Protokoll:
11232

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 232

  • date_rangeDatum: 26. Oktober 1990

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:34 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/232 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 232. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 Inhalt: Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . . 18431 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD (zur GO) 18432 B Hüser GRÜNE/Bündnis 90 (zur GO) . . 18432 B Dr. Riege Gruppe der PDS (zur GO) . . 18432 C Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung des Untersuchungsauftrags des 1. Untersuchungsausschusses der 11. Wahlperiode (Drucksache 11/50) (Drucksachen 11/50, 11/6483, 11/8109, 11/8176) Eylmann CDU/CSU 18433 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD (zur GO) 18435 A Bohl CDU/CSU (zur GO) 18435 B Hüser GRÜNE/Bündnis 90 (zur GO) . . 18436 A Stobbe SPD 18436 C Frau Seiler-Albring FDP 18439 D Frau Eid GRÜNE/Bündnis 90 18443 C Lowack CDU/CSU 18446 A Frau Dr. Kaufmann Gruppe der PDS . . 18447 B Frau Beer GRÜNE/Bündnis 90 18448 B Bohl CDU/CSU . . . 18449A, 18454D, 18456 D Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 18449 D Gansel SPD 18451C, 18456 C Eylmann CDU/CSU 18452 B Austermann CDU/CSU 18456 D Frau Eid GRÜNE/Bündnis 90 (zur GO) . . 18457 A Präsidentin Dr. Süssmuth . . . 18449A, 18456 B Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Zweiten Bericht der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema Schutz der tropischen Wälder gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober und 27. November 1987 sowie vom 7. Dezember 1988 (Drucksachen 11/533, 11/787, 11/971, 11/1351, 11/3479, 11/7220, 11/8009) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Die politischen Zielsetzungen der Gemeinschaft zum Treibhauseffekt (Drucksachen 11/7319 Nr. 2.20, 11/8007) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Klima- und Artenschutz durch Erhaltung der tropischen Regenwälder zu dem Antrag der Abgeordneten Volmer, Dr. Knabe, Frau Eid und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umfassender Schutz für die Trocken- und Feuchtwälder in den Ländern der Dritten Welt II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 zu dem Antrag des Abgeordneten Schanz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhaltung der tropischen Regenwälder zum Schutz einheimischer Bevölkerungen, des Klimas und der genetischen Artenvielfalt durch entwicklungspolitische Maßnahmen zu dem Antrag des Abgeordneten Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Verwendung tropischer Hölzer in bundeseigenen Einrichtungen (Drucksachen 11/2010, 11/2933, 11/3740, 11/1838, 11/8010) Schmidbauer CDU/CSU 18458 C Frau Dr. Hartenstein SPD 18460 D Frau Dr. Segall FDP 18464 B Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 18466D, 18478D Frau Dr. Hartenstein SPD 18468 C Frau Dr. Fischer Gruppe der PDS . . . 18468 D Steiner (Oelsnitz) CDU/CSU 18469 D Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . . 18471A Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE/Bündnis 90 18471 C Dr. Kübler SPD 18472 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 18474 A Frau Dr. Fischer Gruppe der PDS . . 18475 A Dr. Heuer Gruppe der PDS 18475 B Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18475 C Dr. Heuer Gruppe der PDS 18476 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 18477A Tagesordnungspunkt 18: a) Beratung des Schlußberichts der Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000" (Drucksachen 11/1448, 11/7820) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Dezember 1987 (Drucksachen 11/1448, 11/5349, 11/7381) Kuhlwein SPD 18480 A Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 18481 D Frau Hillerich GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18482 D Neuhausen FDP 18484 A Frau Stolfa Gruppe der PDS 18484 D Wüppesahl fraktionslos 18485 D Dr. Lammert, Parl. Staatssekretär BMBW 18486 D Tagesordnungspunkt 19: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1989 zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1990 (Drucksachen 11/4442, 11/6787, 11/7904) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einrichtung eines 8. Förderungsschwerpunktes „Mädchen und Frauen" für Modellversuche der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (Drucksachen 11/5713, 11/7918) Oswald CDU/CSU 18488A Dr. Elmer SPD 18489 B Neuhausen FDP 18491 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 18491 C Frau Hillerich GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18493 A Dr. Lammert, Parl. Staatssekretär BMBW 18494 B Dr. Elmer SPD 18494 D Nächste Sitzung 18495 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18497* A Anlage 2 Nichterwähnung der Modelle „Mietermodernisierung" und „Erwerb von Belegungsbindungen" in der vom BPA herausgegebenen Kurzfassung des Gutachtens „Wirtschaftliche und soziale Perspektiven der deutschen Einheit" MdlAnfr 16, 17 — Drs 11/8162 — Großmann SPD SchrAntw BM Klein BK 18497* D Anlage 3 Nichterwähnung des Vorschlags „Erleichterung von Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarfs" in der Broschüre des Bundespresseamtes über das Gutachten „Wirtschaftliche und soziale Perspektiven der deutschen Einheit" MdlAnfr 22, 23 — Drs 11/8162 — Reschke SPD SchrAntw BM Klein BK 18498* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 III Anlage 4 Inhalt eines dem Bundesnachrichtendienst vorliegenden Tonbandberichts Kirchners für den Stasi MdlAnfr 25 — Drs 11/8162 — Frau Wollenberger GRÜNE/Bündnis 90 SchrAntw StM Straßmeir BK 18498* B Anlage 5 Grundlage für die Hinweise des innerdeutschen Ministeriums zur Aussetzung von Mieterhöhungen bis Dezember 1991 und zur Umlage von Instandsetzungskosten von Wohnraum auf die Jahresmiete im Einigungsvertrag MdlAnfr 60, 61 — Drs 11/8162 —Müntefering SPD SchrAntw PStS Dr. Hennig BMB . . . . 18498* C Anlage 6 Zusammenarbeit des Bundesministers de Maizière mit der Bundesregierung während seiner früheren Anwaltstätigkeit in Familienzusammenführungs- und politischen Strafverfahren MdlAnfr 62 — Drs 11/8162 — Kirschner SPD SchrAntw PStS Dr. Hennig BMB . . . 18499* A Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 18499* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 18431 232. Sitzung Bonn, den 26. Oktober 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 10. 90 * Frau Barbe SPD 26. 10. 90 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 10. 90 Beckmann FDP 26. 10.90 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 26. 10. 90 Frau Birthler GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Dr. Briefs fraktionslos 26. 10. 90 Büchler (Hof) SPD 26. 10. 90 Dr. von Bülow SPD 26. 10. 90 Frau Bulmahn SPD 26. 10. 90 Catenhusen SPD 26. 10. 90 Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 26. 10. 90 Ehrbar CDU/CSU 26. 10.90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 10. 90 Eich GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Frau Fuchs (Köln) SPD 26. 10. 90 Frau Fuchs (Verl) SPD 26. 10. 90 Dr. Gautier SPD 26. 10. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 10. 90 Glos CDU/CSU 26. 10. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 10. 90 Graf SPD 26. 10. 90 Grünbeck FDP 26. 10. 90 Haack (Extertal) SPD 26. 10. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 10. 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 26. 10. 90 Hauser (Krefeld) CDU/CSU 26. 10. 90 Dr. Haussmann FDP 26. 10. 90 Heistermann SPD 26. 10.90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 10. 90 Graf Huyn CDU/CSU 26. 10. 90 Ibrügger SPD 26. 10. 90 Jahn (Marburg) SPD 26. 10. 90 Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 26. 10. 90 Dr. Jens SPD 26. 10. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 26. 10. 90 Kastning SPD 26. 10. 90 Dr. Kertscher Gruppe der 26. 10. 90 PDS Kiechle CDU/CSU 26. 10. 90 Kittelmann CDU/CSU 26. 10. 90 Klose SPD 26. 10. 90 Koschnick SPD 26. 10. 90 Kossendey CDU/CSU 26. 10. 90 Lamers CDU/CSU 26. 10. 90 Lehment FDP 26. 10. 90 Leidinger SPD 26. 10. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 10. 90 Meyer SPD 26. 10. 90 Dr: Meyer zu Bentrup CDU/CSU 26. 10. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Modrow Gruppe der 26. 10. 90 PDS Müller (Wesseling) CDU/CSU 26. 10. 90 Niggemeier SPD 26. 10. 90 Oesinghaus SPD 26. 10. 90 Opel SPD 26. 10. 90 Peter (Kassel) SPD 26. 10. 90 Petersen CDU/CSU 26. 10. 90 Platzeck GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Rappe (Hildesheim) SPD 26. 10. 90 Reschke SPD 26. 10. 90 Reuschenbach SPD 26. 10. 90 Rixe SPD 26. 10. 90 Roth SPD 26. 10. 90 Dr. Schäuble CDU/CSU 26. 10. 90 Schmidt (München) SPD 26. 10. 90* Schmidt (Salzgitter) SPD 26. 10. 90 Dr. Schnell SPD 26. 10. 90 Schreiber CDU/CSU 26. 10. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 10. 90 Frau Dr. Seifert Gruppe der 26. 10. 90 PDS Seiters CDU/CSU 26. 10. 90 Spilker CDU/CSU 26. 10. 90 Dr. Stephan SPD 26. 10. 90 Frau Terborg SPD 26. 10. 90 Toetemeyer SPD 26. 10. 90 Frau Trenz GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Unger CDU/CSU 26. 10. 90 Frau Unruh fraktionslos 26. 10. 90 Vahlberg SPD 26. 10. 90 Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 26. 10. 90 Voigt (Frankfurt) SPD 26. 10. 90 * * Frau Dr. Vollmer GRÜNE/ 26. 10. 90 Bündnis 90 Dr. Vondran CDU/CSU 26. 10. 90 Vosen SPD 26. 10. 90 Dr. Waigel CDU/CSU 26. 10. 90 Dr. Walther CDU/CSU 26. 10. 90 (Gast) Frau Weyel SPD 26. 10. 90 Frau Wieczorek-Zeul SPD 26. 10. 90 Wischnewski SPD 26. 10. 90 Wittich SPD 26. 10. 90 Zierer CDU/CSU 26. 10. 90 * Anlage 2 Antwort des Bundesministers Klein auf die Fragen des Abgeordneten Großmann (SPD) (Drucksache 11/8162 Fragen 16 und 17): Warum wird in der Kurzfassung des Gutachtens die positive Bewertung des Modells der Mietermodernisierung nicht erwähnt? Warum wird in der Kurzfassung des Gutachtens die negative Bewertung des Modells Erwerb von Belegungsbindungen nicht erwähnt? 18498* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 Ihre Mündlichen Fragen Nr. 16 und 17 an die Bundesregierung beantworte ich wegen des Zusammenhangs gemeinsam. In Zusammenfassungen bzw. Kurzfassungen von ausführlichen Gutachten können zwangsläufig nicht alle behandelten Zusammenhänge und Einzelforderungen wiedergegeben werden. Die Bedeutung der genannten Sachverhalte wird dadurch natürlich nicht verringert. Anlage 3 Antwort des Bundesministers Klein auf die Fragen des Abgeordneten Reschke (SPD) (Drucksache 11/8162 Fragen 22 und 23): Warum wird in der Kurzfassung des Gutachtens „Wirtschaftliche und soziale Perspektiven der deutschen Einheit", die das Bundespresseamt erstellt hat, nicht der Vorschlag der Gutachter erwähnt, Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarfs zu erleichtern? Warum heißt es in der Kurzfassung des Gutachtens „stufenweise Freigabe der Mieten" , während das Gutachten die Aussage trifft „Die Chancen einer angemessenen Wohnungsversorgung der DDR werden stark davon abhängen, wie schnell sich die gegenwärtigen Mieten an tatsächliche Knappheitsmieten herantasten können. "? Ihre Mündlichen Fragen Nr. 22 und 23 an die Bundesregierung beantworte ich wie folgt: 1. In der Zusammenfassung bzw. Kurzfassung eines umfassenden Gutachtens können zwangsläufig nicht alle Einzelheiten enthalten sein. Solche Zusammen- bzw. Kurzfassungen haben zudem auch den Zweck, zur Lektüre des ganzen Gutachtens zu ermuntern. 2. Die beiden zitierten Aussagen aus der Broschüre und aus dem Gutachten widersprechen sich nicht, sondern sind im Gegenteil in der Sache vollständig deckungsgleich. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Straßmeir auf die Frage der Abgeordneten Frau Wollenberger (DIE GRÜNEN/ Bündnis 90) (Drucksache 11/8162 Frage 25): Treffen Informationen zu, wonach dem BND ein Tonbandbericht Martin Kirchners für das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit bzw. eine Abschrift hiervon vorliegen, und wenn ja, seit wann und mit welchem Inhalt? Ihre Frage ist identisch mit der Frage Nr. 7 der Kleinen Anfrage der GRÜNEN vom 2. September 1990. Meine Antwort heute lautet ebenso wie die 2 Wochen alte Antwort der Bundesregierung vom 11. Oktober 1990 auf die Kleine Anfrage der GRÜNEN: Die Bundesregierung nimmt zu Inhalt und Zeitpunkt von Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes aus grundsätzlichen Erwägungen nicht öffentlich Stellung, ist jedoch bereit, den zuständigen parlamentarischen Gremien gegenüber zu berichten. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Fragen des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache 11/8162 Fragen 60 und 61) : Auf welcher Bestimmung des Einigungsvertrages beruht die Aussage in der Broschüre des innerdeutschen Ministeriums „Einhundertzwanzig Antworten, Hinweise für den Alltag in den neuen Bundesländern", daß Mieten bis zum 31. Dezember 1991 nicht erhöht werden können? Auf welcher Bestimmung des Einigungsvertrages beruht die Aussage in der Broschüre des innerdeutschen Ministeriums „Einhundertzwanzig Antworten, Hinweise für den Alltag in den neuen Bundesländern", daß bis zu 11 % der Instandhaltungskosten von Wohnraum auf die Jahresmiete umgelegt werden können? Zu Frage 60: Die Aussage beruht auf der Bestimmung in Anlage II, Kapitel V, Sachgebiet A, Abschnitt III, Ziffer 1 des Einigungsvertrages; diese sieht die befristete Fortgeltung der DDR-Verordnung vom 25. Juni 1990 über die Aufhebung bzw. Beibehaltung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Preise (GBl. DDR I Nr. 37, S. 472) u. a. im Bereich der Mieten und Pachten vor, und zwar soweit sie sich auf Wohnräume beziehen, bis 31. 12. 1991, soweit sie sich auf andere als Wohnräume beziehen, bis 31.12. 1990. (BGBl. II Nr. 35, S. 1201) Nach § 2 Abs. 1 dieser DDR-VO sind unter staatlichen Preisregelungen u. a. „die am 30. 6. 1990 geltenden Vorschriften auf dem Gebiet der Preise für Waren und Leistungen ... für Mieten und Pachten" zu verstehen. Nach der Anlage zu der fortgeltenden DDR-VO bleiben für Mieten die Preisanordnung Nr. 415 — Anordnung über die Forderung und Gewährung preisrechtlich zulässiger Preise — vom 6. Mai 1955 (GBl. I Nr. 39, S. 330) in Kraft. Die Überleitungsbestimmungen zum Miethöhegesetz ermächtigen allerdings die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den höchstzulässigen Mietzins unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung schrittweise zu erhöhen. Dabei wird dem Vermieter die Möglichkeit gegeben, den Mietzins bis zur Höhe des nach der Rechtsverordnung zulässigen Betrages einseitig zu erhöhen. (vgl. Anlage I, Kapitel XIV, Abschnitt II, Ziff. 7, § 11 Abs. 3 Ziff. 1, BGBl. II Nr. 35 S. 1126). Bislang ist eine solche Rechtsverordnung durch die Bundesregierung nicht erlassen worden. Zu Frage 61: Die Aussage beruht auf Anlage I, Kapitel XIV, Abschnitt II, Ziff. 7 des Einigungsvertrages (BGBl. II Nr. 35 S. 1126). Der Einigungsvertrag sieht hier eine Ergänzung des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe vor; durch einen neuen § 11 Abs. 2 MHG soll sichergestellt werden, daß für den gesamten Wohnraumbestand in der ehemaligen DDR die Regelung des § 3 MHG zur Anwendung kommt. Danach kann der Vermieter bei Durchführung der Modernisierung eine Erhöhung der jährlichen Miete von 11 % der für die Wohnung aufgewendeten Modernisierungskosten verlangen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 18499* Die Überleitungsbestimmungen zum Miethöhegesetz sehen weiterhin vor, daß durch Rechtsverordnung bis 1. Januar 1996 auch Aufwendungen für Instandsetzungsmaßnahmen auf die Mieter überwälzt werden können (§ 11 Abs. 7 MHG). Soweit eine Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 7 MHG ergangen ist, stehen die darin geregelten Instandsetzungsmaßnahmen bei der Anwendung der sonstigen Vorschriften des Gesetzes den baulichen Maßnahmen des § 3 MHG gleich. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 11/8162 Frage 62): Welche Zusammenarbeit ergab sich aus der früheren anwaltlichen Tätigkeit des Bundesministers für besondere Aufgaben, Lothar de Maizière, bei Verfahren im Rahmen der DDR-Gesetzgebung hinsichtlich der Familienzusammenführung und insbesondere des politischen Strafrechts mit der jetzigen und früheren Bundesregierungen? Die jetzige Bundesregierung hat mit Rechtsanwalt de Maizière „bei Verfahren im Rahmen der DDR-Gesetzgebung hinsichtlich der Familienzusammenführung und insbesondere des politischen Strafrechts" nicht zusammengearbeitet. Das gilt auch für die früheren Bundesregierungen. Gesprächspartner der Bundesregierung in diesem humanitären Bereich war der mit einem entsprechenden Mandat seiner Regierung ausgestattete Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Vogel. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. September 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 GG nicht einzulegen. Gesetz über die Inkraftsetzung von Vereinbarungen betreffend den befristeten Aufenthalt von Streitkräften der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin und von sowjetischen Streitkräften auf dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nach Herstellung der Deutschen Einheit Viertes Agrarsoziales Ergänzungsgesetz (4. ASEG) Gesetz über die Statistik für das Hochschulwesen (Hochschulstatistikgesetz — HStatG) Drittes Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) nach Fortfall der alliierten Vorbehaltsrechte (Sechstes Überleitungsgesetz) Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — und der Vereinbarung vom 18. September 1990 Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes. Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zum Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — und der Vereinbarung vom 18. September 1990: 1. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 7. September 1990, Drucksache 600/90 (Beschluß), zu Artikel 7 und Artikel 15 dargestellt, welche Erklärungen der Bund in Verhandlungen mit den Ländern zu einigen bedeutsamen Fragen der Bund-LänderFinanzbeziehungen abgegeben hat. Der Bundesrat stellt fest, daß die Bundesregierung der Darstellung dieser politischen Erklärungen und Vereinbarungen in ihrer Gegenäußerung nicht widerspricht. Die von der Bundesregierung vorgenommenen Interpretationen ändern nichts am Inhalt dieser Erklärungen. Der Bundesrat geht deshalb davon aus, daß die als Grundlage für das Einvernehmen zum Einigungsvertrag abgegebenen Erklärungen des Bundes unverändert Gültigkeit haben. 2. Der Bundesrat bittet, im Rahmen der Überlegungen zu Artikel 5 des Einigungsvertrages künftig auch die Rechte der nationalen Minderheiten und Volksgruppen durch besondere Hervorhebung zu garantieren, so wie sie in Artikel 5 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und für die Sorben in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik verankert sind. Zum Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes: 1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, — baldmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem geregelt werden die Voraussetzungen und das Verfahren zur Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung, welche Umstände ein Sicherheitsrisiko begründen und welche Folgen für Bewerber und Beschäftigte beim Vorliegen eines Sicherheitsrisikos eintreten, — bei anstehenden Verhandlungen über die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte auf Vereinbarungen hinzuwirken, daß ihnen übermittelte personenbezogene Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie übermittelt worden sind und den zuständigen deutschen Stellen das Recht eingeräumt wird, Auskunft über die Verwendung der Daten zu erhalten, — zu prüfen und dem Bundesrat zu berichten, ob es insbesondere in Anbetracht der Verkürzung des Grundwehrdienstes zweckmäßig ist, die Zuständigkeit für die Beobachtung von Bestrebungen von Bundeswehrangehörigen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vom Militärischen Abschirmdienst auf die Verfassungsschutzbehörden zu übertragen. 2. Der Bundesrat hält außerdem zur Gewährleistung des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich über die im neuen Bundesdatenschutzgesetz getroffenen Regelungen hinaus ergänzende bereichsspezifische Vorschriften für dringend erforderlich. Er fordert deshalb die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf mit Regelungen über den Arbeitnehmerdatenschutz vorzulegen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, Gesetzentwürfe zur Gewährleistung des Datenschutzes im Versicherungswesen, im Kreditwesen sowie bei Auskunfteien und Detekteien vorzulegen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie zur Änderung des Parteiengesetzes Gesetz zu dem Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland 18500* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 232. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Oktober 1990 Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Oktober 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates (EuRatWahlG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Elftes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz) Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes Viertes Gesetz zur Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 18. März 1986 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen Gesetz zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 160 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Januar 1985 über Arbeitsstatistiken Gesetz zu dem Abkommen vom 29. August 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern Gesetz zu dem Beschluß der Generalversammlung des Internationalen Ausstellungsbüros vom 31. Mai 1988 zur Änderung des Abkommens über Internationale Ausstellungen vom 22. November 1928 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat begrüßt das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz. Er bedauert jedoch, daß der Anwendungsbereich des Gesetzes aus Gründen eines wirksamen Klimaschutzes und der Ressourcenschonung nicht auch die Abnahme und die Vergütung von Strom aus Anlagen, die in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, erfaßt. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, in der nächsten Legislaturperiode auf eine entsprechende Novellierung des Gesetzes hinzuwirken. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Oktober 1990 beschlossen, der Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 GG (Vermittlungsausschuß) gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zuzustimmen und den Ergänzenden Beschluß des Deutschen Bundestages zur Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksachen 11/7492, 11/7521, 11/7578, 11/7555 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksachen 11/4329, 11/4343 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksachen 11/6387, 11/6388 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/6886 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/6423 Nr. 2.2 Haushaltsausschuß Drucksache 11/7319 Nr. 2.03 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/7609 Nr. 10-14, 16-20 Drucksache 11/7732 Nr. 6-11 Drucksache 11/7755 Nr. 3.3-3.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/6017 Nr. 2.8, 2.11, 2.12 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/7115 Nr. 2.14 Drucksache 11/7192 Nr. 2.9 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/6629 Nr. 2.7 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4019 Nr. 2.45 Drucksache 11/7319 Nr. 2.21
Gesamtes Protokol
Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123200000
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Die Sitzung ist eröffnet.
Der Abgeordnete Wüppesahl hat einen Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung angekündigt. Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1123200100
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beantrage, nach § 20 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Menschenrechtliche Situation in Tibet und bundesdeutsche Wirtschaftsinteressen in China" in Verbindung mit einer 45minütigen Aussprache — nach § 24 der Geschäftsordnung und unter Abweichung von der Geschäftsordnung nach § 126 — über die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN — Drucksachen 11/7812 und 11/8019 — sowie den Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN „Menschenrechtsverletzungen und Kriegsrecht in Tibet" — Drucksache 11/4264 — und die Beschlußfassung darüber nach § 78 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen.
Diesen Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung stelle ich im — jedenfalls seit gestern abend — Wissen darum, daß nächste Woche ein Tagesordnungspunkt 20 mit den Buchstaben a bis 1, also insgesamt zwölf verschiedene Drucksachen, zur Menschenrechtssituation, und zwar weltweit, behandelt werden soll. In diesen zwölf Unterpunkten sind der Menschenrechtsbericht sowie spezifische Probleme aus diesem sehr problembeladenen Gesamtfeld enthalten. Von daher ist klar, daß in dieser 45minütigen Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt nächste Woche Tibet nur ein Fall von vielen ist.
Angesichts der Tatsache, daß die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama noch nicht so furchtbar lange her ist und er den Preis natürlich dafür bekommen hat, daß er den Widerstand in Tibet gegen die chinesische Zentralregierung und die totalitären Vorgehensweisen unterstützt hat, halte ich es für dringend notwendig — auch weil nächste Woche, während wir über die Menschenrechtssituation weltweit
diskutieren werden, die Hermes-Bürgschaften für China wieder ermöglicht werden sollen, so daß der Bund wieder für das Engagement unserer bundesdeutschen Wirtschaft in China bürgt — , daß wir heute im Vorfeld dieser beiden sich widersprechenden Debattenpunkte der nächsten Woche über die konkrete Situation entsprechend den Anträgen und anderen Drucksachen, auf die ich diesen Tagesordnungsaufsetzungspunkt bezogen habe, diskutieren.
Nach dem internationalen Aufschrei der Empörung über das vom chinesischen Militär im Juni 1989 angerichtete Blutbad in Peking — das ist also gerade ein gutes Jahr her — , wurde es schnell wieder ruhig in bundesdeutschen Politiker- und Diplomatenrunden. Es folgten nur noch einige Reden der Verurteilung und die Ankündigung weniger wirtschaftlicher Sanktionen.
Was in Peking der Ausnahmezustand war, das ist in Tibet schon fast der Normalzustand. Der Dalai Lama sprach kürzlich in einem Interview von einer „Endlösung" für die Tibeter. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit jedoch und auch die bundesdeutsche Politik nehmen die bedrückende Situation in China und Tibet kaum zur Kenntnis; denn dort haben auch bundesdeutsche Konzerne im Zuge der Westöffnung der chinesischen Wirtschaft ökonomische, gewinnbringende Interessen, deren Realisierung nicht durch eine öffentliche Diskussion der Menschenrechtssituation in Tibet und China gestört werden soll. Es geht in der Substanz uni einen Vier-Milliarden-DM-Kredit für den U-Bahnbau in Schanghai und nicht um irgendwelche hehren menschenrechtlichen Ansprüche. Ich denke, wir müssen uns entscheiden, ob Menschenrechte nur dann berücksichtigt werden sollen, wenn es politisch opportun ist, daß man z. B. für den Irak und auch für Südafrika Sanktionen erläßt, und ob tatsächlich immer die wirtschaftlichen Gesichtspunkte die erste Priorität einnehmen müssen.
In der letzten Woche wurden Hermes-Bürgschaften für Verträge zwischen bundesdeutschen Firmen — —

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123200200
Herr Wüppesahl, Sie haben sich zur Geschäftsordnung gemeldet und dürfen deshalb auch nur zur Geschäftsordnung sprechen.




Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1123200300
Ich tue das, ganz recht, Frau Präsidentin.

(Bohl [CDU/CSU]: Nein, nein, das tun Sie nicht!)

Ich danke noch einmal dafür, daß Sie das Plenum daran erinnern.

(Lachen bei der SPD)

In der letzten Woche wurden Hermes-Bürgschaften für Verträge zwischen bundesdeutschen Firmen und ihren chinesischen Geschäftspartnern erteilt. Das sind Bundesbürgschaften. Auch deshalb gehört die Situation der Menschenrechte in Tibet auf die Tagesordnung.
In der allgemeinen Verdunkelungsaktion hinsichtlich der chinesischen Zustände, die Tausenden von Menschen das Leben kosten können und ihnen schon heute den Kampf um die Verwirklichung der Menschenrechte äußerst erschweren — Rechte, für die einzutreten die Bundesregierung vorgibt — , spielt die Bundesregierung mit. Dies ist ein weiterer Grund dafür, daß wir im Vorfeld der Debatte in der nächsten Woche heute darüber diskutieren und Öffentlichkeit herstellen.
Deutschland — ein Land der Menschenrechte?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123200400
Ihre Redezeit ist beendet.

Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1123200500
Vielen Dank für den freundlichen Hinweis. Ich möchte das Plenum auch nicht überstrapazieren. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123200600
Hierzu wird das Wort gewünscht. Herr Abgeordneter Ehmke!

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1123200700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sehen keinen Grund, die Tagesordnung so, wie von Herrn Wüppesahl gewünscht, zu ergänzen. Der Ältestenrat kann sich überlegen, ob wir dem Antrag in der nächsten Woche noch entsprechen. Jetzt besteht kein Grund, die heutige Tagesordnung zu ändern. Wir sind dafür, den Antrag abzulehnen.
Frau Präsidentin, weil ich gerade zur Tagesordnung spreche, darf ich vielleicht gleichzeitig sagen, daß wir es für einen Affront gegenüber dem Parlament hielten, wenn zur Debatte über das nächste Thema, den U-Boot-Ausschuß, der Finanzminister und der Verteidigungsminister nicht anwesend wären.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Außerdem sind wir der Meinung, daß das Kanzleramt und das Auswärtige Amt vertreten sein müssen. Ich halte es — gelinde gesagt — für einen Skandal, wie die Regierungsbank besetzt ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 sowie bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123200800
Herr Abgeordneter Hüser!

Uwe Hüser (GRÜNE):
Rede ID: ID1123200900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weil der Kollege Wüppesahl auch unsere Anträge angesprochen hat, möchte ich sagen, daß es unbestritten ist, daß Menschenrechtsverletzungen und gerade auch die Problematik in China und in Tibet Themen sind, die hier intensiv diskutiert werden müssen. Aber wir haben dieses Thema nächste Woche auf der Tagesordnung. Unsere Kollegin Frau Kelly wird hierzu in der nächsten Woche in der Plenarsitzung sprechen.
Eine andere Frage ist, ob angesichts der vielen Punkte, die mit diesem Thema in verbundener Debatte auf der Tagesordnung stehen, die vereinbarte Redezeit ausreicht. Darüber — so denke ich — könnte man sich vielleicht noch einmal verständigen. Aber wir sehen auch keinen Grund, daß das hier jetzt ad hoc behandelt wird, weil wir es nächste Woche auf der Tagesordnung haben.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123201000
Herr Professor Riege!

Dr. Gerhard Riege (PDS/LL):
Rede ID: ID1123201100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Antrag des Abgeordneten Wüppesahl möchte ich dem Grunde nach unterstützen und vorschlagen, daß die Materie in der nächsten Woche mit erörtert wird.

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist doch vorgesehen!)

— Ja, ich möchte, daß es ausdrücklich in die Erörterungen des Plenums einbezogen wird. Das ist auch eine Frage der Vorbereitung auf diese Materie.

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist hier doch alles Schaumschlägerei! Es geht doch nur darum, uns die Zeit zu stehlen! Das ist alles vorgesehen! Schaumschlägerei!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123201200
Wird das Wort noch von weiteren Abgeordneten gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Wüppesahl auf Erweiterung der Tagesordnung. Wer stimmt für diesen Antrag? — Einer, der Antragsteller selbst. Wer stimmt gegen diesen Antrag? — Enthaltungen? — Damit ist der Antrag mehrheitlich bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS abgelehnt.
Herr Abgeordneter Ehmke, die Vertreter der Regierung werden herbeigerufen.

(Zurufe von der SPD: Sehr gut! — Danke schön!)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
zu dem Antrag der Fraktion der SPD Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN
Änderung des Untersuchungsauftrags des 1. Untersuchungsausschusses der 11. Wahlperiode (Drucksache 11/50)

— Drucksachen 11/50, 11/6483, 11/8109, 11/8176 —



Präsidentin Dr. Süssmuth
Berichterstatter:
Abgeordnete Bohl Gansel
Frau Seiler-Albring Frau Eid
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 90 Minuten vorgesehen.

(Bohl [CDU/CSU]: Wieso denn das? Ich denke gar nicht daran, daß die geholt werden! Das ist doch gar nicht beantragt worden!)

Zu dieser Vereinbarung über die Redezeit sehe ich keinen Widerspruch. — Sie sind auch in Gespräche verwickelt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eylmann.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Bohl, das war so beschlossen! Mach keinen Ärger! Ich werde sonst gleich den Antrag stellen!)


Horst Eylmann (CDU):
Rede ID: ID1123201300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich haben Untersuchungsausschüsse die Aufgabe, einen politisch relevanten Sachverhalt aufzuklären. In der Verfassungswirklichkeit — das wissen wir — sind sie aber auch politische Kampfinstrumente. Haben sie nur noch die Funktion, ein besonderes Forum für die parteipolitische Auseinandersetzung zu bieten, entarten sie nicht selten zu einem Schmierentheater. Der U-Boot-Untersuchungsausschuß war dafür ein abschreckendes Beispiel. Dies begann schon im 10. Deutschen Bundestag. Seinerzeit wurde der 4. Untersuchungsausschuß von der Opposition kurz vor Schluß der Wahlperiode installiert, obwohl von vornherein klar war, daß er den Zweck jedes Untersuchungsausschusses, nämlich dem Plenum einen Bericht vorzulegen, nicht mehr erfüllen konnte. Er wurde als billige Wahlkampfplattform mißbraucht, billig sowohl im ursprünglichen als auch im übertragenen Sinne.

(Lowack [CDU/CSU]: Leider wahr! — Zurufe von der SPD: Dazu hat er viel zu lange gedauert!)

Als zu Beginn dieser Wahlperiode der Ausschuß auf Antrag der Opposition neu gebildet wurde, hätte das den Zweck haben können, die abgebrochene Arbeit des U-Boot-Untersuchungsausschusses der 10. Wahlperiode ordnungsgemäß zu Ende zu führen und dem Plenum einen Bericht vorzulegen. Dazu hätte man allenfalls ein Jahr benötigt.
Es zeigte sich aber sehr bald, daß die Opposition und insbesondere der Herr Kollege Gansel als Berichterstatter der SPD-Fraktion etwas ganz anderes im Sinn hatten,

(Widerspruch bei der SPD)

nämlich die Einsetzung eines sogenannten Untersuchungsausschusses als ständige parlamentarische Einrichtung während der gesamten Wahlperiode zur planmäßigen und gezielten Diffamierung der Regierung.

(Lowack [CDU/CSU]: Genauso war es! —Widerspruch bei der SPD)

Dabei verwendete Herr Kollege Gansel allerdings
mindestens ebensoviel Zeit darauf, sich selbst als edlen Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit emporzustilisieren.
So ist es dann gekommen, meine Damen und Herren, daß dieser Ausschuß der am längsten arbeitende Untersuchungsausschuß in der Geschichte des Deutschen Bundestages wurde.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Weil er durch die CDU ständig torpediert worden ist!)

Im Kern hat er den Erkenntnissen seines Vorgängers kaum etwas hinzugefügt, jedenfalls insoweit nicht, als es das Handeln der Bundesregierung betrifft, um deren Tun es ja ging.
Die beiden in Frage stehenden Firmen wollten U-Boot-Pläne nach Südafrika exportieren. Sie haben bei der Bundesregierung zu klären versucht, ob sie mit einer Genehmigung rechnen könnten.

(Gansel [SPD]: Hahaha!) Dies hat die Bundesregierung verneint.


(Widerspruch bei der SPD)

Daraufhin ist ein formeller Genehmigungsantrag nicht mehr gestellt worden. Zu beurteilen, ob die Firmen dann ohne Genehmigung Pläne und Material geliefert und damit die Tatbestände einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat erfüllt haben, ist Sache der für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden und letztlich der Gerichte.
Diesen dürren und im Grunde recht einfachen Sachverhalt versucht die Opposition nun seit Jahren zu vernebeln. Sie unterzieht die erhobenen Beweise einer Beweiswürdigung, die diesen Namen nicht verdient und die jedem Rechtsreferendar als Witz erscheinen würde. Sie behauptet, es sei bewiesen, die Bundesregierung habe unter der Hand dem Geschäft zugestimmt, habe für die Durchführung des Vertrages grünes Licht gegeben, und zwar fernmündlich am 31. August 1984 durch Staatssekretär Dr. Schreckenberger. Dieser und alle anderen Zeugen auf der Regierungsseite haben das verneint. Die Firmenvertreter und der als Vermittler tätig gewesene frühere Bundestagsabgeordnete Zoglmann haben von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Opposition kann sich somit nur auf Vermerke und Protokolle aus dem Firmenbereich berufen. Dabei wird geflissentlich verschwiegen, daß diese Schriftstücke ein durchaus widerspruchsvolles Bild bieten.
Dafür will ich Ihnen nur ein Beispiel geben: In einer bei HDW gefundenen Aktennotiz vom 31. Juli 1984 heißt es, Staatssekretär Dr. Schreckenberger habe mitgeteilt, der Bundeskanzler und Franz Josef Strauß hätten dem Blaupausenexport ihre Zustimmung verliehen.

(Gansel [SPD]: So war es!)

Andererseits geht aus Protokollen der HDW-Vorstandssitzungen vom 7. und 11. Januar 1985 hervor, daß bis zu diesem Zeitpunkt das sogenannte grüne Licht noch immer nicht gegeben worden sei.

(Dr. Penner [SPD]: Was ist das — grünes Licht?)




Eylmann
Wenn das richtig ist, dann kann man es ja nicht ein halbes Jahr vorher von Dr. Schreckenberger erhalten haben. Das ist logisch, sollte man meinen. Aber was hat die Beweiswürdigung der Opposition schon mit Logik zu tun?
Am 18. September dieses Jahres erklärte Herr Kollege Dr. Vogel für die SPD-Fraktion wörtlich: „Die nunmehr freigegebenen Dokumente aus dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn Teltschik beweisen, daß das U-Boot-Geschäft mit Südafrika unter Beteiligung des Bundeskanzleramts und des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten in konspirativer Weise vorbereitet worden ist

(Lowack [CDU/CSU]: Unglaublich!)

und daß dabei Schmiergeldzahlungen in erheblichem Umfange gefordert und in Aussicht gestellt worden sind. " Zwei Sätze später ist in diesem Zusammenhang von den „hier praktizierten kriminellen Methoden" die Rede. Die sogenannten Dokumente sind zwei Vermerke über das, was Herr Zoglmann über seine Gespräche mit Herrn Teltschik erzählt hat. Es sind Vermerke vom Hörensagen. Es hieße ja wohl, Herrn Dr. Vogel als Juristen zu nahe zu treten, wollte man annehmen, er wüßte nichts von dem beschränkten Wert eines Zeugen von Hörensagen, der hier zudem auch noch alles andere als ein neutraler Zeuge ist, weil er von diesem Exportgeschäft profitieren wollte und deshalb hinreichend Anlaß hatte, die Chancen für die Abwicklung des Geschäfts günstig darzustellen.

(Gansel [SPD]: Na also!)

Wie prekär muß eigentlich Herr Dr. Vogel die Situation seiner Partei einschätzen, wenn er es für erforderlich hält, mit beiden Händen so tief in die Schlammkiste zu greifen?

(Lowack [CDU/CSU]: Das war der wahre Hintergrund!)

Und wie glaubt eigentlich Herr Kollege Dr. Vogel es angesichts der jüngsten Äußerungen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes über die Ursachen der Gewaltwelle gegen Politiker verantworten zu können,

(Dr. Penner [SPD]: Das ist ja die Höhe!)

das Bundeskanzleramt als eine Art Mafia-Dependance darzustellen, das an konspirativ vorbereiteten und mit Schmiergeldzahlungen verbundenen kriminellen Waffenschiebereien beteiligt sei?
Aber nun zu Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Gansel, der Sie ja den Ausschuß in den letzten vier Jahren als Ihre höchstpersönliche Spielwiese betrachteten.

(Unruhe — Glocke der Präsidentin)

Sie haben in dieser Zeit den Mund immer wieder zu voll genommen und angekündigt, nun würde bald die Bombe platzen. Je häufiger es Seifenblasen waren, desto schriller wurden Ihre Töne. Noch ärgerlicher war allerdings, daß Sie während der langen Ausschußtätigkeit in steigendem Maße ein gestörtes Verhältnis zu Recht und Gesetz offenbarten

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE/Bündnis 90]: Nun reicht es aber bald!)

und sich insbesondere rechtlichen Argumenten völlig
unzugänglich zeigten. Mich haben Sie schon 1987
angegriffen, als ich wegen der Besorgnis, mit einem Aktenbeschlagnahmeverfahren keinen Erfolg zu haben, die Firmen veranlaßte, einen Teil der Akten freiwillig herauszugeben. Die spätere Gerichtsentscheidung gab mir recht. Hätte ich seinerzeit nicht für die Herausgabe der Akten gesorgt, hätten wir sie heute noch nicht; denn inzwischen sind ja Sie und die Kolleginnen von den GRÜNEN so liederlich mit Geheimhaltungsvorschriften umgegangen,

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Das weisen wir hier zurück! — Kleinert [Marburg] [GRÜNE/Bündnis 90]: Eine Unverschämtheit, diese Rede! Unglaublich!)

daß Gerichte es abgelehnt haben, uns als geheim eingestufte Akten zur Verfügung zu stellen. Damit haben Sie sich selbst ein Bein gestellt, was Sie aber nicht davon abhält, mit Unschuldsmiene der Öffentlichkeit zu erklären, die bösen Koalitionsparteien seien es, die den Fortgang der Ermittlungen erschwerten und verzögerten.
Sie haben das Ansehen des Parlaments in schlimmer Weise beeinträchtigt.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Es ist meines Wissens das erste Mal, daß Gerichte es abgelehnt haben, dem Parlament Akten zur Verfügung zu stellen, mit der Begründung, im Ausschuß säßen Abgeordnete, von denen nicht zu erwarten sei, daß sie sich an Gesetz und Recht hielten.

