Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, ich habe, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, einige Mitteilungen zu machen. Zuerst darf ich einer ganzen Reihe von Kollegen und einer Kollegin Geburtstagswünsche übermitteln. Am 16. Mai hat der Kollege Dichgans seinen 60. Geburtstag gefeiert.
Am 30. Mai feierte Frau Abgeordnete Geisendörfer ihren Geburtstag, einen runden, wie ich hinzufügen darf.
Am 1. Juni wurde der Abgeordnete Dr. Balke 65 Jahre alt.
Am 5. Juni wurde der Abgeordnete Koenen 60 Jahre alt.
Heute feiert der Abgeordnete Bergmann seinen 60. Geburtstag.
Mit Wirkung vom 2. Juni 1967 hat der Abgeordnete Eisenmann auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Dr. Imle am 2. Juni 1967 in den Bundestag eingetreten. Herr Dr. Imle ist hier kein Neuling; wir kennen ihn aus früheren Legislaturperioden. Ich begrüße ihn und wünsche ihm und uns allen eine gute Zusammenarbeit.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 31. Mai 1967 den Abgeordneten Leukert als Mitglied des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank zur Wiederwahl vorgeschlagen. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Leukert gemäß § 7 Abs. 4 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank als Mitglied des Verwaltungsrats gewählt.Folgende Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, sollen gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden:1. Vorlage des Bundesministers des InnernBetr.: Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 in MünchenBezug: Beschluß des Bundestages vom 7. Oktober 1966 — Drucksache V/1733 —zuständig: Innenausschuß , Haushaltsausschuß2. Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Gestaltung des Branntweinmonopols im Gemeinsamen MarktBezug: Beschluß des Bundestages vom 8. Dezember 1966 — Drucksache V/1788 —zuständig: Finanzausschuß3. Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Auswirkung der EWG-Agrarfinanzierung auf den BundeshaushaltBezug: Beschluß des Bundestages vorn 22. Februar 1967— Drucksache V/1817 —zuständig: Haushaltsausschuß , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, FinanzausschußErhebt sich gegen die beabsichtigten Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung dieser Woche ergänzt werden um die Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Durchführungsgesetzes EWG Getreide, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch — Drucksache V/1833 —. Ist das Haus damit einverstanden, daß dieser Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird? — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich darf eine Delegation des ceylonesischen Parlaments herzlich begrüßen; die Herren haben sich inzwischen auf der Diplomatentribüne eingefunden. Wir freuen uns über Ihre Anwesenheit und wünschen Ihnen hier gute und bleibende Eindrücke von dem, was bei uns zu sehen und möglicherweise auch in der einen oder anderen Weise positiv zu beurteilen ist.
Vizepräsident SchoettleFolgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung 'in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Mai 1967 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Umsatzsteuergesetz
Gesetz zu dem Abkommen vom 20. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über ArbeitslosenversicherungZum Umsatzsteuergesetz hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 2. Juni 1967 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Viertes Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des GrundgesetzesZweites Gesetz zur Änderung des ZuckersteuergesetzesGesetz zu dem Vertrag vom 23. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische ZollgebietGesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 136166/EWG
Gesetz zu dem Vertrag vom 23. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Bereinigung der Grenze im Abschnitt Konstanz-Neuhausen am RheinfallGesetz zur Änderung des Gesetzes über den VersicherungsvertragGesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der WirtschaftZum Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 3 diesem Protokoll beigefügt ist.Zu demErsten Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts
Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechtshat der Bundesrat verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 Satz 1 GG einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksache V/1822 und V/1824 verteilt.Dem Architektengesetz hat der Bundesrat nicht zugestimmt und vorsorglich verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages einberufen wird, falls sich ergeben sollte, daß das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1823 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr hat am 17. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Mertes und Genossen betr: Transport von gefährlichen Flüssigkeiten auf See - Drucksache V/1691 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1750 verteilt.Der Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat am 19. Mai 1967 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Moersch und der Fraktion der FDP betr. Public-Relations-Arbeit im Ausland - Drucksache V/1675 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1783 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 22. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt , Petersen, Dr. Stark (Nürtingen) und Genossen betr. Datenverarbeitungsindustrie - Drucksache V/1648 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/179,1 verteilt.Der Bundesminister der Verteidigung hat am 24. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schultz , Ollesch, Jung, Dr. Miessner und -Genossen betr. Laufbahnrecht der Soldaten - Drucksache V/1740 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1797 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat -am 24. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Bauer , Dr. Reinhard, Bewerunge und der Fraktion der CDU/CSU betr. Gasölbetriebsbeihilfe - Drucksache V/1640 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1798 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 24. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Krammig, Schröder , Frau Blohm und Genossen betr. Auswirkungen der Aufhebung des Eilstückgutverkehrs für die deutsche Fischwirtschaft - Drucksache V/1727 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1801 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 26. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Hilfen für körperlich und geistig behinderte Kinder - Drucksache V/1736 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1804 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 29. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie - Drucksache V/1725 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1806 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 24. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Wendelborn, Gewandt, Dr. Elbrächter und Genossen betr. Containerverkehr - Drucksache V/1567 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1807 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 26. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke, Moersch und Genossen betr. Aufbaustudium - Drucksache V/1157 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1829 verteilt.Der Bundesminister für Gesundheitswesen hat mit Schreiben vom 19. Mai 1967 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 22. Mai 1962 einen Bericht über die Umweltradioaktivität erstattet. Der Bericht ist als Drucksache V/1793 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 24. Mai 1967 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 24. November 1966 über den Stand der Verhandlungen zur Errichtung eines EWG-Sortenkatalogs für landwirtschaftliche Pflanzenarten berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1808 verteilt.Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 11. und 12. Mai 1967 die nachstehenden Verordnungen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Zuckergesetzes vom 9. August 1954 dem Bundestag zur Kenntnisnahme übersandt:Verordnung Z Nr. 1/67 über Preise für Zuckerrüben derErnte 1967Verordnung Z Nr. 2/67 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 3/58 über Preise für ZuckerVerordnung zur Änderung der Verordnung M Nr. 1/63 über Preise für MilchDie Verordnungen liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 11. Mai 1967 mitgeteilt, daßder Ausschuß gegen die nachfolgenden Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:Verordnung Nr. 36/67/EWG des Rates vom 21. Februar 1967 zur Änderung der Anhänge der Verordnung Nr. 111/64/EWG in bezug auf die Waren der Tarifnummer 17.02 AVerordnung Nr. 53/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur Verlängerung der Verordnung Nr. 111/66/EWG zur Ermächtigung der Französischen Republik, des Königreichs Belgien und der Bundesrepublik Deutschland, besondere Interventionsmaßnahmen bei Rindfleisch zu ergreifenVerordnung Nr. 57/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur Verlängerung der in den Verordnungen Nr. 113/66/EWG und Nr. 266/66/EWG vorgesehenen Sonderregelung für die Berechnung des Abschöpfungsbetrags für bestimmte Milchpulversorten, Schmelzkäse und Schmelzkäsezubereitungen und Milch zur Ernährung von Säuglingen sowie zur Änderung von Artikel 1 der Verordnung Nr. 113/66/EWGVerordnung Nr. 62/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur nochmaligen Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 110/66/EWG zur Ermächtigung der Italienischen Republik, ihre Zollsätze und Abschöpfungen auf Einfuhren aus dritten Ländern von Rindern, lebend, Hausrindern, anderen, mit einem Stückgewicht von höchstens 300 kg, der Tarifnummer ex 01.02 A II, vollständig auszusetzenVerordnung Nr. 89/67//EWG des Rates vom 2. Mai 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Einhundertundsiebente Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1747 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967Einhundertundsechste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1748 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967Einhundertundneunte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1814 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967Einhundertundelfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1816 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit derBitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5251
Vizepräsident SchoettleEinhundertundachte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1821 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit far die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs— Drucksache V/1744 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 27. Oktober 1967Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktordnung für Reis Verordnung des Rates über die Regelung für Reis und Bruchreis mit Ursprung in den assoziierten Staaten und Madagaskar und den überseeischen Ländern und Gebieten— Drucksache V/1786 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967Verordnung des Rates zur Abänderung der Verordnungen Nr. 23 und 158/66/EWG des Rates über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse— Drucksache V/1787 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967Verordnung des Rates über die Festlegung der Rechnungseinheit für die gemeinsame Agrarpolitik— Drucksache V/1796 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. Juni 1967Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden— Drucksache V/1799 —an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28, Juni 1967Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des ArchitektenRichtlinie des Rates über die gegenseitige Anerkennungder Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die selbständigen Tätigkeiten des ArchitektenRichtlinie des Rates über die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die selbständigen Tätigkeiten des ArchitektenEmpfehlung des Rates über die Staatsangehörigen des Großherzogtums Luxemburg, die Inhaber eines in einem Drittland ausgestellten Architektendiploms sind— Drucksache V/1810 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 27. Oktober 1967Verordnung des Rates der EWG zur Änderung der Verordnung Nr. 63 des Rates über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der KommissionVerordnung der Räte der EWG/EAG zur Änderung der Verordnung der Räte über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder des GerichtshofesVerordnung des Rates der EAG zur Änderung der Verordnung Nr. 14 des Rates über die Regelung der Amtsbezüge für die Mitglieder der Kommission— Drucksache V/181.1 —an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28.- Juni 1967.Zu den in der Fragestunde der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Mai 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Biechele, Drucksache V/1706 Nrn. 128 und 129 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 12. Mai 1967 eingegangen. Sie lautet:1. Siehe 110. Sitzung, Seite 5196 BDer Bundesregierung ,ist bekannt, daß sich in einigen deutschen Großstädten eine erhebliche Anzahl von jungen Leuten aus außereuropäischen Entwicklungsländern aufhält, die in das Bundesgebiet eingereist sind in der Hoffnung, hier eine gehobene Ausbildung zu erhalten, nach dem Scheitern ihrer Pläne zu einer Rückkehr in ihre Heimat aus eigenem Antrieb nicht willens oder aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht in der Lage sind, und bei ihrem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet oft menschenunwürdigen Lebensverhältnissen ausgesetzt sind. Auch die Bundesregierung hält chase Situation für beklagenswert. Die Wurzel dieser Notlage liegt nicht in deutschen Gesetzesbestimmungen. Die Ursachen des Problems liegen nach ihrer Auffassung in der Vorstellung der betroffenen jungen Ausländer, welche die für sie in der Bundesrepublik verfügbaren institutionellen und finanziellen Ausbildungsmöglichkeiten überschätzen und die in der Bundesrepublik geltenden Anforderungen an die schulische Vorbildung unterschätzen. Sie reisen in die Bundesrepublik ein, ohne sich vorher über die wirkliche Lage zu unterrichten, was durch eine Anfrage bei den deutschen Auslandsvertretungen geschehen könnte, sehen sich nach ihrer Ankunft in Deutschland in ihren Erwartungen, Studienplätze und Stipendien zu erhalten, enttäuscht und scheuen vielfach eine Rückkehr in ihr Heimatland deshalb, weil sie der dortigen Umgebung und ihren Familien den Mißerfolg nicht eingestehen wollen und sich an die Hoffnung klammern, doch noch irgendwie und irgendwo zu der erstrebten höheren Ausbildung gelangen zu können. Diese Hoffnung trügt in aller Regel deshalb, weil es an den erforderlichen Bildungsvoraussetzungen fehlt.Deutsche Gesetzesbestimmungen haben mit der Entstehung des Problems nur insoweit etwas zu tun, als sie die Einreise von Ausländern aus den meisten Staaten der Welt besonders erleichtert haben . Die Lösung des Problems muß nach Auffassung der Bundesregierung in der Weise gesucht werden, daß die betroffenen Ausländer, deren angestrebter Aufenthaltszweck im Bundesgebiet objektiv nicht erreichbar ist, möglichst bald in ihre Heimat zurückgeführt werden. Die Bundesregierung sieht es nicht als sinnvolle Lösung an, wenn entsprechend den im Laufe der Zeit von verschiedenen Seiten an sie herangetragenen Vorschlägen den betreffenden Ausländern der Aufenthalt -im Bundesgebiet zu dem Zweck gestattet würde, daß sie eine Beschäftigung als ungelernte Arbeiter aufnehmen und damit für längere oder kürzere Zeit ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet fristen können. Einige Experimente dieser Art, die in der Vergangenheit im süddeutschen Raum durchgeführt worden sind, haben sich als Fehlschläge erwiesen. Die mit dem Ziel einer gehobenen, möglichst akademischen Ausbildung in das Bundesgebiet eingereisten jungen Ausländer sind nicht auf die Dauer damit zufriedengestellt, daß ihnen Beschäftigungen als Hilfsarbeiter angeboten werden.Die Bundesregierung hat sich schon in den vergangenen Jahren wiederholt mit dem Problem befaßt. Sie hat den Behörden der Länder und den an der Frage interessierten Verbänden wiederholt erklärt, daß nach ihrer Auffassung nur eine alsbaldige Rückführung der in ihren Ausbildungswünschen enttäuschten jungen Ausländer in ihre Heimatländer es verhüten kann, daß zu der unvermeidlichen Enttäuschung auch noch soziale Entwurzelung und moralisches Abgleiten hinzutreten. Wenn diese, im Ergebnis sicherlich humanste Lösung bisher von den zuständigen örtlichen Behörden nicht überall in dem wünschenswerten Umfange durchgeführt worden ist, so waren dafür mehrere Gründe maßgebend:— die Neigung vieler der betroffenen Ausländer, sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen zu entziehen;— örtliche Proteste von Verbänden gegen geplante Abschiebungen;— Schwierigkeiten der örtlichen Behörden bei der Aufbringung der für die Rückführung in weit entfernte Länder erforderlichen großen finanziellen Mittel.Die Bundesregierung hält daher Gesetzesänderungen nicht für angebracht.Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt I der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksache V/1818 —Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Frage 1 des Abgeordneten Ollesch:Zu welcher Bundesbehörde steht Alexander von Hase, ein Vetter des Staatssekretärs im Bundespresse- und Informationsamt, der — Pressemeldungen zufolge — in Vorträgen im Ausland die Politik der Bundesregierung zu erläutern pflegt, in einem Dienst- oder Auftragsverhältnis?Ich sehe, Herr Abgeordneter Mertes übernimmt die Frage. Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie die Frage beantworten.
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5252 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die zwei Fragen des Herrn Abgeordneten gemeinsam beantworten?
Ich sehe, Herr Abgeordneter Mertes, Sie sind einverstanden. Frage 2 des Abgeordneten Ollesch:
In welchem Aufgabenbereich ist der in Frage 1 genannte Alexander von Hase tätig?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Alexander von Hase ist im Rahmen der politischen Öffentlichkeitsarbeit des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung auf der Grundlage eines jeweils zeitlich begrenzten Werkvertrages tätig. Er ist durch den derzeitigen Vertrag beauftragt, Vorträge in englischer und französischer Sprache im Ausland mit anschließender Diskussion durchzuführen. Die Themen werden auf Wunsch ausländischer Organisationen im Einvernehmen mit den deutschen Auslandsvertretungen festgesetzt. Die Vorträge sollen das Interesse für die Bundesrepublik wecken und vertiefen. Die Themen entsprechen den ausländischen Wünschen. Herr Alexander von Hase hat den Auftrag, jeweils vierteljährlich ausführliche Berichte über seine Tätigkeit vorzulegen.
Können Sie mir sagen, Herr Staatssekretär, auf welche Themenkreise im einzelnen sich primär diese Vorträge erstrecken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die besondere Tätigkeit von Herrn von Hase liegt auf dem Gebiete der auswärtigen Politik und auf dem Gebiete der gesamtdeutschen Politik.
Keine weiteren Fragen? — Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, und zwar zunächst zur Frage 3 des Abgeordneten Mischnick:
Welche Tatbestände könnten die Bundesregierung veranlassen, die geforderten Ausgleichszahlungen im innerdeutschen Postverkehr ganz oder teilweise zu erfüllen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die hier vorliegenden Schreiben und Rechnungen der ostzonalen Postverwaltung enthalten keine Gründe, die einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszahlung geben würden.
Zusatzfrage, Herr Mischnick!
Herr Bundesminister, wenn wir, wie ich annehme, beide von der Überlegung ausgehen, daß die internationalen Abmachungen nicht für die beiden Teile Deutschlands zutreffen, sondern daß Deutschland als einheitliches Postgebiet betrachtet wird, sehen Sie dann nicht eine gewisse Notwendigkeit, denselben Ausgleich zwischen den Oberpostdirektionen in diesem und jenem Teil Deutschlands durchzuführen, wie es innerhalb der
Bundesrepublik geschieht, wenn sachlich berechtigte Forderungen entstehen?
Herr Kollege Mischnick,. es gibt innerhalb der Deutschen Bundespost keinen internen Ausgleich, weil es sich hier um eine Einheit handelt. Wenn ich die Forderungen der Zone genau betrachte, stelle ich fest, daß dort etwas anderes gemeint ist, als man hier erhofft und was Ihrer Frage zugrunde liegt. Es heißt dort — ich zitiere —: „Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage der international festgelegten Abrechnungsgrundsätze." Das heißt: Abrechnung für Pakete, Telegramme, Telefongespräche, z. B. keine Abrechnung bei Briefen.
Herr Minister, nachdem Sie eben gesagt haben: „als einheitliches Postgebiet behandelt wird", wir aber davon ausgehen, daß beide Teile Deutschlands ein einheitliches Postgebiet darstellen, ist es dann nicht von dieser Überlegung her notwendig, zu prüfen, nicht was gefordert wird, sondern was auch nach unseren eigenen Überlegungen richtig wäre, auf technischem Wege auszugleichen, ohne damit politische Überlegungen, wie sie die andere Seite damit verbindet, anzustellen und sie gar durch entsprechende Verhandlungen hochzuspielen?
Dr. Dollinger; Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen: Wenn ich Sie recht verstehe, meinen Sie also eine Art Kostenersatz. Das ist eine Frage, über die man selbstverständlich diskutieren kann. Man muß nur überlegen, welche Folgen dann für die Behandlung Deutschlands im Rahmen der internationalen Postgremien — Weltpostverein und UIT — eintreten können.
Herr Abgeordneter Biechele!
Würden sich nach Ihrer Auffassung, Herr Minister, bei Erfüllung der Zahlungsforderungen der SBZ Konsequenzen im Hinblick auf die internationale Anerkennung der Zone ergeben?
Betrachtet man die Unterlagen der Zone, so ist festzustellen, daß man dort von der Dreistaatentheorie ausgeht. Eine Rechnung ist an Berlin und eine an die Bundesrepublik gerichtet, wobei das Schreiben oder die Rechnung an das Posttechnische Zentralamt in Darmstadt, Auslandsdienst, gerichtet ist. Es ist vermerkt — ich zitiere noch einmal —: „Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage der international festgelegten Abrechnungsgrundsätze." Bisher ist Deutschland im Weltpostverein und in der UIT, also der Internationalen Union für Telephon und Telegraphie, insgesamt — beim Weltpostverein unter dem Wort „Allemagne" — vertreten. Es heißt also nicht „Bundesrepublik" . Deutschland wird dort insgesamt durch die Bundesrepublik Deutschland vertreten. Wenn eine Abrechnung nach
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5253
Bundesminister Dr. Dollingerinternationalen Grundsätzen erfolgte, würde — davon bin ich überzeugt — die Zone die Versuche erneuern, die zuletzt in Wien 1964 und in Montreux 1965 gemacht worden sind: in die beiden Gremien aufgenommen zu werden. Ich darf darauf hinweisen, daß es sich bei beiden internationalen Organisationen um Untergliederungen der Vereinten Nationen handelt. Die Zone könnte mit dieser Form der internationalen Abrechnung den Versuch unternehmen, in die internationalen Gremien aufgenommen zu werden, was dann ohne Zweifel natürlich auch internationale Anerkennung bedeuten würde.
Herr Biechele!
Kann also angenommen werden, Herr Minister, daß alle Ihre Überlegungen davon bestimmt sind, daß die Zone in diesem Zusammenhang nicht in irgendeiner Weise staats- und völkerrechtlich aufgewertet wird?
Unter diesen Aspekten, Herr Kollege Biechele, sind meine Überlegungen nicht primär vom Finanziellen bestimmt, sondern von der Frage, welche staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Konsequenzen sich aus einer Abrechnung nach internationalen Maßstäben ergeben können.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Burger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den seit 1957 geplanten und oft in Aussicht gestellten, von Wirtschaft und Bevölkerung dringend erwünschten Neubau eines Fernmeldeamtes in Emmendingen insoweit zu fördern, daß sie auf die Verhandlungsbereitschaft der OPD Freiburg einwirkt, um die derzeit offensichtlich wegen der Einhaltung von Bauvorschriften gescheiterten Verhandlungen wieder in Gang zu bringen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 5. Juni 1967 lautet:
Ihre Frage darf ich wie folgt beantworten. Es ist nicht notwendig, im Falle des neuen Fernmeldedienstgebäudes in Emmendingen auf die Verhandlungsbereitschaft der Oberpostdirektion Freiburg einzuwirken, da die Ursachen für die Verzögerung der Baumaßnahmen nicht bei der Deutschen Bundespost liegen. Am 31. Mai d. J. konnte nunmehr mit der Stadt Emmendingen eine Einigung erzielt werden. Schwierigkeiten bestehen zur Zeit noch wegen des Bauwiches mit einem Grundstücksnachbarn. Aber auch hier deutet sich eine Lösung an. Sollte sich diese Hoffnung erfüllen, dann könnte noch in diesem Jahre mit dem Bau des neuen Fernmeldedienstgebäudes begonnen werden. 200 000 DM stehen für dieses Bauvorhaben für 1967 zur Verfügung.
Sind die Presseberichte von der 20. Jahrestagung der Vereinigung Nordwestdeutscher Orthopäden zutreffend, wonach rund 42 0/o aller Schulkinder bereits an leichten und 33 % an erheblichen Haltungsschäden leiden?
Bitte, Frau Bundesminister!
Herr Kollege, ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Die angegebenen Zahlen können nicht auf alle Schulkinder in der Bundesrepublik Deutschland bezogen werden. Sie stützen sich auf die Untersuchung
von je 100 Jungen und Mädchen im 1., 5. und 8. Schuljahr. Die bei insgesamt 600 Schulkindern erhobenen Befunde kann man nicht unbedingt als repräsentativ für die rund 7 Millionen Schüler in der Bundesrepublik betrachten.
Die angegebenen Zahlen sind bei der erwähnten Tagung für Haltungsschwäche genannt worden, aber die Begriffe Haltungsschwäche und Haltungsschäden werden nicht einheitlich ausgelegt. Ausführlich wird hierüber in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage über die Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland berichtet werden.
Eine Zusatzfrage!
Frau Minister, sind der Bundesregierung andere Erhebungen — etwa größeren Umfanges — über Haltungsschwächen und Haltungsschäden bekannt als die genannten?
Herr Kollege, ich könnte nur vorab einige Beispiele zitieren. Ich habe vorsorglich solche Beispiele dabei. In Baden-Württemberg wurden z. B. 1963 von rund 120 000 Schulanfängern rund 6 % für das Sonderturnen ausersehen, offenbar wegen fehlerhafter Haltung. In Berlin diagnostizierte man 1965 unter den Schulanfängern Haltungsschäden bei 10 % der Jungen und 9 % der Mädchen. In Hamburg wiesen 1966 von rund 25 000 Schulanfängern 7 % schwere Haltungsschäden und 11,4 % Haltungsfehler auf. Die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung haltungsgefährdeter Kinder und Jugendlicher schreibt in ihrem Tätigkeitsbericht vom 28. Dezember 1966, daß im Durchschnitt 20 % aller einzuschulenden Kinder als haltungsschwach bezeichnet werden können. Nach den Angaben der Arbeitsgemeinschaft brauchen rund 30 % aller Schüler eine zielgerichtete, genau dosierte Förderung ihrer körperlichen Entwicklung.
Hat die Bundesregierung besondere Vorschläge, um zu einer möglichst exakten Übersicht über die Situation zu kommen?
Die Bundesregierung hat sich unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für die Wahrnehmung der Schulgesundheitspflege bemüht, zu einer Vereinheitlichung der schulärztlichen Praxis beizutragen, da nach unserer Meinung nur auf diese Weise verläßliche Unterlagen über den Gesundheitszustand der Schuljugend zu erwarten sind. Diesem Zweck dient eine Veröffentlichung in der Schriftenreihe des Bundesgesundheitsministeriums, „Leitfaden für den Schularzt", die im Auftrag der Deutschen Vereinigung für die Gesundheitsfürsorge des Kindesalters und des Bundes der Deutschen Medizinalbeamten erarbeitet worden ist.Die besonderen Probleme der Haltungsbeurteilung wurden von der schon erwähnten Arbeitsgemeinschaft in einer u. a. vom Bundesministerium für
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5254 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundesminister Frau StrobelGesundheitswesen geförderten Veröffentlichung behandelt. Voraussetzung für die Betreuung haltungsschwacher Schulkinder ist eine ausreichende Zahl von für diese besondere Aufgabe geschulten Lehrern. Hierfür hat diese Arbeitsgemeinschaft ein Schulungsprogramm entwickelt, das nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1967 sowohl vom Bundesministerium für Familienfragen als auch vom Bundesgesundheitsministerium einvernehmlich gefördert werden wird.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.
Frau Ministerin, würden Sie bei der Behandlung dieser Frage Ihre Aufmerksamkeit auch auf die vorschulpflichtigen Kinder lenken, da bei diesen ja auch schon Haltungsschäden festgestellt worden sind, und sehen Sie eine Möglichkeit, vielleicht in einem Übereinkommen mit den Ländern zu erreichen, daß in die Ausbildung der Kindergärtnerin eine entsprechende Ergänzung der Leibeserziehung aufgenommen wird?
Frau Kollegin, in diesen Vereinbarungen mit der Arbeitsgemeinschaft ist vorgesehen, daß nicht nur für die Lehrer, sondern auch für die Kindergärtnerinnen diese Ausbildung erfolgen soll.
Keine weitere Frage. Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt auf: -
Ist die Bundesregierung bereit, den auf der 20. Jahrestagung der Vereinigung Nordwestdeutscher Orthopäden genannten Vorschlag zu unterstützen, zur Verhütung des zunehmenden Haltungsverfalls in den Schulen Pausen von mindestens 10 Minuten Dauer nach je 50 Minuten Unterricht, Streichung aller Doppelstunden, eine tägliche Turnstunde und obligatorisches Schwimmen auch für Landkinder einzuführen?
Bitte, Frau Ministerin!
Die Bundesregierung ist bereit, alle Bestrebungen zu unterstützen, die geeignet sind, die Gesundheit der Schuljugend zu fördern. Es steht außer Frage, daß die Schulträger noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um der dringenden Notwendigkeit einer wirksamen Haltungspflege in den Schulen gerecht zu werden. Die erforderlichen Maßnahmen werden sich einerseits auf die Unterrichtsgestaltung, andererseits aber auch auf die Schaffung der nötigen Einrichtungen für Turnunterricht, Leibesübungen und Schwimmunterricht beziehen müssen. Aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern werden im Rahmen der Sportförderung über die Länder solche Sportstätten auch in den Schulen gefördert.
Unbeschadet der Verantwortung, die der Schule für die Gesundheit der Jugend zukommt, bin ich allerdings der Meinung, daß auch das Elternhaus aus sachlichen wie aus grundsätzlichen Erwägungen berufen ist, in eigener Verantwortung für die gesunde Entwicklung der Jugend Sorge zu tragen.
Frau Minister, ich möchte Sie fragen, ob Ihr Haus bereit ist, mit den zuständigen Länderministern weiterhin über eine Verbesserung dieser Situation zu verhandeln, zumal auch der Deutsche Ärztetag in Garmisch-Partenkirchen jetzt auf diese besondere Situation hingewiesen und einen regelmäßigen und intensiven Turnunterricht für die Schuljugend gefordert hat.
Herr Kollege Schmidt, in der dritten Juniwoche, in der auch der Bundestag in Berlin ist, findet in Berlin eine Konferenz der für die Gesundheitspolitik zuständigen Länderminister statt, an der ich teilnehme. Ich bin gern bereit, um eine Ergänzung der Tagesordnung zu bitten, damit auch dieses Problem wieder in dieser Konferenz behandelt wird und damit sich sowohl die Ländergesundheitsminister als auch das -Bundesgesundheitsministerium in dieser Frage wieder mit den Kultusministerien in Verbindung setzen.
Herr Abgeordneter Schmidt!
Haben Sie die Absicht, die bereits genannten und begonnenen Aufklärungsaktionen zu intensivieren und auch gegenüber der Elternschaft fortzusetzen, damit auch von dieser Seite eine Mitarbeit und ein wirkungsvolles Ergebnis erzielt werden?
Sie haben völlig recht. Die Konsequenz meines Hinweises auf die Verantwortlichkeit des Elternhauses ist es natürlich, daß wir uns auch bemühen, das Elternhaus darüber zu unterrichten, was notwendig ist und was vom Elternhaus her geschehen kann. Sobald dieser Haushalt verabschiedet ist, werden wir in Zusammenarbeit mit der zu schaffenden Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in
. Köln das diesbezügliche Programm weiter ausbauen.
Es wird keine weitere Frage gestellt.
Damit kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe zunächst die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Trifft es zu, daß die Tuch- und Kleiderstoffindustrie darum nachgesucht hat, die Bundesregierung möge bei der EWG-Kommission gemäß Artikel 226 EWG-Vertrag einen Antrag stellen, in dem um die Genehmigung zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen gegenüber Einfuhren aus Prato gebeten wird?
Bitte, Herr Staatssekretär zur Beantwortung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Kollege, dies trifft zu. Der Verband der deutschen Tuch- und Kleiderstoffindustrie hat am 16. Februar darum ersucht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5255
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung es abgelehnt hat, den in Frage 112 erwähnten Antrag zu stellen, obwohl seitens der holländischen und belgischen Regierung derartige Anträge gestellt worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, dies trifft nicht zu. Über diesen Antrag der holländischen und der belgischen Regierung ,an die EWG-Kommission ist bisher weder bejahend noch verneinend entschieden worden. Ein Antrag der Bundesregierung auf Anwendung des Art. 226 des EWG-Vertrags setzt nämlich ein spezifiziertes Anpassungsprogramm der betreffenden Industrie voraus, das geeignet sein muß, die aufgetretenen Schwierigkeiten während der Dauer der Schutzmaßnahmen zu beheben.
Dem Verband der deutschen Tuch- und Kleiderstoffindustrie scheint jedoch eine andere zeitliche Reihenfolge vorzuschweben: nämlich erst ein Einfuhrschutz, dann das Anpassungsprogramm. Die Bundesregierung sieht sich daher schon aus diesem Grunde nicht in der Lage, bei der EWG-Kommission uni entsprechende Schutzmaßnahmen gegenüber Italien, also einem EWG-Mitgliedstaat, nachzusuchen. Im übrigen ist noch offen, wie die Kommission über den entsprechenden Benelux-Antrag vom 5. Dezember 1966 entscheiden wird.
Ist Ihre Frage 114 Herr Abgeordneter, die lautet:
Ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß die in Frage 112 erwähnte betroffene Industrie den Eindruck gewinnen muß, ihre Interessen würden von der Bundesregierung mit weniger Nachdruck vertreten als die Interessen der Industrien in den beiden Nachbarländern, da sie sich lange vor Abschluß des EWG-Vertrages bemüht hat, eine Begrenzung der Prato-Einfuhren zu erreichen?
damit bereits beantwortet, oder ist noch eine zusätzliche Antwort notwendig?
Die Frage ist beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 115 des Abgeordneten Franke auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auch anderen Gebieten in der Bundesrepublik, vornehmlich Westniedersachsen und dem Salzgitter-Gebiet, wo ähnliche Probleme — allerdings nicht in dieser Größenordnung — wie im Ruhrgebiet vorliegen, zu helfen, nachdem das Wirtschaftskabinett der Bundesregierung in den nächsten Tagen über die Probleme im Zusammenhang mit der „Senkung der Kohleförderung und der Ansiedlung neuer Industrien im Ruhrgebiet" beraten wird?
Ist der Fragesteller im Saal? — Ja. Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen genannten Gebiete, Herr Kollege, werden im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung bereits seit langem gefördert. Die Mehrzahl der Kreise Westniedersachsens sind Bundesausbaugebiet, der Raum Salzgitter gehört zum Zonenrandgebiet.
In diesen Gebieten werden Investitionskredite gewährt, die infolge ihres niedrigen Zinssatzes zumindest im gleichen Maße Investitionsanreize vermitteln, wie es bei den geplanten Hilfen für die Ansiedlung neuer Industrien im Ruhr- und Saargebiet zu erwarten ist. Hinzu kommen Bundeshilfen für die Erschließung von Industriegelände und für den Ausbau der Infrastruktur, die nur im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten gewährt werden.
Die Ansiedlung von Ersatzindustrien in den Steinkohlenbergbaugebieten wird zeitlich begrenzt mit dem Ziel gefördert, die aus dem Bergbau entlassenen Arbeitskräfte so schnell wie möglich in neue Arbeitsplätze zu vermitteln. Die dafür geplanten Bundeshilfen werden also nur vorübergehend zur Verfügung stehen.
Demgegenüber sieht die Bundesregierung in der Steigerung der Wirtschaftskraft in den von Ihnen bezeichneten Räumen eine Aufgabe auf längere Sicht. Sie wird deshalb die Förderung des Zonenrandgebiets und der Bundesausbaugebiete mit aller Kraft fortführen und nach Möglichkeit noch steigern.
Eine Zusatzfrage? —Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß alle diese Maßnahmen nicht ausgereicht haben, z.. B. allein aus einem einzigen Regierungsbezirk, nämlich Osnabrück, das Abwandern von 120 000 jungen arbeitsfähigen Menschen in andere Ballungsgebiete in den letzten zehn Jahren zu verhindern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, Herr Kollege, das ist der Bundesregierung bekannt. Lassen Sie mich darauf für die Zukunft wie folgt antworden. In der gegenwärtigen Konjunkturflaute ist Regional- und Strukturpolitik nur von begrenzter Wirksamkeit. Sie brauchen eine starke Investitionsneigung, um Investitionen räumlich kanalisieren zu können. Selbstverständlich müssen zur Zeit die Vorbereitungen getroffen werden, um auch diese langfristigen Anpassungsprobleme energischer anzupacken.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, das Salzgitter-Gebiet steht, wie Sie wissen — man formuliert es so —, auf einem Bein. Würden Sie auch für das Salzgitter-Gebiet versuchen — aber in verstärktem Maße —, wie im Ruhrgebiet vorübergehend noch eine zusätzliche Hilfe zu gewähren oder zumindest die Frage einer Hilfegewährung zu prüfen, weil dort eine ähnliche Lage gegeben ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für das Salzgittergebiet besteht ja gewissermaßen eine doppelte Verantwortlichkeit der Bundesregierung: erstens
Metadaten/Kopzeile:
5256 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndthandelt es sich um ein Zonenrandgebiet, zweitens ist dort der Sitz eines großen bundeseigenen Konzerns. Der Bundesschatzminister hat den Vorstand von Salzgitter aufgefordert, bis spätestens 15. Juni ein Programm für die Neuorganisierung dieses großen Unternehmens vorzunehmen.
— Ja, auch daran wird gearbeitet.
Ich rufe die Fragen 116 und 117 des Herrn Abgeordneten Dr. Giulini auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bei Ausschreibungen der Strojexport, Prag, auf Baumaschinen im Werte von 15 bis 25 Millionen DM deutschen Anbietern eine ähnliche finanzielle Hilfe und Absicherung zu geben wie andere europäische Industrieländer es tun?
Kann die Bundesregierung nachträglich im Einzelfall anbietenden Baumaschinenfirmen mit einer Verlängerung dieser in Frage 116 erwähnten Absicherung im Einzelfall helfen und damit den Weg freimachen für eine entsprechende Kreditgewährung der Ausfuhrkreditinstitute?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 2. Juni 1967 lautet:
Die Bundesregierung gewährt Bundesbürgschaften für Ausfuhrgeschäfte deutscher Exporteure nach der Tschechoslowakei mit maximal 6 Monaten Kreditlaufzeit. Die Bundesregierung ist aus politischen Erwägungen nicht in der Lage, Bürgschaften für Ausfuhrgeschäfte, auch nicht für Baumaschinenlieferungen, mit darüber hinausgehenden Kreditlaufzeiten einzuräumen. Mit der Tschechoslowakei ist bisher weder ein Handelsvertrag zustande gekommen, noch konnten Handelsvertretungen eingerichtet werden.
Ich rufe die Fragen 118, 119 und 120 des Herrn Abgeordneten Büttner auf:
Ist der Bundesregierung das Urteil des Amtsgerichtes München — Aktenzeichen 7 C 748/66 — vom 28. September 1966 und die Veröffentlichung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen Berlin vom 31. Dezember 1966, A 6934 B, 15. Jahrgang Nr. 12 Seite 251, betreffend Rechtsschutzversicherung rückständiger Erst- und Folgeprämien bekannt?
Wenn die Frage 118 bejaht wird, ist dann die Bundesregierung bereit, den Versicherungsgesellschaften über das Bundesaufsichtsamt zur Pflicht machen zu lassen, bei Abschluß von Rechtsschutzversicherungen den Versicherungsnehmern Klarheit über ihre rechtliche Position hinsichtlich der Verjährung von Zahlungsverpflichtungen zu verschaffen?
Besteht die Möglichkeit, die in Frage 119 aufgezeigte gesetzliche Lücke zu schließen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 1. Juni 1967 lauten:
1. Der Bundesregierung ist das Urteil des Amtsgerichts München vom 28. September 1966 — Az.: 7 C 748/66 — nicht bekannt. Das Urteil, das nach telefonischer Auskunft des Amtsgerichts München nicht rechtskräftig ist, konnte wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit auch nicht beschafft werden.
Dagegen liegt der Bundesregierung die in Ihrer Frage genannte Veröffentlichung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs_ und Bausparwesen betr. die Rechtsschutzversicherung vor.
2. Das Versicherungsvertragsrecht und die Versicherungsbedingungen enthalten zahlreiche Vorschriften zum Schutze der Versicherten. Diese Bestimmungen, zu denen auch die Fristen für die gerichtliche Geltendmachung der Erst- und Folgeprämien gehören, sind zu vielfältig, als daß den Versicherungsnehmern, die nicht bereits ausreichende Rechtskenntnisse haben oder sich selbst um die Erfassung der Rechtslage bemühen, bei Abschluß des Vertrages wirklich Kenntnis ihrer Rechte im einzelnen verschafft werden könnte. Hinzu kommt, daß auch eine Erläuterung der Rechtslage gewisse Rechtskenntnisse bei den Versicherungsnehmern voraussetzt, die häufig nicht vorhanden sein werden.
Das nach meiner Auffassung wirksamste Mittel, Mißstände der in den Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts genannten Art zu verhindern oder zu beseitigen, besteht darin, daß das Bundesaufsichsamt entsprechend seiner gesetzlichen Aufgabe wie im vorliegenden Fall einschreitet, wenn ihm aus Eingaben von Versicherungsnehmern oder aus sonstigen Quellen ein unseriöses Geschäftsgebaren einzelner Versicherer bekannt wird. Den Versicherungsnehmern ist die Möglichkeit, sich an das Bundesaufsichtsamt zu wenden, auch hinreichend bekannt. Dies ergibt sich aus der starken Inanspruchnahme des Bundesaufsichtsamts mit Anfragen und Beschwerden. So wurden 1965 2933 (2254) Anfragen gestellt und 4901 (4518) Beschwerden an das Amt erhoben.
3. Da die Aufsichtsfunktion des Bundesaufsichtsamts und der übrigen Versicherungsaufsichtsbehörden auf dem in Rede stehenden Gebiet nicht eingeschränkt ist, dürfte eine gesetzliche Lücke nicht bestehen.
Ich rufe die Fragen 121, 122 und 123 des Herrn Abgeordneten Richarts auf:
Nach welchen Kriterien werden Bundesausbauorte bestimmt?
Welche Vorteile sind mit der Anerkennung als Bundesausbauort verbunden?
Weswegen wurde Wittlich-Wengerohr nicht als Bundesausbauort anerkannt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 124 des Herrn Kohlberger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit allem Nachdruck auf die Beseitigung der vielfach vorhandenen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Textilmarkt — z. B. staatliche Unterstützung durch Subventionen, steuerlicher Grenzausgleich, starke Begrenzung von Hongkong-Einfuhren durch die EWG-Partner, manipulierte Preise bei Ostblockeinfuhren und Niedrigpreisländern — zu drängen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist bereit, sich mit Nachdruck für die Beseitigung ernstlicher Wettbewerbsverzerrungen einzusetzen, wenn feststeht, daß die Wettbewerbsunterschiede nicht auf Standortvorteilen, sondern auf in unzulässiger Weise subventionierten oder manipulierten Preisen beruhen.
Den von Ihnen angesprochenen Einfuhren aus Niedrigpreis- und Staatshandelsländern sind bereits dadurch Grenzen gesetzt worden, daß viele Textilien — nach den mit Hongkong getroffenen Selbstbeschränkungsvereinbarungen auch die aus Hongkong stammenden Textilien — einer Einfuhrgenehmigung bedürfen und kontingentiert sind. Das gilt insbesondere auch für die Ostblockländer, deren Ausfuhren in die Bundesrepublik bisher nicht einmal 1 % der Gesamteinfuhren an Textilerzeugnissen erreichten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kohlberger.
Herr Staatssekretär, ist die Regierung mit mir der Meinung, daß die ausgedehnte Kurzarbeit im Bereich der Textilwirtschaft nicht nur eine Frage der allgemein abgeschwächten Konjunktur, sondern auch wesentlich durch die Wettbewerbsverzerrungen verursacht ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeord-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5257
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtneter Kohlberger, es ist in einem so überwiegenden Maße eine Frage der Konjunkturschwäche, daß alle Initiative auf die Beseitigung dieses Krisenherdes gerichtet werden muß. Darüber sind wir uns mit der Textilindustrie einig.
Herr Abgeordneter Ott!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß zwar die Importe aus Hongkong etwas nachgelassen haben, daß aber an deren Stelle nunmehr die Importe über Macao in unser Land kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Ott, mir ist vor allem bekannt, daß seit Mitte vorigen Jahres die Einfuhren an Textilerzeugnissen und Textilvorerzeugnissen rückläufig und im ganzen Baumwollbereich viel stärker rückläufig sind als die heimische Produktion.
Hrrr Abgeordneter Ott zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im gestrigen Handelsblatt darauf hingewiesen wird, daß die Gewebeeinfuhr aus den asiatischen Niedrigpreisländern auf 26,9 Millionen DM gegenüber früher 24,8 Millionen DM und aus den Staatshandelsländern auf 11,8 Millionen DM gegenüber bisher 7,9 Millionen DM angewachsen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde diese Zahlen prüfen lassen, Herr Kollege.
Handelsblatt vom 6. Juni!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke sehr.
Dazu keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage 125 des Herrn Abgeordneten Kohlberger auf:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, daß durch den immer stärker werdenden passiven Veredelungsverkehr mit den die Löhne staatlich dirigierenden Ostblockländern die Arbeitsplätze in der Textilwirtschaft immer stärker gefährdet werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesregierung läßt Veredlungsverkehr nur unter bestimmten Bedingungen und in sehr begrenztem Ausmaß zu. Überdies kommen in aller Regel nur deutsche Vorerzeugnisse zur Verarbeitung.
Im vergangenen Jahr belief sich die Einfuhr derartiger Waren aus passiven Lohnveredlungsgeschäften mit dem Ostblock auf 4,9 Millonen DM. Der Umsatz der deutschen Bekleidungsindustrie hat 'im gleichen Zeitraum rund 12 600 Millionen DM betragen. Bei dieser Situation glaubt die Bundesregierung es verantworten zu können, das . bisherige Veredlungsverfahren in diesem Umfang beizubehalten.
Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 126 des Herrn Abgeordneten Kohlberger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, einer modernen und leistungsfähigen deutschen Textilwirtschaft für die Zukunft einen festen Platz in der Volkswirtschaft einzuräumen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist selbstverständlich an einer modernen und international wettbewerbsfähigen Textilwirtschaft interessiert. Sie wird alles tun, um die Weiterentwicklung — es hat schon viel an Entwicklung stattgefunden — dieser Industrie nach allen Kräften zu fördern.
Keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage 127 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird auch nicht übernommen. Sie wird schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 128 und 129.
Ich rufe die Frage 130 des Abgeordneten Diebäcker auf. Ist der Abgeordnete anwesend? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird nicht übernommen. Sie wird schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für die beiden nächsten Fragen des Abgeordneten Diebäcker, die Fragen 131 und 132.
Ich rufe die Frage 133 des Herrn Abgeordneten Brück auf:
Wie ist die Haltung der Bundesregierung zu den französischen Forderungen, die auf Grund des Saarvertrags bestehenden Abnahmeverpflichtungen Frankreichs für Saarkohle zu vermindern?
Herr Staatssekretär, bitte zur Antwort!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die französische Regierung ist bisher nicht an die Bundesregierung mit dem Wunsch herangetreten, die auf Grund des Saarvertrages bestehenden Abnahmeverpflichtungen Frankreichs für Saarkohle zu vermindern. Auf Wunsch der französischen Regierung hat dagegen eine Expertenkommission eine Bestandsaufnahme der Absatzbedingungen für die gesamte Saarkohle durchgeführt. Beide Seiten waren sich darüber einig, daß es sich hierbei um einen wertungsfreien Bericht handeln solle. Bei den Gesprächen hat die französische Seite wiederholt erklärt, daß sie den Saarvertrag nicht in Frage stellen wolle.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück .
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich dann, daß der französische Industrieminister Guichard in Paris offiziell mitgeteilt hat, daß Frankreich mit der Bundesregierung über
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5258 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Brück
eine Reduzierung der Kohlelieferung von der Saar nach Frankreich verhandeln werde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Falls Herr Minister Guichard eine derartige Äußerung getan hat, könnte sie nur als Ankündigung für eine denkbare französische Initiative in dieser Richtung verstanden werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Liegt in der Bestandsaufnahme nicht doch die Gefahr, daß Frankreich daran denkt, den Saarvertrag in dieser Hinsicht zu kündigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, niemand kann den Wunsch einer befreundeten und in diesem Falle des Saarvertrages besonders eng mit uns zusammenwirkenden Regierung nach einer Bestandsaufnahme ablehnen.
Ich rufe die Frage 134 des Abgeordneten Haehser auf:
Hat die Bundesregierung Vorschläge sorgfältig geprüft, nach denen die Trümmer des ehemaligen Westwalls mittels einer Schwingereinheit schneller und weitaus billiger beseitigt werden können als nach der bisher üblichen Methode?
Sie wird vom Abgeordneten Hübner übernommen.
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, für die technische Brauchbarkeit des Vorschlags, Schwingungserzeuger für die Beseitigung des ehemaligen Westwalls einzusetzen, liegen bisher keine keine praktischen Erfahrungen vor. Das an diesem Vorschlag interessierte Unternehmen hat selbst eingeräumt, daß es sich um ein schwieriges technisches Problem handle und daß die Entwicklungsarbeiten eine lange Anlaufzeit erfordern würden.
Die Bundesregierung hat deshalb ein Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin-Dahlem eingeholt. Die Bundesanstalt ist zu dem Ergebnis gelangt, daß es nicht möglich sei, Betonmassiv-Bauwerke — um solche handelt es sich hier — mit Hilfe von Resonanzschwingungen so zu zerstören, daß Trümmerstücke von transportabler Größe entstehen.
Danach sind von der Anwendung des Vibrationsverfahrens voraussichtlich wirtschaftliche Vorteile nicht zu erwarten.
Damit ist dieser Geschäftsbereich erledigt. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung.
Ich rufe die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die auf Grund von § 139 h Abs. 1 der Gewerbeordnung erlassene „Bekanntmachung betr. die Einrichtung von Sitzgelegenheiten für Angestellte in offenen Verkaufsstellen" nicht in der Weise angewandt wird, wie es der Erhaltung des Gesundheitszustandes der Angestellten angemessen wäre?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, der in Frage 12 erwähnten Bekanntmachung im Sinne der Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Verkäufern und Verkäuferinnen in stärkerem Maße zur Durchsetzung zu verhelfen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
Staatssekretärs Kattenstroth vom 26. Mai 1967 lautet:
Die Bekanntmachung betreffend die Einrichtung von Sitzgelegenheiten für Angestellte in offenen Verkaufsstellen vom 28. November 1900 schreibt die Bereitstellung von Sitzgelegenheiten für die mit der Bedienung der Kundschaft beschäftigten Personen vor. Die Sitzgelegenheiten müssen so eingerichtet sein, daß sie auch während kürzerer Arbeitsunterbrechungen benutzt werden können. Die Benutzung der Sitzgelegenheiten muß den bezeichneten Personen während der Zeit, in welcher sie durch ihre Beschäftigung nicht daran gehindert sind, gestattet sein.
Die Überwachung der Durchführung dieser Bestimmungen obliegt den zuständigen Landesbehörden. Die Bundesregierung verkennt nicht, daß diese Überwachung im Hinblick auf die große Zahl der Verkaufsstellen und die begrenzte Zahl der zur Verfügung stehenden Aufsichtsbeamten schwierig ist. Ihr ist aber bekannt, daß die obersten Arbeitsbehörden der Länder von Zeit zu Zeit die Aufsichtsbehörden auf die Notwendigkeit der Überwachung dieser Vorschriften hinweisen. Die Bundesregierung möchte daher annehmen, daß die Bekanntmachung im allgemeinen in der Weise angewandt wird, wie es der Erhaltung des Gesundheitszustandes der Angestellten angemessen ist. Aus den Berichten der Gewerbeaufsichtsbehörden ergibt sich, daß Verstöße gegen die o. a. Vorschrift nur vereinzelt festgestellt werden mußten und jeweils sofort abgestellt werden konnten.
Die Angelegenheit wird auf die Tagesordnung der nächsten Arbeitsschutzkonferenz gesetzt werden mit dem Ziel, mit den Vertretern der obersten Arbeitsbehörden der Länder Möglichkeiten für eine noch wirksamere Durchführung der Vorschriften zu erörtern. Wenn Ihnen konkrete Beispiele für Verstöße oder Mißstände bekanntgeworden sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir darüber gelegentlich Näheres mitteilen würden.
Ich rufe die Frage 14 — des Abgeordneten Burger — auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die seit dem 1. Januar 1964 unveränderten Freibeträge für die Anrechnung der Leistungen von Kindern auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche als Einkommen bei der Berechnung der Elternrente nach dem BVG bei der durch das 3. NOG erforderlichen Änderung der Verordnung zu § 33 BVG wegen der in den vergangenen drei Jahren eingetretenen Einkommensänderungen angemessen zu erhöhen?
Ist der Abgeordnete anwesend? Ja.
Bitte, Herr Staatssekretär Kattenstroth zur Beantwortung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat über die Gestaltung der Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes noch keine Entscheidung getroffen. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich für die Bundesregierung noch keine verbindliche Auskunft darüber geben kann, ob oder wieweit eine etwaige Verbesserung der Freibeträge für die Anrechnung der Leistungen von Kindern auf Grund von Unterhaltsansprüchen beabsichtigt ist. Nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen werden auch auf diesem Gebiet gewisse Verbesserungen erwogen. Es bleibt allerdings noch zu prüfen, inwieweit dafür notwendige Mehraufwendungen durch die für das Dritte Neuordnungsgesetz bereitgestellten Mittel gedeckt sind.
Herr Abgeordneter Burger!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — III. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5259
Bedenkt die Bundesregierung, daß bei einer Nichtanhebung der Freibeträge die Gefahr besteht, daß die sehr bescheidenen Erhöhungen der Elternrenten dadurch unter Umständen wieder neutralisiert werden könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist gerade Gegenstand der Prüfung in den Ressorts.
Keine weitere Frage mehr.
Ich rufe die Frage 15 — des Herrn Abgeordneten Burger — auf:
Prüft die Bundesregierung die Möglichkeit — da bekanntlich die Prüfung der Unterhaltsfähigkeit von Kindern zur Berechnung der Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz viel Unruhe und erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt — einer vereinfachten Anrechnung unter Zugrundelegung der Durchschnittseinkommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der Berechnung der Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz können Unterhaltsleistungen der Kinder nur insoweit als Einkommen Berücksichtigung finden, als sie auf Grund eines bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruchs geleistet werden oder zu leisten wären. Der von Ihnen, Herr Abgeordneter, geäußerte Gedanke, bei der Festsetzung von Unterhaltsansprüchen von Durchschnittsverdiensten auszugehen, brächte sicher für die Praxis eine gewisser Erleichterung. Er würde sich jedoch mit den im bürgerlichen Recht üblichen Grundsätzen der Unterhaltsfestsetzung nicht vereinbaren lassen, da das bürgerliche Recht von tatsächlichen Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen ausgeht. Eine derartig einschneidende Regelung könnte zudem nicht durch die Verordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes getroffen werden, sondern müßte dem Gesetzgeber selbst vorbehalten bleiben.
Bei den vorbereitenden Arbeiten zum Dritten Neuordnungsgesetz wurde auch im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens für die Festsetzung von Unterhaltsansprüchen geprüft. Dabei zeigte sich jedoch, daß ein Abweichen von den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts bei. der Feststellung von Unterhaltsansprüchen nicht allein rechtliche Bedenken auslösen würde, sondern teilweise auch sehr unbillige Ergebnisse zur Folge hätte. Es wurde deshalb davon Abstand genommen, dem Parlament eine neue Regelung dieses Gegenstandes vorzuschlagen.
Übrigens wurden diese Probleme, Herr Abgeordneter, anläßlich der Beratungen des Dritten Neuordnungsgesetzes auch im Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden kurz erörtert.
Herr Abgeordneter Burger!
Herr Staatssekretär, würden die Erfahrungen der Bundesregierung bei der Festsetzung des Berufsschadensausgleichs, wo man auch von fiktiven Einkommen ausgeht, die Bundesregierung nicht ermutigen, denselben Weg auch bei der Berechnung dieser Unterhaltsleistungen zu gehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß dazu das Gesetz geändert werden müßte.
Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Staatssekretär darf ich fragen, wann die Prüfungen zu den in den Fragen 14 und 15 angesprochenen Problemen abgeschlossen sein werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Büttner, die Arbeiten stehen kurz vor dem Abschluß. Die Entwürfe müssen jedoch noch mit den einzelnen Ressorts abgestimmt werden, wie ich vorhin schon andeutete. Ich hoffe, daß sie in Bälde dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt werden können.
Was nun besonders die Verordnung zu § 33 betrifft, so muß ich feststellen, daß durch die Neugestaltung des Anrechnungssystems für die Ausgleichs- und Elternrenten eine Reihe von Umstellungen in der Verordnung notwendig wurden, die wegen ihres Umfangs etwas längere Zeit in Anspruch nahmen. Dies betrifft vor allem die Bewertung der Sachbezüge und der landwirtschaftlichen Einkommen.
Herr Abgeordneter Maucher!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht eine Möglichkeit, daß man in Zukunft grundsätzlich von der Anrechnung des Einkommens der noch lebenden Kinder absieht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich wage das zu bezweifeln. Aber es ist eine Entscheidung dieses Hohen Hauses.Die Frage ist im Zusammenhang mit Novellen und Neuordnungsgesetzen zum Bundesversorgungsgesetz wiederholt erörtert worden und hat auch den Kriegsopferausschuß in dieser und in früheren Legislaturperioden verschiedentlich beschäftigt. Sicher gibt es eine Reihe von Gründen, die für eine solche Maßnahme sprächen, z. B. die verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten bei der Festsetzung von Unterhaltsansprüchen. Trotzdem wurde es bisher stets als gerechtfertigt und notwendig angesehen, weiterhin an der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen festzuhalten.Die Elternrenten werden nach Bedürftigkeitsgrundsätzen gewährt, und für die Frage der Bedürftigkeit ist das Vorhandensein oder Nichtvorhan-
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5260 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Staatssekretär Kattenstrothdensein von Unterhaltsansprüchen von nicht geringer Bedeutung. Zudem sollte die Gewährung der Elternrenten nicht Anlaß sein, die noch lebenden Kinder ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Eltern zu entbinden. Auch die Elternrente selbst soll die durch den Tod des Kindes verlorengegangene Unterhaltmöglichkeit ersetzen.
Herr Abgeordneter Maucher!
Herr Staatssekretär, ist es richtig — ich beziehe mich auf das Organ der Versorgungsbeamten —, daß die Einsparungen, die sich durch die Anrechnung von Unterhaltsleistungen ergeben, geringer sind als die Verwaltungskosten, die dazu notwendig sind, zumal die Amtshilfe auf diesem Gebiet nicht mehr geleistet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß zugeben, Herr Abgeordneter, die Verwaltung wird durch die Prüfung dieser Frage sehr stark belastet. Leider verfügen wir aber über kein statistisches Material, daß uns genaue Feststellungen über die Verwaltungskosten ermöglicht, die für die Durchführung dieser speziellen Bestimmung erforderlich sind. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß die Verwaltungskosten höher sind als die erzielten Einsparungen. Der Verwaltungskostenaufwand wird bei Anrechnungsvorschriften im Vergleich zur finanziellen Auswirkung materiell-rechtlicher Vorschriften meist sehr überschätzt.
Die großzügige Gestaltung — das ist nun ein wesentlicher Punkt — der Freibeträge bei der Festsetzung der Unterhaltsansprüche nach § 16 der Verordnung zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes hat zudem für die Verwaltung bisher schon eine große Arbeitserleichterung erbracht.
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort darf ich wohl entnehmen, daß Sie in Verbindung mit den Ländern die Erleichterung der Verwaltungsarbeit, die sich ergeben könnte, nochmals prüfen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das tun wir laufend und werden wir in diesem speziellen Fall gerade auf Grund der gestellten Anfrage noch einmal tun.
Ihre dritte Frage war illegal, Herr Abgeordneter Maucher. Aber Sie haben mich überrannt.
-
Frau Kollegin Meermann!
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß zur Zeit bei der Bundesregierung keine Überlegungen darüber angestellt werden, in der Frage der Elternrente vom Bedürftigkeitsprinzip wegzukommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, Sie haben mich recht verstanden. Wir sind der Ansicht, daß dazu eine Änderung des Gesetzes erforderlich ist. Die Bundesregierung hat zur Zeit nicht die Absicht, den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Dritten Neuordnungsgesetz dem Hohen Hause vorzulegen.
Frau Meermann!
Herr Staatssekretär, sind das grundsätzliche Erwägungen oder finanzielle Erwägungen, die Sie im Augenblick davon abhalten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, ich möchte glauben, der letzte Grund ist der ausschlaggebende.
Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, wäre es angesichts der ganzen Sachlage und angesichts der inzwischen verflossenen Zeit und der — leider, muß man da sagen — immer geringer werdenden Zahl der Empfangsberechtigten nicht zweckmäßig, eine Gesetzesänderung anzustreben mit dem Ziel, eine Grundrente an alle zu zahlen, die dann jegliche Verwaltungsarbeit ersparen würde, und eine zusätzliche Ausgleichsrente an Eltern, deren Bedürftigkeit geprüft werden müßte, wie es dann auch gerecht wäre?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, das tun zu sollen.
Sie haben etwas viel in Ihre Frage hineingepackt, Herr Kollege Dröscher. Aber nun Ihre zweite Frage, bitte!
Vorausgesetzt, daß ich das bemerken darf: es ist wohl die Aufgabe des Fragestellers, möglichst viel hineinzubringen.
Die Frage ist: Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung auch bei einer Neuberatung des ganzen Stoffes von sich aus diesen Vorschlag nicht machen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach dem derzeitigen Stand der Beratungen würde die Bundesregierung einen solchen Vorschlag nicht machen. Welchen Vorschlag sie im nächsten Jahr oder in der nächsten Bundesregierung,
d. h. in der nächsten Legislaturperiode, machen. würde, das vermag ich heute selbstverständlich nicht zu sagen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5261
Falsche Zungenschläge sind auch erlaubt.
Ich rufe die Frage 16 — des Herrn Abgeordneten Riegel — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei einer technischen Überprüfung von Straßentankwagen in Düsseldorf ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz dieser Fahrzeuge wegen technischer Mängel stillgelegt werden mußte?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnte Überprüfung der Straßentankfahrzeuge ist von dem Arbeits- und Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen veranlaßt worden, das für die Durchführung der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung vom 18. Februar 1960 über brennbare Flüssigkeiten zu- ständig ist. Die Aktion war mehrere Monate vorher von den Gewerbeaufsichtsbehörden durch Anschläge in den Mineralölabfüllstellen sowie durch Handzettel angekündigt worden und fand im März 1967 im Raum Köln/Bonn statt. Sie diente der Feststellung, ob die Tankfahrzeuge nach den Bestimmungen der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten durch die Technischen Überwachungsvereine auf vorschriftsmäßigen Zustand geprüft waren. Dabei wurde festgestellt, daß bei etwa 10 % von rund 700 erfaßten Tankfahrzeugen die Prüfbescheinigungen, die nach § 18 Abs. 2 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten vorgeschrieben sind, nicht vorgewiesen werden konnten. Ferner wurden bei stichprobeweise vorgenommenen technischen Überprüfungen Mängel insbesondere an den Armaturen festgestellt.
Herr Abgeordneter
Riegel! -
Herr Staatssekretär, ich darf doch annehmen, daß Sie Verständnis dafür haben, daß ich mich zu wiederholten Malen in Fragestunden mit dieser Frage beschäftigt habe, zumal in meinem Wahlkreis ein Tanklastwagen explodiert ist, wobei zwei Menschen getötet und zwei bäuerliche Existenzen nahezu vernichtet wurden. Hat die Bundesregierung die Frage geprüft, ob die akkordsystemähnlichen Arbeitsbedingungen der Fahrer nicht wesentlich dazu beitragen, daß solche Unfälle geschehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, über die Frage von Maßnahmen gegen die Gewährung von Akkordlöhnen und Prämien für Berufskraftfahrer werden seit einiger Zeit Besprechungen mit den zuständigen Verbänden der privaten Wirtschaft und den Gewerkschaften geführt. Vor Abschluß . dieser Gespräche möchte sich die Bundesregierung, wie Sie verstehen werden, nicht endgültig zu dieser Frage äußern.
