Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen ei-nen guten Tag und uns gute Beratungen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b so-wie den Zusatzpunkt 8 auf:22 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkungder gesundheitlichen Prävention– Drucksache 15/4833 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
InnenausschussSportausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Beratung des Antrags der Abgeordneten DetlefParr, Dr. Dieter Thomae, Dr. Heinrich L. Kolb,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPPrävention und Gesundheitsförderung als in-AndSPRedetdividuelle und gesamtgesellschaftliche Auf-gabe– Drucksache 15/4671 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
InnenausschussSportausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für TourismusZP 8 Beratung des Antrags der AbgeordnetWidmann-Mauz, Verena ButalikakisBrüning, weiterer Abgeordneter und dder CDU/CSU
en Annette, Monikaer Fraktionsie so alltäglichden grünen Tee
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dasszum Beispiel Eltern, die sich Sorgen machen, weil ihreKinder übergewichtig sind, Anleitung bekommen, dasssie Beratung und Hilfe erhalten. Auch das ist Präven-tion. Wir wollen die Kindergärten und Schulen in ihremBemühen um mehr Bewegung und gesunde Ernährungunterstützen. Gesund ernährt lernt es sich besser; ge-sunde Ernährung schafft größere Lebenschancen für dieKinder, weil sie dadurch für das zukünftige Leben ge-stärkt werden.Auch in die Häuser für Seniorinnen und Senioren, indenen das bisher noch nicht der Fall ist – in vielen Häu-sern gibt es das schon –, soll fachlich gute Anleitung zurvernünftigen Bewegung und gesünderen Ernährung ein-ziehen. Gesund alt werden bedeutet gewonnene Lebens-jahre für jeden Einzelnen.Die Sportvereine sollen ermutigt werden, noch mehrauf Prävention zu setzen, ihre Angebote auszuweiten,Trainer und Betreuer zu schulen, damit wir alle uns ge-sünder und wohler fühlen können.Ich denke aber auch an die vielen Unternehmenslei-tungen – ich hatte gestern eine Veranstaltung mit Be-triebsräten von großen Unternehmen –, die bisher nichtgenug getan haben und jetzt vielleicht neue Anstöße be-kommen, gemeinsam mit den Betriebsräten, mit denKrankenkassen und mit Medizinern über entsprechendeAngebote in den Betrieben zu reden, Programme für dieBeschäftigten einzuführen und zu evaluieren sowie zulernen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, diesich wohl fühlen, denen es gut geht, bei denen Rückener-krankungen und Schmerzen vermieden werden, damitauch eine wesentliche Grundlage für Leistungsfähigkeit,Kreativität und ein gutes Miteinander haben.
Ein Punkt ist mir auch angesichts vieler Diskussionenmit den Selbsthilfeorganisationen in unserem Landebesonders wichtig: Mit diesem Gesetzentwurf wird end-lich die Arbeit der Selbsthilfe gestärkt. Die Selbsthilfeist einer der wesentlichen Faktoren nicht nur im Bereichder primären Prävention, sondern auch in den Bereichender sekundären und tertiären Prävention. Die Selbsthilfe-organisationen beraten Menschen, die krank sind, sie lei-ten sie an, beraten auch deren Familien und sorgen dafür,dass eine Krankheit, wenn sie ausgebrochen ist, nachMöglichkeit nicht zu weiteren Krankheiten führt. Wirsorgen dafür, dass das Geld, das die Krankenkassen fürdie Förderung und Finanzierung der Selbsthilfe ausge-bHbzIsieddM„bKdAnddddwmcbtgGdhnhwstaneMkUmmwELvviss
Prävention ist eine Sache für alle. Das Ziel, gesünderu werden und gesünder zu leben, soll gefördert werden.ch hoffe, dass wir mit den Regelungen, die wir gemein-am mit den Ländern auf den Weg bringen, wirklich vieln Bewegung setzen, dass vor allen Dingen gute Anstößentwickelt werden, um an diejenigen heranzukommen,ie man normalerweise mit keinem Angebot auch der in-ividuellen Prävention erreicht. Hierbei geht es um vieleenschen, die vielleicht noch vor dem FernsehapparatTor!“ rufen, die aber nicht viel für sich tun, um ihr Le-en zu verbessern. Es geht hierbei aber auch um vieleinder und um viele ältere Menschen, die bisher vonen Gesundheitskampagnen kaum erreicht werden.uch das wollen wir ändern und wirklich einen Schrittach vorne machen.Diesem Gesetzentwurf sind viele enge Beratungen iner Koalition, aber auch Beratungen mit den Bundeslän-ern, egal ob unionsregiert oder SPD-regiert, und miten Sozialversicherungen vorausgegangen. Angesichtser zahlreichen Partner, die an den Beratungen beteiligtaren, ist der vorliegende Gesetzentwurf das, was wiromentan mit der Zustimmung aller – der Sozialversi-herungsträger, aber auch der Länder – auf den Wegringen können. Ich möchte allen für die gute Koopera-ion und Vorbereitung danken.Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dem vorlie-enden Gesetzentwurf einen Teil der Zukunft unseresesundheitswesens beschreiben: Wir leiten einen Para-igmenwechsel ein; denn Prävention, Behandlung, Re-abilitation und Pflege stehen künftig gleichrangigebeneinander. Sie bilden vier Säulen unseres Gesund-eitswesens. Der Gesetzentwurf ist der Start einer Ent-icklung mit dem Ziel, dass wir nicht nur immer dannehr viel Geld ausgeben, wenn eine Krankheit aufgetre-en ist oder sich verschlimmert hat, sondern dass wiruch Geld dafür ausgeben, dass Krankheiten erst garicht entstehen oder dass sich Krankheiten, wenn sientstanden sind, nicht weiter verschlimmern, damit dieenschen ein Stück an Lebensqualität zurückgewinnenönnen.
nser Gesundheitswesen wird mit der neuen Bestim-ung, dass Prävention vor Behandlung gesetzt werdenuss, zu einem modernen Gesundheitssystem weiterent-ickelt. Wir schließen damit zu anderen Ländern inuropa auf, die – wie zum Beispiel die skandinavischenänder – bereits gute Erfolge mit gesundheitlicher Prä-ention erzielt haben.Bisher hat sich von den Sozialversicherungszweigenor allen Dingen die gesetzliche Krankenversicherungn der Prävention engagiert. Das geschah nicht so umfas-end, wie wir alle es gerne gehabt hätten; aber die ge-etzlichen Krankenversicherungen waren diejenigen, die
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Bundesministerin Ulla Schmidtbisher Geld in die Hand genommen und Engagement ge-zeigt haben. Künftig sollen sich auch die Rentenversi-cherung, die Unfallversicherung und die Pflegeversiche-rung an der Finanzierung der Verhütung vonKrankheiten beteiligen, da auch sie von präventivenMaßnahmen profitieren. Ich hoffe, dass es uns im Laufeder Beratungen gelingen wird, auch die Bundesagenturfür Arbeit in die gemeinsame Aufgabe der Präventioneinzubeziehen. Alle tragen in diesem Bereich eine Ver-antwortung und alle müssen diese Verantwortung ge-meinsam wahrnehmen.
Jährlich soll insgesamt eine viertel Milliarde Euro fürpräventive Maßnahmen verwendet werden. 80 Prozentdavon sollen für individuelle Präventionsangebote oderfür Angebote zur Prävention in den verschiedenen Le-benswelten verwendet werden. Der Rest soll für Modell-vorhaben, Kampagnen und viele andere Dinge, die manzusätzlich auf den Weg bringen muss, um die Menschenfür unser Vorhaben zu begeistern, aufgewendet werden.Experten schätzen, dass man durch einen Ausbau derPräventionsmaßnahmen in den Bereichen Krankheits-kosten und krankheitsbedingte Ausfallkosten langfristigEinsparungen in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euroerzielen kann.Wir alle wissen, dass in einer Gesellschaft des länge-ren Lebens das, was der Einzelne für seine Gesundheitaufbringen muss, nicht weniger werden kann. Wenn wirwollen, dass die Menschen am medizinischen Fortschrittteilhaben können, ist das nicht aus der Portokasse zu be-zahlen. Angesichts dieser Tatsachen müssen wir wirk-lich alles tun, um dort Einsparungen vorzunehmen, wosie vorgenommen werden können, zumal wenn sie denMenschen gleichzeitig ein Mehr an Lebensqualität brin-gen. Es ist höchste Zeit, alles Erforderliche auf den Wegzu bringen, damit die Prävention als nationale Aufgabein der Form starten kann, wie wir es wollen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zur privatenKrankenversicherung sagen. Ich bedaure es sehr, dassmir die gesetzliche Grundlage fehlt, um die privatenKrankenversicherungen zur Mitfinanzierung heranzuzie-hen: Es kann auf Dauer nicht sein, dass in den Kinder-gärten und Schulen Angebote zur Prävention in den Be-reichen Ernährung und Bewegung sowie Angebote zurZahnprophylaxe gemacht werden, bei denen sich die pri-vaten Krankenversicherungen außen vor halten, wäh-rend die gesetzlich Krankenversicherten auch für dieKinder der privat Versicherten zahlen müssen.
Deshalb sollte es unser gemeinsames Anliegen sein,die privaten Krankenversicherungen in die Pflicht zunehmen, damit sie sich auf diesem Gebiet anteilmäßigebenso wie die gesetzlichen Krankenversicherungen anden Kosten beteiligen.D3ugascAkjnvsrDddswdgksdSutmAssmzdIlGdSewbmrtsBuG
Prävention ist um so erfolgreicher, je einfacher sieich darstellt und je einfacher wir die Menschen errei-hen. Wir brauchen keine großen Botschaften. Einfacheussagen wie „Lass den Fahrstuhl stehen! Geh zu Fuß!“önnen eine ganze Menge erreichen.Die verschiedenen Präventionsmaßnahmen müssenedoch zusammengeführt werden. Damit die verschiede-en Maßnahmen, die es überall gibt, effektiv und sinn-oll sind, braucht man einen roten Faden, an dem sieich ausrichten. Deswegen werden die Sozialversiche-ungszweige gemeinsame Präventionsziele erarbeiten.adurch können die Mittel effizient dort eingesetzt wer-en, wo sie den größten Nutzen stiften. Wir wollen, dassas Geld nur für Maßnahmen ausgegeben wird, die tat-ächlich mehr Nutzen bringen und die wirksam sind. Wirollen, dass der Nutzen nachgewiesen wird. Wir wollen,ass die Qualität gesichert ist. Deswegen legt der vorlie-ende Gesetzentwurf hierfür verbindliche Kriterien fest.Damit nachhaltige Veränderungen bewirkt werdenönnen, ist eine verbesserte Zusammenarbeit und Ab-timmung auf Bundesebene notwendig. Deswegen wer-en wir auf der Bundesebene unter Mitwirkung derozialversicherungszweige eine Stiftung „Präventionnd Gesundheitsförderung“ gründen, die die Erarbei-ung von Präventionszielen, die Ausarbeitung der ge-einsamen Qualitätsstandards sowie Informations- undufklärungsarbeit durch Präventionskampagnen leistet.Wir wollen, dass in regelmäßigen Abständen Rechen-chaft über das Erreichte abgelegt wird und dass festge-tellt wird, wo Verbesserungen vorgenommen werdenüssen. Wir werden die gesamte Fachkraft der Bundes-entrale für gesundheitliche Aufklärung, aber auchas Expertenwissen, zum Beispiel des Robert-Koch-nstituts, zur Verfügung stellen, damit wir, auch das Par-ament, valide Aussagen erhalten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention ist eineemeinschaftsaufgabe. Sie verbindet Eigeninitiative aufer einen Seite mit Gemeinschaftssinn auf der andereneite. Ich bin davon überzeugt: Daraus kann und mussin großes Projekt werden. Denn Prävention führt – daserden die Menschen merken – zu einem besseren Le-en, zu mehr Lebensqualität und damit zu vielem, wasan im Leben nur machen kann, wenn bestimmte Vo-aussetzungen vorhanden sind.Man darf ein Weiteres nicht unterschätzen: Präven-ion ist eine wichtige Voraussetzung dafür, in einer Ge-ellschaft des längeren Lebens auch unter verändertenedingungen bis in das hohe Alter Innovationsfähigkeitnd Produktivität zu erhalten. Damit schaffen wir dierundlagen dafür, dass in diesem Lande auch in zehn,
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Bundesministerin Ulla Schmidt20 oder 30 Jahren Wettbewerbsfähigkeit und die Fähig-keit, Wohlstand zu wahren und zu schaffen, erhaltenbleiben.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,sich in Reden zur Prävention zu bekennen ist schön,reicht aber nicht.
Ich kann Sie nur auffordern: Schließen Sie sich unseremVorhaben und dem, was die von Ihnen regierten Ländereingebracht haben, an! Sich zu bewegen ist angesagt.Blockieren Sie nicht! Machen Sie mit, anstatt mies zumachen! Das ist gelebte Prävention. Ich möchte, dassauch Sie davon profitieren.
Das Wort hat nun die Kollegin Annette Widmann-
Mauz, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Frau Ministerin, wir bewegen unsgerne. Sie fordern zwar von anderen Bewegung. Wennes aber um die eigene Verantwortung, insbesondere umdie finanzielle Verantwortung, geht, dann verlangen Sienur von denjenigen Bewegung, die Beiträge in die Sozi-alversicherungen zahlen.
Sie sollten in den Spiegel schauen, wenn Sie Vorwürfemachen.Schön ist es, um die Kranken besorgt zu sein, ihrerGesundheit wegen; viel schöner ist es aber, für dieGesunden besorgt zu sein, ihres Nichtkrankseinswegen.Diese Erkenntnis von Hippokrates ist zweieinhalbtau-send Jahre alt und wir haben sie noch immer nicht verin-nerlicht.In Deutschland ist jeder Zweite übergewichtig. JederVierte hat Herz-Kreislauf-Probleme und Millionen kla-gen über Rückenschmerzen. Besonders erschreckend ist,dass gerade viele Kinder bereits heute an Alterskrank-heiten wie Herzschwäche, Diabetes oder Osteoporoseleiden, weil sie einfach zu dick sind und sich falsch er-nähren. Man wagt kaum, sich vorzustellen, dass unsdiese Generation in ein paar Jahren über die ersten Wel-len des demographischen Wandels tragen soll, wo ihnenschon heute die Puste ausgeht.Die Krankenkassen befürchten gerade im Hinblickauf Diabetes bei Kindern Behandlungskosten in Milliar-denhöhe. Dabei wären viele dieser Krankheiten ver-meidbar. Wer hat nicht schon einmal, wenn er ein Rü-ckenleiden hatte, selber die Erfahrung gemacht, wiehilfreich zum Beispiel ein Keilkissen auf dem BürostuhloVdrWdaSdtMPGtvGkfRcbBKaBsAgfsAwsEbMSSleOIdgRtehdl
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Um nicht missverstanden zu werden, sage ich: Wirsehen in der Prävention eine sinnvolle Investition in dieZukunft. Aber jede Investition muss finanzierbar seinund darf nicht ausschließlich von den Beitragszahlernder gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wer-den.
Der kleine Mann darf doch nicht immer der Lastesel derNation sein.
Auch wenn Sie es nicht mehr sind – wir verstehen unsnach wie vor als Sachwalter der Beitragszahlerinnen undBeitragszahler.
Während die gesetzliche Krankenversicherung180 Millionen Euro, also den größten Anteil der Präven-tionskosten, schultert, müssen die Renten- und Pflege-versicherung erstmals, also zusätzlich, eine Summe voninKgMladadwrBesDdmaRmfuscvssFKzvsshWSzsbküfmKmd
ie Problemlage bei der Pflegeversicherung ist ähnlich.Frau Schmidt, Sie haben vollmundig erzählt, dass Sieie Bundesagentur für Arbeit einbinden wollen. Dauss die Frage schon gestattet sein, warum die Bundes-gentur im Gegensatz zur Pflegeversicherung und zurentenversicherung aus der Finanzierung herausgenom-en worden ist. Was für den einen recht ist, muss dochür den anderen nur billig sein. Oder hatten die Renten-nd die Pflegeversicherung im Kabinett nur wenigertarke Fürsprecher? Das kann es ja wohl nicht sein.Nochmals: Prävention ist eine gesamtgesellschaftli-he Aufgabe. Eine finanzielle Beteiligung von allen, alsoon Bund, Ländern und Kommunen, ist in diesem Ge-etzentwurf aber nicht vorgesehen. Ein Präventionsge-etz, wie wir es verstehen, darf am Ende aber nicht zumreibrief für den Staat werden, sich wieder einmal aufosten der Sozialversicherungsträger und damit letztlichulasten der Betriebe und der Arbeitnehmer noch weiteron seinen originären Aufgaben zurückzuziehen. Ver-chiebebahnhöfe – liebe Kolleginnen und Kollegen, dasage ich an alle Fraktionen in diesem Haus gewandt –aben wir doch in der Vergangenheit genug veranlasst.ir können so nicht weitermachen. Es muss endlichchluss damit sein, die Steuerhaushalte zulasten der So-ialhaushalte zu bedienen.
Ein weiteres Manko bei diesem Gesetzentwurf be-teht darin, dass Sie sich nur auf eine Präventionsformeziehen, nämlich auf die Vorbeugung einer Erkran-ung, die Primärprävention. Ihr Gesetzentwurf sagtberhaupt nichts zu Früherkennungsmaßnahmen, Imp-ungen, Kindervorsorgeuntersuchungen oder Maßnah-en zur Vermeidung der Verschlimmerung bestehenderrankheiten. Zu Recht bemängelt die Bundesärztekam-er die fehlende Verzahnung der Primärprävention miten anderen Präventionsformen.
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Annette Widmann-MauzAls weiteres Problem kommt hinzu, dass Sie denjeni-gen, die in der Vergangenheit ihrer gesetzlichen Aufgabegemäß § 20 SGB V, Primärprävention durchzuführen,vorbildlich nachgekommen sind, jetzt teilweise den Bo-den unter den Füßen wegziehen: indem Sie ihnen bis zu60 Prozent der bisherigen Mittel vorenthalten. Das kanndoch nicht unser Ziel sein, das kann doch nicht in unse-rem Interesse sein. Denn Sie zerstören damit bewährtebestehende Strukturen. Bei Ihnen ist wieder einmal derFleißige der Dumme.
Was für einen bürokratischen Aufwand Sie betreiben,wird zum Beispiel an den Regelungen zur Stiftung undzu den Verfahren deutlich. Eine Vielzahl neuer Gremienwird geschaffen: Vorstand, Stiftungsrat, Kuratorium,Wissenschaftlicher Beirat oder weitere gemeinsame Ent-scheidungsgremien, Koordinierungsausschüsse – ein er-heblicher, ein gigantischer Abstimmungsaufwand istnotwendig. Dass dieses nicht nur die verquere Ansichtder Opposition ist, bestätigen die Äußerungen Ihres ei-genen Justizministeriums: Das Regelungsgebilde erwe-cke den Eindruck – ich zitiere –,dass der zusätzliche bürokratische Aufwand denvermeintlichen Nutzen bei weitem überwiegenwird.Das kann man doch nicht einfach ignorieren.
Wir haben unsere Bedenken in unserem Antrag zu-sammengefasst. Wir nehmen die Kritik der Kassen, derRentenversicherung, der Ärzteschaft, der Arbeitgeber-verbände und auch der Sozialverbände ernst; wir befin-den uns mit unserer Haltung zu diesem Gesetzentwurfdamit in bester Gesellschaft. Dass es Äußerungen vonKolleginnen der SPD-Fraktion gibt, denen der Gesetz-entwurf ebenfalls noch nicht weit genug geht, unter-streicht unsere Haltung.Auch wenn die Bundesregierung über ein Jahr für dieVorlage ihres Präventionsgesetzes gebraucht hat, wirdnoch einmal nachzusitzen sein und der Gesetzentwurfgründlich überarbeitet werden müssen. Auch hier gilt:Qualität geht vor Schnelligkeit. Ich sage ganz bewusst:Eine Wagenburgmentalität, wie Sie sie derzeit an denTag legen, ist bei diesem Thema überhaupt nicht ange-bracht. Die kommende Anhörung und insbesondere dieAusschussberatungen bieten uns jetzt die Chance füreine sachliche Diskussion, auch über die Parteigrenzenhinweg. Wir von der Union bekennen uns nachdrücklichzum Präventionsgedanken. Uns darf nicht nur die öko-nomische, sondern uns muss auch die ethische Sicht derPrävention sehr wichtig sein. Denn nur ein Gesund-heitswesen, das die Menschen gesund erhält, statt sichim Kurieren von Krankheiten zu erschöpfen, hat seinenNamen auch wirklich verdient.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herr Kollege Zöller, wir mussten sie mit der
esundheitsreform 2000 erst wieder einführen. – Heute
ört man von Ihnen großartige Bekenntnisse zur Präven-
ion und Sie haben uns auch einen Antrag zur Stärkung
on Prävention und Gesundheitsförderung nicht vorent-
alten wollen. Nach der Rede, die wir eben von der Frau
ollegin Widmann-Mauz gehört haben, stehen diese
ollmundigen Bekenntnisse allerdings in einem merk-
ürdigen Gegensatz zu dem kleingeistigen Gemäkel an
iesem Gesetz. Ich glaube, Sie müssen sich einmal ent-
cheiden, was Sie eigentlich wollen.
Frau Kollegin Bender, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Zöller?
Nein, jetzt nicht.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Gesetzent-urf zu begründen. Vielleicht lernen Sie dabei etwas.
Es ist doch so: Alle reden von Prävention. Niemandt dagegen, selbst die Union nicht. Tatsächlich leidet dierävention bis heute aber unter unklaren Begrifflichkei-n, fehlenden Zuständigkeiten und zu geringen Finan-ierungsmitteln. Damit machen wir mit unserem Gesetztzt Schluss. Die Finanzausstattung von 250 Millionenuro ist gar nicht so viel mehr, als auch bisher jedenfallsechtlich schon möglich war. Der Unterschied ist aber,ass man jetzt nicht mehr mühsam darum kämpfenuss, Projekte für die Vorbeugung von Krankheiten undür die Stärkung der Gesundheit der Menschen durch-ühren zu können, und dass der Prävention ein selbstver-tändlicher Platz eingeräumt wird, sodass sie zu einereiteren Säule im Gesundheitswesen wird.Nun gibt es die Kritik der Krankenkassen – Frau Kol-gin Widmann-Mauz, diese haben Sie sich vorhin zuigen gemacht –, dass hier ausschließlich mit Mittelner Sozialversicherung agiert werde. Man muss natür-ch schon sagen, dass präventive Anstrengungen auchisher schon aus Steuermitteln finanziert werden.
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Birgitt Bender
Denken Sie etwa an die Aktivitäten der Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung – dort werden immerhin40 Millionen Euro investiert – und daran, was die Bun-desernährungsministerin, Renate Künast, schon alles ge-tan hat, um das Thema Ernährung und Bewegung undsomit den Gesundheitszustand von Kindern stärker inden Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.
Es ist also nicht so, dass man bisher untätig war. Jetztwird die Sozialversicherung aber dazu gezwungen, ih-rem gesetzlichen Auftrag, den es ja schon gab, auchwirklich nachzukommen. Dafür werden die Strukturengeschaffen und erstmals werden auch die Renten-, Un-fall- und Pflegeversicherung einbezogen.Seitens der Kassen wird die Sorge geäußert, dass öf-fentlich finanzierte Gesundheitsdienste jetzt möglicher-weise abgebaut werden, weil man sich auf die neuenMittel verlässt. Dazu kann ich nur sagen: Es wird unseregemeinsame Aufgabe sein, darauf zu achten, dass genaudies nicht passiert. Ich will auch deutlich sagen: DieKassen sind ordnungspolitisch der richtige Ort für diepräventiven Anstrengungen. Schließlich kommt es in ih-ren Haushalten – jedenfalls mittelfristig – auch zu Ein-sparungen.
Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie sprachen vomkleinen Mann und sagten, dass alles müsse aus Steuer-mitteln finanziert werden.
Daneben sprachen Sie von der Rückenschule. Ich kannIhnen nur sagen: Die Rückenschule ist zwar sinnvoll,aber Sie sollten sich einmal damit beschäftigen, wer dorthingeht. Das sind Frauen aus der Mittelschicht. Es tut ih-nen gut. Der Brummifahrer geht dort aber nicht hin. Erkann mit Angeboten, zu denen er selbst hingehen muss,nichts anfangen.
Auch mit Unterstützung der AOK marschiert er nachSchichtende nicht in die Volkshochschule. Es brauchtProjekte, die tatsächlich im lebensweltlichen Bereich, imWohnquartier oder im Betrieb, stattfinden,
damit wir gerade auch die Menschen erreichen, die nichtzur Mittelschicht gehören und die eine gesundheitlicheFörderung oft besonders nötig haben. Die Kassen habendafür bestimmte Strukturen aufgebaut.
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rotzdem ist es bedauerlich, Herr Kollege Parr, dass dierbeitslosenversicherung bisher nicht einbezogen ist.ir alle wissen, dass Arbeitslosigkeit – um es einmal et-as plakativ zu sagen – krank macht. Arbeitslose sindtärkeren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Je längerie Arbeitslosigkeit dauert, desto eher verschlechtertich der Gesundheitszustand. Es besteht also tatsächlichnlass, die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen
nd Projekte, die besonders arbeitslosen Menschen zu-ute kommen, zu fördern.
Ich will deutlich sagen: Ich halte es für äußerst unbe-riedigend, dass die private Krankenversicherungicht mitmacht. Die Frau Ministerin hat es schon darge-egt: Die Maßnahmen, die in der Schule oder im Wohn-uartier angeboten werden, richten sich natürlich nichtur an gesetzlich Versicherte, sondern davon werdenuch die Privatversicherten profitieren. Ihnen, meine Da-en und Herren von der Union, liegt doch immer so vieln der privaten Krankenversicherung. Ich finde, es wäreür Sie eine echte Aufgabe, mit Vertretern der privatenrankenversicherung darüber zu reden, dass diese nichtur eine Aidsaufklärungskampagne machen – was schönst –, sondern dass sie sich auch in die Stiftung einklin-en und nicht nur von den Sozialversicherungsbeiträgener anderen profitieren.
Das Präventionsgesetz ist nicht nur und auch nichtorrangig ein Finanzierungsgesetz. Entscheidend ist,ass der Prävention im Gesundheitswesen ein festerlatz eingeräumt wird. Im Zentrum steht die Stiftung.on dort aus wird eine Weiterentwicklung der Strukturennd eine Vernetzung der verschiedenen Akteure stattfin-en. Es ist gut, dass über die Stiftung eine Ausrichtungller Aktivitäten an übergreifenden Präventionszielen er-olgt und dass auch die Qualitätssicherung Teil diesernstrengungen ist. Damit werden wirklich alle einbezo-en, auch diejenigen, die nicht der Mittelschicht angehö-en. Damit wird der Auftrag aus der Gesundheitsreform000, dass nämlich Prävention etwas zum Abbau gesell-chaftlich bedingter Ungleichheit leisten soll, tatsächlichrfüllt. Das Gesetz sieht vor, dass Maßnahmen jetzt vorllem in Schulen, Kindergärten, Wohnquartieren undnderen Bereichen des Alltagslebens angeboten werden.uf diese Weise geht man zu den Leuten hin, Frauidmann-Mauz, und wartet nicht darauf, dass sie vonelbst kommen.
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Birgitt BenderIch will auch deutlich sagen: Dem Gesetz liegt – auchdarin unterscheiden wir uns vielleicht – ausdrücklich einweiter Präventionsbegriff zugrunde, der nicht nur undauch nicht vorrangig medizinische Aspekte umfasst,sondern vor allem auch soziale Aspekte beinhaltet; dennGesundheit hat etwas mit der sozialen Lage zu tun. Des-wegen ist Prävention nicht vorrangig eine ärztliche Leis-tung. Vielmehr geht es bei Prävention darum, Menschenzu einer selbstverantwortlichen Lebensführung zu befä-higen und sie dabei von Angehörigen verschiedener Be-rufsgruppen zu unterstützen.Dieses Gesetz ist ein Riesenfortschritt. Es befreit Prä-vention aus der bisherigen gesellschaftlichen Randlage.Erstmals steht die Prävention dauerhaft und institutionellabgesichert auf der Tagesordnung des Gesundheitswe-sens. Damit haben wir einen großen Schritt nach vorngemacht.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Detlef Parr, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir allehaben ein Idealbild vor Augen, nämlich gesund ein ho-hes Alter zu erreichen. Wir alle wissen: Stressfrei lebenmit gesunder und ausgewogener Ernährung, mit viel Be-wegung und ohne Zigaretten, Alkohol oder sonstige Ge-nussmittel sind dafür die besten Voraussetzungen. As-kese pur als Leitbild ist jedoch wenig überzeugend.Dennoch ist das völlig unstrittig. Für jeden Einzelnenvon uns sollte zum Beispiel der prognostizierte Anstiegvon Diabeteserkrankungen als Folge von Übergewicht,Herz-Kreislauf-Problemen oder übermäßigem Drogen-konsum als Bedrohung erscheinen.Daher begrüßt die FDP das Anliegen der Bundesregie-rung, der Bedeutung von Prävention verstärkt Rechnungzu tragen. Es hat lange genug gedauert, es war längstüberfällig.
Die FDP-Fraktion hat bereits fast auf den Tag genauvor zwei Jahren einen wichtigen Teil der Prävention indem Antrag „Die Kompetenzen des Sports bei Präven-tion und Rehabilitation besser nutzen“ zum Thema ge-macht. Rot-Grün hat fast ein Jahr benötigt, um darauf zuantworten. Jetzt gibt es immerhin einen gemeinsamen,fraktionsübergreifenden Beschluss. Ich verstehe abernicht, warum Sie, Frau Ministerin, wertvolle Zeit mitüberflüssigen Abstimmungen zwischen den Ministerienvertändelt haben. Noch immer ist dem kundigen Theba-ner völlig unklar, was eine Ernährungs- und Bewegungs-kampagne der grünen VerbraucherschutzministerinKünast soll, wenn ihre rote Kollegin Ulla Schmidt alsGesundheitsministerin exakt die gleichen Ziele verfolgt.
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arum verführt sie die Länder, dies mit fremdem Gelditzutragen, mit dem diese dann ihre leeren Kassen fül-en können?
as dabei herausgekommen ist, war vorauszusehen:50 Seiten voller Bürokratie und Überregulierung. Wennan die Verordnungen, die daraus folgen, noch hinzu-echnet, dann wird das noch unüberschaubarer.Was wird jetzt von dem Gesetz und von den50 Millionen Euro bei den Menschen tatsächlich an-ommen?
rstens. Die Stiftung wird erst einmal viel Geld für Pa-ier, Sitzungen, Reisekosten usw. ausgeben.
ann werden Präventionsziele und Qualitätsstandardsormuliert. Diese sorgen dann dafür, dass einer solchenPlanwirtschaft“ vermutlich gleich auch erfolgreich lau-ende Projekte zum Opfer fallen, weil sie plötzlich dentiftungskriterien nicht mehr genügen. Tabula rasa à laot-Grün.
Zweitens. Die Kassen werden mit den 100 Millionenuro einige ihrer laufenden Projekte mehr schlecht alsecht fortführen können, aber gewiss nicht alle gutennsätze weiterentwickeln können.Drittens. Die Länder werden den Geldsegen von00 Millionen Euro dankbar in ihre leeren Haushaltskas-en lenken. Für ein Mehr an Präventionsaktivitäten sehech dabei keinen Spielraum. Vorteile für den Bürger sehech auch nicht. Die Hoffnung, mit 250 Millionen Euroöglichst viele erfolgreich erreichen zu wollen, ist eu-hemistisch. Es ist geradezu dreist, dass mit Mitglieds-eiträgen der Sozialversicherten öffentliche Aufgabenahrgenommen werden – dreist den Mitgliedern gegen-ber, die Sie seit Jahren mit Leistungskürzungen kon-rontieren.
