Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 13 a der gemeinsamen Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze ;
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung .
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Protokoll der 61. Bundestagssitzung verzeichnet Anhaltende Unruhe an der Stelle, wo der Herr Präsident das Ergebnis der Abstimmung über einen Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten bekanntgegeben hatte, ein sichtbares Zeichen dafür, daß die Parteistrategen dieses Hauses durch die Entscheidungsfreudigkeit der Parlamentarier überrascht worden waren.Die durch den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner erreichte Frist von acht Tagen zwischen der zweiten und der dritten Lesung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze hat uns in die Lage versetzt, einmal die Reaktion der Offentlichkeit, in diesem Fall der Presse, zu studieren. Es ist nicht möglich, alle Kommentare aufzuzählen. Sie reichen so etwa von „Entscheidende Niederlage der Bundesregierung" bis zu der Feststellung, die Mittelständler trügen die Schuld für die Kindergeldpanne.Aber stimmt das eigentlich, meine Damen und Herren? Wird im ersten Falle nicht einer rein sachlichen Entscheidung zuviel parteipolitisches Gewicht unterschoben? Kann man die erfolgte Änderung überhaupt eine Niederlage der Regierung nennen? Eine Niederlage der Regierung liegt doch nur dann vor, wenn ein Akt des Parlaments die Regierung zum Rücktritt zwingt, und das ist doch wirklich nicht geschehen. Eine Regierungsvorlage, wie wir sie vielfach bekommen, wurde geändert. Sie wurdein einem Punkt geändert, von dem viele CDU-Abgeordnete sagen, es sei ein entscheidender Punkt.In welcher Richtung wurde diese Regierungsvorlage geändert? Doch nur in der Richtung, die die Bundesregierung in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 als wünschenswert bezeichnet hat. In jener Regierungserklärung sprach der Herr Bundeskanzler von den Schichten des Mittelstandes, die weit hinter anderen zurückgeblieben seien und die der Sorge des Staates bedürften. In Regierungskreisen sollte deshalb eigentlich Freude darüber herrschen, daß sich hier ausgerechnet einmal die Opposition dafür einsetzt, daß diesem Versprechen der Regierungserklärung nun die Tat folgt,
daß diesen schönen Worten der Regierungserklärung — wenn auch nur auf einem kleinen Teilgebiet — Leben eingehaucht wird. Meine Damen und Herren, wenn wir heute die Chance verpassen, etwas im Sinne dieser Regierungserklärung zu tun, dann bleibt es bei den schönen Worten des Herrn Bundeskanzlers, und die Förderung des Mittelstandes wird vielleicht 1961 als Ladenhüter im Schlußverkauf des Wahlkampfes angeboten werden.
Es ist nicht erfreulich — aber nachträglich kann man auch einmal Unerfreuliches feststellen —, wie viele Chancen, die sich boten, dieses Kanzlerversprechen einzulösen, wir versäumt haben. Denken wir nur einmal an die Änderungsanträge, die wir anläßlich der Behandlung der Vorschriften auf dem Gebiet der Einkommen- und der Vermögensteuer gestellt haben! Wir stellten den Antrag, den Tarif zu ändern, damit auch die kleineren und mittleren Einkommensempfänger wesentlich entlastet würden. Er wurde von Ihnen verworfen. Unser Vorschlag, einen begrenzten Teil des nichtentnommenen Gewinns zu belassen, damit die Mittelständler in der Lage seien, den bevorstehenden harten Existenzkampf zu bestehen, wurde ebenfalls abgelehnt.Wir müssen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU — seien Sie nun Experten auf dem Gebiete der Familien-, der Sozial-, der Innen-, der Wirtschafts- oder gar der Außenpolitik —, heute einmal an Sie appellieren, dieser zurückgebliebenen Mittelklasse, wie sie der Kanzler bezeichnet hat, nicht neue zusätzliche Abgaben aufzulasten. Helfen
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3478 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
SpitzmüllerSie durch Ihre Stimme mit, daß Millionen heute noch Selbständiger morgen nicht sagen müssen, die Fürsorge des Kanzlers um uns, wie er sie verkündet hat, scheiterte beim Kindergeld nicht an der Finanzierung, sondern — wie es Kollege Dresbach so treffend formuliert hat — an „einem Rudiment aus einer berufsständisch-solidarischen Ideologie, die aber in heutiger Zeit nicht mehr klappt".In dem Entwurf Drucksache 666 hat die Regierung zum Ausdruck gebracht, daß es nur zu einer ganz leichten Beitragsanhebung käme. Dem ist aber leider nicht so. Die Regierung spricht dort davon, daß eine Anhebung des Beitragssatzes um nur 10 % auf insgesamt 1,1 % der Lohnsumme erfolgen müsse.Nun erklärten uns die Regierungsvertreter im Mittelstandsausschuß — es ist geradezu befremdend, wenn man heute daran zurückdenken muß —: wahrscheinlich würde überhaupt keine Erhöhung notwendig sein, wenn man das Kindergeldgesetz erst zum 1. März in Kraft setzte. Der augenblickliche Beitragsdurchschnitt liegt bei 0,87 %, und er steigert sich auf 1,16 %. Wenn er jetzt bei 0,87 % liegt, so heißt das nicht, daß alle gleich viel bezahlen. Vielmehr haben die 54 Familienausgleichskassen verschiedene Beitragssätze. Das heißt also, daß die einen 0,7 % und die anderen tatsächlich schon 1,1 % bezahlen.In der Regierungsvorlage auf Drucksache 666, die wir hier in der ersten Lesung behandelt haben, finden Sie auf Seite 5 auch einen Hinweis der Regierung, daß sich der Beitragssatz nicht nur um 0,10 %erhöhen würde, sondern um 0,28 %. Diese tatsächliche Erhöhung wird offen zugegeben; allerdings wird sie in Drucksache 666 auf Seite 5 in Klammern gesetzt, so daß der Hinweis beinahe untergeht.Wir müssen von den realen Tatsachen ausgehen und nicht von dem, was der Herr Bundesfamilienminister — für uns durchaus verständlich — in vielen öffentlichen Versammlungen verharmlosend verkündet hat. Die Wiederherstellung der Regierungsvorlage würde bedeuten — das bestreitet auch der Gesamtverband der Familienausgleichskassen nicht, sondern bestätigt es —, daß bei allen Familienausgleichskassen drastische Beitragserhöhungen vorzunehmen wären.Nun darf ich noch zu den Argumenten kommen, die Herr Kollege Schmücker in der zweiten Lesung hier vorgebracht hat. Herr Kollege Schmükker hat in erfreulicher Sachlichkeit festgestellt, daß eine Systemänderung kommen müsse. Er war aber der Meinung, man brauche für eine Übergangszeit von neun Monaten keine Feststellung des Prozentsatzes. Herr Kollege Schmücker ist meines Wissens wesentlich länger in Bonn als ich. Abet er wird auch die Erfahrung gemacht haben, daß das, was er als Endlösung angezeigt hat, mit Sicherheit nicht in neun Monaten zustande kommen wird; denn Herr Kollege Schmücker hat gesagt — und ich darf das zitieren —: „Eine Endlösung ist nach unserer Auffassung nur in Verbindung mit etlichen steuerlichen Reformmaßnahmen zu finden." „Etliche steuerliche Reformmaßnahmen" brauchen aber in Bonn, wenn sie Kopf und Fuß haben sollen, in der Regel ein bißchen mehr Zeit als neun Monate. Wenn wir wirklich in dieser Frist von neun Monaten zu Ende kommen wollten, wäre das nach unserer Auffassung nur möglich, wenn sich das Hohe Haus auf den von uns vorgeschlagenen Weg begeben könnte: Zahlung des gesamten Kindergeldes aus allgemeinen Steuermitteln.Ich möchte Sie in der allgemeinen Aussprache nicht zu lange aufhalten, aber lassen Sie mich noch auf die Bemerkungen einiger Kritiker eingehen, die am Schluß der zweiten Lesung einiges zu bekritteln hatten und die feststellten, daß der Mehrbedarf der Familienausgleichskasse notfalls durch Kassenkredite des Bundes finanziert werden könnte. Aber es sei den Familienausgleichskassen nicht zuzumuten, diese Kassenkredite aufzunehmen; denn bei einem Beitragsstopp, wie er im Gesetz nun festgelegt sei, sei die Rückzahlung aus eigenen Mitteln nicht in jedem Fall gesichert.Diese Kritik haben wir zur Kenntnis genommen. Sie hätte gar nicht aufkommen können, wenn wir ein weniger kompliziertes System hätten, als es bei den 54 Familienausgleichskassen im Bundesgebiet vorhanden ist. Wir haben dieser Kritik Rechnung getragen, obwohl wir der Meinung sind, daß rechtssystematisch eine Bestimmung über Tilgung offenstehender Kassenkredite in ein Gesetz über die Auflösung und Abwicklung der Familienausgleichskassen gehört. Aus diesem Grunde stellte meine Fraktion in der zweiten Lesung auch keinen diesbezüglichen Antrag.Um aber die letzten Bedenken der in den Selbstverwaltungsorganen tätigen Menschen unserer Bundesrepublik zu beseitigen, haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt, aus dem unsere Ansicht zu dieser Frage deutlich wird: es soll eine Bestimmung geschaffen werden, wonach offenstehende Kassenkredite aus Haushaltsmitteln zu tilgen sind.Wer überzeugt davon ist, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung dem von allen Fraktionen ausgesprochenen Wunsch nach einer grundsätzlichen Neuregelung der Kindergeldgesetzgebung in Bälde oder sofort nachkommt, kann unseres Erachtens ruhigen Gewissens der Fassung der zweiten Lesung zustimmen; denn diese Übergangslösung, die einen Riegel vor eine weitere Beitragserhöhung schiebt, ist ja um so kürzere Zeit gültig, je schneller die Regierung handelt.Meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU/CSU, Sie haben heute die Entscheidung darüber zu treffen, ob Sie am alten — zugegebenermaßen manchmal Ungerechtigkeiten schaffenden — Aufbringungssystem für das Kindergeld starr festhalten oder ob Sie mithelfen wollen, die in der Regierungserklärung vom Herrn Bundeskanzler dem Mittelstand und den Mittelschichten gemachten Versprechungen wenigstens zu einem Teil zu verwirklichen. Dort heißt es — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten diese für die Mittelschichten sehr gewichtigen Worte des Herrn Bundeskanzlers in Ihr Gedächtnis zurückrufen —Wir brauchen unabhängige, mittlere und kleineExistenzen in Handwerk, Handel und Ge-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3479
Spitzmüllerwerbe. Dafür soll das Wirtschaftsministerium sorgen. Wir brauchen das gleiche in der Landwirtschaft. Für sie soll der Landwirtschaftsminister sorgen.Eines darf ich am Schluß meiner Ausführungen feststellen: Es steht bei Beginn der dritten Lesung des Kindergeldänderungsgesetzes fest, daß alle Mitglieder dieses Hauses familienfreundlich sind; denn alle treten für die Erhöhung des Kindergeldes ein. Ein Zweites aber wird sich heute erst entscheiden, nämlich die Frage: Steht die CDU/CSU- Fraktion zu den mittelstandsfreundlichen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers, oder wird sie sich für die Verhärtung eines ungerechten, mittelstandsfeindlichen Gesetzes einsetzen?Der Herr Bundeskanzler hat dem Wirtschaftsminister und dem Landwirtschaftsminister die besondere Sorge für die Mittelschichten ans Herz gelegt. Herr Bundesarbeitsminister und nicht zuletzt Herr Bundesfamilienminister und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, tun Sie nun das Ihre zur Beseitigung dieser Sorge!
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Schellenberg.
Meine Damen und Herren! Seitdem wir uns in diesem Hause mit der Kindergeldgesetzgebung beschäftigen, gibt es hierüber Meinungsverschiedenheiten. Keine Meinungsverschiedenheiten gibt es — das möchte ich von vornherein sehr deutlich erklären — über die Notwendigkeit, das Kindergeld von 30 auf 40 DM zu erhöhen. Die Differenzen entfachen sich an der Frage der Organisation und der Finanzierung. Ich möchte hier nicht die alten Argumente in bezug auf das Prinzipielle aufnehmen, sondern möchte mich darauf beschränken, mich mit einigen Bemerkungen. für die Aufrechterhaltung der Beschlußfassung der zweiten Lesung einzusetzen.Erstens. Die Regelung des § 11, die hier mit Mehrheit beschlossen worden ist, trägt — darüber sind wir uns gemeinsam klar — die Merkmale einer Übergangsregelung, wenn man so will: alle Schwächen einer Übergangslösung. Aber das Entscheidende ist, es wird dadurch der Weg frei gemacht für eine grundsätzliche Neugestaltung der Kindergeldgesetzgebung.Zweitens. Wir stehen jetzt in der dritten Lesung des fünften Kindergeldgesetzes.
— Das Kindergeldgesetz, das Kindergeldanpassungsgesetz,
das Kindergeldergänzungsgesetz, das Erste Kindergeldänderungsgesetz, das Zweite Kindergeldänderungsgesetz; das sind fünf Gesetze.
Herr Kollege Ruf, wenn wir zu zählen beginnen wollen, dann kann ich Ihnen noch verschiedene andere Gesetze aufführen, die durch die Kindergeldänderungsgesetze geändert wurden. Dann kommen wir auf eine Liste von etwa zehn verschiedenen Gesetzen.
Durch Ihre Zwischenbemerkung wollten Sie wohl zum Ausdruck bringen, daß es bei diesem Gesetz lediglich darum gehe, das Kindergeld von 30 auf 40 DM zu erhöhen. Das ist keineswegs der Fall, denn wenn das der Inhalt dieses Änderungsgesetzes hätte sein sollen, dann hätte man im Gesetz lediglich die Vorschrift benötigt, daß der Betrag von 30 auf 40 DM monatlich erhöht werde. Es gibt jedoch — und das hat sich insbesondere bei den Ausschußberatungen gezeigt — eine Reihe anderer Vorschriften, beispielsweise über die Beitragsgrenze und über die Organisation, von denen uns die Regierung erklärt hat, der Bundesrechnungshof fordere dringend eine solche Änderung. Diese Änderungen sollen ebenfalls durch dieses Gesetz vollzogen werden.Das ursprüngliche Kindergeldgesetz war schon so kompliziert, daß eine Reihe von Kollegen erklärt haben, sie könnten die Materie nicht in allen Einzelheiten verstehen. Durch die weiteren Kindergeldgesetze ist die Materie so unübersichtlich geworden, Herr Kollege Ruf, daß ich mir nicht anmaße, die Kindergeldgsetzgebung in ihren Einzelheiten zu begreifen, — vielleicht Sie; ich beglückwünsche Sie dann dazu.
— Herr Kollege Ruf, die Möglichkeiten zu einer Vereinfachung haben Sie schon seit vier Jahren versäumt.
Drittens. Es ist schon zu einer ständigen Übung geworden, daß wir vor den Beratungen der Kindergeldgesetze aus Kreisen des Mittelstandes Telegramme erhalten, unterzeichnet von Mitgliedern Ihrer Fraktion, in denen wir gebeten werden, einen Beschluß zu fassen, der gegen die Auffassung Ihrer Fraktion geht.
Ferner, Herr Kollege Winkelheide, erhalten wir mit der gleichen Zustellung andere Telegramme, unter denen zwar nicht Ihre Unterschrift steht, die aber aus einem Kreise kommen, dem Sie sicher sehr nahe stehen. Darin werden wir aufgefordert, uns gerade in entgegengesetzter Richtung zu entscheiden. Wir könnten darüber lächeln. Was ist denn das für eine Gesamtkonzeption bei der Gesetzgebung. Sie muß doch geradezu als tragikomisch bezeichnet werdenMeine Damen und Herren, was haben Sie durch Ihre unglückselige Kindergeldgesetzgebung bewirkt?
Sie haben bewirkt, daß eine Diskrepanz aufbricht —wie es Herr Kollege Spitzmüller richtig gesagt hat
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3480 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Dr. Schellenberg— zwischen Mittelstandspolitik und Familienpolitik. Obwohl der gewerbliche Mittelstand ebenso wie alle anderen Bevölkerungskreise prinzipiell eine aktive Familienpolitik bejaht, werden infolge dieser Regelung gerade beim gewerblichen Mittelstand immer wieder berechtigte Widerstände deshalb wach, weil die finanzielle Regelung ungerecht ist. Die Gesetzgebung ist ungerecht, weil sie Teilen der Bevölkerung Belastungen in einer Art und Weise auferlegt, die mit den sozialpolitischen Zielsetzungen nicht in Einklang steht.Viertens. Noch etwas über die Praxis der Kindergeldgesetzgebung! Als wir das erste Kindergeldgesetz verabschiedeten, befand sich im Gesetz eine Vorschrift, nach der die Regierung bis zum 1. Oktober 1955 durch Rechtsverordnung eine Kindergeldkarte einführen sollte, und zwar, wie es im Gesetz heißt, zur Vermeidung von Doppelzahlungen. Im Jahre 1957 waren wir dann gezwungen, den Termin aus dem Gesetz zu streichen, weil er längst verstrichen war, aber die Notwendigkeit der Kindergeldkarte wurde weiterhin betont. Ist es nicht eine unmögliche Situation, daß, weil eine Kindergeldkarte immer noch fehlt, heute — wie uns Sachverständige erklären — Doppelzahlungen von jährlich 100 000, 200 000 DM und mehr geleistet werden?
— Herr Kollege Winkelheide, das ist nicht meine Meinung, sondern die Angaben habe ich von Sachverständigen, die mit der Durchführung der Gesetze betraut sind.
Doppelzahlungen ergeben sich einfach dadurch, daß bei der gegenwärtigen Regelung keine Möglichkeit besteht, zu kontrollieren, ob in Fällen, in denen mehrere Beschäftigungen vorliegen, weil Mann und Frau arbeiten, für das gleiche Kind mehrere Zahlungen erfolgen. Eine solche Regelung entspricht nicht den Anforderungen, die eine vernünftige und wohlorganisierte Verwaltung stellen muß.Fünftens. Nun zu dem heute Entscheidenden, zur Frage der Finanzierung! Es wird mit Recht immer über die Schwierigkeiten gesprochen, die durch die Beiträge für die Kreise des gewerblichen Mittelstandes entstehen. Aber dessenungeachtet ist die Finanzlage der Familienausgleichskassen, wenn wir den Geschäftsberichten trauen können, keineswegs so ungünstig. Uns liegt der letzte Abschluß — für das Jahr 1957 — vor. Aus ihm ergibt sich folgendes: Einnahmen 565 Millionen DM, Ausgaben 468 Millionen DM, also — nach dem Geschäftsbericht — ein Überschuß von rund 100 Millionen DM.
— Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen, Herr Kollege Atzenroth; ich werde Ihnen darauf erwidern, wenn Sie gesprochen haben.Von diesem Überschuß von rund 100 Millionen DM wurden nur 4 Millionen DM der gesetzlichen Rücklage zugeführt. Der übrige Betrag bleibt als freie Reserve zur Verfügung — —
— Aber, Herr Kollege Winkelheide, wir haben in der gesamten Sozialgesetzgebung eine Praxis mit den Betriebsmitteln. Ich kann Ihnen folgendes sagen: die deutsche Krankenversicherung, um ein Beispiel zu nehmen, hat in ihren besten Zeiten niemals über mehr Betriebsmittel als für einen Monat oder zwei Monate verfügt.Hier haben wir bei der Familienausgleichskasse eine Ansammlung von Vermögensbeständen, die weit über die Aufgabe hinausgeht, die es zu meistern gilt. Denn die Gewährung von Kindergeld ist hinsichtlich Schwankungen, die als Begründung jeder Rücklage gelten, sicher eine sehr stabile Angelegenheit im Vergleich zu den Ausgaben der Krankenversicherung.Der entscheidende finanzielle Gesichtspunkt ist aber der, daß tatsächlich im Jahre 1957 nach dem Rechnungsabschluß ein Beitrag erhoben wurde, der um 20 % über dem tatsächlichen Bedarf lag. Vielleicht liegt das an den Methoden des Beitragseinzugs; das kann ich hier nicht entscheiden. Das Wichtigste ist, daß man jetzt bei einer Beschlußfassung über eine Erhöhung des Kindergelds zu einer Beitragserhöhung kommen muß, wenn der Streichungsantrag der CDU angenommen wird. Zu gleicher Zeit sind nach den Rechnungsabschlüssen 234 Millionen DM Vermögen vorhanden, ein Betrag, der die gesetzliche Rücklage um das Doppelte überschreitet. Das ist finanziell kein gesunder Zustand.Noch eine andere Bemerkung! Es war Herr Kollege Winkelheide, der bei Begründung der Kindergeldgesetze hier im Hause gesagt hat, verwaltungsmäßig sei die Verknüpfung mit dem Aufbau der Berufsgenossenschaften das Einfachste und Billigste. Die Rechnungsergebnisse der Familienausgleichskassen besagen nun folgendes: Im Jahre 1955 haben die persönlichen Verwaltungskosten 6,2 Millionen DM betragen, und sie haben sich im Jahre 1957 auf 9,7 Millionen DM gesteigert. Um 56 % haben sich diese Verwaltungskosten innerhalb von zwei Jahren erhöht! Meine Damen und Herren, wenn das nicht ein Beweis für das immer komplizierter werdende Recht ist, dann müßte man der Verwaltung Vorwürfe machen. Das können wir nicht. Diese Erhöhung der Verwaltungskosten ist vielmehr Ausdruck einer schlechten Gesetzgebung, die die Mehrheit dieses Hauses zu vertreten hat.