Bis wann glaubt die Bundesregierung ein Ergebnis mitteilen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich vermag diese Frage nicht zu beantworten. Wir werden uns bemühen, so schnell wie möglich zu einem Abschluß zu kommen. Ich werde Ihnen dann eine schriftliche Auskunft erteilen, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Fellermaier!
Herr Staatssekretär, würden Sie, wenn ich Sie darum bitte, in diese Auskunft auch die Beantwortung der Frage aufnehmen, ob bei ähnlichen Untersuchungen in den übrigen Teilen des Bundesgebietes ein ebenso hoher Prozentsatz von Tankfahrzeugen mit technischen Mängeln festgestellt worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dazu ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit.
Frage 17 des Abgeordneten Dröscher:
Was wird die Bundesregierung tun, um rechtzeitig dafür zu sorgen, daß die durch den Abzug alliierter Streitkräfte freiwerdenden deutschen Arbeitnehmer auch in solchen Räumen eine gleichwertige und den sozialen Status sichernde Beschäftigung bekommen, wo entsprechende Arbeitsplätze bei der Bundeswehr und Bedarf an gewerblichen Arbeitnehmern nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind.
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für den Fall, daß deutsche Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften in größerer Zahl entlassen werden sollten, wird es Aufgabe der Arbeitsämter sein, diese möglichst schnell in anderweitige entsprechende Arbeit zu vermitteln. Um mit den Vermittlungsbemühungen möglichst frühzeitig einsetzen zu können, stehen die Arbeitsämter ständig in engem Kontakt mit den Personalabteilungen der alliierten Streitkräfte.Für die anderweitige Unterbringung entlassener Arbeitnehmer werden, falls notwendig, Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme eingeleitet. Hierzu gehören -die Übernahme der Bewerbungskosten, der Reise- und Umzugskosten, der Arbeitsausrüstung sowie die Gewährung von Trennungsbeihilfen. Außerdem werden besondere berufliche Bildungsmaßnahmen durchgeführt. In allen solchen Fällen bieten auch die Leistungsverbesserungen, die mit dem Siebenten Änderungsgesetz zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit Wirkung vom 1. April 1967 eingeführt worden sind, eine wirksame Hilfe.Wenn es sich als notwendig oder zweckmäßig erweist, in bestimmten Gebieten Arbeitsplätze durch Ansiedlung neuer Betriebe oder Ausbau vorhandener Unternehmen zu schaffen, wird diese Aufgabe in
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5262 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Staatssekretär Kattenstrotherster Linie von den Ländern im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung übernommen. Die Bundesregierung stellt aber auch zur Förderung des Zonenrandgebietes, der Bundesausbaugebiete und der Bundesausbauorte seit Jahren erhebliche Mittel zur Verfügung. Für Betriebsansiedlungen oder den Ausbau vorhandener Betriebe können zinsgünstige Darlehen aus Mitteln des regionalen Förderungsprogrammes des Bundes gewährt werden. In besonderen Fällen wird auch für andere Gebiete, in denen durch größere Entlassungen von Arbeitskräften besondere Schwierigkeiten auftreten, in geeigneter Weise geholfen werden können.
Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, da es sich bei diesen Gebieten um Räume handelt, in denen bei größeren Entlassungen eine massierte Not entstehen würde, und da auch die Zahl der Betroffenen besonders hoch und die soziale Stellung der Betroffenen von einer besonderen Qualität ist, möchte ich Sie fragen: Wird dieser ganze jetzt bevorstehende Vorgang von seiten Ihres Ministeriums rechtzeitig beobachtet und erfaßt, und werden über die allgemeinen Maßnahmen, die Sie genannt haben, hinaus weitere gezielte Maßnahmen eingeleitet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, durch laufenden Kontakt mit den zuständigen Stellen der Stationierungsstreitkräfte ist sichergestellt, daß etwaige Entlassungsabsichten rechtzeitig der Bundesregierung und der Arbeitsverwaltung bekanntwerden. Soweit die Bundesregierung konkrete Fälle erfährt, wird sie sich nachdrücklich um die Lösung dieses Problems bemühen.
Herr Abgeordneter Dröscher!
Bleibt diese Aufgabe, Herr Staatssekretär, den regionalen Arbeitsämtern und der Länderarbeitsverwaltung überlassen, oder hat man angesichts der Größe der Aufgabe vielleicht eine besondere Arbeitsgruppe gebildet, die sich des Problems annehmen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine besondere Arbeitsgruppe der Bundesregierung ist dazu bisher nicht gebildet. Falls es sich als notwendig erweisen würde, wird sie selbstverständlich geschaffen werden. Die Ressorts stehen jedenfalls in enger Verbindung miteinander.
Frage 18 des Abgeordneten Dr. Enders:
Hält die Bundesregierung die Badekur eines Beschädigten für eine Maßnahme, die der Sicherung des Heilerfolges dient und der Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit vorbeugt?
Darf ich fragen, ob die Fragen 18 bis 20, die ja einen inneren Zusammenhang haben, zusammen beantwortet werden können.
Ich rufe auch die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck der Badekur diese in den engeren Bereich der Heilbehandlung einzubeziehen?
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß ein Unfall, den ein Beschädigter während einer ihm bewilligten Badekur erleidet, nicht unter den Unfallschutz fällt, weil gegenwärtig die Badekur keine Heilbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 BVG darstellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur ersten Frage: Ihre Frage kann ich ohne Einschränkung bejahen. Das Bundesversorgungsgesetz bestimmt in § 11 Abs. 2 eindeutig, daß Beschädigten eine Badekur gewährt werden kann, wenn sie notwendig ist, um den Heilerfolg zu sichern oder um einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
Zur zweiten Frage: Die Badekur ist bei der Neugliederung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung durch das Dritte Neuordnungsgesetz nicht in den Kreis der Leistungen der Heilbehandlung im engeren Sinne einbezogen worden, weil sie nicht wie diese als Rechtsanspruch; sondern lediglich als Kann-Leistung und auch nicht unbefristet gewährt werden kann. Ebensowenig können die Kosten für eine nach der Anerkennung von Schädigungsfolgen selbst durchgeführte Badekur erstattet werden.
In allen übrigen Beziehungen steht jedoch die Badekur den Leistungen der Heilbehandlung gleich. Eine völlige Gleichsetzung mit der eigentlichen Heilbehandlung entspräche nicht der Natur der Badekur als stationärer Behandlung in einem Badeort. Eine völlige Gleichsetzung wurde- deshalb bisher auch nicht in Betracht gezogen.
Zur dritten Frage: In § 1 Abs. 2 Buchstabe e ist der Begriff „Heilbehandlung" in einem umfassenderen Sinne gebraucht worden als in den Vorschriften der §§ 10 ff. des Bundesversorgungsgesetzes. Er schließt hier die Badekur ein. Unfälle auf dem Hin- und Rückweg zur Badekur oder bei der unmittelbaren Durchführung der stationären Behandlungsmaßnahmen am Badeort unterliegen daher dem Versorgungsschutz.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da nach Ihren Darlegungen anscheinend kein Unterschied im Erfolg einer Heilbehandlung für Schwerbeschädigte zwischen den engeren und den weiteren Heilmaßnahmen besteht, hat der im Gesetz vorhandene Unterschied nur für die Verwaltung Bedeutung. Ist dies im Sinne der Kriegsopferversorgung zu befürworten?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5263
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist nicht nur ein Unterschied für die Verwaltung. Es geht doch auch darum, daß die mit hohen Kosten gebauten Versorgungsanstalten voll besetzt sind.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind mit dieser Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung alle Überlegungen abgeschlossen, in Zukunft die Badekur für Beschädigte in die engeren Heilmaßnahmen der Kriegsopferversorgung einzubeziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, haben Sie einen Überblick über die Ausweitung hinsichtlich der Inanspruchnahme der .Badekuren seit dem Ersten Neuordnungsgesetz, nach dem praktisch der Einkommensausgleich gewährt wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bitte damit einverstanden zu sein, daß ich Ihnen diese Frage schriftlich beantworte.
Nun kommen wir wirklich zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Exner auf. Ist der Abgeordnete Exner anwesend? — Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Das gilt auch für die zweite Frage des Abgeordneten Exner, die Frage 22.
Frage 23 des Abgeordneten Wächter:
Womit begründet die Bundesregierung die Kürzung des „Transall"-Programmes?
Bitte, Herr Staatssekretär Adorno!
Herr Abgeordneter, ich würde mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gern Ihre drei Fragen gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller ist damit einverstanden. Ich rufe dann auch die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Wächter auf:
Hat die Bundesregierung rechtzeitig die durch die Kürzung des „Transall"-Programmes in Mitleidenschaft gezogenen Werke einschließlich ihrer Zulieferungsbetriebe von dieser Entwicklung in Kenntnis gesetzt?
Glaubt die Bundesregierung, daß durch die Kürzung des „Transall"-Programmes auch das Projekt des Mittelstreckenflugzeuges. V.F.W. als zivilen Verkehrsflugzeugs in Mitleidenschaft gezogen wird?
Herr Kollege, die Kürzung des „Transall"-Programms ist bisher nicht beschlossen worden. Die Bundesregierung hat dem Verteidigungsausschuß einen ersten Bericht gegeben. Vor einer endgültigen Beschlußfassung wird die Bundesregierung den Verteidigungsausschuß umfassend unterrichten.
Darauf möchte ich heute meine Antwort beschränken.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter.
Ist es zutreffend, Herr Staatssekretär, daß die Bundesrepublik auch im Falle einer Kürzung des Programms den vollen Preis bezahlen muß?
Herr Abgeordneter, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, ein Beschluß ist nicht gefaßt. Ich möchte mich daher zu meinem Bedauern auf die zuerst gegebene Antwort beschränken.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter.
Hat die Bundesregierung angesichts der Abhängigkeit der Flugzeugindustrie von Staatsaufträgen inzwischen schon konkrete Vorstellungen entwickelt, auf welche Weise die Beschäftigung dieses wichtigen Industriezweiges sichergestellt werden kann?
Herr Abgeordneter, alle damit zusammenhängenden Fragen werden eingehend geprüft, und der Verteidigungsausschuß wird umfassend unterrichtet.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wächter.
Darf ich aus Ihren Ausführungen unter Umständen schließen, daß die Flugzeugwerke im Landkreis Wesermarsch, die Werke Einswarden und Lemwerder, mit einer Beschäftigtenzahl von rund 4000 in ihrer Beschäftigungslage durch das ,,Transall"-Programm keine Beschränkung erfahren werden?
Alle diese Gesichtspunkte werden bei der Entscheidung gebührend berücksichtigt.
Dann rufe ich die nächste Frage auf, die Frage 26 des Abgeordneten Faller:Trifft es zu, daß auf dem NATO-Flugplatz Bremgarten künftig Verbände der Bundeswehr stationiert werden?Bitte, Herr Staatssekretär!
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5264 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Herr Kollege, der NATO-Flugplatz Bremgarten, auf dem zur Zeit ein Verband der französischen Luftwaffe stationiert ist, soll nach Mitteilung des französischen Verteidigungsministeriums bis Ende 1967 geräumt werden. Die Möglichkeiten einer anschließenden Nutzung durch die Luftwaffe werden gegenwärtig geprüft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Faller.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus entnehmen, .daß dann gleichzeitig auch geprüft wird, was mit dem dort jetzt gekündigten deutschen Personal geschieht?
Diese Frage steht in Zusammenhang mit Ihrer zweiten Frage. Darf ich dann auch diese Frage gleich beantworten?
Bitte! Dann rufe ich auch die Frage 27 des Abgeordneten Faller auf:
Ist damit zu rechnen, daß durch die in Frage 26 erwähnte Maßnahme die vorsorgliche Kündigung von rund 100 deutschen Zivilangestellten wieder rückgängig gemacht werden kann?
Die bei den französischen Stationierungsstreitkräften beschäftigten deutschen Arbeitnehmer werden zum Teil stufenweise mit dem Abrücken der französischen Einheiten entlassen. Den übrigen 50 Angestellten und 28 Arbeitern ist von der Bundesvermögensstelle vorsorglich zum 31. Dezember 1967 gekündigt worden.
Bei Stationierung eines Verbandes auf dem Flugplatz Bremgarten ist die Bundeswehr bereit, die gekündigten Zivilbediensteten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und des Bedarfs, der sich u. a. nach der heute noch nicht. bekannten Belegungsstärke richtet, einzustellen. Da bei Belegung des Flugplatzes durch die Bundeswehr jedoch zunächst bauliche Maßnahmen zur Instandsetzung durchzuführen wären, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein genauer Einstellungstermin nicht genannt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu Frage 28 des Abgeordneten Spitzmüller:
Ist ,der Bundesregierung bekannt, daß seit der Stationierung kanadischer Düsenjäger in Lahr die Lärmbelästigung durch tief- und tiefstfliegende Starfighter in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen hat?
Herr Abgeordneter Spitzmüller ist anwesend. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist bekannt, daß der hohe Einsatzbereitschaftsstand der Verbände der kanadischen Luftwaffe nur durch intensiven Flugbetrieb
erreicht und erhalten werden kann. Im vorliegenden Fall muß aber besonders darauf hingewiesen werden, daß die Endanfluggrundlinie des Flugplatzes Lahr parallel zur Bundesautobahn Karlsruhe—Basel verläuft und im Nahbereich des Flugplatzes die Autobahn an drei Stellen überschneidet.
Die Schwierigkeiten sind auch darauf zurückzuführen, daß seit der Stationierung kanadischer Düsenjäger in Lahr nicht mehr die von den Franzosen geflogenen F 100, sondern die F 104 eingesetzt werden.
Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Staatssekretär, können die zusätzlichen Lärmbelästigungen nicht auch darauf zurückzuführen sein, daß die kanadischen Luftstreitkräfte den französischen Luftraum nicht mehr berühren dürfen, wie das die Mirage-Flugzeuge der französischen Streitkräfte tun konnten?
Diese Frage kann ich nicht beantworten; ich lasse sie prüfen. In erster Linie werden die Lärmbelästigungen aber darauf zurückzuführen sein — wie ich schon ausführte —, daß die Endanfluggrundlinie parallel zur Bundesautobahn verläuft und diese dreimal überschneidet.
Frage 29 des Abgeordneten Spitzmüller:
Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, sicherzustellen, daß die kanadischen Düsenjägerpiloten die Vorschriften über die einzuhaltenden Flughöhen besser beachten?
Die kanadischen Flüge erfolgen in Ausübung des den Stationierungsstreitkräften vertraglich zugesicherten Rechts, im Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland zu fliegen und Übungen in dem Umfange durchzuführen, der zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe erforderlich ist; Art. 57 Abs. i und Art. 46 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut liegen hier zugrunde. Die Stationierungsstreitkräfte haben die deutschen gesetzlichen Vorschriften über die Flughöhe zu beachten; sie dürfen allerdings ebenso wie Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Polizei von diesen Vorschriften abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.Die Bundesregierung hat folgende Möglichkeiten, auf den Flugbetrieb der kanadischen Streitkräfte einzuwirken:a) Ein aus Vertretern des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministers für Verkehr bestehender Ausschuß koordinert die Interessen der zivilen und militärischen Luftfahrt. Von den deutschen militärischen Vertretern werden auch die militärischen Luftfahrtinteressen der Stationierungsstreitkräfte wahrgenommen, die darüber hinaus im Ausschuß ein eigenes Anhörungsrecht haben. Dieser
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5265
Parlamentarischer Staatssekretär Adornoauf Grund vertraglicher Vereinbarung — Art. 57 Abs. 7 des Zusatzabkommens — bestehende Ausschuß ist das für die Erörterung von Problemen der vorliegenden Art geeignete Gremium.b) Das Bundesministerium der Verteidigung hat ferner die Möglichkeit, die kanadischen Luftstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, d. h. die in Lahr stationierte erste kanadische Luftwaffendivision, direkt anzusprechen.c) Sollte die Bundesregierung der Angelegenheit besondere Bedeutung beimessen, kann auch eine Klärung auf diplomatischem Wege erfolgen.Die Bundesregierung hat bisher in derartigen Fällen je nach Sachlage die genannten Möglichkeiten ausgenutzt und wird dies erforderlichenfalls auch in Zukunft tun.
Frage 30 des Abgeordneten Spitzmüller:
Kann dem am Dienstag, dem 16. Mai 1967, beobachteten Tiefstflug von zwei kanadischen Düsenjägern längs der Autobahn Karlsruhe—Basel für den Ernstfall überhaupt eine solche Ausbildungsnotwendigkeit beigemessen werden, daß lebensgefährliche Schreckreaktionen von Autobahnbenutzern in Kauf zu nehmen sind?
Herr Kollege, gemäß Allied Airforce Central Europe — Low Flying Handbook — Teil Regulations, § 15, ist es allen Flugzeugen untersagt, im Tiefflug entlang von Autobahnen zu fliegen. Im vorliegenden Fall bedingt der Verlauf der Endanfluggrundlinie des Flugplatzes Lahr, wie schon ausgeführt, zusätzliche Schwierigkeiten. Nach § 6 der Luftverkehrs-Ordnung vom 10. August 1963 über Sicherheitsmindesthöhe darf diese nur unterschritten werden, soweit es bei Start und Landung notwendig ist. Die Bundesregierung wird auch künftig alles tun, um diese Schwierigkeiten möglichst gering zu halten.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, was ist von der Qualität der Luftüberwachung zu halten, wenn es in vielen Fällen nicht gelingt, zu tief fliegende Maschinen auszumachen und zu ermitteln?
Diese Frage steht im Zusammenhang mit einer anderen, die im Laufe dieser Fragestunde noch beantwortet werden wird. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß schon heute fast bei allen tiefst fliegenden Flugzeugen rechtzeitig erkannt werden kann, wann sie z. B. einen bestimmten Bereich berühren.
Keine weitere Frage. Frage 31 des Abgeordneten Hübner:
War es zum Zwecke des Trainings für den Ernstfall erforderlich, daß an die Angehörigen der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 302, Ellwangen, bei einer Alarmübung am 8. Mai 1967 für je zwei Mann ein lebendes Huhn als Verpflegung ausgegeben wurde?
Damit steht die Frage 32 des Abgeordneten Hübner im Zusammenhang:
Ist es zu billigen, daß der Kompaniechef in dem in Frage 31 erwähnten Fall seinen Befehl, daß jedes Team sein Huhn selbst zu schlachten habe, mit offensichtlichem Vergnügen überwachte und ,,aufmunternde" Worte für solche Soldaten aller Dienstgrade fand, die gegenüber der ungewöhnlichen Beschäftigung Hemmungen empfanden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 302 hat bei einer zweitägigen Gefechtsausbildung am 8. und 9. Mai 1967 lebende Hähnchen als Verpflegung ausgegeben. Die Übung war als Härteübung geplant und schloß als ein Ausbildungsvorhaben auch die „Ernährung aus der Natur" ein. Die Zubereitung der Hähnchen sollte durch die Soldaten selbst erfolgen. Das Schlachten wurde von Soldaten übernommen, die sich diese Tätigkeit zutrauten.
Vizepräsident Schoettle: Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht möglich, daß meine Nachricht stimmt, wonach von dem Chef der Kompanie überwacht worden ist, daß auf jeden Fall einer jener zwei Leute, denen ein Hähnchen zugeteilt wurde, beauftragt worden ist, die Schlachtung selbst durchzuführen, und zwar auch dann, wenn diese Leute vor Ekel oder Hemmung kaum dazu in der Lage waren?
Letzteres ist mir nicht bekannt. Aus der Meldung des zuständigen Divisionskommandeurs geht hervor — das zu Ihrer zweiten Frage, die im Zusammenhang mit Ihrer ersten Frage steht —, daß von einem „Vergnügen" des Kompaniechefs im Sinne der Fragestellung keine Rede sein kann.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, würden Sie demnach annehmen, daß sich der Augenzeuge und Teilnehmer, von dem ich diese Mitteilung persönlich übernommen habe, tatsächlich so sehr geirrt hat?
Ich gehe davon aus, daß Ihr Augenzeuge subjektiv diesen Eindruck gewonnen hat. Ich kann aber von hier aus nicht mehr dazu sagen als das, was der Divisionskommandeur selbst berichtet hat.
Herr Abgeordneter Schultz!
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß eine Maßnahme, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, gegen die „Würde" des Tiers verstößt?
5266 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode.— 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Herr Kollege Schultz, ich bin der Auffassung, daß in jedem Fall alle Gesichtspunkte berücksichtigt werden sollten, die in einem solchen Fall zu berücksichtigen sind.
Frage 33 des Abgeordneter Hübner:
Sind bei der in Frage 32 erwähnten Gefiedermetzelei die einschlägigen Bestimmungen über das Schlachten von Vieh beachtet worden?
Das Schlachten von Vieh wird in den Einzelkämpferlehrgängen der Kampftruppenschule I und in den Lehrgängen für das „Überleben von Notgelandeten" in der Luftlandeschule und Lufttransportschule mit in den Ausbildungsplänen berücksichtigt.
Der Kompaniechef der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 302 hat einen solchen Lehrgang besucht. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß die einschlägigen Bestimmungen beachtet wurden. Die Truppe wurde aber erneut angewiesen, daß Ausbildungsvorhaben dieser Art nur in den dafür vorgesehenen, oben genannten Schulen durchgeführt werden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Hübner.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß auch bei anderen Einheiten ähnliche Veranstaltungen durchgeführt worden sind?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege.
Noch eine Frage? Bitte!
Würden Sie dann bitte prüfen, ob es stimmt, daß z. B. bei der 3. Kompanie des Panzergrenadier-Bataillons 131 in Wetzlar an der Lahn eine gleiche Veranstaltung durchgeführt worden ist?
Herr Kollege, ich bin gern bereit, dies prüfen zu lassen.
Herr Abgeordneter Schultz!
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht in den Fragen, die hier gestellt worden sind, eine starke Beeinträchtigung der Ausbildung der Bundeswehr, so wie sie vom Bundesverteidigungsministerium für richtig gehalten wird, und ist Ihre Anweisung, daß solches nur in den dafür vorgesehenen Lehrgängen vorgenommen werden
kann, nicht ein. Zurückweichen vor der, sagen wir,
öffentlichen Meinung und deswegen zu verurteilen?
Ich bin nicht dieser Auffassung, Herr Kollege Schultz.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe Punkt II der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967
— Drucksachen V/1000, V/1235 —
Berichte des Haushaltsausschusses
Im Ältestenrat war ein Übereinkommen darüber erzielt worden, daß am Beginn dieser Beratung keine allgemeine Aussprache stattfinden sollte, sondern daß wir gleich in die Beratung der Einzelpläne eintreten sollten. So wird verfahren.
Ich rufe deshalb zunächst die Ziffer 1 auf:
hier: Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
— Drucksache V/1751 —
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Baier. Der Herr Berichterstatter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 01 — Bundespräsident und Bundespräsidialamt — bietet keinen Anlaß zu großer Debatte. Als Berichterstatter muß ich jedoch einen Hinweis zu den vom Haushaltsausschuß vorgenommenen Änderungen geben.Wesentlich ist der Tit. 301, Kosten aus Anlaß von Staatsbesuchen des Bundespräsidenten im Ausland. Bei den Beratungen im Haushaltsausschuß wurde der Ansatz von 3,3 Millionen DM auf 2,07 Millionen DM ermäßigt, also eine Einsparung von 1,23 Millionen DM vorgenommen. Dies geschah in diesem Jahr nicht zum erstenmal. Aber ich muß darauf hinweisen, weil in den letzten Tagen Presseveröffentlichungen mit einem Hauch von Sensation es so dargestellt haben, als würde der Haushaltsausschuß die Gelder für die Staatsbesuche des Bundespräsidenten streichen. Damit ist ein falscher Eindruck entstanden. Richtig ist vielmehr — und das wollte ich hier erklären —, daß ich als Berichterstatter im Haushaltsausschuß den Antrag auf Kürzung auf Hinweis und Empfehlung des Bundespräsidenten gestellt habe.Dies ist so zu erklären. Die Kostenvoranschläge für die Auslandsreisen werden vom Auswärtigen Amt sehr früh — in der Regel anderthalb Jahre vorher — aufgestellt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Reisen in allen Einzelheiten noch nicht zu überblicken.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5261
BaierZ. B. sind die Kosten für die Chartermaschine, die immer den Hauptbetrag der Unkosten ausmachen, nie vorher präzise anzugeben, weil nicht klar ist, ob die Maschine aus dem Liniendienst genommen werden muß oder nicht. Dadurch entsteht das Dilemma, daß ein echter Ansatz, der der Wirklichkeit nahekommt, überhaupt nicht möglich ist. So war es auch im vorliegenden Falle. Erst bei der unmittelbaren Planung, die selbstverständlich unter dem Gebot der Beachtung aller Sparsamkeitsregeln erfolgte, war eine präzise Festlegung möglich.Zu dem Sinn und der Bedeutung dieser Staatsbesuche im Ausland — die immer nur in Erwiderung auf Besuche von Staatsoberhäuptern in der Bundesrepublik erfolgen, und zwar im Einvernehmen zwischen der Bundesregierung und dem Bundespräsidenten — brauche ich hier wohl nicht zu sprechen. Wer die letzte Ostasienreise des Bundespräsidenten verfolgte, weiß, daß sie sehr bedeutungsvoll war und daß sie alles andere als ein Vergnügen für die Beteiligten darstellte.Der Haushaltsausschuß und die Bundesregierung werden eine Form suchen, die in Zukunft ungenaue Ansätze im Haushaltsvoranschlag vermeidet, welche zwangsläufig zu Fehlspekulationen in der Öffentlichkeit führen. Meine Ausführungen hier sollten dazu dienen, einen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit auszuräumen.
Ich eröffne die Aussprache über den Einzelplan 01. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 01 in der Fassung, die der Haushaltsausschuß vorlegt, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der Fraktion der FDP ist dieser Einzelplan angenommen.
Ich rufe nun auf:
hier: Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
— Drucksache V/1752 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Götz
— Der Berichterstatter verweist auf seinen Mündlichen Bericht, der in diesem Hause merkwürdigerweise schriftlich erteilt wird, ein Brauch, den ich, offen gestanden, nie verstanden habe.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Wer dem Einzelplan 02 in der vorgelegten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf
hier: Einzelplan 03 Bundesrat
— Drucksache V/1753 —
Berichterstatter: Abgeordneter Hauser
Verzichtet der Berichterstatter auf einen zusätzlichen mündlichen Bericht? — Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 03. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Einzelplan ist einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf
hier: Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes
— Drucksache V/1754 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring Abgeordneter Haase
Abgeordneter Baier
Der Herr Berichterstatter Dr. Conring verweist auf den Mündlichen Bericht. Ich nehme an, das gilt auch für seine Mitberichterstatter Haase und Baier. — Das ist der Fall.
Die Beratung des Einzelplans 04 soll mit der Beratung des Einzelplans 30 verbunden werden. Ich rufe daher zusätzlich auf
hier: Einzelplan 30
Geschäftsbereich des Bundesministers für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates
— Drucksache V/1775 — Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß in der gegenwärtigen Situation unserer Welt das Hohe Haus bei diesem Anlaß einige Worte des Bundeskanzlers erwartet. Die Große Koalition ist nun seit einem halben Jahr an der Arbeit. Sie war ein Wagnis für die beiden großen Parteien, die sich miteinander zur Bewältigung schwierigster Aufgaben verbunden haben. Aber ich glaube nach diesem halben Jahr sagen zu dürfen, daß der Entschluß, den die beiden Parteien damals gefaßt haben, durch die Entwicklung des vergangenen halben Jahres als richtig bestätigt worden ist.Wir haben in diesen vergangenen Monaten schon ein erhebliches Stück Arbeit miteinander geleistet. Ich will jetzt diese Gelegenheit nicht benützen, um einen Rechenschaftsbericht über diese Arbeit zu
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5268 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingergeben. Im Innern ist es ohne jeden Zweifel eine Aufgabe, an deren Erfüllung oder Nichterfüllung, an deren Gelingen oder Mißlingen die öffentliche Meinung in unserem Lande uns messen wird: es geht um die Frage, ob es uns gelingt, die öffentlichen Haushalte, vorab den Bundeshaushalt, in den kommenden Jahren in Ordnung zu bringen und in Ordnung zu halten. Wir haben gestern eine ganztägige Sitzung des Ausschusses für mittelfristige Finanzplanung unter meinem Vorsitz gehabt, und ich bin am Abend mit einiger Zuversicht nach Hause gegangen, weil es sich doch gezeigt hat, daß es uns gelingen kann, diese außerordentlich schwere Arbeit zu leisten.Das zweite ist die Aufgabe, unsere wirtschaftliche Entwicklung nach unseren besten Kräften so zu beeinflussen, daß die Hoffnungen erfüllt werden, die die breiten Schichten unseres Volkes an unsere Koalition knüpfen, d. h. daß es uns gelingt, die Arbeitsplätze zu sichern und eine stabile Währung zu bewahren. Auch dafür haben wir Entscheidendes getan.Meine Damen und Herren, ich habe in meiner Regierungserklärung schon darauf hingewiesen, daß die gesamte Arbeit, die wir im Innern zu vollbringen haben, nicht gesichert wäre, wenn es nicht gelingen würde, in der Welt den Frieden zu erhalten. Es war nicht vorauszusehen, daß schon bald nach jener Feststellung, von dem lange schwelenden Krisenherd in Vietnam abgesehen, unmittelbar vor den Toren Europas ein neuer großer Konflikt ausbrechen, ja, ein Krieg entstehen würde.In diesem Konflikt hat die Bundesregierung folgende Stellung eingenommen. Sie hat die Entwicklung des Konflikts mit tiefster Sorge verfolgt, und sie bedauert es aus tiefstem Herzen, daß es zum Ausbruch des Krieges im Nahen Osten gekommen ist. Sie setzt ihre Hoffnung darauf, daß es dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gelingen werde, die Einstellung der Kampfhandlungen zu veranlassen. Sie erwartet von den Großmächten, daß sie innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen ihren ganzen Einfluß geltend machen, um den Konflikt zu begrenzen und schnell zu beenden.
Es ist nicht anzunehmen, daß eine unmittelbare Gefährdung unserer eigenen Sicherheit eintritt. Aber der Ablauf des Konflikts wird starke Wirkung auf die weitere Entwicklung der Weltpolitik haben. Darüber sollten sich alle, insbesondere die großen Mächte, im klaren sein und nicht der Versuchung erliegen, um augenblicklicher Vorteile, scheinbarer Vorteile willen das größere und wichtigere Werk einer weltweiten Entspannungs- und Friedenspolitik zu gefährden.
Die Bundesregierung hat sich zu einer Politik der Nichteinmischung entschlossen, um einer Verschärfung des Konflikts vorzubeugen und sich eine Grundlage für ihre Mitwirkung an der Befriedung und positiven Entwicklung im Nahen Osten zu erhalten. Sie wird trotz des Konflikts versuchen, dieVerbindungen zu den Ländern jenes Raums aufrechtzuerhalten. Das gilt auch für die Gebiete der Wirtschaft und des Handels. Aber sie wird, dem Grundsatz der Nichteinmischung getreu, keine Waffen an die kriegführenden Parteien liefern und darüber wachen, daß dieser ihr Beschluß strikt beachtet wird.Die Bundesregierung kann und will aber deutsche Bürger nicht daran hindern, humanitäre Aufgaben in jenem Raum und auch in den Kampfgebieten zu erfüllen. Die Bundesregierung hat den Staatsangehörigen, die sich im Spannungsgebiet aufhalten, empfohlen, das Spannungsgebiet zu verlassen. Das Auswärtige Amt hat seit dem 24. Mai die für derartige Fälle vorgesehenen Planungen in Kraft gesetzt. Es hat im Zusammenwirken mit anderen Ressorts und insbesondere mit den deutschen Flug- und Schiffahrtsgesellschaften alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um deutschen Staatsangehörigen und dem deutschen Eigentum den größtmöglichen Schutz und, falls notwendig, die Möglichkeit der Evakuierung zu geben. Die schnell wechselnde Lage im Kampfgebiet macht es erforderlich, alle Planungen flexibel zu halten und gegebenenfalls schnelle Entschlüsse zu fassen. Die Bundesregierung steht in ständigen Konsultationen mit den befreundeten und verbündeten Mächten. Sie hat ferner die interessierten Regierungen über die deutsche Beurteilung der Lage und die von der Bundesregierung getroffenen politischen Entscheidungen eingehend unterrichtet.Meine Damen und Herren, ich halte es aber für notwendig, doch noch das folgende Wort in diesem Zusammenhang zu sagen. Auf dem Hintergrund der jüngsten Geschichte unseres Volkes ist es wahrhaft tragisch, daß die Machthaber im anderen Teil Deutschlands durch ein in jeder Weise unverantwortliches Verhalten den Konflikt zu schüren versuchen.
Sie tun dies offenbar nur, weil sie hoffen, im Elend und Grauen des Krieges, wenn die Einsichten durch Leidenschaften getrübt werden, einen Fetzen Anerkennung für ihr Regime erhalten zu können.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß sich die Regierungschefs der sechs in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinigten Länder in Rom versammelt haben, um des Tages zu gedenken, an dem vor 10 Jahren die Grundlage für die europäische Einigung in den Römischen Verträgen gelegt worden ist. Diese Zusammenkunft hatte sich vor allem drei Ziele vorgenommen. Das erste war die Fusion der Institutionen der drei europäischen Gemeinschaften. Das zweite war die Einleitung des Verfahrens über die Beitrittsanträge Großbritanniens, Irlands und Dänemarks. Das dritte hatte den europäischen politischen Zusammenschluß im Auge. Was die Fusion der Exekutiven anlangt, so wurde beschlossen, den Fusionsvertrag am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten zu lassen. Das klingt zwar einfach. Der Beschluß kam ohne Schwierigkeiten in Rom zustande. Aber er war wichtig genug. Er bezeichnete das Ende von Schwierigkeiten, die die Gemeinschaft seit dem Jahre 1965 belasteten.
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Bundeskanzler Dr. h. c. KiesingerInzwischen haben sich die Regierungen auch über die Person des Präsidenten der neuen, fusionierten Kommission geeinigt. Es ist Herr Rey, den ich auch in Ihrem Namen, meine Damen und Herren, zu seiner Wahl beglückwünschen und dem ich zugleich die besten Wünsche für die schweren, verantwortungsvollen Aufgaben aussprechen möchte, die in den nächsten Jahren zu bewältigen sein werden.
Sie werden verstehen, daß ich den Augenblick nicht vorübergehen lassen will, ohne jenem Mann ein ganz herzliches Wort des Dankes und des großen Respekts zu sagen, der sich nun schon so lange als Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, als ein großer Europäer um die europäische Einigung wie kaum ein anderer Verdienste gesammelt hat. Ich meine Professor Hallstein.
Was den Beitritt Großbritanniens, Irlands und Dänemarks angeht, so hatte ich schon in meiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 erklärt, daß wir eine Teilnahme dieser und anderer europäischer Länder an den europäischen Gemeinschaften begrüßen würden. Ich habe dasselbe in Rom vertreten. Sie wissen, daß in dieser Frage im Kreise der Sechs Meinungsverschiedenheiten bestehen. Diese Meinunngsverschiedenheiten erstrecken sich nicht nur auf Modalitäten der Verhandlungen und die Dauer dieser Verhandlungen, sondern auch darauf, welche Probleme auf die einzelnen Mitgliedstaaten zukommen und auf die Frage, welcher Einfluß durch den Beitritt anderer Länder, insbesondere Großbritanniens, auf die bisher bestehende Gemeinschaft und ihre zukünftige Entwicklung ausgeübt wird. Das alles konnte in Rom natürlich nicht ausdiskutiert werden. Aber wir wurden uns doch immerhin einig, und ich habe persönlich darauf gedrungen, daß diese Anträge auch unter diesem Gesichtspunkt innerhalb der Sechs geprüft und diskutiert werden müßten. Wenn ein Land, ein Mitglied der Sechsergemeinschaft, erhebliche Zweifel hegt, dann gibt es keinen anderen Weg als den, daß die übrigen Fünf, die diese Zweifel nicht haben, versuchen, in einer offenen und freimütigen und gründlichen Aussprache diese Zweifel zu zerstreuen. Das muß nun in den zukünftigen Verhandlungen geschehen. Der Erfolg in Rom lag darin, daß wir übereinkamen, daß keine Verzögerung eintreten solle und daß das Verfahren nach den Vorschriften des Artikels 237 des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und nach Artikel 205 des Euratom-Vertrages anlaufen solle. Das ist inzwischen geschehen. Die Verfahren sind — das wurde gestern in Brüssel beschlossen — im Gange.Meine Damen und Herren, diese Zusammenkunft der Sechs fand bereits im Schatten des Konflikts im Nahen Osten statt. Und wenn irgend etwas die Situation Europas grell beleuchten konnte, dann war es die Tatsache, daß Europa gegenüber diesem Konflikt, außer einzelnen Erklärungen einzelner Länder, nichts zu sagen hatte, daß sich wieder zeigte, daß in einem solchen Konflikt — so hat sich unsere Welt entwickelt — die großen Weltmächte — wennich einmal von der Organisation der Vereinten Nationen absehe — das Wort haben. Sie tragen vor allem die Verantwortung für die weitere Entwicklung der Dinge in jener Region. Aber es war für mich ein bedrückendes Gefühl, zu sehen, wie wenig Europa selbst — und ich meine nicht nur seine einzelnen Länder, sondern Europa im ganzen — angesichts eines solchen vor seiner Tür, an seiner Schwelle ausgebrochenen Konflikts zu sagen wußte und zu sagen hatte.Wir haben uns auf der Konferenz auf meinen Antrag mit der Frage befaßt, ob es nicht gut und nützlich wäre, wenn wir einen bescheidenen Anfang setzten für den Versuch, für Europa — abgesehen von der Entwicklung im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der anderen Gemeinschaften — allmählich eine weltpolitische Solidarität wenigstens in den wichtigsten und dringlichsten Fragen dadurch zu entwickeln, daß sich die Regierungschefs wieder regelmäßig treffen — eine Tradition, die ja seit Jahren unterbrochen wurde.Es gab ziemlich temperamentvolle Auseinandersetzungen in dieser Frage. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Den Erfolg sehe ich darin, daß es wenigstens gelungen ist, sich auf eine nächste, wahrscheinlich noch in diesem Jahre stattfindende, von den Außenministern vorzubereitende Konferenz der Regierungschefs zu einigen.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß diese nächste Konferenz — und was diese unsere Regierung dazu tun kann, wird sie mit allen ihren Kräften tun — der Anfang besserer Dinge sein wird.Ich möchte auch hier noch einmal sagen, was ich in vielen Gesprächen 'in Rom zu sagen versucht habe. Wir alle sind stolz auf das, was in den bisherigen Bemühungen im Rahmen der europäischen Gemeinschaften erreicht worden ist, und wir wollen diese Erfolge wahrhaftig nicht bagatellisieren. Es ist wirklich etwas, wenn am 1. Juli des nächsten Jahres die Zollunion erreicht wird. Es ist etwas, wenn die Agrarunion vollendet 'ist, und es ist etwas, daß heute die Schicksale der europäischen Völker im Rahmen dieser Gemeinschaften so eng miteinander verflochten sind, daß sich kein einziges Land mehr ohne schweren Schaden aus diesen Verflechtungen zurückziehen könnte. Es ist auch etwas — das ist unsere Meinung —, daß nun andere europäische Länder, insbesondere Großbritannien, den Eintritt wünschen; denn sie würden diesen Eintritt nicht wünschen, wenn sie nicht die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als einen großen Erfolg betrachteten.Aber, meine Damen und Herren, so gut und so richtig diese Entwicklung ist, Europa darf es nicht dabei bewenden lassen, einen großen europäischen Markt zu gründen, auch nicht dabei, eine große und wirksame, dem materiellen Wohle seiner Völker dienende europäische Wirtschaftsgemeinschaft auszubauen. Europa wird seinen Rang, seine Würde, seinen Einfluß auch zugunsten des Friedens in dieser Welt nur erlangen können, wenn es sich darüber hinaus entschließt und wenn es ihm darüber hinaus gelingt, einen solidarischen politischen Wil-5270 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingerlen in der Welt zu gewinnen, und das heißt, mit welchen Methoden auch immer, eine europäische politische Union zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident, bisher war .es eigentlich das Vorrecht der Amerikaner, in jedem Deutschen einen Doktor zu vermuten.
Es gibt noch einige, die es ganz so weit nicht gebracht haben und zum Teil trotzdem etwas taugen. Es gibt auch Volksschüler im deutschen Volk, die sehr viel taugen, auch ohne daß sie mit einem Titel herumlaufen.
Soll ich mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Kollege?
Ich bitte um Entschuldigung für diese Bemerkung.Meine Damen und Herren, ich möchte mit ,ein paar Worten auf das eingehen dürfen, was der Bundeskanzler gesagt hat, jedenfalls auf einen Teil seiner Bemerkungen.Die Arbeit dieser Bundesregierung, insbesondere die Arbeit des Kanzlers selber und seines Stellvertreters, des Außenministers, ist in den letzten zehn Tagen genau wie auch unser aller Denken von dem Konflikt im Nahen Osten überschattet. Es steht mindestens seit einer Woche, vielleicht schon seit zehn Tagen fest, daß sich hier ein Spannungsherd entwickelte, der seiner weltpolitischen Bedeutung nach das Gewicht der Kuba-Krise erreichen würde, wenngleich der Nahe Osten nicht wie Kuba vor der Haustür einer der Weltmächte liegt. Wohl aber liegt er vor der Haustür unseres Kontinents Europa. Es besteht die Gefahr einer Ausbreitung, und auch wir Deutschen haben Anlaß, unsere eigene Lage, unsere eigene Rolle, unsere eigene Sicherheit zu bedenken.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt ausdrücklich die eben noch einmal von Herrn Kiesinger wiederholte Erklärung der Nichteinmischung der Bundesrepublik Deutschland.
Ich will aber im Namen meiner Parlamentskollegen hinzufügen, daß für die Sozialdemokraten Nichteinmischung nicht bedeutet, daß wir moralisch oder politisch gleichgültig dem Ausgang gegenüberstünden, den man noch nicht absehen kann. Wir sind tief bestürzt über den Ausbruch dieses Krieges, der seit Monaten systematisch vorbereitet worden ist. Sosehr uns an der traditionellen Freundschaft unseres Volkes mit den arabischen Völkern liegt, müssen wir uns gegen deren Absicht oder, sagen wir genauer: gegen die Absicht ihrer Führer verwahren, Israel zu vernichten.
Wir erinnern daran, daß die Schaffung dieses Staates Israel durch eine Entscheidung der Vereinten Nationen gewollt und sanktioniert worden ist. Dieses Volk hat erfolgreich eine Demokratie aufgebaut. Wir haben keinen Zweifel an seinem Willen zur friedlichen Entwicklung seines Staats, und wir können die Bedrohung der Existenz dieses Staats und die öffentlich und zynisch ausgesprochene Androhung der Vernichtung eines Volkes nicht ohne tiefe innere Beteiligung vernehmen. Wir sind überzeugt, daß alle strittigen Probleme im Nahen Osten auch ohne Anwendung von Gewalt lösbar gemacht werden können. Wir möchten unsere Verbundenheit mit diesem Volk der Israelis bekunden und zugleich auch bekunden — hier unterstreiche ich, was Herr Kiesinger gesagt hat —, daß wir beschämt sind von der Tatsache, daß die offiziellen Reden und Äußerungen der Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands von der besonderen Verpflichtung, die wir Deutschen diesem Volk gegenüber haben, nichts, aber auch gar nichts spüren lassen.
Dieses Haus ist sich gewiß einig darin, von der Bundesregierung, von allen Verantwortung tragenden Regierungen, insbesondere von den beiden Großmächten, zu erwarten, daß sie alle ihnen zu Gebote stehenden diplomatischen und moralischen Kräfte einsetzen, um eine Einstellung der Kampfhandlungen zu erzielen und eine Wiederherstellung des Zustandes im Nahen Osten, wie er bis zu dem voreiligen Abzug der Truppen der Vereinten Nationen bestanden hat.Ich will bei dieser Gelegenheit auch ein paar Bemerkungen machen, die näher beleuchten sollen, wie für Europa und für die Sicherheit der in Europa lebenden Völker die Entwicklung dieser Krise im Nahen Osten sich auswirken könnte. Ich rede im Konjunktiv: könnte! Es ist klar, daß die sowjetische Führung diese Krise im Nahen Osten benutzt zur Errichtung einer zweiten Spannungsfront gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika zur Entlastung von Nordvietnam. Bei weiterer Entwicklung dieser Dinge können für die sowjetische Führung drei mögliche Erfolge anfallen.Erstens. Die Sowjetunion könnte tatsächlich eine Entlastung in Vietnam erreichen und eine Regelung beschleunigen helfen. Dazu will ich nichts sagen.Zweitens. Der Sowjetunion könnte zugleich politisch und strategisch der Ausbruch aus den Dardanellen in die Weite des mittelmeerischen Raumes und durch den Persischen Golf in den Indischen Ozean gelingen. Es ist sehr deutlich, daß in den letzten Tagen eine Reihe von arabischen Staaten sehr viel stärker in den Sog der sowjetischen Politik geraten sind, als das bisher der Fall war. Ob und wieweit das redressiert werden kann, ist eine Frage der Zeit und nicht der akuten Beendung der akuten Krise.Drittens. Dadurch, daß dies geschehen könnte, von dem ich eben spreche, kann zugleich auch für Europa ein hervorragendes Ereignis eintreten; „hervorragend" im Sinne von „bedeutend", nicht im Sinne einer positiven Wertung. Es darf nicht eintreten, daß
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Schmidt
hier etwa der Beweis geführt würde, daß die Vereinigten Staaten von Amerika nicht in der Lage seien, ihre Verpflichtungen gleichzeitig in mehreren Teilen der Welt zu erfüllen. Wenn durch die sowjetische Führung und Politik dieser Beweis geführt werden könnte, dann allerdings stünde damit ein Stück der bisherigen Struktur des Weltgleichgewichts auf dem Spiel, wie dieses Weltgleichgewicht schon 1961 in Berlin und 1962 in Kuba auf dem Spiel gestanden hat. Es steht auf dem Spiel die Aushöhlung grundlegender psychologisch-politischer Positionen des westlichen Bündnisses. Daß jede Verschiebung des Gleichgewichts deutsche Interessen, deutsche Sicherheit hautnah berühren muß, steht für uns alle außer Frage, denke ich. Ebenso steht außer Frage, daß jede Verschiebung des Gleichgewichts zuungunsten der Vereinigten Staaten von Amerika für den Zusammenhang des westlichen Verteidigungssystems die Gefahr einer perniziösen Anämie — oder wenn Sie so wollen: des unerkannten Blutkrebses — bedeutet. Ich bin sicher, daß man sich in Washington dieser weltweiten Implikationen der gegenwärtigen Nahost-Krise durchaus bewußt ist. Diese Krise betrifft nicht nur das westliche System im Bereich des Stillen Ozeans und Asiens, sie betrifft ebenso und vielleicht noch mehr das westliche System im Bereich des Atlantiks und Europas. In dieser Lage richten sich die Augen der Europäer und die Augen der Deutschen erwartungsvoll, aber auch voller Vertrauen auf die amerikanische Regierung und auf ihren Präsidenten. Ich unterstelle dabei, daß im übrigen im Council des nordatlantischen Bündnisses in der gegenwärtigen Krise eine ständige Konsultation im Gange ist.Nun sind die eigenen diplomatischen Möglichkeiten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, zur Beilegung des Konflikts zu helfen — von denen ich vorhin sagte, sie sollten von Ihnen, Herr Bundeskanzler, und von Ihrer Regierung voll ausgeschöpft werden —, naturgemäß begrenzt. Aber unsere deutschen Möglichkeiten sind nicht etwa gleich Null. Auch wir können zur Entspannung beitragen. Wir — ich richte mich hier an die Partnerfraktion der Großen Koalition — haben im letzten Dezember gemeinsam begonnen, für die Entspannung neue Wege einzuschlagen. Die heutige akute Lage bestätigt die Analyse, die im Dezember zugrunde gelegen hat, in einer bestürzenden Weise. Um so mehr haben wir heute allen Grund, unseren festen und unbeirrbaren Willen zur aktiven Entspannungspolitik zu beweisen und in die Tat umzusetzen.Ihnen ist klar, daß ich ,damit von der Antwort auf den sogenannten Stoph-Brief spreche. Wir sind, Herr Bundeskanzler, seit Sonntag über die Grundzüge unserer oder, so muß ich genauer sagen, Ihrer Antwort, was Form und Inhalt angeht, wenn ich es richtig verstehe, einig. Wir waren uns auch einig darin, daß die unmittelbaren Erfolgsaussichten — die unmittelbaren! — dieses unseres verabredeten Schrittes nicht sehr groß sein könnten. Die NahostKrise hat diese unmittelbaren Erfolgsaussichten in Ostberlin gewiß nicht verstärkt, was den gegenwärtigen Zeitpunkt angeht. Aber ich sehe z. B. mitgroßem Interesse die in einigen kommunistischen Staaten Osteuropas sehr zurückhaltende Berichterstattung und Kommentierung des Konflikts im Nahen Osten. Schließlich spürt man auch in Osteuropa genauso, wie wir es hier spüren, die Gefahr, die vom Nahen Osten für die Sicherheit und für den Frieden ganz Europas ausgeht. Deshalb — dies ist jedenfalls die Meinung meiner Kollegen — sollten wir mit dem Schritt, der verabredet ist, nicht zögern,
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Ich will drei Feststellungen an den Schluß setzen.Erstens — und da spreche ich für meine Fraktion —: Die wirtschaftliche Lage, die soziale Lage, die Finanzmisere, die uns allen miteinander vererbt worden sind, hätten anders als durch die Große Koalition nicht angepackt werden können. Jeder andere Versuch einer Regierung wäre zu Lasten des kleinen Mannes gegangen. Das ist unsere Überzeugung.
Zweitens: Die außenpolitische Situation, die Lage draußen in der Welt, die Lage im Bündnis, die Lage in Europa — von der Herr Kiesinger gesagt hat, wie es ihn bedrückt, wie wenig Europa auf alle diese Entwicklungen Einfluß nehmen kann —, die Verkrampfung und die Verhärtung der Situation auf dem deutschen Boden können anders als in einer Großen Koalition überhaupt nicht erfolgreich durchgestanden werden.
Wir wissen, daß eine überwältigende Mehrheit aller Bürger und aller Wähler in der Bundesrepublik Deutschland diese unsere Überzeugung teilt.Drittens: Die Sozialdemokraten in diesem Hause ziehen daraus die eindeutige Schlußfolgerung: Auch wenn es richtig ist, daß einige Landtagswahlen der letzten Zeit uns Sozialdemokraten keineswegs ausschließlich beglückt haben, auch wenn es richtig ist,daß wir an mancher Einzelheit der Regierungspolitik, der Regierungspraxis, auch Ihrer Praxis, Herr Bundeskanzler Kiesinger, Kritik zu üben haben
— sicherlich, wenn das eine Einbahnstraße wäre, dann würde irgend etwas in diesem Hause nicht stimmen —, so wollen wir das doch heute nicht tun und hier nicht ausbreiten. Es scheint uns auch nicht so wesentlich zu sein. Es soll sich bei alledem niemand in Deutschland täuschen: wir Sozialdemokraten stehen aus einer nun schon von ein wenig Erfahrung erhärteter Überzeugung auf dem Standpunkt, auf dem wir vor einem halben Jahr gestanden haben, daß diese Große Koalition notwendig ist, und ich glaube, was immer in den letzten anderthalb Jahrzehnten in Deutschland vorgegangen sein mag, das eine haben wir jedenfalls für das öffentliche Ansehen der Sozialdemokratischen Partei, der Abgeordneten dieser Partei in den Parlamenten Deutschlands erreicht, daß jedermann weiß, daß man sich auf ein Wort der Sozialdemokratischen Partei verlassen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Kühlmann-Stumm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Diese Bundestagsdebatte steht unter dem Eindruck der Gefahren für den Weltfrieden, die sich aus dem Konflikt im Nahen Osten ergeben. Die Hoffnungen, daß es gelingen möge, den Krieg im Nahen Osten zu vermeiden, haben sich nicht erfüllt. Es wird geschossen, Menschen verlieren Gesundheit und Leben. Die Anstrengungen aller politisch Verantwortlichen müssen sich jetzt auf die Lokalisierung dieses Konflikts und auf seine schnellste Beendigung richten.Das deutsche Volk knüpft nach den schmerzlichen Erfahrungen zweier Weltkriege an die Bemühungen um die Wiederherstellung des Friedens im Nahen Osten besondere Erwartungen. Uns trifft die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung in einem Zeitpunkt, in dem auf deutschem Boden sich die Truppen zweier Paktsysteme gegenüberstehen, deren stärkste Mächte, die USA und die Sowjetunion, von dem Krieg im Nahen Osten unmittelbar berührt werden. Dazu kommt die exponierte Lage der deutschen Hauptstadt Berlin.Angesichts dieser Lage muß das deutsche Volk wie kein anderes darauf bedacht sein, eine Ausbreitung des Konflikts im Vorderen Orient oder gar sein Übergreifen auf Europa zu verhindern. Die deutsche Bundesregierung wird deshalb wie keine andere die Grundsätze der striktesten Neutralität im völkerrechtlichen Sinne beachten müssen.
Sie kann für eine Politik der Neutralität auf die ungeteilte Unterstützung der parlamentarischen Opposition rechnen. Wir werden dem Hohen Hause einen
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Freiherr von Kühlmann-StummEntschließungsantrag vorlegen, der diesen Willen zur Neutralität bekräftigen soll. Wir würden es, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, begrüßen, wenn wir diesen Beschluß mit den Stimmen der Regierungsparteien einstimmig im Deutschen Bundestag fassen könnten. Die Entschlossenheit, alles zu verhindern, was zu einer Ausbreitung des Konfliktes führen könnte, Anteilnahme und Besonnenheit müssen in dieser Stunde Maxime unserer Politik sein. Unter Beachtung dieser Maximen gewinnen wir die Basis für die Fortsetzung unserer Arbeit in diesem Hohen Hause.
Wir stehen heute am Beginn der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1967. Der Herr Bundeskanzler hat am 13. Dezember 1966 vor dem Hohen Hause erklärt:Die Regierungserklärung hat darauf verzichtet, in der bisher üblichen Weise die ganze Breite der politischen Aufgaben aufzufächern. Sie wollte Neues sagen, wo jetzt Neues zu sagen und zu wagen ist; in der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Außenpolitik und der Deutschlandpolitik.Er hat zugleich für die Partner seiner Koalition das Versprechen abgegeben, in der Zeit dieses Koalitionsbündnisses „alle wichtigen Aufgaben mit äußerster Entschlossenheit zu bewältigen".Wir haben als Oppositionspartei — einer guten demokratischen Tradition entsprechend — dieser Bundesregierung für die Innen- und Außenpolitik jene notwendige Anlaufzeit gegeben, die jede Regierung braucht, bevor sie an dem Verhältnis der Versprechungen zu den Taten gemessen werden kann. Die zweite Lesung des Haushalts 1967 ist der geeignete Anlaß, beim Etat des Bundeskanzlers im allgemeinen und den Etats der einzelnen Bundesministerien im besonderen eine Wertung der bisherigen Politik der Bundesregierung vorzunehmen. Diese Wertung darf nicht im Vordergründigen stehenbleiben; sie kann allein das wirklich Erreichte messen.Wir verkennen nicht die Probleme, die sich für den Herrn Bundeskanzler aus der Notwendigkeit ergeben, den Einfluß seines sozialdemokratischen Koalitionspartners durch die Verkündung einer — wie man es nennt — neuen Politik sichtbar werden zu lassen und zugleich für seine eigene Partei erkennbar zu machen, daß die bewährte — wie man es nennt — alte Politik fortgesetzt wird. Das zwingt zum Hinhalten, das zwingt zum Ausweichen dort, wo die klare Entscheidung erforderlich wäre. Die Koalitionsparteien haben gerade gestern durch den Verzicht auf die mit großem Aufwand angekündigte Große Anfrage zur Verteidigungspolitik eingestanden, daß die hier vorhandenen weitgehenden Gegensätze in der Koalition auch durch eine Große Anfrage nicht überbrückt werden können.
Der Herr Bundeskanzler hat — wie wir meinen: zu Recht — die Gesundung der Bundesfinanzen als eine Frage des politischen Muts und der Einsichtaller Mitverantwortlichen bezeichnet. Was ist, Herr Bundeskanzler, aus diesem politischen Mut geworden angesichts der Tatsache, daß die Notwendigkeit unpopulärer einschneidender haushaltspolitischer Maßnahmen vom Bundesminister der Finanzen zwar in regelmäßigen Abständen betont, aber bisher in keiner Weise verwirklicht worden ist? Wie viele Monate sollen noch vergehen, bis die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag ihre Vorstellungen von einer mittelfristigen Finanzplanung vorlegt? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Rückzahlung der Verbindlichkeiten aus der jetzt von ihr vertretenen Belastung des Kapitalmarktes?Es besteht kein Zweifel darüber, daß alle konjunkturpolitischen Bemühungen der Bundesregierung ohne die erhoffte Wirkung bleiben müssen, solange nicht die öffentliche Hand selber in ihrem Zuständigkeitsbereich das Erforderliche tut. Ohne Lösung der in der Haushaltspolitik gestellten Aufgaben gibt es kein Vertrauen zur Konjunkturpolitik der Bundesregierung. Und ohne Vertrauen zur Konjunkturpolitik der Bundesregierung kommt es nicht zu der erforderlichen Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und der Konsumbereitschaft der Bürger in diesem Lande.
Was aber meint die Bundesregierung, wenn sie in den Leitlinien der Regierungserklärung davon spricht, „die großen Blöcke der Konsumausgaben im Bundeshaushalt" müssen ohne Scheu und Tabus überprüft werden? Welche Konsequenz will die Bundesregierung aus der Feststellung des Bundesministers der Finanzen ziehen, daß unser heutiges Sozialsystem mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen und seinen gesetzlich begründeten Leistungen einschließlich der damit verbundenen Dynamisierungseffekte ein Wachstum des jährlichen realen Bruttosozialprodukts in Höhe von im Minimum 4 bis 5 v. H. verlangt? Schweigt die Bundesregierung, weil sie fürchtet, jetzt selbst der sozialen Demontage bezichtigt zu werden, nachdem maßgebliche Vertreter der jetzigen Regierungskoalition mit diesem Schlagwort im Herbst des letzten Jahres die notwendigen Haushaltsentscheidungen erfolgreich verhindert haben?
Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung von der Wahrheit gesprochen, die wir uns eingestehen müssen und die unserem Volke nicht vorenthalten werden dürfe. Zu dieser Wahrheit gehören nicht nur die theoretischen Feststellungen des Bundesministers der Finanzen, sondern auch die praktischen Konsequenzen aus diesen Feststellungen. Welche Ergebnisse haben die von dem Herrn Bundeskanzler angekündigten Bemühungen gehabt, die Bemessung der jährlichen Zuwachsraten der Sozialleistungen und der Bundeszuschüsse zu prüfen und sie mit den Möglichkeiten und Grundsätzen einer gesunden Finanzpolitik in Einklang zu bringen? Nach der Regierungserklärung strebt die Bundesregierung eine Wachstumsrate des realen Bruttosozialprodukts in der Größenordnung von 4 % an. Sind Sie der Auffassung, daß dieses Ziel in diesem Jahr erreicht werden kann, und — wenn nicht —
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Freiherr von Kühlmann-Stummwelche Konsequenz wollen Sie aus der Diskrepanz ziehen zwischen dem nach Ihrer jetzigen Meinung Erreichbaren und dem nach der Meinung des Bundesfinanzministers Möglichen?Jede weitere Verzögerung der wiederholt angekündigten haushaltspolitischen Entscheidungen vermehrt die Schwierigkeiten. Sie verhindert die Zurückgewinnung des finanziellen Spielraumes, und sie zwingt z. B. zur Fortdauer des gesetzwidrigen Zustandes in der Rentenversicherung, der darin besteht, daß den Vorschriften über die Beitragsgestaltung wegen der Uneinigkeit der Koalitionspartner nicht Rechnung getragen wurde und wird.
Wenn es darum geht, das Vertrauen in die Konjunkturpolitik der Bundesregierung zu gewinnen, dann muß Schluß gemacht werden mit der Sprachenverwirrung, die darin besteht, daß der Bundeskanzler auffordert, den Gürtel enger zu schnallen, und der Finanzminister und der Wirtschaftsminister die Bevölkerung aufrufen, zu konsumieren und nicht so viel zu sparen.
Die* Bundesregierung muß aber auch den Widerspruch lösen, der darin besteht, daß sie im gleichen Zeitpunkt den Kapitalmarkt stärker in Anspruch nimmt und andere dazu auffordert und vom Sparen abrät. Es muß die Unsicherheit beendet werden, die sich daraus ergibt, daß der Bundesminister der Finanzen vom Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, der ein Politiker der Koalition ist, den Vorwurf hören muß, die wechselnden Meldungen über das Haushaltsdefizit seien Tatarenmeldungen. Die kraftvollen Entscheidungen der Koalition der sehr breiten Mehrheit stehen noch aus.
Oder wird es sich wiederholen, daß das Kabinett wie im Falle der Arbeitslosenversicherung vom eigenen Arbeitsminister überrollt wird? Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird an Hand seiner Vorstellungen zur Energiepolitik jenen Satz aus der Regierungserklärung zu erläutern haben, nach dem die neue Politik der Globalsteuerung vor der Flucht in den Einzeldirigismus schützt.