(Gansel [SPD]: Damit waren Sie gemeint!)

Aber das ist ja bei weitem nicht alles. Die Art und Weise, mit der Sie Zeugen, und zwar nicht nur Politiker, sondern auch Beamte, befragten, ließ häufig genug Fairneß und Anstand vermissen.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Wie bitte?)

Sie haben Zeugen, die sich nicht wehren konnten, vor und nach ihren Vernehmungen öffentlich diffamiert. Sie haben sich immer wieder angemaßt, darüber zu entscheiden, ob sich jemand strafbar gemacht habe, obwohl das allein die Gerichte zu entscheiden haben. Sie haben vor der UNO Ihr eigenes Land angeschwärzt,

(Gansel [SPD]: Oje, oje!)

und dann haben Sie noch die Stirn gehabt, im Zusammenhang mit der angeblichen Beteiligung des Bundeskanzleramts an illegalen Waffengeschäften von öffentlicher Hygiene zu reden. Sie selbst sind ein Problem für die parlamentarische Hygiene dieses Bundestages.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Das heften Sie sich mal an Ihr Revers!)

Meine Damen und Herren, nunmehr hat die Opposition angekündigt, sie werde nach der Wahl einen dritten Untersuchungsausschuß beantragen. Wir sehen dem mit Gelassenheit entgegen. Die SPD muß schließlich selbst entscheiden, mit welchem Stroh sie ihre Fraktionsmatratze stopfen will. Dann bekommt das Schauspiel eben noch einen dritten Akt. Nachdem es von der Opposition zunächst als Schurkenstück ins-



Eylmann
zeniert werden sollte, entwickelte es sich im zweiten Akt mehr und mehr zu einer Kriminalkomödie: der Abgeordnete Gansel als Möchtegern-Schimanski von der Wasserkante mit Thermosflasche und rotem Schlapphut

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

auf der Jagd nach dem Phantom der Meere, dem nicht existierenden U-Boot. Es könnte ja sein, meine Damen und Herren, daß die ganze Geschichte mit einer durchaus ironischen und reizvollen Volte endet, daß nämlich von den vielen, die mit Strafanzeigen und Strafverfahren bereits überzogen worden sind oder sie noch zu gewärtigen haben, als wirkliche Straftäter ausgerechnet diejenigen übrigbleiben und angeklagt werden, die sich jahrelang bemüht haben, andere vor den Kadi zu bringen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123201400
Das Wort zur Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID1123201500
Frau Präsidentin, Sie hatten eben gesagt, daß die Herbeirufung der Minister, die wir wünschen, veranlaßt wird. Ich stelle jetzt fest: Die CDU/CSU-Fraktion folgt der Aufforderung der Frau Präsidentin nicht, ein weiterer ungewöhnlicher Vorgang.
Ich stelle den Antrag, daß die Kollegen Stoltenberg und Waigel und je ein Vertreter des Kanzleramts und des Auswärtigen Amts herbeigerufen werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123201600
Herr Bohl!

Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1123201700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß ich nicht irgendwelche Äußerungen der Präsidentin konterkariert habe. Ich bin vielmehr gefragt worden, wie die CDU/CSU-Fraktion zu dem Begehren steht, daß hier weitere Regierungsmitglieder herbeigerufen werden sollen. Dazu muß ich folgendes sagen. Das ganze Bemühen der SPD in dieser Frage war ja seit Jahr und Tag, daß hier eine gewisse Vorverurteilung stattfindet,

(Dr. Penner [SPD]: Es geht jetzt um die Geschäftsordnung!)

und die Herbeizitierung der Minister soll ein weiterer Akt in diesem Spiel der Vorverurteilung sein.

(Hüser [GRÜNE/Bündnis 90]: Das ist unser parlamentarisches Recht! — Kleinert [Marburg] [GRÜNE/Bündnis 90]: Zur Geschäftsordnung!)

Sie möchten die Regierungsbank gern auch visuell in Ihre Taktik und Strategie der Verleumdung einspannen.

(Dr. Penner [SPD]: Das ist kein Beitrag zur Geschäftsordnung, Frau Präsidentin!)

Was ist Sache? Es ist Sache, daß in dieser Frage verschiedene Ministerien involviert sind.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE/Bündnis 90]: Zur Geschäftsordnung!)

Dazu gehört das Wirtschaftsministerium, dazu gehört das Finanzministerium, dazu gehört das Bundeskanzleramt.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Außenministerium! Kanzleramt! — Frau Beer [GRÜNE/ Bündnis 90]: Außenministerium gehört auch dazu!)

— Moment. — Diese drei Ministerien sind alle vertreten. Es ist das Wirtschaftsministerium vertreten, es ist das Finanzministerium vertreten, und es ist das Bundeskanzleramt vertreten.

(Gansel [SPD]: Und wo sind die verantwortlichen Minister? — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Richtig ist, daß das Auswärtige Amt bisher nicht vertreten ist.

(Gansel [SPD]: Wo ist das Kanzleramt, wo das grüne Licht gegeben wurde?)

Ich bin durchaus der Meinung, daß das Auswärtige Amt, wenn es Ihr Wunsch ist, vertreten sein kann.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Herr Kollege Bohl, es kommen von Ihnen nicht mehr! Sie können aufhören!)

Wenn das Ihr Wunsch ist, dann wird das hier selbstverständlich aufgegriffen und übermittelt. Ich gehe davon aus, daß das gar keine Probleme bereitet. Sie hätten das auch im Vorfeld sagen können.

(Lachen bei den GRÜNEN/Bündnis 90 — Hüser [GRÜNE/Bündnis 90]: Wie lange sind Sie denn schon hier?)

Ich bin deshalb der Meinung, daß Ihr Antrag hier völlig überflüssig ist und daß er nur dazu dient, Schau zu machen.

(Lambinus [SPD]: Lesen Sie einmal die Geschäftsordnung!)

Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß z. B. der Bundesfinanzminister einfach rein zeitlich nicht in der Lage sein wird, einem solchen Begehren Rechnung zu tragen.

(Hüser [GRÜNE/Bündnis 90]: Der kennt doch die Tagesordnung! — Dr. Penner [SPD]: Aber das ist doch selbstverständlich!)

Sie hätten uns das auch vorher mitteilen können. Dasselbe gilt auch für andere Regierungsmitglieder, deren gewünschte Anwesenheit Sie uns schon in unseren Vorbesprechungen hätten selbstverständlich ankündigen können, was alles unterblieben ist.

(Gansel [SPD]: Fünf Minuten!)

Mir wird gerade noch ein Zettel gereicht, daß Bundesfinanzminister Waigel nicht nur zeitlich verhindert ist. Er ist auch krank — er hat sich entschuldigt — , so daß Sie sicherlich Verständnis dafür haben werden, daß er nicht anwesend sein kann.

(Gansel [SPD]: Und Stoltenberg?)




Bohl
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Überzeugung — das darf ich sicherlich auch in Abstimmung mit dem Koalitionspartner sagen — , daß wir einer Herbeizitierung der Minister als Person nicht zustimmen. Sie sind im Ausschuß gehört worden, zum Teil sind sie als Zeugen gehört worden. Die Ministerien sind hier vertreten, und das muß eigentlich ausreichen, so daß wir jetzt über die Sache abstimmen können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Uwe Hüser (GRÜNE):
Rede ID: ID1123201800
Frau Präsidentin! Sehr veehrte Damen und Herren! Es ist schon ein Meisterstück, Herr Bohl, wie Sie fünf Minuten lang eigentlich nicht zur Sache geredet

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

und versucht haben, Zeit dafür zu gewinnen, daß die Mitglieder Ihrer Fraktion vom Langen Eugen hier herüberkommen konnten, damit Sie mit Ihrem Versuch Erfolg haben, die Bundesregierung von der Regierungsbank fernzuhalten, damit wir unser Recht nicht wahrnehmen können. Es wäre eine Verpflichtung der Bundesregierung gewesen, zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses der debattiert wird und der in der Öffentlichkeit sehr große Wellen geschlagen hat, Stellung zu nehmen. Es ist eine Unverschämtheit, wenn sich die betroffenen Minister, die in diesen Fall verwickelt waren, der Diskussion nicht stellen.
Es ist auch nur eine Ausrede, wenn Sie sagen, Herr Waigel habe keine Zeit. Die Tagesordnung und der Termin, wann hierüber debattiert werden sollte, stehen schon seit langem fest. Wir denken, es wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen, daß sich Herr Waigel und Herr Stoltenberg dieser Debatte stellen.

(Lowack [CDU/CSU]: Wir bedanken uns für den Beitrag!)

Es ist ein Armutszeugnis, wenn Sie versuchen, sich mit anderen Terminen herauszureden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Nein. Zum einen habe ich die Möglichkeit, fünf Minuten zu diesem Punkt zu reden. Zum anderen: Je mehr Leute von Ihrer Fraktion kommen, um so deutlicher macht das, daß Sie diesen Untersuchungsbericht nicht ernst nehmen. Dies in der Öffentlichkeit darzustellen ist eine Notwendigkeit und eine Verpflichtung. Ich betone noch einmal, daß es wirklich ein Armutszeugnis ist, daß sich die Regierung dieser Debatte nicht stellt. Wir wissen, daß wir diese Abstimmung verlieren werden. Aber nichtsdestotrotz wissen wir auch, daß wir mit unserem Antrag im Recht sind.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123201900
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen über den Antrag des Abgeordneten Ehmke ab. Wer stimmt für den Antrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? —

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Hammelsprung!)

Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte noch bekanntgeben, daß Herr Staatsminister Schäfer auf dem Weg hierher ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Stobbe.

Dietrich Stobbe (SPD):
Rede ID: ID1123202000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede, die der Herr Kollege Eylmann gehalten hat,

(Zurufe von der CDU/CSU: War sehr gut! — Klasse!)

war wirklich sehr aufschlußreich. Herr Eylmann ist immerhin der Vorsitzende des Ausschusses, auch wenn er eben als Mitglied seiner Fraktion gesprochen hat.
Diese Rede hat deutlich gemacht, aus welcher Gesinnung heraus die Mehrheit im Ausschuß diese Untersuchung betrieben hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Da war von einem Respekt gegenüber den im Grundgesetz verbrieften Rechten der Minderheit keine Spur.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

Seine Rede hat gezeigt, daß es der Mehrheit im Ausschuß nur um eines ging, nämlich in einer falsch verstandenen Loyalität die Regierung aus dem Fehlverhalten herauszupauken, das sie gezeigt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Sie haben beklagt, die Opposition hätte ein Interesse daran gehabt, eine parlamentarische Dauerveranstaltung über vier Jahre durchzuführen.

(Eylmann [CDU/CSU]: Richtig!)

Es ist genau umgekehrt: Sie haben in jeder Sitzung des Ausschusses dafür gesorgt, daß es Verzögerungen gab, daß Zeugeneinvernahmen nicht beschlossen werden konnten.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist doch glatt die Unwahrheit! — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Lowack, du warst doch gar nicht da!)

Die ganze Geschichte dieses Ausschusses beweist: Sie wollten verzögern. Jetzt stellen Sie sich hier hin und werfen uns so etwas vor.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN/ Bündnis 90)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123202100
Herr Abgeordneter Stobbe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eylmann?




Dietrich Stobbe (SPD):
Rede ID: ID1123202200
Nein, Frau Präsidentin. Ich gestatte sie deshalb nicht, weil ich wirklich verärgert bin

(Lowack [CDU/CSU]: Ach, machen Sie hier doch nicht den Schauspieler!)

über die Art und Weise, wie jemand, der einen Ausschuß geleitet hat, mit der Minderheit im Parlament umspringt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: So ist er!)

Meine Damen und Herren, heute zeigt sich eindringlicher als je zuvor, daß Rüstungsexport von Industrienationen in Länder der Dritten Welt der blanke politische Wahnsinn ist. Der Überfall des mit Hilfe der Industrienationen hochgerüsteten Irak auf Kuwait macht heute für jedermann in unserem Land einsichtig, daß den aus Rüstungsexporten resultierenden Gewinnen privater und staatseigener Betriebe am Ende weitaus höhere finanzielle Aufwendungen gegenüberstehen, dann nämlich, wenn die Gesamtheit der Bürger dieser Nationen zur Kasse gebeten werden müssen, um die Schadensbegrenzungsmaßnahmen zu finanzieren.

(Müller [Pleisweiler] [SPD]: Nur haben vorher andere kassiert! Das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren, was im Falle des Irak heute so eindringlich klar wird, war auch immer schon richtig, wenn es um Südafrika ging, weil das Apartheidregime aggressiv nach innen wie nach außen wirkt. Deshalb hatten die Vereinten Nationen das Rüstungsembargo gegen Südafrika beschlossen nach der Maxime: Keine militärische Zusammenarbeit mit einem Land, das seine innere Ordnung auf Rassismus aufbaut; keine Rüstungsgeschäfte mit einem Regime, das seine Militärmacht nach innen wie nach außen gegen das Völkerrecht einsetzt.
Das U-Boot-Geschäft mit Südafrika wäre nie zum Zuge gekommen, hätte Bundeskanzler Kohl bei seinem Gespräch mit dem südafrikanischen Staatspräsidenten Botha den Rüstungsembargobeschluß des UN-Sicherheitsrates rechtlich und politisch so ernst genommen, wie es erforderlich gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Seine Zusage einer wohlwollenden Prüfung des U-Boot-Geschäftes zweier deutscher Firmen ist mit dem Hinweis bei hochrangigen Besuchern auf international gebräuchliche Höflichkeitsformeln, auf die sich der Bundeskanzler herauszureden versucht hat, in keinster Weise zu rechtfertigen.

(Lowack [CDU/CSU]: Was ist das für ein Deutsch? — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das darf man heute sagen!)

Der Bundeskanzler hätte dem Vertreter Südafrikas unter Berufung auf das Rüstungsembargo der Vereinten Nationen mit einer klaren und eindeutigen Absage an U-Boot-Lieferungen nach Südafrika entgegentreten müssen. Das und nichts anderes, wäre seine Pflicht gewesen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

Deshalb hat es letztlich der Regierungschef dieser Regierung zu verantworten, daß der U-Boot-Skandal seinen Lauf nehmen konnte.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Der Bundeskanzler hat damit dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland schwer geschadet

(Lowack [CDU/CSU]: So ein Unfug!)

und in unserem Land die Zweifel bei vielen Bürgern verstärkt, ob uns diese Bundesregierung ausreichend vor den Gefahren schützt, die im Rüstungsexport liegen.
Mitglieder der Bundesregierung haben im Zusammenhang mit der Anbahnung des Geschäfts auf die Interessen der deutschen Werften verwiesen und damit das Arbeitsplatzargument verwendet, das in Verbindung mit Rüstungsexporten nach Südafrika schlechterdings unvertretbar ist.

(Beifall bei der SPD)

Das war im übrigen verlogen; denn im selben Jahr wollte die Bundesregierung die Hilfen für den Schiffsbau kürzen.

(Gansel [SPD]: So war es!)

Franz Josef Strauß hat mit maritimen, geostrategischen Thesen und Überzeugungen zur Rechtfertigung des Geschäftes aufgewartet, die auch zur Zeit des Kalten Krieges nur als grotesk hätten bezeichnet werden können.

(Frau Geiger [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)

Deshalb, meine Damen und Herren, steht für die SPD-Mitglieder im Untersuchungsausschuß fest: Es hat dieser Bundesregierung einfach an dem moralischen und politischen Rückgrat gefehlt, die Absichten von HDW und IKL sowie von Franz Josef Strauß klipp und klar zurückzuweisen.

(Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/ CSU]: Soll das ein Vorwurf sein?)

Statt dessen ist beklagenswerterweise festzustellen, daß sich die Bundesregierung in dem Zwielicht offensichtlich wohler gefühlt hat, ein heimlicher Verbündeter Südafrikas auf der Grundlage einer militärischen Zusammenarbeit in einem wichtigen Rüstungssektor zu werden.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist doch ganz dummes Zeug!)

Das ist der Kernpunkt unserer Kritik am Bundeskanzler und an der Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Eylmann [CDU/CSU]: Tatsachen! — Austermann [CDU/CSU]: Das ist nicht viel!)

— Wenn Herr Eylmann dazu ruft „das ist nicht viel" — dieses Zwielicht —,

(Eylmann [CDU/CSU]: Ich habe Tatsachen verlangt!)

dann kann ich nur sagen, meine Damen und Herren:
Das zeigt, daß Sie auch heute noch die Entscheidungen der UNO nicht ernst nehmen, und das in einer



Stobbe
Zeit, wo wir alle darauf angewiesen sind, daß sich die UNO mit ihrer Politik gegenüber einem neuen Aggressor in der Welt durchsetzt.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ferner ist beklagenswerterweise festzustellen, daß sich die Bundesregierung offensichtlich wirklich darangemacht hatte, dieses Geschäft wohlwollend zu prüfen. Sie hat aber auch durch Staatssekretär Schreckenberger nach unserer Auffassung tatsächlich grünes Licht für die Abwicklung des Geschäfts gegeben; so hat es auch das Landgericht Kiel gesehen. Das entnehmen wir vor allen Dingen den Aufzeichnungen der Firmen. Das ist aber auch unsere Bewertung der Ausführungen des Staatssekretärs im Untersuchungsausschuß, selbst wenn sich dieser darauf herausgeredet hat, er habe den Firmen nur eine echte Vertagung und nicht die politische Zustimmung des Bundeskanzlers signalisiert. Alle, die die Berichte des Ausschusses lesen, können sich selbst ein Bild von der Abfolge der Entscheidungen im Kanzleramt und von den unserem Bericht zugrunde liegenden Dokumenten und Zeugenaussagen machen.
Die Mehrheit im Untersuchungsausschuß hat es allerdings zu verantworten, daß eine Gegenüberstellung von Mitgliedern und Mitarbeitern der Bundesregierung und von Firmenvertretern nicht zustande kam,

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist doch glatter Unfug!)

weil die Mehrheit den Managern der Firma ein generelles Aussageverweigerungsrecht zugestanden hat.

(Eylmann [CDU/CSU]: Das steht ihnen nach dem Gesetz ja auch zu!)

Es ist wahr, daß unsere Untersuchung deshalb an dieser Stelle letztlich steckenbleiben mußte. Das aber war von der Mehrheit im Untersuchungsausschuß politisch so gewollt.

(Beifall bei der SPD — Eylmann [CDU/CSU]: Das ist die Unwahrheit! — Austermann [CDU/CSU]: Was für ein Rechtsverständnis ist das denn?)

Meine Damen und Herren, es gibt eine Fülle von anderen Beweisen dafür, daß die Bundesregierung das Geschäft zumindest tolerieren wollte. Der Hinweis der Mehrheit im Untersuchungsausschuß, daß die Bundesregierung schon deshalb von politischer und strafrechtlicher Mitverantwortung freizustellen sei, weil das Exportgeschäft von den beteiligten Firmen niemals bei den zuständigen Bundesbehörden beantragt worden sei — Herr Eylmann hat diese These ja hier eben noch einmal wiederholt — , ist geradezu dreist und dient nur der Verschleierung des wahren Sachverhaltes.

(Eylmann [CDU/CSU]: Tatsachen!)

Denn die Firmen hatten niemals die Absicht, das Exportgeschäft auf gesetzlicher Grundlage abzuwikkeln. Das beweisen die Akten nun wirklich. Die Firmen wollten von Anfang an eine politische Genehmigung durch die Bundesregierung; sie wollten das berühmte grüne Licht.

(Eylmann [CDU/CSU]: Das haben sie nicht bekommen!)

Hätte die Bundesregierung dieses Rüstungsexportgeschäft als völkerrechtswidrig und als im Sinne des deutschen Rechts ungesetzlich eingestuft, dann hätte Staatssekretär Schreckenberger, dann hätten mehrere Bundesminister, dann hätten viele Mitarbeiter der Bundesregierung zum Telefon greifen müssen,

(Austermann [CDU/CSU]: Wie viele „hätte" waren das jetzt?)

um den Staatsanwalt zu informieren. Aber nichts dergleichen geschah.

(Beifall bei der SPD — Lowack [CDU/CSU]: Ein großer Krampf!)

Wir haben in unserem Bericht im Gegenteil eine große Zahl von Unterlassungen der Bundesregierung registrieren müssen, nachdem ihr der Vertragsabschluß und der Beginn der Lieferungen bekannt geworden waren. Nach dem Gespräch der Firmenvertreter mit Bundesminister Bangemann kam es nicht zu einer Beendigung des Rüstungsexportgeschäfts. Es gab keine Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen durch die Bundesregierung. Es gab eine geradezu beängstigende Untätigkeit der Bundesregierung in ihrer Eigentümerverantwortung für HDW.

(Gansel [SPD]: Stoltenberg!)

Es gab keine Maßnahmen gegen die Kurierdienste der südafrikanischen Botschaft. Hinzu kommen klare Rechts- und Ermittlungsfehler der OFD Kiel, schließlich sogar Behinderungen der Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.
Deshalb ist es offensichtlich, daß die Bundesregierung die Lieferung von U-Boot-Unterlagen an Südafrika nicht nur wohlwollend geprüft hat und daß sie nicht nur grünes Licht für die Aufnahme des Geschäfts signalisiert hat, sondern auch dessen Abwicklung nicht verhindern wollte.
Meine Damen und Herren, hätte ich es in all den Jahren im Untersuchungsausschuß nicht selbst miterlebt, hätte ich es wahrscheinlich so ohne weiteres nicht glauben können. Aber die Wahrheit ist in diesem Fall, daß die Bundesregierung in der Phase der Anbahnung des Geschäfts entgegen der klaren Völkerrechtslage die politischen Weichen falsch gestellt hat und während der Abwicklung des Geschäfts rechtswidrig untätig geblieben ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

Das Ergebnis dieses Verhaltens ist eine moralische und politische Diskreditierung der Bundesregierung auf dem hochsensiblen Gebiet des Rüstungsexports,

(Lowack [CDU/CSU]: So ein Unfug, Kollege Stobbe!)

dort, wo gerade von der Bundesrepublik Deutschland
sowohl vor dem Hintergrund unserer Geschichte wie
auch vor dem Hintergrund der weltpolitischen Not-



Stobbe
wendigkeiten die höchste und penibelste Beachtung des Völkerrechts erwartet werden muß.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Diesem Versagen der Bundesregierung werden wir Sozialdemokraten auch weiterhin unsere entschiedene Kritik und unser entschlossenes Bekenntnis zur Beachtung des Völkerrechts entgegensetzen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir haben darüber hinaus zu beklagen, daß wir in unseren Untersuchungen im Rahmen der uns vom Grundgesetz zugestandenen Möglichkeiten als Minderheit von der Mehrheit im Ausschuß fortgesetzt auf das schwerste behindert worden sind.

(Lowack [CDU/CSU]: Und das vier Jahre lang?)

Ein künftiges Untersuchungsausschuß-Gesetz des Deutschen Bundestages muß damit Schluß machen, daß Geschäftsordnungsmehrheiten in einem Untersuchungsausschuß das vom Grundgesetz garantierte Minderheitenrecht letztlich aushebeln.

(Beifall bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: Warum habt ihr dann dem Gesetz nicht zugestimmt?)

— Nein, Herr Bohl, wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen; es bringt zwar in einem Punkt eine Verbesserung, aber es bringt uns gerade in den sensiblen Punkten des Verfahrens in Untersuchungsausschüssen nicht weiter.

(Bohl [CDU/CSU]: Aber eure Mitglieder im Ausschuß haben doch zugestimmt!)

Das zeigt dieser Untersuchungsausschuß, dessen Arbeit nunmehr beendet ist.

(Abg. Bohl [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123202300
Herr Stobbe, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dietrich Stobbe (SPD):
Rede ID: ID1123202400
Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende bringen.

(Austermann [CDU/CSU]: Das begrüßen wir sehr!)

Ein solches Gesetz muß auch damit Schluß machen, daß eine Regierung, gegen die sich eine solche Untersuchung richtet, durch das „Geheim"-Stempeln von sie belastendem Material freigewählte Abgeordnete, die diese Untersuchung durchführen, mattsetzen kann. Das ist in diesem Ausschuß auch passiert.

(Beifall bei der SPD — Lowack [CDU/CSU]: Wer hat denn „Geheim" gestempelt? Was Sie hier vortragen, ist doch Unsinn!)

Lassen Sie mich abschließend zur Sache — denn sie ist letzten Endes noch wichtiger als die Verfahrensfragen — folgendes sagen: Die Bundesrepublik Deutschland hat UN-Beschlüsse ernst zu nehmen. Sie muß das Rüstungsembargo gegen Südafrika strengstens beachten. Im Falle des U-Boot-Geschäfts mit Südafrika hat die Bundesregierung politisch und rechtlich glatt versagt. Das ist das Ergebnis dieser Untersuchung aus
der Sicht der SPD-Mitglieder im Untersuchungsausschuß.

(Eylmann [CDU/CSU]: Das stand doch für Sie schon vorher fest!)

— Der Herr Vorsitzende sagt, dies habe für uns schon vorher festgestanden.

(Eylmann [CDU/CSU]: Richtig!)

Lieber Herr Eylmann, wer eine solche Behauptung aufstellt, zeigt auch, daß er der Minderheit im Untersuchungsausschuß gar nicht erst zubilligt, daß sie eine echte parlamentarische Kontrolle durchführen will.

(Beifall bei der SPD — Eylmann [CDU/CSU]: Sie kennen wohl Ihre eigenen Erklärungen von vor vier Jahren nicht mehr! Lesen Sie sie doch mal! — Lowack [CDU/CSU]: Sie haben doch mit Scheuklappen gearbeitet!)

Entgegen der offiziell verkündeten Politik war die Bundesregierung tatsächlich bereit, an einer Umgehung und an einer Verletzung des UN-Rüstungsembargos mitzuwirken. Sie hat die Verantwortlichen des Rüstungsgeschäfts mit Südafrika geschützt, ihre Verfolgung nach Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht verzögert und erschwert und ihre Mitverantwortung für die erfolgten Lieferungen zu verdecken versucht. Die Bundesregierung hat damit hinter den Kulissen eine andere Politik gemacht, als sie sie in der Öffentlichkeit vertritt.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es!)

Die Bundesregierung hat die Autorität der Vereinten Nationen beschädigt. Sie hat sich so verhalten, daß das Apartheidregime Südafrikas militärisch und politisch Nutzen daraus ziehen konnte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

Die Bundesregierung hat durch eine neue Auslegung des Außenwirtschaftsrechts die Kontrolle von Rüstungsexporten

(Lowack [CDU/CSU]: Und der Kollege Stobbe hat die Kontrolle über sich verloren!)

und die Einhaltung gegenwärtiger und zukünftiger Embargo-Beschlüsse der Vereinten Nationen erheblich erschwert. Sie hat dem internationalen Ansehen und den Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich geschadet, und sie hat damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat erschüttert.

(Beifall bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: Alles Sprechblasen!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123202500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Seiler-Albring.

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1123202600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Stobbe, ich war immer heilfroh, wenn Sie im Untersuchungsausschuß an der Seite Ihres Obmanns saßen. Dann gab es wenigstens eine gewisse Gewähr dafür, daß die Atmosphäre nicht gleich in eine Art von Körperverletzung ausar-



Frau Seiler-Albring
tete. Nach Ihrem heutigen Beitrag muß ich dieses positive Bild, glaube ich, etwas revidieren.

(Lowack [CDU/CSU]: Ja, was den Ausschuß betrifft, ist das richtig! Deswegen mußte er heute soviel zulegen!)

Meine Damen und Herren, 90 Minuten sind im Prinzip zu lang, um über das Ergebnis der Sacharbeit des U-Boot-Untersuchungsausschusses zu berichten. 90 Minuten sind andererseits viel zu kurz, um die politische Farce darzustellen, zu der ein Untersuchungsausschuß werden kann, wenn er

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Von Ihnen dazu gemacht wird!)

von Kollegen aus diesem Hause wie von den Kollegen Gansel und Frau Eid — von Angelika Beer ganz zu schweigen — betrieben wird.

(Lowack [CDU/CSU]: Sehr wahr! Leider!)

Ich denke, bei etwas Vernunft auf beiden Seiten hätten wir hier heute gemeinsam folgendes feststellen können:
Erstens. Wenn die beteiligten Unternehmen Howaldtswerke Deutsche Werft AG, seinerzeit in unmittelbarem Bundesbesitz, und das Ingenieurkontor Lübeck, wie unbestritten ist, es unternommen haben, eine förmliche Genehmigung für das U-Boot-Blaupausen-Geschäft zu erlangen, ist das nicht von vornherein illegitim. Wie sich die Bundesregierung dazu verhalten hat, ist einwandfrei. Eine förmliche Genehmigung ist nie in Aussicht gestellt worden.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Es wurde augenzwinkernd grünes Licht gegeben! — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Man sollte nie „nie" sagen!)

Sie ist deswegen nie beantragt worden. Sogar die SPD scheint auf dem Weg der Besserung zu sein, denn zum erstenmal gibt sie dies in ihrem abweichenden Votum ja auch zu.

(Gansel [SPD]: Das ist gar nicht das Problem! Grünes Licht war es!)

Zweitens. Wenn HDW und IKL auf eine informelle Genehmigung, quasi mit Augenzwinkern, gehofft haben, ist das ihre Sache.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie haben sie augenzwinkernd gekriegt!)

Damit das ganz klar ist: So etwas der Bundesregierung anzusinnen war eine Zumutung.

(Zustimmung des Abg. Lowack [CDU/CSU] — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Warum hat man dann Zoglmann nicht hinausgeschmissen, als er gekommen ist?)

— Über die Portierleistungen in den verschiedenen Häusern kann ich Ihnen leider nichts berichten, Herr Kollege Jungmann.

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Aber die Minister haben auch noch Türen!)

Bundesminister Genscher, Bundesminister Stoltenberg, Beamte des Wirtschaftsministeriums, des Bundesfinanzministeriums, des Auswärtigen Amtes, alle haben das eindeutig und klar abgelehnt. Was will die
Opposition denn mehr? Gegenteilige Behauptungen über ein etwaiges kollusives Zusammenwirken sind barer Unsinn und durch nichts erwiesen. Wenn Untersuchungsausschüsse tatsächlich einen Sinn haben, dann muß eigentlich auch die Opposition bereit sein, für sie negative Beweisergebnisse irgendwann einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Die Mehrheit darf nicht den Vorsitz haben!)

Drittens. Wenn die Unternehmen IKL und HDW, wofür manche Anhaltspunkte bestehen mögen, die U-Boot-Blaupausen trotz fehlender Genehmigung und in Erwartung des sogenannten grünen Lichts oder in der Hoffnung darauf bereits nach Südafrika geliefert haben, ist das eindeutig und klar zu mißbilligen. Auch insofern wiederhole ich nur das, was für die FDP-Fraktion an den verschiedensten Stellen, auch hier im Deutschen Bundestag, erklärt worden ist. Wie jeder weiß, der dabei war, hat Staatssekretär Professor Dr. Schreckenberger bereits am 17. Oktober 1984 das Verhalten der Unternehmen mißbilligt. Was kann eigentlich unter rechtschaffenen Leuten mehr erwartet werden als die daraus zu ziehende Konsequenz, daß das Geschäft eingestellt wird? Wer anders denkt, erlaubt Rückschlüsse auf seinen eigenen Charakter.

(Beifall des Abg. Lowack [CDU/CSU])

Viertens. Die Bundesregierung hat nach Bekanntwerden der Lieferungen alles getan, um den Sachverhalt aufzuklären. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat eigene Ermittlungen angestellt. Die Sache ist an die zuständige Oberfinanzdirektion Kiel abgegeben worden. Alle Behauptungen, die Bundesregierung habe die Befassung der zuständigen Staatsanwaltschaft Kiel verhindert oder behindert, sind einfach haltlos.

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Ariel wäscht rein, Frau Seiler-Albring wäscht reiner!)

— Wer schreit, hat unrecht, Horst Jungmann.

(Lowack [CDU/CSU]: Richtig!)

Wozu brauchen wir eigentlich noch eine Beweisaufnahme in einem Untersuchungsausschuß, wenn die Oppositionsvertreter die Ergebnisse der Beweisaufnahme einfach nicht zur Kenntnis nehmen und sich ihre eigene Wahrheit zimmern?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lowack [CDU/CSU]: Richtig! Genau das ist das Problem!)

Was soll denn das staatsmännische Gehabe von der Pflicht der Opposition, die Bundesregierung zu kritisieren, wenn der Sachverhalt wider bessere Einsicht unvollständig, verdreht, letztlich vorsätzlich verfälscht wiedergegeben wird und wenn auf dieser Grundlage ein falsches Bild in der Öffentlichkeit gezeichnet wird?

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Geben Sie die Akten heraus, dann werden wir sehen, wer gefälscht hat!)

Für uns liegt ein wesentlicher Teil des Skandals in dem Verhalten der Opposition.



Frau Seiler-Albring
Fünftens. Die Bundesregierung hat im Einklang mit ihrer seit langem verfolgten Südafrikapolitik gegen Apartheid, für Menschenrechte und auch für strikte Einhaltung des Waffenembargos gegenüber Südafrika gehandelt. Wir wollen nicht, daß U-Boote deutscher Herkunft oder mit deutschen Plänen gebaute U-Boote in den Händen der Südafrikaner sind.

(Frau Saibold [GRÜNE/Bündnis 90]: Hört! Hört! — Verheugen [SPD]: Zu spät!)

Deswegen hat die Bundesregierung in den Vorgesprächen das Ansinnen der Unternehmen abgelehnt, insbesondere und mehrfach der Bundesaußenminister. Eine Genehmigung für das Geschäft ist nicht in Aussicht gestellt worden. Sie ist nie erteilt worden.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Grünes Licht! — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das haben Sie schon einmal gesagt! Deswegen wird es nicht wahrer!)

Sechstens. Das Verhalten der Unternehmen war vom Untersuchungsausschuß nicht abschließend zu untersuchen. Dazu gab der Untersuchungsauftrag nichts her. Das Bundesverfassungsgericht hat das so bestätigt. Das Verhalten der Unternehmen ist von unabhängigen Gerichten, von Staatsanwaltschaften und von der Oberfinanzdirektion in den letzten mehr als fünf Jahren — seit Herbst 1985 — intensiv geprüft worden. Das Ergebnis entspricht dem, was die Bundesregierung bereits 1985 festgestellt hatte:

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Wieviel ist denn an Schmiergeldern geflossen?)

Es besteht der Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit nach Außenwirtschaftsrecht.
Mich stimmt es schon sehr nachdenklich, wenn insbesondere die SPD, nicht nur Herr Gansel, sondern speziell auch der SPD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende, zu einer Treibjagd gegen die Unternehmen aufgerufen haben.

(Lowack [CDU/CSU]: Leider wahr! — Austermann [CDU/CSU]: Das ist der einzige Lebenszweck dieser Burschen!)

Dabei war es doch eine der sozialliberalen Errungenschaften in den 70er Jahren, die Entkriminalisierung des Verwaltungsunrechts betrieben und die früher viel weitergehenden Strafbestimmungen auf den strafrechtlich relevanten Kern begrenzt zu haben. Ich denke, hier zeigt sich bei der SPD wie in so vielen Dingen ein gewandeltes Rechtsverständnis.

(Austermann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Angesichts der bestehenden Rechtslage grenzt die Forderung nach Strafverfolgung an die Aufforderung zur Verfolgung Unschuldiger. Damit bezwecken Sie nur eine Strafverfolgung aus politischen Gründen.

(Verheugen [SPD]: Haben Sie im Ausschuß fünf Jahre lang geschlafen?)

Der Staatsanwalt soll zum Büttel Ihrer Parteipolitik gemacht werden.

(Widerspruch bei der SPD)

Es wäre schon sehr interessant, zu wissen, wie weit die politische Einflußnahme des schleswig-holsteinischen Justizministers Klinger

(Austermann [CDU/CSU]: Ist das der, der in Mecklenburg verloren hat?)

und des von ihm berufenen Generalstaatsanwalts in Schleswig, Heribert Ostendorf, gegangen ist. Ich halte es für eine Pflicht der Opposition in Kiel, diesen Vorgängen nachzugehen.
Dazu gehört auch, daß nunmehr die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Herrn Engholm, agierend durch den Innenminister Bull, sogar das Landgericht Kiel durch schlechthin unzulässige, sogar unsinnige Anträge — was noch schlimmer ist — mit öffentlicher Pressebegleitung unter Druck zu setzen versucht.

(Austermann [CDU/CSU]: Ganz schlimm!)

Siebtens. Die FDP hat immer begrüßt und für nötig gehalten, daß das Verhalten der Unternehmen untersucht wird, und zwar nach rechtsstaatlichen Grundsätzen. Diese verlangen nun mal einen hinreichenden Tatverdacht, und wenn Ihnen das nicht paßt, ist das Ihre Sache. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ist das aber so.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wie von Anfang an die Bundesregierung hat nunmehr auch das Landgericht Kiel einen hinreichenden Tatverdacht auf Geheimnisverrat verneint. Eine Straftat nach Außenwirtschaftsrecht kommt — trotz der Agitation von Norbert Gansel bei den Vereinten Nationen —

(Lowack [CDU/CSU]: Eine Ungeheuerlichkeit! — Austermann [CDU/CSU]: Nestbeschmutzer!)

nicht in Betracht.

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das ist ein Skandal!)

Wir müssen nunmehr abwarten, ob sich der Anfangsverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach Durcharbeitung der umfänglichen Akten durch die Oberfinanzdirektion in Kiel bestätigt oder nicht.
Ich weiß natürlich, daß die SPD und die GRÜNEN das nicht für ausreichend halten und auch jetzt schon glauben, die Oberfinanzdirektion Kiel

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Die bunkert die restlichen Akten!)

vorverurteilen zu müssen, wie üblich. Nur scheint mir deren Sachbearbeitung des Falles nach rechtsstaatlichen Methoden vertrauenserweckender zu sein als das Verhalten dieser Oppositionsabgeordneten, die selbst im Verdacht stehen, Geheimnisverrat begangen zu haben.

(Lowack [CDU/CSU]: So ist es!)

Damit komme ich zum zweiten Teil, dem eigentlichen Skandal. Die SPD hat sich — getrieben von den GRÜNEN — dazu herabgelassen, das Untersuchungsverfahren zu denaturieren. Von Aufklärung war keine Spur. Agitiert wurde ausschließlich nach



Frau Seiler-Albring
dem Motto: Was bringt uns politischen Nutzen? Das Untersuchungsverfahren war häufig eine Farce.

(Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das ist leider wahr!)

Ich will an dieser Stelle einflechten, daß es zunächst der langmütigen Geduld und dann dem energischen Eingreifen des Vorsitzenden Horst Eylmann zu verdanken ist, daß das Untersuchungsverfahren in den öffentlichen Beweisaufnahmen nicht in eine Zeugenbeschimpfung entartet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich zolle ihm und auch den Mitarbeitern des Sekretariats des Untersuchungsausschusses meinen vollen Dank für eine Arbeit, die schwieriger war — wenn Sie mir den Vergleich gestatten — , als eine Herde störrischer Esel zu hüten. Ich nehme uns davon manchmal durchaus nicht aus.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123202700
Frau Abgeordnete Seiler-Albring, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ullmann?

Ursula Seiler-Albring (FDP):
Rede ID: ID1123202800
Nein, ich gestatte aus dem einfachen Grund keine Zwischenfrage, daß der Kollege Stobbe dies auch nicht getan hat.

(Zustimmung bei der FDP und der CDU/CSU)

Selbst wenn der Kollege Stobbe eine Zwischenfrage zugelassen hätte: nach dem unsäglichen Auftreten Ihres Obmanns im Frühstücksfernsehen in dieser Woche, als er von „brutalem Mißbrauch der Rechte der Mehrheit" gesprochen hat,

(Verheugen [SPD]: So war es doch!)

habe ich mich entschlossen, hier „brutal" von meinem Recht Gebrauch zu machen und Zwischenfragen von Ihrer Seite nicht zuzulassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Conradi [SPD]: Frühstücksfernsehen ist amüsanter als das hier! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Sie haben doch in vier Jahren die Möglichkeit gehabt, im Untersuchungsausschuß so viel zu schreien, wie Sie wollten. Nehmen Sie doch die Kraft noch zusammen und hören Sie mir kurz zu. Es dauert auch nicht mehr lange.

