer Reihe wichtigster wissenschaftlicher Disziplinen, von denen ich ganz schweigen möchte. Der Forschungs- und Entwicklungshaushalt Großbritanniens allein beträgt 60% des entsprechenden Haushalts der gesamten EWG.Meine Damen und Herren, der Umfang des Marktes, die Größe der Unternehmungen, die Höhe der für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellten staatlichen und privaten Mittel und moderne Management-Methoden sind für die Lösung dieses Problems entscheidend.Die Erweiterung des Marktes wird in der ersten Entschließung des Aktionskomitees verlangt. Das Statut der europäischen Handelsgesellschaft, in der zweiten Entschließung gefordert, ermöglicht erst den Zusammenschluß europäischer Firmen über die engen Grenzen der Nationen hinweg zu Unternehmen ähnlicher Größenordnung wie in den USA. Die Funktionsfähigkeit dieser Unternehmen ist bedingt durch die Harmonisierung der Steuern und die
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6364 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. BirrenbachSchaffung eines einheitlichen Kapitalmarktes. Eine Koordination der Forschung ist ebenso anzustreben wie gemeinsame Budgets für gemeinsame Forschungsprojekte. Mit der ersten Tagung des Ministerrats der Gemeinschaft am 31. Oktober auf der Ebene der Wissenschafts- und Forschungsminister ist erstmalig ein Organ geschaffen, das im Zusammenwirken mit der Kommission der Motor für diese Entwicklung werden könnte.Meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Zukunft der Gemeinschaft und ihrer Mitgiedstaaten, ihre zukünftige wirtschaftliche Expansion sowie ihr sozialer Fortschritt werden abhängig sein von der Antwort, die die Gemeinschaft auf diese Herausforderung der modernen Zeit finden wird.
Damit fände die Europäische Gemeinschaft eine neue innere Dimension von fundamentaler Bedeutung; ein neuer Schritt zur Entwicklung auf ein politisch geeintes Europa wäre damit getan.Nun zum Schluß einige Worte zum Atomsperrvertrag. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Verhandlungen über den Atomsperrvertrag in der 17er-Gruppe in Genf in eine entscheidende Phase eingetreten sind. Ein gemeinsamer Entwurf der beiden Weltmächte liegt in Genf vor, der den Art. 3 nicht umfaßt. Für diesen existiert ein amerikanischer, aber auch ein völlig unakzeptabler russischer Entwurf. Ende Oktober/Anfang November dieses Jahres beginnt der Politische Ausschuß der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York seine Herbsttagung, in der der Bericht der Abrüstungsgruppe beraten werden soll. So geraten die Verhandlungen in Genf unter gefährlichen Zeitdruck. Dies ist um so bedrohlicher, als entscheidende Probleme bisher noch ungelöst geblieben sind.In dieser Lage gibt es für die sogenannten Schwellenmächte, insbesondere die europäischen und unter diesen die Bundesrepublik, nur einen Weg: Zusammen mit den übrigen Staaten gleichen Interesses alle diplomatischen Bemühungen darauf zu konzentrieren, den jetzt Bleichlautenden Entwurf akzeptabel zu machen.
Worum geht es bei den jetzigen Verhandlungen noch? Fünf Fragenkomplexe sind noch nicht zufriedenstellend gelöst.1. Die zentrale Frage für die künftige friedliche Entwicklung der Kernenergie wirft der noch nicht formulierte Kontroll-Artikel auf. Die Mitglieder der Euratom — jedenfalls fünf von ihnen — legen entscheidend Wert darauf,a) daß die künftige Kontrolle darauf beschränkt wird, den Ein- und Ausgang spaltbaren Materials an strategischen Stellen des Brennstoffzyklus auf den Vertragszweck zu prüfen, d. h. nur darauf, daß dieses nicht für militärische Zwecke mißbraucht wird; eine Erstreckung der Kontrolle auf die Technologie der Reaktoren und anderer Anlagen ist abzulehnen;b) daß Euratom als Gemeinschaft erhalten bleibt und der IAEO in Wien nur die Funktion übertragen wird, auf Grund eines von ihr mit der Euratom abzuschließenden Vertrages die Euratom-Kontrolle zu verifizieren; die für die Aushandlung dieses Abkommens festzusetzende Frist darf keine Ausschlußfrist sein;c) daß Begriffe wie „Spezialausrüstungen" oder „nichtnukleares Material zur Erzeugung von spaltbarem Material" näher und klarer definiert werden,d) daß sich zumindest die USA und England, unsere beiden großen Konkurrenten auf dem Weltmarkt, in der Zukunft freiwillig den gleichen Kontrollen auf dem Gebiet der friedlichen Entwicklung der Kernenergie unterwerfen, denen sich Frankreich als Mtiglied der Euratom schon unterworfen hat, unde) daß die künftige Belieferung der zivilen Nuklearstaaten mit spaltbarem Material sowohl für die Eigennutzung als auch für den Brennstoffdienst beim Export von Reaktoren vertraglich gesichert wird.Die Erfüllung dieser Bedingungen ist fundamental für die Weiterexistenz der Bundesrepublik als eines der großen Industriestaaten der westlichen Welt.2. Der Vertrag verbrieft völkerrechtlich — darüber müssen wir uns klar sein — ohne jede Gegenleistung die Teilung der Welt in nukleare Waffenstaaten und Nichtnuklearstaaten und präjudiziert auf diese Weise die politische Zukunft und militärische Sicherheit der letzteren in einer Welt, in der die Kernwaffen militärisch entscheidend geworden sind. Zwei Forderungen gehören zur Ausgewogenheit des Vertrags: Die Kernwaffenstaaten sollten ihre bindende Absicht erklären, ihr Kernwaffenpotential schrittweise abzurüsten und die Produktion nuklearen und spaltbaren Materials für militärische Zwecke einzustellen. Sie sollten ebenso bindend ihre Absicht festlegen, sich jeglichen Drucks, jeglicher Drohung und Erpressung gegen Nichtnuklearstaaten zu enthalten und diese gegen ähnliche Gefahren von seiten anderer Nuklearstaaten zu schützen. Über die Form der Sicherheit können dann die zivilen Nuklearstaaten mit sich reden lassen.3. Im Sicherheitsbereich, der in den Artikeln 1 und 2 behandelt ist, erwartet die Bundesrepublik, daß die die nuklearen Arrangements innerhalb der NATO heute und in der Zukunft betreffenden amerikanischen Vertragsinterpretationen verbindlich gemacht werden. Das Schweigen der Sowjetunion ist keine Garantie gegen einen offenen Dissens von morgen. Wir bedauern außerordentlich die enge Begrenzung der europäischen Option auf die sogenannte Doktrin der Staatensukzession. Dies ist um so schmerzlicher, als die technologische Entwicklung der Antiraketenwaffen heute Realität geworden ist. Bezüglich dieses Problems kann man nur, wie der Vorsitzende unserer Fraktion in seiner Erklärung vor diesem Hause, die bange Frage stellen: Kann es sich das vereinte Europa von morgen überhaupt leisten, für alle Zeiten von der Entwicklung dieser Waffen ausgeschlossen zu werden? Diese Frage müssen die europäischen Partner der NATO sich heute mit aller Eindeutigkeit stellen.
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Dr. BirrenbachDer amerikanische Vorschlag auf bedingte Zurverfügungstellung dieser Waffen unter amerikanischem Einsatz ist möglicherweise heute und morgen der Ausweg. Ist er es aber für immer?4. Das vierte Problem betrifft das Zeitelement. Der Vertrag ist in seiner heutigen Form praktisch irreversibel. Die Vereinigten Staaten haben bedauerlicherweise beide uns vorgeschlagenen Alternativen für die Vertragsänderung fallengelassen und die Majorisierung und das Veto der Kernwaffenstaaten und der Mitglieder des Gouverneursrates der IAEO akzeptiert. Das Rücktrittsrecht ist an engste Grenzen gebunden, ist enger als die normale Clausula rebus sic stantibus des Völkerrechts. Auf Grund der jetzt erkennbar gewordenen Entwicklung der Antiraketenwaffen ist das noch im vergangenen Jahr denkbare Rücktrittsrecht konsumiert.
Angesichts der unübersehbaren technologischen Entwicklung der Zukunft und der einschneidenden Beschränkungen der Möglichkeiten kollektiver Selbstverteidigung im Rahmen einer künftigen europäischen Einheit sollte der Vertrag, irreversibel wie er noch ist, in irgendeiner Form einer zeitlichen Begrenzung unterworfen werden. Diese Begrenzung kann entweder in der Institutionalisierung der Durchführungskonferenz gemäß Art. 5 Ziffer 3 bestehen, die dann den Nichtnuklearstaaten unmittelbare Rechte für den Fall der Nichterfüllung des Vertrages durch einen Nuklearwaffenstaat zuerkennt, oder durch eine Limitierung des Vertrages in qualifizierter Form, etwa nach dem Muster des NATO-Vertrages.Meine Damen und Herren, der fünfte und letzte Punkt bezieht sich auf die Teilnahme des anderen Teils Deutschlands an diesem Vertrag. Das Ratifikationsverfahren muß mit Kautelen versehen werden, die schon bei dem Atomstoppabkommen angewandt worden sind. Andere Probleme, die sich aus der Teilnahme der Zone z. B. an der Durchführungskonferenz und der Kontrolle ergeben, sind auf ihre Wirkung zu prüfen.Zusammenfassend ist zu sagen: Die Bundesrepublik hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß sie das Prinzip der Nichtverbreitung nuklearer Waffen an dritte Staaten voll anerkennt. Sie hat im Pariser Vertrag auf die Produktion dieser Waffen verzichtet und einen Verzicht auf ihren Erwerb mehrfach bindend in Aussicht gestellt. Wir haben aber Anspruch darauf, daß unsere vitalen Lebensrechte auf dem Gebiete der zivilen Nutzung und der militärischen Sicherheit respektiert werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese manchmal etwas diffuse Debatte zeigt den Wandel in den Begriffen, den wir in den letzten 10 Jahren mitgemacht haben. Vor 10 Jahren hätte sich eine Europadebatte auf die Fragen derSechs beschränkt, während wir heute von Großbritannien, Skandinavien, Griechenland und von all jenen Ländern sprechen, die östlich des rostenden Vorhangs liegen. Damit zeigt sich, daß einige Fragestellungen, an die wir uns gewöhnt haben, inzwischen überholt sind; zum Beispiel die Fragestellung, ob wir unseren Akzent auf die West- oder auf die Ostpolitik legen wollen. Wir wissen zwar schon ziemlich lange, daß Ostpolitik ohne Rückendeckung im Westen nicht zu machen ist. Aber was wir inzwischen gelernt haben, ist, daß nur eine konstruktive Ostpolitik überhaupt eine vertretbare Westpolitik ist. Deshalb bin ich dem Herrn Bundesaußenminister dankbar, daß er als eine der Wirkungen dieser Ostpolitik erwähnte, daß im Westen und in den neutralen Ländern das Vertrauen zu diesem Land gewachsen ist.Nun gibt es viele Einwände gegen das, was die Bundesregierung in der Ostpolitik tut: Das dauere zu lange; die Widerstände würden nicht schwinden, sondern wachsen; es sei kein Durchbruch zu erwarten und zu sehen; die Tonart von der anderen Seite werde nicht besser, sondern schlimmer. In der Tat hören wir im Augenblick von der anderen Seite vor allem drei Argumente: 1. daß unsere Ziele — Revanchismus, Imperialismus und wie das alles heißt — sich nicht geändert hätten, 2. daß die Taktik der neuen Regierung zwar geschickter, aber deshalb nur noch um so gefährlicher sei und 3. daß man endlich Taten von uns sehen wolle. Alle diese Vorwürfe sind sicherlich ungerecht, aber ich nehme sie mit etwas gedämpfter Entrüstung entgegen, weil sie ziemlich genau den Argumenten entsprechen, die man drüben von hier aus jahrelang gehört hat, nämlich daß sich dort die Ziele nicht geändert hätten, daß man nur eine neue gefährlichere Taktik erfunden habe und daß man doch endlich einmal Taten sehen wolle. Das, was wir heute von der anderen Seite erleben, ist natürlich auch Taktik, und es ist auch der Versuch, auf Zeit zu spielen, aber es ist auch der Ausdruck eines Mißtrauens, das sich in drei Jahrzehnten angesammelt hat. Dieses Mißtrauen wird nicht dadurch besser, daß wir uns hier darüber unterhalten, ob diese Regierung nun eigentlich eine neue Politik treibe oder nicht. Man kann nicht — und das sage ich vor allem zu dem Kollegen in der Mitte dieses Hauses —, um die Kontinuität zu wahren, in diesem Lande sagen: im Grunde machen wir so weiter wie bisher nach den alten, bewährten Grundsätzen, und dann nach außen sagen: aber jetzt ist etwas ganz Neues da.Verehrter Herr Kollege Barzel, sosehr ich Ihre heutige Rede honorieren möchte, so sehr möchte ich Sie bitten, doch über das eine Zitat des verewigten Bundeskanzlers noch einmal nachzudenken, mit dem Sie dies Kontinuität darzustellen versuchten; denn dieses Zitat zeigt nicht nur eine Kontinuität in den letzten, sagen wir, 10 Jahren, sondern für diejenigen, die das in Moskau hören, eine Kontinuität über die letzten 100 Jahre hinweg, weil nämlich in der deutschen Geschichte jedesmal ein propolnischer Akzent — wie er in der Äußerung von Konrad Adenauer enthalten war — verbunden war mit einem antirussischen, genauso wie ein prorussischer mit einem antipolnischen Akzent verbunden war,
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6366 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. Epplerund ich bin fest überzeugt, Herr Kollege, daß Sie das ganz bestimmt so nicht gemeint haben. Aber ich möchte darum bitten, daß das hier noch einmal völlig klargestellt wird.
Herr Abgeordneter Eppler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Würden Sie die Güte haben, mir zu erklären, warum Sie mehrere Sätze auf die Schaffung eines Mißverständnisses verwenden, um dann zu sagen: Aber so können Sie es ja gar nicht gemeint haben?
Herr Kollege Barzel, es geht doch darum, hier in diesem Hause klarzumachen, und zwar für uns alle, für Sie und für uns, daß die Zeiten seit Bismarck, in denen wir versuchten, zwischen Polen und der Sowjetunion irgendwelche Differenzen zu schaffen, endgültig vorbei sind. Sie sind dieser Meinung, und ich bin dieser Meinung, und deshalb sollten wir uns jetzt darüber einigen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? — Herr Dr. Barzel!
Würden Sie dann, Herr Kollege Eppler, — wenn Sie diesen Maßstab an- erkennen — bereit sein festzustellen, daß in meiner Rede nur von Pakow und von Moskau und vom polnischen Volk die Rede war, daß hier gerade das anklang, was Sie jetzt beklagen, nämlich, daß das Zugleich-Bemühen vielleicht in Moskau als eine Anti-Spitze empfunden werden könnte; daß ich, wenn ich dies wegließ, deutlich machte, daß ich auf der Höhe der Diskussion von heute bin und daß Sie vielleicht solche Dinge wirklich nicht sagen sollten?
Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar. Nach dieser Erklärung, die Sie hier abgegeben haben, sollten wir dieses Thema zu den Akten legen.
Meine Damen und Herren, es ist hier heute sehr viel von Versöhnung gesprochen worden. Ich möchte aber nicht, daß wir von Versöhnung in der Weise reden — es hat es hier niemand getan —, als ob es einen Rechtsanspruch auf Versöhnung gäbe und als ob wir uns beleidigt zurückziehen könnten, wenn die anderen nicht in dem Moment zur Versöhnung bereit stehen, wo wir diese Versöhnung gerne hätten. Was vor uns liegt, ist eine ganz mühselige Kärrnerarbeit, und ich bin dem Herrn Bundeskanzler außerordentlich dankbar, daß er am 17. Juni davon gesprochen hat, es komme an auf den „Beweis eines um Vertrauen ringenden Volkes". Genau das ist das, was wir hier zu demonstrieren haben.
Nun ist heute viel Kluges gesagt worden. Aber ich bin bei einigen Fragestellungen nicht ganz glücklich gewesen; und es kommt ja immer auf die
Fragestellung an; daran orientiert sich die Antwort.