Wenn wir so dringlich dazu auffordern, endlich die notwendigen haushaltspolitischen Entscheidungen zu treffen, so deshalb, weil wir glauben, daß auch der Bundeswirtschaftsminister nicht an der Erkenntnis vorbeikommen wird, daß weniger Projektionen und Belehrungen als vielmehr die Erwartungen in die Rentabilität möglicher Investitionen die Unternehmer zu diesen Investitionen veranlassen.
Die Bundesregierung schreibt das Wort Kooperation im Verhältnis zu den Ländern groß. Ja, es ist nicht zu überhören, daß man sich immer wieder eines besseren Verhältnisses zu den Bundesländern rühmt, als es die frühere Regierung gehabt haben soll. Die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Vergabe zum Teil schon in der Bundeskasse liegender Beträge zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden entstanden sind, beweisen das Gegenteil.
Vom 8. Dezember 1966 bis zum 8. April 1967 dauerte es, bis über die Verwendung dieser Gelder eine Einigkeit erzielt werden konnte.
Die vorgeschriebene Objektgröße schließt im übrigen die kleinen Gemeinden und Kreise aus; die Förderung kommt ausschließlich den Großstädten zugute.Keine Aussage macht die Regierungserklärung zur Agrarpolitik. Die Landwirtschaft vertraute daher auf einen unveränderten Kurs. Der Bundeskanzler kündigte jedoch am 20. Januar Kürzungen des Agrarhaushaltes an. Sie erscheinen um so unverständlicher, als die EWG-Partnerländer ihre Agrarmittel zum Teil erheblich verstärken. Das einzige erkennbare agrarpolitische Konzept der Bundesregierung scheint in der Geringschätzung von Gesetzen zu bestehen, die bisher Basis der Agrarpolitik aller Parteien dieses Hauses waren, nämlich des Landwirtschaftsgesetzes und des EWG-Anpassungsgesetzes.
Wenn die Regierung sich nicht in der Lage sieht, bestehende Gesetze zu erfüllen, muß sie den in der Regierungserklärung geforderten Mut zur Wahrheit haben; auch gegenüber der Landwirtschaft.
Die Zahlungen zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik stehen in keinem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Bundeshaushalts. Das hat die Bundesregierung offensichtlich erkannt. Nur so ist ihre Erklärung zu verstehen, daß sie dafür sorgen will, „daß in Zukunft die Belastungen durch die Beiträge an supranationale oder internationale Einrichtungen, allen voran die EWG, nicht in der bisherigen Weise weiterwachsen". Wir fragen den Herrn Bundeskanzler, welche Weisungen hat er hier gegeben, und was ist geschehen?Die Bundesregierung konnte unserer Unterstützung sicher sein, als sie in der Regierungserklärung zum Ausdruck brachte, daß sie eine Teilnahme Großbritanniens und anderer EFTA-Länder an den europäischen Gemeinschaften begrüßt. Diesen Erklärungen der Sympathie müssen jetzt Taten folgen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Öffnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für die, die es wünschen und die bereit sind, das Erreichte zu übernehmen, dem Buchstaben und dem Geist des EWG-Vertrages entspricht. Der formalen Möglichkeit des Vetos eines Staates steht diese Zielrichtung der Verträge gegenüber. Der Wille der übrigen Mitglieder der EWG zum größeren Europa muß diese Zielrichtung der Verträge nun mit Leben erfüllen. Es wird bei der Verwirklichung dieses großen Zieles der EWG wesentlich auf die klare Haltung und den klaren Willen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ankommen.
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Freiherr von Kühlmann-StummAuf dem Gebiete der Innenpolitik hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum Notstandsrecht vorgelegt. Hierzu ist bei der Behandlung des Innenressorts noch eingehend Stellung zu nehmen. Vorab läßt sich sagen, daß gewissen Verbesserungen auf der einen Seite Verschlechterungen auf der anderen Seite gegenüberstehen.Äußerst bedenklich muß jeden an rechtsstaatlichen Verhältnissen interessierten Deutschen die Tatsache stimmen, daß das Notparlament, der Gemeinsame Ausschuß, nicht mehr zwingend nach dem Stärkeverhältnis im Bundestag besetzt werden muß, sondern daß seine Mitglieder mit Mehrheit gewählt werden sollen. Wir können hier nur die Gefahr erkennen, daß hier unter Umständen gerade in der Zeit der Not eine Korrektur des Wählerwillens durch Mehrheitsentscheidung erfolgen soll.
Welche Absichten verbinden die Regierungsparteien, verbindet die Bundesregierung mit dieser Regelung? Wir lassen keinen Zweifel daran, daß wir einer Durchsetzung dieses Bestrebens mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten werden.
Die Verteidigungspolitik ist in der Regierungserklärung stiefmütterlich behandelt worden. Auch wenn die Regierungserklärung glauben machen will, daß dieser Regierungsbildung die gründlichste Bestandsaufnahme vorangegangen sei, weiß doch jeder im Land, daß gerade in diesem Bereich die Gegensätze zwischen den Regierungsparteien unverändert fortbestehen. Das stellen wir als Opposition nicht mit Schadenfreude, sondern mit Sorge fest. Mit Sorge deshalb, weil die Bundesregierung von der Entwicklung im NATO-Bündnis überrollt wurde.Die Entscheidung der NATO-Verteidigungsminister-Konferenz vom 9. Mai 1967, die Entscheidung nämlich für das Prinzip der flexiblen Antwort, kam alles andere als überraschend. Welche Konsequenzen aber wird die Bundesregierung aus der veränderten Lage ziehen?Ebensowenig überraschend kam die Ankündigung des Abzugs verbündeter Truppen vom europäischen Kontinent. Was ist geschehen, um angesichts dieser Entwicklung durch Verhandlungen mit der Sowjetunion und den anderen Ländern Osteuropas auf eine Reduzierung der sowjetischen Truppen auf deutschem Boden hinzuwirken? Ist diese Frage mit den Verbündeten erörtert worden? Gibt es Initiativen der Verbündeten gegenüber der Sowjetunion?An dieser Stelle muß auch die Frage erhoben werden, welche Fortschritte bei dem Besuch im Januar in Paris und bei späteren Gelegenheiten in bezug auf die Klärung des Kampfauftrages der in der Bundesrepublik stationierten französischen Truppen erzielt werden konnten.
Hier in diesem Hohen Hause bestand Übereinstimmung darüber, daß die Bundesrepublik ohne eine Klärung dieses Auftrages, ohne das französische Hinterland, ohne den französischen Luftraum nichtzu verteidigen ist. Von welcher Annahme geht in dieser Beziehung die Verteidigungskonzeption der Bundesregierung aus?Nach sechs Monaten Arbeit der Regierung muß auch die Frage nach den Vorstellungen der Bundesregierung zum Organisationsgesetz gestellt werden. Seit der Verteidigungsdebatte im Herbst letzten Jahres wartet die Bundeswehr auf ein klares Wort zur Spitzengliederung. Der gegenwärtige unbefriedigende Zustand als Produkt des Mißtrauens der Vergangenheit muß überwunden werden.
Die Politik der Bundesregierung, die auf eine Verbesserung unseres Verhältnisses zu den Staaten Osteuropas im Interesse einer Entkrampfung und Entspannung gerichtet ist, findet unsere volle Unterstützung. Es darf dabei aber auch nicht übersehen werden, daß in dem Bemühen, Erfolge deutscher Ostpolitik feststellen zu können, von manchem Sprecher und manchem Schreiber jene Behutsamkeit vernachlässigt wurde, die gerade in der Außenpolitik angebracht erscheint.
Die Regierung Erhard-Mende hatte gerade im Verhältnis zu Rumänien wesentliche Vorarbeit geleistet. Die Verwirklichung des letzten Schrittes war begleitet von mancher Äußerung des Triumphes über einen wirklichen oder angeblichen Einbruch in die kommunistische Front. Das hat weder die Position des Partners dieser diplomatischen Beziehungen erleichtert noch die Aufnahme von Beziehungen zu anderen osteuropäischen Staaten gefördert.
Ich bin sicher, daß Sie, Herr Bundeskanzler, diese Frage so beurteilen wie wir. Deshalb erwarten wir, daß die Bundesregierung mit allem Nachdruck deutlich macht, daß sich unser Bemühen um eine Verbesserung unseres Verhältnisses zu Osteuropa gegen niemand richtet, sondern für eine allgemeine Entspannung und Entkrampfung sorgen soll.
Was wir brauchen, ist eine Absicherung unserer Schritte nach Osteuropa gegenüber der Sowjetunion. Das ist keine Anerkennung eines Vorrangsanspruchs der Sowjetunion in Europa, sondern das Ergebnis der Einsicht, daß eine erfolgreiche Ostpolitik gegen die Sowjetunion nicht möglich ist.Die Entspannungspolitik der Bundesregierung ist im Zusammenhang mit den Diskussionen über den Abschluß eines Atomsperrvertrags ins Zwielicht geraten. Es sind hier Worte aus maßgebendem und weniger maßgebendem Mund gefallen, die in keiner Weise die deutsche Verhandlungsposition gestärkt, sondern sie im Gegenteil für die uns wahrhaftig berührenden Probleme des Vertrages geschwächt haben.Mit zunehmender Ungeduld und mit Sorge beobachten die Menschen in unserem Lande die Auseinandersetzungen der Regierungskoalition über Form und Inhalt der Antwort auf den Brief des Ostberliner Ministerpräsidenten Stoph. Das Bild, das
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5276 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Freiherr von Kühlmann-Stummdie Bundesregierung und die sie tragenden Parteien geben, zeigt, daß sie eben auf diese Auseinandersetzungen nicht vorbereitet sind. Wer an die andere Seite appelliert — das hat die Bundesregierung getan —, muß mit einer Antwort rechnen. Wer einen Schritt tut, muß wissen, daß die andere Seite reagiert. Er muß selbst zur Reaktion entschlossen und bereit sein.Durch die gesamtdeutsche Diskussion geistert immer wieder das Wort von der Aufwertung der Machthaber im anderen Teil Deutschlands. Eine stärkere Aufwertung ist kaum denkbar als diejenige, die sie durch die Behandlung des Stoph-Briefes erfahren.Sonderkommissionen und Sondersitzungen sind erforderlich, um eine Frage zu lösen, die Theodor Heuss als Bundespräsident auf seine Weise — ohne sich etwas zu vergeben — gelöst hat.
Er hat unter Überwindung des Formalen gesagt, was in einer bestimmten Situation zu sagen war.Wir wünschen, daß die Bundesregierung diese Kraft sehr bald findet. Dabei sollte niemand unter Hinweis auf die Lage im Nahen Osten die Entscheidung weiter aufschieben.
Herr Bundeskanzler, wir erwarten auf unsere zahlreichen Fragen klare Antworten und klare Entscheidungen der von Ihnen geführten Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt es, daß der Bundeskanzler die Debatte von sich aus eröffnet hat, indem er einige Mitteilungen über die Auffassung der Bundesregierung zu besonders wichtigen Fragen gemacht hat. Aus unserer Sicht sind bisher fünf politische Fragen in dieser Debatte angeschnitten worden, zu denen wir Stellung nehmen wollen. Lassen Sie mich zunächst sagen, daß wir der Erklärung, die der Bundeskanzler hier abgegeben hat, zustimmen und glauben, daß er auf dem richtigen Wege ist. Erörtert worden sind die Fragen .der Großen Koalition, des Nahen Ostens, europäische Dinge, gesamtdeutsche Dinge und Verteidigungsfragen. Ich will sie in dieser Reihenfolge aus unserer Sicht kurz beantworten.Zunächst zur Großen Koalition. Meine Damen und Herren, wir halten nichts mehr davon, lange und laut darüber zu sprechen, sondern selbstverständlich miteinander für unser Volk erfolgreich zu arbeiten. Dies ist auch das einzige, was die Wähler, wie wir sehen, richtig honorieren. Herr von Kühlmann-Stumm, Sie haben recht fleißig manches zusammengeschrieben. Wenn Sie redlich sind, müssen Sie zugeben: es war weniger Stoff an Nuancen und Unterschieden zusammenzuschreiben aus den letzten sechs Monaten als aus vergleichbaren Zeiten früher.
Meine Damen und Herren, lassen wir dies also!
Das zweite ist das ernste Problem, das auch der Bundeskanzler nach vom gestellt hat: der Krieg im Nahen Osten. Wir unterstützen die Position, die die Bundesregierung hier eingenommen hat, und zwar in allen Details. Wir glauben, daß diese Position in Wort und Tat besonnen und abgewogen ist. Wir meinen auch, daß sie unseren prinzipiellen Einsichten, unserem gesamtdeutschen Interesse und unseren Möglichkeiten entspricht.Ich stelle zunächst mit einer gewissen Befriedigung fest, daß der verantwortliche Sprecher der Bundestagsfraktion der FDP, der sich hier dazu geäußert hat, den Protest gegen die humanitäre Lieferung von Gasmasken zum Schutz der Zivilbevölkerung, von dem in der Presse zu lesen war, offenkundig nicht wiederholt hat, so daß ich wohl die Hoffnung haben kann, daß dieses Haus insoweit zu einer geschlossenen Auffassung findet.
Es ist seit langem nicht nur unsere politische Auffassung, sondern auch — wohlüberlegt und konsequent — unsere praktische Politik, daß es nicht unsere, der Deutschen Sache sein kann, in militärische Engagements außerhalb der NATO zu kommen. Wir haben hierüber Entscheidungen zu treffen gehabt im Zusammenhang mit der Zypern-Krise — ich sehe den früheren Bundeskanzler Erhard vor mir —, wir haben Entscheidungen zu treffen gehabt im Zusammenhang mit kriegerischen Entwicklungen im Fernen Osten. Unsere Position ist klar: Wie immer unser Herz schlägt, militärische Engagements außerhalb der NATO sind nicht unsere Sache.
Ich sage dies nicht, um uns in irgendeiner Weise herauszureden oder darumherumzureden. Es gibt Fragen, in denen man sich auch innerlich klar entscheiden muß, und hier ist eine Lage entstanden, die uns auch politisch berührt und uns auch politisch engagiert, weil wir — das haben der Herr Bundeskanzler und der Kollege Schmidt mit Recht betont — natürlich sehen, daß die Europäer als Europäer kein wirksamer Faktor selbst in diesen Bereichen mehr sind, weil wir die offenkundigen Implikationen dieses Krieges für uns und die potentiellen Implikationen für das Bündnis sehen und weil hier politische und moralische Prinzipien, die uns leiten, mit berührt sind.Ich meine, die deutsche öffentliche Meinung ist hier klar. Sie hat sich der Gleichgültigkeit der Herzen versagt. Zugleich ist es richtig, daß die Regierung besonnen und klar die Positionen durchhält, von denen sie begonnen hat. Israel ist ein von der UNO anerkannter Staat. Manch einer in Israels Nachbarstaaten, der bisher vielleicht auf Parolen des Hasses hereingefallen ist, wird sich auch dort überlegen, ob eigentlich andere richtig geführt waren, die die Vernichtungsparole ausgegeben haben,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5277
Dr. Barzelob sie richtig geführt waren, als sie fremdem Einfluß zuviel Raum gegeben haben,
und daß vielleicht — ich sage es offen — auch die Araber nicht zur Waffe zu greifen brauchen, wenn sie ihre Probleme in Ordnung bringen wollen.Ich will hier nicht jene schreckliche Sammlung von Zitaten aus der deutschen Presse verlesen, von bösen Worten, die, bevor die kriegerischen Verwicklungen begonnen haben, doch ganz deutlich gemacht haben, was an Vernichtungsabsichten verkündet ist. Wenn wir unser Herz hier noch zurückhalten, dann auch deshalb, weil der Zeitpunkt, zu dem die unverbrauchte deutsche Stimme in dieser Krise nachdrückliches Gewicht haben könnte, vielleicht noch nicht gekommen ist.Aber, meine Freunde, ich meine, daß wir dem eigenen Volk noch einen Satz schuldig sind — solche Fragen werden im Volk gestellt —, wir haben nämlich auch nicht vergessen, wie Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion in Nürnberg internationales Recht erklärt haben. Sie haben dort erklärt, welche Handlungen alle Rechtsverletzungen seien. Wir haben in unserem Strafgesetzbuch einen § 220 a eingefügt. Wir kennen ein Abkommen internationaler Art zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords. Meine Damen und Herren, ich erwähne dies nur am Rande, um darzutun, daß unsere Position die des internationalen Rechts ist, und dazu gehört — das sage ich für mich ganz persönlich —, daß man auch niemanden zur Notwehr zwingen darf.Der dritte Punkt, der hier erörtert worden ist, sind die europäischen Fragen. Sie werden sicher eine Rolle spielen, wenn wir gleich anschließend den Haushalt des Herrn Bundesministers des Auswärtigen beraten werden. Ich möchte für unsere Fraktion dem Kanzler für die Initiative danken, die er in Rom ergriffen hat. Ich glaube, er hat ein Verdienst daran — und das ganze Haus hat ihm ja Beifall gegeben, als er es mitteilte —, daß die Regierungschefs sich wohl in diesem Jahr noch einmal sehen werden.Was das Problem Großbritannien betrifft, so ist der Bundeskanzler aus dem Hause aufgefordert worden, wenn ich es richtig mitgeschrieben habe, sich hier deutlicher zu erklären. Ich habe keine Zweifel an der Haltung dieser Bundesregierung in der Frage des Beitritts Großbritanniens, und ich sehe einen Fortschritt darin, daß doch offensichtlich erreicht worden ist, daß hier niemand v o r der Tür, bevor man anfängt, sich zu unterhalten, ein Nein gesagt hat.
Hierin sehe ich einen Fortschritt, ein politisches Handeln, was vielleicht erleichtert war dadurch, daß man nicht jeden Tag nur immer laut über das redet, was dieses ganze Haus will.
— Aber ich bedanke mich, Herr Blachstein, daß Siedies als einen Fortschritt bezeichnen. In der Welt,wie sie ist, wäre auch etwas anderes möglich gewesen.Wir möchten hier aber auch noch in aller Form den Dank unterstützen, den der Bundeskanzler dem verdienten deutschen Europäer Walter Hallstein ausgesprochen hat.
Wir haben eine Bitte an die Regierung, und ich bin sicher, dieses Haus ist darin einig. Wir bitten, angesichts all der Probleme, die in Europa auf uns zukommen, doch noch mehr, als es bisher geschieht — es geschieht schon viel —, dem technologischen Problem der Zusammenarbeit in Europa Fortschritte zu verschaffen. Meine Damen und Herren, da das in der Debatte noch eine Rolle spielen wird, habe ich mich so kurz dazu gefaßt.Ich möchte dagegen ein paar Sätze mehr — und dies hoffe ich in großer Ruhe sagen zu können — zu den gesamtdeutschen Bingen, die hier angesprochen worden sind, sagen. Aus unserer Sicht — und es ist wichtig, dies festzuhalten — geht es nicht um die Reaktion auf den Stoph-Brief, sondern aus unserer Sicht geht es um die Fortsetzung der Initiative, die wir hier am 12. April begonnen haben,
um eine Etappe, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Meine Damen und Herren, wir pflegen gelegentlich von einer politischen Landschaft zu sprechen und zu prüfen, ob ein Vorhaben in. diese Landschaft paßt. Wir tun dies, weil auch eine richtige Politik — und sicher wird dem im Hause kein Mensch widersprechen — zum falschen Zeitpunkt zu einer falschen Politik wird. Die Landschaft für diese Dinge ist natürlich davon beeinflußt, daß sich die Großmächte zur Stunde wohl nicht gerade auf einem besonderen Entspannungskurs befinden. Ich nenne nicht nur die Frage, über die wir eben gesprochen haben. Ich nenne auch das Problem des Standes der Nichtverbreitung atomarer Waffen. Ich nenne das ABM-Problem, und ich nenne die Probleme in Vietnam. Und in diese Landschaft gehört aus unserer Sicht natürlich die Tatsache — wir haben sie hier schon einmal erwähnt, aber es ist notwendig, es wenigstens noch einmal zu sagen —, daß die Sowjetunion im Oktober ein großes Jubiläum zum 50. Jahrestag der kommunistischen Revolution zu feiern beabsichtigt. In diese Landschaft gehört das vom Kollegen Schmidt und vom Herrn Bundeskanzler mit Recht gerügte mißbräuchliche parteigängerische Eintreten der Männer drüben im Nahost-Krieg. In diese Landschaft gehört auch, daß während dieses versuchten Briefwechsels erneut ein Mensch erschossen worden ist, an der Sandkrugbrücke in Berlin. Und in diese Landschaft, meine Damen und Herren, gehört auch — und ich erinnere manche an manche Diskussion, die wir auch intern, sei es da, sei es dort, geführt haben — der Bedacht, wo wohl der Vorrang der deutschen Politik in diesen Fragen liegen müsse, in Moskau, in Ostmitteleuropa oder in Pankow. Weil dies nicht nur ein theoretischer Streit ist, weil auch zu spüren ist, daß sich mancher attentistisch mit dem Vorwand verhält: Ihr werdet da in Deutsch-
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Dr. Barzelland schon noch ein Stückchen weitergehen, und dann wird es uns leichter sein, die Beziehungen mit euch aufzunehmen, — auch deshalb muß sorgsam abgewogen werden, auch im zeitlichen Vollzug, was hier wann und wie geschieht. In dieses Tableau gehört natürlich auch die Tatsache hinein, daß wir noch eine Note der Sowjetunion aus dem Januar — ich glaube, vom 28. Januar ist sie — vorliegen haben.Meine Damen und Herren, ich trage dies alles nicht vor, um nun etwa vor lauter Behutsamkeit von einer Reaktion abzuraten, — nein. Aber wir lassen uns davon leiten, das Richtige zur richtigen Zeit zu machen, damit auch aller Nachdruck dahintergestellt sein kann,
auch der von unseren anderswo engagierten Freunden.Und nun auch zur Sache, meine Damen und Herren. Ich lasse mich nicht ableiten durch das, was etwa Herr Stoph gestern gesagt hat. Das ist alles nur der Versuch, uns hier von dem abzulenken, was wir wollen.
— Herr Kollege Wehner, ich freue mich, einen Zwischenruf von Ihnen zu hören. Es erinnert an alte Zeiten.
— Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Ruhe, um die ich bat, zu dieser Sache — und ich glaube, wir werden uns dann wieder finden, Herr Kollege Wehner — —
— Es kommt auf uns alle miteinander an, Herr Wehner. In dieser Koalition kommt es auf alle miteinander an.Meine Damen und Herren, die Frage, was die SBZ in alle dem will, brauchen wir nicht erneut zu erörtern. Was wir wollen, ist klar, und ich glaube, das sollte noch einmal gesagt sein. Wir wollen versuchen, an unserem Ball zu bleiben. Hier ist am 12. April eine Initiative mit einem klaren Thema ergriffen worden. Weil wir nicht glaubten, daß dies die Zeit von politischen Maximalforderungen ist, haben wir uns auf ein Programm verständigt, das im wesentlichen humanitäre und ökonomische Dinge enthält. Daran zu arbeiten, schien uns in dieser Zeit vernünftig, und uns nicht verwirren zu lassen durch eine Fülle von Themen, die vielleicht die drüben jetzt hier ins Spiel bringen wollen.Meine Damen und Herren, wir sind bereit — damit hier gar keine Meinungsverschiedenheiten aufkommen —, zu Verhandlungen über diese Dinge, die wir vorgeschlagen haben, einen Beauftragten zur Verfügung zu stellen. Wie der benannt und bevollmächtigt wird, das, meine Damen und Herren, ist eine Frage der richtigen Stunde und der Entscheidung des Mannes in Deutschland, der die Richtlinien der Politik bestimmt, einer Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers. Auch darin wollen wir uns nicht auseinanderreden lassen. — Ich glaube, daß ich nun am Schluß dieser Ausführungen keinen Zwischenruf von links mehr bekomme.Damit komme ich zum fünften Punkt, der hier in der politischen Debatte eine Rolle gespielt hat, und das ist zugleich der letzte. Herr von KühlmannStumm, Sie haben die Koalition auf einem Gebiet besonders der Zerstrittenheit — so sagten Sie, glaube ich — geziehen. Das bezog sich auf das Gebiet der Verteidigung. Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, die Probleme, die sich da stellen, in allem Freimut dann zu erörtern, wenn wir den Haushalt des Bundesministers der Verteidigung hier behandeln werden. Nur in einem sage ich Ihnen schon jetzt ein ganz klares Nein, und ich denke, für die ganze Koalition. Ich sage ein Nein zu Ihrem Antrag, jetzt, in dieser Lage und ohne Gegenleistung die Wehrpflicht in Deutschland zu verkürzen.
Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion der CDU/CSU wird, weil sie die Politik des Kanzlers für richtig hält, dem Haushalt des Bundeskanzlers zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Raffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes gibt dem Parlament immer Gelegenheit, über die Fragen der „großen Politik" zu sprechen. Das ist auch heute geschehen, heute vor dem Hintergrund einer spannungsreichen Situation in der Außenpolitik wie in der gesamtdeutschen Politik.Deutlicher aber als an manchen anderen Tagen ist uns gerade in diesen Wochen, ja, gerade noch in den letzten Stunden klargeworden, wie wichtig eine umfassende, präzise und möglichst ungefärbte Information über die Vorgänge in der Welt ist. Es sei mir deshalb erlaubt, die Thematik der Diskussion einzuengen auf den Haushalt eines Amtes im Geschäftsbereich des Bundeskanzlers, das in diesem Felde besonders tätig ist, eines Amtes, in dem nicht Politik gemacht werden soll, sondern in dem politische Entscheidungen vorzubereiten sind — durch die Beschaffung von guten Informationen und Nachrichten für die Regierung —, und eines Amtes, dessen Aufgabe es ist, die Politik der Bundesregierung darzustellen, zu erklären, zu interpretieren. Ich spreche über das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.In früheren Haushaltsdebatten — das wissen Sie ja — ist es bei diesem Thema immer besonders heiß hergegangen, und die Wellen der Erregung sind hin und her geschwappt. Sie sehen heute schon aus der Atmosphäre, die im Hause ist, wenn wir darüber sprechen, daß eine Menge Feuer aus der Sache heraus ist. Damals ging es immer vor allem um den Tit. 300, den Titel, den der Herr Bundeskanzler zur Förderung des Informationswesens zur Verfügung hat.
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RaffertIn der Öffentlichkeit ist es der Titel, der unter dem Namen „Reptilienfonds" bekannt ist. Als Journalist darf ich am Rande sagen, daß Bismarck, unter dem es diesen Titel ja zuerst gegeben hat, bei den „Reptilien" nicht etwa an die Journalisten, meine Kollegen, gedacht, sondern mit Reptilien die politischen Gegner gemeint hat, die von den Journalisten mit den von der Regierung gegebenen Geldern bekämpft werden sollten.Meine Freunde und ich haben diese Haushaltsposition immer wieder bekämpft. Insbesondere haben wir uns darum bemüht, die parlamentarische Kontrolle dieses Tit. 300 einzuführen. Wir sind immer der Auffassung gewesen, daß ein „Geheimtitel" der Förderung des Informationswesens nicht wirklich dienen kann. Dort, wo auch nur ein Ruch von möglicher Korruption oder Korrumpiertheit zu Recht oder zu Unrecht besteht, wird die Information nicht gefördert, sondern belastet. Ich will von Rückerinnerungen absehen. Wir blicken auf diese Auseinandersetzungen nicht im Zorn zurück. Immerhin geht es um Beträge, die in den letzten zehn Jahren 130 Millionen DM ausgemacht haben. Wir Sozialdemokraten freuen uns, daß wir durch unsere Initiative in den Parlamentsausschüssen und in der Regierung der Großen Koalition nunmehr erreicht haben, daß im Vorschlag des Haushaltsausschusses für die heutige zweite Lesung der Ansatz dieses Titels von 13 auf 8 Millionen DM, d. h. auf ein vernünftiges Maß, heruntergebracht worden ist und daß er durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses unter die Kontrolle des Parlaments gelangt.Das sehen wir nicht als unseren Erfolg allein an. Wir sind bei den Bemühungen um öffentliche Kontrolle dieser Mittel immer von einer breiten Öffentlichkeit unterstützt worden. Das Ende des Reptilienfonds, das nun auf eine, ich will einmal sagen, undramatische Weise zustande gekommen ist, halten wir aber auch für einen Erfolg der Regierung der Großen Koalition als ein Beispiel des Stils, in dem hier miteinander und mit der deutschen Öffentlichkeit umgegangen wird. Der Bundeskanzler Kiesinger hat einmal gesagt — und Herr von Hase zitiert das sehr gern —: „Regieren heißt, die Bevölkerung von etwas zu überzeugen." Das entspricht unserer alten Forderung nach der Schaffung einer mündigen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die so weit wie möglich frei sein muß von der Befürchtung, manipulierte Informationen zu bekommen oder, was noch schlimmer ist, von manipulierten Informanten bedient zu werden.In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, sei mir auch die Feststellung erlaubt, daß es gut ist, wenn der Tit. 314, der ja ebenfalls hier in Rede steht, nunmehr unter der neuen und ganz eindeutigen Überschrift steht „Öffentlichkeitsarbeit im Inland". Sein Ansatz beträgt 5 Millionen DM. Hier hat eine gewisse Umverlagerung von Mitteln aus dem „Geheimbereich" stattgefunden. Dieser Tit. 314 unterlag ja schon immer der normalen, offenen Kontrolle durch das Parlament. Ich kann mir — das ist eine persönliche Bemerkung in diesem Zusammenhang — vorstellen, daß eine solche Umverlagerung aus dem Geheimbereich in diesen ganz offenen Bereich in Zukunft noch fortgesetzt werden kann.Eine Bemerkung zu einem noch etwas engeren Komplex. Wir Sozialdemokraten gehen, wenn wir hier keine weitergehenden Kürzungsanträge stellen, davon aus, daß die Abrede, die zwischen den Koalitionspartnern erreicht worden ist, eine bestimmte Abrede, ein „Gentleman's Agreement", so will ich einmal sagen, beachtet wird. Ich spreche von der Abrede, nach der einer der wesentlichsten Zuschußempfänger im Bereich dieses Amtes, die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise, in diesem ersten Halbjahr noch einmal über die volle Höhe ihrer bisherigen Zuschüsse verfügen kann, während im zweiten Halbjahr dieses Jahres nur noch die Hälfte gegeben wird. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß der Fluß dieser Mittel von 1968 an aufhören soll.
Wir blicken auch auf die vielfältige Tätigkeit der ADK ohne Zorn zurück, viele meiner Kollegen allerdings, das muß ich sagen, mit einem gewissen bitteren Geschmack auf der Zunge. Wir sind glücklich, daß es uns jetzt in der Zusammenarbeit der Koalition gelungen ist, dieses so heiße Eisen auf eine sachte Weise zur Abkühlung gelangen zu lassen.Ich möchte für meine Person und für viele meiner Freunde klarstellen, daß die Loslösung des Bundespresseamtes aus möglichen, vermuteten, gelegentlich wohl auch zu beweisenden einseitigen parteipolitischen Orientierungen nicht darin bestehen kann, daß nun Gleiches oder Ähnliches wie bisher unter Berücksichtigung der SPD gemacht wird, daß wir also etwa personell oder mit uns nahestehenden Vereinigungen oder Firmen an dem einen oder anderen Töpfchen beteiligt werden wollen. Uns geht es um eine tatsächliche Umorientierung der Arbeit in diesem Amt und ihre Rückführung und Beschränkung auf eine reine Regierungstätigkeit.Dabei wird es natürlich — es sei mir erlaubt, auch das noch zu sagen — wichtig sein, auch die Vergabepraxis für die Aufträge, die dieses Amt zu erteilen hat, zu berücksichtigen. Ich benutze mit Absicht nicht das Wort „Praktiken", das wir in der Vergangenheit gelegentlich nicht ganz ungerechtfertigt, glaube ich, gerade hier verwendet haben.Abschließend noch etwas zu der Frage des Erfolgs, der Effektivität der Mittel, die diesem Amt zur Verfügung stehen, insbesondere der Effektivität der Mittel in Richtung auf das Ausland. Für die Öffentlichkeitsarbeit dieses Amtes in Richtung auf das Ausland sind im Haushalt 59 Millionen DM ausgewiesen. Das sind ungefähr 2 Pf pro Kopf der Weltbevölkerung. Die „Traumgrenze" Herrn von Hases, die für diese Arbeit bei 70 Millionen DM, d. h. etwa 1 DM pro Bundesrepublikaner, liegt, ist damit nicht erreicht. Es kommt uns darauf an — und das halten wir für eine Verbesserung —, daß diese Mittel rationeller eingesetzt werden, indem die Erfolgskontrolle verbessert wird, nicht etwa die Selbst- oder Eigenkontrolle; dabei streut man sich nämlich zu leicht selbst Sand in die Augen. Es ist eine ver-
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Raffertbesserte Fremdkontrolle der Effektivität dieser Mittel notwendig. Das soll geschehen. Im Presse- und Informationsamt hat man sich vorgenommen — und wir begrüßen das ausdrücklich —, künftig bei jeder Maßnahme wie in der freien Wirtschaft einen bestimmten Prozentsatz, etwa 5 %, für diese Erfolgskontrolle aufzuwenden. Es wird eine Lösung auf lange Sicht angestrebt, was wir ebenfalls sehr begrüßen: Ein Institut in München ist beauftragt worden, möglichst zuverlässige, wissenschaftlich abgesicherte Methoden der Erfolgskontrolle zu erarbeiten und vorzuschlagen.Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Kontrolle dieser Art kann zwar zu einer rationelleren Einsetzung der Mittel führen. Entscheidend aber bleibt gerade für die Arbeit eines solchen Hauses wie des Bundespresse- und Informationsamtes die Glaubwürdigkeit dessen, was aus diesem Hause heraus in die Öffentlichkeit hineingesprochen wird, und die Maßnahmen, die der Haushalt 1967 bringt und von denen ich gesprochen habe, tragen nach der Auffassung meiner Freunde dazu bei, die Glaubwürdigkeit der Informationspolitik der Bundesregierung zu verbessern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Tallert.
— Oh, pardon, das ist ein Irrtum: zu den Ausführungen des Kollegen Raffert. Herr Kollege Tallert war bisher im Ausschuß mein Mitberichterstatter.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, in den vergangenen Jahren waren die Beratungen über diesen Titel des Bundespresse- und Informationsamtes immer Gegenstand heftiger Kontroversen. Nun, im Rahmen der Großen Koalition, hat ja wohl auch die Sozialdemokratische Partei inzwischen Gelegenheit genommen, ein wenig hinter die Kulissen zu schauen, und die Kollegen werden erfahren haben, daß in den zurückliegenden Jahren mit den Mitteln des Tit. 300 niemals ein parteipolitischer Mißbrauch getrieben worden ist, sie werden erfahren haben, daß diese Mittel immer nur ausgegeben worden sind, um die Informationsmöglichkeiten der Bundesregierung zu bereichern.
Ein zweites. Den Wünschen, die im vergangenen Jahr vorgetragen worden sind, ist inzwischen Rechnung getragen. Wir haben die parlamentarische Kontrolle des Titels beschlossen. Ich persönlich beurteile das etwas zurückhaltend. Aber es war der Wunsch der großen Mehrheit. Wir haben jetzt die parlamentarische Kontrolle, und viele Kollegen betrachten das als einen Erfolg. Die Mittel sind auch in ihrem Umfang redressiert worden; wir tragen damit den bescheideneren finanziellen Möglichkeiten der Bundesregierung, auch auf dem Informationssektor tätig zu werden, Rechnung.
Aber eines möchte ich bei dieser Gelegenheit doch noch zu bedenken geben. Es handelt sich um einen Titel zur Förderung des Informationswesens zur Verfügung des Bundeskanzlers. Wir sollten und davor hüten, von der Tribüne des Bundestages in die Gestaltungsmöglichkeit der Exekutive, die Gestaltungsmöglichkeit des Bundeskanzlers auf dem Informationssektor allzusehr einzugreifen. Wenn gewisse Abreden im Kabinett erzielt worden sind, dann soll man diese Abreden im Kabinett auch behandeln.
Ich glaube, das Plenum eignet sich nicht zu einer Ausprache im Detail. Es wurde auf die ADK hingewiesen. Meine Damen und Herren, ich möchte hier nicht das Loblied auf die ADK singen, die sich in vielen, vielen Dingen der Informationspolitik, und zwar jenseits der parteipolitischen Ebene, außerordentlich verdient gemacht hat. Das darf ich als persönliche Bemerkung hier einmal anführen. Abschließend würde ich es begrüßen, wenn wir der Gestaltungsmöglichkeit des Presseamtes und auch des Bundeskanzlers ausreichend Raum gäben. Wenn Absprachen getroffen sind, dann bitte diese im Schoße des Kabinetts realisieren, aber nicht hier!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur um das Wort gebeten, weil ich nicht zulassen möchte, daß die Haltung der Freien Demokraten in zwei wichtigen Punkten so mißdeutet wird, wie das der Kollege Dr. Barzel soeben getan hat. Ich halte Herrn Dr. Barzel zugute, daß er .das vielleicht ohne Absicht getan hat, wiewohl seine sprachliche Begabung auch sicherlich absichtliche Mißdeutungen hier vorzutragen zulassen würde.
Es handelt sich zunächst um die Frage der Lieferung von Gasmasken in den Vorderen Orient. Wir haben zu keiner Zeit gegen humanitäre Maßnahmen im Vorderen Orient protestiert. Ganz im Gegenteil, wir möchten, daß alle Möglichkeiten humanitärer Maßnahmen ausgeschöpft werden; wir rufen dazu auf. Wir wissen auch, daß der Konflikt im Vorderen Orient nicht nur mit dem kühlen Intellekt beurteilt werden kann, am allerwenigsten in Deutschland. Für viele spielen dabei das Herz, die menschlichen Bezüge, auch die jüngste Geschichte eine wesentliche Rolle. Das kann niemand übersehen. Worum es uns gegangen ist, ist etwas ganz anderes. Wir haben uns mit der Haltung der Bundesregierung befaßt, die heute morgen hier noch einmal dargelegt worden ist. Es handelt sich um die Haltung der Bundesregierung, die in der vorigen Woche als „neutral" und heute als „Nichteinmischung" bezeichnet worden ist.
Ich glaube, daß es problematisch ist — und nur das hat Herr von Kühlmann in einer Erklärung der
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Scheel
Öffentlichkeit mitgeteilt —, in dieser Situation Material, und zwar für den Konflikts- und Kriegsfall einsetzbares Material, wenn es auch dem Schutze dient, offiziell in Spannungsgebiete zu liefern. Es geht ja nicht etwa darum, zu verhindern, daß bei deutschen Produzenten Gasmasken gekauft werden, sondern uns geht es nur darum, ob es nicht eine Form von Parteinahme ist, wenn die Bundesregierung aus ihren Beständen solche Gasmasken liefert. Die Tatsache, daß ein zweiter kriegführender Staat schon um Lieferung von. Gasmasken gebeten hat, zeigt ja, daß es auch hier eine gewisse Eskalation geben kann. Wir haben heute in unseren Bemerkungen zum Haushalt des Herrn Bundeskanzlers nur deswegen nicht über dieses Problem gesprochen, weil die Bundesregierung uns noch nicht darüber aufgeklärt hat, wie sie sich im Falle Jordanien verhalten will. Wir möchten der Bundesregierung in aller Ruhe eine Entscheidung überlassen, die vielleicht vergangene Schäden wiedergutmacht.
Das wollte ich, Herr Kollege Dr. Barzel, der Deutlichkeit halber sagen.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber doch die Bundesregierung fragen, ob es eine besondere Bedeutung hat, daß wir in der Definition unserer Haltung von der früheren „Neutralität" zu einer „Nichteinmischung" übergegangen sind, ob es hier möglicherweise graduelle Unterschiede gibt. Das, glaube ich, interessiert die deutsche Öffentlichkeit.
Wenn ich dieses Kapitel abschließen darf, so gegestatten Sie, verehrter Herr Dr. Barzel, mir noch eine Bemerkung, einen gutgemeinten Ratschlag: Sparen Sie doch bitte die „unverbrauchte deutsche Stimme" für bessere Gelegenheiten. Im Nahostkonflikt mitzuwirken, ist sie, glaube ich, ganz ungeeignet.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Barzel? — Bitte sehr!
Erlauben Sie mir, daß ich aus dem Pressedienst der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung vorlese und Sie frage, ob Sie sie gelesen haben:
_ „Die FDP erwartet, . . . Insbesondere darf keine Lieferung von militärischem Material oder Material, das auch für militärische Zwecke verwendet werden kann, in Spannungsgebiete erfolgen.
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, sofort zu klären, ob Meldungen zutreffen, daß bereits 20 000 Gasmasken an Israel ausgeliefert worden sind. Sollten diese Meldungen zutreffen, so würde eine solche unter Ausschaltung des Parlaments getroffene Maßnahme zu parlamentarischen Konsequenzen führen."
Würden Sie mir darin zustimmen, daß die deutsche
Presse deshalb wohl mit Recht die Überschriften
gesetzt hat, die die ganze Welt erregt haben und von denen ich hier gesprochen habe?
Herr Dr. Barzel, ich muß gestehen, der Beifall auf Ihre Frage irritiert mich etwas; er kann nur von den Kollegen kommen, die nicht gehört haben, was ich gesagt habe. Ich habe soeben während Ihrer Abwesenheit, Herr Dr. Barzel, den Unterschied zu erläutern versucht, der darin liegt, humanitäre Maßnahmen zu unterstützen — was wir sehr wohl tun —, auch die wirtschaftliche Lieferung von Gasmasken zuzulassen oder Gasmasken aus öffentlichen Beständen herzugeben. Das ist der Unterschied, um den es uns hier gegangen ist. Das habe ich soeben zu erklären versucht, damit hier keine Mißdeutungen bestehenbleiben.
— Ich weiß, meine verehrten Kollegen, daß es in der Politik nicht unüblich ist, durch eine polemische Würdigung gewisser Äußerungen den Wahrheitsgehalt etwas zu überschatten. Diese grobe Mißdeutung unserer Stellungnahmen war ein solcher Versuch.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, zu einem zweiten Mißdeutungsversuch Stellung zu nehmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende?
Bitte sehr!
Darf ich den Kollegen Scheel fragen, ob er es nicht für zweckmäßig hält, jetzt auf die Auseinandersetzung im Bundeskabinett einzugehen, die justament um diese Frage der „Lieferung aus Beständen der Bundesregierung" ging und im Kabinett die Angelegenheit doch sehr belastet hat.
Ich weiß, daß die Auseinandersetzung zumindest in dieser Frage innerhalb der so einigen Koalition im Kabinett möglicherweise schärfer geführt worden ist als innerhalb der Fraktionen. Die Öffentlichkeit ist ja nicht ununterrichtet geblieben, daß zumindest ein Kabinettsmitglied sich bis zuletzt gegen die Lieferung von Gasmasken aus öffentlichen Beständen gewandt hat.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja.
Ist Ihnen bekannt, daß das Kabinett einen einstimmigen Beschluß gefaßt hat? Ist Ihnen bekannt, daß Gas im Nahen Osten auf einem anderen Kriegsschauplatz angewandt worden ist? Ist Ihnen bekannt, daß, wer Gas anwendet, das Recht bricht? Ist Ihnen bekannt, daß
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5282 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Dr. BarzelIhr Fraktionsvorsitzender von Kühlmann-Stumm auf dem Bogen Ihrer Partei am 2. Juni
— ich wollte damit das Offizielle betonen — gesagt hat, nachdem die Regierung diesen einstimmigen Beschluß gefaßt hat: „Der Beschluß ist ebenso bedauerlich wie bedenklich"?
Ich habe soeben schon erläutert, warum wir diese Stellungnahme abgegeben haben. Ich bitte Sie doch, diese Differenzierung zu verstehen und auch recht zu würdigen. Ich glaube, das nützt der Sache auch, Herr Dr. Barzel.Ich komme nun zu einem zweiten Punkt, und zwar zu dem Problem Wehrpflicht. Sie hätten die Freie Demokratische Partei völlig mißverstanden, wenn Sie unseren Vorschlag, die Wehrpflicht zu kürzen, der die Billigung aller mit den Verhältnissen wirklich Vertrauten findet — —
— Vielleicht nicht genau in der Mitte des Saales; aber wenn ich auf die Seiten schaue, sieht das Bild schon anders aus.
Sie würden, Herr Dr. Barzel, uns völlig mißdeuten, wenn Sie uns unterstellten, daß wir mit diesem Vorschlag die Verteidigungsbereitschaft schwächen wollten. Wir wollen sie natürlich stärken; das ist doch der Sinn unseres Vorschlages.
Wir möchten — lassen Sie mich das hart sagen —, daß die antiquierte Vorstellung über die Verteidigungspolitik endlich einmal an die wirklichen Verhältnisse angepaßt wird. Dazu gehört auch die Wehrpflicht, in der Tat zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft. Nichts anderes ist von uns gemeint. Wenn Sie das durchlesen, was der Kollege Schultz dazu gesagt hat, dann werden Sie bei objektiver Wertung zu solcher Fehldeutung nicht kommen. Ich möchte annehmen, daß wir uns in sehr kurzer Zeit in diesem Hause mit der Mitwirkung aller drei Fraktionen zu einer etwas moderneren Form der eigenen Verteidigungspolitik bekennen werden. Heute, Herr Dr. Barzel, lehnen Sie es möglicherweise noch ab. Ich nehme an, daß Sie in spätestens sechs Monaten bei ruhiger Wertung mit uns gemeinsam zu gleichen oder ähnlichen Ergebnissen kommen werden.Jetzt möchte ich noch etwas zu dem sagen, was der Herr Bundeskanzler hier vorgebracht hat. Ich stimme ihm zu, wenn er die Besprechungen in Rom in einem Punkte hoffnungsvoll wertet, nämlich in der Annäherung der Auffassungen von weltpolitischen Vorgängen. Es wäre wirklich wünschenswert, daß die Spannungen, die uns jetzt bedrängen, dazu führen, daß sich die EWG-Länder schneller und wirkungsvoller bei der gemeinsamen Beurteilung der außenpolitischen Probleme zusammenfinden können. Ob es dazu institutioneller Anregungen bedarf, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Aber Ihre Erklärung, daß ein zweites Gespräch zwischen denRegierungschefs, das sich mit diesen politischen Fragen befassen soll, schon beabsichtigt sei, erfüllt uns mit einer gewissen Hoffnung. Es wäre gut, wenn ein solches Gespräch zwischen den Regierungschefs dazu genutzt würde, auch das Problem Großbritannien noch einmal zu erörtern. Wir haben eine gewisse Kritik an der Haltung der Bundesregierung, was den Wunsch Großbritanniens, der EWG beizutreten, angeht, nicht etwa deswegen geübt, weil sich die Bundesregierung zu intensiv hinter diesen Wunsch gestellt hätte, sondern weil sie, wie. ich glaube, mehr tun könnte.Was hat denn die Bundesregierung in Wirklichkeit getan? Sie hat erklärt, daß es auch unser Wunsch sei, Großbritannien möge der Wirtschaftsgemeinschaft beitreten können. Gleichzeitig sagt sie aber, daß wir natürlich Verständnis dafür hätten, daß andere Mitglieder der EWG gegenteiliger Auffassung seien. Das heißt doch nicht mehr und nicht weniger als: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß; ich will beiden Teilen gegenüber eine freundliche Geste machen. Ich glaube, es ist unsere Pflicht, und wir haben auch die Möglikeit dazu, auf unseren französischen Partner stärker einzuwirken, als wir das bis jetzt getan haben.Herr Dr. Barzel hat in dem Zusammenhang eben gesagt, es sei ein Fortschritt in Rom gewesen, daß keiner der EWG-Staaten ein Nein gesagt habe. Aber wir können doch nicht verkennen, daß der Regierungschef Frankreichs einen ganzen Katalog von Motiven und Motivationen vorgetragen hat, die ihn veranlassen werden, seiner Verhandlungsdelegation in der Zukunft sehr viel Stoff zu geben, um den Beitritt Großbritanniens zu verhindern oder zu verzögern. Ich meine, wir müssen da ansetzen. Wir müssen unseren Partner mit sachlichen Argumenten, ich möchte sagen: bedienen können; wir müssen ihm helfen können. Wir müssen seine Bedenken auszuräumen versuchen, und zwar aktiv — jetzt nehme ich ein Wort von Herrn Schmidt auf —, weil der Beitritt Großbritanniens und anderer Petenten nicht etwa nur in deren Interesse wünschenswert ist, sondern weil wir im eigenen wirtschaftspolitischen, vor allem aber auch politischen Interesse diesen Beitritt mit aller Kraft anstreben müssen.Das, Herr Bundeskanzler, ist ja nicht neu, sondern — ich sehe vor mir gerade unseren Kollegen Professor Furler sitzen — das war schon Gegenstand der Diskussion in dem Sonderausschuß, dessen Präsident Herr Professor Furler damals hier im Bundestag war. Es hat einen Berichterstatter gegeben, der vor diesem Hause einen Bericht über die Notwendigkeit abgegeben hat, später auch England und andere in die EWG hineinzuziehen; ich war es zufällig selber.Das, meine verehrten Kollegen, sind ja Gedanken, die in diesem Hause in der Vergangenheit einheitlich vertreten worden sind und heute einheitlich gesehen werden. Es ist deswegen richtig, die Bundesregierung aufzufordern, mehr noch als bisher zu tun. Das ist unsere Bitte.
Lassen Sie mich nun abschließend ein paar Bemerkungen über ein Phänomen machen, das ich
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5283
Scheelheute hier zum erstenmal in dieser Deutlichkeit entdeckt habe. Wir sind offenbar dabei, ein neues Dogma, ein neues Tabu, einen Fetisch oder was immer Sie sagen wollen, zu errichten; das ist das Dogma der Großen Koalition. Die beiden Koalitionsfraktionen waren sich mit dem Herrn Bundeskanzler heute völlig darüber einig, daß es die Große Koalition geben kann oder nichts, daß die Große Koalition dazu verurteilt sei, Erfolg zu haben, — oder aber: „Was kommt danach?" Der Untergangsgedanke schwebte hier schon durch den Raum. Ich wurde an den verstorbenen Bundeskanzler Dr. Adenauer erinnert, der bei passenden, manchmal auch bei unpassenden Gelegenheiten seine Die-Lage-warnoch-nie-so-ernst-Reden hier gehalten hat.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, seien wir doch einmal ganz ehrlich: wenn die Große Koalition so weiter macht wie bisher, dann sehe ich in absehbarer Zeit auf jeden Fall keine greifbaren Ergebnisse, vor allem nicht in den Bereichen, die Sie in kurzer Zeit zu lösen sich vorgenommen haben. Und wenn die Große Koalition in der Tat einen politischen Mißerfolg hätte, würde die Politik in der Bundesrepublik auch sicher weitergehen — in der einen oder anderen Form. Wie ist die Koalition denn zustande gekommen? Erinnern wir uns doch kurz: sie ist zustande gekommen, weil die damalige führende Regierungspartei, die CDU/CSU, ein innerparteiliches Personalproblem lösen wollte und lösen mußte. Diese Form der Koalition ist eine legitime Form auf der Basis unseres Wahlrechts. Aber man muß die Verantwortlichen in den beiden Parteien fragen, ob es die normale Form sein kann. Ich glaube, es kann nicht die normale Form sein, sondern es kann nur die Ausnahme sein. Das Verantwortungsbewußtsein der führenden Politiker der beiden Parteien, die jetzt die Regierung bilden, muß entscheiden, wann man diese Verbindung wieder lösen muß. Heute hat es doch den Anschein, als ob sich alle darüber einig wären, daß nur diese Verbindung für alle Zukunft politische Lösungen bringen würde.Es liegt noch eine Gefahr in diesem neuen Dogma, das ich in der Öffentlichkeit immer wieder gepflegt sehe, z. B. von Herrn Kollegen Schmidt, der in einem exklusiven Kreise in Düsseldorf vor nicht allzu langer Zeit gesprochen hat, sehr temperamentvoll und mit gutem Erfolg, nämlich vor dem Industrieklub.
— Nein. Ich habe das Protokoll gelesen. Der Herr Bundeskanzler äußerte sich genau wie der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion in dieser Frage in immer dichteren Intervallen. Es liegt eine gewisse Gefahr in dieser Art, die Zusammenarbeit der beiden Parteien zu rühmen und zu besingen. Es liegt auch eine gewisse Gefahr in der Haltung des Herrn Bundeskanzlers selbst,
der sich — was sicherlich menschlich und auch hinsichtlich der Solidarität der beiden Partner rühmenswert ist — in einem immer stärkeren Maße mit dieser Form der Zusammenarbeit identifiziert. Deshalb könnte ich mir vorstellen, daß, wenn einmal dieNotwendigkeit einer anderen Zusammenarbeit bestünde, seine eigenen Parteifreunde — für manche unerfreulich, für manche vielleicht erfreulich — ihn bereits eingemauert sehen in seinen eigenen Erklärungen und daß sie sagen: Du kannst ja gar nichts anderes machen, du bist doch überhaupt nur für diese Zusammenarbeit geschaffen.
Ich möchte den Herrn Bundeskanzler bitten, diesen Hinweis in seinem Interesse zu beachten, aber auch im Interesse der Funktionsfähigkeit einer parlamentarischen Demokratie unserer Art zu berücksichtigen.Diese Form der Zusammenarbeit wird von uns natürlich immer noch mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. Die Ergebnisse sind bisher noch nicht greifbar. Wir warten auf diese Ergebnisse. In manchen Bereichen wünschen wir positive Ergebnisse geradezu herbei, weil sie für das ganze Volk notwendig sind. Wir sind bereit mitzuarbeiten, wie in den letzten Monaten und Jahren, so auch heute. Aber machen Sie die Große Koalition nicht zu einem Fetisch, an dem Sie am Ende auch dann noch kleben, wenn sie nicht mehr gerechtfertigt ist, ja, wenn sie für das demokratische Leben geradezu eine Gefahr zu werden droht.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich eigentlich zu Wort gemeldet, um zu der Haltung der Regierung und auch zu meiner Haltung in der Frage des Eintritts Großbritanniens, Dänemarks, Irlands und anderer in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die anderen Gemeinschaften Stellung zu nehmen. Ich will das nachher auch tun. Aber inzwischen hat mich Herr Scheel ein wenig provoziert, und ich muß natürlich dazu Stellung nehmen.Eigentlich begreife ich nicht recht, daß er behauptete, die beiden Partner der Großen Koalition machten die Große Koalition zu einem Fetisch. Ich habe in den letzten Monaten den Eindruck gehabt, daß man hüben wie drüben in beiden Parteien empfunden hat, daß diese Koalition für beide Partner ein Wagnis und ein Problem war und ein Wagnis und ein dauerndes Problem sein wird. Das kann ja gar nicht anders sein. Wenn sich zwei so große Parteien mit zwei so verschiedenen geschichtlichen Hintergründen miteinander verbinden, ist das kein leichtsinniges, aus einer Augenblickssituation heraus entstandenes Unterfangen, sondern eine sehr wohl überlegte Aktion. Ich habe daher auf dem Parteitag der Christlich-Demokratischen Union in Braunschweig gesagt: Das ist keine Verlegenheitslösung gewesen. Aber ich habe auf diesem Parteitag auch darauf hingewiesen, daß diese beiden Parteien nicht nur
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5284 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingerden Anfang, sondern auch das Ende bewußt vorausbedacht haben.
— Ich sage: beide haben das Ende vorausbedacht.
— Das Ende der Koalition, nicht das Ende der Parteien.
D i e beiden Parteien werden auf alle Fälle bestehenbleiben;
ob andere, da wage ich eine sichere Prognose nicht zu stellen.
Beide haben das Ende der Koalition bedacht. Wir haben uns ja bewußt vorgenommen — und das ist der schmerzliche Punkt für Sie, ich weiß es wohl —, ein Wahlrecht zu erarbeiten, das uns bei künftigen Wahlen, .d. h. bei Wahlen ab 1973, sichere Mehrheiten verspricht, Mehrheiten — ich habe es vor kurzem so ausgedrückt —, die die eine oder die andere Partei unabhängig machen von einem kleinen Partner, der halb mitläuft, halb aus der Opposition heraus agiert.
Sie können doch nicht leugnen, daß diese unbehagliche Situation in der Vergangenheit oft genug gegeben war. Das Ende der letzten Regierung ist ja auch nicht so gekommen, wie Sie, Herr Scheel, es eben dargestellt haben. Das Ende der letzten Regierung kam, weil sich die beiden Partner über die Schließung der Haushaltslücke letztlich nicht einigen konnten. Darüber ist die Regierung gestürzt. Dazu haben Sie kräftig mitgewirkt. Das, was die vorige Regierung nicht fertiggebracht hat, haben wir binnen weniger Wochen geschafft.
— Wollen Sie leugnen, daß wir binnen weniger Wochen den Haushalt 1967 ausgeglichen haben?
— Wie? Ohne wesentliche Steuererhöhungen!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege Mende!
Herr Bundeskanzler, sehen Sie es auch im Hinblick auf die Auseinandersetzung in der alten Regierung im Herbst vorigen Jahres als einen Erfolg an, daß der Haushalt 1967 gegenüber dem Haushalt 1966 eine Ausweitung von 13,1 % bei einem Zuwachs des Bruttosozialprodukts von etwa 2 oder gar 0 % verzeichnet? Ist das ein
Erfolg, und zu welchen Lasten geht dieser Erfolg, etwa zu Lasten der Währungsstabilität?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mende, die Währungsstabilität können Sie ja feststellen. Sie können feststellen, wie sich die Währung in den letzten Monaten entwickelt hat.
Zweitens ist, wie Sie sehr genau wissen, die Vermehrung der Ausgaben durch die Maßnahme notwendig geworden, die wir mit dem Wort „Investitionshaushalt" bezeichnet haben. Wir standen angesichts der seit dem Sommer des letzten Jahres eingetretenen Abschwächung unseres Wirtschaftswachstums nun einmal vor der Notwendigkeit, einige kräftige materielle Impulse zu geben. Wir sind in dieser Maßnahme von der gesamten öffentlichen Meinung der Bundesrepublik unterstützt worden,
von den Gewerkschaften bis zu den großen Organisationen der Industrie und der Arbeitgeberverbände.
Aber lassen Sie mich auf den Fetisch zurückkommen; denn mir liegt wirklich daran, dazu etwas zu sagen; mir liegt nicht daran, einfach mit Herrn Scheel zu polemisieren. Ich sagte: Die beiden großen Partner haben ernsthaft das Ende der Großen Koalition vorausbedacht. Keine unserer beiden Parteien denkt daran, für die Ewigkeit eine Große Koalition aufrechtzuerhalten; wir haben uns in einer schweren Stunde unseres Volkes zusammengefunden, um Aufgaben miteinander zu bewältigen, von denen wir überzeugt sind, ,daß sie nur durch die gemeinsame Regierung dieser beiden Koalitionspartner bewältigt werden können,
und uns dann wieder in das normale parlamentarische Spiel zurückzubegeben. Das ist unser Ziel, das haben wir klar und deutlich gesagt, und zwar im Zusammenhang mit ,dem Problem einer Änderung des Wahlrechts, gegen Ihren Widerspruch. In diesem Punkt widersprechen Sie sich also selbst. Sie kritisieren uns, weil wir angeblich die Große Koalition verewigen wollen, und zugleich kritisieren Sie uns, wenn wir den Versuch machen, diese Große Koalition durch institutionelle Maßnahmen für die Zukunft zu beenden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön!
Herr Bundeskanzler, sind Sie wirklich der Meinung, daß die SPD bei dem. augenblicklichen Stand der öffentlichen Meinung bereit ist, mit Ihnen ein Mehrheitswahlrecht in diesem Hause zu verabschieden?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5285
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was soll ich zu dieser Frage sagen? Beide Parteien wissen genau, daß eine solche Änderung unseres Wahlrechts einen tiefen Eingriff auch in ihre eigene Existenz, in ihren eigenen Wesenskern bedeuten würde; denn nach der Einführung eines solchen Wahlrechts sähen die Parteien, die dann in diesem Hause vertreten sein würden, in der Tat anders aus, als sie heute sind, wenn sie auch noch einen Teil ihres geistigen Erbes bewahren würden. Wir wollen es versuchen. Aber ganz gleich, wie das ausgehen mag, Herr Kollege Zoglmann, eines ist doch sicher: Die These von Herrn Scheel — darauf kommt es mir an —, daß wir die Große Koalition zu einem Dauerfetisch machen wollen, ist ganz gewiß fall sch; denn das will niemand in diesem Hause.Sie sagten, in immer häufigeren Intervallen hebe ich selber die Bedeutung der Großen Koalition hervor. Aber natürlich tue ich das. Was soll ich denn anderes tun?
Ich habe mich entschlossen — Sie wissen es: nach ehrlichen und fairen Verhandlungen mit Ihnen, das werden Sie mir hoffentlich zugeben, das können Sie wirklich nicht leugnen —, als Kanzler einer Großen Koalition ein ganz neues Wagnis einzugehen. Nun muß mir selbstverständlich daran liegen, diese Große Koalition doch mindestens einmal für die Legislaturperiode zusammenzuhalten, die wir jetzt zu bewältigen haben. Was nach dem Jahre 1969 werden wird, meine Damen und Herren, das werden die sich dann ergebenden Mehrheiten und die sich dann ergebenden politischen Realitäten zeigen.In dieser Zeit aber, die wir beisammen sind, wollen wir Erfolg haben. Es heißt ja immer, die Große Koalition sei zum Erfolg verdammt. Welche Koalition ist nicht zum Erfolg verdammt?
Bei Todesstrafe ist jede Koalition zum Erfolg verdammt! Und gerade weil die Große Koalition mit all dem, was eben nun einmal in unserer bundesstaatlichen Struktur an Belastendem mitgeht, nach wie vor den Charakter des Wagnisses hat, müssen vor allen Dingen die führenden Kräfte beider Parteien darauf sehen, daß nicht kleine tagesbedingte Bedenken diese Parteien von ihren großen Zielen und von den zu bewältigenden Aufgaben ablenken. Warum soll ich es nicht sagen, ganz gleich für wen: Landtagswahlen, an denen man herkömmlicherweise wie an einem Barometer das Wetter der künftigen Bundestagswahlen abzulesen pflegt, sind psychologische Belastungsproben für diejenigen, für die sie nicht so ausgehen, wie sie es gern wünschen.
