Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Sechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 — Drucksachen V/2128, V/2143 —. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Dann ist die Erweiterung der Tagesordnung damit beschlossen.Bei Punkt 25 der Tagesordnung liegt der Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung noch nicht vor. Ich schlage deshalb vor, diesen Punkt abzusetzen. — Auch hier erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Zu der in der Fragestunde der 121. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. Oktober 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Picard, Drucksache V/2124 Nr. 6 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 4. Oktober 1967 eingegangen.Die Richter an den oberen Bundesgerichten sind nach § 43 des Deutschen Richtergesetzes verpflichtet, über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung zu schweigen. Dies schließt die Veröffentlichung von Minderheitsmeinungen überstimmter Richter aus. Bei den Beratungen des Richtergesetzes im Rechtsausschuß des Bundestages haben Vorschläge, die Veröffentlichung des Minderheitsvotums zuzulassen, seinerzeit keine Mehrheit gefunden.Die Bundesregierung beabsichtigt zur Zeit nicht, an dieser Regelung etwas zu ändern. Die Rechtsentwicklung ist wieder in Bewegung geraten. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Jahr damit begonnen, in Entscheidungen das Abstimmungsverhältnis bekanntzugeben. Es wird zunächst zu prüfen sein, ob für dieses Gericht die Veröffentlichung der Auffassung überstimmter Richter zugelassen werden soll. Im übrigen wird sich auch der Deutsche Juristentag 1968 in Nürnberg mit der Veröffentlichung der abweichenden Meinung überstimmter Richter befassen.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß erst nach einer Regelung für das Bundesverfassungsgericht und nach dem Juristentag eine Entscheidung für die oberen Bundesgerichte getroffen werden sollte.Zu der in der Fragestunde der 122. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Oktober 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Burger, Drucksache*) Siehe 121. Sitzung, Seite 6115 DV/2124 Nr. 47*), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 5. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:Die Bundesregierung ist bisher mit der Frage einer Besteuerung der Steinkohlenteertreiböle nicht befaßt worden. Es liegt nur der Referentenentwurf eines Gesetzes vor, in dem die Besteuerung des Teertreiböls vorgesehen und der dem Bundesministerium für Wirtschaft und den Wirtschaftsverbänden zur Stellungnahme zugesandt worden war. Nach der Auswertung der Stellungnahmen ist nicht damit zu rechnen, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der eine erhebliche Besteuerung des Teertreiböls vorsieht.Zu den in der Fragestunde der 122. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Oktober 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Kiep, Drucksache V/2124 Nrn. 56, 57 und 58 **) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 5. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet.Nein, die Bundesregierung sieht die Ausdehnung des Kapitalanlagegesetzes und des Kreditwesengesetzes auf ausländische Investmentgesellschaften nicht als einen geeigneten Weg an, die mit der Tätigkeit dieser Gesellschaften in der Bundesrepublik verbundenen Schwierigkeiten und Probleme zu lösen. Sitz und Verwaltung dieser Gesellschaften liegen im Ausland. Der Geltungsbereich der beiden Gesetze ist auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt. Die wesentlichen Befugnisse des Aufsichtsamtes für das Kreditwesen, sein Prüfungsrecht, sein Auskunftsrecht und notfalls deren zwangsweise Durchsetzung, können auch nur bei inländischen Gesellschaften wirksam ausgeübt werden.Das heißt nicht, daß die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung des Vertriebs ausländischer Investmentzertifikate in der Bundesrepublik nicht für erforderlich hält. Wie ich bereits vor kurzem in meinen Ausführungen auf eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen dargelegt habe, prüft das Bundeswirtschaftsministerium z. Z., „ob es unter Berücksichtigung aller damit zusammenhängenden Probleme erforderlich und zweckmäßig ist, gesetzliche Maßnahmen zu treffen, die den Vertriebsgesellschaften bestimmte Publizitätspflichten auferlegen und ein Eingreifen bei Mißständen in der Werbung ermöglichen".Ausschüttungen ausländischer Kapitalanlagegesellschaften an inländische Zertifikatsinhaber unterliegen wie die Ausschüttungen inländischer Kapitalanlagegesellschaften der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Diese Steuerpflicht ist im Rahmen der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen nicht beseitigt. Es ist vielmehr lediglich vorgesehen, daß ein Quellenabzug im Ausland auf die inländische Steuerschuld angerechnet wird. Es werden daher Ausschüttungen von inländischen und ausländischen Kapitalanlagegesellschaften von der Einkommensteuer erfaßt.Ein gewisser Unterschied besteht allerdings bei Fonds, die ihre Erträge nicht ausschütten, sondern reinvestieren . Auf Grund einer Sonderregelung sind in dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften bei inländischen Wachstumsfonds auch nicht ausgeschüttete Erträge als den Anteilseignern jährlich zugeflossen zu behandeln. Da diese Sonderregelung auf ausländische Wachstumsfonds nicht anwendbar ist, werden die Erträge aus diesen Wachstumsfonds erst beim Verkauf oder bei der Einlösung unter bestimmten Voraussetzungen besteuert. Die Bundesregierung wird untersuchen, ob aus steuerlichen und wettbewerblichen Gründen eine Abhilfe erforderlich ist und etwaige dazu notwendige Maßnahmen vorschlagen.Deutsche Kapitalanlagegesellschaften können nach § 7 Abs. 6 des Kapitalanlagegesellschaften-Gesetzes für ihre Sondervermö-*) Siehe 122. Sitzung, Seite 6174 B **) Siehe 122. Sitzung, Seite 6177 C
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6186 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Vizepräsident Dr. Jaegergen keine Anteilscheine anderer Sondervermögen erwerben. Es wird geprüft, ob dies auch für Zertifikate oder andere Papiere ausländischer Investmentgesellschaften gilt. Ausländische Fondsgesellschaften unterliegen diesen Beschränkungen nicht. Auch dieser Unterschied in den Aktionsmöglichkeiten ist Gegenstand der Überlegungen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in dem Stenographischen Berichtaufgenommen:Der Vorsitzende des Innenausschusses hat am 5. Oktober 1967 mitgeteilt, daß der Innenausschuß gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Regelung der Bezüge und Sozialen Sicherheit der Atomanlagen-Bediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden — Drucksache V/2024 —Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67/Euratom des Rats vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des GerichtshofesVerordnung Nr. 423/67/EWG, Nr. 6/67/Euratom des Rats vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der EWG-Kommission und der EAG-Kommission sowie der Hohen Behörde, die nicht zu Mitgliedern der gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften ernannt worden sindWir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde— Drucksachen V/2124, zu V/2124 —Wir beginnen mit der Frage 77 des Abgeordneten Wienand aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ist der Fragesteller im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird ebenso wie die Frage 78 schriftlich beantwortet.Wir kommen zur Frage 79 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen. Ist der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen im Saal? — Die Frage wird ebenfalls schriftlich beantwortet.Wir kommen zur Frage 80 des Abgeordneten Felder:Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, über die kassenärztlichen Vereinigungen auf eine bessere Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung während der hauptsächlichen Ferienzeit einzuwirken, um zu verhindern, daß wie im Falle der 14 000 Einwohner zählenden oberbayerischen Stadt Waldkraiburg Ende August/Anfang September nur ein einziger von sieben ortsansässigen Ärzten praktizierte, während Ende Juli/Anfang August, als die meisten Waldkraiburger Firmen Betriebsurlaub hatten, die Sprechzimmer aller Ärzte geöffnet waren?Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Hinsichtlich der ärztlichen Versorgung derjenigen Bevölkerungsgruppen, die in der sozialen Krankenversicherung versichert sind, besteht, Herr Kollege Felder, folgende Situation. Nach § 368 n Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung ist die Sicherstellung der den gesetzlichen Krankenkassen obliegenden ärztlichen Versorgung den Kassenärztlichen Vereinigungen in den einzelnen Ländern und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung übertragen. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift ist den Kassenärztlichen Vereinigungen insbesondere die gesetzliche und vertragsmäßige Durchführung der kassenärztlichen Versorgung und die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit zugewiesen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind Körperschaften öffentlichen Rechts und unterstehen hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben der Rechtsaufsicht der Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder.
Was den von Ihnen geschilderten konkreten Fall angeht, so würde dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge die Prüfung der Frage obliegen, wie die kassenärztliche Versorgung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird und ob etwa Maßnahmen der Aufsichtsbehörde erforderlich sind, damit die Kassenärztliche Vereinigung die kassenärztliche Versorgung unter Beachtung von Gesetz und Satzung durchführt. Die Bundesregierung ist zu einem unmittelbaren Einwirken nicht ermächtigt. Ich bin jedoch gern bereit, mich wegen dieses Falles mit meinen Kollegen in der Bayerischen Staatsregierung in Verbindung zu setzen, falls Sie das wünschen.
Ich würde darum bitten.
Das will ich gerne tun, Herr Kollege.
Keine Zusatzfragen? — Dann komme ich zur Frage 81 des Abgeordneten Weigl:Können -die im Arbeitsamtsbezirk Weiden bereits seit Monaten vorhandenen über 1000 männlichen echten Arbeitslosen bald im Rahmen von Arbeitsförderungsmaßnahmen des Bundes eingesetzt werden, falls nicht in kürzester Zeit die Ansiedlung neuer Betriebe für männliche Beschäftigte gelingt?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 3. Oktober 1967 lautet:Die Bemühungen um eine Verminderung der Arbeitslosigkeit im Arbeitsamtsbezirk Weiden sind in letzter Zeit wesentlich intensiviert worden. Ein Beispiel hierfür gibt die Entwicklung der Anlernzuschüsse, die gewährt werden können, wenn Arbeitsuchende nach ihrer Vermittlung zunächst während einer Anlernzeit nicht den vollen Lohn erreichen. Während solche Anlernzuschüsse im Arbeitsamtsbezirk Weiden zwischen dem 1. 1. 1967 und dem 30. 6. 1967 in 35 Fallen gewährt worden waren, konnten allein vom 1. 7. 1967 bis zum 15. 8. 1967 Anlernzuschüsse in 45 Fällen gezahlt werden. Seit dem 16. 8. 1967 sind weitere 70 Arbeitslose unter Zusicherung von Anlernzuschüssen vermittelt worden.Außerdem hat das Arbeitsamt Weiden in den letzten drei Monaten zwei kaufmännische Lehrgänge und einen Lehrgang für Industrienäherinnen durchgeführt. Weitere sieben Lehrgänge für Metallarbeiter, Industrienäherinnen, Buchhaltungskräfte und Stenotypistinnen werden mit rund 140 Teilnehmern in der nächsten Zeit anlaufen.Unabhängig hiervon werden die Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung, um die sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen nachdrücklich bemüht, im Hinblick auf die Situation dieses Raumes mit aller Kraft fortgeführt. Darüber hinaus kann von den Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung der konjunkturellen Auftriebskräfte auch im Gebiet des Arbeitsamtes Weiden und in den angrenzenden Bezirken eine Belebung der Nachfrage am Arbeitsmarkt erwartet werden.Frage 82 des Abgeordneten Reichmann:Sind Pressemitteilungen zutreffend, wonach die Bundesregierung beabsichtigt, die Beiträge der Landwirte zu den landwirtschaftlichen Alterskassen in den nächsten Jahren um 40 % zu erhöhen, ohne daß gleichzeitig Leistungsverbesserungen vorgenommen werden?Bitte, Herr Minister!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6187
Es trifft zu, daß die Bundesregierung in Art. 6 des dem Bundesrat am 21. September dieses Jahres zugeleiteten Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes vorgeschlagen hat, den Beitrag zur Altershilfe für Landwirte im Laufe der nächsten vier Jahre schrittweise von gegenwärtig 20 DM auf 28 DM ab 1. Januar 1971 zu erhöhen. Das entspricht einer Erhöhung des Beitragssatzes — wie Sie mit Recht feststellen — um 40 %. Leistungsverbesserungen hat die Bundesregierung nicht vorgeschlagen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, hält die Bundesregierung eine derartige Beitragserhöhung, obwohl das Altersgeld nicht dynamisiert wird und die Landwirtschaft infolge der Auswirkungen der EWG, also aus gesamtpolitischen Gründen, erhebliche Einkommenskürzungen hinnehmen muß, für gerechtfertigt und sozial?
Die Bundesregierung sieht diesen Vorschlag, Herr Kollege Reichmann. im Zusammenhang mit den Bemühungen, den Zuwachs der Bundesausgaben in der Zukunft auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Ich darf noch hinzufügen, daß der Bundeszuschuß zur landwirtschaftlichen Altershilfe nicht gekürzt wird. Im Gegenteil, er wird weiter ansteigen, und zwar von gegenwärtig 535 Millionen DM auf 565 Millionen DM im Jahre 1969. Auch unter Berücksichtigung — wenn ich das noch sagen darf, Herr Kollege — der vorgesehenen Beitragserhöhungen wird der Bund im Jahre 1971 nach den Vorausschätzungen noch 67 % der Gesamtausgaben der landwirtschaftlichen Altershilfe von sich aus zu bezahlen haben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Bundesminister, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß durch diese Beitragserhöhung die jetzt schon bestehenden erheblichen agrarsozialen Wettbewerbsunterschiede in der EWG zum Nachteil der deutschen Landwirtschaft noch vergrößert werden?
Herr Kollege Reichmann, ich habe vorhin versucht, darzulegen, daß das Ganze im Rahmen der Bemühungen der Bundesregierung um einen Ausgleich des Haushalts zu sehen ist. Wenn Sie den anderen sozialen Bereich außerhalb der Landwirtschaft, also den Bereich der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und der knappschaftlichen Rentenversicherung ansehen, werden Sie feststellen, daß wir überall zum Teil sehr herbe Eingriffe haben vornehmen müssen.
Wir kommen zur Frage 83 des Abgeordneten Josten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei einem großen Kreis des Mittelstandes der Wille zur Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung besteht?
Herr Kollege Josten, der Bundesregierung ist seit längerem bekannt, daß — wie Sie richtig feststellen — ein Großteil des gewerblichen Mittelstandes der Einbeziehung in die soziale Rentenversicherung positiv gegenübersteht. Es gibt darüber auch eine Reihe von Meinungsumfragen, die zu dem gleichen Ergebnis kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Minister, bis wann kann wohl mit dem Abschluß dieser Umfragen, die Sie gerade erwähnt haben, bei den einzelnen Berufszweigen gerechnet werden?
Wir haben zwei Umfragen laufen. Die eine wird von einem Institut im Auftrag meines Hauses, die andere von der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels veranstaltet. Soweit ich unterrichtet bin, steht diese Erhebung unmittelbar vor dem Abschluß. Ich bin überzeugt, daß wir dadurch interessante Aufschlüsse erhalten werden. Dann können wir die entsprechenden Maßnahmen einleiten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, hält die Bundesregierung an der Auffassung fest, daß die Handwerkerversicherung als bewährtes Modell für eine Öffnung der Rentenversicherung für weitere Kreise der Selbständigen gelten soll?
Das kann man so generell nicht beantworten, Herr Kollege Josten. Das wird im Verlaufe der Prüfungen, die wir anzustellen haben, noch genauer festzustellen sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Minister, können Sie mir sagen, ob überhaupt schon Gruppen von Selbständigen — und wenn ja, welche — konkrete Anträge in dieser Richtung beim Arbeitsministerium gestellt haben?
Ich habe die Liste im Augenblick nicht präsent. Es ist eine ganze Reihe von Gruppen dagewesen. Ich bin gern bereit, diese Frage schriftlich zu beantworten.
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6188 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie darüber hinaus in der Lage, mir die Stellungnahme des Berufsverbandes der freien Berufe zu dieser Frage darzulegen?
Auch das werde ich Ihnen gern schriftlich nachreichen.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn die Gruppen, von denen der Abgeordnete Josten sprach, in die Versicherung einbezogen werden, welche Gruppen nennenswerter Art würden dann noch außerhalb des Versicherungswerkes bleiben?
Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, die Frage des Herrn Kollegen Josten ging dahin, ob wir generell die Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigengruppen vornehmen wollen oder nicht. Die Antwort lautet: wir wollen das den Gruppen überlassen. Wir werden also nach den Umfragen feststellen, welche Gruppen im einzelnen ein solches Verlangen haben. Nur sind wir der Meinung, eines geht nicht, daß nämlich einzelne Teile der Gruppen von sich aus sagen: Wir möchten, und andere Teile: Wir möchten nicht. Wenn ein ganzer Berufsstand den Wunsch hat, dann muß er als ganzer Berufsstand die Folgen tragen. Wir können nicht nur die schlechten Risiken übernehmen und die guten Risiken dann anders abdecken. Das alles, Herr Schulze-Vorberg, wird sich nach Abschluß der einzelnen Umfragen, die wir zur Zeit laufen haben, ergeben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, wäre es nach dem, was Sie jetzt gesagt haben, nicht an der Zeit, zu überprüfen, ob wir generell zu einer Volksversicherung kommen sollten, damit dieses Durcheinander, das bei all den Gruppen besteht, endlich überwunden wird?
Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, ich glaube, daß mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung jetzt vorgesehen hat, nämlich mit der Beseitigung der Pflichtversicherungsgrenze für die Angestelltenversicherung, natürlich ein Stück des Weges dahin vorgezeichnet wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.
Hält die Bundesregierung und halten insbesondere Sie, Herr Minister, die Sorge derjenigen Berufsstände für berechtigt, die sich, zum Teil schon seit Jahrzehnten, zum Teil in den letzten Jahren, auf landesgesetzlicher Grundlage eigene Versorgungswerke aufgebaut haben und nun befürchten, daß diese durch die beabsichtigte Ausdehnung der Versicherungspflicht, insbesondere durch die soeben diskutierte spätere Ausdehnung der Versicherungspflicht auf Selbständige, gefährdet werden?
Selbstverständlich halte ich diese Sorge für verständlich und berechtigt. Man wird im Einzelfall zu prüfen haben, wie eine harmonische Überleitung erfolgen kann.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie der Meinung, daß auch diese berufsständischen Versorgungswerke in die „allgemeine Volksversicherung" aufgehen sollten?