(Zuruf des Abg. Gansel [SPD])

— Dieser Ausschuß war eine Zumutung, Herr Kollege Gansel, und Sie an der Spitze.

(Bohl [CDU/CSU]: Ja, richtig!)

Zuletzt hatte sich der Ausschußvorsitzende, zuallerletzt auch noch der gesamte Ausschuß damit zu beschäftigen, daß Norbert Gansel und Ursula Eid als Berichterstatter der Oppositionsfraktionen sich weigerten, den Bericht des Ausschusses mit dem Bericht der Mehrheit zu unterzeichnen.

(Bohl [CDU/CSU]: Streng rechtsstaatlich!)

Bei Norbert Gansel lag es daran, daß er mit seinem Bericht nicht fertig geworden war, bei Uschi Eid daran, daß sie die Meinung der Mehrheit nicht zur Kenntnis nehmen wollte.
Das nächste Erwähnenswerte ist die Agitation insbesondere von Norbert Gansel bei den Vereinten Nationen, die sich dann tatsächlich fast in der Herbeiführung eines Schadens für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland niedergeschlagen hätte.
Durch den unsäglichen Auftritt von Norbert Gansel bei den Vereinten Nationen sollten die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung nach bundesdeutschem Recht willkürlich herbeigeführt werden, nachdem die Reaktionen der Vereinten Nationen und der ausländischen Staaten nach dem Bekanntwerden der U-Boot-Blaupausen-Lieferungen zwar nicht angenehm, aber der tatsächlichen Sachlage durchaus angemessen waren.
Wir wissen, daß auch die Abgeordneten der GRÜNEN vergleichbare Aktionen unternommen haben.

(Lowack [CDU/CSU]: Unglaublich! — Dr. Soell [SPD]: Sowas von Schönfärberei!)

— Waren Sie mal bei uns im Ausschuß? Das hätten Sie sich wirklich antun sollen.

(Dr. Soell [SPD]: Ich habe gerade die Rede von Herrn Gansel gelesen!)

— Wenn es der Kollege Gansel bei einer Rede belassen hätte, dann wäre das ja alles zu ertragen gewesen. Aber er hat es leider nicht. Also!

(Dr. Soell [SPD]: Sowas von Zurückhaltung hätten Sie in dem anderen Untersuchungsausschuß nicht geübt!)

Ein weiteres Stück aus dem Tollhaus ist der — milde formuliert — Verdacht des leichtfertigen bzw. — bei den Abgeordneten der GRÜNEN Eid und Beer — vorsätzlichen Verletzung vom Geheimhaltungspflichten. Merkwürdigerweise sind die, die andere über Jahre hinweg vorverurteilen, sehr empfindlich, wenn es um die angebliche eigene Vorverurteilung geht.
Hier geht es darum, daß die Staatsanwaltschaften zu Recht die Frage nach der Einleitung von Ermittlungsverfahren gestellt haben. Hätten die Kolleginnen Eid und Beer ein gutes Gewissen, könnten sie den Ausgang dieser Verfahren in Ruhe abwarten.
Ein besonders böser Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens liegt in der Behandlung von Zeugen durch SPD und GRÜNE. Wer Zeugen vor oder nach der Vernehmung so bezeichnet, wie es die SPD und die GRÜNEN gemacht haben, hat von den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens
— und mag er sich selber noch so sehr als Juristen oder Prädikatsjuristen bezeichnen — wirklich keine Ahnung.

(Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE/Bündnis 90]: Kommen Sie doch mal wieder hervor! Sie tauchen genauso ab wie die U-Boote!)

Man muß den Herrn Teltschik ja nicht mögen; aber so, wie Sie mit Herrn Teltschik umgegangen sind, wollten Sie nur einen Beamten unter Druck setzen und in der Öffentlichkeit unglaubwürdig machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lowack [CDU/CSU]: Genauso war es! — Gansel [SPD]: Hat er die Akten nun vernichtet oder nicht? — Kuhlwein [SPD]: Wo sind die Akten?)




Frau Seiler-Albring
Ein weiteres Beispiel für den „sorgfältigen Umgang" mit Zeugen ist z. B., daß die GRÜNEN Zeugen vor ihrer Vernehmung als „Mitglieder einer Waffenschieberbande im Bundeskanzleramt" bezeichnet haben.

(Kuhlwein [SPD]: Das ist beinahe treffend!) Es bleibt einem eigentlich fast die Spucke weg!

Bedauerlich ist dabei, daß es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der ARD offensichtlich nicht gelingt, bei dem politischen Magazin „Monitor" wenigstens im Grundsatz eine faire Berichterstattung durchzusetzen.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE/Bündnis 90]: Das muß seine Gründe haben!)

Das, was sich dieses Magazin am Dienstag dieser Woche geleistet hat, steht dem, was Norbert Gansel, Uschi Eid und Angelika Beer in den vergangenen vier Jahren zusammen bewirkt haben, an Unaufrichtigkeit und Abwegigkeit nicht nach.

(Lowack [CDU/CSU]: Richtig! Leider keine Objektivität bei „Monitor" !)

Zu formulieren, Bundesaußenminister Genscher sei für den außenpolitischen Schaden verantwortlich, ist eine infame Verdrehung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Es ist dem Auswärtigen Amt und dem Bundesaußenminister zu verdanken, durch seinen erfolgreichen diplomatischen Einsatz die Glaubwürdigkeit der Südafrikapolitik der Bundesregierung erhalten

(Dr. Soell [SPD]: Hat er die Mehrheit der Koalition gefunden?)

und den Schaden durch das Auftreten von Norbert Gansel vor den Vereinten Nationen in Grenzen gehalten zu haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuß ist am Ende seiner Arbeit. SPD und GRÜNE behaupten, nicht alle maßgeblichen Unterlagen ausgewertet haben zu können.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es! 500 Aktenordner stehen bei der OFD!)

Richtig ist daran, daß in der Tat die auf Grund der Beschlagnahmeaktion der Staatswaltschaft Kiel vorhandenen Akten dem Untersuchungsausschuß nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Aber Sie verschweigen, daß dies auf Ihr eigenes Verschulden zurückzuführen ist.

(Lowack [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie stehen im Verdacht des vorsätzlichen oder leichtfertigen Bruchs von Geheimhaltungspflichten. Wenn
deswegen Staatsanwaltschaften und Gerichte Akten
zurückhalten, bedaure ich dies, habe dafür aber Verständnis.

(Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE/Bündnis 90]: Die Rede haben Sie aber geschickt aufgebaut!)

Natürlich ist es unbefriedigend, wenn dadurch die Arbeit von Untersuchungsausschüssen leidet. Nur gehe ich davon aus, daß die Staatsanwaltschaft Kiel der Staatsanwaltschaft Bonn alles, was für die Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Kiel von Bedeutung ist, zur Verfügung gestellt hat. Wenn alles übrige, was uns unbekannt ist, die Qualität dieser Unterlagen hat, können wir guten Gewissens auf sie verzichten.
Wir wollen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Südafrikapolitik der Bundesregierung und der Bereitschaft der Bundesregierung, internationale Verträge und Verpflichtungen einzuhalten und umzusetzen. Wir hätten uns deswegen einen seriösen und rechtsstaatlich einwandfrei arbeitenden Untersuchungsausschuß gewünscht.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Wir auch!) Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123202900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Eid.

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123203000
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Mit der heutigen Debatte wollen die Koalitionsfraktionen den Schleier des Vergessens über den U-BootSkandal ziehen. Die Verfehlungen Bonner Spitzenpolitiker und die Gesetzesverstöße der U-Boot-Bauer sollen ungeahndet bleiben. Aber das letzte Wort in dieser Affäre ist mit Sicherheit noch nicht gesprochen. Es gibt zwei Fraktionen, die die Aufklärung dieses Skandals wollen. Wir, die GRÜNEN, werden keine Ruhe geben, um mit geeigneten parlamentarischen Mitteln die offenen Fragen über die Verwicklung von Regierungsmitgliedern in dieses Waffengeschäft zu klären.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD sowie bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

Warum geben wir uns nicht zufrieden mit der Fülle an Erkenntnissen, die die Regierung belasten und die wir seit vier Jahren durch hartnäckige Arbeit herausgefunden haben?

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist eine gute Frage! Die möchte ich auch gerne beantwortet haben!)

Dies liegt einfach an der besonderen Qualität und Brisanz dieses Rüstungsexportgeschäfts; denn in der Geschichte der Bundesrepublik ist dies der erste bekanntgewordene Fall, in dem fast das halbe Bundeskabinett in illegale Waffengeschäfte verstrickt ist.

(Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es! — Oh-Rufe bei der CDU/ CSU — Bohl [CDU/CSU]: Uschi, mach doch keinen Quatsch!)




Frau Eid
Seit 1983, Herr Bohl, war den Ministern Stoltenberg und Genscher sowie dem ehemaligen Minister Wörner das Ansinnen der Firmen IKL und HDW bekannt, U-Boot-Pläne über Diplomatengepäck der südafrikanischen Botschaft in Bonn nach Südafrika zu schaffen.

(Gansel [SPD]: So war es!)

Die Minister haben nichts getan, um dieses Geschäft zu verhindern.

(Eylmann [CDU/CSU]: Falsch!)

Nach unseren Erkenntnissen war im Bundeskanzleramt sehr wohl, Frau Seiler-Albring, ein Waffenschieberring am Werk.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

Auch wenn der Bundeskanzler, Herr Teltschik und Herr Schreckenberger diesen Begriff nicht gern hören, bleibe ich bei dieser Feststellung und möchte sie erneut begründen.
Erstens. Kohl, Teltschik und Schreckenberger haben sich mit erheblicher Energie und Ausdauer dem Geschäft „U-Boote nach Südafrika" gewidmet. Der Kanzler hat mit fremden Staatsoberhäuptern, mit Ministern seines Kabinetts, mit den Beamten des Kanzleramts und mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten ausgiebig über das U-Boot-Projekt verhandelt.

(Austermann [CDU/CSU]: Die Stasi war auch noch dabei!)

Zweitens. Der Kanzler war Adressat und Empfänger mehrerer Briefe des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, die in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen.

(Eylmann [CDU/CSU]: Das ist ja noch nicht ehrenrührig!)

In den beiden bekanntgewordenen Briefen, deren Originale — man höre und staune — im Bundeskanzleramt im Reißwolf vernichtet worden sind, legte Strauß nieder, daß der Kanzler das U-Boot-Geschäft befürwortet und genehmigt hat und daß er sogar über die konkreten Liefertermine, das Inkrafttreten des Vertrags und über die Einzelheiten des Vertragsinhalts informiert war.
Diese Strauß-Briefe beweisen, daß der Kanzler nicht erst, wie er selber behauptet, 1985, sondern bereits im Sommer 1984 über alle wesentlichen Aspekte des U-Boot-Geschäfts informiert war.
Der U-Boot-Deal war Chefsache im Bundeskanzleramt. Helmut Kohl war nach diesen Briefen der Dreh- und Angelpunkt beim U-Boot-Geschäft.
Der Bundeskanzler hat bei seiner Zeugenaussage versucht, die Bedeutung dieser entscheidenden Strauß-Briefe herunterzuspielen. Er kennzeichnete Strauß abfällig als einen notorischen Briefeschreiber, der es mit der Wahrheit oft nicht so genau nahm und der oft etwas in Briefe hineinschrieb, was zwischen Strauß und Kohl gar nicht vereinbart worden sei.

(Bohl [CDU/CSU]: Bleiben Sie doch mal bei der Wahrheit, dann sind wir ein Stück weiter!)

Damit komme ich zum dritten Punkt. Zum Pech des Bundeskanzlers gibt es eine schriftliche Notiz eines ehemaligen Vorstandsmitglieds von HDW. Darin heißt es, daß Kohl und Teltschik über die wichtigsten Termine des Geschäfts — also Inkrafttreten des Vertrags, Beginn der Lieferungen — informiert seien. Hier besteht also eine volle Übereinstimmung mit den beiden Strauß-Briefen.

(Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE/Bündnis 901: Richtig!)

Viertens. Zwei Notizen der Firmen HDW und IKL über ein Telefongespräch mit dem ehemaligen Kanzleramtschef Prof. Schreckenberger weisen aus, daß dieser im Auftrag des Kanzlers am 31. Juli 1984 grünes Licht für das U-Boot-Blaupausen-Geschäft gab. Obwohl Schreckenberger bei seinen Vernehmungen ursprünglich bestritten hatte, im Auftrag des Bundeskanzlers grünes Licht gegeben zu haben, teilte er in einer Ergänzung zu seiner letzten Aussage vor dem Ausschuß vor kurzem schriftlich mit, daß es doch sein könne, daß er jene legendären Telefongespräche im Auftrag des Kanzlers führte und daß er dies den Gesprächspartnern auch gleich zu Beginn mitgeteilt haben könnte. Damit ist die Beweiskette fast geschlossen.
Der Bundeskanzler hat ein illegales Rüstungsgeschäft mit dem Apartheid-Regime mündlich genehmigt und ein Terrorregime mit modernster Waffentechnik, nämlich U-Booten mit gefährlichen Raketen, aufgerüstet.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Unsinn! Das ist eine Verfälschung! — Lowack [CDU/CSU]: Nur Unwahrheiten!)

Vor dem Untersuchungsausschuß hat der Bundeskanzler immer wieder behauptet, er habe von dem Vertrag erst viel später, nämlich 1985, erfahren. Grünes Licht sei in seinem Auftrag nie gegeben worden.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123203100
Frau Abgeordnete Eid, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eylmann?

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123203200
Frau Präsidentin, wenn der Herr Vorsitzende im Untersuchungsausschuß großzügig gewesen wäre, wäre ich dies heute auch. Aber da er das nicht war, bin ich das heute auch nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN/ Bündnis 90 und der SPD — Dr. Hüsch [CDU/ CSU]: Eine fürchterliche Strafe!)

Akten, die im September 1990 auftauchten, belegen den Verdacht, daß der Kanzler vor dem Ausschuß genau an den strittigen Punkten mehrfach und systematisch die Unwahrheit gesagt hat.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist unglaublich, das ist eine Ungeheuerlichkeit! Sie wissen genau, daß Sie die Unwahrheit sagen!)

Wir GRÜNEN stellten daraufhin eine Strafanzeige gegen den Bundeskanzler wegen vorsätzlicher uneidlicher Falschaussage. Die Bonner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren mit der Begründung eingestellt, daß Kohl gar kein Zeuge gewesen sei, sondern sich in



Frau Eid
einer „beschuldigtenähnlichen Stellung" befunden habe.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Daß für den Bundeskanzler zweierlei Recht gilt, nehmen wir GRÜNE nicht hin. Deshalb haben wir beim Generalstaatsanwalt in Köln Beschwerde gegen die Entscheidung der Bonner Staatsanwaltschaft eingelegt.

(Zuruf von der SPD: Hochinteressant, was Sie da sagen! — Lowack [CDU/CSU]: „Gegen die Einstellung des Verfahrens" müssen Sie doch sagen, Frau Kollegin! Sie wissen, daß überhaupt kein Anfangsverdacht vorgelegen hat!)

Fünftens. Der Bundeskanzler hat seinen engsten Berater, Horst Teltschik, mit der Feinabstimmung des Waffengeschäftes beauftragt. Zu diesem Zweck traf sich Teltschik ein halbes dutzendmal im Kanzleramt mit den Firmenvertretern. Dabei wurden Details erörtert, wie man die gesetzlichen Bestimmungen umgehen könne, z. B. die Lieferung über Drittländer.

(Austermann [CDU/CSU]: Das ist doch falsch! — Eylmann [CDU/CSU]: Das ist die Unwahrheit!)

Die Frage, ob der Bundeskanzler mit dem türkischen Ministerpräsidenten Özal über das U-Boot-Geschäft gesprochen hat, konnte nicht aufgeklärt werden. Diese Frage ist jedoch von zentraler Bedeutung. Denn es gab in den Akten eindeutige Hinweise, daß die Abwicklung des geheimen Geschäftes nach Sommer 1985 über die Türkei geplant war.
Damit komme ich zu den noch ungeklärten, aber sehr wichtigen Fragen.
Die zweite ungeklärte Frage ist: Womit war die Bundesregierung eigentlich erpreßbar? Gibt es in den 500 Aktenordnern der OFD Kiel vielleicht Hinweise über das „grüne Licht" ? Vieles deutet darauf hin. Das Landgericht Kiel, das diese Akte kannte, kam in seinem Geheimurteil vom 4. Juli dieses Jahres zu dem Ergebnis,

(Eylmann [CDU/CSU]: Woher wissen Sie denn das?)

daß den U-Boot-Managern strafmildernde Umstände zugebilligt werden müßten;

(Eylmann [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)

denn sie seien — Zitat aus dem „Spiegel" —

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist die GRÜNEN-Bibel! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

„erst nach dem ihnen anfänglich übermittelten ,Grünen Licht' der Bundesregierung" intensiv tätig geworden.
Dritte ungeklärte Frage: Nach wie vor ist der Verdacht nicht ausgeräumt, daß die beiden Rüstungslobbyisten Zoglmann und Albrecht Teile ihrer Provisionsgelder an die Kassen der Regierungsparteien weitergeleitet haben.

(Verheugen [SPD]: Das ist der Kern! — Lowack [CDU/CSU]: Frau Eid ist hier frech wie Oskar!)

Wir möchten gerne wissen, ob es stimmt, daß die von „Monitor" erwähnten 1,7 Millionen DM an hohe Bonner Politiker geflossen sind.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Monitor lügt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen, lassen Sie mich zum Schluß in Erinnerung rufen, wer eigentlich die Geschäftspartner des zu untersuchenden illegalen Rüstungsgeschäfts sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die GRÜNEN!)

Da ist auf der einen Seite IKL. IKL erhält seine Aufträge überwiegend von der Bundesregierung. Da ist HDW, die bis vor kurzem zu 75 % in Bundesbesitz waren

(Austermann [CDU/CSU]: Ist doch jetzt im Landesbesitz Schleswig-Holstein!)

und zu 25 % im Besitz des Landes Schleswig-Holstein sind.

(Austermann [CDU/CSU]: Verkaufen die das jetzt?)

Auf der anderen Seite ist das südafrikanische Rassistenregime, das die schwarze Bevölkerungsmehrheit in beispielloser Brutalität unterdrückt, durch Staatsterror die Opposition ausschaltet und einen Krieg gegen die Frontstaaten führt. Erst gestern besuchte mich Frau Maharatsch, Ehefrau des im Juli inhaftierten ANC-Exekutivkomitee-Mitgliedes McMaharatsch. Sie wurde auch von Arbeitsminister Blüm empfangen. Sie legte in erschütternder Weise dar, wie der Unterdrückungsapparat trotz des eingeleiteten Reformprozesses heute noch Menschenleben zerstört, Familien auseinanderreißt und zur Flucht zwingt. McMaharatsch befand sich in Übereinstimmung mit dem Groote-Schur-Protokoll in Südafrika und wurde trotzdem nach dem Gesetz zur inneren Sicherheit verhaftet und brutal gefoltert. Bereits 1964 wurde er so gefoltert, daß er sechs Jahre ein Stützkorsett tragen mußte. Er wurde auf Grund der Folterung vor kurzem in Durban ins Krankenhaus eingeliefert.
Dies sind die Geschäftspartner von IKL und HDW. Dies sind die Partner von Bundeskanzler Kohl, denen er am liebsten statt Blaupausen gleich ganze U-Boote verkauft hätte.

(Hüser [GRÜNE/Bündnis 90] : Die passen nur nicht in die Aktentasche!)

Die Bundesregierung, die von anderen Regierungen immer die Einhaltung von Menschenrechten zu Recht einklagt, hat sich nicht gescheut, grünes Licht zur Aufrüstung eines Regimes zu geben, das von der UNO als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde.

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist doch die Unwahrheit! Es gibt keinen Beweis dafür! — Lowack [CDU/CSU]: Das ist die Unwahrheit, Frau Kollegin, Sie wissen das!)




Frau Eid
Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123203300
Das Wort hat der Abgeordnete Lowack.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1123203400
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf einen eher literarischen Beitrag beschränken: Dem wachsenden Fanatismus und zunehmender Unfairneß auf seiten der Opposition in diesem Untersuchungsausschuß konnten wir von der Regierungskoalition wachsende Gelassenheit entgegensetzen.

(Zustimmung des Abg. Bohl [CDU/CSU])

Der Sturm aus Kiel, Lübeck und Hamburg entpuppte sich als sanfter Aufwind für die Regierungskoalition und für die Bundesregierung. Der Aufschwung des Kollegen Gansel zum Großinquisitor führte schließlich dazu, daß er auf die Nase fiel.

(Bohl [CDU/CSU]: Er endete als Kleininquisitor!)

Ob diese Arbeit, Herr Kollege Gansel, die gleiche dichterische Zuwendung wie die geschichtliche Persönlichkeit eines Michael Kohlhaas finden wird, wage ich zu bezweifeln.
Der Kollege Gansel hat sich — um in seinem eigenen Sprachgebrauch zu bleiben — zum Büttel seiner eigenen Fantasien und Effekthascherei gemacht.

(Gansel [SPD]: Jetzt sagen Sie doch, daß ich die U-Boote geliefert habe!)

Der Ausschuß hat ganze Arbeit geleistet — ich meine das ironisch — : Er hat die Abgeordneten immer wieder zu unmöglichen Zeiten, zu unmöglichen Fragen und zu unmöglichen Anträgen zusammengebracht und uns leider unnötig viel Zeit gestohlen. Dem Ansehen des Parlaments hat er jedenfalls nicht gedient.
Die Technik, mit Presseerklärungen zu den Ergebnissen der Ausschußsitzungen Stellung zu nehmen, bevor die Sitzungen überhaupt begonnen hatten, wurde durch die Opposition systematisiert und perfektioniert.

(Gansel [SPD]: Wenn ich das richtig sehe, habe ich Ihnen den Schlaf geraubt!)

— Nein, Sie rauben mir nicht den Schlaf, Kollege Gansel.
Erstmals wurde ein Regierungswechsel in einem Bundesland dazu benutzt, um den Generalstaatsanwalt zu feuern und damit die Ermittlungen zu beeinflussen — ein ungeheuerlicher Vorgang, der das Rechtsstaatsprinzip in Frage stellt.

(Kuhlwein [SPD]: So ein Quatsch!)

Erstmals im Laufe eines Untersuchungsausschusses fühlte sich ein Berichterstatter veranlaßt — nämlich der Kollege Gansel — , in einer umfangreichen Korrespondenz ausländischer Organisationen und Regierungen aufzufordern, sich gegen die Bundesregierung zu stellen.

(Gansel [SPD]: Das ist gelogen! Sie lügen!)

Der Kollege Gansel hat sich nicht einmal für zu schade gefunden, nach New York zu fliegen und dort gegen die Bundesregierung zu plädieren.

(Gansel [SPD]: Was Sie sagen, ist gelogen!)

Er hat damit nicht der Bundesregierung, sondern er hat sich selber und dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland geschadet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kollege Gansel, nachdem Sie gesehen haben, daß die Sache mit dem Außenwirtschaftsgesetz nicht läuft, haben Sie ganz schnell einen Haken geschlagen und auf einmal versucht, die Indien-Geschichte wieder hochzuspielen. Sie haben nämlich gesehen, daß Ihnen die Felle davonschwimmen. Das war Ihre Taktik: Nachdem Sie nichts mehr bringen konnten, haben Sie versucht, mit unfairen Mitteln das Verfahren zu beeinflussen.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Nestbeschmutzer!)

Das Untersuchungsziel wurde, soweit es von vornherein als Wahlkampf und als persönliche politische Spielwiese des Kollegen Gansel gedacht war, sicher nicht erreicht.
Aber natürlich hat der Ausschuß auch ergeben, daß unser Außenwirtschaftsrecht immer noch nicht in Ordnung ist.

(Stobbe [SPD]: Das ist interessant! — Gansel [SPD]: Ach nein!)

Wir haben von der sozialdemokratisch geführten Regierung eine Erblast mit einem Außenwirtschaftsrecht übernommen, das absolut unübersichtlich ist, weil kein Mensch von vornherein sagen kann, was im Endergebnis eigentlich genehmigt wird. Oft hängt es von der höchst persönlichen Einschätzung eines einzelnen Sachbearbeiters oder eines Richters ab, ob eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland vorliegt.

(Gansel [SPD]: Sie reden in die falsche Richtung, Herr Lowack — Zuruf des Abg. Dr. Soell [SPD] — Weitere Zurufe von der SPD)

— Herr Soell, Sie können doch nicht bestreiten, daß es unübersehbar geworden ist, wann überhaupt eine Genehmigung erteilt und wann sie nicht erteilt wird.

(Zuruf von der SPD: Es gibt auch keine Anstrengungen in dieser Richtung!)

Fragen Sie doch einmal die betroffenen Firmen, ganz egal, was sie exportieren wollen: Sie wissen heute überhaupt nicht mehr, was sie noch anbieten und was sie exportieren können. Dort müssen wir Konsequenzen ziehen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Ich freue mich, daß der erste wichtige Schritt im Mai dieses Jahres gegangen wurde.



Lowack
Dabei bleibt die Frage völlig offen, inwieweit die Lieferung von Unterseebooten die Apartheid, liebe Kollegin Eid, hätte fördern können. Bei Blaupausen habe ich überhaupt keine Vorstellung, wie das die Apartheid hätte stützen sollen.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Es gibt ein UNO-Rüstungs-Embargo! Das wissen Sie vielleicht nicht! Aber die Bundesregierung hat selber 1977 das Rüstungs-Embargo mit entschieden!)

Vor allem aber ist zu fragen, ob nicht das gegen Südafrika verhängte Embargo dazu geführt hat, daß Südafrika dann mehr oder weniger aus eigenen Kräften eine Waffenindustrie aufgebaut hat, die heute zu den modernsten der Welt gehört und Südafrika zu einem Waffenexportland gemacht hat.
Der Untersuchungsausschuß hat durch die geradezu blindwütige Verhandlungsführung seitens der Opposition dazu geführt, daß die Bundesrepublik Deutschland bei vielen Ländern in der Dritten Welt ins Zwielicht geraten ist.

(Dr. Soell [SPD]: Sie machen sich doch lächerlich, Herr Lowack!)

Dabei hätte es weit mehr Sinn gegeben, wenn dieser, vor allem auch von Mitgliedern der Auswärtigen Ausschusses besetzte Untersuchungsausschuß sich auch einmal mit der Frage befaßt hätte, ob ein Embargo und Sanktionen gegen Südafrika tatsächlich heute noch sinnvoll sind und ob wir nicht besser daran täten, auch einmal in die Zukunft zu schauen, statt uns permanent mit der Vergangenheit zu befassen.
So lassen Sie mich schließlich im Versmaß abschließen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen:
Wie viele Stunden wurde hier geschwätzt. Wie viele Tage haben wir versessen. Wie hätten wir ein bißchen Sachlichkeit geschätzt. So aber werden wir den Ausschuß gern vergessen.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist ja ein Dichterfürst!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123203500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Kaufmann.

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS):
Rede ID: ID1123203600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über 1100 Seiten stehen hier heute zur Debatte, 1100 Seiten, deren Inhalt eigentlich jedes verantwortungsbewußte Mitglied dieses Hohen Hauses mehr als nachdenklich stimmen müßte. Aber wie nicht anders zu erwarten, gibt es natürlich völlig unterschiedliche Wertungen bei den Koalitionsparteien und den Oppositionsparteien. Es verwundert uns nicht, daß CDU/CSU und FDP die vierjährige Arbeit des Ausschusses als abgeschlossen betrachten, letzlich als unnötig ansehen und offenkundig eben überhaupt kein Interesse an der lückenlosen Aufdeckung dieses Skandals, vor allem auch an den Verstrickungen führender Politiker haben.
Ja, meine Damen und Herren, für uns ist eines ganz klar: Den vorliegenden Bericht des Ausschusses kann man in der Tat nur zur Kenntnis nehmen, mehr nicht; denn dieser Bericht ist fürwahr ein Lehrstück über die Ohnmacht derartiger parlamentarischer Gremien.

(Widerspruch der Abg. Frau Geiger [CDU/ CSU])

Meine Damen und Herren, der U-Boot-Skandal ist doch nur ein Glied in einer Kette von Fällen, die zeigen, daß bundesrepublikanische Firmen seit Jahren und Jahrzehnten an schmutzigen Waffengeschäften verdienen, und zwar, wie jeder weiß, Milliarden-Summen.

(Austermann [CDU/CSU]: Die unterstützt jahrelang die Waffenschieber und macht hier dicke Backen! — Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Die hat überhaupt kein Recht, hier darüber zu sprechen! Ist ja unglaublich!)

Wenn es um Profit, Einflußgewinnung und Machtinteressen geht, dann spielen offenbar selbst die brisantesten internationalen Fragen keine Rolle mehr,

(Dr. Hüsch [CDU/CSU) : Die größten Waffenschieber der Welt sind die doch! — Austermann [CDU/CSU]: Da sollte man sich doch

schämen, wenn man da hingeht mit einigermaßen moralischem Anspruch! Ist völlig unglaublich!)
ob es wie in diesem Fall um die eklatante Verletzung internationaler Sanktionen und Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den Apartheid-Staat Südafrika geht oder um den illegalen Bau von Giftgaswerken.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Ist ja unmoralisch! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn das gemacht!)

Meine Damen und Herren, die jüngsten Entwicklungen am Golf zeigen doch ganz offenkundig, wie höchstaktuell diese Machenschaften noch immer sind.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123203700
Frau Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Geiger?

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS):
Rede ID: ID1123203800
Die Vorredner, die in der vierjährigen Arbeit drinstecken, haben darauf verzichtet. Ich sehe gar nicht ein, warum ich mich jetzt hier in Detailfragen einlassen soll.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Weil Sie keine Ahnung haben! — Zuruf von der CDU/CSU: Sie leiert hier was runter, das ist das „Neue Deutschland" ! — Lowack [CDU/CSU] : Aber lassen wir sie doch ihre Jungfernrede halten!)

Meine Damen und Herren, ich war gerade dabei, darauf hinzuweisen, daß die jüngsten Entwicklungen am Golf sehr offenkundig zeigen, wie höchstaktuell diese Machenschaften noch immer sind. Jahrelang wurden in vollem Bewußtsein über die Explosivität der Lage im Nahen und Mittleren Osten illegale Waffenverkäufe an den Irak getätigt. Erst verhindert man nicht, daß unberechenbaren Politikern massenhaft



Frau Dr. Kaufmann
Mittel zur Kriegführung in die Hand gegeben werden,

(Frau Geiger [CDU/CSU]: Ihr verschiebt heute noch die Gelder!)

und dann fordert man sogar noch, gewissermaßen als Schadensbegrenzung, den Einsatz deutscher Truppen und militärischer Ausrüstung zur Beilegung von Konflikten in Krisenregionen.

(Lowack [CDU/CSU]: Legen Sie mal den Maßstab bei Ihrer eigenen Partei an!)

Wer soll denn das noch verstehen?

(Zurufe von der CDU/CSU: Honecker! — Honecker mit seinen Schießbefehl!)

Wahrnehmung wachsender internationaler Verantwortung durch das vereinte Deutschland heißt für uns, nicht deutsche Waffen und Streitkräfte in alle Himmelsrichtungen zu entsenden, sondern strikte Einhaltung internationaler Vereinbarungen, striktes Verbot von Waffenexporten, drastische Kürzung des Rüstungsetats, Verzicht auf den Jäger 90, Schluß mit Tiefflügen, Konversion der Rüstungsbetriebe, Abschaffung der Wehrpflicht. Kurz: Völlig neue Sicherheitspolitik in Richtung Entmilitarisierung Deutschlands.

(Beifall von der Gruppe der PDS)

Eine Fortsetzung der bisherigen Politik kann sich dieses Land nicht mehr erlauben.

(Lachen bei der CDU/CSU)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Die PDS betrachtet den Bericht des Untersuchungsausschusses als vorläufigen Zwischenbericht. Wir verlangen, daß diejenigen, die hier Schuld auf sich geladen haben —

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

seien es nun Unternehmer, Händler oder Politiker —, ohne Ansehen der Person wirklich zur Verantwortung gezogen werden. Der U-Boot-Skandal, einer der größten Rüstungsexportskandale in der Geschichte der Bundesrepublik, ist endlich lückenlos aufzuklären.

(Austermann [CDU/CSU]: Sie haben kein Schamgefühl, sonst hätten Sie sich hier nicht gemeldet! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Schämen Sie sich!)

— Daß Ihnen das nicht paßt, meine Damen und Herren, ist mir völlig klar.
Ich bin sicher, daß der zwöfte Deutsche Bundestag hier noch einen Berg an Arbeit vor sich haben wird. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Gruppe der PDS und bei der Abg. Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90])


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123203900
Das Wort zu einer zweiminütigen Zwischenintervention hat die Abgeordnete Frau Beer.

Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123204000
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte fordert diese Kurzintervention.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Oh, nein!)

Die Wahrheit, das Wort, das hier so oft fällt, liegt auf der Hand; man kann sie nachlesen: Die Bundesregierung hat gelogen — im Ausschuß gelogen, in diesen Debatten gelogen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein dicker Hund!)

Die Bundesregierung hat dieses Geschäft allein zu verantworten.
Wir sind nicht bereit, den Vorwurf „Waffenschieberkabinett" , der hier den GRÜNEN so empört vorgehalten wird, zurückzunehmen; denn wir haben es vor uns sitzen, wenn es sich auch durch Handlanger und Stellvertreter vertreten läßt. Es fehlen allerdings — das gebe ich gerne zu — die weggelobten Herren Bangemann und Wörner und die Herren Waigel, Außenminister Genscher, Stoltenberg, Kohl. Wo sind sie alle? Sie sind zu feige, uns

(Zurufe von der CDU/CSU: Die haben etwas Besseres zu tun! Gleich kriegst du einen Ordnungsruf!)

selbst bei dem weiteren Mißbrauch parlamentarischer Mehrheiten bei der Diskussion über diesen Abschlußbericht, der diesen Skandal endgültig beiseite legen soll, ins Gesicht zu sehen.
Die Bundesregierung hat mit dieser heutigen Debatte und mit dem weiteren Mißbrauch ihrer Mehrheit in diesem Parlament die parlamentarische Demokratie ein Stück weiter reduziert, die Außenpolitik weiterhin unglaubwürdig gemacht,

(Eylmann [CDU/CSU]: Was die sagt, ist ja schlimmer als das, was von der PDS kam!)

die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie, die darin stecken sollten, vermindert und das Verhältnis zu den anderen Völkern für die nächsten Jahre weiterhin geschädigt.

(Ronneburger [FDP]: Mit Ihrer Außenpolitik kämen wir nicht weit!)

Die Schäden, die aus diesem Mehrheitsverhalten erwachsen, werden erst im Laufe der nächsten Jahre ihre Konsequenz und Deutlichkeit entwickeln. In einer Situation, in der wir so sehr darauf angewiesen sind, einen neuen Krieg zu verhindern, werden wir nicht dulden, daß weitere Embargos unterlaufen werden. Gerade auf die konsequente Einhaltung des Embargos gegenüber dem Irak durch deutsche Firmen werden wir achten. Auch durch einfache und undemokratische Vorwürfe seitens der Regierungsvertreter an die Opposition bis hin zur Lancierung von Strafermittlungsverfahren wird dies nicht in Frage gestellt werden. Denn im Bewußtsein eines jeden verantwortungsvollen Parlamentariers muß es die Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß Embargos lückenlos eingehalten werden.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Zwei Minuten!)

Wer dieses Bewußtsein nicht hat, ist es nicht wert, Parlamentarier zu sein.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123204100
Ihre Redezeit ist beendet.

Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123204200
Ich möchte zum Schluß sagen, daß die Außerkraftsetzung der parla-



Frau Beer
mentarischen Kontrolle die Herausforderung für uns alle sein muß und sein wird — was jedenfalls die GRÜNEN betrifft — bis hin zum restlosen Verbot von Rüstungsexporten. Dafür und für die endgültige Aufklärung der Verschleierungen im nächsten Parlament zu sorgen, ist am heutigen Tag die Aufforderung an die SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90, der SPD und der Gruppe der PDS)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123204300
Frau Eid, ich kann den Ausdruck „Waffenschieberkabinett" hier nicht akzeptieren. Ich muß ihn zurückweisen und erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. Ich möchte das hier ausdrücklich feststellen.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Frau Eid oder mir?)

— Entschuldigung. Gemeint waren Sie, Frau Abgeordnete Beer.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Danke!) Herr Abgeordneter Bohl, bitte.


Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1123204400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zwischenintervention von Frau Beer erfordert doch eine sofortige Erwiderung. Ich muß ganz deutlich und offen sagen:

(Conradi [SPD]: Eine Postintervention!)

Ich finde es nicht nur würdelos, was hier gesagt wurde, sondern ich halte es für eine Unverschämtheit, für eine Unverfrorenheit und für eine Verdrehung der Tatsachen, die wir festgestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, welch Geistes Kind Sie sind, zeigt sich ja daran, daß Sie diese Zwischenintervention

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Hören Sie doch auf zu diffamieren!)

nicht spontan in der Debatte angemeldet haben, sondern sie zu Beginn der Debatte schon vorgetragen haben und dann die Chuzpe haben, sich hier hinzustellen und zu sagen, daß Sie durch die Debatte zu Ihrer Zwischenintervention gebracht worden sind.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Nach der Einleitung von Ihrem Kollegen Eylmann!)

Sie sind ständig auf dem Holzweg. Sie sagen ständig die Unwahrheit, so gerade eben hier vor wenigen Minuten am Podium des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie gehen doch so weit, daß Sie selbst Presseorgane versuchen zu verdammen!)

Die Unerträglichkeit und die Unwahrhaftigkeit Ihrer Aussagen wird noch dadurch übertroffen, daß Sie bei den schamlosen Ausführungen der Vertreterin der PDS als einzige hier im Hause auch noch Beifall geklatscht haben. Das ist die Wirklichkeit.
Folgendes möchte ich Ihnen hier noch einmal mit Deutlichkeit sagen: Wir haben uns am Rechtsstaat zu orientieren.

(Widerspruch bei der SPD — Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie haben es vier Jahre nicht getan!)

Das Verfahren im Untersuchungsausschuß muß rechtsstaatlich vonstatten gehen.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie wissen doch gar nicht, was Rechtsstaatlichkeit ist!)

Sonst rufen Sie nach Datenschutz, nach Rechtsstaat und sind gegen Vorverurteilung, aber wenn es gegen den politischen Gegner geht, dann ist Ihnen nichts zu schade. Dann werden Dreck und Kübel von Schmutz ausgeschüttet.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Das ist völlig unmöglich und unerträglich. Deshalb ist die Bundesregierung hier in Schutz zu nehmen. Sie hat die Wahrheit gesagt, und sie hat sich absolut korrekt verhalten. Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Weiter will ich Ihnen noch eines sagen: Gegenüber Ihren Untersuchungs- und Vernehmungsmethoden, die Sie im Untersuchungsausschuß an den Tag gelegt haben,

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie haben sie doch gar nicht zugelassen!)

ist Schimanski ein Kriminalbeamter voller Zurückhaltung und Skrupel. Das ist die Wirklichkeit, meine Damen und Herren. In unerträglicher Weise haben Sie das Untersuchungsausschußverfahren hier betrieben und damit dem Deutschen Bundestag und dem Ansehen der Untersuchungsausschüsse einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 901: Das haben Sie getan, Herr Bohl!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123204500
Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Börnsen.

(Kuhlwein [SPD]: Ist das auch jemand, der dem Untersuchungsausschuß einen Bärendienst erweist?)


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1123204600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Intervention meines Kollegen Bohl war notwendig, um deutlich zu machen, daß die Regierung korrekt gehandelt hat.
Mein Fazit nach vier Jahren Untersuchungsausschuß ist: Es war eine zeit- und kostenaufwendige Unternehmung. Es gab mehr Frust als Lust. Der Untersuchungsausschuß ist nach Aufklärungserfolgen am Anfang zum politischen Kampfinstrument verkommen.

(Gansel [SPD]: Deshalb sind Sie nach Südafrika gefahren?)