Das hätte ich meiner Partei genauso gesagt, wenn es umgekehrt gegangen wäre. Im Gegenteil, Sie hätten mich dann als einen noch viel vehementeren Verteidiger der Großen Koalition gefunden. Ich habe in Braunschweig gesagt, die Große Koalition habe in diesem Jahre fünf Landtagswahlen auszuhalten. Ich habe gesagt, das sei nicht nur eine Feststellung, sondern zugleich eine Mahnung, nämlich die, daß man, wie die Erfahrung lehrt, aus solchen Zwischenerfolgen noch lange nicht absehen kann, wie dann die Bundestagswahlen schließlich ausgehen werden. Das sage ich zum Trost für den einen und zur Mahnung für den anderen!
Nun bin ich aber doch gezwungen, noch ein Wort zur Frage der Haltung der Regierung zum Eintritt Großbritanniens zu sagen, damit kein falscher Eindruck zurückbleibt. Diese Regierung und ich selbst haben von Anfang an den Eintritt Großbritanniens und der anderen Aspiranten in die europäischen Gemeinschaften begrüßt. Ich habe das in der Regierungserklärung getan und ich habe seitdem diese Feststellung nicht nur monoton wiederholt, sondern sie in verschiedensten Variationen bei verschiedensten Gelegenheiten bekräftigt.Herr Kollege Helmut Schmidt hat eine leicht kritische Bemerkung nicht nur an meine Adresse, sondern auch an die Adresse der ganzen Regierung gerichtet. Auch Sie, Herr Kollege Scheel, haben das getan. Ich teile diese Auffassung nicht, und zwar aus folgendem Grunde. Wir waren ja im Januar in Paris und haben über diese Frage mit Präsident de Gaulle und mit anderen führenden Persönlichkeiten der französischen Regierung sehr ausführlich gesprochen. Ich habe dort mit allem Nachdruck vorgetragen, daß unsere öffentliche Meinung den Beitritt Grobritanniens und anderer zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus unserem eigenen nationalen Interesse wünschen muß. Das ist von meinem französischen Gesprächspartner verständnisvoll aufgenommen worden. Ich habe dann unseren englischen Besuchern, also Herrn Wilson, zweimal gesagt — wir haben ja zweimal darüber geredet, einmal bei seinem offiziellen Besuch und nachher anläßlich seines Aufenthalts bei den Trauerfeierlichkeiten für den Altbundeskanzler Dr. Adenauer —: Ich muß Ihnen gegenüber ein ganz redliches Verhalten an den Tag legen. Auf eine Forderung oder Bitte hin, daß wir uns sozusagen die Ärmel hochkrempeln sollen, um in dieser Angelegenheit unsere französischen Partner stark zu bedrängen, müßte ich Ihnen sagen: genau das wäre falsch! Wir können in dieser Frage nur zu einem Erfolg kommen, wenn wir ein gewisses Verständnis für die Haltung unseres französischen Partners aufbringen und versuchen, ihn mit Argumenten davon zu überzeugen, daß sich der Eintritt Großbritanniens und anderer in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gar nicht vermeiden läßt, anders ausgedrückt, daß gegen eine so übermächtige europäische öffentliche Meinung auf die Dauer nur mit Schaden für ganz Europa der Eintritt Großbritanniens verhindert werden kann, selbst wenn gewisse Bedenken Frankreichs, der französischen Außenpolitik und Europapolitik eine ernsthafte Beachtung verdienen. Ich habe in Rom bei unseren Verhandlungen und auch bei den Einzelverhandlungen mit Regierungen europäischer Länder immer wieder gesagt: Wir müssen diesen Streitfall aus der Welt schaffen, indem wir offen und freimütig miteinander diskutieren.
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5286 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundeskanzler Dr. h. c. KiesingerEs gab auch in Rom wieder eine Situation, wo es so schien, als ob von vornherein zwei Positionen gegeneinander stünden, über die es überhaupt kein Gespräch geben könnte. Genau diese Situation habe ich vermeiden wollen, und ich habe daher auch in Rom gesagt: Gerade weil wir den Eintritt Großbritanniens wünschen, müssen wir im Kreise der Sechs die Frage offen ausdiskutieren, um zu einer Einigung gelangen zu können. Und ich betrachte es als einen Erfolg, daß dies gelungen ist. Manchmal ist stilles Handeln besser als lautes Reden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben die Bemerkung des Kollegen Scheel vom Fetisch, vom Dogma in einer Form aufgenommen, wie sie gar nicht gesagt war. Sie haben selbst davon gesprochen, daß sich die Frage 1969 vielleicht durchaus anders für Sie stellt. Ich glaube, Sie denken da an Ihre absolute Mehrheit, die Sie gern mit der Methode, die in den letzten Monaten praktiziert worden ist, hier erreichen wollen. Wenn Sie aber dieses Ziel anstreben, was Ihr legitimes Ziel ist, müssen Sie sich natürlich davor hüten, bis 1969 an gewichtige Aufgabengebiete das Namensschild „Nur lösbar mit der Großen Koalition" zu hängen. Wir sind sicher, daß wir bis 1969 eine ganze Reihe großer Fragen eben nicht gelöst haben werden, denn die Zeit wird einfach nicht ausreichen, obwohl Sie es sich vorgenommen haben.Ihre Bemerkung, Sie wüßten, zwei Parteien würden auf jeden Fall bestehen, macht leider deutlich, daß die Absicht, das Wahlrecht zu ändern, gezielt gegen die dritte Partei geht. Es geht also nicht nur um die Frage, sichere Mehrheiten zu bilden. Daß sichere Mehrheiten auch mit dem jetzigen Wahlrecht möglich sind, haben wir in den Landtagswahlen erlebt, haben wir seit 17 Jahren in diesem Bundestag erlebt. Diese Begründung der sicheren Mehrheit zieht also absolut nicht. Es ist deutlich, wohin die Reise gehen soll, wobei die Kollegen der SPD selbstverständlich selbst überlegen werden und überlegen müssen, welchen Weg sie mitgehen können, welchen Weg sie nicht mitgehen können.Herr Bundeskanzler, Ihr Hinweis darauf, daß die Koalitionspartei FDP halb mitgelaufen, halb in der Opposition gewesen sei, soll . doch wohl deutlich machen, daß wir eben nicht ein Anhängsel waren, sondern eine eigene Meinung in der Koalition vertreten haben. Das ist natürlich immer unsere Meinung gewesen und wird es auch in Zukunft' sein.
Ich bin sicher, auch die Kollegen von der SPD sind der Meinung, daß sie eine eigene Meinung haben. Nur scheinen Sie dafür neue Vokabeln finden zu wollen, wenn Sie dann anderer Meinung sind als die stärkste Regierungspartei. Aber das ist Ihnen überlassen, wie Sie das machen wollen.
Die Bemerkung, daß das Ende der letzten Regierung — das klang so durch — doch nicht zuletzt durch den Koalitionspartner verschuldet sei, ist natürlich eine völlige Verschiebung der Tatbestände,
denn sechs Monate lang ist uns doch immer wieder gesagt worden, man müsse noch auf den rechten Termin aufpassen, wann man den Wechsel durchführe, und man hat uns immer wieder erklärt, welche Möglichkeiten dann bei welchen Anlässen bestünden.
— Richtig, von Geburtstagen ist gesprochen worden. Es ist doch nicht so, daß wir nicht wüßten, welche Überlegungen in Ihrer Partei — nicht von Ihnen selbst, Herr Bundeskanzler; Sie waren ja damals an diesen Dingen nicht beteiligt — angestellt worden sind. Worauf es aber Kollegen Scheel mit dem Zwischenruf und Kollegen Mende mit der Zwischenfrage ankam, ist doch etwas ganz anderes. Als hier diese Koalition vor der Entscheidung stand: Steuererhöhungen ja oder nein, haben wir nein gesagt und haben Sie ja gesagt und sich sechs Monate später bestätigen lassen müssen, daß die FDP recht hatte und nicht die jetzige Koalition.
Wenn Sie heute die Entwicklung betrachten, dann müssen Sie zugeben, daß gerade die Erhöhung der Mineralölsteuer der falscheste Weg war, der seit der zu erwartenden konjunkturellen Entwicklung gegangen werden konnte, was heute auch jeder zugibt, was man nur hier nicht offen ausspricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Fragen werden im einzelnen noch bei den verschiedenen Haushalten behandelt werden. Eines möchte ich allerdings hier noch in aller Offenheit sagen. Wir haben über ein Jahrzehnt erlebt, daß so etwa der Gedanke vertreten wurde: Die CDU, die stärkste Partei, bildet die Regierung, und das ist praktisch der Staat. Heute geht es soweit, daß man sagt: Die neue Koalition, das ist das Entscheidende, nur sie allein kann es machen, das ist der Staat. Zum Staat gehört eben mehr als nur die Regierungsmehrheit. Dazu gehört auch die Opposition. Das sollte man bei all den Fragen, die wir hier behandeln, nicht vergessen.
Ich hatte gehofft, daß der Herr Bundeskanzler noch auf ein paar Sachprobleme eingeht, die unser Fraktionsvorsitzender in seiner Rede hier angesprochen hat. Das ist leider nicht geschehen. Ich muß deshalb ein paar Punkte, die angesprochen, aber noch nicht weiterdiskutiert worden sind, vertiefen.Die Behandlung des Stoph-Briefs, Herr Bundeskanzler, ist nach unserer Meinung in dieser Form alles andere als eine Stärkung unserer Position gewesen. Wenn man es am 12. April hier von diesem Pult aus für richtig hielt, eine Regierungserklärung an den SED-Parteitag abzugeben, mußte man in diesem Zeitpunkt wissen, daß die Reaktion der anderen Seite kam. Dann verstehe ich einfach nicht, daß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5287
Mischnickman praktisch vier Wochen danach immer noch keine Antwort fertig und abgeschickt hat. Das ist nach meiner Überzeugung ein Versagen der Koalition.
In diesem Stoph-Brief ist nach Auffassung der Regierung nichts gebracht worden, was neu gewesen wäre. Wenn das so ist, hätte es um so einfacher sein müssen, sofort darauf zu reagieren. Denn man muß sich doch vor Abgabe der Regierungserklärung überlegt haben, wie man den nächsten Schritt tut, wenn die entsprechende Reaktion von der anderen Seite kommt. Wir sind davon ausgegangen, zumal in der Regierungserklärung davon gesprochen worden war, es sei die breiteste, tiefstgehende Bestandsaufnahme, die je vor einer Regierungsbildung erfolgt sei. Deshalb ist es uns unbegreiflich, daß jetzt noch weitere Verzögerungsmomente in die Überlegungen hineinkommen, Nahost-Krise usf. Wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, daß es nach wie vor wie in den vergangenen fünf, sechs Jahren ausschließlich darum geht: Einigt sich die CDU/CSU, ja oder nein? Das ist die Frage, die nicht beantwortet ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Diskussion zur Regierungserklärung am 12. April deutlich gemacht, wie unsere Meinung zu diesen Fragen ist. Wir sind in einer Aussprache anläßlich der Aktuellen Stunde gemahnt worden, das doch nicht öffentlich zu tun. Kollege Barzel war es, der am 10. Mai davon sprach, man sollte diese Dinge gemeinsam behandeln. Jetzt wird es wahrscheinlich bis zum 10. oder 12. Juni dauern, bis dieser Brief abgeht, wahrscheinlich noch länger. Das heißt, vier Wochen sind ins Land gegangen. Man mahnt zwar die Opposition, sie solle öffentlich nichts sagen. Aber eine Unterrichtung, wie das früher üblich war, findet nicht statt. Was sollen dann eigentlich diese ständigen Erklärungen hier: Wir sind bereit, das gemeinsam zu machen? Wir müssen daraus eindeutig schließen, daß Sie nicht daran interessiert sind, hier mit der Opposition zusammenzuarbeiten. Das wird für uns Anlaß sein, diese Dinge in Zukunft sofort in der Öffentlichkeit zu behandeln und nicht mehr abzuwarten, wie es in den letzten vier Wochen fairerweise wieder geschehen ist, weil wir an Ihr Wort geglaubt haben, daß wir das gemeinsam machen. Aber offensichtlich darf man daran nicht glauben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute früh in der Fragestunde ist ein wenig zu den Postgebühren gesagt worden. Ich habe Verständnis, daß hier manches geprüft werden muß. Aber an diesem Punkt zeigt sich doch wieder, wie richtig die Forderung der Freien Demokraten schon vor Jahren war, all das, was mit gesamtdeutscher Politik zusammenhängt, in einem Ressort zusammenzufassen — unsere Meinung war immer: im gesamtdeutschen Ministerium; wir haben hinzugefügt: ohne Rücksicht darauf, wer der Chef dieses Hauses ist —, damit nicht a) Verzögerungen entstehen, b) bei Stellungnahmen unterschiedliche Meinungen in der Öffentlichkeit vertreten werden.Die ganze Postgebührenfrage kann man doch auf nüchterner rechnerischer Basis erledigen. Man soll sie nicht ständig wieder politisch hochspielen und damit genau das Geschäft der anderen Seite besorgen, das wir eben nicht besorgen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im innenpolitischen Bereich müssen wir feststellen, daß von den groß angekündigten Reformen bisher selbst im Ansatz kaum etwas sichtbar geworden ist, daß keine entsprechenden Entwürfe vorliegen. Ich denke daran, daß die Finanzreform seit Jahren im Gespräch ist, daß die entsprechenden Unterlagen vorhanden sind, daß die Vorarbeit vorhanden ist. Nach einer solchen sorgfältigen Bestandsaufnahme hätte man erwarten müssen, daß nun endlich eine entsprechende Vorlage an das Plenum erfolgt. Der Hinweis auf die mittelfristige Finanzplanung scheint uns kein geeigneter Entschuldigungsgrund dafür zu sein, daß diese Fragen dem Parlament noch nicht vorgelegt werden.Oder ich denke an die schweren Aufgaben, die im Bereich der gesamten Sozialpolitik vor uns liegen. Hier liegt seit Monaten im Ausschuß ein Gesetzentwurf über die Frage: Beitragserhöhungen, ja oder nein? Aber die Grundsatzentscheidung, wie die Dinge weitergehen sollen, die das Kabinett zu fällen hat, ist bis zur Stunde nicht gefallen. Wir schieben die Dinge vor uns her mit dem Ergebnis, daß auch in der Rentenversicherung die Defizite wachsen und Schwierigkeiten entstehen, Veräußerungen von Bundestiteln, Schatzanweisungen und was alles in Frage kommt, notwendig sind. Wir werden zum Sozialetat im einzelnen darauf eingehen.
Das sind doch Punkte, die bisher von der Regierung nicht angepackt worden sind, offensichtlich weil man sich im Grundsatz nicht einigen kann.
Ober ich denke daran, daß für die Kriegsfolgen eine abschließende Gesetzgebung angekündigt worden ist. Das gehört in den Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, völlig richtig! Aber das kann doch nicht bedeuten, daß in der Zwischenzeit die Dinge einfach schleifen, weil man sich über die mittelfristige Finanzplanung nicht einig wird und auch nicht in der Lage ist, innerhalb des Kriegsfolgenbereichs entsprechende Vorschläge vorzulegen.Wir sprechen davon, daß die Ausgabenflut in manchen Bereichen dazu geführt hat, daß ständige Ausgaben gar nicht mehr vom Parlament korrigierbar sind. Auf der anderen Seite wissen wir, daß Ausgaben der öffentlichen Hand in dieser konjunkturellen Lage notwendig sind. Ergebnis: Wir stehen vor wachsenden Defiziten. Ergebnis: Wir müssen im nächsten im übernächsten, überhaupt in den nächsten Jahren uns fragen: Wie sollen die Mittel, die
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5288 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Mischnickjetzt aufgenommen werden müssen, um den Haushaltsausgleich zustande zu bringen, dann durch entsprechende Einnahmen getilgt werden?An die Ausgabenseite ist man bis zur Stunde von der Regierung nicht herangekommen. Hier stellt sich die Frage: Muß nicht endlich auch diese Regierung — sie hat ja die Mehrheit dazu — das Problem der Länderreform, das Problem der Verwaltungsreform angehen? Wir haben mit diesem Etat das Gegenteil erleben müssen, Herr Bundeskanzler. Es ist sehr bedauerlich, daß plötzlich Personalanforderungen in Bereichen kommen, wo wir der Meinung waren, daß die Ausstattung durchaus ausreicht. Daß ausgerechnet das Bundeskanzleramt und ausgerechnet das Bundesratsministerium, besetzt von zwei Schwaben, eine Ausweitung vornehmen, enttäuscht uns. Wir hatten gehofft, daß gerade mit der Amtsübernahme eines Schwaben der Geist der Sparsamkeit, natürlich auch im Bereich der personellen Besetzung, einziehen würde. Daß das Gegenteil geschieht, ist doch sehr bedauerlich, zumal wir erst bei Bundeskanzler Erhard noch eine ganze Planungsabteilung, die dritte Abteilung, zusätzlich bewilligt haben. Hier kommen also plötzlich neue Forderungen.Ich denke auch daran — ich will diese Dinge nicht alle im einzelnen aufzählen —, daß da, wo diese Regierung schon etwas tun konnte, nämlich in der Frage — Kollege Kühlmann-Stumm hat es kurz angesprochen — der Verteilung der Mittel, die aus der Erhöhung der Mineralölsteuer gekommen sind, praktisch nichts geschehen ist. Am 30. Januar hat man sich zusammengesetzt und überlegt, wie es geschehen soll. Am 28. April hat man Beschlüsse gefaßt, daß die Verteilung erfolgen soll. Am 11. Mai kam in der Fragestunde die Mitteilung, man könne noch nicht sagen, was den Städten zur Verfügung gestellt wird. Am 1. Juni mußte der Oberbürgermeister von Frankfurt im Stadtparlament sagen: Bis zu dieser Stunde haben wir noch nicht einmal einen Bewilligungsbescheid für die Mittel, die für die Großstädte vorgesehen sind; mit dem Fließen der Mittel rechnen wir nicht vor August. Wie wollen Sie mit diesen Mitteln tatsächlich etwas für die Konjunktur tun, wenn diejenigen, die sie ausgeben sollen, bis zur Stunde nicht einmal einen Bewilligungsbescheid haben? Das ist doch ein Versagen Ihrer Regierung, Herr Bundeskanzler. Sie hätten doch dafür sorgen müssen, daß das, was vorhanden ist, nun auch tatsächlich gegeben und daß nicht nur in der Öffentlichkeit darüber geredet wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluß noch eine Bemerkung zu dem, was Kollege Barzel sagte, früher habe es um Nuancen mehr Auseinandersetzungen gegeben als heute. Das ist ganz einfach zu erklären. Wir haben eben in sechs Monaten viel mehr Entscheidungen gefällt, als Sie in den letzten sechs Monaten gefällt haben. Das ist der einfache Grund dafür, weshalb Sie angeblich nicht so viel Auseinandersetzungen haben.
Herr Kollege Schmidt hat gesagt, diese Koalition sei notwendig gewesen, weil jeder andere Versuch zu Lasten des kleinen Mannes gegangen wäre. Nun ist ja inzwischen in ganz Deutschland unbestreitbar, daß die soziale Marktwirtschaft nicht zu Lasten des kleinen Mannes gegangen ist, und das war eine Politik, die die Freien Demokraten in der ersten Koalition von 1949 und vorher im Wirtschaftsrat gemeinsam mit der CDU durchgesetzt haben. Das kann nicht wegdiskutiert werden. Die Politik der Freien Demokraten geht nicht zu Lasten des kleinen Mannes, die Politik der Freien Demokraten geht davon ,aus, daß bei schweren Entscheidungen wirklich alle Bereiche einzubeziehen sind.
Ich erinnere an den letzten Sonntag und an den Trost, den der Herr Generalsekretär der ChristlichDemokratischen Union der SPD aussprechen zu müssen glaubte, als die Wahlergebnisse bekannt wurden.
Es ist eigentlich bedauerlich, daß es bei uns in der Bundesrepublik schon so weit ist, daß man bei Wahlkämpfen Angst vor dem Wahlsieg haben muß und daß deshalb die geistige Auseinandersetzung, die um der Sache willen notwendig ist, nicht mehr in der erforderlichen Schärfe geführt wird.
Meine Damen und Herren, ich schlage dem Hause vor, daß die geistige Auseinandersetzung mit der notwendigen Schärfe weitergeführt wird. Deshalb machen wir jetzt am besten die Mittagspause.
Ich hoffe, daß wir um 15 Uhr mit frischen Kräften fortfahren können.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Scheel und des Kollegen Mischnick — beide von mir sehr geschätzte Kollegen des Hauses und der ehemaligen Bundesregierung —veranlassen mich, doch noch einige Bemerkungen zum Haushalt des Bundeskanzlers zu machen.Ich meine, daß die Bildung der Großen Koalition die politische Landschaft auf der Bundesebene entscheidend verändert hat. Die Unverträglichkeit der SPD, der CDU und der CSU, in einer gemeinsamen Koalition zusammenzuwirken, ist überwunden. Das bedeutet aber nicht, daß diese Parteien bereit wären, nun in einem politischen Einheitsbrei die Fragen der deutschen Politik zu sehen, zu be-
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Stücklenhandeln und Zu lösen. Die Koalition ist mit einem ganz bestimmten Ziel angetreten, und dieses Ziel ist für uns nach wie vor der entscheidende Grund, an dieser Koalition, ohne jede Absicht, sie zu ändern, festzuhalten, um diesen von uns erstrebten Erfolg zu erreichen.
Die Frage, warum und weshalb die Kleine Koalition gescheitert ist, hier noch einmal zu behandeln, ist beinahe schon müßig; der Deutsche Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit wissen darüber bestens Bescheid, und es ist ein aufsichtsloses Bemühen, meine Herren von der FDP, diesem Hause und der Öffentlichkeit weismachen zu wollen, daß die anderen am Scheitern der Kleinen Koalition schuld seien.
Sie können sich nicht aus dem Scheitern der Kleinen Koalition herausmogeln. Diese Koalition, der ich selber angehört und an der ich mitgearbeitet habe, ist mit den Aufgaben einfach deshalb nicht mehr fertig geworden, weil trotz allen guten Willens der im Kabinett vertretenen FDP-Kollegen die Fraktion der FDP nicht bereit war, den Weg, der sicherlich nicht immer angenehm war, ja der manche Opfer für den Steuerzahler und für die Öffentlichkeit gebracht hat, im Hinblick auf die Notwendigkeiten miteinanderzugehen.
Wir haben es alle so gut miterlebt, daß es einfach müßig ist, noch darüber zu reden.
— Herr Kollege Dorn, ich weiß: Kurz war die Tat, lang ist die Reue.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ziel dieser Koalition — —
— Ich würde beinahe sagen: Bedauern Sie's? — Ich würde die Ziele der Koalition in der Lösung zweier Aufgaben sehen. Die eine ist innenpolitischer Art: die Währungsstabilität zu erhalten und ein weiteres Wachstum und die Vollbeschäftigung sicherzustellen. Über das Ziel sind wir uns einig. Über die Methode zur Erreichung dieses Zieles gibt es sicher unterschiedliche Auffassungen. Diese unterschiedlichen Auffassungen werden in fairer und anständiger Weise innerhalb der Koalition ausgetragen, und bisher ist es dank des guten Willens von beiden Seiten und dank der zwingenden Notwendigkeit, nur in der Gemeinsamkeit mit den Problemen unserer Zeit fertig zu werden, auch immer gelungen, zu einer Einigung zu kommen. Es ist also auch eine aussichtslose Angelegenheit, wenn die FDP versucht, der Öffentlichkeit zu suggerieren, daß diese Große Koalition in sich zerstritten und nicht aktionsfähig sei.
Herr Abgeordneter Stücklen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn
Abgeordneten Dorn? — Bitte, Herr Abgeordneter Dorn!
Herr Kollege Stücklen, wenn ich Ihre Ausführungen von vorhin richtig deute, daß Sie also fair miteinander die Dinge ausdiskutieren und zu Kompromissen kommen, dann darf ich Sie fragen, ob ich daraus den Schluß ziehen darf, daß die Auffassung, die Ihr Parteivorsitzender in Braunschweig geäußert hat, daß die SPD inzwischen Ihre Politik übernommen habe, nicht zutrifft.
Herr Kollege Dorn, wer was übernommen hat, habe ich in meinen Ausführungen gar nicht dargelegt.
Aber in der Tat ist es doch ohne Zweifel so, daß durch das Godesberger Programm und die Anpassung an die gemeinsamen Aufgaben die Fragen heute gemeinsam von der SPD und der CDU und CSU besser oder überhaupt nur gelöst werden können im Vergleich zu der Zeit vor zehn oder zwölf Jahren.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat hier davon gesprochen, daß diese Große Koalition zum Erfolg verurteilt sei. Der Herr Bundeskanzler meinte, daß jede Koalition zum Erfolg verurteilt sei. Selbstverständlich, im Prinzip ja! Aber wenn diese Große Koalition scheitert, wenn sie nicht mit den Aufgaben und Problemen unserer Zeit und denen der Zukunft fertig wird, dann gibt es eben keine brauchbare Alternative, auf die man ausweichen könnte, dann wäre ein Scheitern dieser Koalition auch ein Schaden für unsere Demokratie und ein Schaden für unseren Staat. Deshalb glaube ich, daß diese Große Koalition mehr als eine Koalition vorher eben um des Staates und der Demokratie willen zum Erfolg verurteilt ist und Erfolg haben muß, und ich bin überzeugt, sie wird Erfolg haben.
Herr Kollege Mischnick, ich gebe gern zu, daß Sie mit Recht beklagen — und da schließe ich auch den Kollegen Scheel ein, der ähnliche Ausführungen gemacht hat —, daß es für die Opposition sehr schwierig ist, gegenüber dieser Großen Koalition, in der ungefähr 90 % der Abgeordneten zusammengefaßt sind, zu bestehen. Welche einzelnen Gründe es sein mögen, das zu sagen, überlasse ich Ihnen. Sicherlich ist es von der Zahl her außerordentlich schwierig, ein einigermaßen ausreichendes Gegengewicht gegen Regierung und Koalition zu bilden. Ich meine auch, daß es unter gar keinen Umständen ein Prinzip oder ein Dauerzustand sein kann, daß in Deutschland eine Große Koalition besteht. Das ist von keiner Seite behauptet worden, und von unserer Seite gesehen wird es im Interesse der Demokratie auch irgendwann zu einer Veränderung kommen. Diese Veränderung ist aber nur dann möglich — Herr Kollege Scheel, Sie sind noch sonst so logisch und konsequent —, wenn für eine Koalition eine andere brauchbare stabile Regierungsmehrheit geschaffen worden ist. Sie war im Herbst 1966 nicht mehr vor-
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Stücklenhanden. Nach meiner Meinung ist eine solche brauchbare andere Mehrheit auch heute nicht vorhanden. Die andere Möglichkeit ist, daß eine der großen Parteien hier die absolute Mehrheit hat, um in eigener Verantwortung die Regierungsaufgaben durchzuführen. Wenn man diesem Grundsatz zustimmt, dem Sie sicherlich nicht widersprechen — Sie haben das auch durch lhr Kopfnicken zugegeben —, dann muß man sich fragen, ob das ein Automatismus ist oder ob man dem Wählerwillen, der nun seit Jahren erkennbar ist, nicht auch durch entsprechende Veränderungen des Wahlgesetzes Rechnung tragen sollte.Ich habe den Eindruck, daß Sie neben dem Trauma des Umfallens — nehmen Sie das bitte nicht übel; aber ich weiß, es ist ein Trauma bei Ihnen — ein neues Trauma haben, nämlich das Wahlrecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, wir sind der Meinung, daß nur dann auch in Krisenzeiten — und kein Mensch kann verhindern, daß wir nicht in schwierige Situationen kommen — eine Demokratie beständig und zuverlässig funktioniert, wenn wir durch ein entsprechendes mehrheitsbildendes Wahlgesetz die Voraussetzungen dafür schaffen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scheel?
Herr Kollege Stücklen, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die von Ihnen mehrfach erwähnte krisenhafte Situation des vorigen Jahresendes eher in Strukturschwierigkeiten der CDU/CSU gelegen hat als in der Partnerschaft der beiden Parteien?
Herr Kollege Scheel, ich habe Ihnen nicht die Ursachen der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten in die Schuhe geschoben. Ich habe aber festgestellt, daß diese kleine Koalition, wie sie noch im Herbst 1966 bestand, mit der Lösung dieser Probleme nicht fertig wurde. Ich habe dafür einige Gründe genannt. Wir sind lange genug in einer engen Tuchfühlung am Kabinettstisch gesessen, so daß ich hier nicht noch Interna auszuplaudern brauche. Ich glaube, das sollte man auch zur Schonung der Kollegen von damals tun.
Herr Kollege Mischnick, Sie haben der Bundesregierung eine ganze Reihe von Versäumnissen vorgeworfen. Am liebsten hätten Sie hier festgestellt, daß die Bundesregierung, die nun seit sieben Monaten im Amt ist, nichts, aber auch gar nichts von sich aus zur Lösung der Probleme beigetragen hätte. Ich möchte hier nur einige wenige von der Regierung bereits durchgeführte Maßnahmen aufführen, Maßnahmen, die harte und schwierige Verhandlungen und Entscheidungen erfordert haben.
Ich nenne als erstes den Ausgleich des Haushalts; an diesem Problem ist doch letztlich die kleine Koalition gescheitert. Zweitens wurde das Stabilitätsgesetz verabschiedet, das die Voraussetzungen gibt, in einer vernünftigen Weise wirtschaftspolitische Vorgänge zu beeinflussen, wenn dies in einer Hochkonjunktur oder bei einer Rezession notwendig ist. Drittens darf ich auf die erfolgversprechenden Maßnahmen und Beratungen hinweisen, die die Bundesregierung bereits eingeleitet hat und die kurz vor dem Abschluß stehen, wie z. B. die mittelfristige Finanzplanung, die sicherlich kein Allheilmittel und kein Wundermitel ist, die aber eine Orientierungshilfe für die Maßnahmen darstellt, die von seiten der Regierung und von seiten dieser Koalition für die Zukunft durchgeführt werden sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vom Bundeskanzler ist der Stoph-Brief angesprochen worden. Der Bundeskanzler hat die Erklärung abgegeben, daß die augenblickliche weltpolitische Situation — insbesondere die Ereignisse im Nahen Osten - es ungeeignet erscheinen läßt, daß dieser Brief in dieser Woche beantwortet wird. Entscheidend ist, daß die Bundesregierung bereit ist und diese Bereitschaft heute vor dem Deutschen Bundestag erklärt hat, auf diesen Brief zu reagieren. Entscheidend ist, daß auf diesen Brief in einer Form und einer Weise reagiert wird, daß sich die Zone nicht erneut aus diesem Dialog im Interesse der Menschen und eines einheitlichen Deutschland herausmogeln kann. Diese Tatsache allein ist entscheidend, nicht die Frage, ob ein solcher Brief in drei, vier, acht oder vierzehn Tagen beantwortet wird.
— Auch das ist falsch!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Stücklen, sind Sie sicher, daß der Herr Bundeskanzler das gesagt hat, was Sie eben zitiert haben, oder haben Sie das im falschen Manuskript gelesen?
Ich unterstelle, daß Sie anwesend waren, als der Herr Bundeskanzler — —
— Ich irre mich nicht im Prinzip. Jedes Wort hier auf die Goldwaage zu legen, wäre gar nicht am Platze.Ich komme nun zu der Frage der Postgebühren. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich, obwohl ich nicht mehr zuständig bin, trotzdem großes Interesse daran habe, wie diese Frage gelöst werden kann. Herr Mischnick, Sie haben sich, als Sie die Postgebühren hier im Bundestag ansprachen, sicherlich sehr intensiv vorbereitet. Ich stelle die Tatsache fest, daß der Kontrollrat in seiner Sitzung am 9. Februar 1946 davon ausgegangen ist, daß die Post in allen Teilen Deutschlands als eine Einheit betrachtet wird.
Es wurden lediglich Verrechnungsmethoden aufgezeigt, um beim Transitverkehr, also z. B. beim Ver-
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Stücklensand von Paketen von Prag nach Kopenhagen, die durch die Zone laufen, oder bei Paketen, die von Wien nach London gehen, oder bei Paketen, die von Rom nach Berlin oder nach Warschau gehen, einen Verrechnungsmodus zu haben. Die Zahlen sind: 30 %o Anteil für die Post des anderen Teils Deutschlands und 70 % für die Deutsche Bundespost.Diesen Abrechnungsmodus, der durch eine Abrechnungsstelle in Berlin geschaffen worden ist, hat die sowjetzonale Post bis zum 31. Dezember ohne jeden Widerspruch anerkannt, und sie hat nach diesem Abkommen gehandelt. Es ist also völlig ungerechtfertigt, wenn nun Forderungen in Höhe von ungefähr 1,6 Milliarden DM für die Zeit von 1948 bis 1966 erhoben werden.
— Die Erklärung, die Herr Minister Wehner gegeben hat, ist von ihm erläutert worden. Wenn er der Meinung ist, daß dies nochmals notwendig ist, so ist es seine Sache, hierzu Erläuterungen zu geben. Ich bin der Meinung, daß die Forderungen ungerechtfertigt sind. Wie man für die Zukunft eine dem Kostenanfall gerecht werdende oder entsprechende Lösung findet, wird in sehr delikaten Verhandlungen zu prüfen sein. Ich meine, daß sich dieses Thema wie viele andere Probleme der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik und der Deutschlandpolitik am wenigsten dafür eignet, auf dem offenen Markt diskutiert und ausgehandelt zu werden.
Was die Frage des Krieges im Nahen Osten betrifft, so schließe ich mich in vollem Umfang den Ausführungen meines Fraktionsvorsitzenden, des Kollegen Dr. Barzel, an. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesregierung richtig gehandelt hat, daß sie in unserer Situation nur so handeln konnte: mit der strikten Neutralität. Wir sind darüber hinaus aber auch der Auffassung, daß es nicht nur eine menschliche, sondern für uns Deutsche eine ganz besondere moralische Pflicht ist, alle humanitären Maßnahmen sofort und in großzügiger Weise zu ergreifen, die wir für die leidenden Menschen in diesen Gebieten ergreifen können.Wenn durch die Ausführungen aus den Reihen der FDP in der Frage der Lieferung der Gasmasken— also eines Schutzmittels gegen einen eventuellen völkerrechtswidrigen Gasangriff — ein sehr fataler Eindruck entstanden ist, so hat heute Herr Kollege Scheel die Haltung der FDP erläutert und diese Frage meiner Meinung nach auch im Sinne der einhelligen Einstellung des Bundestages bereinigt.
— Ja, Herr Kollege Mende, ich weiß, daß man manchmal falsch zitiert wird; das ist jedem von uns schon passiert. Aber die in Ihrer eigenen „fdk" wiedergegebenen Ausführungen waren in der Tat zweideutig und konnten auch so ausgelegt werden, wie sie von einem Teil — oder dem überwiegenden Teil — der Presse ausgelegt worden sind.Wenn wir diese Große Koalition in unserer Arbeit gemeinsam wie bisher mit dem Ziel der Bewältigung der Aufgaben von heute und von morgen weiter unterstützen — und dazu sind die CristlichDemokratische und die Christlich-Soziale Union bereit —, dann wird diese Große Koalition und die von ihr getragene Regierung auch die Erfolge haben, die wir uns alle um der Menschen und der Zukunft Deutschlands willen erhoffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Rede vor dem Parlament ist es gemeinhin nicht üblich, einen Kollegen der eigenen Fraktion zu kritisieren. Gleichwohl muß ich ein solches Monitum zu den Ausführungen meines Kollegen Scheel anbringen. Er hat es bei der Aufzählung der Anbeter dieser Koalition versäumt, die CSU ausdrücklich zu erwähnen. Auf diese Weise haben wir jetzt hier noch das Scherflein des Kollegen Stücklen auf den Altar dieser Koalition bekommen.
Herr Kollege Stücklen, Sie haben unter Hinweis auf den Kollegen Scheel den Begriff der Großen Koalition verwendet, ohne daß ich Ihnen darin zustimmen kann, daß der Kollege Scheel diese Worte gebraucht hätte. Denn er weiß natürlich so gut wie Sie und wie auch ich, daß das Wort „groß" im Sprachgebrauch der Deutschen nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Bedeutung hat, die erst noch nachgewiesen werden muß.
— Aber, Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie haben ja heute noch gar nichts gefragt! Bitte schön!
— Nein, ich wollte nur dazu beitragen, daß auch in der Frage der Koalitionsentscheidung die Verdienste der CSU in ausreichendem Maße herausgestellt werden.
Ich glaube, daß diese Verdienste durch den Herrn Kollegen Stücklen insoweit noch eine besondere Betonung erfahren haben, als er schon dazu überging, zu sagen, daß das Scheitern dieser Koalition sozusagen ein Schaden für Staat und Demokratie sei. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Staat und Demokratie sind wir alle in diesem Haus, nicht nur eine bestimmte Koalition!
Der Kollege Scheel hat Ihnen bestätigt, daß es einé legitime Form der Zusammenarbeit ist. Aber
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GenscherSie sollten nicht glauben, daß das Wort „Der Staat sind wir" dadurch berechtigter wird, daß Sie es ausdehnen von einer Partei auf eine andere unter Ausschluß Dritter.
— Würden Sie das auch für „Demokratie" gelten lassen?
— Wenn Sie das sagen, Herr Kollege Stücklen, dann bin ich schon etwas ruhiger. Aber wenn man Ihre Vorschläge z. B. für die mehrheitsmäßige Zusammensetzung des Notparlaments liest, dann fragt man sich in der Tat: Wer hat sich was dabei gedacht, als man von der notwendigen Übertragung der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hohen Hause auf das Notparlament abgegangen ist und eine Mehrheitswahl — wenn auch mit einer besonders qualifizierten Mehrheit — vorgesehen hat? Meine Damen und Herren, Sie sprechen viel vom Wählerwillen. Sie wollen ihn in einer bestimmten Weise korrigieren. Fangen Sie aber bitte nicht damit an, daß Sie den Wählerwillen im Falle der Not durch die Zuwahl in dieses Notparlament hinein korrigieren.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zu den Ausführungen sagen, die hier von meinen Kollegen von Kühlmann-Stumm und Mischnick gemacht worden sind. Vieles davon steht noch im Raum und ist bisher nicht beantwortet worden.Verschiedene Redner haben hier bereits den Haushaltsausgleich für das Jahr 1967 gerühmt. Meine Damen und Herren, Sie wissen doch so gut wie wir, daß das eben noch nicht geschehen ist. Oder warum spricht denn der von Ihnen gestellte Finanzminister davon, daß die notwendigen schmerzhaften Operationen erst noch bevorstehen? Sie haben vielmehr aus konjukturpolitischen Gründen zum Mittel des Investitionshaushalts gegriffen, der natürlich viel wirkungsvoller wäre, wenn Sie nach vorheriger Durchführung der Kürzungen im Haushalt im übrigen eine bewegliche Finanzmasse geschaffen hätten und nicht das in den Eventualhaushalt übertragen hätten, was Sie im ordentlichen Haushalt nicht mehr unterbringen konnten.
Ich glaube, das ist die konjunktur- und finanzpolitische Situation.Wir möchten deshalb noch einmal auch an den Herrn Bundeskanzler hier die Frage richten, welche Konsequenz er aus der Feststellung des Bundesministers der Finanzen ziehen will, daß unser heutiges Sozialsystem mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen und seinen gesetzlich begründeten Leistungen einschließlich der damit verbundenen Dynamisierungseffekte ein Wachstum des realen Bruttosozialprodukts in Höhe von jährlich mindestens 4 bis 5 v. H. notwendig macht. In dieser Beziehung hatdie deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch auf eine Antwort hier und heute, meine Damen und Herren. Das kann man nicht mit Scheinerfolgen beim Ausgleich des Haushalts 1967 überdecken.
Sie haben, Herr Bundeskanzler, bei den Ausführungen zur Außenpolitik im Gegensatz zum Kollegen Stücklen wiederum — das fiel uns auf, der Kollege Scheel hat das schon angeschnitten — den Begriff der Nichteinmischung gebraucht. Sie alle wissen, daß wir im Völkerrecht einen feststehenden Begriff haben, nämlich den Begriff Neutralität. Dieser Neutralitätsbegriff ist, soweit es sich um Lieferungen handelt, ausdrücklich auf Lieferungen des Staates beschränkt, um damit der humanitären Seite vollen Raum zu lassen. Ich glaube, wir haben recht, wenn wir mit unserem Entschließungsantrag eine Festlegung auf diesen Begriff der Neutralität erreichen wollen. Wir wollen damit auf der einen Seite das erreichen, was wir alle wünschen — wir haben es heute ja auch aus den Ausführungen der Sprecher der anderen Parteien gehört —, nämlich den Grundsatz der Neutralität im Verhalten des Staates, zugleich aber den Weg für die humanitäre Hilfe in diesem Konflikt offenhalten. Es ist nicht gut, wenn wir jetzt die außenpolitische und völkerrechtliche Diskussion durch einen neuen Begriff, nämlich durch den Begriff der Nichteinmischung, bereichern und diesen Begriff ständig wiederholen, weil dann am Ende irgend jemand irgendwo auf die Idee kommen könnte, hier wolle sich doch jemand mit Absicht eine Hintertür für etwas anderes offenhalten. Kehren wir zurück zu dem klaren, eindeutigen Begriff der Neutralität, der von verschiedenen Sprechern auch der Regierungskoalition — ich weiß nicht, ob bewußt oder unbewußt — hier gebraucht worden ist!Dann hat der Kollege Stücklen hier etwas darüber gesagt, welche Probleme man in der Öffentlichkeit oder, wie er es sagte, auf dem offenen Markte austragen und welche Probleme man nicht in dieser Form behandeln könne. Meine Damen und Herren, die Kontroverse über die Postgebühren in der Öffentlichkeit ist doch nicht durch die parlamentarische Opposition entstanden, sondern durch die Mitglieder einer und derselben Regierung, die Sie stellen.
Wir wollen Ihnen hier nur ein wenig Entscheidungshilfe geben, damit Sie endlich auch in dieser schwierigen Frage zu einer einheitlichen Auffassung kommen.
— Na ja, wissen Sie, die Opposition zeichnet sich ja in normalen Zeiten immer dadurch aus, daß sie die Minderheit hat. Wieviel ihr zur Mehrheit fehlen, ist dabei mehr ein quantitatives denn ein qualitatives Problem.
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Genscher— Herr Stingl, Sie können hier Ausführungen über die qualitative Seite nachher bei dem sehr schwierigen Bereich der Sozialpolitik machen. Da haben wir ja eine Menge Antworten erbeten. Ich glaube, Sie sind sachverständig genug, uns etwas von den Vorstellungen zu sagen, die Sie haben. Dann werden wir noch etwas von der SPD hören, und die Regierung kann uns dann vielleicht sagen, worauf man sich endlich einigen wird in der Prognose über das Verhalten des Parlaments, wie es ähnlich im Fall der Arbeitslosenversicherung geschehen ist.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt sozusagen eine zweite Welle der Diskussion über die Beantwortung des Stoph-Briefs. Nun gibt es in der deutschlandpolitischen Diskussion eine Denkschule, die die Theorie der verpaßten Gelegenheiten aufstellt. Das ist eine sehr gefährliche Sache, weil man dann veranlaßt wird, in die Vergangenheit zu sehen; dabei wollen wir doch Politik für die Zukunft machen. Aber neben dieser Denkschule gibt es noch eine andere, die viel gefährlicher ist. Es ist die Denkschule derjenigen, die ständig von den nicht passenden Gelegenheiten sprechen und deshalb nie zur richtigen Gelegenheit handeln können.
Ich kann mir die Behauptung nicht zu eigen machen, daß die Großmächte jetzt auf Kollisionskurs gehen. Ich glaube, es gibt maßgebliche Vertreter der Bundesregierung — ich habe gestern in dieser Richtung etwas gehört —, die auch beobachten, daß sich die Großmächte mehr und mehr ihrer Verantwortung für die Lokalisierung des Konflikts im Vordern Orient bewußt werden und sogar auf eine Eindämmung und schließlich auf die Beendigung des Konflikts hinwirken. Aber selbst wenn es anders wäre, meine Damen und Herren, und die ganze Welt auf Kollisionskurs ginge, — wir im geteilten Deutschland wollen auf Entspannung gehen und bei diesem Kurs bleiben.
Dazu kann unbeeinflußt von dem, was an anderer Stelle geschieht, auch ein solcher Brief beitragen, der unabhängig davon, wieviel Raum ihm in den Schlagzeilen der Weltpresse eingeräumt wird, seine politische Wirkung bei den Verantwortlichen jenseits der Demarkationslinie — nicht nur in Mitteldeutschland, sondern vor allen Dingen auch in den Hauptstädten Osteuropas — haben wird, wie immer die Zeichen der Zeit im übrigen stehen mögen. Ich glaube also, die Bundesregierung sollte die Kraft haben, hier jetzt sehr schnell eine hoffentlich getroffene Entscheidung in Form einer Antwort auch zu vollziehen.Der Kolllege Mischnick hat mit Recht auf etwas hingewiesen. Es gibt zahllose, ich möchte fast sagen, ständig wechselnde Argumente für die Zusammenführung von CDU, SPD und, Herr Kollege Stücklen, CSU in dieser Koalition. Z. B. sind es die breiten Mehrheiten, die man braucht, um die großen Reformen durchzuführen. Eine wichtige Reform — dazu wird nachher beim Haushalt des Innenministeriums noch etwas gesagt werden — müssen Sie auch in Angriff nehmen. Das ist — Sie sind ja die Parteien, die die Ministerpräsidenten in Deutschland stellen — die Neugliederung des Bundesgebiets mit dem Ziel der Schaffung leistungsfähiger Bundesländer in dem Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland.
Ich habe dies deshalb erwähnt, weil gerade die Durchführung der Gebietsreform zeigen wird, wieweit die politische Kraft Ihrer Zusammenarbeit reicht. Es reicht ja bekanntlich nicht aus, breite Mehrheiten zu haben. Man muß die Kraft und die Einsicht haben, sie zu gebrauchen.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den hier besprochenen Titeln gehört auch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Ich richte an Sie, Herr Bundeskanzler, die Frage, ob Sie sich von diesem Amt als Regierungschef wirklich informiert fühlen können oder ob Sie glauben, daß die Informationen, die Sie von diesem Amt bekommen, verbesserungsbedürftig seien. Ich habe jedenfalls den Eindruck, daß sie verbesserungsbedürftig sind, und zwar in ganz erheblichem Maße. Ich glaube, daß dieses Amt unter seiner jetzigen Leitung und in seiner jetzigen Konstruktion den Aufgaben, die es nach dem Haushaltsvermerk zu bewältigen hat, nicht ausreichend gerecht wird. Denn dieses Amt hat im Gegensatz zu dem, was in der Öffentlichkeit so oft von ihm gehört wird und was es auch in der Öffentlichkeit tut, ja die Hauptaufgabe, die Bundesregierung zu informieren. Es soll aber nicht unter dem Stichwort „Information" Propaganda in die Öffentlichkeit streuen.Ich beziehe mich hier auf Äußerungen der sozialdemokratischen Sprecher in früheren Etatdebatten, die von den Kollegen der CDU/CSU niemals widerlegt werden konnten und widerlegt worden sind. Schon vor einem Jahr hatten wir das Vergnügen, unter anderem den Kollegen Haase als Berichterstatter für diesen Etat zum Tit. 300 zu hören. Wer sich noch ein wenig an diese Diskussion erinnert, der wird mir darin recht geben, daß Herr Haase heute in seiner Replik auf den Kollegen Raffert auch nicht viel stärker gewesen ist als vor einem Jahr. Ich beneide ihn natürlich auch nicht um die schwierige Aufgabe, einen solchen Etattitel hier jeweils verteidigen zu müssen. Vor einem Jahr hat er uns noch mit Emphase versichert — unterbrochen von vielen Zwischenrufen und Zwischenfragen der sozialdemokratischen Kollegen —, daß es geradezu staatsgefährdend sei, wenn dieser Titel erstens gekürzt und zweitens parlamentarisch kontrolliert werde. Heute ist es dagegen staatsgefährdend, wenn ein Kollege von der SPD davon spricht, was künftig aus diesem Titel wahrscheinlich doch nicht
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Moerschmehr finanziert werden sollte — was übrigens dem Staat wahrscheinlich sehr nützen würde.
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase? — Bitte!
Verehrter Herr Kollege Moersch, ist Ihnen bei meinen Ausführungen entgangen, daß ich betont habe, daß ich diese Entscheidung sehr zurückhaltend beurteile, also letzlich von meinen Ausführungen im letzten Jahr persönlich gar nicht abgerückt bin?
Herr Kollege Haase, ich danke Ihnen dafür, daß Sie sich hier in dieser Sache so diszipliniert verhalten; denn ich habe keinen Änderungsantrag zu dem Beschluß des Ausschusses gesehen. Wir dürfen also annehmen, daß Sie sich zwar zähneknirschend, aber immerhin dieser Entscheidung des Ausschusses fügen. Ihre persönlichen Gefühle kann ich sehr wohl verstehen. Wenn Sie so viele Jahre für eine im Grunde schlechte Sache ins Feuer geschickt worden sind, kann man von Ihnen in der Tat nicht verlangen, daß Sie sie heute bejubeln, nachdem Sie sie vor einem Jahr zu bekämpfen hatten.
Nun, wie steht es mit diesem Amt wirklich? Das hat kürzlich ein unverdächtiger Zeuge, ein unvoreingenommener Mann — bisher wenigstens; das wird sich ja demnächst ändern — in einem Brief an den Kollegen Dr. Martin dargelegt. Neuerdings werden die Schwierigkeiten in dieser Koalition offensichtlich auf dem Wege des Briefschreibens erledigt. Nach Ankündigung von Fragen, die dann nicht gestellt werden, schreiben andere Briefe zur Unterrichtung, damit die Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht stattfinden kann. Das ist die Art von Informationsarbeit, die eigentlich dem Titel des Etats nicht ganz gerecht wird.
— Ich weiß es nicht; das können Sie ja nachher erklären.
Der Publikationsfreudigkeit der Kollegen vom Journalistenverband bzw. von der IG Druck und Papier verdanken wir immerhin den Abdruck eines derartigen Schreibens. Vielleicht irre ich mich sehr, aber ich habe auch nichts von einem Dementi, von einer Gegendarstellung oder Richtigstellung des Kollegen Martin hierzu gelesen. Da ist nämlich Herr Ahlers etwas aus sich herausgegangen. Er hat dem Kollegen Martin zu einem Vorgang geschrieben, den Sie kennen, nämlich zu einem Artikel, den er im „Vorwärts" veröffentlicht hatte und der vom Sprecher des Presseamts, damals Chef vom Dienst, als Privatmeinung abqualifiziert worden war. Herr Ahlers hat an Herrn Dr. Martin geschrieben — so jedenfalls der Zeitungsausschnitt, der mir hier vorliegt —:
Für diesen Vorgang gibt es zwei mögliche Erklärungen:
— das ist ja oft so —
Dummheit oder Bösartigkeit. Nach meinen Erfahrungen können hier beide Erklärungen in gleicher Weise gültig sein.
— Das ist auf das Amt gezielt. —
Die qualitative Besetzung des Presseamtes ist zweifellos nicht so, wie sie sein sollte und sein könnte.
Meine Damen und Herren, deutlicher kann man es kaum sagen. Die Frage ist freilich, weshalb Sie, meine Kollegen von der Koalition, nicht schon bei diesen Etatberatungen die Konsequenzen gezogen und dieses Amt gründlich reorganisiert haben, warum Sie nur gewissermaßen an Symptomen kuriert haben. Ich gebe gern zu, es war uns früher, jedenfalls in der Koalition, nicht möglich, hier etwas grundlegend zu ändern, weil Zusagen des Koalitionspartners unfairerweise nicht eingehalten worden sind. Das möchte ich der SPD nur mitteilen, damit es ihr eines Tages nicht auch so geht.
Also hier ist doch zweifellos die Frage gestellt, ob ein Bundestag einen Etat verabschieden und billigen kann, wenn der stellvertretende Leiter dieses Amtes in einem Brief an einen Kollegen der CDU-Fraktion mitteilt, daß die qualitative Besetzung dieses Amtes nicht so sei, wie sie sein sollte und sein könnte.
Deswegen .auch die Frage an den Herrn Bundeskanzler und die Herren der Bundesregierung, wie sie das Amt eigentlich einschätzen, was sie da an Informationen bekommen und ob nicht vielleicht der Eindruck, der in den letzten Tagen im Ausland entstanden ist, nämlich daß eine deutsche Außenpolitik nur sehr nachklappend stattfinde — etwa NahostKrise —, unter anderem davon herrührt, daß die Qualität der Informationen, die das Presseamt der Regieding liefert, eben nicht so ist, wie man es in normalen demokratischen Staaten gewohnt ist, und zwar deswegen, weil sich dieses Amt — ich zitiere hier die SPD — lange Jahre als Propagandainstrument und nicht als Informationsamt der Bundesregierung gefühlt hat. Ich glaube, das ist die Frage, die Sie hier einmal beantworten sollten. Herr Ahlers schreibt weiter, daß solche Vorkommnisse zeigen, wie schwer es den Betroffenen fällt, wenn ein bisher Außenstehender Einblick in ihre zum Teil doch sonderbaren Praktiken nimmt. Sie können sich denken, so schreibt er weiter, was hier für eine Fundgrube für Enthüllungsgeschichten wäre. — Wohlgemerkt: wäre!
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Petersen?
Gerne.
Herr Kollege Moersch, können Sie mir irgendeine Behörde, eine Partei oder auch eine Fraktion nennen, die qualitativ und per-
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Petersensonell so zusammengesetzt ist, wie sie es eigentlich sein sollte und könnte?
Herr Windelen meint, ich brauchte eine Überlegungspause. Herr Petersen, daß Sie diese Frage aufwerfen, berührt mich natürlich besonders angenehm, denn ich sehe aus Ihrer Frage, daß Sie doch sehr bescheidene Maßstäbe vertreten; das hatte ich eigentlich bisher schon oft in diesem Hause empfunden.
Weil Herr Ahlers sagt, es wäre Stoff für Enthüllungsgeschichten, Herr Petersen, dann sollten Sie diesen zweiten Satz mit beachtet haben, denn es muß ja etwas dran sein, wenn der stellvertretende Leiter des Amtes das sagt.Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen dazu machen, was da wohl dran sein könnte: z. B. dies, daß dieses Amt — im Verhältnis zu dem, was es kostet — nicht sehr effektiv ist und daß erst jetzt eine Effektivitätskontrolle eingeführt werden soll. Herr Staatssekretär von Hase hat vor einiger Zeit einmal bemerkt, daß jetzt die Absicht besteht, die Effektivitätskontrolle einzuführen. Es ist zweifellos auch so, daß hier in großem Umfang Abteilungen reformbedürftig sind und offensichtlich keine richtige Vorstellung über das Wesen der Informationstätigkeit besteht. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, Sie haben kürzlich selbst eine Anfrage über den „Frauenspiegel" gestellt, und diese Anfrage ist außerordentlich dürftig beantwortet worden. Wenn es die Aufgabe 'ist, zu informieren, sollte man annehmen, daß es zu den Aufgaben gehört, etwa die Bundesregierung davon zu unterrichten, was in der Frauenpublizistik in Deutschland geschieht. Das geschieht nun nicht mehr. Statt dessen gibt dieses Amt ein Blatt heraus, das in Konkurrenz mit Wirtschaftsunternehmen steht, eine Publikumszeitschrift gewissermaßen. Das kann nun keinesfalls zu seinen Aufgaben gehören. Das ist schlechtweg wider den Sinn einer solchen amtlichen Tätigkeit. Das ist ein Konkurrenzunternehmen mit Steuergeldern gegenüber freien Erwerbsunternehmen. Das ist schlechtweg unzulässig. Aber es dient einem gewissen Propagandabedürfnis, und deshalb wird es offensichtlich gemacht — unter Vernachlässigung der Information der Regierungsstellen selbst.Oder ein anderes. Sie hatten früher einen hochqualifizierten Mann als Chefredakteur des Bulletins der Bundesregierung, Herrn Dr. Klein, einen hochgeschätzten Kollegen, der von seiner Arbeit etwas verstanden hat. Sie haben diesen Kollegen durch eine Leitung ersetzt, die — wenn Sie jetzt etwa das Echo auf das neue Bulletin im Ausland vergleichen - offensichtlich nicht die Qualifikation besitzt, die früher einmal vorhanden gewesen istund die man eigentlich in jedem Land erwarten müßte.Ein Weiteres. Sie haben im Amt ein großes Archiv, von dem Ihnen jeder, der damit zu tun hat, sagen wird, daß das Schwierigste bei diesem Archiv ist, dann auch wieder etwas zu finden, was dort abgelegt worden ist, weil dort offensichtlich eine große Zahl nicht sachkundiger Mitarbeiter beschäftigt ist.
— Ja, aber dann kann man ja einen Nachfolger benennen. Herr Schmitt-Vockenhausen, es ist üblich, daß man einen Nachfolger benennt, wenn jemand stirbt, und die Frage ist, welche Art von Nachfolger man benennt.
— Das habe ich doch nicht gesagt! Niemals! Ich habe gesagt, er ist ausgeschieden — aus Altersgründen. Das wissen Sie ganz genau. Ja, wissen Sie, Hören ist eine schwierige Sache. Ich habe es jedenfalls nicht gesagt. Das Bulletin jedenfalls wird im Grunde doch vernachlässigt.Ein Zweites. Das Archiv ist qualitativ etwa mit dem Pressearchiv des Bundestages nicht zu vergleichen. So jedenfalls sagen die Kollegen, die damit zu tun hatten.Weiter haben Sie da drüben eine Bibliothek, die meiner Ansicht nach deswegen eine glatte Geldverschwendung ist, weil Sie eine hervorragende Bibliothek hier in diesem Hause haben. Wieso muß das eigentlich alles doppelt gemacht werden, wenn Sie sparen wollen, was ich von Ihnen immer gehört habe? Ich weise also nur auf die Möglichkeiten hin, die Sie haben, wenn Sie mit Ihren guten Vorsätzen wirklich einmal ernst machen möchten.Ich möchte Ihnen weiter sagen: Wenn Sie ein gutes Pressearchiv haben wollen, dann sind Sie gut beraten, wenn Sie alte, erfahrene Nachrichtenredakteure einstellen, die dieses Archiv verwalten. Die verstehen etwas von dieser Sache. Dann brauchen Sie keine 30, sondern vielleicht 15 Leute, und Sie haben dann ein wirklich brauchbares Archiv. Denn ich wünsche der Bundesregierung, daß sie ein brauchbares Archiv hat und daß sie die Nachrichten aus der ganzen Welt so auswerten kann, wie es im Interesse der Sache notwendig ist.Oder ein Weiteres. Ich dachte eigentlich, daß der Herr Außenminister das Bedürfnis hätte, die Auslandsabteilung des Bundespresseamts, wie es in vielen Staaten ist und bei uns früher einmal war, als Auslandspresseabteilung in das Auswärtige Amt mit zu übernehmen. Dort gehört sie nämlich hin. Jetzt haben Sie eine Doppelgleisigkeit in der Arbeit, die im Grunde nur Geld kostet und nicht effektiv ist, auch wegen der Schwierigkeiten mit der personellen Besetzung, die Sie hier haben.Weiter haben Sie in diesem Presseamt, soweit ich mich erinnern kann, jedenfalls keine qualifizierten
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5296 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
MoerschMitarbeiter, die etwa wirtschaftspolitische und finanzpolitische Informationstätigkeit ausüben könnten. Die müssen Sie ohnedies in den Ministerien haben.Wenn Sie also hier sparen wollen — und ich meine, Sie sollten das —, dann sollten Sie in diesem Amt alles das abbauen, was ohnedies in den Ministerien gemacht werden muß und dort auch besser gemacht werden kann. Das ist einfach eine Frage der Effektivität, und die müssen Sie bei dieser Etatdebatte hier beantworten.Aber der Eindruck, von dem Herr Ahlers hier spricht, ist ja wohl richtig, daß hier die qualitative Frage deshalb so schwer zu lösen ist, weil Sie, meine Kollegen von der CDU/CSU, dieses Amt jahrelang nicht so sehr als Bundespresse- und Informationsamt betrachtet haben, sondern als Versorgungswerk für verdiente Mitarbeiter Ihrer Partei. Ich meine, als Versorgungswerk für diesen Zweck ist dieses Amt nicht geeignet. Deshalb stimmt die FDP diesem Haushaltsvorschlag nicht zu.
Meine Damen und Herren, es liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer im Sinne des Ausschußberichts dem Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zum Einzelplan 05:
hier: Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts
— Drucksache V/1755 —
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Conring.
— Herr Abgeordneter Dr. Abelein? — Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise im großen und ganzen auf meinen Mündlichen Bericht, möchte jedoch dennoch wenigstens einige wenige Worte zur auswärtigen Kulturpolitik sagen.Die auswärtige Kulturpolitik spielte im Haushaltsausschuß bei den Beratungen eine besondere Rolle, was eigentlich den Üblichkeiten in diesem Ausschuß entspricht. Wenige Themen stoßen im Haushaltsausschuß auf derart viel Verständnis wie gerade die auswärtige Kulturpolitik. Das Bewußtsein von der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik, scheint mir, ist im Haushaltsausschuß, einem sehr kritischen Ausschuß, teilweise sehr viel bedeutender als mitunter in der Bundesregierung.Auch dazu möchte ich nachher einige ganz kurze Sätze sagen.Das Volumen des Etats für die auswärtige Kulturpolitik beträgt im Schulfonds rund 77 Millionen DM und im Kulturfonds 145 Millionen DM. Ich möchte hier einmal klarstellen, daß noch nie in der Geschichte des Deutschen Reichs so viel für die auswärtige Kulturpolitik getan wurde wie in diesen Jahren und speziell seit dem Jahre 1961. Das betrifft die ganze Geschichte der auswärtigen Kulturpolitik seit der Zeit, da auswärtige Kulturpolitik — etwa um die Jahrhundertwende — bei uns begonnen wurde.Der Schwerpunkt der auswärtigen Kulturpolitik liegt in der Verbreitung der deutschen Sprache. Dort muß er auch liegen. Das große Vorbild für die Arbeit auf dem Gebiete der Verbreitung der deutschen Sprache sind die Franzosen. Die Sprache ist das Medium einer Kultur, auch für das kulturelle Schaffen in unserem Staate. Hier liegen große Chancen, die sich jetzt wieder neu eröffnen, für die deutsche auswärtige Kulturpolitik. Speziell im Zusammenhang mit Wissenschaft und Technik ist die deutsche Sprache wieder interessant geworden. Es 'ist höchst bemerkenswert, daß — wie aus einer Aufstellung der UNESCO zu ersehen 'ist — die deutsche Sprache auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Literatur heute wieder an dritter Stelle — hinter Englisch und Französisch — steht.
Auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik wurde in den letzten Jahren sehr Bedeutendes geleistet. Ich sage das in dem Bewußtsein, daß auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun ist.Eines der wichtigsten Gebiete ist — damit begann die auswärtige Kulturpolitik in Deutschland überhaupt — das deutsche Auslandsschulwesen. Hier wurde ein neuer Höhepunkt erreicht. Im Ausland werden heute in deutschen Schulen ca. 55 000 Schüler durch 1100 Lehrkräfte unterrichtet. Auch hier haben sich die Akzente etwas verschoben. Während in den zurückliegenden Jahren, speziell in den zurückliegenden Phasen der deutschen auswärtigen Kulturpolitik, die deutschen Schulen im Ausland sehr stark von deutschen Schülern besucht wurden, liegt heute der Schwerpunkt bei ausländischen Schülern in den deutschen Schulen. Hierin zeigt sich eine gute Entwicklung, weil es auf diese Weise gelingt, Ausländer mit dem deutschen Kulturgut und damit mit Deutschland überhaupt vertraut zu machen.Nun möchte 'ich noch einiges über die Ziele der deutschen auswärtigen Kulturpolitik sagen. Es kann sich nie darum handeln, auswärtige Kulturpolitik im Stil einer Kulturpropaganda zu betreiben. Dennoch sind hier häufig Verwirrungen aufgetaucht. Man ging so weit, das Wort „Politik" hier überhaupt streichen zu wollen und neue Begriffe einführen zu wollen wie „Pflege auswärtiger kultureller Beziehungen" oder „Kulturarbeit im Ausland". Es muß ganz klar festgestellt werden — das sollte man auch der Regierung sagen —, daß die auswärtige Kulturpolitik ein wichtiger Bestandteil der Außen-
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Dr. Abeleinpolitik überhaupt ist. Ich gehe so weit, zu sagen, daß die auswärtige Kulturpolitik wahrscheinlich der wichtigste Teil der auswärtigen Politik ist. Dort wird die Infrastruktur für die Außenpolitik gelegt. Ich würde mir wünschen, daß gerade diese Akzente von der Bundesregierung etwas deutlicher gesehen werden und daß sie auch in der Wertschätzung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes etwas stärker zum Ausdruck kommen. Vor vielen Jahren hat sich einmal, ebenfalls im Parlament, Stresemann dahin geäußert, daß die Kulturabteilung des damaligen Auswärtigen Amtes bei weitem nicht die Wertschätzung genieße wie die übrigen politischen Abteilungen. Nach meinem Eindruck hat sich das noch nicht grundlegend und völlig gewandelt. Es ist höchste Zeit, daß das geschieht. Wenn ich die Stimmung im Haushaltsausschuß richtig interpretiere, besteht dort Wohlwollen dafür, das auch durch eine entsprechende Besetzung und Ausstattung der Ämter der Kulturattachés zumindest bei den bedeutenderen Botschaften zu betonen.Zum Schluß noch einen kurzen Gedanken, der es mir ebenfalls wert zu sein scheint, hervorgehoben zu werden. Es gibt eine gewisse Tendenz, die auswärtige Kulturpoltik völlig in den freien Raum der Gesellschaft zu verlagern. Man sagt, die verschiedenen kulturellen Träger sollten unter sich kulturelle Beziehungen pflegen. Die Kulturpflege ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Der Staat fördert und schützt die Kultur auch im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik. Das möchte ich sagen, um hier einen gewissen Akzent für die auswärtige Kulturpolitik zu setzen. Ich würde es für falsch halten, wenn die Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik vom Auswärtigen Amt völlig losgelöst würden. Denn wenn man davon ausgeht, daß die auswärtige Kulturpolitik zur Politik gehört, ein wichtiger Bestandteil der auswärtigen Politik ist, dann muß man auch fordern, daß sie weiterhin vom Auswärtigen Amt mit beobachtet wird. Das Auswärtige Amt muß an dieser Aufgabe eng beteiligt bleiben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen ereignisreichen Tagen empfindet wohl ein jeder die schicksalhafte Bedeutung der Außenpolitik. Es ist daher selbstverständlich, daß die Opposition die Behandlung des Haushalts des Auswärtigen Amtes zum Anlaß nimmt, einige kritische Anmerkungen zur Außenpolitik der Bundesregierung Kiesinger-Brandt zu machen, einige Fragen zu stellen und auch einige eigene Daten und Wege zu markieren..Die Nahost-Krise, die sich inzwischen zum Nahost-Krieg entwickelt hat, beweist die Richtigkeit des Satzes, daß einem bewaffneten Zusammenstoß eine Spannungszeit vorauszugehen pflegt. Diese Spannungszeit soll denen, die von einem Konflikt bedroht sind, die Möglichkeit geben, sich auf ihn einzurichten, Gegenmaßnahmen und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.Bei der Nahost-Krise dürfte, mindestens seit dem Abzug der UNO-Truppen aus dem Gaza-Streifen, auch für die Bundesregierung die Frage aufgetreten sein, was man zum Schutze der deutschen Staatsangehörigen in der Kriegsgegend tun müsse. Die vielen Anrufe, die auch wir in diesen Tagen hier im Bundeshaus erhalten, rechtfertigen es, eine Antwort der Bundesregierung auf die Frage zu verlangen, wie es um die Evakuierungsmaßnahmen für die etwa 5000 deutschen Staatsangehörigen steht. Die letzten Nachrichten besagen leider, daß es zu Plünderungen von Geschäften und Demonstrationen gegen Botschaften, Gesandtschaften und andere Institutionen in den arabischen Staaten gekommen ist. Es würde zur Beruhigung auch unserer Bevölkerung beitragen, wenn der Herr Bundesaußenminister über die eingeleiteten Maßnahmen und Möglichkeiten der Evakuierung aus den gefährdeten Räumen vor dem Deutschen Bundestag berichten könnte.Es fällt auf, daß wir etwas spät die Möglichkeit der Evakuierung durch Flugzeuge der Lufthansa vorgesehen haben.
Es wäre zweckmäßig, wenn hier auch zu der Frage Stellung genommen werden könnte, ob die Evakuierung durch Flugzeuge nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Vielleicht reichen jedoch — wir wollen es jedenfalls wünschen — die gegenwärtig vorgesehenen Maßnahmen zum Schutze der Frauen und Kinder in den gefährdeten Räumen aus.Es ist hier heute vormittag leider wiederum die Frage der Gasmasken Gegenstand einer Auseinandersetzung gewesen. Ich darf — ich hoffe, jetzt zum letzten Mal — sagen, daß die Freie Demokratische Partei sich niemals gegen humanitäre Maßnahmen gewandt hat. Es geht also nicht sosehr um die Sache als um die Form und die Art, in der dem Ersuchen nachgekommen werden sollte. Uns scheint spätestens seit der Debatte um die Lieferung von Waffen und militärischem Gerät im Juni des vergangenen Jahres höchste Vorsicht bei der Lieferung von militärischem oder militärähnlichem Gerät in Spannungsbereiche außerhalb des nordatlantischen Bündnisses am Platze zu sein. Ich verweise darauf, daß damals die sozialdemokratische Opposition in Drucksache 535 unter dem 20. April 1966 einen Antrag mit der Überschrift „Militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe" gestellt hat und daß diese Frage dann am 23. Juni 1966 in der 50. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages behandelt wurde. Wir haben aus den Waffenlieferungen an den Staat Israel und aus Ausbildungs- und Militärhilfen an afrikanische Staaten leidvolle Erfahrungen. Nur darum ging es, hier auch nicht den Anschein entstehen zu lassen, daß wir uns unmittelbar in den Konflikt einmischten.Außerdem hat die liberale Opposition in keinem Stadium dieses Verfahrens etwas an Informationen erhalten können. In den vergangenen 17 Jahren5298 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967Dr. Mendewar es immerhin üblich, daß in solchen schwierigen Fällen auch Vertreter der Opposition zu den entscheidenden vertraulichen Beratungen der Bundesregierung oder einzelner Mitglieder der Bundesregierung hinzugezogen wurden; ich denke an das Problem Zypern seinerzeit und die Frage, ob die Befriedungsaktion durch die Entsendung deutscher Soldaten gefördert werden sollte oder nicht, ich denke an die Frage der möglichen Engagements in Vietnam. Uns überrascht, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition von gestern und der Koalition von heute, daß Sie nicht aus Ihrer Erfahrung dazu beitragen, dieses bewährte Verfahren der Information aller drei Fraktionen dieses Hauses, ob in der Regierung oder in der Opposition, wenigstens anregen, nachdem offensichtlich seit sechs Monaten eine neue Methode in bezug auf die Behandlung solcher Fragen in der neuen Regierung Kiesinger-Brandt Platz gegriffen hat. Wenn nämlich die Opposition in diese Fragen eingeschaltet ist und ihre Informationen nicht aus zweiter oder dritter Hand beziehen muß, werden auch mögliche Mißdeutungen der Erklärungen der Opposition vermieden, und das liegt, Herr Kollege Barzel, auch im Gesamtinteresse.Ich wiederhole: es ging hier um die Empfindlichkeit, die insbesondere im geteilten Berlin und geteilten Deutschland gegenüber allen möglichen Engagements militärischer oder militärähnlicher Art in Spannungsgebieten dieser Erde herrschen muß. Humanitäre Hilfe im weitesten Bereich, jede Hilfe —das ist, glaube ich, unstreitig !Im übrigen hätte man auch in der Art, wie man die Frage behandelte, wesentlich geschickter vorgehen können. Wir hätten Ihnen manchen Rat gegeben, wie man so etwas über Lieferfirmen auf eine die Bundesregierung in keiner Weise belastende Art hätte abwickeln können, ohne auf Bestände der Bundeswehr oder dann des Bundesinnenministeriums zurückgreifen zu müssen. Das nur als eine gewisse Mahnung für künftige ähnliche schwierige Situationen.Ich bitte auch um Verständnis dafür, Herr Kollege Barzel, daß die liberale Opposition aus ihrer Erfahrung in der Vergangenheit hier sehr empfindlich ist. Denn wir wissen doch — auch die Opposition war damals eingeschaltet —, daß es in der Frage des Engagements bei der Zypern-Befriedungsaktion sehr verschiedene Meinungen gegeben hat, auch in der damaligen Bundesregierung; und nachträglich müssen wir doch dankbar sein, daß sich damals jene durchgesetzt haben, die aus Gründen unserer besonderen deutschen Vergangenheit und unserer besonderen Lage nicht bereit waren, ein Engagement in Zypern mit Soldaten einzugehen. Daß wir materiell zur Befriedungsaktion beigetragen haben, indem wir den Vereinten Nationen Geldbeträge überwiesen, stand auf einem anderen Blatt. Auch bezüglich Vietnams, Herr Kollege Barzel, wissen wir doch, daß es gewisse Phasen in der Vergangenheit gegeben hat, da die Amerikaner, zumindest gewisse Stellen in Amerika, auch ein stärkeres personelles Engagement in Vietnam durch Deutsche — mit Baueinheiten, technischen Einheiten — gewünscht haben. Wir waren sehr froh, daß wir es — auch das war eine Hilfe — bei der humanitären Aktion der Entsendung des Lazarettschiffes belassen konnten.So ganz sicher war also damals jeweils die Entscheidung im Lager der Regierung und der Opposition nicht; es gab Meinungen und Gegenmeinungen. Verstehen Sie bitte auch auf diesem Hintergrund die Reaktion der liberalen Opposition, die — ich wiederhole es — nicht durch die Bundesregierung informiert war, sondern als parlamentarische Opposition die Einzelheiten aus der Tageszeitung und dem Rundfunk entnehmen mußte.Was nun das Problem der Neutralität anbetrifft, so hat der Deutsche Bundestag Gelegenheit, die auch von uns für richtig angesehene Entscheidung der Bundesregierung, Neutralität zu wahren, durch Zustimmung zu unserer Entschließung zu bestätigen. Unser Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, lautet:Der Bundestag wolle beschließen:1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Nahost-Konflikt eine Politik der strikten Neutralität im Sinne des Völkerrechts zu befolgen.2. Der Deutsche Bundestag appelliert an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und an die Großmächte, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion, alles zu tun, um den Frieden im Nahen Osten wiederherzustellen.Wir hoffen, daß die Zustimmung des Hauses zu diesem Entschließungsantrag in der dritten Lesung des Haushalts dazu beitragen kann, die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage vor aller Welt zu unterstreichen. Wir stimmen der Neutralitätsverpflichtung der Bundesregierung im Nahost-Konflikt vorbehaltlos zu.Wir würden es darüber hinaus begrüßen, wenn nach dem hoffentlich nur als eine Zwischenphase anzusehenden Nahost-Krieg die Bundesregierung wieder ihre bewährte Friedenspolitik auch durch erkennbare Maßnahmen und Schritte weiter betriebe. Ich denke hier an die Friedensnote, die noch die frühere Bundesregierung im März 1966 an fast alle Staaten und Regierungen dieser Erde sandte. Mir scheint, daß das damalige Echo auf diese Friedensnote es rechtfertigte, auf diesem Wege weiterzugehen. Denn die etwas zu laute Diskussion ob unserer Vorbehalte zum Atomsperrvertrag hat uns in gewissen Gegenden der Welt in den Verdacht gebracht, daß wir es doch nicht so ernst mit der damaligen Friedensnote meinten und daß die Sorgen ob der friedlichen Nutzung der Kernenergie nur ein Vorwand seien. Kein Thema ist bei unseren Gegnern in der Welt davor gefeit, gegen die Bundesrepublik Deutschland in einer maßlosen Propaganda eingesetzt zu werden. Wir vermissen also seit dem März 1966, seit der damaligen Friedensnote weitere ähnliche Schritte und Vorschläge zu Fragen der kontrollierten Abrüstung und der europäischen Sicherheit.Was die Ostpolitik der Bundesregierung Kiesinger-Brandt anbetrifft, so konnte diese Regierung
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Dr. Mendeja fortsetzen, was die frühere Regierung eingeleitet hatte. Ich erinnere an die Einrichtung der Handelsmissionen von 1961 an in Warschau, Budapest, Bukarest und Sofia. Auch die diplomatischen Beziehungen zu Rumänien waren bereits durch den Besuch des Außenhandelsministers Cioara mit seiner Delegation hier in Bonn und durch den Besuch des damaligen Bundeswirtschaftsministers Schmükker in Bukarest so weit vorbereitet, daß eigentlich schon viel früher, als schließlich erfolgt, die vollen diplomatischen Beziehungen zu Rumänien hätten aufgenommen werden können. Wo damals die Widerstände lagen, ist bekannt.Wir bitten Sie, Herr Bundesaußenminister, auf dem Wege der Aufnahme diplomatischer Beziehungen fortzufahren und trotz der Rückschläge, die eingetreten sind, an dem Konzept festzuhalten, daß diplomatische Beziehungen das normale Mittel des Verkehrs von Völkern und Staaten miteinander sind und daß eine Ideologisierung dieser diplomatischen Beziehungen niemandem auf die Dauer nützt. Diplomatische Beziehungen sollten auch ohne wesensfremde Bedingungen aufgenommen werden. Wir hoffen, daß es Ihnen bald gelingt, insbesondere zu Jugoslawien, zu Ungarn, zur tschechoslowakischen Republik volle diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Wir wissen um die Schwierigkeiten, die hier möglicherweise weiteren Schritten gegenüber Polen und anderen bereitet werden könnten.Die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen sollte allerdings Hand in Hand gehen mit einer engen Information auch der Sowjetunion über die Schritte, die beabsichtigt sind. Mir scheint, daß einiges, was nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien im Bereich der Bundesregierung, auch 'unter den Koalitionspartnern, zur Verteidigung dieses Schrittes, den man vorher abgelehnt hatte, gesagt wurde, dazu beitrug, das Mißtrauen Moskaus zu fördern. Wer etwa glaubt, durch die diplomatischen Beziehungen oder durch eine aktive Handelspolitik nach Ost- und Südosteuropa die Weltmacht Sowjetunion unterlaufen zu können, beweist eine kindliche Vorstellung von den Möglichkeiten einer aktiven Ostpolitik.
— Es ist von einigen Kollegen, die vorher gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien waren — speziell in Ihrem Bereich, in Bayern —, dieser Schritt als das Mittel dargestellt worden, Moskau und Ostberlin in eine entsprechende Isolierung zu bringen. Diese Reden sind selbstverständlich nicht unbekannt geblieben. Die Reaktionen sind dann auch prompt eingetreten.Wir haben den Eindruck, daß die Europapolitik durch die letzten Entscheidungen zwar eine gewisse Auflockerung erfahren hat. Aber von der Politischen Union sind wir leider heute nach zehn Jahren EWG — trotz aller protokollarischer Veranstaltungen in Rom — genauso weit entfernt wie in den ersten Jahren.Die Bundesregierung wäre gut beraten, allen Nachdruck auf den Beitritt Großbritanniens und derskandinavischen Staaten zum Gemeinsamen Markt zu legen. Hier scheint mir in bezug auf die Möglichkeiten der Bundesregierung innerhalb der beiden Koalitionsfraktionen — wenn ich mir den Vormittag noch einmal in meine Erinnerung zurückrufe — eine Meinungsverschiedenheit zu herrschen. Wir glauben, daß die französische Politik bei aller Souveränität ihrer Entscheidungen nicht ganz ohne Rücksicht auf die Partner Bundesrepublik Deutschland, Italien und die anderen handeln kann. Wir bitten die Bundesregierung nachdrücklich, Vorstellungen zu erheben, um ein — ob offenes oder verstecktes — Nein der französischen Regierung zum Beitritt Großbritanniens zu vermeiden.Die heutige Entwicklung der E WG rechtfertigt es, zu prüfen, inwieweit zwischen Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft und COMECON wirtschaftspolitische Vereinbarungen möglich sind. Wenn schon die politisch-diplomatischen Möglichkeiten — vielleicht durch den Nahost-Krieg erst recht — verschlechtert sind, dann ist heute eher die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit nicht nur bilateral zwischen den einzelnen Ländern von EWG und COMECON, sondern vielleicht auch zwischen den Institutionen EWG und COMECON möglich im Sinne der Veränderung der bisherigen Bestimmungen und Kontingentierungen zu einer größeren Liberalisierung des beiderseitigen Handels.• Da die Deutschlandpolitik ein Stück Außen- und Sicherheitspolitik zugleich ist, gestatten Sie, daß ich an dieser Stelle einige Bemerkungen zur Deutschlandpolitik mache. Hier hat die Bundesregierung 1963 noch -unter Konrad Adenauer als Kanzler das bekannte Memorandum über Fragen der kontrollierten Abrüstung, der europäischen Sicherheit und der Wiedervereinigung an die Westmächte geleitet. Es ist damals leider im Botschafter-Ausschuß liegengeblieben. Seit dem August 1963 sind neue Vorschläge der Bundesregierung in dieser Frage der kontrollierten Abrüstung, der europäischen Sicherheit und der Wiedervereinigung nicht mehr erfolgt. Dabei enthielten die damaligen Vorschläge gewisse Gegenstände, die auch jetzt in dem heute hier schon zitierten Briefwechsel zwischen Ostberlin und Bonn einer Überlegung wert wären. Ich denke beispielsweise an die Einrichtung gemischter Kommissionen, also paritätisch besetzter Sachverständigenkommissionen für den Personenverkehr, für den Wirtschaftsverkehr, für Kulturbegegnungen und Sport. Natürlich müßten die damaligen Vorschläge in bezug auf die Einsetzung solcher Sachverständigenkommissionen auf den neuesten Stand gebracht werden, und das Einvernehmen mit den Vier Mächten müßte auf diplomatischem Wege hergestellt werden. Ich zweifle nicht daran, daß die Einsetzung solcher Sachverständigenkommissionen weder in Washington, London und Paris noch in Moskau auf Schwierigkeiten stoßen würde.Es ist natürlich die Frage, inwieweit Briefwechsel, Einsetzung von Kommissionen und Gespräche von Sachverständigen eine Aufwertung bedeuten und wo die berühmte Grenze liegt. Es gibt keinen Streit und keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß eine völkerrechtliche Anerkennung eines zweiten deutschen Staates auch für die Opposition nicht in
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Dr. MendeFrage kommt. Aber Anerkennung als Völkerrechtssubjekt ist nach unserer Überzeugung ein klarer Willensakt, der sich in bestimmter Form vollziehen muß. Der Austausch von Schriftstücken, die Einsetzung von Sachverständigenkommissionen und das Verhandeln über technische Gegenstände, wie z. B. Wirtschafts- und Warenverkehr, Verkehrsverbindungen, Post und Kultur, im geteilten Deutschland bedeuten keine Anerkennung, auch keine Aufwertung in dem befürchteten Sinne. Genausowenig wie die Passierscheine seinerzeit eine Aufwertung brachten, genausowenig wie die Saale-Brücke zur Aufwertung geführt hat oder die Steigerung des innerdeutschen Handels, so würde auch ein Ingangsetzen eines Nebeneinander für den Bereich der menschlichen Begegnungen im geteilten Deutschland nicht zu einer Aufwertung führen. Im übrigen ist jede Aufwertungstheorie ja relativ. Die höchste Aufwertung hat die kommunistische Einheitspartei dadurch erfahren, daß erstmalig in der deutschen Nachkriegsdemokratie eine Regierung es für richtig hielt, im Plenarsaal des Deutschen Bundestages eine Adresse an den VII. Parteitag der SED zu richten. Das war allerdings eine Aufwertung, wenn Sie so wollen, die bisher einmalig war.Zu der Frage des Briefwechsels und der Verzögerungen haben wir uns hier schon durch den Kollegen Mischnick geäußert. Mir scheint, daß es kein Fortschritt in den vergangenen sechs Monaten gewesen ist, daß es weder Passierscheine zu Ostern und Pfingsten in Berlin gab, noch einige technische Selbstverständlichkeiten der vergangenen drei Jahre heute erreichbar sind. Wir hoffen, daß es gelingt, nach Beendigung des Nahost-Krieges und nach dem Abbau der dadurch zwangsläufig entstehenden Spannungen eine Politik der technischen Möglichkeiten im geteilten Deutschland wieder einzuleiten, die den Menschen Erleichterungen verschaffen kann.Wo mögen die Schwierigkeiten liegen, daß überfällige Aktionen in dieser Bundesregierung nicht zur Entscheidung kommen? Man fragt sich ja nicht nur in der Opposition, sondern auch draußen im Land, warum im Januar eine Sowjetnote mit einem scharfen propagandistischen Ton an uns gelangt ist, der wir bald entsprechend hätten entgegentreten müssen, aber diese Sowjetnote vom Ende Januar bis Juni noch nicht beantwortet ist. Man fragt sich, ob hier nicht möglicherweise in der Beurteilung der Ausgangspositionen und der Möglichkeiten innerhalb dieser neuen Regierung Schwierigkeiten aufgetreten sind, die man dadurch erledigt, daß man gewisse Dinge vor sich herschiebt. Das fängt dann bei der Verzögerung der Antwort auf einen Stoph-Brief an und endet bei einer Nichtbeantwortung der Note der Sowjetunion an die Bundesrepublik Deutschland.Wir beneiden den neuen Koalitionspartner der CDU/CSU, die Sozialdemokratische Partei, nicht um die Erfahrungen, die, wie sich aus den Zwischenrufen heute vormittag ergab, auch die Sozialdemokraten machen müssen. Es ist in der Tat schwer, die These des einen Partners, die bewährte bisherige Politik werde unverändert fortgeführt, und die These desanderen Koalitionspartners, ein neues, aktives Element sei im Sinne der früheren Vorstellungen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in die Deutschland-, in die Europa-, in die Ostpolitik, in die Sicherheitspolitik und in die Abrüstungspolitik gelangt, auf einen Nenner zu bringen. Die Frage ist in der Tat bisher ungeklärt, was eigentlich jetzt das Neue gewesen ist und was das bewährte Alte bleiben soll.Ich kann mir denken, daß auch personelle Rivalitäten dazu führen, daß die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers einerseits und die Ressortverantwortung — vor allem sozialdemokratischer Minister — andererseits gelegentlich in Konflikte kommen. Wenn ich mir beispielsweise überlege, was der Parlamentarische Staatssekretär Herr v o n Guttenberg in der Vergangenheit über außenpolitische Fragen geschrieben und gesprochen hat — sein Buch „Wenn der Westen will" ist ja bekannt —, wenn ich mir also vorstelle, daß dieser ambitionierte Außenpolitiker Staatssekretär im Bundeskanzleramt ist, dann werde ich erinnert an die gesamtdeutsche Aktivität des damaligen Staatssektreärs und späteren Bundesministers Westrick. Mir scheint, daß möglicherweise auch eine personelle, sich auf das Auswärtige Amt auswirkende Rivalität die Arbeit nicht gerade erleichtern wird. Sollten wir uns irren, um so besser. Jedenfalls paßt das, was bisher bezüglich einer aktiven konstruktiven Ostpolitik vom Parlamentarischen Staatssekretär von Guttenberg geredet und geschrieben wurde, zur Entspannungspolitik dieser Bundesregierung nach dem. Osten hin wie die Faust aufs Auge.
Aber selbstverständlich ist es durchaus möglich, daß Sie sich in Ihrer neuen Funktion neuen Erkenntnissen nicht verschließen. Wenn dem so ist, dann sind wir doppelt erfreut.Die Freie Demokratische Partei wird in Kenntnis der Schwierigkeiten, die der Bundesaußenminister in dieser Zeit, aber auch in dieser Koalition haben muß, sich bei der Abstimmung über den Haushalt 05 der Stimme enthalten; sie wird nicht dagegen stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, auf all das zu antworten, was Herr Dr. Mende hier vorgebracht hat. Ich glaube, die Bundesregierung selber wird dazu noch einiges zu sagen haben. Deshalb nur einige kurze Bemerkungen zu wenigen Punkten.Herr Dr. Mende, Sie haben ähnlich wie andere Sprecher verschiedener Fraktionen heute darüber gesprochen, daß es offenbar etwas schwierig ist, gleichzeitig zu sagen, hier werde eine bewährte alte Politik weitergemacht, und zugleich, es werde eine
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Dr. Epplerneue betrieben. Aber Sie haben, wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, in diese Diskussion noch eine neue Nuance gebracht, indem Sie als der Vizekanzler der letzten Regierung der neuen Regierung vorgeworfen haben, daß sie nicht etwas ganz anderes mache als die vorhergehende.
— Ja, Entschuldigung, ich glaube, so ist das doch hier herausgekommen.
— Bitte, Herr Zoglmann!
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zoglmann.
Herr Kollege Eppler, wollen Sie damit sagen, daß diese Regierung genau das macht, was die vorherige gemacht hat, daß sie also eine Fortsetzung der CDU-Politik macht?
Nein, Herr Zoglmann, exakt das Gegenteil will ich sagen. Ich sage nur: es ist ein bißchen seltsam, wenn jemand, der so lange Regierungsverantwortung getragen hat, nachher der nächsten Regierung vorwirft, daß sie nicht alles ganz anders macht, als er es getan hat.Herr Dr. Mende, Sie haben davon gesprochen — und wahrscheinlich haben Sie nicht die Bundesregierung damit gemeint —, es sei kindlich, zu glauben, man könne die Sowjetunion durch eine Südosteuropapolitik unterlaufen. Ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden; Sie haben damit nicht die Bundesregierung gemeint. Das wäre wohl auch nicht richtig gewesen. Denn jeder in diesem Haus weiß, daß eine Ostpolitik keinen Sinn hat, wenn sie sich gegen irgend jemanden richtet, insbesondere die Sowjetunion.Eines der Hindernisse, Herr Dr. Mende, mit denen wir heute in bezug auf die neue Ostpolitik zu kämpfen haben, ist doch gerade der Einwand von drüben, daß sich nichts geändert habe und daß man es deshalb — drüben — auch nicht nötig habe, seine Position zu revidieren und zu überdenken. Deshalb, verehrter Herr Dr. Mende — aber das möchte ich auch einmal in die Mitte des Hauses hinein sagen —, nützen wir dieser neuen Regierung nicht damit, daß wir aus irgendwelchen Motiven, die natürlich völlig andere sind als diejenigen derer drüben, immer nachzuweisen versuchen, daß diese Regierung nichts anderes tut als die vorhergehende auch.Eine andere Verdächtigung, die von drüben ausgesprochen wird, ist wohl die, daß wir das alles nur tun, weil wir im neuen internationalen Trend nichts anderes mehr tun können, daß uns nichts anderes übrigbleibt und daß wir nun gezwungen, zähneknirschend Entspannungspolitik treiben. Deshalb bin ich ein bißchen bedrückt, daß wir nun in unseren Bemühungen wiederum die internationale Lage sozusagen als Schiedsrichter für das, was wir tun und was wir nicht tun sollten, heranziehen.Wäre es dann nicht viel besser, gerade gegenüber diesen Verdächtigungen zu sagen: Das, was wir tun, tun wir, weil wir es wollen, ganz unabhängig davon, wie im Augenblick für zehn Tage oder für drei Wochen der internationale Trend ist.Ich sage das auch im Hinblick auf die Beantwortung des Stoph-Briefes.Herr Dr. Mende, Sie haben davon gesprochen, daß der Mangel an einer Passierscheinregelung kein Fortschritt sei. Wenn ich meine Zeitungen im letzten Jahr nicht ganz flüchtig gelesen habe, sind die Passierscheinverhandlungen unterbrochen worden, als Sie gesamtdeutscher Minister waren. Es ist uns in der Tat bisher noch nicht gelungen, die Dinge wieder in Gang zu bringen. Aber ich finde es doch ein bißchen seltsam, wenn nun ausgerechnet Sie sagen: Was ist denn mit euch los? Warum gibt es keine Passierscheinverhandlungen?
Sie haben den Nichtweitergabevertrag erwähnt und vor allem die Verdächtigungen, denen wir alle miteinander in diesem Punkt ausgesetzt sind. Um es klarzumachen: die Fraktion, für die ich hier spreche, will einen Atomwaffensperrvertrag, sie will einen guten Sperrvertrag. Wir haben heute Schwierigkeiten in Genf, die natürlich nicht nur direkt von der Materie des Vertrages herrühren, und wir haben den Wunsch, daß diese Schwierigkeiten überwunden werden. Dazu allerdings gehört ein Mindestmaß an Vertrauen. Wir können diesem Vertrag nicht im Geist eines absoluten Mißtrauens gegenüber den Kernwaffenstaaten zustimmen. Umgekehrt bitten wir aber bei den Verhandlungen, die jetzt in Genf zwischen den Großmächten stattfinden, daran zu denken, daß auch ein absolutes Mißtrauen gegenüber den Nicht-Kernwaffenstaaten, etwa uns, einen solchen Vertrag eben praktisch hemmt und hindert.
Schließlich ein letztes Wort — vor allem zu Ihnen, Herr Dr. Mende — zum Thema Nahost. Ich bin weit davon entfernt, und wir alle sind weit davon entfernt, hier jetzt irgendwelche Gesinnungsschnüffelei zu treiben und Ihnen, wie das vor einigen Wochen hier einmal geschehen ist, nachzurechnen, welche Gesinnung Sie haben sollten und welche Sie nicht haben sollten. Aber ich habe in Ihren Äußerungen etwas vermißt. Mich hat nicht so sehr gestört, was Sie gesagt haben, sondern daß Sie etwas nicht gesagt haben. Was ich vermißt habe, ist der Ausdruck der inneren Spannung in der wir in diesem Volk in diesen Tagen alle leben,
der Ausdruck einer inneren Spannung, die z. B. daher rührt, daß wir, was wir über deutsch-arabische Freundschaft gesagt haben, immer ernst gemeint haben — Sie und wir, wir alle —, daß aber schließlich im Bewußtsein dieses unseres Volkes der Staat Israel eben nicht einfach ein Staat ist wie alle anderen auch. Diese Spannung kam auch daher, daß wir zwar wissen, Herr Dr. Mende, daß unsere Regierung fahrlässig, ja größenwahnsinnig gehandelt hätte, wenn sie nicht sofort das gesagt und getan hätte,
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Dr. Epplerwas sie tatsächlich in bezug auf den Nahost-Konflikt gesagt und getan hat, daß wir uns auf der anderen Seite aber auch bewußt sind, daß dieses unser Volk und damit auch die Vertreter dieses Volkes in diesem Hause innerlich tot wären, wenn sie nicht mehr dazu zu sagen hätten, als was die Regierung dazu sagen darf.
Deshalb wollen wir natürlich Frieden in Nahost, so wie wir hier Frieden haben wollen, Herr Dr. Mende. Aber wir sollten hinzufügen: Wir wollen dort einen Frieden, der nicht nur die Unabhängigkeit etwa der Vereinigten Arabischen Republik, sondern auch die Existenz eines Staates garantiert, an dessen Zustandekommen wir Deutsche in unserer Geschichte nicht ganz unbeteiligt waren.
Das Wort hat der Abgeordnete von Wrangel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Mende, Sie haben hier die Frage aufgeworfen: Was ist das Alte und was ist das Neue? Ich glaube, es ist nicht schwer, daß wir uns hier sehr schnell auf eine Formel einigen, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Denn die Außenpolitik ist nun einmal nicht statisch, sondern dynamisch. Es ist auch selbstverständlich, daß man in früheren Phasen anders agieren und reagieren mußte als heute. Dies ist ein Streit um des Kaisers Bart, worauf wir im einzelnen nicht einzugehen brauchen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, in einer Zeit, in der gerade in der auswärtigen Politik ungewöhnlich stark mit Schlagworten argumentiert wird, einige dieser Schlagworte — sie sind heute morgen in der Debatte besonders von der FDP gebraucht worden — zu analysieren.
Da ist zunächst einmal immer wieder die Frage aufgetaucht: Was ist das Neue? Sind wir dynamisch genug? Sind wir flexibel genug? Sollen wir an Rechtspositionen festhalten? Haben Rechtspositionen noch einen praktischen politischen Wert? Man sollte es doch gerade mit Rücksicht auf die Politik, die lange genug von Ihnen mit getragen worden ist, sehr klar und deutlich sagen: für die CDU/CSU ist es eine Selbstverständlichkeit, daß sie Außenpolitik nur von den gesicherten Positionen aus machen kann, die von ihr geschaffen worden sind.
Dies muß man hier einmal mit aller Klarheit sagen.
Jetzt zum zweiten Gesichtspunkt. Ich denke an die Konferenz des Jahres 1959 in Genf zurück. Jetzt wird immer so getan, als wären die guten Einfälle stets und ständig von dem Koalitionspartner von gestern gekommen. Herr Dr. Mende, auch dies ist nicht ganz richtig. Ich erinnere Sie daran, daß die gesamtdeutschen Kommissionen, wenn man so will,
schon ein alter Hut sind, ein alter Hut aus der Brentano-Zeit. Darüber hat es, soviel ich weiß, zwischen der SPD, der CDU/CSU und der FDP in diesem Hause im Grundsatz nie Meinungsverschiedenheiten. gegeben. Ich hatte ja die Möglichkeit, die großen Debatten der 50er Jahre hier als Journalist zu kommentieren.
Herr Dr. Mende, Freiherr von und zu Guttenberg hat es nicht nötig, von mir interpretiert zu werden. Aber er hat sein Buch immerhin zu einem Zeitpunkt geschrieben, als von Entspannung überhaupt nicht die Rede sein konnte und es primär darum ging, die Positionen, die ungesichert waren, zu sichern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch?
Bitte schön!
Sind Sie mit mir der Meinung, daß es in der Politik für einen Politiker sehr leichtsinnig sein kann, ein aktuelles Buch zu schreiben?
Ich weiß nicht, Herr Kollege Moersch, ob Sie ein Buch geschrieben haben. Ich habe es getan. Aber alle aktuellen Bücher sind nach einer gewissen Weise überholt — das besagt das Wort „Aktualität" —, was für den Autor immer in jeder Hinsicht schmerzlich ist.Zur Entspannungspolitik müssen wir, die CDU/ CSU, von dieser Stelle aus eines sehr klar sagen. Natürlich steht die Politik des Friedens und der Entspannung im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Das hat der Herr Bundeskanzler hier heute morgen wieder sehr überzeugend dargelegt. Aber wir sind doch, wenn diese Entspannungspolitik einen Wert haben soll, wenn sie wirklich Frieden bringen soll, verpflichtet, sie in jeder Phase zu analysieren, nicht leichtfertig jenes Trojanische Pferd zu übernehmen, das uns der Osten aufschwatzen will, und wenn wir dies tun, haben wir doch, gerade auch im Zusammenhang mit dem Atomsperrvertrag — da sind wir wohl nicht verschiedener Meinung, Herr Kollege Dr. Mende —, die Pflicht, sehr genau zu prüfen, ob nicht von sowjetischer Seite der Versuch gemacht wird, unter dem Deckmantel der Entspannung zwei Dinge zu tun, nämlich einmal die Bundesrepublik von ihren Verbündeten zu isolieren und zum anderen in der zweiten Phase die Sicherheit der Bundesrepublik zu demontieren. Genau das wäre eben keine Entspannung.
Lassen Sie mich noch einige Worte zum Fragenkomplex „Nichtanerkennungspolitik" sagen, um auch hier einmal die Position der CDU/CSU ganz klar abzustecken. Es ist nicht so und war nie so, Herr Dr. Mende, als habe sich das, was man fälschlicherweise als „Hallstein-Doktrin" bezeichnet hat, irgendwann gegen die osteuropäischen Saaten gerichtet. Mein Kollege Dr. Marx wird zum Thema Ostpolitik nachher noch etwas sagen. Wir haben nur erklärt — und dabei bleiben wir —, daß die
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Baron von WrangelAnerkennung Ostberlins durch ein drittes Land ein unfreundlicher Akt gegen das deutsche Volk ist und daß wir darauf mit geeigneten Schritten reagieren werden. Dies bleibt für uns gültig, und davon können wir nicht heruntergehen, weil man auswärtige Politik eben nur von den gesicherten Positionen her betreiben kann.Zur Deutschlandpolitik ist heute morgen vom Bundeskanzler, von den Fraktionsvorsitzenden und von den Sprechern der SPD einiges gesagt worden. Ich will das nicht im einzelnen wiederholen. Aber eins ist doch sicherlich für uns alle klar geblieben — und das entnahm ich, Herr Dr. Mende, jedenfalls Ihren Ausführungen —, nämlich daß jede Art der Politik zugunsten menschlicher Erleichterungen unmöglich werden würde, wenn eines Tages dieser Staat in Ostberlin anerkannt würde. Mithin wäre es doch so: wenn einmal große Teile der Welt die Zwei-Staaten- oder Drei-Staaten-Theorie übernähmen, hätten wir zweifellos nicht einmal mehr die Möglichkeit, auch nur einen Millimeter auf dem Wege einer Politik zugunsten menschlicher Erleichterungen weiterzukommen.Sie haben hier auf angebliche Zwistigkeiten in der CDU/CSU angespielt. Ich empfinde nur folgendes: diese Anspielungen waren nichts weiter als der Versuch, zu vertuschen, wie verworren die Ansichten in der Deutschlandpolitik innerhalb der FDP nach Hannover sind.
Herr Kollege Eppler hat hier mit Recht gesagt, daß wir uns nicht damit bescheiden können, nur zu erklären: Wir sind neutral, nur zu sagen: Wir wollen die Erhaltung des Staates Israel. Ich glaube, daß wir in dieser Sache, abgesehen von der klaren Neutralitätserklärung, innerlich engagiert sein müssen. Ich glaube weiter, daß wir alles tun müssen, damit eine endgültige Befriedigung erfolgt. Das hängt nun eben auch mit dem erklärten Willen der Bundesregierung zusammen, die Friedenspolitik in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gegenwärtige Krise macht einmal mehr deutlich, so meine ich, daß es für die Regierung eines durch seine geographische Lage und sein politisches Schicksal besonders exponierten Landes von entscheidender Bedeutung ist, einen personell und sachlich gut ausgestatteten auswärtigen Dienst zu besitzen. Er muß in der Lage sein, durch genaue und umfassende Unterrichtung der Regierung die Mittel in die Hand zu geben, die sie zu einer richtigen, abgewogenen Entscheidung befähigen. Auch als Instrument der Konsultation mit verbündeten und befreundeten Mächten und für die Ausführung der eigenen außenpolitischen Entschlüsse und Maßnahmen ist ein effektiver auswärtiger Dienst unerläßlich. Die dafür aufgewendeten Mittel sind in Wirklichkeit gering imVergleich zu den möglichen materiellen Verlusten und den politischen Einbußen, die ungenügende personelle Präsenz und schlechte Ausrüstung nach sich ziehen können. Dennoch möchte ich, daß das Hohe Haus weiß, daß das Auswärtige Amt selbstverständlich bestrebt ist — weil es bestrebt sein muß —, wirtschaftlich zu arbeiten, d. h. Kosten und Leistung in einem möglichst günstigen Verhältnis zu halten.In dieser ersten Runde der Debatte zum Einzelplan 05 ist noch einmal das Thema wiederaufgegriffen worden, das das Hohe Haus schon heute vormittag befaßt hat und zu dem sich der Herr Bundeskanzler geäußert hat. Ich meine die Krise im Nahen Osten.Der Vorsitzende der Freien Demokratischen Partei, Herr Dr. Mende, hat sich zu dem Antrag seiner Fraktion geäußert und auch ein paar Fragen gestellt, von denen ich jedenfalls eine gleich beantworten möchte. Wenn es so ist, Herr Dr. Mende, daß die Ziffer i des Entschließungsantrages, wie Sie es in Ihrer Rede sagten, die auch von Ihnen für richtig gehaltene Nichteinmischung und im völkerrechtlichen Sinne Neutralitätspolitik der Regierung unterstützen soll, so gestatte ich mir den Hinweis, daß Sie sich die Formulierung vielleicht doch noch einmal ansehen sollten, weil aus der Formulierung „Die Bundesregierung wird aufgefordert" draußen bei anderen in der Welt und in jenem Krisengebiet, die uns beobachten, abgeleitet werden könnte, die Regierung hätte durch dieses Haus dazu aufgefordert werden müssen.
Es gibt sicher viele Dinge, zu denen man diese Regierung auffordern muß, und es gibt viele Gebiete, bei denen der Bundesaußenminister sehr dankbar ist, wenn es in dem Hohen Hause und seinen Fraktionen Kräfte gibt, die nachhelfen und nachstoßen. Dies ist kein Gebiet, wo das erforderlich ist.Herr Kollege Mende hat die Frage aufgeworfen, die natürlich viele Menschen draußen interessiert: Was ist mit unseren Landsleuten, mit den deutschen Staatsangehörigen in den Krisengebieten? Er hat aber auch die Frage anklingen lassen — und keiner wird sagen können, daß das nicht sein gutes Recht- sei —: Hat die Regierung — ich sage es jetzt sinngemäß — nicht vielleicht zu sehr gezögert? Ich will hier, wie ich es gestern auch schon in einem kleineren Kreis getan habe, vor dem ganzen Haus und damit vor der deutschen Öffentlichkeit sagen: Ich selbst habe vor 14 -Tagen dem Bundeskabinett empfohlen, nicht überstürzt zu evakuieren. Das mag man für falsch halten. Ich muß dazu stehen. Das Kabinett hat sich dem angeschlossen, unter anderem auch aus folgendem Grunde. Wir waren in diesen Staaten, von Israel abgesehen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder voll vertreten, noch nicht einmal in Jordanien. Das heißt, unsere Vertreter arbeiteten bei den Schutzmachtvertretungen. Das sind in diesem Gebiet ganz überwiegend Frankreich und Italien. Daraus hatte ich die Empfehlung für das Kabinett abgeleitet, uns in etwa so zu verhalten wie
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5304 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundesminister Brandtdie befreundeten und in diesem Fall auch benachbarten europäischen Staaten, die unsere Interessen dort vertreten, weil es z. B. in Kairo einen merkwürdigen Eindruck gemacht hätte, wenn unser Herr, der dort sitzt, zum italienischen Botschafter gesagt hätte: Sie sind zwar der Meinung, Herr Botschafter, daß die Italiener hier ruhig noch bleiben können; aber die Deutschen müssen vorweg nach Hause geschickt werden.Wir haben jedoch — das muß ich hinzufügen — seit dem 24. Mai in allen Ländern des eigentlichen Krisengebiets alle deutschen Staatsangehörigen, die wir erreichen konnten, wissen lassen, daß sie sich selbst die Frage stellen müßten, ob es nicht vernünftig sei, nach Hause zu fahren. Darüber hinaus sind alle deutschen Staatsangehörigen gebeten worden, mit unseren Vertretungen täglich Kontakt zu halten. Es sind Maßnahmen durchgeführt worden, die sich auf das jeweilige Gebiet bezogen. Ich will ein Beispiel nennen. Ein paar Tage vor Ausbruch der Feindseligkeiten sind die deutschen Staatsangehörigen — es waren nicht sehr viele — aus dem jordanischen Gebiet westlich des Jordans nach Amman gebracht worden, weil man davon ausgehen mußte — was jedenfalls die heutige Lage auf dem Kriegsschauplatz auch bestätigt —, daß zu den Bewegungen der israelischen Seite Bewegungen hin zum Jordan gehören würden.Heute ist der Stand folgender, wie mir der Krisenstab vor einer halben Stunde mitteilte; ich wollte das für die Aussprache hier im Bundestag nach dem letzten Stand haben. Es geht in Wirklichkeit um drei Schwerpunkte.Wir haben Grund zu der Hoffnung, daß aus Beirut heute abend und morgen früh je zwei Flugzeuge die dort wartenden Landsleute nach Hause bringen können. Leider ist uns nicht die Erlaubnis erteilt worden, mit der Lufthansa dort zu landen. Wir müssen daraufhin Maschinen des Landes, um das es sich handelt, chartern. Das ist geschehen.Aus Tel Aviv kommt jetzt am Nachmittag eine sehr überraschende Meldung, die ich nicht werte, sondern einfach weitergebe. Unabhängig davon, daß nach unseren Planungen ein deutsches Schiff aus einem der Häfen — ich nenne absichtlich nicht den Namen — eine Gruppe unserer Landsleute heute morgen an Bord genommen hat und jetzt vor der Küste liegt, um die übrigen an Bord zu nehmen, teilt unsere Botschaft heute nachmittag schlicht mit, daß sie damit rechnet, daß die israelischen Behörden in den nächsten Tagen die Aufnahme des normalen Flug- und Seeverkehrs bekanntgeben werden. Ich gebe das ohne jeden Kommentar wieder.Bleibt der dritte schwierige Punkt, Kairo bzw. Alexandria, wohin wir unsere Landsleute aus dem Kairoer Gebiet — Kairoer Gebiet im weiteren Sinne des Wortes — haben bringen lassen. Dort ist die vorgesehene Evakuierung durch ein deutsches Schiff nicht gelungen, weil das Schiff gestern in einem der arabischen Staaten festgehalten worden ist. Wir haben, wenn sich das Problem nicht auch dort anders löst — morgen oder übermorgen —, Grund zu der Hoffnung, daß mit Hilfe des Schiffes eines befreundeten neutralen europäischen Staates die dort wartenden deutschen Staatsangehörigen nach Hause gebracht werden können.Das kann ich zum gegenwärtigen Stand sagen. Für die politische Einschätzung der Frage, ob es richtig gewesen wäre, vorher etwas zu machen, dafür muß das Kabinett oder, wenn man es auf das Ressort bezieht, der Bundesminister des Auswärtigen die Verantwortung tragen.Getrennt davon ist die fleißige Arbeit der Beamten, die in dem Krisenstab gearbeitet haben und arbeiten und die, gestützt auf die getroffene Entscheidung, eine hervorragende Arbeit mit 'unseren Herren an Ort und Stelle geleistet haben, für die ich ihnen auch von dieser Stelle aus danken möchte.
Zum Nahostkonflikt darf ich nur noch folgendes nachtragen zu dem, was schon gesagt worden ist, als Unterstreichung und vielleicht zu ein paar Punkten als Ergänzung. Wir haben es wirklich so gesehen — nicht erst seit geschossen wird —, daß es nicht Aufgabe der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sein könne, in diesem Konflikt Partei zu ergreifen im Sinne desjenigen, der in Kriegshandlungen direkt oder indirekt eingreift, sondern wir haben deutlich gemacht — vor Ausbruch der Feindseligkeiten und danach —, daß das, was uns erfüllt, der Wunsch ist nach Bewahrung des Friedens und nach Wiederherstellung des Friedens, als er dort zerbrochen war. Aber mir liegt sehr daran, auch nach dieser ersten Runde der Debatte noch einmal unterstreichen zu dürfen — als meine persönliche Überzeugung, mit der ich aber nicht allein stehe —, daß unsere Nichteinmischung und damit Neutralität im völkerrechtlichen Sinne des Wortes keine moralische Indifferenz und keine Trägheit des Herzens bedeuten kann.Wir haben gehört, daß in der Nacht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig die Kriegführenden aufgefordert hat, das Feuer einzustellen. Der erste Staat in der Krisenzone, der dieser Aufforderung nachgekommen ist, ist das Königreich Jordanien. Wir hoffen ernsthaft, daß, gestützt auf den einstimmigen Beschluß des Sicherheitsrates, die Großmächte in dieser bedrohlichen Lage ihre Meinungsverschiedenheiten überbrücken und bei der Wiederherstellung des Friedens zusammenarbeiten.Wir kennen aus eigener bitterer Erfahrung Grauen und Schrecken des Krieges, und deshalb ist es ganz natürlich, daß nicht nur diejenigen, die als Abgeordnete oder als Regierung für das deutsche Volk sprechen, sondern daß unser deutsches Volk selbst an dem menschlichen Schicksal der vom Krieg Betroffenen lebhaft Anteil nimmt und daß unser Volk aufrichtig wünscht, daß auch im Nahen Osten die Welt von dem Gespenst der Zerstörung und der Vernichtung befreit werde. Ich meine wirklich: wenn, wie ich hoffe, die Kriegshandlungen in relativ wenigen Tagen vorbei sind, sollte unser deutsches Volk trotz gewisser momentaner ökonomischer Schwierigkeiten, die wir haben, zeigen, nicht nur durch Mittel aus dem Bundeshaushalt, daß es auch über Frontlinien hinweg zu einer großen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5305
Bundesminister Brandthumanitären Leistung fähig ist, um den Opfern des Krieges beizustehen.
Wir sind der Meinung, daß im Nahen Osten endlich nach einer gerechten, dauerhaften Lösung der dort vorhandenen Probleme gesucht werden muß, nach einer Lösung, welche es den Regierungen und den Völkern dieses Teils der Welt erlaubt, ihre Kräfte wirklich und in vollem Umfang auf friedliche Aufbauleistungen und das Wohlergehen der Menschen zu richten.Herr Kollege Dr. Mende hat nach der Friedenspolitik der Regierung gefragt. Ich kann ihm bestätigen: selbstverständlich werden weitere Schritte folgen. Ich werde gleich von einigen sprechen. Selbstverständlich dauern die Bemühungen an um Herstellung der diplomatischen Beziehungen mit den Staaten, mit denen wir sie bisher nicht haben.Wenn ich eine Randbemerkung machen darf: Ganz kann ich den Satz nicht unterstreichen, daß der Fall Rumänien klar war, als eine neue Regierung gebildet wurde. Für den Bundesaußenminister hat sich die Sache so dargestellt, daß es ohne neue Weisungen für die Gespräche in Bukarest im Januar nicht zur Aufnahme der Beziehungen gekommen wäre. Aber das ist ein Detail; ich mache die Klammer zu.Es geht um einen größeren Zusammenhang, von dem ja jetzt schon gesprochen wurde: unsere Ostpolitik und unsere Deutschlandpolitik. Die Reaktion auf die Ostpolitik der deutschen Regierung in der verbündeten und in der befreundeten, also auch in der nicht engagierten Welt hat gezeigt, daß unsere Absichten richtig verstanden worden sind. Das gleiche läßt sich nicht — noch nicht — in vollem Umfang für die amtlichen Reaktionen in Ost- und Südosteuropa sagen. Das kann nicht überraschen. Es war nicht zu erwarten, daß mit einem Schlage ein tiefgreifendes Verständnis der deutschen Politik gegenüber unseren Nachbarn im Osten in jenen kommunistisch regierten Ländern Platz greifen würde. Immerhin darf ich auch feststellen: Es sind nicht überall in jenen zwischen Deutschland unnd Rußland gelegenen Ländern Mißverständnisse aufgetreten, und in einigen Fällen habe ich Grund zu der Annahme, daß die Mißverständnisse nicht echt, sondern künstlich sind.Wir werden unsere Bemühungen geduldig und nachdrücklich fortsetzen. Dabei stelle ich heute, damit es da nicht noch einmal Mißverständnisse gibt, wie sie leider, wie wir erst später erfahren haben, aus der seinerzeitigen Friedensnote zu Unrecht, glaube ich, abgeleitet worden sind, bewußt an die erste Stelle nicht die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen ohne aber etwas von dieser Aufgabe abzustreichen —, sondern ich setze an die erste Stelle die Verbesserung der Beziehungen mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, mit der wir diplomatische Beziehungen haben.
Wir möchten aus diesen Beziehungen mehr machen;wir möchten sie mit Leben erfüllen. Wir glauben, esgibt weite Bereiche — es mögen auch enge sein —, in denen man miteinander sprechen kann, auch wenn es auf anderen Gebieten schwierig bleibt. Im engen Zusammenhang damit setze ich an die zweite Stelle weitere Bemühungen um Formalisierung und Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Drittens sind wir uns natürlich auch darüber im klaren, daß das, was wir als innerdeutsche Problematik empfinden, sich, von einer anderen Seite her gesehen, z. B. wegen vorhandener Blockbindungen und bilateraler Verträge, auch als ein Stück Ostpolitik oder als auf die Ostpolitik einwirkend darstellt. Es geht nicht darum, die Solidarität der osteuropäischen Regierungen untereinander zu schwächen, geschweige denn zu sprengen. Die osteuropäischen Regierungen haben, so wie die Dinge liegen, gute Gründe, zusammenzuarbeiten. Die Bildung und das Funktionieren regionaler Zusammenschlüsse ist auch in Osteuropa keineswegs unter negativen Aspekten zu sehen. Wir möchten nur klarmachen, daß die Kräfte im Osten aus der Gruppe der Motive, die ihre Solidarität begründen, die Sorge vor dem angeblichen deutschen Revanchismus und Militarismus ausscheiden können.Wir wollen allerdings — und das sagen wir in voller Offenheit — keine Verfestigung, kein Festschreiben eines sterilen Status quo. Wir wollen vielmehr eine Evolution auf beiden Seiten in Europa. Wir möchten eine solche Evolution fördern, die es ermöglicht, daß die europäischen Völker in einer Weise miteinander verkehren können, die ihrer geistigen und geschichtlichen Rolle entspricht.Es gibt, so widerspruchsvoll der Prozeß ist und noch sein wird, schon viele Zeichen dafür, daß das geteilte Europa wieder zueinander strebt. Insoweit wünschen auch die Völker in Osteuropa kein bloßes Festschreiben dessen, was ist.Das Zusammenwachsen Europas wird aber durch die Teilung Deutschlands schwer behindert. Deshalb sind unsere Bemühungen, Verbesserungen und Erleichterungen im innerdeutschen Verkehr zu erreichen, sowie unser Streben nach einer Lösung der deutschen Fragen im Rahmen einer europäischen Friedensordnung und in Übereinstimmung mit dem Willen des betroffenen Volkes Elemente unseres umfassenderen Konzepts für die Entspannung in Europa.Wir wissen, daß in einigen wichtigen Fragen starke Gegensätze bestehen. Wir selbst sind bereit, diese Gegensätze auszuklammern und dessenungeachtet Ausschau nach Gebieten zu halten, wo wir zusammenarbeiten können. Wir erwarten, daß die Gegenseite dieselbe Haltung einnimmt, nämlich daß sie nicht unsere Unterwerfung unter ihre Auffassung zur Voraussetzung für eine Zusammenarbeit macht.Es geht also auch hier nicht darum, den anderen Teil Deutschlands zu isolieren; im Gegenteil, wir wollen ihm, wie ich es sehe, Möglichkeiten geben, zu einem normalen Verkehr mit uns und, wenn es so weit ist, mit der übrigen Welt zu finden. Wir können mit Genugtuung feststellen, daß diese unsere Auffassung von der überwiegenden Mehrheit
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5306 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundesminister Brandtder Staatengemeinschaft als vernünftig und der Entspannungspolitik dienend angesehen wird. Wir können auch feststellen, daß Ostberliner Versuche, die Einheit der deutschen Nation rundweg zu leugnen, draußen fast überall, auch in Osteuropa, als abgeschmackt empfunden werden.Herr Dr. Mende hat noch nach dem Stand unseres Gesprächs über diese Fragen mit den Westalliierten, den mit der deutschen Frage besonders verbundenen drei Mächten gefragt. Das Gespräch wird weitergeführt; eine nächste Gesprächsrunde der Vier, also der Drei und uns, ist in der nächsten Woche in Luxemburg.Wir sind uns selbstverständlich darüber im klaren — wenn ich das hinzufügen darf, weil es an der Grenzlinie zwischen Bündnispolitik und Abrüstung liegt —, ,daß ein gut Teil unserer Außenpolitik und Sicherheitspolitik nur im Bündnis verwirklicht werden kann, weil unsere eigenen Kräfte nicht ausreichen, die widerstrebenden Kräfte unserer Umwelt im Gleichgewicht zu halten. Für die Zukunft des atlantischen Bündnisses, wie auch immer seine innere Struktur sich entwickeln mag, ist wichtig, daß sowohl seine atlantischen Mitglieder, also die Vereinigten Staaten und Kanada, als auch die europäischen Mitglieder sich von der Erkenntnis leiten lassen, daß sie aufeinander angewiesen sind und daß es ohne gegenseitige Deckung und Unterstützung weder dem einen noch dem anderen gelingen kann, einmal, seine eigene Sicherheit zu bewahren, und zum anderen, die großen Aufgaben einer friedlichen Entwicklung in der Welt zu meistern.Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Prozeß der Konsultation in der NATO verbessert worden ist. Dies hat dazu beigetragen, daß .die europäischen Interessen deutlicher gesehen und beachtet werden. Das hat sich auch in den Dreiergesprächen, die kürzlich zwischen uns, den Vereinigten Staaten und Großbritannien stattgefunden haben, günstig ausgewirkt. Die neuen Richtlinien des Ministerrats der NATO haben die Kluft zwischen überholten, aber noch geltenden Programmen und neuen Erkenntnissen überbrückt. Für uns gilt es jetzt, die deutsche Stellung und Aufgabe innerhalb des veränderten Verteidigungskonzepts so festzulegen, daß die Abschreckung als entscheidendes Element der Friedenssicherung wirksam bleibt. Aus meiner Verantwortung in der auswärtigen Politik stellt es sich mir so dar, daß der Rückhalt des ganzen Bündnisses weiterhin in der strategischen nuklearen Kapazität der Vereinigten Staaten liegt, daß dies fest in unserem Bewußtsein bleiben muß, daß es weiterhin das Bündnis mit den Vereinigten Staaten ist, das Europas Sicherheit gewährleistet.Zum Problem der Sicherheit gehören im Verständnis dieser Regierung untrennbar die Probleme der Abrüstung. Die Grenze liegt unserer Meinung nach da, wo durch einseitige Abrüstung oder Truppenverminderung die eigene Sicherheit in Mitleidenschaft gezogen oder einer wirksamen Politik der Entspannung der Boden entzogen wird.Ich darf heute darauf verzichten, mich erneut zum Thema des Nichtverbreitungsvertrages zu äußern,sondern darf nur darauf hinweisen, daß die Bundesregierung vor diesem Hohen Hause erklärt hat, daß sie für einen Vertrag ist und, nebenbei gesagt, seit jener Aussprache in diesem Hohen Hause auch weitere Fortschritte beim Aushandeln von guten Lösungen mit den Verbündeten erzielt hatte. Auch der sowjetische Vertreter hat seitdem in Genf, was die friedliche Forschung, Nutzung und Anwendung der Kernenergie angeht, größeres Verständnis gezeigt. Wir haben also noch einfacher, als es damals vor zwei Monaten möglich war, unsere Position in wenigen Punkten zusammenfassen können, nämlich in diese: Wenn es zu dem Vertrag kommt, über den soviel gesprochen worden ist, dann muß er erstens als Element einer Friedensordnung die Ausbreitung von Kernwaffen verhindern. Zweitens muß er den Weg zur nuklearen Abrüstung frei machen. Drittens muß er den nichtnuklearen Unterzeichnern Sicherheit gewährleisten. Viertens muß er die friedliche Forschung und die Nutzung der Kernenergie fördern helfen. Fünftens muß er ein Kontrollsystem schaffen, das die Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen sicherstellt. Das ist unsere Position.Dann zur Europapolitik! Herr Dr. Mende hat noch einmal gewarnt, die Bundesregierung möge alles tun, um ein Nein eines — und nicht irgendeines — Partners zu vermeiden. Darf ich in Ergänzung dessen, was dazu der Bundeskanzler gesagt hat, feststellen: Wir sind uns von Anfang an — natürlich auch die englische Regierung — darüber im klaren gewesen, daß jede solche Erweiterung nicht einfach ist. Sie wirft schwierige Fragen auf: auf dem Gebiet der Agrarfinanzierung, der Freiheit des Kapitalverkehrs, Währungsfragen, andere Fragen. Aber wir sind zu der Überzeugung gekommen: diese Fragen lassen sich auf dem Boden der Römischen Verträge lösen. Wir glauben: wenn die Antworten gegeben werden, dann wird es für alle Beteiligten gut sein. Das haben wir allen Beteiligten gesagt. Der Bundeswirtschaftsminister, der heute früh gefragt wurde, hat es mehrfach gesagt, so kürzlich vor dem Ostasiatischen Verein in Hamburg. Der Bundesaußenminister hat es zu Hause und draußen mehrfach gesagt. Und so wird das weitergehen, aber mit dem Ziel, die Beteiligten unter einen Hut zu bringen, und nicht von dem Ehrgeiz geleitet, für ein paar Tage Schlagzeilen in der Presse eines Landes zu bekommen. Dauerhafte Erfolge allein zählen hier.Es ist zwar so, daß über den Bereich der zu erweiternden EWG mit der wirtschaftlichen Integration hinaus die nächste politische Zukunft in unserem Teil Europas nach allem, was man übersehen kann, nicht im Zeichen der Integration, sondern im Zeichen der Kooperation stehen wird. Aber in diesem Sinne, denke ich, kann die römische Konferenz als ein Ansatzpunkt für eine solche — später dann auch auszuweitende — Kooperation gesehen werden. Und das wäre etwas, nachdem die Europapolitik in den letzten Jahren so viel an Elan eingebüßt hatte.Ich glaube, wir sollten sehr vorsichtig mit neuen Projekten sein. Aber es wäre gut, wenn durch unsere Anstrengungen mit einiges gelingen würde. Ich möchte, daß das Hohe Haus es weiß: es wäre zu der
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Bundesminister Brandtrömischen Konferenz und zu dem, wenn auch bescheidenen Ergebnis nicht gekommen, wenn nicht die italienische Regierung und die deutsche Regierung in dieser Frage seit der Jahreswende sehr eng zusammengewirkt hätten.