Es wird oft darüber nachgedacht, was denn nun eigentlich die sowjetische Politik uns gegenüber sei und ob wir sie richtig einschätzten. Meine Damen und Herren, was die sowjetische Politik im Augenblick will, sagt sie selbst so deutlich, daß wir uns über die Interpretation hier nicht in die Haare zu geraten haben. Die Frage aber, die für uns steht, ist, wie wir dieser Politik sinnvoll begegnen. Ich würde glauben, daß wir ihr nur durch eine konstruktive Ostpolitik begegnen können, weil nämlich die härtesten Leute, die es auf der anderen Seite gibt, darauf spekulieren, daß wir uns in den ostpolitischen Schmollwinkel zurückziehen und man uns dann von unseren Freunden im Westen isolieren kann.
Eine andere Fragestellung, die ich nicht für glücklich halte, ist die, ob wir die bekannten vier Forderungen der Sowjetunion erfüllen sollen oder nicht; wobei man dann je nach Blickpunkt diejenigen, die sie erfüllen wollen, entweder für Realisten oder für Feiglinge, die, die sie ablehnen wollen, entweder für Helden oder für Illusionisten erklärt. Meine Damen und Herren, wir sollten uns auf diese Frage so gar nicht einlassen. Denn die richtige Frage scheint mir zu sein, welchen Beitrag zum Frieden die Völker Europas von uns legitimerweise verlangen können. Was die Völker Europas von uns legitimerweise erwarten können, ist in Prag gar nicht so viel anders als in Paris und in Warschau und in Amsterdam; das heißt, daß unter der Kruste ideologischer Vorstellungen doch sehr viele gemeinsame europäische Interessen auch in bezug auf dieses Land zum Vorschein kommen. Daran sollten wir uns orientieren. Ob das, was Europa von uns legitimerweise verlangen kann, dann einmal mit einer sowjetischen Forderung übereinstimmt oder nicht übereinstimmt, scheint mir zweitrangig zu sein; das ist nicht der Maßstab. Denn sonst kommen wir in die Situation wie in der Weimarer Republik: ob wir irgend etwas hinnehmen wollen oder nicht hinnehmen wollen, ob es Verzichtpolitiker gibt oder nicht. Die Frage ist vielmehr, was unser aktiver Beitrag ist.
Herr Kollege Barzel, Sie haben heute — dafür bin ich Ihnen ganz besonders dankbar —, übrigens ähnlich wie der Herr Bundeskanzler bei seiner Rede am 23. Juni, davon gesprochen, daß Ihre Partei gerade früher, wenn es um europäische Dinge gegangen sei, auch zu Vorleistungen bereit gewesen sei. Wenn ich es richtig verstehe, auch beim Herrn Bundeskanzler, dann schloß dies ein: Umsonst waren sie nicht. Herr Kollege Barzel, was ich an der Politik Ihrer Partei immer geschätzt habe, war, daß Sie den souveränen Nationalstaat nicht mehr zum letzten Maßstab Ihrer Politik gemacht haben. Meine Bitte wäre jetzt nur, daß wir dieselben Maßstäbe, die Sie in bezug auf dieses Kleineuropa, das ja auch nötig war, praktiziert haben, nun alle gemeinsam auch einem größeren Europa gegenüber praktizieren.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becher.
Herr Kollege Eppler, würden Sie sich bei der Auslegung des Be-
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Dr. Becher
griffes „legitim" — was die anderen Völker Europas legitimerweise von der Bundesrepublik, also von uns erwarten können — mit dem einverstanden erklären, was der Herr Außenminister und der Herr Bundeskanzler uns heute gesagt haben?
Herr Becher, darauf komme ich gleich zurück. —
Herr Kollege Eppler, würden Sie mir einmal die Frage beantworten, wieso nach Ihrer Auffassung alle übrigen Staaten bis jetzt an ihrer Souveränität und ihrer Nationalstaatlichkeit festhalten und man nur von den Deutschen, anscheinend auf Grund der Situation von 1945, verlangt, für alle Zeiten auf Souveränität und Nationalität zu verzichten?
Herr Kollege Ertl, ich darf Sie nur an das sehr schöne Bild unseres Kollegen Barzel mit den sechs Eiern und dem Omelett erinnern. In diesem Omelett ist nicht nur das deutsche Ei, sondern darin sind noch einige andere, und wir hoffen, daß noch mehr hineinkommen.
Noch eine Frage.
Darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß nach Ihrer Meinung Frankreich, insbesondere die jetzige Führung — vielleicht gilt es auch für kommende Führungen —, und andere Staaten bis jetzt sehr weitgehend souveräne Rechte aufgegeben haben?
Herr Kollege Ertl, die Zeit, in der der souveräne Nationalstaat seine Aufgaben auf politischem, militärischem und ökonomischem Gebiet erfüllen konnte, ist endgültig vorbei, für uns und für andere.
Gestatten Sie auch eine Zwischenfrage von Herrn Schmitt-Vockenhausen?
Herr Kollege Eppler, glauben Sie nach dieser Zwischenfrage, daß Herr Kollege Ertl das Programm der FDP und ihre Haltung in diesen Fragen kennt?
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich weiß nicht, ob er es kennt, und ich weiß auch nicht, was es hier zu kennen gibt.
Herr Kollege Eppler, glauben Sie, daß Herr Schmitt-Vockenhausen bei dem vielseitigen Programmwechsel, wie er bei der SPD notwendig war, mir zugeben kann, daß ich weiß, welche Grundsätze wir in der Vergangenheit vertreten haben?
Verehrter Herr Kollege Ertl, es gibt in diesem Haus nur eine Partei, die ein Grundsatzprogramm hat, und das ist die unsere.
Meine Damen und Herren, eine andere Fragestellung, die mich etwas plagt und von der ich fürchte, daß wir zu falschen Antworten kommen, ist auch heute wieder angeklungen: ob wir denn in diesem Europa und in der Deutschlandpolitik von den gegebenen Realitäten ausgehen sollten. Wenn man die Frage so stellt, kann doch die Antwort nur sein: Wovon soll man denn ausgehen, es sei denn von dem, was nun einmal ist? Aber das ist doch nicht die Frage, sondern die Frage ist, wohin wir schließlich wollen von diesen Realitäten weg. Wenn man schon von Realitäten spricht, dann sollte man sich wiederum nicht auf den Sprachgebrauch der anderen Seite einlassen, die so tut, als gäbe es in diesem Europa nur eine Realität, nämlich die, daß es zwei verschiedene und auch verschieden legitimierte Ordnungen gibt. Es gibt in bezug auf Deutschland mindestens drei wichtige Realitäten. Das eine ist in der Tat, daß es zwei verschiedene und verschieden legitimierte politische Ordnungen auf diesem Boden gibt. Die zweite Realität ist, daß die Völker Europas — einschließlich der Deutschen — einen Weg zum Frieden suchen. Eine dritte Realität ist die, daß es in der Mitte dieses Kontinents noch eine deutsche Nation gibt, die früher oder später einmal das Recht bekommen muß, über ihre Zukunft selber zu entscheiden.
Die Frage ist nicht: wollen wir von irgendwelchen Realitäten ausgehen, sondern: wie können wir diese drei Realitäten so verbinden, daß für dieses Volk und für Europa eine friedliche Zukunft daraus wird? Deswegen bin ich ein bißchen unglücklich darüber — nehmen Sie das bitte nicht übel —, wenn wir immer über die Ziele der SED reden; die sind uns relativ klar. Herr Barzel, ich habe genauso wie Sie mit Freude verfolgt, daß der Begriff „Nation" im letzten halben Jahr dort wieder eine gewisse Wandlung erfahren hat. Aber entscheidend ist wiederum nicht, was die drüben wollen, sondern entscheidend ist, welche Politik wir betreiben, um die drüben mit dem, was sie wollen, scheitern zu lassen.Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang darf ich ein Wort an Sie richten. Ich gestehe, es fällt mir schauderhaft schwer — schon aus landsmannschaftlicher Solidarität heraus —, ein kritisches Wort an Sie zu richten.
— Sie spüren wohl auch, welch innere Überwindung mich das kostet. Aber ich möchte doch noch einmal auf das zu sprechen kommen, was Sie vorhin selber auf eine für mich sehr beruhigende Weise dargestellt haben: die Anerkennungspartei. Die Gründung von Parteien ist ja nach Art. 21 des Grundgesetzes frei. Nur gehört es eigentlich zum Anstand, Herr Bundeskanzler, daß, wenn man schon eine Partei gründet, man ihr auch beitritt und daß man nicht für andere Leute, ganz gleich, wo sie sind — in-
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Dr. Eppleroder außerhalb dieses Hauses —, eine gründet. Aber das ist nicht das Entscheidende. Was mir an dieser ganzen Sache nicht gefallen hat, war wiederum die Fragestellung. Die Fragestellung ,,Anerkennung oder nicht" ist nicht in diesem Hause entstanden. sondern sie kommt von woanders her. Wir sollten uns abgewöhnen, immer nur die Knochen abzunagen, die uns andere vorwerfen.Wenn wir uns hier die Frage zu stellen hätten, würde sie doch anders lauten, nämlich: wie kann Europa Frieden finden, wie ist eine Kooperation und eine Kommunikation zwischen beiden Teilen Deutschlands möglich, ohne daß die Spaltung festgeschrieben wird, ohne daß wir uns gegenseitig als Ausland anerkennen, ohne daß das Recht verloren geht, daß diese Deutschen eines Tages sagen, ob sie noch eine Nation sind und was für eine Zukunft sie als Nation haben wollen? Ich glaube, so sollten wir die Frage stellen und uns nicht immer an den Begriffen festkrallen, die die anderen uns vorlegen.Für diese Fragestellung, Herr Bundeskanzler — das glaube ich aus verschiedenen Reisen nach verschiedenen Richtungen entnommen zu haben —, finden wir mehr Verständnis als für die rechtlich fixierte Fragestellung: Anerkennung oder nicht. Dafür interessieren sich die Leute weder 'im Osten noch im Westen übermäßig. Aber sie verstehen, daß wir gewisse Beiträge für den Frieden Europas leisten wollen .und daß es gewisse Dinge gibt, die wir nicht leisten können. Darum geht es.
Bitte, Herr Gradl, eine Zwischenfrage!
Herr Kollege Eppler, sind Sie nicht der Meinung, daß die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung gar keine rechtliche Frage im eigentlichen Sinne ist, sondern daß es hier um eine politische Position geht, die wir glauben einnehmen zu sollen, wenn wir sagen: Wir erkennen nicht an? Wenn Sie dem zustimmen könnten, würden Sie dann nicht meinen, daß es die Pflicht der Regierung und ihrer dazu besonders bestimmten Sprecher ist, dann, wenn diese Position von draußen, d. h. in diesem Fall von außerhalb des Hauses, gefährdet wird, die Verpflichtung besteht, dem in aller Deutlichkeit entgegenzutreten? Ich meine nicht, gefährdet bei uns, sondern gefährdet im Hinblick auf die Denkweise derer, mit denen wir es draußen in der Welt zu tun haben?
Herr Kollege Gradl, erstens habe ich der Regierung keine Vorschriften zu machen, und zweitens verstehe ich natürlich, wenn die Regierung — ich halte das sogar für richtig — einmal klar sagt, wo für uns verzichtbare und wo unverzichtbare Dinge liegen. Worum es mir gerade ging — und das bezog sich ja auf die kristallisierte Formulierung des Bundeskanzlers —, ist, daß man politisch immer in der Defensive ist, wenn man sich die Fragestellungen der anderen Seite aufdrängen läßt.
Noch eine Frage, Herr Dr. Gradl.
Sind Sie nicht der Meinung, daß zur Verfolgung der eigenen Politik auch die Abwehr der Politik der Gegenseite gehört?
Herr Gradl, jetzt provozieren Sie mich zu einem Bild. Wenn ich beim Fußball merke, daß der Gegner Zeit schindet, dann mauere ich nicht auch, sondern dann schicke ich acht Mann in den Sturm.
Herr Kollege Eppler, haben Sie nicht aus der heutigen Erklärung des Herrn Außenministers und des Herrn Bundeskanzlers ersehen, daß wir keineswegs nur verteidigen, sondern daß wir alle miteinander sehr im Begriff sind, die Politik konstruktiv zu verändern, also offensiv zu sein?
Verehrter Herr Kollege Gradl, sich habe vorhin nicht nur den Außenminister gelobt, sondern habe mich vorhin extra noch beim Herrn Bundeskanzler dafür bedankt, daß er die Dinge zurechtgerückt hat.
— Herr Genscher, Sie haben das zu Ihrem großen Vergnügen registriert. Mehr können Sie in 'diesem Zusammenhang doch wohl nicht verlangen.Lassen Sie mich aber noch ein Wort sagen, und das ist auch ein leicht kritisches Wort an unseren Herrn Bundeskanzler. Dieses Wort bezieht sich auf Jugoslawien. Ich kenne alle Schwierigkeiten, die hier auf dem Wege liegen. Ich kenne auch die sogenannte Dissidenten-Theorie, von der ich glaube, daß sie gewaltig übertrieben wird. Erstens handelt es sich hier nicht um ,einen Dissidenten, sondern um ein blockfreies Land; es ist nicht sehr höflich, hier von „Dissidenten" zu sprechen, und zweitens habe ich jedenfalls in Osteuropa nirgendwo den Eindruck gehabt, daß man uns diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien negativ ankreiden würde. Ich bin in einigen Ländern gewesen, wo das genau umgekehrt ist.Aber wie dem auch immer sei — ,es gibt noch viele andere Probleme, die wir in dieser Stunde nicht erörtern können —, 'diese Sache liegt nun schon seit dem Frühjahr auf dem Schreibtisch des Bundeskanzlers, und wir wären froh, wenn sie bald von diesem Schreibtisch herunterkäme; denn die Dinge werden nicht besser, wenn sie noch länger liegen.Schließlich noch ein Wort zum Atomwaffensperrvertrag. Herr Kollege Birrenbach, es ist völlig unmöglich, jetzt in diesem Augenblick auf alle Argumente einzugehen, die Sie hier vorgetragen haben. Ich bitte Sie aber, einiges doch nicht zu vergessen. Erstens ist das, was uns heute vorliegt, besser als das, worüber wir im Frühjahr hier miteinander gesprochen haben. Das sollten wir einmal sagen. Wir sollten auch dem Auswärtigen Amt und dem Außenminister einmal Danke schön dafür sagen,
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Dr. Epplerdaß gerade im zivilen Bereich viele unserer Sorgen inzwischen zerstreut worden sind.Und das Zweite, Herr Kollege Birrenbach: ich glaube, wir sollten uns, wenn wir auf die Gestaltung dieses Vertrages Einfluß nehmen wollen — und das wollen Sie und ich, das wollen wir alle —, konzentrieren. Je weniger wir uns konzentrieren und je mehr Einwände wir haben, desto leichter wird es für Böswillige, aus Einwänden Vorwände zu machen. Anders gesagt, wir sollten uns etwa auf dais Problem des Art. 3 konzentrieren. Da bin ich völlig mit Ihnen einverstanden. Ich bin aber keineswegs sicher, Herr Kollege, ob wir uns z. B. in bezug auf die Geltungsdauer stark machen sollten. Ich befürchte, daß das politische Plus, ,das wir ,aus dieser Sache herausholen wollen, von anderen vielleicht schon allein dadurch wieder zunichte gemacht werden kann, daß wir uns 'auf diesen Punkt ,der Geltungsdauer konzentrieren, bei dem wir ohnehin nicht sehr viel Chancen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Birrenbach?
Bitte!
Herr Kollege Eppler, sind Sie sich nicht darüber klar, daß es für uns wichtiger wäre, nicht der Tradition Weimars zu folgen und unbesehen Verträge anzunehmen, die nachher unerfüllbar sind?
Ist es nicht besser, unsere Bemühungen darauf zu
konzentrieren, die Verträge akzeptabel zu machen?