Über die grundlegende Reform der Kindergeldgesetzgebung haben wir uns bereits vor Jahren hier im Hause ausgesprochen. Herr Kollege Winkelheide — ich zitiere ihn deshalb, weil er von seinen Freunden der Vater der Kindergeldgesetzgebung genannt wird —,
Sie haben in dem Schriftlichen Bericht vom 25. Juni 1957 in Ihrer Eigenschaft als Berichterstatter folgendes erklärt:Im Hinblick auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war eine grundlegende Erörterung aller Probleme der Kindergeldgesetzgebung nicht möglich.
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Man stand also damals unter dem gleichen Zeitdruck, unter den man uns in diesen Tagen und Wochen — begonnen mit dem Schreiben des Herrn Bundesfamilienministers — wieder gesetzt hat. — Dann heißt es weiter, von Herrn Winkelheide dem Hause dargelegt:Es muß dem 3. Deutschen Bundestag vorbehalten bleiben, die Frage einer grundlegenden Reform der Kindergeldgesetzgebung zu prüfen,...Das, worüber wir jetzt eine Entscheidung zu treffen haben, ist noch keine grundlegende Neuordnung der Kindergeldgesetzgebung, aber ein allererster Schritt, um eine Beitragserhöhung zu vermeiden und öffentliche Mittel zur Stützung der Finanzen bereitzustellen. Deshalb handelt es sich um eine prinzipielle Entscheidung, nämlich darum, ob weiterhin die Gewährung von Kindergeld eine berufsständische Angelegenheit sein oder endlich in die Verantwortung der Allgemeinheit gelegt werden soll.
Das Wort hat der Abgeordnet Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen die bestehende gesetzliche Regelung sind sachliche Bedenken vorgetragen worden, auch aus dem Kreise der Fraktion der CDU/CSU. Ich glaube, dem Hohen Hause und insbesondere den Kollegen der Fraktion der CDU/CSU sollte ein wesentlicher Gesichtspunkt nicht verborgen bleiben. Der 2. Bundestag hat sich seinerzeit sehr eingehend mit dem Gesetzentwurf befaßt. Auch der Rechtsausschuß des Bundestages hatte sich als mitberatender Ausschuß mit dem Entwurf zu beschäftigen. Er hat in seiner 25. Sitzung vom 10. September 1954 mit Mehrheit die Auffassung vertreten, daß ein wesentliches Prinzip des Gesetzentwurfs eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstelle. Aus dieser Erwägung hat der Ausschuß — Frau Kollegin Dr. Weber, Sie nicken zustimmend; ich darf mit Freude feststellen, daß auch Sie sich noch dieser damaligen Erörterungen erinnern — damals in einer Abstimmung seine verfassungsmäßigen Bedenken festgestellt.
— Sie sagen „heute nicht". Der Rechtsausschuß hat sich jetzt im 3. Bundestag mit einer Verfassungsbeschwerde befaßt. Das Plenum hat über den Vorschlag des Ausschusses noch zu entscheiden. Im Ausschuß ging es um die Frage, ob sich der Bundestag zu der verfassungsrechtlichen Problematik des Gesetzes äußern soll. Der Rechtsausschuß hat beschlossen, von einer Stellungnahme Abstand zu nehmen, aber ganz einfach deshalb, weil für einen wesentlichen Teil des Ausschusses die verfassungsrechtlichen Bedenken des 2. Bundestages nach wie vor noch beachtlich sind und nicht als ausgeräumt angesehen werden können. Sie sind nach wie vor noch existent. In einer solchen Situation hat sich
der Rechtsausschuß entschlossen, dieses Gesetz durch eine Beteiligung oder auch eine Äußerung in dem Verfahren nicht besonders zu verteidigen. Aber wie dem auch sei, das entscheidende Faktum, das den Abgeordneten, insbesondere der CDU/CSU- Fraktion, in diesem Augenblick gegenwärtig sein sollte, ist, daß damals bei den Beratungen im 2. Bundestag der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit Mehrheit verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht hat.
Sie stehen nicht nur vor der Frage, ob Sie einem Gesetzentwurf trotz sachlicher Bedenken gewissermaßen die Sanktionierung geben wollen, sondern Sie stehen auch vor der Frage, ob Sie sich über die damals ausgesprochenen und nicht widerlegten verfassungsrechtlichen Bedenken erneut hinwegsetzen wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete .Gaßmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Debatte über das uns vorliegende zweite Änderungsgesetz zum Kindergeldgesetz am letzten Mittwoch ist es immerhin erfreulich, feststellen zu dürfen, daß sich die Gegensätze, die bisher zwischen den Auffassungen der Fraktionen bestanden haben,
— zwischen den Fraktionen, Herr Professor — weitgehend ausgeglichen haben.
Wir haben nun so lange die Gegensätze innerhalb dieses Hohen Hauses in dieser Frage herausgestellt, daß es einen gewissen Fortschritt bedeutet, daß sich in einigen wichtigen Punkten, wenn auch nicht in allen, die Standpunkte genähert haben.Ich finde es nicht richtig, daß das Kindergeldgesetz und seine bisherige Funktion immer wieder in dem Umfang herabgesetzt wird, wie es geschehen ist. Es ist zuzugeben, daß in den ersten beiden Jahren der Anlaufzeit noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchführung dieses für unsere deutschen Verhältnisse neuen und erstmaligen Verfahrens entstanden sind. Diese Anlaufsschwierigkeiten sind aber in den letzten beiden Jahren überwunden worden.Bei der zweiten Lesung ist von allen Seiten in diesem Hause bestätigt worden, daß wir nun endlich so weit seien, die Fragen in aller Ruhe sachlich und ohne parteipolitische Hintergründe erörtern zu können. Erfreulich ist auch die allseitige Zustimmung zu der von meinem Kollegen Schmükker getroffenen Feststellung, daß wir uns darüber einig seien, daß eine Änderung des Systems der Kindergeldgesetze kommen müsse. Meine Damen und Herren, da Sie die Glaubwürdigkeit aller der-
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Gaßmannjenigen, die solche Erklärungen abgegeben haben, immer wieder in Frage stellen, ich darf Ihnen versichern, daß es meinen Freunden ein entscheidendes Anliegen ist, in aller Kürze die notwendigen Verbesserungen zu beraten.
— Nein, nicht heute. So grundsätzliche Fragen wie die des Übergangs von der ursprünglichen, berufsständisch gedachten Regelung zu einer Regelung, wie Sie es vorsehen, nämlich über das Finanzamt und über die Steuer, können nicht aus dem Ärmel geschüttelt werden. Ihre Sprecher haben anläßlich der letzten Beratung selber zugegeben, daß dafür wichtige Vorarbeiten getroffen und daß sorgfältige Untersuchungen angestellt werden müssen, wenn wir nicht von vornherein wieder Stückwerk schaffen wollen. Ich bin mir auch im klaren darüber, daß über das Wie und das Wann dieser Systemänderung in den nächsten Wochen und Monaten in den sachverständigen Gremien, in den Fraktionen — ganz besonders in unserer Fraktion —, vor allen Dingen aber in den Ausschüssen noch eifrig wird diskutiert werden müssen. Wir wollen mit dieser Beratung nicht warten, bis die nun schon seit längerer Zeit laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen beim Arbeitsministerium abgeschlossen sind. Ich bin mir auch klar darüber, daß der Weg über das Finanzamt und die Übernahme der Mittel auf den Bund noch nicht der Weisheit allerletzter Schluß zu sein braucht. Ich glaube, auf diese Systemfrage jetzt im einzelnen nicht eingehen zu sollen, da es sich doch im jetzigen Augenblick um die Erhöhung des Kindergeldes und um die möglichst baldige Auszahlung der erhöhten Beträge an die Empfangsberechtigten handelt.
Wenn der in der jetzigen Fassung des Gesetzes vorgesehene Termin, nämlich der 1. März 1959, eingehalten werden soll, dann ist der heutige Tag aber auch der letzte Zeitpunkt, an dem endgültige Beschlüsse gefaßt werden müssen.
Zu einem Zeitpunkt, in dem es um die Verwirklichung der Erhöhung geht, auf die alle Kindergeldberechtigten warten, kann man nicht grundsätzliche Systemänderungen durch die Anträge, wie sie von der FDP mit Drucksachen 799 und 809 eingereicht worden sind, durchführen.Einmütigkeit besteht auch darüber — das wurde soeben wieder von den Sprechern der Opposition bestätigt —, daß das Kindergeld notwendig ist und daß es von 30 auf 40 DM vom dritten Kind an erhöht werden soll. Meinungsverschiedenheiten zwischen uns bestehen nur noch insofern, als der eine Teil des Hauses glaubt, die Erhöhung rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an in Kraft setzen zu sollen, während der größere Teil sowohl aus organisatorischen wie aus finanziellen Gründen der Meinung ist, daß diese Erhöhung von 40 DM erst ab 1. März 1959 eintreten sollte.Gestatten Sie mir nun bitte, Herr Präsident, daß ich nach diesen allgemeinen Bemerkungen sofort zur Begründung des Antrags übergehe.
Herr Abgeordneter, an sich sind wir noch in der allgemeinen Aussprache. Aber ich nehme an, daß es der Beschleunigung der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs dienlich ist, wenn wir Ihre Ausführungen gleich in einem entgegennehmen.
Ich bin Ihnen dafür dankbar, Herr Präsident.
Über die grundsätzlichen Fragen des Kindergeldgesetzes ist in den letzten Diskussionen so viel von allen Seiten hier gesprochen worden, daß wirklich Neues zu diesem Problem heute nicht mehr gesagt werden kann. Was uns im Augenblick im Hinblick auf die baldige Verwirklichung des uns allen am Herzen liegenden sozialpolitischen Zieles der Besserstellung der Kindergeldberechtigten Sorge bereitet, sind die Schwierigkeiten, die durch den Antrag der FDP — Umdruck 207 — entstehen, der in der zweiten Lesung angenommen worden ist. Diese Schwierigkeiten sollten aus dem Wege geräumt werden.
Der Zweck des von der FDP eingereichten Änderungsantrages sollte doch sein — und dafür haben wir volles Verständnis —, eine weitere Belastung der mittelständischen und lohnintensiven Betriebe, wie sie sich aus dem derzeitigen Aufbringungsmodus der Familienausgleichskassen ergibt und wie sie durch die Erhöhung der Leistungen um 33 % für die restlichen zehn Monate dieses Jahres zwangsläufig eintreten müßte, zu verhindern, und zwar dadurch, daß eine Blockierung der Beiträge der Höhe nach, nach dem Stand vom 31. Dezember 1958 vorgeschrieben wird. Ferner sollte an Stelle einer Beitragserhöhung das bei den Familienausgleichskassen vermutete beträchtliche Vermögen zur Entlastung der Beitragszahler zuerst herangezogen werden. Zweck der Gesetzesergänzung sollte weiter sein, die Bundesregierung unter einen gewissen Druck zu setzen — das wurde auch von Ihnen, Herr Dr. Schellenberg, ausdrücklich bestätigt —, die Untersuchungen über eine Änderung des Systems zu beschleunigen und noch schneller als erwartet die neuen Vorschläge vorzulegen. Auch wir wollen aus diesen widerwärtigen ewigen Diskussionen endlich herauskommen. Auch wir wollen eine Änderung des Systems mit dem Ziel, Erleichterungen für die mittelständischen Betriebe, insbesondere die lohnintensiven Betriebe und eine Entlastung derselben herbeizuführen.
Die Erweiterung, wie sie durch den Antrag Umdruck 207 in das Gesetz hineingekommen ist, sollte doch sicher nicht, das darf ich dem Antragsteller doch wohl unterstellen, die Kindergeldregelung mit fast sofortiger Wirkung ad absurdum führen und die Familienausgleichskassen in aller Kürze lahmlegen.
Aber genau das, meine Damen und Herren, würde — wenn auch ungewollt — eintreten, wenn das Gesetz in der durch die Annahme des FDP-Antrags geänderten Form am 1. März 1959 in Kraft träte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3483
Dr. Schellenberg Herr Kollege Gaßmann, Sie haben soeben von dem „vermuteten" Vermögen der Familienausgleichskassen gesprochen. Sie haben doch auch den Geschäftsbericht vor sich liegen,- in dem das Wort „Vermögensbestand" steht. Wie kommen Sie eigentlich zu der Auffassung, daß es sich um „vermutete" Vermögenswerte handle?
Gestatten Sie, daß ich auf diese Frage nicht sofort antworte; ich werde in wenigen Minuten ohnehin darauf zurückkommen. Ich habe den Geschäftsbericht des Gesamtverbandes für 1957 vor mir liegen, und ich habe ihn sehr genau angesehen. Mir ist diese Position in der Tabelle 2 C Spalte 62 sehr genau bekannt, Herr Kollege Dr. Schellenberg. Lassen Sie mich erst die Einzelbestimmungen des Änderungsantrags Ziffer 4 der Reihe nach behandeln; es gehört in diesem Fall wirklich zur Systematik meiner Begründung.
Da ist zunächst die Bestimmung in § 11 Abs. 4 Satz 1, daß die Beitragssätze nach Abs. 1 und 2 1 v. H. der Lohn- und Gehaltssumme nicht übersteigen dürfen. Mit diesem Höchstsatz von 1 % könnte man, wenn man ihn als Durchschnittssatz für das ganze Bundesgebiet nehmen könnte, was der Formulierung nach allerdings nicht der Fall ist, bei den Familienausgleichskassen im restlichen Kalenderjahr 1959 vielleicht noch zu Rande kommen. Bei den Vorverhandlungen ist von berufener Seite darauf hingewiesen worden, daß man bei einer Höchstumlage von nur 1 % die Kindergelderhöhung mit gutem Gewissen wahrscheinlich nicht schon vom 1. März, sondern erst vom 1. April an durchführen könne, weil auf die restlichen zehn Monate umgerechnet im Bundesdurchschnitt doch eine Erhöhung auf 1,1 % notwendig wäre.
Diese Regelung mit dem Höchstsatz von 1 % hätte aber auch noch die weitere Folge, daß diejenigen Familienausgleichskassen, die im Jahre 1959 noch einen höheren Beitrag als 1 % erhoben hatten, ihren Beitragssatz für 1959 herabsetzen müßten, obwohl sie auf der anderen Seite ihre Leistungen für die nächsten zehn Monate um 33 1/3 % erhöhen müssen.
Sehr viel schwerer wirkt sich dann aber die Bestimmung in Satz 2 des Abs. 4 aus, wonach eine Erhöhung der Beitragssätze über den Stand vom 31. Dezember 1958 hinaus überhaupt nicht stattfinden soll. Dadurch sind die Beiträge nach dem Stand vom Dezember 1958 endgültig blockiert.
Höhere Beiträge dürfen nicht mehr erhoben werden. Das bedeutet, daß im Jahre 1959 von den einzelnen Familienausgleichskassen im Höchstfalle die gleichen Beiträge wie im Vorjahr erhoben werden können. Da am 31. Dezember 1958 bei einzelnen Familienausgleichskassen die Beiträge aber wesentlich niedriger als 1 % der Lohnsumme lagen, geht der jetzt gefaßte Beschluß weit, weit über das hinaus, was der Mittelstandsausschuß des Bundestages mit einer Begrenzung der Beitragshöchstsätze auf 1 % der Lohnsumme beabsichtigt hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Gaßmann, Sie haben gesagt, für einen Teil der Familienausgleichskassen sei der gegenwärtige Beitrag höher als 1 % und für einen anderen sei er gegenwärtig wesentlich niedriger als 1 %.
Danach müßte also eine erhebliche Diskrepanz in der Höhe der Beitragssätze zwischen den einzelnen Familienausgleichskassen bestehen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Regierung erklärt hat, durch den Ausgleich nach § 14 seien praktisch die Unterschiede in den Beitragssätzen weitgehend aufgehoben?
Herr Kollege Dr. Schellenberg, ich habe nicht erklärt, daß ein erheblicher Teil der Ausgleichskassen mehr als 1 % erhebe und ein großer Teil weniger. Ich habe von einzelnen Kassen gesprochen. Fest steht natürlich, daß der größere Teil unter 1 % erhebt. Ich habe weiter ausgeführt, daß diejenigen Ausgleichskassen, die noch über 1 % liegen, ihren Beitrag für 1.99 auf 1 % herabzusetzen haben, obwohl sie ihre Leistungen um 33 1/3 % erhöhen müssen.
Mir ist selbstverständlich auch bekannt, Herr Dr. Schellenberg, daß die Familienausgleichskassen durch ihren internen Ausgleich sichergestellt haben — und zwar schon im Jahre 1957 —, daß die leistungsschwachen und die leistungsstarken Familienausgleichskassen nicht mehr als 10% über bzw. unter dem Bundesdurchschnittshebesatz umlegen müssen. Trotzdem ist die Tatsache zu verzeichnen, daß es Kassen gegeben hat, die im Jahre 1958 mehr als 1 % erhoben haben.Da im Jahre 1958 durchschnittlich monatlich 48 Millionen DM Kindergeld auszuzahlen waren und daher wegen des grundsätzlich bestehenden Umlageprinzips Beiträge im Jahre 1958 nur etwa in dieser Höhe erhoben worden sind, würde durch diesen Beitrag für 1959 auch nur die gleiche Summe — 48 Millionen DM — umgelegt werden können. Da die Erhöhung des Kindergeldes vom dritten Kind an auf 40 DM in diesem Hause doch nicht mehr strittig ist, muß von dem Bedarf ausgegangen werden, den die Familienausgleichskassen für die erhöhte Leistung, nämlich 40 DM, haben. Das sind aber monatlich rund 61 Millionen DM, also 13 Millionen DM monatlich mehr, als bisher umgelegt worden ist. Dieser Fehlbetrag von insgesamt 13 Millionen DM pro Monat im Jahre 1951 soll nach dem neuen Abs. 5 des § 11 aus dem Vermögen der Familienausgleichskassen, gegebenenfalls durch Kassenkredite des Bundes, gedeckt werden.Nun, Herr Dr. Schellenberg, komme ich zu der Frage, von der ich versprochen habe, ich würde sie Ihnen beantworten. Die FDP ging bei der Formu-
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3484 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Gaßmannlierung ihres Änderungsantrages davon aus — ich habe wenigstens den Eindruck —, daß die Familienausgleichskassen in den letzten Jahren ein erhebliches Rücklagevermögen angesammelt hätten, das nun zuerst einmal aufgetaut werden sollte.
— Sonst können Sie ja nicht von erheblichem Vermögen sprechen.
Auch von Ihnen selbst ist der Betrag von 220 Millionen DM genannt worden. Ich komme darauf zurück.Wenn Sie den Geschäftsbericht einsehen, werden Sie feststellen, daß in der Ubersicht der Familienausgleichskassen über den Vermögens- und den Rücklagenbestand — es ist, glaube ich, die Tabelle Nr. 2 c in der Spalte 62 — ein Vermögensbestand von 220 oder 221 Millionen DM ausgewiesen wird. In der Spalte 65 derselben Ubersicht wird außerdem noch ein Rücklagevermögen in Höhe von etwas mehr als 13 Millionen DM aufgeführt.Bei den von Ihnen, Herr Professor Schellenberg, genannten 220 Millionen DM handelt es sich in Wirklichkeit aber überhaupt nicht um Vermögenswerte. Sie sind zwar in der Ubersicht so bezeichnet. Es müßte aber heißen ,,Betriebsmittelfonds" und nicht „Vermögenswerte". Es handelt sich also nicht um Vermögenswerte, die fest angelegt oder gehortet worden wären, sondern um den Betriebs-mittelstock, der auf Grund des § 29 des Kindergeldgesetzes in Verbindung mit den §§ 732 und 735 a der Reichsversicherungsordnung in Verbindung mit den entsprechenden Satzungsbestimmungen gebildet werden mußte, der in den letzten Jahren systematisch durch zusätzliche Umlagen angesammelt wunde und der das Sechsfache des Monatsbedarfs an Kindergeld betragen kann.Der Betriebsmittelstock, von dem das Gesetz ausdrücklich spricht, dient dazu, die Zeiten zu überbrücken — und das scheint man bei Ihnen, Herr Dr. Atzenroth, nicht erkannt zu haben —,
in denen Umlagebeträge von den Unternehmern zwar angefordert, aber noch nicht eingegangen sind. Es ist doch auch Ihnen, der Sie mit den Berufsgenossenschaften und Familienausgleichskassen zu tun hatten, bekannt, daß es immer etwa 3 bis 4 Monate dauert, bis die nach dem Stande vom 31. Dezember des vorausgegangenen Jahres aufzustellenden Lohnnachweisungen bei den Familienausgleichskassen eingegangen sind, die Beitragssätze beschlossen, die Beitragsrechnungen hinausgesandt werden und die Zahlungen darauf eingehen. Die Gelder des Betriebsmittelstocks sind also gewissermaßen — passen Sie gut auf, Herr Dr. Schellenberg — treuhänderisch geleistete Vorschüsse — merken Sie sich diesen Begriff — der Aufbringungspflichtigen an die Familienausgleichskassen, die im Falle einer Auflösung der Familienausgleichskassen, also im Zeitpunkt der etwaigen Schaffung eines völlig andersartigen Systems beider Festsetzung der Beitragsdauer für das letzte Jahr in voller Höhe abgesetzt und damit wieder zurückerstattet werden müßten.