Ich habe gesagt, man wird die Probleme sorgsam prüfen müssen, damit bei einer neuen Regelung keine Ungerechtigkeiten entstehen.
Damit komme ich zu der Frage 84 des Abgeordneten Josten:
Wie steht die Bundesregierung zur Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige?
Die Bundesregierung befürwortet — das hat die Diskussion zu der Frage 83 eigentlich schon vorweggenommen, Herr Präsident — die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige. Sie betrachtet — ich wiederhole das, was ich vorhin schon gesagt habe, Herr Kollege Josten — die Beseitigung der Pflichtversicherungsgrenze für Angestellte als ersten wichtigen Schritt auf diesem Wege. Es entsteht hier — wenn ich das noch hinzufügen darf — ein Problem: selbstverständlich kann den Selbständigen der Zugang zur Rentenversicherung nur auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten gewährt werden, wie sie bereits die Versicherten haben.Im übrigen darf dieses Vorhaben nicht zu einer Belastung des Bundeshaushalts führen; denn mit einer Erhöhung der Zuschüsse für die Rentenversicherungen kann angesichts der schwierigen Haushaltslage des Bundes vorerst nicht gerechnet werden. Damit wird eine befriedigende Regelung der . alten und uralten Last erschwert. Diese und andere Fragen werden aber sehr sorgfältig geprüft werden müssen. Ich persönlich bin der Meinung, daß diese Erschwerung kein Hindernis sein sollte, zu dem von Ihnen gewünschten Ergebnis zu kommen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6189
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich fragen, ob zur Zeit in Ihrem Hause an einer Gesetzesvorlage zur Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige gearbeitet wird?
Herr Kollege Josten, ich hatte vorhin schon dargestellt, daß wir noch eine Reihe von Untersuchungen abwarten. Bereits jetzt aber werden natürlich schon Überlegungen angestellt, welche Lösung jeweils nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen vorgesehen werden kann. Endgültig können wir aber erst an die Arbeiten herangehen, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind.
Wir kommen zu der Frage 85 des Abgeordneten. Burger:
Ist sichergestellt, daß in Vollzug des geänderten Verfahrens in der Überweisung von Versorgungsleistungen der Bundesrepublik an Bewohner in Polen für diejenigen Versorgungsempfänger, die bisher Sperrkonten in der Bundesrepublik unterhielten, keine Gefährdung eintritt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 3. Oktober 1967 lautet:
Absprachen über eine Versorgung von Kriegsopfern in den zur Zeit unter fremder Verwaltung sehenden deutschen Ostgebieten und in Polen sind zwischen deutschen Sachverständigen und Vertretern der polnischen Sozialversicherungsanstalt in Warschau getroffen worden. Sie haben nicht den Charakter einer völkerrechtlichen Vereinbarung, so daß ihre Durchführung nicht in gleicher Weise wie bei einer solchen Vereinbarung sichergestellt ist.
Die polnischen Zusicherungen hinsichtlich der Straffreiheit auch für Berechtigte, die bisher ein Konto im Bundesgebiet unterhielten, sind jedoch von maßgebender Seite — besonders von dem im Ministerrang stehenden Präsidenten der polnischen Sozialversicherungsanstalt - in einer Weise bekräftigt worden, daß keine Veranlassung besteht, ihre Einhaltung anzuzweifeln. Dafür spricht auch die Tatsache, daß mir seit dem Abschluß der Sachverständigengespräche weitere Strafmaßnahmen, die etwa Ende 1966 begonnen hatten, nicht mehr bekanntgeworden sind.
Bezüglich näherer Einzelheiten darf ich auf die Veröffentlichung „Die Versorgung von Kriegsopfern im Ausland — Berücksichtigung devisenrechtlicher Vorschriften — deutsch-polnische Sachverständigengespräche" im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 105 Seite 906 vom 29. September 1967 hinweisen.
Im übrigen beabsichtige ich, demnächst den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden des Deutschen Bundestages durch den zuständigen Referenten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung über den Verlauf und die Ergebnisse der deutsch-polnischen Sachverständigengespräche unterrichten zu lassen.
Ich komme zu der Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregieruung die in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 angekündigte und durch einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 1967 geforderte Mitbestimmungskommission immer noch nicht berufen?
Bitte sehr, Herr Minister!
Herr Professor Dr. Schellenberg, mit Zustimmung des Herrn Bundeskanzlers beantworte ich Ihre Frage wie folgt.
Erstens. Im Einvernehmen mit Herrn Kollegen Professor Dr. Schiller habe ich dem Herrn Bundeskanzler eine Vorlage über grundsätzliche Fragen der Zusammensetzung und Aufgabenstellung der Mitbestimmungskommission gemacht. Zur Zeit wird über die endgültige Zusammensetzung beraten. Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung alsbald darüber entscheiden wird.
Zweitens. Eine entsprechende Vorlage wird dem Bundeskabinett unverzüglich zugestellt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Bundesarbeitsminister, stimmt die Mitteilung einer großen Tageszeitung, daß Sie diese Vorlage dem Bundeskanzleramt schon vor Monaten zugeleitet haben?
Ich habe das genaue Datum jetzt nicht im Kopf, Herr Kollege Schellenberg. Aber richtig ist, daß die Vorlage unmittelbar im Anschluß an die Beratungen des Bundestages vom 14, Juni erfolgt ist.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Bundesarbeitsminister, was wird die Bundesregierung tun, um sicherzustellen, daß trotz der eingetretenen Verzögerungen der Kommissionsbericht dem Hause noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt wird?
Herr Kollege Schellenberg, das hängt natürlich sehr eng a) mit der Aufgabenstellung, b) mit der Zusammensetzung und c) mit der personellen Ausstattung der Kommission zusammen. Ich persönlich glaube durchaus, daß es möglich ist, eine Lösung zu finden, daß Sie noch in dieser Legislaturperiode die entsprechende Vorlage der Kommission erhalten können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Glauben Sie auch, Herr Minister, daß es diesem Hause möglich sein wird, noch in dieser Legislaturperiode aus dieser Vorlage Schlußfolgerungen in Gesetzesform zu ziehen?
Herr Kollege Matthöfer, Sie werden mir sicherlich zustimmen, wenn ich Ihnen sage, daß ich darüber in diesem Augenblick gar keine Auskunft geben kann. Was hätte es für einen Sinn, einen Bericht zu erstellen, wenn man nicht erst diesen Kommissionsbericht abwartet. Ich bitte Sie sehr um Verständnis dafür, daß wir hier gehalten sind, den Bericht der Kommission erst abzuwarten, um dann entsprechende gesetzgeberische Konsequenzen ziehen zu können.
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6190 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Sie hatten vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Josten gesagt, daß unabhängig von dem Bericht der anderen Kommission schon Überlegungen in Ihrem Hause angestellt werden, ob man es in dieser oder jener Form machen kann. Werden solche Überlegungen auch jetzt schon in Ihrem Hause in bezug auf die Mitbestimmung angestellt?
Es werden selbstverständlich laufend — dafür ist das Referat da, Herr Kollege Matthöfer — Überlegungen dieser Art angestellt. Aber wir werden nicht konstruktiv tätig werden, ehe wir nicht das Ergebnis vorliegen haben.
Ich komme zur Frage 87 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus:
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Organisations- und Finanzreform der gewerblichen Unfallversicherung?
Bitte sehr!
Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, auf Grund der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 8. Dezember 1966 überprüft die Bundesregierung zur Zeit das Finanzierungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung mit dem Ziel, durch Strukturveränderungen bedingte unangemessene Beitragsbelastungen einzelner Wirtschaftszweige festzustellen und Vorschläge zu ihrem Ausgleich zu machen. Die Bundesregierung wird Vorschläge zu Änderungen im System der gesetzlichen Unfallversicherung in enger Fühlungnahme mit den Beteiligten erarbeiten. Deshalb habe ich den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften um eine Stellungnahme gebeten. Der Gedankenaustausch mit dem Hauptverband ist noch im Gange. Ich kann daher' im Augenblick noch nicht sagen, ob und gegebenenfalls welche Änderungen im Finanzierungssystem oder in der Organisation der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich sein werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es aber Ihre Absicht, an dem bisherigen Aufbau der beruflichen Unfallversicherung festzuhalten, und zwar in der Weise, daß einzelne Gewerbezweige ihr Risiko in sich tragen und nicht, wie bei der Bergbaulast, gegebenenfalls Berufsgenossenschaften, die mit dem betreffenden Industrieoder Gewerbezweig gar nichts zu tun haben, die schlechten Risiken mittragen müssen?
Frau Kollegin, das ist noch mit im Gespräch mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Ich hatte die Herren dieses
Verbandes in der vdrigen Woche bei mir zu einer sehr langen und eingehenden Aussprache. Ich werde bis zum 15. Dezember von diesen Herren einen Vorschlag bekommen; denn ich bin der Auffassung, daß wir solch schwierige Probleme nur in Gemeinsamkeit mit den verantwortlichen Trägern der Selbstverwaltung lösen können. Dann wird sich die Möglichkeit ergeben, eine Gesamtübersicht zu haben, welche Lösungen man anstrebt.
Zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Herr Bundesminister, stimmen Sie mit mir überein, daß es bei dem Aufbau unserer Unfallversicherung nur so möglich ist, in einem Umlageverfahren die entsprechenden Lasten zu tragen, wenn diese gegliederte Unfallversicherung ohne einen Ausgleich bleibt?
Frau Kollegin, wenn natürlich ganze Wirtschaftszweige verschwinden und die Berufsgenossenschaften bleiben, keine zahlenden Mitglieder mehr haben, dann ergibt sich von hier aus — und das war ja auch der Auftrag des Deutschen Bundestages an mich — auf Grund der Veränderungen die Notwendigkeit, zu neuen Konstruktionen und neuen Überlegungen zu kommen. Dabei sind wir im Augenblick.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Meine Damen und Herren, ich sehe zu meinem Schrecken, daß wir noch Fragen aus den Arbeitsbereichen von, ich glaube, vier Ministerien haben und daß die Zahl der Fragen außerordentlich groß ist. Ich würde deshalb bitten, daß sich die Damen und Herren bei den Zusatzfragen etwas zurückhalten, damit diejenigen Kollegen, die eigentliche Fragen gestellt - haben, in möglichst großem Umfang zum Zuge kommen.Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage 88 des Abgeordneten Geldner auf:Was ist der Bundesregierung über Klagen aus Mittelfranken wegen Lärmbelästigung durch Tiefflieger bekannt?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Carstens vom 25. September 1967 lautet:Die deutschen fliegenden Verbände sind in den letzten Monaten — begünstigt durch gutes Wetter — vermehrt geflogen. Sie erfüllten damit eine Forderung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages nach einem höheren Ausbildungsstand der Piloten mit dem Ziel größerer Flugsicherheit.Die vermehrte Flugtätigkeit führte zu Klagen der Bevölkerung aus allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland über die Lärmbelästigung durch militärische Tiefflieger.In Mittelfranken besteht zwar in Abweichung von dem für das gesamte Bundesgebiet geltenden allgemeinen Grundsatz, nach dem Tiefflüge nicht unter 500 Fuß über Grund durchgeführt werden dürfen, ein Tieffluggebiet mit einer Mindestflughöhe von 250 Fuß (etwa 75 m) ; diese Möglichkeit wird aber weder von der deutschen noch von der US-Luftwaffe genutzt. Beide halten sich an das 500-Fuß-System.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6191
Vizepräsident Dr. JaegerDarüber hinaus werden zur Zeit Maßnahmen untersucht, die zu einer Lärmminderung führen sollen. Ich hoffe, sie in Kurze bekanntgeben zu können. Zugleich bitte ich um Ihr Verständnis dafür, daß alle Maßnahmen jedoch dort ihre Grenze finden müssen, wo die Einsatzbereitschaft der fliegenden Verbände gefährdet wird.Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:Welche Konsequenzen für das Unterhaltssicherungsgesetz gedenkt die Bundesregierung ggf. zu ziehen, falls es richtig ist, daß der Richter eines Münchner Amtsgerichtes in einem Verfahren wegen Fahnenflucht des 22jährigen` Pioniers Harald B. erklärt hat:„Aus seiner Sicht war die Lage aussichtslos. Und wenn er das Interesse seiner Familie vor seine Pflicht gegenüber dem Volke stellt, so ist das nicht unbedingt ein verwerfliches Motiv."?Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, aus dem von Ihnen angesprochenen Vorfall ergeben sich keine Konsequenzen für das Unterhaltssicherungsgesetz. Der Wehrpflichtige, der sich vor dem Amtsgericht München wegen Fahnenflucht zu verantworten hatte, will sich nach einer Pressemeldung nur aus Sorge um das wirtschaftliche Wohl seiner Familie von der Truppe entfernt haben. Das Bayerische Staatsministerium des Innern als die für die Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes zuständige oberste Landesbehörde hat mir jedoch auf Grund eines Berichtes der Landeshauptstadt München folgende Sachdarstellung gegeben:
Der Lebensunterhalt der Familie ist nach Angaben der Ehefrau des Soldaten gesichert. Neben den Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz von monatlich 457 DM hat die Ehefrau selbst ein monatliches Arbeitseinkommen von etwa 500 DM, so daß der Familie rund 950 DM zur Verfügung stehen. Dieses Einkommen reicht nach den Angaben der Ehefrau aus, um den zur Möblierung der nach der Einberufung bezogenen Wohnung eingegangenen Verpflichtungen aus Ratenkaufverträgen nachzukommen. Vorübergehende Schwierigkeiten habe es nur im Juli 1967 gegeben, weil wegen einer früheren eigenmächtigen Entfernung ihres Ehemannes von der Truppe die Leistungen zur Unterhaltssicherung in diesem Monat eingestellt werden mußten.
Es bestand mithin keine wirtschaftliche Notlage, die den Wehrpflichtigen hätte veranlassen können, sich eigenmächtig von der Truppe zu entfernen. Eher hat die Entfernung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie mitverursacht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus entnehmen, daß die Feststellungen des Richters, die in mehreren Zeitungen wiedergegeben waren, in dieser Form nicht zutreffen?
Das können Sie feststellen,
Eine zweite Zusatzfrage.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, aber doch auf Grund Ihrer Erfahrung meinen, daß jungverheiratete Ehepaare gewisse Schwierigkeiten haben und daß es nicht zuletzt zu dem Vorschlag bestimmter Anhebungen im Unterhaltssicherungsgesetz beigetragen hat?
Sie hatten schon zwei Zusatzfragen.
Ich komme zur Frage 90 des Abgeordneten Kaffka:
Wann wurde die Bundesregierung über das Manöver „Sunshine Express", das vom 26. August 1967 bis 15. September 1967 in Nordostgriechenland stattfand, von den zuständigen NATO-Gremien konsultiert?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Mit Einverständnis .des Herrn Präsidenten würde ich, Herr Kollege, Ihre beiden Fragen gern im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 91 des Abgeordneten Kaffka ,auf:
Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, die Entsendung deutscher Truppen zu dem in Frage 90 erwähnten Manöver zu unterlassen?
Bitte sehr!
Das Manöver „Sunshine Express" gehört zu einer Serie von NATO-Ubungen, die alljährlich zur Überprüfung des Ausbildungsstandes und der Einsatzbereitschaft der sogenannten „Allied Mobile Force" durchgeführt werden.Derartige Übungen erfordern wegen ihrer Eigenart, der multinationalen und integrierten Zusammensetzung des Verbandes sowie wegen der besonderen Transport-, Einsatz- und Versorgungsbedingungen ,und .auch wegen ihrer Finanzierung aus einem gemeinsamen NATO-Fonds eine langfristige Vorbereitung. So wurde die diesjährige Übung bereits 1965 von SHAPE entworfen und 1966 endgültig festgelegt. Dabei wurde die Bundesregierung — wie auch ,die übrigen NATO-Partner — konsultiert.