Wenn es uns gelingt, ohne daß wir den Mund dabei zu voll nehmen und ohne daß wir Erfolgskommuniqués herausgeben, aus dem Tief herauszukommen, dann wird es helfen.Ich bin überzeugt: alle weiterreichenden Überlegungen — sei es auf dem Gebiet der Technologie, der Verteidigung, des Verhältnisses zur dritten Welt, der Balance im Bündnis oder allgemein einer Politik, die sich eine dauerhafte Sicherung und Festigung des Friedens zum Ziel gesetzt hat — führen immer wieder zu der Erkenntnis zurück, daß eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen Erfolg die europäische Zusammenarbeit ist. Ich habe den Eindruck, daß sich das im politischen Handeln jetzt doch etwas rascher durchsetzen könnte.Darf ich schließlich ein paar Bemerkungen zu dem machen, was der Berichterstatter, Herr Dr. Abelein, über die auswärtige Kulturpolitik gesagt hat, was er verständnisvoll über die Wichtigkeit dieses Bereichs und über das gesagt hat, was das Auswärtige Amt damit zu tun hat.Ich will nicht darüber streiten, was das wichtigste ist, aber die auswärtige Kulturpolitik ist in der Tat zu einem der drei Pfeiler einer modernen Außenpolitik geworden. Sie steht gleichwertig — muß gleichwertig stehen — neben der Diplomatie im engeren Sinne und der Außenhandelspolitik; Diplomatie im engeren Sinne: man könnte auch sagen, klassische Außenpolitik, wobei die Sicherheit dann dazu gehörte.
Ich bin davon überzeugt, daß uns drei Aufgaben gestellt sind, einmal durch die Selbstdarstellung unseres Volkes und seines kulturellen Schaffens, zum anderen dadurch, daß neben die nationale Repräsentation die kulturelle Kooperation getreten ist, und drittens — aber das soll keine Wertung sein — durch das, was der Berichterstatter über die Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland gesagt hat.Meine Damen und Herren, seit ich im vergangenen Dezember in der neugebildeten Bundesregierung die Verantwortung für die auswärtigen Angelegenheiten übernahm, habe ich mich vor allem mit aktuellen politischen Fragen zu befassen gehabt; die unmittelbare Befassung mit den kulturellen Beziehungen zu anderen Ländern ist dabei zu kurz gekommen. Es ist besser, wenn man das gleich sagt; denn ich habe den Eindruck, daß sich zu diesem Gegenstand noch Herren im Hause äußern könnten, die über Jahre hinweg von der Sache mehr verstehen als ich. Ich betrachte es nicht als eine Schande, das offen zuzugeben.
Gleichwohl möchte ich — auch auf diesen Haushalt bezogen — sagen: Ich bin dem Hohen Hause wirklich sehr dankbar, und wenn ich sogar noch Hoffnung schöpfen darf für das kommende Jahr aus dem, was der Berichterstatter gesagt hat, so bin ich um so dankbarer. Natürlich schafft Geld allein keine Kultur. Kultur — vor allem auswärtige Kulturpolitik — kann aber in der Welt in der wir leben, ohne Geld nicht gedeihen. Es ist beeindruckend, wenn man sieht, daß der Schul- und Kulturfonds des Auswärtigen Amts von 2,8 Millionen DM im Jahre 1952 auf 215 Millionen DM im letzten Jahr gestiegen ist; das sind 40 % des Etats des Auswärtigen Amts.Ich möchte aus dem, was ich bisher überblicken kann, keine Bilanz des Positiven machen. Das wird demnächst ohnehin geschehen, denn der Bericht der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts für das Jahr 1966 wird demnächst vorliegen; er konnte leider bis zu dieser Debatte noch nicht vorgelegt werden.Ich möchte mit den Vorbehalten, die ich wegen meiner bisher noch nicht ausreichenden Vertrautheit mit diesem Gebiet gemacht habe, sagen, wo ich jetzt bestimmte Schwerpunkte sehe.1. Es ist nicht zu verkennen — auch wenn man das Geschäft dort erst ein halbes Jahr betreibt —, daß einer Phase schnellen, manchmal überschnellen Wiederaufbaus nach dem Kriege eine Phase der Konsolidierung wird folgen müssen. Dabei wird zu überprüfen sein, wieweit ein Nebeneinander oder gar Durcheinander von Institutionen und Kompetenzen dazu führt, daß wertvolle Kräfte vergeudet werden. Ich bin ein starker Anhänger der Entfaltung freier Kräfte, und ich bin auch dafür, daß freie Kräfte, wenn sie Vernünftiges leisten, durch die öffentliche Hand gestützt werden. Aber ich bin dann auch dafür, daß die öffentliche Hand dafür sorgt, daß mit dem so zur Verfügung stehenden Geld nicht konkurrierende und Kräfte vergeudende Arbeit betrieben wird.
2. Wie in unserer Wirtschaftspolitik, so ergibt sich auch in der auswärtigen Kulturpolitik immer mehr die Notwendigkeit einer vorausschauenden, mehrere Jahre umfassenden Planung.3. Es ist jetzt immer notwendiger geworden — ich denke, wenn die Organisationsform noch abschließend geklärt ist, kommt es auch dazu —, eine Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen zu schaffen, durch die das Auswärtige Amt von Verwaltungsaufgaben entlastet wird, so daß die betreffende Abteilung des Auswärtigen Amts sich auf die Lenkungsaufgaben beschränken kann, was das Amt und was die Abteilung gern möchten.4. Es ist sicher notwendig — ich gebe das von vornherein den Kulturpolitikern in diesem Hause zu —, mehr als bisher notwendig, regionale und sachliche Schwerpunkte zu schaffen, um der Gefahr der Verzettelung entgegenzuwirken.5. Im Rahmen der Ostpolitik der Bundesregierung kommt dem kulturellen Austausch mit den Staaten Ost- und Südosteuropas eine besondere Bedeutung zu. Dem Kalten Krieg alter Prägung entsprach die
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5308 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundesminister Brandtkulturelle Isolation. Der Entspannungspolitik mit all ihren Wenn und Aber, mit all ihrem Hin und Her entspricht die Wiederaufnahme und Förderung traditioneller und neu zu entwickelnder kultureller Kontakte. Wir können bereits jetzt eine erfreuliche Verbesserung der kulturellen Beziehungen zu einigen Ländern Ost- und Südosteuropas verzeichnen. Die Bundesregierung ist bestrebt, diese kulturellen Kontakte zu erweitern und zu vertiefen. An unserem guten Willen wird es jedenfalls nicht fehlen.Darf ich noch etwas zu dem Krisenbericht nachtragen. Herr Kollege Dr. Mende, ich habe den Bericht durch die Nachricht zu ergänzen, daß deutsche Passagiere heute nachmittag Israel per Flugzeug verlassen haben. Der Flugplatz ist offen.
Was sonst zur Lage gesagt wird, sollte ich nicht von dieser Stelle aus mitteilen; da gibt es auch andere Möglichkeiten für die Damen und Herren, sich zu orientieren. Es scheint, als ob uns in den nächsten Tagen weniger noch der Punkt beschäftigen wird, der unter Ziffer 1 des Entschließungsantrages der FDP eine Rolle spielte — nach den Überlegungen von gestern und heute früh —; denn es ist — nach dem Berichtsstand von heute spätnachmittag — nicht ausgeschlossen, daß die militärischen Handlungen dem Ende entgegengehen.Ich möchte noch eine Schlußbemerkung machen. Mir ist bewußt, daß dies eine Haushaltsdebatte ist. Aber gerade in diesen Tagen, in denen wir es mit dem blutigen, wenn auch hoffentlich zeitlich sehr begrenzten Streit im Nahen Osten zu tun hatten, möchte ich als Bundesaußenminister ausdrücklich und nachdrücklich bekräftigen, daß die deutsche. Außenpolitik allein und ausschließlich auf die Sicherung des Friedens und die Bewahrung der Freiheit gerichtet ist. Jede einzelne Entscheidung, jede Maßnahme in unseren multilateralen und bilateralen Beziehungen — auf dem Gebiet der Sicherheit, der Wirtschaft, der Kultur oder der Entwicklungshilfe —, orientiert sich an diesem Ziel. Unsere geistigen und unsere physischen Kräfte, unser Gewicht in der Staaten- und in der Völkergemeinschaft, unsere Anwesenheit in der Welt dienen nicht der Gewinnung machtpolitischer Vorteile oder militärstrategischer Positionen. Sie dienen allein dazu, die Früchte unserer Arbeit und Leistung in Frieden mit anderen zu teilen, in wechselseitigem Geben und Nehmen an einer neuen Friedensordnung mitzuwirken.Eine Friedensordnung — davon sind wir überzeugt — kann dauerhaft nicht auf die Präsenz militärischer Macht gegründet werden. Wird sie — die militärische Macht — eingesetzt, so ist dies ein sicheres Zeichen dafür, daß die Völkergemeinschaft versagt hat, daß sie der Aufgabe nicht gerecht geworden ist.Deutschlands Beitrag zur Friedensordnung muß darin bestehen, daß es nicht nur seine wirtschaftlichen Kräfte für die Entwicklung von Fortschritt und Wohlstand in der Welt mobilisiert — soweit die Kräfte reichen —, sondern daß es auch sein geistiges und politisches Können einsetzt, um einrechtes Verhältnis von Freiheit und Ordnung schaffen zu helfen, um soziale Gerechtigkeit in und zwischen den Völkern zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesaußenminister hat zu Beginn 'seiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß er den Entschließungsantrag meiner Fraktion deshalb für problematisch hält, weil die Bundesregierung in diesem Entschließungsantrag aufgefordert wird, eine Politik der Neutralität im Nahen Osten zu führen, und weil sich damit der Eindruck ergibt, als ob die Bundesregierung dazu erst gewissermaßen eines guten Hinweises bedurfte.Herr Bundesaußenminister, ich nehme das zum Anlaß, den chronologischen Ablauf der Dinge klarzustellen. Es war ja nicht so, daß etwa die FDP-Fraktion vor zehn Tagen einen solchen Entschließungsantrag hier eingebracht hat, sondern es ist doch so, daß die FDP-Fraktion diesen Antrag erst eingebracht hat, nachdem die Bundesregierung ihrerseits Maßnahmen getroffen hatte, die uns mit tiefer Besorgnis erfüllten. So liegen die Dinge. Hier werden doch Ursache und Wirkung verschoben, denn faktisch hat die Bundesregierung etwas unternommen, was uns in jeder Hinsicht problematisch erschien, in jeder Hinsicht!Zunächst einmal mußte doch schon die Bitte, Gasmasken zu liefern, angesichts des geringen Quantums, um das es sich handelte, die Vermutung wecken, daß der Bittsteller möglicherweise auch noch andere als materielle Überlegungen, nämlich politische Überlegungen angestellt hatte, daß er — um es ganz konkret zu sagen — eben den Wunsch hatte, uns in dieser schwierigen Situation im Nahen Osten durch eine verhältnismäßig unbedeutende Maßnahme zu fixieren, eine Maßnahme von rein humanitärem Gewicht, die aber in dieser Situation eben auch ein politisches Gewicht haben mußte. Das ist die erste Überlegung, die sich ergeben mußte, und ich frage, ob dieser Gedanke im Auswärtigen Amt und im Bundeskabinett überhaupt erörtert worden ist. Es besteht um so mehr Veranlassung, eine solche Frage zu stellen, als wir ja heute alle wissen, daß die seinerzeitigen Meldungen über die deutschen Waffenlieferungen an Israel aus einer ganz bestimmten Quelle in die Öffentlichkeit lanciert worden sind und damals offenbar ganz ähnliche politische Überlegungen im Hintergrund standen. Das ist die erste Frage.Die zweite Frage, Herr Bundesaußenminister, ist die folgende: Es wurde erklärt, daß man eine derartige Hilfe aus humanitären Gründen gewähren wolle. Gleichzeitig wurde erklärt: Natürlich nach beiden Seiten. Ich stelle die Frage: Hat sich die Bundesregierung überlegt, welche psychologischen Rückwirkungen etwa in Israel eingetreten wären, wenn wir tatsächlich solche Lieferungen auch nach Jordanien getätigt hätten? Dann wäre doch ohne
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5309
ZoglmannZweifel das Prä, das man sich zu schaffen glaubte, wieder illusorisch geworden.Drittens ist es doch unbestreitbar, daß der Anschein, den die Bundesregierung zu erwecken versuchte, daß es sich um private Geschäfte einer Gasmasken herstellenden Firma handele, nicht den Tatsachen entspricht. Vielmehr hat die Bundesregierung diese Lieferungen aus eigenen Beständen oder aus solchen, .die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, getroffen. Daher die Sorge, Herr Bundesaußenminister, die uns bewegte. Deshalb unser Entschließungsantrag hier.Ein Weiteres. Herr Bundesaußenminister, Sie haben hier wiederum die Unterscheidung zwischen Neutralität und Nichteinmischung vorgetragen. Es stellt sich mit Recht die Frage, ob wir in der Lage, in der sich unser Volk befindet, eine derartige Unterscheidung vornehmen dürfen, ohne dabei Risiken einzugehen, die nicht unbeträchtlich sind.Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor! Aus dem, was der Herr Bundesaußenminister hier vortrug, besonders aus seinen letzten Sätzen, klang doch greifbar die Überlegung heraus, daß der Fall im Nahen Osten sehr schnell militärisch erledigt sein würde, möglicherweise schon zu dieser Stunde, wenn nicht heute, dann vielleicht morgen oder übermorgen, und daß man damit gewissermaßen einem Endpunkt dieser Entwicklung zusteuere. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, in diesem Hause darauf hinzuweisen, daß mit dem militärischen Ende der Auseinandersetzung in diesem Raum noch nichts entschieden ist, sondern daß hinterher die große politische Hypothek bleibt.Es taucht die weitere Frage auf: Wie wird sich eine Weltmacht verhalten, die ja eindeutig mit im Spiele war und ohne deren Konsultation wahrscheinlich selbst ein Mann wie Herr Nasser seine Maßnahmen nicht getroffen hätte? Sind Sie wirklich der Meinung, daß es eine solche Weltmacht hinnehmen kann, daß man ihr das Gesicht nimmt? Die Frage stellt sich. Diese Weltmacht, meine Damen und Herren, ist eine Macht, die über die deutsche Wiedervereinigung mit enscheidet, die ein maßgebliches Wort spricht. Unser Verhalten in diesem Konflikt muß das berücksichtigen.Wir alle sind tief besorgt, wenn wir uns überlegen, was da in den nächsten Tagen und Wochen möglicherweise noch auf uns zukommt. Wenn die Forderungen beispielsweise nach Waffenstillstand und Rückzug auf die Ausgangsposition kommen, wie werden dann die Reaktionen sein? Die Frage des Rückzugs auf die Ausgangsposition wird sich doch ergeben; denn Sowjetrußland wird diese Bedingung im Sicherheitsrat ohne Zweifel vertreten.Was ich in der amtlichen Verhaltensweise bisher vermisse, ist das Gespür für den Ernst dieser Dinge in der Rückwirkung auf das deutsche Problem. Das vermisse ich bisher, meine Damen und Herren. Ich wäre sehr dankbar, wenn der Herr Bundesaußenminister zu diesem Punkt noch etwas sagen könnte.In dieser Hinsicht erfüllt mich eine Aussage, die er gemacht hat, mit einer gewissen Hoffnung. Ich will die Aussage der Ordnung und der Objektivität halber hier wiederholen, damit sie nicht vergessen wird: Humanitäre Maßnahmen über alle Grenzen hinweg! Ich könnte mir vorstellen, daß eine sichtbare Aktion der deutschen Bundesregierung in diesem Bereich vielleicht einen Teil der Hypotheken abtragen würde, die wir in den letzten Tagen vielleicht unbewußt aufgenommen haben. Das zu dem einen.Lassen Sie mich noch etwas zu einem zweiten Komplex sagen, den der Herr Bundesaußenminister angerührt hat. Bezogen auf das, was Herr Mende vorhin gesagt hat, hat der Bundesaußenminister erklärt: Die diplomatischen Beziehungen zu Rumänien wären ohne eine neue Weisung ich darf es vielleicht noch verdeutlichen: ohne Weisung des neuen Außenministers — nicht hergestellt worden. Der Herr Außenminister wollte damit sagen: Diese neue Bundesregierung hat in diesem Bereich eine neue Politik sichtbar und deutlich gemacht.Der Objektivität halber muß ich hier doch darstellen, wie sich die Dinge chronologisch entwickelt haben. Chronologisch haben sie sich nämlich folgendermaßen entwickelt. Die ersten Beziehungen zu Rumänien hat nicht die Bundesregierung aufgenommen, sondern sie sind aus diesem Hause heraus aufgenommen worden. Ich darf mich dabei auf die Zeugenschaft meines Kollegen Mischnick berufen, der damals in Berlin mit mir die beiden seinerzeit amtierenden Vorsitzenden der heutigen Koalitionsparteien konsuliert hat. Es lag nämlich eine Einladung aus Rumänien an alle drei Fraktionen des Bundestages vor, und dabei zeigten die zwei großen Fraktionen, die heute diese Regierung tragen, eine ganz eigenartige Reaktion. Die eine Fraktion erklärte — ich kann es auch deutlicher sagen, die SPD-Fraktion erklärte durch ihre maßgeblichen Vertreter —: Sie könne nur fahren, wenn auch die CDU fahre; sie möchte — es war im Jahr der Bundestagswahl — nicht in eine mißdeutbare Situation hineinkommen; das könne sie auf gar keinen Fall in Kauf nehmen. Die CDU erklärte, sie denke nicht daran, eine solche Einladung anzunehmen, wenn der Oppositionspartner mitfahre; denn er würde damit vor der Wahl in einer Weise aufgewertet, die ihm nicht zukomme. Damit war also gewissermaßen ein magischer Kreis geschaffen, und es ergab sich die Frage, wie man ihn durchbrechen soll. Er wurde dann dadurch durchbrochen, daß sich in der CDU und in der CSU jeweils ein Kollege fand, der den Mut hatte, sich gegen seine Fraktionsführung zu entscheiden, und diese beiden Kollegen fuhren eben mit. Das waren die ersten Kontakte, die da geschaffen wurden. Die letzten sind doch vollzogen worden — wiederum war der Bundestag beteiligt —, als die Gespräche zwischen Herrn Schmücker und Herrn Ceausescu in Bukarest vor sich gingen und Anfang September das Problem in einem entscheidungsreifen Zustand war, jedenfalls in einem Zustand, in dem alles so weit fertig war und die Frage nur noch lautete: Wann wird Herr Manescu nach Deutschland eingeladen? Nun, dann zerbrach die Regierung. Es kam eine Übergangsregierung. Es ist durchaus denkbar, Herr Außenminister, daß diese Übergangsregierung dann möglicherweise
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5310 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Zoglmanneine Situation geschaffen hat, die Sie in die Zwangslage versetzt hat, Ihrerseits erst eine neue Weisung geben zu müssen, um die Dinge wieder in Fluß zu bringen, Aber im historischen Ablauf liegen die Dinge doch so, wie ich sie dargestellt habe.Was ich gerade gesagt habe, ist aber gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist etwas ganz anderes. Sie haben gesagt, Sie wollten eine Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion. Sie haben weiter gesagt, es wäre eine falsche Überlegung, mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den Oststaaten die Vorstellung zu verbinden, daß man damit Unruhe in den Ostblock hineinbringen und eine Auflösung, eine gewisse Zersplitteung hervorrufen könne. Wenn das zutrifft, darf ich jetzt, Herr Außenminister, an Sie zwei konkrete Fragen stellen. Die erste Frage lautet: Wenn man die Dinge so betrachtet, wie Sie sie betrachten und wie Sie das hier richtig vorgetragen haben, halten Sie es dann für zweckmäßig, daß der für die Führung der deutschen Politik verantwortliche Politiker, nämlich der Bundeskanzler, seinerseits erklärt, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien richte sich nicht gegen die Sowjetunion? Die Sowjetunion hat so etwas gar nicht unterstellt; sie hat so etwas öffentlich gar nicht ausgesprochen. Eine solche Aussage des Herrn Bundeskanzlers wäre allenfalls noch vertretbar, wenn er sie in Abwehr hätte von sich geben müssen. Nein, er hat es von sich aus getan, und damit erhebt sich die Frage, ob es nicht nach dem berühmten französischen Sprichwort geht: Wer sich entschuldigt, klagt sich an. Die erste Frage lautet also: War es taktisch klug, durch den Herrn Bundeskanzler eine solche Aussage zu machen?Meine zweite Frage richtet sich jetzt an Sie, Herr Bundesaußenminister: Haben Sie die Sowjetunion über den Fortgang der Verhandlungen informiert? Man könnte vielleicht sogar fragen: Haben Sie sich mit der Sowjetunion konsultiert und haben Sie damit in der Sowjetunion jenes Klima geschaffen, das notwendig gewesen wäre, um jede Mißdeutung nach dieser Richtung hin auszuschließen? Das ist die Frage, die ich an Sie stelle. Hat man die Sowjetunion bezüglich der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Rumänien konsultiert oder hat man sie wenigstens rechtzeitig über den Fortgang der Dinge informiert, um jenes vertrauensvolle Klima zu schaffen, das eben eine Mißdeutung ausschließt? Das ist die konkrete Frage. Ich wäre sehr begierig, von Ihnen zu hören, wie die Dinge tatsächlich gelaufen sind.Nun ein Weiteres, meine Damen und Herren. Sie haben, Herr Bundesaußenminister, hier eine sehr bedeutsame Aussage gemacht. Ich möchte sie festhalten, weil mir das notwendig erscheint. Sie haben gesagt, Sie wollen den anderen Teil Deutschlands nicht isolieren. Sie wollen ihm sogar die Möglichkeit bestimmter Kontakte in der Welt, die er braucht, um existieren zu können, offenhalten — wenn ich das einmal ein bißchen extensiv interpretieren darf. Nun hat aber vorher ein Kollege aus der CDU, nämlich der von uns sehr verehrte Baron von Wrangel, eine Aussage gemacht, die mir im Gegensatz dazu zu stehen scheint. Er hat gesagt, die Hallstein-Doktringilt nach wie vor unverändert. Meine Damen und Herren, der Zweck der Hallstein-Doktrin war doch nun gerade der, den anderen Teil Deutschlands konsequent — bis zum Abbruch diplomatischer Beziehungen zu den Staaten, die sich hier in einer Weise verhalten, wie wir es nicht wünschen — zu isolieren, einzuengen und abzuschnüren. Das ist doch der Sinn der Hallstein-Doktrin.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn von Wrangel?
Herr Kollege Zoglmann, haben Sie überhört, daß ich klar gesagt habe, daß das, was Sie Hallstein-Doktrin nennen, von Ihnen falsch interpretiert wird?
Die Hallstein-Doktrin wird von mir gar nicht falsch interpretiert, lieber Kollege Wrangel, denn ich weiß genauso wie Sie, daß die Hallstein-Doktrin in ihrer ursprünglichen Substanz das aussagt, was Sie hier vorgetragen haben: Wer zu uns Beziehungen hat und zu der anderen Seite Beziehungen aufnimmt, begeht damit einen unfreundlichen Akt uns gegenüber. Das ist ganz klar, meine Damen und Herren! Das ist ja auch nicht das Problem. Das Problem ist doch, was unter der Führung Ihrer Partei aus einem solchen Grundsatz gemacht worden ist. In der Praxis ist hier doch nichts anderes vollzogen worden als schematisch — beginnend im Falle Jugoslawien, in den anderen Fällen den anderen Ländern gegenüber als klare Erwartung ausgesprochen — jeweils der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Ich bin sehr neugierig darauf, ob Sie einen einzigen Fall einer nuancierten Praxis hier vortragen können.
— Tragen Sie doch einmal vor, ob Sie irgendwo einmal nuanciert reagiert haben. Sie haben überall dogmatisch, Sie haben überall nach ,dem gleichen Schema reagiert. Das ist doch die Situation.
Damit bin ich beim Kollegen Eppler. Ich glaube, er ist im Augenblick nicht da.
— Doch?! Sehr schön! Sie haben Herrn Mende attestiert, es werde doch die alte Politik weitergemacht, und jetzt seien wir böse, daß sie gemacht wird. Das werden wir uns wohl noch in den nächsten Jahren anhören müssen, daß wir immer noch das verantworten, was gestern oder vorgestern war. Aber, Kollege Eppler, eins ist doch sicher: Hier ist unwidersprochen von Herrn von Wrangel als einem Sprecher der einen Koalitionsfraktion zum Ausdruck gebracht worden, daß sich in der Hallstein-Doktrin nichts geändert hat. Nun ist es an Ihnen, klarzustellen, ob Sie bereit sind, diese Politik mitzumachen oder nicht.
Eine Zwischenfrage von Dr. Eppler.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5311
Herr Kollege Zoglmann, finden Sie es nicht ein bißchen neckisch, wenn Sie jetzt - genau wie die Leute innerhalb der CDU, gegen die Sie polemisieren — unterstellen, daß die alte Politik fortgeführt wird?
Herr Kollege Eppler, ich habe deutlich gemacht, daß in bezug auf Rumänien die Auflockerung ja eindeutig bereits vor Bildung dieser Bundesregierung erfolgt ist. Eindeutig!
Nun lassen Sie mich etwas zu den Größenverhältnissen sagen. Ich will es ein bißchen simplifizieren. Wir sind mit 50 Mann in der alten Koalition gewesen und wir haben damit die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu einem Ostblockstaat erreicht. Sie sind viermal soviel. Lassen Sie mich das simpel ausdrücken. Sie müssen also auch viermal soviel erreichen. Das machen Sie mal! Dann können Sie uns überzeugen.
Eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Kollege Zoglmann, würde dieses Prinzip nicht dazu führen, daß wir in der Tat schon im Interesse einer guten Politik die Koalition mit der SPD fortsetzen müssen? Denn die ist nun einmal stärker als Sie, und damit ist, wie Sie selber sagen, das Vierfache zu erreichen.
Herr Kollege, es wäre natürlich so, vorausgesetzt, daß die SPD eine vernünftige Politik macht, also das vollzieht, was wir hier immer vorgeschlagen haben. Dann würde das zutreffen. Aber das ist ja die Frage, die offenbleibt.
— Im Bereich der flexiblen Ostpolitik habe ich das unterstellt. Hier würde ich sagen, das Vierfache wäre mir sehr lieb. Ich könnte gleich vier Staaten aufzählen, in denen ich uns sehr gern vertreten sehen möchte. Da es uns gelungen ist, in Bukarest anzufangen, müßte es doch der SPD ein Leichtes sein, jetzt die restlichen vier Positionen zu besetzen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Eppler?
Bitte, Herr Kollege!
Herr Zoglmann, darf man die Rechnung, die Sie gerade aufgemacht haben, so interpretieren, daß Sie zwischen der Quantität und und der Qualität von Parteien offenbar einen sehr engen Zusammenhang sehen?
Das will ich gar nicht sagen. Ich denke an die Durchsetzbarkeit von Forderungen,
Herr Kollege Eppler. In Ihrer sogenannten Großen Koalition — Sie wissen, daß „groß" im Deutschen zweierlei bedeutet; einmal besagt es etwas über die Größenordnung, zum anderen auch etwas über den Wert; ich würde also sagen: bleiben wir hier bei der ersten Auslegung — sind Sie 200. Sie müssen schon mehr erbringen als ein Koalitionspartner, der nur mit 50 Mann in die Regierungsehe hereinkommt.
Wir wollen diesen Streit hier nicht weiterführen; er ist müßig. Sie werden am Ende auch an Ihren Leistungen gemessen werden; machen Sie sich da nichts vor. Ihre eigenen Parteifreunde werden Sie daran messen, und ich habe den Eindruck, daß das Messen bereits im Gange ist, mein lieber Kollege Eppler.
Überlassen wir alles Weitere der Zukunft! Es hat bei Ihnen Leute gegeben, die gemeint haben, sie könnten sich nach der Verdrängungstheorie orientieren, die irgendwo bei Herrn Lenin steht: Man geht klein hinein, dann drängt man die anderen hinaus, und dann sitzt man allein drin. Ich möchte heute diese Leute fragen, ob sie. auf Grund der nunmehr vorliegenden Ergebnisse noch der Meinung sind, daß das ein praktikables Verfahren in Deutschland ist.
Ich will zum Schluß kommen. Was mich bewogen hat, hier zu reden, Herr Bundesaußenminister, ist die tiefe Sorge um unsere Beziehungen zur Sowjetunion, auch in unserer Situation im Nahen Osten. Sie haben hier gesagt, daß Sie die Entspannung mit der Sowjetunion voranbringen wollen, daß Sie dazu einen Beitrag leisten wollen. Sie haben auch unlängst in der Öffentlichkeit eine Aussage gemacht, daß Sie Veranlassung haben, anzunehmen, daß sich das Klima gewandelt habe und daß sich bessere Aspekte ergeben hätten. Vielleicht haben Sie die Güte, dieses Haus über diese Dinge zu informieren. Vielleicht sagen Sie uns einmal, wo Sie die besseren, die günstigeren Situationen im Augenblick sehen, damit wir dieses Thema noch ein bißchen tiefer ausdiskutieren können.
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zum Nahen Osten. Ich hatte vorhin argumentiert, Herr Dr. Mende habe gesagt, man könne Punkt 1 dieses Entschließungsantrags ruhig zustimmen; denn darin solle die richtige Politik der Bundesregierung — so wird man es im Protokoll nachlesen können — bestätigt werden. Herr Zoglmann erwartet etwas anderes. Herr Zoglmann erwartet, daß sich die Regierung dafür ausspricht, daß man ihr einen Tadel erteilt.
Das können Sie nicht erwarten. Herr Zoglmann hat genau im Gegensatz zu Herrn Mende hier entwickelt, dieser Punkt 1 sei wegen falscher Maßnahmen der Regierung erforderlich gewesen. Daraus
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5312 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Bundesminister Brandtergibt sich doch selbstverständlich — ob die Mehrheit mir folgt, das weiß ich nicht —, daß ich an .die beiden Reigerungsparteien appelliere, der Regierung diesen Tadel nicht zu erteilen, weil ich ihn für ungerecht und ungerechtfertigt halte.
Das ist der erste Punkt.
Eine zweite Bemerkung von Herrn Zoglmann muß darauf zurückzuführen sein, daß etwas akustisch nicht richtig angekommen ist. Da bitte ich dann nachzulesen, was ich gesagt habe; ich pflege ,die Niederschrift nicht zu korrigieren. Ich habe gesagt: Nichteinmischung, also gleich Neutralität in völkerrechtlichem Sinne. Herr Zoglmann hat es offensichtlich mißverstanden und gesagt, er habe das Empfinden gehabt, als wolle ich zwischen den beiden Größen differenzieren. Das war nicht meine Absicht; im Gegenteil, ich habe mich um eine Formulierung bemüht, die die Dinge auf einen Nenner bringt.In einem dritten Punkt, was Nahost angeht, fürchte ich, daß ich wirklich nicht .dem entsprechen kann, was Herr Zoglmann von mir erwartet. Er möchte nämlich einmal — und ich nehme an, seine Parteifreunde auch; aber er jedenfalls hat es deutlich gesagt —, daß wir eine besonders peinliche Neutralitätspolitik betreiben. Aber zu gleicher Zeit möchte er, daß sich der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland zu Aspekten des Nahostkonflikts äußert, so daß er, wenn er es täte, aus der strikten Neutralität schon herauskäme. Man muß wählen; man kann nur das eine oder das andere wollen, es sei denn, man ist neutral und Weltmacht. Aber ich bin nicht der Außenminister einer Weltmacht, sondern der Bundesrepublik Deutschland.Einige Fragen bezogen sich auf Osteuropa. Ich glaube nicht, daß es viel Sinn hat, die Diskussion wegen Rumänien fortzusetzen. Ich habe vorhin selbst gesagt: Klammerbemerkung. Aber da Sie schon über das Chronologische so lange gesprochen haben — was ich gar nicht bestreite, jedenfalls interessiert es mich gar nicht —: Ich hatte nicht behauptet, es sei dadurch, daß irgend etwas ins Stocken gekommen sei, durch einen neuen Minister gesagt worden, nun fange man wieder an. Ich habe mehr behauptet — das weiß ich und ich muß es wissen können —: Es mußte in der Sache etwas neu gemacht werden, sonst kamen trotz aller Vorbereitungen verschiedenster Art keine diplomatischen Beziehungen zustande. Es mußten durch diese Regierung inhaltlich neue Voraussetzungen geschaffen werden.
Herr Bundesaußenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Zoglmann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Bitte, Herr Zoglmann!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesaußenminister, darf diese Ihre Aussage von uns so verstanden werden, daß zuerst der Einspruch des Herrn Strauß aus der Welt geschafft werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Ach, was hat das damit zu tun?! Ich spreche doch nicht von dem, was bei uns zu Hause war, sondern ich spreche davon, was notwendig war, um in Bukarest zu einem Abschluß der Verhandlungen zu kommen, der ja wichtig bleibt, auch wenn er zunächst woanders nicht als ein nachahmenswertes Beispiel betrachtet worden ist. Ich kann nicht finden, daß die nach der Aufnahme der Beziehungen mit Rumänien abgegebene ausdrückliche Erklärung des Bundeskanzlers, eine solche Regelung — wenn auch auf andere bezogen — richtete sich nicht gegen die Sowjetunion, so mißverstanden werden kann.
Wenn es in einer großen Hauptstadt, in der Hauptstadt einer der beiden Weltmächte so mißverstanden worden wäre, dann könnte man das nur bedauern und dann würde das zeigen, daß noch schrecklich viel wegzuräumen und in Ordnung zu bringen ist, noch viel mehr, als ich gedacht hatte.Zu der Frage, ob die Bundesregierung die Sowjetunion vor der Aufnahme der Beziehungen zu Rumänien konsultiert habe: Ich hätte das Wort „konsultiert" dabei lieber nicht gehört; denn Rumänien betrachtet sich als einen souveränen Staat.
Daß wir aber die Sowjetunion darauf hingewiesen haben, daß wir das dort und bei anderen vor hatten, das kann ich hier gern bestätigen.Ich bin nicht in der Lage, dem Hause und damit öffentlich meine Vermutungen darüber darzulegen, daß es vielleicht doch möglich sein könnte, auf einigen Gebieten mit der Sowjetunion nützliche Gespräche zu führen, und daß wir es vielleicht doch nicht mehr wie in den vergangenen Monaten mit einer ganz negativen Haltung zu tun hätten. Ich muß herzlich darum bitten, daß ich heute nicht zu begründen brauche, warum ich zu diesem Schluß gekommen bin. Ich will das dann auch in einer nächsten Runde lieber im Auswärtigen Ausschuß tun; es gibt Gründe, die dafür sprechen.Die Bemerkung, daß unsere Politik auch nicht darauf abzielt, den anderen Teil Deutschlands zu isolieren, bezieht sich auf zwei unterschiedliche und doch zusammenhängende Tatbestände. Zunächst sind da die Menschen, unsere Landsleute, und da ist es — so auch die Erklärung, die die Bundesregierung hier neulich durch den Bundeskanzler abgegeben hat — unsere Politik, jede mögliche Anstrengung zu machen, um auf den Gebieten des Verkehrs, der Wirtschaft, der Kultur, der Technik, der Wissenschaft Bindungen und Verbindungen wiederherzustellen. Ich bin der Meinung, das muß auch noch darüber hinausgehen. Wenn die Menschen in jenem anderen Teil Deutschlands trotz der schwierigen Situation, in der sie sich befunden haben, fähig sind, Waren für den Weltmarkt zu produzieren, dann kann es nicht unsere Aufgabe sein, es ihnen schwer-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5313
Bundesminister Brandtzumachen, sie auf dem Weltmarkt loszuwerden. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Wenn jener Teil Deutschlands, wie immer er auch organisiert ist, ähnlich wie andere Staaten auch einen bestimmten Warenaustauschanteil auf den nichtkommunistischen Märkten erzielt, dann betrachte ich das nicht als einen Nachteil, sondern als etwas, was man sogar mit mehr als bloßem Interesse verfolgen sollte. Ich freue mich darüber, wenn diese Menschen das trotz all der Schwierigkeiten, die ich angedeutet habe, zustande bringen.Aber meine Bemerkung zielte noch mehr auf etwas anderes ab, wenn ich sagte: nicht isolieren. Denn in dem Bereich, an den ich dachte, waren die Menschen ja bisher durch die politische Ordnung in Ostberlin isoliert. Meine Bemerkung, daß wir sie nicht isolieren wollen, bezieht sich vielmehr auch auf die nun einmal bis auf weiteres gegebenen Bindungen in jenem Teil Europas, die man eben auch so beschreiben und umschreiben kann, daß der andere Teil Deutschlands zu den Alliierten der Sowjetunion gehört. Ich meine immer noch, daß unsere Landsleute dort das so nicht gewollt haben, aber das ist die Situation, in der wir wirken und auf die wir einzuwirken versuchen. Darauf bezog sich die Bemerkung.Ich glaube, ich sollte es mit diesen Hinweisen jetzt genug sein lassen. Ich möchte mich als Bundesaußenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers nicht auch zu den polemischen Schlußbemerkungen äußern, auf die ich in anderer Verantwortung — die ich aber auch immer mitspüre, wenn ich in der Regierung wirke — sonst nur sehr hart antworten könnte. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands nämlich bestimmt ihre Politik über den Tag hinaus. Sie nimmt sich für eine bestimmte Wegstrecke das vor, was sie der Sache nach für richtig hält. Wenn sie mit anderen zusammen ein Programm erarbeitet, dann läßt sie sich davon nicht abbringen, dann wirbt sie um Verständnis und Vertrauen dafür und läßt sich auch durch Hanswurstiaden nicht aus der Ruhe bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade im letzten Teil der heutigen Debatte zum Einzelplan 05 sind eine Reihe von Fragen und Problemen der deutschen Ostpolitik angesprochen worden. Ich möchte speziell zu diesem Thema einige knappe Ausführungen machen.Wir gehen davon aus, daß die Politik der Bundesregierung in den letzten Monaten eine Reihe von wesentlichen neuen Impulsen erhalten hat, daß sie aber auch, vor allem nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Rumänien, starke Widerstände, die sich in der Welt des europäischen Ostens organisierten, gefunden hat. Wir haben wenige Tage nach der Aufnahme dieser Beziehungen bei der Außenministerkonferenz in Warschau und anschließend bei der Karlsbader Konferenz erfahren, auf welcher politischen und ideologisch-taktischenGrundlage man einer solchen sich formierenden und in ihrer Aktivität sich steigernden deutschen Ostpolitik entgegenwirken wollte. Was dabei von besonderem Interesse ist und eine gewisse Dialektik kommunistischer Politik zeigt, ist die Tatsache, daß man von seiten der osteuropäischen Staaten immerfort die Bundesrepublik Deutschland gedrängt hat, sie möge doch dazu übergehen, normale Verhältnisse zu schaffen und diplomatische Beziehungen aufzunehmen, dann aber, als dies möglich war — zunächst mit einem Staate —, sich sofort dagegen gewendet hat, offenbar, weil man eine unerwünschte Aktivität der Bundesregierung in Osteuropa sieht und diese Aktivität fürchtet.Wir bedauern und beklagen alle sehr, daß sich in der Zeit seit der Karlsbader Konferenz eine Fülle von neuen Beschimpfungen und auch eine Konzentration von neuen politischen Forderungen unserem Lande gegenüber gezeigt haben. Das Ergebnis der Absprachen in den osteuropäischen Staaten ist, daß der Spielraum, über den die einzelnen Regierungen im Hinblick auf ihre Westpolitik und auch im Hinblick auf ihre Politik gegenüber der Bundesrepublik verfügen, enger geworden ist, daß ideologische Wertvorstellungen neu forciert worden sind und daß die Appelle an das gemeinsame Bewußtsein innerhalb des proletarischen Internationalismus sich gesteigert haben. Ich glaube aber, man kann sagen, meine Damen und Herren, daß die genaue Beobachtung der politischen Verlautbarungen führender Persönlichkeiten der osteuropäischen Staaten und daß auch eine Reihe von Gesprächen, die wir in der letzten Zeit in einigen Hauptstädten führen konnten, — trotz allem — vielfältige Differenzierungen in der West- und Deutschlandpolitik dieser Staaten deutlich gemacht haben.Ich muß mich nun an Herrn Zoglmann wenden. Verehrter Herr Kollege Zoglmann, ich glaube, Sie haben soeben in der Art und Weise, wie Sie eine chronologische, wie Sie sagten, Darstellung der langsamen Entwicklung rumänisch-deutscher Beziehungen zu geben versucht haben, sich doch einer gewissen Legendenbildung schuldig gemacht. Denn ich möchte sagen, daß Gespräche, zu denen Sie die Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und der SPD, wie Sie sagten, in Berlin einmal aufgefordert haben, natürlich nicht etwa der Versuch waren, erste Kontakte zu knüpfen. Kontakte dieser Art waren ja schon da. Es gab damals auch, wenn ich die Termine recht im Kopf habe, die Handelsvertretung der Bundesrepublik Deutschland; es gab damals die Versuche von seiten der Handelsvertretung, die große Industrieausstellung in ,der rumänischen Hauptstadt zu machen.Ich möchte auch noch etwas anderes bemerken. Herr Kollege Zoglmann, ich glaube, wir haben einmal eine kontroverse Diskussion im Rundfunk gehabt, wo Sie sagten, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien markiere eine radikale Wendemarke unserer Politik. Ihr Parteivorsitzender Dr. Mende hat heute gesagt, vor der Großen Koalition sei die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Rumänien schon — so habe ich mir hier mitgeschrieben — ganz „klar" gewesen. Ich schlage
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Dr. Marx
vor, daß Sie sich innerhalb der FDP über die Interpretation einigen,
also darüber, wie und in welcher Weise Sie die Einleitung dieses langdauernden politischen Prozesses in der Öffentlichkeit darstellen wollen.
Meine Damen und Herren, es ist doch ganz sicher so, daß der Besuch des rumänischen Außenhandelsministers hier in Bonn und der Besuch des damaligen deutschen Wirtschaftsministers in Bukarest wesentliche Bausteine gewesen sind — das habe ich immer behauptet, und dem haben Sie damals widersprochen —, so daß man sagen kann, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien ist nicht eine Wendemarke, sondern ist, wie wir damals gesagt haben, in der Tat ein Meilenstein in einer systematisch auf den Ausgleich zwischen Osteuropa und der Bundesrepublik angelegten Politik.
Ich darf hier ein Weiteres anfügen. Wir ermuntern die Bundesregierung gern, wenn sie den Versuch macht, die dadurch gegebenen politischen Möglichkeiten, auch die handelspolitischen Möglichkeiten und auch die Möglichkeiten auf dem Gebiet der kulturellen und der wissenschaftlichen Beziehungen, die, was Rumänien anlangt, ja auf Gegenseitigkeit beruhen, weiterhin voranzubringen. Im Augenblick weilt in unserem Lande eine Delegation des rumänischen Außenhandelsministeriums mit dem Ziel, den Versuch zu machen, mehr rumänische Güter nach Deutschland zu exportieren. Ich glaube, daß wir im Hinblick auf eine weitere Entwicklung dieses Ziel fördern sollten.Erlauben Sie mir, daß ich noch hinzufüge, Rumänien zeichnet sich seit geraumer Zeit dadurch aus, daß es nicht das allgemeine verzeichnende und verzerrende Bild des deutschen politischen Wollens mitmacht, sondern daß man sich dort, wenn man deutsche Politik darstellen will, einer gewissen Objektivität befleißigt. Wir haben allerdings in diesem Zusammenhang auch noch einen Wunsch auszusprechen, der schon sehr oft vorgetragen worden ist und von dem ich hoffe, daß er nun bald von rumänischer Seite eine positive Beantwortung findet. Es geht dabei um das, was wir die „Härtefälle" nennen, nämlich, daß diejenigen rumänischen Staatsbürger deutscher Zunge, die seit langen Jahren auf eine Familienzusammenführung drängen, diesen ihren Wunsch bald erfüllt sehen und ihnen keine weiteren Hemmnisse mehr in den Weg gelegt werden.
Wir haben in einer Reihe anderer Länder des europäischen Südostens und Mittelostens Gespräche und Diskussionen gehabt, die zeigten, daß es keine einheitliche, etwa von Moskau gesteuerte, nach einem einheitlichen Rhythmus sich formierende Politik in Osteuropa gibt, sondern daß von einer Hauptstadt zur anderen wesentliche Differenzierungen spürbar sind. Vorhin ist gesagt worden, daß manche„Mißverständnisse nicht echt, sondern künstlich" seien. Diese Erkenntnis wird dann deutlich, wenn man sich z. B. mit führenden Mitgliedern der Kommunistischen Partei Bulgariens oder auch Ungarns oder aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik unterhält. Immerhin, der Spielraum ist — ich sagte es bereits — enger .geworden, und man kann annehmen, daß auch im Hinblick auf die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution und auf vieles, was sie in ihrem Gefolge mit sich bringen, gewisse Überlegungen zurückstehen müssen. Ich könnte mir vorstellen, daß Abwarten besser sei als Drängen.Lassen Sie mich bitte eine weitere Bemerkung machen. Heute ist hier wiederholt davon gesprochen worden, daß wir nicht Ostpolitik machen und nicht in den Südosten Europas hineinwirken sollten etwa mit der Blickrichtung gegen die Sowjetunion. Ich halte das für selbstverständlich. Wer dies tun wollte, eine Speerspitze gegen die Sowjetunion zu bilden, gegen den bestimmenden Staat in Osteuropa und auch den Staat, von dem wir im Hinblick auf unser deutsches Schicksal noch einiges erhoffen und mit dem wir sprechen wollen, der würde eine törichte Politik betreiben. Aber ich habe doch — Herr Dr. Mende, wenn Sie erlauben, daß ich das hinzufüge — den Eindruck, daß die dauernde Beschwörung, man solle nicht eine gegen die Sowjetunion gerichtete Politik machen, eigentlich ein Popanz ist, den man sich aufbaut, um ihn nachher bekämpfen zu können. Niemand will dies, denn jeder unter uns ist sich darüber klar, welche bestimmende und welche tiefwirksame Rolle die Sowjetunion hat.Wir sind auch dankbar, daß von seiten des Herrn Bundesaußenministers eine Reihe von Andeutungen gemacht worden sind, von denen wir hoffen, daß sie in der weiteren politischen Diskussion zu Möglichkeiten eines ausgleichenden Gesprächs führen. Erlauben Sie mir aber, daß ich hier hinzufüge: Es wäre gut, es würde das Klima für solche Gespräche bedeutend verbessern, wenn man davon Abstand nehmen wollte, unser Land, die Absichten unserer Politiker und die Absichten dieser Bundesregierung ständig mit den aus den Zeiten des Kalten Krieges herübergeretteten diffamierenden Formulierungen zu bedenken. Ich glaube, wir sollten alle unsere Kräfte darauf konzentrieren, daß wir, wie es in der Regierungserklärung hieß, auch unsere Überlegungen bezüglich der Staaten Südost- und Osteuropas darauf gründen, mit einem neuen Gespräch Frieden und Versöhnung in Europa mit herbeiführen zu helfen, daß wir mithelfen wollen, Gräben, tiefe Gräben, die Deutschland und Europa trennen, Stück um Stück zuzuschütten. Das ist die Aufgabe dieser Politik, mitzuhelfen, daß sich Grenzen, die nicht wir geschlossen haben, mehr und mehr öffnen, daß die Menschen aus den beiden Teilen Europas zueinander finden können, weil nur darin die Möglichkeit besteht, Vertrauen zu begründen, was die Grundlage einer künftigen Europapolitik sein muß.Erlauben Sie mir, zum Schluß noch folgendes zu bemerken. Die Gespräche mit kommunistischen Politikern zeigen ein ganz besonderes Interesse, das man der neuen Regierung und ihrer Politik ent-
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Dr. Marx
gegenbringt. Man vertraut darauf, daß diese Regierung, basierend auf einem sehr breiten Willen des deutschen Volkes, es möglich macht, alle diese Elemente, von denen ich soeben sprach, Stück um Stück zu entwickeln. Weil es vor allem in einigen Hauptstädten im Augenblick wirklich nicht möglich ist, aus eigener Kraft, aus eigenen Entscheidung, aus eigener Souveränität heraus mit uns in ein engeres Gespräch zu kommen, sollten wir aber auch nicht den Eindruck erwecken, daß wir uns etwa aufdrängen wollten. Wir sollten bereit sein, eine, wie ich glaube, sehr wesentliche politische Tugend zu üben, nämlich die Geduld.Es zeigt sich, daß, wenn wir in der Darlegung unserer politischen Prinzipien und in der Darlegung der politischen Methoden stetig und fest bleiben, wir einen deutschen, einen erwünschten, einen wesentlichen Beitrag zu einer neuen Friedensordnung in diesem alten Kontinent leisten. Vielleicht sollten wir uns immer, wenn wir mit Vertretern osteuropäischer Staaten und mit der Bevölkerung dort sprechen, vor Augen halten, daß in unserem Namen dazu beigetragen worden ist, die alten europäischen Ordnungen zu zerstören, sie durch Unordnung zu ersetzen, und daß die Zeit von 1939 bis 1945 es war, die dieses alte Europa in ein dämonisches Chaos gestürzt hat. Hier liegt eine der moralischen und nicht nur der politischen Wurzeln unserer Tätigkeit.Wir hoffen und vertrauen darauf, daß es der Bundesregierung gelingt, in ihrer weiteren Diskussion mit den Vertretern osteuropäischer Staaten stetig und mit entsprechender Geduld die deutschen friedfertigen Überlegungen überzeugend vorzutragen, daß es ihr gelingt, die ökonomischen, die wissenschaftlichen, die kulturellen Kräfte und Möglichkeiten, über die dieses Land verfügt, dafür einzusetzen, weil wir glauben, daß eine neue europäische Friedensordnung das Ergebnis eines langdauernden Prozesses ist, die Welt aber und vor allem die Menschen in den osteuropäischen Staaten darauf warten, daß dies von unserer Seite mit Klugheit, mit Takt und mit Festigkeit erreicht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz .
Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
— Sie irren sich, Herr Kollege Martin; es wird überhaupt nicht militärisch, sondern ich werde mich nur bemühen, zwei Feststellungen des Herrn Kollegen von Wrangel zu entkräften, die er im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit der von ihm sehr geschätzten Freien Demokratischen Partei getroffen hat.
Lieber Kollege von Wrangel, Sie sagten, gesamtdeutsche Kommissionen seien ein „alter Hut"; das wüßten Sie schon aus der Zeit, als Sie noch Journalist hier gewesen seien. Dann darf ich Sie nur fragen: Warum ist, wenn das schon ein „alter
Hut" ist — Sie erinnerten an die Genfer Gipfelkonferenz, bei der Delegationen aus den beiden deutschen Teilstaaten zugegen gewesen sind —, in der Zwischenzeit, von 1959 bis heute, in dieser Richtung nichts geschehen? Wir, die Freien Demokraten, wären sicher Ihrem Außenminister nicht in den Arm gefallen, wenn eine entsprechende Initiative von der Regierung ergriffen worden wäre. — Bitte sehr.
Herr Kollege Schultz, ist Ihnen entgangen, daß ,die Bundesregierung diesen Gedanken von 1959 bis 1966 in zahlreichen Memoranden — nur ein Memorandum, nämlich das vom Februar 1962, möchte ich hervorheben — immer wieder betont hat?Schultz (FDP) : Das ist mir in keiner Weise entgangen. Nur ist das Memorandum allein nicht ausreichend gewesen. Die Ursache dafür, daß aus dem Memorandum und dem eigenen Tun nichts geworden ist, ist, glaube ich, in der Mitte dieses Hauses zu suchen, weil man sich eben über die Art der Politik und die Wahl des rechten Zeitpunktes nicht einig gewesen ist. Daß es wichtig ist, den rechten Zeitpunkt zu wählen, haben wir erst heute früh wieder aus dem Munde Ihres verehrten Fraktionsvorsitzenden gehört. Mein Kollege Genscher hat darauf geantwortet, daß es dann leider auch dazu kommen kann, daß man den rechten Zeitpunkt eben immer versäumt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch die Frage stellen, warum die Freien Demokraten — wenn eine Politik hätte betrieben werden sollen, wie Sie sie dargestellt zu haben glauben — eigentlich immer wieder aus den Reihen des Koalitionspartners kritisiert worden sind, wenn sie die Frage der gesamtdeutschen paritätischen Kommissionen aufs Tapet brachten. Das wollen wir doch heute nicht alles vergessen!
Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, bezieht sich auf die „Verwirrung" über die Deutschlandpolitik in den Reihen der Freien Demokraten nach ihrem Parteitag in Hannover. Ich glaube fast, daß es notwendig ist, ein paar Punkte aus unserer Entschließung einmal kurz vorzulesen, damit Sie wissen, wieweit die „Verwirrung" eigentlich geht, damit Sie auch allmählich eine andere Meinung bekommen. Wir sagten u. a.:Auf deutschem Boden ist ein Regime, das nicht dem Volkswillen entspricht, nicht anerkennbar. Dieser Grundsatz hindert jedoch nicht daran, zur Kenntnis zu nehmen, daß auf deutschem Boden über Deutsche im Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes Macht ausgeübt wird und die Bundesregierung wegen ihrer Fürsorgepflicht für alle Deutschen berechtigt und verpflichtet ist, mit allen Machthabern mit dem Ziel zu sprechen, eine Erleichterung der Folgen der Spaltung für die Menschen zu schaffen.
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5316 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Schultz Wir sagten dann weiter:Als Mittel der Entkrampfung zwischen Bonn und Ostberlin sind im Benehmen mit unseren Verbündeten Verhandlungen aufzunehmen, die ein zeitlich begrenztes geregeltes Nebeneinander beider deutscher Teilgebiete zum Gegenstand haben. Die Verhandlungen sollen ohne jede personelle oder sachliche Bedingung von beiden Seiten geführt werden.Wir sagten schließlich auch:Das geregelte Nebeneinander soll zur Folge haben, daß Ostberlin seinerseits während dieser Zeit unter Aufgabe seiner Dreistaatentheorie die Zugehörigkeit Berlins zur Bundesrepublik gewährleistet und die Zugangswege nach Berlin unbeschadet der alliierten Rechte frei von Kontrolle stellt.Ich meine, das ist verhältnismäßig klar formuliert und wahrscheinlich von Ihnen sogar zu akzeptieren, zumindest von einem Teil in der Mitte des Hauses, leider ja nicht von allen. Ich möchte die Frage an Sie stellen, wann Sie eigentlich einmal die Deutschland bedrängenden politischen Fragen auf Ihren Parteitagen diskutieren?
Sie verstehen es meisterhaft, die Uneinigkeit und die Spannungen in Ihrer Partei zu überdecken; dazu kann man Sie nur beglückwünschen und Ihnen den Respekt nicht versagen. Sie sind zu nichts anderem in der Lage, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Mitte des Hauses, als auf Ihren Parteitagen einen Vorsitzenden zu wählen und zu hoffen, daß dann weiter alles gut geht.