Herr Abgeordneter Gaßmann, gestatten Sie dazu noch eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Gaßmann, ist Ihnen nicht aus Ihrer sozialpolitischen Praxis bekannt, daß sämtliche Sozialleistungsträger, von den Krankenkassen bis zu den Rentenversicherungsträgern, mit Betriebsmitteln auskommen, die nicht höher sind als der Bedarf für ein oder zwei Monate? Ist es nicht ein Fehler des Systems, daß bei den Familienausgleichskassen — nach Ihrer Auffassung — Betriebsmittel für sechs Monate und mehr dringend benötigt werden?
Herr Kollege Schellenberg, Sie verkennen mit dieser Frage die Systematik und das Verfahren bei den Familienausgleichskassen vollkommen.
Bei allen anderen Sozialversicherungsträgern, bei den Krankenkassen, bei den Rentenversicherungsträgern, bei der Arbeitslosenversicherung, kommen die Gelder fast täglich, zumindest in vierzehntägigen Abschnitten, herein. Diese wissen, daß sie monatlich über ganz bestimmte Geldeingänge werden verfügen können. Bei den Berufsgenossenschaften liegen die Dinge doch ganz anders.
— Das hat doch mit dem System gar nichts zu tun. Wenn feststeht, daß es bei den Berufsgenossenschaften die Regel ist, Vorschüsse oder auch endgültig festgesetzte Beiträge nur etwa in vierteljährlichen oder in halbjährlichen Raten einzuziehen, dann ist es gar nicht anders zu machen, als daß man auf die Lohnnachweisungen, die jeweils auf den 31. Dezember eines Jahres angefordert werden, zurückgreift. Denn nur dann können die Vorschüsse und Beiträge in vierteljährlichen oder halbjährlichen Raten eingezogen werden.Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß diese in halbjährlichen Raten angeforderten Beitragsvorschüsse, Betriebsmittel sind, die nicht als Vermögen bezeichnet werden können. Dieser Betriebsmittelfonds ist bei den einzelnen Familienausgleichskassen auch ganz verschieden hoch, je nachdem, ob die Beiträge in monatlichen — das ist selten der Fall —, in vierteljährlichen, in halbjährlichen oder in jährlichen Raten eingezogen werden. Erhebt z. B. eine Familienausgleichskasse ihren Beitrag in zwei Halbjahresraten jeweils auf den 1. August und auf den 1. Februar, so ist ihr Betriebsmittelfonds nach dem
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Gaßmann Bilanzstichtag des 31. Dezember des vorausgegangenen Jahres fast völlig aufgebraucht und wird erst wieder mit der am 1. Februar des neuen Jahres eingehenden Zahlung aufgefüllt.Der Betriebsmittelfonds, meine Herren von der FDP, kann also unmöglich durch die Abdeckung der Defizite langsam aufgezehrt werden. Dies würde nach ganz kurzer Zeit zur völligen Funktionsunfähigkeit der Familienausgleichskassen und ihres Gesamtverbandes führen.Diesem Irrtum scheint auch der Bund der Steuerzahler unterlegen zu sein, oder sollten Sie, Herr Dr. Atzenroth, dem Irrtum des Bundes der Steuerzahler unterlegen sein? Es ist nicht richtig, wenn der Bund der Steuerzahler den Betriebsmittelfonds, dessen Höhe Monat für Monat wechselt und der bis auf einen kleinen Restbetrag zusammenschrumpfen kann, als ein Juliustürmchen anspricht.Als wirkliches Vermögen, das für die Deckung der Fehlbeträge von monatlich 13 Millionen DM herangezogen werden könnte, kommt nur die echte Rücklage der Familienausgleichskassen in Betracht, die, wie bereits gesagt, am 31. Dezember 1957 im Geschäftsbericht mit 13 Millionen DM ausgewiesen ist. Nach den Schätzungen des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen dürfte sie am 31. Dezember etwa auf 18 Millionen DM angewachsen sein. Das ist ein sehr viel geringerer Betrag als die von dem Herrn Kollegen Dr. Schild für diesen Termin genannte Reserve von 50 Millionen DM.Die Tatsache, daß nur der Betrag von 13 bzw.18 Millionen DM zur Verfügung steht, bedeutet, daß der vorbezeichnete Fehlbetrag von monatlich 13 Millionen DM durch die Rücklagen nur für rund 1 1/2 Monate gedeckt werden könnte.
Für die Restzeit des Jahres 1959 entstünde also einmonatlicher Fehlbetrag in der angegebenen Höhe.Wenn das Gesetz zum 1. März 1959 in Kraft gesetzt würde, könnte der Fehlbetrag nur für den Monat März und für den halben Monat April gedeckt werden.
Für die restliche Zeit des Jahres entsteht ein Fehlbetrag von rund 110 Millionen DM. Zur Deckung dieses Fehlbetrages sind aber keinerlei Mittel vorhanden.Der angenommene Antrag auf Umdruck 207 sieht als zweite Möglichkeit die Aufnahme von Krediten vor. Das ist nach Auffassung der Familienausgleichskassen kein gangbarer Weg, und die ehrenamtlichen Organe der Selbstverwaltung haben bereits erkennen lassen, daß sie nicht bereit sind, einen derartigen Kreditvertrag mit dem Bund abzuschließen. Das würde doch nur wieder bedeuten, daß die aufgenommenen Kassenkredite irgendwie zurückgezahlt werden müssen. Nun steht aber fest, daß die Beiträge, die noch erhoben werden können, schon zur Deckung des Bedarfs an Kindergeld nicht mehr ausreichen. Da eine Erhöhung des Hebesatzes verboten ist, stände schon bei Abschluß des Kreditvertrages fest, daß Geldmittel für die Rückzahlung der Schulden nie vorhanden sein werden. Die Familienausgleichskassen wären also gezwungen, eines Tages den Konkursantrag zu stellen.
Herr Abgeordneter Gaßmann, dazu möchte offenbar Herr Schellenberg noch etwas von Ihnen hören.
Herr Kollege Gaßmann, ist Ihnen bekannt, daß die Finanzierung einer so wichtigen Leistung wie der Altershilfe für Landwirte ohne jedes Vermögen praktisch nur auf dem Wege einer solchen Kreditgewährung erfolgt?
Sie können die Kreditgewährung an die Altershilfe der Landwirte, bei der es sich um eine Anlaufmaßnahme handelt, nicht mit den Bestimmungen und den Verhältnissen vergleichen, wie sie hier vorliegen.
— Man sollte meinen, daß er das weiß.
Sie wissen genau, daß die Familienausgleichskassen für ihre Anlaufzeit ebenfalls Kassenkredite bekommen haben und in Anspruch nehmen mußten, was Ihnen Arger und Kummer genug gemacht hat. Nun aber die Alterskassen, die erst seit kurzem bestehen, mit einer so gut eingespielten Einrichtung, wie sie heute tatsächlich die Familienausgleichskassen sind, zu vergleichen, ist einfach abwegig.Meine Damen und Herren, es ging mir darum, Ihnen durch diese Darstellung des Verhältnisses zwischen Betriebsmittelfonds und echtem Rücklagevermögen darzulegen, daß es eine unmögliche und undurchführbare Konstruktion ist, die in dem Antrag der FDP vorgeschlagen wird, eine Konstruktion, die man Selbstverwaltungsorganen ebensowenig zumuten sollte, wie man einem ehrbaren Kaufmann solche Dinge zuzumuten sich gar nicht gestatten würde.
Die Folge des Beschlusses des Bundestages vom 18. Februar 1959 würde sein, daß die Familienausgleichskassen sofort sämtliche Zahlungen an den Gesamtverband für den landwirtschaftlichen Zuschuß, für Erstattungen an die Arbeitsämter und für den eigenen internen Lastenausgleich einstellen würden, was etliche Kassen auch bereits erklärt haben.
Da der Gesamtverband aber über eigene Mittel nicht verfügt und darauf angewiesen ist, die für die genannten Zwecke notwendigen monatlich etwa 12 Millionen DM betragenden Gelder von den Familienausgleichskassen zu erhalten, würde es, wenn diese Bestimmung in der zweiten Lesung drinbleibt, ab sofort eine Zahlung der hier in Betracht kommenden Beträge unmöglich machen. Es könnte also auch den landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen ab sofort der gesetzlich vorge-
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Gaßmannschriebene Zuschuß von monatlich 6 Millionen DM — in Zukunft werden es 8 Millionen DM sein — nicht mehr gezahlt werden. Die landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen — nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, Herr Dr. Atzenroth — würden also voraussichtlich in spätestens zwei Monaten die Zahlung von Kindergeld einstellen müssen.
— Es ist keine Verdrehung, das sind Tatsachen.Ich glaube, daß es für denjenigen, der die Dinge wirklich richtig verstanden hat, keiner weiteren Ausführungen darüber mehr bedarf, daß damit geradezu ein chaotischer Zustand bei den Familienausgleichskassen heraufbeschworen würde.
Zweifellos haben Sie diese Konsequenzen auch eingesehen; denn sonst hätten Sie heute nicht den auf Umdruck 229 vorliegenden Antrag eingebracht, wonach in einem neuen § 36 a des Kindergeldgesetzes die Tilgung der Kassenkredite geregelt werden soll. Der in dem vorgeschlagenen neuen § 36 a für die Tilgung vorgesehene Weg bedeutet in Wahrheit die Deckung des Defizits der Familienausgleichskassen durch Bundeszuschüsse. Gegen eine soche Regelung bestehen nach der Überzeugung meiner Freunde allerschwerste Bedenken. Sie würde in dem jetzt noch bestehenden System des Kindergeldgesetzes, das auf der Selbstverwaltung, auf der Mittelaufbringung durch Umlage bei den Mitgliedern der Familienausgleichskassen und auf einem zentralen Ausgleich der Belastungsunterschiede zwischen den einzelnen Familienausgleichskassen beruht, zu einem derartigen Fremdkörper, daß man mit den größten Schwierigkeiten bei der Durchführung des Kindergeldgesetzes rechnen müßte.
Schon die zu erwartenden Reibungen zwischen der Selbstverwaltung und dem Bundesrechnungshof — die Familienausgleichskassen können davon ein Liedchen singen —, dessen Einschaltung die Gewährung von Bundeszuschüssen zur Folge hätte, dürften recht unerfreulich sein. Eine weitere Folge, die durch die Einschaltung des Bundeszuschusses eintreten würde, wäre, daß die bisher bestehende Rechtsaufsicht über die Familienausgleichskassen, die sich darauf beschränkt, zu prüfen, ob Gesetz und Satzung beachtet werden, auf dem Umweg der Einschaltung des Bundesrechnungshofs zur Sachaufsicht würde. Sie würde damit aber auch zur Entmündigung der Selbstverwaltung führen. Die Selbstverwaltung hat schon erklärt, daß sie sich auf solche Dinge nicht einlassen kann.Es entstehen noch weitere Schwierigkeiten. Es ist doch für die Zukunft nicht anzunehmen, daß die Familienausgleichskassen noch generell Beitragsbefreiung nach ihrem Ermessen, über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehend, vornehmen dürften, wie es heute bei zahlreichen Familienausgleichskassen der Fall ist. Es ist aber auch nicht vorstellbar, daß dann überhaupt noch ein zentraler Ausgleich zwischen den gewerblichen Familienausgleichskassen zustande käme, in dessen Rahmen sich bisher die geringer belasteten Familienausgleichskassen freiwillig bereit gefunden haben, sehr erhebliche Beträge als Zuschüsse für die stärker belasteten zur Verfügung zu stellen, weil nämlich dann die stärker belasteten Kassen ohnehin mit der Gewährung eines Bundeszuschusses rechnen könnten.Eine weitere Ungerechtigkeit kommt hinzu in dem allerdings seltenen Fall, daß Familienausgleichskassen — und das kommt vor, wie Sie feststellen werden, wenn Sie sich einmal die Übersichten für Dezember 1958 genau durchsehen — verschuldet sind, weil sie nicht genügend Betriebsmittel eingezogen, sondern Bankkredite in Anspruch genommen hatten. Es wäre meines Erachtens im Verhältnis zu den Kassen mit einer vorsichtigen Finanzpolitik nicht zu rechtfertigen, wenn diese Schulden aus Mitteln des Bundeshaushalts gedeckt würden, was nach der in den beiden Anträgen vorgesehenen Regelung doch der Fall wäre.Aus diesen voraussichtlichen Folgen eines Bundeszuschusses ergibt sich auch, daß dieser beträchtlich höher sein würde, als sich an Mehrbedarf bei allen Familienausgleichskassen nach der seitherigen Regelung zusammen ergibt.Schließlich darf aber auch noch darauf hingewiesen werden, daß es sich bei dem Änderungsantrag Umdruck 229 um eine Finanzvorlage handelt, die erst noch dem Haushaltsausschuß überwiesen werden müßte, wodurch das Inkrafttreten des Zweiten Kindergeldänderungsgesetzes wieder hinausgeschoben würde.
— Nach Ihren Zwischenrufen könnte man fast annehmen, daß hinter Ihrem Antrag eine solche Absicht versteckt sein könnte.
Da könnte ich doch zu der Vermutung kommen, daß Sie wahrscheinlich den Hintergedanken haben, dieses Gesetz, das am 1. März in Kraft treten sollte, auf diesem Umwege zu 'torpedieren.
Ich hoffe, diese Ausführungen haben Ihnen gezeigt, daß der in den beiden Anträgen vorgezeichnete Weg nicht gangbar ist, weil er binnen wenigen Wochen zum Zusammenbruch des jetzt noch geltenden Kindergeldsystems führen muß. Ich darf immer noch unterstellen, daß Sie diese Schlußfolgerung ernstlich nicht gewollt haben. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 235 zuzustimmen, durch den die vom Sozialpolitischen Ausschuß beschlossene Fassung wiederhergestellt werden soll. Ich stelle weiterhin den Antrag, den Änderungsantrag der FDP Umdruck 229 abzulehnen. Sie schaf-
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Gaßmann fen damit die Möglichkeit, die Neuordnung dieses komplizierten Rechtsgebietes innerhalb einer angemessenen Zeit mit der gebotenen Gründlichkeit vorzubereiten und den Kindergeldempfangsberechtigten die neuen erhöhten Sätze termingerecht auszuzahlen.Ich beantrage namentliche Abstimmung über unseren Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht so lange mit dem Zahlenmaterial befassen wie mein verehrter Herr Vorredner, sondern nur feststellen, daß sich seit der zweiten Lesung doch grundsätzlich etwas geändert hat. Zu dieser Änderung der wirtschaftlichen und finanziellen Betrachtung der Dinge möchte ich etwas sagen. Denn wir wissen jetzt erst, daß die Erklärung der Regierungsvertreter im Mittelstandsausschuß über die durch die Kindergeldreform eintretende Belastung nicht richtig war.
Im Mittelstandsausschuß hat der Regierungsvertreter eindeutig erklärt: Wenn der Termin 1. Märzeingehalten wird, wird keine erhöhte Belastung — auf Grund der bisherigen Beiträge für das Kindergeld — eintreten.
Von dieser Basis sind die Beratungen im Mittelstandsausschuß überhaupt ausgegangen.Ich möchte noch mein Bedauern über den Stil zum Ausdruck bringen, in dem die ganze Materie behandelt worden ist. Ich bin überzeugt, wenn der Sozialpolitische Ausschuß zusammen mit dem Mittelstandsausschuß die verschiedenartigen Erklärungen der Regierungsvertreter gehört hätte, wären wir wahrscheinlich in einer gemeinsamen Verhandlung von Sozialpolitischem Ausschuß und Mittelstandsausschuß zu irgendeiner Lösung gekommen. Da wir aber getrennt verhandelt haben und der Mittelstandsausschuß dem Sozialpolitischen Ausschuß lediglich seine Auffassung schriftlich geben konnte, war eine kontradiktorische Verhandlung der Experten untereinander nicht möglich.Sie sind also auch in den beiden Ausschüssen von verschiedenen Voraussetzungen ausgegangen. Das belastet die Diskussion, und das belastet letzten Endes auch die politische Entscheidung. Der Vertreter der Regierung hat im Mittelstandsausschuß die Erklärung abgegeben, daß durch die Erhöhung des Kindergeldes von 30 auf 40 DM mit Termin 1. März keine Beitragserhöhung erforderlich sei. Diese Erklärung ist nach seinen Worten auch mit dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen abgestimmt. Sie widerspricht dem jetzigen Tatbestand, der sich nun durch das neue Material nach der zweiten Lesung für uns ergibt.
Ich stelle fest, daß im Regierungsentwurf von einer Beitragserhöhung von 0,28 % die Rede war. Ich stelle fest, daß der Regierungsvertreter im Mittelstandsausschuß erklärt hat, die Beitragserhöhung von 0,28 % komme nicht in Frage, wenn der 1. März als Termin eingeführt werde, Ich stelle drittens fest, daß in einer neuerlichen Vorlage des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen — und zwar der Geschäftsführung — vom 21. Februar die Zahlen genannt werden, die soeben der Kollege Gaßmann vorgetragen hat, nämlich daß tatsächlich eine Erhöhung der Leistungen um 13 Millionen DM pro Monat erforderlich ist. Relativ zum Beitragsaufkommen bedeutet das ab 1. März eine Beitragserhöhung für die zehn Monate von 20 % der bisherigen Beiträge.
Ich stelle das ausdrücklich fest. Das sind die Zahlen des Herrn Lauterbach. Also auch Herr Lauterbach kommt, im Mittel gesehen, mit den bisherigen Beiträgen — die zwischen 0,8 % und 1,4 % der Lohnsumme schwanken — in seinen Familienausgleichskassen ab 1. März nicht hin, sondern es muß in der Relation zu der Mehrbelastung von 13 Millionen DM pro Monat eine Beitragserhöhung erfolgen.
Da frage ich die anwesenden Vertreter des selbständigen Mittelstandes, ob sie es nach den Jahren 1954, 1955, 1956, 1957 bis heute verantworten können, eine Erhöhung der bisherigen Beiträge, wenn auch nur um 200/o, zuzulassen.
Ich möchte betonen, daß eine derartige Beitragserhöhung den Glauben an eine gerechte Lastenverteilung, an eine Gerechtigkeit in der Lastenaufbringung und damit auch an die Grundzüge einer aktiven und konstruktiven Mittelstandspolitik restlos untergräbt.
Das sage ich auch als Mitglied der Koalition. Sie wissen, daß wir, historisch gesehen, in dieser Frage nicht koalitionstreu sind, weil uns die Situation der Selbständigen mehr am Herzen liegt als Ihnen.
Diese ewige Überrundung der Selbständigen und die Disparitäten, die sich dadurch zwischen den Selbständigen und der Großwirtschaft einerseits, aber auch zwischen den Selbständigen und der Arbeitnehmerschaft andererseits ergeben, macht meine Fraktion nicht mit.
Es hat also keinen Sinn, sich über die Tatsachen zu unterhalten und hier noch mit großen Zahlen zu operieren, ob das Vermögen der Familienausgleichs-
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3488 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1950
Dr. Schildkassen mit in die Waagschale geworfen werden oder ob es bei dem bisherigen System bleiben kann. Ich stelle nur fest, daß Ihr Entschließungsantrag am System nichts ändert, daß Ihr Entschließungsantrag, wonach lediglich die Frage der Lohnintensität überprüft werden soll, keinem Menschen in der Öffentlichkeit die Möglichkeit gibt, zu erkennen, ob Sie am System der Familienausgleichskassen etwas ändern wollen — am System, d. h. über die Aufbringung der Beiträge im Rahmen einer Selbstverwaltungskörperschaft — oder ob Sie das ganze Lastensystem auf eine völlig andere Ebene — wie es auch in unseren Anträgen gefordert ist —, nämlich auf die Ebene der öffentlichen Haushalte und damit der Finanzämter und der Finanzverwaltung bringen wollen.
— Sie werden dann relativ weniger bezahlen als im Augenblick, wo sie es ganz allein bezahlen. Weil das so ist und weil sie jetzt ganz allein bezahlen, bedeutet jedes andere System für sie nur eine Verbesserung.