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6192 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6193
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6194 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
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6196 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
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6198 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
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6200 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
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— Drucksache V/ 1874 —
b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wettbewerbsfähigkeit der Tageszeitungen
— Drucksache V/1722 —
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Buchstabe a) hat der Abgeordnete Schulze-Vorberg das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Vor den Sommerferien, am 13. Juni, hat eine Reihe von Kollegen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion gemeinsam einen Antrag eingebracht, die deutschen Tageszeitungen im zweiten Halbjahr 1967 hinsichtlich ,des Vertriebserlöses von der Umsatzsteuer zu befreien. Die Grundüberlegung für diesen Antrag war, eine Gleichstellung unserer Zeitungen mit den Zeitungen im übrigen Europa zu erreichen. Es war ein Grundsatz, der hier in den verschiedenen Pressedebatten aufgestellt worden ist — wenn ich mich recht erinnere, von allen Fraktionen, auch von der Bundesregierung unwidersprochen —, daß unsere Zeitungen und Zeitschriften grundsätzlich auch steuerlich nicht schlechter dastehen sollten als die Zeitungen in ,unseren europäischen Nachbarländern.Wir wissen, daß die Sorge, die wir uns um die Vielfalt der Meinungen in unserem Lande machen müssen — weil nur so die Demokratie gesichert ist —, nicht allein mit steuerlichen Maßnahmen zu beheben ist. Wir wissen, daß es hier gewiß nicht nur um die Verleger geht. Es geht vor allem auch um die Leser, Hörer und Seher, um die Menschen, die durch publizistische Mittel erreicht werden, die gut, umfassend, ausführlich und durch verschiedene Medien unterrichtet werden sollen. Weiter geht es auch um die Journalisten. Dennoch glaubten wir, mit diesem Antrag direkt in Richtung auf die Zeitungsverleger für die Meinungsvielfalt etwas tun zu müssen.Inzwischen sind einige Monate vergangen, einige Kommissionen haben gearbeitet und ihre Arbeit abgeschlossen. Die sogenannte Michel-Kommission hat langfristig über Jahre hinweg gearbeitet. Wir verdanken ihr eine Ausarbeitung, die nicht so sehr auf den Augenblick abgestellt ist, sondern über längere Zeitläufte informiert. Dabei behandelt sie vielleicht den letzten Zeitraum, das letzte Jahr, in dem gewisse Krisenerscheinungen zutage getreten sind, nicht so gründlich. Das ist ein Nachteil, der durch die zweite von der Bundesregierung eingesetzte Kommission unter dem Präsidenten des Bundeskartellamtes, Günther, behoben wird; denn diese Kommission hat sich nun wirklich mit der aktuellen Lage befaßt. Wenn wir beiden Kommissionen, bevor wir
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Dr. Schulze-Vorbergganz gründlich in die Behandlung dieser Probleme einsteigen, unseren Dank sagen, so glaube ich, daß gerade die Günther-Kommission, die sehr konzentriert gearbeitet hat, unseren besonderen Dank verdient, weil sie tatsächlich, was im Juni, Juli, August niemand voraussehen konnte, bis zu diesen ersten Oktobertagen ihren Bericht, einen ersten Bericht, erstattet hat.Aus diesem Bericht drängt sich für mich ein Gedanke ,auf, nämlich der Gedanke der Fürsorgepflicht der großen Verlage für die kleinen. Ein Ergebnis steht fest, daß es nämlich nicht nur eine Konkurrenz zwischen Rundfunk und Fernsehen einerseits und der Presse andererseits gibt, sondern eben auch die Konkurrenz zwischen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen selbst. Diese Fürsorgepflicht der großen Verlage wird, so hoffe ich — und ich bin sicher, daß es so ist —, von den großen Verlagen selbst anerkannt.Unser Antrag zur Umsatzsteuerbefreiung gilt unterschiedslos für alle Zeitungen; die Befreiung sollte allen zugute kommen.Inzwischen hat Bundesfinanzminister Strauß unter dein 8. August an den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger, Dr. Anton Betz, ein Schreibengerichtet. Er hat auf die sehr unterschiedliche wirtschaftliche Situation der Verlage hingewiesen und ist dann zu dem Ergebnis gekommen:Unter den gegebenen Umständen halte ich eine gezielte, auf den Einzelfall abgestellte Billigkeitsmaßnahme gemäß § 131 der Reichsabgabenordnung für wirksamer als eine unterschiedslos und damit im Ergebnis auch ungerecht wirkende generelle Umsatzsteuerbefreiung.Nun, darüber wird man sich, wie der Ältestenrat Ihnen vorschlägt, in den beteiligten Ausschüssen unterhalten können und unterhalten müssen.Ich habe von der Günther-Kommission gesprochen, die für die weiteren Beratungen wirklich wesentliche und gar nicht zu überschätzende Aussagen gemacht hat. Als ein Mann, der aus dem Rundfunk kommt, glaube ich, den beteiligten Rundfunkintendanten Dank sagen zu sollen für die neun Beschränkungen, die sie von sich aus für einige Zeit im Werbefernsehen auf sich nehmen wollen. Diese Beschränkungen sind in der Denkschrift für jeden, der das tun will, nachzulesen.Ich bedauere es außerordentlich, daß einige beteiligte Verleger zum Schluß glaubten, nicht mehr mitarbeiten zu können. Wir wissen leider, daß die Verleger so beschäftigt waren, daß sie tatsächlich nur an einer oder zwei Sitzungen teilnahmen und sich dann vertreten ließen. Ich möchte hier einen ernsten Appell an die Verlegerschaft richten, sich der eigenen Probleme intensiv anzunehmen. Man kann nicht über eine Kommission klagen, wenn man vorher nicht intensiv genug in ihr mitgearbeitet hat. Es nützt nichts, in eine Sitzung zu kommen und dann zu sagen: künftig werde ich mich vertreten lassen. Wenn man die Lösung der Probleme voranbringen will, muß man sich hier wirklich auch selber stellen und selber in den Verhandlungen dabei sein. Es genügt nicht, hinterher nur zu klagen.Eine Zahl ist, glaube ich, für unsere weiteren Beratungen von außerordentlicher Wichtigkeit. Wir haben in der Bundesrepublik 502 Tageszeitungen. Davon haben 361 — das sind 72 % — eine Auflage von weniger als 20 000. Diese Zahl ist insofern wichtig, als sich in der deutschen Politik zumindest eine Stimme erhoben hat, die forderte, daß kleine Zeitungen — Zeitungen bis zu einer Auflage von 100 000, so hieß es zuerst — von jeder Förderung ausgeschlossen sein sollten. Ministerpräsident Heinz Kühn, der selber dem Journalismus eng verbunden ist, hatte gesagt, Zeitungen mit weniger als 100 000 Exemplaren würden nicht überleben können. Er hat diese Zahl dann später korrigiert und gesagt: Das war ein Denkmodell; man müßte mit einem Computer ausrechnen lassen, wo etwa die Grenze liegt; was dann unterhalb dieser Grenze liege, müsse von jeder Förderung ausgeschlossen werden. Diesen Gedankengang halten meine Freunde von der CDU/ CSU und ich für außerordentlich gefährlich; denn wir würden damit die Vielfalt der Meinungen, die wir alle in diesem Hause aufrechterhalten wollen, zerstören. Überlegen Sie einmal, daß 72 % der Zeitungen weniger als 20 000 Auflage haben. Das würde bedeuten, daß diese 72 % der Zeitungen mit Sicherheit verschwinden. Vor solchen Gedankengängen mußte hier gewarnt werden, denn sie könnten z. B. über den Bundesrat tatsächlich Eingang in unsere Beratungen finden. Wir sollten von Anfang an sagen: Stillegungsprämien etwa — das Schlagwort ist hier im „General-Anzeiger" in einem Interview mit Ministerpräsident Kühn zu finden — sollte es für. deutsche Zeitungen nicht geben. Im Gegenteil, wir sind daran interessiert, daß die Vielfalt unserer Zeitungen erhalten bleibt, nicht nur im Interesse der Verleger, sondern vor allem der Leser, also der deutschen Bürger und aller Journalisten.Darum bitte ich, unseren Antrag zu beraten und dabei die Berichte der beiden Kommissionen gebührend zu berücksichtigen.
Das Wort zur Begründung von Punkt b) hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten hat am 10. Mai den Antrag betreffend die Wettbewerbsfähigkeit der Tageszeitungen eingebracht, den Sie auf Drucksache V/1722 finden. Ich habe diesen Antrag heute zu begründen. Ich glaube, das Thema und die inzwischen eingetretenen Veränderungen in der Pressesituation u. a. durch die Kommissionsberichte machen es notwendig, daß wir, bevor wir hier beschließen, auch das tun, was Herr Schulze-Vorberg vorgeschlagen hat, nämlich die Situation der Presse und der Massenmedien insgesamt einmal zu beleuchten.Wir müssen uns fragen: was ist das Ziel unserer Bemühungen hier in diesem Hohen Hause? Für
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6202 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Moerscheinen Liberalen und — so hoffe ich — auch für die anderen in diesem Hause kann die Antwort nur lauten: die Vielfalt einer unabhängigen Presse, ein freier und fairer Wettbewerb im Informationsangebot.Wir haben im Art. 5 des Grundgesetzes das Grundrecht auf Meinungs-, auf Pressefreiheit. Das ist ein Grundrecht, das Demokratie überhaupt erst ermöglicht. In der Tat handelt es sich hier nicht, wie gelegentlich aus manchen Verlautbarungen herausgehört werden kann, um eine Freiheit der Verleger oder um die Freiheit von Journalisten, sondern es handelt sich um das Recht und um die Freiheit des Bürgers. Die Aufgabe des Staates und damit auch die Aufgabe des Parlaments als Gesetzgeber ist es, eine Ordnung zu schaffen oder zu sichern, in der der Art. 5 des Grundgesetzes tatsächlich wirksam ist, in der dieses Grundrecht praktiziert werden kann.Eine Frage, die sehr unterschiedlich beurteilt wird, ist, wie es um die Praktizierung dieses Grundrechtes steht. Die sogenannte Günther-Kommission hat hierzu eine Menge kritischer Anmerkungen in ihrem vorläufigen Bericht gemacht. Ich glaube, sie hat diese Anmerkungen mit Recht gemacht.Wir sind uns hoffentlich alle darüber einig — ich habe das aus den Worten meines Vorredners herausgehört —, daß ein vielfältiges Angebot gerade auch mittlerer und kleinerer Zeitungen, die redaktionell leistungsfähig sind — das ist sehr wichtig dabei —, für die Freiheit, für die Demokratie, für die parlamentarische Demokratie absolut notwendig bleibt, daß also eine Konzentration auf wenige größere oder große Organe unserer geschichtlichen Tradition und auch unseren Vorstellungen vom Wettbewerb in der Demokratie nicht gerecht werden könnte.Wenn wir sagen, daß wir gerade die mittleren und kleineren Zeitungen, die regional verankert sind, fördern möchten und — was zur Zeit wichtiger ist — erhalten wollen, dann müssen wir uns darüber im klaren sein, daß gerade die kleineren Blätter von Natur aus .außerordentliche Nachteile im Wettbewerb haben. Denn sie haben im allgemeinen höhere fixe Kosten pro Exemplar. Denken Sie an die Grundkosten des Personals, auch !der Redaktion, aber auch der Herstellung, des Druckes. Sie haben jetzt einen zweiten Nachteil, der sich in einem Jahr mit abflachender Konjunktur außerordentlich bemerkbar macht. Sie leiden nämlich unter einer Konzentration der überregionalen Werbung, oft auch Markenartikel-Werbung genannt, in den Zeitschriften, in Funk und Fernsehen und in den sogenannten täglichen Kaufzeitungen, früher Boulevard-Presse genannt.Es ist zwar nicht immer ganz verständlich, wieso diese Konzentration zustande kam, weil ja die Leseintensität bei der regionalen Presse unter Umständen wesentlich höher ist als bei den Blättern, in denen diese Anzeigen jetzt zu finden sind. Ich denke jetzt vor allem an die Boulevard-Presse. Aber es ist eine Tatsache, die wir einfach registrieren müssen, eine Tatsache, die übrigens, wie mir scheint, auchdie Bundesregierung für unabänderlich hält; sonst hätte sie ja nicht entgegen den Empfehlungen der Günther-Kommission ausgerechnet bei ihrer ersten Anzeigenkampagne alle mittleren und kleineren Zeitungen ausgeschlossen. Das ist doch eine besondere Fehlleistung dieser Bundesregierung, für die es keine vernünftige Begründung geben kann. Sie widerspricht genau dem, was sie selbst in ihrem eigenen Bericht der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Daher muß man fragen, ob die Rechte nicht weiß, was die Linke tut, oder umgekehrt; das ist manchmal schwer auseinanderzuhalten. Jedenfalls ist das Bundespresseamt schlecht beraten gewesen, als es diese Anzeigenkampagne mit dieser Streuung startete, damit erweckt es den Eindruck — der nach meiner Kenntnis der Lage falsch ist —, daß bestimmte größere überregionale Zeitungen eine wesentlich größere Werbewirksamkeit hätten als die regionalen Blätter.An sich könnten wir als Opposition für diesen Fehler der Bundesregierung höchst dankbar sein; denn die Bundesregierung scheint zu verkennen, welche Intensität der Werbung gerade in den mittleren und kleineren regionalen Zeitungen möglich ist. Aber daß hier in diesem Hause noch viel über diese Fragen debattiert werden muß, zeigt, glaube ich, dieser Vorfall, den ich eben angeführt habe. Es war leider keine Gelegenheit mehr, diese Frage in dieser Woche in der Fragestunde zu behandeln. Sie steht nun auf der Tagesordnung der nächsten Woche. Ich will es deshalb damit bewenden lassen. Vielleicht fällt dem Sprecher der Bundesregierung inzwischen eine bessere Erklärung ein, als er sie kürzlich gegeben hat.In einem anderen Zusammenhang ist die Frage der Anzeigenkonzentration auf die größeren Blätter für den Antrag, den wir hier gestellt haben, sehr erheblich. Es ist zu prüfen, ob diese Konzentration der überregionalen Anzeigen, der MarkenartikelAnzeigen, nicht auch durch die Möglichkeiten des Druckes bedingt ist. Ohne Zweifel hat der Farbdruck bei Zeitschriften eine große Anziehungskraft auf die Inserenten ausgeübt, und ohne Zweifel ist auch der Druck mancher größerer Zeitungen leistungsfähiger als der einer kleineren Zeitung, die sich aus Kapitalschwäche noch mit einer älteren Druckanlage begnügen muß. Das ist eine Frage, die für die Konkurrenzfähigkeit, für den Wettbewerb der Presse von großer Bedeutung ist.Aber wir stehen jetzt an einem Wendepunkt, dessen Bedeutung sicherlich in zehn Jahren klar erkannt werden wird. Ich meine den Beginn des Farbfernsehens. Eines Tages wird sicherlich eine stark Pression ausgeübt werden, auch Farbfernsehwerbung in großem Umfang zuzulassen. Herr Dr. Schulze-Vorberg hat ja eben mehr oder weniger deutlich gesagt, daß die Selbstbeschränkung der Fernseh- und Rundfunkanstalten offensichtlich vorläufigen Charakter habe. Er geht also anscheinend davon aus, daß man die Werbezeiten — also auch später beim Farbfernsehen — wieder ausweiten wird. Was das bedeutet, — —
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6203
Moersch— Dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das nachher berichtigten. Es hat jedenfalls so geklungen, als wenn Sie das eingeschränkt haben.
— Sie haben gesagt „vorläufig", Herr Dr. SchulzeVorberg. Ich habe das so gehört, wie Sie es gesagt haben. Wenn Sie es anders gemeint haben, ist es Ihre Sache, das hier zu interpretieren. Aber ich möchte heute schon darauf hinweisen, daß hier künftig eine Gefahr für Zeitungen und Zeitschriften droht, die gar nicht groß genug eingeschätzt werden kann,
weil hier natürlich mit ungeheuren Kosten geworben werden wird, so daß sich die Werbung künftig noch stärker auf diese wenigen großen Massenmedien konzentriert und damit die Zeitungen, die nicht einen hervorragenden Vierfarbendruck liefern können, noch stärker von dieser Werbung ausgeschlossen werden.Es ist ja so, daß durch diese phantastische Hundertausender-Grenze bei Zeitungen, die vernünftigerweise durch nichts zu belegen ist außer vielleicht durch die Tatsache, daß man einen Tausender-Preis bei Hunderttausend leichter ausrechnen kann als bei 80 000, heute Zeitungen von einer überregionalen Werbung ausgeschlossen werden, die in einem dichten Verbreitungsgebiet liegen und die . vielleicht eine Auflage von 70 000 oder 80 000 haben. Mir ist ein Fall bekannt, wo eine sehr angesehene Zeitung für diesen Winter nur ein einziges Zigaretteninserat bekommen hat, lediglich weil sie eben unter einer bestimmten Auflagengrenze liegt, so daß die Werbeagentur offensichtlich Mühe hatte, die Dinge im einzelnen auszurechnen, und sich dann lieber auf wenige große beschränkt hat, was natürlich bei der Art der Provision die Arbeit erleichtert.Das sind Dinge, die auch die Inserenten einmal untersuchen müßten. Sie geben zum Teil Millionen für diese Dinge aus, um dann so ohne wirklichen Sinn und Verstand bedient zu werden, und zwar am Ende auf Kosten einer allgemeinen Wettbewerbsgleichheit von Zeitungen, die wir als Demokraten jedenfalls am Leben erhalten möchten und die wir nicht einer sinnlosen Verteilung von Werbeaufträgen geopfert sehen möchten. Das heißt also, wir müssen jetzt erkennen, daß in der Insertion die Konzentration auf die Farbe stärker wird, auch beim Fernsehen, und daß wir deshalb denen Investitionserleichterungen schaffen sollten, die bereits vorausschauend disponieren wollen und müssen.Deswegen kann unser Antrag auf Gewährung von besseren Kreditbedingungen für solche Häuser und Verlage im wesentlichen nur einen ganz bestimmten Kreis umfassen. Er sollte nicht auf eine ganz breite Streuung abzielen; er sollte diejenigen begünstigen, die sonst in fünf oder auch in zehn Jahren ihre Wettbewerbschance verloren haben werden. Das ist also kein Antrag allein für die jetzige Situation, die durch den Konjunkturrückgang außergewöhnlich ist — das wissen wir —, sondern das ist ein Antrag, der hauptsächlich auch auf die Zukunft ausgerichtet ist. Ich hoffe, daß die Bundesregierung später entprechend dem Sinn dieses Antrages handeln wird.Unser Vorschlag entspricht etwa — ich sage es noch einmal: er ist vom Mai — den ersten Vorschlägen, die die Günther-Kommission jetzt in einem vorläufigen Bericht gemacht hat. Dabei wollen wir nicht vergessen, daß hier ganz wesentlich die Selbsthilfe der Presse mitwirken müßte oder sollte. Nur bin ich im Gegensatz zu meinem Vorredner, Dr. Schulze-Vorberg, hinsichtlich der „Menschenfreundlichkeit" von großen Verlagshäusern nicht ganz so optimistisch; denn es handelt sich hier schließlich um Leute, die Geld verdienen wollen und auch Geld verdienen müssen; das ist ihr gutes Recht. In Geldfragen hört die Menschenfreundlichkeit aber sehr oft auf. Die Presse ist schließlich keine Institution, die mit dem Beamtenrecht oder der Fürsorgepflicht für die Beamten gleichgestellt werden könnte. Das wollen wir auch gar nicht. Es mag sein, daß die Mentalität des Kollegen Dr. Schulze-Vorberg durch seine Erfahrung in einer großen Rundfunkstation etwas anders ist als die Mentalität desjenigen, der in einem freien Verlagsunternehmen tätig gewesen ist. Das will ich Ihnen gern zugute halten. Ich meine aber, wir sollten hier nicht die Lage verkennen, sondern Realisten sein. Herr Dr. Schulze-Vorberg, mit Gesundbeten ist das Problem nicht zu lösen,
vor allen Dingen da einige der Leute, die es betrifft, ja selbst gar nicht — —
— Da Betroffene sich ja bereits selbst als Missionare betätigen, werden Sie mit Ihrem Bemühen, sie gesund zu beten, kaum Erfolg haben.