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Detlef ParrEs ist nicht die große Masse der Bevölkerung, die miteiner aktiven Präventionspolitik erreicht werden muss.Der überwiegende Teil der Menschen kann und muss dasfür sich – Frau Bender, auch der Brummifahrer gehörtdazu – regeln. Auch der Brummifahrer kann eigenver-antwortlich handeln. Dafür brauchen wir ein solches Ge-setz und eine solche Überregulierung nicht.
Unser Plädoyer lautet: Eigenverantwortung stärken,aber nicht die Bürger fürsorglich bevormunden und ih-nen einen bestimmten Gesundheitsstil aufzwingen.
Gerade im Hinblick auf die knappen finanziellen Res-sourcen kommt es darauf an, sich auf den Teil in der Prä-vention zu beschränken, der als eine gesamtgesellschaft-liche Aufgabe verstanden werden muss. Zielgerichtetmüssen die Menschen mit entsprechenden Maßnahmenerreicht werden, die von sich aus ohne Hilfe nicht zu ei-nem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind –ohne neue bürokratische Strukturen. Wir können die vor-handenen Strukturen besser ausnutzen und sie koordinie-ren.
Die Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeitenmüssen klar definiert werden. Die Sozialversicherungendürfen nicht erneut zum Steinbruch für die Bewältigungöffentlicher Aufgaben werden. Solche Verschiebebahn-höfe müssen der Vergangenheit angehören.
Die Kompetenzen und Möglichkeiten der im Ge-sundheitswesen Tätigen, vor allem der Ärzte und Zahn-ärzte, müssen genutzt werden. Stattdessen schenken Siedieser wichtigen Gruppe als idealem Anlaufpunkt in Ih-rem Gesetz kaum Beachtung. Die Ressourcen müssenauf die Verhinderung von vermeidbaren, besonders be-lastenden und besonders teuren Krankheiten konzentriertwerden. Sie müssen auf Kinder und Jugendliche, ältereMenschen und sozial benachteiligte Gruppen konzen-triert werden. Hier sind wir völlig einig. Hier müssenPrioritäten gesetzt werden. Da helfen – schauen Sie sichdie Stiftungskonstruktion an – keine Zielfindungsselbst-erfahrungsgremien.Weiterhin gehören die Intensivierung der Impfungs-aktivität, die Überprüfung und Evaluierung der Präven-tionsmaßnahmen und die Aufklärungsarbeit, die vor al-lem von der Bundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung sehr gut geleistet wird, ins Zentrum unsererBetrachtungen. Die Medien sind in diese Aufgabe überihren öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag bzw. überfreiwillige Vereinbarungen einzubeziehen.Ich komme zum Schluss. Die FDP begrüßt diese De-batte, weil die Prävention für die GesundheitsförderunggzzsSR–rpdazSZshtEsupizGgkgudsiwvdwuPDizmwig
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Ich möchte einige Anmerkungen zu den zwei Anträ-gen der CDU/CSU und der FDP machen. Trotz differen-zierter Kritik – wie ich es nenne – werte ich die beidenAnträge alles in allem als Zustimmung. Ich bin optimis-tisch, dass wir während und nach der Anhörung – gege-benenfalls auch unter Durchführung von Änderungen –zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen werden.
Ich möchte aber auch etwas zu der vorgebrachten Kri-tik anmerken. Ich füge gleich hinzu, Herr Kollege Zöller,dass auch ich keine Zwischenfrage dulde, weil ich inmeinem Vortrag ohne Unterbrechungen fortfahrenmöchte.
Es ist nicht richtig, dass das BMGS so gut wie nichtszur Prävention beiträgt. Vielmehr leistet das BMGS bzw.der Steuerzahler bereits heute einen finanziellen Beitragzur Prävention in Höhe von circa 100 Millionen Euro.
Ich denke zum Beispiel an die Finanzierung der Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Aids-und Suchtprävention.
Ich selbst habe 1996 in der Prävention, in der Psycho-prophylaxe, gearbeitet und werde nie vergessen, wie dieKrankenkassen mir von einem Tag auf den anderen mit-geteilt haben: Herr Lohmann, wir können Ihre präven-tive Arbeit nicht mehr bezahlen. Der Grund war – erwurde schon genannt –, dass der damalige Gesundheits-minister, Herr Seehofer, § 20 des SGB V gestrichen hat.Danach war mit der Prävention schlagartig Schluss.Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Ich möchte betonen, was ich an dem vorliegendenGesetzentwurf gut finde. Ich finde gut, dass die Begriff-lichkeit besser, einheitlicher geworden ist. Es wird ein-deutig definiert, was gesundheitliche sowie primäre,sekundäre und tertiäre Prävention und was Gesundheits-förderung ist; denn diesbezüglich gab es in der wissen-schaftlichen und der pseudowissenschaftlichen Literaturein großes Durcheinander. Es wurde höchste Zeit, bun-desweit Einheitlichkeit herzustellen. Ich bin außerdemsehr zufrieden damit, dass die Stiftung „Prävention undGesundheitsförderung“ als Herzstück des Präventions-gesetzes die Aktivitäten der beteiligten Sozialversiche-rungsträger organisiert und koordiniert. Das ist ebenfallsein wesentlicher Aspekt.Obwohl ich weiß, dass mein Sportfreund KlausRiegert gleich noch etwas dazu sagen wird – hoffentlichnehme ich nichts vorweg –, sei es mir gestattet, auf denAnteil des Sports an der Prävention einzugehen. Wir ha-bKcKhicDddMisbsWZSsssgPpAbsvbktarlem
Die Sportvereine sind explizit in das Gesetz miteinbezogen worden. Wir haben daher eine offizielleAufforderung durch das Gesetz erhalten, in der Prä-vention mitzuwirken.as sind gewichtige Worte; denn Professor Banzer ister Experte des DSB für Prävention, also eines Verban-es, der mit immerhin 27 Millionen bis 28 Millionenitgliedern in der Bundesrepublik nicht ganz unwichtigt.Ich möchte ebenfalls aus der Stellungnahme des Frei-urger Kreises, der Arbeitsgruppe der größeren deut-chen Sportvereine, zitieren:Der Freiburger Kreis begrüßt es, dass die Präven-tion durch ein Gesetz als vierte Säule neben der Ku-ration, Rehabilitation und Pflege in das Gesund-heitssystem integriert wird.eiter heißt es:Positiv hervorzuheben sind der Vorrang der Präven-tion vor der Kuration, Rehabilitation und Pflegeund die Betonung der Eigenverantwortung.um Schluss heißt es:Der Freiburger Kreis begrüßt den Gesetzentwurfund sieht darin eine große Chance, den Sport als ei-nen Teil der primären Prävention und Gesundheits-politik im Gesundheitssystem zu etablieren.o weit der Freiburger Kreis.
Ich möchte aber auch sagen, was mich an dem Ge-etzentwurf stört. Ich werde nicht alles wiederholen; nuro viel: Mich stört, dass die PKV in das Präventionsge-etz nicht einbezogen worden ist. Ich weiß, dass es keineesetzgeberische Kompetenz gibt, die es erlaubt, dieKV zu einer Beteiligung am Präventionssystem zu ver-flichten.Mindestens genauso stört mich das Ausklammern derrbeitslosenversicherung; denn gerade Arbeitslose ha-en einen hohen Bedarf an Präventionsleistungen. Ange-ichts des milliardenschweren Budgets der Arbeitslosen-ersicherung wäre ein angemessener Beitrag sicherlicheitragsneutral zu gestalten gewesen. Ein Beispiel: Esann im Rahmen eines Settingansatzes in einer Kinder-gesstätte oder in einer Schule dazu kommen, dass Ge-ingverdiener die Prävention für Kinder von Freiberuf-rn und Besserverdienenden finanzieren. Das istakaber und ein Widerspruch. Frau Ministerin Schmidt,
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Götz-Peter Lohmannich fordere Sie deshalb auf: Setzen Sie Ihre Bemühungenfort, hier etwas zu verändern! Die PKV und die Arbeits-losenversicherung müssen einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dasses uns gelingen wird – es muss uns gelingen –, die Prä-vention als eigenständige vierte Säule aufzubauen undein Präventionsgesetz zu formulieren und noch in die-sem Jahr in Anwendung zu bringen. Wenn uns das ge-lingt, wäre das aber noch lange kein Grund für Selbstzu-friedenheit oder Arroganz – mir bleiben noch42 Sekunden an Redezeit –;
denn Gesundheit ist schon in der Antike ein hohes Gutgewesen. Schon die Ärzte der Antike hatten neben derPharmazeutik und der Chirurgie eine dritte Säule: Sienannten das nicht Prävention, sie nannten das Diätetik.Sie hatten einen ganzen Katalog von vorbeugenden Ge-wohnheiten: erstens ausgewogene Ernährung – das ist inunserem Entwurf auch enthalten –; zweitens ausreichendBewegung; drittens – das ist in unserem Entwurf nichtso sehr enthalten – die Wohltaten von Massagen und Bä-dern; viertens guter Schlaf; den fünften Aspekt kann ichwegen der Würde des Hohen Hauses nicht nennen.
Gesundheit war also bereits in der Antike im Wesentli-chen eine Eigenleistung. Es war und ist geboten, diesedurch eine vernünftige Lebensweise zu erbringen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Lohmann, auch die Verkündung verblei-
bender Redezeiten kostet Redezeit
und hat dem Plenum nun das Vortragen genau der Prä-
ventionsmaßnahme vorenthalten, die die größte Auf-
merksamkeit erzeugt hätte.
Zu einer Kurzintervention erhält nun der Kollege
Wolfgang Zöller das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Kollegin Bender und der Kollege Lohmann haben etwas
behauptet, was eindeutig falsch ist. Sie haben gesagt, un-
ter unserer Regierungszeit sei § 20 SGB V – Präven-
tion – gestrichen worden. Ich möchte feststellen: Das ist
eindeutig falsch. Was damals gestrichen wurde, waren
PR-Maßnahmen von Krankenkassen, die zum Beispiel
Geld für Bauchtanz und Taucherbrillen ausgegeben ha-
ben.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lanzinger,
DU/CSU-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen undollegen! Dies ist nun also die erste Lesung zum Ent-urf eines Präventionsgesetzes der Koalitionsfraktio-en. Viele warten auf dieses Gesetz: die Leistungserbrin-er, Interessengruppen, Verbände, Selbsthilfegruppen,änder, Kommunen und selbst der Bund. Endlich kannan so richtig loslegen – aber mit was denn? Ich hätterwartet, Frau Ministerin, dass Sie so richtig loslegen.Sie haben uns aufgefordert, diesen Gesetzentwurficht kleinzureden. Ich würde diesen Wunsch an Ihrerünen Partner und an Ihre Kollegen der SPD richten;enn sie haben diesen Gesetzentwurf sehr wohl in sehrleinkarierter Weise kritisiert.
Der Begriff Prävention wird mittlerweile vielfach undn einer immensen Bedeutungsvielfalt gebraucht und dierävention wird als Zaubermittel schlechthin dargestellt.ls Zaubermittel für was? Erreichen wir mehr durchmpfung, Reihenuntersuchungen, Vorsorge, richtigesssen und Verhalten, Bewegung, Gedächtnistraining?ekommen wir durch Prävention weniger Übergewich-ige, Suchtkranke, Depressive, psychisch Erkrankte? Icheine ja, wenn das Gesetz den Hauptbegriff von Präven-ion zum Inhalt hat und ihn auch umsetzt. Prävention be-eutet nämlich, aus dem Lateinischen übersetzt, vorbeu-en und zuvorkommen, ursprünglich sogar abschrecken,achrütteln und Unerwünschtes vermeiden. Wenn imräventionsgesetz Unerwünschtes definiert und denieldefinitionen ein zeitlicher Rahmen gesetzt wird, derngibt, bis wann es beispielsweise alle Akteure im Ge-undheitsbereich schaffen sollen, dafür zu sorgen, dassieder mehr geimpft wird und dass es weniger Überge-ichtige gibt, dann ist es sicherlich richtig.Für Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltungann der Gesundheitsbereich allein nicht sorgen. Eineernetzung und eine Verstärkung des Engagements allerkteure im Gesundheitswesen – Sozialversicherungsträ-er, betriebliche Einrichtungen, private Versicherungen,erbände, Kommunen und Länder – sind dringend not-endig. Dieses Gesetz darf jedoch nicht eine Art Tum-elplatz werden, auf dem man der Auffassung ist, eineuer Finanzierungstopf für bereits Vorhandenes und be-eits Laufendes sei gefunden.
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Barbara Lanzinger
Dann gelingt Prävention nicht.Vom Gesetzentwurf sind wichtige Gruppen nicht be-troffen, zum Beispiel – das wurde angesprochen – dieprivaten Versicherungen sowie die Bundesagentur fürArbeit. Ich denke, hier liegen Wunsch und Wirklichkeitweit auseinander.Ungut ist auch, dass im Gesetzentwurf zu sehr auf dieprimäre Prävention, also auf das Vorbeugen des erstma-ligen Auftretens von Krankheiten, fokussiert wird. Dasreicht nicht aus. Frau Kollegin Bender, Sie wünschensich, dass wir an die Menschen herantreten. Dazu ist esnotwendig, dass gerade die sekundäre und die tertiärePrävention noch besser verankert werden.
Sekundäre und tertiäre Prävention besagt Folgendes: Ge-rade auf die Verhütung von Verschlimmerung von Er-krankungen – psychische Erkrankungen, Schmerzen,Sucht; um nur einige zu nennen – muss ein viel größeresAugenmerk gerichtet werden. Dem wird dieses Gesetzschlichtweg nicht gerecht. Wenn seine Umsetzung er-folgreich sein soll, dann dürfen wir nicht nur von derFörderung der körperlichen Gesundheit, sondern müssenauch von der Förderung der seelischen Gesundheit spre-chen.
Prävention und Gesundheitsförderung gehören zu-sammen und sind keine rein verhaltensbezogenen Bot-schaften. Sie setzen in und an den Lebenswelten an– das wird im Gesetz richtig dargestellt –: Wohnumfeld,Schule, Kindergärten; aber die Familie, ein ganz wesent-liches Lebensumfeld, fehlt.
Dabei ist die Familie die wichtigste Lebenswelt. Wie wiralle wissen, leistet sie oftmals nicht mehr das Erlernenund das Trainieren von individuellen Fähigkeiten undFertigkeiten, damit jemand für seine Gesundheit eigen-verantwortlich sorgen kann.
Gerade die Familie ist als Lebenswelt der wichtigste Be-reich, in dem man lernt, mit seinem Körper, seiner Um-welt, mit sich selbst bewusst und verantwortlich umzu-gehen.
Das Präventionsgesetz hat nur Erfolg, wenn es schonvorhandene Strukturen aufgreift, vernetzt und bündelt,um Veränderungen zu erreichen. Ganz elementar sindgesicherte Daten. Sie fehlen, auch auf Bundesebene. Ichmöchte wissen, wie mit bereitgestelltem Geld umgegan-gen wird.lbuh„gdgSdudgusedgGzbEmbsekwdPLDlssKheskfed
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Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Wir als PDS begrüßen das Gesetz zur Stärkung der
gesundheitlichen Prävention.
Es ist ein erster, allerdings sehr kleiner Schritt in die
richtige Richtung. Auf mich macht dieses Gesetz des-
halb den Eindruck eines Trostpflasters. Es ist ein Trost-
pflaster für engagierte Gesundheitspolitiker, die mit der
ungesunden Gesundheitsreform der großen Koalition
von SPD, CDU/CSU und Grünen nur schwer leben kön-
nen. Sie sollen mit dem Präventionsgesetz entschädigt
werden.
Doch die beste Gesundheitsvorsorge wäre eine Rück-
nahme der ungesunden Regelungen.
Die 10-Euro-Praxisgebühr und die höheren Zuzahlungen
auf Medikamente und Hilfsmittel sowie bei Kranken-
hausaufenthalten machen viele Menschen nicht gesün-
der, sondern erst richtig krank. Nach einem Jahr Gesund-
heitsreform gibt es Zahlen und Statistiken, die das
belegen.
Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem sozial Be-
nachteiligte einer besonderen gesundheitlichen Gefähr-
dung unterliegen. In meiner Heimatstadt Berlin – wie
anderswo auch – sind die Auswirkungen sozialer Unter-
schiede deutlich zu erkennen. Die PDS-Senatorin Heidi
Knake-Werner hat in ihrem Gesundheitsbericht 2003
festgestellt, dass ein Mann im reichen Steglitz-Zehlen-
dorf in Berlin mit 77,2 Jahren durchschnittlich um vier
Jahre älter wird als ein Mann, der im armen Friedrichs-
hain-Kreuzberg in Berlin wohnt. Im armen Berlin-Neu-
kölln ging die Anzahl der Arztbesuche im Vergleich zum
reichen Steglitz-Zehlendorf um etwa das Doppelte zu-
rück. Die Praxisgebühr hat sich also als ein sozialer Se-
lektionsmechanismus erwiesen. Sie steuert die sozial
Schwachen aus dem Gesundheitssystem heraus. Die Ab-
schaffung der Praxisgebühr und die Reduzierung der Zu-
zahlungen, wie wir als PDS es fordern, wären ein wirkli-
cher Beitrag zur Gesundheitsvorsorge.
Ich möchte abschließend etwas zur Finanzierung des
Gesetzes sagen. 250 Millionen Euro sind wirklich nicht
viel Geld für die Gesundheitsvorsorge von 80 Millionen
Menschen. Das sind im Jahr 3 Euro pro Person. Ich habe
einen Finanzierungsvorschlag, der eigentlich allen gefal-
len müsste und den Sie in das Gesetz aufnehmen sollten.
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In Kindergärten und Schulen sollte mehr Gewicht aufgesunde Ernährung und Bewegung gelegt werden. Täg-lich eine Stunde Bewegung ist ein Muss. Unsere Bil-dungspolitiker müssen endlich dem Sport in der Bildungmehr Gewicht verleihen.
27 Millionen Mitglieder treiben in 87 000 Sportver-einen Sport.
Diese halten eine Infrastruktur vor, die jedem Mitgliedumfassende und vielfältige Bewegungsmöglichkeitenanbietet. Jeder kann nach seinen Interessen und Mög-lichkeiten Sport treiben. Herr Präsident, schauen wir ein-mal selbstkritisch in unsere Reihen: Der eine oder dieandere könnte sich mehr bewegen und stärker auf die Er-nährung achten.
In diesem Zusammenhang weise ich auf das Angebot derSportgemeinschaft Deutscher Bundestag hin. Da könnenauch wir Sport treiben.Unsere Sportvereine unterbreiten darüber hinaus vonden Krankenkassen und Ärzten geprüfte und anerkanntequalitätsgesicherte Gesundheitsangebote. Sie könntendies aufgrund der Organisationsstruktur flächendeckendfür zusätzlich 5 Millionen Menschen anbieten. DieKrankenkassen müssten dafür pro Jahr und Versicherten1,50 Euro aufbringen. Machbar wäre das heute schon.Die Krankenkassen sind sich der Bedeutung von Präven-tion durchaus bewusst. Sie sind bereit, von den2,56 Euro mehr Geld für Prävention bereitzustellen, weilsie wissen, dass auf sie eine gewaltige Kostenlawine zu-rollt, wenn nicht schnell gehandelt wird. Vor allem,wenn nicht unverzüglich bei Kindern und Jugendlichenmit der Prävention begonnen wird.
Für diese Bundesregierung ist Sport mit Glanz undGlamour verbunden. Wenn eine Kamera da ist, sitzt derMinister Schily immer in der ersten Reihe.
Frau Künast glänzt aber heute durch Abwesenheit. Es istsomit nicht verwunderlich, dass dem Sport als Mittel derPrävention in diesem Gesetzentwurf keine besondereBedeutung zugemessen wird.
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Ich habe berechtigte Zweifel, dass das Gesetz dieiele und Erwartungen erfüllt. Das Gesetz schafft eineiesige Bürokratie. Aber welche Möglichkeiten habenir, wenn die Ziele der Prävention verfehlt werden? Dereutsche Sport mit seiner umfassenden Infrastruktur inen Sportvereinen bietet einen hervorragenden Ansatzur Prävention, flächendeckend, kostengünstig und qua-tätsgesichert. Bei allem, was gesetzgeberisch beschlos-en wird: Ohne Sport und Bewegung ist Prävention nichtöglich. Wir sollten nicht vergessen: Sportförderungnd die Unterstützung unserer Sportvereine ist die besterävention.
eshalb ist dem Sport und den Sportvereinen im Präven-onsgesetz eine hervorgehobene Stellung zuzuordnen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/4833 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vor-age auf Drucksache 15/4671 soll an dieselbenusschüsse und zusätzlich an den Ausschuss für Touris-us, nicht jedoch an den Haushaltsausschuss gemäß96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Die Vor-age auf Drucksache 15/4830 soll an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sindie damit einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall.ann ist das so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 sowie denusatzpunkt 9 auf:23 Erste Beratung des von den AbgeordnetenWolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, ThomasStrobl , weiteren Abgeordneten undder Fraktion der CDU/CSU eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
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Vizepräsident Dr. Norbert LammertGesetzes über befriedete Bezirke für Verfas-sungsorgane des Bundes
– Drucksache 15/4731 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität undGeschäftsordnung
InnenausschussAuswärtiger AusschussRechtsausschussZP 9 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderungdes Versammlungsgesetzes und des Strafge-setzbuches– Drucksache 15/4832 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist fürdiese Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Wolfgang Bosbach für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um dieDebatte heute Morgen besser verstehen zu können, müs-sen wir einen Blick zurückwerfen:29. Januar 2000: Neonazis marschieren mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor. DieBilder gehen um die Welt. Der Ort und der Zeitpunktsind ganz bewusst gewählt worden: Der 27. Januar erin-nert an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausch-witz, der 30. Januar an die Machtergreifung Hitlers1933.17. September 2000, 17 Uhr, Hamburg, 50. Geburts-tag der Gewerkschaft der Polizei: Der Bundeskanzlerverkündet lautstark, er könne niemandem erklären, wa-rum es die Bundesrepublik Deutschland zulasse, dassNeonazis durch das Brandenburger Tor marschierten;solche Bilder gingen um die Welt und würden unserLand blamieren. Das Demonstrationsrecht müsse drin-gend geändert werden. – Donnernder Applaus. Was tutder Kanzler daraufhin? – Nichts.27. November 2000: Die CDU/CSU-Fraktion bringteinen Gesetzentwurf ein, der unter anderem vorsieht, fürOrte von herausragender nationaler und historischer Be-deutung befriedete Bezirke auszuweisen, wenn dieBundesländer dies wünschen, beispielsweise im Falledes Holocaust-Mahnmals, aber auch der Neuen Wacheund des Brandenburger Tores. Entscheidend ist für unsder Schutz – ob durch ein Bundesgesetz, eine Rechtsver-ordnung oder ein Ländergesetz ist demgegenüber zweit-rangig.16. Mai 2002: Rot-Grün lehnt das Gesetz ab.2BBdeudTcwüsssdwilnhmzdglBidbgskvglefDLgPgbvZ
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Dies mit dem Vorgang zu vergleichen, dass Tausendevon Neonazis in Sichtweite des Reichstagsgebäudesdurch das Brandenburger Tor marschieren, halte ich fürziemlich abwegig, jedenfalls nicht für zwingend gebo-ten.
Jetzt kommen wir zu dem Hauptargument der Grü-nen. Volker Beck wird vorgestern mit den Worten zitiert:Wir können doch nicht den befriedeten Bezirk DeutscherBundestag ausweiten und damit „halb Berlin-Mitte“ vonDemonstranten freihalten.
Es ist auf den ersten Blick ein gewichtiges Argument.Man muss aber einmal schauen, ob es zutrifft. Der Be-zirk Berlin-Mitte ist 3 947 Hektar groß.
Die Fläche des jetzigen befriedeten Bezirks umfasst ge-nau 1,2 Prozent dieser Fläche; nach unseren Vorstellun-gen wären es zukünftig 1,5 Prozent. Wenn Sie sagen, dieum 0,3 Prozentpunkte vergrößerte Fläche sei ein verfas-sungswidriger Eingriff in die Grundrechte der Demons-tranten, dann dürfen Sie uns nicht böse sein, dass wirdieses Argument nicht nachvollziehen können.
Laut Reuters hat der Kollege Dr. Wiefelspütz das Ar-gument vorgebracht: Wir lehnen den Vorschlag derUnion ab, weil das Brandenburger Tor keinen Bezugzum Parlament und keinen Bezug zur NS-Geschichtehat.
Das Bild von den durch das Brandenburger Tor mar-schierenden Nationalsozialisten müsste Ihnen eigentlichbekannt sein, Herr Kollege Wiefelspütz.
Sie wollen gerade an diesem Ort demonstrieren, weil siean Hitlers Machtergreifung erinnern wollen.
Da Sie fragen, was das Brandenburger Tor mit demDeutschen Bundestag zu tun hat, zeige ich Ihnen einmaldPWSIdezTtwslasznwWStFKnm
ir schützen die Schweizer Botschaft. Wir schützen dasowjetische Ehrenmal.
ch bitte darum, dass Sie mir hier gleich erklären, wiesoie Schweizer Botschaft und das Sowjetische Ehrenmalinen größeren Bezug zum Deutschen Bundestag undur Arbeit des Parlaments haben als das Brandenburgeror. Auch die Französische Botschaft liegt im befriede-en Bezirk.
Wir sind bereit, den Gesetzentwurf der Koalitionohlwollend zu prüfen. Wenn es Orte gibt, die des be-onderen Schutzes bedürfen, wie beispielsweise das Ho-ocaust-Mahnmal, aber dann natürlich auch die Orte desuthentischen Geschehens, wie die Konzentrationslager,ind wir gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen diese Orteu schützen.Wir sollten uns auch nicht über Punkte streiten, in de-en wir uns eigentlich einig sind, nur um des Streitesillen.
enn Sie aber das Hauptproblem nicht lösen, werdenie und werden wir alle unserer besonderen Verantwor-ung nicht gerecht.Danke.
Das Wort hat nun die Kollegin Erika Simm, SPD-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Kollege Bosbach, phasenweise hat hiericht die Ernsthaftigkeit geherrscht,
it der man dieses Thema eigentlich angehen müsste.
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Erika SimmIch vermisse eine etwas vertieftere Auseinandersetzungmit den rechtlichen Rahmenbedingungen, in denenwir uns bei diesem Thema zwangsläufig bewegen müs-sen. Es gibt gesicherte Rechtsprechung zu dem Thema.Das OVG Münster hat – auch wenn Sie das bagatellisierthaben – sehr grundsätzliche Ausführungen gemacht, dieich für mich schon als verbindliche Richtschnur für dieAusweitung der befriedeten Bezirke annehme.Welches sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, indenen wir uns bewegen? Befriedeter Bezirk heißt Ein-schränkung des Versammlungsrechts. Art. 8 Abs. 1Grundgesetz garantiert allen Deutschen, sich ohne Er-laubnis frei zu versammeln. Art. 8 Abs. 2 Grundgesetzgibt die Möglichkeit, dieses in der Demokratie beson-ders hochrangige Grundrecht durch einfaches Gesetzeinzuschränken. Solche einschränkenden Gesetze sinddas Versammlungsgesetz und das Gesetz über befriedeteBezirke für Verfassungsorgane des Bundes, das wir nachdem Umzug nach Berlin neu geregelt haben.
Auch wenn Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz die Möglich-keit gibt, die Versammlungsfreiheit durch einfachesGesetz einzuschränken, heißt das nicht, dass diese Ein-schränkung beliebig vorgenommen werden kann.
Dazu gibt es nicht nur die Entscheidung des OVG Müns-ter, sondern insbesondere auch die Brokdorf-Entschei-dung des Bundesverfassungsgerichts. Diese legen gesi-cherte Rahmenbedingungen fest, in denen wir uns zubewegen haben, wenn wir entsprechende Gesetze ma-chen oder ändern.Nach dieser gesicherten Rechtsprechung ist eine Ein-schränkung des Versammlungsgrundrechts nur zumSchutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter zulässig. Au-ßerdem muss der Wesensgehalt des Grundrechts immererhalten bleiben.Welches sind dann im konkreten Fall der Bannmeile– um den alten Begriff zu verwenden – die anderengleichwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz wir dasVersammlungsrecht einschränken? Das ist – auch das istmittlerweile allgemeine Ansicht – die Funktions- undArbeitsfähigkeit der Verfassungsorgane, die durchden befriedeten Bezirk geschützt werden sollen, in unse-rem Fall also des Deutschen Bundestages. Nur zu dessenSchutz dürfen wir das Versammlungsrecht einschränken.Das gilt sowohl, was die Größe des befriedeten Bezirksangeht, als auch, was die Zulässigkeit von Ausnahme-genehmigungen für Versammlungen innerhalb des be-friedeten Bezirkes angeht.Sie wenden jetzt einen juristischen Trick an, indemSie künftig im Gesetz ein generelles Verbot mitErlaubnisvorbehalt formulieren wollen.
–lwndlDOgDahFenAdhwuglkRsezIFMvnesVw
Ihr Vorgehen bringt Sie auch nicht weiter; denn dann,enn das Schutzgut „Arbeitsfähigkeit des Parlamentes“icht durch eine konkret geplante Demonstration gefähr-et ist, haben Sie die entsprechende Erlaubnis zu ertei-en.
ann reduziert sich das Ermessen auf null. Das hat dasVG Münster in seiner Entscheidung von 1993 dezidiertesagt.
arin ist immer wieder von der Ermessensreduzierunguf null die Rede. Wenn Sie das Urteil wirklich gelesenaben, werden Sie das festgestellt haben.Ergebnis der Prüfung, die wir innerhalb der SPD-raktion vorgenommen haben, ist, dass uns und Ihnenine Erweiterung des befriedeten Bezirkes überhauptichts in dem Bemühen bringt, rechtsextremistischeufmärsche und Demonstrationen im Bereich des Bran-enburger Tores und des Holocaust-Denkmals zu ver-indern.
Da ich davon ausgehen muss, dass Ihnen durchaus be-usst ist, wie die Rechtslage ist, bzw. zu Ihren Gunstennterstelle, dass Sie sich mit ihr befasst haben – diejeni-en von Ihnen, die sich bisher zu diesem Problem öffent-ich artikuliert haben, sind ja auch entweder Innenpoliti-er oder aber ich kenne sie als Rechtspolitiker aus demechtsausschuss –, frage ich mich: Was soll dieser Ge-etzentwurf, wenn es Ihnen wirklich darum geht, rechts-xtremistische Aktivitäten ernsthaft einzuschränken undu bekämpfen?
Herr Bosbach, Sie haben von Seriosität gesprochen.ch halte diesen Gesetzentwurf für nicht seriös.
ür mich stellt er vielmehr Aktionismus dar:
an tut so, als wolle man etwas erreichen – mit einemöllig untauglichen Instrument.Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ableh-en und stattdessen das machen, was sinnvoll erscheint:ntsprechende Regelungen im Versammlungsrechtchaffen, das Strafrecht in § 130 Strafgesetzbuch,olksverhetzung, verschärfen – dieser Paragraph hat jaieder mittelbar Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit
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Erika Simmvon Demonstrationen – und versuchen, den vielfältigenAnliegen der Öffentlichkeit, gerade auch von Bürger-meistern, Rechnung zu tragen.Ich fordere Sie hiermit herzlich auf, mit Ihrem juristi-schen Sachverstand, den ich Ihnen, wie gesagt, nicht ab-spreche,
daran mitzuwirken.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kollege Bosbach ist mit einem Rückgriff in die Historiegestartet. Er hat auf einige Gesichtspunkte hingewiesen,die wir tatsächlich zu berücksichtigen haben. Auch fürmeine Fraktion ist es ganz selbstverständlich, dass Neo-nazis am 8. Mai nicht durch das Brandenburger Tor mar-schieren dürfen.