Wenn irgendwie erkennbar wäre, welche letzten Vorstellungen die CDU in ihrem Entschließungsantrag wirklich hat, ließe sich über all das noch reden. Da Sie das aber nicht zu erkennen geben, ist jede Beitragserhöhung, die sich aus der Art der von Ihnen gestellten Anträge ergeben würde, abzulehnen. Sie wollen den in der zweiten Lesung gefaßten Beschluß rückgängig machen — anders kann ich diesen Antrag nicht auffassen —, und zweitens fordern Sie in Ihrem Entschließungsantrag, die Frage der Lohnintensität zu überprüfen und daraus neue Schlüsse zu ziehen. Diese Beitragserhöhung wird in der Öffentlichkeit und bei den selbständigen Gewerbetreibenden, von den Angehörigen der freien Berufe und all denen, die selbständig sind und zu den Lasten des Kindergeldgesetzes herangezogen werden — soweit sie nicht unter die Befreiungsgrenze fallen — und diese Lasten tragen müssen, sei es aus eigenem Einkommen, sei es auf der Basis der Lohnsumme, abgelehnt. Da nicht zu erkennen ist, welche letztgültige Vorstellung Sie von diesen Dingen haben, wird meine Fraktion Ihren Antrag ablehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren, nachdem man die Ausführungen des Kollegen Gaßmann gehört hat — er hat wohl seine Jungfernrede hier gehalten —, kann man die Haltung der CDU- Fraktion wirklich nicht mehr verstehen.
Er hat zum wievielten Mal wiederholt: Wir sehen ein, das Gesetz, das jetzt besteht, ist schlecht.
— Aber dann legt man doch ein anderes Gesetz vor, wenn das erste schlecht oder falsch ist! Sie wollen— das war mindestens zum sechsten Male; der Kanzler hat es angekündigt, Minister Wuermeling hat es angekündigt und wer sonst noch alles, zum soundsovielten Mal — ein anderes Gesetz. Damit erwecken Sie doch bei den betroffenen Kreisen, die sich über das jetzt bestehende Gesetz beklagen, den Eindruck, als ob Sie in der Richtung gehen wollten, die wir zu wiederholten Malen aufgezeigt haben: Verlagerung aus der berufsständischen Sphäre mit ihrer eng umrissenen Belastung von Kreisen, deren Schwierigkeiten Sie, Herr Gaßmann, nicht so stark empfinden können wie andere Kollegen in Ihrer Fraktion, auf die Allgemeinheit.Diesen Eindruck erweckten Sie und haben Sie auch jetzt wieder erweckt. Aber Zwischenrufe, die hier gefallen sind, lassen mich wieder einmal bedenklich werden und bei mir die Vermutung aufkommen, daß Sie doch etwas ganz anderes wollen. Und das sollten Sie einmal ganz deutlich hier sagen: soll Ihr neues Gesetz in der Richtung gehen, in der unsere Vorschläge gemacht worden sind, oder wie soll es aussehen? Wie wollen Sie ihr schlechtes Gesetz verändern und verbessern? Das sollten Sie deutlich sagen, und zwar Ihren Kollegen, nicht uns. Wir wissen, um was es sich handelt. Aber Sie sollten die Kollegen Ihrer Fraktion nicht im unklaren lassen. Die Angehörigen des Mittelstandes innerhalb der CDU/CSU-Fraktion sollten nicht weiterhin den Eindruck haben: Wir, die CDU/CSU, werden ja demnächst ein Gesetz vorlegen, das uns Erleichterungen bringt. Ich habe das Gefühl, daß Sie das gar nicht wollen.
Aber wir wollen das.Warum, Herr Gaßmann, wollen Sie mit Ihrem Gesetz warten? Sie wollen es doch „in aller Kürze" einbringen! Wenn es in der Richtung liegt, die hier, wie ich glaube, von der Mehrheit des Hauses gewünscht wird, nämlich Verlagerung auf die allgemeine Finanzgrundlage, — warum wollen Sie dann warten? Was heißt denn „in aller Kürze" ? Vor vier Jahren hat man uns schon etwas in aller Kürze angekündigt, und nichts ist bisher geschehen. Wir werden jedesmal unter Druck gesetzt.
— Aber lieber Herr Horn, unser Gesetzentwurf hängt so eng mit diesen Fragen zusammen, daß man das gar nicht auseinanderhalten kann. Ich komme im wesentlichen auf den Antrag zurück, den Herr Gaßmann begründet hat, der auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage lautet. Dadurch, daß Sie diesen Antrag gestellt haben, haben Sie eigentlich die Richtung aufgezeigt. Wenn dieser Antrag angenommen wird, bleibt das schlechte Kindergeldgesetz für Jahre hinaus bestehen. Dann ist der Zeitpunkt für eine Änderung verpaßt. Hierin liegt der Sinn unseres Antrags, von dem immer so gesprochen wird, als ob es nur ein FDP-Antrag wäre. Ich erinnere daran, daß dieser Antrag nicht nur mit den Stimmen der FDP, der DP und der SPD, sondern auch mit den entscheidenden Stimmen aus Ihrer Fraktion angenommen worden ist.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3489
Dr. AtzenrothWelcher Grund liegt vor, daß sich diese Kollegen aus Ihrer Fraktion jetzt anders verhalten? Das haben Sie uns nicht sagen können.Herr Gaßmann, Sie haben unseren Vorschlag — d. h. den Vorschlag, der von Ihren Kollegen mit angenommen worden ist; denn ohne Ihre Kollegen hätten wir die Mehrheit nicht bekommen können — mit einer etwas ungewöhnlichen Schärfe kritisiert. Sie haben ihn aber völlig falsch ausgelegt. Sie haben uns unterstellt, wir hätten die Dinge nicht richtig erkannt.
— Herr Gaßmann, wir beide kennen uns genug. Sie können mir also schon zutrauen, daß ich die Dinge genau erkannt habe.
— .Dieses Nachschieben ist doch nur eine Verdeutlichung dessen, was eigentlich schon im Antrag steht,
was bloß nach Gesetzestechnik in das Gesetz über die Auflösung der Familienausgleichskassen gehört hätte. Nur damit auch Ihnen jeder Vorwand genommen wird, haben wir den Antrag eingebracht. Wir haben doch aus der Rede von Herrn Gaßmann gehört, daß Sie nach Vorwänden suchen. Diese Vorwände vom Zusammenbruch der Familienausgleichskassen sind doch an den Haaren herbeigezogen. Herr Gaßmann, ich bin selber für eine Familienausgleichskasse verantwortlich und ich fühle mich auch dafür verantwortlich, aber ich muß sagen: an einen Zusammenbruch ist in keiner Weise zu denken. Derartiges haben Sie doch nur hier vorgetragen, um diejenigen Ihrer Kollegen, die mit uns gestimmt haben, auf die andere Seite zu bringen.Ich, will Ihnen erläutern, was unser Antrag — der angenommene Antrag — bedeutet. Er bedeutet allerdings — und das muß mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden —: Das neue Gesetz muß am 1. Januar 1960 dasein.
Das ist eine Voraussetzung. Wenn Sie Ihr Gesetz erst im Jahre 1963 schaffen wollen, dann ist unser Antrag natürlich hinfällig.
Unter dieser Voraussetzung müssen Sie unseren Antrag verstehen.Und jetzt, Herr Gaßmann, einmal die finanzielle Seite. Die Mittel für die 30 DM Kindergeld, die zu zahlen sind, sind automatisch da. Darüber brauchen wir nicht zu reden, und daran wird durch unseren Antrag nichts geändert. Folglich müssen Sie Ihr ganzes Zahlenspiel auf die zusätzlichen 10 DM proMonat abstellen. Wenn wir am 1. März anfangen, dann haben wir tatsächlich — Sie haben selber gesagt: Betriebsmittelstocks, nicht Vermögen — Betriebsmittelstocks, die ein halbes Jahr reichen.
— Das sollen sie ja auch! Sie sollen ja in diesem halben Jahr aufgezehrt werden. Denn wenn wir am 1. Januar 1960 das neue Gesetz haben, dann brauchen wir kein Vermögen mehr. Das sind nicht die 200 Mio. DM. Wenn diese in diesem Bericht als Betriebsvermögen standen, dann war das ein Fehler; darin gebe ich Ihnen vollkommen recht. Das Betriebsvermögen ist verhältnismäßig klein. Aber Betriebsvermögen und Betriebsmittelstocks sollen aufgezehrt werden. Herr Gaßmann, diese Mittel brauchen nur für 10 DM in Anspruch genommen zu werden, nicht für die Kindergeldzahlung von 40 DM pro Kind. Infolgedessen reichen sie weitaus länger als für die normale Zahlung. Ein Betriebsmittelstock für ein halbes Jahr — das ist eine Seltenheit; aber sagen wir: für ein Vierteljahr — —
— Wenn er für ein Vierteljahr für 30 DM reicht, dann reicht er für 10 DM dreimal so lange.
— Ich bitte Sie, an den 30 DM ändert sich doch nichts. Die alten Beiträge werden doch weiter erhoben. Und aus den weiter erhobenen alten Beiträgen kann ich 30, DM immer weiterzahlen. Um diese Zahl geht es doch gar nicht. Es geht doch nur um den Erhöhungsbetrag von 10 DM, und der ist mit Leichtigkeit aus dem Betriebsmittelstock und aus dem Vermögen aufzubringen. Nur für die seltenen Fälle, daß bei einer besonders ungünstigen Familienausgleichskasse — bei den freien Berufen usw. — dieser Stock doch nicht reichen sollte, haben wir die Kassenkredite der Bundesregierung angefordert. Ich gebe Ihnen recht, Herr Gaßmann, daß die Gewährung dieser Kassenkredite in den Fällen, wo keine Betriebsmittel und kein Vermögen mehr da sind, wie es unser neuer Antrag, den ich jetzt gleichzeitig begründe, vorsieht, tatsächlich eine Belastung des Haushalts ist. Aber das ist ein ganz kleiner Betrag. Aus meiner Erfahrung in diesem Hause, Herr Gaßmann, sage ich Ihnen, daß wir Dutzende, ich möchte sagen: Hunderte von Gesetzen gemacht haben, bei denen es sich um weitaus größere Beträge gehandelt hat, ohne daß wir den Haushaltsausschuß eingeschaltet haben.
Wenn Sie mit Ihrer Mehrheit eine Verzögerung über den 1. März hinaus nicht zulassen wollen — wir wollen sie auch nicht —,
können Sie sie. mit Leichtigkeit verhindern. Der Schwarze Peter der Verzögerung, Herr Gaßmann, ist uns also zu Unrecht zugeworfen worden. Wir wollen keine Verzögerung. Wir wollen das Gesetz
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Dr. Atzenrotham 1. März in der Form in Kraft treten lassen, wie es jetzt nach der zweiten Lesung aussieht, mit unserem Zusatzantrag zu § 36. So ist es durchaus praktikabel, aber — ich wiederhole es — unter der Voraussetzung, daß es am 1. Januar 1960 ausläuft und daß bis zu diesem Zeitpunkt ein neues, besseres, vernünftiges Gesetz gemacht worden ist. Wir haben ein solches vorgelegt.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir ein paar Sätze zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Gaßmann. Sie haben einige Schwierigkeiten zu Recht aufgezählt. Das ist jedoch nur ein Teil der Schwierigkeiten, die bei den Familienausgleichskassen bestehen, die wir schon vor Jahren erkannt und immer wieder hier angeprangert haben. Aber Sie sind immer davon ausgegangen, daß das ewig so weitergeht. Sie haben in all Ihren langen Ausführungen nicht zu erkennen gegeben, daß Sie tatsächlich die Absicht haben, dieses Gesetz bald zu ändern. Sie haben zwar dauernd Entschließungsanträge eingebracht. Aber eben deshalb glaubt niemand mehr daran, daß etwas geschieht. Seit Jahren liegen diese Entschließungsanträge vor. Der jetzige sagt noch weniger aus als der, den Sie 1955 haben beschließen lassen. Damit ist nichts anzufangen; im Gegenteil. Wir haben bei der zweiten Lesung von dem Herrn Arbeitsminister gehört, daß die bisherige Regelung gut funktioniere und daß kein Anlaß bestehe, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Das ist jetzt auch wieder gesagt worden, und das paßt schlecht zu Ihren Entschließungen, die Sie immer wieder einbringen.Sie haben sich dann so festgebissen und die Kassenkredite, die in dem Änderungsantrag angesprochen sind, besonders herausgestellt. Ist das wirklich Ihre ganze Sorge? Die Begründung der Bundesregierung in Drucksache 666 spricht doch nur von einer eventuellen Mehrbelastung von 10 0/o. Der durchschnittliche Beitrag der gewerblichen Familienausgleichskassen, der 1958 bei rund 1 v. H. lag, wird sich nach der Begründung der Regierungsvorlage künftig auf 1,1 v. H. belaufen. Jetzt wird der erhöhte Bedarf erst zwei Monate später gebraucht werden, als ursprünglich vorgesehen war. Damit wird der Gesamtmehrbedarf um 2/12 niedriger liegen.Der vorgelegte Antrag will nun erreichen, daß die in Höhe von 200 Millionen DM angesammelten Kassenkredite für den vorliegenden Zweck aufgebraucht werden können. Dabei wird erwartet —Herr Kollege Atzenroth hat das soeben schon gesagt —, daß Sie nun wirklich mitziehen und Ihre Versprechen einlösen, die teils in den Ausschüssen, teils in Einzelgesprächen mit Kollegen anderer Fraktionen gegeben worden sind. In den Entschließungen ist das allerdings nicht so zum Ausdruck gekommen. Das ist bedauerlich.Die Bundesregierung geht in ihrer Begründung davon aus, daß das Jahr über nur ein Zehntel mehr gebraucht werde, obwohl der Mehrbedarf 33 1/3% beträgt. Dann muß sie doch schon davon ausgegangen sein, daß bei den Familienausgleichskassen sehr viel Geld angesammelt worden eist, sei es durch Lohnerhöhungen, sei es auf andere Art. Es stehen also so viel Mittel zur Verfügung, daß trotz eines Mehraufwandes von 33 1/3% nur noch ein Zehntel mehr durch Beiträge aufgebracht werden muß. Sie haben übersehen, daß der in der zweiten Lesung angenommene Antrag einen Termin bis Ende dieses Jahres setzt; dann soll die Sache auslaufen. Die Mehrbelastung des § 11 Abs. 5 ist deshalb mit einem ganz großen Fragezeichen zu versehen und wird kaum zum Tragen kommen.Sie haben dann weiter darauf hingewiesen, daß die Familienausgleichskassen sehr viele Schwierigkeiten zu überwinden haben, urn für sechs Monate das Geld bereitzuhalten, weil sie nur zweimal im Jahr die Beträge einziehen. Dazu darf ich folgendes sagen. Von den Betrieben wurde bei Beginn der Kindergeldregelung gewünscht, möglichst eine monatliche Zahlung vorzusehen. Das ist mit der Begründung abgelehnt worden, es verursache Mehrarbeit. Man hat dann Vorauszahlungen verlangt. Herr Kollege Gaßmann, ich erinnere mich noch, daß eine Familienausgleichskasse im Jahre 1955 den Mut hatte, nicht nur die Vorauszahlung für 1956, sondern auch schon die Vorauszahlung für 1957 anzufordern. Wir hören immer wieder, daß jährlich 100 Millionen DM zuviel aus der Wirtschaft herausgezogen würden. Wir sind uns doch sonst alle miteinander einig, daß aus der Wirtschaft nicht mehr an Steuern herausgeholt werden soll, als zur Erfüllung der Aufgaben unbedingt gebraucht wird. Hier hören wir, daß 100 Millionen — teilweise durch weit€ Vorgriffe — angesammelt werden. Wir haben es also mit einem zweiten Steuereinnehmer zu tun, der die Kassen der Wirtschaft schröpft und gerade aus den Klein- und Mittelbetrieben die Mittel herausholt, die diese im eigenen Betrieb notwendig brauchen könnten. Es handelt sich auch bei den kleinen Betrieben immerhin um einige Tausend D-Mark, die dann plötzlich vorauszuzahlen sind. — Herr Kollege Arndgen, Sie schütteln den Kopf; die Sache ist nicht ganz so einfach.
— Bitte, können Sie mir das Gegenteil beweisen? Ich kann Ihnen das schwarz auf weiß bringen. Ich habe einmal in der Fragestunde an den Herrn Arbeitsminister — damals war es noch Herr Storch— eine entsprechende Frage gerichtet. Er hat das bestätigen müssen. Da ist nichts zu wollen.
— Was ich Ihnen hier über den Beitragseinzug und die zum Teil langen Vorauszahlungen, die die Betriebe sehr hart treffen und die zu einer großen Vermögensansammlung geführt haben, gesagt habe, beruht auf Tatsachen, die nicht aus der Welt zu schaffen sind; da mögen Sie noch soviel dagegen reden oder uns sogar unterstellen, wir wollten die Verabschiedung des Gesetzes verzögern.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3491
ReglingDenken Sie bitte daran, daß der Gesetzentwurf erst am 21. November dem Bundestag vorgelegt wurde! Die Regierung mußte sich klar darüber sein, daß die Verabschiedung nicht zum 1. Januar 1959 erfolgen konnte; sie mußte also damit rechnen, daß die Erhöhung des Kindergeldes rückwirkend in Kraft gesetzt wird. An uns liegt es nicht; nur müssen Sie uns das Recht zugestehen, daß wir jede Gelegenheit wahrnehmen, immer wieder auf die entscheidenden Fragen aufmerksam zu machen, nachdem Sie uns seit Jahren damit vertröstet haben, die Änderungen würden kommen. Wir wollen heute ja nicht eine völlige Systemänderung durchsetzen — insoweit sind wir Ihren Kollegen aus dem Mittelstandausschuß schon entgegengekommen —, sondern wollen wieder etwas Zeit einräumen. Aber den ersten Schritt müssen wir tun, und das muß heute geschehen. Ein Teil Ihrer Kollelegen hat den Schritt schon getan. Hoffen wir, daß sie auch heute dazu stehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaßmann hat seine Rede mit dem Blasen von Friedensschalmeien begonnen. Er glaubte feststellen zu können, daß sich die Standpunkte der Fraktionen etwas angenähert hätten. Im weiteren Verlauf seiner Rede ist er allerdings ins Gegenteil verfallen und offensichtlich entgleist, als er uns unterstellte, wir wollten mit irgendwelchen Tricks wieder einmal das Kindergeldgesetz sabotieren.Herr Kollege Gaßmann, ich habe vor Ihrer Intelligenz eine viel zu große Hochachtung, als daß ich annehmen könnte, Sie glauben das, was Sie gesagt haben.
Ich frage mich nur, Herr Kollege Gaßmann, warum Sie es dann eigentlich gesagt haben.Um Ihnen unsere Einstellung noch einmal deutlich vor Augen zu führen, möchte ich folgendes sagen. Ich versichere, daß es in der Fraktion der Freien Demokraten keinen Streit über die Frage gibt, ob überhaupt Kindergeld gezahlt werden soll, und daß es auch keinen Streit darüber gibt, wie hoch das Kindergeld sein soll; denn wir sind für eine Erhöhung auf 40 DM. Aber wir Freien Demokraten wehren uns wie von allem Anfang an auch jetzt gegen das augenblickliche System der Aufbringung der hierfür notwendigen Mittel. Ausschließlich darum geht es uns, Herr Kollege.In den letzten Tagen seit der zweiten Lesung und in der heutigen dritten Lesung sind uns teils durch die Presse, teils in den Wandelgängen, teils heute durch den Herrn Kollegen Gaßmann eine Reihe von Argumenten aufgetischt worden. Das erste Argument ist die außerordentliche Belastung des Haushaltsplans durch eine vollständige oder teilweise Übernahme der Mittel auf den Haushalt. Es ist eine etwas zwiespältige Argumentation, von der Höhe der notwendigen Mittel nur zu sprechen, wenn wir die Verantwortung für die Aufbringung selbst übernehmen müssen, während, wenn man im Wege von Umlagen das Geld aus den beruflich Selbständigen herausholt, kein Hahn nach der Höhe dieser Gelder kräht. Ich möchte einmal fragen, wie sich der Herr Minister Wuermeling die weiteren, von ihm geplanten Verbesserungen des Kindergeldes vorstellt, wenn es bei diesem Aufbringungssystem bleibt.Das zweite, was Herr Kollege Gaßmann sagte, war, daß im Falle der Beibehaltung der Änderung auf Grund unseres Antrags die Familienausgleichskassen binnen kurzem praktisch pleite wären. Herr Kollege Gaßmann, Sie haben damit Ihrer Sache einen sehr schlechten Dienst erwiesen; denn die Bundesregierung hat in der Begründung in Drucksache 666 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß, wenn überhaupt Erhöhungen einträten, diese nur sehr geringfügig wären. Bei der Begründung des Entwurfs in der ersten Lesung hat sich Herr Minister Blank ausdrücklich auf diese Berechnungen bezogen und gesagt, daß sich etwaige Erhöhungen in sehr engen Grenzen halten würden. Wenn also das stimmt, Herr Kollege, was Sie jetzt sagen, dann können praktisch ohne die Beibehaltung unseres Antrags die Familienausgleichskassen lediglich durch ganz drastische Beitragserhöhungen gerettet werden; und gerade das, Herr Kollege Gaßmann, wollen wir verhindert wissen.Ein weiteres Argument, das immer wieder zitiert worden ist, ist die Behauptung, daß durch eine etwa notwendige Erhöhung der Steuer bei einer Übernahme auf den Bundeshaushalt praktisch die gleichen Kreise wieder belastet würden wie bei dem augenblicklichem System.