— Entschuldigen Sie: auf wen?Eine weitere Frage, die wir dabei stellen müssen— in diesem Punkt ergänzen wir ein wenig den Bericht der Kommission —, eine Frage, die man ganz entscheidend aufgreifen muß — das wäre dann die rechtliche Grundlage für Ihre menschenfreundliche Haltung, Herr Dr. Schulze-Vorberg —, ist die, ob wir wirklich bei einer allgemeinen Umlage für einen Kreditfonds die Auflagenzahl linear ansetzen, oder ob wir — wie bei der Einkommensteuer — von einer Progression ausgehen. Das ist eine Frage, die wir in der Zukunft ernsthaft prüfen sollten. Ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht eine Progression überlegen sollten. Ich habe vorhin schon gesagt, daß die Fixposten bei den kleineren Unternehmen auf jeden Fall größer sind als bei den großen. Damit wäre es auch eine Frage der Gerechtigkeit. Ob das verfassungsrechtlich möglich ist, ist ein ganz anderes Problem. Jedenfalls sollten wir uns in den Ausschüssen des Bundestages um Sachverständige bemühen, die diese Frage klären können.Weiter muß man sich überlegen, ob man die Tageszeitungen, die politische Presse, im allgemeinen getrennt sehen und auch getrennt fördern kann, wie
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6204 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Moersches zunächst unserem Antrag entspricht, oder ob man nicht — wie in der Kommission vorgeschlagen — einen allgemeinen Fonds bildet. Dann hätte man auch die Frage nach der Beteiligung der Zeitschriften und der Zeitschriftenverlage zu stellen. Es gibt ja ohnedies sehr viele gemischte Häuser, und der Markt hat sich sehr stark zu den Zeitschriften hin verlagert, wobei man nicht immer genau abgrenzen kann, wieweit sie politisch von Bedeutung sind oder wieweit sie Papier bedrucken, um damit die Menschheit zu unterhalten.Man sollte dabei nicht vergessen, daß der Bundestag — ohne das natürlich im einzelnen zu wollen, aber doch generell — mit der Einführung der Mehrwertsteuer einen Schritt in Richtung Chancengleichheit für die kleineren und mittleren Betriebe in diesem Jahr getan hat. Ohne Zweifel kann das ein wichtiger Beitrag zur Dekonzentration innerhalb des Verlagswesens sein; denn dadurch kann die deutsche Tradition, daß eben zur Herausgabe einer Zeitung möglichst auch die eigene Druckerei und der eigene Vertrieb gehören, zum erstenmal geändert werden, wenn sich das als notwendig erweist, weil es jetzt keine Rolle mehr spielt, ob die gleiche Firma alle Produktionsgänge in der Hand hat oder ob diese Produktionsgänge auf verschiedene Firmen verteilt werden. Das wird im nächsten Jahr umsatzsteuerrechtlich und hinsichtlich der wirtschaftlichen Wirkung der Umsatzsteuer gleichgültig sein.Jetzt besteht die Chance, durch eine Kooperation im Druck, in der technischen Herstellung und im Vertrieb gemeinsam Kosten zu sparen. Ich bin mir darüber im klaren, welche umstürzlerischen Vorschläge das für viele Verleger, gerade für die kleineren und mittleren Zeitungen, sind, denen eben an der eigenen Druckerei und dem eigenen Vertrieb sehr viel gelegen ist. Wir müssen uns sicherlich ernsthaft die Frage stellen, ob wir sinnvollerweise mit öffentlicher Hilfe Investitionen begünstigen, von denen wir heute schon wissen, daß sie im Grunde genommen nur wenige Stunden am Tag ausgenützt werden können. Wir müssen uns überlegen, ob man nicht vor allem diejenigen Investitionen begünstigen sollte, bei denen es sich um eine genossenschaftliche Art der Druckerei oder um eine Kooperation der verschiedenen Verlage in der technischen Herstellung handelt, und ob man nicht ferner vor allem diejenigen begünstigen sollte, die neue Wege, etwa im Vertrieb, gehen. Der Vertrieb ist das Gebiet, das in der Zukunft ganz besondere Schwierigkeiten bereiten wird und heute schon sehr hohe Kosten verursacht. Darüber wäre dann im Zusammenhang mit den Postgebühren sicherlich noch manches zu sagen.Die Hauptschwierigkeit, eine solche Kooperation einzuführen und sie dann auch entsprechend durch Begünstigung zu fördern, liegt natürlich in der traditionellen Erscheinungsweise fast aller Zeitungen am frühen Morgen. Das wäre dann nicht aufrechtzuerhalten und nicht mehr wirtschaftlich. Sonst bliebe eine solche Kooperation sinnlos.Unter allen Umständen aber müssen wir überlegen, wie wir zu einem Gesamtkatalog von Hilfsmaßnahmen kommen und wie wir diejenigen besonders unterstützen können, die sich für eine wirtschaftlich sinnvolle Kooperation und damit für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. Denn vergessen Sie bitte nicht: für uns, die wir vor allem den Art. 5 des Grundgesetzes zu beachten haben, ist entscheidend, daß die Redaktion unabhängig informieren kann. Redaktion, Verlag und Anzeigenabteilung gehören zusammen. Ob Druck und Vertrieb unbedingt dazugehören, ist im Grund eine sekundäre Frage. Das kann man einmal anders lösen. Historisch ist die Zeitung als Einheit aller Sparten gewachsen. Aber wir haben jetzt eben einen Zustand, bei dem man unter Umständen auf liebgewordene Traditionen einmal verzichten muß.Ein Zweites. Wir sollten uns diese Hilfsmaßnahmen, die die Kommission andeutungsweise schon empfiehlt, vor allem für diejenigen vornehmen, die in einem regionalen Wettbewerb stehen. Die Auflagenhöhe, die zum Teil als Bemessungsart gefordert wird, ist kein Maßstab, den wir anlegen können. Sie können bei einer Auflagenhöhe von 30 000 oder 50 000 mit einem regionalen Monopol hervorragende Gewinne erzielen, und das ist bis zum heutigen Tag sicherlich der Fall. Entscheidend bleibt vielmehr, daß wir auch den regionalen Wettbewerb fördern, das heißt, daß wir denjenigen, der den Mut hat, eine zweite oder dritte Zeitung in einem Verbreitungsgebiet am Leben zu erhalten und weiter herauszugeben, für diesen Mut insofern fördern, als wir ihm auch die Wettbewerbschancen bieten und seine Chancen sogar vergrößern, daß wir aber nicht denjenigen fördern, der ohnehin eine Monopolstellung am Markt hat. Die Auflagenziffer spielt dabei eine geringe Rolle. Das haben wir kürzlich in Düsseldorf — anscheinend oder scheinbar; ich weiß nicht, was hier das richtige Wort ist — bei der Einstellung eines Blattes gesehen.
Ein Weiteres — das ist hier vorhin nur angeklungen —: Wir haben ernsthaft die Frage zu stellen, ob wir denn überall genug Zeitungen haben. Wir haben gehört, daß wir mehrere hundert Blätter haben. Aber wir haben in vielen Gegenden zweifellos immer eine zu wenig, nämlich überall dort, wo nur eine einzige existiert.
Das heißt, wir müssen auch diejenigen fördern können, die den Mut haben, in einem bestimmten Gebiet eine Tageszeitung zu gründen. Dazu gehören in der Tat Mut und Geld, aber es gehört dazu auch das Gefühl, daß man nicht im Wettbewerb gegenüber dem, der bereits da ist, von vornherein hoffnungslos benachteiligt ist. Man muß auch eine Chance bekommen, wenn schon Mittel oder Kredite von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden.Um es noch einmal zu sagen und um nicht mißverstanden zu werden: die Kooperation in allen technischen Bereichen — und ich rechne den Vertrieb dazu — ist eine gute Sache. Die Kooperation in der redaktionellen Gestaltung muß nicht gut sein, ja sie kann außerordentlich nachteilig sein. Gerade die Vielfalt einzelner selbständiger Redaktionen ist
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Moerschnotwendig. Dabei gehe ich davon aus, daß die Redaktionen so besetzt sein müssen, daß sie wirklich selbständig arbeiten können und daß sie nicht unbesehen nur die Manuskripte fremder Agenturen und anderes in Satz geben müssen.
— Na ja, die Leistungsfähigkeit dort ist so begrenzt, daß davon oft wenig Gefahr ausgeht, abgedruckt zu werden.
Die technische Kooperation ist also wichtiger. Sie ist auch vorrangig, um den Sinn des Art. 5 zu erfüllen. Vor der redaktionellen Konzentration muß dagegen nachdrücklich gewarnt werden, nicht nur weil es auch die Berufsfreiheit der Journalisten berührt, sondern vor allem deswegen, weil der Leser einen Anspruch gerade auf die Vielfalt von Informationen und Meinungen hat. Das heißt, der Inhalt muß individuell sein. Über alle anderen Fragen muß man und kann man reden.Dann wird es notwendig sein, über die Frage zu diskutieren, wie sich gewisse Monopole auf unsere Zeitungslandschaft auswirken. Wenn ich die Frage der Neugründungen anschneide, denke ich gerade an das zweifellos bestehende Problem des Vertriebsmonopols eines einzelnen Verlagshauses. Wenn es wahr ist — und es ist wahr —, daß sehr viele deutsche Zeitungsgroßhändler und Zeitschriftengroßhändler ihren Umsatz zu 50 bis 60 % mit einem einzigen Verlagshaus tätigen, dann ist auch ganz klar, daß derjenige, der die Absicht hat, gegen dieses Haus in Wettbewerb zu treten — nämlich gegen das Haus Springer —, es ungleich schwerer hat, überhaupt gut sichtbar an die Verkaufsstände zu gelangen, als jemand, der bereits eine starke Marktposition besitzt. Das ist andeutungsweise in dem Bericht der Günther-Kommission mit gesagt worden. Aber das scheint mir ein Punkt zu sein, der im Grunde genommen wettbewerbsrechtliche Fragen berührt, die von der Regierung längst diesem Hause hätten vorgelegt und gelöst werden müssen. Denn hier handelt es sich eindeutig um eine Machtposition, die in unserer freien Wettbewerbsordnung eigentlich keinen Platz haben darf, eine Machtposition, die Neugründungen aufs schwerste behindert — Sie können es zum Teil an einigen Zahlen ablesen — und natürlicherweise behindern muß; da hilft auch gutes Zureden und da helfen gute Versicherungen nichts. Jeder einzelne, der sich in dieser Position befindet, wird versuchen, Wettbewerber, die Neugründungen vorhaben, von vornherein vom Markt abzuhalten oder ihnen Schwierigkeiten zu machen. Das gilt nicht nur dann, wenn diese Wettbewerber Attacken gegen den Großen reiten — wie es bei „Pardon" einmal im Kölner Raum geschehen ist —, sondern auch, wenn sie schlichtweg Wettbewerber auf dem Anzeigenmarkt zu werden drohen, wenn sie also den Kuchen anders verteilen möchten, der dadurch, daß ein Neuer auftritt, insgesamt nicht größer wird.In dem Zusammenhang sollten wir nicht übersehen, welch eminenter politischer Faktor die Deutsche Bundespost in der Frage der Presse- und Meinungsfreiheit ist. Die neue Gebührenordnung ist weder sinnvoll noch nützlich im einzelnen, denn sie begünstigt zum Teil die weniger oft erscheinenden Blätter und benachteiligt diejenigen, die täglich erscheinen. Das hat auch die Kommission festgestellt. Es ist nahezu unfaßlich, daß es bisher nicht gelungen sein sollte, im Bundeskabinett mit der Post abzustimmen, was eigentlich durch eine Änderung der Postgebühren für eine wirkliche Vielfalt der Informationen und der Meinungen getan werden kann. Die Situation ist durch die Änderung der Postgebühren für viele kleine und mittlere Verlage erheblich verschlechtert worden, vor allem auch für die meinungsbildenden Wochenblätter und die überregionalen Tageszeitungen. Es wird notwendig sein, einmal von unabhängiger Seite klären zu lassen, ob die Kosten für den Postzeitungsdienst, die uns hier vorgerechnet werden, wirklich so sind oder so sein müssen. Es wird auch notwendig sein, zu fragen, ob die betroffenen Verleger eigentlich bisher ganz sinnvolle Vorschläge gemacht haben, um die Kosten zu senken; das muß man bei dieser Sache mit berücksichtigen. Aber die Initiative und das Interesse an einem funktionierenden Vertrieb über die Post müssen schließlich auch bei .der verantwortlichen Regierung sein und können nicht dem Fachressort und einigen wenigen Leuten darin überlassen bleiben. Das ist bisher viel zu wenig berücksichtigt worden.Die Antworten, .die wir früher im Bundestag vom Ressortminister auf entsprechende Fragen bekommen haben, waren alles andere als befriedigend, ja, zum Teil konnte man sich darüber ärgern, weil das politische Problem hier überhaupt beiseite geschoben wurde. Wer aber den Anspruch erhebt, als Ressortminister in einem Bundeskabinett politisch mitzureden, muß auch politisch mitdenken, wenn es um solche Fragen geht, und kann sich nicht auf den Fachstandpunkt zurückziehen.
Was wir heute mit unserem Antrag vorhaben, ist lediglich ein erster Schritt zur Verbesserung der Chancengleichheit auf einem außerordentlich wichtigen Gebiet. Mehr kann es nicht sein. Aber es ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt. Ich möchte Sie deshalb gleich bitten, diesen Antrag nicht erst an die Ausschüsse zu überweisen, sondern ihm sofort zuzustimmen. Er ist nach Meinung des Ressortministers, des Bundesschatzministers, durchaus so zu akzeptieren, weil die Ausführungsbestimmungen im Schatzministerium doch noch im einzelnen erarbeitet werden müssen. Wir haben den Antrag so gehalten, daß Sie sich nicht zu genieren brauchen, ihn sofort — ohne Überweisung — anzunehmen.Bitte bedenken Sie dabei — das muß man an die Adresse der Verleger und Journalisten sagen —, daß diese Gruppen hier nicht allein für ihre eigene Interessenlage sprechen und zu sprechen haben, sondern auch als Anwälte des Bürgers für dessen Recht auf freie Information.Es hat sich für den Bundestag gewiß etwas schrill und schlecht angehört, als in jüngster Zeit einmal
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6206 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
MoerschRundschreiben aus der Verbandsperspektive verschickt wurden, in denen so getan wurde, als ob die Journalisten in der Frage der Meinungs- und Pressefreiheit eine völlig sekundäre Rolle spielten. Kollege Sänger hat darauf ebenfalls öffentlich hingewiesen. Ich glaube, es wäre schlecht, wenn es nicht gelingen sollte — ich meine, es muß gelingen —, daß Verleger und Journalisten zusammenarbeiten; denn ihre wirklichen Interessen und das Interesse der Öffentlichkeit decken sich vollständig.Was der Sache besonders nützlich ist — das muß man einmal gegenüber manchen ärgerlichen Einwänden auch von Ihrer Seite, aus der Mitte des Hauses, hervorheben —, ist nun einmal die offene Kritik der Presse an der Presse selbst. Daß durch eine Diskussion in den letzten Monaten die gegenseitige Kritik überhaupt ermöglicht wurde, halte ich für außerordentlich verdienstvoll. Es ist z. B. auch für die Öffentlichkeit außerordentlich wichtig und nützlich gewesen, daß einige Verleger selber zur Feder gegriffen haben. Auf diese Weise kann sich die Öffentlichkeit nun wirklich ein eigenes Urteil über das Gedankengebäude von Verlegern bilden, die selber zur Feder greifen, um sich in eigener Sache zu verteidigen. Das ist sicherlich ein wichtiger Faktor der Meinungsbildung und auch ein wichtiger Faktor zur Information der Bürger, die sonst nicht so genau wissen, aus welchen Gründen man eine Zeitung herausgibt. Auch das sollte man nicht übersehen und nicht gering achten.Es wäre zu hoffen, daß die öffentliche Erörterung dieser Fragen dazu beiträgt, daß sich künftig die Leser und auch die Inserenten mehr als bisher vom Qualitätsgesichtspunkt bei Presseerzeugnissen beeindrucken lassen. Derjenige, der sich bemüht, eine qualitativ gute Information zu liefern, sollte nicht bestraft, sondern durch entsprechenden geschäftlichen Erfolg belohnt werden.Wir haben der Kommission, der Präsident Günther vorgesessen hat, vor allem dafür zu danken, daß sie eine rasche Arbeit geleistet hat. Ich bedauere ebenso wie Herr Dr. Schulze-Vorberg, daß zwei Verleger vorzeitig aus der Kommission ausgeschieden sind. Dabei muß man die Frage stellen, was sich diese beiden Mitglieder, als sie in die Kommission gingen, über das, was dort verhandelt würde, wohl gedacht haben, wenn sie nachher wütend ausgezogen sind. Offensichtlich ist eine erhebliche Fehlinformation über die Lage vorhanden gewesen. Das läßt nicht darauf schließen, daß bei ihren eigenen Blättern eine besonders gute Information vorhanden ist. Denn die beiden Mitglieder wußten wohl zuwenig über die Gesichtspunkte, die die Mehrheit dieses Hauses und die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit zur Frage der Pressekonzentration vortragen wird.Ich bedaure ein wenig — das muß ich sagen, wenn ich den Kommissionsbericht lese —, daß unser früherer Kollege Dr. Bucerius diesem Hause nicht mehr angehört; denn man glaubt in diesem Bericht sehr stark den Einfluß von Dr. Bucerius zu spüren. Er hätte bei all diesen Debatten zweifellos zu einer großen Belebung beigetragen. Er ist leider, wie Sie wissen — das muß man wiederholen —, das Opfereiner Überschrift geworden, die einer seiner Redakteure gemacht hat und die seinen Kollegen von der Union sehr mißfallen hat, nämlich ob in der Hölle wirklich ein Feuer brennt. Ich hätte sehr gern, daß das Feuer von Dr. Bucerius hier in diesem Hause wieder einmal brennen könnte; denn er hätte uns sicher manches fachlich sehr Nützliche dazu zu sagen gehabt.