– Auch ich bin sicher, Herr Ströbele, dass sie das nichttun werden; denn die Demokraten stehen zusammen.
Wer aber den Blick zurückwirft, muss natürlich auchein anderes Ereignis erwähnen, das uns als Liberale ganzaußerordentlich beschäftigt hat: der Gang der verschie-denen Verfassungsorgane zum Bundesverfassungsge-richt in Sachen NPD-Verbot. SPD, CDU/CSU undBündnisgrüne haben diesen Antrag hier im Bundestagunterstützt, wir als FDP bewusst nicht – nicht, weil wirdie NPD als nicht gefährlich betrachten; das tun wirselbstverständlich. Ich tue dies auch ganz persönlich,weil ich als junger Staatsanwalt in einer Staatsschutzab-teilung für die Bekämpfung der NPD zuständig war undnicht nur die Verfassungswidrigkeit dieser Partei deut-lich mitbekommen habe, sondern auch ihre Gefährlich-keit, weil viele ihrer Anhänger ständig Verstöße gegendas Waffengesetz begangen haben.Aufgrund dieser Tätigkeit war mir die V-Mann-Pro-blematik bekannt. Wir haben davor gewarnt und alsRechtsstaatspartei deutlich gemacht, dass das Verbot ei-ner Partei in einer Demokratie das letzte Mittel seinmuss.
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an hat sich auf einen anderen Vorschlag geeinigt, derllerdings, wie die Diskussion der Fachleute gezeigt hat,benfalls höchst fragwürdig ist.
Dabei geht es zum Beispiel um folgende Fragen: Ent-pricht das Verharmlosen dem Bestimmtheitsgebot vonrt. 103 des Grundgesetzes?
önnen die symbolträchtigen, schützenswerten Orteurch eine Rechtsverordnung festgelegt werden? Wireben auf diese Fragen eine klare Antwort: Das istelbstverständlich nicht der Fall.
eshalb lautet unsere klare Aufforderung an alle, keineit heißer Nadel genähten Gesetze durch das Parlamentu peitschen.
as würde nur Schwäche, nicht aber Stärke der Demo-ratie zeigen – Stärke, die wir gerade gegenüber deneonazis demonstrieren müssen.
icht die heiße Nadel ist also gefordert, sondern derühle Kopf.Wir als FDP stellen fest, dass die bestehenden Ge-etze ausreichen, um das, was für den 8. Mai geplant ist,
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Jörg van Essenzu verhindern. Das ist ganz offensichtlich auch die Mei-nung von Volker Beck, der das heute Morgen im „Mor-genmagazin“ des ZDF so deutlich zum Ausdruck ge-bracht hat. Er sagt: Wir wollen ein Zeichen setzen. –Genau das ist nicht die Aufgabe der Gesetzgebung. DieGesetzgebung muss dann eingreifen, wenn tatsächlichDefizite vorhanden sind, die abgebaut werden müssen.Das haben Ihnen in den letzten Tagen nicht nur dieJournalisten aufgezeigt – der Leitartikel gestern in der„FAZ“ zum Beispiel war wirklich bemerkenswert, nach-denkenswert –, sondern das sagen Ihnen auch dieExperten. Wenn Sie Professor Battis nicht trauen, dannweise ich auf den Präsidenten des Bundesverwaltungs-gerichtes hin. Auch der oberste Verwaltungsrichter inDeutschland sagt klar und deutlich, dass die Haltungmeiner Fraktion, dass die bestehenden Gesetze ausrei-chen, richtig ist.
Die letzten Tage haben gezeigt, dass Diskussionsbe-darf besteht und dass viele der Vorschläge, die angedachtsind, offensichtlich nicht tragen. Daher habe ich dieherzliche Bitte an Sie, dieses Gesetz, um die Demokratiezu stärken, nicht in der nächsten Woche durch den Bun-destag zu peitschen, sondern eine Anhörung durchzufüh-ren, um zu überprüfen, ob die geplanten Regelungenwirklich tragen. Das, was Kollegin Simm zum Themabefriedete Bezirke vorgetragen hat, trifft zu. Die Patent-lösung, die Kollege Bosbach uns vorgestellt hat, istkeine; ganz im Gegenteil – Frau Kollegin Simm hat dasauf wirklich beeindruckende Weise vorgestellt –, esbringt uns nicht weiter.
Deshalb richte ich den herzlichen Appell an uns alle,dass wir uns an dem orientieren, was uns die DresdnerBevölkerung am letzten Wochenende gezeigt hat. Sie hateinen kühlen Kopf bewahrt, das Geschehen bestimmtund sich nicht von den Neonazis treiben lassen. Genausomüssen auch wir agieren. Das ist die Linie meiner Frak-tion.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Hans-Christian Ströbele,Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Wir lehnen den Gesetzentwurf der Union, durch den derbefriedete Bereich um das Parlament erheblich erweitertwerden soll, ab,wdawnumDdiWrwtdDsfldgwswnBlhunMdsgstsb
eil sich die bisherige Eingrenzung bewährt hat, weilie Arbeitsfähigkeit des Parlaments auch durch Neonazi-ufmärsche am Brandenburger Tor nicht bedroht ist undeil die gegenwärtige Diskussion über Neonaziumtriebeicht dazu missbraucht werden darf, um am, vor demnd hinter dem Brandenburger Tor so etwas wie eine de-onstrationsfreie Zone zu schaffen.
ieser Platz um das Brandenburger Tor hat sich nachem Fall der Mauer zum wichtigsten Demonstrationsortn Deutschland entwickelt und das soll auch so bleiben.
ir Grünen wissen, welch hohes Gut das Recht ist, ge-ade auch an herausgehobenen Stellen zu demonstrieren;ir sind eine Partei, die geradezu aus dem Demonstra-ionsrecht geboren worden ist.
Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, nachem Demonstrationen auch in der Nähe des Holocaust-enkmals erlaubt sind – auch dort soll die Auseinander-etzung in Form von öffentlichen Demonstrationen statt-inden dürfen –, allerdings stellen wir klar, dass am Ho-ocaust-Denkmal die Menschenwürde der Opfer dereutschen Naziverbrechen nicht erneut in den Schmutzezogen werden darf, indem geleugnet und verharmlostird; das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs.
Ich sage Ihnen, Herr Bosbach: Die für den 8. Mai die-es Jahres angemeldete Demonstration der Neonazisird am Brandenburger Tor nicht stattfinden. Die Berli-er werden verhindern, dass die Neonazis durch dasrandenburger Tor ziehen; sowohl die Behörden in Ber-in als auch die Bevölkerung von Berlin werden das ver-indern. Ich glaube, darauf können wir vertrauen,
nabhängig davon, ob wir ein neues Gesetz haben odericht.Noch eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Bosbach:ir geht es nicht in erster Linie darum, ob hässliche Bil-er um die Welt gehen, auf denen Neonazis zu sehenind, die auf einer Demonstration durch das Brandenbur-er Tor ziehen. Mir persönlich geht es darum – uns allenollte es persönlich darum gehen –, dass für uns uner-räglich sein muss, dass braune Kolonnen gerade an die-em 60. Jahrestag der Befreiung erneut durchs Branden-urger Tor marschieren.
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14814 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Hans-Christian StröbeleEs geht um uns alle, es geht nicht in erster Linie um dieBilder, die um die Welt gehen. Denn Demonstrationen,die letztlich der Wiederbelebung des Nationalsozialis-mus in Deutschland dienen, sind keine bloße Meinungs-bekundung, sondern das sind Verbrechen.
Das Wort hat nun der Kollege Hartmut Koschyk,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Ströbele, Sie hätten Ihre kurze Redezeit nicht
mit so viel Emphase vertun sollen. Sie hätten hier im
Deutschen Bundestag auch einmal deutlich machen sol-
len, dass nicht einmal der abgespeckte Gesetzentwurf,
den die Koalitionsfraktionen uns heute präsentieren
– ohne den Verbotsgrund, für den Frau Ministerin
Zypries und Herr Minister Schily am letzten Freitag
noch standen –, Ihre Zustimmung findet. Denn als Welt-
kind in der Mitten sind Sie gegen jede Beeinträchtigung
des Versammlungsrechts in der heutigen Form.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es
ist die Untätigkeit von Rot-Grün, die jetzt diesen gesetz-
geberischen Aktionismus zur Folge hat. Denn nach dem
Januar 2000, als die beschämenden Bilder von NPD-An-
hängern, die mit ihren unsäglichen Parolen und schwarz-
weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor mar-
schiert sind, um die Welt gingen, hat zwar der Bundes-
kanzler großspurig angekündigt, man werde Verände-
rungen am Versammlungsrecht vornehmen. Aber seit
dem Januar 2000 ist auf Koalitionsebene nichts getan
worden.
Wir haben damals einen Gesetzentwurf vorgelegt,
von dem wir kritisch zurückblickend sicher sagen müs-
sen, dass er bei einer Anhörung verfassungsrechtlich
deutliche Schwächen gezeigt hat. Nur wundert es mich
schon – das einmal an die Adresse der Koalition –, dass
der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck zeit-
gleich zu unserer Debatte darauf besteht, im Bundesrat
einen Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz aus
dem Jahr 2000,
der bemerkenswerte Parallelen zum damaligen Gesetz-
entwurf der Union hat, auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich will Ihnen sagen: Das ist ein Schlag ins Gesicht Ihrer
handlungsunfähigen Regierung. Die Länder wissen, dass
Ihre akademische Position ihnen nicht hilft, um in ihrem
Bereich widerwärtige Nazi-Demonstrationen zu verbie-
ten.
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Herr Minister Schily, Sie haben jetzt zwei Jahre lang
it Ihren Innenministerkollegen aus den Ländern darum
erungen, Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur Ver-
chärfung des Versammlungsrechts zu entwickeln.
An die Adresse der FDP sage ich: Man merkt, dass
ie in den Ländern nicht so die Regierungsverantwor-
ung tragen. Sie lehnen sich bei diesem Thema zurück
nd sagen, dass man hier überhaupt keine Veränderung
raucht. Mit dieser Position machen Sie es sich zu leicht.
ragen Sie bitte auch einmal die Länder, in denen Sie die
egierungsverantwortung mittragen, gerade auch das
and Rheinland-Pfalz, das heute Wert darauf legt, dass
m Bundesrat ein solcher Gesetzentwurf auf die Tages-
rdnung kommt. Die Haltung der FDP, man müsse hier
berhaupt nichts verändern, trägt dem Problem, das exis-
iert und gelöst werden muss, nicht in notwendigem Maß
echnung.
Herr Kollege Koschyk, gestatten Sie Zwischenfra-
en?
Ja.
Aufgrund der Reihenfolge der Wortmeldungen ist zu-
ächst der Kollege Wiefelspütz zu berücksichtigen. –
itte schön.
Geschätzter Kollege Koschyk, Sie kommen aus demunderschönen Land Bayern.
ch möchte Ihnen die ernsthafte Frage stellen, was Ihresetzentwurf, mit dem Sie die Bannmeile in Berlin aufas Brandenburger Tor erweitern, den wirklich geplag-en Bürgerinnen und Bürgern in Wunsiedel bringt. Ichtelle Ihnen diese Fragen mit großem Ernst, weil michnd, wie ich denke, auch Sie das umtreibt. Was habenie den Menschen in Wunsiedel – der eine oder andereird unsere Debatte mit hohem Interesse verfolgen – an-ubieten?
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14815
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Dr. Dieter WiefelspützIch glaube, wir alle miteinander würden versagen,wenn wir diesen Menschen nichts anzubieten hätten.Herr Koschyk, ich bitte Sie, uns hier zu unterbreiten,wieso Sie meinen, mit der Ausdehnung der Bannmeilebis zum Brandenburger Tor im restlichen Deutschland,also auch in Wunsiedel, etwas bewirken zu können.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Wiefelspütz. Erstens.
Wir haben immer gesagt, dass unser Vorschlag, die Aus-
weitung des befriedeten Bezirks, die schnellste und ein-
fachste Lösung ist, um einen Naziaufmarsch am Bran-
denburger Tor und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai
zu verhindern.
Herr Kollege Wiefelspütz, zweitens haben wir immer
gesagt, dass wir einer Veränderung des Versammlungs-
rechts offen gegenüberstehen und konstruktiv daran mit-
arbeiten werden, um auch andernorts, also außerhalb des
befriedeten Bezirks, Naziaufmärsche unterbinden zu
können. Schauen Sie sich unseren Gesetzentwurf aus der
vergangenen Legislaturperiode an!
Lieber Herr Kollege Wiefelspütz, das, was die Koali-
tion heute vorschlägt, hilft Wunsiedel in keiner Weise.
Sie wissen das auch. Deshalb haben Sie gestern in einem
Interview in der „Frankenpost“ – das ist die Zeitung für
die Region Wunsiedel – gesagt, die Wunsiedeler sollten
keine Angst haben, denn der jetzt durch den Koalitions-
entwurf herausgenommene Verbotsgrund aus dem Vor-
schlag Schily/Zypries könne im Verlauf der parlamenta-
rischen Beratung wieder hineinkommen,
sodass man aufgrund des Gesetzes dann auch in Bezug
auf Wunsiedel wieder handlungsfähig sei.
Ich sehe jetzt die blassen Gesichter Ihrer grüner Koa-
litionspartner, lieber Herr Wiefelspütz,
und sage Ihnen mit allem Ernst:
Das Thema ist zu ernst, um solche gesetzgeberischen
Spielchen zu veranstalten.
Denn Sie führen hier doch folgendes Theater auf: Um
die Grünen zu beruhigen, specken wir den Schily/
Zypries-Entwurf ab, und anschließend versetzen wir ihn,
möglichst mithilfe der Union – das ist Ihr Wunsch –, in-
folge des öffentlichen Drucks in der parlamentarischen
Beratung wieder in den alten Zustand. So macht man bei
einem so wichtigen Thema keine gründlichen Gesetze.
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Nun wird die Redezeit durch eine Zwischenfrage des
ollegen Stadler erweitert. Bitte schön.
Herr Kollege Koschyk, wenn ich einen Kommentar
bgeben dürfte und nicht nur eine Frage zu stellen hätte,
ürde ich dem, was Sie zuletzt zu der Art und Weise ge-
agt haben, wie die Koalition dieses Gesetzgebungsver-
ahren betreibt, voll und ganz zustimmen.
Ich habe mich aber deswegen gemeldet, weil Sie vor-
in die FDP angesprochen haben und in der Debatte
rnsthaftigkeit angemahnt haben. Ich möchte Sie daher
ragen, ob Sie uns diese Ernsthaftigkeit ebenfalls zuge-
tehen, wenn wir mit vielen Fachleuten der Meinung
ind, dass ein Aufmarsch der NPD am Brandenburger
or und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai in der Tat
ine unerträgliche Provokation wäre, die aber schon
ach dem geltenden Recht verhindert werden kann.
Es kann doch Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen
ein, dass diese Auffassung nicht darauf beruht, dass die
DP in Bundesländern angeblich nicht in der Regie-
ungsverantwortung sei. Sie ist übrigens in mehreren
undesländern in der Verantwortung.
ielmehr wird diese Auffassung von Experten wie dem
räsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und von
usgewiesenen Verfassungsrechtlern wie Professor
attis vertreten – ich komme gleich zum Schluss und
um Kern der Frage, Herr Präsident –,
nd zwar aus folgendem Grund.
Es wäre schön, wenn Sie den Kern der Frage mit dem
chluss verbinden könnten.
Ich werde mich bemühen. – Der Kern des Problemsiegt nämlich im geltenden Recht in § 15 des Versamm-ungsgesetzes, wonach Versammlungen zu verbietenind, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnungerstoßen. Selbstverständlich ist diese Vorschrift grund-esetzkonform auszulegen. Es verstößt gegen die Men-chenwürde, wenn Neonazis vor dem Holocaust-Mahn-al aufmarschieren. Es ist auch ein Verstoß gegen die
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14816 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Dr. Max Stadleröffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn in dem spe-ziellen Zusammentreffen des Jahrestags der Beendigungdes Zweiten Weltkriegs und damit der Beendigung derNaziherrschaft Neonazis durch einen symbolträchtigenOrt wie das Brandenburger Tor marschieren.Stimmen Sie mir zu, dass das geltende Recht wegendieser Argumente ausreicht und dass deswegen Ihr Vor-halt, die FDP sei untätig, unangebracht ist?
Herr Kollege Stadler, wir sind der Meinung, dass un-ser Gesetzentwurf zur Ausweitung des befriedeten Be-zirkes eine schnelle und auch verfassungsfeste Lösungbieten würde, um wirklich eine bessere Handhabe zu ha-ben und gerade im Hinblick auf den 8. Mai handlungsfä-hig zu sein.Weil Sie Änderungen am Versammlungsrecht gene-rell ablehnen – also auch abgesehen von der besonderenBerliner Problematik um den 8. Mai herum – und mei-nen, die gegenwärtige Rechtslage sei ausreichend, willich Ihnen gerne noch einmal erklären, wogegen ich michgewandt habe: Ich frage mich, warum das Land Rhein-land-Pfalz, in dem Sie bekanntlich mit in der Regie-rungskoalition sind, heute im Bundesrat einen Gesetz-entwurf aus dem Jahr 2000 auf die Tagesordnung gesetzthat, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem seinerzeitauch von der FDP im Bundestag abgelehnten Gesetzent-wurf der Union hat. Es scheint hier eine unterschiedlicheAuffassung zwischen der SPD im Bundestag und derSPD in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu ge-ben.
Ich sage Ihnen: Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz sindnäher an der Praxis. Sie hingegen sehen das vielleicht et-was zu grundsätzlich. Sie sollten sich eher die Auffas-sung Ihrer Parteifreunde in Rheinland-Pfalz in der dorti-gen Regierungsverantwortung zu Eigen machen.
Ich möchte noch einmal, vor allem bei den Koali-tionsfraktionen, um Zustimmung zu unserem Gesetzent-wurf werben. Der Kollege Bosbach hat Ihnen vorhineine Karte des befriedeten Bezirks gezeigt, die allerdingsnicht farbig war. Ich zeige Ihnen jetzt eine weitere Karte,damit Sie Ihre Argumente noch einmal wägen.
Hieraus ist ersichtlich, wie weit der befriedete Bezirkausgeweitet wird.
Der heute befriedete Bezirk reicht von der Straße des17. Juni bis zur anderen Seite des Spreeufers. In dem Be-zirk befinden sich die schweizerische Botschaft, diefranzösische Botschaft und das Sowjetische Ehrenmal.Irde–gBgwszm–ddgDHm–daeBwdmiWOh
Herr Ströbele, was hat die Spree – der Bezirk reicht so-ar über das Spreeufer hinweg – mit der Sicherheit voneratungen des Bundestags zu tun?
Ich mache Ihnen im Namen unserer Fraktion ein An-ebot. Wer sagt uns denn, dass die NPD nicht versucht,enn sie jetzt erkennt, dass der 8. Mai ein besondersensibler Tag ist, am 7., 9. oder am 10. Mai an einementralen Ort in Berlin zu demonstrieren? Lassen Sieich noch etwas zum Brandenburger Tor sagen.
Lieber Herr Ströbele, unser Gesetzentwurf sieht vor,ass der Bundesinnenminister und der Bundestagspräsi-ent jede Demonstration im befriedeten Bezirk genehmi-en können.
as ist selbstverständlich. Aber wir wollen eine stärkereandhabe haben, um zum Beispiel widerwärtige extre-istische Demonstrationen zu verbieten.
Lieber Herr Ströbele, ich muss Ihnen sagen: Ich würdearauf vertrauen, dass der Bundesinnenminister oderuch der Bundestagspräsident die Fähigkeit haben, zuntscheiden, welche Demonstrationen im befriedetenezirk möglich sind und welche nicht.
Ich will Ihnen jetzt noch etwas zu Ihrem Gesetzent-urf sagen. Eine Schwäche in Ihrem Gesetzentwurf ist,ass Sie solche Orte durch Rechtsverordnung und nurit Zustimmung des Bundesrates festlegen wollen. Dasst aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
ir treten dafür ein, dass bei der Bestimmung dieserrte auch der Deutsche Bundestag ein Mitspracherechtat.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14817
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Hartmut KoschykWir wollen vor allem dafür sorgen, dass es eine Öff-nungsklausel gibt, sodass die Länder auch für sich selbersolche sensiblen Orte und befriedeten Bezirke festlegenkönnen.
Herr Wiefelspütz hat uns in dieser Woche im Ausschussberichtet, dass Sie nach wie vor dazu stehen – das wurdeschon im Rahmen der Föderalismuskommission behan-delt –, dass das Versammlungsrecht Sache der Länderwerden soll. Das, was Sie heute in diesem Gesetzentwurfden Ländern anbieten, wird und kann den Ländern nichtreichen. Deshalb muss dieser Gesetzentwurf gerade imHinblick darauf, dass die Länder beim Versammlungs-recht handhabbare Instrumente erhalten müssen, nachge-bessert werden.Ich darf Ihnen abschließend sagen: Sie können jetztunnötigen gesetzgeberischen Aktionismus verhindern,indem Sie unserem Gesetzentwurf zur Ausweitung desbefriedeten Bezirks zustimmen. Statt einen gesetzgebe-rischen Schnellschuss zu wagen, könnten wir so das Ver-sammlungsrecht in aller Ruhe – mit Anhörungen undunter Abwägung der vielen schwierigen verfassungs-rechtlichen Gesichtspunkte –, sorgfältig und seriös än-dern.
Frau Kollegin Simm, ich bitte um Nachsicht, dass ich
nach deutlicher Überschreitung der ohnehin durch an-
dere Zwischenfragen verlängerten Redezeit keine weite-
ren Fragen zulassen kann.
Nächster Redner ist der Bundesminister Otto Schily.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! KollegeKoschyk hat darauf hingewiesen, dass die Debatte umdas Versammlungsrecht relativ mühsam ist. Das kannman nicht bestreiten. Ein Entwurf aus meinem Hauseliegt seit langer Zeit vor. Er ist Gegenstand sehr kontro-verser Erörterungen gewesen.
– In der Koalition, aber auch mit anderen, zum Beispielmit Verfassungsrechtlern.Aufgrund der heutigen Debattenlage frage ich mich,ob Sie sich in dem Fall, dass wider Erwarten IhreWunschvorstellung einer von CDU/CSU und FDP ge-führten Bundesregierung Wirklichkeit wird,
jemals einigen könnten.DKzDßnKebsdkznOWbMdVshfwmgDszddwdbEnsDd
ie Debatte über das Versammlungsrecht hätte in dieseronstellation mindestens so lange gedauert wie die, dieurzeit innerhalb der Koalition stattfindet.
as müssen Sie doch anerkennen, wenn Sie einigerma-en objektiv an die Probleme herangehen.Ich habe heute Morgen den Agenturmeldungen ent-ommen, dass sowohl der Kollege Bosbach als auch derollege Wiefelspütz angekündigt haben, zusammen aufinen Gesetzentwurf hinarbeiten zu wollen, der einereite Mehrheit findet. Ich kann nur dazu ermutigen, die-es Vorhaben ernsthaft anzugehen. Denn wir haben esabei mit einem Sachverhalt zu tun, der uns als Demo-raten alle zusammen angeht.Ich habe an der Veranstaltung zur Befreiung des Kon-entrationslagers Auschwitz teilgenommen und ich habeoch die Worte der Opfer des Nationalsozialismus imhr, die die Größe zeigen, in unserem Land wieder ihrenohnsitz genommen zu haben. Sie müssen sich einmalewusst machen, welche seelischen Schmerzen diesenenschen zugefügt werden, wenn sie das erleben, wasie NPD heute tut. Das beschreibt unsere gemeinsameerantwortung, meine Damen und Herren.Deshalb sollten wir die Debatte meiner Meinung nacho führen, dass jeder auf die Argumente des anderenört. CDU und CSU befürworten eine Erweiterung be-riedeter Bezirke. Jenseits der Frage, ob das sehr viel be-irkt, meine ich, dass man dafür offen sein sollte. Manuss diese Frage also stellen dürfen und sollte sie nichtleich abwehren.
arüber, dass damit das Problem womöglich nicht voll-tändig erfasst wird, sind wir uns, glaube ich, alle einig.
Wir sind uns doch darin einig, dass wir bestimmte Be-irke schützen müssen, die der Erinnerung dienen. Ichenke in diesem Zusammenhang weniger an das Bran-enburger Tor als an das Mahnmal. Mit den Ländernurde bereits eine Einigung getroffen. Jetzt stellt sichie Frage, wie wir damit umgehen. Wer hat darüber zuefinden?Wir haben in der Föderalismuskommission eine breiteinigung darüber erzielt – ich kann mich gut daran erin-ern –, dass die Länder das Versammlungsrecht regelnollen.
eshalb wäre es auch richtig, dass wir die Festlegunger zu schützenden Orte den Ländern überlassen.
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14818 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Bundesminister Otto SchilyIch bin insoweit bereit, meine Vorstellungen abzuändernund mich mit einer Kompetenz der Länder einverstandenzu erklären. Das würde den Überlegungen der Föderalis-muskommission genau entsprechen.Ein anderer Paragraph, der umstritten ist und den derKollege Wiefelspütz – ich bedanke mich ausdrücklichdafür – nicht aus dem Blickfeld verliert, ist § 15 Abs. 2unseres Gesetzentwurfes, der vorsieht, dass dann, wennin einer Veranstaltung die Nazigräueltaten in einerWeise, die dem öffentlichen Frieden widerspricht, ver-herrlicht oder verharmlost zu werden drohen, eine solcheVeranstaltung nicht zugelassen werden kann. Wir schrei-ben das Jahr 2005. Haben wir denn die Zeit vor 60 Jah-ren vergessen? 1945 hätte es niemals eine Debatte da-rüber gegeben, dass wir das nicht zulassen.
Ich habe gestern ein Schreiben aus Wunsiedel – derOrt wurde bereits erwähnt – erhalten. Ich kann Ihnenmitteilen, dass die Menschen, die dort unter Aufmär-schen von Rechtsradikalen zu leiden haben, meinenVorschlag ausdrücklich unterstützen. Herr van Essen,Sie haben Herrn Battis als sozusagen von Ihnen an-erkannten Sachverständigen erwähnt. Herr ProfessorBattis, den wir intern angehört haben, spricht sich aberfür die Vorschrift in § 15 Abs. 2 des Versammlungs-gesetzes, wie ich sie entworfen habe, aus.
Wenn Sie Herrn Battis folgen wollen, dann sollten Sieauch seine Äußerung dazu ernst nehmen. Dann kommenwir zueinander.Zum Schluss möchte ich ganz herzlich bitten – damithalte ich wider Erwarten meine Redezeit ein –: LassenSie uns zusammenkommen und uns ernsthaft bemühen,die jeweiligen Vorstellungen anzunähern! Dann werdenwir unserer gemeinsamen demokratischen Verantwor-tung gerecht.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esliegen zwei Gesetzentwürfe vor. Beide wurden einge-bracht, um Aufmärsche der NPD zu verhindern, alle-mal an symbolträchtigen Orten und Tagen. SPD undGrüne wollen das Straf- und das Versammlungsrecht än-dern. Ich sage es gleich vorweg: Die PDS im Bundestagwird dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen nichtzustimmen,
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nd zum anderen weil dann auch andere Veranstaltungennd Demonstrationen vor dem Bundestag betroffenären. Ich möchte Ihnen das nur an einem Beispiel illus-rieren. Jahr für Jahr gedenken am 18. März Bürgerrecht-er, Schüler sowie Gäste aus dem In- und Ausland ge-einsam mit Vertretern der Union, der SPD, der Grünen,er FDP und der PDS der demokratischen Revolutionon 1848. Das tun wir alljährlich gemeinsam auf demlatz des 18. März direkt am Brandenburger Tor.
uch diese wichtige Traditionslinie würde gebannt wer-en. Zumindest müsste diese Veranstaltung zusätzlichenehmigt werden.
an könnte sich also nicht frei und ohne Anmeldungersammeln.Mein Anliegen ist allerdings weiter und geht tiefer. Esst zugleich ein Appell an uns alle. Bitte lesen Sie dochinmal alle Erklärungen aus dem Bundestag in den letz-en Wochen, die sich mit der NPD und dem Rechts-xtremismus befassen! Sie werden vor allem wechsel-eitige Schuldzuweisungen und viel Aktionismus finden.as ist unter der Würde, die der Bundestag zu Recht fürich beansprucht, und das ist vor allen Dingen unter dennsprüchen, die die Bürgerinnen und Bürger zu Rechtn das höchste Parlament im Lande haben.Mein Befund – nicht nur beim Nachlesen, sondernuch beim Blick in die Gesellschaft – zum Themaechtsextremismus und zu möglichen Ursachen ist kom-lexer und wird vielfach durch Ereignisse und Zahlenelegt. Über 20 Prozent der Bevölkerung sind latent an-isemitisch eingestellt bzw. entsprechend aktivierbar.inzu kommen eine Verrohung der Sitten sowie eine zu-ehmende Gewaltbereitschaft, und zwar nicht nur beiindern und Jugendlichen. Große Teile der Bevölkerungühlen sich sozial verunsichert; das sind nicht nur Ar-eitslose. Die allgemeine Bildung im Lande bekommt
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14819
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Petra Pauim internationalen Vergleich schlechte Noten. Wir erle-ben des Weiteren eine zunehmende Politiker- und De-mokratieverdrossenheit.Es geht also längst nicht mehr nur um die NPD undden rechtsextremen Rand, sondern um die Substanz un-serer Gesellschaft. Deshalb möchte ich meinen Vor-schlag wiederholen: Befördern wir doch gemeinsam ei-nen Ratschlag gegen Rechtsextremismus,
der zum Inhalt hat, Analysen zu bündeln, Strategien zuentwickeln, die über den 8. Mai hinausreichen, undDemokratie und Zivilcourage zu stärken.Abschließend eine Bitte: Wir sollten nicht hinter daszurückfallen, was Richard von Weizsäcker zum 40. Jah-restag der Befreiung gesagt hat, weder in unserem ge-setzgeberischen Handeln noch im Alltag.Danke schön.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dieter
Wiefelspütz von der SPD-Fraktion.