Nach unserer Auffassung ist die Steuer die einzige Möglichkeit, alle Familien, alle Menschen unseres Volkes heranzuziehen und einen auch von uns gewollten wirklichen Ausgleich der Familienlasten an Stelle des augenblicklichen ganz willkürlichen herbeizuführen.
Ein Argument, das auch immer wieder gebracht worden ist, ist die Behauptung, daß der von uns gewollte Systemwechsel praktisch die Erhöhung des Kindergeldes verzögern würde. Wenn das überhaupt einträte, wäre es nicht unsere Schuld. Es sind immer wieder Ihre Versprechungen gewesen, an die wir jetzt appellieren müssen, mit denen Sie sich bereits seit Jahren ständig zu einer Änderung des Systems bekannt haben, ohne aus diesen Versprechungen jemals die Konsequenzen gezogen zu haben. Auch heute liegt ja wieder ein Entschließungsantrag Ihrer Fraktion vor, der im Falle seiner Annahme weiter nichts wäre als Makulatur für den sachlich zuständigen Leitz-Ordner der Bundesregierung,
in dem er ja bereits in Ehren oder besser gesagt in Unehren ergraute Veteranen der gleichen Couleur in reichem Maße vorfinden wird.
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3492 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Dr. StammbergerDie Erklärungen des Herrn Kollegen Gaßmann, die er mit Engelszungen — die allerdings später etwas rauher wurden — hier vorgetragen hat, stehen, wahrscheinlich unter dem Eindruck des Ergebnisses der zweiten Lesung, in krassem Widerspruch zu dem, was seitens der Vertreter Ihrer Fraktion oder der Regierung hier in erster Lesung verkündet worden ist. Denn Herr Kollege Ruf als Sprecher Ihrer Fraktion hat damals behauptet, man denke gar nicht daran, unter den jetzigen Umständen und bei der jetzigen Erhöhung das System zu ändern. Und der Herr Bundesarbeitsminister Blank hat sogar erklärt, er sei fest überzeugt, daß die beteiligten Kreise auch ih Zukunft sehr gern weiter zahlen würden, daß es zu langwierigen Untersuchungen kommen müßte, die erst begonnen hätten und die natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würden. Wenn man jetzt hört, daß Sie sich plötzlich alle gedreht haben, und wenn das Gerücht stimmt, das heute früh in den Wandelgängen dieses Hauses erzählt wurde, daß nämlich der Herr Bundesarbeitsminister sich verpflichtet habe, jetzt plötzlich bereits bis zum 30. April dieses Jahres einen völlig neuen Vorschlag vorzulegen,
dann, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Cicero in einer leichten Abwandlung zitiere: Quousque tandem, Theodore, patientia nostra abuteris? Wie lange noch, o Theodor, willst du unsere Geduld in Anspruch nehmen?
Wir verkennen nicht, daß in unserem Antrag ein gewisser Zwang zum Handeln liegt. Wer es aufrichtig meint und wer wirklich bereit ist, hier zu handeln und eine Wandlung zu schaffen, der konnte mit gutem Gewissen in der zweiten Lesung unserem Änderungsantrag zustimmen und hat heute keine Veranlassung, dafür zu stimmen, daß etwa die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird.
Wie Herr Abgeordneter Stammberger gewünscht hat, nimmt der Herr Bundesarbeitsminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß es mir soeben nicht möglich war, an Ihren Verhandlungen teilzunehmen, weil ich den Vorsitz im Richterwahlausschuß wahrzunehmen hatte. Ich konnte die Herren nicht wieder umschicken; denn als sie eingeladen wurden, konnten wir nicht absehen, daß sich heute diese Debatte entfalten würde.
Herr Kollege Dr. Stammberger, ich glaube nicht, daß Sie mir vorwerfen können, ich machte leichtfertige Versprechungen. Wenn Sie in den Wandelgängen gehört haben, ich hätte mich verpflichtet, bis zum April eine neue Patentlösung zu liefern, dann haben Sie etwas Falsches rauschen hören. Ich
bin zwar gelegentlich gerne bereit, etwas zuzusagen, aber dann muß ich es auch halten können. In einem solchen Falle würde ich niemals so leichtfertig sein, mich zu verpflichten, daß mir bis zum April die Lösung einfiele, die Ihnen trotz besten Nachdenkens bis heute nicht eingefallen ist.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gerne, Herr Präsident!
Herr Minister, darf ich mir den Hinweis erlauben, daß unser Gesetzentwurf heute zur ersten Lesung ansteht?
Das habe ich allerdings nicht vermutet, Herr Stammberger, daß Sie Ihren Gesetzentwurf als eine neue Lösung ansehen; denn Sie wissen doch genau, daß die Länder nach ihrer bisherigen Haltung jede Lösung ablehnen würden, nach der die Auszahlung des Kindergeldes z. B. über die Finanzämter erfolgen würde.
— Mehr als einmal, Herr Schellenberg!
— Meine Damen und Herren, es ist doch ganz nett, das Fluidum so von allen Seiten ein wenig aufzulockern. Es schien mir nämlich in der Vergangenheit etwas verkrampft zu sein.Ich bin der Meinung — und das habe ich auch schon bei der damaligen Behandlung in der ersten Lesung des Gesetzes ausgesprochen —, daß man das Kindergeldgesetz sehr wohl reformieren kann.
— Fällt es Ihnen eigentlich so schwer, einmal in Ruhe ein paar Ausführungen anzuhören? — Ich bin der Meinung, daß man auch Kritik an dem Bestehenden üben kann und daß sich auch an diesem Gesetz einiges ändern läßt.Was ist im einzelnen zu ändern? Die mittelständische Wirtschaft führt mit Recht — ich sage: mit Recht — seit langem darüber Klage, daß sich dieser Wirtschaftszweig bei der Lohnbezogenheit aller Sozialbelastungen gegenüber anderen Zweigen im Nachteil befinde. Wer die Dinge objektiv sehen will, muß zugeben, daß diese Behauptung stimmt.Es erhebt sich daher die Frage, ob man zu besseren, zu gerechteren Beurteilungsmaßstäben kommen kann. Nicht nur der Bundesminister für Arbeit, sondern auch viele Praktiker und Wissen-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3493
Bundesarbeitsminister Blankschaftler bemühen sich seit Jahren, Lösungen zu finden. Die Tatsache, daß solche Lösungen bisher noch nicht gefunden sind, kann doch nicht so ausgelegt werden, als ob man nicht mit dem nötigen Ernst, mit dem nötigen Verantwortungsbewußtsein und mit der Absicht, zu Lösungen zu kommen, an die Arbeit gegangen wäre. Ich beschäftige mich in meinem Ministerium zusammen mit den Sachverständigen seit langem mit dieser Frage. Wir haben auch die Wissenschaft bemüht, haben Forschungsaufträge vergeben, um von dieser Seite eine Unterstützung zu erfahren. Ich bin der Meinung, daß wir zu neuen Lösungen kommen müssen. Aber es wäre mehr als Leichtsinn, wenn man sagte, eine solche Lösung sei heute, morgen, in einem Vierteljahr oder in einem halben Jahr gefunden. Niemandem wäre gedient, wenn man derartige Zusagen und Versprechungen machte; denn man weiß ja gar nicht, ob man sie halten kann.Ich möchte den Damen und Herren dieses Hohen Hauses eine Zusage machen, die ich halten kann. Ich möchte ihnen zusagen, daß ich mit aller Energie mit meinen Männern
unter Zuhilfenahme jeder Unterstützung, die mir die Forschung, die Praxis — —
— Wenn das für Sie die Gelegenheit zu einer Volksbelustigung ist, dann wollen Sie das bitte so halten. Für uns ist das jedenfalls eine ganz ernste Angelegenheit.Wir werden mit allem Ernst an die Behandlung dieser Frage herangehen. Ich mache dem Hohen Hause die Zusage, daß wir uns bemühen werden, zu Lösungen zu kommen, die sowohl dem Anliegen, daß das Kindergeld gewährt wird, als auch dem Anliegen der Aufbringenden gerecht werden. Bei allen sozialpolitischen Maßnahmen darf man nicht nur denjenigen sehen, der empfängt, sondern muß ebenso denjenigen sehen, der bezahlen soll,
und deshalb zu Lösungen kommen, die beiden Seiten gerecht werden. Ich bin der Meinung, daß das durchaus möglich ist, allerdings nicht mit billigen Witzen, sondern mit der ernsthaften Bereitschaft, sich an dieser Arbeit zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß uns, wenn wir das Gesetz zunächst einmal so verabschieden, wie wir es vorgesehen haben, wenn wir also das derzeitige Kindergeld erhöhen, Zeit und Gelegenheit bleibt, diese nicht leichte Materie mit allem Ernst und allem Verantwortungsbewußtsein zu behandeln. Ich jedenfalls werde alles in meinen Kräften Stehende tun, um zu einer Lösung zu kommen. Dabei denke ich weder konservativ noch revolutionär. Vielmehr bin ich der Meinung, daß der einmal gewählte Weg nicht immer, unter allen Umständen aufrechterhalten wenden muß. Zu einem neuen Weg entschließe ich mich aber nur dann, wenn ich imstande bin, etwas Besseres an die Stelle des Alten zu setzen. Nur das, meine Damen und Herren, können Sie von mir und meinem Ministerium erwarten.
Diese Zusage gebe ich dem Hohen Hause. Um diese Lösung werden wir uns bemühen, und ich hoffe, daß ich dabei auch auf Ihre Unterstützung rechnen darf.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige wenige sachliche Bemerkungen machen. Ich lasse mich keinesfalls auf irgendeine Polemik ein, Herr Professor Schellenberg, weder von der einen noch von der anderen Seite. Ich meine, wir sollten endlich mit der Polemik, mit diesem Hin und Her Schluß machen.
Im Zusammenhang mit dem Kindergeld sind im Laufe der letzten Zeit so viele polemische, unerfreuliche, ja gehässige Bemerkungen gefallen, daß man sich manchmal schämen möchte, meine Damen und Herren!
Ich meine, wir haben doch wahrhaftig alle miteinander andere und viel, viel größere Sorgen zu bewältigen.
Wir sollten angesichts des Ernstes unserer außenpolitischen Lage
auch endlich einmal daran denken, daß wir so — —
— Lassen Sie mich das einmal aussprechen! Angesichts des Ernstes der außenpolitischen Lage
haben wir allen Grund, uns auch bei unseren innenpolitischen Auseinandersetzungen etwas an die Zügel zu nehmen, — bei allen sachlichen Meinungsverschiedenheiten.
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3494 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
RufMan sollte sich sachlich auseinandersetzen und sollte nicht einfach so ins Blaue hinein gegeneinander polemisieren und immer wieder aneinander vorbei- und gegeneinander reden. Man muß doch endlich auch den Willen spüren, daß man zueinanderwill und daß es einem um die Sache geht, um eine gemeinsame Sache. Das hat man bisher bei vielen Sprechern einfach nicht gemerkt und nicht feststellen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das, was der Herr Bundesarbeitsminister vorhin zu dem FDP-Entwurf gesagt hat, noch etwas ergänzen. Er hat gesagt, es sei nur ein halber Entwurf. Es ist nämlich deshalb nur ein halber Entwurf, weil er zu der Frage der Aufbringung der Mittel nichts sagt. Er sagt darüber nicht das geringste, er schweigt sich vollkommen darüber aus. Ich könnte mich ganz dumm stellen und sagen: Vielleicht meint die FDP, da die Finanzämter Träger der Kindergeldzahlung sein sollen und da die Finanzämter Länderbehörden sind, soll die Auszahlung über die Länderhaushalte erfolgen. Aber daran denken Sie offenbar nicht. Das weiß ich. Sie denken daran, daß der Bundeshaushalt diese Dinge bezahlen soll. Aber, Herr Dr. Atzenroth, haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, haben Sie sich mit Ihren Kollegen aus dem Haushaltsausschuß schon einmal darüber unterhalten, wie Sie diese Summe decken wollen? Sie wissen doch ganz genau, Herr Dr. Atzenroth, daß wir alle miteinander hier im Hause quer durch die Fraktionen, uns Gedanken darüber machen, wie wir z. B. die notwendige Verbesserung der Versorgung der Kriegsopfer herbeiführen und finanzieren sollen. Sollen wir die Lösung dieses Problems noch weiter hinausschieben, noch weiterhin vertagen? Sollen wir etwaige Mittel, die dafür in Aussicht genommen sind, zurückstellen?Wenn ich sage, daß im Bundeshaushalt bei der gegenwärtigen Situation unseres Haushalts keine Mittel für die Finanzierung zur Verfügung stehen, werden Sie mir zugeben müssen, daß es gar keinen anderen Weg gibt, als zu einer Finanzierung über die Steuer überzugehen. Das würde bedeuten, daß wir Steuern erhöhen oder neue Steuern einführen, daß wir z. B. von der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftssteuer Gebrauch machen.
— Ja, meinen Sie denn, Herr Dr. Atzenroth, diese Kindergeldleistung fällt als Geschenk vom Himmel herunter? Sie müssen sich doch ernsthaft Gedanken darüber machen, woher das Geld kommen soll. Es bleibt doch auch bei der Kindergeldgesetzgebung so, daß der Staat nur das verteilen kann, was er vorher von seinen Bürgern holt. Daran kommen Sie doch nicht vorbei, Herr Dr. Atzenroth!
Und nun zu der mittelständischen Auseinandersetzung. Es wurde gesagt, insbesondere von Herrn Dr. Schild, dieses Kindergeldgesetz sei ganz besonders mittelstandsfeindlich, und der Mittelstand — so wird gern gesagt — sei besonders schwer durch die Kindergeldgesetzgebung belastet. Daß wir an die Belastung insbesondere der kleinen und mittleren lohnintensiven Betriebe gedacht haben, ersehen Sie daraus, daß wir im Gegensatz zum Regierungsentwurf diese neue Verbesserung nicht vom 1. Januar an, sondern erst vom 1. März an in Kraft treten lassen. Das haben wir in erster Linie — schweren Herzens — aus Rücksichtnahme gegenüber diesen Betrieben getan, weil wir an die Beitragszahler gedacht haben.
— Bloß zwei Monate, selbstverständlich, Herr Dr. Atzenroth! Seien Sie sich doch darüber im klaren — die Untersuchungen werden das, so befürchte ich, ergeben —: wenn wir auf irgendein anderes System umstellen, werden wahrscheinlich diejenigen Kreise, die heute so sehr über die Belastung klagen, erst recht klagen; sie werden auf dem Wege der Steuer erst recht betroffen werden.
Ich darf Ihnen noch eines sagen, Herr Dr. Atzenroth. Sie kennen meine Einstellung zu diesen Dingen. Ich habe im Jahre 1954 zu denen gehört, die bereit waren, einer anderen Lösung zuzustimmen. Aber ich habe damals letzten Endes deswegen zugestimmt, weil ich klar sah, daß, wenn ich nicht zustimmte, die Belastung von Anfang an viel, viel größer sein würde, daß sonst von Anfang an schon das zweite Kind in die Kindergeldgesetzgebung einbezogen worden wäre, so daß man nicht bloß damals 0,5 %, sondern sofort das Dreifache an Beiträgen zu zahlen gehabt hätte. Das hätten Sie nicht verhindert. Machen Sie sich doch Gedanken darüber, ob Sie eine weitere, unangemessene Ausdehnung der Kindergeldgesetzgebung in Zukunft verhindern können, wenn man zu Ihrem System, das Sie so mit ganzem Herzen befürworten, übergeht.Man sollte doch die Kirche im Dorf lassen, man darf nicht so übertreiben und nicht verallgemeinern. Man kann nicht sagen: D e r Mittelstand ist schwer belastet, und der Mittelstand ist mit der jetzigen Regelung ganz und gar unzufrieden. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, daß es sehr wohl maßgebliche Gruppen des sogenannten Mittelstandes gibt, die mit der jetzigen Regelung durchaus zufrieden sind,
die mir, als ich sie fragte: „Was meint ihr zu diesen Änderungsvorschlägen?", sogar erklärt haben: „Nein, lassen Sie es um Gottes willen dabei; wir fahren bei diesem System noch am besten, es ist für uns ganz gut!" Sie dürfen also nicht alles über einen Leisten schlagen!
Denken Sie doch bitte ferner daran, welche Ausnahmen wir geschaffen und inwieweit wir uns Gedanken gemacht haben, um diesen mittelständischen Anliegen Rechnung zu tragen. Wir haben doch gerade die kleinen Selbständigen immer mehr befreit! Der Mittelstandsausschuß hat heute vom Bun-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3495
Rufdesfinanzministerium ein Schreiben bekommen, aus dem hervorgeht, daß durch die Heraufsetzung der Einkommensgrenze auf 6000 DM 52 % derjenigen Steuerzahler, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu versteuern haben, von der Zahlung überhaupt befreit sind.
Vor kurzem habe ich einen Bericht des Hauptverbandes der Familienausgleichskassen in der Januarnummer 1959 der Zeitschrift „Die Berufsgenossenschaft" gelesen. Darin stand, daß 75 % — meine Damen und Herren, 75 %! — der Selbständigen keine Beiträge zahlen; sie werden teilweise, abgesehen von dieser Befreiungsgrenze, gar nicht herangezogen. Sie sollten also nicht so übertreiben.Ich brauche zum Problem der lohnintensiven Betriebe keine langen Ausführungen zu machen; dazu hat der Herr Bundesarbeitsminister schon in der ersten Lesung einiges gesagt. Aber etwas möchte ich dazu doch bemerken. Ich gebe zu, daß das Problem der lohnintensiven Betriebe und ihre Belastung durch die Sozialabgaben ein brennendes Problem ist, das uns zu beschäftigen hat, je mehr die Technisierung und die Automatisierung in unserer Wirtschaft Fortschritte macht. Auf der anderen Seite müssen wir uns nun einmal damit abfinden, daß die menschliche Arbeitskraft in unserem Wirtschaftsleben immer teurer wird, daß die Handarbeit immer kostspieliger wind und daß der Verbraucher infolgedessen bereit sein muß, diese Leistungen entsprechend besser zu honorieren, als er es in der Vergangenheit getan hat. Denn er bekommt dafür die Produkte, die unsere moderne industrialisierte Wirtschaft durch Massenproduktion ausstößt, ja entsprechend billiger. Das ist ein Gesetz der wirtschaftlichen Entwicklung, um das man nicht herumkommt, auf das man hinweisen muß.Dann lassen Sie mich, meine Freunde aus dem Mittelstand, darauf aufmerksam machen, daß die Kinderreichen, für die wir dieses Kindergeldgesetz geschaffen haben und die an der Erhöhung teilnehmen sollen, doch die besten Kunden gerade des Mittelstands sind. Das kommt dem Mittelstand indirekt wieder zugute.Es ist gesagt worden, es sei in letzter Zeit nichts geschehen, die Regierung habe die' verschiedenen Entschließungen, die der Bundestag gefaßt hat, unberücksichtigt gelassen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß uns die Bundesregierung entsprechend einer Entschließung, die wir gemeinsam gefaßt haben, in Drucksache 3490 vom 7. Mai 1957 einen Reformentwurf vorgelegt hat. Nach diesem sollten damals die Beitragssätze vereinheitlicht werden; dieser einheitliche Beitragssatz sollte auf 1 % festgesetzt werden. Ihnen ist bekannt, welche Schwierigkeiten nachher entstanden sind. Ihnen ist auch bekannt, daß sich die Selbstverwaltung der Familienausgleichskassen mit Nachdruck dagegen gewehrt hat; sie war damit nicht einverstanden. Ihnen ist sicherlich weiter bekannt, daß sich auch Verfassungsrechtler mit dieser Frage befaßt haben. Ich darf nur auf ein Gutachten von Professor Werner Weber, Göttingen, hinweisen.Aber eines möchte ich den Herren der FDP doch nicht vorenthalten. Mir liegt ein Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. Januar 1959 über eine Debatte betreffend das Kinderzulagengesetz vor dem Zürcher Kantonrat vor. Es ist Ihnen bekannt, daß in allen Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und auch in der Schweiz unser Kindergeldsystem gilt, daß also in diesen Staaten das Kindergeld durchweg durch Beiträge und nicht durch Steuern finanziert wird. In der Schweiz ist nun von einer Kommission der Vorschlag gemacht worden, einen einheitlichen Beitragssatz nicht von 1 %, sondern von 1,5% festzulegen. Dagegen haben sich insbesondere die Freisinnigen der Schweiz — das sind noch wahrhaft freisinnige Menschen, von denen könnten Sie etwas lernen, Herr Dr. Atzenroth — gewehrt. Ich darf Ihnen einiges von den Ausführungen des Redners vorlesen. Er sagte:Was uns nun aber das Eintreten auf den Kommissionsvorschlag verunmöglicht, ist vor allem der Paragraph, der die Beiträge der Arbeitgeber an die kantonale Familienausgleichskasse, also an die Ersatz- oder Auffangkasse, auf 1,5 % der Lohnsumme begrenzen will. Das hat nichts anderes zur Folge, als daß allfällige Defizite dieser Auffangkasse aus öffentlichen Mitteln, d. h. aus Steuergeldern gezahlt werden müssen. Bisher bestand der Grundsatz, daß die Wirtschaft die Kinderzulagen bezahle. Statt zu dezentralisieren, huldigen wir einem ausgesprochenen Zentralismus. Statt das bereits erwähnte Subsidiaritätsprinzip zu wahren, schaffen wir ein förmliches Monopol für die staatliche Auffangkasse. Fürwahr ein etatistische Lösung par excellence!Der klare Widerspruch zur bisherigen Entwicklung der Zulagen in der Privatwirtschaft dürfte Ihnen durch diesen Schildbürgerstreich offenbar werden. Statt den Familienschutzgedanken zu verfolgen, macht man sich ausgesprochen daran, familienfremde staatliche Kräfte zur Entwicklung zu bringen. Inskünftig soll nicht mehr die Wirtschaft allein, sondern hauptsächlich der Staat die Familie stützen und unterstützen. Fürwahr eine noch nie gesehene Auslösung staatlicher Dynamik!In der Schweiz hat man offenbar noch etwas mehr Angst vor zuviel Staat als bei uns.Ich möchte mich zunächst auf diese Ausführungen beschränken. Ich werde nachher noch einiges zu dem Antrag der FDP sagen, sobald er begründet ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zum Wort gemeldet, weil der Herr Minister sich mit unserem Gesetzentwurf beschäftigt hat. Wir hätten es gern gehört, wenn er in eine Kritik unseres Gesetzentwurfs eingetreten wäre. Aber der einzige Einwand, den er vorgebracht hat, ist der gewesen, ob wir nicht den Widerstand der Länder fürchteten. Ich darf Ihnen,
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3496 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Dr. Atzenroth Herr Minister, aus einem Bundesratsprotokoll vorlesen. Danach hat einer der Ministerpräsidenten gesagt:Alle diese und andere Schwierigkeiten, die ich im einzelnen hier nicht aufführen möchte, könnten vermieden werden, wenn die Finanzämter mit der Durchführung der Kindergeldgesetze beauftragt werden.
