Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.
– Aber das ist doch auch der, der jetzt gebraucht wird.
– Na ja, aber die ganze Weide hier ist ja auch noch einbisschen übersichtlich.Ich möchte darauf hinweisen, dass der Ältestenratgestern in seiner Sitzung vereinbart hat, während derHaushaltsberatungen in unserer nächsten Sitzungswo-che ab dem 22. November, wie auch sonst üblich, keineBefragung der Bundesregierung, keine Fragestunde undauch keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Darf ichdazu allgemeines Einvernehmen feststellen? – Das istoffensichtlich der Fall.Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 bauf:a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der CDU/CSU und der FDP eingebrachtenRedetEntwurfs eines Gesetzes zur nachhaltigen undsozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetz-
– Drucksache 17/3040 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur nachhaltigen und sozial ausgewogenenFinanzierung der Gesetzlichen Kranken-
– Drucksachen 17/3360, 17/3441 –Beschlussempfehlung und Bericht desses für Gesundheit
– Drucksache 17/3696 –
richts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus-schuss)– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. EdgarFranke, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDPatientenschutz statt Lobbyismus – KeineVorkasse in der gesetzlichen Krankenversi-extcherung– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. MartinaBunge, Kathrin Senger-Schäfer, HaraldWeinberg, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion DIE LINKESolidarische Bürgerinnen- und Bürgerversi-cherung in Gesundheit und Pflege einführen– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungBericht des GKV-Spitzenverbandes über dieErfahrungen mit den durch das GKV-WSGbewirkten Rechtsänderungen in § 13 Ab- des Fünften Buches Sozialgesetzbuchsachen 17/3427, 17/1238, 16/12639, – Ausschus- satz 2– Druck17/3696
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7848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Präsident Dr. Norbert Lammert
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Berichterstattung:Abgeordnete Jens SpahnDr. Karl LauterbachUlrike FlachHarald WeinbergBirgitt BenderZu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSUund FDP liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktio-nen der SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünenvor.Über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie über den Entschließungsantrag derFraktion Die Linke werden wir später namentlich ab-stimmen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächstdie Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das GKV-Finanzierungsgesetz, das wir heute hier beraten, bedeu-tet eine deutliche Zäsur in der deutschen Gesundheits-politik.
Wir schaffen heute den Einstieg – das ist etwas, was hierin diesem Hause oft genug bezweifelt worden ist – in diestrukturelle Umstellung auf eine einkommensunabhän-gige und damit natürlich konjunkturunabhängige Finan-zierung des Gesundheitssystems.
Wir sehen doch seit vielen Jahren, dass die Ausgabender gesetzlichen Krankenversicherung schneller wach-sen als die beitragspflichtigen Einnahmen. Wir müssenuns deshalb – das muss jeder in diesem Lande wissen,der auf die Oppositionspolemik der vergangenen Wo-chen hereinfällt – vom Lohnbezug der Beiträge lösen;denn steigende Beiträge führen zu steigenden Lohn-nebenkosten und sie gefährden damit Arbeitsplätze. Un-ser Ziel ist, genau dies zu verhindern.
Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist eines der großenZiele dieser Koalition und damit auch ein entscheiden-des Element der liberal-christlich-demokratischen So-zialpolitik.
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Außerdem haben wir auf das Milliardendefizit beien gesetzlichen Krankenversicherungen reagiert undies durch harte Einsparungen bei den Leistungsträgernowie mit Anpassungen der Beiträge und Rückführun-en auf den Vorkrisenstand bei Arbeitnehmern und Ar-eitgebern ausgeglichen. Was wir aber nicht getan ha-en, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir belasten nichtie Patienten in diesem Lande.
ie Patienten können darauf setzen, dass dieses Gesund-eitssystem auch in Zukunft funktioniert. Sie könnenich auf uns verlassen. Nicht die Patienten werden ge-roffen, sondern die Leistungsträger, die bei diesen Ein-parungen dabei sein müssen.
Wir sichern die Einnahmeseite, und wir stabilisierenie Ausgabenseite. Das ist erheblich mehr, als alle ande-en in diesem Hause vor uns geschafft haben. In eineresellschaft des längeren Lebens mit weniger Kindernnd erheblichem medizinischem Fortschritt wird Ge-undheit in der Tendenz teurer. Jeder, der etwas anderesehauptet, macht den Leuten doch etwas vor, meine Da-en und Herren.
Die Alternative zu dem heutigen Gesetz wäre, dassir Leistungen streichen müssten. Genau dies werdenir nicht tun, genau dies wollen wir nicht. Dafür ist daseute zu beratende Gesetz da.
Unsere Maßnahmen werden die Ausgaben stabilisie-en. Das hat der Schätzerkreis vor wenigen Tagen erneutestätigt. Die Ausgaben der GKV werden im nächsten
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Ulrike Flach
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Jahr voll gedeckt werden können, und der durchschnittli-che Zusatzbeitrag wird 2011 bei null Euro liegen. Das isteine gute Botschaft für die Versicherten. Hätten wirnämlich Ihr System weiterlaufen lassen, liebe Damenund Herren von der Sozialdemokratie, dann wären zahl-reiche Kassen in diesem Lande in den Ruin gelaufen.
Viele Menschen hätten Zusatzbeiträge zahlen müssen.Das haben wir verhindert; das ist auch das Ziel unsererReform gewesen.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch zwei Wortezu dem sagen, was man, abgelesen von kleinen Zetteln,in diesen Tagen so von Ihnen hört. Der Arbeitskreis derSPD hat wohl getagt und ein Mäuschen geboren, das erBürgerversicherung nennt. Sie haben nichts durchge-rechnet, überhaupt nichts durchgerechnet. Sie haben sichmit keinerlei technischen Problemen befasst. TechnischeProbleme, wie Sie sie bei uns immer anprangern, könnenbei Ihnen gar nicht vorkommen, weil Sie sich überhauptnicht damit befassen.
Sie sagen den Leuten übrigens auch nicht, ob zum Bei-spiel die Ehefrauen in Zukunft noch mitversichert seinwerden. Es würde mich einmal interessieren, ob Sie dastun.
Von den Grünen haben wir darauf eine klare Antwort,dass es nicht so sein wird.
Sie haben natürlich auch kein Modell für die Wirk-lichkeit vorgelegt. Das, was Sie den Menschen in diesemHause und draußen vor den Fernsehern erzählen, ist ne-bulös und hat mit einer Lösung für dieses Gesundheits-system nichts zu tun. Wir hingegen haben etwas vorge-legt. Wir sorgen dafür, dass das Ganze laufen kann, undwir freuen uns auf die Reformen der nächsten Monate.Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Das Wort erhält nun die Kollegin Andrea Nahles für
die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Eine Zäsur ist es wohl, Frau Flach. Nach mei-ner Auffassung erleben wir hier heute den ersten SchritticziMntRtgzwlWzcVwwitnPlktcnvsmaAnALcßlGb
Wir haben hier im Grunde genommen einen groß an-elegten Feldversuch, in dem die Menschen an die Prin-ipien der privaten Krankenversicherung herangeführterden sollen, und das wollen die Menschen in Deutsch-and nicht.
as wollen denn die Menschen eigentlich? Sie wollenweierlei: Erstens wollen sie, wenn sie krank werden, Si-herheit haben, dass sie die bestmögliche medizinischeersorgung bekommen. Das Zweite, was Menschenollen, ist, dass es dabei gerecht zugeht, und zwar so-ohl im Wartezimmer als auch auf dem Lohnzettel oderm Rentenbescheid.
Was legen Sie demgegenüber heute hier vor? Den Pa-ienten wird es nicht besser gehen. Die Versorgung wirdicht verbessert, in keinem Punkt. Aber es wird an vielenunkten für die Mehrheit der Versicherten in Deutsch-and ungerechter werden.
Deswegen, lieber Herr Rösler, muss man auch einmallar benennen, welche Interessen Sie heute hier vertre-en. Sie vertreten nämlich nicht die Interessen der Versi-herten, Sie verdienen den Namen Gesundheitsministericht. Sie sind der Cheflobbyist der 4 Prozent Spitzen-erdiener, die in den Umfragen als Letzte treu zur FDPtehen. Das kann man hier doch einmal schlicht zusam-enfassen.
Die Aussage hinsichtlich des Cheflobbyismus will ichuch begründen: Sie haben allen Ernstes die Chuzpe, dierbeitgeberbeiträge einzufrieren. Dies geschieht in ei-er Zeit, in der die gesundheitlichen Belastungen fürrbeitnehmer nachweislich durch Überstunden undeistungsverdichtung stetig steigen. Insbesondere psy-hische Erkrankungen sind mittlerweile zu einer der gro-en Volkskrankheiten geworden. In dieser Situation ent-assen Sie die Arbeitgeber aus der Verantwortung für dieesundheit der Arbeitnehmer. Das ist mies. Ihre Politikedeutet eines: mehr Netto – allerdings nur für die Ar-
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Andrea Nahles
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beitgeber in Deutschland. Etwas anderes wird durch IhreMaßnahmen nicht erreicht.
Wir erleben hier die Einführung einer Kopfpauschale.Je weniger man verdient, desto höher ist die Belastung.Das kehrt das Solidarprinzip um. Ich kann Ihnen nur sa-gen: Die Menschen werden dies merken. Bei 1 000 EuroRente entspricht eine Kopfpauschale in Höhe von40 Euro einer 4-prozentigen Rentenkürzung. Das wer-den die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner inDeutschland sehr bald in ihrem Rentenbescheid erken-nen können.Herr Rösler, Sie sprechen von Sozialausgleich. Siebekommen noch nicht einmal in Ihren eigenen Reihenein Gerechtigkeitsattest. Herr Spahn, Herr Straubingerund Frau Flach haben es Ihnen doch am 4. Novemberschriftlich gegeben – ich zitiere –:So kann es passieren, dass jemand einen Steuerzu-schuss erhält, obwohl der Versicherte etwa überhohe Zins- und Mieteinnahmen verfügt. Das istnicht gerecht.
Herr Spahn, Herr Straubinger und Frau Flach, wennSie diese Reform nicht für gerecht halten, dann habenSie doch das Kreuz und verhindern Sie diese Reform.Der zweite Streich des Ministers ist die Vorkasse. Ichkann Ihnen nur sagen: Wir haben bisher überhaupt keinProblem mit dem Sachleistungsprinzip in der gesetzli-chen Krankenversicherung gehabt.
Bei der Vorkasse gibt es aber das Problem, dass dieLeute allein auf den Risiken sitzen bleiben, wenn derArzt mehr abrechnet, als die Kasse ihnen erstattet.
Das wird massenhaft passieren. Das ist Scheckbuchme-dizin. Das können wir den Menschen nicht zumuten.
Die Vorkasse ist für mich die Einführung eines Drei-klassensystems. Jeder von uns kennt doch die Situation– ich bin AOK-Versicherte –, dass man als gesetzlichVersicherter schon jetzt immer länger warten muss
und dass man einen schlechteren Zugang zu Spezialistenhat. Dies ist so, weil es Privatpatienten gibt. Jetzt wirdeine weitere Klasse von Versicherten eingeführt. Sie sa-gen, die Vorkasse sei freiwillig. Wissen Sie, wie es nach-her in den Praxen läuft? Wer schnell behandelt werdenwill, bekommt einen kurzfristigen Termin nur dann,wDnItHeZnSLvLDgdBIwWfKhMtBerhw
Sie führen hier ein Großexperiment durch. Ich sagehnen: Mit der Gesundheit von 70 Millionen Versicher-en macht man keine Experimente, meine Damen underren von der Bundesregierung.
Frau Flach, es gibt sehr wohl eine Alternative, dieine hochwertige Gesundheitsversorgung mit gleichemugang zu medizinischen Leistungen für alle Bürgerin-en und Bürger sicherstellt. Dieser Weg setzt auf mehrolidarität und nicht auf die weitere Spaltung diesesandes. Was mir besonders wichtig ist: Nur die Bürger-ersicherung kann verhindern, dass die Patienten denobbyisten in diesem Land ausgeliefert werden.
eswegen setzen wir uns dafür ein.
Ich bin davon überzeugt – das ist auch die Überzeu-ung meiner Partei, die dieses System entwickelt hat –,
ass die Mehrheit der Menschen in unserem Land dieürgerversicherung unterstützen wird.
ndem wir die Bürgerversicherung einführen, werdenir die Solidarität stärken. Sie werden bei der nächstenahl für Ihre Politik die Quittung bekommen.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rolf Koschorrek
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeollegin Nahles, ich habe heute mit großer Erwartungier gesessen, um zu hören, was Sie konkret zu denaßnahmen der Regierung sagen. Es hat mich auch in-eressiert, ob Ihre Ausführungen zu der Frage, was dieürgerversicherung auszeichnet, über die blumigen undher nebulösen Ankündigungen auf Ihrer Pressekonfe-enz Anfang dieser Woche hinausgehen. Das, was wirier eben erlebt haben, war ein großes schwarzes Loch:ieder einmal schlicht gar nichts.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7851
Dr. Rolf Koschorrek
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Das, was wir in der Regierungskoalition gestern undheute im Gesetzgebungsverfahren dem Parlament vorle-gen, ist gelebte Solidarität. Wir sorgen dafür, die finan-zielle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung zustabilisieren.
Wir stellen das anerkannt gute deutsche Gesundheitssys-tem auf eine solide finanzielle Basis und schaffen unsdafür Raum, in den kommenden Monaten und im nächs-ten Jahr die restlichen Vorhaben der Koalition, die wirim Koalitionsvertrag festgelegt haben, in Angriff zu neh-men. Dann wollen wir genau die Punkte umsetzen, dieSie kritisieren – das ist recht so –: Wir gehen an dieStrukturen heran; wir werden die Effizienz des Systemssteigern.Das funktioniert nur, wenn wir vorher dafür gesorgthaben, dass die finanzielle Basis, auf der wir die ganzegesetzliche Krankenversicherung in Deutschland organi-sieren, solide ist. Nichts anderes tun wir, und zwar nach-haltig und deutlich über das Maß der in den letzten Le-gislaturperioden verabschiedeten großen Reformgesetzehinaus.
Wir erhalten die bewährten Grundprinzipien unseressolidarischen Gesundheitswesens:
Breite Schultern tragen nach wie vor deutlich mehr alsschmale.
Die hochwertige medizinische Versorgung wird weiter-hin jedem unabhängig von Alter und sozialem Status zurVerfügung stehen. Wir passen die überholten Regelun-gen an die Anforderungen einer deutlich älter werdendenGesellschaft und einer völlig veränderten gesellschaftli-chen Basis an. Frau Ferner, da hilft es nichts, dass Siejetzt Schlagworte einwerfen. Ich bin gerne bereit, sach-lich mit Ihnen zu debattieren; aber es entbehrt doch jederGrundlage, dass Sie uns immer wieder unsolidarischesVerhalten vorhalten.
Wir stabilisieren das System in einer Weise, die deut-lich über diese Legislaturperiode hinaus und weit in dieZukunft hinein dafür sorgen wird, dass es zu einer ver-lässlichen Finanzierung unserer wirklich guten Kranken-versorgung kommt. Wir werden den Beitragssatz, wievor zwei Jahren angekündigt, auf das vor der Finanz-krise verabredete Maß von 15,5 Prozent anheben. Wirwollen eben nicht – Frau Nahles, das haben Sie geradebehauptet – den Arbeitgeberanteil abschaffen, sondernihn stabil halten,sdaVlttdszZkJbLlpjrpsEKwhDuczEwfKkGgtrp
odass wir die Arbeitgeber weiterhin an der Finanzierunges Gesundheitswesens beteiligen, aber der Wirtschaftuch genügend Luft zum Atmen geben. Wir sorgen so fürerlässlichkeit, damit der Wirtschaftsstandort Deutsch-and Vorteile aus unserem gesetzlichen Tun zieht.Selbstverständlich bleibt es bei dem Prinzip der kos-enlosen Mitversicherung von Kindern und von Ehegat-en, die kein eigenes Einkommen haben. Es bleibt beiem bekannten und bewährten Leistungskatalog der ge-etzlichen Krankenkasse; es gibt keinerlei Leistungskür-ungen für Kassenpatienten, keine neuen oder höherenuzahlungen, weder bei Medikamenten noch bei Kran-enhausaufhalten.Es bleibt beim Sachleistungsprinzip.
eder Krankenversicherte, der seine Versicherungskarteeim Arzt vorlegt, hat wie eh und je Anspruch auf alleeistungen der medizinischen Versorgung in der gesetz-ichen Krankenversicherung.
Wir alle reden über Eigenverantwortung, über Trans-arenz und die Beteiligung der Bürger. Wir ermöglichenetzt ein System der Kostenerstattung. Es geht nicht da-um, vom Sachleistungsprinzip zum Kostenerstattungs-rinzip überzugehen; das steht in keinem Satz dieses Ge-etzes.
in großer Teil der Versicherten in der gesetzlichenrankenversicherung will aber Kostentransparenz; sieollen Kenntnis über die Kosten haben, die ihre Be-andlung verursacht.
as werden wir ermöglichen; nichts anderes setzen wirm. Es geht überhaupt nicht darum, jemanden abzuzo-ken oder zur Vorkasse oder zu anderen Drolligkeiten zuwingen.
s geht einfach darum, die für das Gesundheitssystem ge-ünschte Transparenz mit gesetzlichen Maßnahmen zulankieren, damit der Patientenkreis, der freiwillig dasostenerstattungsprinzip nutzen möchte, dies auch tunann. Wir haben in der letzten Legislaturperiode in derroßen Koalition schon einiges auf den richtigen Wegebracht. Allerdings war die Nutzung des Kostenerstat-ungsprinzips strafbewehrt. Wir heben die Strafbeweh-ung – die Patienten mussten für den Zugewinn an Trans-arenz zahlen – nun auf. Das ist wohl wahr.
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7852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Dr. Rolf Koschorrek
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Wir wollen eindeutig dafür sorgen, die Nutzung desKostenerstattungsprinzips zu ermöglichen.Sie haben jetzt geäußert, dass wir stattdessen Patien-tenquittungen einführen sollten. Das führt doch völligam Ziel vorbei. Was bringt denn eine Patientenquittung?Sie können es nachlesen – dafür hat der amerikanischeWissenschaftler Pauli schon in den 20er-Jahren des letz-ten Jahrhunderts einen Nobelpreis bekommen –: Einereine Erkenntnislage bei den Leistungen einer Versiche-rung, die keine Konsequenzen hat, führt genau zum ge-genteiligen System; das würde zu einer Leistungsopti-mierung zulasten der Krankenkassen führen. Das wollenwir eben nicht. Wir wollen Transparenz.Dafür bieten wir denjenigen, die das für den BereichKostenerstattung wünschen, ein System, das fair undverlässlich ist und niemanden überfordert. Denn es geht,wie gesagt, um eine freiwillige Beteiligung. Es gehtüberhaupt nicht um Vorkasse, sondern um ein gut formu-liertes und sauber austariertes System, in dem niemandhinten runterfällt und wir in Zukunft die Transparenzge-winne, die wir uns davon versprechen, zusammen mitden Kassen und den Patienten auch erreichen werden.Wir werden natürlich nicht um den Bereich der Kos-tendynamik im Gesundheitswesen herumkommen. Faktist, dass wir, bedingt durch die demografische Entwick-lung, durch Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt undviele andere Komponenten – Sie alle wissen das genausogut wie ich –, zu einer höheren Eigenbeteiligung kom-men werden.
Wir machen das über die weitere Ausgestaltung der Zu-satzbeiträge, die wir ja schon in der letzten Legislaturpe-riode festgelegt haben, und jetzt durch die Erhöhung derprozentualen Beteiligung von 1 auf 2 Prozent.
Denn Sie wissen selbst, dass die Beteiligung von1 Prozent damals ein nicht zu umgehender Kompromisswar, der aber das ganze System nicht praktikabel ge-macht hat. Insofern passen wir uns den Gegebenheitenan. Dieses System wird über viele Jahre tragen, sodasswir an dem System der Finanzierung der gesetzlichenKrankenversicherung nicht wieder durch gesetzgeberi-sche Maßnahmen arbeiten müssen.Wie ich schon eben sagte, ist der Arbeitgeberanteilnach wie vor Bestandteil der Finanzierung der Kranken-versicherung. Um es Ihnen noch einmal zu sagen: Esbleibt dabei, dass die wirtschaftlich Kräftigeren in unse-rem Lande auch mehr zahlen müssen, und zwar deutlichmehr, als wenn sie es nur über das Beitragssystem täten.Das geschieht nämlich über die Zunahme der steuerli-chen Finanzierung der Gesundheitskosten.
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eswegen werden wir genau diese Änderungen vorneh-en.Beide Gesetzespakete – sowohl das AMNOG, gesternier beschlossen, als auch das GKV-Finanzierungsge-etz, das wir heute beschließen – sorgen dafür, dass wirie finanzielle Basis der gesetzlichen Krankenversiche-ung solide gestalten.
Es geht gar nicht darum, dass hier irgendetwas stinktder nicht, sondern es geht darum, dass wir hier aufge-ordert sind, die gesetzlichen Maßnahmen der Regie-ungskoalition zu erläutern.
ichts anderes tue ich. – Gestatten Sie mir, zu sagen,ass ich, der ich an diesen Verhandlungen beteiligt war,it dem Ergebnis durchaus zufrieden bin; denn wir set-en genau das um, was wir uns vorgenommen haben.
Lassen Sie mich zum Schluss einige Sätze auch dafürerwenden: Wir schaffen die Basis für das, was in Zu-unft zu regeln ist. Als nächstes gesetzliches Vorhaben
erden wir die Sicherstellung der flächendeckendenersorgung mit guter Medizin in Deutschland auf eineeue Basis stellen. Wir werden dort die bisherigen Reg-ungsmechanismen überprüfen und, wo nötig, durcheue ersetzen. Die Strukturen der Selbstverwaltung in-erhalb der gesetzlichen Krankenversicherung werdenir darauf überprüfen, ob sie wirklich die Grundsätzeer demokratischen Legitimation und Transparenz, dierforderlich sind, heute noch in jedem Punkt erfüllennd ob die Rechtssicherheit für alle Beteiligten im Sys-em ausreichend gewährt ist. Wir werden uns im nächs-en Jahr auch der Zukunftsfestigung der Pflegeversiche-ung ausführlich widmen.Ich freue mich auf weitere, hoffentlich konstruktivereebatten. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochen-nde.Danke schön.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7853
Dr. Rolf Koschorrek
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Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Gregor Gysi für
die Fraktion Die Linke.
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen undHerren! Heute sind wir dabei, eine Dreiklassenmedizineinzuführen. Darauf sind Sie komischerweise auch nochstolz, anstatt sich wenigstens zu schämen. Sie führennämlich drei verschiedene Sorten von Kranken inDeutschland ein: Die eine Gruppe sind die Privatversi-cherten, die stark bevorzugt werden. Die zweite Gruppesind die gesetzlich Krankenversicherten, die aber Vor-schuss leisten, das heißt, die die Rechnungen selbst be-zahlen, um das Ganze dann mit ihrer gesetzlichen Kran-kenkasse abzurechnen, wobei sie einen Teil nichterstattet bekommen. Dann gibt es noch die dritteGruppe. Das sind diejenigen, die sich das alles nicht leis-ten können und – in Anführungsstrichen – „nur“ gesetz-lich krankenversichert sind.Das Problem ist ganz klar: An der ersten und zweitenGruppe verdienen die Ärzte mehr. Deshalb genießendiese Gruppen Vorzüge bei den Ärzten. Bestimmte Leis-tungen und Medikamente bekommen die gesetzlichKrankenversicherten nicht mehr erstattet. Außerdemmüssen sie immer längere Wartezeiten hinnehmen. Dasalles widerspricht dem Grundgesetz unserer Bundesre-publik Deutschland.
– Das werde ich Ihnen beweisen.
Sie haben das Ende der Solidarität eingeleitet. Ichwerde Ihnen sagen, wodurch. Die Beiträge zur gesetzli-chen Krankenversicherung steigen im nächsten Jahr um0,6 Prozentpunkte. Dann liegen die Beitragssätze bei15,5 Prozent. Die Unternehmen müssen 7,3 Prozent unddie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 8,2 Prozentzahlen.
Das ist das Ende der paritätischen Finanzierung.
Zwar ist das von SPD und Grünen schon im Jahr 2005eingeläutet worden – das stimmt –;
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as ist dermaßen sozial ungerecht, dass man darüber garicht zu diskutieren braucht.
Jetzt machen Sie auch noch Folgendes: Sie führenusatzbeiträge als Kopfpauschale ein.
ch werde Ihnen sagen, warum Sie das machen: Der Ver-icherte, der 1 000 Euro verdient, und der Versicherte,er 10 000 Euro verdient, haben exakt denselben Zusatz-eitrag zu zahlen; das gab es noch nie in Deutschland.as führen Sie jetzt ein, weil Sie die Anbindung an dasinkommen aufgeben wollen.
Bisher gab es einen Konsens. Ich will Ihnen sagen,arum dieser Konsens wichtig war. Die paritätische Fi-anzierung
urch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der ei-en Seite und Unternehmen auf der anderen Seite führteazu, dass beide Gruppen daran interessiert waren, dieosten für das Gesundheitswesen in Grenzen zu halten.
adurch, dass Sie den Beitrag der Unternehmen einfrie-en und diese nie mehr als 7,3 Prozent zu zahlen brau-hen, sorgen Sie dafür, dass es den Unternehmen völligleichgültig sein kann, wie stark die Kosten für das Ge-undheitswesen steigen.
ie Mehrkosten haben allein die Versicherten zu bezah-en und nicht die Unternehmen.
Nun muss ich allerdings sagen, dass die SPD auch beier Kopfpauschale Türöffner war, und zwar zur Zeit derroßen Koalition.
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7854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Dr. Gregor Gysi
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– Natürlich! – Sie haben einen Zusatzbeitrag von 8 Europro Monat eingeführt und das Ganze auf 1 Prozent desbeitragspflichtigen Jahreseinkommens begrenzt.
Jetzt kommen Union und FDP und sagen: Die Begren-zung pro Monat wird aufgegeben, und bezogen auf dasJahr begrenzen wir das Ganze auf 2 Prozent. Sie verdop-peln den Zusatzbeitrag also erst einmal.
Das bezahlen die Versicherten ganz allein, egal wie vielsie verdienen.Nehmen wir ein Beispiel. Rechnen wir es den Leutendoch einmal vor: Sagen wir, eine Arbeitnehmerin hatjetzt alleine 7,3 Prozent zu zahlen.
0,9 Prozentpunkte kommen hinzu. Jetzt sagen Sie: nocheinmal maximal 2 Prozent des Jahreseinkommens. Imnächsten Jahr könnte die Arbeitnehmerin also bei10,2 Prozent landen. Was Sie nicht sagen, ist Folgendes:Ein Jahr später dürfen wieder 2 Prozent hinzukommen.Falls es keine Lohnsteigerung gibt, ist sie dann schon bei12,2 Prozent. Ein weiteres Jahr später dürfen wieder2 Prozent hinzukommen. Dann ist sie, falls es keineLohnsteigerung gibt, schon bei 14,2 Prozent.
Nirgendwo haben Sie eine Grenze gezogen. Sie habennie gesagt: Der Prozentsatz XY darf nicht überschrittenwerden. Auch das ist sozial ungerecht.
Ich werde jetzt noch ein anderes Beispiel anführen,eine andere Berechnung durchführen, die Sie nicht wi-derlegen können. Nehmen wir einmal an, dass der Zu-satzbeitrag, Ihre Kopfpauschale, 16 Euro beträgt.
Für einen Versicherten, der 800 Euro verdient, sind das10,2 Prozent seines Einkommens. Wenn der Versicherte2 000 Euro verdient, sind das nur 9 Prozent des Einkom-mens. Wenn er 3 750 Euro verdient, sind das nur8,6 Prozent des Einkommens. Wenn er 6 000 Euro ver-dient, sind das nur 5,4 Prozent des Einkommens.
Das ist Ihr Gerechtigkeitsverständnis. Das hat mit unse-rem Gerechtigkeitsverständnis und dem des Grundgeset-zes nichts zu tun.
Nun ist selbst der Union und der FDP aufgefallen,dass das in einem zu hohen Maße sozial ungerecht ist.Dgd2ilEibulsb1MDhdbtdgSubgb1VazVdSbcbnndPnd
an habe ja die Möglichkeit, die Kasse zu wechseln.as wird ein munteres Kassenwechseln. Das, was Sieier organisieren, ist völlig absurd.
Bei den Hartz-IV-Beziehenden machen Sie Folgen-es: Sie erstatten ihnen den durchschnittlichen Zusatz-eitrag. Wenn die Kasse aber einen höheren Zusatzbei-rag fordert, darf sie selber entscheiden, ob sie das beien Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfän-ern abrechnet oder nicht. Das ist blanke Willkür. Gebenie doch den Menschen diesbezüglich Rechtssicherheitnd nicht das Gefühl, dass sie bei ihrer Krankenkasseetteln gehen müssen.
Der Gesundheitsökonom Professor Wasem hat übri-ens ausgerechnet, dass der Zusatzbeitrag 2020 schonei 80 Euro liegen wird. Andere gehen sogar von00 Euro aus. Das belastet dann übrigens nicht nur dieersicherten, sondern aufgrund Ihres komischen Sozial-usgleichs auch beachtlich den Bundeshaushalt.
Sie haben noch gar nicht gesagt, wie das Ganze finan-iert werden soll. Ich sage Ihnen: Schon jetzt müssen dieersicherten pro Jahr 35 Milliarden Euro zahlen; das hatas Statistische Bundesamt errechnet. Das kalkulierenie ein, und das erweitern Sie auch noch.Nun schaffen Sie die Möglichkeit, dass Patienteneim Arzt sagen: Ich bin nur gesetzlich krankenversi-hert, aber Sie können mir die Rechnung schicken, ichegleiche sie selbst und rechne das dann gegenüber mei-er Krankenkasse ab. In so einem Fall dürfen die Ärztin-en und Ärzte natürlich höhere Honorare berechnen. Da-urch bleibt am Ende eine Differenz übrig, für die deratient selber aufkommen muss. Im Kern sagen Sie dochichts anderes als: Du bist Besserverdiener; zahle etwasazu, dann wirst du besser behandelt. Das ist Ihre Logik,
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Dr. Gregor Gysi
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und diese Logik ist unmoralisch. Das muss ich Ihnenganz klar sagen.
Sie sagen: Die Patienten können mit den Ärzten Ho-norare vereinbaren. Sagen Sie einmal, da sitzt man dannmit Schmerzen und vereinbart ein Honorar? Dabei wirdja etwas Tolles herauskommen. Zu diesem albernen Vor-haben muss man wohl nichts weiter sagen.
Jetzt werde ich Ihnen zeigen, wie Sie die privatenKrankenversicherungen fördern. Wir hatten bisher dieRegelung, dass man drei Jahre gesetzlich krankenversi-chert sein musste, bevor man in die private Krankenver-sicherung wechseln durfte. Sie sagen jetzt, dass das nichtmehr infrage kommt, man dürfe schon nach einem Jahrwechseln.
Sie führen diese neue Regelung so ein, dass das Wech-seln schon im nächsten Jahr möglich ist. Sachverstän-dige haben ausgerechnet, dass circa 40 000 Junge, Ge-sunde, Singles von der gesetzlichen in die privateKrankenversicherung wechseln werden. Die Folge isteine Mindereinnahme für die gesetzlichen Krankenversi-cherungen in Höhe von circa 200 Millionen Euro.
Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen mit der Phar-maindustrie Rabattverträge abschließen. Dafür zahlensie Geld. Sie müssen Gutachten in Auftrag geben. Siemüssen alles Mögliche tun, um zu einem Rabattvertragzu kommen. Das soll jetzt auch für die privaten Kran-kenversicherungen gelten. Diese haben zwar nichts da-für gezahlt – dafür zahlen allein die gesetzlichen Kran-kenversicherungen –, aber den Nutzen haben auch sie.
Sie argumentieren in diesem Kontext auch mit demKartellrecht. Ich bitte Sie! Früher durften die gesetzli-chen Krankenkassen zusammen verhandeln. Dadurchwaren sie starke Verhandlungspartner gegenüber derPharmaindustrie. Jetzt sagen Sie, dass das dem Kartell-recht widerspricht und dass jede kleine Krankenkasseganz allein mit der Pharmaindustrie verhandeln muss.Sie wollen die gesetzlichen Krankenkassen schwächen.Das ist alles, was Sie diesbezüglich anstreben.
– Es kann schon sein, dass Sie im Unterschied zu mirmehr Ahnung haben.
Aber hier geht es um Kenntnisse. Diese fehlen Ihnen;das ist das Problem.gsdlsWKlns–svgv–nV1dshök–PtmSvtsb
Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Die alten EU-Mit-liedsländer – außer Deutschland – kennen das Struktur-ystem, das in Deutschland gilt, nicht. Dort gibt es nurie gesetzlichen Krankenversicherungen, und für zusätz-iche Leistungen kann man eine private Krankenver-icherung abschließen. Dass man die Möglichkeit derahl zwischen einer gesetzlichen und einer privatenrankenkasse hat, gibt es in den alten 15 EU-Mitglieds-ändern nur in Deutschland. Denken Sie einmal darüberach, warum die 14 anderen Länder das anders organi-iert haben.
Ich denke zurzeit darüber nach, warum der Bundesge-undheitsminister einen Vertreter des Verbandes der pri-aten Krankenversicherung in seine Grundsatzabteilungeholt hat. Seitdem läuft dort alles im Interesse der pri-aten Krankenversicherungen.
Entschuldigen Sie, aber das Gesamtkonzept des Arz-eimittelneuordnungsgesetzes ähnelt dem Konzept deserbandes Forschender Arzneimittelhersteller vom6. Februar 2002 derart,
ass das vielen, nicht etwa nur mir, aufgefallen ist. Dasagt alles darüber aus, welche Art von Klientelpolitikier betrieben wird.Ich muss sagen: Die SPD betätigt sich immer als Tür-ffner – natürlich mit Beschränkungen. Ich sage ganzlar
nein; das müssen Sie sich anhören –: Sie haben dieraxisgebühr, die man bei Ärzten, Zahnärzten, Psycho-herapeuten und für ambulante Behandlungen zahlenuss, eingeführt.
ie haben eine Erhöhung der Arzneimittelzuzahlungorgenommen. Sie haben das Sterbegeld aus dem Leis-ungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ge-trichen. Frau Nahles, Sie haben übrigens auch das Ent-indungsgeld gestrichen.
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Dr. Gregor Gysi
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Sie haben die nicht verschreibungspflichtigen Arznei-mittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kran-kenversicherung herausgenommen. Sie haben den Son-derbeitrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inHöhe von 0,9 Prozent eingeführt.
In gewisser Hinsicht – ich habe es schon gesagt – sindSie auch für Kopfpauschale und Vorkasse mitverant-wortlich.
– Das stimmt trotzdem.Ich will Ihnen Folgendes sagen: Union und FDPtrauen sich nicht, bestimmte Türen zu öffnen. Dafürbrauchen sie immer die SPD.
Die SPD nimmt Beschränkungen vor, und Union undFDP heben diese Beschränkungen später auf. So funk-tioniert das System. Das darf so nicht weiter funktionie-ren. Sie müssen sich diesbezüglich endlich korrigieren.
Kollege Gysi, achten Sie bitte auf die Zeit.
Gut. Dann nenne ich Ihnen nur noch die Lösung.
– Frau Präsidentin, der Kollege würde gerne einen Satz
zur Lösung hören.
Einen Schlusssatz, bitte.
Wir müssen alle Einkunftsarten einbeziehen. Wir
müssen die Beitragsbemessungsgrenze aufheben.
Wir müssen alle Zuzahlungen abschaffen. Wenn wir
klare Regelungen zur gesetzlichen Krankenversicherung
hätten, könnten wir uns auch eine zusätzliche private
Krankenversicherung leisten.
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nd zwar, um im Krankenhaus einen Anspruch auf ein
inzelzimmer zu haben. Wenn Herr Kauder und ich ge-
etzlich krankenversichert wären, bekämen wir die glei-
he Behandlung.
enn ich mit ihm zusammen in einem Zimmer liegen
ürde, würde ich aber nie gesund werden. Deshalb
ürde ich eine private Zusatzversicherung abschließen.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
ollegin Birgitt Bender das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In die-en Tagen werden wir Augenzeugen einer grotesken Si-uation. Das Gesetzgebungsverfahren ist beinahe abge-chlossen, da schreiben die gesundheitspolitischenprecher der Koalitionsfraktionen einen offenen Brief:ie haben entdeckt, die Reform sei ungerecht,
eil im Hinblick auf den Sozialausgleich für Geringver-ienende nur Löhne, Gehälter und Renten einbezogenerden.
o könne es kommen – so schreiben Sie –, dass einentner mit einer kleinen Rente, aber hohen Zinsein-ünften Anspruch auf Sozialausgleich habe. Wohl wahr,rau Flach, das ist ungerecht. Aber sagen Sie einmal:o waren Sie eigentlich während des Gesetzgebungs-erfahrens?
m Verhandlungstisch saßen Sie offensichtlich nicht.
Da inzwischen selbst Sie, Frau Flach, herausgefundenaben, was eine Ungerechtigkeit ist, frage ich Sie: Wiesorkennen Sie eigentlich nicht die Ungerechtigkeit, diearin besteht, dass Beiträge – im nächsten Jahr liegt dereitragssatz bei 15,5 Prozent – nur auf Löhne, Gehälter
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7857
Birgitt Bender
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und Renten und nicht auf andere Einkunftsarten erhobenwerden?
Das müsste man ändern.
Das wäre ein Schritt in Richtung einer Bürgerversiche-rung. Aber genau davor wollen Sie sich drücken.
Es ist doch so: Unser System hat Gerechtigkeitslü-cken; das wissen auch Sie. Es ist nun einmal nicht ge-recht, wenn Einkünfte, die keine Löhne, Gehälter oderRenten sind, beitragsfrei bleiben. Es ist nicht gerecht,dass sich Besserverdienende vom Solidarausgleich ver-abschieden können.
Es ist nicht gerecht, dass es eine Trennung zwischen ge-setzlicher und privater Krankenversicherung gibt, dassdie Behandlung mithin nicht von der Schwere der Er-krankung, sondern von der Art des Versicherungsschut-zes abhängig ist. Das wollen wir ändern.
Was tun Sie? Sie tun alles, um diese Ungerechtigkei-ten zu zementieren. Sie erleichtern gesetzlich Versicher-ten, in die PKV zu wechseln; dies wird für das Solidar-system zu einem Aderlass in Millionenhöhe führen. Sieerleichtern die Kostenerstattung. So sorgen Sie dafür,dass die Zweiklassenmedizin, die es ohnehin schon gibt,auch im Solidarsystem Einzug hält, weil Patienten mitund Patienten ohne Kostenerstattung künftig unter-schiedlich behandelt werden.
Tun Sie etwas zur Erweiterung der Finanzierungsbasis?Nein! Sie sagen lediglich, Sie wollten Steuereinnahmen;das sei angeblich gerechter.Schauen wir einmal näher hin. Bei Ihrer Konstruktioneiner kleinen Kopfpauschale und eines Sozialaus-gleichs werden in 15 Jahren, wenn es so bliebe, fast alleVersicherten Anspruch auf einen Sozialausgleich haben,weil alle Kostensteigerungen die Kopfpauschale in dieHöhe treiben. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Sieeine hohe zweistellige Milliardensumme aus dem Bun-deshaushalt benötigen werden. Wie soll das möglichsein? Angesichts einer Rekordverschuldung und einer inder Verfassung verankerten Schuldenbremse ist dasschlicht undenkbar. Zusätzlich redet die FDP auch nochvon Steuersenkungen, Frau Flach.
DdIIhfSIod6küDtswhuBdDsmtinvtßarsd
Frau Kollegin Flach, Sie erzählen uns, Sie belastetenie Patienten nicht.
ch kann Ihnen sagen – ich habe gerade geschildert, dasshre Finanzierung überhaupt nicht aufgeht, ganz abgese-en von der Ungerechtigkeit –: Aus diesem Dilemmaühren verschiedene Wege hinaus. Es gibt einigechlupflöcher.Erster Weg: die Änderung der Belastungsobergrenze.n den nächsten Jahren werden Sie darüber reden wollen,b man statt einer Belastungsobergrenze von 2 Prozenter jährlichen Bruttoeinnahmen nicht besser 3, 4, 5 oderProzent wählt.
Zweiter Weg. Man könnte auch sagen: Der Leistungs-atalog ist zu groß, er muss verringert werden, weil dasber den Bundeshaushalt nicht finanziert werden kann.as wäre dann Gesundheitspolitik nach Kassenlage.
Dritter Weg. Sie werden den Sozialausgleich aus Bei-ragsmitteln finanzieren. Diesen Weg beschreiten Siechon jetzt. Was passiert denn? Der Sozialausgleich, so-eit er jetzt fällig wird, wird direkt aus dem Gesund-eitsfonds finanziert,
nd die Mittel des Gesundheitsfonds sind zu 90 Prozenteitragsmittel.Es gibt einen Sozialausgleich im derzeitigen Systemes Gesundheitsfonds.
as ändert sich bei Ihnen überhaupt nicht. Ändern wirdich, dass die Empfänger unterer Einkommen verhältnis-äßig mehr bezahlen werden und dass es einen Verwal-ungsaufwand geben wird, für dessen Beschreibung Siem Gesetzentwurf drei Seiten benötigen. Dazu kann ichur sagen: Das ist eine Reform, die den Namen nichterdient.