Diese rot-grüne Koalition geht immer respektvoll mitder Bundesregierung um, wie es sich auch gehört.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir führen heute eine wichtige und, wie ichglaube, auch außerhalb dieses Hauses stark beachteteDebatte. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheitist konstitutiv für unsere Demokratie; es ist ein sehrwichtiges Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürgerdieses Landes. Unsere Demokratie ist eine wehrhafteDemokratie. Ich sage von dieser Stelle aus: Null Tole-ranz gegenüber den Feinden der Demokratie! Wir müs-sen also die Gratwanderung hinbekommen, bei der ange-messenen entschlossenen Bekämpfung der Feinde derDemokratie nicht die Rechte aller Bürger zu beschnei-den.Lassen Sie mich ein Zweites sagen: Dieses Gesetzwird kein 8.-Mai-Gesetz sein. Wir machen keine Lex8. Mai, wir machen keine Lex NPD. Dieses Gesetz mussauch am 9. und am 10. Mai gelten. Es muss für Berlin,aber auch für Wunsiedel, für Berchtesgaden wie fürFlensburg vernünftig sein. Wir müssen darüber nachden-ken, ob das Gesetz nicht nur gut gemeint ist – das unter-stelle ich jedem von uns –, sondern auch gut gemacht. EsitvSzvAzswnVdAvbgikTSwdccwdvsawdassissugIwWkb
Angesichts der Herausforderungen, die wir täglich anielen Stellen unseres Landes beobachten, macht esinn, unser Versammlungs- und unser Strafrecht zu prä-isieren und an der einen oder anderen Stelle auch zuerschärfen. Unser Konzept heißt:
usweitung des Straftatbestandes der Volksverhet-ung. Was ist es eigentlich, was uns alle miteinander sotört? Es ist eine Form von Volksverhetzung. Deswegenollen wir – ich denke, Ministerin Zypries wird daraufoch eingehen – einen erweiterten Straftatbestand derolksverhetzung. Wenn darüber Konsens besteht, wer-en wir über die öffentliche Sicherheit, die durch § 15bs. 1 des Versammlungsgesetzes geschützt ist, selbst-erständlich auch das Versammlungsrecht verschärft ha-en, dann aber, Herr Koschyk, für ganz Deutschland.Wir werden hier keine Patentrezepte zustande brin-en. Der Rechtsextremismus ist kein Problem, das wirn erster Linie mit juristischen Methoden bekämpfenönnen. Das muss jeder wissen.
rotzdem, Herr Dr. Gehb, muss auch im Bereich destrafrechts und des Versammlungsrechts das Verant-ortbare gemacht werden.Jeder Sachkundige weiß, dass wir uns, wenn wir überie Strafbarkeit zum Beispiel der Auschwitzlüge spre-hen – das ist heute in § 130 Abs. 3 des Strafgesetzbu-hes geregelt – und wenn wir diese Bestimmungen aus-eiten wollen, auf schwierigem Gelände bewegen.Ich bitte um Verständnis – und bitte auch sehr darum,ass das nicht zerredet wird –: Ich habe die Vorschlägeon Frau Zypries und von Herrn Schily begrüßt. Ich ver-tehe meine Arbeit, die Arbeit meiner Kollegen, des Ko-litionspartners und auch Ihre Arbeit allerdings so, dassir mit großem Engagement der Frage nachgehen, obas geht, wie weit das geht und ob es an der einen odernderen Stelle ein Problem gibt.Ich habe zu respektieren, dass die beteiligten Häuseragen: Wir haben mit der Verharmlosung kein verfas-ungsrechtliches Problem. Für mich und auch für anderest das verfassungsrechtlich schon problematisch. Dasollten wir aber nicht zerreden; vielmehr sollten wir fest-tellen: Die Grundrichtung, die Struktur stimmt. Lasstns das jetzt nicht zerreden, sondern zu einem guten Er-ebnis führen. Das wird mit Rot-Grün möglich sein.Wir wären sehr daran interessiert, dass das auch mithnen, der Opposition, möglich ist. Das gilt für alle. Des-egen werben wir dafür, dass es zu Gesprächen kommt.ie Sie sich vorstellen können, wären solche Gesprächeeine SPD-CDU/CSU-Veranstaltungen. Die Koalitionittet vielmehr um konstruktive Mitwirkung Ihrerseits.
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Dr. Dieter WiefelspützHerr Koschyk und Herr Strobl, Sie sollten doch interes-sant finden, dass wir auch für Wunsiedel und ganzDeutschland etwas anzubieten haben.Lassen Sie mich noch auf den Bereich BrandenburgerTor eingehen. Ich will einmal das aufgreifen, was HerrSchily angedeutet hat. Er hat die – rein theoretische –Überlegung angestellt, ob eine Erweiterung befriede-ter Bezirke möglich ist. Sie sagen: Das würde helfen.Ich sage Ihnen: Diesem Vorschlag steht die Verfassungs-widrigkeit auf die Stirn geschrieben.
Ihr Vorschlag ist evident verfassungswidrig. Ich bedau-ere sehr, dass Herr Bosbach jetzt nicht mehr da ist; er hatsicherlich einen Termin.Ich kann Ihnen doch nur sagen: Wir schützen dochnatürlich nicht das sowjetische Ehrenmal, wir schützennicht die Schweizerische Botschaft, wir schützen mit derRegelung über befriedete Bezirke ausschließlich dieFunktionsfähigkeit dieses Hohen Hauses und sonstnichts.
Wer behauptet, wir schützten hier die Spree, der miss-braucht diese Debatte hier im Grunde. Solche lächerli-chen Sprüche sind einer Debatte über ein solch ernsthaf-tes Thema nicht würdig.
Herr Strobl und Herr Koschyk, es gibt hier keine Re-deverbote und keine Denkverbote. Ich bin gerne bereit,mit Ihnen auch über Ihre Vorstellungen zum befriedetenBezirk zu sprechen. Ich werde mit Ihnen allerdings dieverfassungsrechtlichen Gegebenheiten erörtern wollen.Ich sage Ihnen: Es wird nicht gehen. Ich kann mir nichtvorstellen, dass Sie ein verfassungswidriges Gesetz wol-len. Ich bin im Grunde genommen betroffen, dass IhrGesetzentwurf vorsieht, dass der BundesinnenministerAusnahmen in Bezug auf das Demonstrationsverbot imbefriedeten Bezirk – Sie wollen dieses Verbot – schaffenkann. Nach welchen Kriterien, bitte schön? Etwa will-kürlich? Wie soll denn das gehen?
Das ist evident verfassungswidrig. Das kann man nochnicht einmal mit einer verfassungskonformen Interpreta-tion halten.Ich bin im Grunde enttäuscht, dass Sie das Thema andieser Stelle so verfehlen. Ich bin nämlich der festenÜberzeugung, dass es auch in Ihren Reihen ein paarhoch qualifizierte Juristen gibt, denen doch längst aufge-fallen sein müsste, dass das nicht geht.gfpFrdbdsrtCVSsNlvtsosDa
Herr Kollege Wiefelspütz, denken Sie an die Zeit.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich meine Aussa-
en da und dort etwas zugespitzt habe. Ich bin der Auf-
assung, dass wir – diese Chance sollten wir nicht ver-
assen – in den kommenden Tagen in Bezug auf diese
ragestellungen nicht übereinander, sondern miteinander
eden sollten. Ich sehe durchaus Möglichkeiten, zueinan-
er zu kommen, wenn man mit Augenmaß vorgeht. Wir
rauchen einen neuen § 130 Abs. 4 StGB. Wir brauchen
ie Ausweisung der besonderen Orte in § 15 des Ver-
ammlungsgesetzes. Da stimmen Sie ja zu.
Lassen Sie uns ebenso über die Unmöglichkeit dessen
eden, was Sie im Hinblick auf die Bannmeile beabsich-
igen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
erehrter Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie haben am
chluss gesagt, dass wir konstruktiv gemeinsam beraten
ollten. Dazu sind wir bereit. Das ist ganz in Ordnung.
ur sollten Sie dann bitte diese unselige Arroganz ab-
egen, dass nach Ihrer alleinigen Entscheidung etwas
erfassungswidrig ist, egal ob es die Bundesjustizminis-
erin vorschlägt, ob es der Verfassungsminister vor-
chlägt
Rede von: Unbekanntinfo_outline
der ob es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor-chlägt. Das ist keine gute Grundlage für eine solcheiskussion.
Das Thema ist auch zu ernst, als dass man in dieserpodiktischen Art und Weise argumentieren könnte. Der
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14821
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Thomas Strobl
Kampf gegen extremistische Parteien und Gruppierun-gen jeglicher Art ist unser aller gemeinsame Aufgabe.Das sollte auch in Zukunft so bleiben.Neben den rechtlichen Regelungen – natürlich sindwir als Deutscher Bundestag aufgerufen, solche zu tref-fen – muss es vor allem darum gehen, den Wählerinnenund Wählern immer klar zu sagen, wen und was sie un-terstützen, wenn sie ihre Stimme extremistischen Par-teien geben. Die argumentative Auseinandersetzung mitsolchen Kräften, ihren falschen Parolen und vermeint-lich einfachen Lösungen ist und bleibt neben der gesetz-geberischen Aktivität eigentlich die wichtigste Aufgabe.Genauso wichtig ist übrigens, dass wir die Sorgen undNöte auch der Menschen ernst nehmen, die extremisti-sche Parteien wählen.Alle Parteien, die in diesem Haus vertreten sind, sindsich in der Beurteilung der Inhalte einer Partei wie derNPD einig. Wir wollen nicht – auch darüber sind wir unseinig –, dass grölende Nazibanden mit antisemitischen,ausländerfeindlichen und den Nationalsozialismus ver-herrlichenden Parolen durch das Brandenburger Tor oderam Holocaust-Mahnmal vorbeimarschieren.
Das gilt übrigens auch – um das an dieser Stelle ein-mal klar zu sagen – für grölende und prügelnde Bandenvon linken und autonomen Schlägern, mit denen ge-rade die Berliner in der Vergangenheit so leidvolle Er-fahrungen gemacht haben.
– Frau Stokar, in knapp zweieinhalb Monaten, am1. Mai, ist es in Berlin wieder so weit. Dann kann dasdeutsche Publikum und kann vor allem die Berliner Be-völkerung wieder betrachten, was angerichtet wordensein wird. Dies wollen und müssen wir verhindern. Wirkönnen das auch.Der Entwurf der CDU/CDU-Bundestagsfraktion istein einfacher und zugleich verfassungsfester Vorschlagdazu. Die Ausweitung der Bannmeile auf das Branden-burger Tor und das Holocaust-Mahnmal ist der ein-fachste und sicherste Weg, diese geschichtsträchtigenOrte vor Radikalen zu schützen. Ich bedanke mich aus-drücklich beim Herrn Bundesinnenminister; er hat attes-tiert, dass man über einen solchen Vorschlag reden kannund, Herr Dr. Wiefelspütz, auch reden sollte.Es ist übrigens nicht so, dass wir dieses Thema heutezum ersten Mal in diesem Hohen Hause diskutieren.Vielmehr ist es so, dass wir es schon längst hätten vomTisch bringen können,
wenn die rot-grüne Bundesregierung in dieser so wichti-gen Frage nicht über Jahre von enervierender Zerstritten-heit und lähmender Tatenlosigkeit gekennzeichnet wäre.Schon einmal nämlich, am 29. Mai des Jahres 2000,marschierten die Neonazis.bswBIwgncwbdhgbkmwzdhdshgswfrsvDÄnlTf
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Thomas Strobl
Ich darf noch hinzufügen, Frau Kollegin Simm: DieDiskussion ist absurd. Jahrzehntelang hatten wir in Bonneine Bannmeilenregelung, nach der die Bannmeile sogarüber den Rhein hinausreichte. Seitdem wir in Berlin sind– die Kollegen Bosbach und Koschyk haben das ausge-führt –,
haben wir eine Bannmeilenregelung, nach der die Bann-meile selbstverständlich weit über den Reichstag hinaus-geht, nämlich das nördliche Spreeufer, die SchweizerBotschaft, die Dresdner Bank usw. umfasst. Es liegt ab-solut im Ermessen des Bundesgesetzgebers, diese Bann-meile um ein kleines Stück zu erweitern: nicht, wie derHerr Beck von den Grünen sagte, über halb Berlin, son-dern nur um das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal. Damit hätten wir eine verfassungsfeste undsichere Lösung, mit deren Hilfe Demonstrationen vonNeonazis dort sehr schnell untersagt werden können.In Wahrheit ist es doch so, meine sehr verehrten Da-men und Herren, dass es auch bei den Sozialdemokratenden einen oder anderen gibt, der das befürwortet; ver-mutlich gehört auch Herr Schily dazu. Nur der grüneKoalitionspartner sperrt sich aus ideologischen Gründengegen diese vernünftige Lösung.
Das ist wohl auch der Grund, warum seit dem Jahr2000 weder die Koalition noch die Bundesregierung ge-handelt hat, obwohl der Bundesinnenminister am27. Mai 2000 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“gesagt hat – vielleicht wäre das für Sie, Frau KolleginSimm, auch noch einmal interessant, wenn Sie das nach-lesen würden –, dass sein Haus sehr wohl für die Ein-führung neuer befriedeter Bezirke in Berlin sei. DieseAussage ist ziemlich identisch mit dem Vorhaben, daswir jetzt nicht nur in Worte gekleidet, sondern sogar inkonkrete Gesetzesform gegossen haben. Im Jahr 2004gab es dann erneut entsprechende Ankündigungen durchden Bundesinnenminister. Passiert ist wiederum nichts;die Koalition war handlungsunfähig. Erst jetzt, nachdemdie NPD in den Sächsischen Landtag und die DVU inden brandenburgischen Landtag gewählt wurden, erstjetzt, wo die NPD mit Skandalmeldungen Schlagzeilenmacht, erst jetzt, wo sich die Bundesregierung offenbarbewusst geworden ist, dass am 8. Mai dieses Jahres einAufmarsch der Rechtsradikalen durch das Brandenbur-ger Tor und am Holocaust-Mahnmal vorbei droht,kommt ein offensichtlich mit heißer Nadel gestrickter,unzureichender, weil äußerst unvollständiger Gesetzent-wurf auf den Tisch des Hauses.Aber damit nicht genug: Die Entwicklung der letztenWoche stellt doch einmal mehr ein Stück aus dem rot-grünen Tollhaus dar.
Herr Kollege Dr. Wiefelspütz hat gesagt, ein Gesetz sollnicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht wer-den. Zu der Art und Weise, wie das Gesetzgebungsver-fahren bisher von Rot-Grün betrieben worden ist, kannmgAPSwddDGJNhRasidswtBtuKgwsddsgrwfesdDlmetweuWzsdD
m vergangenen Freitag hat die Bundesregierung inerson von Frau Ministerin Zypries und Herrn Ministerchily einen unter Hochdruck erarbeiteten Gesetzent-urf präsentiert. Die Druckerschwärze auf dem Papierieses Entwurfs ist noch nicht trocken, da wird er vonen Innenpolitikern von Rot und Grün wieder kassiert.ie Herren Wiefelspütz und Beck von der SPD bzw. denrünen gaben dem Gesetzentwurf aus den Häusern derustizministerin und des Verfassungsministers eine klareote: verfassungswidrig. Allenfalls als Formulierungs-ilfe, so unkte Herr Beck von den Grünen, könne deregierungsentwurf, den Herr Schily und Frau Zypriesusgearbeitet und vor der Bundespressekonferenz vorge-tellt hatten, dienen. Der Gesetzentwurf des Bundes-nnenministers und der Justizministerin stellt also füren Verfassungsexperten Beck eine teilweise verfas-ungswidrige Formulierungshilfe dar. Ich weiß nicht,ie die beiden Bundesminister dies mit ihrer Selbstach-ung ausmachen. Allenfalls ähnelt das Vorgehen derundesregierung und der rot-grünen Koalition der Ech-ernacher Springprozession. Sie gehen einen Schritt vornd zwei zurück; rein in die Kartoffeln, raus aus denartoffeln. Herr Wiefelspütz, das ist das Gegenteil vonut gemacht; ich bezweifle, dass es überhaupt gut ge-ollt war.
Schon heute haben wir nämlich wieder eine ent-chärfte, von den Grünen weichgespülte Version aufem Tisch liegen, und dies angesichts der Tatsache, dassie Bundesregierung eine grundlegende Reform des Ver-ammlungsrechts bis zum heutigen Tag ohnehin nur an-ekündigt hat, das allerdings seit dem Jahr 2000. Wäh-end der Beratungen diese Woche im Innenausschussurde seitens der roten und der grünen Fraktion mehr-ach betont, dass das, was jetzt von Rot-Grün als Gesetz-ntwurf eingebracht worden ist, schon wieder hinfälligei, weil man in dem einen und anderen wichtigen Punkturchaus weitere Änderungen vornehmen wolle. Meineamen und Herren von Rot-Grün, Sie haben offensicht-ich jeglichen Kompass verloren. Es ist – auch dasöchte ich Ihnen sagen – für die Feinde der Demokratieher ermunternd, wenn eine Bundesregierung und die sieragenden Koalitionsfraktionen durcheinander laufenie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen.
Wir sind und bleiben der Meinung, dass unser Gesetz-ntwurf zur Erweiterung der Bannmeile eine einfachend richtige Antwort zur Lösung des einen Problems ist.ir sind gerne bereit, die anderen Probleme mit Ihnenu besprechen. Ich möchte noch einmal darauf hinwei-en, dass – Herr Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie sind nichter einzige Verfassungsrechtler in der Bundesrepublikeutschland –
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Thomas Strobl
es eine ganze Reihe von Verfassungsrechtlern gibt, dieeine andere Auffassung haben und die Bannmeilenrege-lung so, wie wir sie vorgeschlagen haben, begrüßen, bei-spielsweise Rupert Scholz. Auch in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz können Sie zu Art. 8 des Grundgesetzesnachlesen: Irgendwelche verfassungsrechtlichen Argu-mente gegen die Zulässigkeit solcher Bestimmungensind nicht ersichtlich.Das ist ein weiter Spielraum für den Bundesgesetzge-ber. Ich habe zwar wenig Hoffnung, möchte aber an Sieappellieren, dass wir über diese Frage in den Beratungenim Innenausschuss und in den beteiligten Ausschüssennoch einmal reden.
Herr Strobl, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme sofort zum Schluss. – Wir sind zu kon-
struktiven Beratungen, auch was das Versammlungs-
recht angeht, absolut bereit. Ich hoffe nur sehr, dass die
Uneinigkeit zwischen Rot und Grün, den Koalitionsfrak-
tionen und der Bundesregierung solche konstruktiven
Beratungen nicht weiter behindert.
Besten Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Brigitte
Zypries.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Schön an dieser Debatte ist, dass sich alle einigsind, dass wir als Demokraten gegen Neonazis, Antise-miten und Rassisten kämpfen müssen.
Wie wir das tun, darüber besteht Dissens. Dass man übereinen solchen Dissens diskutiert, ist gut und richtig; dazuist ein Parlament wie dieses schließlich da. Deswegenfinde ich es völlig unnötig, dass man ständig diskredi-tiert, dass es über einen von der Regierung vorgelegtenGesetzentwurf Diskussionen gibt. Es ist Aufgabe diesesParlaments, genau solche Diskussionen zu führen.
Ebenso ist es Aufgabe des Parlaments, sich mit denVorschlägen der Opposition auseinander zu setzen. Nochschöner wäre es, wenn die Opposition dann auch wüsste,was sie vorgeschlagen hat, sehr geehrter Herr Strobl.
Es ist ja nicht so, dass irgendjemand etwas über dieReichweite im Hinblick auf die VerfassungswidrigkeitIhres Entwurfes sagen würde.–DwNnBDVam–EdiIHswDbddueza–nODlneM
Nein, das verstehen Sie, glaube ich, falsch. – Bei deriskussion über die Verfassungswidrigkeit Ihres Ent-urfes geht es doch um den vorgeschlagenen § 5.
ach dem geltenden Gesetz ist es so, dass Demonstratio-en in befriedeten Bezirken zuzulassen sind, wenn eineeeinträchtigung des Bundestages nicht zu besorgen ist.as, sagt das Gesetz, ist in der Regel der Fall, wenn dieersammlung an einem Tag durchgeführt werden soll,n dem Sitzungen nicht stattfinden. Dann gilt volle De-onstrationsfreiheit.Was macht die Opposition jetzt daraus?
Entschuldigung, ich bitte um Nachsicht, Herr vanssen. – Was sagt die CDU/CSU in ihrem Gesetzentwurfazu? Dort heißt es, dass der Innenminister Ausnahmenm Einvernehmen mit dem Präsidenten zulassen kann.
ch frage: Nach welchen Kriterien soll das geschehen?
err Wiefelspütz hat vorhin richtig gesagt, dass es nichtein kann, dass hier von Herrschaftsgnaden entschiedenird, wann und wo demonstriert werden kann.
as ist mit unserer Verfassung wirklich nicht zu verein-aren. Vielleicht können wir darüber einen Konsens fin-en. Ich habe Verständnis dafür, dass man über all dasiskutiert, was nach unserer Auffassung erforderlich ist,m sich mit den Neofaschisten und mit anderen Rechts-xtremisten auseinander zu setzen und ihre Aktivitätenu beschneiden.Wir meinen, dass es richtig ist, an einer anderen Stellenzusetzen. Man muss dabei den Aspekt berücksichtigen er wurde vorhin schon angesprochen –, dass die Maß-ahmen nicht nur in Berlin, sondern auch an anderenrten in der Republik wirken sollen.
eswegen halten wir es für richtig, § 15 des Versamm-ungsgesetzes zu ändern. Dazu hat der Bundesinnenmi-ister schon etwas gesagt. Wir halten es auch für richtig,inen neuen § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch einzufügen.it dieser Norm wollen wir zumindest das Verherrlichen
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Bundesministerin Brigitte Zypriesder nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherr-schaft unter Strafe stellen und damit eine deutliche Er-weiterung der strafbaren Handlungen vornehmen.
Bisher mussten die Neonazis nur vermeiden, das Wort„Holocaust“ in den Mund zu nehmen und von derAuschwitzlüge zu sprechen. Alles andere durften sie tun:Sie durften billigen, sie durften leugnen und sie durftenverharmlosen. Jeder wusste zwar, was gemeint war.Aber strafrechtlich konnten wir ihnen nicht ans Leder.Die Neuregelung, die wir jetzt planen, ist im Hinblickauf das Strafrecht richtig. Sie ist aber auch im Hinblickauf das Versammlungsrecht richtig. Darauf hat HerrWiefelspütz schon hingewiesen. Natürlich kann unterRekurs auf das Strafrecht die Genehmigung von Ver-sammlungen mit Auflagen versehen werden oder siekönnen verboten werden.Nun gibt es immer wieder Juristen – zwei Juristenund drei Meinungen, wie es bekanntlich heißt –, die be-haupten, dass unsere Vorschläge zum Teil verfassungs-widrig und deswegen nicht umsetzbar seien. Ich gesteheallen zu, dass man sehr ernsthaft über unsere Vorschlägediskutieren muss. Wogegen ich mich verwahre, ist, dassdie beiden Verfassungsminister dieser Regierung einenangeblich verfassungswidrigen Entwurf vorlegen. Dasstimmt schlicht nicht. Dieser Entwurf ist nicht verfas-sungswidrig.
Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht – aus welchenGründen auch immer – in Teilen ändern könnte. Manmuss ihn aber sicherlich nicht ändern, nur um ihn verfas-sungsgemäß zu machen.Wir wissen sehr wohl, dass wir auch bei der Bekämp-fung des Rechtsradikalismus die Grundrechte beachtenmüssen. Hier geht es insbesondere um Art. 5 des Grund-gesetzes. Es gibt aber auch die ständige Rechtsprechungdes Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen desArt. 5 durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werdendürfen. Darunter sind solche Gesetze zu verstehen, diesich nicht auf Meinungsäußerungen beziehen, sonderndie einem anderen schützenswerten Rechtsgut dienen.Es ist völlig unstreitig, dass auch Strafgesetze unterdiese allgemeinen Gesetze fallen.Diesen Anforderungen, die das Bundesverfassungs-gericht aufgestellt hat, entspricht der in Aussicht genom-mene § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch. Die neue Norm isthinreichend bestimmt. Die Tathandlung ist das Verherrli-chen. Dies ist ein Begriff, den wir an verschiedenen Stel-len bereits im Strafgesetzbuch haben. Dazu gibt es aucheine hinreichende Rechtsprechung.
Zudem muss die Äußerung geeignet sein, den öffentli-chen Frieden zu stören. Sie muss öffentlich gemachtoder in einer Versammlung geäußert werden. Außerdemmuss sie die Würde der Opfer der nationalsozialistischenGVgDegusbiWndjwJdRwdSmwnnnu
amit ziehen wir eine klare Grenze zwischen dem, wasrlaubt, und dem, was verboten ist.Ich meine, dass wir mit diesem Signal auch den jun-en Menschen, die zunehmend von den Neofaschistenmworben werden, deutlich machen können, was in die-em Staat erlaubt ist.
Ein Wort zum Schluss. Wir alle sollten uns darüberewusst sein, dass das Strafrecht nur eine Möglichkeitst, um gegen den Neofaschismus zu kämpfen.
ir müssen aber vor allen Dingen die politische Ausei-andersetzung suchen und führen. Dieses Problem gehtie gesamte Gesellschaft an. Es ist eine Aufgabe, die wireden Tag auch im Alltag immer wieder aufs Neue be-ältigen müssen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
ürgen Gehb das Wort.
Frau Ministerin, ich habe mit Freude wahrgenommen,ass Sie die politische Auseinandersetzung mit denechtsextremisten an die Spitze der Maßnahmen stellenollen, die dazu geeignet sein können, diese zurückzu-rängen.Ich muss aber auch eines sagen: Das schärfstechwert, das Strafrecht – dies haben Sie auch im Zusam-enhang mit heimlichen Vaterschaftstests einbringenollen –, halte ich in dieser Debatte für das ungeeig-etste Mittel. Wir müssen aufpassen, dass wir auch nichtur den Hauch des Eindrucks erwecken, ein Gesin-ungsstrafrecht machen zu wollen.
Ich weiß, dass wir alles gut meinen – das müssen wirns nicht immer wieder versichern –, aber nicht immer
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Dr. Jürgen Gehballes gut machen. Herr Wiefelspütz hat das eben gesagt.Ebenso wie sich alle behördlichen Verbotsverfügungennicht nur am Versammlungsrecht, sondern auch an demzugrunde liegenden Art. 8 Grundgesetz haben messenlassen müssen, müssen sich auch alle gesetzlichen Ver-schärfungen an Art. 8 Grundgesetz messen lassen.
Es ist nichts schlimmer, als wenn jemand gegen eineVerbotsverfügung mit Erfolg zu Gericht zieht und dannhinterher mit erhöhter Legitimation, quasi mit gerichtli-chem Persilschein, zur Demonstration geht, in der dannschwarz auf weiß steht: Die aufschiebende Wirkung desWiderspruchs gegen die Verbotsverfügung wird wiederhergestellt, weil die Verbotsverfügung offensichtlichrechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechtenverletzt. Dieser geht dann aufgrund eines solchenschriftlichen Diktums eines Gerichts mit von noch mehrStolz geschwollener Brust, als das bisher schon der Fallist, zur Demonstration.Deswegen ermahne ich uns alle, dass wir mit Bedachtan eine gesetzliche Regelung gehen und nicht nur Lip-penbekenntnisse machen. Wir sollten uns tatsächlich zu-sammensetzen und keinen Wettlauf um die vermeintlichbeste Lösung starten, aus dem jeder als Sieger hervorge-hen möchte.
Frau Zypries, wollen Sie erwidern? – Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Gehb, ich glaube, dass in dieser Sache – das
zeigt auch der Beifall – überhaupt kein Dissens besteht.
Ich habe gerade ausgeführt, dass die von uns vorgese-
hene Norm an Art. 5 Grundgesetz gemessen werden
muss, nicht an Art. 8 Grundgesetz; denn wir machen
kein Versammlungsrecht, sondern Strafrecht. Wir ma-
chen ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit einschränkt.
Das muss ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5
Grundgesetz sein. Wir sind der Auffassung, dass dieses
Gesetz so, wie wir es in der nächsten Woche in die Aus-
schüsse bringen werden, damit in Einklang steht.
– Nein, dazu gibt es in den Koalitionsfraktionen über-
haupt keine Probleme. Nun machen Sie sich nicht dau-
ernd Gedanken um uns, Herr Strobl, sondern bessern Sie
lieber Ihren eigenen Gesetzentwurf nach.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alleind empört über die Auftritte der Neonazis in unseremand. Im Sächsischen Landtag wurden die Opfer desationalsozialismus verhöhnt und beleidigt. In unserentädten wird der Versuch gemacht, das Gedenken an diepfer zu stören und den Nationalsozialismus zu verherr-ichen.60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus sind wirber eine starke und auch eine wehrhafte Demokratie.ehr eindrücklich haben die Bürgerinnen und Bürger inresden gezeigt: Wir lassen uns die Würde des Geden-ens nicht nehmen. Auch in anderen Städten – ichöchte hier Weimar hervorheben, aber auch die hier oftenannte Stadt Wunsiedel erwähnen – hat das zivile En-agement der Bevölkerung gezeigt, dass wir in der Lageind, uns aus der Mitte unserer Bevölkerung heraus ge-en diese Auftritte der Neonazis zur Wehr zu setzen.
Ich möchte hier auch betonen: Kern der Auseinander-etzung mit der NPD muss die politische Auseinander-etzung sein. Dennoch halte ich es für genauso richtigdas ist kein Widerspruch; das tun wir zurzeit –, dassir erneut alle rechtlichen Mittel prüfen, um der NPDufmärsche und große Auftritte zu erschweren.Wir sind in Deutschland eine streitbare Demokratie.n der Debatte der vergangenen Tage hat mich ein biss-hen irritiert, dass ein in der Demokratie ganz normalerarlamentarischer Vorgang – wir sollten uns Gedan-en darüber machen, welchen Zweck wir damit verfol-en – skandalisiert wird.
as, was wir im Hinblick auf das vorliegende Gesetzun, machen wir jeden Tag.
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14826 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Silke Stokar von NeufornWir haben die Initiative der Regierung begrüßt, die Vor-schläge zu einer Gesetzesverschärfung gemacht hat. Esist ein ganz normaler Vorgang, dass die Fraktionen überÄnderungsanträge, über die Beratung in den Fachaus-schüssen und über Änderungen nach Anhörungen in die-ses Gesetzesverfahren eingreifen. Das ist nichts Beson-deres; das ist unsere alltägliche Arbeit.Zu den einzelnen Punkten möchte ich nur so viel sagen:Am 8. Mai werden wir hier im Deutschen Bundestag– das ist auch gut so – eine Gedenkveranstaltung abhalten.Ich sage Ihnen: An diesem 8. Mai wird die NPD nichtdurch das Brandenburger Tor in Berlin marschieren.
Dies wird deshalb nicht geschehen – das ist uns von derInnensenatsbehörde bestätigt worden –, weil die heutigeRechtsgrundlage dafür ausreicht. Gedenktage sind schonheute besonders geschützt.Es ist doch völlig selbstverständlich: Das höchsteSchutzgut unserer Verfassung ist die Menschenwürde.Wir werden sicherstellen, dass Neonazis nicht am Holo-caust-Mahnmal vorbeimarschieren. Wir werden darüberhinaus sicherstellen – denn es geht nicht nur umBerlin –, dass auch die anderen KZ-Gedenkstätten in un-serem Land noch besser als bisher vor solchen Aufmär-schen geschützt werden.In einem Punkt sind wir uns nicht einig. Da haben wirals Fraktion der Grünen eine ganz klare und feste Posi-tion: Die NPD wird uns nicht dazu veranlassen – dennwir sind eine starke Demokratie –, dass wir die Ver-sammlungsfreiheit an zentralen Punkten für alle ein-schränken.
Auf dem Pariser Platz in Berlin wird es weiterhin auchohne Ermächtigung durch den Innenminister und nur aufGrundlage des Versammlungsrechtes Demonstrationengeben.
Wir sind gerne bereit, diese Position hier streitig zu ver-treten.Ich möchte noch ein Wort zur FDP sagen. Wehe,wenn Sie an der Regierung sind! Ihre Reden hier imBundestag zu diesem Thema kann ich begrüßen. Ichsehe aber Ihr Verhalten nicht nur in Rheinland-Pfalz,sondern auch in Niedersachsen. Wenn Sie die Möglich-keit haben, einzugreifen, dann machen Sie das Gegenteilvon dem, was Sie hier sagen. Ich habe noch in keinemBundesland gesehen, wie so schnell aus liberalen Geset-zen reine Repressionsgesetze gemacht worden sind, wiees jetzt in Niedersachsen durch Ihre Beteiligung und IhrEinknicken vor dem Innenminister Schünemann ge-schieht.