— Mindestens gibt es solche Stimmen, und wir können keineswegs die Haltung der Länder hierzu schon als festliegend betrachten, wie es der Herr Minister getan hat.Die Formulierung, daß die Auszahlung durch die Finanzämter erfolgen soll, bedeutet doch nicht, daß jeder Kindergeldbezieher persönlich zum nächsten Finanzamt gehen muß, um das Geld gegen Quittung in Empfang zu nehmen. Das ist zu primitiv gedacht, und so ist unser Gesetzentwurf keineswegs aufzufassen. Die Auszahlung kann sich in drei Formen vollziehen: durch die Post — geregelt durch einen Erlaß des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen —, durch Scheckhefte oder auch über die Unternehmer; das ist alles auch bei unserer Regelung durchaus möglich. Die Einwände, die gegen unseren Gesetzentwurf gemacht worden sind, können wir also nicht als stichhaltig anerkennen.
Der Herr Minister hat gesagt, niemand könne brauchbare Vorschläge machen. Wir haben aber wenigstens einen Vorschlag gemacht, und mit dem soll man sich beschäftigen, nicht nur am Rande, nicht nur an der Oberfläche, indem man sagt: die Länder werden nicht zustimmen, es geht technisch nicht.
— Ja, Herr Minister, darauf komme ich jetzt auch; ich habe mir auch dazu Material beschafft. — Herr Ruf hat gefragt: Wenn Sie Ihren Gesetzentwurf durchbringen, wie wollen Sie dann die Aufbringung regeln? Dann müssen Sie Steuern erheben, dann müssen Sie die Ergänzungsabgabe einführen, so haben Sie gesagt, Herr Ruf; ich weiß nicht, ob ich Sie recht verstanden habe. Das Damoklesschwert, das Herr Schäffer seinerzeit über uns aufgehängt hat, sollen wir ausgerechnet hier anwenden, wenn es sich um die Kindergeldzahlung handelt, die Sie doch auch wollen!Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, diese Beträge aufzubringen. Sie können z. B. auf die Sparprämie verzichten, das sind schon 400 Millionen in einem Jahr. Aber wir haben uns jetzt nicht über diese Frage zu unterhalten.Herr Ruf, ich darf Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wieder etwas zitieren. Da hat jemand gesagt:Jetzt zeigt sich im Gegenteil, daß wir allenthalben bekanntgeben:— wir, die Bundesrepublik — die Steuern sollen nicht erhöht werden, abergleichzeitig ist man bereit, einmal Soziallastenund ein andermal Spezialsteuern zu erhöhen.— Und diese Umlage ist eine Spezialsteuer! — Hier sagt der Betreffende:Meine Damen und Herren, wir müssen doch alles in allem nehmen. Wir stellen also fest, daß man zwar immer sehr fleißig gegen Steuererhöhungen spricht,— das hat Herr Ruf wieder getan —aber in Spezialfällen immer wieder geneigt ist,einer Minderheit Belastungen zuzumuten.Wer hat das gesagt? Herr Schmücker von Ihrer Fraktion in der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages im Februar 1959.
Sie behaupten, Herr Ruf, Steuern dürften wir nicht erhöhen. Aber Sie unterstellen ohne weiteres, daß man diese Spezialsteuer beliebig erhöhen kann, Herr Ruf.
Das ist ein ungerechtes Verhalten. So dürfen Sie hier nicht argumentieren, und das sollten Ihnen Ihre Kollegen aus dem Mittelstand nicht abnehmen. Sie sollten es jetzt beweisen, daß diese Haltung falsch ist, daß die Haltung, die Sie in der zweiten Lesung eingenommen haben, auch in der dritten Lesung die richtige ist, und diese Haltung sollte aufrechterhalten werden.Deswegen ergeht meine Mahnung an alle diejenigen Kollegen aus der CDU, die in der zweiten Lesung mit uns gestimmt haben, auch in diesem Fall mit uns zu stimmen und sich nicht durch Äußerungen, die hier von ihren eigenen Kollegen getan worden sind, von ihrer klaren und sachlichen Haltung — sachlich und nicht polemisch, Herr Ruf —, die im Sinne der Ausführungen von Herrn Schmücker liegt, abhalten zu lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruf.
— Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Schellenberg.
— Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Die Freiheit der Rede wird geschützt.
Herr Abgeordneter Schellenberg, bitte.
Meine Damen und Herren, nur ganz wenige Sätze an den Herrn Kollegen Ruf. Herr Kollege Ruf, empfinden Sie es nicht als geschmacklos,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3497
hier die großen Sorgen der Außenpolitik zu beschwören, um in der dritten Lesung dieses Gesetzes wieder einmal Bestimmungen im Sinne Ihrer verfehlten Konzeption durchzusetzen?
So, meine Damen und Herren, jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 235. Ich habe soeben Übereinstimmung mit den Antragstellern des Antrags Umdruck 229 darüber festgestellt, daß, falls der Antrag Umdruck 235 angenommen wird, der Antrag Umdruck 229 erledigt ist. Einverstanden?
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 235, gestellt von Dr. Krone und Fraktion. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt.Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.Hat jedes Mitglied seine Karte abgegeben? Meine Damen und Herren, die letzte Chance, die 30 Mark zu sparen!
Sind alle Karten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnisder namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Jahaben gestimmt 216 Mitglieder des Hauses, mitNein haben gestimmt 188 Mitglieder, enthalten haben sich 14; von den Berliner Abgeordneten haben7 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt. Damit ist derÄnderungsantrag auf Umdruck 235 angenommen.JaCDU/CSUFrau Ackermann Graf AdelmannDr. Aigner ArndgenBaier BaldaufDr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. BarzelBauer Bauereisen BauknechtBecker BerberichBergerDr. BirrenbachFürst von Bismarck BlankFrau Dr. Bleyler BlöckerFrau Blohm Dr. Böhm BrandFrau Brauksiepe Frau Dr. Brökelschen BrückBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterCaspers CillienDr. ConringDr. Czaja DemmelmeierDeringerDiel
Dr. DittrichDr. DollingerDraegerDr. DresbachEhrenEichelbaumDr. Elbrächter Engelbrecht-GreveFrau EngländerEnkEpléeEtzenbachDr. Even Even (Köln)FinckhDr. Franz Franzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Weltheim)Dr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringGeiger
D. Dr. GerstenmaierGibbert GienckeGlüsing Dr. GörgenGoldhagen Gontrum Dr. Gossel GotteslebenHackethal Häussler HahnFrau HamelbeckDr. von Haniel-Niethammer: HarnischfegerDr. Heck
HeixDr. Hellwig Dr. HesbergHesemann. HilbertHöcherl HöflerHollaHoogen HornDr. Huys Illerhaus Jahn
JostenDr. Kanka KatzerKemmer KirchhoffDr. Kliesing KnoblochKochKraftKrammig KrollKrüger Krüger (Olpe)KrugFrau Dr. Kuchtner Kühlthau KuntscherLang
LeichtDr. Leiske Lenz
Leonhard LermerLeukertDr. LeverkuehnDr. LindenbergDr. LindrathDr. LöhrDr. h. c. LübkeLücke
LulayMaier MajonicaDr. MartinMaucher MeisMemmel MengelkampMenkeMeyer MickMuckermann MühlenbergMüserNellenNeuburgerNieberg Niederalt Frau NiggemeyerDr. Dr. OberländerDr. OesterleOetzelFrau Dr. PannhoffPelster Pernoll Dr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. ProbstRasnerDr. ReinhardDr. ReithRiedel
RösingDr Dr. Rüdel
RufRuland Schäffer ScharnbergScheppmannSchlickDr. Schmidt
Frau Schmitt SchmückerSchneider
Dr. Schröder SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. SiemerSimpfendörferSolkeSpies
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StauchDr. SteckerFrau Dr. SteinbißDr. StoltenbergDr. Storm
Storm
Struve Sühler Teriete Dr. ToussaintVarelmannVeharDr. VogelVogtWacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeimerFrau Welter WendelbornDr. WerberWieningerDr. WilhelmiDr. WillekeWindelenWinkelheideDr. WinterWittmann Wittmer-EigenbrodtWormsDr. WuermelingBerliner AbgeordneteBendaDr. FriedensburgDr. GradlHübner Dr. KroneFrau Dr. MaxseinStingl
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3498 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Nein CDU/CSUBreseGewandt Mensing StillerSPDDr. Arndt AugeBading Bäumer BalsBauer
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Bazille Behrendt BehrischFrau Bennemann BergmannBerkhan BerlinBettgenhäuserFrau Beyer BirkelbachBlachsteinDr. Bleiß Dr. BrechtBruseBüttner Corterier Cramer Dewald DiekmannDiel Dopatka DröscherFrau Eilers
EschmannFallerFelder Folger Franke Dr. Frede Frehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. HarmHauffe Heide HeilandDr. Dr. Heinemann HellenbrockFrau HerklotzHerold Höcker HöhmannHöhne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
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Jaksch JürgensenJunghansKalbitzerFrau KeilhackFrau KettigKeuningKinatFrau Kipp-Kaule Könen Koenen (Lippstadt)Frau Korspeter KrausDr. Kreyssig Kriedemann Kühn KurlbaumLange Lantermann LudwigLücke LünenstraßMaier
MarxMatznerMeitmannDr. Menzel MertenMetterMeyer Frau Meyer-LauleDr. Mommer Müller
Müller Müller (Worms)Frau Nadig Ollenhauer PaulPetersPöhlerPohlePrennelPriebePützPuschRaschDr. RatzelReglingRehsReitzReitznerFrau Renger RitzelRohdeFrau Rudoll RuhnkeDr. SchäferFrau SchanzenbachDr. Schmid Schmidt (Hamburg) Schmitt (Vockenhausen) Seidel (Fürth)SeitherSeuffertStierle SträterStriebeckTheisWagnerWalpertWegenerWehnerWehrWelkeWelslauWeltner
Frau Wessel WienandWilhelmWischnewski WittrockZühlkeFDPDr. Achenbach Dr. Atzenroth Dr. BucherDr. Dahlgrün Dr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus DowidatDürr EisenmannFrau Friese-KornGlahnGraaffDr. Hoven KellerKöhlerDr. Kohut KreitmeyerLenz
Dr. Maier
MaukDr. Mende Mischnick Rademacher Dr. Rutschke Sander
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3499
Sie sprachen, Herr Kollege Stingl, von der Notwendigkeit einer gewissenhaften Prüfung. Seit fünf Jahren unterhält man sich in diesem Hause über eine gewissenhafte Prüfung. Ich möchte nicht annehmen, daß das Wort von der gewissenhaften Prüfung bei Ihnen etwa in dem Motto endet: Gebt mir weitere vier Jahre Zeit!
Herr Abgeordneter Horn!
Ich beantrage namens meiner Fraktion auch über diesen Antrag auf Umdruck 238 namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache über diesen Antrag auf Anfügung der Nummern 4 und 5 ist geschlossen. Es wird abgestimmt — namentliche Abstimmung ist beantragt — über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD betreffend die Nummern 4 und 5. —Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Änderungsantrag Umdruck 238: mit Ja haben gestimmt 182 und 12 Berliner Mitglieder des Hauses; mit Nein haben gestimmt 222 und 6 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich sechs. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 238, soweit er die Nummern 4 und 5 betrifft, abgelehnt.JaCDU/CSUBreseMeyer
SPDDr. Arndt AugeBadingBäumer BalsBauer Baur (Augsburg) BazilleBehrendt BehrischFrau Bennemann Bergmann BerkhanBerlinBettgenhäuserFrau Beyer BirkelbachBlachstein Dr. Bleiß Dr Brecht BruseBüttner Corterier Cramer Dewald DiekmannDiel Dopatka DröscherFrau Eilers
FallerFelder Folger Franke Dr. FredeFrehsee Frenzel Geiger
GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. HarmHauffe Heide HeilandDr. Dr. Heinemann HellenbrockFrau HerklotzHerold Höcker HöhmannHöhne Hörauf Frau Dr. HubertHufnagelIven
JacobiJahn
Jaksch JürgensenJunghansKalbitzerFrau KeilhackFrau KettigKeuningKinatFrau Kipp-KauleKönen
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3500 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Koenen Frau KorspeterKrausDr. Kreyssig KriedemannKühn
Lange LantermannLudwig LünenstraßMaier
Marx MatznerMeitmannDr. MenzelMerten MetterMeyer Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau NadigOllenhauerPaulPeters Pöhler Pohle PrennelPriebe PützPusch Rasch Dr. RatzelReglingRehsReitz ReitznerFrau RengerRitzel Rohde Frau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau SchanzenbachDr. Schmid Schmidt (Hamburg) Schmitt (Vockenhausen) Seidel (Fürth)Seither SeuffertStierle Sträter StriebeckTheis WagnerWalpertWegenerWehnerWehr Welke WelslauWeltner
Frau WesselWienandWilhelmWischnewskiWittrockZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau KrappeMattickNeubauerNeumannDr. Schellenberg Schröter Schütz (Berlin)Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. AtzenrothDr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus DowidatDürrEisenmannFrau Friese-KornGlahnGraaffDr. Hoven KellerKöhlerDr. Kohut Kreitmeyer Lenz
Dr. Maier
MaukDr. Mende Mischnick Rademacher Dr. Rutschke SanderDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner Abgeordnete Frau Dr. Dr h c. Lüders DPLogemann MatthesDr. Preiß Dr. Ripken Dr. SchildSchneider Dr. Schneider (Lollar)Dr. Schranz TobabenNeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner Arndgen Baier
BaldaufDr. Balke Balkenhol Dr. Bartels Dr. BarzelBauer Bauereisen BauknechtBecker BerberichBergerDr. BirrenbachFürst von BismarckBlankFrau Dr. BleylerBlöckerFrau BlohmDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeFrau Dr. BrökelschenBrückBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterCaspers CillienDr. ConringDr. Czaja Deringer Diel
Dr. Dittrich Dr. DollingerDrachsler Draeger Dr. DresbachEhrenEichelbaum Dr. ElbrächterEngelbrecht-GreveFrau EngländerEnkEpléeEtzenbachDr. Even
Even
FinckhDr. Franz Franzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FunkDr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringGeiger
Frau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GibbertGienckeGlüsing
Dr. GörgenGoldhagen Gontrum Dr. Gossel GotteslebenGünther Hackethal Häussler HahnFrau HamelbeckDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Heck
HeixDr. HellwigDr. HesbergHesemann HeyeHilbertHöcherl HöflerHollaHoogen HornHuthDr. Huys Illerhaus Jahn
JostenDr. Kanka KatzerKemmerDr. KempflerKirchhoffDr. Kliesing KnoblochDr. KnorrKochKraftKrammig KrollKrüger
Krüger
KrugFrau Dr. Kuchtner Kühlthau KuntscherLang
LeichtDr. LeiskeLenz
LeonhardLermer Leukert Dr. LeverkuehnDr. LindenbergDr. LindrathDr. LöhrDr. h. c. LübkeLulayMaier MajonicaMaucher MeisMemmel MengelkampMenke MickMuckermann MühlenbergMüser Nellen NeuburgerNieberg NiederaltFrau NiggemeyerDr. Dr. OberländerDr. OesterleOetzelFrau Dr. Pannhoff PelsterPernollDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Pitz-Savelsberg Frau Dr. ProbstRasnerDr. ReinhardDr. ReithRiedel RösingDr. Rüdel
RufRuland Schäffer ScharnbergScheppmannSchlep SchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) SchmückerSchneider
Dr. Schröder SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. Schwarzhaupt Dr, SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. Siemer
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3501
SimpfendörferSolkeSpies
Spies StauchDr. SteckerFrau Dr. SteinbißStillerDr. StoltenbergDr. Storm
Storm StruveSühler Teriete Unertl VarelmannVeharDr. VogelVogtWacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeimerFrau Welter WendelbornDr. WerberWieningerDr. WilhelmiDr. WillekeWindelen WinkelheideDr. Winter Wittmer-Eigenbrodt WormsDr. WuermelingDr. ZimmermannBerliner AbgeordneteDr. Friedensburg Dr. GradlHübnerDr. KroneFrau Dr. Maxsein StinglEnthaltenCDU/CSUBauschDemmelmeier GewandtWittmannDPDr. von Merkatz Dr.-Ing. SeebohmNun zu Nr. 6. Begründung? — Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaßmann hat in seinen Ausführungen die dringende Notwendigkeit bestätigt, bald zu einer Neuregelung zu kommen. Aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre genügen mehr oder weniger unverbindliche Entschließungen jetzt nicht mehr, sondern der Gesetzgeber selbst sollte die Dinge durch eine gesetzliche Vorschrift in die Hand nehmen.
Deshalb stellen wir durch diesen Änderungsantrag die Forderung, die Vorschriften über die Aufbringung der Mittel des Kindergeldgesetzes bis zum 31. Dezember 1959 zu befristen. Das bedeutet, daß der Gesetzgeber sich selbst das Ziel setzt, bis dahin die Finanzierung neu zu regeln.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind in keiner Weise gebunden, wie es neugestaltet werden soll. Aber daß die Dinge neugestaltet werden müssen, haben Ihre Sprecher heute betont. Deshalb sollten auch Sie dem Antrag zustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir über Nr. 6 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD auf Umdruck 238 ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Schriftführer haben gelinde Zweifel. Wir versuchen es zunächst durch Erheben von den Plätzen. Hier in der Mitte sind einige Lücken, meine Herren; daher die Unsicherheit des Präsidiums. Wir wiederholen die Abstimmung. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Auch der Antrag unter Nr. 6 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Art. 6 auf Umdruck 233. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stellt in der dritten Lesung erneut den Antrag, im Art. 6 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen, d. h. das Kindergeld nicht erst ab 1. März 1959, sondern bereits ab 1. Januar 1959 zu erhöhen.
Ich glaube, es ist nicht nötig — ich will das Haus hier nicht •strapazieren —, daß ich zu dieser Frage noch längere Ausführungen mache. Ich möchte aber doch noch einmal sagen: Versprechen, die man einmal gegeben hat — und der Termin in der Regierungsvorlage war ein Versprechen —, sollte man auch halten.
Wenn man heute versucht, verwaltungstechnische Schwierigkeiten in den Vordergrund zu rücken, ist das eigentlich ein überzeugender Beweis dafür, daß die Bundesregierung sich ihre Vorlage nicht richtig überlegt hat; denn sie hat in dieser Vorlage ja den Termin 1. Januar vorgeschlagen. Außerdem ist es eigentlich ein Beweis dafür, daß die gesamte Kindergeldorganisation mangelhaft ist.