— Herr Dr. Zimmermann, das ist eine ausgezeichnete Anregung. Aber ich hätte Ihnen gewünscht, daß Sie einen so sachkundigen Mann weiter in. Ihren Reihen behalten hätten und ihn nicht damals hinausgegrault hätten, weil Sie in Ihrer Fraktion etwas merkwürdige Vorstellungen von Informations- und Pressefreiheit hatten. Die Pressefreiheit besteht auch darin, daß einer eine törichte Überschrift machen kann. Das gehört selbstverständlich dazu, und das müssen wir ihm auch lassen. Wir halten ,den Leser für so mündig, daß er es durch Kauf oder Nichtkauf beurteilt.
— Ob sie richtig ist, ist eine ganz andere Frage, Herr Dr. Zimmermann.
Daß Sie sich so munter hier beteiligen, scheint mir der Beweis dafür zu sein, daß Sie Ihre Stellung in der Fraktion wieder gefestigt haben. Das ist auch erfreulich.
— Entschuldigen Sie, Idas ist hier von meinem Vorredner angef "ehrt worden, Herr Dr. Kliesing. Sie können nicht so tun, ,als ob das nicht in der Welt wäre. Auch Sie werden Ihre Kenntnisse daraus beziehen.
Man muß die Frage stellen, ob eigentlich in der Vergangenheit von der Mehrheit in diesem Hause— und die CDU/CSU hatte lange Zeit allein die Mehrheit — wirklich der rechte Gebrauch gemacht worden ist, zu einer Zeit nämlich, als sich Entwicklungen abzeichneten, die wir heute zum Teil be-
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Moerschklagen und jetzt korrigieren wollen, etwa das Aufkommen des Fernsehens als Massenmedium, nicht zuletzt das Aufkommen des Werbefernsehens und die Frage von Vertriebsmonopolen. Auch das war vor zehn Jahren schon ziemlich deutlich sichtbar.
— Das konnte ich leider nicht.
— Nach meiner Kenntnis der Sache — —
— Ich wäre an Ihrer Stelle etwas vorsichtig. Was nämlich die fachliche Verantwortung betrifft — ich werde gleich auf den Punkt kommen, auf den es hier ankommt, das Kartellrecht, Herr Dr. Schulze-Vorberg —, hat das wenig Sinn, was Sie hier sagen. Wenn große Ministerien Hunderte von Beamten haben, die dafür bezahlt werden, daß sie diese Dinge beobachten und den Bundestag informieren, dann können Sie nicht einzelnen Bundestagsabgeordneten vorhalten, sie selbst hätten da nichts getan. Das ist doch zunächst einmal Sache der Exekutive, solche Dinge zu beobachten. Es ist ja so gewesen, Herr Dr. Schulze-Vorberg, daß über diese Fragen gesprochen wurde.
— Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie sind auf der völlig falschen Hochzeit, wenn Sie jetzt einen Zwischenruf machen. Das ist nämlich ein ganz anderer Punkt, von dem ich spreche.
— Ich weiß gar nicht, warum Sie so nervös sind. Warten Sie doch einmal ab, auf was es hier ankommt. Dann werden Sie Ihren Zeitplan herausziehen.
— Herr Schmitt-Vockenhausen, daß Sie unschuldig gesprochen werden in dieser Frage, ist doch vollkommen klar. Das ist der Unterschied zu Ihren Kollegen aus der Koalitionsfraktion.Hier geht es darum, daß damals bei der Beratung des Kartellrechts und der Wettbewerbsordnung — aus naheliegenden Gründen, wie man wohl annehmen muß — die Frage der Presse ausgeklammert worden ist. Der damalige Wirtschaftsminister,- der der CDU angehört, hat diese Frage nicht behandelt. Es ist ganz offensichtlich so gewesen, daß die gesamte CDU/CSU damals auch gar kein sehr großes Interesse daran hatte, das zu berücksichtigen.
— Wir waren zu der Zeit nicht in der Regierung.
— Sie hatten die alleinige Mehrheit. Das können Sie doch nicht bestreiten. Tun Sie doch nicht so verschämt! Die Frage ist doch die — —
— Natürlich, ich war damals nicht da, Herr Dr. Schulze-Vorberg, so wenig wie Sie. Sonst wäre das ganz anders geworden, wenn wir zwei hier gewesen wären. — Wenn Sie damals verschämt diese ganze Frage der Presse ausgeklammert haben, dann doch deswegen, weil Sie der Meinung waren — Sie haben sich hoffentlich inzwischen etwas korrigiert —, daß das, was sich so in der Presse tut, für Sie von außerordentlichem Nutzen gewesen ist. Nachdem Sie die Wahl 1953 überzeugend gewonnen hatten, war Ihr Bedürfnis, in diese Fragen einzugreifen, außerordentlich gering. Deswegen sind wir jetzt so spät dran. Das war nämlich genau die Zeit, in der das Fernsehen und diese Dinge aufkamen und zu einer gründlichen Veränderung der Situation beigetragen haben.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Wrangel?
Herr Kollege Moersch, nachdem Sie meinen Freund Schulze-Vorberg eine „journalistische Beamtenmentalität" zugestanden haben, wollte ich Sie fragen, ob es nicht zum Handwerk eines Journalisten gehört, sich bei der Begründung eines Antrages kurz zu fassen.
Herr von Wrangel, ich habe Sie in diesem Hause bisher nicht für einen Zensor gehalten; aber ich werde mich gern an Ihre guten Ratschläge halten. Das wäre eine Aufgabe für Sie. Sie müßten sich da einleben.Die Frage, um die es hier geht, ist doch, daß wir jetzt vor Schwierigkeiten stehen, die Sie nicht rechtzeitig gesehen hatten, weil eben offensichtlich damals die große Zahl 'im umgekehrten Verhältnis zur Möglichkeit der Weitsicht gestanden hat. Das müssen Sie dabei berücksichtigen.
— Na gut. Wenn Sie also für ein Kollektiv sind,
dann trifft es insofern zu, als die Kontrollfunktion von der Opposition vielleicht nicht genügend wahrgenommen wurde. Aber daß wir bei unserem parlamentarischen System ein außerordentliches Übergewicht der Exekutive in diesen Fragen haben und daß die Exekutive die Pflicht hat, solche Dinge zu beobachten und Vorlagen zu machen, ist doch klar.
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MoerschEs ist ein merkwürdiger Zustand, daß hier ständig Initiativen vom Parlament aus kommen müssen, weil die Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist, das Wesentliche zu tun. Das müssen wir doch beklagen.
Aber lassen Sie mich dieses Kapitel abschließen. Wir hoffen, daß wir einmal konkret auf diese Fälle zurückkommen, und Sie sollten sich durch Nachlesen früherer Debatten vielleicht ein wenig über die Versäumnisse informieren, die hier aus naheliegenden taktischen Gründen begangen wurden; nicht aus mangelnder Einsicht, das möchte ich zugunsten Ihrer früheren Kollegen jedenfalls behaupten. Diese taktische Verhaltensweise in früherer Zeit macht es jetzt so schwer, wirkliche Korrekturen anzubringen, ohne — und das ist das Entscheidende — Grundrechte zu verletzen. Wenn wir den Empfehlungen der Günther-Kommission folgen, müssen wir künftig sehr sorgfältig abwägen, wie man Auflagebeschränkungen vornehmen kann, ob man sie vornehmen kann, ob man eine Lizenzierung von Zukäufen machen kann, ob man Neugründungen lizenzpflichtig oder wenigstens genehmigungspflichtig machen muß und ähnliches mehr. Das alles steht mit der Günther-Kommission zur Debatte, und wir können nicht so tun, als ob das gar nicht geschrieben worden wäre und als ob das nicht einstimmig — unter Abwesenheit, wie gesagt, der zwei genannten Herren — verabschiedet worden wäre. Das heißt, daß wir heute vor der gerade für uns Liberale so sehr schweren Frage stehen, wie man das Grundrecht auf Meinungsfreiheit erhalten kann, ohne entscheidend in andere Grundrechte, nämlich in die Unternehmerfreiheit, in das Eigentum und anderes einzugreifen. Das ist es doch, was wir heute als Erbe dieser Versäumnisse vor uns liegen haben. Ich meine, wir haben deswegen eine große Verantwortung — Regierung und Parlament insgesamt und auch die gesamte Öffentlichkeit. Wir brauchen hier Sorgfalt; wir müssen aber mit Entschiedenheit vorgehen. Wir dürfen nicht überstürzen; noch weniger dürfen wir, glaube ich, die Dinge verzögern.Aber eines können Sie heute tun, und darum bitte ich Sie, unserem Antrag jetzt zuzustimmen, damit wenigstens auf einem Teilgebiet nun endlich etwas geschieht.
Meine Damen und Herren, die beiden Anträge sind begründet. Die Aussprache wird verbunden. Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dient der Debatte, wenn ich zu dem Antrag Drucksache V/1722 einige Anmerkungen mache, wohlgemerkt, nur zu dem Antrag. Es würde mich natürlich reizen, Herr Kollege Moersch, mich zu dem einen oder anderen Punkt Ihrer Rede zu äußern. Ich möchtemich besonders bei Ihnen dafür bedanken, daß Sie meine eigene Haltung dem Hause mitgeteilt haben. Ich kann das allerdings auch selber und werde das gleich tun. Aber ich bin Ihnen dankbar, daß Sie es schon getan haben.Ich kann es mir jedoch nicht versagen, noch eine andere Bemerkung zu machen. Ich habe den Eindruck, daß hier so etwas wie ein Wettrennen um die Gunst veranstaltet werden soll.
Ich empfehle, dieses Rennen wenigstens für heute abzustoppen; denn die Bedingungen sind ja noch nicht allenthalben bekannt. Bei diesem Wettrennen ging es auch durch die feurige Hölle zu Herrn Dr. Bucerius. Herr Dr. Zimmermann, lieber CDU-Freund, ich freue mich, wenn Herr Dr. Bucerius auch das nächste Mal die Wähler aufrufen sollte, wenn auch zähneknirschend, so doch CDU zu wählen. Die Empfehlung, Herrn Bucerius für die FDP zu gewinnen, möchte ich nicht unterstützen.Der Antrag Drucksache V/1722, zu dem ich nun Stellung nehmen möchte, kommt meinen Bemühungen sehr entgegen. Ich empfehle grundsätzlich seine Annahme, wobei ich natürlich voraussetzen muß, daß die Gesamtbetrachtung den Einsatz von ERP-Mitteln zweckmäßig erscheinen läßt. Aber wir sollten nicht nur bei der Gesamtbetrachtung, Herr Kollege Moersch, sondern auch im Einzelfall von den bewährten Grundsätzen nicht abgehen. Was Sie meinen Beamten oder mir an Beurteilung aufladen wollen bei der Durchführung von bestimmten Wettbewerbsregeln usw., ist eine Überforderung. Ich kann auf jeden Fall nur warnen. Ich hätte es lieber, wenn nach altbewährten Grundsätzen hier mehr kaufmännisch und unternehmerisch vorgegangen würde und nicht nach Prinzipien, die letzten Endes auf einen dirigistischen Eingriff in die Entwicklung hinauslaufen.Gestatten Sie mir aber noch einige Bemerkungen zu der Bereitstellung von Mitteln aus dem ERP-Vermögen. Der ERP-Wirtschaftsplan 1968 wird zur Zeit beraten. Darum hat dieser Antrag eine gewisse Eilbedürftigkeit. Wenn aus dem ERP-Programm Mittel für die Presse abgezweigt werden sollen, was ich für richtig halte, müssen die anderen Titel um diese Beträge gekürzt werden. Auch der ERP-Fonds ist nicht beliebig vermehrbar, sondern begrenzt. Bereits im Haushalt 1967 haben wir etliche Kürzungen vornehmen müssen, die für die Betroffenen sehr unangenehm sind. Ich sage das in diesem Augenblick, weil es keinen Sinn hat, jemandem Aussichten zu machen, wenn man nicht gleichzeitig bereit ist, darauf hinzuweisen, daß andere dann werden verzichten müssen.
— Herr Kollege Schmidt, ich weiß, daß Sie mit Recht einen Einwurf machen und an ein Gebiet erinnern, das bisher schon einiges hat nachlassen müssen für Wünsche, die von dem Haushalt an uns herangetragen worden sind. Herr Kollege Schmidt, ich würde Wert darauf legen, aus dem Hause zu erfahren, ob Sie das Bemühen, für die
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Bundesminister SchmückerPresse Mittel zur Verfügung zu stellen, unterstüzen. Dann muß ich der Regierung einen Vorschlag machen, an welcher Stelle gekürzt werden soll. Aber das Haus selbst hat die endgültige Beschlußfassung. Darauf möchte ich hinweisen. Insofern kann der Antrag nur eine Anregung für meinen Vorschlag sein. Die endgültige Beschlußfassung über den ERP-Plan obliegt diesem Hause.Ich kann mich auf diese Ausführungen beschränken und erkläre noch einmal, daß es meinen Bemühungen entspricht, wenn wir aus dem ERP-Fonds der Presse Mittel zur Verfügung stellen. Aber ich bitte Sie, sich darüber im klaren zu sein, daß dies nur durch Kürzung anderer Programme möglich gemacht werden kann. Ich werde zur gegebenen Zeit dazu Vorschläge machen und hoffe, daß das Hohe Haus dann, wenn es darauf ankommt, zu geben und zu nehmen, mich unterstützen wird.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag der Kollegen Dr. Schulze-Vorberg, Sänger und Genossen kurz Stellung nehmen. Der Antrag beinhaltet eine Befreiung der Lieferung von Zeitungen für die Zeit vom 1. Juli 1967 bis zum Jahresende von der Umsatzsteuer. Der Antrag müßte, sollte ihm stattgegeben werden — das erlauben Sie mir den Kollegen zu sagen, Sie wissen es sicherlich auch —, auf die Lieferung von Zeitschriften ausgedehnt werden. Dies wäre notwendig, weil eine Abgrenzung zwischen Zeitungen und Zeitschriften in der Praxis außerordentlich schwierig ist. Deshalb sind auch bei der Mehrwertsteuer Zeitungen und Zeitschriften bewußt einheitlich dem ermäßigten Steuersatz von 5 v. H. unterworfen worden.
Natürlich sprechen gegen diesen Antrag — auch das muß ich den Kollegen ganz offen sagen — eine ganze Reihe von Gründen. Ich möchte mich jetzt nicht im einzelnen mit ihnen befassen. Bei den Beratungen im Ausschuß ist es möglich, auf die einzelnen Punkte einzugehen. Aber einen Gesichtspunkt muß ich hier vortragen, damit Sie das, was der Bundesfinanzminister von sich aus tun kann oder tun konnte, besser verstehen können.
Eine globale Steuerbefreiung, wie sie zunächst durch diesen Antrag angestrebt ist, müßte allen Zeitungsverlegern gleichermaßen zugute kommen. Dies würde sicherlich nicht dem eigentlichen Wunsch der Antragsteller entsprechen. In der wirtschaftlichen Situation der einzelnen Zeitungsverlage bestehen, wie wir ja wissen, sehr große Unterschiede. Neben solchen Verlagen, die in zunehmendem Maße um ihre Existenz zu kämpfen haben, gibt es eine ganze Reihe anderer, die trotz aller strukturellen Veränderungen im Bereich der Massenmedien ihren Platz bisher behaupten konnten. Gezielte Maßnahmen im Einzelfall dürften daher nach der Meinung des Bundesfinanzministers — im Augenblick zumindest — ein geeigneteres Mittel sein, um den dringendsten Notfällen abzuhelfen.
Aus diesem Grunde hat der Bundesminister der Finanzen, der Herr Kollege Strauß, bereits Ende Juli, Anfang August dieses Jahres die Finanzämter angewiesen, in einschlägigen Einzelfällen auf Antrag durch einen Billigkeitserlaß gemäß § 131 der Reichsabgabenordnung zu helfen. Er hat diese Weisung an die Finanzämter auch dem Verband der Zeitungsverleger mitgeteilt. Sie, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, haben dieses Schreiben vorhin zitiert. Ich meine, daß im Augenblick eigentlich nur das möglich gewesen ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Soll das damit zum Ausdruck kommende Prinzip nun auf alle Wirtschaftszweige des Bundesgebiets ausgedehnt werden? Denn strukturelle Vorteile auf der einen Seite und strukturell existenzgefährdende Notstände auf der anderen Seite gibt es ja in allen Wirtschaftszweigen. Soll dieses Prinzip also in Zukunft auf alle Wirtschaftszweige ausgedehnt werden, oder welche Vorstellungen haben den Herrn Bundesfinanzminister geleitet?
Herr Kollege Dr. Schmidt, ich habe gesagt, daß die Finanzämter im Einzelfall gemäß § 131 der Reichsabgabenordnung auf Antrag nach entsprechender Prüfung entscheiden können, ob in diesen ebenso wie in anderen Fällen — so ist bisher ja auch schon verfahren worden — geholfen werden kann. Es kam ja darauf Ian, daß gemäß dem Antrag der Kollegen nun ein Weg aufgezeigt wird, der ,an sich nichts Außergewöhnliches bedeutet, der aber auch nicht beinhaltet, daß unter Umständen durch eine Gesetzesänderung, die in diesem Zeitraum übrigens gar nicht möglich gewesen wäre, alle Zeitungsverleger erfaßt werden. Das wäre sicherlich nicht das, was mit diesem Antrag erstrebt wird.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Schulze-Vorberg?
Bitte!
Herr Staatssekretär, der Herr Bundesfinanzminister hat durch diese Maßnahme zu erkennen gegeben, daß er die Anträge aus dem Hause unterstützen will, die grundsätzlich darauf hinauslaufen, die Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt zu sichern, und die
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Dr. Schulze-Vorbergdavon ausgehen, daß die Zeitung eben etwas anderes ist als mancher andere Wirtschaftszweig. Wir erkennen das mit Dank an. Darf ich Sie fragen, ob Ihr Haus bereit ist, darauf hinzuwirken, daß bei künftigen Auftragen der Bundesregierung, vor allen Dingen bei Anzeigenaufträgen, ,die kleinen und mittleren Zeitungen besser als bisher berücksichtigt werden, um eben die Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt zu garantieren.