Eine zweite Frage, Herr Kollege Eppler: sind Sie sich darüber klar, daß der Art. 3 überhaupt noch nicht formuliert ist? Sind Sie sich darüber klar, daß die Interpretationen der Vereinigten Staaten noch völlig unverbindlich sind? Sind Sie sich darüber klar, daß der Vertrag jetzt noch eine Reihe von Klauseln enthält, die so schwerwiegend sind, daß wir sie sehr schwer für alle Zeiten annehmen können? Darum ist die Begrenzung der Geltungsdauer, die auch von anderen Ländern vertreten wird, eine der entscheidenden Möglichkeiten, unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Herr Kollege Birrenbach, Ihr Hinweis auf Weimar war hoffentlich nicht so ganz ernst gemeint. Wenn es eines gibt, worüber wir uns alle hier einig sind, dann ist es die Tatsache, daß wir nur Verträge unterzeichnen können, von denen wir wissen, daß wir sie auch halten werden Ich habe lediglich gesagt, Herr Kollege Birrenbach, daß wir, wenn wir von hier aus Einfluß nehmen wollen, um einen möglichst akzeptablen Vertrag zu erreichen, gut daran tun, uns auf wenige, entscheidende Punkte zu konzentrieren und nicht der Gegenseite durch einen unendlichen Fächer von Forderungen die Möglichkeit zu geben, uns wieder zu verdächtigen. Genau das habe ich gesagt, und dabei bleibe ich auch.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, die Europa-Debatte, die hier stattgefunden hat, ganz kurz — ich mußte mich ja beschränken — mit dem zu verbinden, was uns Deutsche im besonderen angeht. Friedrich Naumann — entschuldigen Sie, meine Herren von der FDP, wenn ich das sage — hat in einem Artikel zum 100. Geburtstag von Bismarck im Jahre 1915 geschrieben:
Bismarck hat Europa von Preußen aus gedacht, und daraus ist das Deutsche Reich geworden.
Meine Damen und Herren, wir müssen Deutschland jetzt von Europa aus denken. Vielleicht wird daraus eine politische Gemeinschaft der Deutschen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer am Freitag um 14 Uhr die Ehre hat, im Deutschen Bundestag in einer außenpolitischen Debatte zu sprechen, müßte mit einem Dank an alle jene Kolleginnen und Kollegen beginnen, die sich einer freiwilligen Fastenkur unterworfen haben und noch hier im Raum anwesend sind, obgleich die Mittagszeit längst überschritten wurde.
Wenn ich Walter Henckels wäre, der Chronist von Bonn, würde ich all den Kollegen, die hier etwas für ihre Gesundheit tun — und für die Außenpolitik, wie ich meine — einen Epilog widmen.Der Herr Bundeskanzler hat als Replik auf die Rede meines Freundes Walter Scheel vom „Anerkennungsgerede" gesprochen. Er hat recht, wenn er feststellt, daß es in Deutschland einen Unterschied zwischen der öffentlichen Meinung und einem Großteil der sogenannten veröffentlichten Meinung gibt. In einer ganzen Anzahl von Publikationen wird der Eindruck vermittelt, als wenn sich weite Kreise des deutschen Volkes gewissermaßen durch Zeitablauf mit den Realitäten der Teilung Deutschlands und Europas abgefunden hätten. Wenn man in den Zentralen des kommunistischen Bereiches diese Publikationen der letzten Jahre verfolgt, muß man in der Tat zu der Erkenntnis kommen, daß es darauf ankäme, weiter alle deutschen und europäischen Fragen auf die lange Bank zu schieben, um die Deutschen dazu zu bringen, Rechtsposition für Rechtsposition preiszugeben. Die öffentliche Meinung ist hier ganz anders einzuschätzen; sonst würden die Wahlen nicht die Ergebnisse zeitigen, die sie seit etwa zehn Jahren haben.Die Freie Demokratische Partei hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß in drei Fragen Kompromisse nicht möglich sind:1. Die liberale Partei ist auch als Opposition nicht bereit, auf deutschem Boden einen zweiten deutschen Staat als Völkerrechtssubjekt anzuerkennen, einen Staat, der nicht dem frei geäußerten Willen der Bevölkeruug entspricht und der die Menschenrechte mißachtet. Aber selbst wenn es in diesem Hause politische Kräfte gäbe, die die Anerkennung eines
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6370 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. Mendezweiten deutschen Staates als Völkerrechtssubjekt akzeptierten, so muß ich Sie doch darauf aufmerksam machen, daß unser Grundgesetz und die im Zusammenhang mit der deutschen Frage in den letzten achtzehn Jahren rechtskräftig gewordene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine völkerrechtliche Anerkennung eines zweiten deutschen Staates ausschließen; es wäre ein verfassungswidriges Verhalten, das zu tun.2. Auch die liberale Opposition steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Westberlin ein Teil der Bundesrepublik Deutschland ist, der auf Grund besonderer Entwicklungen einen Status sui generis hat. Wir werden allen Versuchen auch weiterhin Widerstand leisten, die Verbindungen Westberlins zum Bund und die Verbindungen des Bundes zu Westberlin zu lockern oder gar in Frage zu stellen. Eine freie Stadt Westberlin wäre der Anfang einer unfreien Entwicklung in Westberlin! Hier gilt nach wie vor, was Theodor Heuss 1955 in dem Satz zusammenfaßte:Das Schicksal Berlins ist an das Schicksal Gesamtdeutschlands gebunden;
das Schicksal Gesamtdeutschlands aber wird zuerst hier in Berlin entschieden!3. Wir sind nicht bereit, Gegenstände, die einer friedensvertraglichen Regelung durch die Erklärungen der Siegermächte zugeordnet sind, vorwegzunehmen und damit die deutsche Verhandlungsposition bei einer künftigen europäischen Friedenskonferenz zu schwächen. Auch Grenzfragen gehören dazu! Sie können erst in der Gesamtbilanz einer friedensvertraglichen Regelung entschieden werden, nicht vorher.Nun hat hier erneut eine Auseinandersetzung über das Problem der Alleinvertretung stattgefunden. Es wäre gut, Herr Außenminister, wenn wir den Versuch machten, auch seitens der Bundesregierung der Propaganda Ostberlins wirksamer entgegenzutreten und die Begriffsbestimmung noch schärfer zu fassen, um den Unterschied deutlich zu machen zwischen dem, was die da drüben uns bezüglich der Alleinvertretung immer wieder unterschieben, und dem, was wir wirklich meinen. Wir meinen nicht, daß wir uns anmaßen, außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes Macht auszuüben. Wir anerkennen vielmehr — sonst wäre der Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem Vorsitzenden des Ministerrats Stoph nicht logisch — eine politische Selbstvertretung der in Ostberlin tätigen Organe, die sich Staatsorgane der „DDR" nennen. Wir sind aber nicht nur berechtigt, sondern nach unserer Verfassung verpflichtet, für jene zu sprechen, die sich in Mitteldeutschland nicht selbst äußern können. Wenn nicht einmal der Brief des Bundeskanzlers in der Presse Mitteldeutschlands veröffentlicht und im Rundfunk und Fernsehen bekanntgegeben wird, um wieviel mehr haben wir die Pflicht, über unsere Kommunikationsmittel der mitteldeutschen Bevölkerung davon Kenntnis zu geben!Im übrigen ist es nicht so ungewöhnlich, auch für Teile das Wort zu nehmen, denen sich selbst zu äußern versagt ist. Niemand in Ostberlin findet etwas daran, daß sich die SED immer wieder als Anwalt und Sprecher der kommunistischen Partei und der Arbeiterbewegung Westdeutschlands erklärt, die sich — so sagt die SED — auf Grund des Verbots der KP nicht äußern kann.Daß wir die Stimme für diejenigen erheben, die sich in Mitteldeutschland selbst nicht äußern können, ist Recht und Pflicht zugleich. Machtausübung außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes strebt die Bundesrepublik Deutschland nicht an. Alleinvertretung kann daher nur so verstanden werden, daß wir auch für jene zu reden in Anspruch nehmen, denen sich zu äußern gegenwärtig noch versagt ist.Herr Kollege Helmut Schmidt hat geglaubt, er müsse dem Herrn Bundeskanzler gegen den Sprecher der Opposition zu Hilfe kommen. Er hat darauf hingewiesen, daß das Problem der Atomträger nicht nur eine Sache der Bundeswehr ist, sondern auch eine Sache der anderen Streitkräfte, sowohl bei den Anrainerstaaten des Warschauer Paktes als auch der nordatlantischen Bündnisgemeinschaft. Das ist richtig, Herr Kollege Schmidt. Aber ich darf Sie daran erinnern, mit welcher Leidenschaft sowohl die sozialdemokratische Opposition im März 1958 fünf Tage lang wie auch die liberale Opposition in diesem Hause aus der besonderen Lage des geteilten Deutschland eine Bewaffnung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffenträgern ablehnten, weil wir uns über die politischen Konsequenzen dieses Beschlusses der absoluten Mehrheit der CDU damals für die Politik der Wiedervereinigung Deutschland im klaren waren. Neun Jahre später erscheinen diese Befürchtungen gerechtfertigt.Mein Freund Scheel, Herr Kollege Schmidt, denkt gar nicht daran, durch Verzicht auf Atomträger bei der Bundeswehr eine isolierte Leistung zu erbringen. Er denkt selbstverständlich an adäquate Gegenleistungen auch im Bereich des Warschauer Paktes, also hier im anderen Teil Deutschlands, der Teilnehmer des Warschauer Paktes ist. Mein Kollege Scheel denkt vor allem auch an die arbeitsteilige Verteidigung in der Bündnisgemeinschaft
— einen Augenblick — und am Ende an eine Entwicklung, die als europäisches Sicherheitssystem die gegenwärtigen regionalen Pakte in Europa ablösen soll, natürlich unter Einbeziehung der Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Sowjetunion, denen im Rahmen dieses europäischen Sicherheitssystems die Wahrung des atomaren Gleichgewichts zukäme. — Bitte schön!
Jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt.
Herr Mende, darf ich eine Frage stellen in dem Bewußtsein, zur Hälfte beruhigt zu sein, daß Sie Herrn Scheel ebenfalls so in-
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Schmidt
terpretiert haben, daß auf allen Seiten das gleiche geschehen soll. Das war aus seiner Rede wirklich nicht zu entnehmen. Aber zur Hälfte bin ich in dem Punkt beruhigt. Ich möchte Sie nur etwas fragen, was die Erinnerung an das Jahr 1958 angeht. Ich war einer der Kombattanten jener Gefechte, an die Sie hier erinnern. Ich jedenfalls weiß genau, was ich gesagt habe. Ich erinnere mich aber auch genau an das, was Wolfgang Döring, der damals für Sie sprach, gesagt hat. Jenes Gefecht ist meiner Erinnerung sehr tief eingeprägt. Ist es nicht richtig, zu sagen, daß wir 1958 in einer Situation debattiert haben, in der nicht die sogenannte Volksarmee der DDR Trägerwaffen hatte, auch nicht die polnische Armee, nicht die tschechoslowakische Armee usw.? Das war eine andere Lage. Inzwischen haben alle diese Staaten auf dem atomaren Gebiet den gleichen Status. Wir auch, wir unterscheiden uns da nicht. Ich frage Sie: Kann man da wirklich unter Anschluß an Emotionen, an Gefühle von damals so tun, als ob die Lage noch dieselbe wäre?
Selbstverständlich, Herr Kollege Schmidt, ist sie nicht dieselbe. Da Sie sich genau an die Debatte erinnern, werden Sie auch meine Formulierung — ich habe damals auch gesprochen — noch im Gedächtnis haben, als ich dem Hause zurief: Wer jetzt in diesem Augenblick die Bundeswehr, d. h. einen Teil Deutschlands, mit taktischen Atomträgern ausrüstet, schlägt die Tür zur Wiedervereinigung Deutschlands mit lautem Atomknall zu. — Es hat hier sehr viel Ärger darüber gegeben. Im April haben Ihre Freunde und haben wir mit Herrn Mikojan über dieses Thema gesprochen; denn einen Monat nach dieser Debatte folgte ja sein Besuch in Bonn. Im November 1958 kam dann das Berlin-Ultimatum, und im Januar 1959 folgte der sogenannte Friedensvertragsentwurf Ich glaube, zwischen dem, was wir im März hier entschieden, und dem, was sich dann im November 1958 und Januar 1959 schließlich ergab, ist ja wohl —das ist gar nicht zu leugnen — ein gewisser Zusammenhang.
— Darauf will ich Ihnen jetzt antworten. Genauso, wie wir damals damit begannen — damals stand noch nicht die Ausrüstung der Volksarmee mit gleichen Waffen zur Diskussion, nicht einmal der Armeen Polens und der Tschechoslowakischen Republik —, genauso wie wir damals damit hier begannen in der leidenschaftlichen 5-Tage-Debatte, die auch außerparlamentarische Wirkung zeigte — ich erinnere Sie an die Göttinger Atomprofessoren und alles das, was sich damals noch entwickelte; es gehört der Vergangenheit an —, hat Walter Scheel gesagt, es wäre nicht schlecht, in Fortentwicklung unserer Friedensnote vom 25. März 1966 — also noch der alten Regierung — zu sagen, daß wir auch zu gewissen Leistungen in bezug auf die gespannte Lage im geteilten Deutschland bereit sind, das ja vordere Linie der beiden Regionalpakte ist. Das galt natürlich unter der Voraussetzung, die ich schon hier erklärte: daß die andere Seite sich zu gleichen Leistungen bereit erklärt. Damit zwingt man die andere Seite, sich mit der Frage zu befassen. Ich halte den Rapacki-Plan zwar in der seinerzeitigen Dimension für überholt, Herr Kollege Schmidt, auf Grund der technischen Entwicklung. Ich halte aber den Gedanken, größere Räume verminderter Rüstung zu schaffen, nach wie vor im geteilten Deutschland und im geteilten Europa für aktuell.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Gradl? — Bitte, Herr Dr. Gradl!
Herr Kollege Mende, ich möchte Ihnen gerne Gelegenheit zu einer Klarstellung geben, deshalb stelle ich diese Frage. Aus dem, was Sie gesagt haben, konnte der Eindruck entstehen, Sie meinten, daß die Debatten, die wir in diesem Hause im Januar und insbesondere im. März 1958 geführt haben, die Ursachen für das Berlin-Ultimatum und alles andere gewesen sind, was sich dann Ende 1958 angeschlossen hal. Herr Kollege Mende, ich frage das nur, damit es ganz klar ist: Sind Sie denn nicht der Meinung — ich kann es mir nicht vorstellen, daß Sie der Meinung nicht sind, aber nach 'dem, was Sie gesagt haben, muß ich das fragen —, daß das Berlin-Ultimatum und alles, was sich anschloß, Ausdruck einer sowjetischen Politik der Stärke war, zu der sich die sowjetische Regierung in der damaligen Zeit fähig glaubte, weil sie in der Tat die stärkste konventionelle Macht in Europa war und weil sie einen unerhörten Erfolg im Weltraum durch ihre Sputnik-Starts gehabt hat?
Herr Kollege Gradl, Ursache und Wirkung darf man nicht verwechseln. Ich bilde mir nicht ein, daß der Deutsche Bundestag durch eine fünftägige Debatte Einfluß auf die Gesamtstrategie der ,sowjetischen Weltmacht haben könnte. Das glaube ich nicht! Ich bitte aber noch einmal, das, was man so schön „timing" nennt, zu beachten. Im März 1958 während der Debatte kommt das Aide-mémoire, vielleicht als Störungsfaktor, vielleicht als Köder, und in diesem Aide-mémoire steht: „Entgegen anderslautender Behauptungen, daß die Sowjetregierung zwei Friedensverträge mit zwei deutschen Staaten schließen wolle, erklärt die Sowjetunion, daß sie einen Friedensvertrag mit Ganzdeutschland wolle; zwar sei eine Konföderation der beiden deutschen Staaten der beste Weg, aber die Sowjetregierung sei weit davon entfernt, )dem 'deutschen Volk diese oder andere Vorschläge aufzwingen zu wollen!" Das ist nachzulesen „Sieglers Archiv"; es liegt dort bei mir auf dem Pultplatz. Dann kam Herr Mikojan mit seiner Delegation, im April 1958, und Sie können auch seine Erklärungen, die er in Bonn abgab, dort nachlesen! Wir haben ja alle — CDU, SPD, FDP — stundenlang in unseren Delegationen mit Mikojan und seiner Delegation gesprochen. Ich weigere mich, zu glauben, daß diese März-Debatten und die Absage, mit Mikojan andere als nur wirtschaftspolitische Fragen zu behandeln, ganz zusammenhanglos sein könnten mit dem, was sich
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Dr. Mendedann im November 1958 und im Januar 1959 tat. Ich 'glaube, ein gewisser Zusammenhang mit den folgenden Maßnahmen der Sowjetregierung ist wohl die logische Schlußfolgerung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Genscher?