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s gilt die Verfassung. Das, was rechtlich möglich ist,ersuchen wir in diesem Rahmen zu machen.Ich freue mich auf eine konstruktive und spannendedas ist sie nämlich – verfassungsrechtliche Auseinan-ersetzung im Innenausschuss. Herr Strobl, wenn Sieort einen wirklich konstruktiven Beitrag zu leisten ha-en und sich an der Diskussion über unsere Anträge be-eiligen wollen, dann werden wir Ihnen – das sollten Sieissen – sehr genau zuhören.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache und rufe Tagesordnungs-
unkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur
– Drucksache 15/2494 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 15/4874 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Sabine Bätzing
Christine Lambrecht
Joachim Stünker
Ute Granold
Jerzy Montag
Sibylle Laurischk
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
erin der Kollegin Sabine Bätzing von der SPD-Fraktion
as Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wenn am 1. Juli dieses Jahres das Zweite Be-reuungsrechtsänderungsgesetz in Kraft tritt, sind seitinbringung des Entwurfs des Bundesrates eineinhalbahre vergangen. Der von vielen befürchtete Schnell-chuss zulasten der Betreuten ist ausgeblieben. Derechtsausschuss hat Sachverständigen in zwei Anhörun-en – Sie wissen, das ist außergewöhnlich – die Mög-ichkeit gegeben, ihre Anregungen und Bedenken vorzu-ragen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14827
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Sabine BätzingDeshalb gilt mein Dank für die kooperative Zusam-menarbeit den Berichterstatterinnen und Berichterstat-tern aller Fraktionen sowie dem Justizministerium, aberauch und ganz besonders der Vielzahl von Betreuern,Richtern, Rechtspflegern sowie den Verbänden und Ar-beitsgemeinschaften, die das Verfahren mit ihrer kon-struktiven Kritik und ihrem Fachwissen sehr partner-schaftlich und kompetent begleitet haben.
Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede vorweg-nehmen, dass wir nicht allen Forderungen und Wün-schen entsprechen konnten. Zugegeben, auch ich hättemir an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein ande-res Ergebnis gewünscht. Aber wir haben sowohl mit denLändern als auch mit den Fraktionen einen Kompromissgefunden, der für alle Beteiligten tragbar ist. Vor allemhaben wir erreicht, dass sich die Qualität im Betreuungs-wesen verbessern wird. Beispielsweise konnten wirdurchsetzen, dass in Betreuungssachen nur noch Richtermit mindestens einjähriger Berufserfahrung tätig werdenkönnen. Aber wir mussten uns auch der Erkenntnis stel-len, dass finanzielle Einschnitte im Bereich der rechtli-chen Betreuung notwendig sind.Lassen Sie mich deshalb gleich zu Beginn meinerRede auf einen Punkt zu sprechen kommen, zu dem unsFachpolitiker die meisten und auch emotionalsten Zu-schriften erreicht haben: zur Pauschalierung der Vergü-tung. Sie ist ein geeignetes Mittel zur Entbürokratisie-rung des gesamten Betreuungswesens; darüber herrschtEinigkeit. Denn Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuermüssen nun nicht mehr jede aufgeklebte Briefmarke undjeden einzelnen gefahrenen Kilometer gegenüber demVormundschaftsgericht nachweisen. Rechtspflegerinnenund Rechtspfleger können ihre Arbeitsabläufe nach demIn-Kraft-Treten dieser Regelung straffen, da das Kon-trollieren von Abrechnungen entfällt.Auf beiden Seiten bleibt nun also mehr Zeit, um sichganz konkret um den Betreuten zu kümmern. Er steht imMittelpunkt, nicht seine Abwicklung. Intensiv und kon-trovers wurde hingegen die Höhe der pauschalierten Ver-gütung diskutiert. Wir haben uns bei der Pauschalierungauf einen Inklusivstundensatz geeinigt. Dieser Inklusiv-stundensatz enthält einen pauschalen Anteil für Aufwen-dungsersatz sowie die anfallende Umsatzsteuer. Mit ei-nem Höchstsatz von 44 Euro ist es möglich, denKlienten eine qualifizierte Betreuung und den Betreuernein auskömmliches Einkommen zu sichern.Differenziert wird bei der Vergütung nach dem Auf-enthaltsort – das heißt, ob der Betreute zu Hause oder ineinem Heim lebt – und der Dauer seiner Betreuung.Auch an dieser Stelle haben wir lange um ergänzendeKriterien gerungen, beispielsweise um eine Öffnungs-klausel für besonders schwere Fälle, eine Differenzie-rung nach Krankheitsbildern oder nach Aufgabenkrei-sen. Aber weiter gehende Differenzierungen hätten nichtzu weniger, sondern zu mehr Bürokratie geführt; darumhaben wir von solchen Abstand genommen. Es gibt des-halb nur zwei Sonderregelungen. Sie beziehen sich zumeegÜtrSgmfztkvpzbgnsubZBtlgdswsrmgesctdhdzeElwdbugdM
Mit der Verteilung der Beratungs- und Beglaubi-ungskompetenz auf mehrere Schultern sorgen wirbenfalls für die Verbreitung und die Stärkung der Vor-orgevollmacht. In der Vergangenheit sind zwar Unsi-herheiten bei der Akzeptanz der Vollmachten aufgetre-en, insbesondere im Bereich der Kreditwirtschaft. Dochurch entsprechende Anweisungen an die Banken gibt esier nun Sicherheit, wenngleich es von Vorteil sein kann,ie Vorsorgevollmacht direkt bei der Bank zu unter-eichnen.Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dasss uns in den Verhandlungen gelungen ist, auch einevaluierung für das Gesetz festzuschreiben. Diese Eva-uierung wird die folgenden zwei Jahre umfassen und so-ohl die Auswirkungen auf die Betreuten als auch aufie wirtschaftliche Situation der Betreuer beleuchten;esondere Berücksichtigung werden auch die Problemend Fragestellungen finden, die aus der kürzlich ergan-enen Entscheidung des Bundesfinanzhofes bezüglicher Gewerbesteuerpflicht für Berufsbetreuer resultieren.it dieser frühzeitigen Evaluierung wird es möglich
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Sabine Bätzingsein, eventuelle Fehlentwicklungen sehr zeitnah zu er-kennen, ihnen entgegenzusteuern oder auch Ergänzun-gen vorzunehmen; ich denke hier zum Beispiel an dieProbleme, die für Ordensgemeinschaften entstehen kön-nen.Wir laden alle Beteiligten ein, die hervorragende Ko-operation der vergangenen zwölf Monate weiterleben zulassen, die Evaluierung gemeinsam mit uns zu begleitenund uns über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zuberichten.Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gesetzes-vorhaben zum Betreuungsrecht sind gefüllt mit Zahlen,Ziffern, Daten und Berechnungen. Wichtiger als die Dis-kussion über Kosten und über Öffnungsklauseln ist aberder Betreute, der auf Hilfe angewiesen ist
und dessen Würde gewahrt werden muss. Wie ich schonin meiner ersten Rede sagte: Im Mittelpunkt steht derMensch. Daran wird sich auch nach In-Kraft-Treten desZweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nichts än-dern.Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
die Debatte kurz unterbrechen und auf den
Tagesordnungspunkt 23 zurückkommen. Aufgrund einer
Fehleinordnung der Sprechzettel habe ich es versäumt,
die Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an die Aus-
schüsse beschließen zu lassen. Deshalb bitte ich, darauf
zurückkommen zu dürfen.
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 15/4731 und 15/4832 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist
nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Dann komme ich zum Tagesordnungspunkt 24 zu-
rück. Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Granold von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir befassen uns heute mit dem Betreuungsge-setz, einem Gesetz, das die Menschen tief bewegt unddas beim Bund und in den Ländern sehr intensiv, aberauch sehr konstruktiv und sehr harmonisch beratenwurde. Ich glaube, wir können heute sagen, es ist eineSternstunde für uns, wenn wir hier zusammen zu einem,wie ich denke, guten Ergebnis kommen.Die erste Lesung hierzu fand vor einem Jahr statt.Seitdem gab es eine ganze Anzahl von intensiven Bera-tungen. Wir haben zwei große Anhörungen durchgeführtuugGsqsd2fhpAeBiMrdesbbntuSfugkgnFsngWdPssosMböHmBmtw
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Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag vonündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Re-
formgesetz zum Betreuungsrecht, dem heute allseitige
Zustimmung im Hause zuteil wird, hat sein Gesicht
gegenüber dem ursprünglichen Bundesratsentwurf ent-
scheidend geändert. Erst die Änderungen, die wir
gemeinsam im Rechtsausschuss des Deutschen Bundes-
tages zustande gebracht haben, haben den Kern des Be-
treuungsrechts wieder sichtbar gemacht. Die betreuungs-
bedürftigen Menschen in ihrer Menschenwürde sind und
bleiben auch in Zeiten knapper Kassen im Mittelpunkt
der Reform.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis harter und
schwieriger Verhandlungen. Der erzielte Kompromiss ist
aber gelungen. Wir stehen zu dem Gesamtpaket und set-
zen auf die politische Zusage, dass auch die Länder diese
Gesamtlösung mittragen werden.
Einen Vorschlag des Bundesrates haben wir ersatzlos
streichen müssen, die ambulante Zwangsbehandlung.
Sie widerspricht allen Ansätzen einer modernen
Psychiatrie, die auf ein kooperatives Patientenverhältnis
setzt. Psychisch Kranke brauchen gerade in ihrem Zu-
hause vertrauensvolle Unterstützung und Hilfe und eben
nicht staatlich verordneten Zwang.
Wir wollen die Vorsorgevollmacht stärken. Mit einer
solchen Vollmacht kann jeder Mensch selbst bestimmen,
welche Person seines Vertrauens im Falle des Falles
seine Rechtsangelegenheiten regeln soll; denn auch hier
muss gelten: Persönliche Vorsorge ist besser als staatli-
che Fürsorge. Dieser Vorrang sichert das Selbstbestim-
mungsrecht der Betroffenen und hilft zugleich, Kosten
der Betreuung zu vermeiden.
Wir haben deswegen die Hürden für Vorsorgevollmach-
ten gesenkt, damit die Menschen davon noch stärker Ge-
brauch machen. Betreuungsvereine können noch offensi-
ver für diese Vollmachten werben und Beratungen
durchführen. Beglaubigungen können auch bei Betreu-
ungsbehörden erfolgen.
Nun müssen wir alle an der gesellschaftlichen Akzep-
tanz der Vorsorgevollmacht mitwirken. Die Mustervoll-
machten aus den Ländern und aus dem Bundesjustiz-
ministerium sind erarbeitet und sollten verbreitet
werden. Sie sollten um eine spezielle Bankvollmacht er-
gänzt werden, die dann von den Banken auch tatsächlich
akzeptiert wird.
Dem Gedanken der Selbstbestimmung widersprach
auch die gesetzliche Vertretungsmacht für Ehegatten
bzw. Angehörige in Gesundheits- bzw. Vermögensange-
legenheiten. Wir haben diese Vorschläge daher ersatzlos
gestrichen.
Mit weiteren Änderungen haben wir die Qualität der
Betreuungsentscheidungen gesichert und ausgebaut.
Stichwort richterliche Entscheidungskompetenz: Die
Anordnung der Betreuung und die Bestimmung des Auf-
gabenkreises bleiben in Richterhand. Stichwort Qua-
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerstöchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Kolle-en aus den anderen Fraktionen für die gute Zusammen-rbeit zu bedanken, die durch eine bemerkenswerteähe in den Kernpositionen gefördert wurde.
Die Reform des Betreuungsrechts hat uns alle langeeschäftigt. Mit dem vom Bundesrat vorgelegten Ent-urf haben wir uns unter anderem in zwei Anhörungenm Rechtsausschuss und in vielen Fachgesprächen inten-iv beschäftigt. Wir haben wesentliche Punkte geändert
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Sibylle Laurischkund, wie ich meine, deutlich verbessert. Die Ablehnungder gesetzlichen Vertretungsmacht sowohl in der Ge-sundheits- als auch in der Vermögenssorge, die Verhin-derung der ambulanten Zwangsbehandlung wie auch dieBeibehaltung der Grundentscheidung über die Betreu-ung bei den Richtern sind Punkte, die aus unserer Sichtrechtsstaatlich unverzichtbar waren.
Die Pauschalierung der Betreuervergütung warnotwendig, um Bürokratie abzubauen und die Rechts-pfleger nicht als reine Abrechnungsrevisoren zu verste-hen. Nach Klärung der rechtsstaatlichen Kernpunkteblieb die Pauschalierung der Betreuervergütung der zen-trale Streitpunkt mit den Ländern. Hier haben wir eineDifferenzierung nur nach dem Aufenthaltsort des Be-treuten vorgenommen und Stundenansätze auf Basis ei-nes Medians der rechtstatsächlichen Untersuchung vor-genommen.Es bleibt abzuwarten, ob die gefundene Lösung beiden Zeitansätzen und der Vergütungshöhe den Ansprü-chen gerecht wird, die wir an die Arbeit von Betreuernstellen. Doch über eines sollten wir uns von Anfang anim Klaren sein. Die Betreuer haben bisher in der tägli-chen Abwicklung ihrer Aufgaben oft Arbeiten übernom-men, die eigentlich in die Zuständigkeiten anderer fallen.Dies können wir nach In-Kraft-Treten des neuen Vergü-tungsmodells nicht mehr erwarten.Ich darf mich an dieser Stelle wiederholen: Eine qua-lifizierte Betreuung ist nicht zum Nulltarif zu haben.Leider steht hinsichtlich der finanziellen Situation derBetreuer noch ein anderes Problem ins Haus. Ein Urteildes Bundesfinanzhofs, das Anfang Februar bekannt ge-macht wurde, unterwirft Berufsbetreuer, aber auch alsBetreuer tätige Anwälte mit ihren gesamten Einkünftender Gewerbesteuerpflicht. Ich habe in meinen Gesprä-chen die Berufsbetreuer durchaus als Angehörige einerBerufsgruppe erlebt, die den mir geläufigen Grundsätzeneines freien Berufes entsprechen würden. Trotz steuer-lichen Freibetrags und teilweiser Anrechnungsmöglich-keiten auf die Einkommensteuer hat die genannte Ent-scheidung möglicherweise Konsequenzen, die nochnicht absehbar sind.Wir haben uns auf eine Evaluation der finanziellenSituation der Betreuer einschließlich der Steuersituationnach zwei Jahren verständigt. Ich fordere die Bundes-regierung schon jetzt auf, auf die Problemlage zu reagie-ren.Ein weiterer Punkt, der uns aller Voraussicht nachauch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Qualitätssi-cherung. Im Spagat zwischen einer möglichst geringenZugangsvoraussetzung, um ehrenamtliche Betreuer zugewinnen, und möglichst hohen Standards für beruflicheBetreuer ist ein Ausgleich nur schwer möglich, geradeweil auch weiterhin das Ehrenamt in der BetreuungVorrang haben soll.Doch immer komplizierter werdende Sozialvorschrif-ten – sei es bei den Krankenkassen oder infolge vonHartz IV – lassen das Aufgabengebiet der Betreuer inZukunft eher noch anspruchsvoller werden. Daher mussegrmedmtbeAdimdtefsdlashBbssVncrdnnadMauIgg
ngesichts des kurzen Bestehens des Berufsstandes isties eine bemerkenswerte Leistung.Einen anderen Beitrag zur Qualitätssicherung werden Übrigen auch die Richter leisten müssen. Wir habenurchsetzen können, dass nicht mehr unerfahrene Rich-r mit dieser Aufgabe betraut werden. Nun sind sie ge-ordert, gute und verlässliche Betreuer auszuwählen.Leitgedanke für die Reform war Art. 1 des Grundge-etzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Trotzes Charakters des Spargesetzes, den die Bundesratsvor-ge hatte, bin ich heute der Meinung, dass dieser Grund-atz durch die Veränderungen, auf die wir uns verständigtaben, beachtet wurde. Das Selbstbestimmungsrecht deretreuten wird nicht weiter eingeschränkt. Die Rahmen-edingungen für die Vorsorgevollmacht werden verbes-ert.Auch in Zukunft werden wir uns der Herausforderungtellen müssen, trotz knapper Kassen das in uns gesetzteertrauen im Interesse der Betreuten und der Betreuericht zu enttäuschen und tragfähige Lösungen zu entwi-keln.Ich danke Ihnen.
Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamenta-
ische Staatssekretär Alfred Hartenbach.
A
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Auch ich möchte an den Beginn mei-er Rede ein ganz herzliches Dankeschön stellen: Dankn Sie, die Berichterstatter und Berichterstatterinnen, anie Bundesländer sowie an die Mitarbeiterinnen unditarbeiter des Bundesjustizministeriums.Frau Zypries hatte vor einem Jahr von gleicher Stelleus versprochen, dass wir konstruktiv mitarbeiten undns einbringen werden. Dies haben wir getan.
ch glaube, wir alle können stolz darauf sein, dass wiremeinsam etwas geschaffen haben, das denjenigen zu-ute kommt, denen es tatsächlich zugute kommen soll,
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Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbachnämlich den Menschen, die nicht mehr selbst bestimmenkönnen, was mit ihnen geschieht.Heute versprechen wir, dass wir den Werdegang desGesetzes – ich halte es für gut – sehr genau beobachtenund darauf achten werden, wie es sich in der Praxis aus-wirkt. Ich stehe zu unserem Wort, dass wir evaluierenund schnell eingreifen werden, wenn etwas nicht funk-tioniert. Frau Laurischk, die Evaluierung bezieht sichauch auf die steuerlichen Auswirkungen auf die Be-treuer.
Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, denich persönlich für sehr wichtig halte. Das ist die Vorsor-gevollmacht. Wir schaffen hier ein Instrument, welcheses den Menschen ermöglicht, zu den Zeiten, in denen sienoch selbst bestimmen können, zu regeln, wer einmal fürsie sorgen soll, wenn sie nicht mehr selbst bestimmenkönnen. Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns in gemein-samen Gesprächen gelungen ist, zu erreichen, dass dieBanken sich bemühen werden, ein einheitliches Formu-lar zu entwerfen. Ich bin sehr sicher, dass es uns eben-falls gelingen wird, dafür zu sorgen, dass diejenigen, dieaufgrund einer Vollmacht Betreuung übernommen ha-ben, mithilfe dieses Formulars ihre finanziellen Pro-bleme unter erleichterten Umständen lösen können. Indiesem Zusammenhang darf ich ein herzliches Danke-schön an die Vertreter der Banken aussprechen, die unssehr entgegengekommen sind.Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich freuemich, dass wir zu einem parlamentarischen Stil gefun-den haben, der vorbildlich für alle weiteren Beratungenin diesem Hause sein dürfte.1)Vielen Dank, meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus
Grübel von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ImMittelpunkt der Beratungen stand und steht der Mensch.Das haben alle gesagt. Anlass für die Beratungen undden Gesetzentwurf war aber das liebe Geld. Die Kostender rechtlichen Betreuung sind in den letzten Jahrenstark gestiegen. Dafür gibt es viele Gründe. Durch dendemographischen Wandel gibt es immer mehr hochbe-tagte Menschen und damit auch immer mehr Altersde-mente. Die Familienverbände lösen sich auf. Durch dieVerrechtlichung in allen Lebensbereichen wird immersBvpBßkPlEsslgGtgWdLrdFdSnvstGävuSedntrBpndwZzd1) siehe auch Anlage 3
ir sehen nicht zunächst die Gefahr, dass der Ehepartnerie Konten räumt, wenn der andere in einer hilflosenage ist. Wir unterstellen nicht, dass die Kinder nur da-auf warten, sich durch einen Behandlungsabbruch inen Besitz der Erbschaft bringen zu können.
ür uns ist die Ehe ein Ort, an dem der eine für den an-eren da ist. Für uns ist die Familie der Ort, an dem esolidarität zwischen den Generationen gibt.
Die meisten alten und kranken Menschen haben we-iger Angst vor ihren Familienangehörigen als vielmehror dem Vormundschaftsgericht und dem vormund-chaftsgerichtlichen Verfahren. Sollte es im Einzelfallatsächlich Grund für Misstrauen geben, hätte nach demesetzentwurf jeder seinen entgegenstehenden Willenußern und dokumentieren können.Ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren besteht ausielen Verfahrensschritten: der Anregung der Betreuungnd dem ärztlichen Attest, einer sozialpsychiatrischentellungnahme von ambulanten kommunalen Diensten,inem fachärztlichen Gutachten über den Betroffenen,er Anhörung der Betreuungsbehörde, der Stellung-ahme des Verfahrenspflegers, der Anhörung des Be-offenen und dem Schlussgespräch und schließlich demeschluss des Vormundschaftsgerichts und der Ver-flichtung des Betreuers. In vielen Fällen ist das Ergeb-is dieses sauberen rechtsstaatlichen Verfahrens, dasser Ehepartner oder das Kind zum Betreuer bestelltird, und dies oft nur für eine verhältnismäßig kurzeeit. Hier hätten wir ein familienpolitisches Signal set-en und Bürokratieabbau betreiben können. Leider waries nicht konsensfähig.
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Markus GrübelAuf das Thema Vorsorgevollmacht haben bereits alleRedner hingewiesen.Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Wir sind mitdem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz insge-samt zufrieden. Wenn wir uns auch noch auf die gesetzli-che Vertretungsmacht geeinigt hätten, hätten wir nochweniger Bürokratie und ein familienpolitisches Signalsetzen können. Dies bleibt ein Merkposten für ein mögli-ches Viertes Betreuungsrechtsänderungsgesetz nach demJahr 2006.Vielen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat das Wort die Kollegin Christine Lambrecht von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will
nur kurz die Gelegenheit nutzen, einige Irrtümer auszu-
räumen, die mein Vorredner jetzt in die Debatte einge-
bracht hat. Herr Grübel hat ein Familienbild aufgezeigt,
wie es wünschenswert ist und wie es in zahlreichen Fa-
milien vorkommt und noch häufiger vorkommen sollte.
Das hat aber nichts mit dem zu tun, über das wir uns hier
unterhalten, nämlich die gesetzliche Vertretungsmacht.
Man muss zunächst wissen, dass nur 13 Prozent aller
Menschen, die unter Betreuung stehen, überhaupt ver-
heiratet sind. Wir reden hier also über eine marginale
Zahl.
Das Problem bei der gesetzlichen Vertretungsmacht
war, dass sie sich nicht nur auf Ehegatten bezog, sondern
auch auf die Kinder. Es war ein Automatismus vorgese-
hen, nach dem das Kind für den entsprechenden Eltern-
teil verantwortlich ist,
aber auch umgekehrt der Elternteil für das Kind. Das ist
dann kein Problem, wenn zum Beispiel ich mit 39 Jahren
für meinen 60-jährigen Vater die Betreuung übernehmen
soll. Umgekehrt geht es auch noch. Wenn aber sein
84-jähriger Vater für ihn automatisch die Betreuung
übernehmen soll, zum Beispiel wenn er einen Schlag-
anfall gehabt hat, besteht ein Fall der Überforderung.
Genau so ist es, wenn der 18-jährige Sohn für seinen
50-jährigen Vater, der nebenbei noch einen Betrieb lei-
tet, die gesetzliche Vertretungsmacht übernehmen soll.
Das waren unsere Bedenken.
Außerdem ging es um die Emanzipation. Ich spreche
hier nicht von Frauen, sondern von Behinderten, die
explizit erklärt haben, dass sie nicht automatisch für
den Rest ihres Lebens unter die Vertretungsmacht ihrer
Eltern gestellt werden wollen.
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Das waren die Gründe, warum wir kein gesetzliches
ertretungsrecht wollen. Wir haben kein abgehobenes
amilienbild, sondern wir nehmen die Realität zur
enntnis. Es wäre schön, wenn es so wäre, wie Sie es
ier dargestellt haben. Völlig andere Gründe haben dazu
eführt, dass wir das ursprünglich vorgesehene gesetz-
iche Vertretungsrecht nicht im Gesetzentwurf haben
ollten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bun-esrat eingebrachten Entwurf eines Betreuungsrechts-nderungsgesetzes auf Drucksache 15/2494. Derechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/4874,en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-en. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-hen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-ntwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenom-en.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfst einstimmig angenommen.Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutigeagesordnung um die Beratung der Anträge der Frak-ionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen aufurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates aufen Drucksachen 15/4892 und 15/4893 zu erweitern undiese jetzt als Zusatzpunkt 11 und Zusatzpunkt 12 aufzu-ufen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.ann ist so beschlossen.Ich rufe somit den Zusatzpunkt 11 und den Zusatz-unkt 12 auf:P 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENZurückweisung des Einspruchs des Bundes-rates gegen das Gesetz über die Feststellungdes Bundeshaushaltsplans für das Haushalts-gesetz 2005
– Drucksachen 15/4890, 15/4892 –P 12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENZurückweisung des Einspruchs des Bundes-rates gegen das Gesetz zur Errichtung derAkademie der Künste
– Drucksachen 15/4891, 15/4893 –
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsDer Präsident des Bundesrates hat schriftlich mit-geteilt, dass der Bundesrat beschlossen hat, gegen dasHaushaltsgesetz 2005 und gegen das Gesetz zur Errich-tung der Akademie der Künste Einspruch einzulegen. Esliegen zwei Anträge der Fraktionen der SPD und desBündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Ein-sprüche des Bundesrates vor.Bevor wir gleich zur Abstimmung über die beidenAnträge kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit füreinige notwendige Hinweise zum Abstimmungsverfah-ren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt.Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für dieZurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates dieMehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages er-forderlich; das sind mindestens 301 Stimmen.Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Jastimmen. Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auchIhre Stimmausweise in den Farben Blau und Gelb. DieFarbe des zu verwendenden Stimmausweises werde ichbei der jeweiligen Abstimmung angeben. Die Stimmaus-weise können Sie, so weit noch nicht geschehen, IhremStimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf,dass Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tra-gen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen,übergeben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einemder Schriftführer an der Urne. Sie müssen also IhreStimmkarte und Ihren Stimmausweis abgeben.Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich,darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnenund Kollegen in die Urnen geworfen werden dürfen, dievorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abge-geben haben.Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim-mung. Zusatzpunkt 11: Abstimmung über den Antragder Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-nen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesratesgegen das Haushaltsgesetz 2005, Drucksache 15/4892.Sie benötigen den Stimmausweis in der Farbe Blau. Ichbitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vor-gesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an denUrnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-stimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimmkarte nicht abgegeben hat? Können mir dieSchriftführer das bitte einmal signalisieren? – Einen Mo-ment müssen wir noch warten.Jetzt schließe ich die Abstimmung und bitte dieSchriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-lung zu beginnen.
– Die Abstimmung ist geschlossen.Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte dieSchriftführerinnen und Schriftführer, die Urnen auszu-wechseln.Zusatzpunkt 12: Abstimmung über den Antrag derFraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünenauf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates ge-gDwSsnDkddedAhnCmwkuDmgkVbekfifteD1)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen dann mitem nächsten Tagesordnungspunkt fortfahren. Ich bitteiejenigen, die sich daran beteiligen wollen, die Plätzeinzunehmen, und die übrigen, jedenfalls das Zentrumes Plenarsaals zu räumen.Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf:Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Martina Krogmann, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUStärkung von Auskunfts- und Mehrwertdiens-ten durch Missbrauchsbekämpfung– Drucksachen 15/3547, 15/4092 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-erin der Kollegin Dr. Martina Krogmann von der CDU/SU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freueich, dass wir heute im Bundestag darüber debattieren,ie wir die Auskunfts- und Mehrwertdienste stärkenönnen. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion habennsere Große Anfrage bereits im Juni 2004 eingebracht.amals wie heute liegen uns zwei Dinge bei dieser The-atik besonders am Herzen: Erstens wollen wir die un-eheuer dynamischen Unternehmen auf diesen Zu-unftsmärkten stärken und zweitens wollen wir dieerbraucher stärken. Deshalb müssen wir unseriöse An-ieter, die die Verbraucher nur abzocken wollen, endlichnergisch bekämpfen.
Der Markt für Mehrwertdienste und auch für Aus-unftsdienste stellt einen zentralen Wachstumsmotorür die gesamte Telekommunikationsbranche dar undst damit natürlich auch von entscheidender Bedeutungür unsere Volkswirtschaft. Die Branche ist in den letz-n Jahren weltweit enorm gewachsen. Aber auch ineutschland haben wir inzwischen einen Umsatz vonSeiten 14836 C, 14839 C
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Dr. Martina Krogmann2 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz weiter rasant stei-gend.Das Problem ist nun, dass es einige unseriöse Anbie-ter gibt, die enormen Schaden anrichten: Schaden für dieseriösen Unternehmen, weil sie die Branche in Verrufbringen, und Schaden für die Verbraucher, weil sie ihnenmit unlauteren Methoden das Geld aus der Tasche zie-hen. Damit gehen das Vertrauen in diese Dienste und in-folgedessen Wachstumsmöglichkeiten, Innovationsmög-lichkeiten und Arbeitsplätze verloren.
Um welche Dienste geht es hier eigentlich? Es gehtzum einen um die 0190er-/0900er-Nummern, unter de-nen man verschiedene Dienstleistungen abfragen kann:Beratungsdienste, das Wetter, Sportergebnisse, Staupro-gnosen, Kochrezepte, also Dienste aller Art. Dann gibtes die 0137er-Nummern, mit denen das Fernsehen ge-wissermaßen interaktiv wird. Sie wählen eine Nummerund können dann per Telefon zum Beispiel mitentschei-den, wer das Dschungelcamp verlassen muss oder werals Erster aus dem Big-Brother-Container fliegt. Auchhier gibt es keine Grenzen für Geschäftsmodelle undIdeen.Vergleichsweise jung ist der Markt der mobilen Mehr-wertdienste, Stichwort hier: Premium-SMS. Dabei for-dert der Kunde per SMS die Leistung eines Anbieters anund kann sich dann Klingeltöne, Wallpapers, Informatio-nen, Videos oder Musik auf sein Handy herunterladen.Hier ist eine ungeheure Dynamik im Markt. Fast täglichentstehen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Man musssich einmal vorstellen, dass der größte Anbieter solchermobilen Mehrwertdienste – er sitzt hier in Berlin – in-zwischen ein Angebot an 30 000 Klingeltönen und25 000 verschiedenen Logos und Grußkarten hat. ProMonat werden in dieser Firma in einer alten Fabrikhallein Kreuzberg allein 150 neue Spiele erfunden. Daranzeigt sich diese ungeheure Dynamik. Am Markt sindjunge, kleine, mittelständische Unternehmen, die neueIdeen haben und innovativ sind.Das geht weiter; es wird sich noch beschleunigen. Mitder flächendeckenden Einführung von UMTS werdensolche Dienste natürlich noch stärker nachgefragt wer-den. Wir dürfen diese junge Wachstumsbranche nichtkaputtregulieren.
Leider ist – das ist die andere Seite – die Palette desMissbrauchs auch bei diesen mobilen Diensten vielfäl-tig. Es gibt zum Beispiel so genannte Lock-SMS. In die-sem Fall bekommen Sie eine persönlich formulierteSMS, in der Sie aufgefordert werden, doch bitte schnellzurückzurufen. Wenn Sie Pech haben, landen Sie dannbei einer 0190er-Nummer und der Anruf kostet Siegleich mehr als 3 Euro, ohne dass Sie irgendetwas davonhaben. Sicherlich kennen Sie auch die Werbeanzeigenfür Dienste, die mit falschen Preisen angeboten werden.Dort steht klein, dass eine bestimmte Leistung angebo-ten wird, dann groß, dass das per SMS 80 Cent kostet,aber ganz winzig klein, in millimetergroßer Schrift, stehtaD1hWMdeüHfGduDsTweIlotidSmsnIztkdtsbdwKrdadml
Erst vor ein paar Tagen, also Anfang Februar, habenie den Gesetzentwurf zur Änderung des Telekom-unikationsgesetzes eingebracht. Wir werden über die-en Gesetzentwurf in den kommenden Wochen und Mo-aten intensiv debattieren müssen. Schon jetzt sage ichhnen aber, dass die CDU/CSU-Fraktion keinem Gesetzustimmen wird, das Verbraucher entmündigt und Un-ernehmen stranguliert.