Schauen wir uns einmal die von Ihnen geplante Struk-ur an, nämlich die zunächst kleine und dann immer grö-er werdende Kopfpauschale. Dieser Weg führt herausus dem Solidarsystem hin zu einem reinen Versiche-ungssystem. Es wird, wie in der privaten Krankenver-icherung, einfach nur ein Risiko abgedeckt. Das ist alsoer Weg in Richtung Privatisierung. Deshalb ist es kein
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Birgitt Bender
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Zufall, dass vor kurzem ein führender Lobbyist der pri-vaten Krankenversicherung als Kommentar zu Ihrer Re-form sagte: Besser hätten wir es auch nicht gemacht.
Herr Minister, ich kann dazu nur sagen: Wer sich alsVerantwortlicher für ein Solidarsystem ein solches Kom-pliment einhandelt, der ist seiner Verantwortung für die-ses Solidarsystem nicht gerecht geworden.
Das Wort hat der Bundesminister für Gesundheit,
Dr. Philipp Rösler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Ich bin ein bisschen enttäuscht,
weil ich dachte, von den drei linken Fraktionen, die extra
vor mir geredet haben, würden mir konkrete Lösungs-
vorschläge oder eine detaillierte Ausgestaltung der Bür-
gerversicherung vorgelegt.
Das Wenige, was wir von Ihnen gehört haben, kann man
mit einem Satz zusammenfassen: Die Umsetzung Ihrer
Vorschläge würde für die Menschen eindeutig mehr Be-
lastungen bei weniger Leistungen bedeuten. Das ist das
Ergebnis der sogenannten solidarischen Bürgerversiche-
rung.
Das Problem ist nämlich, Frau Ferner, dass Sie weiter
in die planwirtschaftlichen Strukturen einsteigen wollen.
Wir sagen Ihnen aber: Es gibt in Deutschland kein Sys-
tem, das regulierter als das deutsche Gesundheitssystem
ist.
Selbst das Steuersystem kann nur mäßig mithalten. Alles
ist vorgegeben: wer wann welche Leistung bei wem an
welchem Ort erbringen darf oder eben nicht. Wenn man
planwirtschaftliche Strukturen hat,
dann darf man sich nicht über all die Probleme wundern,
die Planwirtschaften mit sich bringen – die Kollegen von
der Linkspartei erinnern sich noch –: viel Bürokratie,
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Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Lauterbach?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, vielen Dank. – Frau Ferner, da Sie Ulla Schmidtrwähnt haben: Die 9 Milliarden Euro Defizit, die wirktuell im Gesundheitswesen vorfinden, sind ein Ergeb-is gerade der Politik Ihrer Kollegin Schmidt.
Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind für dieses De-izit nicht verantwortlich; aber wir wären dafür verant-ortlich, wenn es dabei bliebe, Frau Ferner. Deswegenleichen wir es aus mit den Maßnahmen, die wir unsorgenommen haben.Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden durch dieückführung des Krankenversicherungsbeitrages auf die5,5 Prozent, die die Sozialdemokraten damals einge-ührt haben – das sollten wir nicht vergessen –, gleicher-aßen in die Verantwortung genommen. Gleichzeitigerden die Leistungserbringer, die Teilnehmer am Sys-em – wir sprechen auch gerne von Heilberufen –, in dieerantwortung genommen. Die einzige Gruppe, die wiricht belasten – das hat Frau Flach vollkommen zuecht gesagt –, sind die Kranken,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7859
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[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werdenes ausbaden müssen!)die am 1. Januar 2011 wieder zu ihrem Arzt gehen kön-nen und sicher sein können, dass sie überhaupt ein Ge-sundheitssystem vorfinden. Sie werden nicht durch einehöhere Praxisgebühr oder andere Formen der Zuzahlungbelastet. Ihre Alternative zum Ausgleich der 9 Milliar-den Euro wären schlichtweg Leistungskürzungen für dieMenschen gewesen. Wir sind nicht bereit, diesen Wegmit Ihnen zu gehen.
Auch die unangenehmen Maßnahmen, zum Beispieldie Rückführung des Beitrags und Sparmaßnahmen imSystem, kann man verantworten, weil wir unter anderemstrukturelle Veränderungen auf den Weg bringen. In derTat, wir schreiben den Arbeitgeberbeitrag künftig fest,und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir wollennicht zulassen, dass bei steigenden Gesundheitsausgabenaufgrund der demografischen Entwicklung und des tech-nischen Fortschritts ständig Gesundheit gegen Arbeitausgespielt wird. Deswegen sorgen wir für Stabilität derLohnzusatzkosten. Das ist unser Beitrag zu mehr Wachs-tum und Beschäftigung.
Künftige Kostensteigerungen werden sich in der Tat inZusatzbeiträgen niederschlagen, die sozial ausgeglichenwerden. Wir geben dem System damit das zurück, wasSie ihm mit der Einführung Ihres gesundheitspolitischenEinheitspreises, Ihres Gesundheitsfonds, genommen ha-ben: den fairen Wettbewerb der Krankenversicherungenuntereinander. Künftig können die Versicherungen wie-der entscheiden, ob und, wenn ja, in welcher Höhe sie Zu-satzbeiträge erheben. Damit erreichen wir einen Wettbe-werb, den Sie verhindern wollten. Anders als Sie sind wirdavon überzeugt, dass die Menschen den besten Beitragzur Kontrolle ihrer Kosten leisten können, indem sieselbst ihre Krankenversicherung auswählen. Das ist bes-ser, als wenn eine Gesundheitsverwaltung vorgibt, wiehoch der Krankenversicherungsbeitrag sein darf.
Jetzt zur Frage des Sozialausgleichs. Wir wollen ein-mal festhalten, dass wir jetzt einen echten Sozialaus-gleich einführen.
Das, was Sie bisher geschaffen haben, war ein sozialerDeckel, der mit einem echten Ausgleich nichts, aberauch gar nichts zu tun hat.
Es ist fast schon zynisch, dass man als Versicherterbisher selber den Antrag stellen muss. Bisher muss mannämlich selber prüfen, ob man an der AusgleichsgrenzeibMnngKrDEkgKsbaDbikbvm2FbgWgt
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Bunge?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, vielen Dank. Die Zwischenfragen zu den vorhe-igen Reden waren nicht bereichernd für die gesamteebatte.Finanziert wird der Sozialausgleich mit 2 Milliardenuro aus Steuermitteln. Diese 2 Milliarden Euro sindeine Beitragsgelder, sondern Steuergelder. Der Aus-leich zwischen Arm und Reich in der gesetzlichenrankenversicherung erfolgt bisher nämlich nur zwi-chen den gesetzlich Versicherten. Er erfolgt eben nichtezogen auf alle Einkunftsarten, sondern nur in Bezuguf das Lohneinkommen, Frau Ferner.
eswegen halte ich es für richtig, die Solidarität auf einereitere Basis zu stellen.
Künftig erfolgt der Sozialausgleich aus Steuermitteln;m Steuersystem wird jeder nach seiner Leistungsfähig-eit besteuert. Damit trägt jeder zum Sozialausgleichei, auch die Bezieher höherer Einkommen und Privat-ersicherte. Das bedeutet künftig nicht weniger, sondernehr Solidarität in unserem Gesundheitssystem.
Milliarden Euro sind deutlich mehr als nichts, Frauerner.
Jetzt komme ich noch kurz zu Ihrem System. Sie ha-en wiederum keine Zahlen zu Ihrer sogenannten Bür-erversicherung vorgelegt. Warum nicht?
eil Sie genau wissen, dass Sie den Menschen damit sa-en würden, dass Sie bereit wären, alle Formen der Ren-en und Altersvorsorge mit zu besteuern. Wenn eine
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7860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
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Großmutter ein kleines Sparguthaben angespart hat,dann wollen Sie ihre Zinsen künftig ebenfalls mit demBeitragssatz von 15,5 Prozent belegen.
Ich frage Sie: Ist es darüber hinaus gerecht, wenn Sie die10 Prozent unserer Gesellschaft enteignen wollen, diedurch Ansparung eines Kapitalstockes wenigstens schonAltersvorsorge betrieben haben?
Ihre Bürgerversicherung ist das Gegenteil von Ge-rechtigkeit. Es ist der Versuch, eine Einheitsversicherungauf den Weg zu bringen. Dabei sollten Sie wissen, dass20 Jahre nach der Wiedervereinigung bewiesen ist, dassSie bei dem Versuch, alle Menschen gleich zu behan-deln, sie niemals gleich gut behandeln, sondern im Er-gebnis immer gleich schlecht.
Das ist Ihr Weg in der Bürgerversicherung. Sie redenvon Gerechtigkeit und sorgen für Ungerechtigkeit. Dasist das Unfaire an Ihrem Gesundheitssystem.
Was wir auf den Weg bringen, ist der Einstieg in einSystem mit mehr Wettbewerb, mehr Eigenverantwor-tung und gleichzeitiger Stärkung der Solidarität. Wir hät-ten uns auch größere Schritte gewünscht; aber Verände-rungen sind in diesem großen System mit mehr als80 Millionen Menschen nur in kleinen Schritten mög-lich. Wir wollen allerdings lieber kleine Schritte in dierichtige Richtung als einen großen Schritt zurück.Wir sind davon überzeugt, dass wir nicht nur die Pro-bleme für das Jahr 2011 gelöst, sondern auch den Ein-stieg in ein faires und besseres System der Finanzierungder gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne einerlangfristigen Bewältigung der Zukunft gewagt haben.
Ich bin froh, dass Sie ein bisschen über Ihre alternativeBürgerversicherung gesprochen haben. Das zeigt denUnterschied zwischen Können und Nichtkönnen in dergesetzlichen Krankenversicherung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Elke
Ferner.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Herr Rösler, wissen Sie, was der Unterschied zwischenKKK1snpadSKbSgDncctsdaEkKtwc1udMzdkmhtDNK
Sie, meine lieben Kollegen und Kolleginnen vonchwarz-Gelb, wollen nichts anderes, als die gesetzlicherankenversicherung zu Grabe zu tragen. Das Grab ha-en Sie zwar schon ausgehoben, aber die drei Jahre, dieie noch regieren werden, werden nicht reichen, um dieesetzliche Krankenversicherung ins Grab zu bringen.as werden wir verhindern. Wir werden diesen Murksach der Bundestagswahl 2013 komplett rückgängig ma-hen.
Sie hebeln die tragenden Fundamente der gesetzli-hen Krankenversicherung aus. Sie hebeln das Sachleis-ungsprinzip aus. Sie hebeln die gerechte und paritäti-che Finanzierung aus, und Sie hebeln vor allen Dingenie einkommensabhängige Beitragszahlung aus. Das istlles andere als gerecht, Herr Rösler. Das ist ungerecht.s war bisher gesellschaftlicher Konsens, dass die star-en Schultern mehr tragen als die schwachen und imrankheitsfall alle die gleiche gute medizinische Leis-ung bekommen. Damit machen Sie jetzt Schluss. Sieollen die Privatisierung der gesetzlichen Krankenversi-herung. Das wollen wir nicht.
Was haben die Versicherten jetzt zu erwarten? Zum. Januar 2011 haben sie erst einmal eine Rentenkürzungnd eine Gehaltskürzung zu erwarten. Das ist aber nochie gute Nachricht. Es kommt nämlich viel schlimmer:it der Vorkasse, die Sie als transparent und toll be-eichnen, wollen Sie den Einstieg in die Abschaffunges Sachleistungsprinzips.Man muss sich einmal vor Augen halten, was Vor-asse bedeutet: Die Versicherten haben die Sachleistungit ihrem Beitrag schon bezahlt. Wenn sie zum Arzt ge-en, sollen sie zusätzlich bezahlen. Die Erstattungsquo-en derjenigen, die heute Vorkasse wählen, betragen imurchschnitt nur rund 50 Prozent.
ur 50 Prozent bekommen die Menschen von ihrerasse erstattet; es können aber auch nur 30 Prozent sein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7861
Elke Ferner
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Was bringt das für einen Vorteil für den Patienten?Der Einzige, der einen Vorteil hat, ist der Arzt, weil ermehr bekommt, als er von der Kasse bekommen würde.
Ich will Ihnen einmal deutlich machen, wie das inFacharztkreisen – etwa in Internetforen des Facharztver-bandes – diskutiert wird.
Da heißt es – hören Sie gut zu –: Wenn wir den Einstiegin die Kostenerstattung respektive in die Direktabrech-nung mit dem Patienten auf dem Silbertablett serviertbekommen, dann müssen wir jetzt in die Vollen gehen.Werbung! Werbung! Werbung! Endlich auch Privatpa-tienten. Nie wieder Zweiklassenmedizin. ErstklassigeMedizin zu vernünftigen Preisen.Weiter heißt es da: Wir müssen immer wieder daraufhinweisen, dass an der Schlechterstellung der Nichtkos-tenerstattungspatienten die kranken Kassen schuld sind,die für Verwaltung inzwischen fast so viel ausgeben wiefür die ambulante Versorgung.Letzteres ist absoluter Nonsens. An diesen Aussagenwird aber deutlich, wie ein Teil der Ärzteschaft tickt.Glauben Sie denn, sie werden den Versuch unterlassen,die Patienten nach Strich und Faden abzuzocken? Wassoll denn eine Mutter mit einem kleinen Kind machen,wenn sie vor der Entscheidung zwischen einer sofortigenBehandlung gegen Vorkasse und einem Arzttermin dreiWochen später steht?
– Das ist nicht unglaublich. Das ist die Realität. Das hö-ren wir doch alle in unseren Sprechstunden, Herr Spahn.Aber damit nicht genug. Sie machen noch eine Frisch-zellenkur für die PKV, indem Sie den Gut- und Besserver-dienenden einen Turbowechsel in die PKV – möglichstschnell aus der Solidarität heraus – ermöglichen. Jungeund Gesunde sollen möglichst schnell in die private Kran-kenversicherung.
Neugierige kann ich aber nur warnen: Die privaten Kran-kenversicherungen erhöhen ihre Beiträge deutlich schnel-ler als die gesetzlichen, und die älteren Privatversichertenhaben heutzutage häufig Mühe, die hohen Beiträge zu be-zahlen. Das PKV-System ist trotz der Alterungsrückstel-lungen nicht zukunftsfest. Das ist das Schlimme.
Außerdem sollen die privaten Krankenversicherun-gen noch von den Rabattverhandlungen der gesetzlichenKrankenversicherungen profitieren. Wozu? Damit dieBeiträge der PKV noch niedriger werden, und die PKVdaIvgWgeskmgnafilDcz–ssgKcgd–KRWtD
Wir haben einen Sozialausgleich, der eigentlich gareiner ist, weil selbst diejenigen einen Ausgleich bekom-en, die gar keine Kopfpauschale zahlen. Selbst diejeni-en, die noch etwas herausbekommen würden, erhaltenach Ihrem Gesetz einen Sozialausgleich. Das findenuch Herr Spahn, Frau Flach und Herr Singhammeralsch. Das haben Sie selbst aufgeschrieben. Dann fragech mich aber, warum Sie es nicht machen.
Das, was Sie hinsichtlich des Sozialausgleichs wol-en, ist das, was wir für den gesamten Beitrag wollen.as wäre gerechter, und das wäre dann die Bürgerversi-herung. Aber in Teilen bewegen Sie sich schon auf unsu.
Herr Lanfermann, Sie können mir gerne eine Zwi-chenfrage stellen, wenn Sie die Antwort aushalten.
Sie suggerieren, es gebe beim Modell der Kopfpau-chale einen Sozialausgleich. Das ist aber falsch. Sie sa-en, im nächsten Jahr werde es keine durchschnittlicheopfpauschale geben. Die Überraschung für die Versi-herten ist aber, dass es dann auch keinen Sozialaus-leich geben wird, und zwar auch nicht für diejenigen,ie einen Zusatzbeitrag bezahlen.
Das stimmt doch nicht, Herr Lanfermann.Zum anderen muss man Folgendes sehen: Wenn dieopfpauschale 30 Euro beträgt, sind drei Viertel allerentnerinnen und Rentner auf Almosen angewiesen.eiterhin sind mehr als die Hälfte aller GKV-Versicher-en auf den sogenannten Sozialausgleich angewiesen.as ist absurd.
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Elke Ferner
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Das ist weder gerecht noch zukunftsfest. Unbürokratischist es schon gar nicht, weil Sie, Herr Rösler, mit Ihremkomischen Sozialausgleich
mindestens 600 Millionen einzelne Meldungen der Ar-beitgeber, der Rentenversicherungsträger und der Ar-beitslosenversicherung produzieren, die die Krankenkas-sen erst einmal zusammenführen müssen, um überhauptentscheiden zu können, ob jemandem ein Sozialaus-gleich zusteht oder nicht. Also: mehr Bürokratie, weni-ger Gerechtigkeit, Einstieg in die Privatisierung dergesetzlichen Krankenversicherung. Das ist Ihre Gesund-heitspolitik.Herr Koschorrek hat die Katze aus dem Sack gelas-sen. Das Nächste, was kommt, ist die Abschaffung derChronikerregelung. Sie haben eben gesagt, dass dieZuzahlung statt 1 Prozent künftig 2 Prozent des Einkom-mens betragen soll; es sei denn, ich hätte mich verhört.Das alles ist aber nicht neu; denn Sie haben sowohl beider Gesundheitsreform 2003 als auch bei der letzten Ge-sundheitsreform immer wieder versucht, die Zuzahlungder Patientinnen und Patienten zu erhöhen.
Kollegin Ferner, achten Sie bitte auf die Zeit.
Sie wollten damals beispielsweise 10 Prozent Eigen-
beteiligung an den Behandlungskosten, und zwar aller
Behandlungskosten. Das werden wir nicht mitmachen.
Wir werden diesen Murks spätestens 2013 zurückneh-
men. Dann können Sie sich wieder auf den Oppositions-
bänken einrichten.
Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Jens
Spahn.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lieber Herr Kollege Gysi,
natürlich zahlen auch die privaten Krankenversiche-rungen dafür, dass sie bei den Arzneimittelkosten vonder Systematik im Bereich der gesetzlichen Krankenver-sicherung profitieren. Sie müssen sich an den Kosten fürden Gemeinsamen Bundesausschuss und für das Institutbeteiligen.
NzNkLghzfweahutsZNdImgDdaldtw–HdvmvdztsWg
Eines kann man schon verlangen, auch wenn Sie sichls Fraktionsvorsitzender zu Wort melden. Wir habenier elf Minuten faktenfreies Gerede mit Unwahrheitennd Falschheiten gehört. Man kann von einem Frak-ionsvorsitzenden verlangen, dass er zumindest das Ge-etz gelesen hat, bevor er hier an das Podium tritt.
um Zweiten lasse ich mir nicht von jemandem, der zuromenklatura der SED gehört hat, hier Zweiklassenme-izin vorwerfen.
n der ehemaligen DDR wurden aus dem Westen Arznei-ittel für diejenigen importiert, die zur Nomenklaturaehört haben. Die Zustände für diejenigen, die an dieialyse mussten, waren eine Katastrophe. Von so jeman-em lasse ich mir keine Zweiklassenmedizin vorwerfen,n keiner Stelle.
Zur Wahrheit gehört – diese Wahrheit muss man ehr-ich aussprechen –, dass Gesundheit in einer älter wer-enden Gesellschaft, die medizinischen Fortschritt will,eurer wird. Eigentlich ist das etwas Positives. Wir alleollen doch möglichst gesund möglichst alt werden.
Wer schreit denn da überhaupt? Ach, Frau Kolleginendricks. Ich musste mich erst einmal orientieren, werazwischenruft. – Die Menschheitsgeschichte ist vollon Erzählungen, dass Menschen danach streben, einöglichst hohes Alter zu erreichen. Es ist etwas Positi-es, dass wir das können. Zur Wahrheit gehört aber auch,ass Gesundheit teurer wird, wenn man eine gute medi-inische Versorgung will, wenn man Zugang zu Innova-ionen und neuen Arzneimitteln will. Diese Wahrheitprechen wir ehrlich aus.
eil die steigenden Gesundheitskosten in dem heuti-en System die Lohnnebenkosten erhöhen,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7863
Jens Spahn
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somit die Arbeitskosten in Deutschland verteuern undArbeitsplätze gefährden, stellen wir die Finanzierungum. Das ist die richtige Antwort auf die Herausforde-rung, vor der wir stehen. Darum geht es heute im Kern,liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Kollege Spahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Lauterbach?
Auch wenn er gleich noch Redezeit hat, gerne.
Die gleiche Frage hätte ich auch dem Minister ge-
stellt, wenn er sie zugelassen hätte.
Mich interessiert, weshalb wir hier nichts Konkretes
zu Ihrem Gesetz hören. Sie erklären uns, dass die Men-
schen älter werden wollen. Sie erzählen uns etwas über
die DDR, was niemanden interessiert und auch noch
falsch ist, aber wir hören nichts über Ihr erbärmliches
Gesetz.
Wieso reden Sie nicht zum Gesetz, Herr Spahn?
Lieber Herr Kollege Lauterbach, von meinen zwölf
Minuten Redezeit habe ich erst einige wenige genutzt.
Ich wollte dies jetzt gerade, hätten Sie mich nicht durch
eine Zwischenfrage unterbrochen, herleiten.
Denn man muss das, was man konkret mit dem Gesetz
tut und was ich gleich erklären werde, schon vernünftig
begründen. Das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen
und uns. Bei uns steckt eine größere Idee hinter dem,
was wir tun. Deswegen muss man die Dinge schon her-
leiten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage, diesmal der Kollegin Bunge?
Bevor mir wieder vorgeworfen wird, ich sagte nichtszum Gesetz, möchte ich zunächst sagen, warum wir wastun. Dann können wir gerne mit Zwischenfragen weiter-machen.kKkdicdWobgBKgGcpFrtdgtnwdHadgaBkEdawc
Das Entscheidende bei diesem Zusatzbeitrag ist, dassir sagen: Wir finden eine breitere Grundlage auch füren Sozialausgleich.
eute werden die Kosten für den Sozialausgleich nahezuusschließlich von den abhängig Beschäftigten und vonen Rentnerinnen und Rentnern in diesem Land getra-en. Diese alleine finanzieren das Gesamtsystem. Allenderen Einkünfte, übrigens auch die Einkünfte über dereitragsbemessungsgrenze von gut 3 700 Euro, spieleneine Rolle.
s ist übrigens im heutigen System schon so. Sie habenies ja kritisiert.
Genau da setzen wir an. Wir sagen, dass der Sozial-usgleich für diesen Zusatzbeitrag aus Steuern finanziertird. Steuern werden in Deutschland nach der tatsächli-hen Leistungsfähigkeit des Einzelnen erhoben.
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7864 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Jens Spahn
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Miete, Kapitaleinkünfte, Zinseinkünfte, Unternehmens-gewinne – all diese Dinge werden mit berücksichtigt.Deswegen ist das, was wir einführen wollen, gerechterals das System, das wir heute haben. Dies ist ein ersterwichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aus diesemersten Schritt ergibt sich eine Perspektive für die weite-ren Schritte, Frau Kollegin Bender. Das ist das, was dieKollegin Flach, der Kollege Straubinger und ich aufge-zeigt haben: zunächst der erste und dann der zweiteSchritt. Die Reihenfolge ist wichtig. Aber die entschei-dende Botschaft am heutigen Morgen lautet: Es ist bes-ser und gerechter als das, was wir heute haben.
Herr Kollege Spahn, es gibt mehrere Wünsche nach
Zwischenfragen. Ich habe unter anderem die Kollegin
Bender und die Kollegin Bunge auf der Liste.
Gerne.
Zunächst erhält die Kollegin Bender das Wort.
Herr Kollege Spahn, wenn Sie darauf hinweisen, dass
im Steuersystem jeder nach seiner Leistungsfähigkeit
besteuert werde und dass es deswegen besonders gerecht
sei, Steuermittel ins System zu holen, dann schließen
sich daran zwei Fragen an.
Erstens. Warum holen Sie die Steuermittel nicht ins
System? Denn es gibt ja in Wirklichkeit keinen steuer-
finanzierten Sozialausgleich.
Zweitens. Ist Ihnen bekannt, dass zum Steueraufkom-
men die Einkommensteuer, bei der tatsächlich die Ein-
kommenshöhe über die Steuerhöhe bestimmt, während
alle anderen Steuerarten nicht progressiv sind, nur zu
35 Prozent beiträgt?
Frau Kollegin Bender, zum Ersten. Die Steuerfinan-
zierung des Sozialausgleichs ist natürlich sichergestellt
– das wissen Sie doch eigentlich –, weil wir im nächsten
Jahr 2 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt – das
sind unstrittig Steuermittel –
in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, also der
gesetzlichen Krankenversicherung, geben. Daraus wer-
den wir in den nächsten Jahren den Steuerausgleich
finanzieren.
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s sind nachweislich Steuermittel. Ab 2014 muss im
undeshaushalt dann spitz abgerechnet das nötige Geld
ur Verfügung gestellt werden.
Zum Zweiten. Natürlich ist die Verteilung nach dem
teuersystem so, wie sie ist, aber zur Wahrheit gehört
och auch, dass der Ausgleich über das Steuersystem
esentlich gerechter ist
ls das, was wir heute in den Sozialversicherungssyste-
en als Ausgleichsmechanismen haben,
eil Mieten, Dividenden, Zinseinkünfte berücksichtigt
erden, weil auch Unternehmensgewinne berücksichtigt
erden,
eil auch die Einkommen von privat Krankenversicher-
en und die Einkommen über der Beitragsbemessungs-
renze berücksichtigt werden.
s ist gerechter als das, was wir heute haben, und das
issen Sie doch eigentlich auch, Frau Kollegin Bender.
Geschäftsleitend Folgendes: Es gibt eine ganze Reihe
on Fragen. Nun wollen wir den Beitrag ja nicht um das
reifache verlängern. Ich würde noch zwei Fragen zu-
assen, die der Kollegin Bunge und die der Kollegin
ogler. Aber natürlich müssen Sie entscheiden, Herr
ollege, auf was Sie noch antworten wollen.
Kollegin Bunge.
Kollege Spahn, Sie haben behauptet, dass die Zusatz-eiträge, die wir ablehnen, durch den Sozialausgleich so-ialer würden. Mich würde einfach einmal Ihre Mathe-atik interessieren.
Wenn jemand 1 000 Euro bekommt – „verdient“ willch nicht sagen; denn wir wissen: viele sind unterbezahlt;ie meisten verdienen eigentlich, im wahrsten Wortsinn,ehr –, bezahlt er nach der jetzigen Regelung einen Zu-atzbeitrag von maximal 10 Euro, nach der 2-Prozent-egelung 20 Euro. Da wirkt der Sozialausgleich garicht. Was ist daran sozial?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7865
Dr. Martina Bunge
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Was machen Sie mit dem Sozialausgleich? Das Ge-setz soll doch in die Zukunft wirken. Wenn wir wiedervor einer Krisensituation, etwa einem Börsencrash, ste-hen, die Zusatzbeiträge im Jahr 2020 eh schon bei 60oder 100 Euro liegen, viele im Sozialausgleich sind, einHaufen Steuermittel notwendig ist, die Steuern durchden Börsencrash aber wegbrechen, wer bezahlt dannbitte schön?
Das Problem, Frau Kollegin Bunge, ist Folgendes
– das ist das, was ich eingangs dargestellt habe; deswe-
gen ist es schon wichtig, Herr Kollege Lauterbach, die
Dinge auch ein bisschen herzuleiten –: Sie stellen eine
statische Betrachtung an. Aber eine Wahrheit müssen
auch die linken Parteien in diesem Parlament endlich
einmal anerkennen – diese ehrliche Botschaft muss man
verkünden, auch wenn sie vielleicht nicht populär ist –:
Die Gesundheitsversorgung, insbesondere dann, wenn
sie flächendeckend aufrechterhalten werden soll – ich
komme aus dem Münsterland, also einer ländlichen Re-
gion – und wenn wir den Zugang zu Innovationen mög-
lich machen wollen – die Kosten steigen ja nicht beim
Hustensaft, sondern sie steigen zum Beispiel bei Krebs-
medikamenten –, wird teurer. Das ist die erste ehrliche
Botschaft, die in Ihrer Frage leider völlig ausgeblendet
wird.
Zum Zweiten muss man in der Perspektive sehen,
dass die Kosten steigen – sie werden steigen –, egal wie
wir die Ausgaben finanzieren, ob wir sie über Beiträge,
über Steuern oder über einen Zusatzbeitrag finanzieren.
Das vorausgeschickt, sage ich: Es ist dann natürlich
wichtig, zu erklären: Niemand muss mehr als 2 Prozent
seines Einkommens für den Zusatzbeitrag ausgeben.
Das stellen wir sicher. Im Unterschied zu dem, was die
Frau Kollegin Schmidt als Gesundheitsministerin einge-
führt hat, stellen wir sicher, dass das Geld, das in der ge-
setzlichen Krankenversicherung nicht ankommt, weil es
einen Deckel gibt, doch im System verfügbar ist, dann
eben aus Steuermitteln finanziert. Das ist dann am Ende
gerechter als das, was wir heute haben. Ein Sozialaus-
gleich aus Steuermitteln findet heute nicht statt. Genau
das ändern wir, und das ist gerechter als das, was wir
heute haben.
Gestatten Sie noch die Frage der Kollegin Vogler?
Ich würde jetzt gern fortfahren,
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nd dann können wir nachher noch einmal schauen.
Gut.
Zu der Frage, was die Alternative sein soll, mussan hier zwei, drei Sätze sagen dürfen. Es ist eine Pro-ektgruppe der Sozialdemokratischen Partei Deutsch-ands eingesetzt worden, die sich mit der gesetzlichenrankenversicherung beschäftigt. Man ist sich unsicher,b es im Kern darum ging, ein neues Konzept für die ge-etzliche Krankenversicherung zu schaffen, oder darum,er Generalsekretärin ein Aufgabenfeld zu geben, inem sie wahrgenommen werden kann.
Unabhängig davon: Was steht am Ende in diesemonzept? Der Kollege Lauterbach hat uns im Dezemberier im Deutschen Bundestag angekündigt, er werde einurchgerechnetes Konzept zur Bürgerversicherung aufen Tisch legen. Das kündigt er seit Jahren an. Wenn ichir anschaue, was Sie vorgelegt haben, dann sehe ich,ass in diesem durchgerechneten Konzept nicht eine ein-ige Zahl steht. Sie sagen nicht, wie hoch der Beitrags-atz sein soll. Sie sagen nicht, was alles mit verbeitragterden soll. Sie sagen nicht, wie hoch die Beitragsbe-essungsgrenze sein soll. Sie sagen nicht, wie vieleteuermittel in das System fließen sollen. Sie sagen miteinem Wort und vor allem mit keiner Zahl – und rech-en tut man meistens mit Zahlen, Herr Kollegeauterbach –, was Ihr Konzept eigentlich bedeutet.
as lassen wir Ihnen so pauschal und billig nicht durch-ehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sie wissen genau, warum Sie das nicht sagen; dennuch Sie kämen nicht um die Botschaft herum, die Sieermeiden, die wir aber ehrlich aussprechen, nämlichass es teurer wird. Sie würden vor allem die Facharbei-er – die Mittelschicht – zusätzlich belasten, diejenigen,ie zusätzlich ein wenig zur Seite gelegt oder eine Miet-ohnung geerbt haben.
iejenigen würden Sie zusätzlich belasten, weil die Bei-ragsbemessungsgrenze natürlich auch in Ihrem Konzepteiter gelten würde. Genau deswegen ist es übrigens ge-echter, das über Steuern zu machen.
m Steuerrecht gibt es keine Beitragsbemessungsgrenze.m Sozialrecht muss es sie nach dem Verfassungsrecht
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7866 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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geben. Deswegen ist es richtiger, diesen Ausgleich überSteuermittel zu machen, liebe Kolleginnen und Kolle-gen.
– Ich weiß, es tut weh, weil es Sie an Ihre eigenen Ent-scheidungen erinnert.
Ich wundere mich darüber, wie Sie sich da überall indie Büsche schlagen. Sie haben mit uns in der GroßenKoalition den Zusatzbeitrag eingeführt,
sodass heute von einigen Kassen 8 Euro erhoben wer-den. Übrigens gibt es wunderschöne Reden von UllaSchmidt darüber, warum es richtig ist, einen Zusatzbei-trag einzuführen, nämlich um die Loslösung von denLohnkosten zu erreichen. Sie haben mit uns gemeinsamdie Wahltarife in der gesetzlichen Krankenversicherungeingeführt und fortentwickelt.
Sie haben mit uns gemeinsam die Kostenerstattung ein-geführt.
– Sie haben mit uns gemeinsam die Regelungen zur Kos-tenerstattung eingeführt, weil Sie damals noch der Über-zeugung waren, es wäre gut, wenn auch gesetzlich Versi-cherte die Möglichkeit hätten, für sich einen Wahltarifnach ihren eigenen Wünschen ein Stück weit gestaltenzu können.
Heute wollen Sie von all dem nichts mehr wissen. Sieschlagen sich in die Büsche. Sie versuchen, im Wettbe-werb um Gleichmacherei die Linkspartei zu überholen,aber das wird Ihnen nicht gelingen, das ist ein billigerAbklatsch. Es wäre besser, Sie würden sich zu dem be-kennen, was wir einmal gemeinsam verabschiedet ha-ben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn es um die Frage geht, was im nächsten Jahr ist,dann ist von Ihnen auch nichts zu hören. Wir haben imnächsten Jahr in der gesetzlichen Krankenversiche-rung ein Defizit von 9 Milliarden Euro.
Das ist das größte Defizit in der Geschichte der gesetzli-chen Krankenversicherung. Wenn wir nichts tun würden,d–wwvEhfdinzGkÄkbt9hsclmiessiDvwSegdtuamAues
ei denen wir Zuwächse begrenzen und zum Teil effek-iv Geld einsparen, um am Ende dieses Defizit vonMilliarden Euro unter Beteiligung aller im Gesund-eitswesen in den Griff zu bekommen. Die Prognose isto, dass es uns tatsächlich gelingen wird, in der gesetzli-hen Krankenversicherung zu einer ausgeglichenen Bi-anz zu kommen.Man kann von der Opposition erwarten, dass sie zu-indest zwei oder drei Sätze über die Herausforderungm nächsten Jahr verliert. Man kann erwarten, dass Sieine Alternative aufzeigen, wenn Sie nicht damit einver-tanden sind. Sie wissen wie ich, dass Nichtstun in die-er Situation keine Option ist, dass Krankenkassen dannn die Insolvenz müssen.
a kann man sogar von einer Opposition verlangen, dasson ihr zwei oder drei Sätze darauf verwendet werden,as mit dem Defizit im nächsten Jahr zu tun wäre, wennie nicht das tun wollen, was wir tun. Unsere Antwort istin gerechter Ausgleich, liebe Kolleginnen und Kolle-en.
Die christlich-liberale Koalition stellt sich nämlichieser Verantwortung. Wir stellen uns dieser Verantwor-ung, auch wenn es unschöne Botschaften sind,
nschöne Botschaften für Arbeitnehmer, Arbeitgeber,uch für viele, die im Gesundheitswesen tätig sind. Nie-and hat ja gerne, dass bei ihm gespart wird.
ber wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir stellenns übrigens auch der Verantwortung, den Menschenhrlich zu sagen, dass in einer älter werdenden Gesell-chaft die Gesundheitskosten steigen werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7867
Jens Spahn
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Um diese Aussage drücken Sie sich ja leider bis heuteherum. Aber es ist nun einmal so: Wenn wir medizini-schen Fortschritt für alle flächendeckend wollen, mussdas auch entsprechend finanziert werden.Wir nennen nicht nur ehrlich die Herausforderungen,sondern wir liefern auch noch die Lösungen,
indem wir sagen, dass es eine weitere ergänzende Finan-zierung braucht, die lohnunabhängig ist und durch diekünftige Kostensteigerungen abgefedert werden können,ohne tatsächlich automatisch immer die Lohnnebenkos-ten zu erhöhen, wodurch ja Arbeitsplätze in Deutschlandgefährdet werden.
Es ist am Ende übrigens die beste Sozialpolitik, Arbeits-plätze in Deutschland zu sichern und die Schaffung vonneuen möglich zu machen.
Damit stellt sich die christlich-liberale Koalition ihrerVerantwortung. Darauf kommt es an.
Man kann von einer Opposition ein bisschen mehr er-warten als nur Worthülsen und Überschriften.
Wenigstens ein bisschen Konzept wäre ganz hilfreich,zumindest, wenn Sie für sich in Anspruch nehmen wol-len, hier noch ernsthaft mitzureden.
Zu einer Kurzintervention hat nun die Kollegin
Ferner das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Spahn hat jaeben wieder versucht, Geschichtsklitterung zu betreiben.Deshalb möchte ich hier wirklich noch einmal ein paarDinge klarstellen.Die letzte Gesundheitsreform, die von Ihnen undvon uns mitgetragen worden ist, bestand aus einemKompromiss.Zu diesem Kompromiss hat erstens dazugehört, dasswir, obwohl wir das wollten, darauf verzichtet haben, dieZusatzbeiträge paritätisch und einkommensabhängigfbdmKodIhgbUL0ldgerWtsiwewCvwVluohdWdAdlwSSDtngDdhl
ie SPD hat leider noch nie mit absoluter Mehrheit iniesem Land regiert – Herr Gysi, dies auch zu Ihnen.Man sollte schon so ehrlich sein und so viel Rückgrataben, Herr Spahn, deutlich zu machen, was Sie eigent-ich wollten.
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7868 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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Kollegin Ferner, Sie müssen bitte zum Schluss kom-
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Sie wollten – das setzen Sie jetzt mit der FDP um –
eine zusätzliche Belastung der Patientinnen und Patien-
ten und der unteren Einkommen zugunsten der Entlas-
tung der oberen Einkommen. Das ist Ihre Klientelpolitik,
die Sie nach wie vor betreiben.
Sie haben das Wort, Herr Spahn.
Liebe Frau Kollegin Ferner! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Zuerst zu den Wahltarifen und zu den Ände-
rungen, die wir hierbei jetzt vornehmen.
Ich glaube nicht, dass es der gesetzlich Versicherte,
wenn Sie ihn auf der Straße danach fragten, für richtig
hielte, dass Chefarztbehandlung oder die Inanspruch-
nahme eines Einbettzimmers von dem normalen Bei-
tragszahler quersubventioniert werden,
sondern vielmehr, dass es durch diejenigen bezahlt wird,
die sich dafür entscheiden. Deswegen sorgen wir dafür,
dass es diese Quersubventionierung nicht gibt, mit der
einige Krankenkassen versuchen, sich eine bestimmte
Klientel heranzuziehen. Wir stellen klar: Diese Tarife
müssen sich selber tragen, weil Chefarztbehandlung et-
was ist, was man für sich selbst finanzieren und bezahlen
muss. Das war bisher in Form der Quersubventionierung
ungerecht geregelt, und deswegen ändern wir das.
Zweitens komme ich zur Kostenerstattung. Sie be-
mühen dabei immer gern das Wort „Vorkasse“. Viel-
leicht sollten Sie den Menschen einmal erklären, was
denn Vorkasse ist: Vorkasse heißt, dass ich vor Inan-
spruchnahme der Leistung zahlen muss. Das wollte nie
jemand, das will nie jemand, und das wird es in der deut-
schen Krankenversicherung auch nie geben.
Sie jedoch suchen bei dem, was wir hier tun, verzwei-
felt nach Angriffspunkten, denken sich selber ein Wort
aus, das ganz furchtbar klingt, und unterstellen dann mit
großem Getöse, dass hier irgendjemand so etwas einfüh-
ren wolle. Das ist unredlich. So macht man eigentlich
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Was die Frage des Kompromisses angeht, so wollten
ie zum einen Verkehrsunfälle aus der gesetzlichen
rankenversicherung herausnehmen.
Wissen Sie, das ist doch alles müßig.
Es muss ja irgendwie wehtun.
Überwiegend hat der Kollege Spahn das Wort.
Vielen Dank. – Erst einmal gute Besserung, Frau Prä-
identin.
Danke.
Unabhängig davon gehört es doch in solchen Beratun-en dazu – Frau Kollegin Ferner, ich antworte Ihnen –
Multitasking, okay –, dass man natürlich verschiedeneptionen miteinander durchspielt. Wir haben uns amnde entschieden, nicht Leistungen auszugrenzen, son-ern stattdessen zu einer zusätzlichen Belastung etwa inorm der Praxisgebühr oder anderem zu kommen. Dasleiche tun wir jetzt übrigens wieder. Wir haben gesagt,ir wollen bei dieser Gesundheitsreform bewusst nichteistungen ausgliedern. Wir muten dann aber – das ge-ört dann zur Wahrheit dazu; vor dieser Wahrheit duckenie sich dann immer weg – den Menschen zu, dass dieeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen,amit der bisherige Leistungsumfang erhalten bleibt.Aber eines lasse ich Ihnen nicht durchgehen; das istrgendwann eine Frage der politischen Kultur. Wennan gemeinsam in der Großen Koalition einen Kompro-iss gefunden hat, bei dem beide Seiten selbstverständ-ich Abstriche machen müssen, dann gehört es meinesrachtens dazu – übrigens auch in der Wahrnehmung derürgerinnen und Bürger –, dass man zu dem, was man
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7869
Jens Spahn
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gemeinsam vereinbart und gemeinsam hier beschlossenhat, auch steht und sich nicht in die Büsche schlägt. Eshat Sie ja keiner gezwungen, zuzustimmen, sondern Siehaben am Ende ebenso wie wir gesagt: Das ist ein Kom-promiss, der in die richtige Richtung geht. Anderenfallswürden Sie doch nicht zugestimmt haben. Dies wärepolitische Kultur, Frau Kollegin Ferner.
Nun hat der Kollege Dr. Harald Terpe für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin, erst einmal wünsche ich gute Besse-rung! – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu-nächst muss ich Folgendes anmerken: Herr Bundes-minister Rösler und auch Herr Spahn beklagen sichimmer darüber, die Opposition trage nichts zu der Dis-kussion bei. Einmal ganz davon abgesehen, dass ich füralle Oppositionsparteien hier sagen muss, dass derGrundwert sozialer Gerechtigkeit beigetragen wird, le-gen wir mit der grünen Bürgerversicherung konkreteZahlen auf den Tisch. Sie setzen sich aber mit keinemWort damit auseinander.