Darf ich die Diskussion anreichern, indem ich hier sage, daß die Trägerwaffen, die sich im Augenblick in unserem Besitz befinden, dann zu einer erheblichen Effektuierung des westlichen Bündnisses beitragen könnten, wenn sie den Amerikanern übergeben werden, weil sie dann nämlich auch wirklich Atomsprengköpfe bekommen.
Die Zwei-Schlüssel-Theorie und das, was neuerdings elektronisch dazugekommen ist, ist bekannt. Diese taktischen Träger sind ohnehin für uns wertlos, solange die Weltmacht der Vereinigten Staaten nicht bereit ist, sie mit entsprechender Sprengkraft auszustatten. Insofern war die damalige Debatte 1958 mehr oder minder ein Gefecht ohne einen strategischen Hintergrund. Aber wir wollten ja eine andere Plenarsitzung zum Anlaß nehmen, über die Verteidigungspolitik zu sprechen.
Herr Kollege Barzel, Sie haben sich an die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gewandt und mit Recht beklagt, daß uns dort auch jetzt in Vorbereitung der 50-Jahr-Feiern der Oktoberrevolution eine Tonart entgegenschallt, die wir eigentlich nicht mehr gern hören möchten, die auch der Lage auf diesem Kontinent und in dieser Welt nicht mehr entspricht. Sie gehen sicher nicht so weit, von der Sowjetführung zu erwarten, daß sie uns auch noch einen Dank für die Beiträge abstattet, die die deutsche Oberste Heeresleitung zum Gelingen der Oktoberrevolution 1917 erbracht hat, oder zu anderen rein geistigen Einflüssen, die von Karl Marx und Friedrich Engels auf die Initiatoren der Oktoberrevolution ausgegangen sind. Aber verzeihen Sie mir diese Ironie, ich wollte Ihnen nämlich in der Sache zustimmen. Es- ist auf die Dauer unerträglich, mit welcher Empfindlichkeit die Sowjetunion und ihre Sprecher reagieren, wenn wir glauben, unsere Belange wahrend, Kritik an Reden und Maßnahmen der Sowjetregierung üben zu müssen, wie aber umgekehrt die Sowjetregierung glaubt, die Bundesrepublik Deutschland weiter als den Friedensstörer dieser Welt verketzern zu dürfen, wie es Gromyko unlängst wieder bei den Vereinten Nationen getan hat.
Mir kommt die Haltung der sowjetischen Staatsmänner und Publizisten so vor wie die Haltung mancher deutscher Publizisten, die sich zwar das Recht anmaßen, in jeder Weise die Politiker in Grund und Boden zu kritisieren, die aber dann, wenn sich ein Politiker wehrt, höchst empfindlich sind und die in Art. 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit beschwören. So ungefähr verhält sich auch die Sowjetregierung in ihrer Behandlung der Bundesrepublik Deutschland, indem sie dauernd den Weltfrieden beschwört. Wir stimmen der Bundesregierung in ihrer Erklärung sowie den Sprechern der beiden Koalitionsparteien darin zu, daß die Bundesrepublik Deutschland alles andere ist als ein Störenfried der internationalen Entspannung. Man sollte sich daher jetzt nicht mehr einer solchen Kraftsprache bedienen, wie das auch Chruschtschow in den letzten Jahren seiner Amtszeit tat, als er uns drohte, die Bundesrepublik würde in den ersten Stunden eines Krieges abbrennen wie eine Kerze. Eine Weltmacht vom Range der Sowjetunion hat es nicht mehr nötig, in dieser Art mit der Bundesrepublik Deutschland zu verkehren. Wenn man eine Weltmacht von erstem Rang ist, dann sollte man sich auch in der Art seiner politischen und diplomatischen Umgangsformen entsprechend verhalten und nicht im Revolutionsjargon der ersten Jahre auch noch fünfzig Jahre danach die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland ausgestalten wollen.
Zu der Frage, die Jugoslawien betrifft, darf ich, Herr Kollege Gradl, auch eine kleine Rückbesinnung versuchen. Es sind genau zehn Jahre her, seit wir die diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien abgebrochen haben — gegen die Warnung der sozialdemokratischen Opposition, gegen die Warnung der liberalen Opposition. Wir kennen das tragische Ende von Karl Georg Pfleiderer, dem ersten und letzten Botschafter dieser Zeit der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad. Nun versucht die Bundesrepublik mit viel Mühe, das Verhältnis zu Jugoslawien wieder zu normalisieren. Die Opposition unterstützt die Bundesregierung in diesem Bemühen. Aber es wäre für manchen Kollegen schon wegen der geschichtlichen Wahrheit gut, er läse einmal die Rede nach, die Karl Georg Pfleiderer in den fünfziger Jahren hier gehalten hat. Was wäre der Bundesrepublik Deutschland erspart geblieben, wenn wir damals die diplomatischen Beziehungen zu allen ost- und südosteuropäischen Staaten aufgenommen hätten, gewissermaßen einen Schritt nach vorn getan hätten?! Jetzt müssen wir mühsam das Dreieck umgehen, um alle Vorbehalte gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auch in Moskau abzubauen. Es wäre gut, wenigstens nachträglich diesem Manne eine politische und diplomatische Rechtfertigung zuteil werden zu lassen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Eppler?
Bitte!
Herr Kollege Mende, bei aller gemeinsamen Verehrung für meinen Landsmann Pfleiderer: Wollen Sie damit sagen, daß Herr Pfleiderer bei dem, was er in den fünfziger Jahren hier getan hat, in Übereinstimmung mit seiner Partei gehandelt habe?
Es ging der Freien Demokratischen Partei etwa so wie jetzt der Sozialdemokratischen Partei. Es gibt ja auch bei Ihnen verschie-
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Dr. Mendedene Meinungen über die Deutschland- und Außenpolitik.
— Nein, in der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen war die Freie Demokratische Partei mit ihm einig. In der Frage des Nordatlantik-Bündnisses hat er mit Ihnen gestimmt und den Beitritt abgelehnt, während die Fraktion der Freien Demokraten für den Beitritt zum Nordatlantik-Bündnis gestimmt hat. Ich höre noch Karl Georg Pfleiderer in diesem Raum sprechen: Dieser weiße Fleck, diese Terra incognita darf nicht bestehenbleiben; man hat entweder gute diplomatische Beziehungen oder schlechte, gar keine hat man nur im Kriege. Zur Normalisierung unseres Verhältnisses nach dem Osten hin gehört die Aufnahme diplomatischer Beziehungen! — Hierin ist ihm seine Partei absolut gefolgt.Herr Kollege Blachstein hat einige Bemerkungen zu Griechenland gemacht. Die Bundesregierung ist in der Beurteilung der griechischen Frage sehr behutsam gewesen. Die liberale Opposition teilt die tiefe Besorgnis, die hier über die Entwicklung in Griechenland zum Ausdruck kam. Selbst wenn wir unterstellen, daß das Militär einem kommunistischen Umsturz zuvorkam -- ich wiederhole: selbst wenn wir das unterstellen —, sind Maßnahmen, die jetzt noch, sechs Monate später, die Freiheits- und Bürgerrechte dort einschränken, nicht mehr in dem Maße gerechtfertigt, in dem sie vielleicht im April bei der Abwehr eines kommunistischen Umsturzversuchs gerechtfertigt gewesen wären. Ich bin sehr vorsichtig, denn mir ist bis zur Stunde auch im Auswärtigen Ausschuß ein Beweis dafür, daß man einem kommunistischen Umsturz zuvorkam, nicht bekanntgeworden.Nun ist Griechenland nicht irgendein Staat. Ich will nicht pathetisch werden und mich nicht auf Sokrates, Aristoteles und Plato berufen.Im Nordatlantik-Vertrag steht in der Präambel, was uns geradezu verpflichtet, tätig zu werden:Die Parteien dieses Vertrages bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundlagen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.Unsere Bitte an die Bundesregierung geht dahin, mit allen vertretbaren politischen, diplomatischen und ökonomischen Mitteln sowohl im Rahmen des Europarates wie des Atlantikpaktes dafür Sorge zu tragen, daß in Griechenland wenigstens die Freiheit der Person, der Rechtsschutz und die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen gewahrt werden, nachdem dort revolutionäre Gefahren eines kommunistischen Umsturzversuches nicht mehr vorhanden zu sein scheinen.Lassen Sie mich schließlich noch einiges zu Polen sagen und dabei auch die Bundesregierung fragen, ob sie glaubt, daß die bisherige Behandlung der geschichtlichen Irrtümer des französischen Staatspräsidenten de Gaulle ausreichend war, um Mißdeutungen zu vermeiden. Ich hatte hier schon am 16. Dezember 1966 die Ehre, in der Debatte zur Außenpolitik die grundsätzliche Stellungnahme der liberalen Opposition zum deutschpolnischen Verhältnis und zur Grenzfrage darzustellen. Leider haben die Äußerungen des französischen Staatspräsidenten de Gaulle in Zabrze — Hindenburg — und Danzig die Notwendigkeit ergeben, hier vor diesem Hohen Hause und vor der deutschen Öffentlichkeit noch einmal die Grundposition des deutschpolnischen Verhältnisses zu markieren.Ich habe damals erklärt, daß die Bundesregierung selbst durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amts noch am 11. Oktober 1960 festgestellt hat — und das sollte nach wie vor gelten daß die deutschen Ostgebiete innerhalb der Reichsgrenzen von 1937 von den polnischen Teilungen um die Wende des 18. Jahrhunderts nicht berührt waren und daß die östlichen Grenzen zu den ältesten und stabilsten der Weltgeschichte gehören. Die deutsch-polnische Grenze in Schlesien blieb seit dem Vertrag von Trentschin 1335, die polnisch-litauische Grenze in Ostpreußen seit dem Vertrag von Melnosee 1422 im wesentlichen unverändert. Das Gebiet, um das es sich hier handelt, ist 115 000 qkm groß, das heißt, es ist genauso groß wie die vier europäischen Länder Schweiz, Belgien, die Niederlande und Luxemburg zusammen; es bedeckt ein Fünftel der Fläche Frankreichs, ein Drittel der Fläche Italiens und fast die Hälfte der Fläche der Britischen Inseln.Ich habe Verständnis dafür, daß der französische Staatspräsident seine seit 1958 bekannte Haltung zur Oder-Neiße-Linie noch einmal bestätigt hat. Es ist uns nicht neu, daß de Gaulle die Oder-Neiße-Linie als eine endgültige Grenze ansieht. Ich wehre mich nur dagegen, daß er nunmehr an Stelle machtpolitischer annexionistischer Gründe historische Argumente in die Begründung dieser Auffassung hineinzubringen versucht. Diese Geschichtsfälschung kann nicht unwidersprochen bleiben. Ich möchte hier feststellen, daß sich 1925 bei der letzten Volkszählung in diesen Gebieten in Ostpreußen 97,2 %, in Pommern 99,8 %, in Ost-Brandenburg 99,7 %, in Niederschlesien 99,3 % und in Oberschlesien 88,4 % für Deutschland ausgesprochen haben.
— Herr Kollege Barzel, wenn Sie sagen: Das wissen wir alles, kann ich nur entgegnen: der französische Staatspräsident scheint auf seine Reise nach Polen Unterlagen mitbekommen zu haben, die eben nicht den deutschen geschichtlichen Tatsachen entsprochen haben.Im Jahre 1932 — auch das ist wichtig zu wissen — haben sich immerhin in Ostpreußen nur 0,2 %, in Ostpommern nur 0,03 %, in Ost-Brandenburg nur 0,1 % und in Schlesien nur 0,6 % für polnische Listen entschieden. Das war die letzte freie Wahl in der Weimarer Republik. Bei den Abstimmungen nach dem 1. Weltkrieg stimmten in Ostpreußen 97,8 % für Deutschland und nur 2,1 % für Polen, in Westpreußen stimmten 92,2 % für Deutschland und
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Dr. Mendenur 7,5 % für Polen. In der bekannten Abstimmung im März 1921 stimmten in Oberschlesien 60% für Deutschland und 40 % für Polen. Auch die Abstimmung in Zabrze — Hindenburg — hat 1921 ein so eindrucksvolles Ergebnis gezeitigt — und das unter starker französischer Intervention zugunsten der Polen —, daß ich einem Brief des Herrn Bundeskanzlers an den französischen Staatspräsidenten diese Ziffern als Anlage beigeben möchte. Es haben sich nämlich im März 1921 in der Stadt Gleiwitz unter hartem Druck polnischer Insurgenten und Parteinahme französischer Besatzungstruppen unter dem General Le Rond 93,2 % für Deutschland und 6,8 % für Polen ausgesprochen. In Beuthen haben 92,9 % für Deutschland und 7,1 % für Polen, in Hindenburg— der angeblich polnischsten aller Städte Schlesiens — 84,1 % für Deutschland und 15,9 % für Polen gestimmt Es gebietet die Treue der oberschlesischen Landsleute damals und es gebietet die geschichtliche Wahrheit heute, daß der Bundeskanzler, nachdem das bisher nicht geschehen ist, hier feststellt, daß diese geschichtlichen Tatsachen auch gegenüber Frankreich undiskutabel sind.
Nichts anderes kann ich zu Danzig sagen! Auch hier ist zu verstehen, daß der französische Staatspräsident machtpolitische Gründe zum Anlaß nimmt, sich für Danzig als polnische Stadt zu erklären. Aber historische Argumente? — Nein. Es ist überhaupt sehr problematisch, wenn unser Freund und Nachbar das französisch polnische Verhältnis zu Lasten des deutschen Freundes aufbessern will durch Wegnahme von Gegenständen, über die wir allein zu verfügen haben.Was heißt also „Danzig, die polnischste aller polnischen Städte"? Danzig, das im Mittelalter lateinisch Gedanum hieß, wird erstmals 997
— 997 — und dann urkundlich 1148 als Hauptort Pommerellens erwähnt. Kurz nach 1227 erhielt es vom Herzog von Pommerellen Lübisches, 1343 Culmisches, also Magdeburger Stadtrecht.
— Herr Kollege Barzel, das mag Ihnen 'unangenehm sein, aber nachdem sich bisher niemand hier lin diesem Hause zu den geschichtlichen Wahrheiten 'äußerte,
hält es ,die liberale Opposition für ihre Pflicht, der deutschen Geschichte mehr zu dienen als der deutsch-französischen Rücksichtnahme.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte!
Darf ich Ihre Vorlesung stören? Vielleicht haben Sie die Güte, in meiner Rede die entsprechende Passage nachzulesen und meinen Zwischenruf zu vermerken. Ich habe gesagt: Herr Mende ist heute auf bemerkenswerte Weise antirubinisch.
Herr Kollege Dr. Barzel, ich bitte um Nachsicht; ich habe diesen Zuruf nicht gehört. Ich meinte an Ihrem Lächeln erkennen zu müssen — —
— Ja, wissen Sie, es gibt geschichtliche Daten, die man lieber verliest. Soviel auswendig können wir beide nicht behalten, obwohl wir ja ganz gute Seminaristen bei Professor von Hippel waren. Aber das ist auch schon über 20 Jahre her.