Für uns sind Wirtschaft und Verbraucherschutz ebeneine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Me-aille. Die Unternehmen selbst haben doch ein hohes In-eresse daran, zufriedene Kunden zu haben. Sie habenich deshalb in vielen Bereichen freiwillig verpflichtet,estimmte Maßnahmen durchzuführen. Wichtig ist aber,ass wir das im Wettbewerb schaffen; denn der Wettbe-erb – und nicht die staatliche Drangsalierung von Frauünast, Herrn Clement und der rot-grünen Bundesregie-ung – sorgt dafür, dass der Verbraucher die besten Pro-ukte bekommt.
Ich denke, in einigen Punkten sind wir uns einig, vorllem darin, dass es wichtig ist, mehr Transparenz inieser Branche zu haben. Die Verbraucher benötigenehr Sicherheit, wie viel sie für welche Leistung bezah-en müssen.
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Dr. Martina Krogmannbärchen kaufen zu wollen. Dieses Verfahren wäre nicht führern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichenkabel. Deshalb lehnen wir eine Übertragung auf einzelneSMS ab.
Auch über Preisobergrenzen müssen wir uns ver-ständigen. Ich habe eine Bitte: Wir müssen vor dem Hin-tergrund einer schnelleren Einführung der UMTS-Tech-cdsSbaEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 572;davonja: 303nein: 269JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryMarion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerMartin DörmannPeter DreßenElvira Drobinski-WeißDetlef DzembritzkiSSHMMGPKAEGRGDLIGURADMKGA
in dem dichten Tarif-n, auskennen. Preise undlich lesbar und erkennbarürlich über Preisangabenreden. Wir müssen auchmindest für die teurener, ob das wirklich über-. Ich habe beispielsweisese Pflichten automatischeinführen wollen.U/CSU]: Ja!)so genannte Handshake-kommt beim Handshake-llung eine SMS vom An-ei SMS-Abos ist das si-ieses Handshake-Verfah- freiwillig angeboten.es Verfahren wirklich füren soll. Denn hier geht esre ungefähr so, als wennontan eine Tüte Gummi-erkäufer zweimal fragen sei, diese Tüte Gummi-nsunuzvDpskddmologie aufpassen, dass wirtaatliche Preisvorgaben vonnd kaputtmachen. Denn eineicht die weltweit teuersten UMnd dann den Unternehmen, dahlt haben, Niedrigpreise für iorschreiben und damit attrakas werden wir auf keinen Fall
weiteren Gesetzgebungs-er vor allem auch kon-hen ein für eine unbüro-kunftsfähige Lösung fürskunfts- und Mehrwert- sowie bei Abgeord-DP)n Otto Solms:Redner das Wort gebe,tführerinnen und Schrift-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsFrank Hofmann
Eike HovermannKlaas HübnerChristel HummeLothar IbrüggerBrunhilde IrberRenate JägerKlaus-Werner JonasJohannes KahrsUlrich KasparickDr. h.c. Susanne KastnerUlrich KelberHans-Peter KemperKlaus KirschnerLars KlingbeilHans-Ulrich KloseAstrid KlugDr. Bärbel KoflerDr. Heinz KöhlerWalter KolbowFritz Rudolf KörperKarin KortmannRolf KramerAnette KrammeErnst KranzNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerDr. Hans-Ulrich KrügerHorst KubatschkaHelga Kühn-MengelUte KumpfDr. Uwe KüsterChristine LambrechtChristian Lange
Christine LehderWaltraud LehnDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter LohmannGabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDr. Christine LucygaTobias MarholdLothar MarkCaren MarksHilde MattheisMarkus MeckelUlrike MehlPetra-Evelyne MerkelUlrike MertenAngelika MertensUrsula MoggMichael Müller
Christian Müller
Gesine MulthauptFranz MünteferingDr. Rolf MützenichVolker Neumann
Dietmar NietanDr. Erika OberHolger OrtelHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDKGDCWRRDKMGOMTAAGRBDSHOHUSDWHCWOKFWOGBRSDDREDDWDJDLRCRDJJJDWFr. Sascha Raabearin Rehbock-Zureicherold Reichenbachr. Carola Reimannhristel Riemann-Hanewinckelalter Riestereinhold Robbeené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
ichael Roth
erhard Rübenkönigrtwin Rundearlene Rupprecht
homas Sauernton Schaafxel Schäfer
udrun Schaich-Walchudolf Scharpingernd Scheelenr. Hermann Scheeriegfried Schefflerorst Schildtto Schilyorst Schmidbauer
lla Schmidt
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ilhelm Schmidt
einz Schmitt
arsten Schneideralter Schölerlaf Scholzarsten Schönfeldritz Schösserilfried Schreckttmar Schreinererhard Schröderrigitte Schulte
einhard Schultz
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r. Angelica Schwall-Dürenr. Martin Schwanholzolf Schwanitzrika Simmr. Sigrid Skarpelis-Sperkr. Cornelie Sonntag-Wolgastolfgang Spanierr. Margrit Spielmannörg-Otto Spillerr. Ditmar Staffeltudwig Stieglerolf Stöckelhristoph Strässerita Streb-Hesser. Peter Struckoachim Stünkerörg Taussella Teuchnerr. Gerald Thalheimolfgang Thierseranz ThönnesHRSJUDHHARPGGDDHLIDAJHDBEBDVWHUMDBGKMVCBMGAEDJFDHJKAWPUTMJFRUMans-Jürgen Uhlüdiger Veitimone Violkaörg Vogelsängerte Vogt
r. Marlies Volkmerans Georg Wagneredi Wegenerndreas Weigeleinhard Weis
etra Weisunter Weißgerberert Weisskirchen
r. Ernst Ulrich vonWeizsäckerr. Rainer Wendildegard Westerydia Westrichnge Wettig-Danielmeierr. Margrit Wetzelndrea Wickleinürgen Wieczorek
eidemarie Wieczorek-Zeulr. Dieter Wiefelspützrigitte Wimmer
ngelbert Wistubaarbara Wittigr. Wolfgang Wodargerena Wohllebenaltraud Wolff
eidi Wrightta Zapfanfred Helmut Zöllmerr. Christoph ZöpelÜNDNIS 90/DIERÜNENerstin Andreaearieluise Beck
olker Beck
ornelia Behmirgitt Benderatthias Berningerrietje Bettinlexander Bondekin Deligözr. Thea Dückertutta Dümpe-Krügerranziska Eichstädt-Bohligr. Uschi Eidans-Josef Felloseph Fischer
atrin Göring-Eckardtnja Hajdukinfried Hermanneter Hettlichlrike Höfkenhilo Hoppeichaele Hustedtutta Krüger-Jacobritz Kuhnenate Künastndine Kurth
arkus KurthMDAJKWCFSCKCIrRAWPURSHJMDDDJMNCUIlPANDGEVDODCRPADJWWDKDHMGVHCGLH
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14838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisRoland GewaltEberhard GiengerGeorg GirischMichael GlosRalf GöbelDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang GötzerUte GranoldKurt-Dieter GrillReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundKarl-TheodorFreiherr vonund zu GuttenbergOlav GuttingHolger-Heinrich HaibachGerda HasselfeldtKlaus-Jürgen HedrichHelmut HeiderichUrsula HeinenSiegfried HeliasUda Carmen Freia HellerMichael HennrichJürgen HerrmannBernd HeynemannErnst HinskenPeter HintzeRobert HochbaumKlaus HofbauerJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeDr. Peter JahrIrBSVGEJJKNHTRMGGDDWDDHBKWPUWDDDESDDWDDFDMMSBHBHMCGDFEMRmgard Karwatzkiernhard Kaster
olker Kaudererlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhler
orbert Königshofenartmut Koschykhomas Kossendeyudolf Krausichael Kretschmerünther Krichbaumünter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kueserner Kuhn
r. Karl A. Lamers
r. Norbert Lammertelmut Lamparbara Lanzingerarl-Josef Laumannerner Lensingeter Letzgusrsula Lietzalter Link
r. Klaus W. Lippold
r. Michael Lutherorothee Mantelrwin Marschewski
tephan Mayer
r. Conny Mayer
r. Martin Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelriedrich Merzoris Meyer
aria Michalkarlene Mortlertefan Müller
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ildegard Müllerernd Neumann
enry Nitzscheichaela Nolllaudia Nolteünter Nooker. Georg Nüßleinranz Obermeierduard Oswaldelanie Oßwaldita PawelskiSDBRRDTHDHCKHKDHFDKDDAPADDGABCADDBUWKMMHBTJJECGAMMTLMAEDAVAGibylle Pfeifferr. Friedbert Pflügereatrix Philipponald Pofallauprecht Polenzaniela Raabhomas Rachelans Raidelr. Peter Ramsauerelmut Rauberhrista Reichard
atherina Reicheans-Peter Repniklaus Riegertr. Heinz Riesenhuberannelore Roedelranz-Xaver Romerr. Klaus Roseurt J. Rossmanithr. Norbert Röttgenr. Christian Rucklbert Rupprecht
eter Rzepkanita Schäfer
r. Wolfgang Schäubler. Andreas Scheuereorg Schirmbeckngela Schmidernd Schmidbauerhristian Schmidt
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r. Andreas Schockenhoffr. Ole Schröderernhard Schulte-Drüggeltewe Schummerilhelm Josef Sebastianurt Segneratthias Sehlingarion Seibeinz Seifferternd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnrika Steinbachhristian von Stettenero Storjohannndreas Stormax Straubingeratthäus Streblhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenntje Tillmanndeltraut Töpferr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard WächterInAKWMWDEWWWFDDAEHJUOHRDHDDKUBMDHGSHInSMDGEDCGDDDCDDDFMDP
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14839
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en namentlichen Abstim-ntrag auf ZurückweisungdEmJEcetra Ernstbergerarin Evers-Meyernnette Faßelke Fernerabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitagilo Friedrich
is Gleickeünter Gloserwe Göllnerenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausarl Hermann Haack
ans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
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ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummeothar IbrüggerLHADDWFKRAENVADHHUDCCCWDEGGEDTLCHMUPUAUMCGFDVDDHes Einspruchs des Bundesratrrichtung der Akademie der Kausweise 571, abgegebne Stia haben gestimmt 306, mit Nnthaltungen 226. Auch dieserhe Mehrheit bekommen und isars Klingbeilans-Ulrich Klosestrid Klugr. Bärbel Koflerr. Heinz Köhleralter Kolbowritz Rudolf Körperarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerorst Kubatschkaelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke Leonhardckhart Leweringötz-Peter Lohmannabriele Lösekrug-Möllerrika Lotzr. Christine Lucygaobias Marholdothar Markaren Marksilde Mattheisarkus Meckellrike Mehletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggichael Müller
hristian Müller
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ietmar Nietanr. Erika Oberolger OrtelCWRRDKMGOMTAAGRBDSHOHUSDWHCWOKFWOGBRSDDREDDW
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14840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Peter Gauweilerr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhnereter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldurt-Dieter Grilleinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbaueroachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampetermgard Karwatzkiernhard Kaster
olker Kaudererlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhler
orbert Königshofenartmut Koschykhomas Kossendeyudolf Krausichael Kretschmer
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14841
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wir setzen die Debatte fort. Ddesregierung der ParlamentarisStaffelt.
taatssekretär beim Bun-Arbeit:r verehrten Damen undKrogmann, Ihre Rede haten sehr viel näher beiei-usdruck bringen wollten., dass wir gemeinsam al-r einen Seite Verbrauchereite aber eine sich dyna- ihrer Entwicklung nichtarauf ist unsere Politik,r Bundesregierung, aberneten der SPD) miteinander zu diskutie-ie Stellschrauben im Ein- ist es aber auch im We-sGwsdfirdrKKbVZmsvdmTiständigen Entwicklung begriffeschäftsmodelle entwickelt.ir uns in entsprechender Weien. Wir alle haben gelernt – wieser Branche nicht im Hauseür Wirtschaft und Arbeit entwmmer auch auf die Entwicklunen müssen. So sind wir letztlicWir haben im Jahre 2003 daes Missbrauchs von 0190er-/ufnummern verabschiedet. Esraft getreten. Das Missbrauchrogmann, zu einer erheblicheraucherschutzes in diesem Borgaben über Preisobergrenzewangstrennung von Verbinden getroffen, die die Transpaiko, sich durch die Nutzung soerschulden, reduzieren. Wirer Abzocke durch Einzelneissbraucht haben, einen Riege
s Weiteren wurde mit deri 2004 in Kraft getretenere im Vermittlungsaus- haben, eine umfassendegut! Der ganze Vorgang war jedoch überflüs- Branche zu tun, die in einem ständigen Wechsel, in einerGünther KrichbaumGünter KringsDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesWerner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertHelmut LampBarbara LanzingerKarl-Josef LaumannWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Michael LutherDorothee MantelErwin Marschewski
Stephan Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzDoris Meyer
Maria MichalkMarlene MortlerStefan Müller
Bernward Müller
Hildegard MüllerBernd Neumann
Henry NitzscheMichaela NollClaudia NolteGünter NookeDr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldMelanie OßwaldRita PawelskiDr. Peter PaziorekUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerHelmut RauberChrista Reichard
Katherina ReicheHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberHFDDDAPADDGABCADDBUWKMMHBTJJECG
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14842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Das heißt also – das haben Sie vorhin angespro-hen –: Wir werden mit dem, was wir von der gesetzge-enden Seite her tun können, weder die Branche stran-ulieren noch die Verbraucher entmündigen. Wir müssenier einen vernünftigen Interessenausgleich zwischenen Verbrauchern und der Branche finden.
as führt dann dazu, dass diese Branche unterm Strichine Rahmenbedingung hat, in der sie sich sehr gut ent-ickeln und in der sie einen wichtigen Beitrag zur volks-irtschaftlichen Entwicklung leisten kann.Ich will an dieser Stelle darauf verweisen, dass wir al-esamt – das sagte ich eingangs – ein Stück weit das Ge-ühl von Learning by Doing hatten, dass wir jetzt aberennoch die Kontrolle in stärkerem Maße an die RegTP,lso an die Regulierungsbehörde, zu übertragen geden-en und einen gesetzlichen Rahmen fassen werden, derazu führt, dass die Regulierungsbehörde alle Mechanis-en in der Hand hat, um Missbräuchen entgegentretenu können. Mit einem solchen Rahmen, so glaube ich,önnen wir allesamt sehr gut leben – sowohl die Unter-ehmen als auch die Verbraucher, wie ich an diesertelle wiederholen möchte. Ich denke, wir sind auf ei-em guten Wege.Wir werden diese Branche auch weiterhin unterstüt-en, soweit es irgend möglich ist. Wir laden Sie wie im-er herzlich zu einem sehr konstruktiven Dialog ein, der mit vielen praktischen Vorschlägen garniert – letztend-ich zur Stärkung dieses Wirtschaftszweiges beiträgt,nd zwar unter Wahrung der Interessen der Verbrauchern unserem Lande.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren undamen! Ich glaube, das gesamte Haus ist daran interes-iert, dass die Verbraucher nicht abgezockt, nicht in dierre geführt und nicht ausgenutzt werden; das ist völliglar. Wir sind uns einig, dass wir die Verbraucherinteres-en wahren müssen.Aber, Herr Staatssekretär Staffelt, beim Interessen-usgleich bestehen noch Friktionen. Auf der einen Seiteollen wir den Verbraucherschutz wahren, auf der ande-en Seite Angebotsvielfalt und innovative Entwicklun-en ermöglichen – das ist der Spagat, den wir zu leistenaben.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14843
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Gudrun KoppFür die FDP-Bundestagsfraktion kann ich nur sagen:Wir legen Wert darauf, dass man nicht – wie es insbe-sondere im Kabinettsbeschluss zum Ausdruck kommt;denn hier wird an vielen Stellen überreagiert und überre-guliert, Herr Staffelt – in Aktionismus verfällt. Das istnicht unser Anliegen.
Insbesondere bei den Grünen besteht immer wieder dieVersuchung, verstärkt zu kontrollieren,
den Verbraucher ans Händchen zu nehmen
und ihn auf diese Weise, wie ich finde, einzuschränkenund Entwicklungen zu behindern.
Heute beraten wir über die Große Anfrage derUnionsfraktionen. Diese Anfrage zeigt sehr deutlich– darauf möchte ich hinweisen –: Es gibt eine große Pa-lette an Findigkeiten und viele Gründe, warum derMarkt in eine Friktion geraten kann.
Ich stimme Ihnen völlig zu, wenn Sie sagen, dass wir ei-nen Rahmen schaffen müssen und Regeln brauchen.
Aber wir müssen uns von der Überlegung verabschie-den, jede Kleinigkeit regulieren und die Stellschraubenimmer weiter nachziehen zu können;
denn das geht nicht. Das werden wir nicht schaffen.
Ich finde, dass die in der Antwort auf die Große Anfragebeim Thema unseriöses Agieren gesetzten Schwer-punkte ganz deutlich zeigen, dass wir nicht glauben soll-ten, jede Kleinigkeit regulieren zu können.
So wird zum Beispiel eine Preisansageverpflichtungfür Telekommunikationsdienste mit mehr Transparenzauf dem Telekommunikationsmarkt begründet; das istauch nachvollziehbar.AtIVIbakkegahWzVkduumstwotekcBuu
ber für die Diensteanbieter ist eine solche Verpflich-ung teuer. Möglicherweise ist sie noch nicht einmal imnteresse der Verbraucher. Das heißt, wir müssen demerbraucher auch die Freiheit geben, wählen zu können.
ch muss Ihnen sagen: Eine Firma, die Preisansagen an-ietet, wird sich, wenn der Verbraucher diese Leistunguch nachfragt, am Markt durchsetzen und behauptenönnen. Aus freiwilligen Preisansagen sollten dahereine Pflichtansagen gemacht werden.Ich glaube, dass es nötig ist, den vorliegenden Gesetz-ntwurf daraufhin zu überprüfen, an welchen Stellen Re-ulierungen dringend nötig sind,
ber auch abzuwägen, wo wir uns einer Regulierung ent-alten sollten. Oft ist weniger mehr.
ir sollten darauf vertrauen, dass sich der Wettbewerbwischen den Anbietern – auch der Wettbewerb um dasertrauen der Verbraucher – weiter entwickeln kann; dasann ich nur hoffen. Wir sollten an dieser Stelle aller-ings nicht behindernd eingreifen.Insofern kann ich nur sagen – Frau Dr. Krogmann, ichnterstreiche, was Sie gesagt haben –: Es handelt sichm völlig neue Marktentwicklungen. Es werden immerehr neue Dienste angeboten. Diese Entwicklung müs-en wir unterstützen; denn sie ist sehr dynamisch und be-rifft auch unseren Markt. Sie entscheidet mit darüber, obir ein modernes Kommunikations-Deutschland sindder ob wir in einem überregulierten Zustand verharren.Ich glaube, wenn wir den Gesetzentwurf so betrach-en und weiterdiskutieren, dann werden wir am Endeine Regelung haben, mit der wir alle sehr gut lebenönnen, die aber vor allen Dingen im Sinne der Verbrau-herinnen und Verbraucher ist.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken,
ündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damennd Herren! Der Beitrag von Frau Kopp ist mir etwasnverständlich geblieben.
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14844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Ulrike HöfkenAber man kann ihn im Grunde als eine große Lo-beshymne auf unsere Politik in diesem Bereich auffas-sen; dafür können wir uns ja einmal bedanken.
Ich will etwas zur Verbraucherpolitik der CDU/CSUsagen. Frau Heinen, vielleicht wäre es gut, Sie würdensich hierhin stellen und vorlesen,
was Sie in Ihrer letzten Presseerklärung zum verbrau-cherpolitischen Konzept der CDU/CSU geschrieben ha-ben. Da steht nämlich drin, was Sie unter Verbraucher-politik verstehen: Verbraucherpolitik ist für die CDU/CSU, mehr Lebensqualität für den Einzelnen zu schaf-fen, aber auch – und das aber muss man betonen – Spiel-raum für die Wirtschaft zu lassen. Das ist ein extremwirtschaftsfeindlicher Ansatz, den wir hier mit Abscheuvon uns weisen.
Für uns sind Verbraucherschutz und Wirtschaftspoli-tik zwei Seiten einer Medaille.
Es hat sich gezeigt, wie notwendig es ist, diese beidenBereiche miteinander zu verknüpfen, um das erfolgrei-che Funktionieren von neuen Wirtschaftsbereichen mög-lich zu machen. Wir sind gemeinsam der Auffassung,dass der Bereich der Telekommunikation noch unge-heure Potenziale hat, und wir möchten dazu beitragen,dass sich diese auch entwickeln. Das kann aber nur funk-tionieren, wenn die Menschen Vertrauen in die Angebotehaben. Es ist nun einmal so, dass es immer wieder einigewenige schwarze Schafe gibt, die versuchen, bei neuenEntwicklungen entstehende Lücken auszunutzen, unddort erheblichen Schaden anrichten. Darauf muss mangesetzlich reagieren; dazu bedarf es auch entsprechenderpolitischer Diskussionen.Wir müssen leider sagen: Der Telekommunikations-markt ist reichlich intransparent, wir haben in Einzelbe-reichen immer noch erhebliche Probleme. Das sind zumeinen die Klingeltöne, wie Sie gesagt haben, aber auchder ganze Bereich der Beteiligungsmöglichkeiten, etwaGewinnspiele, bei denen das Tor des Monats oder sonstirgendetwas von den Zuschauern durch den Anruf einer0137er-Nummer bestimmt werden soll. Die Überra-schung beim Öffnen der Rechnung ist oft eine ziemlichböse.Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchsvon 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern ha-ben wir bereits Instrumente geschaffen – das ist der ent-scheidende Schritt, den wir gemacht haben –, auf derenGrundlage wir bei solchen Entwicklungen zum Wohledes Verbrauchers und der Wirtschaft eingreifen können.DserlR4whbrsCebtdtügbAeaendbPnPZgdVbNBfaMgeAgstM
Hinzu kommt noch, dass im Bundesrat gerade eineeue gesetzliche Regelung beraten wird. Bezogen aufie über die 0190er-Nummern hinaus bestehenden Pro-leme wird es Regelungen geben, nämlich besserereisansagepflichten, vorvertragliche Preisinformatio-en und Regelungen bei Kurzwahlnummern, also beiremium-SMS, wodurch – ich denke, das ist ein großesiel dabei – auch ein besserer Schutz von Minderjähri-en in diesem Markt erreicht wird.Aus verbraucherpolitischer Sicht sage ich: Ich finde,as ist eine wirklich gute Ausgangsgrundlage, um daserbrauchervertrauen zu stärken. Die Preisobergrenzenereiten uns noch ein paar Probleme. Bei den 0190er-ummern greifen die Regelungen ab dem ersten Cent.ei den anderen Mehrwertdiensten ist das anders. Wirinden, dass es dafür eigentlich keinen Grund gibt, dauch die technischen Probleme inzwischen gelöst sind.an könnte das also noch verbraucherfreundlicher re-eln.Man muss an dieser Stelle auch einmal sagen, dassinzelne Unternehmen mit Selbstverpflichtungen undngeboten für Minderjährige einen Schritt vorangegan-en sind. Die Telekom, Vodafone und E-Plus haben ent-prechende Angebote gemacht. Ich finde, das ist ein un-erstützenswerter Schritt in Richtung guter Angebote fürinderjährige.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.
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Ja. – Ich denke, wir werden mit den gefundenen Lö-
sungen einen großen Schritt weiterkommen und im par-
lamentarischen Verfahren alles mit gewohnter Aufmerk-
samkeit und in gewohnter Breite diskutieren.
Danke schön.
Nächste Rednerin ist Kollegin Ursula Heinen, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht einmal ei-nes zur Wahrheitsfindung vorweg: Die Anfrage meinerKollegin Krogmann und unserer Fraktion stammt vonJuni 2004, also aus dem letzten Jahr.
Sie gab es somit schon, lange bevor Sie über weitere Än-derungen nachgedacht haben. Lassen Sie mich auch dasnoch sagen: Sie hoppeln unseren Initiativen schon dieganze Zeit hinterher, anstatt selbst einmal zum richtigenZeitpunkt aktiv zu werden.
Liebe Kollegin Höfken, Sie haben vorhin noch einmaldie Missbrauchsbekämpfung bei den Dialern genannt.Ich weise darauf hin, dass meine Kollegin Krogmann ei-nen Forderungskatalog entwickelt hat, der fünf Forde-rungen enthält. Sie sind vier dieser Forderungen dan-kenswerterweise nachgekommen und haben dasentsprechend gesetzlich umgesetzt. Der fünften Forde-rung, nämlich der Ausweitung auf andere Nummern-gassen, also auch auf die von Kollegin Höfken geradeangesprochenen 0137er-Nummern, sind Sie aber nichtnachgekommen. Das geschieht erst jetzt. Ich kann nursagen: Wenn Sie eine solche Debatte als überflüssig be-zeichnen, zeigt das nur, dass Sie mit diesem Thema imGrunde genommen gar nichts anfangen können und ge-trieben werden müssen, hier etwas zu tun. Das finde ichsehr bedauerlich.
Bevor die Kollegin Höfken geredet und diese Debatteals überflüssig bezeichnet hat, wollte ich mich eigentlichsowohl bei denjenigen, die die Fragen entwickelt haben,als auch bei denjenigen, die die Antworten geschriebenhaben, bedanken – Staatssekretär Staffelt, Sie könntenruhig zuhören;dwdddIwnitdSUisMeDAuzsmbBsmr3sRwNgbwanurtdssdgIL
enn ich wollte mich bei Ihnen bedanken, weil es eineirklich umfangreiche Ausarbeitung geworden ist,urch die wir, wie ich denke, einen guten Überblick überen Markt, über die Missbrauchsmöglichkeiten und überie Chancen für neue Entwicklungen bekommen haben.nsofern ist das eine gute Sache, die absolut notwendigar.
Wir haben es schon von allen Rednerinnen und Red-ern gehört: Premium-SMS und Mehrwertdienste spielenn unserer Informationsgesellschaft eine immer bedeu-endere Rolle. Ein Beispiel zeigt sehr schön, wie gut maniese Möglichkeiten nutzen kann: Im Rahmen einerpendenaktion für die Flutopfer in Südostasien hatnicef eine Sondernummer eingerichtet. Pro SMS, diensgesamt 2,99 Euro gekostet hat, konnte man 2,65 Europenden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass dieseehrwertdienste tatsächlich mehr sein können und auchtwas bringen.
aher sollten wir diese Sache durchaus positiv angehen.uf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dassnseriöse Anbieter, die das Vertrauen der Verbrauchererstören können, vom Markt verschwinden. Das ist un-er Auftrag.Die teuren Konsequenzen von Premium-SMS lernenanche erst dann kennen, wenn sie ihre Handyrechnungekommen und sehen, auf wen sie hereingefallen sind.esondere Animationen, Gewinnversprechen oder eroti-che Inhalte sollen die Kunden zum Versenden von Pre-iums-SMS verführen. Das scheint auch zu funktionie-en. Der Preis für eine simple Antwort kann schnellEuro betragen.Aber auch bei den anderen Mehrwertdiensten gibt eschwarze Schafe. Da helfen leider auch die gesetzlichenegelungen nichts. In diesem Zusammenhang werdenir uns etwas überlegen müssen.Ein Beispiel: Es kann sein, dass man eine 0190er-ummer anruft und dann in eine Konferenzschaltungelockt wird. Das heißt, es wird dazu aufgefordert, eineestimmte Nummer zu wählen, und danach würde maneiterverbunden. Mit dieser zusätzlichen Nummernwahlber gelangt man in eine Konferenzschaltung. Dannützt es wenig, dass nach einer Stunde die Verbindungnterbrochen wird. Die Regulierungsbehörde hat auf ih-er Homepage Fälle aufgelistet, bei denen man vorsich-ig sein soll. Wenn einem so etwas passiert, sollte manas im Hinterkopf haben. In einem solchen Fall kannich die Telefonrechnung nach einer Stunde auf sage undchreibe 600 Euro belaufen. Man muss sehen, ob es nachen neuen Verordnungen eine Möglichkeit gibt, hier-egen etwas zu unternehmen. Ich bin mir sicher, dasshnen unsere Fraktion dabei helfen wird, die richtigenösungen zu finden.
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Ursula HeinenDurch Missbrauch bei unseriösen Mehrwertdienstenentsteht mittlerweile bei den seriösen Auskunfts- undMehrwertdiensten und leider auch bei neuen Geschäfts-modellen ein erhebliches Akzeptanzproblem. Es ist des-halb entscheidend, die Verbraucher in diesem Bereichvor einem weiteren Missbrauch zu schützen, damit dasVertrauen in die Seriosität der Diensteanbieter insgesamtgestärkt wird. Deshalb braucht man zum Schutz der Ver-braucher klare Regeln. Produkt- und Preistransparenzmüssen deutlich gesteigert werden. Ein angemessenerAusgleich zwischen den Verbraucherrechten, den Inte-ressen der seriösen Anbieter und den Anbietern desNetzzuganges muss gewährleistet werden.
Natürlich sind wir für eine Preisansagepflicht vor demBeginn der Entgeltpflichtigkeit; das ist keine Frage.Aber das gilt nicht für billige Call-by-Call-Anrufe, wosich die Kosten im Zehntelbereich bewegen und damitnur zu zusätzlichem Aufwand, aber nicht zu zusätz-lichem Nutzen führen. Als Folge kann der eine oder an-dere Anbieter vom Markt verdrängt werden.
Ich kann zum Abschluss nur sagen: Ich bin froh, dassdiese Anfrage heute diskutiert wird und dass wir die An-kündigungen nicht weiter via Presse machen, sonderndass sich auch der Deutsche Bundestag mit dem ThemaMehrwertdienste intensiv auseinander setzt.Danke.
Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichhabe, ehrlich gesagt, am Anfang der Debatte die Auffas-sung der Kollegin Höfken geteilt, dass diese Debatte ei-gentlich überflüssig ist, weil wir in einigen Tagen undWochen mit einem Gesetzgebungsverfahren konkrethandeln und nicht nur darüber reden. Im Verlaufe derDebatte habe ich allerdings meine Meinung geändert.Frau Kopp, die Allgemeinheit Ihrer Ausführungen hatdamit zu tun. Denn eine solche Debatte – da bin ich derCDU/CSU sehr dankbar – kann auch dazu führen, dassman über konkrete Dinge redet. Insofern kann diese De-batte hinsichtlich der Aufklärung der Sachverhaltedurchaus einen pädagogischen Effekt haben.
Frau Kopp, Sie haben Selbstverständlichkeiten ange-führt, zum Beispiel dass wir auf der einen Seite Verbrau-cher schützen müssen, sie auf der anderen Seite abernicht totregulieren sollen. Das sagt jeder hier im Haus.Sie haben aber nicht einen einzigen konkreten Fall ge-nHsKSbmlKsuseraehhDdgNuÜg–DhauGshhFRsrsUbt
nd Frau Heinen am nächsten Tag den Verbraucher-chutzverbänden erzählt, was diese hören wollen.Ich will dazu ein Beispiel geben. Sie haben im Herbstine Flatrate für Jugendliche gefordert, wenn ich dasichtig gelesen habe,
ls gäbe es keine Prepaidcards. Sie, Frau Heinen, habenben davon gesprochen, wenn ich Sie richtig verstandenabe, dass Sie Ansagepflichten für alle Nummerngassenaben wollen.
as wollen wir jetzt einmal miteinander durchgehen.