Der Untersuchungsausschuß war belastet durch den
Geburtsfehler, im Wahlkampf entstanden zu sein und
diesem zu dienen und als parlamentarisches Kontroll-



Börnsen (Bönstrup)

gremium nur Regierungshandeln geißeln zu können, wo doch die Verfehlungen der Firmen vorlagen.
Trotzdem: Wenn es dieses Königsrecht der Opposition nicht gäbe, müßte es geschaffen werden.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Bloß, was haben Sie damit gemacht? Sie haben es niedergetrampelt!)

Zur Sache selbst nach über 60 Sitzungen meine ich: Es kreißte der Berg, und er gebar eine Maus. Aber es gilt, auch das Umfeld des Untersuchungsausschusses aufzugreifen und es kritisch zu untersuchen, und dazu gehörte die schon erwähnte Sendung des Magazins „Monitor" . Es behauptete am 15. August 1989: „Der U-Boot-Bau in Südafrika unter Leitung deutscher Firmen ist in vollem Gange. "
Tatsache ist: Weder „Monitor" noch Vertreter unserer Delegation haben sieben Monate später dort ein solches im Bau befindliches U-Boot gesehen. „Monitor" machte deshalb im April 1990 einen Rückzieher und erklärte, „es werde daran gearbeitet, die Werft für den U-Boot-Bau vorzubereiten". „Monitor" hat offensichtlich gelogen.
„Monitor" behauptete weiter: „Innerhalb der nächsten 18 Monate wird ein erstes U-Boot vom Stapel laufen." Ein 20 Jahre altes französisches U-Boot der Daphne-Klasse wurde umgebaut und sollte nach 18 Monaten das Dock verlassen.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie haben sich das doch vorführen lassen auf der Werft! — Kuhlwein [SPD]: Wo haben Sie denn geguckt?)

Man vermittelte aus Unfähigkeit oder Absicht den Eindruck, daß hier der Neubau eines nach deutschen Plänen hergestellten U-Boots gemeint sei. „Monitor" hat offensichtlich manipuliert.
Man behauptete des weiteren im April 1990, in Durban entstehe eine komplette U-Bootfabrik. Tatsache ist: Was in der Sendung als zukünftiger Montagebereich für U-Boote bezeichnet wurde, war in Wirklichkeit die Verladefläche für die Bohrplattform Mossgass. Behauptungen ohne nachprüfbare Beweise! Dem Fernsehzuschauer wurde die Unwahrheit untergeschoben.

(Zustimmung des Abg. Lowack [CDU/ CSU])

Diese und andere Spukgeschichten wurden von der rot-grünen Koalition im Ausschuß unverzüglich genutzt, um durch neue Verdächtigungen und Beweisanträge die Brühe am Kochen zu halten. Diese Antragswelle wiederum führte dazu, daß „Monitor" einen Aufhänger für eine Kampagne gegen die Koalition bekam. So hat man sich die Bälle geschickt zugespielt.

(Gansel [SPD]: Mensch, sind wir toll!)

Weder das Magazin noch die Ausschußminderheit haben zur Kenntnis nehmen wollen,

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sagen Sie doch einmal etwas zum eigentlichen Vorwurf!)

was Gewerkschaftler, die parlamentarische und die außerparlamentarische Opposition in Südafrika behauptet hatten: Bei uns in Südafrika — so sagten sie alle — werden keine U-Boote gebaut.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Dann haben Sie die falschen Leute gesprochen!)

Weder de Klerk noch in diesem Jahr Mandela haben einen anderen Eindruck wiedergegeben. Es werden dort keine U-Boote gebaut.

(Gansel [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)

Böse Beiträge für die politische Kultur unseres Landes! Bis heute haben sich weder „Monitor" noch die Ausschußminderheit bei den Zuschauern und Zuhörern korrigiert und entschuldigt.
Für die bösen Beiträge zur Kultur unseres Landes sind auch einige Sozialdemokraten zuständig, die sich nach einer Reihe verhehrender rechtlicher Niederlagen eine rüpelhafte und rücksichtslose Richterschelte leisteten.

(Austermann [CDU/CSU]: Schlimm ist das! — Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Haben Sie vorhin den Beiträgen nicht zugehört, in denen deutlich wurde, wer diese Schelte leistet?)

Die peinliche Pleite für die Opposition begann im Januar 1987, als der Generalbundesanwalt einen Anfangsverdacht verneinte. Die Staatsanwaltschaft in Kiel setzte diese Verneinung im Sommer 1987 fort. Sie sah keinen Grund für die Aufnahme eines Verfahrens, auch die OFD nicht.
Die bitterste Niederlage erhielt die rot-grüne Koalition durch das Bonner Amtsgericht. Es bescheinigte ihr einen fehlerhaften und falschen Untersuchungsauftrag; eine parlamentarische Korrektur wurde notwendig. Ein einmaliger Fall im Deutschen Bundestag, Resultat einer Tätigkeit, die nicht durch einen kühlen Kopf, sondern durch Besessenheit bestimmt wurde!

(Beifall bei der CDU/CSU — Austermann [CDU/CSU]: Das ist der richtige Ausdruck!)

Auch nach dem Kieler Regierungswechsel, auf den man so viel Hoffnung gesetzt hatte, hielten die richterlichen Ohrfeigen für die SPD an. Nachdem die 3. Große Strafkammer des Landgerichts im Juli trotz vieler neuer Akten einen Anfangsverdacht verneint hatte, stellte die Staatsanwaltschaft unter Verantwortung des SPD-Justizministers Dr. Klingner die Ermittlungsverfahren ein. Der SPD-Landesvorsitzende Walter bezeichnete diese Entscheidung als absurd. Gansel setzte am 16. Juli 1990 mit einem demagogischen Ausfall nach — das sollten sich auch die Genossen selbst anhören — :
Alles deutet aber darauf hin, daß die einschlägige deutsche Tradition hochgehalten wird: daß sich die Reichs- bzw. Bundesregierung bei dubiosen Waffengeschäften, in die sie verwickelt ist, darauf verlassen kann, daß die von der Justiz verinnerlichte Staatsräson gilt: The King can do no wrong!
Welch eine Diffamierung!
Doch der ASJ-Landesvorsitzende Neskovic in Schleswig-Holstein setzte dem noch die Krone auf. Er



Börnsen (Bönstrup)

bezeichnete die Entscheidung der Kieler Staatsanwaltschaft als „Kapitulation vor der Kriminalität der Mächtigen". Schleswig-Holsteins Justizminister Klingner stellte sich nicht vor seine Mitarbeiter.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Pfui!)

Auch der ehemalige Bundesjustizminister Vogel hat in diesem Fall nichts getan, um die Autorität unseres Rechtswesens vor den Angriffen seiner Genossen zu schützen.

(Eylmann [CDU/CSU]: Pfui!)

Wer solche ungeheuerlichen Verdächtigungen gegenüber der Justiz nicht umgehend korrigiert, begeht auch einen Anschlag gegen die politische Kultur unseres Landes.

(Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das gilt auch für einen weiteren Punkt: für den Geheimnisverrat der GRÜNEN und von Gansel.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Thema verfehlt!)

Dieser Geheimnisverrat hat nicht nur das Vertrauen im Umgang miteinander zerstört, sondern auch das Prestige und die Würde des Parlaments bei den Bürgern in Mißkredit gebracht.

(Kuhlwein [SPD]: Haltet den Dieb!)

Wenn Akten von den Gerichten an Abgeordnete nicht weitergegeben werden, weil diese die Vertraulichkeit nicht einhalten, dann wird die Funktionsfähigkeit von Untersuchungsausschüssen lahmgelegt.

(Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Die Kritiker verstopfen ihre eigenen Kanonen.

Klar war bereits damals: Zwei Firmenleitungen haben sich in skandalöser Weise ein nicht entschuldbares Fehlverhalten geleistet.

(Gansel [SPD]: Das ist aber neu!)

Ihr Vorgehen hat dem Ansehen unseres Landes und dem Ruf ihrer Branche geschadet. Klar war bereits vor zwei Jahren: Die Bundesregierung hat sich korrekt verhalten. Zeugenaussagen und Justiz haben es jedesmal bestätigt. Hätte Gansel doch auf Engholm gehört, der vor mehr als einem Jahr erklärte, er glaube, der Bonner Untersuchungsausschuß habe alles, was möglich war, schon zutage gefördert. Klar war bereits damals — damit hat Engholm recht — : Die Korrektur des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des AWG sind notwendig, und die Bundesregierung hat entsprechend gehandelt.
Doch illegale Rüstungsgeschäfte sind nicht nur durch nationale Maßnahmen, sondern auch durch ein internationales Kartell der demokratischen Länder zu unterbinden. Darauf kommt es an.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123204700
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Gansel.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Jetzt spricht der Täter zur Tat!)


Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1123204800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Abschluß der Legislaturperiode möchte ich zunächst den Mitarbeitern des Untersuchungsausschusses und besonders herzlich den Mitarbeitern der SPD-Fraktion Jürgen Brandt, Dieter Puschke und Barbara Deuling für ihre Arbeit danken.

(Beifall bei der SPD)

Seit der Entscheidung des Landgerichts Kiel vom 4. Juli 1990 kann auch die Regierungsseite nicht mehr abstreiten: erstens, daß Unterlagen für den U-Boot-Bau sogar bis Anfang 1987 an Südafrika geliefert worden sind, zweitens, daß dadurch das UNO-Rüstungsembargo und das deutsche Außenwirtschaftsrecht verletzt worden sind, drittens, daß die Bundesregierung den Firmen für das illegale Rüstungsexportgeschäft anfänglich „grünes Licht" übermittelt hat.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist falsch!)

Die Bundesregierung hat die Feststellung des Kieler Landgerichts mit Schweigen zur Kenntnis genommen.

(Eylmann [CDU/CSU]: Die kennen Sie doch gar nicht!)

Sie versucht, den Vorwurf ihrer Mittäterschaft auszusetzen. Typisch für den Stil dieses Verfahrens ist, daß Herr Waigel, daß Herr Stoltenberg, daß Herr Genscher und viele andere alle Zeit hatten, um mit den Rüstungslobbyisten zu reden, aber niemand hat Zeit, hier im Parlament Rede und Antwort zu stehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Die Regierungsmehrheit im Ausschuß verteidigt die Regierung jetzt damit, daß sie sagt, sie habe aber keine schriftliche Genehmigung für das illegale Rüstungsgeschäft erteilt. Eine solche schriftliche Genehmigung haben die Firmen nie beantragt, weil sie sie nicht wollten. Deshalb wurde dem Bundesfinanzminister Stoltenberg schon im Oktober 1983 in einem persönlich-vertraulichen Schreiben von den Firmen mitgeteilt, daß ihnen eine „regierungsseitige Zustimmung" durch eine „Erklärung eines leitenden Beamten" ausreichend sein würde — später in den Firmenakten als „grünes Licht" bezeichnet — und daß sie die Zusicherung von „Rückendeckung" benötigen, „für den Fall, daß sich Schwierigkeiten ergeben würden" . Zugleich wurde Stoltenberg darüber informiert, daß beabsichtigt sei, die U-Boot-Unterlagen als „Mikrofilm im Diplomatengepäck über die Grenze" nach Südafrika zu bringen, und daß in den U-Boot-Plänen die Aufbauten verändert werden sollten, um „deutsches Design" zu vermeiden.
Diesem Tatplan entsprechend erfolgten der Vertragsabschluß, die Lieferungen nach Südafrika und schließlich auch die Vertuschungsaktionen der Firmen und der Bundesregierung.
Die „regierungsseitige Zustimmung" erfolgte durch einen leitenden Beamten des Bundeskanzleramts, nämlich durch Staatssekretär Schreckenberger.

(Lowack [CDU/CSU]: Alles die Unwahrheit!)

Durch zwei Briefe vom 31. Juli und vom 5. November
1984 wurde Bundeskanzler Kohl durch den bayeri-

Gansel
schen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß persönlich über den Sachstand unterrichtet.

(Lowack [CDU/CSU]: Lassen Sie mal Franz Josef Strauß heraus!)

Mit dem Strauß-Brief vom 5. November 1984 wurde Kohl auch darüber informiert, daß die erste Lieferung von U-Boot-Unterlagen am 6. Oktober 1984 erfolgen sollte. Tatsächlich erfolgte sie am 10. Oktober 1984.

(Lowack [CDU/CSU]: Falsch! Und das wissen Sie, Herr Kollege Gansel!)

Am 10. Oktober 1984 erfolgte die erste Lieferung von U-Boot-Plänen. Dies haben die Ermittlungen der Oberfinanzdirektion Kiel ergeben, und auch das ist selbst in Ihrem eigenen Ausschußbericht enthalten.

(Austermann [CDU/CSU]: Es ging um die Genehmigung!)

Durch Gespräche mit Franz Josef Strauß, mit dem südafrikanischen Premierminister Botha, durch Gespräche mit seinen Mitarbeitern und Außenminister Genscher und durch die Strauß-Briefe war Helmut Kohl vom April 1984 bis zum Januar 1985 ein dutzendmal mit dem U-Boot-Geschäft befaßt.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123204900
Herr Abgeordneter Gansel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eylmann?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1123205000
Bitte sehr.

Horst Eylmann (CDU):
Rede ID: ID1123205100
Zunächst vielen Dank, Herr Kollege Gansel, daß Sie nicht so ein Angsthase wie Herr Stobbe sind.
Nun zu meiner Frage: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zur nehmen, daß aus Vorstandsprotokollen von HDW, die von Januar 1985 stammen, hervorgeht, daß zu diesem Zeitpunkt das sogenannte grüne Licht noch immer nicht erteilt worden sei, und geben Sie mir recht, wenn ich sage, daß das ganz offensichtlich Ihrer These widerspricht, das grüne Licht sei am 31. Juli 1984, ein halbes Jahr vorher, von Herrn Staatssekretär Schrekkenberger telefonisch erteilt worden?

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1123205200
Tatsache ist: Nach den Feststellungen der Oberfinanzdirektion Kiel sind am 10. Oktober 1984 die ersten Lieferungen erfolgt. Tatsache ist, daß die Firmen mehrere Versionen für das U-Boot-Geschäft hatten: die kleine Lösung und die erweiterten Lösungen. Tatsache ist, daß das Landgericht Kiel festgestellt hat, daß anfänglich grünes Licht gegeben worden ist. Das ist auch unser Ergebnis der Beweiswürdigung. In unserem Bericht ist festgestellt, daß der Untersuchungsausschuß nicht hat klären können, ob die weiteren Gespräche im Bundeskanzleramt erfolgt sind, um grünes Licht auch für eine erweiterte Lösung zu erhalten.
Tatsache ist auch, Herr Kollege Eylmann, daß der Kollege Stobbe kein Angsthase ist, obwohl er Ihnen kein Fragerecht gegeben hat. Er ist mit Ihnen im Plenum so verfahren, wie Sie im Untersuchungsausschuß ständig mit Frau Eid verfahren sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Zurufe von der CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich fahre in meiner Rede fort. Helmut Kohl und Gerhard Stoltenberg tragen die Hauptverantwortung dafür, daß das illegale Rüstungsgeschäft mit Südafrika exekutiert werden konnte. Stoltenberg hat dem Aufsichtsratsvorsitzenden von HDW durch Staatssekretär Tietmeyer nach dem schon mehrfach zitierten Schreiben telefonisch mitteilen lassen, er rate dringend, „die Finger davon zu lassen". Das ist nicht die Reaktion eines verantwortlichen Ministers, der von dem Vorhaben eines illegalen Rüstungsgeschäfts erfährt.

(Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Unterlassungssünden!)

Wo ein Eingreifen erforderlich war, wurde ein Rat gegeben, und zwar im Jargon von Kumpanen.
Ein Mann, der sich bei einem erkennbar illegalen Rüstungsgeschäft so verhält, gehört nicht in eine Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Die Briefe von Franz Josef Strauß an den Bundeskanzler und Unterlagen der Firmen wurden im Bundeskanzleramt von Herrn Teltschik vernichtet, bevor der Untersuchungsausschuß sie hätte erhalten können. Die Beweislage im Untersuchungsausschuß wurde nur dadurch gerettet, daß bei den Firmen Duplikate verwahrt wurden, was das Bundeskanzleramt wohl nicht erwartet hatte.
Helmut Kohl hat vor dem Untersuchungsausschuß behauptet, sich an die Briefe seines Männerfreundes, des bayerischen Ministerpräsidenten, nicht erinnern zu können.

(Conradi [SPD]: Noch ein Blackout!)

Um seine Erinnerungslücken plausibel zu machen, hat er Franz Josef Strauß als einen lästigen Briefeschreiber hingestellt, der gar nicht mehr ernst genommen wurde.

(Stobbe [SPD]: Das hat er gemacht, der Kohl! Das stimmt!)

Franz Josef Strauß kann sich nicht mehr wehren, sonst wäre Kohl wirklich ein Betroffener gewesen.
Nur die CSU-Landtagsfraktion in Bayern hat Kohl wegen dieser unverschämten Äußerungen kritisiert. Sie, die Sie zu den Epigonen und Bejublern von Strauß gehört haben, haben nicht den Mut gehabt, ihn in Schutz zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Zurufe von der CDU/CSU)

Der Untersuchungsausschuß wäre wohl nie eingesetzt worden, wenn die OFD Kiel 1986 ihre Ermittlungen gegen die Firmen HDW und IKL mit dem damals zulässigen Bußgeld von 500 000 DM abgeschlossen, den angefallenen Gewinn von mehr als 40 Millionen DM eingezogen und gegen das Bundeskanzleramt wegen des Verdachts der Beteiligung oder der Mittäterschaft an dem illegalen Rüstungsgeschäft ermittelt hätte.
Tatsächlich wurde durch die „Kieler Nachrichten" im November 1986 bekannt, daß gegen die Firmen ein lächerliches Bußgeld von 50 000 DM festgesetzt wer-



Gansel
den sollte, und zwar ohne Gewinnabschöpfung. Dieses Bußgeld hätte aus der Portokasse gezahlt werden können. Eine staatliche Ermunterung für weitere illegale Rüstungsgeschäfte!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Im Januar 1988 stellte die OFD Kiel das Ermittlungsverfahren sogar ein. Praktisch war das ein Freispruch für die Firmen und für die in die Affäre verwickelten Mitglieder der Bundesregierung. Auf diese Weise wurde die Rückendeckung für den Fall, daß sich Schwierigkeiten ergäben, die die Firmen 1983 in ihrem Brief an Stoltenberg erbeten hatten, tatsächlich eingelöst.
Die Einstellung des OFD-Verfahrens beruhte auf einem Trick, der juristisch als Rechtsbeugung zu klassifizieren ist.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist eine ungeheuerliche Behauptung!)

Erstmalig für das U-Boot-Geschäft wurde eine neue Auslegung der Außenwirtschaftsverordnung geprägt, derzufolge die Lieferung von Teilplänen für den U-Boot-Bau nur dann genehmigungspflichtig ist, wenn es sich dabei um wesentliche Teile, und zwar bei ,,militärisch-strategischer Betrachtungsweise", handelt.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist doch gut!)

Diese Auslegung verstößt gegen den Wortlaut der Verordnung, gegen ihren Zweck und gegen ihre Entstehungsgeschichte.

(Lowack [CDU/CSU]: Das ist Ihre persönliche Meinung, Herr Kollege Gansel!)

Mit dieser Auslegung wurde eine Lücke in das Rüstungsexportkontrollrecht gerissen, und zwar durch die Bundesregierung; denn nach dieser Rechtsauffassung bedurfte es keiner Genehmigung mehr bei der Lieferung von Teilplänen, selbst dann nicht, wenn im Empfängerland die Waffenpläne durch verschiedene Teillieferungen komplementiert wurden.
Die Staatsanwaltschaft Kiel hat diese Rechtskonstruktion, die die OFD Kiel unter der Rechtsaufsicht des Bundesfinanzministeriums — Stoltenberg ist dafür verantwortlich und Sie, Herr Voss — eigens für das U-Boot-Geschäft für Südafrika entwickelt hatte, als falsch verworfen.

(Austermann [CDU/CSU]: Er ist ein Berufsdenunziant!)

So auch das Landgericht Kiel. Das Landgericht Mannheim ist ebenfalls der eigenwilligen Gesetzesauslegung der Bundesregierung nicht gefolgt; denn sonst hätte der Angeklagte Hippenstiel in dem Prozeß wegen der Lieferung von Teilplänen für den Bau einer Giftgasfabrik in Libyen freigesprochen werden müssen.
Das Verfahren der Oberfinanzdirektion Kiel kennzeichnet sich durch eine lange Reihe schwerer und unentschuldbarer Ermittlungs- und Verfahrensfehler.

(Conradi [SPD]: Das ist auch belohnt worden!)

Ein Dutzend schlimmster Beispiele haben wir in unserem Minderheitenvotum aufgeführt. Aber ich sage Ihnen: Am schlimmsten wiegt die rechtsbeugende Auslegung des § 5 der Außenwirtschaftsverordnung;

(Lowack [CDU/CSU]: Ungeheuerlich! Sie haben keine Ahnung von dem, was Rechtsbeugung ist!)

denn dadurch sind auch andere illegale Rüstungsgeschäfte legalisiert worden, so z. B. die Lieferung von Unterlagen für den Turm eines Panzers in den Irak durch eine westdeutsche Firma im November 1988.
Der damalige Bundesfinanzminister, Stoltenberg, und das Bundeswirtschaftsministerium tragen die politische Verantwortung dafür, wenn sich die Händler des Todes bei ihren illegalen Rüstungslieferungen in das Spannungsgebiet des Nahen Ostens auf die sie begünstigende Rechtsauslegung der Bundesregierung berufen können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

Und nun kommt's:

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Bundeswirtschaftsministerium hat in diesen Tagen an die Spitzenverbände der Wirtschaft den Entwurf einer zwölften Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung übersandt und einen neuen § 5 c vorgeschlagen. In der amtlichen Begründung dazu heißt es — ich zitiere — :
In § 5 c wird als Konsequenz aus der Lieferung von Plänen für U-Boote nach Südafrika die Genehmigungspflicht auch dann vorgesehen, wenn die Pläne nicht den Bau der kompletten Ware erlauben.
Die U-Boot-Pläne wurden im Jahr 1985 nach Südafrika geliefert. Fünf Jahre hat die Bundesregierung also gebraucht, um eine Lücke in den Rüstungsexportkontrollen zu schließen, die sie selbst erst aufgemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die regierungsamtliche Mentalität, die den Rüstungsexportskandalen der vergangenen Jahre Vorschub geleistet hat. Um sich selbst vor den Konsequenzen des illegalen Rüstungsgeschäfts mit Südafrika zu schützen, hat die Bundesregierung zumindest in Kauf genommen, auch die Händler des Todes zu schützen, die durch diese Lücke ihre Rüstungsexportgeschäfte fünf Jahre lang betreiben konnten.
Meine Damen und Herren, im Untersuchungsausschuß hat es keine Erklärung dafür gegeben, warum sich die Bundesregierung überhaupt auf Verhandlungen mit Südafrika und mit den Firmenvertretern über das U-Boot-Geschäft eingelassen hat, obwohl es auf legale Weise nie hätte abgewickelt werden können. Außenminister Genscher hat vor dem Ausschuß bestätigt, daß es dabei „keinen Ermessensspielraum" für die Bundesregierung wegen UN-Embargos gab.
In einem Aktenvermerk eines HDW-Vorstandsmitglieds ist festgehalten — ich zitiere —:
Als ständiger Drängler im Hintergrund betätigt sich F. J. S. insbesondere bei K.



Gansel
K. ist Kohl, und F. J. S. ist Strauß.
Daß dem bayerischen Ministerpräsidenten die Probleme der norddeutschen Werftindustrie am Herzen lagen, wie K. im Untersuchungsausschuß weismachen wollte, gehört in den Bereich der Märchen. Tatsache ist hingegen, daß der in Parteispenden erfahrene ehemalige FDP- und spätere CSU-Abgeordnete Zoglmann, der als Lobbyist von HDW auftrat und die Verbindungen zu Strauß, zu Schreckenberger und zu Teltschik hielt, eine Provision in Millionenhöhe für das Zustandekommen des illegalen Rüstungsgeschäftes erhalten sollte.
Als es Meinungsverschiedenheiten zwischen Zoglmann und HDW über die Höhe der Provisionen gab, hielt das HDW-Vorstandsmitglied Hansen-Wester in einem Vermerk fest — ich zitiere — :
Zo. sieht hierbei Schwierigkeiten. Wir sollten es nicht riskieren, daß das unmittelbare Interesse seiner Freunde erlischt.
Im gleichen Vermerk heißt es zu den Provisionen — Zitat —:
Vor allem aber möchte man, daß bis etwa Mitte 1985 alle Zahlungen geleistet sind: Politische Ämter sind oft kurzlebig.

(Bohl [CDU/CSU]: Das weiß auch Lafontaine und zieht sich nach Saarbrücken zurück!)

Schließlich war im Jahre 1986 Wahlkampf in Bayern und in Bonn.
Es steht fest, daß Provisionen gezahlt worden sind. Es steht auch fest, daß es in diesem Zusammenhang Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung gibt.

(Austermann [CDU/CSU]: Auch wegen Geheimnisverrats!)

Im Ausschußbericht der Regierungsmehrheit heißt es dazu— ich zitiere —:
Zahlungen von Provisionen sind grundsätzlich etwas Zulässiges. Da Provisionszahlungen auch vom deutschen Steuerrecht als abzugsfähige Betriebsausgaben anerkannt werden, ist in ihnen grundsätzlich nichts Geheimnisumwittertes oder gar Anstößiges zu erkennen.
Tatsächlich hat die Regierungsmehrheit im Untersuchungsausschuß alle Beweisanträge zum Schmiergeldkomplex abgelehnt.
Wen wollen die Regierungsparteien damit eigentlich decken?

(Conradi [SPD]: Sich selbst!)

Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Meinung, daß Provisionszahlungen für illegale Rüstungsexportgeschäfte schlichtweg in den Bereich der Korruption und nicht zu den Einnahmequellen eines ehrbaren Kaufmanns gehören, gleichgültig, ob sie versteuert werden oder nicht,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

erst recht dann, wenn sie in den politischen Bereich weitergeleitet werden sollen. Das ist Geld, das stinkt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Wir haben im Untersuchungsausschuß einiges auslüften können. Aber Gestank ist geblieben. Eine Bundesregierung, in der daraus keine personellen Konsequenzen gezogen werden, bleibt in dem Geruch, ihre schützende Hand über den illegalen Waffenhandel zu legen, beim Irak wie bei Libyen sowie beim menschenverachtenden Apartheidregime in Südafrika.
Frau Präsidentin, vielleicht kann ich jetzt statt einer späteren persönlichen Bemerkung nur einen Satz zu den Vorwürfen, die gegen mich erhoben worden sind, sagen.
Der Unterschied zwischen den Vorwürfen gegen Herrn Kohl und gegen mich liegt in folgendem: Herr Kohl steht in dem Verdacht, vor dem Untersuchungsausschuß die Unwahrheit gesagt zu haben. Ich stehe im Verdacht, vor den Vereinten Nationen die Wahrheit gesagt zu haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Dazu stehe ich auch.
Schließlich sage ich Ihnen: Nicht jede Wahrheit ist ein Geheimnis.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90 — Fellner [CDU/ CSU]: Ein sehr ungeheuerlicher Vorgang!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123205300
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bohl.

Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1123205400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gansel, ich finde eigentlich schon, daß etwas mehr Bescheidenheit und weniger Selbstgerechtigkeit bei Ihnen angebracht wäre,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

nachdem gestern der Immunitätsausschuß Ihre Immunität in diesem Zusammenhang aufgehoben hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Gansel [SPD]: Stimmt das, Frau Präsidentin? — Gegenruf des Abg. Austermann [CDU/CSU]: Jetzt tut er so, als wüßte er das gar nicht!)

Als Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses ist folgendes festzuhalten:
Erstens. Zwei am U-Boot-Geschäft interessierte Unternehmen haben Vorgespräche im Bereich der Bundesregierung geführt mit dem Ziel, U-Boot-Blaupausen nach Südafrika zu exportieren. Einen entsprechenden Exportantrag haben die Unternehmen nicht gestellt.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Weil sie wußten, daß es illegal ist! Früher als die Bundesregierung!)

Zweitens. Niemals hat die Bundesregierung für die tatsächlich erfolgten Lieferungen von U-Boot-Blaupausen nach Südafrika eine Genehmigung erteilt.



Bohl
Drittens. Die Bundesregierung hat nach Kenntniserhalt von solchen Blaupausenlieferungen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Oberfinanzdirektion Kiel veranlaßt, die ihrerseits die Staatsanwaltschaft Kiel auf dem laufenden gehalten hat.
Viertens. Ob die tatsächlich erfolgten Blaupausenlieferungen genehmigungsbedürftig waren, steht derzeit nicht fest. Nach Auffassung der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel besteht insoweit lediglich der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit.
Fünftens. Die Generalbundesanwaltschaft sah nach Vorprüfung keinen Anlaß zum Einschreiten. Auch die Staatsanwaltschaft Kiel hat über Jahre hinweg keinen Rechtsgrund gesehen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Sechstens. Im Herbst 1989 hat die Staatsanwaltschaft Kiel ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und umfangreiche Unternehmensakten beschlagnahmt.
Siebtens. In Kenntnis dieser Unterlagen hat das Landgericht Kiel am 4. Juli 1990 entschieden: Es besteht kein Anfangsverdacht für strafrechtliches Verhalten der Unternehmensverantwortlichen.

(Jäger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Achtens. Daraufhin hat die dem SPD-Justizminister Klingner unterstehende Staatsanwaltschaft Kiel am 17. August dieses Jahres das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Fazit, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der politisch relevante Sachverhalt gibt keinerlei Anlaß für Vorwürfe gegen die Bundesregierung.

(Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Die SPD hat lediglich eine Verleumdungskampagne betrieben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Kampagne wurde immer heftiger und ausfälliger, je deutlicher die Vorwürfe in sich zusammenbrachen.
Ich möchte insbesondere nach den Ausfällen gegenüber dem Ausschußvorsitzenden, dem Kollegen Eylmann, ausdrücklich für seine aufopferungsvolle Langmut danken. Ich muß sagen: Ich habe ihn bewundert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich schließe das Ausschußsekretariat gerne in den Dank ein.
Ich möchte hinzufügen, daß die Opposition in dieser Frage offensichtlich so verbrannt und verbohrt ist,

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Lesen Sie das Ausschußprotokoll!)

daß sie einfach nicht in der Lage ist, von ihren Aussagen abzurücken. Ich sage Ihnen: Egal, wieviel Wahlperioden Sie noch untersuchen sollten, Sie werden nichts anderes ans Licht befördern. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Eid [GRÜNE/Bündnis 90]: Wenn die Akten im Reißwolf verschwinden!)

Sie haben sich doch in der Lage gesehen, alles jederzeit zu bewerten und beinahe jedermann zu jeder Zeit der Falschaussage oder sonstiger Straftaten zu bezichtigen, und Sie haben unentwegt mit angeblich geheimen Informationen operiert.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Was soll denn diese Unterstellung?)

Wenn es so wäre, wie Sie sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann frage ich mich nur, was Gerichtsentscheidungen für Sie wert sind. Die Gerichte sagen genau das Gegenteil von dem, was Sie hier feststellen. Das ist die Wahrheit.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Nun tragen Sie noch vor, es müsse viel mehr aufgeklärt werden, es sei noch gar nicht alles aufgeklärt. Wenn noch nicht alles aufgeklärt ist, möchte ich Sie fragen: Wie kommen Sie dann zu diesen selbstgerechten Urteilen und Bewertungen? Es ist doch völlig unglaubwürdig, auf der einen Seite zu sagen, die Sache müsse aufgeklärt werden, und auf der anderen Seite zu behaupten, die Bundesregierung sei schuld. Das paßt doch gar nicht zusammen. Ihnen geht es nur um Klamauk.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Rechtsstaatlichkeit scheint für die Opposition sowieso ein Horror zu sein. Zeugnisverweigerungsrechte, die vom Rechtsstaat und nicht vom Ausschuß oder seiner Mehrheit gewährt werden, waren Ihnen stets ein Greuel.
Es ist Ihr merkwürdiges Verständnis vom Rechtsstaat, wenn Sie darin unentwegt nur Behinderung und Blokkade Ihrer angeblichen Aufklärungsbemühungen sehen.
Das Bundesverfassungsgericht — das möchte ich Ihnen doch einmal vorhalten — hat in seinem FlickUrteil die Möglichkeiten des Untersuchungsausschusses dadurch erweitert, daß es entschieden hat: Akten, deren Inhalt durch ein besonderes Geheimnis, z. B. das Steuergeheimnis, geschützt sind, können gleichwohl einem Untersuchungsausschuß zur Verfügung gestellt werden, wenn der Untersuchungsausschuß Vorkehrungen trifft, daß diese Akten geheimgehalten werden. Das hat es ermöglicht, daß der Ausschuß umfangreiche Akten erhalten hat. Nun beklagen Sie gleichzeitig, daß diese Akten geheim sind. Die Alternative dazu wäre nur, daß wir gar keine Akten bekämen. Das ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und keine Behinderung durch die Regierungskoalition.
Meine Damen und Herren, ich muß in diesem Zusammenhang noch einen Oppositionsskandal ansprechen. Er ist schon angedeutet worden. Das Amtsgericht Bonn und das Landgericht Bonn sowie der Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel haben dem Ausschuß bescheinigt, daß er beim Umgang mit geheimzuhaltenden Unterlagen unzuverlässig ist,

(Austermann [CDU/CSU]: Gemeint war Gansel!)




Bohl
wobei ausdrücklich die beiden Abgeordneten der GRÜNEN erwähnt sind. Das ist der Sachverhalt.

(Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Den wollen Sie hier noch anführen? Das war doch keine demokratische, richterliche Verurteilung, sondern von Ihrer Hand diktiert!)

Auch Herr Kollege Gansel ist ins Zwielicht geraten. Deshalb mußte gestern der Immunitätsausschuß bemüht werden. Aber jeder blamiert sich eben, so gut er kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will hinzufügen, daß ich einen weiteren Skandal darin sehe, daß der Herr Gansel eine Wühlarbeit bei den Vereinten Nationen betrieben hat.

(Kuhlwein [SPD]: Pfui! — Lowack [CDU/ CSU]: Das ist noch sanft ausgedrückt! — Dr. Kübler [SPD]: Das ist eine Verleumdung der Vereinten Nationen!)

Da er auf innenpolitischer Bühne nicht weiterkam, hat er mit krummen Berichten bei der UN versucht, die Bundesrepublik Deutschland zu schädigen. Er hat durch ein sehr merkwürdiges Statement vor der UNO mit billigen Tricks die Unwissenheit der Vertreter dieses Gremiums auszunutzen versucht. Er hat eine unverhüllte Aufforderung an das UNO-Gremium gerichtet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Staatsanwaltschaft von einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland ausgehen könne.

(Lowack [CDU/CSU]: Unglaublich! Und das als Abgeordneter des Bundestages!)

Die Lektüre des SPD-Minderheitenberichtes und auch des Zwischenberichtes zeigen, welches Interesse offensichtlich nicht nur Herr Gansel, sondern die gesamte SPD am Vorhandensein einer solchen erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen hat. Das ist schon schändlich, wenn gleichzeitig das Auswärtige Amt feststellt, daß eine solche erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen nicht gegeben ist.
Die Strategie der verbrannten Erde und der Schwarzmalerei — das ist offensichtlich der neue Weg, den die SPD unserem Staat zumuten will. Der Wähler wird der SPD dafür die Quittung geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Beer [GRÜNE/Bündnis 90]: Sie fangen mit Lügen an und hören mit Lügen auf!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123205500
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, daß bei diesem Thema eine harte Auseinandersetzung in der Sache geführt wird. Aber Zurufe wie „Berufsdenunziant" , Herr Austermann, oder „vaterlandsloser Geselle" weise ich mit einem Ordnungsruf zurück.

(Austermann [CDU/CSU]: Der letzte kam aber nicht von mir!)

Ich stelle in diesem Zeitpunkt fest — damit das hier im Parlament nicht so stehenbleibt — , daß die Immunität des Abgeordneten Gansel nicht aufgehoben ist,

(Hört! Hört! bei der SPD — Kuhlwein [SPD]: Dann hat Herr Bohl hier gelogen! — Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Gelogen im Parlament!)

— Ich stelle hier etwas fest, auch zum Schutz des Abgeordneten.
Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1123205600
Frau Präsidentin! Es ist hier nicht der Ort, zu klären, ob es der normale Stil ist, wenn man von einem Mitglied einer anderen Fraktion vom Rednerpult aus solche Mitteilungen erhält. Das gehört woanders hin.
Ich möchte Ihnen nur sagen: Ich weiß, daß es das übliche und generelle Verfahren gibt und daß es in diesem Zusammenhang ein Schreiben der Staatsanwaltschaft an Sie gibt. Ich gehe davon aus, daß das so wie immer bearbeitet wird. Ich möchte Sie persönlich bitten, daß ich im Ergebnis nicht anders behandelt werde als die Journalisten, gegen die wegen ihrer Berichterstattung auch Anzeige erstattet worden ist. Ich möchte wie ein normaler Staatsbürger behandelt werden.
Im übrigen, finde ich, müssen auch Fragen geklärt werden, die den Stil betreffen. Was Herr Bohl gemacht hat, ist typisch für die Methode, mit der auch im Ausschuß gearbeitet worden ist.
Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, das klarzustellen.

(Beifall bei der SPD)


Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1123205700
Frau Präsidentin, ich stehe wenn meine Formulierung mißverständlich sein sollte, nicht an zu erklären, daß ich sie zurücknehme und sie bedauere. Nach meinen Informationen hat der Immunitätsausschuß der Präsidentin empfohlen, der Strafverfolgung zuzustimmen. Das ist mein Kenntnisstand. Wenn ich vorhin etwas Falsches gesagt haben sollte oder der Sachverhalt, wie ich ihn jetzt wiedergebe, falsch sein sollte, dann würde ich es bedauern. Aber meine Kenntnis ist so, wie ich es hier wiedergegeben habe.

(Dr. Kübler [SPD]: Herr Bohl war langjähriges Mitglied des Geschäftsordnungsausschusses! Jetzt sagt er die Unwahrheit! — Zuruf von der SPD: Völlig irreführend!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123205800
Ich kann die letzte Aussage weder bestätigen noch verneinen. Ich muß sie erst überprüfen und nehme deswegen jetzt nicht bejahend oder verneinend Stellung.
Herr Austermann.

Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1123205900
Frau Präsidentin, Ihre Äußerung vorhin im Zusammenhang mit meinem Namen war so zu verstehen, als hätte ich den Ausdruck „vaterlandsloser Geselle" gebraucht.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123206000
Nein.




Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1123206100
Vielen Dank. Ich habe das also nicht gesagt, habe mich allerdings gegen die Denunziation oder das Verhalten des Kollegen Gansel ausgesprochen.
Vielen Dank.

(Kuhlwein [SPD]: Jetzt muß er aber raus! Wenn er das nach einem Ordnungsruf wiederholt, muß er raus!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123206200
Hier entstehen Mißverständnisse. Ich habe eben sehr klar gesagt, daß die Immunität des Abgeordneten Gansel nicht aufgehoben ist. Ich wiederhole das, weil gesagt wurde, es sei unkorrekt ausgesagt worden. Bei dieser Aussage bleibe ich. Damit möchte ich das abschließen.
Zur Geschäftsordnung Frau Eid.

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123206300
Frau Präsidentin, wegen der vielen ungeklärten Fragen beantrage ich hiermit Vertagung der Beschlußfassung auf den 22. November 1990 gemäß § 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung.
Ich möchte dies begründen. Die Beiträge haben heute gezeigt, daß es notwendig ist, daß wir diese 500 Aktenordner, die bei der OFD Kiel noch eingebunkert sind, bekommen, um noch die offenen Fragen zu klären. Wir wollen wissen, womit die Bundesregierung erpreßbar war. Warum hat sie alles unternommen, um den U-Boot-Skandal zu vertuschen, und warum hat sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Firmen schließlich doch noch zu ihrer bereits 1983 versprochenen Straffreiheit zu verhelfen?

(Lowack [CDU/CSU]: Eine Ungeheuerlichkeit! Hören Sie auf mit diesen bösartigen Unterstellungen!)