Wir hingegen setzen uns mit Ihnen deutlich auseinander.Das werden Sie ja gemerkt haben.Nun zu dem Gesetz. Als der Gesetzentwurf aus demKabinett kam, sprach die Regierung davon, ein fairesund stabiles Gesundheitssystem auch für zukünftige Ge-nerationen sichern zu wollen. Dass wir Bündnisgrüneeine andere Auffassung von fair und gerecht haben,dürfte hinreichend klar geworden sein. Aber ich dachte,ein Gesundheitssystem für künftige Generationen hatdoch etwas mit Zukunft, Vorausschau und Nachhaltig-keit sowie mit der Frage zu tun, wie man sich auf diesich dramatisch verändernden Versorgungsbedingungeneiner immer älter werdenden Bevölkerung mit Zunahmevon chronischen und Mehrfacherkrankungen vorberei-tet.Zukunft gestalten heißt doch, die Strukturen zu verän-dern hin zu einer besseren Versorgung mit mehr Quali-tät, mit Vernetzung und Integration, mit einer besserenGesunderhaltung und mehr gemeinsamer und gegensei-tiger Verantwortung für alle Beteiligten. Davon ist imGesetzentwurf nichts zu finden.
Es ist eine Ankündigung ohne Inhalt.Kollege Spahn hat vorgestern im Ausschuss argumen-tiert, das Finanzierungsgesetz bewusst von dem Struk-turgesetz getrennt zu haben, um 1 000 Seiten zu sparen.DSEQsdIKfudblsIBcdsMohKesfnZÄrgtIBrlvb
as ist Sparen zur falschen Zeit und an der falschentelle.
s verzögert doch nur eine bessere Versorgung mit mehrualität und Wirtschaftlichkeit.Trotzdem habe ich mich auf die Suche nach Hinwei-en im Gesetzentwurf darauf gemacht, wohin die Reiseer Koalition bei Strukturveränderungen gehen könnte.ch bin fündig geworden: zunächst beim Notopfer derrankenhäuser. Mit dem Mehrleistungsabschlag bestra-en Sie die Krankenhäuser, die im Qualitätswettbewerbm Patienten erfolgreicher sind als andere Häuser undie so mit den Krankenkassen mehr Leistungen verein-aren können. Das ist wettbewerbs- und leistungsfeind-ich. Wie sagt die FDP doch so schön? Leistung mussich lohnen.
Mit Leistung und Wettbewerb haben Sie ohnehinhre Probleme, jedenfalls immer dann, wenn es um dieegünstigung der PKV oder wenn es um die hausärztli-he Versorgung geht. Wahlfreiheit und Wettbewerb wer-en verschoben. Wegen des Grollens aus den bayeri-chen Bergen belassen Sie es bei den unsinnigenonopolverträgen und schleifen zudem mit der Fallwert-rientierung die Leistungsanreize für eine verbesserteausärztliche Versorgung.
Sie setzen mit der Grundlohnratenanbindung für dierankenhäuser eine Regelung fort, bei der wir uns alleinig waren, dass sie abgeschafft werden müsste, weilie sich immer weiter von der Realpreisentwicklung ent-ernt. Das gilt erst recht für den Fall, dass die Rate auchoch reduziert wird.
u dem Füllhorn über einem Teil der niedergelassenenrzteschaft gesellen Sie die Axt im Krankenhaus undiskieren Personalabbau und schlechtere Arbeitsbedin-ungen besonders beim Pflegepersonal. Das wird zulas-en der Patienten gehen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,hr Gesetzentwurf mit den geplanten Entlastungen füresserverdienende und der von mir aufgezeigten Ziel-ichtung der Strukturveränderungen ist wahrlich christ-ich-liberal. Nehmt den Ärmeren und gebt den Besser-erdienenden! Wer mehr leistet, soll wenigerekommen.
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7870 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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Das Wort hat der Kollege Stephan Stracke für die
Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Die christlich-liberale Koali-
tion ist angetreten, das Gesundheitssystem solide und
nachhaltig weiterzuentwickeln und damit auch künftigen
Generationen eine Versorgung auf hohem Niveau zu
gewährleisten. Genau das machen wir, meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren von der Opposition. Was wir
heute gemeinsam auf den Weg bringen, ist gut, weil wir
angesichts des hohen Defizits von rund 9 Milliarden
Euro, welches für das Jahr 2011 erwartet wird, die Aus-
gaben in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Au-
genmaß und der richtigen Balance begrenzen. Es ist
auch deswegen gut, weil wir die Finanzierungsgrundla-
gen für die Zukunft stärken und dabei die soziale Ausge-
wogenheit wahren.
Dabei stellen wir sicher, dass auch in Zukunft jeder
den direkten Zugang zu unserem hervorragenden Ge-
sundheitssystem hat und niemand von der Exzellenz un-
seres Gesundheitswesens ausgegrenzt wird. Die Alterna-
tive dazu wären Abstriche vom Leistungskatalog,
Leistungsausgrenzung oder gar, wie manche fordern,
Priorisierungen von medizinischen Maßnahmen. Das ist
nicht unsere Politik; das ist nicht unser Weg. Deshalb
machen wir das nicht.
Die christlich-liberale Koalition stand vor einer gro-
ßen Herausforderung: Wie gehen wir mit dem Defizit
von 9 Milliarden Euro um? Dieses Defizit ist im Übrigen
nicht vom Himmel gefallen, sondern aufgrund der be-
wusst getroffenen Entscheidung der Großen Koalition
entstanden, Ausgabensteigerungen insbesondere im am-
bulanten und stationären Bereich vorzunehmen, die dazu
dienten, die Versorgungsqualität weiter zu verbessern.
Wir handeln nun angesichts dieses Defizites. Dabei
haben wir die Grundsatzentscheidung getroffen, das De-
fizit nicht ausschließlich auf der Einnahmeseite anzuge-
hen, sondern auch über eine Begrenzung der Ausgaben.
Das ist sicherlich nicht der einfache, bequeme Weg, aber
ein Weg, der verantwortbar ist, weil er die Interessen der
Versicherten, vor allem der Beitragszahler, im Blick be-
hält.
Wir begrenzen die Ausgaben, aber nicht einseitig,
sondern mit dem rechten Maß, indem wir hier alle Betei-
ligten in die Verantwortung nehmen: die Arzneimittel-
hersteller, die Ärzte, die Krankenhäuser, aber auch die
Krankenkassen. Dabei wahren wir die Balance zwischen
dem, was einerseits notwendig ist, um die Ausgabenzu-
wächse zu begrenzen, und dem, was andererseits erfor-
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ir haben es mit der Unterstellung zu tun, die Fest-chreibung der Arbeitgeberbeiträge sei unsolidarisch.ber wir – Sie und ich – wissen doch, dass steigendeesundheitskosten die Lohnnebenkosten erhöhen. Wirissen doch, dass sich dadurch die Wettbewerbsfähig-eit Deutschlands auf Dauer verschlechtern würde; da-urch würden Arbeitsplätze nicht gesichert, sondern ge-ährdet. Genau das wollen wir nicht. Deshalb ist dieestschreibung der Arbeitgeberbeiträge der richtige An-atz im Interesse aller Menschen in Deutschland.Wir haben es auch mit der irrigen Annahme zu tun,ass die Beitragszahler angesichts der in Zukunft stei-enden Gesundheitsausgaben alleingelassen würden.as ist nichts anderes als eine verunglimpfende Stim-ungsmache; denn richtig ist, dass wir unseren Zusatz-eitrag mit einem Sozialausgleich über Steuern flankie-en und somit alle Einkommensarten einbeziehen. Sieissen doch genauso wie ich, dass die 10 Prozent miten höchsten Einkommen um die 50 Prozent des Ein-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7871
Stephan Stracke
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kommensteueraufkommens erbringen. Diese Mittel set-zen wir im Rahmen des Sozialausgleichs ein. Das ist ge-recht, und das ist auch solidarisch.
Wir setzen auf die Anreize, sich wirtschaftlich gegen-über der Solidargemeinschaft zu verhalten. Das ist auchder Hintergrund, warum wir sagen: Wir erstatten den So-zialausgleich nur bis zum durchschnittlichen Zusatzbei-trag. Das ist gerecht, das ist sozial. Wir machen uns hiergemeinsam auf den Weg, die Finanzen der gesetzlichenKrankenversicherung auf eine vernünftige Basis zu set-zen. Wir handeln verantwortlich und gewährleisten da-durch, dass die hohe Versicherungs- und Versorgungs-qualität der Menschen auch in Zukunft garantiert wird.Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Karl Lauterbach
für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst eine persönliche
Bemerkung. Diverse Male wurden heute von der Oppo-
sition Sachthemen angesprochen. In der Kritik unserer
Reden heißt es, wir würden nicht viel über die eigenen
Konzepte sagen. Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, wie
ungewöhnlich blass und inhaltslos die Rede des Minis-
ters gewesen ist? Wann hört man eine so schwache Rede
eines Ministers, wenn er sein erstes großes Gesetz vor-
stellt?
Wir haben doch nichts gehört. Der Minister war nicht in
der Lage, eine einzige Zwischenfrage zuzulassen. Ich
kann mich bereits jetzt nicht mehr erinnern, meine sehr
verehrten Damen und Herren, weil er nichts gesagt hat.
Auch Sie wissen das. Diejenigen, die das bestreiten,
frage ich: Wer kann sich erinnern? Niemand weiß etwas.
So, und jetzt zu Ihnen, Herr Spahn.
– An Ihre Rede kann ich mich erinnern. Ihnen will ich
einen rhetorischen Rat geben. Im Rheinland sagt man:
Die Menschen, die in ihrer Rede zu häufig von der Ehr-
lichkeit sprechen, sind die größten Lügner. Das trifft
heute auf Ihren Redebeitrag zu; denn Sie haben gesagt,
dass wir die kleine Kopfpauschale wollten.
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Wir haben Ihnen das Ministerium im dritten Quartal
it 1,9 Milliarden Euro Überschuss übergeben. Jetzt ha-
en wir 10 Milliarden Euro Defizit, und Sie beklagen
ich, dass wir keine Vorschläge bringen. Das ist doch ab-
urd.
Nein, das ist die Wahrheit. Sie werden ausgelacht. Die
eute lachen nicht über mich, sondern die Leute lachen
it mir über Sie. Das ist die Tatsache!
Ja, das ist so.
Jetzt zum Inhalt – –
Herr Kollege Lauterbach, es wäre schon schön, wenn
ir auch noch zur Sache debattieren würden.
Ich rede zur Sache. Herr Präsident, ich habe auf jedenall schon mehr zur Sache geredet als der Minister ineinem Redebeitrag.
Hier wird vorgetragen, wir wären es gewesen, die dieleine Kopfpauschale, die am heutigen Tage durch dieintertür eingeführt wird, eingeführt hätten. Das ist einenwahrheit. Wir haben Zusatzbeiträge eingeführt, dieProzent der Gesamtausgaben nicht übersteigen durf-en. Das heißt, jede weitere Ausgabensteigerung wäre zuProzent in die Kopfpauschale gelaufen. Jetzt laufen00 Prozent der Ausgabensteigerung in die Kopfpau-chale. Das ist der Unterschied. Von daher ist die Zusatz-rämie heute zur Kopfpauschale geworden. Das ist heuteu vertreten.
Sie versuchen, die Leute zu verdummen, indem Sieagen, die Parität könne sich wirtschaftlich nicht länger
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7872 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Dr. Karl Lauterbach
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halten, das paritätische System sei am Ende. Seien Siedoch so ehrlich und räumen Sie ein, dass wir es mit derParität geschafft haben, die Arbeitslosenzahl unter3 Millionen zu drücken. Das System ist nicht kaputt, esfunktioniert. Sie wollen die Privatisierung, den System-wechsel. Es geht Ihnen nicht um die Lohnzusatzkosten.Sie wollen das System amerikanisieren und privatisie-ren. Sie sind aber zu feige, das ehrlich zuzugeben, meinesehr verehrten Damen und Herren.
In Wahrheit kassieren Sie die Rentner und die Gering-verdiener ab, um den Arbeitgeberbeitrag einfrieren zukönnen. Darauf läuft es hinaus. Der Rentner, der800 Euro bezieht, bekommt bei einer durchschnittlichenKopfpauschale von 20 Euro nur 4 Euro Sozialausgleich.Wissen Sie, wie ich das nenne? Das ist kein Sozialaus-gleich; das ist ein Almosen.
Bei einer Rente von 1 000 Euro bekommt er gar keinenSozialausgleich. Kein Geringverdiener mit einem mittle-ren Einkommen von 1 500 Euro kann einen Sozialaus-gleich erhalten, wenn die Kopfpauschale im Durch-schnitt 30 Euro beträgt. Das ist ein Abkassieren bei denkleinen Leute. Das ist weniger Netto vom Brutto für dieLeute, die Guido Westerwelle als Leistungsträger be-zeichnet hat.Herr Westerwelle, die Leistungsträger, die 1 500 Euroverdienen, büßen bei einer Kopfpauschale in Höhe von30 Euro 2 Prozent ihres Nettoeinkommens ein – ohne je-den Sozialausgleich. Wollen Sie das den Geringverdie-nern, den Leistungsträgern und den Menschen in denneuen Bundesländern anbieten?
Ihnen geht es nicht um die Leistungsträger. Ihnen geht esum die PKV. Ihnen geht es um die Arbeitgeber. Das istdie Koalition des Kapitals, Herr Kauder. Dafür werdenSie in Baden-Württemberg abgestraft. Darauf könnenSie sich verlassen. Das kann ich Ihnen versichern, HerrKauder.
In diesen Tagen bin ich im Rahmen des Vorwahl-kampfes häufig in Baden-Württemberg.
Sie liegen falsch, wenn Sie glauben, dass es den Men-schen dort nur um den Bahnhof in Stuttgart geht. DieLeute wissen ganz genau, wo Sie abkassieren.
FcuDtSdgpnSSsgspPglcDwndbzMSdG
ie werden abgestraft werden. Die Menschen werdenas im Januar begreifen. Im Januar flattern die Rechnun-en ins Haus, Herr Kauder. Dann werden die Leute ka-ieren, was diese Reform bedeutet. Dann werden nichtur Ihre Umfrageergebnisse schlechter. Dann erhaltenie die Strafe dafür, dass Sie hier abkassieren.
ie sind nicht bereit, offen dazu zu stehen.
Gestern wurde uns von Ihnen der Entwurf eines Ge-etzes vorgelegt, das gut für die Pharmaindustrie und ge-en die Patienten gerichtet ist. Heute liegt uns ein Ge-etzentwurf vor, der gut für die Arbeitgeber und dierivate Krankenversicherung und ebenfalls gegen dieatienten und Versicherten gerichtet ist. Ein solches Vor-ehen ist einer Partei, die sich damit brüstet, eine christ-iche Partei zu sein, unwürdig. Wo sind denn die christli-hen Elemente in diesem Gesetzentwurf, Herr Kauder?avon ist nichts zu sehen.
Dazu, dass die Vorkasse, die Abkassiererei eingeführtird, sagt uns der Minister: Die Menschen müssen das jaicht machen. Niemand hier ist so dumm, zu glauben,ass die Menschen das machen müssen. Als Minister ha-en Sie aber die Pflicht, die Menschen vor der Abzockeu schützen, und nicht, sie einzuführen, Herr Minister.
Ich komme zum Schluss, bevor ich abgemahnt werde.eine Redezeit ist abgelaufen.
ie werden sich noch an meine Worte erinnern. Sie wer-en schon sehen. Ich habe gesagt: Wegen der miserablenesundheitspolitik wird Jürgen Rüttgers in Nordrhein-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7873
Dr. Karl Lauterbach
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Westfalen demnächst seinen Stuhl räumen müssen. Ge-nau so ist es gekommen. Das habe ich hier vorgetragen.
Jetzt sage ich voraus: Herr Mappus wird der Nächstesein, der sich wegen dieser Gesundheitspolitik verab-schiedet.
Ob die Grünen oder wir dann vorne liegen, ist mir egal.Hauptsache, es ist eine progressive, linke Partei, dieweiß, wo das Herz schlägt.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Dietrich Monstadt für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Wir legen heute den Entwurf eines GKV-Finanzierungs-gesetzes vor, mit dem die Finanzierung der gesetzlichenKrankenversicherung stabilisiert wird, mit dem auch inlangfristiger Hinsicht Weichen gestellt werden.Die christlich-liberale Koalition hat gehandelt. Des-halb wird es das befürchtete Milliardenloch im Gesund-heitssystem nicht geben. Es ist eine gute Nachricht, dasskeine Leistungen gestrichen werden, sondern die Versor-gung der Patienten unverändert gesichert ist.
Aus Sicht der neuen Bundesländer – ich spreche hierals Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern – istdie Sicherstellung der ärztlichen Versorgung insbeson-dere im ländlichen Raum eine der großen Sorgen. Die-ser Gesetzesentwurf wird hier zu spürbaren Verbesserun-gen führen.
Erstens. Wir passen das Honorar der Zahnärzte in denneuen Bundesländern in Richtung Westniveau an.20 Jahre nach der deutschen Einheit ist das mehr alsüberfällig.Zweitens. Wir führen die Möglichkeit von Sicherstel-lungszuschlägen wieder ein. Damit können für nieder-lassungsinteressierte Ärzte gezielt Anreize gesetzt wer-den, insbesondere in ländlichen Regionen.
Drittens. Weil sich die bisherige Honorarreform derÄrzte regional unterschiedlich ausgewirkt hat, ist eineasymmetrische Aufteilung des Zuwachses durch dieSsfHlmsAmtdnsndbsDnAssSdr2dtDdkpsDntDn
uch wird die im Gesetzentwurf vorgesehene wissen-chaftliche Untersuchung über die Ursachen unter-chiedlicher Basisfallwerte der Länder nicht gestrichen.ie muss bis zum 30. Juni 2011 in Auftrag gegeben wer-en; dabei bleibt es.Und jetzt, Herr Kollege Lauterbach, zu Ihnen und Ih-em Erinnerungsvermögen. Sie haben am 17. Dezember009 hier im Plenum des Deutschen Bundestages einurchgerechnetes Konzept versprochen. Wörtlich:Wir werden einen konkreten, durchfinanziertenVorschlag für eine Bürgerversicherung machen.Das kündige ich hiermit an.
Sie haben angekündigt, dass wir uns damit – ich zi-iere wörtlich – „in Kürze auseinandersetzen müssen“.as war vor einem Jahr.
Was ist aus dem lange angekündigten konkreten,urchfinanzierten Vorschlag geworden? Der Bergreißte, und am Montag hat das SPD-Präsidium ein Pa-ier zur Beschäftigung ihrer Generalsekretärin beschlos-en.
arin stellt die SPD fest, dass ihr veraltetes Konzept ei-er Bürgerversicherung aus dem Jahre 2004 seit spätes-ens 2006 überholt ist und überarbeitet werden muss.azu, meine Damen und Herren von der SPD, haben Sieur vier Jahre gebraucht.
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7874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Dietrich Monstadt
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Mit der Überarbeitung ist die SPD noch nicht weit ge-kommen. Offenbar hat sie die erforderliche Muße nochnicht finden können.
In dem SPD-Papier findet sich keine Spur des durch-finanzierten Konzepts einer Bürgerversicherung, dasSie, Herr Kollege Dr. Lauterbach, vor einem Jahr ver-sprochen haben. Stattdessen wird in dem SPD-Papier dieEinsetzung einer Projektgruppe angekündigt, immernach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, danngründ’ ich einen Arbeitskreis.
Herr Kollege Dr. Lauterbach, erlauben Sie mir noch einepersönliche Bemerkung: Demenzbehandlung wird vonder gesetzlichen Krankenversicherung immer nochfinanziert.
Und dann das unermüdliche Lamentieren über die an-gebliche Einführung der Vorkassenregelung! Gemeintist die Wahlmöglichkeit von Patienten,
sich für Kostenerstattung statt Sachleistung zu entschei-den. Diese Wahlmöglichkeit existiert schon seit vielenJahren. Sie wurde mehrfach umgestaltet und erweitert,übrigens immer mit Zustimmung der SPD. Kostenerstat-tung ist aber nicht das Gleiche wie Vorkasse. Vorkassebedeutet, dass abweichend vom üblichen Vorgehen zu-nächst eine Bezahlung der Ware oder Dienstleistungerfolgt. Erst danach beginnt der Verkäufer oder Dienst-leistungserbringer mit der Warenlieferung oder Dienst-leistung.Bei der Kostenerstattungsoption gibt es offensichtlichkeine Vorkasse im Verhältnis zwischen Patient und Arzt,da der Arzt zuerst die Leistung erbringt und erst spätereine Rechnung stellt. Auch im Verhältnis zwischenKrankenkasse und Patient passt der Begriff Vorkassenicht. Denn bevor der Patient seinen Erstattungsan-spruch bei der Krankenkasse geltend gemacht hat, sindder Kasse diese Kosten weder nach Art noch nach Höhebekannt. Der Kostenerstattungsanspruch entsteht erstzum Zeitpunkt der Vorlage. Erst dann kann und darf dieKasse leisten. Der Begriff „Vorkasse“ ist im Hinblick aufdie Kostenerstattungsoption unter keinem tatsächlichenund rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.
Er ist einfach nur unseriös.
Meine Damen und Herren, wir haben die letzten Mo-nate genutzt, um den heute zur Abstimmung stehendenEntwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierungunseres Gesundheitssystems zu erarbeiten. Mit demGKV-Finanzierungsgesetz können wir den Herausforde-rngZdvbMsRupgEpAhglgZtsnfFddsAcmMtumdc1)
Darüber hinaus möchten fünf Kolleginnen und Kolle-en aus den Reihen der Fraktion Die Linke persönlicherklärungen zur Abstimmung vortragen. Ich werde dieseersönlichen Erklärungen nach den beiden namentlichenbstimmungen aufrufen. Ich weise schon jetzt daraufin, dass der Gegenstand dieser persönlichen Erklärun-en nicht die Verlängerung der Debatte, sondern die Er-äuterung persönlicher Motive mit Blick auf den jeweili-en Gegenstand ist, was in Anbetracht der verfügbareneit zu einer auf beiden Seiten verträglichen Konzentra-ion führen könnte.Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Be-chlussempfehlung auf Drucksache 17/3696, in Kennt-is des Berichts des GKV-Spitzenverbandes über die Er-ahrungen mit den Rechtsänderungen in § 13 Abs. 2 desünften Buches Sozialgesetzbuch, unter Buchstabe a,en Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU under FDP auf Drucksache 17/3040 in der Ausschussfas-ung anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-hen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-it ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit derehrheit der Koalition gegen die Stimmen der Opposi-ion angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungnd Schlussabstimmung. Über den Gesetzentwurf stim-en wir auf Verlangen der SPD-Fraktion namentlich ab.Ich mache darauf aufmerksam, dass im Anschluss aniese namentliche Abstimmung eine weitere namentli-he Abstimmung erfolgt.Anlagen 2 bis 4
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7875
Präsident Dr. Norbert Lammert
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Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, diePlätze an den vorgesehenen Stellen einzunehmen. – Ichhabe den Eindruck, dass alle Plätze ordnungsgemäß be-setzt sind, und eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgeben konnte? – Das scheint mir
nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ih-
nen später bekannt gegeben.1)
Wir setzen die namentlichen Abstimmungen fort und
kommen zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/3708, zu dem ebenfalls na-
mentliche Abstimmung verlangt wurde. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze einzu-
nehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das scheint der
Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Haben alle, die das wollen, ihre Stimmkarte abgeben
können? – Alle konnten ihre Stimmkarte abgeben?
– Noch nicht. – Konnten jetzt alle ihre Stimmkarte abge-
ben? – Das ist nun der Fall. Dann schließe ich die Ab-
stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
wird Ihnen ebenfalls später bekannt gegeben.2)
Verabredungsgemäß erteile ich jetzt das Wort zu per-
sönlichen Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsord-
nung, zunächst Kathrin Vogler.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte doch noch einmal erklären,
warum ich dieses GKV-Finanzierungsgesetz abgelehnt
habe. Ich habe das getan als Mitglied einer gesetzlichen
Krankenkasse, das sich entschieden für eine Kranken-
versicherung einsetzen will, in der die Gesunden für die
Kranken und die finanziell Stärkeren für die finanziell
Schwächeren einstehen. Mit dem vorliegenden Gesetz-
entwurf wird dieser verbliebene Rest an Solidarität auf-
gekündigt.
Mit dem, was Sie als einkommensunabhängige Zu-
satzbeiträge einführen, nämlich der Kopfpauschale, soll
ich als Bundestagsabgeordnete nächstes Jahr womöglich
den gleichen Zusatzbeitrag wie die Sachbearbeiterin in
meinem Büro zahlen. Ihr Beitrag erhöht sich dadurch
aber sehr viel stärker als meiner. Das halte ich für unge-
recht – und die Sachbearbeiterin wahrscheinlich noch
mehr. Deswegen kann ich diesem Gesetzentwurf nicht
zustimmen.
Sie halten uns entgegen, man könne die Zusatzbei-
träge minimieren, indem man die Kasse wechsele. Als
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1) Ergebnis Seite 7878 A
2) Ergebnis Seite 7880 C
Herr Lanfermann, es ist nicht Ihre Entscheidung, ob
ch hier zur Abstimmung rede oder nicht, sondern die
er Präsidentin.
Es geht hier um persönliche Erklärungen zur Abstim-
ung. Das muss gewährleistet sein.
Ich habe deshalb häufig die besorgte Frage von Bür-
erinnen und Bürgern im Wahlkreis gehört, ob sie sich
hre Krankenkasse im nächsten Jahr überhaupt noch leis-
en können. Ich finde diese Frage nur zu berechtigt, auch
ngesichts des Wahltarifs in Bezug auf die sogenannte
ostenerstattung, bei der man das Geld für die Arztrech-
ung aus eigener Tasche vorstrecken kann. Wer soll das
achen? Vor allem Behinderte und chronisch Kranke
erden sich das nicht leisten können. Sie werden es sich
uch nicht leisten können, auf einem Teil ihrer Behand-
ungskosten sitzen zu bleiben. Deswegen halte ich den
esetzentwurf für diskriminierend und ausgrenzend und
abe dagegengestimmt.
Ich habe auch deshalb gegen den Gesetzentwurf ge-
timmt, weil unter Ausschaltung der Rechte der Opposi-
ion erst vor vier Tagen durch einen Änderungsantrag ein
öllig neuer Sachverhalt hineingeschmuggelt wurde. Die
mstrittene elektronische Gesundheitskarte soll jetzt be-
chleunigt eingeführt werden. Mindestens 10 Prozent
er Versicherten sollen innerhalb eines Jahres damit aus-
estattet werden. Schaffen die Krankenkassen das nicht,
ann werden sie finanziell bestraft.
Für mich sind in diesem Punkt noch zu viele Fragen
ffen, die wir nicht in einem ordentlichen parlamentari-
chen Verfahren klären konnten, zum Beispiel zur Da-
ensicherheit und zu den immensen Kosten, die dieses
rojekt zur Karte 21 machen könnten. Das kann ich
icht verantworten.
Aus all diesen Gründen habe ich den Gesetzentwurf
bgelehnt.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Martina Bunge.
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7876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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– Ich weise noch einmal darauf hin, dass es hier um per-sönliche Erklärungen und nicht um eine Verlängerungder Debatte geht.
Danke, Frau Präsidentin. – Verehrte Kollegen und
Kolleginnen! Ich lehne den Gesetzentwurf ab, weil Sie
zwar vorgeben, damit eine nachhaltige und sozial ausge-
wogene Finanzierung zu erreichen – so heißt es zumin-
dest im Titel des Entwurfs –, weil Sie aber tatsächlich
durch die Hintertür die Kopfpauschale einführen, die
Beiträge der Arbeitgeber einfrieren und die Versicherten
künftig mit allen Kostensteigerungen allein lassen. So
zerschlägt Schwarz-Gelb die solidarische Krankenversi-
cherung.
Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren,
Herr Lanfermann.
Das ist zutiefst sozial ungerecht.
Deshalb stimme ich gegen diesen Gesetzentwurf.
Ich lehne den Gesetzentwurf ab, weil Sie des Weite-
ren den Angleichungsprozess der Bundesländer nicht
nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen
Nord und Süd aufhalten. Ganz massiv wirkt sich das bei-
spielsweise auf die Krankenhäuser in meinem Bundes-
land Mecklenburg-Vorpommern aus. Dort haben wir den
niedrigsten Landesbasisfallwert der Bundesrepublik.
Der Fahrplan hin zu einem einheitlichen Wert für das ge-
samte Bundesgebiet war bereits geregelt. Sie kippen das
Ganze. Die Zeit ist reif, dass eine Blinddarmoperation in
Mecklenburg-Vorpommern das gleiche Geld bringt wie
eine Blinddarmoperation in Rheinland-Pfalz.
Es mag zwar regionale Unterschiede geben, aber wenn
Sie in diesem Bereich auf Wettbewerb setzen, dann kann
ich dieser Ausrichtung nicht folgen.
Im Übrigen bringt die unterschiedliche Bezahlung,
die Sie beibehalten wollen, die Krankenhäuser weiter in
Bedrängnis. Wenn das Geld fehlt, geht das zulasten der
Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten. Kol-
lege Monstadt, es trifft nicht zu, dass alles gut weiterge-
hen kann. Alle Kalkulationen werden mit diesem Ge-
setzentwurf null und nichtig.
Frau Bunge, ich muss Sie darauf hinweisen, dass der
Disput mit anderen Abgeordneten
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er Punkt ist vorhin betont worden.
Die Frage ist jetzt, ob Löhne erhöht werden oder Per-
onal aufgestockt wird. Beides wäre nötig. Aber das un-
erbinden Sie. Deshalb lehne ich den Gesetzentwurf ab.
Ich lehne ihn auch deshalb ab, weil er unnötig ist. Der
mstieg in die Kopfpauschale könnte mit einer Sofort-
aßnahme vermieden werden. Das Milliardenloch
önnte anders gestopft werden.
Wir schlagen vor, die Verschiebebahnhöfe zwischen
en Sozialversicherungskassen, zum Beispiel bei den
rbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Beziehern, end-
ich zu beseitigen. Dann wäre das Gesetz unnötig, und
ir könnten uns in Ruhe mit einer solidarischen Lösung
ür das Gesundheitssystem beschäftigen. Die Bevölke-
ung ist für dieses System. 80 Prozent stehen dahinter.
ir müssen es erhalten und ausbauen, wir müssen es fit-
achen für die Zukunft. Eine Bürgerinnen- und Bürger-
ersicherung wäre der beste Weg.
Da Sie nicht vernünftig diskutieren, sondern alles in
rei Sitzungswochen durchziehen, lehne ich den Gesetz-
ntwurf ab.
Ich weise ein letztes Mal darauf hin, dass es sich um
ersönliche Erklärungen handeln muss.
azu gehört es gegebenenfalls auch nicht, die Positionen
er eigenen Fraktionen darzustellen. Diesen Unterschied
üssen wir machen.
Als Nächster hat Harald Weinberg das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-egen! Meine Damen und Herren! Ich lehne dieses Ge-etz ab und habe dagegen gestimmt, weil diese Regelun-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7877
Harald Weinberg
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gen dazu führen, dass das kommunale Klinikum inmeiner Heimatstadt Nürnberg mit Sicherheit in eineschwierige finanzielle Lage kommt. Bis vor einem Jahrwar ich Stadtrat in meiner Heimatstadt und damit auchmitverantwortlich für das kommunale Klinikum. AlsVerdi-Mitglied bin ich ebenfalls mitverantwortlich fürdie Mitarbeiter in diesem Klinikum.Das genannte Krankenhaus hat es mit Mühe ge-schafft, im letzten Jahr wieder in die schwarzen Zahlenzu kommen. Insgesamt steigen die Erlöse pro Fall für dieKrankenhäuser im Jahr 2011 gerade einmal um0,9 Prozent. Damit können die Krankenhäuser die Tarif-steigerungen nicht bezahlen. Der Marburger Bund– Herr Henke wird das als Vorsitzender sicher bestätigenkönnen – wird sich nicht mit einer Steigerung von1 Prozent abspeisen lassen. Umso weniger Geld wird esfür die berechtigten Forderungen von Verdi und derKrankenpflegerinnen und Krankenpfleger geben.Hinzu kommen die steigenden Sachkosten. Nach mei-ner Auffassung wird die Folge ein noch höherer Druckauf die Beschäftigten in den Krankenhäusern sein. Da-mit wird die Behandlungsqualität zwangsläufig weitersinken. Dennoch werden die Sparbemühungen nicht aus-reichen. Viele Krankenhäuser werden wie das Kranken-haus in meiner Heimatstadt Nürnberg wieder in die rotenZahlen rutschen, und dann werden die Privatisierungs-diskussionen wieder anfangen.Die Versicherten, die Patientinnen und Patienten so-wie ein großer Teil der Beschäftigten im Gesundheitswe-sen zahlen die Zeche. Das ist kein Unfall, sondern diePolitik von CDU/CSU und FDP. Das ist ein Skandal.Deshalb stimme ich diesem Gesetz nicht zu.Es wird auch dazu führen, dass wir in den KlinikenPersonalabbau haben werden. Ich werde die Folgen die-ses Gesetzes in der Öffentlichkeit thematisieren. Ichwerde versuchen, den Menschen zu vermitteln, dassdiese Bundesregierung, die sich gegen die Mehrheit derMenschen durchgesetzt hat, abgewählt gehört, und daseinzig Gute an diesem Gesetz ist, dass es 2013 wiedereinkassiert werden kann.Danke.
Der Kollege Ilja Seifert hat seine Erklärung schrift-
lich abgegeben. Jetzt hat die Kollegin Senger-Schäfer
das Wort.1)
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich möchte eine persönliche Erklärung dazu abge-
ben, warum ich diesem Gesetz nicht zustimme. Ich
stimme dagegen, weil dieses Gesetz in seinen zukünfti-
gen Auswirkungen auf die gesundheitliche Versorgung
der Bürgerinnen und Bürger nach meiner Auffassung
einmalig ist. Diese Einmaligkeit seiner Auswirkungen
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1) Anlage 2
Wer schreit, hat unrecht.
Im Wesentlichen wird damit auf eine einseitige Erhö-
ung der Abgabenlast gesetzt. Das ist für mich inakzep-
abel. Ich erachte es für notwendig, dass bei Reformpro-
ekten im Gesundheitsbereich gerade den Wünschen und
edürfnissen der Patientinnen und Patienten und der
flegebedürftigen Menschen entsprochen wird.
Frau Kollegin, kommen Sie jetzt zum persönlichen
eil Ihrer persönlichen Erklärung?
Ich stimme dagegen, weil es keine Lösung ist, alleinuf die Finanzierung zu setzen. Für uns gilt: Gesundheitst keine Ware. Deshalb stimme ich dagegen.