Wir haben für die 0190er- und 0900er-Nummern seiter letzten Novelle eine Ansagepflicht und das ist auchut so. Jetzt gibt es die Diskussion darüber, welchenummerngassen wir weitere Ansagepflichten auferlegennd bei welchen das nicht sinnvoll ist. Ich bin der festenberzeugung, dass bei 0137er-Nummern eine Preisansa-epflicht nicht sinnvoll ist, weil wir das Geschäftsmodell das ist ein Massenmarkt – dadurch zerstören würden.er faire Kompromiss, den das Ministerium erarbeitetat, ist folgender: Wenn jemand eine 0137er-Nummernruft, erfolgt die Ansage, dass der Anruf registriert istnd soundso viel kostet. Das ist wichtig, damit einfacheemüter nicht tausend Mal dort anrufen. Das ist ein Bei-piel dafür, wie man im Dialog mit der Wirtschaft – dasat das Ministerium geschafft – eine vernünftige Lösungerbeiführt.
In diesem Zusammenhang gibt es eine grundsätzlicherage. Wir wollen – das hat die Kollegin Höfken zuecht gesagt – keinen künstlichen Widerspruch zwi-chen Verbraucherinteressen und Unternehmensinte-essen; denn Verbraucher und Unternehmen bilden zu-ammen die Wirtschaft. Es ist nicht so, dass nur dienternehmen die Wirtschaft sind, sondern auch die Ver-raucher sind ein Teil davon. Vertrauen ist da ganz wich-ig.
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Hubertus Heil
Insofern – da sind wir uns einig – sollten wir nicht versu-chen, hier im Haus künstliche Widersprüche aufzu-bauen.
Lassen Sie uns lieber im Zuge des Gesetzgebungsverfah-rens an die Arbeit gehen und schauen, welche Einzelre-gelungen verhältnismäßig sind und welche Regelungentatsächlich dazu führen, dass Verbraucher effektiv ge-schützt werden.Dabei sind zwei Punkte wichtig, Frau Kollegin Kopp.Der erste ist: Wir wollen natürlich Missbrauch aktiv be-kämpfen. Wir wissen aber, dass die Entwicklung derTechnik in diesem Bereich häufig so schnell ist, dass derGesetzgeber nicht rechtzeitig reagieren kann. Deshalb istdie Möglichkeit der Regulierungsbehörde, selbst aktivzu werden, ein ganz wichtiger Punkt. Der zweite Aspektist die Frage der Transparenz, vor allen Dingen derPreistransparenz. Es ist wichtig für eine entwickelteMarktwirtschaft, dass man weiß, um welche Preise esgeht. Wir müssen aber den Menschen eines offen sagen:Ein Gesetz, das gegen menschliche Dummheit schützt,kann dieses Parlament nicht beschließen. Das heißt, esgibt Dienste, bei denen sich niemand dafür interessiert,wie viel sie kosten. Dort sind Preisansagepflichtenzwecklos.Ich nehme aber einen Bereich aus, nämlich den, woKinder betroffen sind. Da geht es nicht um Dummheit,sondern darum, Kinder zu schützen. Darüber müssen wiruns unterhalten. Das betrifft insbesondere die Klingel-töne. Das ist ein Riesenthema. Wir müssen uns darüberunterhalten, wie wir verhindern können, dass sich Kin-der, ohne geschäftsfähig zu sein, Abonnements einhan-deln. Dazu hat die Bundesregierung in dem Gesetzent-wurf gute Vorschläge gemacht.
Diese müssen wir uns ansehen. Das betrifft auch dasThema Handshake-SMS. Wir müssen schauen, wo wirin diesem schwierigen Bereich einen Schnitt machen.
Wir müssen die Trennlinie zu dem ziehen, was wir beiJugendlichen zu regeln haben. An diesem Punkt müssenwir schauen – da gebe ich Ihnen von der Union Recht –,dass wir Micropaymentsysteme nicht unnötig belasten.Sie haben vorhin das Gummibärchenbeispiel genannt.Lassen Sie uns darüber reden und eine vernünftige Lö-sung finden. Dafür sind wir offen. Ich sage aber ganzdeutlich: Wir können nicht zulassen, dass Sie so tun, alsob das etwas ganz Neues wäre, etwas, was die CDU er-funden hätte.Wir haben doch gemeinsam – mit Ausnahme derFDP – das Telekommunikationsgesetz beschlossen.JfwvgdTsnmlntmfml–nzKtasbdBnMczaddnrKm„MhWddEvsdrwd
Das können Sie sich ruhig gefallen lassen. Ich sage Ih-en an dieser Stelle auch einmal etwas Nettes.
Es geht aber, wie gesagt, nicht an, sich vom Ackeru machen oder so zu tun, als habe man das Ei desolumbus erfunden. Wir haben im Juni die Ermäch-igungen zu Kundenschutzverordnungen in das TKGufgenommen. Zeitgleich haben Sie Ihre Anfrage ge-tartet, wohl wissend, dass die Verordnungen in Vor-ereitung waren und gesetzgeberisch umgesetzt wer-en, um Pendelverordnungen zwischen Bundestag undundesrat zu vermeiden.Ich bin mir sicher, dass wir letztendlich einen ver-ünftigen gesetzlichen Rahmen schaffen werden, umissbrauch zu bekämpfen, Transparenz und Verbrau-herinteressen zu fördern und die notwendige Sicherheitu schaffen, damit sich neue Geschäftsmodelle, die wirls Politiker nicht absehen können, entwickeln können.Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass sich ausen SMS ein Massenmarkt entwickelt? Wer hätte ge-acht, dass sich der MMS so rasant entwickelt? Ich weißicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich hätte vor einigen Jah-en nicht erwartet, dass es einmal eine Hitparade fürlingeltöne geben wird. Über Fragen des Geschmacksuss ein Parlament nicht entscheiden – ich sage nur:Schni Schna Schnappi“ –; für uns ist entscheidend, denenschen nicht vorzuschreiben, was sie sich als Unter-altung oder im Informationsbereich zu Gemüte führen.ir sollten vielmehr den notwendigen Rahmen schaffen,amit die Menschen nicht über den Tisch gezogen wer-en.Es gibt gerade bei den so genannten Ansagedienstenntwicklungen, die nicht gutzuheißen sind. Zwar ist esernünftig, dass es im Bereich der 118er-Nummern An-agedienste gibt, wir müssen aber meiner Ansicht nachafür Sorge tragen, dass jemand, der eine Auskunft an-uft und das Angebot erhält, weiterverbunden zu werden,oraufhin er möglicherweise noch mit einer Mehrwert-ienstnummer verbunden wird, weiß, dass er dreimal zu
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14848 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005
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Hubertus Heilzahlen hat: bei der Einwahl, bei der Weitervermittlungund bei der neuen Mehrwertdienstnummer.
Ich meine, wir können nicht zulassen, dass es an dieserStelle keine Preistransparenz gibt.Ich verlange für die 118er-Nummern keine Preis-ansagepflicht. Ich halte eine Ankündigung bei der Be-werbung dieser Dienste für ausreichend. Aber ich bin füreine Preisansagepflicht, wenn jemand weiterverbundenwird. Dies muss sich auch auf den Vermittlungsvorgangbeziehen. Ich denke, auch dafür bietet der Gesetzentwurfeine gute Grundlage.Lassen Sie uns zusammenarbeiten! Dabei sollten wirsachorientiert vorgehen, Gespräche mit den Unterneh-men und den Verbraucherschutzverbänden führen undklären, was die Regulierungsbehörde leisten kann.Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Es gehtnicht an, dass die Opposition ständig Kritik daran übt,dass die Regulierungsbehörde mehr Personal braucht,während wir als Politiker dieser Behörde immer mehrAufgaben zuordnen. Wenn wir wollen, dass Missbrauchvernünftig bekämpft wird, dann muss die Regulierungs-behörde in der Lage sein, diesen Job zu leisten.
Ich möchte keine Regulierungsbehörde um ihrerselbst willen. Ich möchte auch nicht, dass wir einenSuperregulierer schaffen, der beispielsweise zukünftigcontentreguliert. Lassen Sie uns das gemeinsam ange-hen.Aber, Frau Kopp, wenn es das nächste Mal um denHaushalt des Bundeswirtschaftsministers und um dieFrage geht, wie sich Ihre Haushälter zum Thema Kostender Regulierungsbehörde verhalten, dann werden wir ge-nau hinhören und auch die immer weiteren Forderungenhinsichtlich der Aufgaben der RegTP wie auch die Be-reitschaft berücksichtigen, sicherzustellen, dass dieRegTP ihre Aufgaben erfüllen kann.Ich möchte mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeitbedanken. Lassen Sie uns jetzt das Gesetzgebungsver-fahren beginnen, nach Lösungen suchen und das Gesetzbeschließen! Zu diesem Thema sollte auf weitere Anfra-gen verzichtet werden. Es ist Zeit zu Handeln.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
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Wir müssen uns aber heute – unabhängig von allenanderen Überlegungen – auch um die haushaltsmäßigeGrundlage, also das ERP-Wirtschaftsplangesetz, küm-mern. Der Wirtschaftsplan 2005 sieht wie der nun gel-tende ein Fördervolumen von rund 4 Milliarden Eurovor. Er ist wiederum darauf ausgerichtet, die Unterneh-men in ihrer deutlich schwieriger gewordenen Finanzie-rungssituation zu unterstützen. Die richtigen Instrumentedafür sind im Wirtschaftsplan angelegt.Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei den Kolle-ginnen und Kollegen des ERP-Unterausschusses bedan-ken. Wir haben immer in einer offenen und konstruktiv-kritischen Weise diskutiert. Es ist uns über die Fraktions-grenzen hinweg – nicht immer in jedem Detail, aberdoch weitgehend – gelungen, bei den Zielen und Instru-menten Einigkeit zu erzielen, wie dies selten im Deut-schen Bundestag ist.INuEjmsFPtlwAzSFndwGCHFJsvdmedcDnacnswFtiJeDsht
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Das ERP-Sondervermögen geht auf die Zeit nachdem Krieg zurück. Sie wissen, dass uns die Amerikanerdamals in erheblichem Umfang Kredite für den Wieder-aufbau Westdeutschlands gewährt und vertraglich aufdie Rückflüsse verzichtet haben. Sie haben unszugestanden, diese Mittel zu sammeln – das ist das Son-dervermögen – und daraus Wirtschaftsförderung zu be-treiben. Es ist ein stattliches Vermögen zusammenge-kommen: 12,7 Milliarden Euro.In diesem Vertrag aus dem Jahr 1949 sind zweiGrundsätze festgelegt worden. Der erste Grundsatz istdas Substanzerhaltungsgebot; es dürfen also nur dieErträge verwendet werden. Es geht hier nicht um einenominelle Erhaltung des Vermögens, sondern um eineeffektive. Das haben wir bis heute durchgehalten. DerErste, der das nicht durchhalten wird, wird wie in vielenanderen Bereichen auch hier Hans Eichel sein. Auch indieser Hinsicht wird er als sehr traurige Gestalt in dieGeschichte eingehen.
Der zweite Grundsatz ist die parlamentarische Kon-trolle. In dem Vertrag heißt es, dass jedes Jahr ein Wirt-schaftsplan vom Bundestag zu verabschieden ist. Esmuss also eine ordnungsgemäße parlamentarische Bera-tung geben. Auch darauf hat Hans Eichel einen An-schlag vor. Wir kennen noch nicht alle Vorschläge; wirwerden darüber in Ruhe im Unterausschuss diskutieren.Zurzeit aber sieht es so aus, als wollte der Finanzminis-ter dem Sondervermögen nicht nur 2 Milliarden Euroentnehmen – diese Mittel wären dann endgültig weg –,sondern die verbleibenden Mittel der KfW geben.Wenn diese Mittel dort Eigenkapital werden sollen– ich komme darauf zu sprechen –, dann wäre das dasEnde der parlamentarischen Mitwirkung. Die KfW hatausgerechnet, dass sie mit 2 Milliarden Euro weniger ge-nauso viel Wirtschaftsförderung betreiben kann, wenndiese Mittel echtes Eigenkapital werden. Wenn es aberso kommt, Frau Kollegin, dann – ich wiederhole – istunsere Mitwirkung beendet. Deshalb sage ich: Dazu darfes nicht kommen.Unser Unterausschuss hat eine Anhörung durchge-führt. In dieser Anhörung hat niemand, weder die Kre-ditinstitute noch der Bundesrechnungshof noch die Wirt-schaftsverbände, die Pläne der Bundesregierung begrüßt,
weil sich alle darüber im Klaren sind, dass das ERP-Son-dervermögen das wichtigste Förderungsinstrumentariumdes Bundes für den Mittelstand ist. Mit diesem Vermö-gen sollte man nicht so leichtfertig umgehen.wledadssddbdW2hWEulnFHdwruqzgMjgkW1)
Nun weiß ich natürlich, dass die Kollegen im Unter-usschuss – sie geben mir immer Recht, wenn ich mitiesen Thesen komme – aus Solidarität nachher wahr-cheinlich verkehrt abstimmen werden. Das werden wiricherlich nicht verhindern können. Wir können nur anie Bundesregierung appellieren, einen Weg zu finden,er sicherstellt, dass die parlamentarische Mitwirkungei der geplanten Übertragung erhalten bleibt.
Wenn es hier eine vernünftige Lösung gibt, dann wer-en wir uns ihr nicht verschließen.
ir werden aber mit Sicherheit ablehnen, dassMilliarden Euro zur allgemeinen Haushaltsdeckungerangezogen werden. Deshalb enthalten wir uns heute.ir wollen das Signal setzen: Finger weg vomRP-Sondervermögen! Wir brauchen dieses Vermögenngeschmälert für die Mittelstandsförderung in Deutsch-and.
Der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grü-
en, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp,
DP.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen!err Kollege Bernhardt, wir sind uns im Plenum und inen Ausschüssen einig – das ist wirklich selten –, dassir das ERP-Sondervermögen für die Wirtschaftsförde-ung erhalten wollen. Wenn man bedenkt, wie schwierignsere Wirtschaftslage und wie hoch die Arbeitslosen-uote seit vielen Jahren ist, dann sollte man umso mehru schätzen wissen, wenn der Wert dieses Sondervermö-ens erhalten bleibt.
Auch deshalb ist es bisher – jedenfalls solange ichitglied dieses Unterausschusses bin – Usus gewesen,edes Jahr, wenn es um das ERP-Wirtschaftsplangesetzing, Einigkeit im Abstimmungsverhalten zu zeigen. Ichann für die FDP-Bundestagsfraktion auch heute sagen:ir Liberalen wollen ebenfalls ein Zeichen setzen, undAnlage 4
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Gudrun Koppzwar gegen die Hilflosigkeit, die wir gegenüber demempfinden, was hinter den Kulissen in den Ministeriengeplant ist, nämlich das ERP-Sondervermögen Schrittfür Schritt als Steinbruch zu missbrauchen, um Haus-haltslöcher zulasten der Wirtschaft zu füllen. DieFDP-Bundestagsfraktion wird sich daher der Stimmeenthalten, um auch auf diese Art und Weise ihren Protestkundzutun.Ich weiß, dass die Kollegen aller Fraktionen, auch desBündnisses 90/Die Grünen und der SPD, im Grunde ge-nommen der Meinung sind, dass wir das nicht zulassendürfen. Insofern wird sich die Frage stellen, ob Sie beider Abstimmung Ihrer Überzeugung folgen werden. Ver-mutlich nicht; das ist eben so. Aber es ist wirklich einesehr schwierige Lage.Wir haben einen Bericht des Bundesrechnungshofseingefordert. Der Bundesrechnungshof hat uns zu allenPunkten eine klare Auskunft gegeben. Er hat uns aufge-tragen, dass dann, wenn 2 Milliarden Euro herausgelöstwerden sollen, die US-amerikanische Regierung zu be-fragen bzw. zu beteiligen ist. Uns ist gesagt worden, dassdieses Prozedere in etwa ein Jahr in Anspruch nehmenwird. Das heißt, dieser Prozess des Vermögensabbauswird sich nur allmählich vollziehen können. Gleichwohlwird diese böse Entwicklung auf uns zukommen.Ich sehe die Frontlinie eher woanders, Herr KollegeBernhardt. Ich sehe sie in erster Linie zwischen denbeiden Ministern verlaufen, nämlich zwischen Bundes-wirtschaftsminister Clement und BundesfinanzministerEichel. Wir haben uns natürlich gefragt: Wie kann derWirtschaftsminister im Wissen um die Daten und Faktenam Markt und darum, wie wichtig dieses Sondervermö-gen für die Wirtschaft ist, zustimmen? Wie kann er daszulassen? Die einzige Erklärung, die jedenfalls ich dafürhabe, ist: Minister Clement ist dazu vergattert worden,Einsparungen zu realisieren, und hat gesagt: Okay, danngebe ich hier klein bei und lasse es zu, dass die 2 Milliar-den Euro quasi entzogen werden.Man muss einmal sehen, welche Folgen es habenwird, wenn das Parlament nicht mehr beteiligt wird. DasVermögen soll verringert werden. Es wird gesagt, dieKfW könne bessere Renditen erzielen, effizienter wirt-schaften. Wenn das so ist, dann – auch das haben wir imUnterausschuss gesagt – müsste es doch eigentlich zurAusschreibung dieser Leistungen kommen. Man müssteeinmal in Erfahrung bringen, ob eine andere Bank nichtnoch ganz andere Effizienzgewinne erwirtschaftenkönnte als die bundesnahe KfW.
Die Argumentationslinie ist also alles andere als logisch.Ich vermute, dass zweierlei geschehen wird. Die2 Milliarden Euro werden abfließen; dafür wird es indiesem Hause leider eine Mehrheit geben. Es wird ir-gendein Hilfskonstrukt geschaffen, bei dem das Parla-ment in irgendeiner Weise beteiligt wird. Was derzeitstattfindet, nämlich die jährliche intensive Beratung ei-nes Wirtschaftsplangesetzes, wird es so nicht mehr ge-ben. Das können wir uns, finde ich, nicht leisten.SLuWdHsÜlunmwssTmcSsrfisvdrDFrDvzhnmbwbü
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines ERP-Wirt-
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Für mich sind bei der Diskussion auf diesem Feldnoch viele Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel hat dasSammelsystem, das wir derzeit in der Bundesrepublikhaben, in der Bevölkerung eine sehr hohe Akzeptanz.95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sammeln ge-trennt. Die Bürgerinnen und Bürger identifizieren sichmit diesem System. Für sie ist das praktizierter Umwelt-schutz vor der Haustür. Hier stelle ich mir schon dieFrage: Können wir das einfach leichtfertig aufs Spiel set-zen?Auch ist völlig ungeklärt, ob das neue System, daseingeführt werden soll, den bisher hohen Standard imUmweltschutz, wie wir ihn durch die Getrenntsammlungerreicht haben, weiterhin gewährleisten wird. Für michstellt sich auch die Frage: Ist ein solch neues Systemwirtschaftlich? Die wohl wichtigste Frage ist: Ist über-haupt die Technik schon so weit, dass wir eine solchekomplette Systemumstellung vornehmen können? Ist sieschon so weit, dass das System großflächig eingeführtwerden kann?Eine weitere Frage: Können die heute in dieser Bran-che tätigen mittelständischen Unternehmen eine sol-che technische Umstellung überhaupt realisieren? Oderleiten wir hiermit durch die Hintertür einen elegantenWechsel in der Unternehmensstruktur ein? Eine äußerstwichtige Frage ist auch: Was bedeutet eine Systemum-stellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher?Werden sie eine Gebührensenkung erleben oder nichtdoch eher eine Gebührenerhöhung?Diese Reihe von Fragen ließe sich noch beliebig langfortsetzen. Um fundierte Antworten zu erhalten, habenwir im Umweltausschuss eine Expertenanhörung durch-geführt, in der wir auch diese Fragen gestellt haben. Fürmich war das Ergebnis dieser Anhörung, dass die An-tragsteller mit ihrem Anliegen gescheitert sind; die Ant-worten fielen in meinen Augen niederschmetternd aus.
Wir können heute in keiner Weise von einem System-wechsel in der Abfallsammlung und Abfallentsorgungsprechen. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Einsolcher Systemwechsel ist in meinen Augen noch nichteinmal spruchreif. Zum einen sind die Pilotversuche ge-rade erst abgeschlossen und die Auswertung liegt uns imDetail noch gar nicht vor. Zum anderen wurde in der An-hörung deutlich, dass wir es bei diesen Pilotversuchendoch eher mit Ergebnissen unter laborähnlichen Bedin-gungen zu tun haben. Sie haben im kleinteiligen Raumstattgefunden. Auf den Fließbändern spiegelte sich dasAbfallverhalten auf dem flachen Land wider. Leichtver-packungen und Restmüll sind erst in der SortieranlagegkcSAHrssVsDeareetevzmdteteWvdtiusbCIVStUmNgTnnzs
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– Lesen Sie einmal Ihren Antrag und hören Sie zu! Ichwill Ihnen, unserem zukünftigen Koalitionspartner, abernicht zu nahe treten.
Es wäre aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab-solut verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt das System derGetrennterfassung aufzugeben.Auch in der Sachverständigenanhörung im Umwelt-ausschuss am 1. Dezember wurde deutlich, dass in dennächsten Jahren auf die Trennung des Hausmülls inDeutschland nicht verzichtet werden kann. Nach wie vorgibt es zu viele offene, ungelöste Fragen. Zu dem Ergeb-nis kam die Mehrheit der Sachverständigen in ihren Stel-lungnahmen.Sollte das Getrennterfassungssystem in naher Zukunftumgestellt werden, wäre dies kaum wieder rückgängigzu machen, falls die Umstellung nicht funktionierenwürde.Zwar wurden schon Pilotprojekte durchgeführt, in de-nen Restmüll und Verpackungsabfälle gemeinsam ge-sammelt und anschließend maschinell getrennt wurden.Diese Versuche sind bislang jedoch nur als so genannteTestversuche mit geringen Mengen und unter Labor-bedingungen durchgeführt worden. Erforderlich sindunseres Erachtens jedoch Langzeitversuche unter Praxis-bedingungen. Auf der Grundlage des derzeitigen Kennt-nisstandes wäre es einfach unverantwortlich, aus diesenVersuchen Rückschlüsse auf die technische Machbarkeitzu ziehen.Die für die Müllentsorgung zuständigen kommunalenGebietskörperschaften wären in erster Linie von einerUmstellung auf gemeinsame Sammlungen von Abfällenbetroffen. Die Landkreise und kreisfreien Städte müsstenihre gesamten bisher bewährten Systeme der Müllentsor-gung umstellen. Für die öffentlich-rechtlichen Entsor-gungsträger würde sich eine Umstellung mehr alsschwierig gestalten; denn die meisten sind an langfris-tige Verträge mit den Abfallentsorgungsunternehmen ge-bunden. Aus diesen Verträgen können sie nicht vonheute auf morgen aussteigen.Die kommunalen Spitzenverbände kritisieren vor al-lem, dass sich die Hersteller künftig aus ihrer Produkt-verantwortung stehlen könnten.bddzkAebhAtbtKhgSvmdU45cgdbgWwMAsaEidIp
llein darum geht es zunächst.Wir als CDU/CSU-Fraktion sind offen für alle techni-chen Entwicklungen. Sie werden mich als jemand, derus dem technischen Umfeld kommt, doch nicht amnde noch der Technikfeindlichkeit bezichtigen. Ganzm Gegenteil.Ich komme in meiner Rede – vielleicht hören Sieann noch zu – nachher noch zu diesem Punkt und sagehnen dann, dass wir den Umstieg zum jetzigen Zeit-unkt für verfrüht halten. Einen Tag nach der Anhörung
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Werner Wittlichim Umweltausschuss im Dezember letzten Jahres standin der „FAZ“ oder in der „Süddeutschen Zeitung“
– Herr Schmidt, Sie sind doch gerade erst gekommen;dann können Sie doch noch ein bisschen länger hier blei-ben – ein Artikel mit der Überschrift „Zeit der Getrennt-sammlung vorbei“. Dieser ist populistisch aufgemachtworden.Uns geht es darum, dem Bürger nicht den Eindruck zuvermitteln, man könne zum jetzigen Zeitpunkt alles ineine Tonne stecken und das würde am Ende noch billigerwerden. Das ist der eigentliche Punkt, um den es geht.Ansonsten sind wir gar nicht weit auseinander.
Wenn wir eine Lösung hätten, die insgesamt günstigerwäre, den Umweltinteressen entgegenkäme, die wirt-schaftlich wäre und den Bürger entlasten würde, würdenwir hier eine einvernehmliche Lösung finden.
Ich habe vorhin gesagt, dass der Anreiz zur gezieltenRückgabe von Abfällen entfallen würde, wenn man denMüll zusammenschütten würde. Nach Einschätzung desStädte- und Gemeindebundes besteht aus Sicht des Bür-gers kein Anlass, vom bisherigen System abzugehen.Die Aufhebung der getrennten Abfallerfassung wird ent-gegen den Versprechen, die Kosten zu reduzieren, eherKostensteigerungen zur Folge haben.Abfälle sollten also auch weiterhin getrennt gesam-melt werden. Das bisherige System kann noch im Hin-blick auf die Kosten verbessert werden. VorhandenePotenziale sollten ausgeschöpft und an den Bürger inForm von sinkenden Müllgebühren weitergegeben wer-den, sofern das möglich ist.Eines ist klar: Steigende Müllgebühren sind in diesemZusammenhang für die Union nicht akzeptabel.
Aber nach allen Erkenntnissen ist durch die Müllsamm-lung in einer Tonne eine Gebührenerhöhung vorpro-grammiert. Zudem würde eine Aufhebung der Mülltren-nung es schwierig machen, ein verursachergerechtesGebührensystem umzusetzen. Ein Anreiz zur Müllver-meidung wäre kaum noch gegeben.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürchtet, dassdie Bürger mit sehr widersprüchlichen Signalen kon-frontiert würden. Einerseits diskutieren wir über die ge-meinsame Erfassung und Sortierung von Rest- und Ver-packungsabfällen, auf der anderen Seite weiten eineVielzahl von Regelungen, wie zum Beispiel die Batterie-verordnung, die Gewerbeabfallverordnung, die Altholz-verordnung oder das Elektronikgerätegesetz, die Ge-trenntsammlung auf weitere Abfallanteile aus. Papier,Glas und vor allem Bioabfall müssten auch in ZukunftgdtdatddmInffdeDdidModDhfdkökChDsHtFwgnsdnbRB–
Sie hört nicht einmal zu; das muss auch ich feststellen.
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Werner Wittlich
Weil diese Sitzung so gut besucht ist, habe ich schonüberlegt, nachher schnell zu meinem Platz zu laufen, ummir selbst Beifall zu klatschen, damit das wenigstens imProtokoll vermerkt ist.
Die CDU/CSU-Fraktion – Herr Kauch, jetzt werdenwir wieder versönlich – stellt die Berechtigung des FDP-Antrages überhaupt nicht in Abrede. Für die CDU/CSU-Fraktion ist das Modell „Alles in eine Tonne“ nach demgegenwärtigen Kenntnisstand noch Zukunftsmusik. Dasheißt aber nicht, dass die Bundestagsfraktion der CDU/CSU vor dem technischen Fortschritt und der Weiterent-wicklung in der Abfallwirtschaft die Augen verschließenwürde.Wer die Abfallwirtschaft vor allem in den 90er-Jahrenverfolgt hat, kann feststellen, welch tief greifende Ver-änderungen es seitdem auf diesem Gebiet in Deutsch-land gegeben hat. Standen noch vor zehn bis 15 JahrenMülldeponien im Mittelpunkt der Abfallentsorgung, sosind heute überwiegend Maßnahmen zur Verwertung derAbfälle das Maß der Dinge. Zum jetzigen Zeitpunktwäre die Aufhebung der Mülltrennung in technischer,ökonomischer und ökologischer Hinsicht mit einem zugroßen Risiko behaftet.
Daher lehnt die CDU/CSU-Fraktion Ihren Antrag ab.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Antje Vogel-Sperl,Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu-nächst möchte ich auf das Argument eingehen, das von-seiten der Wirtschaft und der Opposition immer wiedergern und immer wieder zu Unrecht angeführt wird: dassinnovative Umweltpolitik wirtschaftliches Wachstumbremsen würde. Nun gibt es aber in der Tat einen Be-reich, in dem dies der Fall ist – und zwar politisch ge-wollt –, den Abfallbereich, das heißt das Aufkommenvon Abfall. Es ist nicht zuletzt ein Verdienst unserer er-folgreichen Umweltpolitik – ich nenne an dieser Stellenur das Stichwort Dosenpfand –, dass Abfälle zum einenmehr und mehr vermieden werden und dass zum anderendie Menge des Gutes, um das es geht, des Abfalls, ten-denziell zurückgeht.mEAwvGHdewfhnVd–öVvaömdhmlsUsadsddgeEvwgzgRtzwsR
enn der Wegfall eines Sammelgefäßes hätte natürlichine Verschiebung von Abfallströmen zur Folge. Diesiederum hätte spürbare wirtschaftliche Auswirkungenür die Beteiligten in der Entsorgungsbranche und des-alb werden neue technologische Verfahren derzeit – jeachdem, ob man zu den potenziellen Gewinnern odererlierern zählt – entweder generell verteufelt oder inen Himmel gehoben.Das Ziel von uns Grünen ist es, dafür zu sorgen, dass ungeachtet jeglicher Verteilungskämpfe – jeweils daskologisch sinnvollere Verfahren zum Einsatz kommt.or diesem Hintergrund sind wir für neue, ökologischorteilhafte Techniken offen. Aber – und das sage ich inller Deutlichkeit – wir prüfen sehr genau, wo sich auskologischer Sicht Vorteile ergeben und wo nicht. Ichöchte darauf hinweisen, dass der Umgang mit Abfall,as selbstverständliche Trennen und der Anspruch einerochwertigen Verwertung nach wie vor als zentrale Ele-ente des praktizierten Umweltschutzes in Deutsch-and gelten.
Wir haben uns im parlamentarischen Verfahren ein-chließlich der durchaus interessanten Anhörung immweltausschuss zum Thema Getrenntsammlung inten-iv mit dem Antrag der FDP auseinander gesetzt. Auchus unserer Sicht möchte ich die wichtigsten Ergebnisseer Anhörung kurz vorstellen.Erstens. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe unter-chiedlicher Versuche unterschiedlicher Auftraggeber,as heißt Modellprojekte, nicht zuletzt ausgelöst durchie von der RWE Umwelt durchgeführten Untersuchun-en zur Getrenntsammlung. Aber bislang – das ist derntscheidende Punkt – liegen noch keine vollständigenrgebnisse der Untersuchungen vor; das wurde schonon verschiedenen Seiten gesagt.Erste Ergebnisse der in NRW durchgeführten Studieerden am kommenden Montag vorgestellt. Diese Er-ebnisse werden wir mit Interesse verfolgen. Zu den der-eit untersuchten Verfahren gehört neben der genanntenemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen undestmüll unter anderem auch die zu einer so genanntenrockenen Wertstofftonne geadelte gelbe Tonne, die so-usagen als Gegenprogramm zur Zebratonne initiierturde.Das zweite Ergebnis der Anhörung war: Die techni-che Machbarkeit einer gemeinsamen Erfassung vonestmüll und Leichtverpackungen wurde grundsätz-
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Dr. Antje Vogel-Sperllich von keinem Sachverständigen bestritten. Gleichzei-tig hat sich aber auch ganz klar herausgestellt: Eine Ze-bratonne wird weder per se ökologisch besser nochkostengünstiger als das bisherige Verfahren sein.