Ich muß hinzufügen, daß nur eine kurze Zeit, nämlich als es 1454 zum Bruch mit dem Deutschen Ritterorden kam, eine polnische Oberhoheit ausgeübt wurde. Danzig wurde dann bald durch das Privilegium Casimirianum, also des Königs Casimir, eine „Freie Stadt". Der polnische König besaß nur geringfügige Hoheitsrechte. Im Bund mit der Hanse führte Danzig eigene Kriege, nahm 1523 bis 1557 die Reformation an und erlebte zwischen 1470 und 1620 seine größte Blüte.Vielleicht darf ich wegen der Kürze der hier zur Verfügung stehenden Zeit weitere Erklärungen zu Protokoll geben, um die Danziger, die sich auch hier nicht äußern können, bezüglich der geschichtlichen Wahrheit und Klarheit ihrer Vergangenheit gegen ungerechtfertigte Angriffe in der Danziger Rede des Staatspräsidenten de Gaulle in Schutz zu nehmen.Lassen Sie mich abschließen. Ich freue mich, daß sich die Koalition hier bemüht, mit der Opposition in den Wesensfragen der Nation ins Gespräch zu kommen. Es wäre besser gewesen, wir hätten wie früher bei den bisherigen Regierungen seit 1949 Gelegenheit gehabt, an jenen Informations- und Koordinationsgesprächen, die im Hause des Bundeskanzlers von 1949 bis 1966 üblich waren, als Fraktion und Partei teilzunehmen. Es hat, meine Herren von der Sozialdemokratischen Partei, keine Frage gegeben, von der Kündigung des Interzonenhandelsabkommens bis zur Frage der Berlin-Sitzungen, in der nicht die sozialdemokratische Opposition jeweils durch den Bundeskanzler Adenauer und später durch den Bundeskanzler Erhard hinzugezogen wurde. Mir scheint, es würde nicht nur der neuen Koalition, sondern auch dem politisch-parlamentarischen Stil gut bekommen, wenn auch die liberale Opposition in den Wesensfragen der Nation, insbesondere in der Deutschland- und Ostpolitik, nicht nur auf Bulletins und Informationen aus Presse und Rundfunk angewiesen wäre, sondern wir auch zu den Vorbereitungen der Entscheidungen der Bundesregierung beratend hinzugezogen werden könnten. Denn wer sich um ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit in den Schicksalsfragen der deutschen Nation bemüht, wer danach trachtet, zu verhindern, daß Ostberlin einen gegen den anderen hier bei uns ausspielt, der muß auch seinerseits den guten Willen zur Zusammenarbeit mit der liberalen Opposition beweisen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6375
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Beratende Versammlung 'des Europarates vor wenigen Wochen, wenn dieses Hohe Haus am heutigen Tage sich mit den Verhältnissen in Griechenland befaßt, so ,bedarf die Befassung mit dieser Angelegenheit der Beantwortung einer Vorfrage. Es ist in der Praxis der internationalen Gremien, es ist auch in der Praxis dieses Hauses eine stehende Regel gewesen, daß eine Nichteinmischung in die Verhältnisse anderer Länder geboten erscheint. Dies mag ganz besonders dann gelten, wenn es sich um die Verhältnisse eines uns verbündeten, ja eines uns durch traditionelle Freundschaft verbundenen Landes handelt. Es müssen also Rechtfertigungsgründe vorhanden sein, wenn unser Haus zu den inneren Verhältnissen eines anderen Landes Stellung nimmt.Diese Rechtfertigungsgründe sind in der Tat gegeben. Sie beruhen auf den. vertraglichen Vereinbarungen, die unser Land und Griechenland miteinander verbinden. Herr Kollege Mende hat soeben einen dieser Rechtfertigungsgründe angeführt. Er hat den Nordatlantikvertrag zitiert. Ich kann mir ersparen, erneut auf diese Bestimmungen einzugehen. Aber auch der Vertrag, durch den der Europarat zustande gekommen ist, die Satzung des Europarates enthält derartige Bestimmungen. Sie spricht die unerschütterliche Verbundenheit der Mitgliedstaaten mit den geistigen und sittlichen Werten aus, die das gemeinsame Erbe ihrer Völker und die Quelle persönlicher Freiheit, der politischen Freiheit und der Herrschaft ,des Rechts bilden, auf dem jede wahre Demokratie beruht. Die dann folgenden Bestimmungen vertiefen diesen Gedanken noch einmal.Es gibt aber noch einen dritten Vertrag, der Griechenland mit uns verbindet: das ist die Konvention über die Menschenrechte. Ich möchte auch hier die Einzelbestimmungen nicht zitieren. Aber diese Konvention enthält allerdings auch einen Artikel, der bei der Gesamtbeurteilung nicht ganz unwichtig ist. Es ist der Artikel 15. Nachdem in den vorhergehenden Artikeln die Menschenrechte konkretisiert und spezifiziert worden sind, bringt Artikel 15 der Konvention über 'die Menschenrechte zum Ausdruck, daß in Kriegs- und in Notzeiten auch Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden können. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die griechische Regierung im Laufe des Verfahrens, ,das sich bei der Menschenrechtskommission abspielen wird, auf diesen Artikel Bezug nehmen wird.Die Beratende Versammlung des Europarates hat nach einer sehr ,eingehenden Diskussion eine Entschließung angenommen, die sich mit der Lage in Griechenland befaßt. Auch die Mitglieder der deutschen Delegation — wenn ich nicht irre, alle ihre Mitglieder — haben dieser Entschließung zugestimmt. Die Entschließung bringt die tiefe Sorge zum Ausdruck, daß in Griechenland noch keinerlei Entwicklung zu einem demokratischen und parlamentarischen System sichtbar sei. Sie rügt in bewegten Worten die Verletzung der Menschenrechte, und sie drückt die Besorgnis um das Schicksal der griechischen Vertreter, die ,dem Europarat angehören, aus, und sie behält sich vor, sich über das Verbleiben Griechenlands im Europarat in einem späteren Zeitpunkt, d. h. vermutlich in der nächsten Sitzung im Januar, auf Grund eines noch zu erstattenden Berichts eines Berichterstatters auszusprechen.Der Deutsche Bundestag macht sich diese Besorgnisse um das Schicksal Griechenlands, um das Schicksal in Griechenland zweifellos zu eigen. Gerade das deutsche Volk hat in den Jahrzehnten, in denen es der Diktatur ausgeliefert war, in denen eine Diktatur eines Regimes sich ihm aufoktroyiert hatte, ein ganz empfindliches Organ dafür bekommen, daß Störungen im demokratischen Gleichgewicht, d, h. im Gleichgewicht der demokratischen Kräfte, Störungen im Verhältnis der Gewalten, zwischen denen die Staatsmacht ja aufgeteilt ist, Krankheitserscheinungen darstellen, die bedauerlich sind und für die eine Remedur geschaffen werden muß. Kurz und gut, das deutsche Volk hat gerade für 'derartige Störungen ganz bestimmt eine 'gesteigerte Empfindlichkeit.Leider, kann man sagen, ist Griechenland nicht der einzige Fall, in dem derartige Störungserscheinungen auftreten. Wir wissen aus der letzten Tagung der Interparlamentarischen Union, daß von den 65 Parlamenten, die der Interparlamentarischen Union angeschlossen sind, 13, d. h. ein ganzes Fünftel, zur Zeit überhaupt nicht funktionsfähig sind, weil die Parlamente in diesen Ländern entweder aufgelöst oder suspendiert sind.Bei der Beratung des Europarates ist der Versuch gemacht worden, diese konkrete und aktuelle Situation in einen größeren Rahmen zu stellen. Ich glaube, daß der eine der Redner etwas über das Ziel hinausgeschossen ist und daß er nicht ein begründetes Geschichtsbild dargestellt hat, als er äußerte — ich habe es noch einmal nachgelesen —, in den letzten 50 Jahren seien die wirklich demokratischen Regierungen in Griechenland nur eine Ausnahme gewesen. Das ist bestimmt nicht richtig, zumindest ist es weit übertrieben. Aber es ist richtig, was ein anderer Redner gesagt hat: daß Anarchie und Schwäche der demokratischen Parteien in Griechenland einer Militärjunta die vorläufige Machtergreifung gestattet haben, und es ist richtig, daß der französische Abgeordnete Heffer von einer griechischen Krankheit gesprochen hat und den Versuch gemacht hat, die Wurzeln dieser Krankheit bloßzulegen. Er hat die Frage gestellt — eine sehr berechtigte Frage —: Hätte man nicht verstehen sollen, daß schlechte soziale und ökonomische Verhältnisse die Diktatur begünstigen, und hätte man nicht der griechischen Bevölkerung mehr helfen sollen? Wie immer man diese Frage beurteilt, eines steht fest: daß die Demokratie in Griechenland, solange sie im dortigen Parlament praktiziert wurde, von großen Störungserscheinungen heimgesucht wurde, ja, daß in den letzten Jahren vor dem Umsturz in Griechenland eine Art permanenter Krisenerscheinungen im griechischen Parlamentarismus geherrscht haben.In den letzten Wochen sind neue Entwicklungstendenzen sichtbar geworden. Ich möchte von
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6376 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. Kopfzweien dieser Entwicklungstendenzen sprechen, weil sie für die weiteren Entwicklungen von entscheidender Bedeutung sind.Vier Länder, die Mitglieder des Europarates sind, haben bei der Menschenrechtskommission des Europarates Beschwerde eingelegt. Zwei weitere Länder, Belgien und Luxemburg, haben diese Beschwerde unterstützt. Dieses Beschwerdeverfahren muß durch die Menschenrechtskommission durchgeführt werden. Die Menschenrechtskommission wird das in einer rechtsförmlichen Art und Weise tun, und sie wird nach Abschluß ihrer Bemühungen das Ergebnis dem Ministerrat des Europarates mitteilen und damit dem Ministerrat die Möglichkeit geben, darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des Art. 8 der Satzung des Europarates, der die Möglichkeit des Ausschlusses eines Mitgliedslandes eröffnet, gegeben sind. Es ist bestimmt zu erwarten, daß in diesem Verfahren vor der Menschenrechtskommission die griechische Regierung den Versuch macht, darzulegen, daß die besonderen Voraussetzungen des Art. 15 der Menschenrechtskonvention gegeben seien, nämlich die Verhältnisse eines Notstands, die auf Grund der Menschenrechtskonvention die zeitweise Aufhebung von Rechten und Freiheiten rechtfertigen. Aber es bleibt abzuwarten, wie die griechische Regierung sich verhalten wird.Immerhin ist in der Entschließung, die der Europarat gefaßt hat, zum Ausdruck gekommen, daß dieses Verfahren von der Menschenrechtskommission, das auch die Beratende Versammlung des Europarates wünscht — nun zitiere ich wörtlich —, „Griechenland, d. h. der griechischen Regierung, gestatten soll, alle Rechtfertigungen vorzutragen, die sie eventuell für ihre Maßnahmen liefern könnte". Dieses Verfahren ähnelt also in gewissem Sinne einem Prozeßverfahren, in dem es Beteiligte gibt und in dem jeder Beteiligte — in diesem Falle die griechische Regierung — die Möglichkeit hat, Argumente zur Rechtfertigung seines Verfahrens vorzutragen. Diese Argumente müssen gebührend geprüft und gewürdigt werden. Das ist der eine Umstand.Der zweite Umstand ist folgender. Vor einiger Zeit ist in Griechenland eine Verfassungskommission ins Leben gerufen worden. Ich habe erst ganz frisch die Mitteilung erhalten, daß diese Kommission noch bis Ende November einen Verfassungsentwurf vorlegen will. Es ist ihr eine Frist von sechs Monaten gesetzt worden. Nun kennen wir die Ergebnisse des Verfassungsentwurfs noch nicht. Der Verfassungsentwurf soll im nächsten Jahr in einem Plebiszit zur Abstimmung gestellt werden. Wir kennen aber wohl die Zielsetzungen des Verfassungsentwurfs. Es ist uns gesagt worden, daß der Verfassungsentwurf die Wiedereinführung des parlamentarischen Systems bezwecke, daß ein neues Wahlrecht geschaffen werden soll, daß eine Wahlrechtsreform vorgesehen werden soll, daß eine Dezentralisierung der Zentralgewalt vorgesehen werden soll und daß eine Neudefinition der konstitutionellen Rechte des Throns vorgenommen werden soll. Ich darf allerdings der Erwartung Ausdruck geben, daß eine Äußerung des griechischen Innenministers, die im Europarat vom Berichterstatter, Herrn Edelmann, zitiert worden ist, nicht so ausgelegt wird, wie sie vielleicht ausgelegt werden könnte. Es wurde nämlich die Auslegung gegeben, die Änderung ,der griechischen Verfassung sei notwendig, um den politiciens nicht zu gestatten, Irrtümer zu begehen. Ich darf die Hoffnung aussprechen, daß das Wort „politiciens" nicht die Politiker im guten und echten Sinne und nicht die Parlamentarier, sondern die Politikaster meint. Im übrigen sind wir der Meinung, daß das Recht, Irrtümer zu begehen, nicht nur ein Vorrecht von Politikern ist, die einem Parlament angehören, isondern daß es keine Regierung gibt, die nicht auch dem Irrtum unterworfen sein könnte, und daß es gerade Aufgabe des Parlaments ist, auch die Regierung vor solchen Irrtümern zu bewahren.Nun erhebt sich ein sehr interessantes Problem, nämlich das Problem der Verzahnung und Verschränkung innenpolitischer und außenpolitischer Gesichtspunkte. Dieses Problem besteht aus inner-griechischer Sicht, und es besteht in Richtung auf Griechenland auch aus deutscher Sicht. Aus innerer Sicht in Griechenland stellt es sich in ganz einfacher Weise dar. Es wird Sache der künftigen Geschichtsschreibung und wohl auch Aufgabe der Menschenrechtskommission, die zur Zeit diese Behauptung nachprüft, sein, das zu ergründen. Die Regierung macht nämlich geltend, daß sie die Macht übernommen habe, um ein Abgleiten Griechenlands in den Kommunismus zu verhindern. Sie macht weiter geltend, daß sie gerade dadurch auch die bisherige griechische Politik des Festhaltens an und der Betätigung im Rahmen der atlantischen Gemeinschaft, der NATO, weiterführen wolle. Hier haben wir also eine Verbindung innen- und außenpolitischer Gesichtspunkte.Auf der anderen Seite sind die vertraglichen Vereinbarungen, die uns mit Griechenland verbinden, die Rechtfertigungsgründe dafür, daß wir uns entgegen dem von uns anerkannten Prinzip der Nichteinmischung auch mit den inneren Angelegenheiten dieses Landes befassen können. Wir sollen das sogar tun. Ich bin aber nun nicht der Meinung, daß wir das ausschließlich unter innenpolitischen Gesichtspunkten tun dürfen. Ich glaube vielmehr, daß ein Land gegenüber dem Verhalten eines verbündeten Landes auch außenpolitische Gesichtspunkte beachten muß und daß daher unsere deutsche Stellungnahme sowohl innenpolitische als auch außenpolitische Gesichtspunkte in einer wohlabgewogenen Weise zu berücksichtigen hat.Was soll nun aber die Bundesrepublik tun? Damit komme ich zu der entscheidenden Frage, die wir beantworten wollen, zu der Frage nämlich, die auch durch den Antrag der SPD-Fraktion sowie durch die Ausführungen unseres Kollegen Blachstein aufgeworfen worden ist, der in einigen Punkten allerdings über das Votum dieses Antrags der SPD-Fraktion hinausgegangen ist.Zunächst müssen wir meines Erachtens davon ausgehen, daß das Beschwerdeverfahren bei der Menschenrechtskommission in Gang gesetzt und eingeleitet worden ist, daß dieses Verfahren anhängig ist,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6377
Dr. Kopfdaß es ein rechtsförmliches Verfahren ist und daß es den Beschwerdeführern und dem Staat, über den die Beschwerdeführer Klage erheben, in gleicher Weise die Möglichkeit gibt, alle Argumente vorzutragen. Wir müssen daher eine Regel zur Anwendung bringen, die für jedes rechtsförmliche Verfahren gilt, nach der wir vermeiden sollten, vor dem Abschluß eines solchen rechtsförmlichen Verfahrens Urteile abzugeben, die erst durch das Ergebnis des rechtsförmlichen Verfahrens bestätigt und vor der Weltöffentlichkeit verantwortet werden können. Darum kann für gewisse Verhaltensweisen empfohlen werden, nicht in vorschneller Weise eine Position zu beziehen, sondern zunächst einmal den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten.Das gilt beispielsweise bezüglich des ersten Absatzes des Antrags der Fraktion der SPD. In diesem ersten Absatz wird ja die Bundesregierung ersucht,im Hinblick auf die gegenwärtige innere Situation in Griechenland im Ministerkomitee des Europarats auf die Prüfung der Frage zu drängen, ob der Artikel 8 der Satzung des Europarats ... angewendet werden kann.Natürlich muß die Bundesregierung diese Frage prüfen; das ist ihr Recht und das ist ihre Pflicht. Aber die entscheidende Frage ist doch die, in welchem Zeitpunkt diese Pflicht der Bundesregierung obliegt. Hier bin ich allerdings der Meinung, daß sich die Bundesregierung in camera caritatis sehr wohl darum bemühen könnte, jetzt darüber ein Urteil zu gewinnen. Sie tut das ja auch in ständiger Zusammenarbeit mit unseren Vertretungen. Ich meine aber, daß eine Stellungnahme in dieser Position erst dann möglich sein wird, wenn das Ergebnis der Prüfung der Menschenrechtskommission, wenn also der Bericht der Menschenrechtskommission an den Ministerrat des Europarates vorliegt. Dann ist die Bundesregierung in der Tat berufen, hier Stellung zu beziehen, und auch das Parlament wird ganz bestimmt rechtzeitig Stellung beziehen.Die zweite Frage ist, ob es richtig und notwendig ist, daß dieses Verfahren, das bei der Menschenrechtskommission anhängig ist und das von vier Ländern eingeleitet worden ist, von deutscher Seite ähnlich wie von Belgien und Luxemburg, die eine entsprechende Unterstützung angemeldet haben, unterstützt wird. Ich spreche hier meine rein persönliche Meinung aus: Ich halte das nicht für notwendig, ich halte es auch nicht für wünschenswert; denn es ist ganz klar, daß die Bedeutung eines derartigen rechtsförmlichen Verfahrens nicht von der Zahl der Beschwerdeführer abhängt. Ein einziger Beschwerdeführer ist ja Manns genug, ein solches Verfahren in Gang zu bringen. Das Verfahren ist aber im Gange. Ob es von vier oder von sechs oder von acht Ländern eingeleitet wird, ist rechtlich irrelevant. Ich bin also nicht der Meinung, daß sich die Bundesregierung den Ländern anschließen sollte, die die Unterstützung dieses Verfahrens beantragt haben.Nun kommt die dritte Frage. Das ist die Frage, die gleichfalls in dem Antrag der SPD angeschnitten worden ist, die aber dann von Herrn KollegenBlachstein noch etwas erweitert worden ist, nämlich die Frage der Erfüllung laufender Verpflichtungen gegenüber Griechenland. Wir haben darüber bereits Äußerungen der Bundesregierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das geschieht— die Unterlassung weiterer Unterstützung —im wesentlichen in dem Bereich, in dem es um neue Leistungen geht. Die Bundesregierung glaubt aus den dargelegten Gründen aber, die bereits laufenden Verpflichtungen, soweit sie auf vertraglichen Grundlagen beruhen, erfüllen zu sollen.Ich glaube kein Geheimnis zu verraten, wenn ich ich sage, daß sich auch der Herr Bundesminister des Auswärtigen dieser Meinung angeschlossen hat.Es gibt einen alten Satz des Römischen Rechtes, der aber nicht nur dem Römischen Recht angehört, sondern der ganzen Kulturwelt. Dieser Satz lautet: Pacta sunt servanda — Verträge sollen erfüllt werden. Ich bin daher mit dem Herrn Bundesaußenminister und mit dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amtes allerdings auch der Meinung, daß laufende Verpflichtungen, die eingegangen worden sind, erfüllt werden sollen.Eine ganz andere Frage ist die Übernahme neuer Verpflichtungen. Der Herr Bundesaußenminister hat ja gesagt, neue Verpflichtungen sollten einstweilen nicht übernommen werden. Das gilt selbstverständlich auch für neue Leistungen im Zusammenhang mit dem Assoziationsverhältnis.Schließlich eine letzte Frage. Wenn ich mich nicht irre, hat Herr Kollege Blachstein — vielleicht irre ich mich hier aber auch; ich weiß es nicht — auch die Frage der Mitwirkung Griechenlands in der NATO angesprochen. Griechenland ist in der Tat Mitglied der NATO und ist unser Verbündeter. Ich bin der Meinung, daß der weitere Verbleib Griechenlands in der NATO nicht nur im deutschen Interesse, sondern auch im europäischen und atlantischen Interesse liegt. Es wäre außerordentlich bedauerlich, wenn gerade hier, an der Südostflanke des freien Europa, eine Änderung einträte.