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7878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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Dr. Maria Flachsbarth Roderich Kiesewetter Christoph Poland Sabine Weiss
Dr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenDr. Kristina SchröderEDDEKLckhard Polsaniela Raabr. Peter Ramsauerckhardt Rehbergatherina Reiche
othar RiebsamenKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerKlaus-Peter Flosbach Eckart von Klaeden Ruprecht Polenz Ingo WellenreutherVizepräsidentin Katrin GöIch gebe Ihnen jetzt die vound Schriftführern ermitteltenlichen Abstimmungen bekannEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 558;davonja: 305nein: 253JaCDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausGitta ConnemannLeo DautzenbergAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachHartwig Fischer
Dirk Fischer
InDNAEMPDRHMMMMDOFHDJGDMUFRMJAEPCRFJATDDADBHSABSVDring-Eckardt:n den SchriftführerinnenErgebnisse der nament-t.nGuggo Gädechensr. Thomas Gebhartorbert Geislois Gerigberhard Giengerichael Gloseter Götzr. Wolfgang Götzereinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersr. Karl-Theodor Freiherrzu Guttenberglav Guttinglorian Hahnolger Haibachr. Stephan Harbarthürgen Hardterda Hasselfeldtr. Matthias Heiderechthild Heilrsula Heinen-Esserrank Heinrichudolf Henkeichael Hennrichürgen Herrmannnsgar Hevelingrnst Hinskeneter Hintzehristian Hirteobert Hochbaumranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerhomas Jarzombekieter Jasperr. Franz Josef Jungndreas Jung
r. Egon Jüttnerartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker Kauderr. Stefan KaufmannMDHTMGDRBDGADKUDPDIMDPDDKDHASDMDDPDMSNDBMDFHDRUDSBRIch komme zunächst zum Enachhaltigen und sozial ausgewesetzlichen Krankenversicherund 17/3696. Abgegebene Stimestimmt 306, mit Nein habenanfred Kolber. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerunther Krichbaumr. Günter Kringsüdiger Kruseettina Kudlar. Hermann Kuesünter Lachndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertatharina Landgraflrich Langer. Max Lehmeraul Lehriederr. Ursula von der Leyenngbert Liebingatthias Lietzr. Carsten Linnemannatricia Lipsr. Jan-Marco Luczakr. Michael Lutherarin Maagr. Thomas de Maizièreans-Georg von der Marwitzndreas Mattfeldttephan Mayer
r. Michael Meisteraria Michalkr. h. c. Hans Michelbachr. Mathias Middelberghilipp Mißfelderietrich Monstadtarlene Mortlertefan Müller
adine Schön
r. Philipp Murmannernd Neumann
ichaela Nollr. Georg Nüßleinranz Obermeierenning Otter. Michael Paulita Pawelskilrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeiffereatrix Philipponald PofallaJKDJDEAADKTGCPDDBUADJRDBTJJCDECDGSKTLMDADAVSADMKMP
etlef Seifohannes Selleeinhold Sendkerr. Patrick Sensburgernd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnarola Staucher. Frank Steffelrika Steinbachhristian Freiherr von Stettenieter Stierero Storjohanntephan Strackearin Strenzhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenr. Peter Tauberntje Tillmannr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Vogel
tefanie Vogelsangndrea Astrid Voßhoffr. Johann Wadephularco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinberg
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7879
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Dr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPChristian AhrendtChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr
Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleAngelika BrunkhorstErnst BurgbacherMarco BuschmannSylvia CanelHelga DaubReiner DeutschmannDr. Bijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckMiriam GrußJoachim Günther
Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinElke HoffBirgit HomburgerDr. Werner HoyerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberHolger KrestelPatrick Kurth
Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtSabine Leutheusser-SchnarrenbergerLars LindemannChristian LindnerDr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin LotterHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorPetra Müller
Burkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann
Dirk NiebelHGDDDBFCJMDWJDJDTSFSJDDDDHNCJMSInRHDDKSBDULGKWBEUPDMEGSSDPEGDans-Joachim Otto
isela Piltzr. Christiane Ratjen-Dameraur. Birgit Reinemundr. Peter Röhlingerjörn Sängerrank Schäfflerhristoph Schnurrimmy Schulzarina Schusterr. Erik Schweickerterner Simmlingudith Skudelnyr. Hermann Otto Solmsoachim Spatzr. Max Stadlerorsten Staffeldttephan Thomaelorian Toncarerkan Törenohannes Vogel
r. Daniel Volkr. Guido Westerweller. Claudia Wintersteinr. Volker Wissingartfrid Wolff
einDU/CSUosef Göppelax StraubingerPDgrid Arndt-Brauerainer Arnoldeinz-Joachim Barchmannoris Barnettr. Hans-Peter Bartelslaus Barthelören Bartolärbel Basirk Beckerwe Beckmeyerothar Binding
erd Bollmannlaus Brandnerilli Braseernhard Brinkmann
delgard Bulmahnlla Burchardtetra Croner. Peter Danckertartin Dörmannlvira Drobinski-Weißarrelt Duinebastian Edathyiegmund Ehrmannr. h. c. Gernot Erleretra Ernstbergerlke Fernerabriele Fograscherr. Edgar FrankeDPSMMIGAMMWHBKMHRDGPFDCJOJULHDDANAUCCDSBGCKHPDFDAMTHAHJJDDMGDSDKMMagmar Freitageter Friedrichigmar Gabrielichael Gerdesartin Gersterris Gleickeünter Gloserngelika Graf
ichael Groschekichael Großolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannichael Hartmann
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olf Hempelmannr. Barbara Hendricksabriele Hiller-Ohmetra Hinz
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r. Eva Höglhristel Hummeosip Juratovicliver Kaczmarekohannes Kahrslrich Kelberars Klingbeilans-Ulrich Kloser. Bärbel Kofleraniela Kolbe
nette Krammeicolette Kresslngelika Krüger-Leißnerte Kumpfhristine Lambrechthristian Lange
r. Karl Lauterbachteffen-Claudio Lemmeurkhard Lischkaabriele Lösekrug-Mölleraren Marksatja Mastilde Mattheisetra Merkel
r. Matthias Mierschranz Münteferingr. Rolf Mützenichndrea Nahlesanfred Ninkhomas Oppermannolger Ortelydan Özoğuzeinz Paulaohannes Pflugoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierr. Sascha Raabeechthild Rawerterold Reichenbachr. Carola Reimannönke Rixr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
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7880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
ichael Frieserrich G. Fritzans-Joachim Fuchtellexander Funkgo Gädechensr. Thomas Gebhartorbert Geislois Gerigberhard Giengerichael GlosJa Caren Lay Leo DautzenbergAbgegebene Stimmen: 555;davonja: 61nein: 308enthalten: 186Dr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertAKJHHJlexander Ulrichathrin Voglerohanna Voßalina Wawzyniakarald Weinbergörn WunderlichMichael BrandHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausGitta ConnemannInge Höger Dr. Kirsten Tackmann Klaus BrähmigUlrich MaurerDorothee MenznerCornelia MöhringKornelia MöllerWolfgang NeškovićThomas NordPetra PauJens PetermannRichard PitterleYvonne PloetzIngrid RemmersPaul Schäfer
Dr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHHJBDKMVCBVEKHDKKBBWPUJetzt komme ich zur namentden Entschließungsantrag de– Drucksachen 17/3708 und 1eines Gesetzes zur nachhaltigealina Wawzyniakarald Weinbergörn WunderlichÜNDNIS 90/IE GRÜNENerstin Andreaearieluise Beck
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ornelia Behmirgitt Benderiola von Cramon-Taubadelkin Deligözatja Dörnerans-Josef Fellr. Thomas Gambkeai Gehringatrin Göring-Eckardtritta Haßelmannettina Herlitziusinfried Hermannriska Hinz
lrike HöfkenDITUKMSMUTSOAFSRMUMNAJKBIlichen Abstimmung überr Fraktion Die Linke7/3696 – zum Entwurfn und sozial ausgewoge-nrsgr. Anton Hofreiterngrid Hönlingerhilo Hoppewe Kekeritzatja Keulemet Kilicven-Christian Kindleraria Klein-Schmeinkte Koczyom Koenigsylvia Kotting-Uhlliver Krischergnes Krumwiederitz Kuhntephan Kühnenate Künastarkus Kurthndine Kurth
onika Lazaricole Maischgnes Malczakerzy Montagerstin Müller
eate Müller-Gemmekengrid NestleDOFDLBTCMECDDDDHDMJDWDJen Finanzierung der Gesetzung. Abgegebene Stimmentimmt 61, mit Nein haben gesab es 186.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7881
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Josef GöppelPeter GötzDr. Wolfgang GötzerReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersDr. Karl-Theodor Freiherrzu GuttenbergOlav GuttingFlorian HahnHolger HaibachDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichJürgen HerrmannAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung
Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard Kaster
Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenDr. Kristina SchröderManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUDPDInMDPDDKDHASDMDDPDMSNDBMDFHDRUDSBRCREDDEKLJKDJDEAADKTGCPDDBUADJRlrich Langer. Max Lehmeraul Lehriederr. Ursula von der Leyengbert Liebingatthias Lietzr. Carsten Linnemannatricia Lipsr. Jan-Marco Luczakr. Michael Lutherarin Maagr. Thomas de Maizièreans-Georg von der Marwitzndreas Mattfeldttephan Mayer
r. Michael Meisteraria Michalkr. h. c. Hans Michelbachr. Mathias Middelberghilipp Mißfelderietrich Monstadtarlene Mortlertefan Müller
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r. Philipp Murmannernd Neumann
ichaela Nollr. Georg Nüßleinranz Obermeierenning Otter. Michael Paulita Pawelskilrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeiffereatrix Philipponald Pofallahristoph Polanduprecht Polenzckhard Polsaniela Raabr. Peter Ramsauerckhardt Rehbergatherina Reiche
othar Riebsamenosef Rieflaus Riegertr. Heinz Riesenhuberohannes Röringr. Christian Ruckrwin Rüddellbert Rupprecht
nita Schäfer
r. Andreas Scheuerarl Schiewerlingankred Schipanskieorg Schirmbeckhristian Schmidt
atrick Schniederr. Andreas Schockenhoffr. Ole Schröderernhard Schulte-Drüggeltewe Schummer
etlef Seifohannes Selleeinhold SendkerDBTJJCDECDGSMKTLMDADAVSADMKMPSIKPAKEDWWSBFCCDFSCNKRAEMSHRDPMRJr. Patrick Sensburgernd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnarola Staucher. Frank Steffelrika Steinbachhristian Freiherr von Stettenieter Stierero Storjohanntephan Strackeax Straubingerarin Strenzhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenr. Peter Tauberntje Tillmannr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Vogel
tefanie Vogelsangndrea Astrid Voßhoffr. Johann Wadephularco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinberg
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ngo Wellenreutherarl-Georg Wellmanneter Wichtelnnette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschlisabeth Winkelmeier-Beckerr. Matthias Zimmerolfgang Zöllerilli ZylajewPDernhard Brinkmann
DPhristian Ahrendthristine Aschenberg-Dugnusaniel Bahr
lorian Bernschneiderebastian Blumenthallaudia Bögelicole Bracht-Bendtlaus Breilainer Brüderlengelika Brunkhorstrnst Burgbacherarco Buschmannylvia Canelelga Daubeiner Deutschmannr. Bijan Djir-Saraiatrick Döringechthild Dyckmansainer Erdelörg van EssenUODHHMJDHMEBDHMDPDGDSHPHSHSLCDMDHPGPBDDHGDDDBFCJMDWJDJDTSFSJDDD
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7882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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Daniela Kolbe Fritz KuhnGerd BollmannKlaus BrandnerWilli BraseEdelgard BulmahnUlla BurchardtPetra CroneDr. Peter DanckertMartin DörmannElvira Drobinski-WeißGarrelt DuinSebastian EdathySiegmund EhrmannDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagPeter FriedrichSigmar GabrielMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf
Michael GroschekMichael GroßWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann
NAUCCDSBGCKHPDFDAMTHAHJJDDMGDSDKMIch komme jetzt zu den wanträgen, zunächst zum Entschtion der SPD auf Drucksache 1für? – Wer stimmt dagegen?Entschließungsantrag ist abgelder einbringenden Fraktion uGrünen und mit den StimmenDie Linke hat sich enthalten.Ich komme zum EntschließBündnis 90/Die Grünen auf Dstimmt dafür? – Wer stimmt dagDer Entschließungsantrag ist eicolette Kresslngelika Krüger-Leißnerte Kumpfhristine Lambrechthristian Lange
r. Karl Lauterbachteffen-Claudio Lemmeurkhard Lischkaabriele Lösekrug-Mölleraren Marksatja Mastilde Mattheisetra Merkel
r. Matthias Mierschranz Münteferingr. Rolf Mützenichndrea Nahlesanfred Ninkhomas Oppermannolger Ortelydan Özoğuzeinz Paulaohannes Pflugoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierr. Sascha Raabeechthild Rawerterold Reichenbachr. Carola Reimannönke Rixr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
ichael Roth
PDCKDFWRDHDWMBBDKMVCBVEKHDKKBBWeiteren Entschließungs-ließungsantrag der Frak-7/3707. Wer stimmt da-– Enthaltungen? – Derehnt gegen die Stimmennd von Bündnis 90/Dievon CDU/CSU und FDP.ungsantrag der Fraktionrucksache 17/3709. Weregen? – Enthaltungen? –benfalls abgelehnt. DafürhdhlsBeudhmeer Steinbrückr. Frank-Walter Steinmeierhristoph Strässererstin Tackr. h. c. Wolfgang Thierseranz Thönnesolfgang Tiefenseeüdiger Veitr. Marlies Volkmereidemarie Wieczorek-Zeulr. Dieter Wiefelspützaltraud Wolff
anfred Zöllmerrigitte ZypriesÜNDNIS 90/IE GRÜNENerstin Andreaearieluise Beck
olker Beck
ornelia Behmirgitt Benderiola von Cramon-Taubadelkin Deligözatja Dörnerans-Josef Fellr. Thomas Gambkeai Gehringatrin Göring-Eckardtritta Haßelmannettina Herlitziusinfried HermannRMUMNAJKBInDOFDLBTCMECDDDHDMJDWDJaben gestimmt Bündnis 90/Diagegen die Koalitionsfraktionat sich enthalten.Wir setzen die Abstimmungung des Ausschusses fürache 17/3696 fort. Der Ausuchstabe b seiner Beschlussentwurf der Bundesregierungnd 17/3441 – für erledigt zuiese Beschlussempfehlung? –altungen? – Die Beschlussempit den Stimmen der Koalit
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Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen hat die Linke ge-stimmt. Die SPD hat sich enthalten.Tagesordnungspunkt 32 b. Der Ausschuss empfiehltunter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ab-lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck-sache 17/3427 mit dem Titel „Patientenschutz statt Lob-byismus – Keine Vorkasse in der gesetzlichen Kran-kenversicherung“. Wer stimmt für die Beschlussempfeh-lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieBeschlussempfehlung angenommen mit den Stimmender Koalitionsfraktionen. Dagegen haben die Opposi-tionsfraktionen gestimmt.Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung emp-fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags derFraktion Die Linke auf Drucksache 17/1238 mit dem Ti-tel „Solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherungin Gesundheit und Pflege einführen“. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-men. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen undBündnis 90/Die Grünen, dagegen gestimmt hat die Frak-tion Die Linke. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten.Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 33 auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-neten Halina Wawzyniak, Ulla Jelpke, Jan Korte,weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIELINKE eingebrachten Entwurfs eines … Geset-
– Drucksache 17/1199 –Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 17/3609 –Berichterstattung:Abgeordnete Ingo WellenreutherGabriele FograscherJimmy SchulzHalina WawzyniakWolfgang WielandÜber diesen Gesetzentwurf werden wir später na-mentlich abstimmen.Es ist verabredet, hierzu eineinhalb Stunden zu debat-tieren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch.Ich gebe das Wort zunächst dem Abgeordneten IngoWellenreuther für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich an-kündigen, dass ich versuchen will, den eingetretenenZeitverzug einigermaßen wettzumachen. Haben Sie alsokeine Angst, wenn Sie auf die Rednerliste und die vorge-sehene Redezeit blicken.dJFdurIakseadunddDlbndoVtDGEG–rFdfwNsuaddpnZ
m angeblich die Mitwirkungsmöglichkeit der Bevölke-ung an der demokratischen Willensbildung zu stärken.ch habe zum Thema Volksabstimmung bereits mehrfachn dieser Stelle gesprochen. Ich bin überzeugter Demo-rat, und an meinen Argumenten zu dieser staatspoliti-chen Grundsatzfrage hat sich auch Jahre nach meinerrsten Rede nichts geändert.Ich wiederhole mich eigentlich nur ungern. Sollte diesllerdings einen Lernprozess in Gang setzen und würdenadurch die Vorzüge der parlamentarischen Demokratiend des Grundgesetzes besser begriffen, so tue ich diesatürlich gern.Gerade von der Linken, die den heute zu behandeln-en Gesetzentwurf vorgelegt hat, wissen wir allerdings,ass sie sich mit der Demokratie immer noch schwertut.
eshalb betreiben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vor al-em eines: einen Etikettenschwindel. Dort, wo Sie vorge-en, die Demokratie stärken zu wollen, geht es Ihnenämlich in Wahrheit um eine populistische Forderung,ie mehr Risiken birgt, als Vorteile bringt. Gleichwohlder gerade deshalb möchte ich Ihnen wie schon in derergangenheit darlegen, warum wir als CDU/CSU-Frak-ion an den bewährten Prinzipien einer repräsentativenemokratie festhalten, wie sie die Väter und Mütter desrundgesetzes entwickelt haben, und warum wir dieinführung einer dreistufigen Volksgesetzgebung in dasrundgesetz ablehnen.
Dazu komme ich noch.Erstens ist festzustellen: Seit über 60 Jahren hat dieepräsentative Demokratie unserem Land Stabilität inrieden und Freiheit gegeben. Unser System hat sich seitem Zweiten Weltkrieg ausgezeichnet bewährt. Dies giltür wesentliche Meilensteine der Gesetzgebung genausoie für entschlossenes Handeln in Krisensituationen.atürlich stimmt es, dass dabei auch unpopuläre Ent-cheidungen auf den Weg gebracht wurden, aber mittel-nd langfristig wurden diese Entscheidungen allgemeinls richtig eingeschätzt und für gut befunden. Ich darf anieser Stelle als Beispiele die Wiederbewaffnung mitem Aufbau der Bundeswehr, den Beitritt der Bundesre-ublik zur NATO oder den NATO-Doppelbeschluss nen-en.Zweitens ist nachvollziehbar, dass in der heutigeneit der Globalisierung bei vielen Menschen die Sehn-
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sucht nach einfachen Antworten wächst. Aber einfacheAntworten gibt es in der Regel nicht. Realität ist, dassgerade auf Bundesebene die Fragestellungen immerkomplizierter und komplexer werden.
Auf kommunaler und landespolitischer Ebene sind dieEntscheidungszusammenhänge meistens weniger kom-plex und die Fragestellungen auch überwiegend über-schaubarer.Meine Damen und Herren, ich bin durchaus ein Be-fürworter direkter Demokratie, allerdings in den Kom-munen und auf Landesebene.
– Das erkläre ich Ihnen gleich. – Wo es um Problemlö-sungen vor Ort geht, ist die Einflussnahme des Bürgerssinnvoll. Auf der regionalen Ebene ergänzen Bürgerini-tiativen und Bürgerentscheide das repräsentative Systemrecht gut. Aber auf Bundesebene können Volksent-scheide oder ähnliche Verfahren den oft komplexen Fra-gen unserer Gesellschaft nicht gerecht werden, insbeson-dere auch unter Berücksichtigung der ständig steigendenNormenflut der europäischen Institutionen.In diesem Sinne hat sich auch die frühere Präsidentindes Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, skep-tisch dazu geäußert, die bekannten Formen der direktenDemokratie auf die Bundesebene zu übertragen. Ich zi-tiere Frau Limbach:Je größer der politische Raum ist, umso mehr sindwir auf das Prinzip der Repräsentanten angewiesenund umso weniger können wir uns direkte Demo-kratie leisten.Es ist etwas grundsätzlich anderes, über den Bau einerStadthalle, einer U-Bahn und über das Rauchverbot oderüber das Euro-Rettungspaket abzustimmen. Hier bestehtein elementarer Unterschied.Drittens. Die Befürworter von Volksentscheiden nen-nen stets die Schweiz als Musterland der direkten Demo-kratie. Aber schauen wir uns die Schweiz etwas genaueran. Die Schweiz hat einen neutralen Status in der inter-nationalen Politik; ihre politischen Prozesse sind auf na-tionale Interessen beschränkt und zum Teil auch viellangsamer. Das ist für die Schweiz in Ordnung, auchweil es seit Hunderten von Jahren deren politischer Kul-tur und dem Selbstverständnis der Bürger dort ent-spricht. Die Schweiz ist ein kleines Land. Sie hat8 Millionen Einwohner. Das entspricht ungefähr derGröße des Bundeslandes Hessen. Deutschland hat imGegensatz hierzu 80 Millionen Einwohner, und alsgroße Volkswirtschaft ist Deutschland eng mit der Euro-päischen Union verflochten. Das erfordert eine politi-sche Verlässlichkeit und Handlungsfähigkeit, die die re-präsentative Demokratie in idealer Weise gewährleistet.
Viertens. Auch innerstaatlich leistet die repräsentativeDemokratie einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisie-rung unseres gesellschaftlichen Gefüges. Dies zeigt sichbdlggVSgPDskbmbewDdgdsVtFGVslWdesBfHpkrdrsolDdsSTbo
ie repräsentative Demokratie leistet die dazu notwen-ige Kontinuität und Stabilität unabhängig von vorüber-ehenden Stimmungsschwankungen.Fünftens. Die parlamentarische Demokratie hat aucheshalb wesentliche Vorteile gegenüber einer Volksge-etzgebung auf Bundesebene, weil sie ein lernendeserfahren ist, was in dieser Form die direkte Demokra-ie nicht leisten kann. Die eben genannten komplexenragestellungen erfordern oftmals ein vielschichtigesesetzgebungsverfahren, das eine kaum überschaubareernetzung mit anderen Regelungsbereichen berück-ichtigt.Zu zufriedenstellenden Antworten kann man nur ge-angen, wenn, wie im Deutschen Bundestag, auf demeg der Gesetzgebung ein Verfahren angewandt wird,as ein hohes Maß an thematischer Tiefe und Flexibilitätrlaubt. Auf der Grundlage von drei Lesungen, Aus-chussberatungen, Sachverständigenanhörungen underichterstattergesprächen wird eine ausgewogene undaire Gesetzgebung und Gesetzesfindung sichergestellt.inzu kommen eine Folgenabschätzung und eine Über-rüfung der möglichen Bürokratie durch den Normen-ontrollrat. Dieser Weg bietet den notwendigen Spiel-aum für Änderungen und Anpassungen. Es wird einokumentiertes, ein transparentes Verfahren mit detail-eicher Abstimmung gewährleistet, das bei Volksent-cheiden in dieser Intensität schlichtweg fehlt.Volksentscheidungen sind Fragestellungen, die mit Jader Nein zu beantworten sind. Bundespolitische Fragenassen sich so einfach nicht entscheiden.
arüber hinaus sind sie oft auch von existenzieller Be-eutung für Deutschland, zum Beispiel Auslandsein-ätze der Bundeswehr, Fragen der Landesverteidigung,teuerfragen oder Fragen der Energieversorgung. Solchehemen lassen sich nur in einem lernenden Verfahrenewältigen und nicht einfach mit einem schlichten Jader Nein entscheiden.
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Sechstens. Wer durch direkte Demokratie auf Bun-desebene die Entscheidung über wichtige Sachfragen ab-gibt, gibt auch die Verantwortung ab. Wenn alle ent-scheiden, entscheidet letztendlich niemand mehr. Mankann die Volksentscheider auch nicht abwählen. Plebis-zite bedeuten daher immer auch die Anonymisierungvon Verantwortung. Sie bringen für die gewählten Parla-mentarier die Versuchung mit sich, unpopuläre oderschwierige Entscheidungen dem Volk zu überlassen.Hier im Bundestag hätten bestimmt einige gern auch dieÜberführung der Castorbehälter nach Gorleben zur Ab-stimmung gestellt. Ohne Verantwortungsbewusstseinund Weitsicht hätte man die Frage „Wohin damit?“ unddie Tatsache, dass es sich um Müll von Brennstäben han-delt, deren Leistung wir alle schon verbraucht haben,gern ausgeblendet. Daran schließt sich die Frage an – diehat mir noch niemand beantworten können – wie dasVertrauen der Bürger in die Politik und die Abgeordne-ten ausgerechnet steigen soll, wenn sich das Parlamentin schwierigen Entscheidungen der Verantwortung ent-zieht.
Siebtens. Die repräsentative Demokratie mit ihrengründlichen Verfahren bietet die Möglichkeit, auchKompromisse auszuhandeln – zum Wohle der Allge-meinheit, aber auch zum Wohle und zum Schutz vonMinderheiten. Bei Volksentscheiden ist ein solch ausge-wogenes Verfahren in dieser Form nicht möglich. Dieswürde insbesondere zulasten von Minderheiten und vongesellschaftlich benachteiligten Gruppen gehen. Das istumgekehrt gerade ein tragendes Argument für die unver-änderte Beibehaltung unserer repräsentativen parlamen-tarischen Demokratie auf Bundesebene. Sie stellt näm-lich durch ihr ausgewogenes und abwägendes Verfahrenden Schutz von Minderheiten gerade sicher. Auch dazuJutta Limbach – sie hat es treffend formuliert –:In der repräsentativen Demokratie ist es Sache desParlaments, die gegensätzlichen Interessen abzuwä-gen und einen sozialen Ausgleich zu schaffen.Achtens. Bei Volksentscheiden geht es oftmals umviel mehr als um die zur Entscheidung gestellte Frage.Die Gelegenheiten werden gern genutzt – das ist auchbekannt –, um der gerade amtierenden Regierung dieRote Karte zu zeigen bzw. einen Denkzettel zu verpas-sen, und das schadet der eigentlichen Sache, denn siewird aufgrund unsachlicher Gründe und unsachlicherNebeneffekte entschieden.Meine Damen und Herren, das waren die Gründe, dieich Ihnen anführen wollte. Darüber hinaus liefern Sieselbst eines der wichtigen Argumente gegen Ihren Ge-setzentwurf. Ihr Standardargument lautet ja, dass durchdie Möglichkeit von Plebisziten auch auf Bundesebeneder Politikverdrossenheit entgegengetreten werden kann.Dieses Argument ist nachweislich falsch. Alle Volksent-scheide der jüngeren Zeit, ob in Hamburg, Berlin oderBayern, beweisen das Gegenteil. Die Wahlbeteiligungwar immer konstant niedrig, zwischen 29 und 39 Pro-zent. Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.Direkte Demokratie ist also gerade nicht ein Allheilmit-teddL–lg–SdG–GatDpAkVddMssaDshnH
Herr Wieland, soweit ich weiß, ist Berlin ein Bundes-and und nicht die Bundesebene; aber wir können unsern darüber austauschen.
Genau, das ist der Unterschied. Da muss man sich dieache differenziert anschauen.Die Befürworter preisen Volksentscheide stets als ur-emokratisches Modell, in dem Volkes Wille ideal zureltung käme. Anders ist es, wenn es konkret wird.Herr Wieland, Sie können aufpassen, weil es auch dierünen betrifft. – Denken wir einmal an Hamburg undn die dortige Volksabstimmung bezüglich des Schulsys-ems.
en Grünen, stets Befürworter der direkten Demokratie,asste das Ergebnis nämlich überhaupt nicht.
ufschlussreich war in diesem Zusammenhang die Er-lärung der grünen Schulsenatorin, Frau Goetsch, zumolksentscheid in Hamburg in diesem Jahr: Die Gegnerer Schulreform hätten irrationale Ängste geschürt, mitenen die Hamburger verunsichert worden seien.
it anderen Worten: Weil das Ergebnis des Volksent-cheids den Grünen gerade nicht in den Kram passte,ind die Menschen auf einmal gerissenen Bauernfängernuf den Leim gegangen.
as nenne ich Doppelzüngigkeit, Herr Wieland.
Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulas-
en?
Nein, ich bin bald fertig; wir wollen ja auch Zeit auf-olen.Weiterhin gefiel den Grünen in Hamburg nicht, dassachgewiesenermaßen die Wahlbeteiligung mit deröhe des Einkommens stieg. Herr Özdemir sah darin die
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Ingo Wellenreuther
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Gefahr, dass Reformen im Sinne angeblich Benachteilig-ter von Leuten torpediert würden, die – ich zitiere –besser situiert und besser vernetzt sind und durchihren Bildungshintergrund besseren Medienzuganghaben.
Deshalb müsse man sich fragen, so Özdemir weiter,„wie eine gleichberechtigte Mitwirkung von allen mög-lich ist“.
– Ja, gute Frage. – Wenn also ein mehrheitlicher Bürger-wille zum Ausdruck kommt, der nicht passt, dann sindes die Befürworter selbst, die ihn nicht akzeptieren wol-len,
und es wird versucht, ihn passend zu machen. HerrWieland, scheinheiliger geht es nimmer.
Ein weiteres Argument: Sie werfen uns immer vor,wir hätten kein Vertrauen in die Bevölkerung, aber ins-besondere bei den Linken scheint das Vertrauen in dasVolk seine Grenzen zu haben; denn Volksinitiativen zumHaushaltsgesetz sollen nach Ihrem eigenen Gesetzent-wurf gerade nicht möglich sein.
Neben diesen allgemeinen Erwägungen gegen die Ar-gumente der Befürworter von mehr direkter Demokratieauf Bundesebene leidet der vorliegende Gesetzentwurfganz konkret an zwei gravierenden Mängeln:Erstens. Ihr Entwurf ist glatt verfassungswidrig, weiler nicht den Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 genügt.Dieser Grundsatz steht unter der Ewigkeitsgarantie desGrundgesetzes, das heißt, er ist unabänderlich. Darinsieht das Grundgesetz zwingend die grundsätzliche Mit-wirkung der Länder bei der Gesetzgebung vor. DieseMitwirkung der Länder darf sich nicht in einer lediglichformalen Beteiligung erschöpfen. Sie muss vielmehr be-stimmenden Einfluss ermöglichen.Der Entwurf der Linken greift laut seiner Begründungim Falle zustimmungspflichtiger Gesetze auf das Modelldes schweizerischen Volks- und Ständemehrs zurück.Demnach soll beim Volksentscheid in Deutschland dasErgebnis der Abstimmung in einem Land als Abgabeseiner Bundesratsstimmen gelten.
Genau das ist aber eine rein rechnerische, formaleMethode und weit entfernt von der grundgesetzlich ge-forderten inhaltlichen Mitwirkung der Länder. Damitwird der Einfluss der Länder in keiner Weise gesichert.–DeswznbnGIdueekdrBgssdFpfCsghAwt
Das ist aber ein Verstoß gegen das Grundgesetz, meineame.
Wir haben in der Bundesrepublik aus guten Gründenin föderales System. Die Länder haben eigene Interes-en, die Sie mit Ihrem Modell offensichtlich untergrabenollen. Das von Ihnen vorgeschlagene Modell erlaubtwar eine formale Berücksichtigung der Landesvölker,icht aber die Berücksichtigung des organschaftlich ge-ildeten Willens der einzelnen Länder. Ihr Entwurf ge-ügt daher nicht den Anforderungen des Art. 79 Abs. 3rundgesetz; er ist verfassungswidrig. Allein deshalb isthr Gesetzentwurf abzulehnen.
Zweitens. Die notwendige Zahl an Beteiligten für Ihrreistufiges Volksgesetzgebungsmodell ist vollkommennzureichend. Schon 100 000 Wahlberechtigte sollenine Volksinitiative starten können. Damit wäre es zuminen gut organisierten Lobbyistengruppen, die der Lin-en ja ein Dorn im Auge sind, ein Leichtes, die notwen-ige Anzahl von Bürgern zu mobilisieren, um ihre Inte-essen durchzusetzen. Zum anderen öffnen Sie damitagatellinitiativen Tür und Tor.
Ungenügend ist auch, dass Ihr Gesetzentwurf beim ei-entlichen Volksentscheid, außer bei einer Grundge-etzänderung, überhaupt keine Mindestbeteiligung vor-ieht. Bei den genannten geringen Wahlbeteiligungen,ie ich vorhin genannt habe, kann dies die gefährlicheolge haben, dass eine nicht repräsentative Mehrheitolitisch bedeutsame Fragen entscheidet.Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Argumenteühren zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass dieDU/CSU-Bundestagsfraktion den vorliegenden Ge-etzentwurf ablehnt. Das habe ich am Anfang schon an-ekündigt. Wünschenswert wäre, wenn ich Sie vielleichteute überzeugt hätte; dann bestünde nämlich schon einnlass zu vorweihnachtlicher Freude.
Ich bedanke mich fürs Zuhören. Drei Minuten habenir gespart.
Das Wort hat Gabriele Fograscher für die SPD-Frak-ion.
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Einen Lernprozess, Herr Wellenreuther, würden wirvon Ihrer Fraktion auch einmal erwarten.
Ihre Argumente sind immer die gleichen, und sie wirkensehr bemüht. Sie sollten vielleicht auch einmal zurKenntnis nehmen, dass sich mehr als 60 Jahre nach Ein-führung des Grundgesetzes auch die Gesellschaft verän-dert hat.Wir als Politikerinnen und Politiker erleben doch seitlängerem – ganz aktuell ja Sie, Schwarz-Gelb –, dass dieWahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger zum Bei-spiel bei der Bundestagswahl eben nicht automatisch alsLegitimation, als Zustimmung zu einzelnen Entschei-dungen angesehen wird. Ein Beispiel: Sie begründen dieVerlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke damit,dass Bürgerinnen und Bürger Sie gewählt haben unddemzufolge auch die längeren Laufzeiten wollten. Diemassiven Proteste aber, die erst begonnen haben, zeigenda etwas anderes.Wir erleben in Stuttgart, dass zwar die formalen undrechtlichen Mitwirkungsrechte eingehalten wurden, aberdie Bürgerinnen und Bürger diese Entscheidung der zu-ständigen Gremien eben nicht mehr automatisch mittra-gen. Wir erleben, dass das Ansehen der Politiker, dasVertrauen in politische Entscheidungen, die Akzeptanzvon Mehrheitsentscheidungen der Abgeordneten, die re-präsentativ für die Bürgerinnen und Bürger Entscheidun-gen treffen, abnehmen. „Die da oben entscheiden, wir daunten werden nicht gefragt“, so ist doch die Stimmungim Lande. Wenn sich diese Einstellung verfestigt, dannist auch Demokratie gefährdet. Wir tun auch deshalb gutdaran, nicht als Ersatz, nicht als Beruhigungspille, nichtanstelle der repräsentativen Demokratie, sondern in Er-gänzung dazu, Instrumente direkter Demokratie undMitsprache einzuführen.
Wir haben diese Möglichkeiten auf kommunaler Ebene,wir haben sie auf Landesebene, und wir werden sie aufeuropäischer Ebene bekommen. Warum dann also nichtauf Bundesebene?Bürgerinnen und Bürger – das haben die Erfahrungenin den Kommunen und in den Bundesländern gezeigt –gehen mit diesen Instrumenten verantwortungsvoll um.Es gibt keine Unzahl von Volksinitiativen und auch kei-nen Unsinn bei Volksinitiativen. Die Ergebnisse vonVolksentscheiden mögen einem gefallen oder nicht. Diesgilt ebenso für andere politische Entscheidungen. Aberein Volksentscheid kann befrieden. Wer da unterliegt,fügt sich, nicht mit Begeisterung, aber ohne Hass undGroll; so hat es Erhard Eppler formuliert.Wenn der Rahmen für die Quoren, also für die Min-destbeteiligung, für die Voraussetzungen, für die Vorga-bikSWIdszIKvwDdvzVEninDeewsmsCdTn
ass nur wir Politiker und Politikerinnen klug genugind, komplexe Sachverhalte zu verstehen und über sieu entscheiden.
ch befürchte im Gegenteil, dass solche Aussagen dieluft zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“ergrößern. Das Volk ist nicht dümmer oder klüger alsir.
en mündigen Bürger gibt es nicht nur in Sonntagsre-en, sondern auch im echten Leben. Die Möglichkeiton Volksbegehren zwingt Politik dazu, Entscheidungenu erklären, zu begründen, zu kommunizieren, umolksbegehren möglichst zu vermeiden.Die SPD setzt sich schon seit vielen Jahren dafür ein,lemente direkter Demokratie ins Grundgesetz aufzu-ehmen. In unserem Wahlprogramm steht es; und auchm Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grü-en von 1998 heißt es:Wir wollen die demokratischen Beteiligungsrechteder Bürgerinnen und Bürger stärken. Dazu wollenwir auch auf Bundesebene Volksinitiative, Volksbe-gehren und Volksentscheid durch Änderung desGrundgesetzes einführen.ementsprechend haben wir Anfang 2002 einen Gesetz-ntwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ernthält gestufte Quoren, Fristen und schließt Themenie die Wiedereinführung der Todesstrafe für Volksent-cheide aus. Wir halten diesen Gesetzentwurf heute im-er noch für richtig und wichtig,
ind aber in der 14. Wahlperiode an der Ablehnung derDU/CSU und somit auch an der notwendigen Zwei-rittelmehrheit gescheitert.Ich möchte hier auch eines klarstellen: Der Kollegehomas Strobl hat am 7. September 2010 in einer Phoe-ix-Runde zum Thema „Ignoranz der Mächtigen? – Bür-
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Gabriele Fograscher
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ger kontra Politiker“ erklärt, die rot-grüne Bundesregie-rung habe aus guten Gründen keinen bundesweitenVolksentscheid eingeführt. Das stimmt nicht;
denn wir haben mit der Drucksache 14/8503 einen ent-sprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Strobl sagtein dieser Sendung, wir hätten nicht über einen solchenGesetzentwurf entschieden. Das ist falsch; denn darüberwurde am 7. Juni 2002 namentlich abgestimmt. KollegeStrobl hat laut Plenarprotokoll an dieser Abstimmungteilgenommen und mit Nein votiert. – Auch wenn Siegegen die Einführung von plebiszitären Elementen inunsere Verfassung sind, so halte ich es einfach für unan-ständig, in aller Öffentlichkeit solche Unwahrheiten zubehaupten. Sie sollten das hier auch klarstellen.
Nun aber zum Gesetzentwurf der Linksfraktion. Ichhabe bereits in der ersten Lesung vorgetragen, dass dievorgesehenen Quoren für Volksinitiative und Volksbe-gehren von 100 000 Abstimmenden viel zu gering sind;das ist weniger als die Hälfte der Bevölkerung einesWahlkreises. Damit öffnen Sie Bagatellinitiativen Türund Tor.Weiterhin halte ich den Vorschlag für problematisch,dass die Fraktionen des Bundestages das Recht bekom-men sollen, eine Sachfrage zur Abstimmung zum Ter-min der nächsten Bundestagswahl vorzuschlagen undden neu gewählten Bundestag für die Dauer der Legisla-turperiode an diese Entscheidung zu binden. Volksent-scheide sollen den Bürgerinnen und Bürgern ja geradezwischen den Bundestagswahlen die Möglichkeit geben,sich zu Sachfragen zu äußern. Auch konnten Sie mir bis-her nicht erklären, warum nur die im Bundestag vertrete-nen Parteien und nicht alle Parteien, die zur Bundestags-wahl zugelassen sind, Sachfragen stellen können sollen.Ich halte Ihre Vorschläge für eine Volksgesetzgebung fürnicht praktikabel. Volksentscheide sollen aus der Mittedes Volkes kommen und nicht von den Bundestagsfrak-tionen vorgegeben werden. Damit würden Sie diesesInstrument ad absurdum führen. Wir werden Ihren Ge-setzentwurf deshalb ablehnen.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Vorgänge inStuttgart, in Gorleben und anderswo zeigen, dass dieBürgerinnen und Bürger immer mehr das Gefühl haben,dass ihre Volksvertreter sie nicht mehr verstehen, sichentfremden, sie nicht ernst nehmen. Ich will noch einmalErhard Eppler zitieren, der in der Süddeutschen Zeitungvom 26. Oktober 2010 schrieb:Aber es gibt ein Mittel gegen die Spaltung zwi-schen unten und oben: das Plebiszit. Wenn alle Ge-walt vom Volke ausgeht, dann muss das Volk not-falls auch das letzte Wort haben.geekEVfmcruufDdadcTkwvuadedvIeBäihw
Jimmy Schulz hat das Wort für die FDP.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnennd Kollegen! Nun stehe ich noch ein zweites Mal hier,m über den Entwurf eines Gesetzes der Linken zur Ein-ührung der dreistufigen Volksgesetzgebung zu reden.as Thema ist, wie Sie alle wissen, nicht neu. Wie wir inen letzten Wochen und Monaten gesehen haben, ist esber ein aktuelles Thema.Wir werden die Bürgerinnen und Bürger intensiver inen politischen Diskussionsprozess einbinden. Wir brau-hen mehr Transparenz im politischen Prozess; dennransparenz schafft Verständnis. Wer seine Rechteennt, der will sich einmischen, der will mitmischen, derill partizipieren. Direkte Demokratie gibt es schon aufielen politischen Ebenen. Sie gibt es auf kommunalernd auf Länderebene. Demnächst gibt es sie hoffentlichuch auf europäischer Ebene.Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang ister Nichtraucherschutz. Dazu gab es in Bayern kürzlichinen Volksentscheid. Man kann dafür oder so wie ichagegen gewesen sein. Trotzdem bin ich ein großer Fanon Volksentscheiden auf Länderebene.
ch bin aus folgendem Grund ein großer Fan von Volks-ntscheiden auf Länderebene: Beispielsweise kann inayern die Verfassung nur durch Volksabstimmung ge-ndert werden, was eine schützende Wirkung hat. Bisherst dies allerdings nur sehr selten passiert. Diesen Schutzätte ich mir manchmal auch für das Grundgesetz ge-ünscht.
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Jimmy Schulz
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Auch auf europäischer Ebene werden wir mithilfeder europäischen Bürgerinitiative neue Elemente schaf-fen, um die Bürger am Gesetzgebungsprozess aktiv zubeteiligen. Das schafft gerade auf europäischer Ebeneeine neue Transparenz, aber auch eine neue Möglichkeitder Identifikation, die gerade, was Europa angeht, denBürgerinnen und Bürgern an dieser oder jener Stellenoch fehlt und die eine Voraussetzung dafür ist, dass sieaktiv an Entscheidungsprozessen mitwirken.
– Danke sehr.
Direkte Demokratie existiert und funktioniert bereitshervorragend, wie Sie sehen. Nun wollen wir weitereSchritte in die Wege leiten. Wir wollen die Anregungender Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und uns nichthinter funktionierenden Mechanismen auf anderen Ebe-nen verstecken. Wir wollen etwas verändern. Den Ent-wurf eines Gesetzes der Linken zur Einführung der drei-stufigen Volksgesetzgebung lehnen wir hingegen ab.
Sie wissen ja – das wurde schon gesagt –, dass dieFDP in der letzten Legislaturperiode einen eigenen Ent-wurf zu diesem Thema eingebracht hat.
Wir bleiben dabei: Wir wollen mehr partizipative Ele-mente auf Bundesebene. Daran hat sich nichts geändert.
Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung und mehr Teilhabean den Entscheidungsprozessen. Wir wollen die Stär-kung der Legitimation.
Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag die Bürger-beteiligung aufgenommen;
wir wollen das Petitionsrecht ausbauen. Ich zitiere:Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Be-völkerung an der demokratischen Willensbildungstärken. Dazu werden wir das Petitionswesen wei-terentwickeln und verbessern. Bei Massenpetitio-nen werden wir über das im Petitionsausschuss be-stehende Anhörungsrecht hinaus eine Behandlungdes Anliegens im Plenum des Deutschen Bundesta-SaDtwLlh1SaDftmsKsRägwBmudbtvtmb
enn Deutschland bleibt eine repräsentative Demokra-ie.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage beant-
orten?
Nein, danke.
Teilhabe muss überlegt sein. Der Gesetzentwurf derinken ist ein unüberlegter Schritt. Wir wollen die Betei-igung der Bürger, nicht aber die Diktatur durch Minder-eiten.
00 000 Unterstützer sind ein deutlich zu niedrigerchwellenwert. Volksinitiativen müssen deutlich breiterufgestellt werden.
ie FDP hat deshalb immer deutlich höhere Hürden ge-ordert.Auch die zweite Stufe, die Verankerung einer absolu-en Zahl im Grundgesetz, ist natürlich Mumpitz. Dannüssten wir das Grundgesetz jedes Mal ändern, wennich die Bevölkerungszahl ändert. Eine prozentualeoppelung wäre der einzig gangbare Weg. Der Vor-chlag der Linken ist also kein Schritt in die richtigeichtung. Er verrennt sich; denn er setzt Grundgesetz-nderungen voraus. Was ich davon halte, hatte ich schonesagt.Ein wichtiges Thema, das immer wieder ignorierturde, ist die Notwendigkeit von mehr Transparenz. Dieürgerinnen und Bürger wollen nicht nur öfter abstim-en; sie wollen vor allen Dingen besser informiert seinnd in aktuellen Debatten über Zukunftsthemen mitre-en und ihre Sorgen und Nöte artikulieren. Deshalb ha-en wir in der Enquete-Kommission „Internet und digi-ale Gesellschaft“ neue Formen der Bürgerbeteiligungorgesehen. Wir haben in dem Einsetzungsbeschluss in-erfraktionell festgestellt, „die Bürgerinnen und Bürgerithilfe einer Online-Beteiligungsplattform zur Mitar-eit einzuladen“ und so „die Öffentlichkeit in einem be-
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Jimmy Schulz
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sonderen Maße mit in die Arbeit der Kommission einzu-beziehen“. Die Enquete-Kommission sieht den Bürgerals 18. Sachverständigen an. Er wird gebeten, seine Mei-nung offen zu äußern.
Sie sehen also: Wir wollen mehr Beteiligung nicht nurprobieren, sondern sie etablieren. Wir glauben, dass wirdamit eine Vorbildfunktion für andere Ausschüsse undGremien des Hauses wahrnehmen können.Moderne Formen der Beteiligung sind dialogorien-tiert und offen. Diskussionen mit Bürgerinnen und Bür-gern im Rahmen des politischen Diskussionsprozesses– bevor Entscheidungen getroffen sind – sind der rich-tige Weg zu mehr Partizipation; das ist die richtige Rich-tung. Neue Beteiligungsformen sollen sich nachhaltig indie repräsentative Demokratie integrieren. Wir setzendie Bürgerbeteiligung jetzt um, anstatt jahrelang darüberzu reden.
Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention gebe ich der Kollegin Mast
das Wort.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kol-
lege Schulz, Sie haben aus dem Koalitionsvertrag zitiert,
dass Sie „das Petitionswesen weiterentwickeln und ver-
bessern“ möchten. Meine Frage ist: Wann dürfen wir
hier im Parlament mit Ihren Änderungsvorschlägen
rechnen? Ich glaube, Sie können das kurz beantworten.
Vielen Dank.
Herr Schulz.
Wir arbeiten intensiv an einer Lösung. Darüber muss
natürlich diskutiert werden. Der Koalitionsvertrag ist
nicht auf zwölf Monate angesetzt; er ist ein Programm
für vier Jahre. Wir werden baldmöglichst ein Papier dazu
vorlegen.
Ich gebe das Wort der Kollegin Halina Wawzyniak
für die Fraktion Die Linke.
H
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in Staat brach zusammen, und das nicht ohne Grund.emokratische Mitwirkungsmöglichkeiten entwickeltenich von null auf 100. Es herrschte Aufbruchstimmung.ie Menschen fühlten sich ernst genommen und mitge-ommen. Wichtige politische Entscheidungen wurdenm Runden Tisch gefällt, an dem Vertreterinnen undertreter aller gesellschaftlichen Organisationen saßen.as war gelebte Demokratie.