Das Wort hat der Abgeordnete Sanger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu dem Entschließungsantrag der Freien Demokraten. Ich möchte ganz nüchtern sagen: man kann gute Absichten auch zu einem falschen Zeitpunkt aussprechen, in einem Zeitpunkt nämlich, in dem das, was man sagt, einen anderen, in diesem Fall sogar einen Nebensinn bekommen kann, einen, wie ich meine, peinlichen Akzent. Ein Eigentliches wird dann plötzlich lebendig, das möglicherweise und — in diesem Falle — sicherlich nicht gemeint war, das nicht jeder sofort erkennt. Das ist eine Bemerkung, die ich glaubte machen zu müssen zu der Forderung des Herrn Kollegen Zoglmann, die psychologischen Rückwirkungen zu beachten. Psychologische Rücksichten wären manchmal schon angebracht. Es ist gut, wenn man sie einige Tage vorher beachtet und nicht erst in einem Augenblick, in dem Mißverständnisse entstehen können.Dies sage ich auch zu einer Entschließung, die wir wahrscheinlich heute abend im Rundfunk hören oder morgen in den Zeitungen lesen werden, die sichvon außen her gesehen zunächst gut liest, geschrieben auf einem Bogen der Evangelischen Studentengemeinde in Bonn. Sie enthält die Forderung, im Nahostkonflikt hinter die bisherigen Grenzen zurückzukehren, alles wieder so werden zu lassen, wie es einmal gewesen ist. — Meine Damen und Herren, alles so werden zu lassen, heißt, den Streit auf lange Zeit erneut zu festigen und als Streit zu sichern.Ich glaube, Ausgangspunkt für politische Handlungen muß immer die gegebene Möglichkeit bleiben, d. h. eine Möglichkeit, die sich aus der Wahrung von Rechtsstandpunkten, aber auch zum gleichen Teil aus der Erkenntnis der Machtverhältnisse — der eigenen und der anderen — zusammensetzt, mit denen man Politik zu treiben hat, und auch aus dem Wissen um die fremden Interessen. Nationale Politik, wie wir Deutsche sie haben möchten, um unser dringlichstes Anliegen befriedigen zu können, ist stets und ohne Ausnahme mit weltpolitischen Tatsachen und weltpolitischen Entwicklungen verbunden und verflochten.So ändern sich die Voraussetzungen — das ist zugleich eine Bemerkung zum Herrn Kollegen von Wrangel — und so ändern sich die Bedingungen, unter denen man Politik treibt. Ständig sind neue Entscheidungen notwendig. Aber, Herr Kollege von Wrangel, ob wir immer früh genug solche veränderten Umstände erkannt und beachtet und unsere Entscheidungen danach eingerichtet haben, lassen Sie uns in diesem Augenblick nicht mehr behandeln. Die Frage muß nur für künftige Fälle in uns wachbleiben. Das sind Bemerkungen zur Ostpolitik.Ein paar weitere Bemerkungen zu dem, was Herr Kollege Marx eben angeschnitten hat, dem ich in allen wesentlichen Punkten zustimme. Auch .die Völker Süd- und Osteuropas wollen ihr eigenes Gesicht zurückgewinnen, sich selbst gleichsam im Spiegel wiedererkennen in ihrer nationalen Geschichte und inihrem So-Sein, das möglicherweise in den letzten Jahrzehnten und unter den Tatsachen des Krieges und ,der Nachkriegszeit verändert worden ist. Aber was immer wir mit diesen Völkern im Sinne hatten und welche Möglichkeiten .wir immer auszuschöpfen versucht haben oder versuchen werden — nichts darf geschehen, nichts ist geschehen und nichts wird in Zukunft geschehen hinter dem Rücken irgendeines anderen Volkes oder irgendeiner anderen Macht. Genausowenig darf etwas hinter dem Rücken unseres eigenen Volkes geschehen. Unser Volk muß offen über Absichten und einzelne Schritte unserer Ostpolitik informiert werden. Dies gehört zu dem Kapitel der Entwicklung, von dem ich vorhin sprach.Ich erinnere mich an die Jahre zurück, in denen ich selbst — es ist elf Jahre her — aus dienstlichen Gründen in jenen Staaten gewesen bin, in Bukarest, in Budapest, in Prag und Moskau, und in denen ich dort Menschen gesehen und gesprochen habe und auch das eine oder andere von denen zu hören vermochte, die damals schon ein lebhaftes Interesse daran bekundeten, aus wirtschaftlichen Gründen mit dieser Bundesrepublik Deutschland in Kontakt zu sein. Ich erinnere mich eines Vorganges — es war
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967 5317
Sängerin diesem Falle in Rumänien —, bei dem führende rumänische Wirtschaftler berichteten, daß sie für den Aufbau eines bestimmten Industriewerks um deutsche Mitwirkung gebeten hatten und nicht einmal einer Antwort gewürdigt worden waren. Vor elf Jahren!Ich sage das nicht anklagend, sondern ich sage es erläuternd und erklärend: So lange und so tief wurzeln die Bedürfnisse, das, was zu Europa gehört, als Europa wieder zusammenzuführen. Und nicht anders wäre aus Prag, nicht anders aus Budapest zu berichten.Ich meine — um kurz zu sein —, auch wenn heute diese Staaten, wie kürzlich etwa zwischen Ungarn und Ostberlin geschehen, Verträge mit Ostberlin schließen, so dürfen solche Maßnahmen unsere Ostpolitik weder im strategischen noch 'im taktischen Sinne beeinflussen oder bestimmen. Keine Illusionen in Sachen Ostpolitik, aber immer eindeutige Bereitschaft zu nüchterner, sorgfältiger und redlicher Zusammenarbeit! Und immer daran denken, daß Europa noch niemals an der Elbe geendet hat und daß wir Berlin nicht als eine Exklave in einer anderen Art von Welt betrachten dürfen.Lassen Sie mich bitte noch eine Bemerkung zu den nahöstlichen Fragen machen, nachdem ich eben über die „nächstöstlichen" Fragen gesprochen habe. Es ist, glaube ich, in diesen Stunden, in denen wir hier beieinander sind und in denen, wie es heißt, die Waffen zum Schweigen gekommen sein sollen, eine Situation entstanden, die uns doch den Blick darauf lenken läßt, daß die israelisch-arabische Frage, um die es da geht, eine Frage der sozialen Wirklichkeit im Nahen Osten ist. Wir haben, glaube ich, unser Augenmerk darauf zu richten, daß in dieser Hinsicht bei den Völkern im Nahen Osten viel, sehr viel zu tun ist. Ich habe Respekt vor allen arabischen Führern, die in diesem Sinne zuzupacken bereit sind, um ihren Leuten und allen Menschen in ihrem Bereich eine Hebung ihres Lebensstandards zú ermöglichen. Aber ich glaube, wir haben alle Verachtung für die arabischen Führer, die sich einer solchen Aufgabe in Aktionen kriegerischer Art glauben entziehen zu können oder die ihren hungernden Menschen den Taumel der Begeisterung statt Brot darbieten
und die an Stelle des Willens zur ZusammenarbeitHaß predigten und das Chaos herbeigeführt haben.Wir dürfen uns in diesem Augenblick an folgendes erinnern: Dort gibt es auch Einsichtige. Einige von uns — ich darf es für mich in Anspruch nehmen — haben da einige Erfahrungen, daß es möglich ist, mit Arabern über eine Politik vernünftiger Arbeit zu sprechen. Nur sind es einsame Menschen, weil sie Furcht haben müssen, daß es bekannt wird, daß sie der Politik der Vernunft den Vorrang geben möchten: man weiß, 'daß Israel. ein Staat ist, und man anerkennt das Faktum — eine Situation, die auch uns zu einiger Besinnung zwingt —; man hat es 1947 bejaht, man hat es 1948 bejaht, und man hat es 1956 noch einmal bestätigt, als man die Situation nach dem damaligen Feldzug zu klären bemüht war. Sie könnten miteinander leben, besser leben, als bisherdie Völker gelebt haben. Sie könnten sich von fremder Hilfe befreien. Sie könnten ihren eigenen Weg finden, oder — um praktisch zu sein — man könnte von Jordanien über 64 km vorhandener Eisenbahnstrecke bis nach Haifa fahren und dort einen Hafen, womöglich einen Freihafen, haben. Man könnte die kranken Kinder und Menschen durch Ärzte versorgen lassen, die heute Orangen und vieles andere in Israel anbauen, weil es ihrer in diesem Lande zu viele" gibt. Man könnte technische Hilfe und Entwicklungshilfe in jeder Art von einem hochqualifizierten, hochtechnisierten Land in Anspruch nehmen, um bessere Lebensverhältnisse zu schaffen.Ist es zu früh, davon zu reden? Ist es jemals zu früh, ein solches Bild zu skizzieren? Zufriedene Menschen, satte Menschen, aufgeklärte Völker, informierte Nationen sind nicht Werkzeuge Dritter, wie sie es in diesem Fall gewesen sind.Wir haben die Hoffnung auf einen wirklichen Frieden. Es muß ein Friede sein, der nicht den Partner zu ständiger Waffenbereitschaft zwingt, der nicht 'dazu zwingt, daß vor Kindergärten Kugelfänge aufgebaut werden, und der nicht dazu zwingt, daß vorgetäuscht wird, die 'internationale Organisation der Vereinten Nationen wolle überwachen, daß kein Unrecht geschehe, und sie hat tatsächlich mit angesehen, daß doch Unrecht geschehen ist.Es muß, meine Damen und Herren, ein Friede werden, ein Friede, bei dem die Fischer auf dem See Genezareth ihrer Arbeit nachgehen können, ohne in die Gefahr des Beschossenwerdens zu geraten, ein Friede, der wahrhaft Friede ist in dem Land von besonderer Art und besonderer Bedeutung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich heute morgen zum Prinzip der Nichteinmischung im Nahen Osten bekannt. Das Prinzip der Nichteinmischung steht in keiner Weise im Gegensatz zum Prinzip der völkerrechtlichen Neutralität und ist auch nicht davon differenziert. Die Nichteinmischung ist nichts anderes als der pragmatische Anwendungsfall der völkerrechtlichen Neutralität.Der Antrag der Freien Demokratischen Fraktion in seiner Ziffer 1, die Bundesregierung zu „strikten Neutralität im Sinne des Völkerrechts" aufzufordern, ist bereits überholt; denn die Bundesregierung . hat sich bereits zur Nichteinmischung bekannt. Wenn diese Entscheidung getroffen wird, ist es selbstverständlich, daß nicht nur Rücksicht auf die objektive Lage im Osten und die Ordnungsvorstellungen, die wir 'darüber besitzen, genommen werden muß, sondern auch sorgfältig alle denkbaren Rückwirkungen auf unsere Deutschlandfrage erwogen werden müssen. Das Bekenntnis zur Nichteinmischung und die Forderung nach Neutralität schließen aber nicht die objektive Beurteilung der Sachlage aus, die dieses Haus schon immer den Verhältnissen im Nahen Osten 'entgegengebracht hat. Der Staat Israel ist eine
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Dr. KopfRealität. Wir haben mit ihm diplomatische Beziehungen. Wir sind der Meinung, daß eine Friedensordnung geschaffen werden muß, die ein geregeltes Nebeneinander, eine friedliche Koexistenz im ursprünglichen Wortsinne zwischen dem Staate Israel und den arabischen Nachbarstaaten ermöglicht.Wir sind der Bundesregierung dafür dankbar, daß sie, was die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen in den vom Krieg betroffenen Ländern anlangt, nach Möglichkeiten gesucht und sich um Maßnahmen bemüht hat. Sie hat das mit Erfolg getan.Heute ist die Frage der Gasmasken angeschnitten worden. Nicht Rüstungsgüter sind geliefert worden, sondern Güter, die auch im zivilen Sektor eine Rolle spielen; hier ist keine Ausrüstungshilfe, sondern eine humanitäre Hilfe gewährt worden, und sie ist gleichmäßig, nicht nur Israel, sondern auch einigen arabischen Staaten gewährt worden.Was wir aber wünschen, ist die Herbeiführung einer Friedensordnung; denn der Friede als ein hohes Gut ist eine der wesentlichen Dominanten, sogar die Hauptdominante der deutschen Politik. Er muß es sein und wird es bleiben.Das gilt auch für die Frage unserer Ostpolitik. Wir dürfen uns nicht entmutigen und nicht enttäuschen lassen, wenn unsere Bemühungen um die Herbeiführung verbesserter Beziehungen zu den Staaten des Ostens auf Hemmungen gestoßen sind. Die Forderungen,- die in dem vor fünf Jahren vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen Jaksch-Bericht aufgestellt worden sind, nämlich die Beziehungen zu den Staaten des Ostens zu verbessern, sind auch heute noch für uns verpflichtend. Es ist selbstverständlich, daß sich diese unsere Bemühungen an die Adresse der gesamten Oststaaten richten, selbstverständlich auch an die der Sowjetunion. Nichts liegt uns ferner, als hier den einen Staat gegen den anderen ausspielen zu wollen. Vielmehr wünschen wir eine gleichmäßige und gleichgewichtige Vorwärtsbewegung unserer Bemühungen um die Verbesserung der Beziehungen. Uns werden dabei Schwierigkeiten bereitet, aber unsere Bereitschaft bleibt bestehen, auch dann, wenn uns die Probe der Geduld auferlegt ist.Über die Frage der Auslandskulturarbeit werden berufene Mitglieder dieses Hauses sprechen. Es sei aber hier bemerkt: dieses Haus kann sich das Verdienst zuschreiben, daß es auf die Notwendigkeit der Verstärkung der Mittel für dieses wichtige Gebiet unserer Außenpolitik hingewiesen und diese Mittel auch bereitgestellt hat. Zwei Prinzipien müssen dabei beachtet werden: erstens Delegation von Aufgaben, die als Verwaltungsaufgaben unser Auswärtiges Amt zur Zeit noch beschweren, und dabei die Schaffung einer unselbständigen Bundesoberbehörde, die die verwaltungsmäßigen Aufgaben der deutschen Auslandsschulen übernimmt, zweitens Konzentration in den Gebieten der zahlreichen sehr verdienstvollen freien Vereinigungen, die sich bisher mit Auslandskulturpflege beschäftigt haben, die aber in ihrer Vielzahl manche Überschneidungen aufweisen und daher einer systematischen und planenden Umorganisation und Konzentration bedürfen.Über allem aber, was wir in der Außenpolitik tun und tun sollen, muß unser großes Ziel stehen, den Frieden in der Welt zu gewährleisten und zu bewahren, im Nahen Osten, aber auch in der ganzen Welt.
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Politik und die Politik der Einigung Europas ist ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Außenpolitik. Sie ist eine wichtige Angelegenheit der Weltpolitik. Wir haben es gerade in der letzten Zeit an einem Beispiel erlebt. Vor kurzem ist die Kennedy-Runde zu Ende gegangen, die einige Jahre gedauert hat. An den Verhandlungen der Kennedy-Runde waren 48 Länder beteiligt, die etwa 80 % des Welthandels innehaben. Diese Kennedy-Runde ist zu dem Ergebnis gekommen, daß allgemeine Zollsenkungen vorgenommen werden — eine Frage, die für die EWG von außerordentlicher Bedeutung ist. Das bedeutet, daß der Außenzoll der EWG um etwa 30 % gesenkt wird. Der Welthandelt mit Weizen ist geregelt worden. Die Frage der Getreidehilfe zugunsten der Entwicklungsländer und der Abbau nichttarifarischer Handelshindernisse sind behandelt worden.Das Wichtige bei dieser Sache ist, daß in den Verhandlungen der Kennedy-Runde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als eine Einheit aufgetreten ist, daß der Vertreter der Kommission mit einer Stimme für die EWG gesprochen hat. Mir scheint das außerordentlich wichtig zu sein, und wenn man vielleicht einmal über Fragen der Terminologie sprechen will, so würde ich für meine Person sagen, daß das mehr als Kooperation war, denn hier haben nicht nur einige zu gleicher Zeit ihre Meinung nebeneinander geäußert, sondern hier sind Aufgaben und Zuständigkeiten an eine einzige Stelle übertragen worden, die sie wahrgenommen hat, nämlich an den Vertreter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die ja bereits eine ganze Reihe von Zuständigkeiten der Länder übernommen hat, und das ist bereits ein Stück von Integration. Insofern ist auch die Kennedy-Runde von außerordentlicher Wichtigkeit, als hier in ganz besonderer Weise die Einheit der leider Gottes bis jetzt nur sechs Länder deutlich geworden ist. Hier ist klargeworden, daß — um es zu wiederholen — die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit einer Stimme spricht. Das war, nebenbei bemerkt, gar nicht so einfach, denn der Ministerrat war anfangs gar nicht so sehr gewillt, dieses Mandat der Kommission zu übertragen, damit sie für die gesamte EWG sprechen kann. Dazu bedurfte es erst einiger Verhandlungen. Aber schließlich ist es dazu gekommen, und wenn die EWG für die sechs Länder als Ganzes sprechen konnte, so war das ein ganz wichtiger Faktor, der mit dazu beigetragen hat, daß man zur Einigung gekommen ist.Wenn die allgemeinen Zollsenkungen vorgenommen worden sind, so ist das auch von außerordent-
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Metzgerlicher Bedeutung für das Verhältnis zwischen EWG und EFTA. Der Zollgraben ist dann nämlich ein Stückchen zugeschüttet worden. Die Spannungen zwischen EWG und EFTA sollen auf diese Weise vermindert werden. Auch das scheint mir ein außerordentlich wichtiges Ergebnis dieser Kennedy-Runde zu sein.Und schließlich führt sie dazu, daß eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen den USA und einem Teil von Europa — dem Teil, in dem die Sechs vertreten sind — vorgenommen werden kann. Hier wird auch deutlich — und das sage ich an eine ganz bestimmte Adresse —, wie wichtig es ist, daß dieses Europa nicht nur ein Europa der Vaterländer ist, wo im Grunde genommen jeder souverän das tut, was er für richtig hält, sondern daß es ein Europa ist, in dem die Integration jedenfalls so weit fortgeschritten ist, daß die Möglichkeit besteht, als Einheit zu handeln. Wie wichtig diese Frage auch auf anderem Gebiete ist, darüber wäre dann auch zu reden.Bei dieser Kennedy-Runde ist man auch zu Ansätzen zu einer Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen gekommen. Auf diesem Gebiet ist man, was die Liberalisierung angeht, noch nicht so weit gekommen, wie es notwendig war. Die Zollsenkungen und alles, was damit zusammenhängt, beziehen sich vor allen Dingen auf die industriellen Waren.Ich möchte in diesem Zusammenhang unserer Regierung noch folgendes ans Herz legen. Im Frühjahr des Jahres 1968 wird eine neue Welthandelskonferenz in Neu Delhi stattfinden. Auf der letzten Welthandelskonferenz war die EWG nur durch einen Beobachter vertreten. Es wäre wünschenswert und dringend notwendig, daß sich die EWG auch hier dazu versteht, einen Vertreter zu bestellen, der für die EWG nicht nur beobachten, sondern handeln kann. Wir wissen, daß diese Welthandelskonferenz gerade im Hinblick auf die Sorge für die unterentwickelten Länder von außerordentlich großer Bedeutung ist.Dann wäre über die Gipfelkonferenz in Rom zu reden. Wenn man so einmal die Zeitungen der europäischen Staaten ansieht, dann wird man feststellen, daß das Urteil über das Ergebnis dieser Konferenz sehr verschieden ist. Es gibt sehr pessimistische Urteile, und es gibt auch Urteile, die gemäßigt optimistisch sind. Ich möchte das Urteil unserer Regierung als gemäßigt optimistisch ansehen, und ich möchte mich, wenn auch nicht ganz leichten Herzens, diesem Urteil anschließen. Es ist einiges erreicht worden, wenn auch noch genügend Hindernisse vorhanden sind, die wir gar nicht übersehen können. Es ist endlich dazu gekommen, daß die Exekutiven der EWG fusioniert werden. Es hat lange genug gedauert. Wir wissen, wo die Widerstände lagen, und wir wissen auch, welche Kompromisse geschlossen werden mußten, um überhaupt dazu zu kommen.Dabei mußte — das darf ich in aller Offenheit sagen, und das sage ich als Mitglied des Europäischen Parlaments — auch das Opfer in bezug auf den jetzigen Präsidenten der Kommission derEuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Professor Hallstein, gebracht werden. Ich sage das als Sozialdemokrat, also als einer, der nicht von der gleichen politischen Richtung ist wie Herr Hallstein. Aber wir müssen einfach feststellen, daß in den beinahe zehn Jahren Herr Hallstein die Kommission nicht nur schlecht und recht geführt hat, daß er sich in dieser Zeit ungeheure Kenntnisse erworben hat, daß er mit großer Geschicklichkeit seiner Arbeit getan hat und daß er — was das Allerwichtigste ist — den Vertrag in fairer Weise gehandhabt hat und dafür eingetreten ist, daß die Kommission ihre Funktion, die ihr nach dem Vertrag zugewiesen ist, erfüllen kann. Das das einigen Leuten nicht gepaßt hat, hat dazu geführt, daß er sich unbeliebt gemacht hat und daß es nicht gelungen ist, seine Erfahrungen wenigstens für eine gewisse Übergangszeit als Präsident der fusionierten Exekutive zu verwerten. Ich bedaure das.Ich will aber gleich anfügen: daß Herr Rey als Präsident gefunden worden ist, ist sicher die beste Lösung, die danach möglich war. Denn Herr Rey ist der gewesen, der die Verhandlungen in der Kennedy-Runde mit großem Geschick geführt und es verstanden hat, die Interessen der EWG wahrzunehmen. Ich möchte hoffen, daß es ihm auch als Präsident gelingt, nicht nur die Interessen der EWG, sondern auch den Standpunkt der Kommission zu vertreten, was mit den Interessen der EWG, so möchte ich sagen, identisch ist. Denn es sind Bestrebungen vorhanden — auch darüber kann man gar keinen Zweifel haben —, die Kommission, auch die jetzt vereinigte Kommission, in ihren Zuständigkeiten auszuhöhlen.Die Kommission der EWG hat bestimmte Funktionen, und die EWG kann in ihrer Organisation nur funktionieren und sich nur fortentwickeln, wenn diese Kommission die Möglichkeit hat, ihre Zuständigkeiten wahrzunehmen. Sie hat die Aufgabe, mit dem Ministerrat zusammenzuarbeiten. Auf dem Gesetzgebungsgebiet hat sie Initiativrecht. Sie ist zu gleicher Zeit aber auch das Gegenüber des Ministerrats, und das setzt voraus, daß in der Kommission Leute sind, die mit genügend Selbstbewußtsein das tun, was ihnen aufgetragen ist, und die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, wie das manchmal gewünscht wird. Man kann nur wünschen, daß die Männer, die nun in die Kommission hineinkommen, genügend Stehvermögen haben. Das möchte ich dem Präsidenten wünschen, und das möchte ich den Mitgliedern wünschen. Das möchte ich auch unseren deutschen Mitgliedern wünschen; das sage ich mit aller Deutlichkeit. Denn wenn das eine Kommission wäre, die sich als schwach erweist, dann wäre das für die europäische Entwicklung außerordentlich verhängnisvoll. Jeder vernünftige Ministerrat — und das gibt es ja auch — weiß genau, daß die Kommission ihre Gegenpositionen wahren muß und daß nur in diesem lebendigen Spannungsverhältnis ein ausgewogenes Ergebnis zustande gebracht und die Entwicklung vorangetrieben werden kann.Was Großbritannien anlangt, so ist das Ergebnis nicht gerade begeisternd; das wird niemand behaupten können. Aber die Tatsache, daß zunächst einmal
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5320 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Metzgerüber Großbritannien gesprochen wird, daß vor den Sommerferien Großbritannien die Möglichkeit haben wird, seine Gründe darzulegen, und daß dann in einem geordneten Verfahren nach den Bestimmungen des Vertrags die Dinge behandelt werden sollen, ist immerhin etwa Tröstliches.Allerdings bin ich der Meinung, daß manche Einwände, die sachlich erscheinen, Vorwände sind. Ich sage das mit aller Deutlichkeit, und als Parlamentarier kann ich mir das erlauben, während vielleicht ein Mitglied der Regierung das nicht so deutlich sagen kann. Es geht darum, auch diese Vorwände aus dem Wege zu räumen. Soweit sachliche Gründe vorhanden sind — das ist von Regierungsseite schon mit aller Deutlichkeit gesagt worden, und dem kann nur zugestimmt werden besteht durchaus die Möglichkeit, sie so zu erörtern, daß man sie in einer vernünftigen Weise lösen kann. Es ist gar keine Frage, daß die Möglichkeit besteht, auch die wirklich vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen. Die Bestimmungen des Vertrages sind ja darauf eingestellt. Art 237 Abs. 2 des Vertrags spricht ausdrücklich von den Anpassungen. Er spricht davon, daß dem anstragstellenden Staat die Möglichkeit gegeben wird, im Wege der Verhandlungen die Anpassungen herauszuholen, die notwendig sind, damit der neue Partner in die Gemeinschaft hineinwachsen kann. Es gibt Anpassungen, die selbstverständlich sind. Natürlich müssen die Organe entsprechend geändert werden. Es gibt aber auch noch eine ganze Reihe von anderen sachlichen Anpassungen, die notwendig sind und die vorgenommen werden müssen.Dabei muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden — und das richtet sich wieder an eine bestimmte Adresse —: Man kann von einem antragstellenden Staat nicht mehr verlangen, als man selbst zu geben bereit ist. Wer darüber hinausgeht, der spielt falsch. Selbstverständlich muß Großbritannien den Vertrag von Rom und das, was sich inzwischen an rechtlichen Gegebenheiten herausgebildet hat, akzeptieren, und das tut ja Großbritannien auch, wie Herr Wilson oft genug erklärt hat. Er hat z. B. vor dem Parlament erklärt:Die Einstellung Großbritanniens in irgendeiner Weise soll sich von den Sechs nicht unterscheiden. In allen unseren Besprechungen während unserer Besuche in den EWG-Hauptstädten über die institutionellen Arrangements, die für die praktische Arbeit der Gemeinschaft erforderlich sind, haben der Außenminister und ich klargestellt, daß die britische Regierung bereit ist, dieselben Verpflichtungen zu übernehmen wie unsere künftigen EWG-Partner, nicht mehr und nicht weniger.Dieses „nicht mehr und nicht weniger" scheint mir auch berechtigt zu sein, denn es läuft genau auf das hinaus, was ich gesagt habe: Kein Mitgliedstaat der EWG kann von einem aufzunehmenden Staat mehr verlangen, als er selbst zu geben bereit ist. Aber auf der anderen Seite muß der aufzunehmende Staat bereit sein, die rechtlichen Voraussetzungen, die gegeben sind, anzuerkennen, und dazu ist Großbritannien bereit.Der Vertrag von Rom und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sind darauf angelegt, daß die gemeinsamen Interessen zum Zuge kommen sollen und daß dabei die einzelnen Mitgliedstaaten auf die Interesse der anderen Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen. Wir dürfen wohl sagen, daß die Bundesrepublik Deutschland das in weitem Maße getan hat. Denken wir nur an die Fortschritte auf dem Gebiet der Landwirtschaft! Da sind die meisten Fortschritte erzielt worden, und wir sind ja so weit, daß nun auch der gemeinsame Agrarmarkt in Kraft tritt. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die natürlich in erster Linie zugunsten der agrarischen Länder gedacht sind und die sich auch entsprechend auswirken.Aber auch die Industrieländer haben, glaube ich, durchaus ein Recht darauf, daß auf ihre Interessen Rücksicht genommen wird, und das ist genau das, was die Regierung sagt. Man muß Frankreich klarmachen, daß wir und daß die Industrieländer ein Interesse daran haben, daß der Gemeinsame Markt geographisch ausgeweitet wird, und vor allen Dingen ein Interesse daran, daß Großbritannien und die EFTA-Staaten hinzukommen. Wir brauchen nur einmal unsere Handelsbilanz zu betrachten, dann wird uns ohne weiteres klar, daß wir ein lebenswichtiges Interesse an der Hinzuziehung dieser Länder als Mitgliedstaaten der EWG haben.Dabei darf auch auf folgendes hingewiesen werden, und ich meine, man sollte da Frankreich gegenüber ruhig etwas deutlicher reden. Wenn man auf diese Interessen der Industriestaaten, auch auf die Interessen dieser unserer Bundesrepublik, keine Rücksicht nimmt, kann man nicht erwarten, daß diese Staaten so viel Geld verdienen — um es einmal ganz einfach auszudrücken —, daß sie in der Lage sind, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber der EWG zu erfüllen. Und daß wir heute und in Zukunft ganz erhebliche finanzielle Verpflichtungen erfüllen werden, darüber kann kein Zweifel bestehen. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß der landwirtschaftliche Garantiefonds demnächst mit jährlich mindestens 2 Milliarden DM aus der Bundesrepublik gespeist wird, von denen höchstens 1 Milliarde DM zurückfließen. Die Gelder kommen anderen zugute. Aber wer das will, wer das in Anspruch nimmt — und wir sind der Meinung, das soll geschehen, weil ja auf anderen Gebieten wieder Ausgleiche geschaffen werden müssen —, der muß auch bereit sein, diese Ausgleiche zu bewilligen. Dazu gehört z. B. auch die Aufnahme Großbritanniens und anderer europäischer Staaten als Mitglieder in die EWG. Ich glaube, das muß man Frankreich mit aller Deutlichkeit klarmachen. Man darf nicht nur sagen, daß wir ein Interesse daran haben, man muß auch sagen, daß dann, wenn unsere Interessen nicht berücksichtigt werden, daraus Konsequenzen entstehen können, die für einen anderen Mitgliedstaat unter Umständen durchaus nicht angenehm sind. Das gemeinschaftliche Denken muß also im Interesse des Ganzen und im Interesse der einzelnen Mitgliedstaaten so groß sein, daß man die notwendigen Schritte tut. Und zu den notwendigen Schritten gehört, daß der Beitritt Großbritanniens
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Metzgerund auch anderer europäischer Staaten so schnell wie möglich vorgenommen wird.Dabei darf darauf hingewiesen werden — und das ist oft genug geschehen —, daß der wissenschaftliche und technologische Fortschritt sehr stark auch davon abhängt, ob Großbritannien seine Kräfte mit in die Gemeinschaft einbringt oder ob Großbritannien draußen gelassen wird.Auch das eine will ich noch sagen: Es ist der Gedanke erwogen worden, ob man sich unter Umständen nicht damit begnügen könnte, Großbritannien zu assoziieren. Das ist ein Gedanke, der meines Erachtens von vornherein beiseite geschoben werden muß. Eine Assoziierung kommt überhaupt nicht in Frage; sie kann dem, was notwendig ist, überhaupt nicht gerecht werden, sie kann auch unseren Interessen nicht gerecht werden. Über diesen Gedanken sollte überhaupt nicht diskutiert werden. Wenn schon ein Anschluß, dann kommt nur der Beitritt Großbritanniens in Frage.Das ist also das Ergebnis der Gipfelkonferenz, die sich schließlich noch mit der Frage befaßt hat, ob die politische Zusammenarbeit weitergeführt werden soll. Auch da besteht immerhin die Aussicht, daß Entwicklungen wieder aufgenommen werden, die in der Vergangenheit schon einmal begonnen haben. Allerdings darf auch da etwas, was der belgische Ministerpräsident in Rom 'ausgesprochen hat, klarer gesagt werden. Er hat nämlich gesagt, daß bei den Konsultationen, die zwischen den Regierungschefs oder den Außenministern stattfinden, die Themen ausgeschaltet werden müssen, die in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaftsinstitutionen fallen. Es bestand durchaus Veranlassung, das mit aller Deutlichkeit zu sagen; denn beim Fouchet-Plan haben wir erlebt, wie der Versuch gemacht worden ist, Institutionen zu schaffen, die heimlich und hintenherum Aufgaben der Gemeinschaftsinstitutionen übernehmen und damit diese Institutionen aushöhlen und die EWG nicht nur in ihrer Entwicklung hemmen, sondern sie zurückwerfen. Das darf unter keinen Umständen geschehen. Da, wo bereits Zuständigkeiten der Gemeinschaftsorgane vorhanden sind, müssen sie von diesen wahrgenommen werden. Aber darüber hinaus ist es richtig, daß Regierungschefs oder Außenminister in Konsultationen zunächst jedenfalls einmal versuchen, eine ganze Reihe von politischen Fragen zu lösen. Wir sehen ja jetzt, wie wichtig es wäre, wenn Europa auch auf politischem Gebiet, auch auf außenpolitischem Gebiet, schon mehr mit einer Stimme sprechen könnte; es hätte ein ganz anderes Gewicht, da bei gewissen Fragen mitzureden und zu helfen, daß Frieden gewahrt wird.Damit darf ich zu einer Frage kommen, die uns heute den ganzen Tag beschäftigt hat, zur Frage Israel, und zwar in einem besonderen Zusammenhang mit der EWG. Ich habe zu dieser Frage oft genug gesprochen, sowohl im Europäischen Parlament als auch 'hier; aber ich glaube, wir dürfen nicht müde werden, darüber zu sprechen. Israel ist eines der ersten Länder, wenn nicht vielleicht sogar das erste Land gewesen, daß die Assoziierung an die EWG beantragt hat, und es ist abgespeist wordenmit einem mageren Handelsvertrag. Wir sehen, wie dieses tapfere Volk im Augenblick darum kämpft, daß seine physische Existenz erhalten bleibt. Es geht aber in Zukunft auch darum, .daß seine wirtschaftliche Existenz erhalten bleibt und daß sie garantiert wird. Sie kann nur von Europa aus garantiert werden. Wenn wir in Europa unsere Verantwortung und wenn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ihre Verantwortung nicht erkennen, dann könnte, wenn vielleicht auch die militärischen Fragen noch einigermaßen gelöst werden, Israel dennoch wirtschaftlich zugrunde gehen müssen, weil es einfach die Hilfe nicht empfängt, auf die es meines Erachtens aus moralischen und aus allen möglichen Gründen Anspruch hat.Deswegen steht meine Fraktion auf dem Standpunkt, daß wir unter allen Umständen darauf bestehen müssen, daß die Verhandlungen, die im Augenblick mit Israel geführt werden, und der Antrag auf Assoziierung zu einem guten Ergebnis kommen.Ein Wort noch zu Griechenland. Das gehört auch mit zur europäischen Politik. Griechenland ist der EWG assoziiert. Griechenland ist genau wie die Türkei der EWG assoziiert mit dem Ziel, daß es in absehbarer Zeit — es wird noch einige Zeit dauern, über zehn Jahre —, wenn es erst einmal den wirtschaftlichen Level erreicht hat, der EWG als Mitglied beitreten kann. Es gibt einen Assoziationsvertrag, in dem das festgelegt ist. In diesem Assoziationsvertrag steht 'außerdem — das ist Artikel 4 —, daß die Vertragschließenden alle Maßnahmen unterlassen müssen, welche die Verwirklichung der Ziele des Assoziationsabkommens gefährden könnten. Zu diesen Zielen gehört auch die Ermöglichung des Beitritts. Damit ist Griechenland genauso wie die EWG — eine Verpflichtung eingegangen. Daß Griechenland diese Verpflichtung durch die Revolution und durch die Militärdiktatur, die im Augenblick ausgeübt wird, gebrochen hat, darüber kann kein Zweifel bestehen. Auch die Assoziierung setzt voraus, daß parlamentarische Verhältnisse bestehen. Denn eines der Organe der Assoziierung zwischen EWG und Griechenland ist ein parlamentarisches Organ. Aber auch wenn man an die Folge, an den Beitritt denkt, wird es klar, daß nur ein demokratischer Staat, ein parlamentarischer Staat, ein Staat, der die Menschenrechte achtet und darüber hinaus auch kollektive Rechte achtet, Mitglied werden kann. Im Vertrag von Rom ist z. B. vorgesehen, daß im Wirtschafts- und Sozialausschuß alle möglichen Kreise vertreten sind, auch die Gewerkschaften. Ein Land also, das keine Gewerkschaften besitzt, hat gar nicht die Möglichkeit, da mitzuarbeiten. Wir sehen also, daß eine ganze Reihe von Voraussetzungen vorliegen, und ich glaube, daß Europäische Parlament hat recht daran getan, wenn es in einer Entschließung gesagt hat: Solange Griechenland nicht zum demokratischen Weg zurückfindet, so lange kann der Vertrag nicht erfüllt werden, so lange hat Griechenland selbst das unmöglich gemacht. Ich glaube, auch das ist eine Frage, die mit erörtert werden muß, die natürlich auch im Ministerrat mit zur Entscheidung kommen muß, aber eine Frage, die auch uns angeht.
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5322 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
MetzgerWir sehen, daß die Frage Europa eine ganze Reihe von umfassenden Fragen aufwirft. Ich könnte noch eine ganze Anzahl anderer bringen. Ich habe die Entwicklungshilfe angedeutet, ich könnte über die Assoziierung der afrikanischen Länder sprechen. Alles das sind Dinge, die für die Entwicklung unseres eigenen Landes und für die Entwicklung Europas von ausschlaggebender Bedeutung sind. Klar müssen wir uns darüber sein, daß ein vereinigtes Europa nur dann einen Sinn haben kann; wenn es ein demokratisches Europa ist, ein Europa, in dem die Freiheit herrscht, in dem das verwirklicht wird, was in der Präambel des Vertrages von Rom gesagt worden ist. Darum geht es uns, und insofern ist also europäische Politik Weltpolitik in einem ganz wichtigen Ausmaß. Wir Sozialdemokraten sind bereit, die Regierung — wir haben ja heute mancherlei zu diesem Punkt gehört — in ihrem Bestreben zu unterstützen, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft weiterzuentwickeln und die Entwicklung voranzutreiben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Furler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß es in diesem Zeitpunkt unserer Debatte zweckmäßig ist, sich kurz zu fassen. Ich werde dies auch tun. Aber ich kann nicht ganz darauf verzichten, hier über die europäische Politik zu sprechen. Denn die europäische Fragen sind gegenwärtig so wichtig, daß sie auch über den akutesten weltpolitischen Problemen nicht einfach vergessen werden dürfen. Sie werden nachher auch sehen, daß zwischen diesen hochdramatischen, kriegerischen und weltpolitischen Auseinandersetzungen und der Europapolitik oft ein tiefer Zusammenhang besteht. Im übrigen ist eine Haushaltsdebatte auch deshalb der richtige Ort dafür, weil eine ganze Reihe nicht unerheblicher Kosten unserer Europapolitik in diesem Haushalt verankert sind. Und dann muß meine Fraktion sich auch deshalb erklären, weil wir von Anfang an es als eine unserer größten Aufgaben betrachtet haben, dieses alte Europa in ein neues, einigermaßen, einheitliches Europa hinüberzuführen. Als wir am 25. April den letzten der drei großen europäischen Initiativpolitiker — de Gasperi, Robert Schuman, Adenauer — zu Grabe trugen, Konrad Adenauer, da war doch ganz klar, daß das außerordentliche Ansehen, das dieser Staatsmann überall genoß, mit auf seiner Europapolitik beruhte, die für uns immer nicht nur eine europäische, sondern auch eine deutsche Bedeutung hatte.Ich habe mich deshalb gefreut, daß sich sowohl der Herr Bundeskanzler wie der Herr Außenminister sehr positiv über diese Europapolitik ausgesprochen haben und daß sie beide ein erhebliches Maß von Optimismus zeigten, trotz aller Rückschläge, trotz aller Krisen, die wir erlebt haben. Denn ohne diesen Optimismus halten wir diese langwierige, quälende, viel Geduld erfordernde Europapolitik bis zu ihrem letzten Ziele nicht durch.Wir hatten in der vergangenen Woche die Konferenz von Rom. Ich will sie nicht im einzelnen behandeln. Wir erreichten die Fusion der Exekutiven. Ich will nicht sagen, daß es eine große Tat war, dies zu vollziehen. Das Europäische Parlament hat diese Fusion seit sieben Jahren gefordert, und ich habe schon vor zwei Jahren die Ratifizierungsdebatte des Vertrages als Berichterstatter in diesem Hause mitgemacht. Es gab Hemmungen, es gab Blockierungen. Wir bedauern — ich sage das ausdrücklich —, daß es nicht möglich war, Herrn Hallstein zum Präsidenten der Vereinigten Kommission zu bestellen. Denn wir haben diesem Manne, diesem großen Europäer herzlichen Dank für das zu sagen, was er geleistet hat.
Glauben Sie mir — ich habe es ja aus nächster Nähe beobachtet—, ohne Hallstein wäre die EWG nicht das geworden, was sie heute ist und was sie am 1. Juli nächsten Jahres vollendet. Er hat alles mit Mut, mit Tapferkeit und mit einer untadeligen europäischen Gesinnung getan. Aber ich muß doch sagen: es ging nicht nur um die Person Hallsteins, es ging um die Stellung und die Autorität eines zentralen Organs der Europäischen Gemeinschaften, der Kommission. Sie hat das Initiativrecht, sie treibt innerhalb der EWG die Entwicklung voran. Fast alles, was an Entscheidendem in den letzten neun Jahren geschah, ist auf die Initiative dieser Kommission zurückzuführen. Deswegen müssen wir — ich bitte den Herrn Außenminister, dies zu vermerken — gerade in den Ministerverhandlungen immer wieder darauf drängen, daß diese Grundlage, dieser Grundstein der Europäischen Verträge, nämlich die rechtlich gar nicht so überwältigend starke, aber doch immerhin beachtliche und im Realen wichtige Position der Kommission, nicht beeinträchtigt wird.Ich freue mich, daß der neue Präsident eine lange europäische Erfahrung hat. Herr Rey ist vom ersten Moment an Mitglied der Kommission der EWG gewesen. Er hat viel für Europa geleistet. Er ist ein Mann untadeliger Haltung und von großer Energie und Zähigkeit. Das hat er nicht erst bei der KennedyRunde, sondern schon vorher bewiesen. Er hatte einmal den Mut, als sich der Ministerrat nicht richtig einigen konnte, das Griechenland-Abkommen zu paraphieren und es darauf ankommen zu lassen, ob der Ministerrat nachher dazu ja sagen würde; er hat dies gewagt. Sie sehen, er besitzt also schon den Mut, der hier so oft notwendig ist.Der zweite Punkt, den ich hier ganz kurz behandeln möchte, ist der Beitritt Englands. Da wurden die veschiedensten Stimmen laut. Keine Frage: Dieser Bundestag und alle Regierungen haben stets betont, daß sie für den Beitritt Großbritanniens sind. Wir haben uns immer dafür eingesetzt. Wenn Herr Scheel heute morgen andeutete, man habe vielleicht nur noch eine freundliche Geste oder gewisse Sympathieerklärungen übrig, so ist das nicht richtig.Allerdings darf ich auf eines hinweisen. Es wurde gesagt, ich hätte 1957 die Ratifizierungskommission geleitet und damals seien alle auch schon sehr deut-
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Dr. Furlerlich für den Beitritt Englands gewesen. Die Wege der Geschichte sind aber oft etwas eigenartig. Ich darf daran erinnern, daß zu jener Zeit, als wir die Verträge ratifizierten, England gar nicht beitreten wollte. Man hat England im Europarat, in der Montanunion, in Messina und immer eingeladen, mitzumachen. Die englische Politik war in jenen Jahren noch nicht reif für eine europäische Politik, wie sie die EWG heute verwirklicht. Inzwischen sind Wandlungen eingetreten, die das Problem erneut und in anderer Weise kompliziert haben.Was der Herr Bundeskanzler, was der Herr Außenminister gesagt hat, ist eindeutig: Wir wollen alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. Aber es wäre unklug, nur auf äußere Effekte zu sehen. Wir müssen Realpolitik betreiben. Wir wissen: England kann nur aufgenommen werden, wenn alle sechs Staaten ihre Zustimmung geben. Es ist unsere Aufgabe, in langen, ruhigen, freundschaftlichen Verhandlungen gewisse Widerstände, gewisse Einwendungen auszuräumen, die gegen den Beitritt Englands bestehen.Ich bin der Meinung: die offenen Fragen lassen sich alle regeln. Aber einige davon sind nicht leicht zu regeln; das muß man ganz objektiv zugeben. Wir wollen und können das nicht in einem, wie der Herr Bundeskanzler heute morgen auch schon sagte, hemdsärmeligen Anlauf auf die Position der französischen Regierung tun. Das wäre verfehlt und widerspräche auch unserer allgemeinen Haltung. Aber wir können es in einem ständigen aufklärenden Gespräch tun, wobei natürlich neben den europäischen Interessen auch unsere Interessen eine Rolle spielen. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß er das im Januar in Paris sehr deutlich gemacht habe. Er hat es auch Herrn Wilson klar gesagt. Er hat in Rom noch einmal deutlich erklärt, wie unsere Positionen sind. Ich bin davon überzeugt, daß auch Frankreich im Laufe der Zeit sein eigenes Interesse an diesem Beitritt erkennt.Dazu will ich ein Beispiel anführen. Die Verhandlungen der Kennedy-Runde laufen seit Jahren. Wer hat nicht alles gesagt, sie würden scheitern, die Franzosen würden nicht mitmachen. Trotz allem Skeptizismus sind die Verhandlungen zwar nicht zu einem hundertprozentigen, aber immerhin zu einem recht bedeutenden und guten Ergebnis gekommen. Man muß dabei Zähigkeit und Geduld haben und auch wissen, was man politisch will.Meine Damen und Herren, ich komme nun noch zu zwei Dingen. Einmal darf die EWG natürlich nicht stillstehen und warten, bis gewisse Verhandlungen zu Ende sind. Sie muß in sich weiterkommen; wir müssen auf die Vollendung der Wirtschaftsunion zugehen. Wir müssen die Steuergrenzen beseitigen; wir müssen eine gemeinschaftliche Konjunkturpolitik schaffen und eine gemeinschaftliche Außenhandelspolitik durchsetzen, die kommen muß, weil es in den Verträgen steht. So müssen wir die EWG immer weiterführen. Das hindert nicht den Beitritt Englands; im Gegenteil! Je stärker die EWG wird, desto mehr wird auch Englands eigene Wirtschaft gestärkt, wenn einmal der Tag des Beitritts gekommen sein wird.Natürlich müssen auch die Verhandlungen mit anderen Staaten weiter gefördert werden. Herr Kollege Metzger hat ja schon Beispiele genannt. Ich möchte die Regierung zusätzlich aufforderen, dafür zu sorgen, daß die Verhandlungen mit Österreich weiter getrieben werden. Ich glaube, es ist notwendig, .daß dieses Land in ein engeres Verhältnis zur EWG kommt. Ich persönlich sage auch: unabhängig von allem anderen sind auch die Verhandlungen über ein besonderes oder ein Assoziationsverhältnis mit Spanien weiterzuführen. Auch das ist im Interesse eines größeren und einheitlichen Europas notwendig.Die EWG muß sich also nach den Gesetzen, nach denen sie in den Römischen Verträgen angetreten ist, weiterentwickeln. Sie muß sich vollenden und in der Zeit, in der das möglich ist, auch einen größeren äußeren Rahmen erhalten. Wir brauchen diesen wirtschaftlichen Großraum. Ich habe mit bedeutenden Männern über die Probleme des technologischen Fortschritts gesprochen. Sie haben gesagt: wir Europäer kommen in der Wissenschaft und auch in anderen Fragen schon mit, was wir brauchen, ist der wirtschaftliche Großraum, den sowohl die USA wie die Sowjetunion haben und den auch dieses Europa bilden könnte.Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen. Es wird immer wieder davon gesprochen, daß wir uns neben der EWG und diese ergänzend auch im Allgemeinpolitischen näherkommen müßten. Dazu hat jetzt die Konferenz von Rom erneut einen Ansatzpunkt gegeben. Wir brauchen das, was man eine politische Union nennt. Aus einer zunächst nur losen Zusammenarbeit sollte eine außenpolitische Harmonisierung hervorgehen. Eine Zusammenarbeit auf den Gebieten der Außenpolitik und der Verteidigungspolitik muß entstehen.Jetzt komme ich auf das, was ich vorhin gesagt habe. Gerade diese Zeit drängt zur europäischen Einigung, dieser Konflikt, der jetzt ausgebrochen ist und von dem niemand weiß, ob er sich weiter ausbreitet. Dieser Konflikt zeigt, wie notwendig es ist, daß Europa eine einheitliche Stimme erhält. Es war im Jahre 1956 zur Zeit der tragischen Ereignisse in Ungarn, als ebenfalls im Vorderen Orient ein Krieg ausbrach. Ich erinnere daran, daß die Verhandlungen über die Gründung einer EWG vor diesen Konflikten als aussichtslos abgebrochen waren; man konnte sich über soziale Fragen nicht einigen. Unter dem Einbruch der Weltgefahren entstanden neue Initiativen. Bundeskanzler Adenauer fuhr nach Paris, die Verhandlungen wurden wiederaufgenommen, und man hat unter dem Eindruck der Ereignisse in der Weltpolitik eine Einigung erzielt. Ich hoffe, daß aus all dem Bitteren, was jetzt wieder geschieht, für Europa Fortschritte entstehen, und zwar sowohl in der politischen Zusammenführung als auch auf dem Gebiete der Wirtschaft, die ja eine ungemein große politische Substanz hat. Es ist nicht so, als wäre die EWG etwas Unpolitisches, Technisches. In der Zeit der modernen Industriestaaten ist natürlich ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet von außerordentlicher, wenn nicht außenpolitischer, so doch wirtschafts-, verkehrs-, konjunkturpolitischer und sonstiger vielfältiger poli-
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Dr. Furlertischer Bedeutung. Bleiben wir bei unserer europäischen Politik, die auch die neue Regierung vertritt! Nutzen wir die Zeit und erkennen wir an den großen Zusammenhängen, wie notwendig eine immer stärkere Einheit Europas ist!
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Stein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Worten des Herrn Außenministers über die Kulturpolitik und nach den einleitenden Worten des Herrn Berichterstatters Abelein werden Gedanken über die Kulturpolitik aus einer besonderen Sicht erlaubt sein. Ich bin der Ansicht, daß durch die Erklärungen — sowohl des Herrn Außenministers wie aus dem Mund des Berichterstatters — klargeworden ist, in welchem Umfange sich die Bundesregierung ihrer kulturellen Verpflichtung im Rahmen der auswärtigen Politik bewußt ist. Wenn ich heute hierzu das Wort ergreife, so aus meiner eigenen Erfahrung auf dem Gebiete der Kunst. Ich wende mich insbesondere diesem Teil der Kulturpolitik — der Kunst — zu.
Ich beginne mit der Feststellung, die notwendig ist: daß es nicht gut um die Kunst in Deutschland und — was mir im Rahmen der Etatberatung wichtig erscheint — nicht gut um die staatlichen Beziehungen zu ihr und um die Rolle der Kunst im internationalen Kulturaustausch bestellt ist.
Darüber darf manches Wirtschaftswunderliche aus der Vergangenheit nicht hinwegtäuschen.
Auktionspreise und das bisherige Volumen der Museumsetats im In- und Ausland sind kein Ausdruck wirklicher Beziehungen zur Kunst. Es fehlt nach meiner Erfahrung ganz einfach an unserem Engagement für die bildenden Künste. Das muß auch einmal in diesem Hause zum Ausdruck gebracht werden. Dem fehlenden Engagement des Staates entspricht das fehlende Engagement der Gesellschaft, der Kunsthändler, ja sogar aller Kunstbegeisterten, also des Kreises, der dazu berufen wäre, dieses Engagement wahrzunehmen.
Natürlich mag das im ersten Augenblick verwundern. Denn selten ist es doch, so sagen viele, den Künstlern in Deutschland, ja in Europa vergleichsweise so gut gegangen wie im Augenblick. Private Galerien, Museen, Veranstaltungen wie die verschiedenen Biennalen, die Documenta und andere bemühen sich um den Künstler und versuchen, sich bei Neuentdeckungen — bei tatsächlichen oder auch bei nur vermeintlichen — gegenseitig den Rang abzulaufen. Gekauft wird heute schließlich auch noch das „extremste Gebilde".
Gleichwohl hört man bei den Künstlern Klagen landauf, landab, Klagen, die sich — das ist aufschlußreich genug für das gestörte Verhältnis; ungeachtet aller Verkäufe — auf die mangelnde Rezeption der künstlerischen Objekte durch die Gesellschaft richten. Denn durch diese Ankäufe, so scheint mir, will sich die Gesellschaft oft gerade der Auseinandersetzung mit dem Künstler entziehen und gewissermaßen die geistigen Forderungen, die die Künstlerschaft an die Gesellschaft stellt, unterlaufen. Die fast endlosen Schlangen von Besuchern staatlicher Spitzenmuseen, vornehmlich im dollarkräftigen Ausland, sind ebensowenig ein Beweis für ein inneres Engagement für die künstlerische und ästhetische Auseinandersetzung, die Bild oder Relief oder Skulptur fordern. Ich glaube, es ist keine Übertreibung, wenn ich feststelle, daß wir teilnahmslos und müde und ein recht trockener Boden geworden sind,
auch wenn mit großer Freude das geradezu explosionsartige Interesse an dem einen oder anderen Vorgang zu registrieren ist.
Meine Erachtens — erlauben Sie mir, daß ich das sage — sind beide Feststellungen, nämlich die einer unfruchtbaren Ruhe und die einer gelegentlich hektischen Einzelbegeisterung, kein Widerspruch. Sie bestätigen nur das, was ich sagen möchte, nämlich: unsere Beziehungen zur Kunst sind gestört, sie sind zumindest unsicher.
Und dem entspricht das staatliche, hier also das bundesstaatliche Tun auf diesem Gebiete. Ich sage das mit aller Deutlichkeit und auch mit allem Verantwortungsbewußtsein, weil ich glaube, daß wir uns in bestimmten Abständen darüber klarwerden müssen, daß es so ist.
Ich darf noch etwas deutlicher werden. Wenn ich sage, daß uns echtes Engagement an der Auseinandersetzung im Medium der Kunst fehlt, dann habe ich das Gefühl, daß wir irgendwie sitzengeblieben sind in einer geliebten Konservativität im Bereich der Kunst, daß wir glauben — und zwar völlig zu Unrecht —, vielleicht einmal eine Pause machen zu dürfen, auch, daß es genüge, wohlverpackten Besitz der Nation und der Gesellschaft zeigen zu können, während für die Kulturarbeit des Staates dieser Besitz zwar unentbehrlich, aber doch immer nur ein Hintergrund sein darf.
— Das hat insofern mit Außenpolitik etwas zu tun, Herr Kollege, als die auswärtige Kulturpolitik in hohem Maße von dem Kulturaustausch abhängig ist, und dieser Kulturaustausch ist von der künstlerischen Situation und davon abhängig, wie wir uns selbst in diesem Bereich engagieren.
— Die künstlerische Situation meinerseits ist von der inneren Einstellung abhängig, die ich zur künstlerischen Darstellung habe, und von dem Gefühl, daß ich meine Aufgabe in der menschlichen Gesell-
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schaft nicht erfüllen kann, wenn ich diese Auseinandersetzung nicht ständig und innerlich suche.
Unserer Industriegesellschaft ist nach meiner Ansicht das unmittelbare Verwobensein mit dem beunruhigenden Vorgang verlorengegangen, den die Kunst darstellt, und diese Verbindung muß — ich habe es eben auf den Zwischenruf hin gesagt — von innen kommen. Gewiß, sie kann nicht befohlen werden. Aber sie muß auch institutionell und personell gefördert werden, und die Triebkräfte, die überall da sind, müssen einen Boden, einen breiten Acker vorfinden. Die Gesellschaft muß wissen, daß die Künstler sie vor der geistigen Verarmung schützen, und sie muß bereit sein, sich schützen zu lassen. Das ist eine politische Frage. Die jetzige Erstarrung, die ihren klaren Ausdruck im Hang zur Kopie, in der fast industriellen Fertigung von Nachahmungen des Altbewährten, des sogenannten künstlerisch Ewigen findet, kann nur den Gutmütigen trösten. Sie ist in Wirklichkeit eine unwürdige, weil mit unseren Fähigkeiten des Geistes und der Seele unvereinbare Phase der Uninteressiertheit und des Phlegmas.
Unsere staatliche Kulturarbeit darf diesem Hang zum Nichtengagement — und hier ist die auswärtige Kulturpolitik in ihrem Nichtengagement mit angesprochen — nicht nachgeben. Sie muß sich gegen die Einschläferung, die in der Beschränkung der Programme liegt und vielleicht ein Resultat unserer gesellschaftlichen Sattheit ist, zur Wehr setzen. Sie muß offensiv und dynamisch werden. In der staatlichen Arbeit muß die Erkenntnis sichtbar gemacht werden, daß die Kunst den Weg bietet, in der Unübersichtlichkeit aller menschlichen Teilgebiete doch die Einheit von Mensch und Menschenwerk zu erleben und damit eine Synthese und ein einheitliches Kunst- und Kulturbewußtsein zu schaffen. Jedenfalls ist das die Auffassung meiner Fraktion und im besonderen meiner Freunde in der Kulturarbeit.
Nach unserer Ansicht aber muß auch das Verhältnis zum Künstler, vor allem zum bildenden Künstler, und zur Kunst ein zwar ästhetisch begründetes, aber ein dynamischeres, jedenfalls aktiveres werden. Wir sind gegen die Abstinenz der Künstler vom Staat und umgekehrt. Dabei kann die Arbeit nicht abhängig davon sein, was Gegenstand der zeitgenössischen oder historischen künstlerischen Auseinandersetzung ist.
Es wurde gefragt, ob die Verwaltung das zu bewältigen vermag. Herr Außenminister, diese Auseinandersetzung muß die Gesellschaft selbst vollziehen, insbesondere dann, wenn die Gesellschaft nach ihr verlangt. Sie muß diese Ventile haben, und sie muß vor dem Komplex der Sterilität bewahrt werden, den sie haben wird, wenn sie ihre Vorstellung von Kunst ausschließlich aus dem bisher Bewährten bezieht.
Diese Wünschelrutengänger der Qualität sind vorhanden. Sie gilt es aufzuspüren und zu mobilisieren. Hier geht es mir um die staatliche Seite des Vorgangs. Die wegwerfende Bemerkung, die wir alle aus noch so vielen Erfahrungen auch im staatlichen Bereich kennen, nämlich: „Was ich nicht verstehe, lehne ich ab, mit dem beschäftige ich mich nicht", und die noch viel schlimmere und überhebliche Einstellung „Was ich nicht verstehe, ist schlecht" muß aus den Amtsstuben der Kulturarbeit verbannt werden. Hier muß frischer Wind herein.
Natürlich ist ein Kriterium unverzichtbar, wenn ich hier dafür eintrete, daß der staatlichen Kulturarbeit im In- und Ausland ein neuer Mut gemacht werden soll, nämlich das Kriterium der künstlerischen Qualität.
Herr Professor Stein, Herr Moersch möchte eine Zwischenfrage an Sie richten.
Bitte schön!
Herr Kollege Stein, wären Sie so freundlich, etwas deutlicher zu sagen, wen Sie konkret meinen mit Ihren Anwürfen, daß die Amtsstuben auf dem Gebiete der Kunst so muffig seien? Haben Sie dabei bestimmte Personen, bestimmte Abteilungen, bestimmte Ministerien im Auge? Es wäre doch nützlich, das für die Diskussion zu wissen.
Herr Moersch, ich glaube nicht, daß es zweckmäßig ist, wenn ich von Amtsstuben spreche, das etwas näher und präziser zu sagen. Es geht darum, daß ein bestimmter frischer Wind in die Kunstbetrachtung und Kunstbehandlung hinein kann. Das ist für denjenigen, der die Verhältnisse kennt, so sehr Allgemeingut, daß es einer Konkretisierung in diesem Fall nicht bedarf, daß ich das sogar für unzweckmäßig, vielleicht für taktlos halte.
Eine bescheidene Frage, Herr Kollege Stein. Wir haben den Etat des Bundesministers des Auswärtigen zum Verhandlungsgegenstand. Es geht um die Kulturpolitik im auswärtigen Bereich. Ich kenne Ihre Kunstbegeisterung, ich kenne Ihre wunderschöne Bildersammlung; die schätze ich. Aber ich kann die Brücke von Ihren Kunstbetrachtungen zum Verhandlungsgegenstand nicht ohne weiteres schlagen.
Herr Präsident, ich bin Ihnen dankbar. Wenn ich darauf antworten darf, so darf ich Ihnen sagen, daß die Verbindung zu der auswärtigen Kulturpolitik, von der hier heute gesprochen worden ist, in folgendem besteht: Das Verhältnis zur Kunst ist im Rahmen der Kulturarbeit ein wesentlicher, wahrscheinlich sogar der wesentlichste Baustein in der Säule, von der der Herr Außenminister sprach. Wer das nicht sieht, sieht nicht das Kulturpolitische und das Kulturellle im Menschen, sieht nicht, wie sich seine Darstellung
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im Ausland vollzieht. Er sieht nicht die Überlegenheit, die sich aus dieser Kulturarbeit vom Ausland nach Deutschland erschließt, und den Wert, den diese ausländische Kulturarbeit in Deutschland hat, den Erfolg und die Früchte, die sie trägt.
Deshalb ist dieses Verhältnis absolut reziprok. Wenn wir in dieser Frage nicht von uns aus zu bestimmten Aktivitäten kommen, wenn wir uns nicht vornehmen, das mit einem bestimmten Leben zu erfüllen, wenn wir nicht wagen, eine diesbezügliche Diskussion in diesem Hause mit Rücksicht auf den künstlerischen Nachwuchs und die künstlerische Gegenwart zu führen, ist alles, was wir zur auswärtigen Kulturpolitik sagen, im Grunde nur ein Blabla.Mir liegt daran, das Verhältnis zur auswärtigen Kulturpolitik näher zu umreißen, und ich möchte jetzt, weil Sie die Zusammenhänge offenbar nicht sehen, darauf verzichten, mich darüber zu unterhalten, was nun im einzelnen unter „Qualität" zu verstehen ist. Lassen Sie mich nur eins sagen: Wir haben im europäischen Ausland eine Fülle von Beispielen dafür, daß die auswärtige Kulturpolitik anderer Länder völlig anders eingestellt ist, und wir sollten davon Wir sollten unseren Blick auch auf diese Amtsstuben lenken. Ich möchte z. B. auf Frankreich verweisen, wo, wie Sie alle wissen, Herr Malraux die Kulturabteilung übernommen hat. Natürlich ist die Übernahme der Kulturabteilung durch Herrn Malraux ein bestimmtes Programm. Man hat in dem gleichen Land ganz unbürokratisch auf dem freien Markt liegende künstlerische Kräfte herangeholt und damit eine Dynamik entfacht, die beachtliche Druckerschwärze und einige künstlerische Höhepunkte und Fortschritte nach sich gezogen hat.Bei uns geht es dabei nicht um ein personelles Problem. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber es handelt sich um ein Problem nicht nur der Tapeten, sondern des ganzen neuen Stils in der Kunstarbeit unserer staatlichen Stellen. Lassen Sie mich das an einem Beispiel aufzeigen. Was Herr Professor Mössbauer für seine wissenschaftliche Arbeit an Bewegungsfreiheit gefordert hat, muß auch im Bereich der bildenden Kunst geboten und geschaffen werden. Damit ich richtig verstanden werde: diese Forderung heißt nicht unbedingt mehr Geld, schönere, größere Räume, längere Reisen oder mehr Anschaffungen, sondern Freiheit für neues Denken, für neue Beziehungen, vielleicht für ein grundlegend neues Verhältnis von Staat und Kunst.
Herr Professor Stein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann? — Bitte.
Herr Professor Stein, Sie haben vorhin den französischen Kulturminister Malraux und seine Tätigkeit in Frankreich als Beispiel herangezogen. Sind Sie nicht doch der Meinung, daß Sie zum falschen Einzelplan sprechen und daß wir infolge unserer konstituionellen Besonderheiten hier dem Außenminister kaum neue Möglichkeiten bieten können? Dessen ungeachtet muß ich
sagen — jedermann weiß, wie kritisch ich zu diesen Dingen stehe —, daß gerade die Betätigung auf dem Gebiet der bildenden Kunst und ihrer Darstellung draußen seit einigen Jahren zu den fortschrittlichsten Sektionen in der auswärtigen Kulturarbeit gehört, die wir überhaupt haben.
Herr Kollege, man kann darüber verschiedener Meinung sein. Ich weiß nicht, was das mit Herrn Malraux zu tun hat. Wenn Sie der Ansicht sind, daß unsere Kunstdarstellung im Ausland zu den fortschrittlichsten Arbeiten unseres Auswärtigen Amts gehört, so will ich dem in Einzelfällen Rechnung geben. Ich bin aber persönlich der Ansicht, daß sie in sehr vielen Fällen falsch angelegt ist, daß sie auf das Informative und nicht auf die wirkliche Diskussion angelegt ist und daß wegen dieser Beschränkung auf das Informative im Verhältnis zur Außenpolitik etwa das fehlt, was ich nun im Rahmen der Außenpolitik als die unentbehrliche Ergänzung der wechselseitigen politischen Diskussion empfinde. Wenn Sie da anderer Ansicht sind, so kann ich Ihnen nur sagen, daß ich bei meinen vielen Reisen, bei vielen Kunstbetrachtungen im Ausland und vielen Besichtigungen deutscher Ausstellungen, an denen ich mich beteiligt habe und die ich genau kenne, den Eindruck gewonnen habe, daß wir auf diesem Gebiet keineswegs einen Zustand erreicht haben, der es uns erlauben würde, eine gewisse Zeit auszuruhen. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß gerade die Kunstpolitik und die Verbindung dieser Kunstpolitik mit dem modernen künstlerischen Schaffen uns dazu zwingt, eine anhaltende dynamische Einstellung zu diesen Dingen zu zeigen. Um nichts anderes geht es mir hier bei der Erörterung des Kulturetats des Auswärtigen Amts.Man kann natürlich durchaus sagen, daß hier Grenzen gesetzt sind, und man kann natürlich auch sagen, daß vom Standpunkt der Verwaltung hier vielleicht nichts Besseres geschaffen werden kann. Aber, Herr Kollege, vielleicht denken wir einmal darüber nach — ich komme gleich noch darauf zu sprechen —, daß in dieser Kulturarbeit unser bürokratisches Fundament zu einseitig angelegt ist. Ich wollte gerade ausführen, daß sich der Staat in der Arbeit für die Kunst ganz gebildeter Träger, und zwar ganz weniger, denen die Regierung Vollmacht geben kann und die sie unverzüglich auch ersetzen sollte, wenn sie sich der Einseitigkeit schuldig machen und eine Engstirnigkeit zur Schau tragen, bedienen kann. Es gibt auch unter unseren Künstlern solche, die ein administratives Gefühl haben und unter diesen Bedingungen arbeiten wollen, allerdings nicht — das sage ich natürlich ohne Schärfe, aber ich will es doch etwas pointiert sagen — mit derjenigen Haushaltsordnung unter dem Arm, die für die Verwaltung, die für Büropapier oder Schmierseife zuständig ist. Es gibt ganz bestimmt Administratoren, die etwas von der Kunst verstehen, in der Ehrfurcht zu ihr leben und dennoch mit beiden Beinen auf der Erde stehen.