Wir haben — das wissen wir alle hier im Hause — schon manches Gesetz mit viel Erfolg rückwirkend in Kraft gesetzt. Es sind also keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten. Es sind einfach finanzielle Überlegungen, und wir sind der Meinung, daß ein Versprechen schwerer wiegt als finanzielle Überlegungen.
Jetzt habe ich aber noch eine Frage an den Herrn Familienminister Wuermeling, und ich hoffe, daß er mir heute nicht wieder ausweicht, wie er das in der zweiten Lesung getan hat. Ich habe folgende dpa-Meldung vor mir liegen:
25. Januar. Bundesfamilienminister Wuermeling teilte am Wochenende auf dem Parteitag des CDU-Kreisverbandes Altenkirchen in Kirchen mit, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits seinen Plänen über die Erhöhung des Kindergeldes für das dritte Kind auf 40 DM rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an zugestimmt hat.
— Gut, sagen Sie, daß das eine Falschmeldung ist! Aber, lieber Herr Familienminister, vielleicht haben Sie auch die Courage, zu dem Termin hier im Parlament einmal sehr deutlich Stellung zu nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wuermeling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gern bereit, auf die soeben von der Frau Kollegin gestellte Frage zu antworten. Wie ich in einem Zwischenruf schon
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3502 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Dr. Wuermelingfestgestellt habe, ist die Zeitungsmeldung unrichtig gewesen, derzufolge ich in meinem Wahlkreis erklärt haben soll, die Fraktion habe der rückwirkenden Erhöhung ab 1. Januar zugestimmt.
Ich habe beim besten Willen nicht jede Falschmeldung in der Presse berichtigen können, aber immer Gelegenheit genommen, wenn ich irgendwo sprach, die berichtigenden Erklärungen abzugeben.Zur Sache selbst erkläre ich hier vor dem Bundestag folgendes! Ich freue mich mit unseren deutschen Familien darüber, daß heute endlich der endgültige Beschluß gefaßt wird, wonach das erhöhte Kindergeld vom 1. März an gezahlt wird. Ich bin deshalb mit den deutschen Familien bereit, zu verschmerzen, daß durch das Kompromiß diese Verschiebung eintrat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Erklärung des Herrn Bundesfamilienministers, die er schon vor acht Tagen hätte abgeben können, wenn seine Fraktion nicht in der vorigen Woche der dritten Lesung widersprochen hätte, sieht sich meine Fraktion leider nicht in der Lage, dem Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zuzustimmen.
Es liegt in der Verantwortung der Regierung, daß ein Gesetzentwurf, der am 21. November eingebracht wird, nicht parlamentarisch durchbehandelt und so rechtzeitig fertig werden kann, daß er mit Wirkung vom 1. Januar in Kraft tritt.
Außerdem ist nach den Beschlüssen, die die Mehrheit dieses Hohen Hauses heute gefaßt hat, dieser Antrag nunmehr nur geeignet, die Belastungen für die Selbständigen, insbesondere für den Mittelstand, noch höher werden zu lassen und damit noch ungerechter zu machen, als sie bisher schon waren.
Keine weiteren Wortmeldungen? Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 233. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ehe wir zur Schlußabstimmung kommen, muß ich noch über Art. I in der durch die Annahme des Änderungsantrages auf Umdruck 235 geänderten Fassung abstimmen lassen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen in der geänderten Fassung angenommen.
Herr Abgeordneter Schellenberg, vor der Schlußabstimmung möchten Sie eine Unterbrechung der Sitzung. Meine Damen und Herren, es ist Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde beantragt.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wiederaufgenommen.
Ich gebe zunächst das Wort zur Begründung der Entschließungsanträge. Ich schlage vor, daß wir über die Entschließungsanträge in der Reihenfolge der Nummern der Umdrucke abstimmen. Da ist zunächst der Entschließungsantrag der Fraktion der DP. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Regierungsvorlage wiederhergestellt ist, ist die Frage, ob man die Beitragserhöhung aus dem Gesetz herauslassen soll, entschieden. Damit ist aber auch entschieden, daß die Beitragserhöhung in jedem Fall kommen muß.Bei unserem Entschließungsantrag sind wir von vornherein davon ausgegangen, daß die Lösung der immerhin recht prekären Frage, ob man hier gesetzlich regeln soll oder nicht, auf dem Weg eines Verwaltungsabkommens zwischen der Bundesregierung und dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen und den einzelnen Familienausgleichskassen gefunden werden sollte. Wir jedenfalls sind der Auffassung, daß die Mehrheit dieses Hauses in der Lage ist, den grundsätzlichen Bedenken, die die Selbständigen und die Betriebe gegen diese Beitragserhöhung haben, dadurch Rechnung zu tragen, daß man die Regelung in einem Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesregierung und den Familienausgleichskassen trifft. Dies ist nun im Gesetz nach der Entscheidung, die vorhin getroffen worden ist, nicht geregelt worden.Das Verwaltungsabkommen ist möglich. Es bindet die Familienausgleichskassen nicht in ihrer Selbstverwaltung; denn die Freiwilligkeit ist sowohl bei den Familienausgleichskassen als auch für die Regierung gegeben. So kann man zu einem Verwaltungsabkommen gelangen, welches die Beitragserhöhung inhibiert. Auch die etwaigen Reserven der Familienausgleichskassen, über deren Höhe wir uns nicht mehr zu unterhalten brauchen, können herangezogen werden. Mit einem Kassenkredit der Bundesregierung kann zumindest bis zum 31. Dezember 1960 die Erhöhung der Beiträge verhindert werden. Das wollte ich zu Ziffer 1 unseres Entschließungsantrags sagen.Die ganze Angelegenheit hat bei Abschluß eines Verwaltungsabkommens einen ganz anderen Aspekt, als wenn man eine gesetzliche Regelung vorsieht, wie es die FDP in ihrem Antrag wollte. Hier kann man aber weder von einem Einbruch in
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3503
Dr. Schilddie Selbstverwaltung noch etwa davon sprechen, daß eine strenge finanzielle Regelung vorgesehen werde. Auch kann man nicht etwa sagen, wie Herr Kollege Gaßmann es getan hat, die Familienausgleichskassen kämen in finanzielle Schwierigkeiten oder gerieten sogar in Konkurs. Das läßt sich alles in einem Verwaltungsabkommen zwischen Bundesregierung und Familienausgleichskassen regeln.Aus der Ziffer 2 unseres Entschließungsantrages wollen Sie lediglich die Vorstellung meiner Fraktion darüber entnehmen, welches Kindergeldsystem die künftige Gesetzesvorlage der Bundesregierung vorsehen sollte.Wir bitten Sie, unserem Entschließungsantrag, der eine großzügige Regelung zwischen Bundesregierung einerseits und den Familienausgleichskassen andereseits im Wege einer Vereinbarung offen läßt, zuzustimmen. Ich beantrage namentliche Abstimmung.
Präsident D.Dr. Gerstenmaier: Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir werden über die Entschließungsanträge erst nach der Schlußabstimmung abstimmen; darüber besteht Einmütigkeit. Zunächst werden wir aber die Begründungen aller Entschließungsanträge hören, weil damit Erklärungen zur Abstimmungen verbunden werden.Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Seit der ersten Beratung des Kindergeldgesetzes in diesem Hause ist die sozialdemokratische Fraktion dafür eingetreten, daß die Gewährung von Kindergeld als Aufgabe der Allgemeinheit angesehen und dementsprechend organisatorisch und finanziell gestaltet wird. Die Warnungen, die wir gegen die berufsständische Regelung der Kindergeldgesetzgebung erhoben haben, haben sich in den letzten Jahren vollauf als berechtigt erwiesen.
Die Kindergeldgesetzgebung ist von Jahr zu Jahr komplizierter geworden, und die Ungerechtigkeiten in der Aufbringung der Mittel sind immer noch nicht beseitigt. Wenn jetzt das Kindergeld von 30 auf 40 DM erhöht wird, so entspricht das unserer Forderung. Beseitigt wird aber nicht die Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik immer noch das schlechteste Kindergeldgesetz Europas haben.
Die bescheidenen Ansätze zu einer Neuregelung, die in der zweiten Lesung von der Mehrheit dieses Hauses beschlossen wurden, sind jetzt in der dritten Beratung aus Gründen der Fraktionsdisziplin zunichte gemacht worden.
Die Sozialdemokraten können einer solchen Regelung nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Wir haben immer die notwendige Hilfe für die kinderreichen Familien gefordert und sind deshalb, das hat die Abstimmung erwiesen, dafür eingetreten, die Erhöhung des Kindergeldes mit Wirkung vom 1. Januar 1959 ab wirksam werden zu lassen.
Die Sozialdemokraten können aber wegen der Fehlkonstruktion das Gesetz nicht unterstützen.
Die Neuregelung der Kindergeldgesetzgebung bleibt auf der Tagesordnung dieses Hauses.
Zur Begründung des Entschließungsantrages der Fraktion der CDU/CSU Frau Abgeordnete Welter!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der CDU/CSU legt dem Hohen Hause einen Entschließungsantrag vor, den Sie auf Umdruck 214 finden. Über diesen Entschließungsantrag ist schon in mehreren Diskussionsreden gesprochen worden. Der Herr Kollege Schild hat die Frage gestellt, was wir von der CDU mit diesem Entschließungsantrag bezwecken. Nun, wir beabsichtigen genau das, was wir in dem Entschließungsantrag sagen. Wir beziehen uns auf die Ausführungen, die der Herr Minister für Arbeit und Sozialordnung in der ersten und zweiten Lesung gemacht und die er heute wiederholt hat.Mit dem Entschließungsantrag ersuchen wir die Regierung, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den vor allen Dingen eine gerechte Verteilung der Mittelaufbringung erreicht wird.Die Kritik an unserem bisherigen Kindergeldgesetz schwankt zwischen verschiedenen Variationen. Herr Schellenberg sagt „schlecht und unglücklich", Herr Stammberger hat in Luneburg gesagt: „Sie ist grausig". Nun, zum mindesten muß um der Wahrheit willen gesagt werden, daß seit ungefähr fünf Jahren Kinder und Familien Kindergeld bekommen,
und das System funktioniert ganz ausgezeichnet.
Es sind nach dem Bericht 1,7 Millionen Kinder in 1,1 Millionen Familien, die das Kindergeld 1957 reibungslos bekommen haben. Das ist eine Leistung, die Sie durch Schlagworte nicht aus der Welt schaffen können.
Wenn wir trotzdem in ehrlichster Absicht unsere Meinung kundtun, daß die Kindergeldgesetzgebung aufs gründlichste und nüchternste geprüft werden soll, so meinen wir damit nicht nur eine kritische
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3504 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
Frau Welter
Prüfung, sondern wir wollen auch prüfen, was an dieser Gesetzgebung Gutes ist.
Dann wird es sich ergeben, was an der Gesetzgebung weitergeführt und was geändert werden muß.
Wir sind durchaus bereit, eine notwendige Reform durchzuführen. Wir möchten gern mit Ihnen von der Opposition, also auch mit Ihnen von der FDP, zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.Wir lehnen es aber ab, sofort auf die allgemeine, auf die staatliche Lösung hinzusteuern. Dies entspricht nicht unserer Konzeption. Es entspricht unserer Konzeption, einen echten Familienlastenausgleich zu schaffen, der unseren Familien dient. Wir wollen jetzt einmal nicht nur vin der Verwaltung, von der Organisation, von dem System sprechen, sondern von den lebendigen Familien, denen dieses unser Gesetz zugute kommen soll. Dies leitet uns bei unserer Entschließung und zugunsten dieser unserer gesunden Familien, denen wir helfen wollen, bitte ich Sie, diese Entschließung anzunehmen. Sie können versichert sein, daß wir nichts unterlassen werden, um mit Hilfe des Bundesministeriums für Arbait und Sozialordnung schnellstens zu einem bauchbaren Vorschlag zu kommen.
Meine Damen und Herren, die Entschließungsanträge sind nunmehr begründet. Zu diesen Anträgen liegt eine Wortmeldung vor. Ich erteile Herrn Dr. Stammberger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, Frau Kollegin Welter, daß ich in Lüneburg vor einigen Tagen das Kindergeldgesetz als ein grausiges Gesetz bezeichnet habe. Ich habe damit die Aufbringungsseite gemeint, und ich bin der Meinung, daß es durch diese Novelle noch grausiger wird.
Ich stehe zu dieser Ansicht, Frau Kollegin Welter, auch heute. Ich habe auch in der dritten Lesung genauso gestimmt wie in der zweiten Lesung, Frau Kollegin Welter, trotz namentlicher Abstimmung.
Vielleicht darf ich, weil ichangesprochen worden bin und erwidern muß, noch auf etwas hinweisen, was mir einfiel, als das Ergebnis der wohlweislich beantragten namentlichen Abstimmung bekanntgegeben wurde. Ich dachte an ein Gedicht von Gottfried Keller; es ist überschrieben „Parteigänger". In diesem Gedicht sind drei interessante Zeilen. Die erste lautet: „Hin sank so mancher Brave." Die beiden anderen möchte ich nicht zitieren; sonst gibt es einen Tumult. Ich bitte Sie, sie selbst nachzulesen.
Meine Damen und Herren, es ist meine Aufgabe den Standpunkt meiner Fraktion zu den Entschließungsanträgen darzulegen. Wir werden dem Entschließungsantrag der Deutschen Partei zustimmen, weil er unserer Ansicht von den Dingen entspricht. Ich brauche den Worten des Herrn Kollegen Schild daher nichts mehr hinzuzufügen.
Wir werden uns bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion der Stimme enthalten.
Hinsichtlich des Entschließungsantrags der CDU/ CSU möchte ich doch anregen, daß Sie, meine Damen und Herren, diesen Antrag zurückziehen, da bereits jetzt feststeht, daß er gar nicht durchzuführen ist. Sie verlangen nämlich mit Ihrem Entschließungsantrag, daß die Bundesregierung ein Neuregelungsgesetz zum Kindergeld so rechtzeitig vorlegt, daß es bis zum Anfang des Jahres 1960 in Kraft treten kann.
Wenn ein solches Gesetz ordnungsgemäß beraten werden soll, wäre es bei dieser Frist erforderlich, daß es alsbald, spätestens noch zu den Parlamentsferien, eingebracht wird. Herr Minister Blank hat aber vorhin erklärt, daß das völlig unmöglich sei. Das heißt mit anderen Worten: Schon jetzt steht fest, daß Ihr Antrag — wenn Sie ihn aufrechterhalten — eine reine Deklamation ist, die gar nichts besagt.
Wenn Sie Ihren Entschließungsantrag aufrechterhalten, werden wir aus diesem Grunde dagegenstimmen.
Es liegen zwei Wortmeldungen vor, durch die Erklärungen abgegeben werden sollen. Zunächst Frau Friese-Korn.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich folgende Erklärung zur Schlußabstimmung abzugeben:Bei den Beratungen über diesen von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze schien es so, als bahne sich endlich eine klare, tragbare Lösung für diese sozialpolitische Aufgabe an. Die Unzufriedenheit über das geltende Aufbringungssystem hat sich seit Verabschiedung des ersten Kindergeldgesetzes und trotz aller nachfolgenden Neuregelungen in den betroffenen Mittelstandskreisen verstärkt. Auch die Opposition in diesem Hause ist stärker geworden. Es zeigte sich in der zweiten Lesung, daß sachliche Meinungen über Parteigrenzen hinweg neue Mehrheiten bilden können. So war es zur Annahme des FDP-Änderungsantrags gekommen, mit dem das System der Aufbringung durch Familienausgleichskassen zum Auslaufen gebracht werden sollte. Die heutige Debatte und Abstimmung bringt den Rückfall in die Fraktionsdisziplin wider den besseren Sachverstand.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3505
Frau Friese-KornWas an Vorschlägen der FDP im Mittelstandsausschuß von Sprechern aller Fraktionen als gut und vernünftig bezeichnet worden ist, was in der zweiten Lesung eine Mehrheit fand, hier und heute wurde es niedergestimmt. Damit haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, entgegen Ihren Wahlversprechungen und entgegen der Regierungserklärung dem Mittelstand neue Lasten auferlegt.
Diese Last wird in diesem Jahr um 170 Millionen DM größer sein; im nächsten Jahr wird die Erhöhung die 200-Millionen-Grenze überschreiten.Wir stellen ausdrücklich fest, daß wir die Notwendigkeit einer Erhöhung des Kindergeldes auf 40 DM anerkennen.
Wir können aber nicht unsere Zustimmung zu einer Lösung geben, die eine Verpflichtung, welche das ganze Volk betrifft, nur einer Bevölkerungsgruppe aufbürdet,
nämlich dem Mittelstand, der vertreten wird durch Handwerk, Handel, Gewerbe, mittelständische Industrie, Landwirtschaft und freie Berufe. Wir stimmen mit Nein, weil wir zu einer solchen Vertiefung bestehenden Unrechts nicht ja sagen können.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat weiter der Abgeordnete Dr. Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verhältnisse bei der Familienzulage und beim Kindergeld im Saarland sind, wie Sie wissen, besonderer Art. Wir werden in Kürze über die Anpassung zu diskutieren haben. Für mich als Abgeordneten des Saarlandes ist es deshalb eine Selbstverständlichkeit, daß ich diesem Gesetz ohne Rücksicht auf die Strukturverschiedenheit meine Zustimmung gebe. Das heißt nicht, daß ich damit von der Meinung meiner Fraktion abweiche oder ihr etwa entgegentreten will.
Sollen weitere Erklärungen zur Abstimmung abgegeben werden? — Meine Damen und Herren, ich bitte um ein klein wenig Ruhe. Die Mikrophone können nicht besser gemacht werden, als sie sind. Da muß ich Sie schon bitten, dem Präsidenten ein wenig zu helfen, daß er wirklich seines Amtes walten kann. Das können Sie am besten durch Schweigen — wenn Ihnen nicht gerade das Wort erteilt worden sein sollte.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Reihe von Gegenstimmen und bei zahlreichen Enthaltungen ist dieses Gesetz angenommen.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Ich lasse in der Reihenfolge abstimmen, in der die Entschließungsanträge eingegangen sind, zunächst also über den Antrag Umdruck 209, dann Umdruck 211, Umdruck 212 und schließlich Umdruck 214.