Auf den anderen Fragenkomplex der Schmiergelder und Provisionszahlungen möchte ich jetzt als Begründung nicht weiter eingehen. Ich glaube, dazu hat der Kollege Gansel genügend gesagt.
Ich meine, es wäre möglich, noch bis zum 22. November 1990 die Herbeiziehung der Aktenordner der Oberfinanzdirektion Kiel zu beantragen und die Akten durchzuschauen. Staatssekretär Klemm hat ja in seinem Schreiben an den Ausschuß am 15. Oktober 1990 verschiedene Kompromißmöglichkeiten angeboten. Wir sollten alles versuchen, auf diese Kompromißvorschläge einzugehen. Vielleicht könnte mit diesem Vorschlag eine Neueinsetzung des Untersuchungsausschusses oder eine anderweitige Fortführung des parlamentarischen Verfahrens doch noch vermieden werden.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 — Abg. Kuhlwein [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1123206400
Herr Kuhlwein, bei Geschäftsordnungsanträgen gibt es keine Zwischenfragen.

(Kuhlwein [SPD]: Eine Kurzintervention!)

— Nein, das geht jetzt auch nicht mehr. Dann müßten Sie zum Geschäftsordnungsantrag sprechen.
Wird dazu das Wort gewünscht?

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!) — Das ist nicht der Fall.

Dann lasse ich über den Antrag der Kollegin Eid abstimmen, d. h. über die Vertagung. Wer stimmt dem Antrag der Kollegin Eid zu? — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit der Mehrheit der Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über die Beschlußempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 11/8109 einschließlich der Ergänzung auf Drucksache 11/8176 ab. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? Damit ist die Beschlußempfehlung bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS und einer Gegenstimme angenommen.

(Jäger [CDU/CSU]: Dafür das ganze Theater!)


(Vorsitz: Vizepräsident Westphal)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123206500
Wir setzen unsere Beratung fort.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 a bis 17 c auf:
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (21. Ausschuß) zu dem Zweiten Bericht der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema Schutz der tropischen Wälder gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober und 27. November 1987 sowie vom 7. Dezember 1988
— Drucksachen 11/533, 11/787, 11/971,
11/1351, 11/3479, 11/7220, 11/8009 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmidbauer Frau Dr. Hartenstein
Frau Dr. Segall
Dr. Knabe
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (21. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission
Die politischen Zielsetzungen der Gemeinschaft zum Treibhauseffekt
— Drucksachen 11/7319 Nr. 2.20, 11/8007 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmidbauer Frau Dr. Hartenstein
Frau Dr. Segall
Dr. Knabe
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (21. Ausschuß)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Göhner, Harries, Dörflinger, Herkenrath, Dr. Lippold (Offenbach), Schmidbauer, Dr. Friedrich, Eylmann, Dr. Pinger, Sauter (Epfendorf), Frau Rönsch (Wiesbaden), Dr. Kunz



Vizepräsident Westphal

(Weiden), Höffkes, Frau Fischer, Feilcke, Schreiber, Hedrich, Dr. Kronenberg, Graf von Waldburg-Zeil, Frau Männle, Dr. Pohlmeier, Schemken, Weiß (Kaiserslautern), Dr. Müller, Schulze (Berlin), Kossendey, Freiherr von Schorlemer, Börnsen (Bönstrup), Sauer (Stuttgart), Schmitz (Baesweiler), Seesing, Lowack, Müller (Wesseling) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), Bredehorn, Dr. Weng (Gerlingen), Dr.-

Ing. Laermann, Timm, Frau Folz-Steinacker, Hoppe, Dr. Feldmann, Irmer, Dr. Hoyer, Paintner, Dr. Hitschler, Zywietz, Grünbeck, Dr. Hirsch, Richter, Frau Seiler-Albring, Kleinert (Hannover), Lüder und der Fraktion der FDP
Klima- und Artenschutz durch Erhaltung der tropischen Regenwälder
zu dem Antrag der Abgeordneten Volmer, Dr. Knabe, Frau Eid und der Fraktion DIE GRÜNEN
Umfassender Schutz für die Trocken- und Feuchtwälder in den Ländern der Dritten Welt
zu dem Antrag der Abgeordneten Schanz, Adler, Bachmaier, Bindig, Blunck, Brück, Dr. von Bülow, Conradi, Fischer (Homburg), Großmann, Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Dr. Hauff, Dr. Holtz, Kiehm, Lennarts, Luuk, Dr. Martiny, Menzel, Müller (Düsseldorf), Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Reimann, Reuter, Schäfer (Offenburg), Schluckebier, Dr. Schöfberger, Schütz, Stahl (Kempen), Toetemeyer, Waltemathe, Weiermann, Dr. Wernitz, Bernrath, Bulmahn, Ganseforth, Ibrügger, Purps, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Erhaltung der tropischen Regenwälder zum Schutz einheimischer Bevölkerungen, des Klimas und der genetischen Artenvielfalt durch entwicklungspolitische Maßnahmen
zu dem Antrag des Abgeordneten Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN
Keine Verwendung tropischer Hölzer in bundeseigenen Einrichtungen
— Drucksachen 11/2010, 11/2933, 11/3740, 11/1838, 11/8010 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmidbauer Frau Dr. Hartenstein
Frau Dr. Segall
Dr. Knabe
Zu Tagesordnungspunkt 17 a liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf den Drucksachen 11/8253 und 11/8256 vor.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die gemeinsame Beratung 90 Minuten vor. — Ich sehe keinen Widerspruch gegen diesen Vorschlag. Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zuerst der Abgeordnete Schmidbauer. Bitte schön.

Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1123206600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die 90er Jahre sind ein historisch entscheidender Zeitraum. Dies zeigt uns bereits das erste Jahr dieses neuen Jahrzehnts. Der Ost-West-Konflikt wurde nahezu beendet, die Einheit Deutschlands erreicht, die europäische Einigung weiter vorangebracht.
Die Bedeutung Europas wächst zusehends und damit auch unsere Verantwortung mitzuhelfen, einvernehmlich und so rasch wie möglich den anderen noch existierenden, wahrscheinlich viel größeren Konflilkt, nämlich die Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd, zwischen arm und reich, zu lösen. In engem Zusammenhang damit sind die Gefahren durch den zusätzlichen Treibhauseffekt, die Abnahme der stratosphärischen Ozonschicht und die Vernichtung der tropischen Wälder zu sehen.
Auf dem Spiel stehen die Gesundheit und das Leben aller Menschen sowie das Gleichgewicht der gesamten Biosphäre unserer Erde. Wir sind global gefährdet, und nur global sind wir in der Lage, diese Herausforderung anzunehmen und zu bestehen. Nur gemeinsam, denke ich, können wir überleben.
Wir brauchen daher einen Pakt der Vernunft zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern. Die Verantwortung der Industrienationen wird besonders daran deutlich, daß 20 % der Menschen 80 % der Schäden in der Erdatmosphäre verursachen.
Wir brauchen eine Rahmenkonvention, die alle Bereiche umfaßt: den Ozonschichtabbau, den Treibhauseffekt und den Schutz der tropischen Wälder. Dieses umfassende Rahmenkonzept werden wir in der kommenden Woche bei der ersten Lesung unseres dritten Berichts dem Deutschen Bundestag vorlegen. Der Schutz der tropischen Wälder ist ein wesentlicher Teilbereich auch im Hinblick auf den Schutz der Erdatmosphäre.
Lassen Sie mich an dieser Stelle allen danken, die in den vergangenen Jahren mitgearbeitet haben: den Mitgliedern der Enquete-Kommission, insbesondere den Abgeordneten, den Wissenschaftlern. Lassen Sie mich Dank sagen der Bundestagspräsidentin, dem Präsidium, der Verwaltung des Deutschen Bundestags und insbesondere der Bundesregierung für ihre koordinierende Mitberatung und ihre Hilfe bei der Erstellung unserer Berichte.
Wir müssen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, alles daransetzen, die tropischen Wälder zu erhalten, nicht nur weil die Waldvernichtung zu etwa 15 % zum zusätzlichen Treibhauseffekt beiträgt, sondern weil mit dem Tropenwald auch das artenreichste Ökosystem dieser Erde zugrunde geht.
Derzeit ist von dem ursprünglichen Bestand der Tropenwälder kaum noch die Hälfte übrig. Von diesen 18 Millionen Quadratkilometern werden allein in diesem Jahr weitere 160 000 bis 200 000 Quadratkilometer vernichtet. Dies sind täglich 500 Quadratkilometer eines in Jahrmillionen gewachsenen Ökosystems. Ohne Gegenmaßnahmen wird es in etwa



Schmidbauer
50 Jahren überhaupt keinen Tropenwald mehr geben.
Bereits heute sind die Auswirkungen der Vernichtung erkennbar. Die außergewöhnliche Artenvielfalt, die mindstens 50 bis 75 % aller Arten in den tropischen Feuchtwäldern ausmacht, ist unmittelbar bedroht. Man schätzt, daß täglich mehrere Arten aussterben.
Die indigenen Völker und ethnischen Minderheiten verlieren ihre Lebensräume. Durch die zum Teil bereits eingetretenen regionalen Klimaänderungen kommt es zu Verschiebungen von Trockenzeiten und zu Änderungen des Wasserkreislaufes. In sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereichen sind die Tropenwaldländer kurzfristig sogar stärker betroffen als durch die Folgen der globalen Erwärmung.
Um die tropischen Wälder wirksam schützen zu können, müssen die Ursachen ihrer Zerstörung beseitigt werden. Dies sind u. a. Armut und existentielle Not breiter Bevölkerungskreise, das zunehmende Bevölkerungswachstum, die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Überschuldung, sowie auch die Steuer- und Abgabensysteme, die Anreize zur Vernichtung der Tropenwälder darstellen.
Unsere Maßnahmenvorschläge wollen einen Weg für sofortiges politisches Handeln aufzeigen. Die vorliegende Beschlußempfehlung des Umweltausschusses beinhaltet in vollem Umfang die Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages. Sowohl während der Beratungen im Umweltausschuß als auch bereits im Beratungsverfahren der Enquete-Kommission bestand Übereinstimmung über die Dringlichkeit der Aufgabe. Um so enttäuschender ist es, daß es nicht gelungen ist, den Streit über den besten Weg zur Tropenwalderhaltung beizulegen. Es war ein sachlich ausgetragener Streit; ich will das durchaus festhalten.
Ich hoffe, daß in Zukunft der zielorientierte Konsens für diese wichtige Sache wieder im Vordergrund steht; denn unsere Maxime muß sein, sofort, konsequent und effektiv zu handeln. Die Gemeinsamkeiten sollten bei uns, in diesem Hause, beginnen.
Grundsätzlich gilt: Alle Maßnahmenvorschläge zur Erhaltung der Tropenwälder können nur greifen, wenn wir gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen — national, EG-weit und international — ansetzen.
Zu den Notwendigkeiten im nationalen Bereich gehört erstens die bilaterale Zusammenarbeit mit den Tropenwaldländern. Die Entwicklungshilfepolitik ist eine der wichtigsten Ebenen zur Umsetzung von Maßnahmen für den Tropenwaldschutz. Sie muß noch breiter ansetzen. Wir müssen noch mehr tun, über das hinaus, was wir heute bereits realisieren.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Dazu gehört zweitens der Schuldenerlaß. Seit 1978 hat die Bundesrepublik Deutschland Schulden in Höhe von rund 9 Milliarden DM erlassen. Wir bitten die Bundesregierung, diesbezüglich ihre bisherigen Bemühungen vor allem gegenüber den Tropenwaldländern fortzusetzen und auszubauen. Selbstverständlich sollte das betreffende Land seine Bereitschaft erkennen lassen, seine tropischen Wälder zu schützen.
Dazu gehören drittens zusätzliche Finanzhilfen. Wir bitten die Bundesregierung, den gegenwärtig realen Mittelumfang von 250 Millionen DM für Maßnahmen zum Schutz der Tropenwälder ab 1994 zu verdoppeln, um wirksame Anreize für die Tropenwalderhaltung zu geben. Es geht darum, alle verfügbaren Mittel dort einzusetzen, wo durch schnelle Hilfe tropische Wälder gerettet werden können.
Schließlich gehört dazu viertens die Umweltverträglichkeit. Eine wichtige Forderung ist, daß bei unserer Zusammenarbeit mit den Tropenwaldländern — wie überhaupt, so denke ich, mit allen Entwicklungsländern — die Frage der Umweltverträglichkeit im Vordergrund unserer Überlegungen stehen muß. Unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten sollte die Bundesregierung auch auf die entsprechende Ausgestaltung der kommerziellen Handelsbeziehungen hinwirken. Alle Industrienationen können und müssen auch hier entscheidende Impulse geben und richtungsweisend handeln.
Die zweite Ebene ist die EG-Ebene. Wir appellieren an die Europäische Gemeinschaft, die Maßnahmen der einzelnen Partner zu unterstützen und gleichzeitig bei der Koordinierung auf internationaler Ebene mitzuwirken.
Ein wesentlicher Teil wird sein, daß wir auf der internationalen Ebene Fortschritte erreichen. Wir brauchen drigend eine Internationale Konvention zum Schutz der tropischen Wälder. Sie soll Teil der Internationalen Konvention zum Schutz der Erdatmosphäre sein, deren Ziel es sein muß, die energiebedingten Spurengasemissionen weltweit zu reduzieren.
Für eine unmittelbare, direkte Hilfe fordern und unterstützen wir ein Sofortprogramm zum Schutz der tropischen Wälder. Ein jährlicher Mitteleinsatz in Höhe von 750 Millionen DM könnte vor allem dazu dienen, akut gefährdete Wälder in den Tropenwaldländern vor der Vernichtung zu retten.
Wir begrüßen, daß der Bundeskanzler beim Wirtschaftsgipfel in Houston erreicht hat, daß ein solches Sofortprogramm in bezug auf Brasilien aufgelegt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde es sehr wichtig, daß wir erfahren haben, daß Vorschläge der Enquete-Kommission unmittelbar in politische Handlungsstrategie umgesetzt werden — das gilt nicht nur für Brasilien, sondern auch für alle übrigen Tropenwaldländer —, um für besonders gefährdete Regionen möglichst bald ein solches Programm auf den Weg zu bringen.
Das zunehmende Bevölkerungswachstum und die sozialen, ökonomischen und ökologischen Krisen in den Tropenwaldländern sind die eigentlichen Ursachen der Tropenwaldvernichtung.

(Beifall der Abg. Frau Garbe [GRÜNE/Bündnis 90])

Hier kann nur eine langfristige Schutzkonzeption helfen.



Schmidbauer
Diese Schutzkonzeption wollen und können wir nur in Kooperation mit den Tropenwaldländern entwikkeln. Dabei sollten wir alles vermeiden, was uns von seiten der betroffenen Länder den Vorwurf der Einmischung eintragen könnte.
Nach unserer Vorstellung könnte diese Konzeption folgendermaßen aussehen. Erstens. Die Industrieländer und andere Staaten, die nicht über eigene Tropenwaldvorkommen verfügen, stellen finanzielle Mittel bereit.
Zweitens. Sie unterstützen keine Aktivitäten im eigenen Land — und führen solche auch nicht selbst durch — , die im Rahmen ihrer außenwirtschaftlichen Beziehungen oder in Tropenwaldländern direkt oder indirekt zur Zerstörung von Tropenwäldern beitragen. Damit ist ausdrücklich die Mitverantwortung der Industrieländer angesprochen.
Drittens. Die Tropenwaldländer verpflichten sich ihrerseits, ihre Primärwälder weitestmöglich zu erhalten. Zu diesem Zweck werden u. a. verstärkt Schutzgebiete eingerichtet. Die anderen Wälder werden nachhaltig bewirtschaftet; Aufforstungs- und Regenerationsmaßnahmen werden durchgeführt, damit langfristig neue Sekundärwälder entstehen können.
In diesem Zusammenhang sprechen wir uns für eine umfassende Reform des internationalen TropenForstwirtschafts-Aktionsplanes der FAO aus. In Zukunft muß es deren vorrangiges Ziel sein, die tropischen Wälder zu erhalten, zu schützen und — wo bereits vernichtet — wieder aufzuforsten.
Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg. Wir begrüßen es daher, daß sich die Bundesregierung mit allem Nachdruck für eine Verbesserung der FAO-Pläne einsetzt und insbesondere darauf drängt, daß der Waldschutz in Zukunft stärker berücksichtigt wird.
Darüber hinaus fordern wir schnellstmöglich einen internationalen Treuhandfonds zum Schutz der tropischen Wälder. Dieser Treuhandfonds soll erstmals 1994 durch die Unterzeichnerstaaten der Konvention, insbesondere durch die Industrieländer, mit Mitteln in Höhe von 10 Milliarden DM versehen werden. Die UNEP, die FAO, die Weltbank und andere Organisationen sind geeignet, das dann entsprechend umzusetzen.
Wir müssen die verschiedenen Maßnahmen zur Erhaltung der tropischen Wälder parallel und sofort auf den Weg bringen. Dann kann es gelingen, die Ziele des von uns befürworteten Stufenplans zu erreichen, nämlich diese Vernichtung in wenigen Jahrzehnten insgesamt zu stoppen.
Dieser Stufenplan ist nicht, wie fälschlicherweise behauptet wird, als Zielvorgabe für die Zulassung weiterer Eingriffe in den Tropenwald zu verstehen. Das heißt, er billigt in keiner Weise, daß Tropenwälder bis zum Jahr 2000 oder gar länger vernichtet werden. Diese Unterstellung weise ich mit allem Nachdruck, wenn sie irgendwo erfolgen sollte, zurück.
Wer auch immer meint, daß sich diese Aufgabe schneller verwirklichen läßt, verkennt die großen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Der Bundeskanzler hat zugesichert, daß die von uns genannten Zeithorizonte als Orientierungsdaten dienen sollen, und zwar sowohl im Hinblick auf die eigenen Anstrengungen als auch bezüglich der internationalen Zusammenarbeit.
Unsere Aufgabe und Verpflichtung ist es, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln einen Beitrag zum Schutz der Erhaltung der tropischen Wälder zu leisten. Aus der gleichen Verantwortung heraus, mit der gleichen Intensität müssen auch die anderen Bereiche angegangen werden.
In Anbetracht unserer Glaubwürdigkeit gegenüber den Tropenwaldländern müssen wir selbst tiefgreifende Maßnahmen einleiten. Wie fordern die Bundesregierung deshalb auf, darauf hinzuwirken, daß sich die EG-Mitgliedstaaten noch im Jahr 1991 auf gemeinsame und möglichst weitreichende Ziele verständigen, so daß wir, um nur ein Beispiel zu bringen, die CO2-Emissionen in der Europäischen Gemeinschaft bis zum Jahr 2005 um 20 bis 25% absenken. Allein die Bundesrepublik Deutschland könnte mit ihrer Verminderung dieser Emissionen um etwa 30 % bis zum Jahre 2005 dazu beitragen, daß diese Emissionen EG-weit insgesamt um 10 % reduziert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Emissionen der übrigen energiebedingten, klimarelevanten Spurengase sind umfassend zu vermindern. Dies gilt vor allem für den Energie-, Umwelt- und Verkehrsbereich.
Dies ist ein guter und notwendiger Anfang. Ich fordere Sie auf, sich gemeinsam mit uns sowohl für eine Internationale Konvention zum Schutz der tropischen Wälder als auch für eine Internationale Konvention zum Schutz der Erdatmosphäre mit aller Kraft auf allen politischen Ebenen einzusetzen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123206700
Die nächste Rednerin ist Frau Dr. Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (SPD):
Rede ID: ID1123206800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Beratung des Tropenwaldberichts hat im Juni einen Tag nach der großen Deutschlanddebatte stattgefunden. Die heutige Beratung findet einen Tag nach der Verabschiedung des dritten Nachtragshaushalts statt. Ich erinnere nur deshalb daran, weil diese beiden Konstellationen zeigen, daß auch wir als Parlament zunächst und vorrangig mit den eigenen Sorgen und Nöten beschäftigt sind. Das ist legitim, das ist verständlich, aber das sollte uns nicht daran hindern, auch wieder über den eigenen deutschen und europäischen Tellerrand hinauszublicken; denn die großen globalen Bedrohungen sind inzwischen nicht kleiner geworden. Wir müssen uns ihnen stellen.
Das Ozonloch ist nicht verschwunden, die Zerstörung der tropischen Regenwälder ist nicht gestoppt, und die Klimaaufheizung geht ungebremst weiter. Jeder Tag, der vergeht, ohne daß etwas geschieht, verringert die Chancen zum Gegensteuern und vergrößert die Hypothek für die kommenden Generationen.



Frau Dr. Hartenstein
Wir dürfen uns nicht an der Erkenntnis vorbeischleichen, daß diese verhängnisvollen Entwicklungen noch lange nicht am Gipfelpunkt angelangt sind und daß die Industrieländer dabei nicht nur Mitakteure, sondern Hauptakteure sind. Deswegen tragen sie auch die Hauptverantwortung. Darum müssen wir uns als erste in die Pflicht nehmen lassen, wenn es um einen Kurswechsel zugunsten der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen geht. Dieser Kurswechsel ist überfällig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Wir müssen die Initialzündung geben, um den ökologischen Umbau in Angriff zu nehmen; denn wir verfügen bereits heute über die umweltfreundlichen Technologien. Nur so besteht die Chance, auch die Dritte Welt davon zu überzeugen, daß Fortschritt und Wohlstand eben nicht um den Preis der Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen zu haben ist, sondern nur dann, wenn man im Sinne des Brundtland-Berichts auf eine dauerhafte Entwicklung, nämlich im Einklang mit der Natur, zugeht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Was steht auf dem Spiel? Die Menschheit ist drauf und dran, sich mit der Vernichtung der tropischen Wälder um ein unersetzliches, nicht wiederherstellbares Naturerbe zu bringen. In weniger als 50 Jahren werden nur noch belanglose Restbestände vorhanden sein, wenn sich nicht die internationale Staatengemeinschaft zu einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung aufrafft.
Das Bewußtsein für die Gefahr wächst übrigens erfreulicherweise auch in den Tropenländern selbst. So hat z. B. der mexikanische Präsident Carlos Salinas am Tag der Umwelt in Mexiko-City der Weltöffentlichkeit vorgerechnet, daß mit dem Geld, das heute an einem einzigen Tag für Rüstung ausgegeben wird, das bisher größte Wiederaufforstungsprogramm in der Geschichte der Entwicklungspolitik durchgeführt werden könnte. Diese Rede zeigt, daß man auch in den Ländern der Dritten Welt weiß, daß Sicherheit heute nicht mehr mit militärischer Stärke gleichzusetzen ist, sondern daß sie weit mehr eine Frage der Sicherung unserer gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Der brutale Raubbau in den Tropenwäldern verstärkt nicht nur den Treibhauseffekt und gefährdet das Klimagleichgewicht — wie schon betont wurde — , sondern er vernichtet auch Millionen Arten von Lebewesen für alle Zeiten; denn 50 bis 70 % aller auf der Erde vorkommenden Tiere und Pflanzen sind nur in den Tropenwäldern beheimatet, manche Experten schätzen sogar 90 %. Nirgendwo auf der Erde gibt es einen größeren Artenreichtum. Allein in Amazonien findet man etwa 25 000 verschiedene Baumarten, während es hier in unseren nördlichen Wäldern gerade noch 30 verschiedene Arten gibt. Die meisten Arten sind noch gar nicht erforscht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verwüsten die Vorratskammern der
Erde, ohne daß wir zuvor nachgeguckt haben, was sie eigentlich enthalten.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Woher nehmen wir eigentlich das Recht dazu? Vielleicht wird uns dies einmal als der größte ökologische Frevel von den künftigen Generationen angekreidet werden.

(Frau Garbe [GRÜNE/Bündnis 90]: Da bin ich ganz sicher!)

Mit dem Wald werden auch die Lebensräume derjenigen Völker zerstört, die es seit Jahrtausenden verstanden haben, in Harmonie mit dem Wald und vom Wald zu leben. Sie haben mit Sicherheit noch nie etwas von der Versöhnung zwischen Ökologie und Ökonomie gehört, aber sie haben es auf Grund von jahrhundertelangem, ja jahrtausendelangem Wissen praktiziert. Die Entscheidung darüber, was vom Weltbestand an Arten übrigbleibt, wird in den Tropen fallen.
Die Entscheidung darüber, ob und wie lange noch die Menschheit zum Überleben fähig ist, wird nicht zuletzt auch in der Tropenwaldpolitik fallen. Die wird auch in den Industrieländern gemacht. Es hängt auch von uns ab, davon, wie wir uns künftig verhalten; denn unsere Wirtschaftsreformen, unsere Konsumsysteme haben unmittelbare Auswirkungen auf die Umweltzerstörungen in der Dritten Welt. Das beginnt z. B. bei dem üppigen Fleischkonsum, den wir uns leisten. Das geht weiter über die unersättliche Rohstoffgier und reicht bis zum Parkett beispielsweise aus Sipo-Mahagoni, mit dem wir unsere Sitzungssäle und unsere Wohndielen ausstatten. Das muß nicht sein. Das muß enden, damit muß Schluß sein.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Wirksamer Tropenwaldschutz beginnt bei uns, meine Damen und Herren. Deshalb müssen wir den Anfang machen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Die Enquete-Kommission hat eine breite Palette von Maßnahmen vorgeschlagen, über die in Teilen Einigkeit erzielt wurde. Nicht einig waren wir uns allerdings bei der Bewertung der Ursachen und infolgedessen auch nicht bei bestimmten Handlungsempfehlungen. Deshalb hat eine Minderheit von acht Kommissionsmitgliedern ein abweichendes Votum für den Maßnahmen-Katalog vorgelegt. Der entscheidende Punkt, so denke ich, ist, daß nach unserer Auffassung die externen Ursachen für die Tropenwaldzerstörung eine wesentlich größere Rolle spielen als die internen Ursachen und als es der Tropenwald-Bericht darstellt.
Es ist zwar unbestritten, daß auch innenpolitische Faktoren zur Waldvernichtung beitragen, natürlich. Dazu gehören etwa verfehlte Steuergesetze und Subventionspraktiken, dazu gehört vor allem eine himmelschreiend ungerechte Landbesitzverteilung, z. B. in Brasilien oder auf den Philippinen, die die landwirtschaftlich nutzbare Fläche in der Hand ganz weniger Großgrundbesitzer konzentriert und die landlosen



Frau Dr. Hartenstein
Bauern mit ihren hungrigen Familien zu Hunderttausenden und Millionen in die Wälder abdrängt. Ohne Frage, Frau Segall, gehören dazu auch Armut und Bevölkerungswachstum, da sie einen steigenden Landbedarf erzeugen.

(Gallus [FDP]: Hauptsächlich!)

Allerdings sage ich dazu, daß das Bevölkerungswachstum eher eine Folge von Armut ist als umgekehrt, wie es meistens dargestellt wird.

(Gallus [FDP]: Umgekehrt!)

— Da sind wir unterschiedlicher Meinung, Herr Gallus. Das ist aber bekannt.

(Gallus [FDP]: Ja, ja! Fragen Sie mal die Wissenschaftler!)

Es wäre nicht richtig, darin die vorrangigen oder gar ausschließlichen Ursachen der Zerstörungsprozesse sehen zu wollen. Weit entscheidender ist die fatale Abhängigkeit der Entwicklungsländer von weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere von dem durch die Industrieländer dominierten internationalen Finanzsystem.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Weit entscheidender ist ihre exorbitante Schuldenlast und die einseitige Fixierung auf ein westlich geprägtes, rein industriewirtschaftliches Wachstumsmodell. Das haben wir ihnen gepredigt und predigen es leider weiter.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Was schlagen wir vor? — Wir brauchen sowohl einen umfassenden wie auch einen rasch greifenden Rettungsplan für die noch vorhandenen Tropenwälder. Darin stimmen wir überein.

(Gallus [FDP]: Richtig!)

Dafür nenne ich nur einige Eckpunkte, die in Ihrem Mehrheitsvotum so nicht dargestellt worden sind.
Erstens. Im Zentrum eines solchen Rettungsplanes muß ein drastischer Schuldenabbau stehen;

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

denn der Zwang zur Devisenbewirtschaftung führt in vielen Tropenwaldländern unmittelbar zur Regenwaldzerstörung — sei es durch kommerziellen Holzeinschlag oder auch durch die Ausdehnung der Anbauflächen für Exportgüter wie zum Beispiel für Kaffee, Kakao oder Soja.
Es muß doch zu denken geben, daß die fünf wichtigsten Tropenwaldländer gleichzeitig zu den größten Schuldnerländern dieser Erde gehören. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden.
Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, sich an die Spitze einer internationalen Entschuldungskampagne zu setzen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS — Gallus [FDP]: Da sind wir schon Spitze!)

— Ihr seid Spitze, ja.

(Gallus [FDP]: Ja, da sind wir schon Spitze, sicher!)

Sie sollte sich insbesondere für die rasche Einberufung einer internationalen Entschuldungskonferenz einsetzen sowie für ein Moratorium bei Zins- und Tilgungszahlungen, und sie sollte selber konsequenter Gebrauch von der Möglichkeit machen, die sie haushaltsrechtlich schon hat, den ärmsten Ländern dieser Erde die öffentlichen Schulden vollständig zu erlassen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Um Mißverständnissen vorzubeugen, Herr Lippold, und um Ihnen einen Einwurf zu ersparen, möchte ich sagen: Wir sehen in einem generellen, undifferenzierten Schuldenerlaß nicht das Allheilmittel, das alle Probleme löst.

(Schmidbauer [CDU/CSU]: Ihr lernt ja langsam!)

Aber wir kritisieren — hören Sie gut zu! —, daß im Mehrheitsvotum die Zusammenhänge zwischen Verschuldung und Umweltzerstörung eher verschleiert als offen dargelegt werden, und wir kritisieren auch, daß konkrete Vorschläge fehlen. Das ist ein Mangel.
Ist es denn nicht geradezu eine Perversion des Gedankens der Entwicklungshilfe, wenn beispielsweise 1987 alle westlichen Geberländer zusammen rund 41 Milliarden Dollar an Entwicklungsgeldern bereitgestellt haben, die Schuldnerländer im Süden dagegen 80 Milliarden Dollar für Zins und Tilgung zurückzuzahlen hatten? Nicht wenigen Dritte-Welt-Ländern wird regelrecht die Luft abgeschnürt. Das führt nicht nur zu ökologischen Verhehrungen, sondern auch zur enormen Verschärfung sozialer Konflikte.
Unser zweiter Vorschlag — enthalten im Minderheitsvotum — betrifft die Einrichtung eines Tropenwaldfonds. Daraus sollen diejenigen Länder Kompensationsleistungen erhalten, die ein Programm dazu vorlegen, wie sie innerhalb eines Zeitraums von etwa fünf Jahren schädliche Eingriffe in Primärwälder auf Null reduzieren wollen. Es ist relativ gleichgültig, Herr Schmidbauer, ob diese Einrichtung „Tropenwaldfonds" oder „Umweltfonds" getauft wird. Auch zweitrangig ist — zweitrangig, aber nicht unwichtig — , ob ein neu zu bildender Umweltrat oder das Umweltprogramm der Vereinten Nationen diesen Fonds verwaltet. Nur eines steht fest: Ohne Geld sind Nationalparks und Naturreservate nicht einzurichten und auch Aufforstungsmaßnahmen nicht durchzuführen. Ohne Geld sind die Tropenwaldländer unter den heutigen Umständen auch nicht zu den erforderlichen Nutzungsverzichten zu bewegen.

(Zuruf von den GRÜNEN/Bündnis 90: Sozialprogramme müssen aufgelegt werden!)

Wenn aber die Zerstörungsorgie im Tropenwaldgürtel der Erde ungebremst weitergeht, werden die Folgekosten in Zukunft für alle Menschen auf der Erde um ein Vielfaches höher sein, ja, sie werden unbezahlbar werden. Das ist nicht verantwortbar.

(Beifall bei der SPD)




Frau Dr. Hartenstein
Sollte bis 1992 ein Tropenwaldfonds auf UN-Ebene nicht zustande kommen, so fordern wir die Bundesregierung auf, eine Fondslösung auf EG-Ebene anzustreben.
Die Enquete-Kommission war sich darüber einig, daß nur Sofortmaßnahmen ein irreparables Desaster noch verhindern könnten. Aber was ist 1990 geschehen? — Das sehen wir ein bißchen anders, als Sie, Herr Kollege Schmidbauer, es dargestellt haben.

(Zuruf von der SPD: Jawohl!) Ich stelle fest: Leider überall Fehlanzeige.

Weder auf dem EG-Gipfel in Dublin im Juni noch auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Houston, noch auf der Vorbereitungskonferenz der UN in Nairobi kam es zu einer handfesten Initiative in Richtung Tropenwaldschutz —

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

das ist ein Faktum — , obwohl Umweltminister Töpfer — aha, er ist ja da; das ist erfreulich — laut Zeitungsmeldungen mit der festen Absicht nach Nairobi gefahren war, einen Grundsatzbeschluß zur Rettung der Wälder und des Weltklimas zu erwirken. Ich habe nichts dergleichen gehört. Nicht einmal das Sofortprogramm — und es war ein Miniprogramm, das die Enquete-Kommission dem Bundeskanzler ins Reisegepäck noch Houston gesteckt hatte — fand die Zustimmung der sieben dort versammelten reichsten Industrienationen.

(Fellner [CDU/CSU] : Jetzt bist du aber ungerecht!)

Danach hätten sie gemeinsam 750 Millionen DM zum Tropenwaldschutz bereitstellen sollen, um wenigstens einen Anfang zu setzen. Die Brasilien-Initiative, Herr Schmidbauer, ist durchaus zu begrüßen. Aber sie hat doch den Charakter — wollen wir doch ehrlich sein — einer Miniaturausgabe eines ohnehin schon auf ein Miniprogramm zusammengeschrumpften Auftrags.
Das Jahr 1990 scheint — das sage ich nicht mit Freude, sondern mit Bedauern — für einen Tropenwaldrettungsplan verloren. Das ist ein Rückschlag für unsere Bemühungen.
Meine Damen und Herren, ich will nicht über den Erfolg oder den Mißerfolg auf dem internationalen Parkett richten. Aber die Konsequenz muß für uns sein: Wenn sich schon auf internationaler Ebene nichts oder nur wenig bewegt, dann ist es um so wichtiger, daß das, was auf nationaler Ebene machbar ist, sofort geschieht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Hier, denke ich, geht vor allem der Appell an die Entwicklungspolitik. Ich freue mich, daß Herr Minister Warnke hier ist. Wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung der Entwicklungspolitik. Wir bedauern es, daß Sie diese Forderung, auch die Überschrift, aus dem Tropenwaldbericht herausgestrichen haben.

(Beifall bei der SPD und der Gruppe der PDS)

Wir fordern unter anderem einen Stopp für alle Projekte, die nachweislich waldschädigend wirken, z. B. Umsiedlungsprogramme, Staudammbauten und Industriealisierungsprojekte oder Straßenbauten, die in Primärwälder hineinführen und sie aufreißen.

(Müller [Düsseldorf] [SPD]: Jawohl! — Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Wir fordern weiter: Keine weitere Mitfinanzierung des Tropenforstwirtschaftsaktionsplanes, der in seiner bisherigen Form mehr Schaden anrichtet, als daß er Schutz gewährt, weil er überwiegend zur wirtschaftlichen Ausbeutung der Wälder eingesetzt wird. Hier hätte in den Bericht eine klare Absage hineingeschrieben werden müssen.
Wir fordern eine intensive Entwicklung der Solarenergie und anderer erneuerbarer Energien und einen raschen Technologietransfer in die tropischen Länder, um den enormen Brennholzverbrauch einzudämmen; denn Brennholz ist eben immer noch für 70 % der Bevölkerung in der Dritten Welt die einzige Energiequelle, die sie zur Verfügung haben. Und wer, wenn nicht die Tropenländer, hat eine solch unerschöpfliche und gleichzeitig kostenlose Energiequelle wie die Sonne zur Verfügung?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Immer noch steckt aber der Forschungsminister ein Vielfaches dessen, was er für die Solarenergie ausgibt, in die weitere Erforschung der Kernenergienutzung. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Schließlich fordern wir einen möglichst EG-weiten Importstopp für Tropenhölzer aus Primärwäldern. Sie haben sich dazu nicht durchringen können. Der mit dem kommerziellen Holzeinschlag verursachte Schaden steht in den meisten Fällen in gar keinem Verhältnis zu den tatsächlich erzielten Deviseneinnahmen, zumal häufig die vorgeschriebenen Abgaben von den Holzkonzessionären, z. B. zur Wiederaufforstung, entweder nicht entrichtet werden oder aber viel zu niedrig liegen.
Kurzum: Den Profit hat der internationale Holzhandel. Den Schaden haben Menschen und Natur.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Meine Damen und Herren, da in zahlreichen Punkten Einvernehmen innerhalb der Kommission bestand, können wir Teil I der Beschlußempfehlung zustimmen, nicht aber Teil II.
Wir halten das übergroße Vertrauen in die Wandlungsfähigkeit internationaler Organisationen wie der Weltbank, dem IWF oder der FAO für nicht angebracht, denn dort wurden in der Vergangenheit alle Aktivitäten mitfinanziert und mit abgesegnet, die zum heutigen Desaster geführt haben.

(Gallus [FDP]: Was soll denn stattdessen geschehen?)

Auch wir finden, Herr Schmidbauer, daß der Stufenplan trotz aller Appelle, die darin enthalten sind, im



Frau Dr. Hartenstein
Prinzip noch 20 Jahre zerstörerische Eingriffe zuließe; nicht billigt, aber zuließe. Das kann nicht unsere Zustimmung finden.
Meine Damen und Herren, es wäre also falsch, die Bruchstellen verkleistern zu wollen. Wo sind wir auseinander?
Erstens. Wir halten nichts von Alibiformeln. Deshalb lehnen wir es ab, den sich negativ auswirkenden Tropenwaldaktionsplan flugs in Tropenwaldschutzplan umzubenennen, als ob sich damit etwas ändern würde. Damit ändert sich gar nichts.
Zweitens. Wir bleiben bei der Forderung, daß die Entwicklungszusammenarbeit endlich auf neue, ökologisch und sozial verträgliche Fundamente gestellt werden muß. Sie sagen: Wir tun doch das Richtige, aber wir brauchen mehr Geld! Wir sagen: Auch wir wollen mehr Geld für die Entwicklungsländer, aber es soll nicht in die alten Kanäle fließen, sondern wir wollen eine neue Weichenstellung.

(Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Drittens. Vor allem sind wir der Auffassung, daß es nicht zulässig ist, darüber hinwegzuhuschen, in welchem Ausmaß die heutigen Mechanismen des Weltmarktes tödliche Schleifspuren im Ökosystem und im Sozialgefüge der Dritten Welt hinterlassen. Hier liegt ein Defizit des Berichts.
Wer es richtig findet, daß ein Entwicklungsland für ein Importgut, z. B. einen Lastwagen, heute drei- bis viermal soviel Kaffee zu liefern hat wie noch vor fünf Jahren, wer es richtig oder zumindest verständlich oder unabänderlich findet, daß die Elfenbeinküste heute fünfmal so viel Kakao exportiert wie 1980, ohne mehr Devisen dafür zu bekommen, und daß sich das Land sogar gezwungen sieht — Herr Präsident, ich sehe das rote Licht; ich bin sofort fertig — , auch noch die Restflächen seines Waldbestandes abzuholzen, um weitere Anbauflächen zu gewinnen, weil es das Strukturanpassungsprogramm des IWF so vorschreibt, der kann unsere Zustimmung nicht finden. Der Ruf nach einer neuen Weltwirtschaftordnung muß hier erhoben werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 — Gallus [FDP]: Aber keine sozialistische!)

Meine Damen und Herren, der Kampf um die Erhaltung der ohnehin schon um 50 % dezimierten tropischen Wälder wird ein Testlauf dafür sein, ob es uns gelingt, die Bewohnbarkeit des Planeten zu erhalten. Die Industrieländer können da nur Glaubwürdigkeit erlangen, wenn sie zu allererst ihre eigenen Wälder schützen und ihre Verschwendungswirtschaft beenden. Jede kleinste Wende zum Guten soll uns willkommen sein. Wir werden sie unterstützen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123206900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Segall.