Sie wissen, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, ,daß es an sich Sache des Presseamts ist, in diesen Fragen zu entscheiden. Aber ich darf sicher für die Bundesregierung insgesamt und damit auch für das Presseamt sagen, daß das Petitum, das Sie vorgetragen haben, in Zukunft sicherlich unterstützt wird, wenn es überhaupt gegenüber der Vergangenheit notwendig ist.
Herr Kollege Moersch, Sie haben den Bundespostminister angesprochen und haben — wenn ich mich recht erinnere — ungefähr gesagt, daß man politische Entscheidungen treffen müsse. Sicherlich muß man politische Entscheidungen treffen. Aber eine politische Entscheidung kann man nicht nur so treffen, daß man sich über alle anderen Dinge hinwegsetzt. Ich meine, daß ¡der Bundespostminister — ich spreche nur deshalb dazu, weil ich dem Postverwaltungsrat angehöre — natürlich auch andere Überlegungen inseine politischen Entscheidungen einbeziehen muß, u. a. die Überlegung, ,aus welchen Bereichen die hohen Defizite bei der Deutschen Bundespost herkommen. Von daher muß er gewisse Rücksichten nehmen und Entscheidungen in einer bestimmten Hinsicht fällen. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich .das in Abwesenheit des Herrn Postministers sage.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entschuldigen Sie, wenn ich mit einer kleinen persönlichen Bemerkung beginne. Die Rede des Kollegen Moersch, die immerhin sehr temperamentvoll war, wenn sie auch keine neuen Gedanken zum Thema beisteuerte, erinnerte mich lebhaft an meine frühere berufliche Tätigkeit. Wenn ich diese Rede in schriftlicher Form mit einer Überschrift, wie sie durch den Antrag der FDP formuliert ist, vor mir liegen hätte, dann hätte ich darunterschreiben müssen: Thema verfehlt.
Ich habe zwar sehr viel Verständnis dafür, daß die Opposition jede sich ihr bietende Gelegenheit benutzt, hier gewissermaßen mit der Wurst nach ,der Speckseite zu werfen. Aber ich möchte dem Hohen Hause doch anraten, jedenfalls heute von diesem Verfahren Abstand zu nehmen, und zwar aus zwei Gründen.Erstens, Herr Kollege Moersch, könnte ich mir vorstellen, daß ein leidgeprüfter Verleger angesichts seiner roten Zahlen und beim Anhören Ihrer Rede an das Goethe-Wort gedacht hätte: „Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehn". Auch meine ich, daß wir der Presse mit solchen demonstrativen Reden nicht helfen und die Presse allmählich solcher Reden überdrüssig ist.Der zweite Grund, weshalb ich diese Debatte in dem von Ihnen begonnenen Stil nicht fortsetzen möchte, ist folgender: Der heutige Tag scheint mir nicht sehr günstig als Zeitpunkt für eine derartige Debatte zu sein. Sie haben selber die Gutachten der Michel-Kommission und der Günther-Kommission angesprochen.Was die Günther-Kommission angeht, so hatten wir zwar laut Beschluß des Bundestages ihren Bericht zum 1. Oktober erwartet, aber aus Gründen, die anerkannt werden müssen und die sich aus ,den Ausführungen der Günther-Kommission selbst ergeben, langte es eben nur zu einem Vorbericht. Dieser Vorbericht mag zwar interessant sein, aber ich möchte doch lieber erst ein endgültiges Untersuchungsergebnis haben, um mich bei der Diskussion der von Ihnen angeschnittenen Probleme tatsächlich auf solidem und sicherem Boden zu befinden.
Selbstverständlich sind wir zunächst daran interessiert, was die Bundesregierung mit diesen Empfehlungen aus dem vorläufigen Bericht der GüntherKommission machen wird. Dazu darf ich mir vielleicht nachher noch ein paar Bemerkungen erlauben.Das Gutachten der Michel-Kommission haben wir vor drei Tagen erhalten. Ich glaube, niemand von uns war in der Lage, über ein einfaches Lesen dieser 400 Druckseiten hinauszukommen. Das mag zwar sehr interessante Eindrücke vermittelt haben, aber die Diskussion über die hier angeschnittenen Probleme können wir doch erst dann beginnen, wenn wir selber einmal eine gründliche Analyse des Berichts vorgenommen haben, vor allen Dingen aber, wenn die Bundesregierung ihre in der Drucksache angekündigte Stellungnahme dem Hohen Hause vorgelegt hat. Hier im Deutschen Bundestag, wo Rede gegen Rede steht und wo ein Argument gegen das andere ficht, können wir es uns leider nicht so einfach machen wie beispielsweise das Deutsche Fernsehen. Das Deutsche Fernsehen war in der Lage, schon anderthalb Tage nach Vorlage dieser Drucksache abends in der Tagesschau einen Kommentator vorzuschicken, der nun urbi et orbi erklärte: Seht mal, was wir für feine Leute sind! Hier ist ein Bericht, erstellt von ehrenwerten Männern, objektiven Sachverständigen. Die haben geprüft; wir sind aus dem Schneider heraus, wir haben eine weiße Weste. Die bösen Leute, die uns immer verdächtigt haben! — Der betreffende Herr konnte frei und frank reden in dem beruhigenden Bewußtsein, daß auf die Tagesschau die Wetterkarte folgt und daß ihm nicht irgendwie ein böser Mensch, der anders denkt, mit anderen Auffassungen dort widerspricht. Ich möchte also meinen, wir selbst sollten heute sehr zurückhaltend sein, was Folge-
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Dr. Kliesing
rungen und Meinungsbildungen angeht, die wir ausden beiden erwähnten Gutachten zu ziehen haben.Nun möchte ich mich kurz zu den beiden vorliegenden Anträgen äußern. Im dem Vorbericht der Günther-Kommission heißt es an einer Stelle:Von einer generellen Notlage der deutschen Presseunternehmen kann nicht gesprochen werden, auch nicht im Hinblick auf kleinere oder mittlere Verlage.Das bedeutet doch, daß wir hier mit globalen Lösungen sehr vorsichtig sein sollten. Das gilt, glaube ich, auch für die beiden Anträge, die hier vorliegen.Wir sind dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar dafür, daß er praktisch schon etwas unternommen hat. Zwar muß man sagen, daß das nur eine kurzfristige Wirkung haben kann, daß es nicht an den Kern des Problems geht, daß es ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Immerhin ist jede konkrete Maßnahme, mag sie noch so klein sein, wenn sie vernünftig und gezielt angelegt ist, besser als die schönsten unverbindlichen Sympathieerklärungen für die deutsche Presse.
Zu dem FDP-Antrag kurz folgendes. Ich bin dem Herrn Bundesschatzminister sehr dankbar, daß er hier eine positive Einstellung gefunden hat. Wir teilen diese positive Einstellung. Wir sind uns allerdings auch hier darüber im klaren, daß es sich nur um eine Maßnahme mit einer verhältnismäßig eingeschränkten Wirkung handeln kann; denn auch darin kann keine globale Hilfsmaßnahme erblickt werden. Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß es ja selber in den jährlichen ERP-Wirtschaftsgesetzen immer wieder den Grundsatz verankert hat, daß diese Mittel in erster Linie für bestimmte Maßnahmen zur Verfügung zu stellen sind. Hier könnte man vor allen Dingen an Maßnahmen für mittelständische Unternehmen sowie an Maßnahmen für bestimmte geographische Räume, nämlich für die Zonenrandgebiete und die Bundesausbauorte, denken.
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— also lassen wir es bei der „Lücke-Günther-Kommission" — ein ausführlicher Katalog von Vorschlägen gemacht worden, mit denen wir uns in den Ausschüssen zu beschäftigen haben werden und zu denen wir dann Stellung nehmen sollten.Aber, meine Damen und Herren, das eilt. Die Ausführungen, die Herr Staatssekretär Leicht hier vorhin gemacht hat, sein Hinweis darauf, daß nur notleidenden Verlagen geholfen werden kann
— zunächst —, zeigt ja, daß die Verlage ihre Notlage nachweisen müssen. Sie weisen, wie ich gehörtzu haben glaube, in sehr großer Zahl diese Not-
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Sängerlage schon nach, und zwar in einem Zustand, bei dem sie eigentlich schon die Hand auf der Türklinke haben, die geeignet wäre, den Weg zum Konkurs zu öffnen.
So weit sollte es nicht kommen! Wir müssen frühzeitig Maßnahmen treffen. Über die Frage, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, ist im Ausschuß zu sprechen.Es ist gut, daß beide uns vorliegenden Berichte von der Notwendigkeit staatlicher Förderung sprechen. Es ist gut und es ist zu beachten, daß beide von der Notwendigkeit einer, wie es in dem einen Fall ausgedrückt wird, „selbstdisziplinären" Haltung der Presse sprechen. Dazu wäre einiges zu sagen.Wir können uns also, so meine ich, in dem Ja zu der Auffassung finden, daß hier nicht lediglich aus wirtschaftlichen Gründen etwas zu tun ist, sondern daß wir uns als Parlament, als Vertreter des Volkes, von der Pflicht zur Wahrung der Freiheit und der Rechte des Grundgesetzes, insbesondere von den Bestimmungen und dem Sinn des Art. 5 des Grundgesetzes leiten lassen sollten. Versuchen wir, das in sorgfältiger Prüfung zu verwirklichen!Zum Schluß möchte ich nur sagen: das, was wir für die deutsche Presse zu tun haben, kann nicht nur zwischen Konzentration und Subvention entschieden werden, sondern in der Konstruktion einer stabilen Wirtschaftlichkeit der Zeitungsverlage muß etwas erdacht und organisiert werden, was wir heute in allen Einzelheiten noch nicht aussprechen können, weil wir die verschiedenen Möglichkeiten zu prüfen haben.Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, eine in der Öffentlichkeit leider ausgebrochene und nicht sehr fruchtbare Diskussion über Fragen, die sogar Grundsatzfragen des Grundrechtes, des Grundgesetzes berühren, nicht auch hier noch fortzusetzen. Wenn wir uns an den Willen des Grundgesetzes halten und jetzt schnell an die Arbeit gehen wollen, dann sollten wir dabei die Interessenten draußen lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Kollegen aus der Koalition, noch mehr aber die Ausführungen des Herrn Bundesschatzministers haben deutlich gemacht, wie dringlich diese Debatte, nicht über Grundsatzfragen der Presse, sondern über notwendige Sorfortmaßnahmen war.Daß es zu dieser Debatte gekommen ist, war für manche lin diesem Haus nicht selbstverständlich. Hätte sich das Management der Regierungsfraktionen durchgesetzt, so wäre auch heute diese Frage nicht diskutiert worden. Ich habe deshalb ein Wort des Dankes des Herrn Kollegen Schulze-Vorberg vermißt, der hier durch die Initiative der OppositionGelegenheit bekam, auch seinen Antrag vorzutragen und zu begründen, einen Antrag, den wir in der Sache sehr begrüßen, Herr Kollege.
— Bitte schön.
Die Besetzung der Regierungsbank — das wollen wir dankbar anerkennen — macht deutlich, welche Bedeutung die Regierung diesen Fragen beimißt. Bis vor kurzem hat ja die Besetzung der Regierungsbank auch die ganze Vielfalt der Persönlichkeiten und ihrer Standorte in der Regierung widergespiegelt. Wir hoffen, daß es gelingen wird, nunmehr bei den konkreten Entscheidungen diese Vielfalt durch klare politische Entscheidungen zu überwinden.Der Herr Bundesschatzminister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß er in diesen Tagen den ERP-Wirtschaftsplan aufstellen muß. Dafür hat er Anspruch auf ein klares Votum dieses Hohen Hauses. Sie sollten doch noch einmal überlegen, ob Sie nicht heute schon eine Sachentscheidung in dem Sinne fällen wollen, daß Sie mit uns dem Antrag, Mittel aus dem ERP-Fonds bevorzugt für die Presse zur Verfügung zu stellen, zustimmen. Das würde dann die Aufstellung dieses Planes erleichtern. Die Frage, wo Kürzungen in anderen Bereichen notwendig sind, muß natürlich im Ausschuß erörtert werden. Der Herr Bundesschatzminister hat hier eine Reaktion des Parlaments erbeten. Wir sind bereit, an einer solchen Umschichtung der Mittel mitzuwirken.Ich will nicht noch einmal in eine Analyse der Berichte und Kommissionsberichte eintreten, die hier vor uns liegen. Das kann man schon wegen der Kürze der Zeit nicht. Aber wenn Sie das Michel-Gutachten ansehen, dann wollen Sie bitte mit uns daraus entnehmen, daß der Bundestag in seiner Gesamtheit das ist eine Mahnung an uns alle — in Zukunft etwas konkreter werden sollte, wenn er Untersuchungsaufträge erteilt. Natürlich hat bei der Formulierung des Michel-Auftrages ein wenig die Devise gegolten: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" In Zukunft müssen wir härtere Fragen stellen, um sehr viel konkretere Antworten zu bekommen. Die Günther-Kommission hat ohne Rücksicht darauf, ob der Auftrag klar war oder nicht, schon in einem frühen Stadium eine Reihe erwägenswerter konkreter Vorschläge vorgelegt, über die wir sicher auch etwas hören werden, wenn die angekündigte Stellungnahme der Bundesregierung demnächst erscheint.Unser Antrag zielt darauf hin, der Presse bestimmte Investitionen zu ermöglichen, die vor allen Dingen durch den Beginn des Farbfernsehens — hier des Werbefernsehens — erforderlich geworden sind. Deshalb ist dieser Antrag so dringlich und durfte nicht mehr mit geschäftsordnungsmäßigen Tricks hinausgeschoben werden. Für die Investitionsentscheidungen im Bereich der Presse ist aber nicht nur wichtig, zu wissen, ob diese Kredite zur Verfügung gestellt werden, sondern für diese Entscheidungen kommt ein zusätzliches Moment hinzu.
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GenscherMein Kollege Moersch hat bereits darauf hingewiesen, daß Hauptprobleme heute auch im Vertrieb liegen, d. h. in dem möglichen Absatz der Tageszeitungen.Die Presse hört mit Sorge die Diskussion über eine Erhöhung der Fernsehgebühren, weil man befürchtet, daß eine Erhöhung der Fernsehgebühren, etwa durch einen Farbfernsehzuschlag, bei einer großen Anzahl von Zeitungslesern zu dem Entschluß führen könnte, die Tageszeitung abzubestellen. Mit ebensolcher Sorge hört man auch schon Forderungen nach einem regionalen Werbefernsehen anklingen. Wenn also zu der klaren Haltung des Bundesschatzministers, in der er sich für Investitionskredite aus dem ERP-Fonds ausspricht, jetzt noch eine klare Stellungnahme des Herrn Bundesinnenministers kommen könnte, in der er für die Bundesregierung sagt, daß sie klar gegen eine Erhöhung der Fernsehgebühren und klar gegen eine weitere Regionalisierung des Werbefernsehens sei, dann würden die Investitionsentscheidungen in der Presse erheblich erleichtert und auf lange Sicht klare Verhältnisse zwischen Presse und Fernsehen geschaffen werden.
Ich möchte deshalb den Herrn Bundesinnenminister dringend bitten, zu dieser Frage vor dem Hohen Hause etwas zu sagen. Denn das Problem der Fernsehgebühren und der Entscheidung über die dann zu zahlende höhere Gebühr oder über die Abbestellung einer Tageszeitung ist eine ganz wesentliche Wettbewerbsfrage. Um diese Frage zu klären, braucht man keine Analyse von Kommissionsberichten; hier kommt es auf eine klare politische Aussage der Bundesregierung an.Der Vertreter des Finanzministeriums, meine Damen und Herren, hat hier auf die Möglichkeit von Einzelmaßnahmen für — das muß ich schon sagen — vor dem Konkurs stehende Verlagsunternehmen hingewiesen. Herr Kollege Sänger hat die Problematik mit Recht angeschnitten. Die Bundesregierung sollte bei der Beurteilung des Antrags der Kollegen Schulze-Vorberg und Sänger noch einmal prüfen, ob sie nicht von der differenzierten Anwendung, wie sie z. B. in der Günther-Kommission vorgeschlagen worden ist, Gebrauch machen sollte. Darum geht es Ihnen ja, Herr Kollege; es genügt Ihnen, wenn bestimmte Bereiche in den Genuß dieser gesetzgeberischen Maßnahmen kommen.Ingesamt also sollten wir hier heute zu klaren Entscheidungen im ERP-Bereich kommen. Wir Freien Demokraten erklären unsere Bereitschaft, unter den von mir genannten Voraussetzungen den Antrag der Kollegen Schulze-Vorberg und Sänger zu unterstützen. Das sind Sofortmaßnahmen, mit denen wir in der jetzigen Lage schnell helfen können.Wir erwarten im übrigen mit großem Interesse die Vorschläge der Bundesregierung zum Michel-Bericht. Mit noch größerem Interesse erwarten wir allerdings die Antwort des Herrn Bundesinnenministers auf die hier gestellten Fragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute vormittag mit den beiden hier vorliegenden Anträgen befassen, so halte ich es für meine Pflicht, noch einmal mit Nachdruck darauf zu verweisen, daß wir zu leicht in die Gefahr kommen können, nur von den Tageszeitungen zu sprechen und, wie ich es früher schon einmal gesagt habe, den breiten Fächer der für unser Volk wichtigen Zeitschriften zu vergessen.
Ich habe in den letzten Wochen zum Teil eigentlich mit Bestürzung erleben müssen, daß unser nach außen erkennbarer Wille, etwas für die Meinungsfreiheit und für die Erhaltung von Tageszeitung und Zeitschrift zu tun, zu der sehr eigenartigen Entwicklung geführt hat, daß Leute an die Klagemauer geeilt sind, von denen nach allgemein fachlichem Ermessen nicht anzunehmen ist, daß bei ihnen eine ausgesprochene Notlage vorhanden ist.
Ich möchte hier mit aller Eindeutigkeit einmal sagen, daß es im Interesse der Demokratie darauf ankommt, daß der kleine und mittlere Verlag in der letzten Gemeinde erhalten wird, weil dieser Verlag als Grundlage des demokratischen Staates von unten her für den Staat wichtig ist.