Der Runde Tisch entwickelte sogar einen Verfas-ungsentwurf. In diesem Verfassungsentwurf stand inrt. 89:Die Gesetze werden durch die Volkskammer oderdurch Volksentscheid beschlossen.rt. 98 des Verfassungsentwurfs enthielt Regelungenum Volksentscheid. Für mich war das die demokra-ischste Zeit, die ich in meinem ganzen Leben erlebtabe. Es hätte der alten Bundesrepublik gutgetan, sichieses Entwurfes des Runden Tisches anzunehmen, an-tatt die Ideen des demokratischen Aufbruchs einfach zugnorieren; aber genau das ist geschehen.
uch deshalb gibt es immer noch keine Möglichkeit derevölkerung, jenseits von Wahlen direkt auf politischerozesse Einfluss zu nehmen. Beantworten Sie mir dierage – Sie haben das bisher nicht getan –, warum dasuf Landesebene möglich ist, aber auf Bundesebene un-öglich sein soll.
ovor haben Sie eigentlich Angst?Derzeit erleben wir eine Unzufriedenheit mit der Par-eiendemokratie, und zwar zu Recht. Wir erleben Unzu-riedenheit mit der Arbeit des Parlamentes, und zwar zuecht.
ir beschließen Gesetze im Hauruckverfahren. Rele-ante Ausschusssitzungen sind nichtöffentlich. Bei deresetzgebung fehlen Informationen, zum Beispiel: Wel-her Leihbeamte hat gerade für welches Unternehmen anelchem Gesetzentwurf mitgearbeitet? Im Jahr 2007 sa-en mindestens 100 Beschäftigte von Unternehmen underbänden in den Ministerien und arbeiteten an Geset-esvorlagen. Wir fordern das Verbot von Leihbeamten ininisterien.
s fehlt auch an Zahlenmaterial. Wir reden über Netz-eutralität und darüber, dass es zu Datenstaus kommt,
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Halina Wawzyniak
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aber wir wissen nicht, wo und wann. Es gibt Zusatzver-einbarungen, die am Parlament vorbei getroffen werden,zum Beispiel beim Atomdeal.Bundestagspräsident Lammert spricht – ich habe esschon zitiert – von einem Hauruckverfahren in der Ge-setzgebung. Damit hat er recht. Bettina Gaus spricht inder taz von einer Alibiveranstaltung, die wir hier abhal-ten. Damit hat sie recht. Wir können das parlamentari-sche Verfahren verbessern. Einverstanden! Wir könnenaber auch weiter gehen und mehr Demokratie wagen.
Wir können innerhalb des Parlaments mehr Transpa-renz einführen, beispielsweise durch konsequent öffent-liche Ausschusssitzungen. Wir können ein verpflichten-des Lobbyistenregister einführen. Der Gesetzentwurfmeiner Fraktion sieht beispielsweise vor, dass ein Ge-setzentwurf, sobald eine Person außerhalb des Bundesta-ges oder der Bundesregierung ihn erhält, für alle öffent-lich zugänglich sein muss. Wir können zudem dasAkteneinsichtsrecht für Bürgerinnen und Bürger erwei-tern. Niemand hindert uns daran, das emanzipatorischePotenzial des Internets zu nutzen und auch auf diesemWeg den Einfluss der Bürgerinnen und Bürger zu erhö-hen. Warum erlauben wir den Bürgerinnen und Bürgernnach der ersten Lesung nicht, im Rahmen von Internet-portalen uns ihre Meinung kundzutun, um dann darüberzu entscheiden, ob wir die Anregungen aufnehmen wol-len?
Wir leben in einer Zeit, in der faktisch neue Verfahrenzur Konfliktbewältigung eingeführt werden, weil sienotwendig sind. Ich nenne die Schlichtung zuStuttgart 21, aber auch die Mediation betreffend denFrankfurter Flughafen. Diese neuen Verfahren belegen:Das Interesse der Menschen an politischen Prozessen istgroß. Sie sind nicht politikverdrossen, sie sind parteien-verdrossen. Erweitern wir unsere parlamentarische De-mokratie, die mehr und mehr zu einer Demokratie dervermeintlichen Eliten wird. Nehmen wir Art. 20 Abs. 2GG ernst: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Und an uns Parteien gerichtet: Setzen wir Art. 21 Abs. 1Satz 1 „Die Parteien wirken bei der politischen Willens-bildung des Volkes mit“ um. Es gibt kein Monopol vonParteien auf politische Willensbildung. Auch deshalb ha-ben wir eine Vorlage vorgelegt, die Spenden von Unter-nehmen und Wirtschaftsverbänden an Parteien verbietetund Spenden von natürlichen Personen beschränkt. AlleMenschen, die hier länger leben, müssen die Möglich-keit haben, auf politische Entscheidungsprozesse Ein-fluss zu nehmen, auch durch Beteiligung an Volksinitia-tiven, Volksbegehren, Volksentscheiden und Wahlen.Am 8. Juli haben wir das erste Mal über ein konkretauf dem Tisch liegendes Angebot für mehr direkte De-mokratie geredet. Heute wird sich zeigen, wie die medi-ale Sommerlochforderung nach mehr direkter Demokra-tie praktisch ihre Umsetzung findet. Auch deshalb habenwir namentliche Abstimmung beantragt. Sie von derSFlAndÜnfFBeurrSdeshDshkwfrrBevWBsdkumsuWtdHSgAhsAs
ber ernsthaft: Der Prozess der dreistufigen Volksge-etzgebung dauert länger als die Hauruckverfahren im
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Halina Wawzyniak
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Parlament. Es gibt eine öffentlich-mediale Begleitung.Mehr Sachverstand ist gar nicht möglich.
Erklären Sie mir einmal: Wieso kann man mit Volks-abstimmungen den immer schwierigeren und komplexe-ren Fragestellungen der pluralistischen Welt nicht ge-recht werden, im Parlament aber schon? Sie habenwieder das Argument vorgebracht, man könne bei Volks-abstimmungen nur mit Ja oder Nein stimmen. Entschul-digung, aber das machen wir hier den ganzen Tag.
Formal findet hier eine Folgenabschätzung statt, abereben nur formal. Tatsächlich geht es immer um einen in-haltlich-konkreten Vorschlag. Dieser steht allein zur Ab-stimmung. Alle gesellschaftlichen Aspekte dieses Vor-schlags werden nicht in einem breit angelegten Prozessbeleuchtet. Wenn wir das wollen, gründen wir eineEnquete. Eine Volksgesetzgebung mit einem dreistufi-gen Verfahren dauert viel länger; darauf habe ich schonhingewiesen. Dadurch bleibt viel mehr Zeit, um sich Ge-danken über die Dinge zu machen. Hier verlassen wiruns auf Experten und beschließen Gesetzentwürfe wieden zur Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwer-ken.Herr Brandt und Herr Wellenreuther haben gesagt, dieGefahr bestehe, dass bei wichtigen Fragen nicht nachsachbezogenen Gesichtspunkten entschieden wird, son-dern danach, welche Interessengruppe die bessereLobbyarbeit macht.
Dazu sage ich Ihnen: Total überzeugend! Tun Sie dochnicht so, als würde das hier im Parlament nicht so laufen.
Wir entscheiden doch mitnichten allein nach sachbezo-genen Gesichtspunkten.
Der Einfluss von Lobbyisten auf parlamentarische Ent-scheidungsprozesse ist nachgewiesen. Worin bestehtbitte der Unterschied zwischen dem Einfluss von Lobby-isten auf Entscheidungen der Parlamente und dem Ein-fluss von Lobbyisten auf die Volksgesetzgebung? ImÜbrigen sind Politikerinnen und Politiker genauso anfäl-lig für Populismus wie die Bevölkerung. Steigen wiralso ab vom hohen Ross! Hören wir auf, so zu tun, alsseien wir besser und kompetenter als der Durchschnittder Bevölkerung! Das ist Quatsch.Die Linke hält, was sie verspricht. Unser konkretesAngebot liegt auf dem Tisch. Sie können entscheiden: Jaoder nein? Da für die Änderung eine Zweidrittelmehr-heit notwendig ist, wird das Vorhaben an der Blockade-haltung der Union scheitern, wie wir wissen. Insofernkönnen die anderen Fraktionen ein Symbol setzen undzeigen, dass sie für mehr direkte Demokratie sind, dasssie die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden lassenwSUusmPrmDKDvdvmvwhgp1ddKSjzdTrdsggwtsW
Das Wort hat jetzt Ingrid Hönlinger für Bündnis 90/
ie Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen!Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion umden richtigen Weg.as ist ein Zitat des früheren Bundespräsidenten Richardon Weizsäcker. Wenn wir dieses Zitat ernst nehmen,ann müssen wir eingestehen, dass wir momentan anielen Orten der Republik wahre Sternstunden der De-okratie erleben. Die Bürgerinnen und Bürger machenon ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung selbstbe-usst Gebrauch. Sie streiten für ihre Positionen. Sie ge-en für ihre Anliegen sogar auf die Straße, wenn die Re-ierungspolitik ihre Anliegen nicht wahrnehmen will.Ich möchte zwei aktuelle Ereignisse in den Mittel-unkt rücken. Mein Wahlkreis ist Ludwigsburg. Das ist5 Kilometer von Stuttgart entfernt. In Stuttgart und an-ernorts gehen jede Woche Zehntausende Menschen aufie Straße. Sie äußern ihre Unterstützung für denopfbahnhof 21. Sie äußern ihre Kritik am Bahnprojekttuttgart 21. Dafür haben sie gute Gründe: Dieses Pro-ekt droht in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Bodenu werden. Der verkehrspolitische Nutzen ist fragwür-ig. Außerdem ist zu befürchten, dass die Profite in dieaschen von Banken und Baukonzernen wandern, wäh-end die Bürgerinnen und Bürger die Zeche zahlen.
Je schwächer die Argumente für Stuttgart 21 werden,esto lauter werden die Durchhalteparolen. Jetzt gibt esogar Anzeigenkampagnen der Wirtschaft für Stutt-art 21. Auch die Joggingveranstaltungen für Stutt-art 21 werden mit Anzeigen der Landesregierung be-orben. Wir Grünen gestehen ein: Den größeren Marke-ingetat haben die Tunnelbauer. Aber wir haben die bes-eren Argumente. Diese werden sich am Ende gegen dieerbemillionen durchsetzen.
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Ingrid Hönlinger
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Ein weiteres Schlaglicht auf die Lage in der Republikhaben wir am Wochenende im Wendland erlebt. Dortsind wiederum Tausende Menschen auf die Straße ge-gangen und haben sich für den Atomausstieg eingesetzt.Sie haben kritisiert, dass die Laufzeiten der Atomkraft-werke von dieser Regierungskoalition verlängert wordensind. Sie haben auch stark kritisiert, dass weitere großeMengen an radioaktivem Müll produziert werden. WirGrünen – das sage ich ganz klar – unterstützen den fried-lichen Protest gegen die Laufzeitverlängerung und gegendie Atommülltransporte.
Wir setzen uns für den Atomausstieg und für die ver-stärkte Nutzung erneuerbarer Energien ein. Wir setzenuns auch für einen oberirdischen Kopfbahnhof in Stutt-gart ein. Für uns steht nicht der Profit für wenige im Vor-dergrund, sondern der Nutzen für alle. Wir sind keineBlockadepartei; wir sind eine Zukunftspartei.
Zum Respekt vor der Meinung anderer gehört auchder Respekt der Regierenden vor dem Willen der Bevöl-kerung. Jetzt wird kritisiert – darauf hat auch KollegeWellenreuther hingewiesen –, dass in unserer Gesell-schaft große Politikverdrossenheit und Demokratiever-drossenheit herrschen. Diese Feststellung ist richtig.Dazu gehört aber auch, dass wir den Willen der Bevölke-rung ernst nehmen müssen, wenn wir die Bevölkerungzu Willensbekundungen auffordern. Wer den Bürgerwil-len als Blockadehaltung abtut, wer Schüler niederknüp-pelt und Bürgerargumente mit Pfefferspray bekämpft,hat ein falsches Verständnis von Demokratie. Wir Grü-nen wollen so etwas nicht mehr erleben, weder in Stutt-gart noch im Wendland.
Demokratie bedeutet Regierung durch und für dasVolk. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Demokratievon der Einmischung und dem Engagement der Bürge-rinnen und Bürger lebt, dass sie dadurch lebendiger undmanchmal auch sachlicher und kreativer wird. Deshalbwollen wir den Bürgerwillen stärker in politische Ent-scheidungen einbeziehen.Viele Bundesländer – auch das wurde schon gesagt –haben zahlreiche positive Erfahrungen mit Bürgerent-scheiden gemacht. Die Volksabstimmungen haben dortdie Kluft zwischen Staatsmacht und Volk verringert.Hinzu kommt: Wenn Bürgerinnen und Bürger Entschei-dungen mitbestimmen können, sind sie eher bereit, dieFolgen dieser Entscheidungen mitzutragen. Und dieMenschen wollen sich an den Entscheidungen beteili-gen. Das hat das neueste Volksbegehren in Berlin, das„Wasser-Volksbegehren“, gezeigt. Es gab mehr als280 000 Unterschriften für dieses Volksbegehren. Das istein wichtiger Schritt in Richtung einer bürgerfreundli-chen, einer transparenten Politik. Wenn wir erst eineneue Bürgermeisterin in Berlin haben, werden wir nochvtmdsdsHGEe–dWladsBWtbtvdmvkubmmpwWhükdBfWst
Natürlich bleibt das Parlament bei der direkten De-okratie der zentrale Ort der Auseinandersetzung under Entscheidungen. Wir können jederzeit eigene Ge-etze beschließen; das ist uns allen hier klar. Wir meinen,ass Volksabstimmungen die Politik nicht behindern,ondern ergänzen. Sie sehen also, meine Damen underren insbesondere von der CDU/CSU: Es gibt wenigeründe gegen, aber ziemlich viele gute Gründe für dieinführung einer Volksgesetzgebung auch auf Bundes-bene.
Dazu komme ich noch. – Vorher möchte ich sagen,ass auch wir Grünen uns schon sehr lange für dieseeiterentwicklung der Demokratie einsetzen. Wir wol-en, dass durch Volksinitiativen Gesetzesvorschläge vonußen in das Parlament getragen werden. Wir wollen,ass Bürgerinnen und Bürger stärker in politische Ent-cheidungen einbezogen werden. Wir wollen, dass dieevölkerung wichtige Sachfragen auch zwischen denahltagen entscheiden kann.Wir haben dabei im Blick – auch das ist schon thema-isiert worden –, dass Formen der direkten Demokratieesonders Menschen ansprechen, die engagiert und poli-isch interessiert sind. Zwar kann die Politikbeteiligungon Interessengruppen, insbesondere von finanzstarken,ominiert werden. Das sind für uns aber keine Argu-ente gegen direkte Demokratie. Wir meinen, dass wirielmehr faire Rahmenbedingungen für direkte Demo-ratie schaffen müssen und dass wir die Bürgerinnennd Bürger möglichst frühzeitig an den Entscheidungeneteiligen müssen.Wir sehen auch den großen Nutzen der direkten De-okratie. Sie führt zu mehr politischer Information, zuehr Motivation und zu mehr Diskussion. Auch dieolitische Qualifikation der Bürgerinnen und Bürgerird dadurch verbessert.
enn Sie zum Beispiel einen Stuttgarter auf den Bahn-of ansprechen, dann werden Sie mit ihm fachgerechtber die Pläne zum Ausbau des Stuttgarter Bahnhofs dis-utieren können. Vielleicht werden Sie sogar erfahren,ass die tiefen Tunnel die Mineralwasservorkommen inad Cannstatt gefährden. Sie sehen: Bürgerbeteiligungördert die Partizipation und das Bürgerengagement.
enn mehr Menschen an der Gestaltung unserer Gesell-chaft mitwirken, dann führt dies zu mehr Identifika-ion mit den Entscheidungen und zu mehr Teilhabe.
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7894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Ingrid Hönlinger
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Jetzt zu dem Symbol, das Sie, Frau KolleginWawzyniak, gefordert haben. Wir werden uns bei derAbstimmung über Ihren Gesetzentwurf enthalten.
Das Thema finden wir zwar gut; aber ihr Gesetzentwurfhat leider einige gravierende Mängel.
Die Quoren sind zu niedrig angesetzt, die Fristen für denÜbergang von Volksinitiative zu Volksbegehren undVolksentscheid zu kurz. Wir finden es nicht sinnvoll undnicht gut, dass Sie die Abstimmung über Sachfragen mitWahlen verbinden wollen. Übrigens wollen wir nicht nuren passant, am Rande des Plenums, kurz über einen gu-ten Gesetzentwurf diskutieren. Lassen Sie uns die Sacherichtig angehen und fraktionsübergreifend vorgehen!Dann finden wir gute Lösungen.Das wachsende Bürgerengagement, das wir derzeitim Hinblick auf den Kopfbahnhof 21 und den Atomaus-stieg erleben, ist ein Lehrstück für unsere Demokratie.Das Land ist durch das Bürgerengagement aufgerütteltworden. Wir erleben, dass unsere Demokratie, die mehrals 60 Jahre alt ist, reifer geworden ist. Sie hat hinzuge-wonnen, und die Bürgerinnen und Bürger sind selbstbe-wusster geworden. Heiner Geißler, der Vermittler imSchlichtungsprozess zu Stuttgart 21, hat es so ausge-drückt: Die Zeiten der Basta-Entscheidungen sind vor-bei.
Auf diesem Weg werden wir Grüne weitergehen,gerne zusammen mit den anderen Fraktionen im Bun-destag; ich setze meine Hoffnungen hier insbesondereauf die FDP. Wir würden uns wirklich freuen, wenn esuns gelingen würde, mehr Elemente direkter Demokratieauf Bundesebene einzuführen. Wir Grüne wollen mehrDemokratie, und zwar direkt.Vielen Dank.
Michael Frieser hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Man könnte den Eindruck haben, das, was wirhhFwlICssntkGMwgwGImdkcDWvvsMtgssluw–Vdznvgn
ür unsere Satisfaktionsfähigkeit bedarf es keines Be-eises. Vor allem müssen wir uns nicht von Ihnen sagenassen, wer Anhänger direkter Demokratie ist. Es wirdhnen nicht gelingen, deutlich zu machen, dass CDU undSU – das gilt auch für die FDP – gegen Plebisziteeien. Im Gegenteil: Dort, wo sie richtig und angebrachtind, und in geeigneten Organisationsformen funktio-iert direkte Demokratie. Das hat sich erwiesen.Die Linken führen das System der direkten Demokra-ie ad absurdum. Über diese Formen der Beteiligung dis-utieren wir schon seit Jahren. Frau Hönlinger, was denesetzentwurf der Linken betrifft, geht es nicht nur umissverständnisse und handwerkliche Fehler. Vielmehrurde ein Jahr lang diskutiert, ohne dass Sie auf Ge-enargumente eingegangen sind. Ich frage mich, inwie-eit der Diskussionsprozess hier noch funktioniert.Worum geht es den Linken? Sie versuchen, mit Ihremesetzentwurf zu politisieren.
ch würde Ihnen gerne glauben, dass Sie es mit der De-okratie gut meinen. Ich würde Ihnen gerne glauben,ass Ihre Vorschläge dazu beitragen sollen, die Demo-ratie unmittelbarer, erfahrbarer und erlebbarer zu ma-hen. Letztlich geht es Ihnen aber darum, eine Dagegen-emokratie zu etablieren.
as Sie beabsichtigen, ist die Instrumentalisierungon Minderheiten. Sie wollen dem Land und der Be-ölkerung vortäuschen, dass es hier eine gesamtgesell-chaftliche Bewegung gibt. Ihnen geht es aber nur uminderheiten. Die Linke ist immer bass erstaunt und zu-iefst enttäuscht von diesem Volk, wenn sie sich der so-enannten Volksseele wirklich einmal stellt. Das lässtich relativ leicht anhand des Themenkatalogs nachwei-en, über den wir hier reden. Natürlich soll über mora-isch-ethische Themen und alles, was in irgendeiner Artnd Weise mit Religion zu tun hat, nicht abgestimmterden.
Ich glaube nicht, dass man in diesem Land gerne eineolksabstimmung auf Bundesebene über Minaretteurchführen würde. Man will auch keine Abstimmungum Thema Todesstrafe. Ich jedenfalls will das nicht.Wenn dann doch einmal eine Volksabstimmung in ei-em Bundesland durchgeführt wird – das Thema wurdeom Kollegen Wellenreuther schon angesprochen; eseht um Hamburg –, dann passt Ihnen das Ergebnisicht.
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Michael Frieser
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– Herr Kollege Wieland, weil Sie sich so lautstark zuWort melden, darf ich Sie einmal fragen – hören Sie bes-ser zu; dann können Sie etwas lernen –: Glauben Sie al-len Ernstes, dass man über Berlin als Hauptstadt wirk-lich hätte abstimmen lassen können? Glauben Sie, dassdiese Entscheidung damals dann zugunsten von Berlinhätte getroffen werden können?Sie legen hier einen Abstimmungskatalog vor, in demsteht, worüber Ihrer Ansicht nach auf Bundesebene ab-gestimmt werden könnte. Das muss ein Zeitgeistkatalogbleiben. Insofern ist der Gesetzentwurf nicht nur hand-werklich schlecht. Vielmehr geht es auch inhaltlich indie falsche Richtung.
Es besteht immer die Gefahr, dass Protestbewegun-gen zur Meinungsmache instrumentalisiert werden. ImErgebnis kann es darauf hinauslaufen, dass eine radikali-sierte, politisierte Minderheit über die Gesetzgebung be-stimmt, und das gegen die Mehrheit. Das wird nichtfunktionieren.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von
Herrn Lenkert zu?
Herr Wieland, Ihre Frage wird sicherlich bis zum
Ende meiner Rede beantwortet sein. Wenn nicht, sollten
Sie so viel Geduld haben, um sie dann zu stellen.
Herr Kollege, es geht nicht um eine Frage von Herrn
Wieland, sondern um eine Frage von Herrn Lenkert.
Möchten Sie sie zulassen?
Darf ich die Fragen vielleicht am Ende meines Ge-
dankenganges zulassen? Das würde mir weiterhelfen.
Können Sie uns sagen, wann der Gedankengang zu
Ende ist?
Ich werde Ihnen das mitteilen, Frau Präsidentin, falls
Sie das nicht mitbekommen sollten.
Das ist schön.
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(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Jetzt ist der Gedankengang aber zuEnde!)– Ich befürchte, Kollege Wieland, Sie haben den Gedan-kengang noch nicht verstanden. Deshalb möchte ich ihnkurz erläutern: Entscheidend ist, dass wir in diesem Par-lament für eine Idee kämpfen und uns gegenseitig über-zeugen. Dazu gehört natürlich, dass man zuhört, HerrKollege Wieland;
anders funktioniert es nicht.Im Rahmen dieses Diskurses muss man
– vielleicht stellen Sie Ihre Frage dann zu diesem Gedan-kengang, Herr Kollege Wieland – auch die Frage be-rücksichtigen, ob ein Plebiszit wirklich dazu führenkann, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Ich wage das zubezweifeln. Ich komme aus einem Land, in dem durch-aus – Kollege Schulz hat darauf hingewiesen – sehr inte-ressante Volksentscheide und Bürgerentscheide zur Ab-stimmung stehen; dadurch erhöht sich allerdings nichtdie Wahlbeteiligung insgesamt. Das heißt nicht, dassPlebiszite schlecht sind. Aber Sie verknüpfen zweiDinge, die nichts miteinander zu tun haben. Der SatirikerKarl Kraus hat einmal gesagt: Es gibt Dinge, die sofalsch sind, dass noch nicht einmal das Gegenteilstimmt.
Das gilt auch bei diesem Argument. Man muss deutlichsagen: Man kann keine Begründung heranziehen, die mitder Sache gar nichts zu tun hat.
Ich würde wirklich gerne glauben, dass es an dieserStelle um die Demokratie geht. Aber ich finde es schonseltsam – Herr Kollege Wieland, Sie sind wirklich gleichdran; vertrauen Sie mir; ich habe extra fünf Minuten Ar-gumentationszeit für Sie reserviert –, wenn man eineReihe von im Augenblick stattfindenden Diskussionenzu Protestbewegungen ummünzt und dann im Ergebnissagt, das stelle die Mehrheit dar. Ich weiß nicht, ob das,was im Augenblick im Wendland passiert, wirklich gutist, wenn ich sehe, dass der Vorsitzende der Fraktion derLinken das Ergebnis beeinflusst, indem er sich mit sei-nem Wagen zu einer Protestbewegung fahren lässt, dieohnehin überarbeitete Polizei dazu abstellt, auf seinAuto aufzupassen, um sich dann in einen Trecker zuwuchten und hinterher zu sagen: Ich repräsentiere hierdie Mehrheit. – Das macht die Politik absurd und führtim Ergebnis mit Sicherheit nicht weiter.
Ich glaube – jetzt bin ich bei Ihnen, Herr KollegeWieland –, dass die Kritik der Grünen an der hand-wkDuBllslhuddwghlkpSEeddzdnhAesees
Vielen Dank, Herr Kollege Frieser, für die Gelegen-
eit zur Zwischenfrage. – Ich hatte gehofft, Sie würden
nseren Gesetzentwurf richtig lesen. Sie haben vorhin
ie Behauptung aufgestellt,
ass danach ein Volksentscheid zur Todesstrafe möglich
äre. Wenn Sie richtig gelesen hätten, dann hätten Sie
elesen, dass in dem in unserem Gesetzentwurf vorgese-
enen Art. 82 a Abs. 2 des Grundgesetzes steht:
Volksinitiativen, durch die … die in den Artikeln 1
und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden
… sind unzulässig. Volksinitiativen zur Änderung
des Grundgesetzes dürfen kein Grundrecht in sei-
nem Gehalt antasten.
Gleichzeitig besteht, wie bei jedem Gesetz, die Mög-
ichkeit, auch einen per Volksgesetzgebung zustandege-
ommenen Gesetzentwurf vom Verfassungsgericht über-
rüfen zu lassen. Unter diesem Aspekt frage ich Sie, wie
ie zu der falschen Behauptung kommen, dass wir die
inführung der Todesstrafe befürchten müssten, wenn
ine Volksgesetzgebung eingeführt würde.
Herr Lenkert, ich bin fast versucht, mich bei Ihnen füriese Zwischenfrage zu bedanken. So kann ich dem Ein-ruck entgegentreten, ich wäre Anhänger eines Plebis-its über die Todesstrafe. Das ist verkehrt. Das sage icheutlich, falls dieser Eindruck entstanden sein sollte. Sieehmen eindeutig bestimmte Fragen aus dem Katalogeraus. Nicht nur, dass das Grundgesetz schon darüberuskunft gibt; ich will damit auch deutlich machen, dasss einen ganzen Katalog an Fragestellungen gibt, dieich – das geben Sie mit Ihrer Frage auch zu – ohnehininer Abstimmung durch ein Plebiszit auf Bundesebenentziehen, weil wir das nicht machen dürfen. Das be-treite ich nicht.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7897
Michael Frieser
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Ich will damit nur deutlich machen, dass es einen gan-zen Katalog gibt. Die Auflistung war klar. Es ging umreligiöse, moralische und ethische Fragen. Diese Fragenkönnen wir nicht dem Zeitgeist gemäß zur Abstimmungstellen.Nehmen Sie als nächstes Beispiel die Sicherungsver-wahrung. Ich glaube, dass wir in diesem Land nicht un-bedingt zu einem richtigen und konformen Ergebnis ge-kommen wären, wenn wir sie zur Abstimmung gestellthätten.
– Nein, überhaupt nicht.
Herr Wieland.
Herr Kollege Frieser, als Abgeordneter aus Berlin
sind mir bei Ihrer Rede etliche Fragen gekommen. Ich
will sie komprimieren. Es bleibt mir nichts anderes
übrig, als sie zusammenzufassen.
Habe ich es richtig in Erinnerung, dass die Abgeord-
neten der CSU beispielsweise beinahe geschlossen ge-
gen Berlin als Bundeshauptstadt gestimmt haben, und
wäre das Volk dabei nicht möglicherweise klüger als die
CSU gewesen?
Wie kommt es ferner, dass Ihre Partei in Berlin da, wo
wir in der Regel gegen den Willen dieser Partei die Mög-
lichkeiten zu Volksbegehren und Volksentscheide haben,
bei Bürgerbegehren immer eine Dagegen-Partei ist? Bei
dem Bürgerbegehren gegen die Umbenennung in Rudi-
Dutschke-Straße war die CDU-Kreuzberg vorneweg.
Sie war als Dagegen-Partei auch gegen die Schlie-
ßung des Flughafens Tempelhof. In einer so komplizier-
ten Frage, wie Sie es gerade geschildert haben, bei der
Experten eingebunden waren und ein Planfeststellungs-
verfahren durchgeführt wurde, hat Ihr damaliger Frak-
tionsvorsitzender Friedbert Pflüger am Abend der Aus-
zählung gesagt, diese Niederlage sei ein großer Erfolg
für die CDU. Wie er dazu kam, weiß ich nicht. Aber er
hat sich in einer solchen Weise an die Spitze dieses
Volksbegehrens gestellt, dass die CDU-Initiatoren des
nächsten Volksbegehrens zum Thema „Religion als
Wahlpflichtfach“ Angst hatten, dass auch dieses Volks-
begehren ein solches CDU-Label bekommt, dass es am
Ende scheitert.
Warum sollen Ihre ganzen Argumente, dass das große
Geld zählt, dass es um Marketing geht, dass es zu einer
Dagegen-Demokratie kommt und dass sich damit Min-
derheiten durchsetzen wollen – in Berlin ist die CDU
eine Minderheit, das gebe ich zu –, hier gelten, aber
nicht in den Bundesländern?
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enn der Großteil Ihrer Argumentation wurde schon beier Rede des Kollegen Wellenreuther angesprochen.Worum geht es? Ich schätze Friedbert Pflüger sehr. Erst zwar nicht mein Fraktionsvorsitzender, aber als direktewählter Abgeordneter aus Bayern kann ich sagen, dasss sehr wohl eine ganze Reihe von Fragen gibt, über diean gut und richtig abstimmen kann, wenn sich die Fra-estellung eindeutig auf eine Ja-Nein-Konstellation re-uzieren lässt. Ich bin der Auffassung, dass es dannunktioniert.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Bürger vonerlin in der Lage sind, entsprechende Fragen, vor allemie ihrer kommunalen Verfassung, zu entscheiden. Ichill aber noch einmal darauf hinweisen, dass es in unse-em föderalen System aufgrund der Tatsache, dass esine Reihe von Argumenten und Themen gibt, die sichiner Abstimmung auf Bundesebene entziehen, nichtöglich ist, eine Volksabstimmung auf Bundesebeneurchzuführen.
lle Beispiele, die Sie nennen, stehen bewusst in einemnmittelbaren kommunalen Zusammenhang, in dem dieürger vor Ort sehr sachkundig über die Fragen ent-cheiden können.Es hilft letzten Endes nicht, dass Sie versuchen, diergumente auf die Bundesebene zu übertragen. Dennamit lassen sich die Fragen zu diesem Thema nicht be-ntworten.Im Ergebnis darf ich darauf hinweisen, dass eineolksgesetzgebung nur dann sinnvoll ist, wenn sie diehemen so klar zuschneidet, dass eindeutige Fragen zurbstimmung gestellt werden können. Schließlich kannie gesamte Diskussion nicht so aufgerollt werden, wies etwa mithilfe von Sachverständigenanhörungen in deregel notwendig ist. Deshalb glaube ich, dass wir mitnserer Verfassung, die Plebiszite auf kommunaler Ebenend auf Länderebene vorsieht, durchaus gut beratenind. Dort funktionieren sie. Ich glaube, dass man denesetzentwurf der Linken aus guten Gründen ablehnenuss.Vielen Dank.
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Herr Kollege, möchten Sie noch eine Zwischenfrage
des Kollegen Wellmann zulassen?
Wenn Sie möchten.
Bitte schön.
Herr Kollege, wären Sie bereit, den Kollegen Wieland
darauf hinzuweisen, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende
im Berliner Abgeordnetenhaus gerade eine Volksbefra-
gung zur Verlängerung der A 100 vorgeschlagen hat und
es die Grünen waren, die öffentlich erklärt haben, sie
seien gegen eine solche Volksbefragung?
Vielen Dank, Herr Kollege, den Gedanken greife ich
gerne auf und erweitere ihn zu einer Anfrage an Herrn
Wieland, die wir gerne bilateral mit ihm diskutieren kön-
nen. Ich glaube nicht, dass die Grünen bereit sind, eine
Abstimmung über alle Arten von Trassen- und Verkehrs-
problemen herbeizuführen. Ich gebe das gerne an den
Kollegen Wieland weiter.
Vielen Dank.
Daniela Kolbe hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Liebe Bürgerinnen und Bürger, vielleicht haben Sie ei-nen weiten Weg genommen, um heute hier bei uns zusein. Schön, dass Sie da sind!Wir alle hier im Saal sind überzeugte Demokratinnenund Demokraten. Aber schon wenn es um eine Einschät-zung der Situation unserer Demokratie geht, gehen un-sere Positionen offenbar weit auseinander.Unsere Demokratie ist nicht vom Himmel gefallen.Sie wurde vielfach erkämpft, und wir haben sie auchschon einmal verloren. Für viele Menschen in unseremLand war Demokratie für mehr als 60 Jahre nur einTraum. Für diesen Traum sind im Jahr 1989 in der DDRZehntausende Menschen auf die Straße gegangen; siehaben zum Teil ihr Leben dafür riskiert. Diese Menschenkennen den Wert von Demokratie und freier Meinungs-äußerung sehr gut, vielleicht sogar besser als andere.Umso erschreckender ist es, dass die Zustimmung zurDdSSsswHsksksPddndbEeDtsuMsGaWtDineibcGwHsw
Für die SPD ist Demokratie seit fast 150 Jahren Zielnd Mittel gleichzeitig. Wir wollen, dass möglichst alleenschen in unserem Land an der Demokratie beteiligtind und mitbestimmen, in welche Richtung sich unsereesellschaft entwickeln soll. Demokratie ist mehr, alslle vier Jahre zur Wahl zu gehen.
ir wollen weiterhin eine Demokratisierung der gesam-en Gesellschaft.
azu gehören für uns Demokratie in den Unternehmen,n den Schulen, in den Hochschulen, bei Demonstratio-en, aber eben auch über direkte Mitsprache bei Bürger-ntscheiden und Bürgerinitiativen. Direkte Demokratiest für uns ein Mittel, um die Menschen wieder stärker zueteiligen.Auch aus diesem Grund – das wurde schon angespro-hen – hat die SPD bereits 2002 einen entsprechendenesetzentwurf vorgelegt. Dieser Grundsatz gilt für unseiterhin. Leider ist mit Blick auf die rechte Seite diesesauses eine dazu notwendige Änderung des Grundge-etzes schon rein rechnerisch nicht möglich. Das findenir mehr als bedauerlich.
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nung haben dürfen! Oder wollen Sie das auchnoch verbieten?)Gerade bei Ihnen in der Union ist die Angst vor Elemen-ten direkter Demokratie unheimlich groß. Für Teile derUnion scheint Demokratie sich auf den Parlamentaris-mus zu beschränken.Anders als für die Union ist für uns mit dem wahrenSatz – er ist wahr – „Der Parlamentarismus hat diesesLand weit gebracht“ eben nicht alles gesagt. Wir nehmenzur Kenntnis, dass sich zunehmend eine Kluft zwischenpolitisch Aktiven und dem Rest der Bevölkerung entwi-ckelt. Das geflügelte Wort von „denen da oben“ ist er-schreckend weit verbreitet. Zugegeben: Mitunter habeich den Eindruck, dass die eine oder andere Bürgerinit-iative vor allem zum Ziel hat, es „denen da oben“ – ge-meint sind wir – einmal richtig zu zeigen. Andererseitshabe ich bei Ihnen, der Koalition – zum Beispiel war dasvorgestern bei manchem Redebeitrag zum Thema Castorder Fall –, den Eindruck, dass Sie sich sehnlich wün-schen, dass die Menschen draußen endlich einmal dieKlappe halten und Ihre Entscheidungen hinnehmen. ImZweifel setzt man solche Entscheidungen mit Polizeige-walt durch. Wenn aber Parlamentarismus bedeutet,dass plötzlich die Bevölkerung gegen die Parlamente ist,dann ist eines eindeutig klar: Bei dieser Auseinanderset-zung können beide Seiten nur verlieren.
Deshalb freue ich mich, dass wir über eine Ergänzungdes Parlamentarismus durch Elemente der direkten De-mokratie diskutieren. Direkte Demokratie kann dazubeitragen, dass Bevölkerung und Parlamente wieder auf-einander zugehen. Direkte Demokratie zeigt aber auch,dass unterschiedliche Positionen nicht Parlamente undBevölkerung trennen, sondern dass die Trennlinien querdurch die Parlamente und quer durch die Bevölkerungverlaufen.Die SPD will direkte Demokratie, aber sie will sie gutabgestimmt. Sie soll den Parlamentarismus ergänzen,nicht ersetzen. Deshalb herzlichen Dank an die Linke fürdas Einbringen des Antrags. Wir empfinden aber dievorgeschlagenen Quoren für Volksinitiativen als eindeu-tig zu niedrig. Ich möchte Ihnen einmal ein Gefühl dafürvermitteln, was ein Quorum von 100 000 Stimmen be-deutet. Die Linke hat in Hamburg bei der letzten Bun-destagswahl knapp 100 000 Stimmen bekommen. Überdie Landesliste ist deshalb ein Abgeordneter in den Bun-destag eingezogen. Es gibt ziemlich viele gute Gründedafür, warum wir es in diesem Haus so handhaben, dassnicht ein einzelner Abgeordneter eine Gesetzesinitiativeeinbringen kann.
Ein solch niedriges Quorum wäre eine zu starke Entwer-tung der Parlamente. Gleichzeitig sollten die Quorenauch nicht zu hoch sein. Es bleibt deshalb dabei: DieSPD schlägt ein Quorum von 400 000 Stimmen für eineVolksinitiative und von 5 Prozent der Wahlbevölkerungfür Volksentscheide vor.tgKsedgtadIhdpsgmebfkDVkDkStFwimSkguAubbm
rehen Sie sich einmal um und schauen Sie zur Tribüne.or diesen interessierten Menschen muss man wirklicheine Angst haben. Wir sagen aber auch: Mehr direkteemokratie muss gut gemacht sein. Der Antrag der Lin-en wird dem leider nicht gerecht. Deshalb lehnt diePD den Antrag ab.Vielen Dank.
Jetzt hat das Wort Stephan Thomae für die FDP-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für dieDP ist direkte Demokratie kein Teufelszeug. Zunächstill ich deshalb ein paar Worte über das verlieren, wasch an diesem Antrag gut finde.Ich bin der Meinung, dass diese repräsentative parla-entarische Demokratie in der Tat das beste politischeystem ist, das wir in diesem Lande jemals hatten. Manönnte sich deswegen fragen: Wozu brauchen wir ei-entlich direktdemokratische Elemente? Es ist doch einenbequeme Sache, wenn das Volk dauernd mitmischt.ber auch Gutes kann man verbessern, auch Gutes kannnd muss man gelegentlich weiterentwickeln. Deswegenegrüße ich es, dass wir nicht beim Guten stehen blei-en, sondern uns auch Gedanken über Verbesserungenachen wollen.
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Stephan Thomae
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Allerdings bin ich etwas irritiert über den Absenderdieses Antrags; denn ich bringe die Linken sonst nichtmit einem politischen System in Verbindung, in dem dieMeinungsfreiheit Andersdenkender der höchste Wert ist.
Deswegen sollte man einmal genauer hinschauen und ei-nen zweiten Blick wagen.Mir fallen zwei Dinge an Ihrem Antrag auf, weshalbwir Liberale ihn ablehnen werden.Erstens. Wir klagen häufig über eine abnehmendeWahlbeteiligung. Nun kann es bei allgemeinen Wahlenaus systematischen Gründen keine legitimatorische Un-tergrenze geben. Auch wenn sich nur wenige Menschenan einer Wahl beteiligen, bleibt deswegen kein Sitz in ei-nem Gemeinderat, Stadtrat, Landtag oder im Bundestagunbesetzt. Bei Abstimmungen stellt sich hingegen sehrwohl die Frage nach einer legitimatorischen Unter-grenze.
Deswegen gibt es bei Volks- und Bürgerentscheiden mitguten Gründen Quoren. Dabei sollen Eingangsquorennicht zu hoch sein, wodurch der Volksentscheid zur un-erreichbaren Verheißung würde. Sie sollen aber auchnicht zu niedrig sein, wodurch kampagnenfähige Min-derheiten ihre Spezialinteressen sozusagen bei Nachtund Nebel unbemerkt vorbeischmuggeln könnten.Zweitens. Es soll aber auch nicht das genaue Gegen-teil dessen geschehen: Abstimmungen sind naturgemäßreine Mehrheitsentscheidungen. Die Mehrheit majori-siert die Minderheit, auch wenn das Ergebnis noch soknapp ausfallen sollte. 49 Prozent sind eigentlich keinevernachlässigbare Größe; aber sie fallen bei Abstimmun-gen naturgemäß unter den Tisch. Eine Volksabstimmungkennt nur Ja oder Nein, sie kennt nur Sieger oder Verlie-rer.
Minderheitenaspekte, Randaspekte bleiben unberück-sichtigt. Nun sagen Sie zu Recht, das sei hier doch auchder Fall.
Aber bei unseren Abstimmungen – das ist der Unter-schied zur direkten Demokratie – geht die Kunst derKompromissfindung voraus. Das ist, meine ich, derVorzug, den wir hier im Parlament haben.
Wenn man nun diese beiden Schwächen – Minderhei-tenthemen und Minderheitendiktat – kombiniert, dannergibt sich gerade wegen niedriger Quoren das Problemdes Diktats einer Mehrheit, die in Wirklichkeit eine Min-derheit ist. Vor diesem Hintergrund hat das niedrige Ein-gangsquorum im Antrag der Linken vielleicht Kalkül;vwlDVWwWobn–tBtsMtwtBbCrwEpnEdbkkIsswwW
ir wollen nicht nur die parlamentarische Demokratieeiterentwickeln, sondern auch die direkte Demokratie.ir wollen nicht einfach nur entweder parlamentarischeder direkte Demokratie, sondern eine Verknüpfung dereiden, wir wollen ein Ineinandergreifen, eine Verzah-ung.