Sind 50 Mitglieder des Hauses bereit, den Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck 209 zu unterstützen? Ich bitte um ein Handzeichen. — Dann stimmen wir über den Antrag Umdruck 209 in namentlicher Abstimmung ab. —Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es sind 398 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten und 18 Stimmen von Berliner Abgeordneten abgegeben worden. Mit Ja haben 189 Abgeordnete, mit Nein 199 Abgeordnete gestimmt; enthalten haben sich 10 Mitglieder des Hauses. Von den Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja und 6 mit Nein gestimmt. Damit ist der Entschließungsantrag auf Umdruck 209 abgelehnt.Ja CDU/CSUBausch Brese GewandtDr. KempflerDr. Knorr Müller-HermannDr. OesterlePernoll Schlee Stiller UnertlSPDDr. Arndt AugeBading Bäumer BalsBauer Baur (Augsburg) BazilleBehrendt BehrischFrau Bennemann Bergmann BerkhanFrau Beyer BlachsteinDr. Bleiß Dr Brecht BruseBüttner Corterier Cramer Dewald DiekmannDiel Dopatka DröscherFrau Eilers
EschmannFallerFelder Folger Franke Dr. Frede Frehsee Frenzel Geiger
GeritzmannHaage HamacherHansing Hauffe Heide Heiland Dr. Dr. HeinemannHellenbrockFrau HerklotzHerold Höcker HöhmannHöhne Hörauf Frau Dr. HubertHufnagelIven
JacobiJahn
Jaksch JürgensenJunghansKalbitzerFrau KeilhackFrau KettigKeuning KinatFrau Kipp-KauleKönen
Koenen
Frau KorspeterKrausDr. KreyssigKriedemannLange
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3506 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959
LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier
Marx MatznerMeitmannDr. MenzelMertenMetterMeyer Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau NadigOllenhauerPaulPeters Pöhler Pohle PrennelPriebe PützPusch Rasch Dr. RatzelReglingRehsReitz ReitznerFrau RengerRitzel Rohde Frau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau SchanzenbachDr. Schmid Schmidt (Hamburg) Schmitt (Vockenhausen) Seidel (Fürth)Seither SeuffertStierle Sträter StriebeckTheis WagnerWalpertWegenerWehnerWehr Welke WelslauWeltner
Frau WesselWienandWilhelmWischnewskiWittrockZühlkeFDPDr. AchenbachDr. AtzenrothDr. Bucher Dr. DahlgrünDr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus DowidatDürrEisenmannFrau Friese-KornGlahnGraaffDr. Hoven KellerKöhlerDr. Kohut Kreitmeyer Lenz
Dr. Maier
MaukDr. Mende Mischnick Rademacher Dr. Rutschke SanderDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannDPLogemann MatthesDr. PreißProbst
Dr. Ripken Dr. SchildSchneider Dr. Schneider (Lollar)Dr. Schranz TobabenBerliner Abgeordnete SPDFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeMattickNeubauer Neumann Dr. SchellenbergSchröter
Schütz
Dr. SeumeFrau Wolff
FDPFrau Dr. Dr. h. c. Lüder,NeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner Arndgen Baier
BaldaufBalkenhol Dr. Bartels Dr. BarzelBauer Bauereisen BauknechtBecker BerberichBergerDr. BirrenbachFürst von BismarckBlankFrau Dr. BleylerBlöckerFrau Blohm Dr. Böhm BrandFrau BrauksiepeFrau Dr. BrökelschenBrückBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterCaspers CillienDr. Conring Dr. CzajaDiel
Dr. Dittrich Dr. DollingerDrachsler Draeger EhrenEichelbaumDr. Elbrächter Engelbrecht-GreveFrau EngländerEpléeEtzenbachDr. Even
Even FinckhDr. Franz Franzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)Dr. FurlerFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringGeiger
Frau GeisendörferGernsD. Dr. Gerstenmaier GibbertGienckeGlüsing
Dr. Görgen Goldhagen Gontrum Dr. Gossel GotteslebenHackethal Häussler HahnFrau HamelbeckDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Heck
HeixDr. HesbergHesemann HeyeHilbertHöcherl HöflerHollaHornDr. Huys Illerhaus Jahn
JostenDr. Kanka KatzerKammer KirchhoffDr. Kliesing KnoblochKraftKrammig KrollKrüger
Krüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKühlthau KuntscherLang
LeichtDr. LeiskeLenz
LeonhardLermer Leukert Dr. LeverkuehnDr. LindrathDr. Löhr LulayMaier MajonicaMaucherMeisMengelkampMenkeMeyer MickMuckermannMühlenbergMüser NiederaltFrau NiggemeyerDr. Dr. OberländerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. ProbstRasnerDr. ReinhardDr. ReithRiedel
RösingDr. Rüdel
RufRuland Schäffer ScharnbergScheppmannSchlick SchmückerSchneider
Dr. Schröder SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresSiebelDr. SiemerSimpfendörferSolkeSpies
Spies StauchDr. SteckerFrau Dr. SteinbißDr. StoltenbergDr. Storm
Storm StruveSühler Teriete VarelmannVeharDr. VogelVogtWacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber WehkingWeimerFrau Welter
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Februar 1959 3507
Wendelborn Dr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter WittmannWittmer-Eigenbrodt WormsDr. WuermelingDr. ZimmerDr. ZimmermannBerliner Abgeordnete CDUDr. Friedensburg Dr. GradlHübnerDr. KroneFrau Dr. Maxsein StinglEnthaltenCDU/CSUDemmelmeier DeringerDr. Dresbach FunkGüntherHuthKochMemmelNiebergDr. SchwörerWir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 211 ab. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 212! Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 214! Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es bestehen Zweifel; wir müssen das Ergebnis im Wege des Hammelsprungs ermitteln. —Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Insgesamt sind 364 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 207, mit Nein 155 Mitglieder des Hauses; enthalten haben sich zwei. Damit ist der Antrag angenommen.Wir stimmen nunmehr über den Antrag Umdruck 237 ab. Wer dem Antrag Umdruck 237 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Mehrheit ist dagegen; der Antrag ist abgelehnt.Damit ist dieser Punkt erledigt.Wir kommen zu den Punkten 13 b und c:b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Kindergeldes (Drucksache 799),c) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzes zur Auflösung und Abwicklung der Familienausgleichskassen .Die antragstellende Fraktion hat mich wissen lassen, daß sie auf eine Begründung verzichtet, falls nicht von anderen Fraktionen aus zu den Anträgen gesprochen werden sollte und falls das Haus bereit ist, die beiden Anträge an die Ausschüsse zu überweisen. Ist dies der Fall?
Dann verzichten Sie auf Begründung?
Es ist beantragt, bei Punkt 13 b die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß vorzunehmen. Einverstanden? — Es ist so beschlossen.Bei Punkt 13 c ist Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen zur Mitberatung vorgeschlagen worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen. Damit ist Punkt 13 der Tagesordnung erledigt.Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksachen 123, 636).Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Winkelheide. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Sozialpolitik behandelte in seiner 18. Sitzung den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 123 betreffend Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung. Den Mitgliedern des Ausschusses lag in dieser Sitzung ein Bericht über die Finanzlage der Krankenkassen vor. Die SPD-Fraktion bestand auf einer Entscheidung über den Antrag in der Sache. Die Vertreter der CDU/ CSU im Ausschuß betonten, daß sie der Gewährung eines vollen Kostenersatzes positiv gegenüberstünden, daß jedoch, da in Kürze eine Gesetzesvorlage zu erwarten sei, eine Vorwegbehandlung nicht ratsam erscheine. Die in Ziffer 1 des SPD-Antrages angesprochene Frage werde, so argumentierten sie, durch die Neuregelung des Rechts der Unfallversicherung geklärt werden. Die Frage der Ziffer 2 — Abgeltung der Aufwendungen in der Familienwochenhilfe — werde in der Krankenversicherungsneuordnung geregelt werden. Zudem stünden noch zwei Entscheidungen von Sozialgerichten in dieser Frage aus. Die in den Ziffern 3 und 4 des SPD- Antrages angesprochenen Fragen seien eine Angelegenheit des Übereinkommens der Versicherungsträger.Die CDU/CSU beantragte, den Antrag der SPD- Fraktion der Regierung als Material zu überweisen. Die Regierung solle, so erklärten die CDU/ CSU-Abgeordneten, dann bei den Vorarbeiten für die Änderung der einschlägigen Gesetze überprüfen, inwieweit man den Anregungen, die in dem Antrag enthalten seien, nachkommen könne.Der Vorsitzende, Professor Schellenberg, stellte fest, daß der Ausschuß zunächst in der Sache über den Antrag auf Drucksache 123 zu beschließen habe. Er stellte die einzelnen Ziffern dieses Antrages zur Abstimmung. Der Ausschuß lehnte sämtliche Ziffern des Antrages mit Stimmenmehrheit ab. Damit galt der Antrag als abgelehnt.
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WinkelheideSodann folgte im Ausschuß eine erneute Aussprache. Die Vertreter der CDU/CSU stellten einen Antrag, der mit dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 636, die Ihnen vorliegt, übereinstimmt. Dieser Antrag wurde bei Stimmenthaltungen mit Mehrheit angenommen.Ich darf Ihnen im Auftrage des Ausschusses für Sozialpolitik empfehlen, den in dem Mündlichen Bericht Drucksache 636 enthaltenen Antrag anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? — Liegen Änderungsanträge vor? — Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren diskutiert die Öffentlichkeit — im besonderen Maße die krankenversickerten Menschen — das Problem der Erstattung der Kosten an die gesetzliche Krankenversicherung für deren Tätigkeit im Auftrag anderer Einrichtungen. Es handelt sich für die gesetzliche Krankenversicherung um eine lebenswichtige Frage, da es hier nach zuverlässigen Berechnungen der Fachleute um eine Summe von 550 bis 600 Millionen DM geht. Hinzu kommt noch die wesentlich höhere Summe für die sogenannten wesensfremden Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die vor allem durch die Bestimmungen des Leistungsverbesserungsgesetzes — sprich: Lohnfortzahlung — entstehen. Es ist selbstverständlich, daß von der Lösung dieses Problems das Ergebnis der Reform der gesetzlichen Krankenversicherung abhängig ist. Eine Reform, die diese Tatsache nicht beachtet, muß zu einem falschen Ergebnis kommen, weil der Ausgangspunkt falsch ist.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat die Dringlichkeit dieses Problems schon lange erkannt und bemüht sich seither um die Beseitigung der nach ihrer Auffassung ungerechtfertigten Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir haben schon in der zweiten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages unter der Drucksache 3280 einen Gesetzentwurf eingebracht, dessen Verwirklichung den Krankenkassen diese ungerechtfertigte fremde Last abgenommen hätte. Die Mehrheit des Bundestages lehnte jedoch diesen Gesetzentwurf ab und begründete die Ablehnung mit der Behauptung, daß diese Probleme ohnehin in Bälde in anderen Gesetzen geregelt würden. Über diese Behauptungen sind mehr als zwei Jahre ins Land gegangen, ohne daß die für die prekäre Lage der gesetzlichen Krankenversicherung wesentlichen Bestimmungen geändert worden sind.
Der heute zur Beratung vorliegende Antrag der SPD-Fraktion wurde bereits vor einem Jahr von dem Hohen Haus in erster Lesung behandelt. Es war gerade an dem im Rheinland sehr beliebten Tag der Weiberfastnacht, und die Beratungen standen nicht zuletzt deshalb unter erheblichem Zeitdruck. Leider haben diese Bemühungen um Beschleunigung der Beratungen, wie sie in Anbetracht der finanziellen Lage der Krankenkassen auch notwendig gewesen wären, nicht angehalten.
Das allein wäre noch nicht so schlimm, wenn die Beratungsergebnisse, so wie sie uns jetzt als Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik vorliegen, endlich eine Erstattung der Kosten für die Auftragsgeschäfte der Krankenkassen brächten. Dies ist leider nicht der Fall. Mit dem Ausschußantrag wird die Regierung nur beauftragt, zu prüfen, auf welche Weise den Krankenkassen eine angemessene Erstattung der Kosten für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben für andere Einrichtungen gewährt werden kann.
Zu welchen Ergebnissen eine solche Überprüfung durch die Bundesregierung führt, zeigt am besten der von diesem Hohen Hause bereits in erster Lesung verabschiedete Gesetzentwurf zur Unfallversicherungsreform. Die Bestimmungen dieses Entwurfs bringen keine Erstattung der den Krankenkassen entstehenden Kosten für Betriebsunfälle und Berufskrankheiten, obwohl die Krankenkassen für Leistungen der Unfallversicherungen einen Betrag von zirka 300 Millionen DM aufbringen müssen. Nach den bisherigen Bestimmungen tragen die Krankenkassen bis zum 45. Tage fast alle Ausgaben für Betriebsunfälle; das sind nahezu 78 % der Leistungen für die Behandlung von Betriebsunfällen überhaupt.
Sie selbst, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben bei- jeder Gelegenheit betont, es entspreche Ihren grundsätzlichen Auffassungen, daß die Einrichtungen, die für die Gewährung einer Leistung zuständig seien, auch die entstehenden Kosten zu tragen hätten. Trotzdem hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in Widerspruch zu allen früheren Vorlagen und zu seinen Reden erneut eine starke Belastung der Gemeinschaft der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Menschen festgelegt.
Mein Parteifreund Helmut Rohde hat schon bei der Einbringung unseres Antrages vor einem Jahr darauf hingewiesen, daß der damalige Arbeitsminister Anton Storch bei der Beratung des Leistungsverbesserungsgesetzes eine stärkere Belastung der Krankenkassen für vertretbar hielt, weil nach dem damaligen Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes alle Kosten für die Behandlung von Betriebsunfällen von der Unfallversicherung übernommen werden sollten. In der Zwischenzeit fanden allerdings die Wahlen zum 3. Bundestag statt. Ich mag nicht glauben, daß ihr Ergebnis bei Ihnen einen Sinneswandel herbeigeführt hat; denn der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat noch im März 1958 bei einem Gespräch im Hessischen Rundfunk betont, daß die Unfallversicherung vom ersten Tage an die Leistungen für Unfallschäden übernehmen soll. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich zitieren:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Das ist auch ein Problem, über das schon sehr viel zwischen den Beteiligten gesprochen worden
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Geiger
ist. Leider ist es da zu einer einstimmigen Auffassung nicht gekommen. Bisher war es so, daß die Krankenkassen in den ersten 45 Tagen mit ihren Leistungen im Falle eines Unfalls eintreten mußten. In meinem Entwurf— sagte der Herr Bundesminister für Arbeit —ist nunmehr vorgesehen, daß die Unfallversicherung vom ersten Tage ab die Leistungen übernehmen soll."Meine Damen und Herren, wenn es nicht der Ausgang der Bundestagswahl ist, sind es dann vielleicht Ihre Vorstellungen vom Wohlfahrtsstaat, auf Grund deren nach dem jetzt vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unfallversicherung wieder eine stärkere Belastung der Gemeinschaft der Krankenversicherten bei Betriebsunfällen festgelegt werden soll? Hierbei wird nicht nur die finanzielle Belastung, sondern auch die Einschränkung der Selbstverwaltung wesentlich ins Gewicht fallen. Ich habe die Hoffnung, daß Sie deshalb unserem neuen Antrag zustimmen, nachdem der Kollege Gaßmann mit großer Beredtheit gerade vor der Gefahr der Einschränkung der Selbstverwaltung im vorhergehenden Gesetz gewarnt hat. Der Kollege Stingl hat sich ihm angeschlossen. Sie haben hier allerdings, meine Damen und Herren, eigentlich gerade das Umgekehrte von dem getan, was Sie vorhin begründet haben.Es ist unverständlich, daß der Herr Arbeitsminister mit seinem Gesetzentwurf über das hinausgeht, was die beteiligten Krankenkassen und Unfallversicherungsträger vorbehaltlich einer gesetzlichen Regelung miteinander vereinbart hatten. Nach dieser Vereinbarung würde die Unfallversicherung die Kosten für alle Unfälle, die 18 und mehr Tage lang Leistungen beanspruchen, übernehmen. Die Krankenkassen würden dadurch um 113 Millionen DM entlastet werden. Nach dem Entwurf der Bundesregierung beträgt die Entlastung der Krankenkassen nur 50 Millionen DM, während im ersten Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes eine Entlastung der Krankenkassen von 175 Millionen DM vorgesehen war.Neben den Belastungen durch die Unfallversicherung ist die Belastung durch die Leistungen im Falle der Mutterschaft von besonderer Bedeutung. Sicher sind wir uns alle darüber einig, daß es sich bei diesen Leistungen um eine gesellschafts- und sozialpolitische Notwendigkeit handelt. .Die vorausgegangene Debatte über das Kindergeld hat das noch einmal deutlich werden lassen. Einigkeit sollte aber auch darüber bestehen, daß die Gewährung von Leistungen bei Mutterschaft keine Aufgabe der Gemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann, abgesehen davon, daß die Schwangerschaft medizinisch gar keine Krankheit darstellt, übrigens ebensowenig, wie die Gewährung von Kindergeld etwas mit der Unfallverhütung bzw. Unfallversicherung zu tun hat. Würden den Krankenkassen alle Ausgaben für die Mutterschaft vergütet werden, würden sie um zirka 250 Millionen DM entlastet. Eine Entlastung um 17 Millionen DM würden die Krankenkassen erfahren, wenn der zurZeit nicht zur Anwendung kommende § 205 d RVO wieder geltendes Recht würde. Die Bundesregierung verschanzt sich bei der Diskussion dieser Frage immer wieder hinter die Gerichtsverfahren, die wegen der Gültigkeit dieses Paragraphen geführt werden.Meine Damen und Herren, wer hindert uns, das Parlament, aber daran, bei unserem Wirtschaftswunder eine Notverordnung aus dem Jahre 1930 zu beseitigen? — Die gesetzliche Krankenversicherung muß ebenso einen Betrag von 29 Millionen DM für die Kriegsopfer aufbringen. Herr Kollege Professor Dr. Schellenberg stellte kürzlich fest, daß allein bei den Krankenkassen 1000 Personen mit der Abrechnung von KB-Leistungsfällen beschäftigt werden, abgesehen von den Personen, die bei den Versorgungsämtern mit derselben Materie beschäftigt sind.Die gesundheitliche Betreuung der Kriegsbeschädigten ist eine sozial- und gesellschaftspolitisch notwendige Aufgabe. Die dafür entstehenden Kosten können aber keinesfalls zu einem Großteil der Gemeinschaft der Krankenversicherten aufgebürdet werden, sondern sind allenfalls ein Teil des Wehretats. Die Krankenkassen sind beauftragt, die Beiträge für die Invaliden- und Angestelltenversicherung sowie für die Arbeitslosenversicherung einzuziehen. Die Vergütung für diese Tätigkeit entspricht aber nicht den tatsächlichen Kosten. Ebenso wird für die Ausstellung der Versicherungskarten nur ein Betrag von 25 Pfennig pro Stück gewährt, während mindestens 75 Pfennig gebraucht werden. Zirka 320 Millionen Mark muß die soziale Krankenversicherung, die Gemeinschaft der krankenversicherten Menschen, zur Erledigung dieser Aufgaben aufwenden.Die Liste der sogenannten Auftragsangelegenheiten ist mit dieser Aufzählung noch lange nicht erschöpft. Ich habe nur die krassesten Festlegungen aufgezählt. Der sozialdemokratischen Fraktion geht es bei dieser Debatte darum, jetzt, bei der Neuregelung des Unfallversicherungsrechts, der Reform der Krankenversicherung und der Kriegsopferversorgung, der Regierung einen klaren und bestimmten Auftrag zu erteilen, nach dem künftig die soziale Krankenversicherung die Kosten für ihre Auftragsgeschäfte erstattet erhalten soll.Diese Maßnahmen können sinnvoll noch vor Verabschiedung dieser Gesetze durchgeführt werden, damit der Weg für eine wirkliche Reform frei wird. Wir haben Ihnen auf Umdruck 234 einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt, und wir bitten Sie, ihm zuzustimmen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Franz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hohen Hause wird es niemanden geben, der gewillt wäre, dem Anliegen, das in Drucksache 123 angesprochen ist, seine Berechtigung abzusprechen. Gewiß ist seit
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Dr. Franzdem Zeitpunkt des Erscheinens der Vorlage durch das Verschwinden der seinerzeit herrschenden Grippewelle und eine sich seit längerer Zeit abzeichnende Normalisierung des Krankenstandes die finanzielle Lage der Krankenkassen wieder übersichtlicher geworden. Das Problem des Ersatzes für die Kosten, die den Krankenkassen durch Auftragsangelegenheiten entstehen, ist jedoch dadurch in grundsätzlicher Sicht nicht leichter geworden. Auf den Antrag Drucksache 123 bezogen, kann man sagen, daß es sich durch Aufheben nicht erledigt hat.Wenn Sie den Antrag der SPD Drucksache 123 und den Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses Drucksache 636 miteinander vergleichen, spüren Sie die Bereitschaft, einem berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen. Nur war die Mehrheit der Auffassung, es empfehle sich nicht, isolierte Maßnahmen zu ergreifen, nachdem auf fast allen angesprochenen Gebieten gesetzgeberische Schritte in Aussicht stehen.Zu Punkt 1 ihres Antrags hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem Anliegen selber Rechnung getragen, indem sie in ihrem Änderungsantrag auf Umdruck 234 auf die Unfallversicherung nicht mehr eingeht. Der Entwurf eines neuen Unfallversicherungsgesetzes liegt ja inzwischen dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Beratung vor. Die endgültige Regelung wird gewiß für die Krankenkassen eine Besserstellung gegenüber dem heutigen Zustand bringen. Im Augenblick erhalten die Kassen nämlich nur einen teilweisen Ersatz für ihre Aufwendungen. Am Beispiel der Ziffer 1 zeigt es sich jedoch ganz deutlich, daß eine Vorwegbehandlung des vorliegenden Antrags vor den bereits im Ausschuß zur Beratung anstehenden Gesetzesvorlagen unzweckmäßig wäre.Zu Ziffer 2 ist zu sagen, daß der § 205 d RVO bis zum heutigen Tag nicht aufgehoben oder geändert ist. Hier bringt der Referentenentwurf zur Krankenversicherung sogar eine Besserstellung, und es empfiehlt sich auf alle Fälle, den Ausgang der anhängigen Gerichtsverfahren abzuwarten. Auch hier wird es jedenfalls alsbald Gelegenheit geben, in größerem Zusammenhang die gegenwärtig geübte Praxis zu erörtern.Der Inhalt der Ziffern 3 und 4, Ersatz der anteiligen Aufwendungen, ist bisher schon durch die Selbstverwaltungsorgane in gegenseitiger Vereinbarung geregelt worden. Bei der starken Betonung, die wir alle auf eine verantwortungsfreudige, funktionierende Selbstverwaltung legen, erscheint es uns sehr fraglich, ob wir hier als Gesetzgeber überhaupt eingreifen sollen.Insgesamt erscheint es uns zweckmäßig, die Anregungen in der Drucksache 636, die sich inhaltlich weitgehend mit denen der Drucksache 123 decken, der Regierung als Material zu überweisen, und zwar zum Zwecke der Überprüfung im Zusammenhang mit den großen sozialpolitischen Vorlagen, vor deren Beratung wir stehen.Ich darf Sie daher bitten, die Ausschußvorlage Drucksache 636 anzunehmen und den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 234 abzulehnen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Wir müssen uns alle in Geduld üben, Herr Kollege. Das stärkt uns in der Tugend und macht uns für die Ausübung unseres Mandats geeigneter.
Wir kommen dann zur Abstimmung und stimmen zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 234 ab. Besteht Einverständnis darüber, daß in dieser Reihenfolge abgestimmt wird? — Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Ohne Zweifel die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über den Ausschußantrag Drucksache 636 ab. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 18. März 1959, 15 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.