Ich habe — und das hat mir auch einigen Arger eingebracht — bei den vorjährigen Maßnahmen, die der Verwaltungsrat der Bundespost getroffen hat, einige Kritik geübt. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß die Maßnahmen, die der Verwaltungsrat der Bundespost im vorigen Jahr getroffen hat, und einige Maßnahmen, die nach der neuen Postzeitungsordnung im nächsten Jahr wirksam werden sollen, gerade die kleineren und mittleren Verlage ganz erheblich treffen werden, weil sie einfach aus der Sache heraus nicht in der Lage sind, die nun wieder notwendigen neuen technischen Verbesserungen einzuführen.
Aus diesem Grunde begrüße ich es, daß der Antrag der Freien Demokraten vorsieht, daß aus ERP-Mitteln bestimmte Kredite bevorzugt an die Presse gegeben werden sollen. Aber eines habe ich bei den Ausführungen unseres Kollegen Moersch nicht ganz verstehen können, vor allen Dingen deshalb nicht, weil es eben aus den Reihen der FDP kam. Wenn ich ihn recht verstanden habe, empfahl er, zur Zeitungsherstellung und eventuell auch zu neuen Zeitungsgründungen die genossenschaftliche Basis zu wählen, sich zusammenzutun, also eine neue Konzentration zu schaffen.
Wenn wir in die Geschichte unseres deutschen Zeitungswesens zurückgehen, stellen wir fest, daß unsere Zeitungen zumeist aus dem Bestreben kleinerer Druckereien entstanden sind, der Stadt, einem größeren Bezirk oder einem Kreis ein Organ zu geben. Es wäre vielleicht ganz interessant, einmal diese Entwicklung von der Zeitung von einst bis zu der großen Zeitung von heute zu verfolgen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Moersch?
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6216 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Bitte.
Herr Kollege Rock, teilen Sie die Ansicht, daß Genossenschaften nichts Illiberales sind, sondern eine Erfindung der Liberalen? Haben Sie zweitens bemerkt, daß ich ausdrücklich gesagt hatte, daß man überlegen muß, ob nicht die Kooperation in der technischen Herstellung und im Vertrieb gerade erst die wirkliche Unabhängigkeit des Verlages und der Redaktion sichert? Ich habe also deutlich unterschieden zwischen diesen mehr technischen und den anderen Dingen und habe auch gesagt, daß sich die Geschichte inzwischen geändert hat.
Ja, Herr Kollege Moersch, was den ganzen Fächer dieser technischen Frage betrifft, wissen Sie, daß es an Anregungen nicht gefehlt hat, etwa die letzte DRUPA zu besichtigen, um einmal zu sehen, wie •alle fünf Jahre die technische Entwicklung fortschreitet. Da muß natürlich manches gemeinsam getan werden. Aber wenn wir zu einer solchen Konzentration in der technischen Herstellung kommen, kommen wir auch — das ist meine große Sorge — neben einer Organisation in diesem technischen Bereich auch bei der Redaktion dazu, und dann schaffen wir wieder eine neue Konzentration, mit der wir den Raum für die Einzelarbeit unserer deutschen Journalisten verringern.
Meine Kolleginnen und Kollegen, ich würde sehr darum bitten, daß wir bei den sicher notwendig werdenden gründlichen Ausschußberatungen alle — aber auch alle — Größenordnungen unserer Zeitungen und Zeitschriften in unsere Betrachtung einbeziehen. Wir sollten — da möchte ich an 'das Wort von Kollegen Kliesing anschließen — es nun der Worte genug sein lassen, wir sollten jetzt Taten sehen lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Raffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich das, was ich zu sagen habe, mit einem kleinen Dank an Sie, Herr Kollege Genscher, eröffnen. Sie haben freundlicherweise auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der Fragestellung für .die Michel-Kommission ergeben hat, aus der nicht so sehr genau konzentrierten Fragestellung, die ja sicherlich darauf zurückzuführen gewesen ist, daß die Fragesteller bestimmte Absichten und bestimmte Erwartungen in Richtung ,auf die Ergebnisse dieser Kommission gehabt haben. Das ist damals unter der Regierung geschehen, in der Sie noch waren. Um so fairer finde ich es, daß Sie auf die zügige und gute Arbeit der GüntherKommission hingewiesen haben, die unter dieser Regierung und mit dieser Regierung zusammen arbeitet. Ich kann mir nicht denken, daß ich Sie da mißverstanden habe, Herr Genscher. Sie haben es ja deutlich genug gemacht.
— Aber Sie wissen auch, wer die Antragsteller waren. Die Namen fallen Ihnen gleich ein. Heute sehe ich keinen davon. Es gibt vielleicht später noch einen Punkt, wo man eigentlich noch deutlicher machen könnte, warum sie nicht hier sind.Als wir heute morgen hierhergegangen sind, hatte ich ein bißchen Unbehagen in der Erwartung, es werde vielleicht über Grundsatzfragen des Themas „Gefährdung der Meinungsfreiheit" gesprochen werden. Dazu bieten die beiden Anträge, die heute hier vorliegen, eigentlich keinen Anlaß. Sie sind ja nur ein Teil eines großen Instrumentariums, aus dem wir zu wählen haben, und alles, was hier zu Grundsatzfragen gesagt worden ist, kann eventuell Hoffnungen wecken, die nachher nicht zu erfüllen sind. Es gäbe eine ganze Reihe von Punkten aus der Diskussion, die man aufgreifen und an denen man zeigen könnte, wie gefährlich es ist, dann, wenn über zwei solche Anträge gesprochen wird, zu Grundsatzfragen Stellung zu nehmen. Die Diskussion über das Thema der Meinungsfreiheit, das Thema der Konzentration im Pressewesen, das Thema des Wettbewerbs in diesem Bereich ist an einem Punkt angelangt, wo es viel zu heiß ist, als daß man dazu irgendwelche Dinge sagen sollte, die nicht in Beschlüsse umgemünzt werden. Es müssen Beschlüsse gefaßt werden, und zwar in ganz kurzer Zeit. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht. Wir können die Erfüllung dieser Aufgabe nur gefährden, wenn wir hier allgemeine Stellungnahmen abgeben.Wie schwierig das ist, hat sich auch bei der Behandlung der beiden Berichte gezeigt, die in eine ganze Reihe von Diskussionsbeiträgen einbezogen worden sind, welche wir hier gehört haben. Der Michel-Bericht ist, wie gesagt, 401 Seiten stark. Wir haben ihn, wenn ich richtig sehe, vor zwei Tagen in die Fächer bekommen. Ich staune deshalb darüber, daß da in Einzelheiten eingetreten wird vor einem Hause, von dem man nicht voraussetzen kann, daß der Bericht von seinen Mitgliedern so genau durchgearbeitet worden ist, daß hier auch nur zu der einen oder anderen Bemerkung schon zuverlässig Stellung genommen werden könnte.Gestaunt habe ich aber auch über die Behandlung des Günther-Berichts. Wir haben, wenn ich es richtig sehe, eigentlich nur die Arbeitsunterlage Nr. 71. Das ist eine erste Zusammenfassung von Vorschlägen. Die Begründung ist, habe ich mir sagen lassen — ich habe sie auch von weitem gesehen —, ebenso umfangreich wie die des Michel-Berichts, also 300 bis 400 Seiten stark. Gestern hat sie der eine oder andere Minister bekommen. Noch keiner hier im Hohen Hause hat sie. Und trotzdem waren einige Kollegen bereit — ich will an ihnen nicht Kritik üben, ich bewundere, daß sie dazu in der Lage sind —, zu diesem Bericht schon Stellung zu nehmen und dazu etwas zu sagen.
— Natürlich kann man zu den Thesen des Vorberichts Stellung nehmen. Dann muß man dabei aberauch deutlich machen, daß es sich um ein Arbeits-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967 6217
Raffertpapier handelt und nicht etwa um den Bericht der Günther-Kommission, aus dem wir vielleicht ganz andere Folgerungen ziehen müssen.
— Herr Moersch, Ihnen sind auch die Formulierungen nicht entgangen, in denen dort geschrieben worden ist. Man hat nicht behauptet, daß man den Bericht kommentiere, sondern man ist davon ausgegangen, daß man die Vorlage, die wir haben, kommentiert. — Aber es wäre natürlich ein Streit um Worte, wenn wir das noch weiter fortsetzen wollten.Ich möchte noch etwas zum Verlauf der Arbeit der Günther-Kommission sagen. Die ist ja ein bißchen mit Verzögerungszündung gestartet. Darüber konnte man nicht überrascht sein. Es sind ihr ja auch ein paar ganz schön dicke Brocken auf den Weg gerollt worden. Es hat sich einmal wieder die Vieldeutigkeit des Wortes gezeigt, das man Konrad Adenauer zuschreibt — ich sehe gerade Herrn von Eckardt, ich weiß es nicht genau, aber man schreibt das Wort nicht ihm, sondern Konrad Adenauer zu —, der gesagt haben soll: „Zeitungen haben immer was mit Druck zu tun." Daß das ein doppeldeutiges Wort ist, hat sich auf dem Weg der Günther-Kommission ja gezeigt. Die Günther-Kommission hat es aber, soweit man es bisher beurteilen kann, recht gut überstanden.Ich will nicht zu einzelnen Themen Stellung nehmen. Wir werden ja den Bericht der Günther-Kommission und die dazu gemachten Vorschläge in den Ausschüssen behandeln müssen. Deswegen wünschen wir, daß auch die beiden Anträge von heute in die Ausschüsse kommen. Sowohl die Frage der Gewährung von Krediten aus dem ERP-Fonds als auch die Frage der Umsatzsteuererleichterungen für Zeitungen bestimmter Größe sind in diesem Katalog, in dieser Arbeitsunterlage, enthalten. Das müssen wir gemeinsam beraten. Es wird uns aber nicht so viel Zeit kosten, daß dadurch die beabsichtigte Soforthilfe gefährdet werden könnte.Es macht mir noch Vergnügen, auf den Terminus technicus hinzuweisen, den die Günther-Kommission in der Arbeitsunterlage benutzt und mit dem sie die förderungswürdigen Zeitungen allgemein beschreibt. Sie spricht von „Zeitungen und Zeitschriften, die vorwiegend der politischen Bildung und Unterrichtung dienen." Da werden wir noch große Auslegungsschwierigkeiten haben.
Ich darf von mir als einem Journalisten sagen: Ich habe die Informationspflicht und die Kontrollpflicht, die mir obgelegen haben, immer ernst genommen. Ob ich da auch einen pädagogischen Auftrag hatte und ob ein solcher von der Mehrheit meiner Kollegen erkannt wird, daran habe ich zeit meiner Laufbahn im journalistischen Beruf gezweifelt.
Herr Moersch, eine Zwischenfrage,
Herr Kollege Raffert, ist Ihnen vielleicht schon bekannt, was hier sonst noch bevorsteht? Ich lese in der „Politisch-Sozialen Korrespondenz" in einem Vorabdruck folgenden Satz:
In der Großen Koalition
— „Groß" natürlich groß geschrieben.—wäre unzweifelhaft eine Mehrheit für eine vernünftige Definition des Begriffs „Meinungsfreiheit" zu finden, die modernen Erfordernissen entspräche.
Vielleicht äußern Sie sich dazu einmal.
Ich habe ja darauf hingewiesen, daß wir vor solchen Definitionsschwierigkeiten stehen. Ich habe keinen Zweifel daran, daß es uns gelingen wird, sie zu lösen. Wir müssen sie ja in praktische Maßnahmen ummünzen, dazu werden wir gezwungen sein. Dann wird uns nichts anderes übrigbleiben. Aber Sie werden nicht erwarten, daß ich zu Äußerungen in dieser Korrespondenz hier im Plenum Stellung nehme, auch nicht aus negativen Gründen!Bei dieser Definition der Zeitungen und Zeitschriften, die sich „vorwiegend mit politischer Bildung" beschäftigen, ergibt sich ein neues Problem. Die Günther-Kommission hat es bei ihren Vorschlägen ausgeklammert, weil sie nicht Stützungsmaßnahmen für Verlage mit Millionenauflagen vorschlägt. Das Problem ,,,Bild' und Bildung" also ist dabei draußen geblieben. Ob Bundesregierung und Parlament es auf die Länge werden umgehen können, möchte ich bezweifeln. Ich weise damit natürlich auf eine der schwierigen Klippen hin, vor denen wir stehen.Herr Kollege Schulze-Vorberg hat das an einem Punkt einmal deutlich gemacht. Der Bericht der Lücke-Kommission — entschuldigen Sie, Herr Minister, Sie möchten sie „Günther-Kommission" genannt haben; dem will ich gern folgen —, der Bericht der Günther-Kommission empfiehlt den Verlegern eine Art konzertierter Aktion in ihrem Feld. Der Bundesregierung wird empfohlen, „an Zeitungs- und Zeitschriftenverleger zu appellieren, miteinander und untereinander einen fairen Wettbewerb einzuhalten". Herr Kollege Schulze-Vorberg hat hier von der Fürsorgepflicht der großen Verlage für die kleinen Verlage gesprochen. Wenn das so aussieht wie die Fürsorgepflicht, die der böse Wolf im Märchen gegenüber den sieben Geißlein ausübt, indem er an ihre Türe klopft und sagt: „Macht bitte auf, eure gute Mutter ist gekommen und hat für jeden von euch etwas Schönes mitgebracht", dann wäre das natürlich nicht die rechte Art und Weise. Mir fällt es schwer, mir das in anderer Form vorzustellen. Ich sehe auch große Schwierigkeiten für Parlament und Regierung, etwa in gesetzgeberischer Form oder durch Regierungsmaßnahmen etwas anderes zu tun.
— Nein, ich habe Grimms Märchen gemeint, wie Siesehr genau wissen. Ich kann nicht erkennen, daß
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Rafferteiner der Brüder Grimm in unserer Regierung vertreten wäre.
— Na, wenn Sie nicht einmal wissen, daß ,die Brüder Grimm keine Schwaben waren, sondern „aufrechte Göttinger", kann ich natürlich diesen Zwischenruf nicht so furchtbar ernst nehmen.