Dr. Inge Segall (FDP):
Rede ID: ID1123207000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die heute in verbundener Debatte zur Beratung anstehenden Beschlußempfehlungen verdeutlichen das ganze Ausmaß globaler Umweltgefahren, denen sich die Menschheit am Ende dieses Jahrtausends gegenübersieht. Die möglichen Folgen einer prognostizierten Erwärmung der Erdatmosphäre als Folge steigender Spurengasemissionen, der Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre, erhöhte Ozonwerte in Erdnähe mit ihrer Bedrohung der borealen Wälder und die Vernichtung der tropischen Wälder sind wesentliche Bestandteile einer globalen Umweltproblematik.
Es ist unstrittig, daß einer solchen Herausforderung nur durch gemeinsame Anstrengungen einer internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen einer Gesamtstrategie zum Schutz der Erdatmosphäre begegnet werden kann. Die Reduzierung der CO2-Anreicherung der Atmosphäre spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Dies erfordert nicht nur weltweit energische Maßnahmen zugunsten einer langfristig sicheren, preiswerten, ressourcenschonenden und umweltverträglichen Energieversorgung, sondern auch die Erhaltung natürlicher Auffangbecken für das Kohlendioxid. Durch die fortgesetzte Vernichtung tropischer Wälder gehen nicht nur mögliche CO2-Senken verloren, sondern wird durch die Hauptzerstörungsform, die Brandrodung, auch Kohlendioxid freigesetzt.
Das dramatische Ausmaß der Tropenwaldvernichtung erfordert dringend Gegenmaßnahmen. Hierüber sind wir uns alle einig. Ein Schutz der tropischen Wälder läßt sich allerdings nur verwirklichen, wenn die eigentlichen Ursachen für ihre Zerstörung beseitigt werden. Dazu bedarf es gleichermaßen umfassender und verschiedenartiger Lösungsansätze. Einzelmaßnahmen und Patentrezepte sind hierfür ungeeignet, ja sogar schädlich und häufig kontraproduktiv. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung von Schutzrezepten und Maßnahmen zur Tropenwalderhaltung ist jedoch die Akzeptanz und Bereitschaft der Tropenwaldländer, sich an der Realisierung solcher Vorschläge auch zu beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Nicht der Versuch, den Tropenwaldländern noch so gut gemeinte Konzepte von außen aufzuzwingen, sondern nur der die gemeinsamen Interessen berücksichtigende Dialog und konstruktive Zusammenarbeit in klar definierten Kooperationsprogrammen führen weiter.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt daher, daß die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" mit ihrem zweiten Zwischenbericht eine umfassende Darstellung und Bewertung der Tropenwaldproblematik vorgenommen sowie in den Handlungsempfehlungen weitreichende Vorschläge und Forderungen für einen wirksamen Tropenwaldschutz unterbreitet hat.
Ich bedaure sehr, daß die vorliegende Beschlußempfehlung, die inhaltlich diesem Bericht mit seinen Maßnahmenvorschlägen voll zustimmt, in ihrer Gesamtheit von den Fraktionen der SPD und DIE GRÜNEN nicht mitgetragen wurde. Damit hat die Opposition eine große Chance vertan, durch parlamentarische Geschlossenheit den Forderungen nach weitrei-



Frau Dr. Segall
chenden nationalen, EG-weiten und internationalen Schutzmaßnahmen im Rahmen eines realistischen Konzepts mehr Nachdruck zu verleihen.
Die Opposition macht es sich mit ihren abweichenden Forderungen zum Stufenplan, zur Neuordnung im Nord-Süd-Verhältnis und beim Maßnahmenkonzept leider wieder einmal sehr leicht. Es genügt doch nicht, lediglich wohlklingende Ziele zu formulieren. Von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung von Zielen ist doch der Weg, sind die Instrumente, ist die Auflösung von Zielkonflikten mit anderen Interessen.

(Beifall bei der FDP)

Hierauf geben Sie mit Ihrem Minderheitenvotum keine befriedigende Antwort.
Es ist einfach falsch, in der Veränderung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einer Neuordnung des Nord-Süd-Verhältnisses die entscheidende Voraussetzung für einen effektiven Tropenwaldschutz zu sehen. Solche aus der Nord-SüdDiskussion bekannten Forderungen werden doch nicht dadurch richtiger, daß man sie ständig wiederholt.
Dazu gehört auch die irrige These, die Verschuldung und der Verfall der Rohstoffpreise zwinge die Entwicklungsländer, ihre Umwelt zu zerstören bzw. ihre Ressourcen zu plündern.

(Gallus [FDP]: Eine sozialistische Illusion!)

So ist es z. B. geradezu nativ, anzunehmen, die Tropenwälder würden nicht vernichtet, wenn nur der Holzpreis entsprechend erhöht würde, oder die Monokulturen würden verkleinert, wenn der Preis für Kaffee, Zucker oder Soja steigen sollte.
Die Volkswirtschaften in den Entwicklungsländern unterscheiden sich in ihren Strukturen, in ihren Entwicklungsstrategien und -politiken sowie in dem Ausmaß ihrer Abhängigkeit von Veränderungen im internationalen wirtschaftlichen Umfeld inzwischen erheblich voneinander. Eine zunehmende Zahl von Entwicklungsländern hat die Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen zur Lösung ihrer strukturellen Probleme erkannt. Marktwirtschaft ist nicht nur die effizienteste Wirtschaftsordnung, sie ermöglicht auch die beste Umweltweltpolitik im Vergleich zu anderen Wirtschaftssystemen.

(Beifall bei der FDP)

Bei aller Bedeutung der Notwendigkeit einer weiteren Verbesserung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Zwänge,

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Reden wir nicht über das Waldsterben?)

die sich aus den äußerst schwierigen natürlichen Verhältnissen und den ungünstigen sozioökonomischen Voraussetzungen ergeben: Die Verantwortung dafür, daß Umwelt- und Ressourcenschutz zu einem bestimmenden Faktor der Entwicklungspolitik wird, liegt weitgehend bei den Ländern der Dritten Welt selbst. Umweltschutz muß auch in der Dritten Welt von innen, aus den Staaten selbst erfolgen. Da es den Entwicklungsländern jedoch häufig an der notwendigen Umwelttechnik, an Umsetzungsstrategien und nicht
zuletzt an Finanzierungsmitteln und Mechanismen für einen umfassenden Umwelt- und Ressourcenschutz fehlt, müssen diese Länder bei der ökologisch notwendigen Umstrukturierung und Sicherung einer auf Dauer tragfähigen Entwicklung nachhaltig unterstützt werden.

(Frau Dr. Hartenstein [SPD]: Müssen wir nicht einmal vorangehen, Frau Segall?)

Das ökologische Schlüsselproblem in der Dritten Welt ist und bleibt jedoch das enorme Bevölkerungswachstum.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist die entscheidende Ursache dafür, daß sich die Armut in den Entwicklungsländern verschärft

(Gallus [FDP]: Richtig!)

und zur Übernutzung der natürlichen Ressourcen führt.

(Müller [Düsseldorf] [SPD]: Die sind schuld, genau! Der arme Mann in der Dritten Welt ist schuld!)

Ich will jetzt nicht noch lange den Weltbevölkerungsbericht 1990 zitieren, in dem nachgewiesen wird, daß 80 % der Waldvernichtung auf das Bevölkerungswachstum zurückgeht.
Nach dem totalen Desaster sozialistischer Planwirtschaft und der Abkehr vieler Entwicklungsländer von überholten Vorstellungen mutet es geradezu grotesk an, wenn SPD und GRÜNE unbeirrt an der Durchsetzung einer sogenannten neuen Weltwirtschaftsordnung mit ihren planwirtschaftlichen und dirigistischen Elementen festhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ihre unrealistischen Zeithorizonte, die fehlende Bereitschaft zu marktwirtschaftlichen Lösungen auch im Umweltschutz und die zum großen Teil den tatsächlichen Erfordernissen nicht gerecht werdenden Maßnahmenvorschläge stellen daher keine vernünftige Alternative zu dem von uns vorgeschlagenen in sich schlüssigen Gesamtkonzept dar.
Angesichts der alarmierenden Tropenwaldzerstörung mit ihren globalen Auswirkungen muß es darum gehen, durch integierte Lösungsansätze und international abgestimme Maßnahmen umgehend ein weiteres Ansteigen der Vernichtungsrate zu stoppen und in einem realistischen Zeitrahmen durch eine Unterbindung des Zerstörungsprozesses und Wiederaufforstungsmaßnahmen Tropenwaldbestände in dem gegenwärtigen Umfang auf Dauer zu erhalten.
Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele schlagen wir einen Drei-Stufen-Plan vor, der eine realistische Abschätzung für die Bewältigung der damit verbundenen äußerst komplexen und vielschichtigen Problematik darstellt.
Entscheidende Elemente zur Unterstützung dieses Stufenplanes sind ein Sofortprogramm und die Verwirklichung einer internationalen Konvention zum Schutz der tropischen Wälder, die gleichzeitig den Schutz der Lebensräume indigener Gesellschaften gewährleisten sollen. Neben einer Unterschutzstel-



Frau Dr. Segall
lung von Primärwäldern kommt es vor allem darauf an, durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der im Rahmen nationaler Tropenwaldschutzpläne ausgewiesenen Tropenwaldnutzungsflächen die ökologischen Funktionen der Wälder zu erhalten und die Interessen einer wirtschaftlichen Nutzung dieser Ressourcen zu wahren.

(Beifall bei der FDP)

Forderungen nach Importverboten oder einem Verzicht auf die Nutzung tropischer Hölzer oder Verwendungsbeschränkungen stellen dagegen keine praktikablen und erfolgversprechenden Handlungsmöglichkeiten dar. Solche Maßnahmen würden sich eher schädlich auswirken, da sie das Eigeninteresse der Tropenwaldländer am Erhalt ihrer Waldressourcen untergraben, statt es zu stärken. Wegen der dann zu erwartenden Überführung großer Tropenwaldflächen in andere Nutzungsformen würde dies erst recht eine vermehrte Tropenwaldvernichtung zur Folge haben.
Im übrigen könnten solche Maßnahmen schon rein quantitativ keine Rolle spielen, worauf ich nicht mehr eingehen will. Es handelt sich um den alten Streit, wieviel Prozent das überhaupt ausmachen würde.
Populismus war schon immer ein Feind sachgerechter Lösungen. Mit ihren Forderungen nach solchen vermeintlichen Patentlösungen tragen SPD und GRÜNE

(Frau Flinner [GRÜNE/Bündnis 90]: Bei der FDP ist das vielleicht so!)

letztlich zur Behinderung realistischer Lösungsansätze beim Tropenwaldschutz bei.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Künftig muß vor allem sichergestellt werden, daß das gesamte gehandelte Tropenholz aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammt. Daher sind die im Mai 1990 gefaßten Beschlüsse der Internationalen Tropenholzorganisation zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Naturtropenwäldern ausdrücklich zu begrüßen. Damit haben die Initiativen der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Tropenwaldländern in einem für die Erhaltung der tropischen Wälder wesentlichen Bereich erste Erfolge gezeigt.
Weitere Initiativen, wie die Bemühungen zur konzeptionellen Fortentwicklung des Tropenwald-Aktionsplanes und seiner verbesserten Anwendungspraxis, die Ankündigung eines Tropenwaldkooperationsprogrammes mit Brasilien und den übrigen Amazonasstaaten durch die Europäische Gemeinschaft, die Vorbereitung einer besonderen Finanzierungsfazilität für Umweltprogramme bei der Weltbank, die auch den Tropenwaldschutz einschließt, die Ausweitung des von der Bundesregierung auf bilateraler Ebene geförderten Tropenwaldprogrammes mit einem jährlichen Mittelvolumen von inzwischen rund 300 Millionen DM sowie die deutlichen Aussagen des Weltwirtschaftsgipfels von Houston zur Notwendigkeit zusätzlicher Anstrengungen zum Tropenwaldschutz, sind erfreuliche Zeichen einer gewachsenen internationalen Verantwortung für die Bewältigung globaler Umweltprobleme und verdienen Anerkennung.
Liebe Frau Dr. Hartenstein, wenn nicht alles bereits so läuft, wie es wünschenswert ist, liegt das Problem aber auch ganz erheblich bei den Entwicklungsländern. Wir können die Mittel nur bereitstellen; umgesetzt werden müssen sie in den Entwicklungsländern.

(Frau Dr. Hartenstein [SPD]: Gilt das auch für den Weltwirtschaftsgipfel?)

Ich erwarte trotzdem von der Bundesregierung, daß sie ihre intensiven Bemühungen zum Tropenwaldschutz auf internationaler Ebene, und insbesondere zur Durchsetzung einer ausschließlich nachhaltigen Bewirtschaftung von Tropenwäldern, einschließlich einer Unterschutzstellung von Primärwäldern, der Ausweisung von Flächen zur Nutzung als Naturwälder und als Holzplantagen unter Beachtung der Erhaltung der Artenvielfalt sowie bei der Eindämmung der Brandrodung, durch eine Vereinbarung wirksamer Kontrollmaßnahmen fortsetzt.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, mit Nachdruck für eine Realisierung der in der Beschlußempfehlung auf internationaler, EG-weiter und nationaler Ebene als dringend notwendig bezeichneten Maßnahmen hinzuwirken und damit ihre internationale Vorreiterrolle beim Tropenwaldschutz zu unterstreichen.
Im Namen der FDP-Bundestagsfraktion bitte ich um Zustimmung zu den vorliegenden Beschlußempfehlungen des Ausschusses.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123207100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Knabe.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123207200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" Ende Mai ihren Bericht zum Thema Schutz der tropischen Regenwälder vorgelegt hat, ist die Tropenwaldzerstörung rapide weitergegangen. In wenigen Monaten ist mehr als die Waldfläche, die wir in der alten Bundesrepublik haben, vernichtet worden.

(Frau Flinner [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es!)

Dieser Prozeß muß gestoppt werden.
In Sarawak, Ost-Malaysia, laufen die Einschläge Tag und Nacht bei Flutlicht. Die Kultur, Lebensgrundlagen und Landrechte der dort lebenden Eingeborenen werden von den Holzkonzernen verletzt. In Amazonien versprechen Politiker im Wahlkampf weiterhin kostenlose Motorsägen. Die Yanomami-Indianer in Brasilien sind nach wie vor in ihrer physischen Existenz akut gefährdet, die Integrität ihres Landes ist nicht garantiert. Der Holzeinschlag geht auch in den meisten übrigen Tropenländern ungebremst, ja teilweise sogar beschleunigt weiter.

(Frau Flinner [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es!)

In dieser dramatischen Situation gelingt der Bundesregierung nach wie vor kein wirksamer Beitrag zum Schutz der tropischen Wälder und ihrer Eingeborenen. Zwar erhöht sie die Mittel — dankenswerterweise, muß man sagen — für Tropenwaldprojekte in



Dr. Knabe
der Entwicklungshilfe und verspricht alleine Brasilien 250 Millionen DM. Aber sie findet so gut wie keine neuen, verantwortbaren Projekte für den Abfluß der Mittel. Zwar tritt sie für eine Reform des TropenForstwirtschafts-Aktionsplanes ein, aber überprüft nicht, ob die Einrichtungen und Organisationen wirklich bereit sind, von der Holznutzung in den Primärwäldern abzugehen. Sie vertritt in der Internationalen Tropenholzorganisation die Idee der nachhaltigen Nutzung, kann aber nicht beweisen, daß nachhaltige Nutzung in Tropenwäldern überhaupt möglich ist.

(Frau Dr. Hartenstein [SPD]: So ist es!)

Konträr zu den Absichtserklärungen ihres Bundeskanzlers verfolgt die Bundesregierung, vor allem der Wirtschaftsminister, der bei dieser Debatte leider, leider fehlt, eine Politik, die Tropenwälder vernichtet oder langfristig gefährdet.

(Frau Flinner [GRÜNE/Bündnis 90]: Gallus wird ihn vertreten!)

Sie unterstützt weiterhin tropenwaldgefährdende Entwicklungsprojekte, so etwa die Straßenbauten in den Regenwäldern von Kamerun und Zaire. Innerhalb der EG ist die Bundesrepublik noch immer einer der größten Importeure von Tropenholz. Seit zwei Jahren unternimmt sie noch immer nichts, um die Entschließung des Europäischen Parlamentes zum Schutz der Eingeborenen von Sarawak endlich auf Bundesebene umzusetzen. Die Mehrheit im Wirtschaftsausschuß des Bundestages verweigerte sich, ungerührt vom drohenden Genozid, einer wirksamen Aktion.

(Frau Flinner [GRÜNE/Bündnis 90]: Hört! Hört!)

Im Internationalen Währungsfonds treibt die Regierung noch immer eine Schuldenpolitik voran, die viele Tropenwaldländer zur Ausbeutung ihrer Naturressourcen zwingt. Frau Segall, das stimmt nämlich. Nur den Allerärmsten gab man Pardon.
In der Außenhandelspolitik schließlich verfolgt sie eine Freihandelsstrategie, die die Austauschverhältnisse zu Lasten der Tropenländer so herunterdrückt, daß diese immer weniger Gewinn aus ihren Exporten ziehen können. — Frau Segall, Sie hören ja nicht zu! — Die Leute an der Goldküste haben uns erklärt: Der Kakaopreis ist auf die Hälfte gesunken; wir müssen die doppelte Fläche Wald roden, um Kakao anzubauen.

(Frau Dr. Segall [FDP]: : Damit der Kakaopreis noch ein bißchen weiter sinkt!)

Die Regierung engagiert sich nicht für ökologische und soziale Auflagen für den Außenhandel, weil sie die Rolle der Deutschen als Exportnation nicht gefährden will.
Meine Damen und Herren, mit einer Politik der Versprechungen und des Abwartens ist der Wald nicht zu retten. Es reicht nicht, Entwicklungsgelder zu versprechen, damit die Tropenländer nun endlich ihre Wälder schützen, obwohl ich das Bemühen durchaus anerkennen möchte.

(Frau Folz-Steinacker [FDP]: Wir versprechen nichts! Wir tun etwas!)

Aber solange die Industrieländer, allen voran die Bundesrepublik Deutschland, ihre aggressive Wirtschaftspolitik, ihr Finanzsystem und ihren maßlosen Konsumstil, an dem wir alle beteiligt sind, nicht an die Realitäten einer endlichen Erde und ihrer empfindlichen Ökosysteme anpassen, sind die Tropenwälder nicht zu retten.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

Wir GRÜNEN lehnen eindeutig eine Politik ab, die sich durch Entwicklungsgelder ein Alibi für die weitere Beteilligung an der Plünderung der Tropenwälder zu verschaffen sucht. Dies muß sofort aufhören.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

Welcher Weg aber führt aus diesem Skandal heraus? Vom Mehrheitsvotum von CDU/CSU und FDP, das Ihnen als Beschlußempfehlung des Umweltausschusses vorliegt, ist keine Abhilfe zu erwarten. Da werden höhere Mittel für die Entwicklungshilfe verlangt, ohne daß diese Mittel mit den notwendigen ökologischen und sozialen Kontrollen gekoppelt werden und ohne zu fragen, ob für diese Mittel geeignete Projektanträge vorhanden sind.
Da wird als eine Art Königsweg eine Tropenwaldkonvention verlangt, während sich die internationale Diskussion um eine Waldkonvention oder um ein Waldprotokoll in einer Klimakonvention dreht. Welches Tropenland will denn diese Tropenwaldkonvention, die die Koalitionsparteien vorschlagen? Und welches Land will die sogenannten Tropenwaldschutzpläne, die u. a. auf der Illusion der nachhaltigen forstwirtschaftlichen Nutzung der Regenwälder beruhen?
Obendrein ignorieren die Parteien die weltwirtschaftlichen Voraussetzungen für den langfristigen Tropenwaldschutz. Die katastrophale Verschuldung der Dritten Welt, die diese Länder zur Ausbeutung von Mensch und Natur zwingt, hat sich nämlich eher verschlechtert als verbessert. Die Koaltionsparteien berücksichtigen auch das nicht und setzen auf die Fortführung so unangemessener Schuldenstrategien wie der Brady-Initiative, ebenso wie sie auch das heilige Dogma des Freihandels höher stellen als Sofortmaßnahmen gegen den Tropenholzhandel.
Das Mehrheitsvotum, sollte der Deutsche Bundestag es annehmen, wird nicht zu den dringend notwendigen Maßnahmen in den Tropenholzländern führen, um den Druck von den Wäldern zu nehmen. Was besonders nachteilig ist: Es wird auf die Chance verzichtet, bei uns etwas zu ändern, bei uns den Tropenholzimport aufhören zu lassen und bestimmte Agrarprodukte, die eben schuld am Abbau der Wälder sind, nicht mehr einzuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

Die Enquete-Kommission hat in einem diskursiven Prozeß aller Beteiligten wichtige analytische Arbeit geleistet. Aber die auf dem Mehrheitsvotum der Enquete-Kommission basierende Beschlußempfehlung hat trotzdem kein solides Fundament. Sie setzt falsche



Dr. Knabe
Schwerpunkte, und sie läßt wichtige Chancen ungenutzt. Damit führt sie in die Irre.

(Beifall der Abg. Frau Flinner [GRÜNE/ Bündnis 90] und der Abg. Frau Dr. Hartenstein [SPD])

Wer diesen Empfehlungen zustimmt, tritt nicht mit voller Konsequenz für die Regenwälder und ihre Bewohner ein, selbst wenn er dies beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, in der Enquete-Kommission hat eine Minderheit dem Mehrheitsvotum eine umfassende Alternative gegenübergestellt. Für die Kommissionsmitglieder von GRÜNEN und SPD und für uns nahestehende Wissenschaftler war das Mehrheitsvotum aus schwerwiegenden Erwägungen nicht tragbar. Ein Kompromiß erschien nicht möglich. Wir haben deshalb ein oppositionelles Votum mit Handlungsempfehlungen vorgelegt. Dieses bringen wir als GRÜNE als Beschlußempfehlung hier ein.
Das grünrote Minderheitsvotum enthält Empfehlungen für Maßnahmen, die heute dringend erforderlich sind. Sie gehen teilweise weit über das Mehrheitsvotum hinaus; teilweise stehen sie im Widerspruch dazu.
Zustimmung aus dem internationalen und nationalen Raum bestätigt uns in der Überzeugung, daß das Minderheitsvotum beschreibt, welche Maßnahmen notwendig sind. Diese fordern auch der Deutsche Naturschutzring, der BUND, die Umweltstiftung WWF Deutschland, Robin Wood, die Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz und andere.
Um diesem politischen Willen zur Durchsetzung zu verhelfen, hat die Fraktion der GRÜNEN einen Änderungsantrag als Alternative zum Mehrheitsvotum vorgelegt, der sich inhaltlich 100%ig mit dem Minderheitsvotum in der Enquete-Kommission deckt. Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, diesen Antrag anzunehmen.
Aber wir erleben jetzt das merkwürdige Schauspiel, daß die SPD, der wir sehr für ihre Mitarbeit danken, nun erklärt:
Der Deutsche Bundestag stimmt auch den im zweiten Bericht enthaltenen Maßnahmenvorschlägen inhaltlich voll zu.

(Frau Dr. Hartenstein [SPD]: Einschließlich aller Sondervoten, lieber Kollege Knabe!)

— Liebe Kollegin Hartenstein, Sie stimmen dem voll zu. Das bedeutet doch, daß Sie einerseits pauschale rechtliche Festschreibungen des Tropenwaldschutzplanes akzeptieren und andererseits unerprobte Tropenwaldschutzpläne nicht als Grundlage einer internationalen Vereinbarung sehen wollen. Ihre inhaltliche volle Zustimmung betrifft Maßnahmen, die weitere Tropenwaldvernichtungen bis 2010 zulassen. Aber in Ihrem Änderungsantrag fordern Sie dazu auf, dem Tropenwaldschutzkonzept möglichst rasch Wirkungen zu verleihen.
Die inhaltliche volle Zustimmung gilt einerseits einer vagen Verstärkung der in Gang befindlichen Anstrengungen zum Schuldenabbau und damit implizit auch der unverantwortlichen Strukturanpassungspolitik des IWF. Andererseits fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag eine Schrittmacherrolle der Bundesrepublik und eine internationale politische Lösung.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123207300
Herr Abgeordneter, ich würde, bevor Ihre Redezeit abgelaufen ist, gern noch die Frage stellen, ob Sie der Kollegin Frau Dr. Hartenstein eine Zwischenfrage erlauben.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123207400
Ja.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123207500
Ich stoppe die Zeit. — Bitte schön, Frau Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (SPD):
Rede ID: ID1123207600
Sehr geschätzter Herr Kollege Knabe, ich möchte Sie gern fragen, ob Ihnen bei der Lektüre des letzten Abschnitts des Teils I der Beschlußempfehlung entgangen ist, daß dort ausdrücklich davon die Rede ist, daß die Analysen, die Schlußfolgerungen sowie die im zweiten Bericht enthaltenen Maßnahmenvorschläge akzeptiert werden, d. h. daß ihnen zugestimmt wird. Das betrifft den Bericht in seinem vollen Umfang. Ich halte nichts von Interpretationskünsten. Ich würde Sie bitten, dies zur Kenntnis zu nehmen und hier auch dazu Stellung zu nehmen.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123207700
Ich kann dem nicht zustimmen; denn Ihre Erklärung, daß Sie Teil I der Beschlußempfehlung anerkennen, besagt eindeutig, daß Sie das Gesamtkonzept für vereinbar mit Ihrem Minderheitsvotum halten. Das ist nicht möglich.
Ich lege Ihnen nahe, heute der Beschlußempfehlung der GRÜNEN zuzustimmen. Ich richte diesen Appell besonders an die Kolleginnen und Kollegen der SPD. Dadurch würde die Möglichkeit eröffnet, einen wirksamen Beitrag zur Rettung der Tropenwälder zu leisten. Ich möchte vor Ihren Augen die Vision einer Welt erstehen lassen, in der diese Wälder ein Herzensanliegen aller Nationen und auch aller Parteien im Bundestag sind.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123207800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Fischer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123207900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Schutz der tropischen Regenwälder und alles, was unmittelbar damit verbunden ist, stellt für mich persönlich und die Mitglieder meiner Fraktion eine der entscheidenden Problemstellungen unserer Zeit dar. Die Materialfülle — ich zolle der Enquete-Kommission meine Hochachtung — zur Thematik ist groß. Es ist, wie Sie mir vielleicht nachfühlen können, nicht ganz einfach, die Arbeit einer Enquete-Kommission über drei Jahre in anderthalb Wochen irgendwie nachzuvollziehen und zu wichten. Mein Interesse dafür ist allerdings so groß, daß ich mich bemühe, hierzu ein Sachurteil abzugeben.
Kommen globale Krisen zur Sprache, werden bekanntlich häufig drei psychologische Abwehrreaktionen bemüht, die ich — das möchte ich hier ausdrücklich betonen — hier sehr gut beobachten kann. Erste Abwehrreaktion: Es ist doch gar nicht so schlimm. Zweite Abwehrreaktion: Man kann ja doch nichts machen. Dritte Abwehrreaktion: Es wird schon irgendwie ein Wunder geschehen.



Frau Dr. Fischer
Das sind Ausflüchte, mit denen ein großer Teil
— ich betone: leider — unserer Bevölkerung — aber nicht nur unserer — auf solche lebenswichtigen Entscheidungen, wie sie die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit darstellt, in der Diskussion auf uns zukommen wird. Darauf muß man eingestellt sein. Es sind Ausflüchte, weil durch sie zum einen die mangelnde eigene Beteiligung, zum anderen die Mutlosigkeit nicht eingestanden werden müssen, was notwendig wäre, um den Krisen handelnd entgegenzutreten. Um in der Sprache meines Berufsstandes zu bleiben: Veränderung liegt zunächst darin, daß wir den tiefen Schmerz einer schonungslosen Diagnose ertragen
— ich kann Ihnen versichern, daß ich darin durchaus Erfahrung habe — und dann auch noch den Wunsch und den Willen zur Genesung aufbringen sollen oder
— besser — müssen. Das ist eines der Probleme, die sich mir beim Studium aller Materialien gestellt haben.
Die schleichenden, aber nicht weniger zerstörenden Katastrophen werden verdrängt. Sie werden verleugnet, um den eigenen Lebensstil, eigene Gedankenansätze und auch Ideologien nicht in Frage zu stellen. Dabei nehme ich mich ganz gewiß nicht aus.
Der globale Stufenplan, der vorgeschlagen wird, muß zunächst selbstverständlich als ein Fortschritt betrachtet werden. Trotzdem schließe ich mich bzw. schließt sich meine Fraktion dem Minderheitsvotum von Mitgliedern der SPD und der GRÜNEN an — wir stimmen insbesondere dem Änderungsantrag, der hier von der Fraktion der GRÜNEN eingebracht wurde, voll zu — , weil auch wir meinen, daß, selbst wenn eine andere Betrachtungsweise realistischer erscheint, die Zeiträume des genannten Stufenplans angesichts der alarmierenden und für mich manchmal auch verwirrenden Zahlen, die in bezug auf den Regenwald vorliegen, zu lang sind, was hier eindringlich nachgewiesen worden ist.
Ich erinnere dabei — ich halte diesen Zusammenhang für sehr wichtig — an das 1981 beschlossene Sonderprogramm der Vereinten Nationen für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Kaum ein Ziel ist im vergangenen Jahrzehnt verwirklicht worden. Nein, im Gegenteil, vielmehr hat sich die Lebenssituation der Armen in der sogenannten Dritten Welt während der 80er Jahre ständig verschlechtert. Ich habe einfach die Befürchtung, daß wir in zehn Jahren in bezug auf den tropischen Regenwald wiederum von einem verlorenen Jahrzehnt sprechen müssen. Ich vertrete den Standpunkt, wenn dem Sonderprogramm der UNO für die LDC-Staaten mehr Erfolg beschieden gewesen wäre, dann gäbe es jetzt andere Voraussetzungen für alle Probleme, die es heute hier zu diskutieren gilt.

(Beifall bei der Gruppe der PDS und bei Abgeordneten der SPD)

Damit will ich nicht die Leistungen der Enquete-Kommission schmälern. Nur wird man mir zugestehen, daß mich nachdenklich macht, daß von dem Freiberger Politologen D. Oberndörfer im Auftrag des Bundeskanzleramtes eine Studie über das Ausmaß und die Folgen des Edelholzimports erstellt wurde und politische Maßnahmen zur Rettung der Regenwälder vorgeschlagen werden und die Reaktion darauf im „Spiegel" mit der skeptischen Anmerkung endet:
Die Branche hoffe, daß Kanzler Kohl die Schlußfolgerungen der von ihm
— Oberndörfer —
bestellten Studie verwerfen wird. Bislang hat sich seine Regierung eher als Freund tropischer Hölzer erwiesen: In ihrem Gästehaus auf dem Petersberg bei Bonn werden 500 Fenster aus südamerikanischem Merantiholz eingebaut.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Sicher werden Sie mir, meine Damen und Herren, angesichts dieser Aussagen ebenfalls Skepsis zugestehen.
Natürlich ist für mich und meine Fraktion

(Frau Folz-Steinacker [FDP]: Sie sind eine Gruppe, keine Fraktion!)

eine Neuordnung weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen — eine gerechte Weltwirtschaftsordnung —, damit die Dritte-Welt-Länder eine faire Chance erhalten, ihren eigenen Entwicklungsweg unter Wahrung ihrer kulturellen Identität zu gehen — ich erinnere dabei an 500 Jahre Kolonisation; das ist hier überhaupt noch nicht gefallen —, eine vordringliche Forderung. Aber die Frage für mich ist, wie das zu bewerkstelligen sein wird. Die Realität ist, wie sie ist. Und es ist doch eine Realität, daß die Bundesrepublik Deutschland am Raubbau an den Regenwäldern konkret beteiligt ist. Ich erinnere dabei an das Regionalentwicklungsprogramm „Grande Carajas" in Brasilien. Mit Hilfe dieses Projekts wären wir durchaus in der Lage, in 25 Jahren den gesamten Naturwald Nordbrasiliens zu verfeuern.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123208000
Frau Abgeordnete, darf ich Sie unterbrechen. Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123208100
Aber natürlich, immer.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123208200
Ich weiß nur noch nicht den Namen des Zwischenfragers.

Andreas Steiner (CSU):
Rede ID: ID1123208300
Steiner. — Frau Dr. Fischer, ich bewundere Ihren Einsatz zum Schutz der tropischen Regenwälder und akzeptiere das auch. Aber ich muß doch etwas in die Vergangenheit zurückblicken. Ich würde Sie gern einmal zu einer Fahrt durchs Erzgebirge einladen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123208400
Ich bin schon durchgefahren.

Andreas Steiner (CSU):
Rede ID: ID1123208500
Sie sollten sich diesen Wald einmal ansehen. Was hat Ihre Partei dafür



Steiner (Oelsnitz)

getan, um dort wirkungsvolle Schutzmaßnahmen vorzunehmen?

(Such [GRÜNE/Bündnis 90]: Blockflöte! Das ist schlimm!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123208600
Da das von meiner Zeit abgeht, darf ich Sie unterbrechen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123208700
Es geht nicht von Ihrer Zeit ab; die ist gestoppt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123208800
Ich werde Ihnen gerne auf diese Frage antworten. Sie können doch nicht davon ausgehen, daß in dieser Partei nur Leute gewesen sind — — Das wäre wirklich ein Trugschluß. Sie sind in der CDU. Ich möchte dazu nicht mehr sagen. Das langt für mich.

(Steiner [Oelsnitz] [CDU/CSU]: Ich muß Sie korrigieren: Ich bin nicht in der CDU!)

Der Wirtschaftsminister Pohl, der zehn Jahre in der Volkskammer gearbeitet hat — im Wirtschaftsausschuß —, war von der CDU.

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Was war denn der Umweltminister? — Zuruf von der CDU/ CSU: Was haben Sie denn gemacht?)

— Ich war zwei Jahre in Nicaragua als Kinderarzt. Mir sind die Kinder unter den Händen verhungert. Wenn Sie das auch gemacht hätten,

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Hätten Sie keine Waffen geliefert, sondern Medikamente!)

hätten Sie vielleicht zu manchen Dingen eine andere Einstellung. — Ich habe sie nicht geliefert.

(Beifall bei der Gruppe der PDS)

Vielleicht darf ich jetzt weitermachen. Natürlich bin ich bereit, jederzeit Fragen zu beantworten.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Waren Sie auch schon Mitglied der SED?)

— Ja, natürlich. Ich zähle zu den wenigen handverlesenen SED-Kadern, die im Krankenhaus in Nicaragua die Fahnen rauf- und runtergezogen haben. — Wenn das langt. Ich kann Ihnen aber dazusagen, daß da kirchliche Vertreter fast über den Tisch gesprungen sind. Vielleicht sollten Sie einmal an Ihr C denken.
Mit Hilfe dieses Projekts wären wir in der Lage, in 25 Jahren den gesamten Naturwald Nordbrasiliens zu verfeuern. Entschuldigen Sie den Sarkasmus, aber für mich gehört das ins Guiness-Buch der Rekorde. Ich erinnere weiter an den „Plan 2010", der den Bau von 145 Staudämmen in Brasilien vorsieht, mit allen Konsequenzen, auch der Vertreibung von einer halben Million Menschen aus ihrer Heimat. Vielleicht irre ich mich, aber ist es wahr, daß die BRD-Regierung sich sträubt, Kredite für dieses Projekt zu stoppen, bis Brasilien auf die Verarbeitung des Regenwaldes zu Holzkohle verzichtet?

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Nicht die Bohne von Selbstkritik! Unfaßbar!)

Allein die EG hat für dieses Projekt 600 Millionen Dollar Zweckkredite bereitgestellt. — Liebe Kollegin, wenn Sie wie ich 1952 in der DDR geboren wären und dann bereit sind, auf diesen Stand zurückzukommen
und dann weiter mit mir zu diskutieren, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

(Dr. Rüggers [CDU/CSU]: Das lohnt sich nicht! — Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Nicht einmal einen Hauch von Selbstkritik!)

Allein die EG hat für dieses Projekt 600 Millionen Dollar Zweckkredite bereitgestellt und sich so für fünfzehn Jahre ein Drittel der Eisenerzproduktion zu Preisen von 1982 gesichert. Der Thyssen-Konzern sicherte sich 1982 vertraglich acht Millionen Tonnen Erz.
Ich könnte natürlich noch viel mehr Beispiele anführen, aber ich will Sie nicht langweilen. Ich hoffe aber auf Verständnis für mich, daß ich große Zweifel habe, daß es zu einem wirklich harten Durchgreifen gegen Großkonzerne usw. kommen wird, wenn ihre Interessen durch ein noch so gutes internationales Abkommen gefährdet sind. Das muß man erst mal widerlegen.
Auch für mich stellt sich die Frage, ob diese Art zu leben, die wir Zivilisation nennen, und damit 1,2 Millionen Pflanzen- und Tierarten allein in den nächsten 25 Jahren auszurotten, nicht die sogenannte grandiose Fehlentwicklung darstellt. Ich frage mich natürlich betroffen, angesichts meines Engagements für Kinder im eigentlichen Sinne — so ist das auch zu verstehen — , wie die nachfolgenden Generationen die Bürde tragen werden, die wir ihnen bereits aufgeladen haben. Da bin ich hinsichtlich des Erzgebirges genau Ihrer Meinung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann waren Sie in der falschen Partei!)

— Darüber könnte man mal länger diskutieren. Ich schließe mich im Namen meiner Fraktion

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Sie sind doch gar keine Fraktion!)

dem Minderheitsvotum an, insbesondere, wie ich noch einmal betonen möchte, dem Änderungsantrag der GRÜNEN. Ein Schuldenerlaß für die LDC-Staaten ist für uns selbstverständliche Forderung. Ich verweise da auf Ebeling, übrigens ehemals DSU. Aber auch für die anderen Länder der Dritten Welt muß dringend eine Lösung nicht nur gesucht, sondern auch gefunden werden.
Dem Antrag der Abgeordneten Vollmer und der Fraktion der GRÜNEN zur Verwendung tropischer Hölzer ist natürlich voll zuzustimmen.
Außerdem — ich hoffe nicht, daß Sie mir das übelnehmen oder mich als arrogant ansehen — schlage ich vor, daß jeder Politiker mal ein bis zwei Jahre unter den Bedingungen eines Entwicklungslandes lebt. Ich denke, unsere Politik würde dann etwas anders aussehen.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der Gruppe der PDS — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Hätten Sie das dem Herrn Honecker vorgeschlagen!)

— Haben Sie das versucht? Ich habe es versucht.




Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123208900
Wir müssen uns an allerlei Neues hier gewöhnen und reagieren lernen.
Der nächste Sprecher ist der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herr Dr. Warnke.

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID1123209000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung dankt der Enquete-Kommission und dem Parlament für ihre bahnbrechende Arbeit. Es ist die Schicksalsfrage der 90er Jahre weltweit, wirtschaftliche Entwicklung mit der Erhaltung der Schöpfung vereinbar zu machen. Dieses Jahrzehnt gibt uns die letzte Chance, irreparable Schäden der Umwelt zu verhindern und — ich füge hinzu — das wiedergutzumachen, was im weltweit schlimmsten Katastrophendreieck, nämlich in der Region ehemalige DDR, Tschechoslowakei und Polen, hier in Europa in 20 Jahren angerichtet worden ist. Wer da mit Verantwortung trägt, der sollte sich eine Ruhepause gönnen, bevor er bei uns als Berater auftritt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Arbeitsergebnisse der Kommission sind eine wichtige Grundlage für Handlungsentscheidungen innerhalb und außerhalb Deutschlands. Mit den Handlungsempfehlungen stimmt die Bundesregierung in großem Umfang überein. Das gilt für den internationalen Stufenplan zur Walderhaltung, und das gilt auch für die unverzügliche Umsetzung der im Bericht genannten Ansätze im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, der Internationalen Tropenholzorganisation, der Welternährungsorganisation, der Weltbank und der Umweltorganisation der Vereinten Nationen.
Dabei müssen wir uns allerdings im klaren sein, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Es sind souveräne Regierungen der Tropenwaldländer, die uns gegenüberstehen.

(Zuruf von der SPD: Und es sind europäische Firmen, die abholzen!)

Das heißt, Tropenwaldschutz kann nur in Partnerschaft, kann nicht in Konfrontation verwirklicht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Knabe [GRÜNE/Bündnis 90])

Nie waren die Chancen so groß wie heute. Die Regierungen der Entwicklungsländer sind bereit, sich den Schutz der Umwelt, d. h. auch den Schutz des Tropenwaldes, zum eigenen Ziel zu machen. Nicht Schuldzuweisungen, sondern die Bereitschaft und die Fähigkeit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, sind jetzt gefragt, und das gilt für alle Beteiligten.
So hat die Bundesregierung in diesem Jahr eine Zusage gegenüber Guatemala zurückgenommen und das Vorhaben in ein Naturschutzprojekt umgewidmet. Lernbereitschaft ist auch von den Industrieländern insgesamt gefordert. Es geht darum, unsere Märkte für jene Erzeugnisse zu öffnen, die in den Entwicklungsländern umweltverträglich hergestellt werden, damit Tropenwaldländer nicht auf fragwürdige Holzausfuhr abgedrängt werden.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123209100
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daniels?