Herr Kollege Wieland, deswegen enthält unser Koali-ionsvertrag in diesem Punkt Ansätze dazu, wie wir imereich des Petitionswesens eine Form der Volksinitia-ive entwickeln, bei der aber die verantwortliche Ent-cheidung beim Parlament verbleibt. Frau Kolleginast, derzeit führen wir Gespräche mit unserem Koali-ionspartner hierüber, die wir auch zügig voranbringenerden.
Übrigens gibt es auch Vorstufen direkter Demokra-ie, die nicht unbeachtet bleiben sollten. Ich denke zumeispiel an das Modell der Bürgergutachten, wie sie dieeiden Münchener Wissenschaftler Hilmar Sturm undhristian Weilmeier entwickelt haben. Dabei geht es da-um, dass Bürger nach einem Zufallsprinzip ausgewählterden, dann in professionell moderierten Sitzungen aufntscheidungen vorbereitet werden – dabei gibt es Ex-ertenanhörungen, wie wir sie auch im Parlament ken-en –, und dann wird ein Gutachten erstellt, in dem einempfehlung für die Volksvertreter abgegeben wird, dieann eine verantwortliche Entscheidung zu treffen ha-en. Das ist, wie ich finde, ein sehr interessantes Modell.Entscheidend ist für uns Liberale, dass direkte Demo-ratie weder ein Instrument für eine Minderheit seinann, um Mehrheitsverhältnisse auszuhebeln, noch einnstrument für ein Parlament sein kann, sich einer Ent-cheidung zu begeben. Deswegen befürworten wir grund-ätzlich direktdemokratische Elemente. Den Gesetzent-urf der Linken in der heute vorliegenden Form lehnenir aber ab.Ich danke Ihnen.
Für die SPD-Fraktion hat Klaus Hagemann jetzt dasort.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir führen eine schon fast anderthalbstündige
Debatte über den Gesetzentwurf der Linken. Sie haben
dargelegt, dass man von der Politikverdrossenheit der
Menschen ausgehen muss, dass es zu wenig Möglichkei-
ten der politischen Einflussnahme gibt, dass Petitionen
nicht ausreichen. „Zuschauerdemokratie“ ist ein Wort
von Ihnen.
Wir sollten unsere repräsentative Demokratie, wie sie
in über 60 Jahren gewachsen ist und die sich bewährt
hat, nicht schlechtreden; das möchte ich unterstreichen.
Aber – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union,
vielleicht haben Sie zu früh geklatscht –
wir müssen auch die gesellschaftliche Entwicklung se-
hen, so wie meine beiden Kolleginnen Fograscher und
Kolbe das dargelegt haben. Das müssen wir in die Über-
legungen einbeziehen und deswegen auch mehr Bürger-
beteiligung in unser Grundgesetz hineinschreiben.
Dazu fällt mir ein Vorschlag des Landes Rheinland-
Pfalz ein. Dort will man in den nächsten Wochen und Ta-
gen intensiv über eine mehrstufige Bürgerbeteiligung bei
großen Baumaßnahmen diskutieren. Dort will man die
Bürger von Anfang an in die Meinungsbildung und in
die Entscheidung einbeziehen. Ich glaube, damit sind
wir auf dem richtigen Weg.
Auf der Unionsseite war eben von der Dagegen-De-
mokratie die Rede. Ich frage mich: Wie ist das denn in
anderen europäischen Ländern, in denen es Volksabstim-
mungen, Referenden, gibt? Ist das in Frankreich, in Ir-
land, in Dänemark usw. auch eine Dagegen-Demokratie?
Nein!
Wenn wir schon auf die europäische Ebene schauen,
meine Damen und Herren, dann sollten wir auch daran
denken, dass es das europäische Volksbegehren gibt.
Das Europäische Parlament hat sich mit den Stimmen
der Europäischen Volkspartei, also Ihrer Parteifamilie,
Kolleginnen und Kollegen von der Union, für eine stär-
kere Bürgerbeteiligung eingesetzt. Folgen Sie doch dem
Beispiel Ihrer Kollegen in Brüssel!
Ich möchte in meiner Argumentation auch das Peti-
tionsrecht nicht zu kurz kommen lassen, Kollege
Thomae; denn das ist sehr wichtig. Wir haben es ge-
meinsam weiterentwickelt in Richtung einer stärkeren
Bürgerbeteiligung. Wir haben am Montag dieser Woche
wieder erlebt, wie die Menschen vom Petitionsrecht Ge-
brauch machen; ich nenne nur die elektronische Petition
und die öffentliche Petitionsberatung. Hier sind wir auf
einem guten Weg.
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Meine Damen und Herren, wir von der SPD – der An-
rag von 2002 hat es bewiesen – wollen mehr plebeszi-
äre Elemente als Ergänzung der repräsentativen Demo-
ratie auf Bundesebene haben. Warum wir dem Antrag
er Linken nicht zustimmen können, haben meine bei-
en Vorrednerinnen schon wunderbar begründet.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-urf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Grundge-etzes, Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebungn das Grundgesetz. Der Innenausschuss empfiehlt ineiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/3609,en Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke abzulehnen.ir stimmen über den Gesetzentwurf namentlich ab. Ichitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgese-enen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? –as ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimmkarte nicht abgeben konnte? – Ist jetzt noch einitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarteicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dannchließe ich die Abstimmung.
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mitder Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstim-mung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)Wir setzen die Beratungen fort.
– Jetzt würde ich gerne erst einmal die Debatte fortset-zen und bitte die Kolleginnen und Kollegen, die hier im-mer noch in der Mitte stehen, sich zu setzen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-kung des Anlegerschutzes und Verbesserungder Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts
– Drucksache 17/3628 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss ‘RechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzHaushaltsausschussHierzu ist vorgesehen, eine halbe Stunde zu debattie-ren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dannist das so beschlossen.Ich gebe als Erstem das Wort dem Kollegen Parla-mentarischen Staatssekretär Hartmut Koschyk.H
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Die Bundesregierung ist entschlossen, sich international,auf europäischer Ebene, aber auch national dafür einzu-setzen, dass alle Finanzmärkte, alle Finanzmarktakteureund alle Finanzinstrumente einer angemessenen Auf-sicht und Regulierung unterworfen werden. Das hat dieBundeskanzlerin vor und im Rahmen des G-20-Gipfelsnoch einmal deutlich gemacht; denn die Finanzmarkt-krise hat aufgezeigt, dass die Stabilität und Funktionsfä-higkeit der Kapitalmärkte dann gefährdet sind, wenn dasVertrauen der Marktteilnehmer und der Bevölkerung infunktionierende Märkte und ein faires, kundenorientier-tes Finanzdienstleistungsangebot ausgehöhlt wird. Demtragen wir mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzeszur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserungder Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Rechnung.Ein zentrales Anliegen dieses Gesetzesvorhabens istes, einen verbesserten Schutz der Anleger vor Falschbe-ratung zu gewährleisten.
In der Vergangenheit ist der Eindruck entstanden – da-raus müssen wir die Konsequenzen ziehen –, dass beiAnlageberatungen nicht immer das Kundeninteresse,sVlnwGwdledcBDudrBalzwdhgitBAdüDtzimgbeMkdnddbdrtwEßz1) Ergebnis Seite 7905 C
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werden. Damit sollen sachgerechte Anteilspreise ge-währleistet werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, mangelhafte Trans-parenz kann an den Finanzmärkten zu schwerwiegendenMarktverwerfungen und zu unternehmensgefährdendenFehlentwicklungen führen. Die Übernahmefälle VW/Porsche und Continental/Schaeffler haben deutlich ge-macht, dass die bisherigen Meldepflichten im Hinblickauf Beteiligungen an Unternehmen nicht ausreichen, umdie erforderliche Transparenz zu schaffen. Die Nutzungvon Finanzinstrumenten, die keine Meldepflicht auslö-sen, ermöglichte in der Vergangenheit ein unbemerktesAnschleichen an die Unternehmen. Um derartige Fälledes Anschleichens in Zukunft zu verhindern, sieht unserGesetzentwurf die Einführung neuer Meldepflichten fürFinanzinstrumente mit Barausgleich und für Geschäftemit ähnlicher Wirkung, zum Beispiel Wertpapierdarle-hen, vor.Sie sehen: Wichtige Elemente des Anlegerschutzeswerden in diesem Gesetzentwurf aufgegriffen. Ein wich-tiges Vorhaben haben wir vorab umgesetzt: Wir habeneinen Beitrag zur Bekämpfung missbräuchlicher Wert-papiergeschäfte geleistet, indem wir das mit diesem Ge-setzentwurf ursprünglich geplante Verbot ungedeckterLeerverkäufe vorgezogen haben. Hier ist Deutschlandvorausgegangen. Inzwischen folgt uns die EuropäischeKommission mit einem eigenen Vorhaben.
Ich kündige an, dass wir auch das Thema grauer Ka-pitalmarkt anpacken werden. Hierzu befinden wir uns inder Ressortabstimmung. Wir wollen noch in diesem Jahrauch zu diesem wichtigen Sachverhalt einen in der Bun-desregierung abgestimmten Referentenentwurf vorle-gen. Ich bitte um zügige Beratung und Zustimmung zudiesem Gesetzentwurf der Bundesregierung.Herzlichen Dank.
Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Carsten
Sieling.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben erst amSchluss Ihrer Rede auf den politisch wirklich brisantenPunkt hingewiesen. Zuvor haben Sie drei Elemente die-ses Gesetzentwurfs ausführlich benannt: die umgehendeund umfassende Registrierungspflicht, der die Bankenunterworfen sind; das Anschleichen; Produktinforma-tionsblätter. Aber Sie haben uns hier nicht deutlich ge-macht – das will ich gerne herausarbeiten –, dass vondem Referentenentwurf, der ursprünglich mehrere Zenti-meter dick war und der vor allem wichtige Themen be-handelte, nichts übrig geblieben ist.Dsb–mwNwgVucHAsFmcsaeaflBiedIbwebslzksww
as Bestreben, den gesamten grauen Kapitalmarkt bes-er zu regulieren, ist dem Lobbyismus schon in den Vor-eratungen zum Opfer gefallen.
Das muss man so deutlich sagen: Es ist dem Lobbyis-us zum Opfer gefallen. Sie sind mit diesem Gesetzent-urf als Tiger gestartet, und Sie landen als Bettvorleger.
ichts anderes ist das, was Sie hier vorführen.Im ursprünglichen Gesetzentwurf, im Referentenent-urf des Bundesfinanzministers, war natürlich auch vor-esehen, den grauen Kapitalmarkt, vor allem die freienermittler und nicht nur die Banken diesem Gesetz zunterwerfen und damit eine einheitliche und ganzheitli-he Regelung zu treffen. Damit ist Herr Schäuble beierrn Brüderle gescheitert.
n dieser Stelle ist aus politischer Opportunität einchwerer konzeptioneller Fehler gemacht worden. Dieairness im Verbraucherschutz geht baden, der Lobbyis-us blüht. Das ist die Wahrheit, die wir hier sehen.
Ich will Ihnen gerne anhand eines Beispiels verdeutli-hen, dass es andere Möglichkeiten gegeben hätte. Un-ere Grundüberzeugung ist – diese Überzeugung wurdeuch von der Kanzlerin vor der G 20 betont –, dass wirinheitliche Regelungen für alle brauchen. Sie wollenber nur die Beratungen, die den Bankensektor betref-en, regeln, und alles, was den Markt der freien Vermitt-er betrifft, zur Ausnahme erklären. Sie nehmen diesenereich aus dem Kreditwesengesetz heraus und packenhn in die Gewerbeordnung. Damit wird dieses Gesetzin zahnloser Tiger. Das haben die FDP, Brüderle undie entsprechende Lobby zu verantworten.
ch hoffe, dass es an dieser Stelle Änderungen gibt. Ichin sehr auf die Debatte und vor allen Dingen auf dieeiteren Beratungen gespannt.Natürlich wollen wir nicht überbürokratisieren. Abers gab den Vorschlag, das Kreditwesengesetz in der Weiseehutsam auszugestalten – sozusagen ein KWG light zuchaffen –, dass kleine Unternehmen, die im Vermitt-ungsgeschäft tätig sind, anders behandelt werden alsum Beispiel die Deutsche Bank und andere Großban-en. Da gibt es Möglichkeiten. Am Ende des Tages müs-en vor allem der Anleger und der Verbraucher geschützterden. Das ist die politische Herausforderung, vor derir stehen. Sie bieten uns aber nur eine Mogelpackung.
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Dr. Carsten Sieling
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Ich möchte dieses Thema vertiefen; wir haben imFinanzausschuss schon angefangen, darüber zu diskutie-ren. Herr Kollege Flosbach hat sehr ausführlich darge-stellt,
es werde ein einheitliches Recht für Vermittler geschaf-fen, in das Vermittler von Versicherungen einbezogenseien. Wunderbar, kann ich nur sagen. Aber wenn mansich das Ganze etwas genauer anschaut, dann wird manfeststellen, dass schon jetzt 70 bis 80 Prozent der Ver-mittler aus der Aufsicht herausfallen. Vor allem aberwollen Sie die Aufsichtsregelungen in die Gewerbeord-nung packen.In diesem Zusammenhang muss man sich fragen: Werist dann die Aufsicht? Es ist dann nicht mehr die BaFin,sondern es sind die Gewerbeämter. Schauen Sie sich ein-mal die Aufgaben der Gewerbeämter an. Sie kümmernsich um die Gaststättenhygiene und viele andere Dinge.Sie sind außerdem personell unterbesetzt und unterlie-gen in jedem Bundesland anderen Regelungen. Wir be-kommen, was die Aufsicht angeht, einen Flickenteppichund keinen allgemein geltenden Schutz der Anlegerin-nen und Anleger. Das ist das Manko dieses Gesetzent-wurfs.
Dies ist nicht nur die Meinung der Sozialdemokratenund der Opposition insgesamt. Ich bin sehr froh darüber,dass es auch unterstützende Stimmen bis in die Regie-rungsfraktionen hinein gibt. Ich möchte zunächst auf denentsprechenden Bundesratsbeschluss hinweisen. DerBundesrat hat mit Stimmen der CDU-Länder beschlos-sen:Demgegenüber spricht sich der Bundesrat dafüraus, den Grauen Kapitalmarkt angesichts der inhalt-lichen Sachnähe in den Anwendungsbereich desWertpapierhandlungsgesetzes einzubeziehen.
Recht hat er. Meine Damen und Herren, hören Sie alsoauf den Bundesrat!
– Immer dann, wenn der Bundesrat recht hat. Wir sindmit Blick auf die Landtagswahlen in Baden-Württem-berg auf einem sehr guten Wege, Herr Dautzenberg, dasssich die Mehrheit im Bundesrat weiter zu unseren Guns-ten verändert.Frau Merk, die Verbraucherschutzministerin in Bay-ern, sagte ganz ausdrücklich:Daher bin ich überrascht, dass nun offenbar dochdie Gewerbeaufsicht weiterhin für die freien Anla-geberater und -vermittler zuständig sein soll.Sie lehnt diese Regelung ebenfalls ab. Ich kann sie dabeinur unterstützen. Frau Merk, setzen Sie sich durch!Herr Kollege Dautzenberg, Sie haben sich in vorneh-mer und zurückhaltender Weise geäußert.–bDStenDgBkmBtitPkcrSaladtAvmsswhdHdAkv
Ja, das ist Ihre charmante Art. Das freut mich. – Sie ha-en gesagt:Mit einer deutlich erleichterten Aufsicht nach demKreditwesengesetz hätte der Verbraucherschutz imFinanzdienstleistungsbereich deutlich verbessertwerden können.
as ist richtig. Nun geben Sie sich auch einmal Mühe.etzen Sie die bessere Regelung durch! Der graue Kapi-almarkt muss staatlich beaufsichtigt werden. Damit fälltr unter das KWG und unter die Aufsicht der BaFin undicht der Gewerbeämter.
as müssen wir im Laufe der Beratungen erreichen.Zum vorliegenden Gesetzentwurf will ich sagen: Ereht in die richtige Richtung; denn die Befugnisse deraFin sollen ausgeweitet werden. Die BaFin soll in Zu-unft – zumindest für den Bereich der Banken – ein Ver-ittlerregister mit der Möglichkeit zur Aufnahme voneschwerdemeldungen führen. Das führt zu verbesser-en Informationen. Es gibt aber noch gewaltige Mängelm Bereich der Qualifikation des Personals.Solche Mängel sehe ich auch beim Produktinforma-ionsblatt. Die SPD hat Vorschläge gemacht, wie dasroduktinformationsblatt viel konkreter gefasst werdenann. Das brauchen wir; das muss umgesetzt werden.
Lassen Sie mich die offenen Immobilienfonds anspre-hen. Das ist ein weiterer Regelungsbereich, in dem ge-ade angesichts der Verwerfungen der letzten Wochenchritte vorgenommen werden sollten. Ich verweiseuch hier auf ein Votum des Bundesrates: Es ist zu über-egen, wie auf der einen Seite die privaten Anleger unduf der anderen die institutionellen Anleger zu behan-eln sind. Schafe und Wölfe müssen voneinander ge-rennt werden; nur dann bringen wir einen ordentlichennlegerschutz zustande.
Wir stehen vor einem Beratungsverfahren, in demerschiedene Änderungen in Angriff genommen werdenüssen. Ich fordere Sie vor allem auf, dass Sie die Ge-etzgebungsvorhaben, die Sie aus politisch-lobbyisti-chen Gründen künstlich voneinander getrennt haben,ieder zusammenführen, damit Deutschland einen ein-eitlichen Anlegerschutz erhält. Wir brauchen dafür eineeutliche Revision des vorliegenden Gesetzentwurfs.err Brüderle muss zurücktreten. Herr Schäuble hat aner Stelle den richtigen Weg gewählt.
n dieser Stelle möchte ich ihn unterstützen und bestär-en. Ich bin jetzt sehr gespannt, wie Kollege Schäffleron der FDP dieses Thema lobbyistisch darstellen wird.)
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7905
Dr. Carsten Sieling
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Michael Leutert Helmut Brandt Dieter Jasper Nadine Schön
Thomas LutzeDorothee MenznerCornelia MöhringKornelia MöllerWolfgang NeškovićThomas NordPetra PauJens PetermannHeike BrehmerRalph BrinkhausLeo DautzenbergAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannDHSABSVr. Egon Jüttnerans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker KauderMichaela NollDr. Georg NüßleinFranz ObermeierHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferUlla LötzerDr. Gesine LötzschDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunDr. Franz Josef JungAndreas Jung
Dr. Philipp MurmannBernd Neumann
Herzlichen Dank für die Auf
lfgang Thierse:ion zu diesem Tagesord-en Schriftführerinnen undbnis der namentlichenAbGsmsdichard Pitterlevonne Ploetzgrid Remmersaul Schäfer
athrin Senger-Schäferaju Sharmar. Petra Sitteersten Steinkeabine Stüberlexander Süßmairr. Kirsten Tackmannr. Axel Troostlexander Ulrichathrin Vogleralina Wawzyniakarald Weinbergörn WunderlicheinDU/CSUse Aignereter Altmaiereter Aumerorothee Bärhomas Bareißorbert Barthleünter Baumannrnst-Reinhard Beck
anfred Behrens
eronika Bellmannr. Christoph Bergnereter Beyerteffen Bilgerlemens Binningereter Bleserr. Maria Böhmerolfgang Börnsen
olfgang Bosbachorbert Brackmannlaus Brähmigichael BrandIHDDKDMEHAIDNAEMJPDHMMMMOFHDGDMUFRMJAEPCFJATbstimmung zu dem von der Frachten Entwurf eines Geserundgesetzes – Einführung detzgebung in das Grundgesetzen 521. Mit Ja haben gestimmtimmt 400, Enthaltungen 60amit abgelehnt.ngrid Fischbachartwig Fischer
irk Fischer
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
ichael Frieserrich G. Fritzans-Joachim Fuchtellexander Funkngo Gädechensr. Thomas Gebhartorbert Geislois Gerigberhard Giengerichael Glososef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grütterslav Guttinglorian Hahnolger Haibachr. Stephan Harbartherda Hasselfeldtr. Matthias Heiderechthild Heilrsula Heinen-Esserrank Heinrichudolf Henkeichael Hennrichürgen Herrmannnsgar Hevelingrnst Hinskeneter Hintzehristian Hirteranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerhomas JarzombekDREEVJAJDMDHMGDRBDGADKUDPDInMDPDDKDHASDMDDPDMS
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7906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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Sibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche
Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht
Dr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt
Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe Schummer
Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel
Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschEDWWSInRHDDKSBDLKEPDMEGSSPEGDDMIrGAMMWHBKMHRDGPFDCJOJULDNAUCCDSBGCKlisabeth Winkelmeier-Beckerr. Matthias Zimmerolfgang Zöllerilli ZylajewPDgrid Arndt-Brauerainer Arnoldeinz-Joachim Barchmannoris Barnettr. Hans-Peter Bartelslaus Barthelören Bartolärbel Basirk Beckerothar Binding
laus Brandnerdelgard Bulmahnetra Croner. Peter Danckertartin Dörmannlvira Drobinski-Weißarrelt Duinebastian Edathyiegmund Ehrmannetra Ernstbergerlke Fernerabriele Fograscherr. Edgar Frankeagmar Freitagartin Gersteris Gleickeünter Gloserngelika Graf
ichael Groschekichael Großolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannichael Hartmann
ubertus Heil
olf Hempelmannr. Barbara Hendricksabriele Hiller-Ohmetra Hinz
rank Hofmann
r. Eva Höglhristel Hummeosip Juratovicliver Kaczmarekohannes Kahrslrich Kelberars Klingbeilaniela Kolbe
icolette Kresslngelika Krüger-Leißnerte Kumpfhristine Lambrechthristian Lange
r. Karl Lauterbachteffen-Claudio Lemmeurkhard Lischkaabriele Lösekrug-Mölleraren Marksatja MastHPDFDAMTHAHJDMGDDKMAAMWSCOSERSRDSPDCKDFWRDDWMBFCCDFSCNKAEMSHRDPMilde Mattheisetra Merkel
r. Matthias Mierschranz Münteferingr. Rolf Mützenichndrea Nahlesanfred Ninkhomas Oppermannolger Ortelydan Özoğuzeinz Paulaohannes Pflugr. Wilhelm Priesmeierechthild Rawerterold Reichenbachr. Carola Reimannr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
ichael Roth
nton Schaafxel Schäfer
arianne Schieder
erner Schieder
ilvia Schmidt
arsten Schneider
laf Scholzwen Schulz
wald Schurerolf Schwanitztefan Schwartzeita Schwarzelühr-Sutterr. Carsten Sielingonja Steffeneer Steinbrückr. Frank-Walter Steinmeierhristoph Strässererstin Tackr. h. c. Wolfgang Thierseranz Thönnesolfgang Tiefenseeüdiger Veitr. Marlies Volkmerr. Dieter Wiefelspützaltraud Wolff
anfred Zöllmerrigitte ZypriesDPhristian Ahrendthristine Aschenberg-Dugnusaniel Bahr
lorian Bernschneiderebastian Blumenthallaudia Bögelicole Bracht-Bendtlaus Breilngelika Brunkhorstrnst Burgbacherarco Buschmannylvia Canelelga Daubeiner Deutschmannr. Bijan Djir-Saraiatrick Döringechthild DyckmansRJUODHHMDHMEBDHMDPDGDSHPHSHSLCDMDHGPDDHGDDDBFCJMDWJDJDTSFSJDDDDH
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7907
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Handel mit diesen Produkten etwas schwierig ist; denndamit nicht für eine tägliche Veher waren die Anteile der offentäglich veräußerbar. Die damiFristeninkongruenz wurde in dProblem – das stellen wir auchfest –: Es kommt zu zusätzlichesen wir uns als Gesetzgeberkönnen wir dieses Produkt fitmdem wir Haltedauern einführKleinanleger schaffen, sodassdem Fonds herausnehmen könHaltedauer. Ich glaube, das istdieses Produkt für die ZukunftZweitens geht es um die Framenten umzugehen ist, die imUnternehmen – etwa bei VWSchaeffler und Conti – zum Aräußerung geeignet. Bis-en Immobilienfonds abert verbundene sogenannteer Finanzkrise leider zumin der aktuellen Situationn Schließungen. Da müs-Gedanken machen: Wieachen? Wir tun das, in-en und Freibeträge fürsie monatlich Geld ausnen, unabhängig von derein wichtiger Schritt, umfitzumachen.ge, wie mit Finanzinstru-Falle der Übernahme von und Porsche oder beinschleichen genutzt wur-EpuhVrbDhdgfVS
rt, dass freie VermittlerBaFin-Gebühren in fünf-n bezahlen müssen. Dasgehabt, dass die kleinenMarkt verschwunden wä-anken grundsätzlich gutrmittler schlecht beraten., die völlig richtig vorge-nderer. Unser Ansatz ist,Vertrieb einheitlich gere- Zeit nicht geschafft, dengeln. Wer in Deutschlandterliegt einem anderenchlossene Fonds vermit-Immobilien sind schon dem Namen nach immobil undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUlrike HöfkenEnthaltenDIE LINKEDr. Ilja SeifertBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck
Volker Beck
Cornelia BehmBirgitt BenderAlexander BondeViola von Cramon-TaubadelKatja DörnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusWinfried HermannPriska Hinz
Dr. Anton HofreiterIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzKatja KeulSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSOAFSRMUMNAJKBIDOFDWir kommen zurück zur Tagesordnung. Ich erteileKollegen Frank Schäffler für die FDP-Fraktion dasWort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor-liegende Gesetzentwurf behandelt drei Aspekte.Erstens geht es um die offenen Immobilienfonds, alsoum die Frage: Wie können wir die offenen Immobilien-fonds für die Zukunft fitmachen, sodass sie für dieKleinanleger in Deutschland tatsächlich eine attraktiveAnlage darstellen? Die Notwendigkeit, hier Änderungenvorzunehmen, ist sicherlich der Geschichte dieser Pro-dukte geschuldet. Inzwischen wurden 25 Prozent derFonds, gemessen am Anlagevolumen, geschlossenenoder befinden sich in der Abwicklung. Insofern gibt es indiesem Bereich Handlungsbedarf.Der Handlungsbedarf besteht auch deshalb, weil derdKshDiddsbtBFzDfwgbw
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telt. All das ist unterschiedlich geregelt. Wir werden da-für sorgen, dass das Ganze künftig einheitlich geregeltist, dass es einheitliche Mindeststandards, einheitlicheQualifikationsstandards und einheitliche Haftungsvo-raussetzungen in diesem Markt gibt, damit sich dieschwarzen Schafe nicht in den rechtlich weniger regu-lierten Bereich begeben können. Das ist ein ganz wichti-ger Beitrag zum Verbraucherschutz in Deutschland.Letztendlich sollen die schwarzen Schafe vom Marktverschwinden. Das ist das Ziel dieser Koalition.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Sieling?
Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege, Sie ha-
ben wahrscheinlich zur Kenntnis genommen, dass die
Umsetzung des Vorschlags, ein „KWG light“, was die
Gebühren angeht, zu schaffen, nicht dazu geführt hätte,
dass die Kleinen vom Markt verschwunden wären. Ich
bitte Sie, das der Ehrlichkeit halber an dieser Stelle zu
sagen.
Genauso müssen Sie feststellen, dass die Einheitlich-
keit nicht geboten ist. Wird Ihr Vorschlag umgesetzt, gilt
Folgendes: Wenn ich, um eine Anlage zu tätigen, zur
Bank gehe, muss ich nach Recht und Gesetz behandelt
werden. Gehe ich danach zum Vermittler, dann weiß ich
nicht, inwieweit ich noch rechtlichem Schutz unterliege
oder ob ich nur in Gottes Hand bin. Das ist das Problem:
Sie organisieren Uneinheitlichkeit.
Nein, das tun wir nicht. „KWG light“ ist wie „Coca-
Cola light“: Das Produkt verspricht nicht, was es hält.
„KWG light“ ist der falsche Ansatz gewesen.
„KWG light“ hätte ebenfalls dazu geführt, dass bei den
Beratern ganz erhebliche Gebühren entstanden wären.
Außerdem wäre ein Problem aufgetaucht, das Sie in Ih-
rer Regierungszeit nicht gelöst haben: Die freien Ver-
mittler in Deutschland wären der Entschädigungsein-
richtung der Wertpapierhandelsunternehmen unterstellt
worden. In der Folge hätten die freien Vermittler ein De-
fizit von 180 Millionen Euro, das die EdW derzeit vor
sich her schiebt, weil sie den Entschädigungsfall Phoe-
nix Kapitaldienst in Deutschland nicht bewältigen kann,
decken müssen. Sie haben dieses Problem in Ihrer Re-
gierungszeit nicht gelöst. Das ist die Wahrheit.
Wir haben viel dazu beigetragen, dass der Mittelstand
in Deutschland noch seine Existenzberechtigung hat.
Gleichzeitig haben wir dazu beigetragen, einen konsis-
tenten Vermittlermarkt in Deutschland zu schaffen. Da-
durch können nicht nur die Großen überleben; vielmehr
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Deswegen wollen wir einen Finanz-TÜV einrichten, derdie Finanzprodukte vor ihrer Zulassung prüft.
Ein zentrales Problem ist – Kollege Sieling von derSPD hat schon darauf hingewiesen –, dass Ihr Gesetzent-wurf eine völlig unzureichende Regulierung des soge-nannten grauen Kapitalmarkts vorsieht. An dieser Stelleist die Bundesregierung vor der Finanzlobby kompletteingeknickt. Der völlig unregulierte graue Kapitalmarktmuss unserer Auffassung nach einer einheitlichen Fi-nanzaufsicht unterstellt werden. Stattdessen schlagen Sievor, dass die Kontrolle des Vertriebs von Produkten desgrauen Kapitalmarkts der Gewerbeaufsicht unterstelltwird. Die Gewerbeaufsicht überprüft normalerweise dieEinhaltung von Hygienevorschriften in Betrieben unddie Einhaltung des Nichtraucherschutzes. Jetzt soll sieauch für Finanzprodukte zuständig sein. Es sieht dochjeder, dass die Gewerbeaufsicht die falsche Institutionist.
Der Bundesrat hat das verstanden und die Bundesregie-rung aufgefordert, endlich einen Vorschlag zu einer ein-heitlichen Finanzaufsicht vorzulegen.Einer weiteren zentralen Anforderung im Zusammen-hang mit der Regulierung der Finanzmärkte kommt IhrGesetzentwurf nicht nach. Wir müssen den Verbraucher-schutz endlich als wichtige Aufgabe der Finanzaufsichtfestschreiben. Deswegen sagen wir: Wir wollen eineVerbraucherschutzbehörde. Wir wollen, dass die Finanz-märkte von starken Verbraucherverbänden, die alsMarktwächter fungieren, kontrolliert werden.
Auch hinter diesem Anspruch bleibt Ihr Gesetzentwurfmeilenweit zurück.Mit verstreuten Minimaländerungen ist es nicht getan.Sie müssen endlich den Mut aufbringen, die Finanz-märkte verbrauchergerecht zu regulieren. Diesem An-spruch werden Sie mit diesem Gesetzentwurf mit Sicher-heit nicht gerecht.
Das Wort hat nun Nicole Maisch für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DerStaatssekretär hat es am Anfang gesagt: Das Anleger-schutzgesetz sollte die Verbraucherinnen und Verbrau-cher umfassend schützen und verlorenes Anlegerver-trauen zurückbringen. Ich denke, gemessen an diesemVorhaben sind Sie mit diesem Gesetzentwurf gescheitert.Sie scheitern nicht nur an den Anforderungen eines mo-dernen Anlegerschutzes, sondern auch an Ihren eigenenVorgaben aus dem Koalitionsvertag von Schwarz-Gelb.Darin steht:DgTffgslbm2ulSretfgBNgngWgkbscal
ieses Versprechen lösen Sie nicht ein. Sie lassen denrauen Kapitalmarkt in weiten Teilen unreguliert.
ausende Produkte und viele Vermittler, die sogenanntenreien Vermittler, sind von der Regulierung nicht betrof-en. Ich finde, das ist kein fairer Wettbewerb.
Das kritisiert übrigens auch Frau Aigner in der Aus-abe des manager magazins von dieser Woche. Sieagte, sie möchte, dass die BaFin auch für diese Vermitt-er und für diese Produkte zuständig ist.Dieser Gesetzentwurf ist eine Niederlage für den Ver-raucherschutz, aber auch für Ihre Verbraucherschutz-inisterin. Das merkt man am Produktinformationsblatt.009 hat Frau Aigner einen eigenen Entwurf vorgestelltnd folgendermaßen gerühmt:Unser heute vorgestelltes standardisiertes Produkt-informationsblatt ist ein ganz großer Fortschritt fürden Verbraucherschutz.
Das wird leider in diesem Gesetzentwurf nicht einge-öst. Ihr Produktinformationsblatt ist bezüglich Form,truktur und Inhalt weder standardisiert noch transpa-ent. Denn dieses Produktinformationsblatt – das ist derntscheidende Nachteil – wird nur in der Beratungssitua-ion beim Finanzvermittler in der Bank vorgelegt. Jetztrage ich Sie: Wenn ich zehn verschiedene Produkte ver-leichen möchte, muss ich im Zweifelsfall, da nicht jedeank jedes Produkt anbietet, zehn Gespräche führen?
ach diesen zehn Gesprächen habe ich nicht nur un-laublich viel Zeit vertan, sondern im Zweifelsfall auchoch andere Produkte aufgeschwatzt bekommen, die ichar nicht möchte. Ich finde, wenn man Transparenz undettbewerb will, muss man Informationen einfach zu-änglich machen und darf sie nicht verstecken.
Sie haben es in der Diskussion bisher nicht geschafft,larzumachen, inwieweit dieses Produktinformations-latt mit den Regelungen auf europäischer Ebene abge-timmt ist. Ich bin sehr gespannt, ob sich die Verbrau-herinnen und Verbraucher nicht in kurzer Zeit wiedern neue Vorgaben gewöhnen müssen.Wir sagen: Ein Produktinformationsblatt muss bezüg-ich der Form und Reihenfolge der Informationen klar
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Nicole Maisch
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standardisiert sein, damit man auf einen Blick erkennenkann, wie die unterschiedlichen Produkte aufgebautsind. Natürlich müssen die Kosten in Euro und Cent an-gegeben sein. Wir wünschen uns, dass auch ökologischeund soziale Aspekte – diese interessieren mittlerweileimmer mehr Anleger – in diesem Informationsblatt auf-gezeigt werden.
Mich erinnert Ihr Produktinformationsblatt ein biss-chen an das Beratungsprotokoll. Auch das war ein halb-gares Konzept, das im Praxistest bei BaFin und Verbrau-cherverbänden durchgefallen ist. Ich wünsche mir sehr,dass Sie den Gesetzentwurf in den Beratungen nachbes-sern.Ich finde es interessant, wo die Lücken im Gesetzent-wurf sind. Wir haben schon über den grauen Kapital-markt gesprochen. Sie haben zugegeben, dass nochnachzuarbeiten ist. Der Bundesrat und verschiedeneFraktionen dieses Hauses haben Ihnen hierzu Vorschlägegemacht. Wir denken, dass man in den Anhörungen undparlamentarischen Beratungen auch über die Ausgestal-tung der Finanzaufsicht mit Blick auf Verbraucher-schutzaufgaben diskutieren muss.Unsere Vorschläge zu diesen Themen liegen Ihnenvor. Wir wünschen uns, dass Sie diese unvoreingenom-men prüfen. Der Gesetzentwurf hat in einigen Teilenrichtige Ansätze, aber die Lücken sind so groß, dass manunbedingt nacharbeiten muss.
Das Wort hat nun Klaus-Peter Flosbach für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dies ist meines Erachtens eine sehr wichtige Diskussion.
Herr Sieling, ich kann nicht verstehen, dass Sie über-
haupt nicht zum Inhalt des Gesetzentwurfes gesprochen
haben.
Es ist nicht zu begreifen. Wir haben einen solch wichti-
gen Gesetzentwurf vorliegen und müssen uns über die
Inhalte austauschen, und Sie haben ausschließlich über
das Verfahren gesprochen.
In wenigen Wochen werden wir uns über die Themen,
die Sie angesprochen haben, ausführlich unterhalten.
Deswegen verstehe ich Ihr Verhalten überhaupt nicht.
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as Gesetz hatte eine Lücke. Großanleger konnten, ohne
ass ihnen Kosten entstanden, in den Fonds einsteigen
nd aussteigen und ihm so die gesamte Liquidität entzie-
en. Das ist ein Problem, das früher nicht erkannt wor-
en ist, weil die Großanleger erst eingestiegen sind, als
ie Festzinssätze so niedrig waren, dass es für sie inte-
essanter war, in einen solchen Fonds zu investieren.
us diesem Grund sind wir gezwungen, dieses Thema
eute aufzugreifen. Wir müssen dort ansetzen, wo es
ängel im System gibt. Dabei müssen wir nicht die
roßanleger, sondern die Kleinanleger schützen. Das ist
ie Aufgabe des Parlaments.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Schick?
Ja, klar.
Dieses Thema betrifft sowohl den Verbraucherschutzls auch die Finanzpolitik. Wir beide sind übrigens einereinung, während das Verbraucherschutzministeriumeute durch Abwesenheit glänzt.Zu meiner Frage. Sie haben gerade gesagt, plötzlichei bekannt geworden, dass es eine Lücke im Gesetzibt. Können Sie mir erklären, warum die CDU/CSU-raktion diese Gesetzeslücke zum Jahreswechsel 2005/
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Dr. Gerhard Schick
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2006, als in einer ersten Welle eine Reihe von offenenImmobilienfonds geschlossen wurde – diese Gesetzeslü-cke war schon damals sichtbar; sie wurde republikweitthematisiert –,
nicht erkannt hat,
sondern dem Petitum des Branchenverbandes BVI ge-folgt ist und eine konsequente Regulierung unterlassenhat, was uns heute noch Probleme bereitet?
Herr Kollege, wir haben uns schon damals mit diesemThema befasst, aber auch darauf gesetzt, dass die Fehler,die damals erkannt worden sind, vom Markt behobenwerden.
Wir haben erkannt, dass dies nicht der richtige Weg war.Übrigens haben auch die Grünen einen falschen Wegeingeschlagen, als Sie damals einen Antrag, der 30 For-derungen enthielt, eingebracht und vorgeschlagen haben,einen Sicherungsfonds einzurichten. Immobilienfondssind Marktprodukte, deren Wert sich steigern, sich aberauch verringern kann. Da dieses Marktprodukt Risikenund Chancen birgt, macht es keinen Sinn, über die Ein-richtung eines Sicherungsfonds zu sprechen. Wir habeneingesehen, dass in der Vergangenheit Fehler gemachtworden sind. Jetzt gehen wir daran, diese Fehler zu be-seitigen.
– Auf dieses Thema komme ich noch zu sprechen, fallsder Präsident mir zehn Minuten mehr Redezeit gibt.
Wichtig ist: Ein offener Immobilienfonds ist einelangfristige Anlage; das wissen wir. Das war immer sogeplant und soll auch in Zukunft so bleiben. Deshalbwollen wir mehrere Maßnahmen ergreifen.Als erste Maßnahme treffen wir die Regelung, dassmonatlich bis zu 5 000 Euro aus einem solchen Fondsentnommen werden können. Als zweite Maßnahme set-zen wir eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren fest.Wir wollen, dass das „rein in den Fonds“ und „raus ausdem Fonds“ aufhört. Ich glaube, dadurch werden diemeisten Anleger, gerade Großanleger, abgeschreckt.Auch aus Gründen des Verbraucherschutzes ist aller-dings fraglich, ob es richtig ist, von jemandem, der imdritten Jahr seiner Beteiligung Geld entnehmen will, ei-nen zehnprozentigen Abschlag zu verlangen. Wenn dieRegelung getroffen wird, dass beispielsweise jemand,der 30 000 Euro entnehmen will, um sich ein Auto zukmssIfHdhnrSzsdSwWDrogGndDmRFfLWdeDndmFhsssWEsPP
ie Rahmengesetzgebung war in diesem Zeitraum nichtichtig. Schuld ist nicht der Vermittler – ob eine Bankder ein freier Vermittler –, der dieses Produkt vielleichtutgläubig vermittelt hat.Der Anlegerschutz ist ein wichtiger Bestandteil diesesesetzentwurfs. In den nächsten Monaten werden wiroch sehr intensiv über dieses Thema diskutieren; denner Anlegerschutz hat für uns sehr große Bedeutung.as macht dieses Beispiel sehr deutlich. Für offene Im-obilienfonds gibt es übrigens kein Risiko-Chancen-aster, was bei geschlossenen Fonds sonst immer derall ist. Im Prospekt sind also noch Fehler enthalten.Die Anleger müssen wissen: Mit offenen Immobilien-onds können sie einen Verlust erleiden. Auch mit einerebensversicherung können sie einen Verlust erleiden.enn ein Lebensversicherungsvertrag frühzeitig gekün-igt wird, wird möglicherweise überhaupt keine Renditerzielt, sondern man hat einen hohen Verlust gemacht.as kann selbstverständlich auch bei einem geschlosse-en Fonds geschehen. Meine Empfehlung ist deswegen,ass die Produkte im Markt grundsätzlich geprüft seinüssen; denn beim offenen Immobilienfonds liegt derehler beim Produkt und nicht beim Vermittler. Daseißt, alle Produkte, die im Markt sind, müssen geprüftein.Wir brauchen eine Prospektprüfung, und bei ge-chlossenen Fonds brauchen wir meines Erachtens zu-ätzlich beispielsweise noch eine Überprüfung durchirtschaftsprüfer. Folgendes halte ich bei noch stärkererinbeziehung der BaFin für richtig: Eine Fachgruppeollte eine kohärente, systematische Überprüfung dieserrodukte vornehmen, damit keine falschen und „faulen“rodukte in die Märkte kommen. Ich denke, hier ist ein
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Klaus-Peter Flosbach
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wichtiger Ansatzpunkt, und hier können wir auch etwasleisten.