Sondern es wird stark von regionalen Gegebenheiten ab-hängen, wie das Ergebnis im Einzelfall ausfällt. In Bal-lungszentren ist es durchaus eine sinnvolle Option, aberin ländlichen Räumen macht das Festhalten an der Ge-trenntsammlung von grauem und gelbem Müll aufgrundder geringen Anzahl von Fehlwürfen selbstverständlichSinn. Und diese differenzierte Betrachtung, meine Da-men und Herren, fehlt in dem Antrag der FDP völlig.
Und daraus folgt ganz klar: Jetzt pauschal das Ende derGetrenntsammlung von Restmüll und LVP zu verkündenund zu behaupten, das derzeitige System sei technischüberholt, uneffektiv und zu teuer, ist sachlich schlichtund einfach nicht haltbar und zu kurz gedacht.Ein drittes Ergebnis der Anhörung war auch: Es gibtderzeit keine Notwendigkeit für gesetzliche Veränderun-gen, da das bestehende Abfallrecht die Möglichkeit zurgemeinsamen Erfassung von Restmüll und Leichtver-packungen durchaus zulässt.Zum Schluss möchte ich eines klarstellen: Es geht indieser Debatte ausschließlich um die gemeinsame Erfas-sung von Leichtverpackungen und Restmüll – und nichtum die Getrennterfassungssysteme für Papier, Glas oderdie Biotonne.Tatsache ist: Die gemeinsame Erfassung mit anschlie-ßender Sortierung ist durchaus ein viel versprechenderAnsatz, zum einen bei Berücksichtigung regionaler Un-terschiede und zum anderen vor dem Hintergrund desZiels einer abfallfreien Kreislaufwirtschaft für Sied-lungsabfälle nach 2020. Tatsache ist aber auch, dass Er-gebnisse aus den zuvor genannten Untersuchungen größ-tenteils noch nicht vorliegen. Deshalb sage ich nocheinmal in aller Deutlichkeit an die Adresse der FDP: IhrAntrag ist einseitig, pauschal und eindeutig verfrüht.Deswegen lehnen wir ihn ab.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!„Die Getrenntsammlung ist in Deutschland ein Kultur-gut“, erklärte der Sachverständige Pretz, benannt von derSPD-Bundestagsfraktion. Das macht das Problem deut-lich: Für uns ist das nicht ein Kulturgut, sondern es istschlicht und ergreifend eine praktische Frage, ob Müll-tswdbvTRstMhtTgsfAgDtnvlzimtudnMaktaddN
as widerlegt, was vorhin behauptet wurde: Wir woll-en, dass alles in eine Tonne kommt. Das wollen wiricht. Wir wollen allerdings durch Zusammenlegungon zwei Abfallarten erreichen, dass die Haushalte ent-astet werden, und zwar erstens bei der Sortierung undweitens finanziell. Wenn das geht, dann sollte man das Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher auchn.
Die Kollegin Bierwirth sprach von einem Desaster iner Anhörung, weil diese ganzen Verfahren technischicht ausgereift seien.
eine Damen und Herren, die Sie hier sitzen, wenn voncht geladenen Sachverständigen sechs ausdrücklich er-lären, dass eine getrennte Sammlung für eine hochwer-ige Verwertung nicht mehr notwendig ist, dass so etwaslso technisch machbar ist – sechs von acht Sachverstän-igen! –,
ann heißt das doch wohl, dass es technisch möglich ist.ichts anderes behauptet die FDP.
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Birgit HomburgerDie Mülltrennung ist technisch überholt und zu teuer.Allein die Tatsache, dass sie ein Element des prakti-zierten Umweltschutzes ist, ist kein Grund, sie aufrecht-zuerhalten. Wir betreiben eine praktische und keineideologische Politik. Das ist der Unterschied an dieserStelle.
Bei der Mülltrennung auf automatisierten Anlagenkönnen sogar mehr Wertstoffe und Verpackungsmateria-lien verwertet werden als bei der getrennten Sammlungüber das DSD. Auch das hat die Sachverständigenanhö-rung klar, eindeutig und zweifelsfrei ergeben. Alle Sach-verständigen haben gesagt: Ja, aufgrund der Qualitätdessen, was wir dort herausholen, ist es möglich, dashinterher zu verwerten.Als letzten Punkt spreche ich die Kosten an. Wir wol-len den Grünen Punkt in keiner Weise abschaffen. Dasheißt, es wird keine Kostensteigerungen geben.
Frau Kollegin, den letzten Punkt sprechen Sie bitte
nur kurz und knapp an.
Gerne, Frau Präsidentin. – Ich sage Ihnen klar und
deutlich: Der von den Grünen benannte Sachverstän-
dige, Herr Kerres, hat erklärt, wir könnten 5 bis
10 Prozent der Kosten einsparen. Wir wollen, dass das,
was möglich ist, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger
auch getan wird. Sie werden den Fortschritt nicht aufhal-
ten können.
Sie werden heute noch dagegen stimmen. Am Montag
wird Frau Höhn die Ergebnisse vorstellen und positiv
bewerten. In einigen Jahren werden Sie feststellen, dass
in den Kreisen genau das getan wird, was die FDP vor-
hergesagt hat. Dafür werden wir im Sinne der Bürgerin-
nen und Bürger weiter kämpfen.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4786 zu dem
Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Mülltren-
nung vereinfachen – Haushalte entlasten“. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/2193
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/
Die Grünen und CDU/CSU bei Gegenstimmen der FDP
angenommen.
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und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur
Neuordnung des Gentechnikrechts
– Drucksache 15/4834 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Helmut
Heiderich, Peter H. Carstensen ,
Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervoll-
ständigen
– Drucksache 15/4828 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich er-
ffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Elvira
robinski-Weiß, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem dasrste Gentechnikneuordnungsgesetz Anfang des Jahresn Kraft getreten ist, beraten wir heute unseren Entwurfines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentech-ikrechts sowie einen Antrag der CDU/CSU mit dem Ti-el „Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständi-en“.Mit unserem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Gen-echnikrechts kommen wir unserer Verpflichtung nach,ie EU-Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umzu-etzen. Der heute eingebrachte Entwurf des Zweiten Ge-etzes enthält im Wesentlichen Verfahrenserleichterun-en und Verfahrensbeschleunigungen für gentechnischerbeiten. Ich nenne hier einige Beispiele:Für erste gentechnische Arbeiten in der Sicher-eitsstufe 1 und weitere gentechnische Arbeiten in dericherheitsstufe 2 ist anstatt einer Anmeldung nur nochine Anzeige der gentechnischen Arbeit vorgesehen. Daseißt konkret, dass der Betreiber sofort nach Eingang dernzeige bei der Behörde und nicht wie bisher erst0 Tage nach dem Eingang der Anmeldung bei der Be-örde mit der gentechnischen Arbeit beginnen kann.
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Elvira Drobinski-WeißEine Vereinfachung ist auch, dass bestimmte Mikroorga-nismen aus dem Anwendungsbereich des Gentechnikge-setzes herausgenommen werden können, ohne dass fürden Umgang mit solchen Organismen eine Melde- undRegisterführungspflicht besteht.Das müsste doch voll in Ihrem Sinne sein, meine Da-men und Herren von der CDU/CSU; denn damit werdenwir das Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollstän-digen. Dazu erwarten wir allerdings Ihre Unterstützung;denn uns einerseits dafür zu kritisieren, dass wir mit derUmsetzung in Verzug sind, und andererseits die Umset-zung zu blockieren, halte ich für unredlich.
Sie werfen uns in Ihrem Antrag vor – ich zitiere –,„aus rein politischen Gründen“ das Gesetz in zwei Teilegespalten zu haben. Uns aber ging es darum, schnellst-möglich Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaf-fen.
Eine rein taktische Blockade des Gesetzes durch dieCDU/CSU-regierten Länder mit ihrer Mehrheit im Bun-desrat drohte dies zu verhindern. Das war der Grund fürdie Teilung.So ist der erste Teil des Gentechnikneuordnungsgeset-zes bereits in Kraft getreten. Wir gehören gemeinsammit den Dänen und den Österreichern zu den Ersten, beidenen Koexistenzregelungen geltendes Recht sind. Dassind Regelungen, um die wir in anderen EU-Ländern be-neidet werden. Letzte Woche hörte ich im Deutschland-funk in einem Beitrag über die Koexistenzregelungen inden Niederlanden davon, wie ein Biobauer davonträumte, in einem Land wie Deutschland zu leben.
Er sagte – ich zitiere –: Da ist das alles sehr viel bessergeregelt als bei uns. Wirklich wahr, ich wollte, ich wäreein deutscher Biobauer. Der hat es sehr viel leichter alswir hier in Holland.Wie groß auch in anderen EU-Ländern das Interesseist, neben dem Gentechnikanbau auch den Fortbestandeiner gentechnikfreien Landwirtschaft zu gewährleisten,zeigt das immer größer werdende Netzwerk gentechnik-freier Regionen in der EU. In Italien beispielsweise ha-ben sich von 20 Regionen 14 für gentechnikfrei erklärt.Rund 50 gentechnikfreie Regionen – mit steigender Ten-denz – sind es in Deutschland. Bis auf Sachsen, Thürin-gen und das Saarland gibt es sie in allen Bundesländern.Anlässlich der Grünen Woche hat EU-Agrarkommis-sarin Fischer Boel zum Nebeneinander von gentechnik-freier und gentechnikanwendender Landwirtschaft er-klärt: Wenn sich die Pflanzen erst einmal mischen, dannbekommt man sie nie wieder auseinander. – Auch des-halb war Eile geboten. Das hat sie mehrfach erklärt unddas haben auch die Kolleginnen und Kollegen von derOpposition gehört.dFDwmlaMNaRwARzoucwWrWmmsfnChKwtAmv
ber noch ist unklar, ob und wann es zu einem solchenegelwerk kommen könnte. Deshalb müssen wir nunügig auch den zweiten Teil unseres Gesetzes zur Neu-rdnung des Gentechnikrechts auf den Weg bringen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sindns einig, dass wir dieses Gesetz schnellstmöglich brau-hen. Mir scheint, wir sind in der Zielrichtung gar nichteit auseinander.
ir wollen durch den vorliegenden Entwurf mit Verfah-ensvereinfachungen bei gentechnischen Arbeiten dieettbewerbsfähigkeit stärken. Damit diese Vorteileöglichst bald genutzt werden können, bitte ich Sie,eine Damen und Herren von der Opposition: Unter-tützen Sie unseren Gesetzentwurf und setzen Sie sichür ein zügiges Gesetzgebungsverfahren auf allen Ebe-en ein!Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es sindeute exakt 14 Tage, seit das neue Gentechnikgesetz inraft getreten ist, und schon kommen Sie mit dem Ent-urf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gen-echnikrechts.
llein diese kurzfristigen Versuche des Nachbessernsachen schon deutlich, welch einseitige Position Sieertreten
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Helmut Heiderichund dass Sie unablässig bemüht sind, der Gentechnik inDeutschland ein negatives Image anzuhängen.Ich will vorab feststellen: Die ständige Verunsiche-rung der Verbraucher und der Bürger ist Ihnen offen-sichtlich wichtiger, als eine wettbewerbsfähige PositionDeutschlands in einer anerkannten Zukunftstechnologiezu schaffen.
Es ist höchste Zeit, dass Sie hier und heute öffentlichfeststellen, dass von der Gentechnik weder Gefahren fürdie Gesundheit der Bürger ausgehen noch Beeinträchti-gungen der Umwelt entstehen und dass deren Produkte,ob das nun Futtermittel, Arzneimittel oder Lebensmittelsind, genauso sicher sind wie die bisherigen.Ihr ständiges unbegründetes Risikogerede ist letztlich,wenn Sie das einmal durchdenken, nichts anderes als einAffront gegen die Wissenschaft und gegen die eigenenZulassungsbehörden.
Sie machen den Menschen Angst, statt sie sachlich zu in-formieren. Anschließend nutzen Sie die Verunsicherungund sagen – das haben wir hier schon x-mal gehört –, so-undso viel Prozent der Bevölkerung wollten keine Gen-technik, um damit wiederum Ihre eigene Verhinderungs-politik zu begründen. Das ist keine Innovationspolitik fürDeutschland. Da müssen wir zu anderen Regeln kom-men.
Sagen Sie doch unseren Bürgern endlich einmal, wieumfassend die wissenschaftlichen Kontrollen sind unddass schon allein das deutsche Lebensmittelgesetz jedesneue Produkt verbietet, das irgendein Risiko für denMenschen wäre, ganz abgesehen davon – ich bitte Sie,sich das einmal anzusehen –, dass heute umfangreichePrüfungen von der neuen europäischen Behörde EFSAvorgenommen werden müssen, ehe überhaupt ein Pro-dukt für den Markt freigegeben werden darf.Hören Sie also endlich auf mit Ihren Ablenkungsma-növern. Sie bemühen schon heute Länder wie Kanada,Argentinien und andere für Ihre Argumente. Sorgen Siedoch endlich dafür, dass in unserem Lande die Voraus-setzungen geschaffen werden,
dass solche Pflanzen auf deutschen Feldern wachsenkönnen, dass deutsche Wissenschaftler diese begutach-ten können und dass wir deren Ergebnisse in die Gesetzeund Verordnungen aufnehmen können, damit wir wett-bewerbsfähig bleiben bzw. werden. Wir wollen nichtständig Ihre Verhinderungstaktik hinnehmen.
Es ist doch ganz offensichtlich, dass Sie hier im Deut-schen Bundestag und in Deutschland ständig negativüber Gentechnik reden, Frau Künast aber dann, wenn esabhsag–PFfbvsStecssPaganslsHszbWdtPSWnen
Ich kann Ihnen gerne noch weitere solche sachlichenunkte vortragen, Herr Kollege.
Die Ministerin greift auch persönlich in die deutscheorschung ein. Sie hat durch direkten persönlichen Ein-luss – das werden Sie hoffentlich nicht vergessen ha-en – die Forschung in Pillnitz und in Quedlinburg imergangenen Jahr verboten, obwohl alle Fachleute ge-agt haben, dass die Forschung, die dort geleistet wird,pitzenniveau hat. Frau Künast hat persönlich verbo-n, dass wir solche Erfahrungen in Deutschland ma-hen dürfen.
Auch an anderen Standorten werden die Wissen-chaftler zunehmend behindert. Ich will Ihnen zwei Bei-piele nennen. Die Forschungen im Rahmen des Napus-rojektes – das sind Forschungen an Rapspflanzen undnderen Ölpflanzen – haben zu weltweit beachteten Er-ebnissen geführt. Jetzt lässt das BMBF dieses Projektuslaufen, ohne entsprechende Anschlussprojekte zu fi-anzieren.Ein zweites Beispiel ist das Pflanzengenomfor-chungsprojekt GABI, das vom Bundeskanzler persön-ich vor Jahren in höchsten Tönen gelobt wurde. Inzwi-chen haben Sie die Mittel für dieses Projekt auf dieälfte zusammengestrichen. Das sind konkrete Bei-piele für Ihren Versuch, die Gentechnik in Deutschlandurückzufahren und die Forscher um ihre Chancen zuringen.Lassen Sie mich noch ein drittes Beispiel anführen.ährend Sie in der Forschung – wie eben beschrieben –en Geldhahn zudrehen, fördern Sie Projekte von Gen-echnikgegnern aus Steuermitteln. Das BfN fördert einrojekt des BUND, der im Internet schreibt:Der beste Weg, Probleme mit der Gentechnik zuvermeiden, ist, die Gentechnik zu vermeiden. Undhier sind gentechnikfreie Regionen die ideale Lö-sung.o macht sich die Bundesregierung zum willfährigenerkzeug der Gentechnikgegner. Statt neuer Erkennt-isse fördern Sie die Verhinderer und Blockierer. Dasben ist der falsche Weg; ihn sollten wir in Deutschlandicht beschreiten.
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Helmut HeiderichDas international anerkannte deutsche Saatzuchtun-ternehmen KWS aus Einbeck hat kürzlich mitgeteilt,dass es bei Mais auf dem internationalen Markt inzwi-schen 50 Prozent als GV-Saatgut – das heißt gentech-nisch verändertes Saatgut – verkauft. Ich frage Sie indiesem Zusammenhang: Wo, meinen Sie, ist dafür dieForschung angesiedelt? Wo, meinen Sie, befinden sichdie Felder der Saatgutvermehrer? Wo, meinen Sie, sinddie damit zusammenhängenden Arbeitsplätze entstan-den?Mit der Einstellung, die Sie gegenüber der Gentech-nik in den vergangenen Jahren vertreten haben, vertrei-ben Sie die vorhandenen Potenziale aus dem Land, statthier bei uns die bestehenden Möglichkeiten zu entwi-ckeln.Ministerin Künast hat im Übrigen – auch das ist ebenschon angesprochen worden – vor dem Bundesrat selbstdie Mängel ihres Gentechnikgesetzes schriftlich einge-standen. Sie hat in einer Sechs-Punkte-Erklärung zugesi-chert, diese Mängel umgehend abstellen zu wollen. Ichfrage Sie: Welche Aktivitäten sind bisher erfolgt, diedeutlich machen, dass diese sechs Punkte in das Gen-technikrecht eingebracht werden sollen?Frau Künast hat in der Erklärung beispielsweise festzugesagt, den Erprobungsanbau der Bundesländeraus dem vergangenen Jahr in 2005 unter Führung desBMVEL über ganz Deutschland verteilt fortzusetzen.Doch wo bleiben Ihre Verhandlungen mit den Bundes-ländern in dieser Sache? Wo ist das Programm? Wo sinddie Standorte? Wer übernimmt das begleitende Monito-ring? Nichts davon wurde bisher realisiert. Das zeigt,dass Sie an dieser Entwicklung nicht ernsthaft interes-siert sind.
Zusätzlich verzögert die Ministerin auch noch die Zu-lassung neuen Saatguts, obwohl die Prüfungen beimBundessortenamt längst positiv abgeschlossen sind undentsprechende Sorten in Spanien und Frankreich seitJahren kommerziell angebaut werden. Wohin man auchschaut, wird Ihre Verhinderungstaktik deutlich.Im zentralen Punkt der Haftungsregelungen hat Mi-nisterin Künast in ihrer Sechs-Punkte-Erklärung zugesi-chert, sich für einen Haftungsfonds oder – man höre undstaune! – eine Versicherungslösung einzusetzen. Bisherhaben wir von Ihnen immer wieder die Auskunft erhal-ten, eine Versicherungslösung sei nicht möglich. FrauKünast erklärt nun, sie wolle sich bei der Versicherungs-wirtschaft für eine Versicherungslösung einsetzen.
Wann beginnen Sie denn mit dem, was Sie angekündigthaben?
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n Holland hat man – das ist ein hervorragendes Bei-piel – alle Beteiligten, einschließlich der von Ihnen er-ähnten Ökoverbände, an einen Tisch geholt und ge-einsam eine ebenso pragmatische wie einfache Lösungefunden. Durch pflanzenspezifische Festlegung vonbstandsregeln, zu deren Einhaltung sich die Landwirteerpflichten, hat man ein Problem einvernehmlich ge-st, das Sie hier in Deutschland zu dem bekannten undon Ihnen verabschiedeten Gentechnikverhinderungsge-etz genutzt haben. Ich denke, Lösungen wie die in Hol-nd sind viel zukunftsfähiger. Solche Überlegungenollten deshalb in einem Änderungsgesetz berücksichtigterden.
as Zweite Gesetz zur Neuordnung des Gentechnik-echts bietet dafür die beste Gelegenheit.Wie weit Sie sich inzwischen mit Ihrer Einstellungon der Realität entfernt haben, zeigt ein Blick auf dasundeskabinett. So hat Wirtschaftsminister Clement vorenigen Wochen öffentlich erhebliche Vorbehalte gegenas neue Gentechnikgesetz geäußert und mit Nachdruckavor gewarnt, in der Grünen Gentechnik den Anschlussu verlieren. Wörtlich: „Eine Tabuisierung einzelnerechnologien können wir uns nicht leisten.“ Anschlie-end hat er ausdrücklich festgehalten, dass er mit Minis-rin Künast in dieser Sache nicht übereinstimme.Der Bundeskanzler selbst, Ihr Regierungschef, hatürzlich hier in Berlin festgestellt, dass es im deutschenarlament eine Zurückhaltung bezüglich aller Fragen derentechnik und deren Entwicklung gibt. Daraus hat eren Schluss gezogen, dass dies Deutschland auf denärkten der Welt schwäche sowie Forschung und Ent-icklung in Deutschland nicht befördere. Volle Überein-timmung, Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Her-en von der Regierungskoalition, es ist nun an Ihnen, denorten des Bundeskanzler zu folgen und die gesetzli-hen Regelungen entsprechend zu ändern; denn dasentechnikgesetz ist eine Vorlage Ihrer Regierung undeswegen von Ihnen neu zu fassen.Bisher ist der von Ihnen vorgelegte Entwurf einesweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechtsicht mehr als ein Placebo. Außer zwei kleinen Verfah-enserleichterungen – Frau Kollegin Drobinski-Weiß,ir, die CDU/CSU, sind übrigens schon vor drei Jahrenitiativ geworden und haben diese Erleichterungen vor-eschlagen – ist nichts Positives festzustellen. Wir dür-en nicht länger zusehen, wie deutsche Spitzenforschungn der Ignoranz einer Ministerin und ihrer Getreuen zer-richt. Wir dürfen Deutschland nicht vom Fortschritt ab-iegeln. Wir müssen dafür sorgen, dass das Zweite Ge-etz zur Neuordnung des Gentechnikrechts so gefasst
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Helmut Heiderichwird, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Län-dern in Europa auf dem wichtigen Feld dieser Zukunfts-technologie wettbewerbsfähig wird.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung desGentechnikrechts, das als Entwurf vorliegt – dem mussder Bundesrat zustimmen –, werden weitere wichtigeEU-Vorgaben umgesetzt: Vorgaben zur Unterrichtungder Öffentlichkeit oder Vorschriften darüber, welche An-gaben zur Risikobewertung oder zum Monitoringplanein Gentechnikbetreiber in seinem Zulassungsantrag ma-chen muss. Ich hoffe, dass die Ergänzungen zum bishergeltenden Gentechnikgesetz schnell verabschiedet wer-den.Es ist zu betonen, dass das rot-grüne Gentechnikge-setz die Forschung unterstützt und gleichzeitig die Men-schen vor gesundheits- oder umweltbezogenen Verstö-ßen schützt, wie sie die Opposition quasi fordert.
Denn die CDU/CSU verlangt in ihrem Antrag – genausowie die FDP – von der Bundesregierung, die EU-Kom-mission zu überreden, dafür zu sorgen, dass Auskreu-zungen aus Freisetzungsexperimenten keine Zulassungmehr brauchen und so in den Verkehr gebracht werdenkönnen, wohlgemerkt aus Experimenten, also Kon-strukte, die sich noch in der wissenschaftlichen Entwick-lung befinden.Man stelle sich einmal Folgendes vor: Eine For-schungsanstalt betreibt einen Versuchsacker mit Pharma-pflanzen und einige Gene wandern quasi auf das Nach-barfeld. Die CDU/CSU möchte nun das, was dortgefunden wird, in die Babynahrung oder auf den Tellerbringen. Das ist doch unglaublich. Seit Jahren gibt esEU-Gesetze, die genau das nicht zulassen. Das heißt, Sieverlangen von der Ministerin einen regelrechten Verstoßgegen geltendes Recht und gegen den gesunden Men-schenverstand. Gott sei Dank würde die Ministerin so et-was niemals unterstützen, genauso wenig wie wir.
Diese absurde Forderung wurde aber auch von ver-schiedenen Forschungsgesellschaften vorgebracht. Wirsind daher – ich denke, das betrifft nicht nur uns Grüne,sondern auch die SPD-Fraktion – in langen Gesprächenzum Beispiel mit Professor Winnacker jeden einzelnenParagraphen durchgegangen und haben sämtliche Vor-würfe der angeblichen Forschungsfeindlichkeit im Gen-technikgesetz widerlegt. Wenn diese Forderung nunwiederholt wird, muss es sich um eine tendenziöse Bera-thdsGsgsrSkFstsWdsluvwdrWhsgtAsGwdnMnüvdsVggnninUw
as vollkommener Unsinn ist.Rund 85 Prozent der Anbaufläche liegt in zwei Län-ern und ein einziges US-amerikanisches Unternehmen,ämlich Monsanto, verfügt über mehr als 90 Prozentarktanteil an den kommerziell angebauten gentech-isch veränderten Sorten. Das heißt umgekehrt, dass aufber 95 Prozent der Anbaufläche keine gentechnischeränderten Pflanzen wachsen.Was aber weltweit ansteigt, ist der Widerstand gegeniese Technik und damit gegen die Großkonzerne, dieich aggressiv über die Interessen der Landwirte underbraucher hinwegsetzen wollen. Denn die Erfahrun-en in der landwirtschaftlichen Praxis in den USA, aberenauso in Argentinien – damit komme ich auf dieeuen Studien, Herr Heiderich; das werde ich Ihnenicht ersparen – belegen, dass sich die Versprechungenn Bezug auf weniger Umweltgifte und höhere Erträgeicht realisiert haben. Nach zahlreichen Studien in denSA mussten bei GVO-Mais und GVO-Raps nicht etwaeniger Pestizide, sondern im schlechtesten Fall mehr
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Ulrike HöfkenPestizide eingesetzt werden als bei konventionellen Sor-ten.
Höhere Erträge konnten langfristig im Schnitt mit keinerder beschriebenen und von Ihnen immer angeführtengentechnisch veränderten Pflanzen erreicht werden, unddas, obwohl dieses Saatgut deutlich teurer ist. Obendreinhat Monsanto wegen Patentverletzungen mehr als90 Klagen gegen Landwirte und kleine Wirtschaftsunter-nehmen erhoben.
– Ich lasse keine Zwischenfragen zu. Sonst bekommtHerr Schmidt eine Krise.Monsanto macht sich im Übrigen auch bei der Wirt-schaft nicht beliebt. Investmentgruppen warnen schon,Monsanto sei an der Börse zu hoch notiert. Die Begrün-dung lautet, man betreibe eine Marktstrategie gegen dieInteressen der Verbraucher und mögliche Regressforde-rungen durch ungewollte Ereignisse gefährdeten das Un-ternehmen.In Argentinien – um auch darauf zu sprechen zu kom-men – ist der Einsatz von Totalherbiziden massiv ange-stiegen. Dasselbe gilt für den Einsatz von Stickstoff-dünger. Probleme gibt es auch im sozialen Bereich. Der„WWF-Bericht“ stellt fest:Die Kombination aus ökonomischen Krisen und derVertreibung von kleinen Bauern und Landarbeiterndurch die zunehmende Mechanisierung des Soja-anbaus führte zu einem Verlust an Nahrungssouve-ränität und erhöhte Armut und Hunger.Das sei noch als Reaktion auf Ihre Dauerbotschaft, mitGentechnik könne man den Hunger beseitigen, gesagt.Ich komme zum Schluss. Wer wie die CDU, die CSUund die FDP die weiträumige Verunreinigung von Flä-chen und Lebensmitteln durch gentechnisch verändertePflanzen aktiv betreiben will
und den angemessenen Schutz, den wir verankern wol-len, hintertreibt,
der handelt nicht nur gegen die Interessen der Verbrau-cher,
sondern behindert auch massiv die Wahlfreiheit. Dasnenne ich nach wie vor Freiheitsberaubung.
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Wir wollen, dass gentechnische Forschung auch ineutschland weiterhin möglich ist. Wir wollen, dassrofessor Jung von der CAU in Kiel nicht der einzigeeibniz-Preisträger bleibt, und wir wollen, dass seinergebnisse auch in Deutschland genutzt werden können.ir wollen, dass auch in Deutschland Landwirte dieöglichkeit erhalten, transgene Sorten zu nutzen, umamit am Züchtungsfortschritt teilzuhaben. Ob sichiese Sorten durchsetzen, entscheidet ihre Qualität, nichtine rot-grüne Regierung.
Die Züchtungsmethode „Grüne Gentechnik“ ist – daserkt man ein bisschen – politisch noch immer heiß um-tritten; in der Bevölkerung nimmt die Polarisierung je-och ab. Anders kann man wohl nicht erklären, dass dieürgerinitiative für ein gentechnikfreies Schleswig-Hol-tein es nicht geschafft hat, die erforderlichen 20 000timmen zu sammeln. Anders lässt sich wohl auch nichtrklären, dass wir in Deutschland in diesem Jahr erst-als 1 000 Hektar Bt-Mais haben werden.Das bedeutet, dass die gesamte politische Aufregungber dieses Thema ihre Ursache allein in machtpoliti-chen Erwägungen hat.
ie, die Grünen, können es sich nicht leisten, zuzugeben,ass Ihnen Ihr Paradethema, der Kampf gegen die Züch-ungsmethode „Grüne Gentechnik“, zwischen den Hän-en zerrinnt. Die vermeintlichen Argumente, die Siemmer wieder anführen, fallen wie ein Kartenhaus zu-ammen:Erstens: Ablehnung durch die Bevölkerung. Sie ha-en es aber nicht geschafft, in Schleswig-Holstein dieür eine Volksinitiative erforderlichen 20 000 Stimmenusammenzubekommen.
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Dr. Christel Happach-Kasan– Die Grünen gewinnen die Wahl mit Sicherheit nicht,mein lieber Kollege.Zweitens: Gesundheit. Selbst Verbraucherschutz-ministerin Renate Künast sieht keine Anhaltspunkte fürGefährdungen.Drittens: Ökologie. Seit 1987 wird in Deutschlandbiologische Sicherheitsforschung betrieben. Es gibtkeine Ergebnisse, die gegen diese Züchtungsmethodesprechen.Viertens: Entwicklungspoliblenden Sie doch nicht die ErgIndien ist Bt-Baumwolle ein E
Ich komme zum letzten Satz. – Gleichwohl setzt Rot-
urfs eines Zweiten Geset-
echnikrechts seinen Weg
zu hindern, die Vorteile
zu nutzen. Den minima-
stehen an anderer Stelle
erungen gegenüber. Sie
sind nicht zu rechtfertigen. Wir lehnen das Gesetz ab.
– Stellen Sie eine Frage oder halten Sie den Mund!
Fünftens: Pflanzenschutzmitteleinsatz. Über den Er-
folg neuer Sorten entscheidet der Geldbeutel: Neue Sor-
ten setzen sich nur durch, wenn sie Vorteile gegenüber
älteren Sorten haben. Teure Sorten rentieren sich nur,
wenn die Erträge besonders hoch sind bzw. wenn der
Pflanzenschutzmitteleinsatz besonders niedrig ist. Es ist
eindeutig: Die Anbauflächen werden in jedem Jahr aus-
geweitet.
Schließlich zu dem schönen Argument von der Macht
der Konzerne: Es ist doch völlig absurd, die Macht glo-
bal wirkender Konzerne über die Ächtung einer Züch-
tungsmethode begrenzen zu wollen. Wo leben wir denn?
Das ist albern.
d
g
S
s
o
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e
a
d
s
Berichtig
157. Sitzung, Seite 14745
erste Satz ist wie folgt zu lesen
also ,im Zweifel gegen den An
(D
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 15/4834 und 15/4828 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 23. Februar 2005, 13 Uhr,
in.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, aber
uch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie
en Besucherinnen und Besuchern auf den Tribünen ein
chönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.