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID1123209200
Ja, bitte.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123209300
Bitte schön.

Dr. Wolfgang Daniels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1123209400
Herr Minister, ich frage Sie: Wenn Sie hier diese positiven Willenserklärungen abgeben, wie stehen Sie denn zu dem Vorschlag, daß man, wenn man wirklich ernsthaft auch in der Dritten Welt diesen bedrohlichen Entwicklungen entgegenwirken will, doch mit wesentlich mehr massiven Mitteln dort eingreifen muß? International wird ja der Vorschlag diskutiert, mindestens 1 To des Bruttosozialprodukts in einen solchen Fonds einzuzahlen, der dann in der Dritten Welt Wiederaufforstung und ähnliche Maßnahmen finanzieren könnte.

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID1123209500
Wir werden in den 90er Jahren in Verfolg der jetzt bereits angelegten Politik dazu kommen, daß die internationalen Transferleistungen zum Schutz des Tropenwaldes in einem ganz erheblichen Maß steigen.
Die Bundesregierung wird beim Abschluß der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens in diesen Wochen darauf drängen, daß die Industrieländer den freien Welthandel auch dort mehr akzeptieren, wo er ihnen selbst unbequem wird.
Ich gebe Ihnen, Herr Kollege Knabe — ich bedaure, daß Frau Kollegin Hartenstein nicht mehr hier ist —,

(Müller [Düsseldorf] [SPD]: Doch; die kommt schon noch!)

in der Diagnose natürlich recht, wenn Sie auf den Verfall von Kakao- und Kaffeepreisen hinweisen. Nur, Ihre Therapie mit dirigistischen Weltrohstoffabkommen hat noch nie irgend etwas getaugt, wenn es galt, Preise zu stabilisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Müller [Düsseldorf] [SPD]: Und die Industrieländer?)

Deshalb schlagen wir einen anderen Weg vor und verfolgen ihn, nämlich im Abkommen von Lomé IV, das wir im vergangenen Jahr mit einer Rekordsumme aufgestockt haben: die Umstrukturierung hin zu solchen Produkten und zur Weiterverarbeitung, die den Entwicklungsländern ein angemessenes Einkommen ermöglichen.
Lernfähigkeit ist allerdings auch bei den Entwicklungsländern selber geboten. Sie müssen von heute noch weit verbreiteten Vorstellungen Abschied nehmen, daß der Kampf gegen den Urwald und seine Tierwelt gleichbedeutend mit landwirtschaftlicher und gewerblicher Entwicklung und ein Ziel in sich ist. Vorstellungen, mit denen sie in Wirklichkeit dem Raubbau Vorschub leisten.
Fehler der Vergangenheit müssen auch bei den internationalen Organisationen überwunden werden. Der von der Welternährungsorganisation gesteuerte Tropenwaldaktionsplan als geschlossene, sektorüber-



Bundesminister Dr. Warnke
greifende Strategie der Landnutzung und ländlichen Entwicklung ist ja im Ansatz richtig. Das Management ist derzeit falsch. Deshalb macht sich die Bundesregierung die Anregung der Enquete-Kommission zu eigen und greift die Vorschläge auf, die von seiten des früheren schwedischen Ministerpräsidenten Ullsten gemacht worden sind; sie wird die gründliche Reform der bisherigen Arbeit der Welternährungsorganisation, die Beseitigung der Nachlässigkeiten und die Durchsetzung von Schutzmaßnahmen zur Voraussetzung dafür machen, daß sie den Tropenwaldaktionsplan weiter unterstützt.

(Frau Folz-Steinacker [FDP]: Sehr gut!)

Die Bundesregierung wird beim Tropenwaldschutz wie durchgängig in Umweltfragen mit den Nichtregierungsorganisationen im eigenen Land wie in den Entwicklungsländern weiter eng zusammenarbeiten und ihr Engagement, ihre Fachkenntnis und Einzelinformationen nutzen.
Für Nichtregierungsorganisationen wie für alle anderen gilt: Boykottaufrufe und die Proklamierung von Kompromißlosigkeit bei der Verfolgung der Ziele dienen nicht dem Tropenwaldschutz, sondern schädigen den Wald. Sie müssen — das sage ich auch hier im Parlament — der Einsicht weichen: Entwicklungsländer können nicht zu Naturschutzparks erklärt werden.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Was soll denn das hier?)

Umweltschutz darf nicht zu Lasten von Menschen in absoluter Armut gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Ohne Umweltschutz gibt es die Armut!)

Bevölkerungen und Regierungen, Menschen und frei gewählte demokratische Vertretungen in den Entwicklungsländern sind nicht bereit, sich die Nutzung von Bodenschätzen und Wald, Landerschließung und Straßenbau in ihren Waldgebieten verbieten zu lassen, und sie haben recht damit. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu helfen, die Fehler zu vermeiden, die wir selbst bei unserer landwirtschaftlichen und industriellen Entwicklung gemacht haben. Dem soll auch das Pilotprojekt zum Schutz des Tropenwaldes in Brasilien dienen. Diese Initiative von Bundeskanzler Kohl hat sich auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Houston durchgesetzt. Frau Kollegin Hartenstein, die Bundesregierung stellt 250 Millionen DM zur Förderung der Houston-Initiative bereit. Wir setzen damit eine Orientierungsgröße — wir sind die ersten, die das vorgelegt haben — , an der sich die anderen ausrichten können. Dann haben wir nicht 750 Millionen DM, sondern dann haben wir auf Grund der Beschlüsse von Houston 1 Milliarde DM bereitgestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dem Antrag auf Einführung eines weltweiten Umweltfonds bei der Weltbank zielt die Bundesregierung auf die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln zur Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission im Rahmen der Weltklimakonvention ab 1992. Auf dem Weg dahin hat die Bundesregierung gehandelt. Im internationalen Maßstab nimmt die Bundesrepublik Deutschland bereits heute im globalen Umweltschutz die Spitzenposition ein. Unsere Zusagen dafür im Rahmen der Entwicklungshilfe sind von — bilateral und multilateral — 1,2 Milliarden DM im vergangenen Jahr auf 1,3 Milliarden DM 1990 gesteigert worden. Allein für den Forstbereich werden in diesen beiden Jahren mehr als eine halbe Milliarde DM bereitgestellt. Die Tendenz ist steigend.
Weltweiter Umweltschutz hat einen hohen Preis. Weil wir in den 90er Jahren irreparable Schäden an Umwelt und Tropenwald verhindern wollen, sind wir bereit, diesen Preis zu entrichten. Am Ende dieses Jahrzehnts werden wir nicht daran gemessen werden, was wir für die Menschen in der bisherigen Bundesrepublik Deutschland an prozentualer Steigerung des Realeinkommens bewirkt haben, sondern daran, wie es uns gelungen ist, die Bewahrung der Schöpfung zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123209600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1123209700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab zwei Bemerkungen machen, die beide wichtig sind. Auch wir von der SPD-Fraktion möchten allen, die zu der in Rede stehenden Arbeit beigetragen haben, herzlich danken, insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats.

(Zustimmung bei der SPD)

Eine zweite Bemerkung. Lieber Herr Knabe, wir sollten in der Tat jetzt nicht so tun, als könne man uns auseinanderdividieren. Ich glaube, wir sind in der Sache weitgehend einig. Ich will bei Ihnen das Wort „künstlich" nicht mißinterpretierend gebrauchen, weil ich Sie dafür zu gut kenne.
Ich möchte für die SPD-Fraktion ausdrücklich erklären, daß wir natürlich ohne Wenn und Aber an unserem Sondervotum festhalten. Wenn Sie die beiden Anträge kennen — Sie kennen sie —, stellen Sie fest, daß da inhaltlich keine Unterschiede bestehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Lassen Sie mich auf Charles Darwin zurückkommen, den ich üblicherweise nicht übermäßig überzeugt zitiere, der, als er 1831 nahe Bahia an der brasilianischen Atlantikküste an Land ging, als Naturforscher schrieb — ich zitiere — :
Freude ist ein schwacher Ausdruck für die Gefühle eines Naturforschers, der zum erstenmal durch einen brasilianischen Wald streift. Die Eleganz der Gräser, die eigentümlichen Schmarotzerpflanzen, das glänzende Grün der Blätter, vor allem aber der Reichtum der Vegetation erfüllten mich mit Bewunderung.
Wenn Darwin heute wieder dorthin ginge, würde er sich in der Tat — ich gebrauche diesen Ausdruck bewußt — einer Apokalypse Amazoniens gegenübersehen.
Ich will in aller Kürze aus meiner Sicht auf sieben oder acht Ursachen eingehen.



Dr. Kübler
Für die Entwaldung der Amazonas-Wälder als des noch größten Tropenwaldgebietes der Erde z. B. gibt es eine Reihe vernetzter Ursachen. So können — man darf ja nicht nur die allerjüngste Zeit sehen, sondern muß dies über einen längeren Zeitraum betrachten — die zahlreichen nationalen und internationalen Viehranches und Plantagen auf eine schon jahrzehntelange Tradition des Raubbaus zurückblicken. Die Folgen — Verödung, Nicht-mehr-Nutzbarmachung des Erdbodens usw. — sind bekannt.
Eine lange Tradition hat auch die Gold- und Diamantensuche im Amazonas-Becken. Die Zahl der Goldsucher, um nur einmal eine Zahl zu nennen, betrug 1989 nach Schätzungen 1,2 Millionen und wächst weiter an.
Auch der Export an Edelhölzern ist zweifellos ein weiterer in diesem Zusammenhang zu nennender Faktor.
Aber der wesentliche Faktor sind in der Tat die Auslandsschulden, die die lateinamerikanischen Länder zwingen, die Rohstoff-, Fleisch- und Futtermittelexporte so hoch wie möglich zu halten. Eine verantwortliche Planung der Zukunft ist unter den gegebenen Bedingungen aus ihrer Sicht ausgeschlossen.
Auch die brasilianische Siedlungspolitik — ich konzentriere mich im Augenblick darauf — ist hier als Ursache zu nennen. Die brasilianische Bevölkerung hat sich verzehnfacht, so daß Amazonien von seiten der brasilianischen Regierung jetzt faktisch zum Einwanderungsgebiet gemacht worden ist.
Es gibt noch weitere Gründe, die ich aber im Hinblick auf die Kürze der Zeit nur mit zwei oder drei Stichworten umreißen möchte.
Die Bundesrepublik importiert — da darf ich doch etwas verweilen — heute wohl schon 40 % des dort gewonnenen Erzes, um ihren eigenen Bedarf zu dekken. Und da frage ich natürlich auch Sie, Herr Warnke, den Umweltminister oder auch den Wirtschaftsminister: Müßte man nicht, wenn man wirklich etwas machen will, darüber nachdenken, ob man diese Zahl von 40 % reduzieren will? Ich glaube, darüber muß man wohl wirklich nachdenken. Aber ich sehe da in der Tat keine Ansätze, außer verbalen Formulierungen.
Im übrigen — auch dies ein wichtiger Gesichtspunkt — : Im Bereich des Amazonas leben wohl 50 000 oder mehr Yanomami-Indianer. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang sagen: Die Zerstörungen der Urwälder sind nicht nur Menschenrechtsverletzungen gegenüber den in Südamerika lebenden Ureinwohnern, sondern das sind auch Menschenrechtsverletzungen, die jetzt schon im Hinblick auf unsere Kinder und Kindeskinder angelegt sind.
Es sind in der Tat keine wirksamen Lösungsansätze, wenn z. B., wie geschehen, bei einem 8-MilliardenProgramm für Tropenforstwirtschaft der Weltbank und der FAO nur 7 oder 8 % zur Konservierung bestehender Tropenwälder bestimmt sind und der ganz überwiegende Anteil für Forschungsprojekte, für Ausbildungsstätten, für Waldanbau zur industriellen Nutzung, für die Entwicklung der Ackerforstwirtschaft und für weitere Maßnahmen verwendet wird — typisch klassische entwicklungspolitische Maßnahmen, die eben bis jetzt nicht gegriffen haben. Diese Maßnahmen der traditionellen Entwicklungspolitik — und darauf setzt die Bundesregierung leider überwiegend weiterhin — sind für die Erhaltung der Tropenwälder wenig nützlich. Das Risiko, daß diese Maßnahmen die Zerstörung der Tropenwälder eher fördern als verhindern, ist zu groß.
Die Politik der Bundesregierung, mit nach wie vor überwiegend entwicklungspolitischen Programmen und zuwenig neuer Wirtschafts- und Finanzpolitik an die Lösung heranzugehen, ist unzureichend und gefährlich. Deswegen hat die Bundesregierung auch noch keine Lorbeeren dafür geerntet, daß sie jetzt 250 Millionen DM Entwicklungshilfe zum Schutz der Tropenwälder — auf fünf Jahre verteilt; das muß man wissen — gibt. Ich bin hoffentlich nicht zu polemisch, wenn ich sage, daß dies im Grunde genommen nichts anderes ist als eine europäische Ausgleichszahlung an diese Länder für Umweltverschmutzungen, die in Europa entstehen.
Lassen Sie mich, Frau Dr. Segall, nur noch folgendes sagen: Ich beschönige überhaupt nichts von dem, was in dem Dreieck, wie vorhin gesagt wurde, DDR—Tschechoslowakei usw. an Beschädigungen der Umwelt geschehen ist. Aber es ist zweifellos richtig, daß die Länder mit Tropenwäldern — Brasilien, Philippinen, Thailand, Zaire — sicherlich eher kapitalistisch orientierte Länder sind. Es ist sicherlich auch richtig, daß der Kommunismus mit diesen Ländern relativ wenig Handel getrieben hat. Ich möchte also Ihren Einwand, wir würden in diesem Sektor sozialistische oder sonstige Politik betreiben, deutlich zurückweisen.

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Völlig aus der Luft gegriffen!)

Herr Minister Warnke, ich möchte Ihrem Argument mit der Souveränität das auf den ersten Blick nicht schlecht klingt und dem man in dieser generellen Form auch zustimmen könnte, folgendes entgegenhalten: Es geht nicht darum, daß wir auf das Einfluß nehmen, was die dort machen, sondern es geht darum, daß wir auf unsere Wirtschaftspolitik, auf unsere Entwicklungspolitik und auf unsere Finanzpolitik Einfluß nehmen. Darüber müssen in der Tat doch wir souverän entscheiden. Es ist auch unsere souveräne Entscheidung, ob wir im Zusammenhang mit dem Freihandel — Sie nannten eben das Beispiel — die Grenzen öffnen. Ich warne davor, mit dem Argument, wir dürften in die Souveränität nicht eingreifen — das wollen wir natürlich auch nicht — , den Kriegsschauplatz zu wechseln.
Ich will sehr deutlich betonen, daß wir massiv versuchen und dies auch für den richtigen Weg halten, über die Schuldenerlaßpolitik — Frau Hartenstein hat dazu das Notwendige schon gesagt — , an Lösungen heranzukommen.
Ehemals tropische Waldregionen sind soweit wie möglich wieder aufzuforsten. Ich wiederhole in diesem Zusammenhang, daß wir mit weniger traditioneller Entwicklungspolitik und mit mehr neuer Wirtschaftspolitik wesentlich mehr erreichen können.
Wir haben in der Tat im Grunde genommen keine ökologisch orientierte Außenwirtschaftspolitik. Ich



Dr. Kübler
wäre dankbar, wenn der Herr Bundesumweltminister aus seiner Sicht speziell zu dieser Frage Stellung nehmen würde.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Die Menschen in den Tropen, die ganz normalen Brasilianer oder Zairer, orientieren sich — wer kann ihnen das verdenken — an unserem Lebensstandard und streben ihn auch an. Ein Recht — jetzt spreche ich von individueller Souveränität — , ihnen das abzuschlagen, haben wir nicht.
Es ist deshalb an uns, einen Wohlstand zu entwikkeln, der die Umwelt weniger zerstört. Wer, wenn nicht der reiche Norden, hat sonst die finanziellen und technischen Mittel für diese überlebensnotwendigen Anstrengungen? Der reiche Norden ist gefordert.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123209800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123209900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige kurze Vorbemerkungen: Jedesmal, wenn ich in Entwicklungsländern war, habe ich gesehen, daß wir für die Förderung von Bildung, von Fachwissen und für den Bau von Schulen gesorgt haben und daß wir Infrastruktureinrichtungen im Bereich der Hygiene geliefert haben. Soll sich unsere Bundesregierung, die das alles mit den Mitteln der westdeutschen Steuerzahler unterstützt hat, heute und hier von denen kritisieren lassen, die dorthin Waffen geliefert haben, die das Schuldenpotential vergrößert haben und die den Menschen nichts anderes als Vernichtung gebracht haben? Genau diese stellen sich nämlich hierhin und kritisieren.
Wenn Sie nur einen Funken von Anstand hätten — das richte ich an die Mitglieder der SED/PDS —, dann würden Sie sich erst einmal selber kritisieren, bevor Sie mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden nicht in Vergessenheit geraten lassen, was Sie alles angestellt und getrieben haben. Vielmehr werden wir ganz deutlich machen, wie Sie in diesen Ländern der Dritten Welt gewirtschaftet haben. Wenn Sie hier so etwas noch einmal sagen, werden wir darauf hinweisen, zu welchen Katastrophen Sie mit beigetragen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schmidtbauer [CDU/CSU]: Die haben die ganzen Bonzenhäuser mit Tropenholz ausgestattet!)

Ich finde es in Anbetracht der Größe des Problems und der Herausforderung, vor der wir stehen, insbesondere bei der Artenschutzproblematik gerade in den tropischen Regenwäldern, ein bißchen kleinkariert, wenn ich sehe, wie hier die SPD und die grünen Kollegen um ein bißchen Profil rangeln, wo wir doch in den weitestgehenden Bereichen flächendeckende Maßnahmenkataloge haben, die wir gemeinschaftlich akzeptieren können und die auch Sie mitgetragen haben. Je näher allerdings der Wahlkampf rückte, um so kleinkarierter sind Sie von dieser Gemeinschaftlichkeit abgerückt, die wir eigentlich draußen brauchen, um dem Ganzen mehr Durchschlagskraft zu geben.

(Abg. Frau Dr. Fischer [Gruppe der PDS], Abg. Dr. Heuer [Gruppe der PDS] und Abg. Dr. Knabe [GRÜNE/Bündnis 90] melden sich zu einer Zwischenfrage)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123210000
Herr Abgeordneter, es ist bei Ihnen außerordentlich schwer, zwischen zwei Sätzen eine Pause zu finden. Deshalb muß ich Sie jetzt unterbrechen, um zu fragen, ob Sie bereit sind, eine Zwischenfrage von Frau Dr. Fischer zu beantworten.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123210100
Ich darf den Kollegen Knabe bitten, noch zwei Minuten zu warten; denn ich möchte noch kurz anreißen, was nicht mitgetragen wird. Hier wird der Eindruck erweckt, als ob unser Programm ein Programm auf Jahrzehnte sei und deshalb sofort nichts geschehe. Wir wollen Sofortmaßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Primärwaldgebiete. Wollen Sie das nicht? Wir wollen die Ausweisung von Schutzgebieten, Gebieten absoluten Schutzes, sofort beschleunigen. Wollen Sie das nicht? Wir wollen die Größe der unter Schutz zu stellenden Flächen drastisch ausweiten. Wollen Sie dies nicht? Wir wollen dafür Kompensationszahlungen leisten. Wollen Sie dies alles nicht? Wir wollen deutlich machen, daß wir über Schuldenerlaß bei Ländern, wo wir dies differenziert geprüft haben, hinaus Geld in die Hand nehmen, sofort und mehr als alle anderen Länder der Welt. Wollen Sie das nicht mittragen? Wir wollen die flächendeckende Umsetzung von Agroforstprojekten, integrierten Entwicklungshilfeprojekten, die den Menschen Arbeit geben, aber gleichzeitig ökologisch verträglich sind. Wir bieten Geld dafür an, sofort. Wollen Sie das nicht mittragen? Ich frage Sie nur. Wir wollen Brennholz-Plantagen, damit die Leute nicht den Wald roden müssen, um Feuerholz zu gewinnen, damit der Druck vom Regenwald weggenommen wird. Wollen Sie auch das nicht? Ich könnte immer weiter gehen: Wir wollen Geld in die Hand nehmen für die Wiederaufforstung, für die Wiedergewinnung versteppter Flächen für die Landwirtschaft, damit die Menschen auf diese Flächen gehen können und nicht in den Tropenwald abgedrängt werden. Alles dieses sind doch Maßnahmen, die wir gemeinsam wollen. Und wir wollen den Abbau von Forstverwaltungen, sofort, stützen. Wir wollen eine verstärkte Kontrolle dort mit Leuten ermöglichen, die nicht bestechlich sind, damit auch die Fällverbote nicht umgangen werden. Das alles wollen Sie nicht mittragen zugunsten einer kleinkarierten Abweichung? Das halte ich für bedauerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Frau Dr. Fischer [Gruppe der PDS] und Abg. Dr. Heuer [Gruppe der PDS] melden sich zu Zwischenfragen)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123210200
Herr Abgeordneter, es gibt inzwischen zwei Wünsche nach Zwischenfragen, und auch die zwei Minuten sind um. — Ich würde mit Frau



Vizepräsident Westphal
Dr. Fischer anfangen, die sich zuerst gemeldet hat. Wollen Sie ihre Frage beantworten? — Bitte schön.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123210300
Herr Abgeordneter, ich wollte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß z. B. im Hospital Carlos Marx in Nicaragua 40 % SED-Mitglieder und 60 % anderen Parteien angehörende Leute gewesen sind.

(Dr. Göhner [CDU/CSU]: SPD-Mitglieder? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich habe das ganz genau verfolgt. Die sind zum Teil in Ihrer CDU aufgegangen.
Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, daß ich mir nicht den Mund verbieten lasse, auch nicht von Ihnen.

(Schmidbauer [CDU/CSU]: Jetzt reicht es mir dicke!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123210400
Frau Dr. Fischer, dies ist eine Möglichkeit für den Abgeordneten, eine Frage zu stellen, aber nicht Feststellungen dieser, jener oder anderer Art zu treffen.

(Frau Dr. Fischer [Gruppe der PDS]: Ich werde das in Zukunft berücksichtigen! — Schmidbauer [CDU/CSU]: Langsam wird es unzulässig! Ein Mißbrauch des Fragerechts, finde ich!)

Wollen Sie auch die zweite Frage von Herrn Dr. Heuer beantworten? — Herr Dr. Heuer, bitte schön.

Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS):
Rede ID: ID1123210500
Ich habe eine Frage zur Geschäftsordnung. Nach dem, was uns mitgeteilt worden ist — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123210600
Herr Kollege, das geht nun nicht.

Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS):
Rede ID: ID1123210700
Nein. Darf ich Sie etwas fragen? — Nach der Geschäftsordnung sind auch Interventionen vorgesehen. Habe ich die Möglichkeit, eine Intervention vorzunehmen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123210800
Ja, das ist richtig.
Dann muß ich den Redner fragen, ob er bereit ist, das zuzulassen, aber am Ende seiner Redezeit. Er wird Ihnen das mitteilen.

(Fellner [CDU/CSU]: Sie wollen dir nur die Redezeit stehlen! Nicht einmal der Herr Knabe gibt noch was her!)

Wollen Sie erst einmal antworten, Herr Lippold? — Bitte schön.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123210900
Frau Fischer, es hat doch keinen Zweck, daß Sie Einzelmaßnahmen jetzt für das hinstellen, was Sie in der Globalität nicht gemacht haben. Daß eine vereinzelte Maßnahme sinnvoll gewesen sein mag, heißt doch nicht, daß Sie in der Gesamtgewichtung unendlich viel mehr Geld für Waffen bereitgestellt haben als für solche Hilfsmaßnahmen, wie Sie sie zitieren. Das muß man doch einmal gewichten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dann darf ich noch auf einen weiteren wesentlichen Punkt kommen. —

(Abg. Dr. Knabe [GRÜNE/Bündnis 90] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Willst du jetzt oder willst du nicht?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123211000
Herr Dr. Knabe, zu einer Frage, bitte schön.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123211100
Ich danke für die Möglichkeit der Frage. Herr Kollege Lippold, ist es denn wirklich kleinkariert, wenn wir GRÜNEN verlangen, daß dem Welthandel ökologische und soziale Handlungsempfehlungen, -begrenzungen auferlegt werden? Ist es kleinkariert, wenn wir sagen, daß kein Tropenholz aus den Primärwäldern geschlagen und exportiert werden soll?

(Dr. Göhner [CDU/CSU]: Es ist nicht kleinkariert, aber ökologisch falsch!)

Und ist es kleinkariert, wenn wir auch bei dem Import von Agrarprodukten, die unmittelbar zur Waldvernichtung führen, eine Bremse anlegen wollen? Ich glaube, das sind die wichtigsten Fragen.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123211200
Ich darf es einmal ganz kurz so sagen:
Der erste Punkt ist: Ich kann mich nicht hier hinstellen und fordern, daß alles sofort greifen muß, und dann eine ökologische Umorientierung der Weltwirtschaft fordern, die, wenn wir sehen, wie lange die GATT-Verhandlungen laufen, Jahrzehnte braucht. Das hilft dann doch nicht. Dann macht ihr den Leuten doch ein falsches Bild vor.
Das zweite ist: Wenn 80 % der Hölzer als Brennholz verbraucht werden, dann setze ich dort bei diesem großen Punkt an und nicht bei den 4 %, die letztlich exportiert werden,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und zwar nicht einmal zu einem Zehntel hierhin, sondern woandershin exportiert werden.
Das heißt, ihr setzt an völlig falschen Ecken an. Die eigentlichen Ursachen beachtet ihr nicht.
Ich sage noch einmal eines: Der Brundtland-Bericht ist wesentlich ausgewogener in seinen Vorstellungen — er ist ja maßgeblich auch von euren Leuten mitgetragen worden — als das, was hier dargestellt wird. Darin wird nämlich auch deutlich gemacht, daß es interne Faktoren in den Ländern dort gibt, die wir beachten müssen. Ich warne davor, immer so zu tun, als seien die nordischen Länder die Alleinschuldigen. Das führt nämlich dazu, daß bei Maßnahmen, die dringend erforderlich sind, in den Entwicklungsländern nicht mehr selbst angesetzt wird, sondern gesagt wird, nur die Industriestaaten sollten das machen.

(Zuruf von der SPD: Herr Knabe hat Sie gefragt!)

Aber auch in den Entwicklungsländern ist Eigenanstrengung gefordert, und wir dürfen diese Länder nicht aus ihrer Mitwirkung entlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)




Dr. Lippold (Offenbach)

Ich sage das einmal ganz deutlich: Nicht allein wir sind diejenigen. Auch dort wird gesündigt.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123211300
Darf ich Sie noch einmal unterbrechen? — Herr Dr. Heuer hat eine Intervention während Ihrer Rede verlangt. Sie müssen entscheiden, ob Sie das wollen oder nicht.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123211400
Wie lange geht das?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123211500
Zwei Minuten.

(Dr. Heuer [Gruppe der PDS]: Maximal zwei Minuten!)

Bitte schön, Herr Dr. Heuer.

Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS):
Rede ID: ID1123211600
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, daß Sie Ihre Verhaltensweise etwas bedenken. Man kann nicht bei jedem Tagesordnungspunkt sagen, die PDS möge zu etwas ganz anderem Stellung nehmen. Es geht hier um die tropischen Regenwälder. Ich glaube nicht, daß es zulässig ist, unserer Partei zu untersagen — hier ist von „Denkpause", von „Selbstkritik" gesprochen worden —, zu dieser Frage ihre Meinung zu äußern.

(Dr. Göhner [CDU/CSU]: Das will doch niemand!)

— Mehrere Abgeordnete dieses Hauses haben sich so geäußert.
Sie nehmen damit im Grunde unserer Partei das Rederecht. Ich halte ein solches Vorgehen für nicht in Ordnung.
Abschließend darf ich Sie vielleicht noch auf einen Artikel im heutigen „General-Anzeiger" hinweisen. Da schreibt Ekkehard Kohrs:
So richtig es ist,
— wie Sie das gern immer wieder wollen —
die PDS immer wieder an ihre katastrophale SED-Vergangenheit zu erinnern,
— das ist ein breites Feld der Diskussion —
irgendwann wird man sich eine neue Argumentation einfallen lassen müssen. Jeder Vorwurf nutzt sich früher oder später ab.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Gruppe der PDS — Zuruf von der CDU/CSU: Herr Präsident, das war wieder einmal keine Frage!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123211700
Es ging hier auch nicht um eine Frage.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1123211800
Damit hier kein falscher Eindruck aufkommt, darf ich einmal ganz kurz festhalten: Sie werden hier in Ihren Rechten nicht beschnitten. Wie Sie sehen, lassen wir Zwischenfragen zu, lassen wir Interventionen zu. Versuchen Sie ja nicht, den Mitleidseffekt erreichen zu wollen nach dem Motto: Wir armen Kleinen, wir dürfen da ja gar nichts. Sie dürfen hier alles, was demokratisch und richtig ist. Aber wir sagen Ihnen auch, was wir von Ihnen meinen und was wir von Ihnen halten.
Dann bringen wir Sie dazu, dazu echt Stellung zu nehmen. So muß das aussehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kommen Sie da nicht mit der Mitleidsmasche. Ihr müßt euch schon der Kritik stellen. Ihr könnt doch nicht erwarten, daß wir sagen, ihr seid liebe, nette Kerle, und das war es dann. Wir werden schon euch gegenüber in der Sache Stellung nehmen. Im Stil können wir das gehaltvoll machen. In der Sache ist das etwas anderes.

(Dr. Heuer [Gruppe der PDS]: Darf ich darauf antworten, Herr Präsident?)

Jetzt kommen wir noch einmal zum Punkt tropischer Regenwald zurück. Ich glaube, daß es sinnvoll ist, deutlich zu machen, daß ein Schuldenerlaß differenziert vorgenommen werden muß. Ich sage für unsere Fraktion noch einmal ganz deutlich, daß Schuldenerlaß allein auch nicht ausreicht, wenn wir für den Tropenwald etwas positiv bewirken wollen; denn Leute, denen wir Geld erlassen, haben noch nicht automatisch das Geld, um aufzuforsten, um Regenerationsmaßnahmen durchzuführen, um Gebiete unter Schutz zu stellen. Wir wollen hier positiv ansetzen. Damit gehen wir über das, was von Ihnen gefordert wird, weit hinaus.
Ich glaube, daß wir das auch tun müssen; denn wenn wir nicht Artenvielfalt im tropischen Regenwald erhalten, dann gefährden wir die Stabilität von Entwicklung. Nur Vielfalt von Arten heißt Stabilität biologischer, menschlicher Umweltentwicklung auch für die Zukunft. Wir würden Unwiederbringliches verlorengehen lassen, wenn wir hier nicht sofort und direkt ansetzen würden.
Deshalb ist es für uns auch ein zentraler Punkt, gemeinschaftlich mit Ihnen zu Handlungsmöglichkeiten zu kommen und dem Ganzen auch international mehr Durchschlagskraft, mehr Möglichkeiten zu eröffnen.
Ich danke der Bundesregierung noch einmal ganz nachhaltig dafür, daß sie jedes internationale Forum nutzt, daß sie jede Gelegenheit nutzt, um dieses Anliegen voranzubringen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

im Bereich Ozonloch, im Bereich tropischer Regenwald und gleichzeitig auch in der Frage Klimaschutz. Das ist eine Einstellung, die positiv ist. Sie finden keine andere Regierung, die sich dieses Anliegens so angenommen hätte wie diese. Wir wollen das noch einmal ganz nachhaltig deutlich machen. Wenn es eine Vorreiterrolle in Umweltaußenpolitik gibt, dann hat diese Regierung diese Vorreiterrolle für uns übernommen. Wir werden sie dafür stützen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123211900
Herr Kollege Lippold, die Frage, wen Sie mit „du", „ihr" oder „Sie" anreden, liegt natürlich in Ihrer Verantwortung. Aber nicht jeder möchte das für sich in Anspruch nehmen. Deswe-



Vizepräsident Westphal
gen bitte ich Sie, das in Zukunft zu beachten. Es hat dazu Klagen gegeben.
Jetzt hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Herr Töpfer, das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1123212000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten hat eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages eine so herausragende Arbeit vorgelegt wie die hier zur Diskussion stehende Enquete-Kommission, die sich auch mit dem Schutz der tropischen Regenwälder beschäftigt hat. Ich glaube, das größte Lob, das man einer Enquete-Kommission aussprechen kann, besteht darin, daß man ihr konstatiert: Diese Arbeit ist unmittelbar politikwirksam geworden. Das ist hier festzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen hat die Bundesregierung mit großem Nachdruck allen Mitgliedern dieses Parlaments in der Kommission und sicherlich auch den vielen Wissenschaftlern, die direkt oder indirekt mitgewirkt haben, zu danken. Ich möchte unterstreichen: Auch den hochqualifizierten Mitarbeitern dieser Enquete-Kommission haben wir zu danken. Dies ist ein Beispiel, das unmittelbar politikwirksam werden konnte.
Das zeigte und erwies sich bei dem ersten Abschnitt dieser Arbeit, der sich mit dem Schutz der Ozonschicht beschäftigt hat. Wir haben international die Vorreiterrolle im Ausstieg aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen deswegen übernehmen können, weil wir von der Breite dieses Hohen Hauses mitgetragen worden sind. Das sollte man bei aller Unterstreichung der eigenen Arbeit nicht vergessen. Auch dafür ist zu danken.
Ich glaube, daß das, was hier mehrheitlich vorgelegt worden ist, genauso ein unglaublich ambitioniertes Programm für die Rettung der tropischen Regenwälder ist. Es wäre eine großartige Sache, wenn wir hier ebenfalls ein einstimmiges Votum des gesamten Hohen Hauses bekämen. Es würde die Durchschlagskraft dieser Empfehlung deutlich verstärken. Ich glaube, dieses Programm ist so ambitioniert, daß wir es kaum ohne erhebliche Schwierigkeiten international durchsetzen können. Deswegen danke ich auch, daß die Mitglieder der Enquete-Kommission und die Wissenschaftler die Bundesregierung in internationalen Konferenzen unmittelbar unterstützt haben. An diesem Bericht der Kommission wird keiner mehr weltweit vorbeigehen können. Ich hoffe, daß es durchaus noch die Möglichkeit gibt, zu dieser Einstimmigkeit in der Bewertung zu kommen.
Der Abgeordnete Lippold hat sehr deutlich gemacht, welche weitreichenden Forderungen und welche weitreichenden Bereitschaften zum Handeln damit verbunden sind. Sicher ist richtig, was mein englischer Kollege Chris Patten gesagt hat — ich zitiere — : „Die Armut ist die giftigste Substanz, die es weltweit gibt. " Ich möchte ergänzen: Sie ist deswegen auch eine besonders umweltzerstörende Kraft. Sicher ist auch zu ergänzen, daß auch der Egoismus der entwikkelten Länder der nördlichen Hemisphäre zu dieser umweltzerstörenden Kraft mit hinzuzurechnen ist. Es gibt diesen Teufelskreis, der dort beginnt, wo wir mit einer steigenden Bevölkerungsentwicklung höhere Ansprüche an die Natur und ihre Produktivität stellen. Ein Land wie Kenia, mit einem jährlichen Anstieg der Bevölkerung um vier Prozent, kennzeichnet das sehr deutlich.
Damit das allen klar wird: Auch dieses kann man in unmittelbarer Arbeit für die Entwicklungspolitik selbst mit einbringen. Ich habe versucht, es in Ländern Afrikas und Brasilien zu tun. Die wachsende Bevölkerung auf der einen Seite und die steigende Auslandsverschuldung auf der anderen Seite, die nicht zuletzt über die höhere Energierechnung dieser Länder zustande gekommen ist — steigende Ölpreise waren mit die entscheidende Ursache für die gewaltige Auslandsverschuldung — haben natürlich

(Dr. Knabe [GRÜNE/Bündnis 90]: Und steigende Zinsen!)

— und der steigende Zins ist die Kehrseite der gleichen Medaille, Herr Abgeordneter Knabe — einen Teufelskreis bewirkt, weil die Entwicklungsländer ihre Hauptexportgüter in Massengütern der landwirtschaftlichen Produktion oder in Rohstoffen sehen.
Deswegen ist es natürlich richtig, daß wir uns auch die Frage stellen, wie es mit den internationalen Austauschrelationen aussieht — die Ökonomen sprechen von den Terms of trade — , also den Austauschrelationen zwischen den Produkten der entwickelten Länder und den Gütern, die unterentwickelte Länder uns liefern. Dies ist nicht eine neue Erkenntnis, sondern Grundlage der gesamten Umwelt- und Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung, meine Damen und Herren.
Gerade deswegen ist es so wichtig, was Kollege Warnke gesagt hat, daß wir nämlich dies nicht nur in Deklarationen hier im Parlament verwirklichen, sondern an den Verhandlungstischen von Lomé IV und in den GATT-Runden im Uruguay-Bereich. Das sind die Zusammenhänge.
Es ist schon richtig, daß wir uns fragen müssen, ob es überzeugend ist, wenn andere Industrieländer etwa keinerlei Importzölle auf Rohholz erheben, aber erhebliche Zölle auf den Import bearbeiteter Hölzer erheben; denn damit verlagern wir die Wertschöpfung bei diesem Holz in die entwickelten Länder. Wir müßten genau umgekehrt vorgehen, damit die Wertschöpfung bei diesen Hölzern in den unterentwickelten Ländern bleibt, dort Arbeitsplätze geschaffen werden und der Entwicklungsprozeß weitergeführt wird. Das sind, wie ich meine, fortführende Überlegungen.
Meine Damen und Herren, deswegen ist die Bundesregierung sehr frühzeitig zum Vorreiter des Schutzes der tropischen Regenwälder geworden. Wir wissen, daß dies etwas mit der Gewährleistung der Artenvielfalt, mit der biodiversity zu tun hat. Wir halten dafür internationale Maßnahmen bis hin zu einer Konvention für notwendig. Es hat etwas mit der Bedeutung tropischer Regenwälder als CO2-Senke und sicherlich als ein Stabilisierungsfaktor für die Naturkreisläufe in diesen Ländern insgesamt zu tun. Auch muß man immer wieder unterstreichen, daß die Frage



Bundesminister Dr. Töpfer
des Schutzes der tropischen Regenwälder zu dem zentralen persönlichen Anliegen des Bundeskanzlers Helmut Kohl geworden ist.
Wir haben dies auf dem Weltwirtschaftsgipfel von Paris als erste zum Thema gemacht. Ich darf aus der Abschlußerklärung dieses Weltwirtschaftsgipfels zitieren:
Die Erhaltung der tropischen Wälder ist im Interesse der ganzen Welt dringend geboten. Wir begrüßen die deutsche Initiative in diesem Bereich als Grundlage für Fortschritt.
Es war die deutsche Initiative, die weltweit etwas bewirkt hat, und sie ist über den europäischen Gipfel in Dublin fortgeführt worden und hat sich nicht zuletzt auch auf Initiative und wegen der Durchschlagskraft der Enquete-Kommission in Houston weiter konkretisiert. Man kann wohl auch deutlich sagen, daß sich gerade hierbei der Vorsitzende der Enquete-Kommission sehr persönliche Verdienste erworben hat, um dies international, aber auch in die Tätigkeit der Regierung mit einzubinden. Wir haben ihm aus Sicht der Bundesregierung dafür zu danken.

(Dr. Knabe [GRÜNE/Bündnis 90]: Aber Herr Haussmann hat nichts getan!)