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Herr Kollege Stein, darf ich noch einen Augenblick unterbrechen. Ich glaube, der Kollege Kahn-Ackermann hat recht gehabt, daß wir natürlich vor einer „konstitutionellen" Schwierigkeit stehen. Der französische Kultusminister Malraux ist zuständig für die französische Kulturpolitik. Hier in diesem Hause ist niemand zuständig für Kulturpolitik, es sei denn, für den Bereich des Wirkens nach außen. Was Sie sehr interessant sagen, betrifft natürlich innere Kulturpolitik, die Förderung der richtigen Kunst und der richtigen Künstler. Ich weiß nicht — verzeihen Sie, wir sind ja auch in einer gewissen Zeitnot —, ob ich Ihnen unrecht tue, wenn ich Ihnen sage, daß das nicht unmittelbar Verhandlungsgegenstand sein kann. Ich wäre dankbar, wenn Sie doch die Konsequenzen Ihrer Betrachtungen für die auswärtige Kulturpolitik ziehen könnten. Verzeihen Sie mein Eingreifen.
Herr Präsident! Ich bin mir selbstverständlich bewußt, daß die Frage der Zuständigkeit eine bestimmte Rolle spielt. Ich bin mir dessen auch bewußt gewesen, als ich diese Rede konzipiert habe, daß ich vielleicht zu einem Etat spreche, den wir alle noch nicht real vor uns haben, aber den wir nach meiner Ansicht gerade in diesem Hause als eine sehr wünschenswerte Entwicklung betrachten sollten und der auch möglich wäre, ohne daß der Kulturhoheit der Länder irgendein Haar gekrümmt würde.
Ich bin übrigens darüber hinaus der Ansicht — ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident —, daß der Hinweis auf die föderative Situation unseres Landes ein völlig ungeeigneter Einwurf angesichts der Kulturpolitik insgesamt in Deutschland ist. Das ist eine Frage der Zuständigkeit, aber im inneren Gehalt und in der inneren Verteidigung unserer Kulturpolitik sollten wir uns in diesem Hause von diesen Gesichtspunkten nicht leiten lassen. Wenn wir überhaupt die Frage der modernen Kunst, wenn wir die Frage des Kunstschaffens im Rahmen der staatlichen Behandlung ernst nehmen, sollten wir uns in unseren Vorstellungen davon leiten lassen, daß wir auch die Verpflichtung haben, bei solchen grundsätzlichen Besprechungen einmal de lege ferenda, auch wenn es das Grundgesetz betrifft, zu sprechen.
Meine Damen und Herren, ich sehe, daß Sie vielleicht zu diesen Darlegungen, die ich hier mache, auf Grund der vorgerückten Stunde und mit Rücksicht auf die anstehenden Probleme innerhalb der Etatberatungen nicht ,die richtige Einstellung finden können. Ich nehme Ihnen das nicht übel. Was ich in diesem Zusammenhang nur noch sagen wollte — damit will ich gern abschließen —, ist, daß wir auch in der auswärtigen Politik Methoden der Kunstbehandlung finden sollten, und . zwar durch die Mobilisierung von Persönlichkeiten, die in der Lage sind und die auch gewillt sind, in einem Sondervertrag die Dinge in die Hand zu nehmen, und die nach einem bestimmten Revolving nun der Intensität unseres kulturellen Schaffens eine bestimmte Note geben und dazu beitragen, daß die Vorstellungen, die wir in Deutschland von dem künstlerischen Schaffen haben, genauso progressiv, genauso dynamisch sind, wie wir sie aus unserer Wirtschaft, wie wir sie aus der Entwicklung unserer Erfindungskraft, ja, wie wir sie — wenn Sie so wollen — aus der Gesamtentwicklung unserer industriellen Gesellschaft ablesen können. Das sollte der Sinn meiner Ausführungen sein, und ich bin der Meinung, daß sie durchaus am Platze sind im Rahmen der Erörterung des Etats des Auswärtigen Amts, insbesondere wenn wir die A rbeit der Kulturabteilung anerkennen, und daß sie am Platze sind, um Wege zu weisen und zu zeigen, daß wir uns Gedanken darüber machen, wie auf diesem Gebiet etwas Besseres für die Zukunft geschaffen werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Kollegen Professor Stein, daß er dieses Thema hier angeschnitten hat. Ich war allerdings überrascht von dem Duktus und von der nicht präzisen Art der Darstellung. Ich hätte mir denken können, daß man sich z. B. über die Ansicht, unsere Kulturpolitik im Ausland und vor allem auf dem Gebiet der Kunst sei auf Information angelegt, aber nicht auf Diskussion, in diesem Hause einmal auseinandersetzen muß. Aber, Herr Professor Stein, was mich einfach überrascht hat an der Sache, war dies. Wir haben einen Unterausschuß für auswärtige Kulturbeziehungen, und wir haben dort über diese Fragen oft diskutiert. Ich habe leider Ihren, wie ich hier höre, absolut sachverständigen Rat in diesem Ausschuß bisher vermißt. Ich würde Sie bitten, daß Sie uns das, was Sie hier sehr eindringlich vorgetragen haben, in einer Ausschußberatung mit den Vertretern des Auswärtigen Amts zusammen noch einmal darstellen.
Sie haben ganz bestimmt recht, daß auf diesem Gebiet bisher nicht alles so systematisch getan worden ist, wie es sich bestimmte Gruppen vorstellen. Aber ich warne Sie, das etwa im Konkreten vorzutragen, was Sie hier offensichtlich meinen, wenn Ihre ganze Fraktion anwesend ist. Denn ich bin ganz sicher, daß Sie keine Mehrheit für Ihre Ansicht in Ihrer Fraktion finden können.
Das ehrt Sie zweifellos; das möchte ich hinzufügen.
Herr Professor Stein, wenn ich mich getäuscht haben sollte, werde ich das gern zur Kenntnis nehmen. Aber bisher habe ich es eigentlich so in Erinnerung, daß von einer Mehrheit Ihrer Fraktionskollegen im letzten Bundestag einmal eine Grundsatzänderung — die inzwischen wieder verschwunden ist — eingebracht worden ist nach dem Motto: Kunst ist, was in
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Moerschbestimmten Gegenden noch als sittlich angesehen wird. Das ist meiner Ansicht nach nicht das, was Sie hier eigentlich zum Ausdruck bringen wollten. Wenn wir uns hier darüber unterhalten wollen, müssen wir zunächst einmal die Grundlagen dazu schaffen. Sie haben uns fast gezwungen, diese Grundlagen zu schaffen. Ich möchte Sie bitten, sich weiter daran zu beteiligen. Sie haben ja bestimmt ein ausgearbeitetes Konzept. Wir werden das nachlesen. Das ist gewiß sehr nützlich. Ein Kollege hat vorhin den Einwurf gemacht, er werde an die alte Tatsache erinnert, daß eine junge Frau lieber auf einen neuen Hut verzichtet als ein Politiker auf eine ausgearbeitete Rede. Sie haben bewiesen, daß dieser Kollege unrecht hat.
In diesem Fall geht es um die Erklärung des Außenministers heute. Wir von der Freien Demokratischen Partei sind dem Herrn Außenminister dankbar dafür, daß er ein offenes Bekenntnis zu Versäumnissen in der Vergangenheit in der auswärtigen Kulturpolitik abgelegt hat. Ich sehe hier Kollegen von der SPD, von denen ich annehme, daß es mit ihr Verdienst ist, daß dieses Thema in dieser Form zur Sprache kam. In der Tat ist die auswärtige Kulturpolitik ein ganz wesentlicher Teil unserer Auslandsbeziehungen. Da wir nun das große Glück oder Vergnügen, oder wie Sie es nennen wollen, haben, nicht nur zwei Staatssekretäre im Auswärtigen Amt zu besitzen, sondern auch noch einen Parlamentarischen Staatssekretär, könnte ich mir vorstellen, daß künftig für dieses wichtige Gebiet dem Ausschuß mindestens ein Staatssekretär zur Verfügung steht. Es wäre noch schöner, wenn sogar der Minister selbst einmal dem Auswärtigen Ausschuß und dem Kulturausschuß zu einer gemeinsamen Beratung auf diesem Gebiet zur Verfügung stehen könnte. Das wäre meiner Ansicht nach der Sache angemessen und nützlich.Es hat wenig Sinn, heute über die Thesen selbst zu diskutieren. Man kann im Prinzip auf das verweisen, was schon vor einem Jahr im Mai hier gesagt worden ist. Da hat sich nicht sehr viel geändert. Ich möchte nur vor einer gewissen Einseitigkeit warnen, Herr Professor Stein. Die Kunstbeziehungen sind eine Sache, die Sprache — Herr Dr. Martin wird es sicher gleich bestätigen — ist eine ganz wesentliche Sache, und, wie ich meine, mit die wichtigste Sache sind im Augenblick die internationalen Wissenschaftsbeziehungen. Sie halte ich für ganz vordringlich und auch im wirtschaftlichen Sinne für akut und aktuell.Wir sind also gern bereit, uns nach den Ankündigungen des Herrn Außenministers in der Einzeldiskussion zusammenzufinden und mit ihm zusammen für Schwerpunkte zu sorgen, um die Verzettelung, die er mit Recht beklagt hat, abzustellen. Es ist — ich glaube, von Herrn Dr. Abelein als Berichterstatter — gesagt worden, daß noch selten so viel Geld für diese Zwecke ausgegeben worden sei. Nun, ich meine, das ist eine Frage des Umrechnungskurses und der Relationen. Die deutschen Schulen im Ausland vor 1933 waren sehr gut und in der Welt sehr geachtet. Es ist nicht nur eine Geldfrage. Wenn man es allein mit Geld machen könnte, wäre es relativ leicht. Zur auswärtigen Kulturpolitik gehört eine ganze Menge Geist, und der muß zunächst einmal im eigenen Land vorhanden sein. Das ist das, was Herr Professor Stein hier mitteilen wollte. Ob dieser Geist immer wirksam werden kann, das ist trotz der Erhöhung der Etatmittel eine Frage, über die wir uns noch im einzelnen unterhalten müssen.Da der Herr Außenminister zugegeben hat, daß er mit dieser Frage bisher wenig befaßt war, daß das aber jetzt anders werden solle, hielte ich es für verfrüht, wenn wir uns heute in kritischer Weise äußern wollten. Wir wollen dem Herrn Außenminister Zeit lassen, sich in dieses sehr wichtige und schwierige Gebiet einzuarbeiten. Wir erwarten allerdings, daß wir in einigen Monaten konkrete Vorstellungen darüber vorgetragen bekommen, wie künftig die Gestaltung der auswärtigen Kulturbeziehungen von unserer Seite aussehen sollte. Dann, Herr Professor Stein, haben wir wohl Gelegenheit, in diesem Hause auch über jenen Punkt intensiv zu diskutieren, sofern die Grundlagen in der gegenseitigen Information gelegt sind. Wie gesagt, am Geld scheint es in der Tat nicht gelegen zu haben. Geld ist in diesem Falle nur ein Teil und oft nicht der wichtigste.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige abschließende Bemerkungen machen, nachdem der Herr Berichterstatter und der Herr Außenminister zu der Sache Wesentliches gesagt haben.Ich stimme mit dem Herrn Außenminister darin überein, daß es eine gewisse Planung auf dem Gebiet geben muß, und ich möchte mich dazu wie folgt äußern. Herr Abelein hat gesagt, daß der Haushaltsausschuß das Geld gern und verständnisvoll gegeben hat. Ich möchte das ausdrücklich bestätigen. Es war sehr eindrucksvoll, wie Herr Conring im Unterausschuß und im Auswärtigen Ausschuß mit uns über diese Dinge gesprochen hat. Aber ich möchte in dem Zusammenhang folgendes festhalten: Wir müssen uns möglichst bald einmal Gedanken darüber machen, wie groß der Umfang der Arbeit auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik in einem Land wie dem unseren sein muß. Es kann nicht dabei bleiben, daß wir jedes Jahr darüber diskutieren, sondern wir müssen wissen, welchen prozentualen Anteil des Haushaltsvolumens wir für diese Sache ausgeben wollen, was sie uns wert ist. Wenn ich einen Vergleich mit anderen Ländern anstelle, so komme ich zu dem Ergebnis, daß die besonderen Aufgaben der Bundesrepublik es verlangen, über den Betrag von etwa 220 Millionen DM, der jetzt dafür vorgesehen ist, hinauszugehen und in den nächsten Jahren etwa zu einer Verdoppelung zu kommen. Ich bin nicht der Meinung, daß wir eine solche Steigerung jetzt vornehmen können. Aber alles, was wir über die Aufgaben der Kulturpolitik
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Dr. Martinwissen, sagt uns, daß wir bei etwa 500 Millionen DM werden enden müssen, wenn wir die Aufgaben unseres Landes erfüllen wollen.Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist folgender. Wir müssen eine gewisse Revision durch Bildung von Schwerpunkten vornehmen. Wenn man sich die Verteilung der Schulen, Institute und Einrichtungen der auswärtigen Kulturpolitik auf einer Weltkarte ansieht, so erkennt man, daß sich die Schwerpunkte der Kulturpolitik nicht mit den Schwerpunkten der Außenpolitik decken. Das muß korrigiert werden.Drittens — ich knüpfe da an eine Bemerkung des Außenministers und auch an eine Bemerkung von Herrn Abelein an — bin ich der Meinung, daß das System, die Organisation der auswärtigen Kulturpolitik, die Teilung in staatliche Initiative und Durchführung durch Kräfte der Gesellschaft in einem ausgewogenen und wohlüberlegten Verhältnis stehen muß. Und der Unterausschuß ist der entschiedenen Meinung, daß es sich dort nicht um ein Verhältnis von Unter- und Überordnung, sondern um ein System der Partnerschaft handeln muß. Die freie Kommunikation der Gesellschaft eines Landes mit der des anderen Landes ist etwas, was sehr wichtig ist.Herr Moersch hat mit Recht gesagt, ein Schwerpunkt unserer Politik sei die Sprache. Das am schwersten wiegende Zeichen für den Verlust an politischem Einfluß, für den geringeren Stellenwert unseres Landes ist die Tatsache, daß die deutsche Wissenschaft heute englisch publiziert und die Werke dann für den eigenen Gebrauch ins Deutsche zurückübersetzt. Das ist das eigentliche Zeichen für den kulturellen Stand unseres Landes in der Welt. Wenn man das korrigieren will, muß man dazu zwei Voraussetzungen erfüllen. Zunächst muß die Effizienz der Wissenschaft im eigenen Lande gegeben sein. Damit die deutsche Sprache Bedeutung habe in der Welt, müssen Werke der Wissenschaft, der Philosophie in unserem Lande gelingen, ohne die man in der Welt nicht auskommt. Das ist die eine Voraussetzung. Hinzu kommen muß natürlich eine vernünftige Sprachwerbung. Wir müssen uns ernstlich vornehmen, dafür zu sorgen, daß die deutsche Sprache neben dem Englischen und Französischen eine Wissenschafts- und Kultursprache wird. Das ist der Anspruch, den wir stellen.
— Daß sie es wieder wird. Genau das ist unsere Absicht, Herr Moersch.Ich teile völlig die Meinung von Herrn Moersch und den Gedanken, den Herr Kahn-Ackermann — man muß das fairerweise sagen — mit Nachdruck in die Diskussion eingeführt hat, daß die Wissenschaft als solche heute ein immer stärker werdender Bestandteil der auswärtigen Beziehungen ist. Wir haben beim Atomsperrvertrag erlebt, welch ungeheure Bedeutung das Ganze hat. Ich möchte hier noch einmal mit Nachdruck sagen, daß die Bundesrepublik an den entscheidenden Punkten dieser Welt ohne Wissenschaftsattachés nicht auskommt. Ich habe es sehr begrüßt, daß sich der Herr Bundesaußenminister positiv zu der Zentralstelle für das Schulwesen im Ausland ausgesprochen hat, und ich hoffe, daß da die letzten administrativen Hemmungen fallen werden.Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz zu der Rede von Herrn Stein Stellung nehmen. Herr Präsident, ich glaube, daß die Diskussion über unser Verhältnis zur Kunst notwendig ist, und ich müßte die Diskussion jetzt eigentlich erweitern durch einen Beitrag über ,das Verhältnis von Literatur und Politik, eine Sache, die mich sehr beschäftigt. Ich darf Ihnen, Herr Präsident, ,das an Hand eines Beispiels .darlegen.Es ist für jeden kundigen Thebaner eine bekannte Tatsache, daß das Aufbrechen der Beziehungen zu Osteuropa über die Literatur vor sich gegangen ist. Wolfgang Kraus in Wien, der ein beachtlicher Literat ist, hat es durch !die Gründung einer literarischen Gesellschaft zum erstenmal ermöglicht, daß ein Forum von Intellektuellen aus den osteuropäischen Staaten und aus dem Westen zustande kam. Das ist über Wien gelaufen. Es war ein für mein Gefühl fast geschichtlicher Vorgang. Es wäre natürlich nicht gelungen, wenn nicht die dortige Regierung ebenso kunst- wie literaturfreundlich gewesen wäre.Die Sache spielt sich wie folgt ab: Wolfgang Kraus lädt die Zeichnungsberechtigten der Kulturpolitik — ich meine damit die Staatssekretäre und andere, die etwas davon verstehen — und die Literatur des Landes zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Zu einer bestimmten Stunde kommt dann der Bundeskanzler dazu und nimmt die Probleme auf. Ich glaube, das ist eine wichtige Sache auch für unser Land. Da wir keine „gewachsene" Hauptstadt im echten Sinne des Wortes haben, glaube ich, daß es nötig ist, das Gespräch zwischen Kultur und Politik etwas zu institutionalisieren.
— Warten Sie doch; ich komme doch mit dem Vorschlag noch. Ich glaube, daß wir das institutionalisieren müssen. Arnold Gehlen hat vor zwei Jahren in einem Vortrag vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU darauf hingewiesen, daß das notwendig ist, und wir haben jetzt einen Bundeskanzler, der das in Stuttgart schon exemplarisch durchgeführt und durchgeübt hat.Ich möchte die Gelegenheit dazu benutzen, zu sagen, daß wir in der CDU/CSU es sehr begrüßen und wünschen, daß so etwas wie eine Institutionalisierung des Gesprächs zwischen Politik und Literatur durchgeführt wird. Wir brauchen das aus vielen inneren und äußeren Gründen. Ich will jetzt den Bundestag nicht mehr damit aufhalten, möchte es aber als dringlich anmelden, und, Herr Präsident, ich werde mir doch das Vergnügen machen, zu gegebener Zeit über das Verhältnis von Literatur und Politik einiges zu sagen. Sie erinnern sich, daß Heinrich Heine, der Typus des engagierten Intellektuellen, der das war, was Graß gern sein möchte,
einmal gesagt hat, daß die Tat dem Gedanken sofolgt wie der Donner dem Blitz. Das heißt also, daßDr. Martinein Politiker gut beraten ist, wenn er sich vorab mit der Literatur unterhält und nicht nachher, wenn die Protestaktionen laufen und man versucht, sich wieder zu arrangieren. Das sollte vorher geschehen. Ich möchte deshalb auf diesem Gebiet Herrn Stein zu seiner Rede beglückwünschen, und ich möchte hoffen, daß wir in der Frage der Institutionalisierung des Gesprächs zwischen Literatur und Politik einen Schritt weiterkommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich war fertig.
Ich wollte nur fragen, ob Sie uns freundlicherweise die Namen nennen würden, die Sie eben gemeint haben bei dem Vorwurf, daß man sich zu spät, erst hinterher, unterhalten und zu arrangieren versucht habe.
Ich meine zum Beispiel Sie und mich!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Debatte dieses Tages zur Frage der Nahost-Auseinandersetzung kann nur dann sinnvoll erscheinen, wenn sie sich zu einer Willensbekundung des Deutschen Bundestages verdichtet.
Der Entschließungsantrag, den die Freie Demokratische Partei eingereicht hat, bildete den Ausgangspunkt für Besprechungen der Fraktionen über eine zu fassende Entschließung. Diese Besprechungen waren von Erfolg begleitet. Es besteht Einverständnis darüber, daß eine solche Entschließung zwei Gedanken zum Ausdruck bringen muß: einmal die Billigung der Erklärung der Bundesregierung, im Nahost-Konflikt eine Politik der Nichteinmischung auf der Grundlage völkerrechtlicher Neutralität zu verfolgen, zum anderen einen Appell an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und an die Großmächte, insbesondere an die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, alles zu tun, um eine dauerhafte Friedensordnung im Nahen Osten herzustellen.
Aus Geschäftsordnungsgründen ist es leider heute, in der zweiten Lesung, nicht möglich, über diesen Entschließungsantrag abzustimmen; das kann erst in der dritten Lesung erfolgen. Aber es erscheint notwendig und wünschenswert, daß bereits heute am Schluß dieser Debatte, die uns während des ganzen Tages beschäftigt hat, eine derartige Willensbekundung des Hohen Hauses erfolgt, eine Willensbekundung, über deren textlichen Inhalt bereits ein Einverständnis der drei Fraktionen besteht. Ich darf mir daher gestatten, Ihnen den Text des gemeinsamen Entschließungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vorzulesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Bundestag billigt die Erklärung der Bundesregierung, im Nahost-Konflikt eine Politik der Nichteinmischung auf der Grundlage völkerrechtlicher Neutralität zu verfolgen.
2. Der Deutsche Bundestag appelliert an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und an die Großmächte, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion, alles zu tun, um eine dauerhafte Friedensordnung im Nahen Osten herbeizuführen.
Ich darf das Hohe Haus bitten, bei der geschäftsordnungsmäßigen Vorlage dieses Antrages in der dritten Lesung dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt es, daß es möglich war, sich auf diese gemeinsame Formulierung zu einigen. Das macht gleichzeitig deutlich, daß manche Vermutungen über unsere Absichten und Aussagen nicht richtig waren. Wir sind froh darüber, daß durch die Erklärung der Bundesregierung auch klargestellt wurde, daß „Nichteinmischung" nicht etwa eine Differenzierung gegenüber „völkerrechtlicher Neutralität" bedeuten soll, sondern daß es hier darum geht, klarzustellen, in welcher Form im einzelnen diese Politik erfolgen soll. Wir hoffen, daß es möglich sein wird, diese Entschließung in der dritten Lesung einstimmig zu verabschieden.Daß der Hinweis auf eine dauerhafte Friedensordnung notwendig war, hat sich, glaube ich, auch unbestritten aus der Debatte ergeben. Es geht ja nicht nur darum, daß die Kampfhandlungen eingestellt werden, sondern vor allem auch darum, daß nach Möglichkeit vermieden wird, daß sich in Zukunft wieder ähnliche Dinge entwickeln. Ohne daß wir hier im einzelnen dazu Stellung nehmen, ist es, glaube ich, unser Recht, diesen Appell zu erheben, weil wir ja selber darauf hoffen, eines Tages die Unterstützung zur dauerhaften Lösung der eigenen Fragen zu erhalten.Ich möchte dazu nicht mehr sagen, sondern nur noch eine abschließende Bemerkung machen, nachdem diese Fragen ja praktisch beim Etat des Herrn Bundeskanzlers und beim Etat des Herrn Bundesaußenministers behandelt worden sind. In einer Erklärung des Sprechers der CDU ist davon die Rede, daß wir nicht zum Ausdruck gebracht hätten, wir wollten weiterdebattieren. Da die Regierung die Fragen der FDP nicht beantworten wollte oder konnte, hatte sich die weitere Debatte zum Haushalt des Herrn Bundeskanzlers erledigt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es, daß sich schließlich alle Fraktionen zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengefunden haben. Im Punkt 2 dieser Erklärung appellieren wir gemeinsam an die Weltmächte, alles zu tun, damit eine dauerhafte Friedensordnung im Vorderen Orient herbeigeführt wird. Wir verstehen das so — da würde ich noch einen Schritt weiter gehen als Herr Mischnick —, daß bei einer solchen Friedensordnung die Existenz und friedliche Weiterentfaltung aller Beteiligten, vor allem auch des Staates Israel, gesichert werden muß, so daß sie nicht immer wieder in Frage gestellt werden kann. Wir glauben nicht, meine Damen und Herren, daß diese Erklärung noch irgend etwas Neues in die Diskussion bringt, sondern glauben, daß sie ein adäquater Ausdruck des Willens dieses Hauses ist.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1755, mit der Berichtigung, die zu Kap. 05 04 Tit. 675 vorgetragen worden ist. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der FDP ist der Antrag angenommen.
Ich komme noch einmal auf den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes zurück. Versehentlich ist über den mit diesem Einzelplan verbundenen Einzelplan 30, Geschäftsbereich des Bundesministers für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates, nicht abgestimmt worden. Wir müssen also noch über den Antrag des Ausschuses auf Drucksache V/1775 abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Ich darf einmütige Zustimmung feststellen.
Ich rufe auf
Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
— Drucksachen V/1756, zu V/1756 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
verbunden mit
Einzelplan 36
Zivile Verteidigung
— Drucksache V/1780 —Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann
Der Herr Abgeordnete Dr. Althammer hat als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Ihnen schriftlich vorliegenden Mündlichen Bericht verweisen.
Zu dem Schriftlichen Bericht — zu Drucksache V/1756 — muß ich eine Berichtigung vorbringen. Darin sind auf Seite 2 in der linken Spalte unter Buchstabe b die Ausgaben für die Friedrich-EbertStiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die HannsSeidel-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung aufgeführt. Bei der Konrad-Adenauer-Stiftung muß es heißen: „einschließlich der Vereinigung politischer Bildungswerke". Das ist vom Haushaltsausschuß so beschlossen worden. Es ist hier versehentlich nicht mit aufgeführt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kubitza.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesinnenminister ist der Sportminister, zwar nicht expressis verbis, aber in seinem Hause ressortiert der Sport. Ich habe den Eindruck, daß der Bundesinnenminister sich in den letzten Monaten mit Dingen beschäftigt hat, die meiner Meinung nach nicht so dringlich sind, während Aufgaben, die in seinem Hause liegen, so wie eben nun mal der Sport, nicht immer die Beachtung gefunden haben, die sie verdienen. Ich möchte das mit einigen Beispieln belegen.Die FDP-Fraktion hat am 22. Februar 1967 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung betreffend Goldener Plan gerichtet. Sie alle erinnern sich, daß von 1960 ab mit dem Goldenen Plan in 15 Jahren 61/2 Milliarden DM aufgebracht werden sollten, um den Fehlbestand an Sportstätten zu decken, wobei 20 % der Bund, 50 % die Länder und 30 % die Gemeinden aufbringen sollten.Ich habe seit sechs Jahren die Ehre, hier vor diesem Hause darüber zu sprechen. Dabei mußte ich immer wieder auf den Fehlbetrag hinweisen, der seitens des Bundes vorliegt. Statt der 84 Millionen DM, die aufzubringen wären, werden in dem jetzigen Haushalt 41 Millionen DM aufgebracht. Wenn man aber die inzwischen eingetretenen Baukostensteigerungen um 40 % in Rechnung stellt und wenn man weiter von den vorgesehenen 41 Millionen DM für die Sportstättenspitzenfinanzierung etwa 7 Millionen DM für die Leistungszentren und die überregionalen Sportstätten abzieht, bleiben nur noch 34 Millionen DM für die allgemeine Spitzenfinanzierung von Turn- und Sportstätten übrig.Wir haben nun beinahe die Halbzeit des Goldenen Planes. Es wäre wichtig, zu wissen, inwieweit sich bis zu dieser Halbzeit der Fehlbestand von 31 000 Kinderspielplätzen, von 14 700 Sportplätzen, von 10 400 Turn- und Spielhallen, von 5500 Gymnastikräumen, von 2625 Lehrschwimmhallen, von 2420 Freibädern und von 435 Schwimmhallen verringert hat. Es wäre interessant, zu wissen, wie das Verhältnis der Soll-Aufwendungen in den Jahren 1961 bis 1966 von Bund, Ländern und Gemeinden zu den tatsächlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden gewesen ist. Für die Fortführung des Goldenen Plans wäre es weiterhin entscheidend, zu wissen, auf welchem Gebiet nach Ansicht der Bundesregierung die Ziele des Golde-
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Kubitzanen Plans innerhalb der gesetzten Fünfzehnjahresfrist mit Sicherheit nicht erreicht werden können.Eine entscheidende Frage ist für uns — ich hatte bei der Aussprache zur Regierungserklärung Gelegenheit, sie schon einmal an den Bundesinnenminister zu richten, ohne eine Antwort zu erhalten —: Ist die Bundesregierung bereit, erneut zu bekräftigen, daß sie auch weiterhin ihren zwanzigprozentigen Anteil zum Goldenen Plan leisten wird?Meine Damen und Herren, diese Kleine Anfrage ist am 22. Februar gestellt worden. Am 14. März erhielten wir einen Schnellbrief, von Staatssekretär Professor Dr. Ernst unterzeichnet, worin die Beantwortung der Fragen, die ja von dem Material abhängig ist, das die Länder dem Bund zur Verfügung stellen müßten, für vertraulich erklärt wurde. Ich glaube, daß das nahezu grotesk ist. Wozu diese Geheimniskrämerei? Werden hier etwa die „Gesundheitsraketen" auf den Turn- und Sportfeldern gebaut, die die SPD 1961 den Wählern versprochen hat, oder will man verhindern, daß der Bürger mit der Veröffentlichung, in der ja die einzelnen Länder mit ihren bisher erbrachten Leistungen einzeln aufgeführt werden, Vergleichsmöglichkeiten erhält? Oder will man sich davor drücken, unsere letzte Frage nach dem zwanzigprozentigen Anteil des Bundes konkret mit Ja oder Nein zu beantworten?Ich glaube, man kann die Frage des Goldenen Plans, wie es insbesondere Kollegen von der CDU/ CSU oft getan haben, in der Weise abtun, daß man sagt, es handle sich dabei nur um eine freiwillige Vereinbarung, daß man sagt: Was kümmert mich mein Gewäsch von vorgestern, obwohl die Regierungserklärungen immer wieder die Notwendigkeit der Förderung des Goldenen Plans zum Inhalt hatten únd 'sämtliche Parteien ein zustimmendes Votum dazu abgegeben haben. Diese Frage darf nicht einfach der Entwicklung überlassen bleiben — bei Enthaltsamkeit des Bundes.Die Olympischen Spiele von München werden eine geradezu emotionelle Entwicklung unseres Volkes hinsichtlich der Leibesübungen einleiten. Das ist gut so. Unangreifbare wissenschaftliche Statistiken weisen nach, daß das in keinem hochzivilisierten Land so notwendig ist wie in der Bundesrepublik. Geben wir unserer Jugend die Möglichkeit und schaffen wir die Voraussetzungen dafür, sich beim Wettstreit der Besten der Welt achtbar zu behaupten. Da ist doch sehr viel zu tun. Sollte der Bund seine Zusage hinsichtlich der Mitwirkung am Goldenen Plan widerrufen, dann wird ein nicht wiedergutzumachender Rückschlag eintreten.Wie ich vorhin schon betonte, habe ich seit fünf Jahren mit dem Kollegen Wellmann immer wieder auf die sachlichen Notwendigkeiten dieser Bundesaufgabe hinge wiesen. Bei der zweiten Beratung zum Haushalt 1965 hat der Kollege Wellmann gesagt: Drei Jahre lang hat die sozialdemokratische Fraktion versucht, die Ansätze für die Spitzenfinanzierung des Baues von Turn- und Sportstätten zu erhöhen, drei Jahre lang sind diese Anträge an dem Widerspruch der Koalitionsparteien gescheitert. Auf Grund der Stellung der Opposition war der Kollege Wellmann früher nur in der Lage, denMund zu spitzen. Nachdem aber die SPD-Fraktion dieser Koalition angehört, kann nicht nur der Kollege Wellmann, sondern die ganze Fraktion aus vollen Lungen pfeifen. Ich hoffe nur, meine Kollegen von der SPD, daß Sie genügend Atem haben und daß Sie diesen Atem nicht in der christdemokratischen Umarmung verlieren.
Die Arbeit der Koalition wird nicht nur daran gemessen, was sie zustande bringt, sondern mehr noch daran, was sie nicht zustande bringt. Wir werden diese Fragen sehr aufmerksam verfolgen.Ein Wort zu der Behandlung des deutschen Sports bei der Beratung der Mehrwertsteuer. Sehr vielen Kollegen in diesem Hohen Hause und den Fraktionsvorsitzenden gesondert ist ein Memorandum zugegangen, in dem der deutsche Sportbund drei bescheidene Anliegen bei der Beratung der Mehrwertsteuer durchgesetzt wissen wollte. Sie wissen vielleicht nicht, daß in Deutschland von 1919 bis 1934 der Sport bereits umsatzsteuerfrei war. Vielleicht wissen es auch nicht die Experten, daß in Frankreich eine völlige Befreiung des Sports von der Mehrwertsteuer besteht.Der deutsche Sport hatte, wie gesagt, drei Anliegen vorzubringen. Da wir in diesem Hause drei Fraktionen sind, hat die FDP-Fraktion eines dieser Anliegen aufgegriffen, nämlich das Anliegen, der Sportorganisation für die Beziehungen zwischen den Verbänden und Vereinen untereinander und mit ihren Mitgliedern Steuerbefreiung zu gewähren, soweit sie der Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgabe dienen. Dieses Anliegen wäre nicht systemwidrig gewesen, da in § 4 Nr. 15 der damaligen Vorlage — Drucksache V/1581 — die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, der Sozialhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge untereinander und gegenüber ihren Versicherten und Empfängern als steuerfrei vorgesehen sind. Nach dem FDP-Antrag wären nur rein sportinterne Vorgänge von der Umsatzsteuerpflicht befreit worden. So wären z. B. Vereinszeitungen, Start- und Meldegelder, Sportpässe usw. von der Umsatzsteuer befreit worden. Meine Damen und Herren, Meldegelder lösen nach der alten wie nach der neuen Regelung z. B. grundsätzlich zweimal die Umsatzsteuerpflicht aus.
— Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Matthöfer.— Die Umsatzsteuerpflicht entsteht einmal beim veranstaltenden Verein, weil ein Leistungsaustausch zwischen ihm und dem teilnehmenden Verein vorliegt, und zum andern beim teilnehmenden Verein, weil ein Leistungsaustausch zwischen ihm und dem Wettkampfteilnehmer vorliegt.Dieser Antrag der FDP-Fraktion ist damals — ich meine, aus Unkenntnis — seitens der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden,
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Kubitzaund zwar sehr zum Nachteil derer, die bereit sind, sich dem Wettkampfsport zu verschreiben.
Diese rein fiskalische Denkweise ist gegenüber dem Sport geradezu grotesk; denn der Sport ist Leistungsvergleich, er bezieht seine wesentlichen Impulse vom Wettbewerb, und dieser Leistungswille wird durch eine zweimalige Besteuerung der Meldegelder bestraft. Dem Sport ist jedenfalls damit ein schlechter Dienst erwiesen worden. Das sind die Fragen, die insbesondere den kleinen Mann bewegen, der sich unten als Kassierer mit diesen steuerlichen Dingen herumzuschlagen hat.Und ein Drittes. Der Bundestag hat im Jahre 1965 beschlossen, daß eine Ablösung der Hypothekengewinnabgabe für finanzschwache Turn- und Sportvereine in Höhe von 2 Millionen DM erfolgt.
Nun ist folgendes sehr interessant. Inzwischen sind zwei Jahre ins Land gegangen. Ich bin beim Bayerischen Landessporttag von den Vereinen erregt gefragt worden, was denn nun mit dieser Ablösung der Hypothekengewinnabgabe los sei. Bislang wissen die Vereine noch nichts, und sie haben auch keine Gelder dafür bekommen.
Ich habe mich beim Bundesinnenministerium erkundigt. Es stimmt wirklich: erst jetzt, am 23. Mai, ist damit begonnen worden, und am 26. Mai sind z. B. die Bewilligungsbescheide für Bayern an das zuständige Kultusministerium gegangen. Nun ist nur zu fragen, wie lange jetzt wiederum das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus braucht, um diese Bescheide an die Vereine weiterzuleiten.
Aber man ist immerhin dankbar, daß in zwei Jahren so etwas über die Bühne geht.Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Deutschen Sportbund sind nunmehr 7,5 Millionen Mitglieder vereint. Sie sind in 35 000 Vereinen organisiert. In diesen Vereinen sind 387 000 ehrenamtliche Helfer von den Vereinsvorsitzenden bis zu den Kassierern und zu den Übungsleitern hinunter tätig, die erwarten, daß ihnen von der staatlichen wie von der politischen Seite all die Hilfen gewährt werden, die sie ehrenamtlich und freiwillig an Zeit, Arbeit und Geld einzubringen bereit sind.
Ich meine hier ist ein Gebiet, in dem insbesonders für unseren Sportminister noch sehr viel zu tun ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr, Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kubitza und ich haben uns über dieses Thema schon des öfteren unterhalten. Aber, Herr Kollege Kubitza, ich glaube, es wäre besser gewesen, Sie hätten es heute abend nicht in dieser polemischen Form abgehandelt.
Sie haben mit Ihren Anschuldigungen nämlich ausgesprochenes Pech. Ich werde Ihnen gleich nachweisen, wo in den vergangenen Jahren die Stellen waren, an denen manche löbliche Initiative gescheitert ist.
Sie sagen, unser Herr Bundesinnenminister habe sich nach Ihrer Meinung mit anderen, weniger wichtigen Dingen beschäftigt. Dem möchte ich entgegenhalten: Sie werden noch vor der Sommerpause einige dieser Dinge auf den Tisch dieses Hauses bekommen, z. B. das Parteiengesetz und die Notstandsgesetzgebung. Es gibt noch andere, nach unserer Meinung sehr wichtige Dinge, z. B. eine Wahlrechtsreform und ähnliches.
Es sind nach unserer Meinung sehr wichtige, wesentliche Dinge, um die es hier geht.
Zum Goldenen Plan. Wenn Sie sagen: „Was interessiert mich unter Umständen mein Gewäsch von vorgestern!", muß ich Ihnen sagen: Die Stelle, wo diese Dinge letztlich immer entschieden wurden, war das Bundesfinanzministerium, und es war Ihr Herr Bundesfinanzminister, der das damals eben aus finanziellen Gründen entschieden hat.
— Meine Damen und Herren, es ist möglich, daß das in Ihren Ohren im Moment nicht sehr gut klingt. Aber es sind Tatsachen. Nehmen Sie z. B. den letzten Fall, den Sie angeführt haben: die Hypothekengewinnabgabe zu erlassen. Woran lag es denn, daß es so lange gedauert hat? Und wer war die Stelle, die sich dagegen mit großer Härte gewendet hat? Herr Kollege Kubitza, Sie waren ja selbst an diesen Dingen beteiligt. Es war wiederum das Bundesfinanzministerium mit dem damaligen FDP-Bundesfinanzminister Dahlgrün an der Spitze.
Sie müssen also die Bemerkungen an die eigene
Adresse richten, wenn Sie das beanstanden wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Genscher?
Bitte schön!
Können Sie verraten, Herr Kollege, warum Sie gerade in diesem Fall von Ihrer Mehrheit nicht Gebrauch gemacht haben?
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5334 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Juni 1967
Herr Kollege Genscher, wir waren in der vorigen Koalition immer so fair, daß wir auf das gewichtige Wort des Finanzministers eingegangen sind. Wenn der Finanzminister hier sein Wort und sein Veto einlegte, haben wir uns daran gehalten.
Herr Abgeordneter Mertes möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Althammer, wollte Ihre Fraktion, um den Bedürfnissen des Sports gerecht zu werden, auch die Steuer erhöhen? War das mit ein Grund für die von Ihnen gewünschte Steuererhöhung?
Mein sehr verehrter Herr Kollege, darauf wollte ich gerade kommen. Wir haben in der Tat in diesem Jahr die Ansätze erhöht. Wir haben trotz der angespannten Finanzlage den allgemeinen Ansatz „Sportstättenbau" um 1 Million DM erhöht. Wir haben die Ansätze bei der Spitzenfinanzierung der zentralen Sportförderung um fast 1 Million DM erhöht, und wir haben dann noch den ersten Ansatz von 5 Millionen DM für die Olympiade ausgebracht. Wenn Sie gern die Verbindungen herstellen wollen, können Sie sagen: Auf der einen Seite waren Steuererhöhungen notwendig, auf der anderen Seite sind einige Millionen dazugelegt worden. Bitte! Ich habe den Zusammenhang jedenfalls nicht hergestellt.
Ein letztes Wort. Meine sehr verehrten Herren von der Opposition,. die frühere Opposition hatte, wenn sie solche Dinge beanstanden wollte, die löbliche Eigenheit, dann im Ausschuß einen entsprechenden Antrag zu stellen. Die neue Opposition hat weder im Ausschuß noch jetzt im Plenum einen entsprechenden Antrag gestellt.
Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, rechtfertigt bei uns den Verdacht, daß das vielleicht doch ein bißchen zum Fenster hinaus gesprochen war.
Zur Aussprache steht auch der Änderungsantrag Umdruck 241. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Wir sehen: Opposition ist gar nicht so einfach. Uns ist in der Opposition keineswegs alles das erfüllt worden, was wir gewünscht haben.
Aber, meine Herren und Damen von der FDP, Sie müssen mir ja wohl zugeben, daß die Finanzlage, die wir heute nun einmal vorfinden, von Ihnen mitverschuldet worden ist. Sie haben ja außerdem noch den Finanzminister gestellt. Sie können also
nicht verlangen, daß die Große Koalition nun Wunder vollbringt und das alles in so kurzer Zeit wieder in Ordnung bringt.
— Na, nach Ihrer Lautstärke im Augenblick zu urteilen, müßte das ja wohl so sein.
Aber auf eines können Sie sich ganz sicher verlassen, Herr Dorn, nämlich darauf, daß in dem Moment, wo es uns möglich 'ist, dieses ganze Haus einschließlich der FDP alle Möglichkeiten wahrnehmen wird, um gerade diese Aufgaben zu erfüllen, deren Lösung wir früher jahrelang gefordert haben, und um 'so schnell wie möglich die Mittel zur Erfüllung des Goldenen Plans zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die FDP im Haushaltsausschuß anscheinend nicht einmal die Möglichkeit wahrgenommen hat, in dieser Frage aufzutreten. Meine Freunde haben mir gesagt, daß sie das vermißt haben, vor allem im Hinblick darauf, daß man hier so auftritt.
Wir solten alle zusammen die Schritte gut überlegen; wir sollten uns über die finanzielle Ausstattung Gedanken machen, um die von uns übernommene Olympiade in Ordnung zu bringen. Das ist eine Aufgabe, der sich der Bundesinnenminister sehr sorgfältig widmet, und das sollte auch das ganze Haus tun.
Da ich schon einmal das Wort habe, lassen Sie mich noch folgendes sagen: Wir sollten einmal gemeinsam überlegen, ob es richtig ist, daß in den verschiedensten Ministerien des Bundes die Mittel für den Sport verschieden verwaltet werden, ob es nicht gut wäre, hier eine Änderung zu schaffen, schon damit nicht draußen — ich sage es ganz offen — Vereine und Verbände immer den einen gegen den anderen ausspielen können. Die Mittel sollten konzentriert eingesetzt werden. Ich denke, auch da werden wir die Unterstützung der FDP- finden.
Zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 241 *) hat das Wort der Herr Abgeordnete Eckerland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Tit. 660 — Förderung der Kultur —steht der Haushaltsvermerk: „Der Zuschuß an das Orchester Philharmonia Hungarica ... ist letztmalig veranschlagt". Das bedeutet die Auflösung des Orchester im September oder Anfang Oktober.Wir wissen, daß die Geschichte des Orchesters mit dem Ungarn-Aufstand eng verbunden ist. Dieses Orchester ist damals von Ungarischen Musikern in Wien gegründet worden und 1960 von der Bundesrepublik adoptiert worden. Seit sieben Jahren ist dieses Orchester in Marl beheimatet, und es glaubte damals, eine bleibende Heimat und eine sichere*) Siehe Anlage 4
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EckerlandExistenz zu bekommen. Vor einigen Tagen, am 30. Mai, wurde die Feier des zehnjährigen Bestehens dieses Orchesters begangen. Das Orchester Philharmonia Hungarica hat 20 große Auslandstourneen durchgeführt, unter anderem in den USA und in Kanada. Es spielte bei Festivals, unter anderem in Wien, Berlin und Athen. Ich meine, daß dieses Orchester einen großen kulturellen und politischen Beitrag für die Bundesrepublik geleistet hat, und überall hat es positive Kritik ausgelöst. Es ist meiner Meinung nach ein hochqualifiziertes Kulturorchester.
,,... ich halte es für unmöglich, daß wir hier keine Lösung finden. Das würde dem deutschen Ansehen nicht gerecht."
Ich meine, hier liegt auch ein echtes menschliches Problem vor; denn wenn wir jetzt das Orchester auflösen sollten, hätte die damalige Adoption den gegenteiligen Zweck erreicht. Vor sieben Jahren wäre der größte Teil des Orchesters anderen Ortes untergekommen. Heute ist es leider nicht mehr so einfach! Es würden jetzt der öffentlichen Hand Gekündigte zur Last fallen. Ich bin daher der Meinung, daß es sich hier — wie es Professor Carlo Schmid in der Fragestunde damals sagte — nicht nur um eine kulturelle, sondern auch um eine moralische und politische Verpflichtung handelt. Deswegen bitte ich Sie, diesem Antrag zu folgen, der von Abgeordneten aller drei Fraktionen gestellt wird.
Herr Dr. Althammer zu diesem Änderungsantrag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Der Haushaltsausschuß hat sich die Entscheidung in dieser Sache bestimmt nicht leicht gemacht. Seit Jahren beschäftigt uns das Problem der rasant steigenden Ausgaben für einige kleinere kulturelle Einrichtungen. Wir hatten uns bemüht, im Hinblick auf die Flurbereinigung in der kommenden Finanzreform hier zeitig gewisse Weichen zu stellen. Es war uns dabei klar — und dem hat eigentlich niemand widersprochen —, daß nach diesen Richtlinien dieses Orchester nicht unter den Begriff der nationalen Repräsentanz, die vom Bund zu vertreten ist, einzuordnen sein wird.
Wir haben uns bei den Vorbesprechungen sehr lange mit der Frage befaßt, in welcher Weise nun eine endgültige Bereinigung in einem sozial guten und vertretbaren Sinn erfolgen kann. Wie sehr die Dinge davonzulaufen beginnen, sehen Sie schon daraus, daß sich der Kostenaufwand für dieses Orchester, der vom Bund zu bestreiten ist, in drei Jahren etwa verdoppelt hat. Im Regierungsansatz hat noch der Betrag von 1 Million DM gestanden, und wir waren dann gezwungen, auf Antrag hin diesen Ansatz auf 1,5 Millionen DM zu erhöhen. Es geht also hier um ganz enorme Mittel.
Im Hintergrund steht etwas anderes. Dieses Orchester ist bis vor einigen Jahren noch vom Land Nordrhein-Westfalen mitfinanziert worden, wie es bei anderen Orchestern ebenfalls der Fall war. Das Land Nordrhein-Westfalen hat vor einigen Jahren erklärt, daß es diese Mitfinanzierung einstellen müsse. Seit dieser Zeit läuft ein Briefwechsel zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Land — nunmehr über Jahre hinweg —, mit dem Ziel, daß das Land auch hier seinen Anteil beiträgt.
Eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Althammer, darf ich vielleicht daran erinnern, daß das Land Nordrhein-Westfalen, soweit mir bekannt ist, bisher nur einmal 75 000 DM gegeben hat. Herr Kollege Westphal, ich und auch andere Kollegen haben mit dem Land Verhandlungen geführt, daß das Land Nordrhein-Westfalen sich beteiligen möge. Deswegen ist es ja jetzt nur unser Wunsch, daß der Vermerk, wonach der Betrag letztmalig gewährt wird, gestrichen wird. Darum geht es doch wohl.
Herr Kollege, ich wollte auf diesen Punkt — —
Der Abgeordnete Dorn will noch eine Frage stellen.
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Althammer, sollte Ihnen entgangen sein, daß der neue Landesfinanzminister in Düsseldorf ein so unerhört schweres Erbe von seinem Vorgänger übernehmen mußte, daß er leider nicht mehr in der Lage ist, diese Dinge jetzt mit zu finanzieren?
Herr Kollege Dorn, ich muß sagen, die Verwirrung wird hier offenbar immer größer. Auf der einen Seite wird erklärt, man stehe in Verhandlungen, und das sei in etwa auch aussichtsreich; so habe ich es aufgefaßt, und anders hätte es keinen Sinn. Auf der anderen Seite wird erklärt, wegen der Lage sei das gar nicht möglich.Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Haushaltsausschuß haben auch Herren der SPD, nachdem ihnen diese jahrelangen Verhandlungen dargelegt worden sind, gesagt, daß- es allmählich des Bundes unwürdig sei, über Jahre hinweg immer wieder um eine Mitfinanzierung zu bitten und limmer wieder den Bescheid zu bekommen: Nein, wir sind nicht bereit. Es ist dem Lande dargelegt wor-
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Dr. Althammerden, daß das Orchester in der Hauptsache in solchen Orten des Landes spiele, die sonst nicht bespielt würden, daß also ein Interesse des Landes daran bestehen würde.Wenn Sie jetzt diesen Antrag annehmen, den Vermerk wieder zu streichen, dann wird — davon bin ich felsenfest überzeugt — die Konsequenz hinsichtlich einer etwaigen Mitfinanzierung durch das Land die sein, daß gesagt wird: Das ist ja ausgezeichnet; wir wollten das zwar machen, aber das Plenum des Bundestages hat das gestrichen, also besteht für uns überhaupt keine Veranlassung, an eine Mitfinanzierung heranzutreten. Wenn der Vermerk stehen bleibt — und das heißt, daß dieser erhöhte Ansatz für 1967 gezahlt wird — und wenn dann das Land kommt und sagt: Jawohl, unter diesen Umständen sind wir bereit, eine wesentliche Mitfinanzierung zu übernehmen, dann — so würde ich als Berichterstatter sagen — ist für uns im Haushaltsausschuß eine neue Situation gegeben. Dann könnte man sich durchaus darüber unterhalten, was im nächsten Jahr zu geschehen hat, und das könnte dann sehr schnell geklärt werden. Aber wenn Sie das jetzt streichen, dann entfällt jegliche Aussicht, daß sich das Land so wie andere Länder hier beteiligt. Dann wird nichts passieren auf diesem Sektor.
Herr Abgeordneter Westphal will noch eine Frage stellen.
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Althammer, würden Sie nicht auch meinen, daß es haushaltsmäßig, haushaltstechnisch und haushaltsrechtlich eine viel, viel schwierigere Prozedur ist, wenn wir im nächsten Jahr davon ausgehen müssen, keinen Ansatz der Regierung zu haben, und dann ein Ja einer neuen Regierung in Nordrhein-Westfalen zu erringen suchen? Wir haben dann vielleicht keinen Anlaß, uns als Haushaltsausschuß damit zu befassen.
Herr Kollege Westphal, wenn wir jetzt diesen Antrag annehmen und den Vermerk streichen, dann hat es gar keinen Zweck mehr, nach den bisherigen ablehnenden Bescheiden mit dem Land überhaupt weiter zu verhandeln. Ich sehe keinen Sinn darin, daß sich der Bund noch einmal eine Abfuhr holt. Wenn Sie dagegen diesen Vermerk annehmen, könnte sich der Haushaltsausschuß in sehr kurzer Zeit auf eine Finanzvorlage hin noch einmal mit der Sache befassen. Wenn der Haushaltsausschuß dann zu dem Beschluß käme, die Sache gemeinsam mit dem Land weiter zu finanzieren, wäre .das bereits eine Basis, auf der das Orchester meines Erachtens weitermachen könnte. Ich würde also dringend darum bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Wir hatten im vorigen Jahr einen ähnlichen Fall mit der Hochschule für Gestaltung in Ulm, der Geschwister-Scholl-Stiftung. Auch dort ist von einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus Unkenntnis der Hintergründe eine Erhöhung beschlossen worden mit dem Effekt, daß eine vom Land BadenWürttemberg vorgesehene Alleinfinanzierung jetzt in Frage gestellt ist und die Situation jetzt viel schwieriger ist, als sie vorher war. Ich bitte im Interesse der Sache also dringend darum, diesen Antrag abzulehnen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Westphal.
Herr Kollege, würden Sie bereit sein, noch folgende Frage zu beantworten: Glauben Sie nicht — da ich den positiven Unterton in Ihrer letzten Bemerkung herausgehört habe —, daß es für den Bundesinnenminister ausgesprochen schwierig ist, vom Finanzminister eine Zustimmung zu einer Finanzvorlage zu bekommen, wenn wir als Plenum hier entschieden haben, daß für die nächsten Jahre kein Ansatz mehr vorzusehen ist? Ist es nicht viel besser, diesen Zusatz zu streichen und dann mit der Tendenz vorzugehen, die Regierung zu beauftragen, mit Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr bei besseren Etatverhältnissen erneut zu verhandeln?
Herr Kollege Westphal, Sie haben doch als Mitberichterstatter genauso wie ich den ganzen Leidensweg dieser Bitten an das Land in bester Erinnerung, und ich bin überzeugt, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß, wenn dieser Vermerk fällt, eine positive Antwort vom Land nicht zu erwarten ist. Ich würde sagen, das, was hier im Plenum des Bundestages erörtert wird, ist ja auch ein Faktum, von dem man ausgehen kann. Ich sage noch einmal: wenn das Land bereit wäre wie andere Länder das tun, etwa das Land Berlin beim Radiosymphonieorchester und das Land Bayern bei den Bamberger Symphonikern —, eine Mitfinanzierung zu übernehmen, dann wäre für den Haushaltsausschuß ein Anlaß gegeben, eine Revision dieser Entscheidung herbeizuführen. Ich bin der Überzeugung, daß das ohne weiteres zu machen ist. Aber wenn Sie den Antrag annehmen, dann ist diese Sache wieder gelaufen, und dann sehe ich wirklich keinen Weg, zu einer anderen Lösung zu kommen.
Herr Kollege, Herr Abgeordneter Eckerland möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Althammer, haben wir nicht auch eine Verpflichtung — wie ich das in meinen kurzen Ausführungen klarzumachen versucht habe —, für das Orchester zu sorgen? Ich habe heute morgen noch einmal Gelegenheit gehabt, mit dem Herrn Minister zu sprechen. Er war genau wie vor einem Jahr der Meinung, daß wir dem Orchester helfen müssen. Ich meine, es wäre doch richtig — und das ist meine Bitte —, daß wir den Vermerk einer letztmaligen Bewilligung streichen. Das sollte geschehen im Interesse der Menschen, die damals in großer Hoffnung nach Deutschland gekommen sind, die von der Bundesrepublik aufgenommen worden sind und deren Orchester jetzt, nach zehnjährigem Bestehen, im September dann einfach aufgelöst werden soll,
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Eine Frage, Herr Kollege!
Herr Kollege, ich wollte es dem Hohen Hause ersparen, diese lange Entwicklung darzustellen. Ich möchte es ganz kurz machen. Natürlich sind auch uns die Dinge alle bekannt. Aber ich meine, wir sollten hier keine Lösung auf alle Ewigkeit treffen. Es ist bekannt, daß der Personalkörper inzwischen wesentlich gewechselt hat. Der Dirigent ist gar nicht mehr aus diesem Personenkreis. Wir sollten hier keinen neuen Donkosakenchor schaffen, der noch in 30 Jahren davon lebt, daß einmal eine Emigration stattgefunden hat.
Herr Abgeordneter Moersch möchte noch eine Frage stellen.
Herr Präsident, ich möchte jetzt auf keine weiteren Fragen eingehen.
Wir werden über die Änderungsanträge zweckmäßigerweise zusammen mit dem Einzelplan abstimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es handelt sich um einen Teilaspekt des Bundesinnenministeriums, den ich sicherlich nicht ansprechen würde, wenn hier eine große Besetzung des Hauses vorhanden wäre. Aber ich glaube, in einer solchen, geradezu intimen Besetzung ist es notwendig, diese Frage einmal anzusprechen.
— „Kleine Besetzung" ; vielleicht können wir uns darauf einigen.Herr Bundesinneneminister, wir Freien Demokraten haben erstens die Frage, ob es eigentlich zweierlei Arten der Dauerbehandlung der Tuberkulose gibt. Wir stellen im Haushaltsplan des Innenministeriums auf Seite 46 fest, daß unter Tit. 677 a 19 Millionen DM als Erstattung für Aufwendungen der überörtlichen Träger für Dauerbehandlung der Tuberkulose vorgesehen sind. Es handelt sich hier um eine Verpflichtung, die der Bund nach § 66 des Bundessozialhilfegesetzes zu erfüllen hat. Die andere Verpflichtung, die der Bund nach § 138 zu erfüllen hat, ist in dem Haushaltsplan nicht mehr enthalten. Sie ist durch § 28 c des Haushaltsgesetzes — Drucksache V/1800 — gestrichen worden. Bei dieser zweiten Art der Erstattung der Aufwendungen für die Dauerbehandlung der Tuberkulose handelt es sich um Erstattungen an die Träger der gesetzlichen Sozial- und Unfallversicherung.Es ist uns unverständlich, warum man diese beiden Dinge, die im Sozialhilfegesetz einheitlich geregelt worden sind, nun in diesem Haushalt in letzter Minute auseinandergerissen hat, so daß folgende groteske Situation entstehen kann. NehmenSie als Beispiel einen Landwirt, der von einer schwere Tuberkulose befallen wird und dessen Kur mehr als zwei Jahre dauert. Dieser Landwirt hat nun zufälligerweise einen Anspruch an die Invalidenversicherung. Er muß seine Dauerbehandlung also auf Kosten des Rentenversicherungsträgers durchführen lassen. Hätte er keine Invalidenversicherungsansprüche, würde diese Dauerbehandlung aus allgemeinen öffentlichen Mitteln finanziert, und der Bund würde die Kosten erstatten. Hier wirkt sich also das Auseinanderreißen dessen, was im Bundessozialhilfegesetz einheitlich geregelt war, wie eine Sonderbelastung der Beitragszahler, der Versicherten in den sozialen Versichertengemeinschaften aus.Als wir diese Frage im Sozialpolitischen Ausschuß besprachen, war sich der zuständige Referent noch nicht im klaren, ob auch hier entsprechend den bei den Rentenversicherungsträgern vorgesehenen Kürzungen der Tuberkulosenhilfe auch hier eine Kürzung eintreten sollte oder nicht. Ich habe erst jetzt, nachdem der Haushalt den interessierten Abgeordneten, die nicht im Haushaltsausschuß sind, sehr kurzfristig zugänglich gemacht worden war, festgestellt, daß man hier mit der Regelung, die man für das Sozialversicherungsrecht vorgesehen hat, nicht gleichgezogen hat. Ich stelle die Frage: Bedeutet diese unterschiedliche Behandlung, daß hier eine nach dem Bundessozialhilfegesetz bestehende Aufgabe des Bundes in Etappen abgebaut werden soll? Ist in diesem Jahr der Abbau in der Sozialversicherung und im nächsten Jahr der Abbau der Rückvergütung an die überörtlichen Träger vorgesehen? Oder haben bei der Entscheidung der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuß in dieser Sache rein fiskalische Überlegungen eine Rolle gespielt? Es ist wirklich eine interessante Situation, die wir hier gefunden haben, daß nämlich der eine Teil des Sozialhilfegesetzes durchgeführt wird und der andere Teil, der sich mit derselben Materie befaßt, für dieses Jahr gestrichen wird.Auch zu Tit. 677 b habe ich noch eine Anmerkung zu machen. Diese Frage ist zwar schon im Sozialpolitischen Ausschuß kurz angesprochen worden, sie sollte aber auch einmal im Plenum des Deutschen Bundestages erörtert werden. Es handelt sich hier darum, daß erstmalig, Gott sei Dank, beim Titel für Müttergenesungsheime Gelder nun auch für Ausbau- und Erneuerungsmaßnahmen aus diesem Titel mit verwendet werden können. In diesem Zusammenhang hat sich für uns Freie Demokraten — und nach meinem Vortrag im Sozialpolitischen Ausschuß auch für diesen — die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn man versuchte, eine Koordinierung zwischen dem Müttergenesungswerk einerseits und ,dem Familienferienheimstättenwerk, das beim Familienministerium ressortiert, andererseits herbeizuführen. Beim Müttergenesungswerk nämlich fehlen Betten, während die Betten beim Familienferienheimstättenwerk außerhalb der Ferienzeit teilweise nicht voll ausgenutzt sind.Herr Bundesminister, wir würden Sie bitten, diese Anregung der Freien Demokraten, die vom Sozialpolitischen Ausschuß aufgenommen worden ist, in
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SpitzmüllerIhrem Hause weiterzuverfolgen; denn ich glaube, wir könnten damit erreichen, daß eben die tatsächlich mit öffentlichen Mitteln geförderten Räumlichkeiten und Unterbringungsmöglichkeiten in einem Höchstmaß ausgenutzt werden könnten, was bei der bisherigen, getrennten Regelung — da das Müttergenesungswerk im Innenministerium ressortiert und das in drei große Gruppen aufgeteilte Familienferienheimstättenwerk im Familienministerium — nicht der Fall ist.In diesem Sinne wollten wir die Titel 677 a und 677 b Ihres Haushalts angesprochen und die Frage zu dem einen und die Anregung zu dem anderen Titel hervorgehoben haben.
Wir unterbrechen die Aussprache. Die Debatte über Einzelplan 06
wird am Freitag fortgesetzt. Morgen um 10 Uhr zunächst Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung —, dann Einzelplan 29 — Geschäftsbereich des Ministers für Familie und Jugend —, dann Einzelplan 07
— Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz
— und Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Morgen nachmittag um 15 Uhr dann auf jeden Fall Einzelplan 08 — Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — und Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft —.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Die Sitzung ist geschlossen.