- Darüber, wo die Märchen gesammelt worden sind, ob sie nun rund urn die Saba-Burg oder ob sie in Göttingen oder Berlin oder Kassel aufgeschrieben worden sind, wollen wir uns doch nicht streiten, Herr Dr. Mühlhahn.Wenn es um die Fairneß im Wettbewerb geht, knüpft sich natürlich an diese Frage eine andere an, die sich auch im Zusammenhang mit dem Einsatz von ERP-Mitteln stellt: Für welchen Wettbewerb sollen die Verleger und Drucker mit den Krediten, die wir ihnen geben, eigentlich befähigt werden? Auch darüber gibt es noch keine Klarheit. Auch das ist etwas, wozu sowohl die Regierung als auch ,das Parlament noch ihr Wort sagen müssen. Das müssen wir noch auf unseren Merkzettel für die Behandlung nehmen, und ,das ist mindestens so schwierig wie die Definitionsfragen oder die Frage, welche Prozentanteile an welchen Auflagen welcher Art von Zeitungen eigentlich der eine oder andere für sich allein oder mit anderen zusammen haben darf. Das ergibt sich auch aus den Unterlagen des Michel-Berichts.Die wesentliche Antwort, die dieser Bericht gibt und zu der die Mitglieder der Michel-Kommission gekommen sind, ist ja — das deutete ich schon zu Anfang an — nicht ganz so simpel ausgefallen, wie manche Antragsteller das gedacht haben. Im Gegenteil! Wenn ich recht verstehe und wenn ich mich recht an ,das erinnere, was einige der Kollegen, die die Fragen gestellt haben, im Auge hatten, erwartete man, daß vielleicht etwas Scharfes gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Werbeunternehmungen, die sie veranstalten, herauskommen würde. Dazu muß man sagen: Der Schlüssel für die schwierige, ja prekäre Lage vieler Verlage und der Ausgangspunkt für das, was wir hier miteinander besprechen und wovon das schlimme Wort „Zeitungssterben" auch etwas beschreibt, was wir sehen müssen — das geht ganz gewiß aus dem Michel-Bericht hervor, wie immer man ihn sonst im einzelnen beurteilen will —, liegt nicht allein beim Werbefernsehen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das haben wir nun gesehen. Die Lösung liegt auch nicht allein in der Errichtung von privaten Sendeanstalten. Das kann man wohl bei allem Vorbehalt, den man nach der kurzen Prüfung des Zahlenwerks anmelden muß, sagen.Noch eine Bemerkung, bevor ich zum Schluß komme. Der Gedanke ist in dem, was Kollege Moersch und Kollege Rock gesagt haben, schon angesprochen worden. Die kontroverse Position, die hier unter uns besteht — das ist ja nicht nur eine Frage zwischen Parteien und Fraktionen, sondern eine Frage, die zum Teil auch zwischen Berufsständen oder zwischen einzelnen Gruppen und Personen aus persönlichen oder sachlichen Gründen besteht —, ist die, wie weit wir technologische Probleme ins Auge fassen können und wie wir diese Entwicklung nach vorn projizieren müssen, wenn wir heute Maßnahmen ergreifen. Das ist auch schon bei den Sofortmaßnahmen der Fall. Die Technologie verändert sich gerade im Bereich von Druck und Satz im Zeitungswesen mit rasender Schnelle. Wenn man eine Weile aus dem Betrieb heraus ist und in den Betrieb zurückkommt, wundert man sich über den Computer, der den Satz verteilt, und über das und jenes und über die Veränderungen im Umbruch usw. Das einzige, was man nicht wird ersetzen können und was man hoffentlich auch nicht eines Tages durch Gesetze bei uns wird verändern dürfen, ist die Gedankenarbeit der Redakteure. In allen anderen Bereichen erscheinen vor unseren Augen raseñde Veränderungen. — Herr von Eckardt, Sie haben eben die Bewegung des Schreibens gemacht. Auch das Schreiben brauchen wir vielleicht später gar nicht mehr zu lernen, wenn wir nur klar denken und dann in irgendwelche Diktaphone sprechen. Wer weiß das schon! Viele von uns bedienen sich ja schon dieser Dinge. Außer der Gedankenarbeit der Redakteure ist also alles ersetzbar.Das kann sogar zur Folge haben, daß die Satz-und Druckzeiten so eng zusammenrücken, daß Tageszeitungen auch in der Aktualität einmal wieder ernsthaft mit dem Fernsehen werden konkurrieren können. Das wäre ja denkbar. Es verändert sich also auch diese Konkurrenzsituation sehr schnell. Das wird allerdings Investitionen notwendig machen, von denen man, Herr Kollege Rock, wirklich sehr genau wissen muß, wo man sie ansetzen soll. Niemandem kann daran gelegen sein, die Konzentration im Druckgewerbe so durchzuführen, daß nur eine, zwei Großdruckereien übrigbleiben. Das ist selbstverständlich.Ich würde auch den Begriff der Genossenschaft nicht unbedingt einführen. Aber eine stärkere Kooperation, nicht nur im Vertriebssektor, sondern auch im technischen Sektor, im Drucksektor muß man ernsthaft ins Auge fassen; sonst redet man an den Tatsachen vorbei. Da kommen wir gar nicht drum herum.Übrigens muß dieser Vorgang nicht unbedingt eine Verringerung der Zahl der Vollredaktionen zur Folge haben; im Gegenteil. Ich meine, Herr von Eckardt, daß man dann vielleicht auch mit einem Monopol besser fertig wird, das mich eigentlich noch mehr drückt als das große, was bei dieser Diskussion oft gesehen wird. Ich meine nämlich das Monopol in den provinziellen Bereichen, wo es nur eine einzige örtliche Lokalzeitung gibt. Da kann vielleicht diese technologische Entwicklung, wenn wir sie richtig sehen, etwas bewirken. Es ist doch unerträglich, daß in manchen Städten das eben „nicht passiert" ist, was nicht in der dort erscheinenden Zeitung steht. Das können auch „Bild" und Fernsehen nicht ausgleichen. Solche Situationen gibt es.Hier ist auch eine Hoffnung für meine Kollegen, die Journalisten, von denen viele — und nicht die schlechtesten, nämlich oft diejenigen, die beweglich,Raffertgenug sind, um noch den Mut zu haben, in andere Berufe zu gehen — schon resignieren. Das müssen sie meiner Meinung nach nicht, wenn es uns gelingt, diese Entwicklung besser in die Hand zu bekommen. Da kann man wirklich etwas machen, wenn man sich überlegt: welche Kredite gibt man, wem, zu welchen Zwecken und zu welchen Bedingungen?Ich komme zum Schluß. Meine Fraktion möchte — das beantrage ich hiermit ausdrücklich —, daß wir beide Anträge in die Ausschüsse überweisen. Ich glaube nicht, daß dadurch eine unangemessene Verzögerung entsteht. Herr Minister Schmücker kann in seine Vorschläge, wie der ERP-Haushalt aussehen kann, ungeachtet des Votums des Parlaments das hineinschreiben, was er möchte. Dazu braucht er nicht unmittelbar unseren Auftrag. Dieser Auftrag könnte ihn und andere, das Parlament und die Ausschüsse, vielleicht sogar in der Entscheidungsfreiheit einengen. Damit würde vielleicht schon etwas von dem Instrumentarium vorweggenommen, dessen Einsatz sich möglicherweise in diesem Jahr nicht als unbedingt notwendig erweist. Das wissen wir leider nicht.Daraus ergibt sich dies: wir müssen schnell handeln. Das ist zwar schon mehrfach gesagt worden; ich möchte es aber unterstreichen. Der Regierung bleibt nicht viel Zeit, uns ihre Vorschläge zu geben. Das muß meiner Auffassung nach noch in diesem Jahr geschehen. Wer bedenkt, wann unsere Weihnachtsferien anfangen und daß eine parlamentarische Behandlung noch notwendig ist, weiß, daß wir hier doch unter ziemlichem Druck stehen. Wenn die Regierung schnell handelt — was wir erbitten —, kann man wohl für das ganze Haus erklären — das war jedenfalls aus all unseren Äußerungen heute zu hören —, daß wir als Parlamentarier bereit sein werden, zügig, mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt, aber doch auch mit dem gebotenen Tempo zu verfahren.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, aus den einzelnen Diskussionsbeiträgen ist die Verschiedenheit der Geschäftslage bei den beiden Kommissionsberichten sehr deutlich geworden. Die „Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film", die am 7. Dezember 1964 ihre Arbeit begonnen hat, also die sogenannte Michel-Kommission, hat jetzt, wie Sie wissen, ihren endgültigen Bericht vorgelegt.
Für das Thema Wettbewerb ist der Wirtschaftsminister zuständig. So hatte ich diese Kommission zu betreuen bzw. als Findelkind zu übernehmen. Ich habe nun auch zu dieser Seite der Angelegenheit die Stellungnahme der Bundesregierung vorzubereiten. Ich kann Ihnen zu diesem Thema nur eines sagen: Wir von der Bundesregierung werden uns mit unserer Stellungnahme zu dem Bericht dieser Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit beeilen. Es darf aber keine Stellungnahme sein, die wir in den Amtsräumen oder im luftleeren Raum erarbeiten. Wir werden vielmehr vorher ein paar Stellungnahmen der Betroffenen einholen. Dabei möchte ich annehmen, daß wir unsere Gesamtstellungnahme zu dem Bericht . der Michel-Kommission dem Hohen Hause in etwa vier bis sechs Wochen vorlegen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daneben laufen jetzt die Beratungen der zweiten Kommission, die hier vielfach angesprochen wurde, der „Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik". Diese Kommission, die hier mit verschiedenen Vor- und Nachnamen bezeichnet wurde, hat am 6. Juni 1967 ihre Arbeit begonnen, und wie Sie alle wissen, hat sie uns als erstes ein vorläufiges Sofortprogramm übergeben.
Im übrigen, Herr Kollege Schulze-Vorberg, ist diese Kommission noch bei der Arbeit. Über das Sofortprogramm können wir reden, aber ich glaube, wir sind uns darin einig, daß wir die Unabhängigkeit auch dieser Kommission — beide Kommissionen sind ja unabhängig — respektieren, d. h. uns alle vorn Staate, vom Parlament und von der Regierung her in unserem Urteil gegenüber der Meinungsbildung und auch gegenüber gewissen Vorgängen in der Kommission äußerste Zurückhaltung auferlegen sollten, weil sich diese Kommission noch in der Arbeit befindet.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, ich betone ausdrücklich, daß ich mit Ihnen einig gehe. Aber ich glaube, es sollte erlaubt sein, in einer Bemerkung die Mitglieder der Kommission zu bitten, wenn sie die Berufung annehmen, dann auch intensiv zu arbeiten und sich nicht laufend vertreten zu lassen, da dies im Interesse einer reibungslosen und sogar im Interesse einer unabhängigen Arbeit liegt; denn man kann sich nicht vertreten lassen und gleichzeitig glauben, damit die Arbeit der Kommission optimal zu fördern.
Herr Schulze-Vorberg, sosehr ich mit Ihnen darin übereinstimme, daß wir uns bald über das vorläufige Sofortprogramm dieser Kommission zu unterhalten haben werden, so bin ich doch nicht ganz mit Ihnen einig in bezug auf Urteile über Vorgänge in dieser Kommission. Ich nehme es mit einer „Royal Commission" sehr ernst, und ich finde, das, was die Herren, die von der Bundesregierung berufen sind und in einer solchen Kommission zusammenarbeiten, dort tun oder nicht tun, sollten wir vorläufig nicht beurteilen. Das ist meine Auffassung. Das gilt auch in bezug auf den Vorsitzenden. Alles das, finde ich, sollte jenem Gremium überlassen werden. Wenn dann die Begründung und, wie ich hoffe, in absehbarer Zeit ein abschließender Bericht kommen, können wir über alles urteilen. Ich
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6220 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Oktober 1967
Bundesminister Dr. Schillerglaube, das ist der gute Stil, in dem unsere englischen Freunde uns so sehr voraus sind, weil sie im Umgang mit unabhängigen Kommissionen mehr Erfahrung haben.Meine Damen und Herren, das Sofortprogramm, das uns von- der zweiten Kommission geliefert worden ist, ist ein sehr umfangreiches Programm. Es ist uns allen bekannt. Es umfaßt acht, neun Punkte, von der Umsatzsteuerbegünstigung im jetzigen Umsatzsteuersystem über die Umsatzsteuerbegünstigung bei der kommenden Mehrwertsteuer, über steuerfreie Rückstellungen für dringend erforderliche Investitionen, über mögliche Sonderabschreibungen, dann über zinsverbilligte Investitionskredite — worüber Herr Kollege Schmücker schon ein paar Worte gesagt hat, soweit das ERP-Vermögen und die ERP-Kredite betroffen sind — bis hin zur Überprüfung der Posttarife und bis hin zu einem gewissen konzertierten Verhalten der beteiligten, im Markte befindlichen Anstalten und Presseunternehmen; darauf hat Herr Raffert schon hingewiesen. Alles das muß sehr bald in diesem Hause behandelt werden. Die Diskussion darüber wird in absehbarer Zeit auch sicherlich in einer Stellungnahme der Bundesregierung hier in diesem Hause dadurch gefördert werden, daß wir konkrete Antworten zu den dort niedergelegten Petita geben werden.Meine Damen und Herren, wir sind uns, glaube ich, auch darin einig, daß die Lage in der deutschen Presse eine konjunkturelle und eine strukturelle Komponente hat. Die Flaute seit Mitte vorigen Jahres hat ja insonderheit unsere Zeitungen betroffen, besonders deswegen, weil die produzierende Wirtschaft im Unterschied etwa zu Amerika nicht etwa antizyklische Werbung betrieben, sondern weithin prozyklische Kürzungen ihrer Werbeetats vorgenommen hat. Das ist einfach ein Tatbestand, den wir jetzt erfahren haben und bei dem wir nur sagen müssen, daß sich das Verhalten unserer Wirtschaft von dem Verhalten etwa amerikanischer Unternehmer unterscheidet, die in der Flaute eine ausgesprochen antizyklische, d. h. verstärkte Werbung in der Presse betreiben.Ich könnte übrigens sagen — vielleicht freuen sich darüber auch die Kollegen von der FDP —: das einzige Unternehmen, das zur Zeit wirklich eine antizyklische Aufklärung und Werbung betreibt, ist die Bundesregierung mit ihrer Inseratenaktion in bezug auf Sonderabschreibungen und ähnliches.
Das ist einmal eine antizyklische Aufklärung. in bezug auf den Gebrauch von Sonderabschreibungen und zum anderen auch eine Hilfe für diejenigen, die die Anzeigen bringen.
— Lieber Herr Kollege Dorn, ich darf Ihnen darauf antworten: ein sehr kritisches Organ der deutschen Presse hat festgestellt, daß dies zum erstenmal eine Inseraten- und Aufklärungsaktion einer Bundesregierung ohne Polemik und ohne Wahlpropagandasei. Das darf ich Ihnen nur in bezug auf diese Aktion antworten. Das ist der Unterschied zu irgendwelchen Aktionen in der Vergangenheit, die mich jetzt — und ich glaube uns alle — nicht mehr interessieren.
— Hinsichtlich der Streuung dieser Anzeigen werden wir uns sicherlich nach den Erfahrungen, die dabei gemacht worden sind, Neues einfallen lassen, und sicherlich müssen wir auch noch einiges verbessern. Das ist etwas, was nicht der Bundeswirtschaftsminister unmittelbar zu verantworten hat; aber er trägt die Gesamtverantwortung selbstverständlich mit. Wir werden uns mit denjenigen, die unmittelbar mit dieser Angelegenheit zu tun haben, sehr gern und sehr schnell unterhalten und auch einigen.Wir sind uns zum zweiten darin einig — und da stimme ich besonders mit dem Kollegen Rock überein —, daß es auf dem Gebiet der Presse zur Zeit einen gigantischen technischen Fortschritt gibt, dessen Umfang und Massivität — ich erinnere nur an die modernen riesenhaften elektronisch gesteuerten Druckeinrichtungen — einen Kapitalaufwand erzwingt, der einfach einen objektiven Faktor in Richtung auf Konzentration darstellt. Wir müssen uns mit dieser Herausforderung eines massiven technischen Fortschritts, der zu riesigen Kapitalaufwendungen zwingt, auseinandersetzen.Herr Kollege Rock hat mit Recht an die DRUPA erinnert. Wer diese Giganten der elektronischen und auch der farbigen Produktion gesehen hat und die dafür nötigen Investitionsmittel kennt, der wird sich darüber klar sein, daß das für unsere Wirtschaftspolitik und unsere Gesellschaftspolitik — im Sinne einer Mannigfaltigkeit und der Unabhängigkeit der Presse und, wenn Sie so wollen, der Dezentralisierung des Marktes — eine gewaltige Herausforderung darstellt.Nachdem Herr Dr. Schmidt etwas kritisch war und gesagt hat: „Strukturwandlungen gibt es überall, und da könnte man also überall Hilfen leisten", kann ich mich, wenn wir auch hier über Hilfen sprechen, nur auf das beziehen, was Herr Kollege Sänger mit Recht gesagt hat, daß nämlich dieser Zweig Presse infolge des Art. 5 des Grundgesetzes als Wirtschaftszweig eine Sonderstellung einnimmt, ein Fall sui generis ist, bei dem wir eben mehr tun müssen, damit auch dem Art. 5 Genüge getan wird.Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß es aus dem Jahre 1961 und dem Jahre 1966 Urteile des Bundesverfassungsgerichts gibt, beide aus bekannten Anlässen, aus Anlässen, die dieses Haus damals sehr befaßt haben. In ihnen klingt immer wieder durch, daß die Freiheit und die Mannigfaltigkeit der Presse auch Verpflichtung des Staates zur Hilfe bedeuten. Das ist aus den Urteilen eindeutig zu deduzieren.Im Blick auf das Sofortprogramm, das sehr viele dieser Probleme umfaßt, und auf die heute vorliegenden Anträge, die in dieses Sofortprogramm hin-
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Bundesminister Dr. Schillereinpassen, möchte ich sagen: diese Anträge betreffen nur Teilthemen. Wir müßten in diesem Hause bald auf das ganze Paket losgehen. Mit einem Teilthema allein werden wir es nicht schaffen.
Nun ein Letztes! Da hier sehrviel über die Meinungsfreiheit und auch über die Probleme gesprochen worden ist, die etwa durch den rasanten technologischen Fortschritt, die damit erzwungene Kapitalkumulation und ähnliches. aufgetreten sind, möchte ich hier doch ein tröstliches Ergebnis wiedergeben, nämlich das Ergebnis der Untersuchung einer internationalen Institution „Press Independence und Critical Ability" in Genf, abgekürzt dort mit der pikanten Bezeichnung PICA. Jene Institution hat eine Untersuchung über die Pressefreiheit in vielen, vielen Ländern durchgeführt. Sie hat die Länder in sieben Bewertungsgruppen eingeteilt. Erste Gruppe: höchste Freiheit, zweite Gruppe: nicht ganz so hohe Freiheit usw. bis herunter zu Nr. 7: kontrolliert. Daß wir nicht in dieser siebenten Gruppe sind, ist selbstverständlich. Die deutsche Presse ist in bezug auf ihre Feiheit nach dem Stand des Jahres 1966 von jenen internationalen Auguren in die gleiche Kategorie eingestuft worden wie etwa das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Das, finde ich, ist eine anständige Gesellschaft, in der wir uns befinden. Wir haben nach dem Urteil jener Leute nicht ganz den Freiheitsgrad von Ländern wie Dänemark und den Vereinigten Staaten von Amerika erreicht. Die liegen vor uns. Es heißt im Text — ich will nur ein Zitat bringen „Die Bundesrepublik Deutschland erreichte" -- im Jahre 1966! — „fast die höchste Stufe der Pressefreiheit." Negative Punktwerte ergaben sich u. a. „aus der relativ geringen Kritik an lokalen und regionalen Beamten."
Das ist also dort für das Jahr 1966 festgestellt. Nun aber sind wir ja im Jahre 1967. Abschließend möchte ich sagen, daß das inzwischen eigentlich besser geworden sein müßte; denn seit dem 1. Dezember 1966 —seit der neuen Bundesregierung — gibt es doch viel mehr Kritik, besonders Kritik an zentralen Beamten und Politikern. Ich finde das auch ganz natürlich.Ein Teil der deutschen Presse will gerade im Angesicht einer Regierung mit großer parlamentarischer Mehrheit der — selbstverständlich nur zahlenmäßig — sehr schwachen Opposition in diesem Haus ein wenig Hilfe leisten und will ihr Wächteramt das Wächteramt der Presse im Sinne einer Kritik amGouvernement -- ernst nehmen. Ich finde das durchaus natürlich. Es ist sogar gut so. Je stärker die parlamentarische Mehrheit einer Regierung ist, um so kritischer sollte die öffentliche Meinung sein. Ich halte aber auch das Umgekehrte für richtig: je stärker die parlamentarische Mehrheit einer Regierung ist, um so liberaler sollte sich die Regierung gegenüber allen Medien der öffentlichen Meinung verhalten.Wir alle, Parlament und Regierung, sollten uns, wie ich glaube, gerade in diesem Zustand, in dem konjunkturelle, strukturelle und politische Faktoren zusammenkommen, bemühen, für die Freiheit und Mannigfaltigkeit der Presse Hilfe zu leisten. Wir sollten hier allesamt sehr schnell gemeinsam mit der konkreten Arbeit beginnen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zunächst zur Beschlußfassung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Kein Widerspruch? — Dann ist der Gesetzentwurf dem Finanzausschuß — federführend —, dem Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Nun kommen wir zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend die Wettbewerbsfähigkeit der Tageszeitungen. Dazu liegen ein Überweisungsvorschlag des Ältestenrates, der hier auch unterstützt wurde, und der Antrag der Antragsteller vor, den Antrag hier anzunehmen. Bitte, Herr Moersch?
— Dann brauchen wir nicht mehr abzustimmen. Der Antrag ist den vom Ältestenrat vorgeschlagenen Ausschüssen überwiesen, nämlich dem Ausschuß für das Bundesvermögen — federführend —, dem Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik und dem Haushaltsausschuß.
Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 11. Oktober 1967, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.