Für die Kunden ist es natürlich auch wichtig, dass sieein Produktinformationsblatt bekommen, das heißt, ver-ständlich über das Produkt informiert werden. Wichtigist natürlich auch, dass hierin die Kosten aufgeführt sind.Die Kosten, die Chancen und vor allen Dingen auch dieRisiken müssen parallel zu jedem Produkt ausgewiesenwerden.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir wollenin Kürze das Vermittlerrecht vereinfachen; der KollegeSchäffler hat darauf hingewiesen. Ich glaube, es istwichtig, dass für Versicherungsprodukte, Investmentpro-dukte und geschlossene Fonds ein einheitliches Rechtbesteht.Frau Kollegin von den Grünen, Sie haben nicht auf alldas hingewiesen, was wir vorhaben.
Wir wollen ein öffentliches Register. In diesem öffentli-chen Register muss stehen, welche Qualifikation derEinzelne hat. Es müssen Qualifikationsüberprüfungenvorgenommen werden.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich bin jetzt fertig, Herr Präsident. – Sie müssen eine
Berufshaftpflichtversicherung haben. Viele werden gar
keine Berufshaftpflichtversicherung bekommen. Des-
halb ist es wichtig, dass wir den Markt einheitlich gestal-
ten. Vor allen Dingen müssen wir dafür sorgen, dass
viele Nebenberufler – –
Herr Kollege, Sie müssen vor allem zum Ende kom-
men.
Das ist der vorletzte Satz. – Wir müssen dafür sorgen,
dass viele Nebenberufler vom Markt verschwinden. Ich
möchte zum Thema Finanzen nicht von Nebenberuflern
beraten werden, genauso wenig, wie ich mich von einem
Nebenberufler operieren lassen möchte.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/3628 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
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18,7 Prozent weniger verdienen als ihre männlichenKollegen.Deswegen hat die Bundesregierung mit dem Instru-ment Logib-D ein Instrument für Unternehmen zur Be-seitigung des Verdienstunterschiedes von Frauen undMännern entwickelt. Mit diesem Instrument können wirdie Ursachen dafür erkennen und betriebliche Lösungenfür eine faire Bezahlung entwickeln.Ich denke, wir alle hier sind einer Meinung, dass einederartige Lohnlücke einem modernen Land wieDeutschland nicht gut zu Gesicht steht.Der zweite wichtige Punkt für unsere Koalition undbesonders auch für meine Fraktion ist natürlich, dass eseinen viel zu geringen Anteil von Frauen in Führungspo-sitionen gibt.Zwischen der Bundesregierung und den Spitzenver-bänden der Wirtschaft gab es bereits 2001 eine Vereinba-rung zur Erhöhung des Frauenanteils auf Chefpositio-nen. Das war 2001; jetzt sind wir im Jahre 2010. Wennman sich einmal anschaut, was von 2001 bis 2010 pas-siert ist, dann kann man höflich sagen: wenig.
Andere würden vielleicht sagen: gar nichts. Deswegenliegt Deutschland hinsichtlich des Anteils der Frauen anFührungskräften in der Privatwirtschaft unter dem EU-Durchschnitt an elfter Stelle. Im Jahr 2009 betrug derAnteil im Topmanagement der DAX-Unternehmen nur0,6 Prozent. Das entspricht bei derzeit knapp 200 Vor-ständen von DAX-Unternehmen vier Frauen; ab Märzwerden es wunderbarerweise fünf sein. Bei den Auf-sichtsräten liegt der Anteil bei 12,8 Prozent; davon sindfast drei Viertel Vertreterinnen der Arbeitnehmerseite.Das ist in meinen Augen sehr beschämend.Beschämend ist das vor allem, wenn man sich andereZahlen zu Gemüte führt: 51 Prozent der Hochschulab-solventen und 41 Prozent der Promoventen in diesemLande sind weiblich. Daran sieht man, dass es eine ekla-tante Lücke gibt, die schleunigst geschlossen werdenmuss.
Für uns ist es nicht nachvollziehbar, dass gut ausge-bildete, motivierte Frauen nicht im gleichen Stil Verant-wortung übertragen bekommen wie Männer. Zudem istFakt: Frauen nicht zu fördern, ist volkswirtschaftlicherUnsinn. Auf diesen Talentpool zu verzichten, ist insbe-sondere für die Unternehmen selbst irrational. Deshalbsieht unser Koalitionsvertrag auch einen Stufenplan zurErhöhung des Frauenanteils in Vorständen und Füh-rungspositionen vor.Ich möchte nicht verhehlen, dass auch in unsererFraktion über eine Frauenquote beispielsweise in Auf-sichtsräten diskutiert wird. Die Gruppe der Frauen derCDU/CSU-Bundestagsfraktion hat hierzu einen Be-schluss gefasst. – Herr Präsident, wenn Sie vielleichtnicht die ganze Zeit reden würden, wäre das ganz lieb.Danke schön. – Dieser Beschluss lautet, dass alle mitbe-sSadnF2srhn–cQBSwtkoBhsQuvnhsanMVbwFaiwtEhwaüPdsLhwa
elbst wenn irgendein unabhängiges Institut feststellenürde, dass die zehn Besten, die man in einem bestimm-en Bereich haben könnte, alle aus einem Bundeslandommen – ich sage jetzt einmal: alle zehn aus Hessender aus Nordrhein-Westfalen; ich habe jetzt extra nichtayern gesagt, weil logisch ist, dass da die zehn Bestenerkämen –, würden sicherlich auch alle anderenchreien: Wir müssen vertreten sein! – Die Keule desualitätsverlusts wird immer nur herausgeholt, wenn esm Frauen geht.Ich schließe mich an dieser Stelle Herrn Sattelbergeron der Deutschen Telekom, dem ersten DAX-Unter-ehmen, das eine verbindliche Frauenquote eingeführtat, an. Denn auch er – und das freut mich natürlich be-onders –, ein Mann mit langjähriger Berufserfahrung,ntwortet auf die Frage, woran es liegt, dass Frauen we-ig Chancen haben, dass die Bestenauswahl häufig einythos ist: Faktoren wie Hausmacht, Treuebonus,itamin B und Seilschaften sind oft ebenso starke Steig-ügel auf dem Weg nach oben. Das wissen alle, und dasird von Männern problemlos akzeptiert. Wenn aberrauen an die Macht wollen, wird die Keule der Besten-uswahl hervorgeholt.Deswegen sage ich auch: Wenn der Anteil von Frauenn Führungspositionen weiterhin in dem Tempo erhöhtird wie bisher, werden wir auf eine gesetzliche Initia-ive nicht verzichten können. Im Übrigen werden wir dieffektivität des Bundesgleichstellungsgesetzes dahin ge-end bewerten, ob und wie Teilzeitkräfte unterstützterden. Auch in Teilzeit muss es Frauen – und natürlichuch Männern – möglich sein, Führungspositionen zubernehmen. Gerne wird dagegen ins Feld geführt, dassräsenz in Leitungspositionen sehr wichtig ist. Ichenke, wir sind uns einig – zumindest diejenigen, dieich intensiv damit beschäftigen –, dass wir in diesemande einer sehr übertriebenen Anwesenheitskultur an-ängen, von der wir uns verabschieden müssen; dasürde meines Erachtens nicht nur den Müttern, sondernuch den Vätern sehr stark entgegenkommen.
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7914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Dorothee Bär
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Durch unsere modernen Kommunikationsmittel ist esnicht mehr in der Weise wie früher notwendig, ständigvor Ort präsent zu sein.Auch das Besetzen einer Stelle mit zwei Führungs-kräften ist eine Option und wird meiner Meinung nachviel zu selten genutzt. Deswegen brauchen wir flexiblereArbeitszeitmodelle. Sie sind ein Schlüssel, um die bes-sere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch vonFamilie und Karriere zu gewährleisten.Einige Ansätze in den Anträgen gehen in die richtigeRichtung. Wir wollen aber mehr. Deswegen lehnen wirsie ab.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Christel Humme für die SPD-Frak-
tion.
Frau Bär, schön analysiert. Wir fragen uns aber alsOpposition, was die Regierung tatsächlich macht.
In einem Interview ist diese Woche von der Frauen-ministerin etwas Erstaunliches zu lesen. Sie sagt darin,sie halte von Feminismus nichts, gibt aber gleichzeitigzu, dass es ohne den Feminismus keine FrauenministerinSchröder gäbe.
Herzlichen Glückwunsch, Frau Ministerin. Sie istheute Nachmittag nicht anwesend; ich weiß nicht, wo sieist. Errungenschaften in Anspruch zu nehmen, aber keinWort der Würdigung der Erfolge einer breiten Frauenbe-wegung: Ich denke, das ist ein Armutszeugnis für eineFrauenministerin.
Die Ministerin hat Politik- und Sozialwissenschaftenstudiert, wie man nachlesen kann,
aber das Kapitel politische Frauenbewegung offensicht-lich überschlagen oder den Begriff des Feminismusfalsch verstanden. Darum gestatten Sie mir, eine kleineNachhilfe zu geben und etwas zu zitieren, das man in je-dem Lexikon nachlesen kann:Feminismus bezeichnet den Einsatz und das Enga-gement für die soziale, politische und ökonomischeGleichstellung der Frauen und das mit dem Ziel derBefreiung aus Rollenzwängen und Stereotypen.DSFbMnMEnunGwdtamulVkFzbDtGvzdlsWgS
Was aber tut sie? Mit ihrer Parole „Jetzt sind Männerran“ schüttet sie Öl ins Feuer. Sie verstärkt alte Ressen-iments und Vorurteile und spielt Männer gegen Frauenus. Das haben wir mit Gender Mainstreaming nicht ge-eint.
In der Vergangenheit gab es in der Tat Fortschritte,nter Rot-Grün zum Beispiel mit dem Bundesgleichstel-ungsgesetz und dem Recht auf Teilzeit für Mütter undäter, damit sie in der Elternzeit beide ihr Kind erziehenönnen. Es gab sogar trotz starker Kritik aus der CSUortschritte in der Großen Koalition – auch das ist nichtu verhehlen –, und zwar mit dem Allgemeinen Gleich-ehandlungsgesetz, dem Ausbau der Betreuung für unterreijährige und dem unter Rot-Grün entwickelten El-erngeld.Aber wo stehen wir heute nach einem Jahr Schwarz-elb? Die Ministerin bezeichnet sich selbst als konser-ativ und sagt – ich zitiere –:Für mich bedeutet Konservatismus, die Realität zuakzeptieren … Wir erkennen an, dass es Unter-schiede gibt, auch zwischen Mann und Frau.
Welche politischen Konsequenzen sollen wir darausiehen? Ist alles gut so, wie es ist? Will die Ministerinie Hände in den Schoß legen?Ihr Stillstand ist ein Rückschritt für die Gleichstel-ung, und zwar für Frauen und Männer. Das ist nicht un-er Ansatz.
ir wollen, dass es mit der Gleichstellung schnellereht, Frau Bär. Sie wollen das offensichtlich auch, aberie tun nichts.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7915
Christel Humme
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Wir haben heute ein umfassendes Konzept für den Ar-beitsmarkt vorgelegt. Wir wollen nicht länger hinneh-men, dass Frauen kaum in Führungspositionen zu findensind und dass ihre Karrierechancen eingeschränkt sind,und zwar nicht nur, weil sie Kinder haben, sondern auchdeshalb, weil sie potenziell Mütter werden können.Wir wollen aber auch nicht hinnehmen – das habenSie Gott sei Dank auch gesagt, Frau Bär –, dass dieLohnlücke immer größer wird. Der eigentliche Skandaldabei ist, dass 13 Prozent dieser Lohnlücke allein auf dieDiskriminierung wegen des Geschlechts zurückzuführensind. Ich glaube, das können wir nicht länger hinneh-men.
Deshalb fragen wir uns, was die Frauenministerin– und das betrifft leider genauso die Kanzlerin – eigent-lich macht.
Sie rät den Frauen, sie sollten ihr Gehalt besser einfor-dern und weniger bescheiden sein. Sie sagt, die Frauensollen selbstbewusster und tougher werden. Aber was tutsie damit? Sie gibt den Frauen die Schuld an der unge-rechten Bezahlung.
– Ja, Eigenverantwortung. – „Helft euch selbst, ich tuees nicht“, ist ihre Botschaft. Das ist nicht unser Ansatz.Wir stehen an der Seite der benachteiligten Frauenund fordern unter anderem – da sind wir weiter als Sie,Frau Bär – eine gesetzlich festgelegte Quote für Vor-stände und Aufsichtsräte, ein Entgeltgleichheitsgesetz,das Lohndiskriminierung wirksam verhindert. Es stündeder Ministerin gut an, sich mit uns zusammen dafür starkzu machen. Aber dafür müsste sie selbst erst einmalselbstbewusster und tougher werden.Danke schön.
Das Wort hat nun Kollegin Nicole Bracht-Bendt für
die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! In der Beschreibung der Situationvon Frauen im Beruf enthält sowohl der Antrag derSPD-Fraktion als auch der Antrag der Linken viele Aus-sshuLBvAtrBFwgroisKRpbFgldDdbsDSlvsrzsitNr
ber, liebe Kollegin Humme, warum hat die SPD-Frak-ion die Entgeltgleichheit nicht während ihrer Regie-ungszeit durchgesetzt?
ereits damals lag der durchschnittliche Verdienst vonrauen 23 Prozent unter dem Gehalt der Männer – genauie heute.Auch bei den Ursachen hat sich nichts Wesentlicheseändert. Viele junge Frauen entschieden sich schon wäh-end Ihrer Regierungszeit für schlecht bezahlte Berufehne große Chancen auf berufliches Weiterkommen. Est keineswegs neu, dass Auszeiten vom Beruf diearriere abbremsen und sich dies natürlich auch auf dieente auswirkt. Daran hat sich seitdem nichts geändert.
In der Opposition wollen Sie nun mit der Brechstangeer Gesetz die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsle-en durchsetzen, und zwar mit einem riesigen Paket anorderungen, vom enormen bürokratischen Aufwandanz zu schweigen.
Die Fraktion Die Linke tut so, als habe die christlich-iberale Bundesregierung bisher nichts getan, außer anie Selbstverpflichtung der Unternehmen zu appellieren.ie Linken verweisen auf den Fall Schlecker, weil iniesem Unternehmen viele Frauen beschäftigt sind, undehaupten, dass Dumpinglöhne durch radikale Lohn-enkungen sogar noch weiter abgesenkt werden sollen.as ist unverschämt.Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke,ie wissen genau, dass die Bundesregierung diesbezüg-ich längst tätig geworden ist. Der Referentenentwurfom 2. September 2010 sieht klare Regelungen vor, dassolche Praktiken verboten werden. Die christlich-libe-ale Koalition hat schon im ersten Jahr ihrer Regierungs-eit einen Antrag zu wichtigen Schritten in der Gleich-tellungspolitik vorgelegt.Wir sind davon überzeugt, dass wir die Männer mitns Boot nehmen müssen. Dazu gehört, dass wir Stereo-ypen aufbrechen.
iemand schaut eine Frau schief an, wenn sie Ingenieu-in oder Erzieherin wird. Ein Mann als Erzieher in der
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7916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Nicole Bracht-Bendt
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Kita muss hingegen nach wie vor um Anerkennungkämpfen. Deshalb hat die Bundesregierung zum Beispielein Programm zur Förderung von Männern in Kitas auf-gelegt.
– Frau Humme, Sie müssten einmal den Bericht genaulesen, der zusammen mit diesem Programm vorgelegtwurde. Dann sehen Sie, dass der Gehaltsunterschiedzwischen einem Kfz-Mechaniker und einem Erziehernur gering ist. Daran liegt es also nicht.
Die von Ihnen geforderte gesetzliche Frauenquotevon mindestens 40 Prozent in Vorständen und Aufsichts-räten ist mit uns Liberalen nicht zu machen. Wir lehnenes ab, die Unternehmen zu bevormunden und ihnen perGesetz vorzuschreiben, wie sie ihre Posten zu besetzenhaben.Wenn Sie immer wieder auf Norwegen als Vorzeige-land verweisen,
verschweigen Sie, dass dort viele kleine Unternehmenihre Statuten geändert haben, um den strengen Regelun-gen zu entgehen.Sie ignorieren auch, dass die Mehrheit der Bevölke-rung gesetzliche Quoten ablehnt;
Befragungen zeigen das immer wieder. In der Debattezur Einführung einer Frauenquote während des jüngstenCSU-Parteitages waren es vor allem die jungen Frauen– also diejenigen, die es am meisten betrifft –, die sich infeurigen Reden vehement gegen die Quote aussprachen.Die FDP-Fraktion verschließt nicht die Augen davor,dass der Anteil von Frauen in leitenden Positionen derWirtschaft immer noch verschwindend gering ist.Je größer das Unternehmen, desto weniger Frauen inder Chefetage. Dass die Gehaltsunterschiede zwischenMännern und Frauen in der obersten Ebene am größtensind, ist ein Skandal. Wir brauchen unbedingt Transpa-renz bei den Gehältern. Die FDP-Bundestagsfraktionsetzt auf Logib-D-Verfahren. Das schafft Transparenzund macht sensibel für ungleiche Behandlung. Aus Ima-gegründen werden sich Unternehmen überlegen müssen,ob sie es sich leisten können, öffentlich als frauenfeind-lich zu gelten. Leistung muss sich lohnen, für Frauen ge-nauso wie für Männer.Unternehmen sollten darüber hinaus mehr tun. DieTelekom hat es uns vorgemacht. Es ist nicht nur dieselbstverordnete Quote, die mich freut; die Telekom hatvielmehr ein ganzes Paket an karrierefördernden Maß-nahmen für Frauen ergriffen. So hat das Unternehmenein Konzept erarbeitet, wie es als Arbeitgeber mit Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern in Kontakt bleibt, wenn siezur Kinderbetreuung aussetzen. Gleichzeitig werdenFbUEdmcsdSfbsJcdcbuVsüKdaFvituBdJGsUsunHngedKMaDM
Auch flexible Arbeitszeitmodelle gehören dazu. Kin-ererziehung und die Pflege von alten Menschen ist auchache von Männern. Wir brauchen eine gezielte Frauen-örderung, und die darf nicht erst im Erwachsenenlebeneginnen. Schon in der Schule müssen Mädchen lernen,elbstbewusst für ihre Rechte einzutreten. Mädchen wieungen müssen wissen, dass Hausarbeit nicht allein Sa-he der Frauen ist. Eine Studie des DIW Berlin zeigt ein-rucksvoll, dass die Lohnkluft nicht nur in unterschiedli-her Qualifikation, Berufswahl und Berufserfahrungegründet ist; ein weiterer Faktor bei den Einkommens-nterschieden ist nämlich das Ausmaß der Hausarbeit.ollzeitbeschäftigte Männer mähen am Wochenendechon einmal den Rasen, vollzeitbeschäftigte Frauenbernehmen, ohne zu murren, täglich Wischmopp undochlöffel.Einkommen und Karriere müssen zurückstehen, wennie Flexibilität für berufliche Termine oder Überstundenufgrund der häuslichen Tätigkeit fehlt. Für die FDP-raktion steht außer Frage, dass die Gleichbehandlungon Frauen im Berufsleben überfällig ist. Das möchtech ausdrücklich betonen. Die christlich-liberale Koali-ion hat mit ihrem Antrag bereits viele Schritte hierzunternommen. Ich verweise auf den Ressortbericht derundesregierung mit dem Titel „Verringerung des Ver-ienstabstandes zwischen Männern und Frauen“ vomuni 2010. Er enthält wichtige Erkenntnisse über dieründe für die ungerechten Lohn- und Gehaltsunter-chiede. Da heißt es zum Beispiel, dass die Dauer dernterbrechung des Erwerbslebens eine besondere Rollepielt. Laut Studien senke eine sechsmonatige Erwerbs-nterbrechung den Lohn um 9 Prozent. Bleibe eine Frauach Ablauf der Elternzeit ein weiteres halbes Jahr zuause bei ihrem Kind, erhöhe dies die Lohneinbuße umochmals 15 Prozent. – Das müssen wir den Frauen sa-en.Die Wirtschaft braucht mehr Frauen. Es liegt in ihremigenen Interesse, moderne Arbeitsmöglichkeiten wieas Homeoffice anzubieten.
indertagesstätten und flexible Arbeitsbedingungen fürütter und Väter sind Bausteine auf dem Weg zu einemusgewogenen Verhältnis der Geschlechter im Beruf.azu ist ein neues Rollenverständnis nötig, nicht nur deränner, sondern auch der Frauen selbst.Ganz herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7917
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Das Wort hat nun Cornelia Möhring für die Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Gleichstellung ist ein sehr großes Thema. Das haben wirin den vorherigen Reden gehört. Dazu gehört vieles. Ichwerde mich aus diesem Grund auf das Thema Entgelt-gleichheit beschränken. Eines möchte ich vorwegschi-cken: Frau Schröder ist heute nicht da. Ich denke, dieUnion hat ein ernsthaftes Personalproblem.
Es kann nicht angehen, dass sich jemand Frauenministe-rin nennen darf, obwohl sie solch einen Blödsinn erzählt.
– Nein, das betrifft nicht Dr. Kues. Er ist da. Sie könnenFrau Schröder gern berichten, Herr Dr. Kues, welcheRatschläge wir ihr geben. Vielleicht wäre es hilfreich,wenn sie sie befolgt. – Frau Schröder hat letzte Wochezum Beispiel behauptet, dass die Lohnungerechtigkeitunter anderem darin begründet sei, dass sich Frauen nuneinmal die schlechter bezahlten Berufe aussuchen. Ichfinde, das ist ein Schlag ins Gesicht der Frauen, die sichTag für Tag abrackern und Kinder erziehen, die abertrotzdem nicht genug zum Leben verdienen und keineauskömmliche Rente erwirtschaften. Es ist eine Unge-heuerlichkeit, so etwas als Familienministerin zu be-haupten.Liebe Frau Kollegin Bracht-Bendt, dem Ruf nach Ei-genverantwortung kann man dann am besten nachkom-men, wenn man mit einem Geldschein im Mund geborenist.
Denn jene, die wirklich nicht die Voraussetzungen habenund denen dieses Land diese Voraussetzungen nicht bie-tet, haben es tatsächlich schwer, eigenverantwortlich zumehr Lohn zu gelangen. Ich vermute, dass Frau Schröder,wie auch andere in diesem Hohen Hause, tatsächlichkeine Vorstellung davon hat, wie sich Frauen fühlen undwie das reale Leben aussieht. Aber vielleicht versuchenwir einmal gemeinsam einen Perspektivwechsel.Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Kind bekommen– die Entscheidung war sicherlich nicht einfach –, unddann haben Sie keinen Kitaplatz bekommen – das istdurchaus im Rahmen des Üblichen –; aber nun wollenSie zurück an einen Arbeitsplatz. Aber Sie bekommenkeinen vernünftig bezahlten neuen Arbeitsplatz.Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Anfang 40, gehenzur Arge und Ihnen wird mitgeteilt, dass Sie schon zu altseien. Stellen Sie sich vor, Sie sind alleinerziehend undmüssen Ihre Familie und sich selber mit Minijobs undTeilzeit über Wasser halten. – Ich habe den Eindruck,dass Sie sich das nicht vorstellen können.–lPdbefewditafdmnunßPaDwbdtuLnAlFjduufm
Nein, das können sie nicht. Aber mangelndes Vorstel-ungsvermögen ist keine Entschuldigung für schlechteolitik.
Wie könnten wir auf einfachem Wege die Situationieser Frauen und zigtausend anderer Arbeitnehmer ver-essern? Wir könnten es zum Beispiel tun, indem wirinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ein-ührten. Lohndumping und Armut trotz Arbeit gehörenndlich abgeschafft.
Genauso ungeheuerlich ist es, dass in unserem Land,ie schon erwähnt, die meisten Frauen immer nochurchschnittlich ein Viertel weniger Lohn erhalten alshre Kollegen, und das sogar, wenn sie exakt das Gleicheun, mit der gleichen Ausbildung, mit den gleichen Ver-ntwortungsbereichen. Auch die ungleiche Bezahlungür gleichwertige Arbeiten gehört auf den Müllhaufener Politik.Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen; denn wennan nur Zahlenspiele macht, ist das vielleicht wenigerachvollziehbar.Eine Frau, die in öffentlichen Verwaltungen Räumend Toiletten saubermacht, bekommt mehrere Euro we-iger die Stunde als ein Mann, der für die Pflege der Au-enanlagen zuständig ist. Ich frage Sie: Warum ist dasutzen öffentlicher Klos eigentlich geringer zu bewertenls das Abkratzen von Kaugummis von Parkbänken?
as ist völlig unsinnig.Eine Frau, die mit Hochschulabschluss in einer Ver-altung zum Beispiel als Gleichstellungsbeauftragte ar-eitet, wird um zwei Tarifgruppen schlechter bezahlt alsie Bereichsleiter, die mit der gleichen Qualifikationeilweise sogar weniger Verantwortung übernehmen.Der Leiter einer Kfz-Werkstatt mit fünf Facharbeiternnd Facharbeiterinnen erhält deutlich mehr Lohn als dieeiterin einer Küche mit ebenso vielen Facharbeiterin-en und Facharbeitern.Eine Erzieherin bekommt nach vier bis fünf Jahrenusbildung – das hängt davon ab, ob sie Abi oder Mitt-ere Reife hat – ein paar Hundert Euro weniger als deracharbeiter nach drei Jahren Ausbildung. – Ich könnteetzt noch ganz viel Beispiele aufführen.Das ist doch nicht nachvollziehbar. Der Grund bestehtarin, dass Arbeit in diesem Land dann gering geschätztnd schlecht oder gar nicht bezahlt wird, wenn es sichm das Wohl der Menschen und nicht um die Extrapro-ite dreht, die Sie für Ihre Lobby realisieren wollen. Dasuss sich ändern. Pflegerische und sorgende Arbeit darf
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7918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Cornelia Möhring
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nicht länger weniger wert sein und muss dringend aufge-wertet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht der Links-fraktion müssen auch deutlich bessere rechtliche Voraus-setzungen geschaffen werden, damit die Entgeltgleich-heit durchgesetzt werden kann. Dazu liegt Ihnen unserAntrag vor. Bisher müssen Betroffene in Einzelklagensehr mühselig gegen Ungerechtigkeiten dieser Art vor-gehen. Das dauert viele Jahre und verschlingt viel Geld.Aus diesem Grunde fordern wir eine Erweiterung derbetrieblichen Mitbestimmung sowie die Änderung desBetriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertre-tungsrechts. Zudem muss es durch einen Ausbau des so-genannten Verbandsklagerechts ermöglicht werden, dassauch Vereine, Verbände und Gewerkschaften kollektivklagen können.Doch das allein reicht immer noch nicht aus. Die zu-nehmenden Lohnunterschiede zwischen den Geschlech-tern zeigen deutlich: Die Arbeitswelt muss sich grundle-gend ändern – nicht nur für Frauen, sondern auch fürMänner.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun
Monika Lazar das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Noch nie war eine Frauengeneration in Deutschland sogut ausgebildet wie heute. Meine Vorrednerinnen sindschon mehrfach darauf eingegangen. Dennoch sind sie– nicht unsere Kolleginnen, sondern die Frauen, die au-ßerhalb des Bundestages arbeiten – im Arbeitsleben wei-ter benachteiligt. Die dritte Bilanz der Vereinbarung zwi-schen der Bundesregierung und der Wirtschaft zurFörderung der Chancengleichheit von Frauen und Män-nern macht deutlich, dass es in den vergangenen Jahrenkeinen nennenswerten gesellschaftspolitischen undgleichstellungspolitischen Fortschritt gegeben hat. DerUntätigkeit der schwarz-gelben Bundesregierung kön-nen wir nicht weiter zusehen. Es sind zwar, insbesonderevon Frau Bär, schon Ankündigungen gemacht worden,aber wir warten immer noch auf die konkreten Maßnah-men.Wir fordern eine Vielzahl konkreter Maßnahmen zurSchaffung von echter Chancengerechtigkeit im Arbeits-leben. So sollen – um nur einige Punkte zu nennen –Unternehmen regelmäßig geschlechterspezifische Perso-nalstatistiken erstellen, die Gehaltsstrukturen und Posi-tionen transparent machen sowie einen Gleichstellungs-beauftragen beschäftigen.Natürlich halten wir an der Forderung nach einerFrauenquote in der Wirtschaft fest. Wir fordern einenFrauenanteil von mindestens 40 Prozent in Aufsichtsrä-ten börsennotierter Unternehmen bis 2017; denn wirkzvwDnMgbAauMdisdcgebgPndudsDböahsshkdes„k
Wir fordern ein Gleichstellungsgesetz für die Privat-irtschaft; denn im Durchschnitt erhalten Frauen ineutschland 23 Prozent weniger Lohn – und das nichtur deshalb, weil Frauen lieber brotlose Germanistik undänner Elektrotechnik studieren, wie die Ministerinerne argumentiert; auch bei vergleichbarer Tätigkeitekommen Frauen rund ein Viertel weniger als Männer.Wir wollen daher ein echtes Verbandsklagerecht imntidiskriminierungsgesetz, die geschlechtergerechte Über-rbeitung der Eingruppierungskritierien der Tarifverträgend die Einführung von Mindestlöhnen. Gerade dieindestlöhne würden Frauen sehr stark zugutekommen;enn nur 43 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeitenn Vollzeit; der Rest ist im Teilzeit- und Niedriglohn-ektor beschäftigt.Hinzu kommt, dass viele Frauen aufgrund von Kin-erbetreuung oder Pflege von Angehörigen unterbro-hene Erwerbsbiografien aufweisen. Dies wirkt sich ne-ativ auf die Einkommenshöhe aus. Wir brauchen daherinen Ausbau der Zahl der Kinderbetreuungsplätze, ins-esondere für die unter Dreijährigen; denn daran man-elt es in unserem Land noch gravierend. Auch dieflege muss einen größeren Stellenwert erhalten.Ich verstehe die Gleichstellung von Frauen und Män-ern als eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Wir wollen,ass Frauen und Männer auf Augenhöhe miteinandermgehen. Gleiche Chancen und gleiche Rechte gehörenazu. Der Weg hin zu einer geschlechtergerechten Ge-ellschaft ist noch lang und fordert uns allen etwas ab.ie Abkehr von der traditionellen Geschlechterordnungringt aber auch neue Chancen und Perspektiven; sie er-ffnet Freiräume, Wahlmöglichkeiten und die Chanceuf mehr Selbstbestimmung für Frauen und für Männer.Ministerin Schröder hinkt der Zeit weiterhin hinter-er. Erst musste sie sich von der Telekom vorführen las-en, die als erstes – und bisher leider einziges – deut-ches DAX-Unternehmen eine Frauenquote eingeführtat, und dann hat sich selbst die CSU nach langen Dis-ussionen für eine parteiinterne Frauenquote entschie-en; zwar nicht auf allen Ebenen, aber ein Fortschritt ists immerhin.Selbst Maria Böhmer, Vorsitzende der Frauen Union,agte in der gestrigen Ausgabe der Welt zum ThemaFrauenquote in der Wirtschaft“ – ich zitiere –:Wir brauchen solche Instrumente. Die Wirtschaftmuss wissen, dass die Quote kommt, wenn der An-teil der Frauen in Führungspositionen nicht raschsteigt. Wir wollen erreichen, dass zeitnah mindes-tens ein Drittel der Aufsichtsratsposten an Frauengeht. Längerfristig streben wir einen Anteil von40 Prozent an.Das alles ist sehr schön. Aber wo bleiben bitte dieonkreten Vorschläge?
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Monika Lazar
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Diese Aussage müsste der Ministerin wirklich zu den-ken geben, aber nein: Ihr Patentrezept besteht weiterhinaus Unverbindlichkeit und warmen Worten. FrauSchröder sagte in ihrem unsäglichen Spiegel-Interviewin dieser Woche: Wenn die Quote eingeführt wird, hatdie Politik versagt. – Ja, die Politik hat versagt; denn jah-relang hat es außer freiwilligen Selbstverpflichtungennichts gegeben. Das müssen auch die Koalitionsfraktio-nen endlich zur Kenntnis nehmen; sie dürfen die Augennicht vor der Realität verschließen.
– Ich habe mich in meinen vorherigen Reden immerselbstkritisch geäußert. Lesen Sie das bitte nach! Wirmüssen gemeinsam handeln. Wenn sich die Frauen in al-len Fraktionen einig sind, dann müssen wir, was zumin-dest Ihre Koalition angeht, nur noch die Männer über-zeugen. Aber, wie gesagt: Passiert ist nichts. Vielleichtschaffen wir es gemeinsam in dieser Wahlperiode.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, IhrAntrag ist gut. Viele Forderungen decken sich mit unse-ren Forderungen. Ich würde mich freuen, wenn wir beider Frage der Quote für die Aufsichtsräte in zwei Wo-chen, wenn unser Gesetzentwurf ins Plenum eingebrachtwird, gemeinsam streiten.
Die Ministerin hat wieder eine Studie angekündigt,um herauszufinden, warum Frauen nicht in Führungspo-sitionen gelangen. Für mich ist das Verschwendung vonSteuergeldern.
Wir wissen, woran es liegt. Nicht zuletzt das Haus vonMinisterin Schröder hat für Unsummen bereits zahlrei-che Studien anfertigen lassen. Gerade im Frühjahr diesesJahres wurde die von ihrem Haus finanzierte Studie zurgläsernen Decke vorgestellt.Wir wissen: Es greifen verschiedene Hemmnisse in-einander. Aber klar ist: Ohne gesetzliche Maßnahmenwird es nicht gehen. Frau Ministerin, liebe Koalition,werden Sie endlich aktiv. Deutschland ist reif für einemoderne Frauenpolitik.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Elisabeth Winkelmeier-Becker für
die CDU/CSU-Fraktion.
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Genau. In etlichen Forderungen stimmen wir überein,ber nicht in allen. Vor allem gehen Sie, denke ich, inen bürokratischen Anforderungen doch weit über dasiel hinaus.
ie Änderungen beim AGG, Verlängerungen der Ein-pruchsfrist, die Verbandsklage, längere Aufbewah-ungsfristen und dergleichen werden, so glaube ich,icht den Durchbruch für die Frauen bringen. Das bringtor allem Mehraufwand und Rechtsunsicherheit.
Wenn Sie öffentliche Aufträge vor allem an Firmenergeben wollen, die Gleichstellungspläne haben, dannüssen dafür Kriterien entwickelt werden. Wer soll dasntscheiden? – Das muss dann wieder zertifiziert und ge-rüft werden. Ich glaube, auch das läuft sich ziemlicht.Sie schlagen vor, dass Betreuungsplätze – ihre Zahlst knapp – vor allem für Kinder von Berufstätigen zurerfügung gestellt werden sollen. Dazu sage ich, dassir beim SGB VIII und den dortigen Regelungen blei-en.
anach soll vorrangig bedacht werden, wer einen Platzegen der Berufstätigkeit der Eltern oder zur Persön-ichkeitsentwicklung braucht. Wenn ein Kind einen Be-reuungsplatz vor allem für die eigene Persönlichkeits-ntwicklung braucht, dann soll es auch Vorrang haben.ch glaube, das ist ein ganz wichtiges Kriterium, dasicht hinter den anderen zurückstehen sollte.Was die Linken den Tarifparteien alles vorschreibenollen, zeugt von einem ziemlich tiefen Misstrauen. Ichlaube, hier können wir den Tarifvertragsparteien durch-us mehr zutrauen.
iese haben den Weckruf gehört und werden hier sicher-ich etliches verbessern. Das sind Gründe, weswegen wirnter anderem Ihre Anträge nicht mittragen können,uch wenn sie viele Dinge enthalten, über die Konsensesteht.Weil dies sicherlich der aktuell wichtigste politischeunkt ist, möchte ich noch einmal auf den Vorschlag ein-ehen, eine 40-prozentige Quote einzuführen. Dies ha-
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Elisabeth Winkelmeier-Becker
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ben auch die Grünen in einem Antrag verlangt, der heutenicht zur Debatte steht, der aber auch im parlamentari-schen Verfahren ist. In der Tat, die privatwirtschaftlicheVereinbarung aus dem Jahr 2001 ist ohne Wirkung. Da-ran hat sich, seit wir im März zuletzt darüber gesprochenhaben, nichts geändert. Deshalb ist meine Überzeugungdurchaus, dass wir eine Quote brauchen und dass wireine Quote bekommen.
Es war schon die Rede davon: Als Gruppe der Frauenin der Union haben wir uns für einen Stufenplan mit zu-nächst Berichtspflichten ausgesprochen, durch die eineVergleichbarkeit hergestellt werden soll. Ich glaube, wirerwischen die Unternehmen wirklich am Nerv, wennzum Beispiel im Handelsblatt oder im manager magazineine übersichtliche Tabelle steht, aus der sich ganz klarergibt, wer hier vorn liegt und wer nicht.Wir wollen aber auch, dass das in eine verbindlicheQuote mündet. Auch Staatsministerin Böhmer hatte dasvorgeschlagen. Davon war schon die Rede. Unser Kon-zept sieht vor, dass wir im nächsten Wahlturnus auf eineZielmarke von 30 Prozent kommen wollen. Wenn dasnicht freiwillig gelingt,
dann erfolgt die verbindliche Vorgabe für den über-nächsten Wahlturnus. Wir müssen die Wahlturnuszeitenmit in Rechnung stellen und deshalb bald beginnen.Auch das ist kein Geheimnis: Wir haben in der Tatdas Problem und die Aufgabe, dafür in der eigenen Par-tei Mehrheiten zu finden.
Ich glaube, diese Situation kennen Sie sehr gut. DenkenSie an das Jahr 2001 zurück. Da waren die Frauen in derrot-grünen Koalition auch auf einem anderen Weg. Es istschon Legende, dass damals bei Zigaretten und Wein diefreiwillige Vereinbarung mit der Privatwirtschaft gekipptund abgemildert wurde.
Von daher wissen wir alle, wovon wir sprechen.Wir machen uns in unserer Fraktion aber optimistischauf den Weg. Daraus erklärt sich auch die Zahl. Wennman mit einer moderaten Zahl letztendlich erreicht, dassetwas Wirklichkeit wird, dann sind mir 30 Prozent reallieber als 40 oder 50 Prozent auf dem Papier. Die Quotewäre eine einfache und unbürokratische Regelung. Sienützt den Unternehmen; denn den Unternehmen nützt al-les, was den Horizont und die Perspektive der homoge-nen Gruppen, die jetzt in den Vorständen und Aufsichts-räten sitzen, erweitert.Jetzt gibt es zwei Gruppen, die sich offenbar nicht sogut mit dem Gedanken an die Quote anfreunden können:zmdzdrQDaawlPhdrnFüüzDrWRAwglndc
um anderen Frauen, häufig junge Frauen, die meinen,ass die nötigen Veränderungen auch ohne Quote zu er-eichen wären. Beide kommen uns mit dem Argument:ualität und Kompetenz setzen sich auch so durch.
as würde stimmen, wenn Qualität und Kompetenz alslleinige Kriterien gelten würden. Wir wissen aber, dassuch andere Kriterien gelten: Seilschaften, Loyalitätsbe-eise, Tauschgeschäfte und dergleichen.
Nun sagen junge Frauen auch: Wir brauchen vor al-em Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine andereräsenzkultur. Das stimmt, das stimmt aber auch unab-ängig von der Quote, neben der Quote und auch ohneie Quote. Aber das reicht nicht. Es geht doch nicht da-um, die heute 30-Jährigen neben die 50-jährigen Män-er in den Aufsichtsräten zu setzen. Es geht um dierauen, die heute in der Lage wären, die Aufgaben zubernehmen. Für diese ist Kinderbetreuung in der Regelberhaupt kein Thema mehr.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Deshalb brauchen wir die Quote. Wir wollen, dass das
eitnah geht. Deshalb bleiben wir am Thema Quote dran.
as ist versprochen.
Danke schön.
Das Wort hat nun Caren Marks für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauinkelmeier-Becker, ja, es war ein großer Fehler vonot-Grün, die freiwillige Vereinbarung einzugehen.ber die SPD und auch die Grünen sind mittlerweileeiter. Wir haben die Konsequenzen aus diesem Fehlerezogen und sagen ganz klar: Ohne gesetzliche Rege-ung geht es bei der Quote und der Entgeltgleichheiticht. Wir wünschen Ihnen alles Gute auf dem Weg zuieser Erkenntnis und bei Ihrem Bemühen, zu entspre-henden Mehrheiten zu kommen.
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Caren Marks
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch ichkomme nicht umhin, mich auf das bereits erwähnte Spie-gel-Interview der Ministerin zu beziehen. Vielleicht istes auch kein Zufall, dass sie es vorzieht, heute nicht da-bei zu sein. In diesem Interview konnten wir erfahren,warum es eine Lohnungleichheit zwischen Männern undFrauen gibt; denn:Frauen studieren gern Germanistik …, Männer da-gegen Elektrotechnik – und das hat eben auch Kon-sequenzen beim Gehalt.Selbst schuld, liebe Frau! So einfach, so schlicht ist dieWelt der Frauenministerin in unserem Land.Nach einer aktuellen Studie beträgt die Lohnlückezwischen Männern und Frauen bei wirklich vergleichba-ren Voraussetzungen immerhin noch knapp 13 Prozent.Das ist die tatsächliche Lohndiskriminierung von Frauenin unserem Land. Daran wird ganz deutlich, dass wirendlich rechtliche Regelungen brauchen, um dieserLohndiskriminierung effektiv entgegenzuwirken. Wirbräuchten auch eine tatkräftige Ministerin, die sich nichtlänger vor ihren Aufgaben drückt.