— Haben Sie Bedenken gegen diesen Ausdruck?
— Da müßte man natürlich definieren, was frei ist.
Aber das würde sehr weit führen. Es ist auch gar nicht notwendig. Wir verstehen uns sehr wohl. Ich meine, daß an der Südostflanke, die durch die Atlantische Gemeinschaft abgeschirmt ist, ein Land wie Griechenland nicht ausfallen sollte und auch nicht ausfallen dürfte. Ich glaube, daß gerade bei dieser Frage außenpolitische Erwägungen eine sehr große Rolle spielen.
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6378 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Dr. KopfAber was soll man nun tun? Es war richtig, daß die Beratende Versammlung des Europarats in ihrer Entschließung, die ja nahezu einstimmig angenommen worden ist, ihre tiefgreifende Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat. Ich zweifle nicht daran, daß auch dieses Haus bereit sein wird, sich diese Besorgnis in einer Entschließung zu eigen zu machen. Diese Besorgnisse sind inzwischen ja auch von vielen anderen Seiten geäußert worden. Ich halte es für notwendig, im Interesse der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in diesem mit uns verbündeten Lande in klarer Weise unsere Meinung zu sagen, aber nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit den Vertretern der anderen Länder. Das ist wichtig und notwendig. Aber noch wichtiger und notwendiger als die Ausübung einer Form moralischer Pression scheint es mir zu sein, die Verantwortlichen in Griechenland davon zu überzeugen, daß die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit nicht nur im Interesse unserer Atlantischen Gemeinschaft, nicht nur im Interesse Europas, wie es im Europarat zusammengefaßt ist, sondern auch im Interesse Griechenlands selber liegt.Es handelt sich um ein Land, in dem vor 2500 Jahren die ersten Ansätze einer Mitbeteiligung des Volkes an der Verwaltung der Staatsangelegenheiten geschaffen worden sind. Es waren damals, vor 2500 Jahren, tatsächlich griechische Denker und Philosophen, die das Leitbild einer Gesellschaft und eines Staates, in dem das Volk zur Mitverantwortung und Mitwirkung herangezogen wird, erstmals entwickelt und dieses große Leitziel in das Gedankengut der Menschheit eingeführt haben.Angesichts der besonderen Verhältnisse an der Südostflanke des NATO-Bündnisses sollte man alles tun, die Verantwortlichen von der Notwendigkeit einer raschen und unbedingten Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse zu überzeugen und andererseits es allen Aufbauwilligen in diesem Land und dem griechischen Volk zu ermöglichen, durch eine beschleunigte Herstellung dieser Rechtsstaatlichkeit eine Lösung für die bestehenden Schwierigkeiten zu finden.Ich beantrage Überweisung des Antrags der SPD-Fraktion an den Auswärtigen Ausschuß.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Beginn meiner, wie ich Ihnen zusichere, kurzen Ausführungen — ich habe auch nicht die Absicht, hier Vorlesungen zu halten — feststellen, daß weder die Besetzung der Regierungsbank noch die Besetzung des Hohen Hauses der Thematik dieser Debatte gerecht wird.
— Herr Kollege Rasner, ich nehme niemanden aus.
Entschuldigung, Herr Abgeordneter Genscher, wenn ich auch einmal die Regierung in Schutz nehme. Mir scheint, daß wir dort eine Besetzung haben, wie es sie an einem Freitagnachmittag um 15 Uhr selten gegeben hat.
Es liegt mir fern, eine Korrektur an den Feststellungen des Herrn Präsidenten anzubringen. Aber wenn ein anderes Mitglied des Hauses diese Feststellung getroffen hätte, würde ich ihm antworten: Ich halte die Deutschland- und Ostpolitik ebenso wie die Europapolitik für ein so zentrales Problem unserer Politik, daß auch derjenige anwesend sein sollte, der dafür da ist, zu diesen Themen den zentralen Willen in der Regierung kraft Richtlinienbefugnis zu bilden.
— Herr Kollege Rehs, da stimme ich Ihnen zu. Aber nicht wir, sondern die Bundesregierung hat gewünscht, hier heute eine Erklärung abzugeben. Der Bundeskanzler hat uns bei seinen Ausführungen auch verraten, was er im Auge hatte. Er wollte nämlich die Einigkeit der Koalition in Fragen demonstrieren, In denen diese Einigkeit leider nicht vorhanden ist.
Das kann niemanden freuen, aber es ist eine Tatsache. Wer so laut und so betont und so oft von diesem Pult aus über die Einigkeit seines Regierungslagers spricht, der hat es nötig.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, da ich bei der Rede des Herrn Bundeskanzlers bin, auch noch ein paar andere Anmerkungen dazu machen. Er hat hier gesagt: Es gibt Leute in der Publizistik, die Schlagzeilen erfinden, in denen die Uneinigkeit der Koalition sozusagen beschworen wird. Wer hat denn den Stoff zu diesen Schlagzeilen geliefert, meine Damen und Herren? Doch das Regierungslager und die Mitglieder der Bundesregierung! Wir erinnern uns alle noch daran, daß besonders in den ersten Monaten der Amtszeit -der jetzigen Regierung durch eine Vielzahl von Interviews, durch eine Vielzahl von Interpretationsversuchen eine gewisse Verwirrung geschaffen worden ist.Ich kann dem Herrn Bundeskanzler auch nicht in den Ausführungen zustimmen, die er heute vor dem Hohen Hause in bezug auf seine Rede in Berlin gemacht hat. Ich glaube, Herr Kollege Scheel war im Recht — jetzt ist Herr Scheel schon wieder da, vielleicht kommt auch noch der Bundeskanzler —,
als er auf die Gefahr hinwies, die durch den Begriff der „Anerkennungspartei" für das politische Klima in der deutschlandpolitischen Diskussion in unserem Land erzeugt worden ist. — Bitte schön, Herr Kollege!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6379
Herr Kollege Genscher, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Publizisten, wie der Herr Bundeskanzler meinte, in puncto Diffamierung Andersgläubiger nicht zu übertreffen sind?
Herr Kollege, auch in dieser Frage haben wir offensichtlich einen ganz anderen Glauben. Ich muß Ihnen sagen, daß es nicht darum geht, ob sich derjenige, der sich in einer politischen Sachfrage für eine bestimmte Meinung einsetzt, der also für eine Anerkennung der DDR eintritt, so etwas sagen lassen muß oder nicht. Aber es ist etwa anderes, wenn hier eine nebulose Gemeinschaft heraufbeschworen wird, in die jeweils 'die verschiedensten Leute eingeordnet werden können. Wir haben auch heute für diese Anerkennungspartei — von der wir nicht betroffen sind; der Herr Bundeskanzler hat das ausdrücklich noch einmal bestätigt — keine Definition bekommen.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt eine so, zusagen authentische Definition dieses Begriffs von einem von mir besonders geschätzten Mitglied der CDU-Fraktion. Dieser Kollege hat einmal gesagt: Anerkennungspartei, das sind diejenigen, die eine Anerkennung der Zone jetzt ohne Gegenleistung in der Erwartung .wollen, daß sich hinterher das Klima so verbessert, daß vielleicht etwas herauskommen könnte. Ich frage Sie: Was heißt denn eigentlich „jetzt" in diesem Zusammenhang nach den Erklärungen, 'die der Bundeskanzler hier abgegeben hat? Das sind die Begriffsverwirrungen, mit denen Sie unsere Diskussion durcheinanderbringen, meine Herren.
Wir sollten nach den Erfahrungen, die man in Weimar gemacht hat, wirklich vorsichtig sein, wenn es um pauschale Etikettierungen geht. Da sagt und schreibt einmal jemand etwas, was er vielleicht nicht voll durchdacht hat, und am Ende muß er sich ein solches Etikett aufkleben lassen.
Da gibt es z. B. ein sehr maßgebliches Mitglied der Fraktion ,der CDU/CSU. Das ist der Herr Kollege Stücklen, der, wie ich höre, jetzt für höhere Beamtenämter im Postbereich ausersehen ist.
— Nein, gar nicht. — Herr Kollege Stücklen hat geschrieben, das Programm — —
— nun hören Sie doch einmal an, was der Kollege Stücklen gesagt hat; es sind ja gar nicht meine Worte — „einer nach Osten offenen europäischen Konföderation ließe es durchaus zu, die Restauration eines deutschen Nationalstaats auszuschließen, wenn dafür eine reale Aussicht auf eine gesamteuropäische Lösung gewonnen würde". Meine Damen und Herren, in einem Zeitpunkt, in dem wir mit Befriedigung — ich sage das in voller Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Barzel — feststellen, daß auch der Ministerratsvorsitzende Stoph die Einheit unserer Nation anerkennen mußte, sollte man nicht durch
Formulierungen dieser Art unseren Standpunkt in Zweifel ziehen.
Das hat gar nichts damit zu tun, daß wir nicht offen sind für eine europäische Lösung der deutschen Frage. Ja, ich würde sagen: Wir alle wissen, daß diese Frage nur gelöst werden kann, wenn sie in eine gesamteuropäische Entwicklung einbezogen wird. Aber man kann nicht nur von Europäisierung der deutschen Frage sprechen. Die Regierung muß, wenn sie eine Erklärung zur Europapolitik abgibt, auch sagen, wie dieses Europa aussehen soll, das sie anstrebt, und welche Vorstellungen sie für den Weg zu diesem Europa hin hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Blockfreiheit usw. Wie wollen Sie diese positive Erklärung des gesamtdeutschen Ministers zu der Position Jugoslawiens mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in Einklang bringen, daß gerade der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Jugoslawien besonders große Hindernisse entgegenstehen? Da wird davon geredet, daß wir vorsichtig sein müßten, nachdem wir mit Rumänien schon eine Art Außenseiter mit unseren Beziehungen beglückt hätten, nun einen zweiten Außenseiter in diese Politik einzubeziehen. In bezug auf Jugoslawien ist das Gegenteil der Fall, weil nämlich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Jugoslawien deutlich werden könnte, ob diese Regierung wirklich eine neue Ostpolitik betreibt oder ob sie an einer überholten Doktrin festhält.
Ich glaube, diese Möglichkeit, ihre Politik an einem Beispiel praktischer Politik zu interpretieren, sollten Sie sich nicht entgehen lassen.
Lassen Sie mich weiterhin noch sagen, warum das Verhältnis zu Jugoslawien in einem so engen Zusammenhang mit der Europäisierung der deutschen Frage steht. Wenn wir darauf hinzielen, die deutsche Frage in eine europäische Entwicklung einzubetten, mit einer Überwindung der Gräben in Europa, dann müssen Sie in dieser gesamteuropäischen Entwicklung auch bis zur Lösung der deutschen Frage der DDR eine Position einräumen. Wie wollen Sie das, wenn Sie es ablehnen, diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien aufzunehmen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rasner?
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6380 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Herr Kollege Genscher, Sie sagen immer „DDR". Mein Kollege Barzel hat heute morgen immer „SBZ" gesagt. Kann man daraus auf einen grundsätzlichen politischen Unterschied zwischen Ihnen und ihm schließen?
Herr Kollege Rasner, das hat ersten etwas zu tun mit dem Ausgangspunkt, von dem aus wir Politik machen, und das ist ein sehr realistischer. Wir halten gar nichts davon, Politik mit Anführungszeichen zu machen, sondern wir sind für eine sehr klare und deutliche Politik.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Genscher, würden Sie mir zugeben, daß der, der „DDR" sagt, damit „Anerkennung" meint?
Das gebe ich nicht zu. Das hat nämlich mit der Anerkennung der DDR als Völkerrechtssubjekt überhaupt nichts zu tun. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Sie sollten auch nicht unterstellen, daß jemand hier eine solche Absicht hat.
Eine Zwischenfrage von Herrn Zoglmann.
Herr Kollege Genscher, würden Sie mir zustimmen, wenn ich den Brief des Herrn Bundeskanzlers an den Vorsitzenden des Ministerrats in Ostberlin, in dem er schreibt, daß sein Staatssekretär, also der Staatssekretär des Bundeskanzlers, sich für ein Gespräch mit dem Staatssekretär des Herrn Stoph bereithält, so auslege, daß der Herr Bundeskanzler unterstellt, daß der Herr Stoph an der Spitze eines Staates und nicht einer Speditionsfirma steht?
Herr Kollege Zoglmann, diese Belehrung nehme ich gern auf, um sie an das Haus weiterzugeben. Denn um was es uns im Augenblick geht, ist ja nicht, Formalpolitik zu machen, sondern zum Kern der Politik vorzudringen.
Meine Damen und Herren, blockieren Sie sich doch nicht mit diesen Fragen! Sie wissen so gut wie wir und Sie wissen so gut wie das mündige deutsche Volk, das uns zuhört, daß die Bedeutung der Begriffe wie z. B. „demokratisch" im Sprachgebrauch der Kommunisten eine andere ist als bei uns. Das sind Fragen, über die brauchen wir hoffentlich hier nicht mehr zu diskutieren. Jedenfalls kann ich für unsere Anhänger diesen Grad der Reife voll aussprechen. Ich bin der Meinung, Sie unterschätzen auch Ihre Wähler und die Wähler anderer Parteien, wenn Sie meinen, daß sie diese Unterscheidung im Begriff der Demokratie nicht zu machen vermöchten. Deshalb können wir diese Begriffe verwenden, ohne die Illussion, mit Anführungsstrichen könnten wir bestimmte Realitäten in Mitteleuropa verändern.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Rasner?