In der Studie wird außerdem dargelegt: Je länger dieUnterbrechungen des Erwerbslebens sind, desto größerwird der Lohnabstand. Es sind nach wie vor überwie-gend die Frauen, die längere Erwerbspausen haben, al-lerdings immer seltener wirklich gewollt. Auch deswe-gen war die Einführung des Elterngeldes ein sinnvollesInstrument, um zu erreichen, dass Frauen nach der Ge-burt ihres Kindes nicht zu lange aus dem Erwerbslebenausgeschlossen werden und gleichzeitig auch die Väterim ersten Jahr nach der Geburt an der Betreuung betei-ligt werden. Die Beteiligung der Väter sollte allerdingsnoch deutlich besser werden. Deswegen setzen wir unsin der SPD für mehr Partnerschaftlichkeit beim Eltern-geld ein. Ziel ist eine gerechte Aufteilung der Elternzeit.
Was aber will die Ministerin? Der Presse konnten wiraktuell entnehmen, dass sie bei einer Weiterentwicklungdes Elterngeldes auf das Prinzip Hoffnung setzt. Siehoffe, dass eine Ausweitung der Partnermonate beim El-terngeld und die Einführung eines Teilelterngeldes nochvor den nächsten Bundestagswahlen – hört, hört, derZeitpunkt – verwirklicht werden. Indem man allein aufdas Prinzip Hoffnung setzt, haben sich gesellschaftlicheRahmenbedingungen – vielleicht richten Sie das IhrerMinisterin aus, Herr Staatssekretär – noch nie geändert.Hier sind Taten von der Ministerin gefordert!
Denn die Frauen in Deutschland haben diesen Stillstandnicht verdient, und sie haben ihn vor allem wirklich satt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Taten sind auchbeim Ausbau der Kinderbetreuung gefordert. Hierzu hatdas Statistische Bundesamt ganz aktuelle Betreuungs-ztiBlLdvwmuscDKlnwbmgAukPmdwisPitdfatwFzwfadwVP
ie SPD fordert: Die Ganztagsbetreuungsangebote initas und Schulen müssen ausgebaut werden. Nur soässt sich Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Män-er und Frauen leben; nur so ist Gleichstellung zu ver-irklichen.Wenig konkret hingegen ist die Initiative „Familien-ewusste Arbeitszeiten“, die die Ministerin zusammenit der DIHK gestartet hat. Ziel ist es, Betrieben Anre-ungen für flexiblere und damit familienfreundlichererbeitszeitmodelle zu geben. Meine lieben Kolleginnennd Kollegen, es fehlt nicht an Anregungen, es fehlt anonkreten Angeboten für die Beschäftigten. Das ist dasroblem.
Über die Quote haben wir schon einiges gehört. Icherke dazu an: Auch die Quote gehört nicht gerade zuen Lieblingsthemen der Ministerin, und man fragt sich,elche es eigentlich sind. Die Quote, so hört man vonhr, sei nur Ultima Ratio. Jetzt folgte auch noch die Aus-age, eine Quote sei auch immer eine Kapitulation derolitik. Dann hat ja – schade, dass Frau Bär schon wegst – die CSU mit ihrer Frauenquote schon einmal kapi-uliert.Kapituliert hat wohl auch die Justizministerkonferenzer Länder? Sie hat letzte Woche einen Quotenbeschlussür Aufsichtsräte gefasst. Die SPD begrüßt diesen Schrittusdrücklich. Ich kann nur sagen: Hier wurde nicht kapi-uliert, sondern endlich verstanden, was guten Frauenirklich hilft.
Das Bedauern der Ministerin über die fehlendenrauen in Führungspositionen ist alles andere als über-eugend, und ihre Aktivitäten erschöpfen sich auch hier,ie so oft, in einer Initiative mit der Wirtschaft, diesmalür mehr Frauen in Führungspositionen. Wir brauchenber keine folgenlosen Initiativen, wir und die Frauen iniesem Land brauchen gesetzliche Regelungen. Die SPDill eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte undorstände. Damit kommen Frauen in die entsprechendenositionen, nicht aber mit folgenlosen Initiativen. Es
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Caren Marks))
wundert nicht wirklich, dass wir mit einer solchenMinisterin bei einem Ranking des Weltwirtschaftsfo-rums zur Gleichstellung von Platz 5 auf Platz 13 zurück-gefallen sind.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist nichtnachvollziehbar, dass eine so junge Frauenministerin mitGleichstellungspolitik nichts am Hut hat,
und das, obwohl sie ihre Karriere auch der Frauenbewe-gung der 70er-Jahre verdankt. Schlimmer noch: FrauSchröder macht in der Gleichstellungspolitik eine Rollerückwärts nach der anderen. Die Frauen in unseremLand wissen, dass die Ministerin nicht an ihrer Seitesteht. Die Quittung – da bin ich mir sicher – wird folgen.Herzlichen Dank.
Als letzter Rednerin zu diesem Debattenpunkt erteileich Kollegin Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktiondas Wort.
Nadine Schön (CDU/CSU):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Nach den aufgeheizten Diskussionen der letz-ten Tage dachte ich, dass wir wenigstens hier im Parla-ment etwas sachlicher diskutieren, ohne Verleumdungenund ohne Falschbehauptungen.
Aber was machen Sie? Sie machen genau so weiter, inder Hoffnung, parteipolitischen Profit daraus zu schla-gen. Ich bin der Meinung, der Zirkus, den Sie hier vor al-lem in den letzten Tagen veranstaltet haben, lähmt diegleichstellungspolitische Debatte mehr, als dass er sievoranbringt.
Worum geht es eigentlich? Es geht zum einen um dieFrage, wer was erreicht hat.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, der Feminismushat vieles erreicht. Viele von uns würden heute hier nichtstehen, hätte es den Feminismus nicht gegeben.
Das hat übrigens die Ministerin in ihrem Interview wort-wörtlich so gesagt. Niemand stellt die Erfolge des Femi-nismus infrage.
Was ich allerdings infrage stelle, sind die Erfolge derGleichstellungspolitik der letzten Jahre. Da ist nichtwahnsinnig viel passiert. Trotzdem werfen Sie uns vor,dwjrDwSTSgmdsnnVlDEotDvcvAdklwGFdkTLnmw
eshalb halte ich das Geschrei der letzten Tage für einirklich durchsichtiges Manöver, um von Ihrem eigenencheitern abzulenken.
Zum Zweiten geht es um verschiedene inhaltlichehemen. Auch hier war ich etwas überrascht über diechwerpunktsetzung der letzten Tage. In meinen Augenibt es Themen, bei denen wir wirklich weitergekom-en sind. Allerdings gibt es auch andere Themen, beienen noch viel zu tun ist. Aber diese Gewichtung hatich in der Diskussion der letzten Tage ganz und garicht widergespiegelt. Ich frage mich: Ist es wirklichotwendig, einen Namenswechsel so hoch zu hängen?or 20 bis 30 Jahren war der Namenswechsel eine abso-ut politische Aussage.
as ist aber heute nicht mehr so. Man ist weder einemanze, wenn man als Frau einen Doppelnamen wähltder seinen Namen behält, noch ist man superkonserva-iv, wenn man den Namen des Mannes annimmt.
ie Namenswahl geschieht heute in den meisten Fällenöllig undogmatisch. Sie wird beeinflusst vom persönli-hen Geschmack und der individuellen Situation. Füriele ist es heute unvorstellbar, wie es früher einmal war.ber es ist doch gerade der Erfolg der Frauenbewegung,ass wir die Namenswahl heute so undogmatisch sehenönnen. Lassen Sie uns das auch heute leben, und ver-angen Sie nicht von uns, dass wir alles genauso machen,ie Sie es damals vor 20, 30 Jahren aus berechtigtenründen gemacht haben.Das Gleiche gilt für die Jungenpolitik. Ich sehe in dereststellung, dass die Jungen gegenüber den Mädchen inen letzten Jahren zu kurz gekommen sind,
einen Angriff gegen die Mädchen- und Frauenpolitik.
rotzdem beobachtet man Reaktionen wie gerade von deninken oder hört Sätze wie: Jetzt müssen wir uns auchoch um die armen Jungen kümmern. – Ich sage: Ja, dasüssen wir; denn Gleichstellungspolitik bedeutet, dassir jedes Geschlecht bestmöglich fördern müssen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7923
Nadine Schön
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Man kann durchaus für eine Quote sein und gleichzeitigdie Jungen fördern. Pragmatismus statt Ideologie: Mitdiesem Grundsatz kommen wir in diesen Tagen weiterals mit dem Kampf der Geschlechter.Aber das darf nicht mit Laisser-faire verwechselt wer-den. Es gibt noch viel zu tun. In vielen Punkten sind wirabsolut nicht zufrieden mit dem, was erreicht worden ist.Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen.Auch das sage ich ganz deutlich. Einen Rückfall könnenwir nur verhindern, indem wir uns gemeinsam auf diewichtigen Themen konzentrieren und nicht aufeinanderlosgehen.
Die CDU/CSU-Fraktion steht für entschiedenes undpragmatisches Handeln sowie für einen breiten, ursa-chenorientierten Ansatz. Die Kolleginnen haben es be-reits im Zusammenhang mit dem Thema Entgeltun-gleichheit dargestellt. Dafür gibt es eine Reihe vonGründen. Dazu gehört das Berufswahlverfahren; daswurde schon gesagt. Ich nenne ferner die vielen Er-werbsunterbrechungen und die schlechtere Bezahlung intypischen Frauenberufen. Da müssen sich auch die Tarif-partner fragen lassen, ob ihnen an dieser Stelle nicht eineVerantwortung zukommt.
Es gibt in der Tat auch Diskriminierungen, was die Kar-rierechancen und das Gehalt angeht. Es gibt also einBündel von Ursachen. Dieses Problem müssen wir ge-meinsam angehen: Frauen und Männer, Unternehmen,Tarifparteien, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sokommen wir wirklich weiter.Das Gleiche gilt für das Thema Frauen in Führungs-positionen. Hier müssen wir feststellen: Wir sind unterRot-Grün nicht weitergekommen; wir sind in der GroßenKoalition nicht weitergekommen. Nur gerade einmal2,5 Prozent der Vorstandsposten der 200 größten deut-schen Unternehmen sind mit Frauen besetzt. Das habenSie genauso wie wir zu verantworten. Hier treten wir aufder Stelle.Dafür gibt es eine breite Palette von Gründen: In gutbezahlten technischen Berufen arbeiten weniger Frauen.Es liegt zum Teil auch daran, dass Frauen manchmalvorsichtiger sind. Aber die Hauptursache sind meinerMeinung nach die Kultur und der Status quo in den Füh-rungsetagen der Unternehmen. Die Old-Boys-Netz-werke funktionieren leider – vielleicht auch unbewusst.Es herrscht eine männliche Kultur vor. Frauen stoßen dairgendwann an eine gläserne Decke. Hier bedarf es einerqualifizierten Anzahl von Frauen – man spricht von etwa30 Prozent – in den entsprechenden Ebenen, um dieseKultur strukturell zu ändern.Wie kommen wir dahin? Die Kolleginnen haben esbereits erwähnt: Wir legen einen Stufenplan vor. So kon-kret waren Sie noch nie.
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ir sagen aber eben auch deutlich: Wir warten nichtwig. Ein Stufenplan ist ein Stufenplan.
as heißt, wenn nicht ganz schnell Dynamik in die Sa-he hineinkommt, dann muss die zweite Stufe wesent-ich mehr Vorgaben und Druck beinhalten. Da kann Nor-egen für uns durchaus ein gutes Vorbild sein.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Nadine Schön (CDU/CSU):
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Es gibt noch
iel zu tun. Mit Diffamierungen kommen wir nicht wei-
er. Wir müssen das gemeinsam angehen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-chusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufrucksache 17/1486 zu dem Antrag der Fraktion derPD mit dem Titel „Mit gesetzlichen Regelungen dieleichstellung von Frauen im Erwerbsleben umgehendurchsetzen“, zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mitem Titel „Entgeltgleichheit zwischen den Geschlech-ern wirksam durchsetzen“ sowie zu der Unterrichtungurch die Bundesregierung mit dem Titel „Dritte Bilanzer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung unden Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur För-erung der Chancengleichheit von Frauen und Männernn der Privatwirtschaft“.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seinereschlussempfehlung, in Kenntnis der genannten Unter-ichtung auf Drucksache 16/10500 den Antrag der Frak-ion der SPD auf Drucksache 17/821 abzulehnen. Wertimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmtagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungst mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen dietimmen der SPD bei Stimmenthaltung der Linken under Grünen angenommen.Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-iehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags derraktion Die Linke auf Drucksache 17/891. Wer stimmtür diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit dentimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen dietimmen der Linken bei Stimmenthaltung von SPD undrünen angenommen.
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7924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
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Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 36 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K.Friedhoff, Dr. Erik Schweickert, ClaudiaBögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPKinderfreundliche Nachbesserung der EU-Spielzeug-Richtlinie dringend erforderlich– zu dem Antrag der Abgeordneten ElviraDrobinski-Weiß, Petra Crone, PetraErnstberger, weiterer Abgeordneter und derFraktion der SPDOffensive für einen wirksamen Schutz derKinder vor Gift in Spielzeug– zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder,Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion DIE LINKEKrebserregende Stoffe in Kinderspielzeugendurch Sofortmaßnahmen ausschließen– zu dem Antrag der Abgeordneten NicoleMaisch, Ulrike Höfken, Cornelia Behm, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKinderspielzeug – Risiko für kleine Ver-braucher– Drucksachen 17/3424, 17/2345, 17/1563, 17/656,17/3695 –Berichterstattung:Abgeordnete Nadine Schön
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenErik Schweickert für die FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Heute geht es im Prinzip umden Vergleich von zwei Produkten – ich habe sie mitge-bracht –: Es geht um den Vergleich zwischen einemQuietscheentchen, auf dem meine Tochter schon einmalherumkaut, wenn sie in der Wanne planscht, und einemAutoreifen, auf dem sie noch nie herumgebissen hat. Siewerden denken: Das ist logisch! Auch ich sage: Das istlogisch! Wenn Sie jetzt aber wissen, dass bei diesemQuietscheentchen eine 1000-fach höhere Konzentrationeinzelner krebserregender Weichmacher zugelassen istals bei diesem Autoreifen – deswegen zeige ich Ihnendas Ganze –, dann werden Sie sagen: Das ist unlogisch!IwrebswmewamFSdfnkmbedZ–nfdmdkhgpumubdbgdggrlNde
Drittens. Wir, die christlich-liberale Koalition, wollenine verpflichtende Drittprüfung auf europäischer Ebeneurchsetzen; denn es hat sich gezeigt, dass das CE-eichen, das für „Conformité Européenne“ stehen solleine Selbstverpflichtung der Hersteller –, so gut wieichts bringt. Insider sprechen bei CE nicht von „Con-ormité Européenne“, sondern von „China Exports“;enn das Zeichen wird einfach aufgedruckt, ohne dassan sich um die Vorgaben kümmert. Wir sind deshalber Meinung: Das muss besser gemacht werden. Wirennen in Deutschland den TÜV; wir wissen, was eseißt, Stichproben zu nehmen. Dann ist es richtig, zu sa-en: Wir wollen verpflichtende Drittprüfungen auf euro-äischer Ebene. Denn nur dann können wir den Schutznserer Kinder ordentlich gewährleisten.
Wir haben auch den Vorschlag unterbreitet – fallsan sich da mit Blick auf REACH schwertun sollte –nd sind bereit, Spielzeug – wie dieses Glas – als Le-ensmittelbedarfsgegenstand zu klassifizieren. Wenn ichas in den Mund nehme, brauche ich keine Angst zu ha-en, dass etwas migriert, weil für Lebensmittelbedarfs-egenstände sehr strenge Regelungen gelten. Wenn sichie EU schwertut, haben wir also alternativ vorgeschla-en, Kleinkinderspielzeug als Lebensmittelbedarfsge-enstand zu klassifizieren. Auch dann sind wir auf demichtigen Weg.Darüber hinaus sehen wir, dass wir im Bereich der al-ergenen Stoffe etwas tun müssen. Bei Uhren haben dieickelwerte ein Limit, bei Kinderspielzeug ist das nichter Fall. Auch das ist eine unlogische Gesetzgebung aufuropäischer Ebene. Hier werden wir zusammen mit
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7925
Dr. Erik Schweickert
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dem Wirtschaftsministerium und dem Verbraucherschutz-ministerium aktiv werden, damit sich etwas tut und un-sere Kinder nicht länger mit dem teilweise doch alsSchrott zu klassifizierenden Produkten zugeschüttet wer-den.
Jetzt kommt die Opposition und sagt: Was tun Siedenn national? Dazu muss ich sagen: Das Ganze einfachnur national zu regeln, wäre zu einfach. Viele von unskommen ja aus Baden-Württemberg. Da ist der Weih-nachtsmarkt in Frankreich relativ nahe. Ich will nicht,dass Spielzeug, das in Deutschland nicht eingeführt wer-den darf, aus Frankreich zu uns herüberkommt. Das istkein effizienter Verbraucherschutz. Wir müssen hier aufeuropäischer Ebene tätig werden. Trotzdem dürfen wirnational nicht untätig sein. Das sind wir, meine Damenund Herren, liebe Elvira Drobinski-Weiß, auch nicht.Wir haben in unserem Antrag ganz klar gesagt, dasswir insbesondere mit China eine Arbeitsgruppe gründenwollen, um dieses Thema in den Griff zu kriegen. Ichmöchte auch sagen, warum. Denn eine verpflichtendeDrittprüfung muss so organisiert sein, dass vor Ort eineProbe genommen werden kann. Ich habe mich dazuheute Morgen mit unserem Wirtschaftsminister RainerBrüderle abgestimmt. Wir werden auch die großenHändler zu einem Gespräch einladen, damit nämlich ge-nau diese Regelungen, die wir jetzt auf den Weg bringen,beachtet werden – nicht erst dann, wenn Europa umsetzt.Wir wollen schon vorher proaktiv tätig werden, damitsich das nicht wiederholt, was die Stiftung Warentest he-rausgefunden hat.Sie sehen also, wenn Sie sich diesen Antrag ganz ge-nau durchlesen: Wir sind nicht nur auf dem richtigenWeg; wir sind im Zeitplan, und wir handeln jetzt nachzwölf Monaten so, wie es manche in zwölf Jahren Re-gierungsverantwortung nicht geschafft haben. Deshalbmöchte ich insbesondere an Sie aus der Opposition ap-pellieren: Wir haben einen Antrag vorgelegt, der in vie-len Teilen Ihre Anregungen aufgreift, der umsetzbar istund der zwischen den Häusern abgestimmt ist. Deswe-gen bitte ich Sie um Unterstützung, damit wir uns nichtirgendwann wieder darüber unterhalten müssen, ob dasQuietscheentchen oder der Autoreifen für meine Tochterbesser wäre. Ich möchte ihr weiterhin das Quietsche-entchen und nicht den Autoreifen zum Spielen geben.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schweickerthat es ja auch angesprochen: Im Oktober hat die StiftungWarentest erneut festgestellt, dass Kinderspielzeug sehrhoch mit Gift belastet ist, und zwar in einem doch sehrerschreckendem Ausmaß. Von den 50 untersuchten Pro-dstPtNAoRgWdDbWMmdmsfaMgdgWBgzSerwSlgkfSCWtugdülnthib
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bank für Spielzeug. Darin sollen die Kontrollergebnisseder Marktüberwachung der Länder und des Zolls unterNennung der Namen von Hersteller und Produkt zusam-mengeführt und die Inhaltsstoffe des Spielzeugs genanntwerden.Als unser Antrag im Oktober endlich auf der Tages-ordnung des Verbraucherausschusses stand, haben dieKolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition fürdie Absetzung gesorgt. Eigene Vorschläge von CDU/CSU und FDP lagen bis dahin nicht vor.
Immer wieder haben wir unsere Gesprächsbereitschaftsignalisiert. Im Interesse der Kinder – es geht um ihrenSchutz – sind wir für eine gemeinsame Initiative offen.Wir denken aber, dass Ihre Vorschläge dafür nicht aus-reichen.Der Koalitionsantrag, den Sie uns Ende Oktober vor-gelegt haben, bleibt weit hinter dem Machbaren zurück,Herr Kollege Schweickert.
Warum haben Sie unsere Forderungen nicht komplettübernommen? Ich denke, dass einiges aus unserem An-trag abgeschrieben wurde; aber leider wurde es aufge-weicht.
– Lachen Sie nur. Lesen Sie beide Anträge und verglei-chen Sie sie.
Wichtige Punkte wurden weggelassen. Beispielsweisehaben Sie die Option, notfalls auch auf nationaler EbeneSpielräume für Verbesserungen zu nutzen, ausgeklam-mert.
Wie ernst ist es Ihnen denn mit der Einführung einerverpflichtenden Überprüfung der Sicherheit von Kinder-spielzeug durch unabhängige Dritte?
Schließlich waren es CDU/CSU und FDP, die bei derÜberarbeitung der Spielzeug-Richtlinie die EU-weiteEinführung verhindert haben.
– Bei der Überarbeitung der Spielzeug-Richtlinie habenCDU/CSU und FDP die EU-weite Einführung der ver-pflichtenden Drittprüfung im Europaparlament verhin-dert. Schauen Sie doch einfach in den Protokollen nach,oder machen Sie sich bei den Kollegen kundig.gaVgdiskWsgsusdwüCKGdzbejsrB8FDlKFtSS
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,emeinsam waren wir schon viel weiter. 2008 haben wirls schwarz-rote Regierungskoalition ein kompletteserbot aller allergenen Duftstoffe und aller k/e/f-Stoffeefordert. Jetzt streben Sie strengere Grenzwerte füriese Stoffe an, und die allergenen Duftstoffe haben Siem Forderungsteil Ihres Antrags offensichtlich verges-en.Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungs-oalition, ziehen Sie Ihren Antrag zurück!
ichtige Forderungen fehlen. Das kann ja einmal pas-ieren, man muss aber nicht darauf beharren, und schonar nicht, wenn es um so etwas Wichtiges wie Kinderge-undheit geht. Unterstützen Sie hier und jetzt doch liebernseren Antrag im Interesse und für den Schutz der Ge-undheit der Kinder! Alle Eltern wären Ihnen dafürankbar. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dassir nächstes Jahr nicht wieder kurz vor Weihnachtenber Gift im Spielzeug debattieren müssen.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat das Wort Kollegin Nadine Schön für dieDU/CSU-Fraktion.
Nadine Schön (CDU/CSU):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Weihnachten steht fast vor der Tür, Zeit dereschenke, besonders für Kinder. Kinder finden unterem Weihnachtsbaum sicherlich am häufigsten Spiel-eug. Das soll weiterhin so bleiben. Der Deutsche Ver-and der Spielwaren Industrie spricht jetzt schon voninem Umsatzplus von 7 Prozent im Vergleich zum Vor-ahr und hofft auf ein noch besseres Weihnachtsgeschäft.Allerdings muss man sich angesichts der kürzlich er-chienenen Untersuchungsergebnisse der Stiftung Wa-entest fragen, ob für die Kleinsten wirklich nur daseste unterm Tannenbaum liegt. Immerhin waren0 Prozent der getesteten Spielzeuge in irgendeinerorm mangelhaft und wiesen Gefahren für Kinder auf.as ist für Eltern, Großeltern, für uns alle sehr bedenk-ich. Hier müssen wir etwas tun. Deshalb haben wir alsoalition einen Antrag auf den Tisch gelegt, der mehrereorderungen für einen höheren Schutz vor mangelhaf-em Spielzeug enthält.Zum einen fordern wir Nachbesserungen bei der EU-pielzeug-Richtlinie. Diese Richtlinie – 2008 gegen dietimme Deutschlands verabschiedet, liebe Kollegin – er-
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Nadine Schön
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höht zwar das Schutzniveau bei Spielzeug deutlich, istaber unseres Erachtens nicht ausreichend. Deshalb – daswiederhole ich – hat Deutschland damals nicht zuge-stimmt.
Es ist zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung inBrüssel für Nachbesserungen starkmacht. Bis zum In-krafttreten 2011 bzw. 2013 muss einiges geändert wer-den. Wir fordern im Einzelnen Folgendes:Erstens müssen die festgelegten Grenzwerte für Che-mikalien, insbesondere für Schwermetalle wie Blei undCadmium, und für allergene Stoffe wie Nickel und Duft-stoffe an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisseangepasst werden. Zum Glück führt die Forschung im-mer wieder zu neuen Erkenntnissen. Nach unserer Mei-nung sind die Grenzwerte bisher zu hoch und solltendeutlich abgesenkt werden.Zweitens sind wir der Auffassung, dass krebserre-gende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefähr-dende Stoffe, sogenannte CMR, in Spielzeugen nichts zusuchen haben und generell zu verbieten sind.
Viele polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe,PAK, die beispielsweise in Weichmachern zu findensind, besitzen krebserregende Eigenschaften und zählensomit zu den CMR-Stoffen. Man sieht dem Spielzeugnicht an, ob es giftige Weichmacher enthält. Deshalbdürfen wir hier kein Risiko eingehen.
Drittens fordern wir ein umfassendes Migrationskon-zept. Maßgeblich ist nämlich nicht nur, wie viel einesStoffes im Spielzeug ist, sondern auch, wie sich dieserStoff verhält, wenn am Spielzeug gerieben, gelutschtoder gekaut wird. Das lässt sich bei Kindern eben nichtvermeiden. Das muss untersucht werden. Wir brauchenverlässliche Angaben über die Gefährlichkeit einesSpielzeugs aufgrund der Migration seiner Inhaltsstoffe.Schließlich muss geprüft werden, inwiefern es sinnvollist, Spielzeuge generell als Lebensmittelbedarfsgegen-stände zu klassifizieren. Mein Kollege Dr. Schweickerthat dies anhand eines Trinkglases deutlich gemacht.Mit diesen materiellen Änderungen allein ist es aller-dings nicht getan. Das Ganze muss auch für den Kundennachvollziehbar sein. In Deutschland haben wir mit demfreiwilligen Gütesiegel „GS“ sehr positive Erfahrungengemacht. Sie kennen das Logo bestimmt. Im Gegensatzzum CE-Zeichen ist das für den Kunden ein aussagekräf-tiges Emblem. Ich bin sehr froh, dass sich unsere Bun-desregierung dafür starkgemacht hat, dass wir diesesZeichen behalten dürfen; das ist ein großer Vorteil fürunsere deutschen Kunden. Unsere Bundesregierung hatdas in Brüssel durchgesetzt.
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7928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
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mischer Markenware bietet keine Garantie. Dies zeigtnachdrücklich die Untersuchung der Stiftung Warentestvon Ende Oktober 2010.Das Bundesinstitut für Risikobewertung sattelt oben-drauf und hebt hervor: Auch die Regelungen der geradeüberarbeiteten EU-Spielzeug-Richtlinie sind nicht geeig-net, Kinder vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren.Die Grenzwerte, die die Brüsseler Vorschriften für unbe-denklich halten, sind viel zu hoch. – Dies betonen dieExperten vor dem Hintergrund der Zunahme der Fällevon Kinderkrebs in Deutschland.Immerhin haben unsere Initiativen, hat der Druck derOpposition jetzt auch die Regierung zur Initiative be-wegt. Wir mussten dieses Thema aber erst mehrfach inden Ausschüssen zur Sprache bringen und eine Anhö-rung erzwingen.
Wir begrüßen, dass man jetzt in Brüssel vorstellig ge-worden ist. Immerhin prüft die Europäische Kommis-sion die deutschen Vorschläge zur Minderung giftigerSchadstoffe in Spielzeugen. Doch das kann dauern. Vor-aussichtlich wird auf diesem Weg erst in circa drei Jah-ren eine Regelung erreicht, die unsere Kinder wirksamvor den sogenannten PAK, den polyzyklischen aromati-schen Kohlenwasserstoffen, schützt. Das ist uns zu spät.
Zum Teil handelt es sich dabei um krebserregende,erbgut- und fortpflanzungsschädigende Substanzen, die,wenn sie in Spielzeugen sind, für die Kinder verhee-rende Folgen haben können. Für die Linke ist deshalbklar: Wir dürfen nicht auf eine Entscheidung in Brüsselwarten, wenn die Gesundheit unserer Kinder auf demSpiel steht.
Belastetes Spielzeug muss sofort verboten werden, not-falls auch in einem nationalen Alleingang von Deutsch-land.
Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns an eine EU-Richtlinie halten sollen, deren Einhaltung auch vonExperten als gesundheitsschädlich beurteilt wird? InDeutschland gilt noch immer das Grundgesetz, dasRecht auf körperliche Unversehrtheit. Das bedeutet: Vor-sorge hat Vorrang.
Die Regierungskoalition hat nun in Reaktion auf dieInitiativen der Opposition eiligst noch einen eigenen An-trag zur Nachbesserung der EU-Spielzeug-Richtlinienachgeschoben. Darin bittet sie die EU-Kommission,strengere Grenzwerte anzustreben,uDKmhdsw–rlszztRtHwggFdvWbVmBTe
nd betont, man wolle nationale Alleingänge vermeiden.ie Regierung bleibt also untätig und will nicht wirklichonsequenzen ziehen.
In der Antwort des Wirtschaftsministeriums aufeine Anfrage zu diesem Thema von letzter Wocheeißt es, man habe bereits 2007 Eckpunkte zur Stärkunger Marktüberwachung erarbeitet. Jetzt, also drei Jahrepäter, sollen sie endlich Gegenstand des Gesetzentwurfserden.
Wir nicht. – Meine Damen und Herren von der Regie-ung, so riskieren und gefährden Sie die Gesundheit vie-er Kinder.Wir, die Linke im Bundestag, fordern: Gesundheits-chädliche und krebserregende Stoffe haben im Spiel-eug nichts verloren,
umindest dürfen sie auch mithilfe der jeweils moderns-en Technik nicht nachweisbar sein. Wir wollen, dass dieegelungen, die für die Lebensmittelverpackungen gel-en, auch für Spielzeug zugrunde gelegt werden.
ersteller und Importeure sind zu verpflichten, Nach-eise über die Einhaltung der Bestimmungen zu erbrin-en, bevor ein Spielzeug in Deutschland auf den Marktebracht werden darf.
ür die Überwachung durch die Behörden ist eine bun-eseinheitliche Vorgehensweise festzulegen, die auchon der Öffentlichkeit nachvollzogen werden kann.ichtig ist: Im Falle eines Verstoßes sind die Namen dereteiligten Hersteller, Händler und Importeure sowie dieerkaufsorte umgehend zu veröffentlichen.
Wir bitten Sie deshalb im Interesse der Kinder: Stim-en Sie unserem Antrag zu!Danke schön.
Das Wort hat nun Nicole Maisch für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Dashema ist nicht neu, die FDP im Bundestag hat es nichtrfunden; vielmehr haben wir schon vor zweieinhalb
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Nicole Maisch
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Jahren hier im Parlament Anträge zu diesem Thema de-battiert. Wir waren uns damals einig, dass Schadstoffeund Gifte nichts im Kinderspielzeug verloren haben. Wiralle wollten eine unabhängige Drittprüfung, und wir allehaben gesagt, dass allergene Duftstoffe verboten werdenmüssen. Das waren damals nicht die Forderungen derGrünen, sondern die Forderungen der Großen Koalition,denen alle Fraktionen dieses Hauses zugestimmt haben.2008 hatte man sich also gemeinsam auf diese Positiongeeinigt. Damals hätte die Bundesregierung handelnmüssen.
Leider hat Frau Aigner zwar die mediale Aufmerk-samkeit gerne genossen, aber beim Vollzug hat sich we-nig getan. Als wir das Thema in diesem Jahr wieder aufdie Tagesordnung gesetzt haben, hat Schwarz-Gelb ver-sucht, die Anhörung dazu zu verhindern. Dass Sie dasniedliche Quietscheentchen und den Autoreifen mitge-bracht haben, war einer Erkenntnis aus dieser Anhörunggeschuldet. Da Sie jetzt damit argumentieren, war esvielleicht doch nicht so schlau, damals zu versuchen, dieAnhörung zu verhindern.
Wir warten noch immer auf einen konkreten Maßnah-menplan zum Thema Spielzeugsicherheit. Dass das eineuropäisches Thema ist, heißt ja nicht, dass man nationaldie Arbeit daran einstellen muss.
Ich möchte kurz aus einem Bericht zitieren, den wir indieser Woche erhalten haben. Dort heißt es:In Kürze soll eine gemeinsame Deutsch-Chinesi-sche Arbeitsgruppe Produktsicherheit eingerichtetwerden. Diese wird sich insbesondere mit Fragender Spielzeugsicherheit befassen.Wir haben jetzt November 2010. Im Frühjahr 2008 ha-ben wir darüber diskutiert. Damals war schon klar, dassChina beim Thema Spielzeugsicherheit eines der zentra-len Probleme darstellt. Ich frage mich: Warum dauert esso lange, bis diese Arbeitsgruppe eingerichtet wird?
Wenn es um die Exportförderung für Schweinefleischgeht, ist der Staatssekretär kaum noch aus Fernost weg-zukriegen. Da geht es schneller. Aber wenn es um Kin-derspielzeug geht, müssen wir offensichtlich jahrelangwarten.Ich glaube, beim Vollzug gibt es eine ganze MengeProbleme. Ich habe heute einmal bei Amazon geschaut.Mehrere der bei Stiftung Warentest als besonders giftiggetesteten Produkte kann man da immer noch bestellen.DddHdWsthCuSRtsnDwdndgkmMndsßmnwdKWn
ier darf sich die EU nicht in unsere Politik einmischen.Ich möchte noch kurz sagen, warum wir dem Antrager schwarz-gelben Koalition nicht zustimmen werden.ir haben 2008 einen sehr guten Antrag gemeinsam be-chlossen. Das war nicht unser Antrag, sondern ein An-rag der Großen Koalition. Der Antrag, den Sie heuteier vorlegen, geht hinter das zurück, was Sie von derDU/CSU damals eingebracht haben. 2008 waren wirns einig, die krebserregenden, erbgutschädigendentoffe zu verbieten. Heute ist von einem Verbot keineede mehr, sondern nur noch von strengeren Grenzwer-en. 2008 waren wir uns beim Verbot allergener Duft-toffe einig. Auch von einem solchen Verbot ist heuteichts mehr zu hören. Ich frage mich: Sind allergeneuftstoffe in den letzten zwei Jahren notwendiger ge-orden? Nein! Sie sind heute genauso überflüssig wieamals.
2008 wurde außerdem gefordert – alle waren sich ei-ig –, Spielzeug für Kleinkinder mit Lebensmittelbe-arfsgegenständen gleichzusetzen. In dem heute vorlie-enden Antrag ist nur noch die Prüfung enthalten. Wirönnen diese Prüfung direkt durchführen: Hat irgendje-and Zweifel daran, dass Kleinkinder Spielzeug in denund stecken? Nein. Also ist wohl geklärt und mussicht mehr geprüft werden, dass die Lebensmittelbe-arfsgegenstände der richtige Bezugsrahmen für Kinder-pielzeug sind.
Sie wollen explizit nationale Maßnahmen ausschlie-en. In einem gemeinsamen Binnenmarkt muss man ge-einsam vorangehen. Das heißt aber nicht, dass man aufationaler Ebene die Arbeit einstellen kann. Deshalberden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir hoffen,ass Sie jetzt endlich im Vollzug aktiv werden.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
ollegen Peter Bleser für die CDU/CSU-Fraktion das
ort.
Herr Präsident! Ich darf heute die Debatte mit mei-em Beitrag schließen. Ich will aber zunächst einmal für
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7930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010
Peter Bleser
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uns alle gemeinsam feststellen, dass es bei der Sicherheitvon Kinderspielzeug keine Kompromisse geben darf.
Deswegen senden wir an diesem Freitagnachmittag Si-gnale nach Brüssel, die dortige Rechtsetzung in unseremSinne zu beeinflussen.Frau Maisch, Sie haben gerade auf Ihren Antrag hin-gewiesen. Ich könnte die Anträge unserer Koalition, aberauch die der anderen Fraktionen hier vorlegen. Dünnerals Ihrer ist keiner; das kann ich Ihnen nur sagen.
Das sind noch nicht einmal zwei Seiten. Während sichalle anderen mit den Themen fundiert und vertieft be-fasst haben, haben Sie hier etwas hingehuddelt, was manniemandem ernsthaft zumuten kann.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Maisch?
Ich habe es befürchtet.
Herr Bleser, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass wir
2008 in diesem Haus mehrere Anträge zu diesem Thema
vorliegen hatten und dass der Antrag der Grünen und der
Antrag der Koalition zu ungefähr 90 Prozent deckungs-
gleich waren, dass also hier im Haus ein Konsens be-
stand, und dass man Dinge, die gut und im Konsens be-
schlossen sind, nicht immer wiederholen muss?
Frau Maisch, das gestehe ich Ihnen gerne zu. Ein Hin-weis in Ihrem Antrag, dass Sie zu 90 Prozent mit unse-rem Antrag übereinstimmen, hätte da Abhilfe geschaf-fen.
Meine Damen und Herren, hier ist ja alles schonmehrfach gesagt worden. Dass wir bei beanstandetemSpielzeug einen dramatischen Anstieg zu verzeichnenhaben – das europäische Schnellwarnsystem Rapex hateinen Anstieg um 40 Prozent zu Beginn des Jahres 2010gemeldet; es geht zum Beispiel um verschluckbareKleinteile und chemische Stoffe, die sich lösen –, istnicht hinnehmbar.
DdsdWbuv–VZuFzkneSbmczdWaÜibdfksRlWDrnsDtgf
ir müssen die europäische Rechtsetzung in der Formeeinflussen, dass sie unsere Vorstellungen von Qualitätnd Sicherheit erfüllt.Frau Kollegin Drobinski-Weiß, ich muss Ihnen schonorwerfen
aber bitte keine Zwischenfrage! –, dass Kommissarerheugen seinerzeit auf europäischer Ebene das GS-eichen abschaffen wollte. Es ist durch unseren Drucknd mithilfe unserer europäischen Kollegen in der EVP-raktion gelungen, es zumindest auf freiwilliger Basisu halten. Ich denke, das war schon ein kleiner Erfolg.
Ich will jetzt nicht alle Wortbeiträge wiederholen undommentieren; denn wir sind uns in der Zielsetzung ei-ig. Die Anträge unterscheiden sich nicht sehr stark von-inander. Unser Antrag ist umfassend, und der Kollegechweickert hat Gummienten und Autoreifen mitge-racht. Das war pädagogisch sehr anschaulich. Ich habeir deshalb nicht selber die Mühe machen müssen.Sie können mit unserem Antrag zu einem wesentli-hen Teil übereinstimmen. Deshalb bitte ich Sie, ihm zu-ustimmen.Was wollen wir? Wir wollen zunächst einmal, dassie Kontrollen an den Außengrenzen erhöht werden.enn allein in Hamburg 8 Millionen Container im Jahrngelandet werden, dann ist mit einer stichprobenartigenberwachung kein Blumentopf zu gewinnen. Deswegenst die verpflichtende Drittprüfung und das damit ver-undene GS-Zeichen eine Kontrolle der Kontrolle,urch die die Sicherheit des Produkts am Produkt selberür den Käufer sichtbar in der Breite dargestellt werdenann. Ich glaube, dieses Ziel müssen wir auf europäi-cher Ebene erreichen. Kollege Schweickert hat zuecht darauf hingewiesen, dass nationale Maßnahmenetztlich nicht helfen. Die Grenzen sind offen. An denestgrenzen machen wir fast täglich davon Gebrauch.as ist sehr sinnvoll, und darüber freuen wir uns.
Die verpflichtende Drittprüfung ist entscheidend. Da-über hinaus müssen Spielzeuge, die in den Mund ge-ommen werden können, als Lebensmittelbedarfsgegen-tände klassifiziert werden. Auch das ist entscheidend.amit bekommen wir nämlich das Problem des Austre-ens von Substanzen bei Gegenständen, die in den Mundenommen werden können, in den Griff.Ich glaube, dass wir mit diesen drei Zielen – Drittprü-ung, GS-Zeichen und Klassifizierung als Lebensmittel-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. November 2010 7931
Peter Bleser
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bedarfsgegenstände – durch Rechtsetzung auf europäi-scher Ebene dem Problem Herr werden können. Ichhoffe, dass wir nächstes Jahr um diese Zeit vor Weih-nachten – das ist mein Wunsch, den Sie sicherlich alleteilen – endlich eine europäische Richtlinie haben, dieunserem Anspruch an Spielzeugsicherheit entspricht.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie auf Drucksache 17/3695. Der Ausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die An-
nahme des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP auf Drucksache 17/3424 mit dem Titel „Kinder-
freundliche Nachbesserung der EU-Spielzeug-Richtli-
nie dringend erforderlich“. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Linken und der Grünen bei Enthaltung der
SPD angenommen.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf
Drucksache 17/2345 mit dem Titel „Offensive für einen
gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen ange-
nommen.
Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1563 mit dem
Titel „Krebserregende Stoffe in Kinderspielzeugen
durch Sofortmaßnahmen ausschließen“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grü-
nen angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter
Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung
des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/656 mit dem Titel „Kinderspielzeug –
Risiko für kleine Verbraucher“. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Grünen bei Stimmenthaltung von SPD und Linken
angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Dienstag, den 23. November 2010, 10 Uhr,
ein.
wirksamen Schutz der Kinder vor Gift in Spielzeug“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
h
(D
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
eiteres, freundliches Wochenende.