Ich will nicht insistieren, Herr Kollege Genscher, aber halten Sie „Sowjetische Besatzungszone" auch für eine richtige Bezeichnung, oder würden Sie darin eine Diffamierung sehen?
Herr Kollege Rasner, der Begriff „Sowjetische Besatzungszone" ist in einem gewissen Stadium der Entwicklung in Deutschland geprägt worden. Aber Sie wissen, gäbe es das, was mit dem Begriff „Sowjetische Besatzungszone" ausgedrückt wird, heute noch, dann hätten wir als Adressaten unserer Deutschlandpolitik nur die Sowjetunion. Aber Sie wissen so gut wie wir und wie diese Bundesregierung, die das wiederholt erklärt hat, daß Deutschlandpolitik sich heute nicht nur an die Sowjetunion und an die Länder Osteuropas richten muß, sondern auch an die Machthaber in der DDR. Das hat sich eben verändert. Da würden Sie sich mit dem Begriff „Sowjetische Besatzungszone" auch zu den Erkenntnissen der von Ihnen mit getragenen Regierung in Widerspruch setzen.
Gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Rasner?
Herr Kollege Genscher, da ich den Eindruck habe, daß Sie sich eben zwar haarscharf, aber elegant an meiner Frage vorbeimogelten: Halten Sie den Begriff „Sowjetische Besatzungszone" für einen diffamierenden Begriff oder für eine auch heute noch durchaus berechtigte Tatsachenfeststellung?
Einen Augenblick bitte! Herr Kollege Rasner, Sie haben gesagt „vorbeimogelte". Das haben Sie wohl nicht so gemeint?
Nein, jedenfalls nicht böse.
Herr Kollege Rasner, wenn Sie es bös gemeint hätten, hätte ich Ihnen ganz gewiß geantwortet. Sie sollten einmal prüfen, wer sich in der Deutschlandpolitik an etwas vorbeimogelt oder versucht, sich ohne Erfolg vorbeizumogeln.
Ich darf noch einmal auf Jugoslawien zurückkommen. Ich glaube, wir dürfen die Bedeutung unseres Verhaltens gegenüber Jugoslawien auch in der sehr formalen Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht unterschätzen, wenn wir es mit der Europäisierung der deutschen Frage ehrlich meinen. Denn wenn wir die deutsche Frage europäisieren wollen, dann wird bis zu ihrer Lösung in diesemDeutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6381Genschereuropäischen Entwicklungsprozeß auch die DDR ihre Position haben. Sie können deshalb — lassen Sie mich nun den Satz beenden, bei dem Sie mich unterbrochen haben — nicht länger die Länder in Europa diskriminieren, die dorthin Beziehungen haben. Das sage ich jetzt für Sie zur Erleichterung, um Ihnen deutlich zu machen, daß in einer gesamteuropäischen Lösung in. der Tat das Verhältnis der europäischen Staaten untereinander noch eine besondere Qualifikation auch in bezug auf das deutsche Problem hat.Nun, meine Damen und Herren, ich habe festgestellt — und ich glaube, wir sind hier in voller Übereinstimmung —, daß sich eine erfolgreiche Deutschlandpolitik an die Sowjetunion richten muß, an die Länder Osteuropas und auch an die Machthaber in der DDR. Deshalb ist es so wichtig, daß es in dieser Frage unseres Verhältnisses zum anderen Teil Deutschlands keine Sprachverwirrung gibt, sondern daß wir uns im Materiellen einig sind.Der Kollege Mischnick hat, wie ich meine, einen beachtenswerten Vorschlag gemacht, den ich hier vor dem Hohen Hause noch einmal vortragen will. Er hat nämlich gesagt, es wäre gut, wenn mit der Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Beauftragten der Regierungen in Bonn und Ost-Berlin diese Regierungen zur gleichen Zeit Erklärungen abgäben, daß sie mit allem, was sie jetzt tun, Schritte in Richtung auf eine Lösung der deutschen Frage tun wollen. Ich glaube, daß eine solche Erklärung, für die auch die Bundesregierung Sympathie zeigen sollte, jede Mißdeutung unserer Politik gegenüber der DDR, d. h. also eine Mißdeutung in dem Sinne, daß wir die Spaltung verewigen wollten, obwohl wir sie überwinden wollen, ausschließen würde.Wir müssen in diesem Gespräch immer wieder auf den Begriff der Einheit der Nation zurückkommen. Hier liegt nach unserer Überzeugung auch die Problematik der Formulierung des Kollegen Stücklen. Herr Kollege Strauß hat die Dinge in dieser Frage etwas differenzierter dargestellt; er hat die staatliche Einheit von der Einheit der Nation unterschieden. Ich glaube, er war dabei unmißverständlicher als Herr Kollege Stücklen.Wir stimmen sicher auch — ich würde das jedenfalls gern von der Regierung hören — in der Forderung überein, daß wir die DDR in eine Entspannungspolitik in Europa einbeziehen müssen und nicht sozusagen um die DDR herum entspannen können, wenn dort nicht ein Entspannungsvakuum entstehen soll. Weil das so ist, meine Damen und Herren, besteht die Bereitschaft zu Gesprächen und Vereinbarungen über alle Fragen, die das Zusammenleben der Deutschen im Zustande der Teilung erträglicher machen können, aber auch über Fragen, die über diesen humanitären Bereich hinausgehen. Hier sollte sich die Bundesregierung in dieser Debatte nicht die Möglichkeit entgehen lassen, klarzustellen, daß auch der letzte Brief des Bundeskanzlers 'nicht andere Themen ausschließen wollte, weil wir sonst mit einer eigenen, dann auf die Dauer doch nicht haltbaren Forderung zu einer neuen Selbstblockade kommen würden.Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung bei Antritt seines Amtes gesagt:Wir möchten diese Aufgaben— nämlich die Aufgabe einer deutschen Brückenfunktion in Europa —auch in unserer Zeit gerne erfüllen.Ich glaube, das ist eine Forderung, zu der man sich uneingeschränkt bekennen kann, wenn die Bundesregierung aus dieser anspruchsvollen Forderung Konsequenzen zieht. Welche sind das? Sie muß Vorstellungen entwickeln, wie dieses Europa aussieht, das sie anstrebt, und sie muß auch für die Regelung der Sicherheitsfragen in diesem Europa Vorstellungen entwickeln.Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben -und sie scheint mir bis heute nicht beendet zu sein —, ob es im deutschen Interesse liegt, wenn man ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem schafft, wenn es zu einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz kommt. Wir sagen ja dazu. Wir glauben sogar, daß eine solche gesamteuropäische Sicherheitskonferenz nach Lage der Dinge auf lange Zeit die einzige internationale Tribüne sein wird, auf der man auch über andere Fragen des deutschen Problems sprechen kann. Denn Sie wissen, daß alle übrigen internationalen Foren für die deutsche Frage im Grunde versperrt sind, daß wir in dieser Phase der europäischen Politik auf das zurückgedrängt sind, was wir selbst tun, selbst tun können. Hier liegt die große Verantwortung dieser Bundesregierung.
— Herr Kollege, ich wundere mich eigentlich, daß Sie diese Frage stellen.
— Natürlich, Sie bekommen ja auch sofort eine Antwort. Wir haben zu keiner Zeit 'bestritten, daß wir eine andere Auffassung über ein solches gesamteuropäisches Sicherheitssystem haben als z. B. der französische Staatspräsident. Wir sind der Meinung, daß ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem nur dann eine dauerhafte Friedensordnung in Europa garantieren kann, wenn die USA einbezogen sind. Sie wissen, daß im letzten Jahr in Bukarest eine Konferenz der osteuropäischen kommunistischen Staaten stattgefunden hat, wo man nicht mehr von vornherein die Teilnahme der Amerikaner abgelehnt hat. Deshalb sollten wir sie hier nicht in Frage stellen — was ja natürlich auch gar nicht Ihre Absicht war, sondern Sie wollten diese Antwort aus mir herauslocken, vielleicht in der Erwartung, ich könnte damit Widerspruch in anderen Teilen des Hauses erregen. Aber dieser Widerspruch ist unterblieben, Herr Kollege. Sie sehen, wir stimmen auch in dieser Frage wohl überein.
— Die ist aber an sich bekannt; ich habe das schon zweimal vorgetragen.
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6382 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
GenscherDie Bundesregierung hat in ihrer heutigen Erklärung bemerkenswert wenig zu der Problematik des Atomsperrvertrags gesagt. Wir sehen das nicht nur als Nachteil an, ja, fast erkennen wir darin einen Fortschritt in der Art, wie die Bundesregierung Außenpolitik macht. Denn wir wissen, daß im Frühjahr dieses Jahres die Art, wie man sich damals von seiten der Regierungsmitglieder zu dieser Frage geäußert hat, unserer Position nicht gerade hilfreich war. Aber wenn man über Europapolitik spricht, sollte man darlegen, welche Vorstellungen die Bundesregierung für den Fall hat, daß durch die Art, wie das Kontrollsystem gestaltet wird, Frankreich aus Euratom ausscheidet, weil es nicht bereit ist, sich der Wiener Kontrolle zu unterwerfen. Das ist ein europäisches Problem.Dann ist hier die Frage angeklungen, was die Bundesregierung getan hat, um für die Zeit nach Abschluß des Vertrages zu wissen, welchen Weg die Atommächte dann gehen wollen. Schon in der Debatte, ich glaube im April dieses Jahres, ist von unserer Seite die Frage gestellt worden, ob die Bundesregierung bereit sei, über die Frage des Atomsperrvertrages nicht nur in Konsultationen mit den USA, sondern auch mit der Sowjetunion einzutreten. Der Herr Außenminister hat damals eine solche Konsultation der Sowjetunion in Aussicht gestellt. Ich möchte deshalb fragen, ob die Regierung in ihrem Bemühen, Gespräche auch mit der Sowjetunion zu führen, auch dieses Problem erörtert hat; denn es ist für uns natürlich von ungewöhnlicher Bedeutung, zu erfahren, welche Auffassung die Sowjetunion in den hier anstehenden, uns als Deutsche zutiefst bewegenden. Problemen hat.Meine Damen und Herren, beide Vorredner meiner Fraktion haben sich hier zu den Zielen der Bundesregierung im Bereich der Entspannung, zu den Zielen der Bundesregierung im Bereich der Deutschlandpolitik bekannt. Wir tun das gerade als parlamentarische Opposition, weil wir der Meinung sind, daß, ungeachtet der von uns hier aufgezeigten Gegensätze, in der Art, wie diese Politik durchzuführen ist, die frei gewählte deutsche Regierung Anspruch hat, auch im Osten deutlicher und vernehmlicher gehört zu werden, als das bisher der Fall war. Ich glaube, daß die Gesinnung, aus der diese Regierung, zu der wir in Opposition stehen, ihre Entspannungspolitik betreibt, Anspruch auf mehr Beachtung nicht nur 'in Moskau, sondern auch in Osteuropa und in Ostberlin hat.Aber eine solche Anerkennung durch die parlamentarische Opposition, meine Damen und Herren, bedingt auch, daß das innenpolitische Klima bei dier Diskussion gerade solcher Fragen, die leicht benutzt werden können, um Mißdeutungen zu erregen, anständig und sauber bleibt. Weil wir das wünschen— nicht nur für unis, sondern für alle, die guten Glaubens und ehrlich sich Gedanken um das deutsche Schicksal machen —, hoffen wir, daß jetzt der Herr Bundesminister des Auswärtigen noch einmal klären wird, daß niemand diffamiert werden sollte und niemand .diffamiert werden wird, gleichviel wie er ehrlicher Meinung den Weg nach Deutschland sucht und weist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hatte ja innerhalb und außerhalb des Hauses geheißen, heute werde es hier sehr scharf und sehr hart zugehen und es werde, ausgepackt. Hoffentlich sagt man nicht nach dieser Debatte: es liege auch an der Großen Koalition, daß hier nicht mehr diskutiert worden ist.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6383
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6384 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6385
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6386 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6387
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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6388 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
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6390 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
— Drucksache V/2172 — Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/2136 —
Berichterstatter: Abgeordneter Gscheidle
Ich rufe zur zweiten Beratung auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den §§ 1 bis 10 sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz
in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, möge sich
erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben dann noch einen Zusatzpunkt zu unserer ursprünglichen Tagesordnung zu erledigen. Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von
Kapitalanlagen
— Drucksachen V/2005, V/2170 — Berichterstatter: Abgeordneter Stein
In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Ich rufe dann die Artikel 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das. Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen jetzt zur
Fragestunde
— Drucksachen V/2155, zu V/2155 —
Vielleicht können wir .dabei ein im allgemeinen nicht übliches Verfahren anwenden. Darf ich fragen, ob Abgeordnete im Saale sind, die darauf bestehen, daß Ihre Fragen mündlich beantwortet werden? — Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Schmidt , Ihre Frage ist aus dem Geschäftsbereich ,des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich rufe damit die Fragen 10 'und 11 auf:
Weiches sind die Gründe für den Boykott des ärztlichen Hilfsprojektes der Bundesrepublik Deutschland in den Kliniken der Universität Hué durch südvietnamesische Stellen?
Welche Mittel hat die Bundesregierung bis jetzt für das in Frage 10 erwähnte Projekt zur Verfügung gestellt?
Bitte, Herr Bundesminister Wischnewski.
Ich darf zunächst einige allgemeine Bemerkungen über das Vorhaben vorausschicken. Seit 1961 sind deutsche Ärzte an der neugegründeten medizinischen Fakultät der Universität Hué tätig, um Vietnam beim Aufbau dieser Fakultät zu unterstützen. Sie haben unter oft außerordentlich schwierigen Bedingungen gearbeitet und durch ihren unermüdlichen Einsatz sich und dem deutschen Namen großes Ansehen in der Bevölkerung erworben.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6391
Bundesminister WischnewskiBei aller Anerkennung des persönlichen Einsatzes der deutschen Fachkräfte muß ich leider feststellen, daß das entwicklungspolitische Ziel des Vorhabens, nämlich der Aufbau einer medizinischen Fakultät, unter den derzeitigen Umständen nicht zu erreichen ist. Zu dieser Erkenntnis haben nicht zuletzt auch Berichte der deutschen Ärzte selbst beigetragen.Im übrigen trifft es nicht zu, daß — wie in den letzten Tagen behauptet — der vietnamesischen Regierung sogar noch im Jahre 1966 Zusagen auf eine wesentlich größere Förderung als bisher gemacht worden wären. Die Verträge der zur Zeit in Hué tätigen sechs deutschen Ärzte und drei medizinisch-technischen Assistentinnen laufen daher um .die Jahreswende 1967/68 aus. Neues Personal wird nicht mehr entsandt.Was sich unter den gegebenen Umständen noch durchführen läßt, ist eine Unterstützung von vietnamesischen Ärzten, die in den letzten vier Jahren in der Bundesrepublik fortgebildet worden sind und als Dozenten nach Hué zurückkehren werden, durch Materialspenden auf ihrem jeweiligen Fachgebiet. Dies wird zur Zeit geprüft.Im übrigen: Es kann nicht davon gesprochen werden, daß die zuständigen vietnamesischen Stellen das Vorhaben boykottiert haben. Es war aber nicht möglich, 'die erforderlichen Voraussetzungen für den Aufbau ,der Fakultät zu schaffen. Die Bundesregierung hat wiederholt nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie allein die erforderliche und erbetene personelle und materielle Hilfe nicht leisten kann und daß deshalb andere Staaten zu einer wirklichen Mitarbeit gewonnen werden müssen. Der vietnamesischen Regierung ist das nicht gelungen.Die zur Zeit in Vietnam geltenden Bestimmungen verbieten die Freistellung von Ärzten vom Militärdienst für eine Aus- und Fortbildung im Ausland. Ohne eine solche Ausbildung ist der Aufbau der Fakultät aber nicht möglich. Das deutsche Angebot, Stipendiaten als künftige Dozenten für die Fakultät in Deutschland auszubilden, blieb unberücksichtigt.Besonders nachteilig hat sich auch die Tatsache ausgewirkt, daß die Fakultät für die Ausbildung der Studenten in den klinischen Fächern auf das örtliche Hospital angewiesen ist. Die Zusammenarbeit zwischen diesem Hospital und der Fakultät ist unbefriedigend und hat die Arbeit der deutschen Ärzte sehr behindert.Kurz: Es kann und muß festgestellt werden, daß die zuständigen vietnamesischen Stellen die Voraussetzungen für einen langfristig zu planenden, vernünftigen und sinnvollen Aufbau der Fakultät nicht erfüllt haben. Ich habe leider auch keine Hoffnung, daß sie in absehbarer Zeit erfüllt werden können.Ich glaube, auch das Schicksal dieses Vorhabens beweist, daß eine fruchtbare entwicklungspolitische Arbeit — im Gegensatz zu rein humanitären Aufgaben — auf die Dauer nur unter friedlichen Verhältnissen möglich ist.
Eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege Dr. Schmidt!
Herr Minister, wieweit stimmt die Behauptung, die ein Magazin aufgestellt hat, daß deutsche Ärzte sich in die innenpolitischen Verhältnisse eingemischt hätten, insbesondere damals im Zusammenhang mit der Ermordung Diems, und daß dadurch der Fremdenhaß sich insbesondere auch gegen die Deutschen gekehrt habe?
Der Vorfall liegt einige Jahre zurück. Mir sind Informationen bekannt, daß es politische Stellungnahmen von Ärzten gegeben haben soll, die nicht sehr förderlich gewesen sind.
Zur zweiten Frage: Die Bundesregierung hat in der Zeit von 1961 bis zur Mitte dieses Jahres rund 1,9 Millionen DM für die Förderung der Medizinischen Fakultät in Hué bereitgestellt.
-- Für alle Ausgaben insgesamt von 1961 bis jetzt etwa 1,9 Millionen DM.
Wir sind übrigens auch bereit, zu prüfen, ob, um die Angelegenheit so elegant wie möglich abzuschließen, vielleicht noch eine Drei- oder Sechsmonateregelung in Frage kommt. Aber ein weiteres Engagement ist in keinem Falle möglich, zumal dann auch das Personal ausgewechselt werden müßte, da der weitaus größte Teil daran interessiert ist, so bald wie möglich zurückzukehren.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Hübner aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf:
Was wird die Bundesregierung auf Grund der Tatsache unternehmen, daß Ärzte in Osterreich die Behandlung von Versicherten aus der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Sozialversicherungsabkommens zwischen beiden Ländern ablehnen mit der Begründung, die Ärzteschaft in Osterreich sei bei Abschluß des Abkommens „nicht gefragt" worden?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte gestatten Sie mir, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Hübner zusammen zu beantworten.
Herr Hübner ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Hübner auf:
Wer haftet den Versicherten für Schäden, die ihnen daraus entstanden sind, daß das bestehende Sozialversicherungsabkommen zwischen Osterreich und der Bundesrepublik Deutschland durch sie praktisch nicht in Anspruch genommen werden konnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das bis-
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6392 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Staatssekretär Kattenstrothherige deutschösterreichische Abkommen über Sozialversicherung, das seit dem 1. Januar 1953 in Kraft ist, wird durch ein neues, inzwischen unterzeichnetes Abkommen ersetzt werden. Die Bundesregierung wird das neue Abkommen in Kürze den gesetzgebenden Körperschaften zur Beschlußfassung vorlegen. Es ist also zu hoffen, daß es in wenigen Monaten in Kraft treten kann. Im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch kurze Geltungsdauer des bestehenden Abkommens möchte die Bundesregierung gegenwärtig davon absehen, ihre bisherigen, jahrelangen Bemühungen fortzusetzen, eine uneingeschränkte Durchführung dieses Abkommens auch in bezug auf die Mitwirkung der österreichischen Ärzte zu erreichen.Nach dem neuen Abkommen sind die österreichischen Ärzte nicht verpflichtet, deutsche Versicherte als Urlauber zu den für die österreichische gesetzliche Krankenversicherung geltenden Honorarsätzen zu behandeln. Es ,sieht jedoch vor, daß die entstehenden Kosten dem .deutschen Versicherten bis zur Höhe ,des Betrages von .der deutschen Krankenkasse ersetzt werden, den diese bei Erkrankung am Heimatort aufzuwenden gehabt hätte. Insofern wird also eine klare Regelung getroffen, mit 'der die Versicherten bessergestellt sind als nach dem alten Abkommen; denn bisher erstatteten viele Krankenkassen nur im Umfang .der für die österreichische Krankenversicherung geltenden niedrigeren Sätze.Beide Vertragsparteien haben ihren Willen bekräftigt, daß das neue Abkommen so bald wie möglich auch auf idie deutschen Urlauber uneingeschränkt angewendet werden soll. Diesem Wunsch hat inzwischen auch das österreichische Parlament in einer einstimmigen Entschließung Ausdruck verliehen.Zu der Frage, ob nach dem bestehenden Abkommen ,die österreichischen Ärzte dazu verpflichtet sind, deutsche Versicherte als Urlauber zu den für die österreichische gesetzliche Krankenversicherung geltenden Honorarsätzen zu behandeln, vertritt die österreichische Regierung einen anderen Standpunkt als wir. Das Problem einer eventuellen Schadenersatzpflicht ist also umstritten; Es müßte daher von einem Schiedsgericht geklärt werden. Durch ein derartiges Verfahren würde aber die Unterzeichnung des neuen Abkommens weiter verzögert. Eine solche Folge glaubt die Bundesregierung im Hinblick auf die Verbesserungen durch das neue Abkommen nicht verantworten zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Hübner!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, ,daß diejenigen Bürger der Bundeesrepublik, die jetzt in Österreich versucht haben, ,auf Grund des Abkommens einen Arzt in Anspruch zu nehmen, sich .auf das Abkommen hätten verlassen dürfen, so daß nun die Frage offensteht, an wen sie sich dafür halten können, daß sie- geglaubt haben, das Abkommen sei in Kraft, während es in Wirklichkeit nicht praktikabel war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Beziehen Sie sich auf das neue oder das alte Abkommen?
Auf das alte Abkommen, das in diesem Jahr ja Geltung hatte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Urlauber hatte die gleiche Auffassung, die die Bundesregierung hat. Die Bundesregierung hat sich gegenüber der österreichischen Regierung nicht durchgesetzt. Also kann auch der Urlauber sich nicht durchsetzen. Das ist eine Frage, die wir vor einem Schiedsgericht klären können. Die Bundesregierung sieht davon ab, das Schiedsgericht anzurufen, weil das bedeuten würde, daß das neue Abkommen später in Kraft tritt.
Ich danke für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf:
Welche Mittel sind in Nordrhein-Westfalen aus der zum 1. Januar 1967 beschlossenen Erhöhung der Mineralölsteuer, die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zweckgebunden sind, in die Landkreise geflossen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege, aus den Mitteln der zum 1. Januar 1967 beschlossenen Erhöhung der Mineralölsteuer, die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zweckgebunden sind, können die Landkreise im Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1967 über rund 20,3 Millionen DM verfügen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß in Nordrhein-Westfalen das Verhältnis der Einwohnerschaft zu dieser Zahl für die Landkreise sehr schlecht ist? Ist Ihnen bekannt, daß in Nordrhein-Westfalen mehr als 50 % der Einwohner in Landkreisen wohnen, aber, wie Sie sagen, nur rund 20 % der 100 Millionen DM an die Landkreise verteilt worden sind?
Herr Kollege, ich kann mich Ihrer Meinung nicht anschließen. Wie Sie wissen, gibt es in den Richtlinien bestimmte Kriterien, nach denen das Geld ausgegeben werden soll. Es ist Aufgabe der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, nach der Dringlichkeit und nach der Möglichkeit, das Geld zu verbauen, die Projekte in diesem Jahr zu fördern.Ich darf Ihnen sagen, daß das Land Nordrhein-Westfalen 1967 aus dem Gesamtbetrag von 660 Mil-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967 6393
Parlamentarischer Staatssekretär Börnerlionen DM, der erwartet wird, einen Anteil von 27,31 % erhalten wird. Auf die Landkreise entfallen davon, wie ich Ihnen soeben sagte, 20,3 Millionen DM; das entspricht 18,8 % des Betrages. Wie Sie wissen, ist Nordrhein-Westfalen durch seine Struktur ein Land der Großstädte und der Ballungsgebiete. Es ist ganz klar, daß dort, wo die Verkehrsnotstände am größten sind, das Land zuerst hilft, die entsprechenden Projekte zu dotieren. Ich bin ganz sicher, daß die nordrhein-westfälische Landesregierung diese Politik in Übereinstimmung mit den Fraktionen des Landtages von Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat und daß diese Politik auf die Dauer auch keine Benachteiligung der Landkreise bringt. Es handelt sich nur darum, mit dem zur Verfügung stehenden Geld, von dem wir wissen, daß es im Grundsatz in einem Jahr nicht ausreicht, das Richtige und das Notwendige zuerst zu tun.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß trotz Ihrer fast überzeugenden Worte hier doch eine erhebliche Benachteiligung der Landkreise zu verzeichnen ist und daß auch in den Landkreisen die Verkehrsprobleme so erheblich sind, daß sie besser in dieses Programm hätten einbezogen werden müssen, als das jetzt geschehen ist?
Herr Kollege, ich bedaure außerordentlich, daß es mir nur gelungen ist,
Sie „fast" zu überzeugen. Ich hätte Sie gern ganz überzeugt. Ich muß Ihnen aber sagen, daß die Kosten eines Projekts in einer Großstadt — z. B. eine Hochstraße oder eine Unterführung — sehr viel höher sind als die für die Beseitigung einer schwierigen Ortsdurchfahrt in einer Klein- oder Mittelstadt, und ich glaube, daß hier die Gründe dafür liegen, warum die Summen rein zahlenmäßig so differenziert verteilt worden sind, wie Sie das eben gesagt haben. Ich würde doch sagen, daß es sinnvoll wäre, wenn Sie die Möglichkeit hätten, nach einem Jahr Erfahrung sich einmal von der Praxis der nordrhein-westfälischen Behörden zu überzeugen. Gegenwärtig laufen die Projekte noch. Erst wenn wir etwa im Frühjahr nächsten Jahres einen Überblick haben, wie das Geld ausgegeben wurde, kann man sich zu Werturteilen entschließen. Ich persönlich bin der Meinung, daß sich aus der jetzt abzeichnenden Verteilung der Mittel keinesfalls eine Benachteiligung auf die Dauer ergibt. Es kann natürlich sein, daß bestimmte Großstädte einige Projekte planungsmäßig schon so weit gefördert hatten, daß der Einsatz dieser Mittel sich zweckmäßigerweise in diesem Jahr auf diese Großstädte konzentrierte. Ich bin überzeugt, daß das auf Grund einer ausgleichenden Gerechtigkeit im nächsten Jahr anders sein wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Übersicht, wie es im gesamten Bundesgebiet mit diesen Mitteln ist und welche Verteilung auf Stadt- und Landkreise sich hier ergeben hat?
Herr Kollege, die Richtlinien sind in mühevoller Diskussion mit den Landesregierungen erarbeitet und dann verabschiedet worden. Es ist klar, daß, nachdem sie in der Praxis seit etwa fünf Monaten angewendet werden, wir heute noch kein abschließendes Urteil fällen können. Wir haben aber festgestellt, daß -mit diesem Geld eine Vielzahl von notwendigen Verkehrsprojekten gefördert wurde und daß durch den Beschluß des Hohen Hauses, einen Sonderfonds zur Beseitigung der Verkehrsnotstände in den Gemeinden zu bilden, in diesem Jahr die Verkehrsnotstände doch schon erheblich abgebaut werden konnten. Wir werden im Frühjahr nächsten Jahres einen völligen Überblick darüber haben, wie rein geographisch und auf Groß- und Kleinstädte verteilt die Mittel eingesetzt worden sind. Die Richtlinien sehen vor, daß die Mittel nicht ausschließlich in Großstädte fließen sollen, sondern daß im Gegenteil strukturschwache Gebiete, Zonenrandgebiete und ähnliche Regionen der Bundesrepublik gefördert werden sollen. Das ist nach unserer Überzeugung auch der Fall.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung zusichern, daß sie in Verbindung mit den Landesregierungen dafür sorgen wird, daß nicht mit Hilfe solcher und ähnlicher Maßnahmen die Ballungsräume noch mehr zu Ballungsräumen werden, als das ohnehin schon der Fall ist?
Das kann ich zusichern.
Frage 106 der Abgeordneten Frau Freyh:
Wird die Bundesregierung in Anbetracht der Dringlichkeit der Lösung der Verkehrsprobleme für die Stadt Frankfurt und ihre nähere Umgebung die V-Bahn Frankfurt mit entsprechenden Mitteln in den Haushaltsplänen vom Jahre 1968 ab berücksichtigen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Kollegin, wie ihnen bekannt ist, steht der Bundesminister für Verkehr der Förderung ides Frankfurter V-Bahn-Projektes positiv gegenüber. Die Finanzierungsfragen sind jedoch im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. Die Bundesregierung wird nach den vom Bundesrat beschlossenen Richtlinien 50 % der Mittel für den Bau aufbringen. Ungeklärt ist zur Zeit noch, von wem die nach den Richtlinien erforderliche Gegenfinanzierung zu leisten ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Freyh.
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6394 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Oktober 1967
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie die weiteren Verhandlungen, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, auf einer unter den Bundesressorts abgestimmten Verhandlungsgrundlage führen werden.
Frau Kollegin, es ist sicher notwendig, daß bei finanziellen Größenordnungen, wie sie hier zur Diskussion stehen, eine Übereinstimmung z. B. zwischen unserem Hause und dem Bundesfinanzministerum gegeben ist. Diese Übereinstimmung muß nach meiner Auffassung auch baldigst erzielt werden. Entscheidend ist nur, daß bei diesem Projekt .die Richtlinien, von denen ich eben sprach, genauso wie bei .anderen Projekten angewandt werden. Ich habe den Eindruck, daß wir mit den beteiligten Partnern, d. h. mit idem Land Hessen und der Stadt Frankfurt, in absehbarer Zeit zu einer vernünftigen Regelung kommen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie als Besucher der Messestadt Frankfurt fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß viele tausend Besucher Frankfurts nicht verstehen können, daß der Bund, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt nicht schneller eine Lösung finden, um die V-Bahn in Frankfurt zu bauen.
Ich muß sagen, Herr Kollege, ich habe 'den Eindruck, daß die Besucher, von denen Sie 'sprachen, nicht wissen, daß es hier um Projekte geht, die viele hundert Millionen D-Mark erfordern und die sowohl von der Finanzierung als auch von der technischen Durchführung her gesehen eine gute Vorbereitung brauchen.
Ich bin davon überzeugt, daß ähnliche Schwierigkeiten bei Messen, wie Sie sie andeuten, auch in anderen Großstädten vorliegen. Es ist das Bemühen der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers für Verkehr, durch den entsprechenden Mitteleinsatz sowie mit Unterstützung des Hohen Hauses in den nächsten Jahren zu erreichen, daß diese Verkehrsnotstände abgebaut werden.
Noch eine Frage, Herr Josten.
Herr Staatssekretär, Sie sagten schon, daß Sie dem Problem positiv gegenüberstünden. Ich möchte Sie daher fragen: Werden Sie bzw. Ihr Ministerium dafür eintreten, daß wegen der Bedeutung der Stadt Frankfurt das von Frau Freyh hier angeschnittene Problem vorrangig behandelt wird?
Vorrangig im Sinne der Möglichkeiten, die das Hohe Haus durch die Beschlußfassung über den Bundeshaushalt 1968 und die weiteren Haushalte gibt.
Ich muß aber noch folgendes sagen, Herr Kollege. Frankfurt baut zur Zeit eine U-Bahn. Auch dort ist der Bund, wie Sie wissen, engagiert. Es ist nicht nur technisch, sondern auch verkehrspolitisch notwendig, daß beide Projekte, U-Bahn und V-Bahn, zusammen gesehen werden, damit sich der Bürger nur einmal über eine bestimmte Umleitung zu ärgern braucht.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Die Fragen 58 bis 60 des Herrn Abgeordneten Schmidt wurden zurückgezogen. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Wir sind am Ende der Fragestunde und auch am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich . berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 24. Oktober, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.