Wie haben wir darauf reagiert, und wie müssen wir weiter daran arbeiten? Zum ersten ist konkrete Hilfe gefragt; nicht Sprüche sind gefragt. Die konkrete Hilfe beginnt dort, wo wir uns als eine führende Technologienation dazu durchringen, neue Technologien für Energieerzeugung und Nahrungsmittelproduktion zu entwickeln. Das ist unsere konkrete Hilfe für eine weltweit steigende Bevölkerung:

(Beifall bei der FDP)

daß wir neue Techniken für Energie- und Nahrungsmittelproduktion bei uns entwickeln, um sie anderen verfügbar zu machen. Dies ist eine ganz bedeutsame Angelegenheit, die ich unterstreichen will. Hier müssen wir auch unser Verhältnis zu moderner Technik weiterentwickeln.
An zweiter Stelle ist ganz sicher auch der Einsatz unserer Wirtschaftskraft zu nennen. Es ist nochmals zu sagen — Frau Hartenstein hat mit gutem Grund das Plenum etwas früher verlassen müssen; ich darf das nicht kritisieren — , daß es natürlich auch ein Erfolg dieser Bundesregierung ist, daß wir endlich zu einer Abrüstung zwischen Ost und West gekommen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dadurch können wir freie Mittel dafür einsetzen, daß die Umwelt wirklich erhalten wird. Die Abrüstung zwischen Menschen ergibt den Spielraum, den wir brauchen, damit wir die Aufrüstung bei der Ausbeutung der Natur überwinden können. Das ist der entscheidende Fortschritt, den diese Bundesregierung gemacht hat. Wenn man das mit etwas Bescheidenheit betrachtete, dann würde man es aus der Sicht einer neuen Gruppe in diesem Parlament ganz sicherlich völlig anders bewertet haben. Es ist nicht die
Frage, daß Sie sprechen, sondern wie Sie sich zu diesem wichtigen Thema eingelassen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Enkelmann [Gruppe der PDS]: Das entscheiden Sie — oder was?)

Ich meine, es wäre für uns hilfreich gewesen, wenn es anders gewesen wäre.
Ich bin heute morgen aus Aue gekommen, und ich habe gestern die Möglichkeit gehabt, in Schneeberg vor vielen Menschen zu sprechen; ich bin im Erzgebirge gewesen. Wer dies hinter sich gebracht hat und hier einklagt, daß diese Bundesrepublik Deutschland ihre Aufgaben weltweit nicht erfüllt habe, der sollte wirklich in sich gehen und fragen, wo die verursachenden Faktoren liegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, daß wir diese unsere Wirtschaftskraft weiterhin erhalten. Sie ist die Grundlage dafür, daß wir national, europäisch und weltweit Umweltpolitik voranbringen können. Dies, meine ich, ist eine ganz großartige Sache. Wir haben den Durchbruch geschafft. In London wurde zum erstenmal ein Finanzmechanismus, ein Fonds eingerichtet, der tatsächlich international Gelder verfügbar macht, um anderen den Ausstieg aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen zu erleichtern. Wir werden mit gleichem Nachdruck einen Beitrag leisten können, wenn wir bei der Klimakonvention, die 1992 zu verabschieden ist, nicht nur von anderen etwas fordern, sondern ebenfalls unsere Bereitschaft zur Mithilfe konkret einbringen.
Der Bericht der Enquete-Kommission ist dafür eine hervorragende Grundlage. Die Bundesregierung hat dafür zu danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123212100
Meine Damen und Herren, man darf auch von hier oben im Namen aller der Enquete-Kommission und gerade auch denjenigen, die nicht aus diesem Hause kommen, sondern Mitarbeiter in einer solchen Kommission sind, und den Mitarbeitern für die Kommission für ihre Arbeit sehr herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Jetzt hat Herr Dr. Knabe noch einmal kurz das Wort. Er hat nämlich gemeint, ich hätte den Tagesordnungspunkt 17 c nicht mit aufgerufen. Ich habe ihn aber aufgerufen. Dies ist nur ein Mißverständnis. Sie wollen einen Antrag begründen. Ich hoffe, Sie schaffen das in 2 Minuten.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123212200
Ich wollte einen Änderungsantrag zu der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/8010 begründen. Es geht um Empfehlungen für die Behandlung von vier Anträgen. Der vierte Antrag wird zur Ablehnung empfohlen.
Der Antrag von mir als Abgeordnetem und von der Fraktion der GRÜNEN lautet:
Ziffer 4 der Beschlußempfehlung auf Drucksache
11/8010 erhält folgende Fassung: Der Bundestag



Dr. Knabe
wolle beschließen, den Antrag auf Drucksache 11/1838 in der vom Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit verabschiedeten Fassung anzunehmen.
Die Änderung besteht in der Einfügung der Worte „aus Primärwäldern" an zwei Stellen. Der aus zwei Sätzen bestehende Antrag auf Drucksache 11/1838 lautet demnach wie folgt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, keinerlei Haushaltsmittel für die Verwendung der Beschaffung tropischer Hölzer aus Primärwäldern zu verausgaben.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, alle mit der Durchführung von Baumaßnahmen betrauten Dienststellen des Bundes anzuweisen, auf die Verwendung tropischer Hölzer aus Primärwäldern zu verzichten.
Ich glaube, daß alle Fraktionen hier zustimmen können, denn auch in dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wird ein Importverbot für Tropenhölzer aus Primärwäldern gefordert.
Damit wäre bei diesem Antrag eine einstimmige Verabschiedung möglich, was bei den anderen Anträgen nicht möglich sein wird.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123212300
Herr Dr. Heuer, Ihre Intervention ist erledigt?
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17 a, und zwar zuerst über die Änderungsanträge. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8253? Ich bitte um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8256? Ich bitte um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 sowie der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 11/8009. Wer stimmt dafür? Ich bitte um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion der SPD und bei Gegenstimmen der GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 11/8007. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? Ich bitte um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der GRÜNEN angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 11/8010. Der Ausschuß empfiehlt unter den Ziffern 1 bis 3 die Anträge der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/2010, der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/3740 sowie der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2933 für erledigt zu erklären. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung unter den Ziffern 1 bis 3 ist bei Gegenstimmen und Enthaltungen der Gruppe der PDS mehrheitlich angenommen.
Wir kommen zu Ziffer 4 der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 11/8010. Hierzu hat der Abgeordnete Dr. Knabe gerade mündlich einen Änderungsantrag vorgetragen. Wer für diesen mündlich vorgetragenen Änderungsantrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Nun ist über Ziffer 4 der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 11/8010 abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/1838 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen alle anderen angenommen worden.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Schlußberichts der EnqueteKommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000"
— Drucksachen 11/1448, 11/7820 —
Überweisungsvorschlag :
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft (19. Ausschuß) zu dem Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Dezember 1987
— Drucksachen 11/1448, 11/5349, 11/7381 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Kuhlwein
Neuhausen
Frau Hillerich



Vizepräsident Westphal
Im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung 30 Minuten vereinbart worden. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1123212400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000", die heute dem Bundestag ihren Abschlußbericht vorlegt, hat sich zweieinhalb Jahre lang mit der Frage beschäftigt, wie die sich abzeichnenden Herausforderungen an die Jahrtausendwende bildungspolitisch gemeistert werden können. Sie hat Betriebe, Werkstätten und Hochschulen besucht, mit Ausbildern, Auszubildenden und Studierenden vor Ort gesprochen, mit Experten und Expertinnen — auch außerhalb von Bonn — Strukturfragen und Einzelprobleme unseres Bildungssystems erörtert. Sie hat in Anhörungen Wissenschaft und Verbände nach Veränderungsvorschlägen gefragt und umfassende Gutachten in Auftrag gegeben. Sie hat, wie das so üblich ist, Berge von Papier produziert, die in den letzten Monaten zu diesem Abschlußbericht verdichtet worden sind.
Als Vorsitzender der Kommission danke ich allen, die uns geholfen haben, insbesondere den als Sachverständige berufenen Mitgliedern der Kommission und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Die gemeinsamen Anstrengungen haben sich, glaube ich, gelohnt.
Nun hat die Zeit nicht ausgereicht, um alle aufgeworfenen Fragen mit der notwendigen Tiefe zu bearbeiten. Wir haben nicht alle Kontroversen zu Ende diskutierten können. Die jeweils getrennten Voten von Mehrheit und Minderheit in einer Reihe von Kapiteln lassen dennoch ein erhebliches Maß an Annäherung erkennen.
Die Kommission sah sich nicht in der Lage, dauerhaft gültige Aussagen zum Zusammenwachsen der beiden deutschen Bildungssysteme zu machen. Zu viele Überlegungen zur deutsch-deutschen Bildungspolitik sind in den vergangenen Monaten durch die politische Entwicklung überrollt worden. Ich glaube, daß der Bericht dennoch für die Bildungspolitik auch im gemeinsamen Deutschland von Bedeutung bleibt.
Zum einen enthält er für die von der Bundespolitik zu verantwortenden Felder eingehende Problemanalysen, die auch für Leser in den neuen Ländern von großem Interesse sind. Zum anderen gelten die von uns bearbeiteten „Herausforderungen", wie etwa die Frage nach der Gleichstellung, nach den ökologischen Erfordernissen, nach dem bildungspolitischen Beitrag zur aktiven Mitgestaltung des Strukturwandels, nach den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und nach der Verdichtung der internationalen Beziehungen und Abhängigkeiten, selbstverständlich auch für das gemeinsame deutsche Bildungssystem.
Wir haben uns auftragsgemäß vor allem im Rahmen der Zuständigkeiten des Bundes bewegt, obwohl dies angesichts vielfältiger Berührungspunkte mit den Länderzustädigkeiten nicht immer „lupenrein" möglich gewesen ist. Wir haben der Versuchung widerstanden, einen neuen Struktur- oder „Mängelbericht" zu produzieren.
Die Länder sollten in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, z. B. im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, stärker als Partner des Bundes gesehen werden. Ich glaube, daß ich für die Kommission insgesamt feststellen kann, daß wir sehr viel davon halten, daß von allen Seiten wieder zum kooperativen Föderalismus zurückgefunden wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Zu den herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten von Mehrheit und Minderheit gehören: erstens der Hinweis auf die wachsende Bedeutung von Bildung und Ausbildung und ein Bekenntnis zur Bildungdexpansion — ich sehe darin nicht nur die nachträgliche Bestätigung für die Richtigkeit der sozialliberalen Bildungspolitik der siebziger Jahre, sondern auch eine Hoffnung für die Zukunft — , zweitens die These, daß Bildung und Ausbildung einen Beitrag zu einem neuen Verhältnis der Geschlechter zueinander leisten müssen, was mehr ist als die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frauen, drittens die Erkenntnis, daß wir einen erweiterten Qualifiaktionsbegriff brauchen, bei dem Selbständigkeit und Kommunikationsfähigkeit im weitesten Sinne von besonderem Gewicht sind, viertens die Forderung, daß alle Ausbildungen die Bereitschaft zum umweltgerechten beruflichen Handeln in allen Berufs- und Lebensbereichen wecken und fördern müssen, fünftens das Bekenntnis zu „lebensbegleitendem Lernen" und zur Bedeutung der Weiterbildung als der vierten Säule des Bildungssystems und schließlich sechstens die Betonung des Zusammenhangs von beruflicher, allgemeiner, politischer und kultureller Bildung in allen Bereichen des Bildungssystems und die Feststellung, daß allgemeine und berufliche Bildung grundsätzlich gleichwertig sind.
Meine Damen und Herren, unterhalb solcher relativ abstrakt formulierten Gemeinsamkeiten bleibt genügend Stoff zum Streiten. Ich will hier nur einige Beispiele nennen.
Von einem sozialen Grundrecht auf Bildung und einem einklagbaren Anspruch auf Ausbildung will die Mehrheit nichts wissen. Sie hält es eher mit Individualisierung, Flexibilisierung und Differenzierung.
Ein Ausbau der Mitbestimmung für die im Bildungsbereich Beteiligten kommt bei der Mehrheit nicht vor. Wenn sie gleichzeitig den Einfluß des Staates in der Weiterbildung und in den Hochschulen zurückdrängen will, bekennt sie sich zu einem Machtzuwachs für diejenigen, die bereits heute in diesen Systemen den Ton angeben.

(Frau Hillerich [GRÜNE/Bündnis 90]: So ist es!)

Eine stärkere Pädagogisierung der beruflichen Erstausbildung hält die Mehrheit offenbar für verzichtbar. Daran ändern auch ihre Empfehlungen zur



Kuhlwein
Verbesserung der Lage der Teilzeitberufsschule wenig.
Noch immer hält die Mehrheit an der Möglichkeit von Sonderausbildungsgängen für Lernschwächere fest, obwohl die Praxis zeigt, daß bei entsprechender Förderung fast alle Jugendlichen einen geordneten Ausbildungsberuf lernen können.
Die Mehrheit hat sich auch nicht dazu bewegen lassen, der von uns geforderten umfassenden Reform des Berufsbildungsgesetzes und des Hochschulrahmengesetzes zuzustimmen. Die Minderheit fordert weitere neue gesetzliche Grundlagen im Bereich der Gleichstellung, im Bereich der Freistellung für Bildungszwecke und in der Forschungsförderung.
Für die künftige Weiterbildungspolitik beschränkt sich die Mehrheit auf Rahmenbedingungen, was immer das sein mag. Sie will Weiterbildung weitgehend dem Markt überlassen und scheut jede weitere Ordnung durch Staat oder Gesellschaft. Deshalb kommt für sie natürlich auch ein gesetzlich geregelter Bildungsurlaub nicht in Frage.
Zur Herstellung von mehr Gleichberechtigung durch Bildung darf es bei der Mehrheit zwar Frauenförderung, aber ja keine Quotierung geben.
Für den Hochschulbereich singt die Mehrheit das hohe Lied von Eingangsprüfungen, Privathochschulen und Deregulierung. Von notwendigen inhaltlichen Neuorientierungen auf den ökologischen und sozialen Umbau der Industriegesellschaft auch in Forschung und Lehre ist in ihrem Papier nicht die Rede.
In Fragen der Ausbildungsförderung ist die Mehrheit schließlich nicht bereit, über das BAföG hinauszudenken, obwohl wir seit Jahren eine Diskussion über die Notwendigkeit neuer Fördersysteme haben und gerade das Zusammenwachsen der beiden deutschen Bildungssysteme die Frage nach elternunabhängiger Förderung für bestimmte Ausbildungszeiten mit großer Eindringlichkeit wieder aufgeworfen hat.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN/ Bündnis 90 und der Gruppe der PDS — Graf von Waldburg-Zeil [CDU/CSU]: Das Gutachten ist doch gar nicht fertig!)

— Graf Waldburg, wir haben die Diskussion ja nicht nur im Zusammenhang mit einem in Auftrag gegebenen Gutachten geführt, sondern wir haben sie auch schon lange vorher in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages geführt.
Anders als die Koalition machen SPD und GRÜNE im Abschlußbericht auch Vorschläge für die institutionelle Umsetzung einer veränderten Bildungspolitik des Bundes. Angesichts der Prozesse der deutschdeutschen Einigung und der europäischen Integration wollen wir die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung stärker als Drehscheibe für die Vorbereitung aller bildungspolitischen Entscheidungen nutzen, bei denen Bund und Länder zusammenwirken. Dort sollten künftig auch die Weiterbildung und die schulische Berufsausbildung in Teilzeit- und Vollzeitschulen verstärkt bearbeitet werden.
Die qualitativen und quantitativen Probleme der nächsten Jahre machen eine Wiederaufnahme der Bildungsplanung unter parlamentarischer Mitwirkung und Kontrolle erforderlich. Schwierige Zeiten, Graf Waldburg, meistert man nicht, indem man auf Planung völlig verzichtet; das wird Ihnen jedes Unternehmen und jeder Unternehmer bestätigen. Ich habe gehört, daß es inzwischen in Unternehmen sogar so etwas wie Personalentwicklungsplanung über einen Zeitraum von mehreren Jahren geben soll. Dies nur an die Adresse der Parteien, die glauben, man werde ohne Planung auskommen, und die auf Planung überhaupt verzichten wollen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

Ein künftiger Bildungsgesamtplan sollte allerdings jährlich fortgeschrieben werden und einen höheren Grad an Verbindlichkeit erhalten.
Schließlich sollte es einen von Regierungen wie Parlamenten wirklich unabhängigen Bildungsrat geben, der, vom Bundespräsidenten berufen, über mittel- und langfristige Perspektiven im Bildungsbereich nachdenkt und dazu Vorschläge macht.
Meine Damen und Herren, der 11. Deutsche Bundestag wird sich mit unserem Abschlußbericht und den darin enthaltenen Empfehlungen nicht mehr ausführlich beschäftigen können. Ich möchte deshalb ausdrücklich zu Protokoll geben, daß die EnqueteKommission erwartet, daß ihr Bericht vom nächsten Bundestag erneut auf die Tagesordnung gesetzt und in den Ausschüssen eingehend beraten wird. Dann wird auch Gelegenheit sein, die Erfahrungen und die Zukunftsvorstellungen der Abgeordneten aus den neuen Ländern in die Entscheidungen des Deutschen Bundestages zum Bericht der Enquete-Kommission mit einzubeziehen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Hause)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123212500
Das Wort hat Graf von Waldburg-Zeil.

Graf Alois von Waldburg-Zeil (CDU):
Rede ID: ID1123212600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen Endbericht mit einem Anhangband von über 1 000 Seiten, dazu einen Zwischenbericht und die zugrunde liegenden Anhörungen, Expertengespräche und Gutachten in sieben Minuten behandeln zu müssen, läßt fast resignieren.
Dennoch zunächst eine kritische Würdigung der Arbeit.
Erstens. Wir haben uns zuviel vorgenommen. Trotz verfassungsgemäßer Einschränkung auf die Bildungspolitik des Bundes und trotz fleißiger Arbeit in 50 Sitzungen reichte die Zeit im Grunde nur zur Bestandsaufnahme. Es blieb jedoch zuwenig Zeit zur Diskussion und Aufarbeitung.

(Wüppesahl [fraktionslos]: Das merkt man auch am Bericht!)

Vielleicht kam das aber dem Bericht insofern zugute, als sowohl Zwischen- wie auch Endbericht eine Fundgrube für am Bildungswesen Interessierte dar-



Graf von Waldburg-Zeil
stellen. Dennoch die Empfehlung für zukünftige Enquete-Kommissionen, den Untersuchungsgegenstand strikter einzugrenzen.
Zweitens. Bei der Suche nach dem Übermorgen sind das Heute und das Morgen zu kurz gekommen. D i e bildungspolitische Aufgabe hat am 3. Oktober 1990 begonnen und liegt nun in den fünf beigetretenen Bundesländern. Es wäre unseriös gewesen, hätte die Kommission zur gesamtdeutschen Bildungspolitik Aussagen mit Zehnjahresausblick treffen wollen. Ähnliches gilt auch für die nach Osten zu erweiternde europäische Perspektive.

(Wüppesahl [fraktionslos]: Aber drei Staatsverträge abwickeln!)

Sodann einige Schwerpunkte aus der Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
Erstens. Schon bei der Debatte des Zwischenberichts konnte ich auf gesunkene Prognosesicherheit, aber auch auf gewollte bildungspolitische Enthaltsamkeit bei der Steuerung von Zukünften hinweisen. Die Ereignisse im Osten verstärken die Einsicht noch, daß planende Einengung zentraler Freiheitsräume menschlicher Entscheidungen in der Wirtschaft so wenig wie in der Bildung taugt. Wir brauchen mehr Bildungsmarktwirtschaft und nicht Bildungsplanwirtschaft.
Zweitens. Beim Schwerpunkt berufliche Erstausbildung und Erwerbsarbeit stand, jedenfalls was die Anhörungen anbelangt, das solide Fundament im Vordergrund, auf dem zur Bewältigung künftiger Aufgaben weitergebaut werden kann. Von Bildungskatastrophenstimmung keine Spur.
Drittens. Über die Akzentverschiebung von der Erst- auf die Weiterbildung bestand Konsens. Notwendig sind mehr Allgemeinbildung und mehr Schlüsselqualifikationen für die Erstausbildung, mehr Gliederung — Baukastensystem — und lebensbegleitende Weiterbildung zur Aufrechterhaltung und Vervollkommnung beruflichen Wissens.
Beim Thema Mehrheits- und Minderheitsgutachten wird eines deutlich: In der Sache waren wir gar nicht so weit auseinander. Die Unterschiede liegen vielmehr im gedanklichen Grundansatz: mehr staatlicher Regelungsbedarf von der Oppositionsseite, Weiterentwicklung bestehender Ansätze mit geringstmöglicher Staatseinmischung von Koalitionsseite her gesehen.

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Dann hätten wir auch die Privatschulen!)

Viertens. Die Bedeutung der neuen Medien für individualisiertes und offenes Lernen ist vor allem in der Weiterbildung erkannt worden.
Fünftens. Im Hochschulwesen standen die Studienzeitverkürzung, die wachsende Bedeutung der Fachhochschulen und die Notwendigkeit verwertbarer Zwischenabschnitte im Vordergrund.
Sechstens. Erreichte Erfolge bei der Gleichstellung der Frau bei der Wahrnehmung von Bildungsangeboten müssen im Ergebnis der beruflichen Stellung ergänzt werden. Dabei spielt die Anpassung von Bildungslebensläufen an Lebensentwürfe von Frauen eine bedeutsame und wichtige Rolle.
Siebtens. Die Notwendigkeit von Wertvermittlung neben der Wissensvermittlung wurde vor allem bei der Diskussion der Umweltbildung und auch von der Verantwortungserziehung her deutlich.
Achtens. Gestiegene Qualifikationsanforderungen und Bildungsmöglichkeiten erhöhen leider auch die Zahl derer, die nicht mithalten können. Besondere Hilfen für diese Gruppen ziehen sich durch den gesamten Bericht.
Neuntens. Zur Bildung in Europa wurde auf Schwierigkeiten hingewiesen, die überwunden werden müssen, wenn der Bildungsförderalismus durchgehalten werden soll.
Schließlich danke ich den Kommissionsmitgliedern, den Gutachtern, den Gesprächspartnern, dem Sekretariat und der Bundestagsdruckerei, die sich riesige Mühen gegeben hat. Vor allem aber danke ich dem Vorsitzenden, Herrn Eckart Kuhlwein, der die Arbeit dieser Kommission in der ganzen Zeit beharrlich und sicher geleitet hat.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123212700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hillerich.

Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123212800
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fülle der Informationen und Erkenntnisse, die wir aus Anhörungen, Informationsbesuchen und Gutachten gewinnen konnten, schlägt sich nur zu einem Bruchteil in den jetzt von Mehrheit und Minderheit formulierten Empfehlungen nieder. Viele inhaltliche Debatten — darauf wurde schon hingewiesen — konnten nicht zu Ende gebracht werden, denn zu kleinmütig waren die zeitraubenden Verfahrensstreitereien, besonders angesichts des umfangreichen Auftrags, den wir dieser Enquete-Kommission vor fast drei Jahren gegeben haben. Auch mir kommt angesichts unserer dennoch geleisteten Arbeit die äußerst knapp bemessene Debattenzeit und erst recht meine fünfminütige Redezeit, die dieses Hohe Haus hierfür bereitgestellt hat, ziemlich absurd vor.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Schlußfolgerungen aus diesen Erfahrungen sind:
Erstens. Meine dringende Bitte oder eher Aufforderung an den künftigen Bundestag, aber auch an die Landtage und selbst an die kommunalen Parlamente sowie an Parteien und in der Bildungspolitik engagierte Gruppen und Menschen ist: Diskutiert die Empfehlungen, setzt sie in Gesetzesnovellen und -entwürfe, in Förderprogramme und Modellversuchsreihen um.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei der SPD)




Frau Hillerich
Zweitens. Die Bildungspolitik benötigt institutionalisierte begleitende, aber unabhängige Beratung, also keinen ministeriellen Elferrat, und sie benötigt Bildungsplanung, lieber Graf Waldburg, im Rahmen gesamtstaatlicher Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN/ Bündnis 90 und der SPD)

Deshalb empfehlen wir zusammen mit der SPD einen politisch unabhängigen Bildungsrat, erst recht im Hinblick auf die Bildungspolitik in der um fünf neue Länder gewachsenen Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

Dieser Bildungsrat sollte unserer Meinung nach auch Planungsempfehlungen für die Bildungspolitik in Bund und Ländern und für die Bund-Länder-Kommission erarbeiten.
Die Mitwirkung der GRÜNEN und des von uns berufenen Sachverstands hat sich besonders deutlich in den Arbeitsschwerpunkten „berufliche Erstausbildung" und „Frauen in Bildung und Arbeit" niedergeschlagen. Hier sind wir größtenteils gemeinsam mit der SPD zu wichtigen Ergebnissen gekommen. Wir haben festgestellt, daß das duale System der Berufsausbildung nur dann eine Zukunftsberechtigung hat, wenn es in dreierlei Hinsicht verbessert wird und politische, staatlich bereitzustellende Unterstützung und Garantien erfährt: erstens im Hinblick auf die soziale Sicherheit durch ein einklagbares Recht auf berufliche Ausbildung,

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN/ Bündnis 90, der SPD und der Gruppe der PDS)

dessen Einlösung sich auch auf die zweite Schwelle, also auf berufliche Erstbeschäftigung, erstrecken muß, wenn der Gesellschaft und den Menschen Erwerbsarbeitslosigkeit und Qualifikationsverlust erspart bleiben sollen. Gerade weil die Zukunft der Arbeit in unserer Gesellschaft mehr denn je auf umfassende Qualifikation und Lernfähigkeit angewiesen ist, ist die politische neben der individuellen Verantwortung zur Ausweitung der Bildungsbeteiligung enorm gestiegen.
Zweitens bedarf es einer Steigerung der Bildungsqualität beruflicher Ausbildung, wozu wir nicht nur enorme Verbesserungen und höhere verbindliche Standards in der fachlichen und pädagogischen Qualifikation und Weiterbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder benötigen, sondern auch einen eigenständigen Bildungsauftrag der Berufsschule und — jedenfalls nach Meinung der GRÜNEN — eine Steigerung ihres Zeitanteils auf die Hälfte der Ausbildungsdauer.
Drittens brauchen wir Demokratisierung und Erweiterung öffentlicher Verantwortung und Mitbestimmung der Beteiligten in der Arbeit der Berufsbildungsausschüsse, bei überbetrieblichen Ausbildungsstätten und bei der regionalen Koordination und Planung der Berufsbildung. Das ist etwas anderes, lieber Graf Waldburg, als die falsche Alternative „mehr Markt oder mehr Staat" .
Wir haben, unterstützt durch ein umfängliches Gutachten zum Thema „Frauen und Bildung", ein weiteres Strukturproblem in der Berufsausbildung behandelt. Der größere Anteil junger Frauen wird nicht im dualen System, sondern in Schulberufen nach Landesrecht ausgebildet, insbesondere im sozialpflegerischen Bereich. Diese Ausbildungen, für die häufig sogar noch Schulgeld gezahlt werden muß, münden wegen ihrer starken Spezialisierung immer noch in berufliche Sackgassen ohne Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, obwohl es sich z. B. bei den nichtärztlichen Heilberufen oder beim Beruf der Erzieherin um anspruchsvolle und qualifizierte Arbeit handelt.
Der schon eingetretene Pflegenotstand, aber auch der steigende gesellschaftliche Bedarf an professioneller Kinderbetreuung, von dem allenthalben die Rede ist, wird nur dann qualifiziert und ausreichend zu bewältigen sein, wenn neben der Beschäftigung auch die Ausbildungsqualität in diesen Bereichen erheblich aufgewertet wird. Hierfür schlagen wir die bundesweite Vereinheitlichung und Neuordnung schulischer Berufsausbildungen entsprechend den neuen Standards der Ausbildungen nach dem Berufsbildungsgesetz vor.
Im Unterschied zum Kommissionsmehrheit haben wir uns sehr gründlich mit der Frage beschäftigt, welchen Beitrag die Berufsbildung zur ökologischen Umgestaltung unserer Wirtschaft und der Erwerbsarbeit leisten muß. Grundsätzlich benötigen wir ein neues Leitbild von ökologisch verträglicher Berufsarbeit, in dem der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu einem elementaren Maßstab beruflichen Arbeitshandelns werden muß.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90, der Gruppe der PDS und bei Abgeordneten der SPD)

Hierfür reichen die bisherigen, größtenteils nur proklamierten oder auf technischen Umwelt- und Arbeitsschutz verkürzten umweltbezogenen Qualifikationsanforderungen nicht aus. Berufliche Umweltbildung muß vielmehr umfassende ökologische Fach- und Handlungskompetenz vermitteln, und sie muß als konkreter Beitrag zur umweltgerechten Umgestaltung des beruflichen Ausbildungs- und Arbeitsalltags angelegt sein. Unsere Empfehlungen zur ökologischen Erneuerung der Berufsbildung reichen von der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes und der Ausbildungsordnungen, auch der neuen, über die Entwicklung ökologischer Berufsbilder für den Vollzug geltender und künftiger Umweltschutzgesetze bis zu einem ökologisch begründeten Arbeitsverweigerungsrecht, um die Chancen der betrieblichen Umsetzung von ökologischer Fach- und Handlungskompetenz zu verbessern.
Wohl weniger durch unsere Empfehlungen als durch Engagement vor Ort, in Gewerkschaften, in Jugend- und Auszubildendenvertretungen, in Umweltverbänden und -initiativen wünsche ich mir schließlich, daß die ökologische Bewegung in den Betrieben Fuß faßt. Von dort wird die wirksamste Unterstützung auch für eine ökologische Erneuerung der Berufsbildung ausgehen müssen.



Frau Hillerich
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90, der SPD und der Gruppe der PDS)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123212900
Das Wort hat der Abgeordnete Neuhausen.

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1123213000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Kürze, sagt man, liege die Würze. Aber von ihr allein kann man nicht leben. In den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, die, wie schon gesagt, fast dreijährige Arbeit und den thematisch sehr weit gespannten Bericht der Enquete zu bewerten, erscheint mir so wenig seriös wie nahrhaft. Wer also satt werden will, muß schon selbst lesen, vergleichen, den Argumenten nachgehen, sie hinterfragen. Über Geschmack läßt sich zwar nicht, über die Mehrheits- und Minderheitsvoten und -empfehlungen, wie wir hörten, aber trefflich streiten.
Die bildungspolitischen Ziele meiner Partei, eine offene Bildungsgesellschaft, die mit dem Begriff des Bürgerrechts auf Bildung die Entwicklung des einzelnen in den Vordergrund stellt, in der bestmöglichen Förderung individueller Fähigkeiten und Begabungen, Ausgleich von Benachteiligungen, hohe Qualifikation der Bürgerinnen und Bürger, Vielfalt und Durchlässigkeit der Bildungsmöglichkeiten und ständige Weiterbildung wesentliche Voraussetzungen für Freiheit und Selbstbestimmung ebenso wie für die kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens sind, sehe ich durch den Bericht bestätigt, und zwar nicht nur, was auf der Hand liegt, in den Beiträgen der Koalitionsseite oder in den ausdrücklichen Konsensbereichen oder in den Ergebnissen der Anhörungen, Expertengespräche und Gutachten. Es gibt auch manchen immanenten Konsens, trotz divergierender Akzentuierungen, die auch hier zur Sprache gekommen sind, trotz — allerdings wichtiger — Auseinandersetzungen darüber, ob ein bewährtes System, etwa das der dualen Berufsausbildung, weiterzuentwickeln und auch zu verbessern sei oder ob radikal andere Wege eingeschlagen werden sollen, die aber, so befürchten wir, in ein für die Betroffenen unwohnlicheres Gelände führen könnten.
Wenn ich einen Aspekt des Themas Weiterbildung jetzt exemplarisch, notgedrungen pars pro toto, anspreche, verkenne ich auch nicht, daß sich Ihre Seite mit auch von mir aufgeworfenen Fragen, etwa zum Spannungsverhältnis „Vielfalt, Offenheit, Gestaltungsfreiheit hier, öffentliche Verantwortung dort" beschäftigt hat; so in Ihrem Votum zu den Grundherausforderungen, wo Verständnis für das Mißtrauen gegenüber Verstaatlichung geäußert wird, oder in der Versicherung, daß öffentliche Verantwortung nicht Verstaatlichung bedeute.
Trotzdem stimmt mich mancher Kontext nachdenklich, wenn es etwa heißt, ein qualitatives Angebot sei gegeben, stünden die Dauer der Veranstaltung, die Gestaltung des Lehrplans, die Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Lehrkräfte und sächliche Ausstattung der Einrichtung in einem angemessenen Verhältnis. Gut gesagt, aber was bedeutet das genau, exakt, präzise? Wer bestimmt das? Wie steht es um die Eigenverantwortung für neue Ideen, Methodik, Gestaltung und wie um das diffizile Verhältnis zwischen Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit, zwischen Gleichheit und Vergleichbarkeit in diesem pädagogischen Sinne? Der Teufel wohnt bekanntlich im Detail, und oft folgt der guten Absicht die Bürokratie auf dem Fuße.
Bedeutet nicht öffentliche Verantwortung auch Schutz der Freiheit von Angebot und Lehre, Kooperation mit Wirtschaft und Gewerkschaften, Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen staatlichen, kommunalen und freien Trägern, Abbau von Zugangsbarrieren für benachteiligte Gruppen durch bedarfsgerechte Förderung usw.? Denn wenn es stimmt, daß die Bedeutung des formalen Eintritts in das Berufsleben zurückgeht und sich die Notwendigkeit eines Umdenkens in der üblichen Verteilung der Bildungszeiten im gesamten Lebenszyklus abzeichnet, und wenn wir zudem an die Herausforderungen denken, die durch die Entwicklungen in Deutschland und im europäischen Einigungsprozeß entstehen, dann erhalten solche Fragen — ich betone: Fragen — über das traditionelle Verständnis von Weiterbildung hinaus in der Rückwirkung auch für die Bereiche der beruflichen Erstausbildung und der Hochschulen ein besonderes Gewicht, und es wäre fatal, wenn die Weichen in Richtung Bürokratisierung und übermäßige Verrechtlichung statt in die von Kreativität und Innovation gestellt würden.
Meine Damen und Herren, vielleicht zeigt dieses exemplarische Beispiel — mehr war nicht möglich —, daß sich die Diskussion lohnen wird. An ihr werde ich hier nicht mehr teilnehmen. Aber ich wünsche, daß es so kommen möge, wie von den verschiedenen Sprechern gesagt wird, daß dieser Bericht über den heutigen Tag hinaus nicht nur in diesem Hause diskutiert wird, diene es nur der Schärfung des eigenen Standpunktes, der sich auch manchmal — Zeit bringt Rat, manchmal guten Rat — ändern kann. Ich wünsche denen, die sich an der Diskussion hier im Hause zukünftig beteiligen werden, alles Gute, und natürlich bedanke ich mich bei jedem, der in der Enquete mitgearbeitet hat, bei dem Vorsitzenden, aber auch bei allen anderen. Mich hat diese wirklich angenehme, wenn auch manchmal etwas nervende Arbeit letzten Endes dann doch, auch vor dem Hintergrund unseres friedlichen Auseinandergehens gestern abend, sehr gefreut. Dafür bedanke ich mich.

(Beifall im ganzen Hause)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123213100
Herr Kollege Neuhausen, dann muß ich Sie wohl auch von hier oben verabschieden.

(Neuhausen [FDP]: Ich komme noch einmal!)

— Dann sage ich das später.
Frau Stolfa ist die nächste Rednerin.

Roswitha Stolfa (PDS):
Rede ID: ID1123213200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muß auch ich mein Befremden darüber ausdrücken, daß für etwas so Wichtiges wie perspektivische Bildungspolitik insgesamt sage und schreibe 30 Minuten Zeit für die Debatte eingeräumt wurden. Befremden auch des-



Frau Stolfa
halb, weil ein so schwerwiegendes Problem wie die Herstellung der Einheit auch im Bildungswesen vor uns steht. Zu Tagesordungspunkt 19 können wir gar nicht Stellung nehmen, denn wir haben zu den beiden letzten Tagesordnungspunkten nur drei Minuten Redezeit.
Zunächst äußere ich meinen Respekt vor der Arbeit der Enquete-Kommission; denn immerhin gelang es, in einigen wesentlichen Punkten Konsens zu erreichen. Ich finde jedoch, daß einige in Minderheitsvoten enthaltene wirklich konstruktive Vorschläge auch der Regierungsmehrheit gut zu Gesicht gestanden hätten.
Bedauerlich ist, daß der Ansatz für den Prozeß der Einigung im Bildungswesen in einer ursprünglich geplanten Problemanalyse nicht mehr zustande kam. Deshalb vertreten wir die Auffassung, daß der Schlußbericht der Kommission als Ausgangspunkt für eine breite öffentliche Diskussion in allen Bundesländern betrachtet werden muß;

(Beifall bei Abgeordneten der Gruppe der PDS und der GRÜNEN/Bündnis 90)

geht es doch um demokratische Mitsprache und Mitentscheidung in einer im wirklichen Sinn öffentlichen Angelegenheit, die ausnahmslos alle angeht: die Perspektive von Bildung und Schule. Der Bericht sollte im Zusammenhang mit dem Positionspapier des Zentralen Runden Tisches vom 5. März 1990 zu Bildung, Erziehung und Jugend gesehen werden. Das könnte helfen, in den neuen Bundesländern große Irritationen, die es besonders bei Lehrern gibt, zu beseitigen.
Da hier auch die Dissenspunkte mit den entsprechenden unterschiedlichen Lösungsansätzen angeführt worden sind, können sich Lehrende, Auszubildende, Eltern und Forschende in der ehemaligen DDR in den Meinungsstreit um die modernere, bessere Variante einbringen.
Ich sage das deshalb, weil bereits jetzt in einigen der neuen Bundesländer administrativ darangegangen wird, ihnen kritiklos ein im europäischen Maßstab überholtes dreigliedriges Schulsystem überzustülpen. Formal angeblich Bewährtes wird übernommen, bzw. es erfolgt eine bloße Anpassung.

(Zurufe von der CDU/CSU: Stimmt doch nicht! — Ist doch nicht wahr!)

Wenn wir schon über Bildungsperspektiven reden, sollte man sich doch auch in den neuen Ländern moderne Konzepte erstreiten dürfen.

(Beifall bei der Gruppe der PDS und bei Abgeordneten der SPD)

Aus Zeitgründen kann ich nur die wichtigsten Positionen künftiger Bildungspolitik, für die sich die PDS einsetzt, nennen.
Erstens. Wir treten ein für verfassungsmäßige Verankerung des Rechts auf Bildung als eines grundlegenden Menschenrechts — und das für ein Leben lang.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie ja 40 Jahre lang praktiziert!)

— Ach, unterlassen Sie doch endlich einmal diese Wendungen! Die sind doch abgegriffen!

(Oswald [CDU/CSU]: Die werden Sie hier noch lange hören!)

Zweitens. Wir fordern Chancengleicheit in Bildung und Ausbildung, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, nationaler Herkunft, politischer, kultureller und religiöser Identität und sozialen Verhältnissen.
Chancengleichheit erfordert ein Schulsystem, das nicht frühzeitig selektiert, sondern integriert. Die beste Voraussetzung dafür ist die Gesamtschule.
Zur Chancengleichheit gehört auch, daß eine Ausgrenzung von Lehrern aus politischen Gründen nicht stattfinden darf.

(Beifall bei der Gruppe der PDS — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/ CSU: Das haben Sie gemacht!)

— Ich habe es nicht gemacht. Verwechseln Sie mich doch nicht mit Margot Honecker!
Drittens. Die Reformierung des Bildungswesens muß zwingend mit einer weiteren Demokratisierung verbunden sein, und das nicht nur in den neuen Bundesländern.
Viertens. Mit Blick auf notwendige Transparenz, demokratische Mitbestimmung und gesellschaftliche Kontrolle unterstützt die PDS nachdrücklich den Vorschlag einen regierungsunabhängigen Bildungsrat zu bilden, in dem Praktiker und Wissenschaftler zusammenwirken, um Empfehlungen an die Regierenden zu erarbeiten oder um Kritik zu üben. Dieser Bericht kann, wenn er in die Öffentlichkeit kommt, das für ein modernes, perspektivisches Bildungskonzept notwendige Reformbewußtsein nur fördern.

(Beifall bei der Gruppe der PDS)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123213300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wüppesahl.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Ein Höhepunkt jagt den anderen!)


Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1123213400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen!

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Seit wann haben Sie eine Ahnung von Bildung?)

— Sie merken das doch an meinen Reden.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Ja, das merkt man!)

Ich habe nicht ganz solchen Respekt wie meine Vorrednerin vor der Arbeit dieser Kommission, weil der Bericht, wie von Mitgliedern der Kommission hier schon ausgeführt, im wesentlichen einen Analyseteil darstellt, also eine gehobene Fleißarbeit, aber nicht die Perspektiven aufzeigt, die notwendig sind. Die politisch-praktische Folgenlosigkeit dieses Berichts ist weitestgehend determiniert. Daran ändern auch die beschwörenden Formeln der Kollegin Hillerich und anderer nichts.
Die Bildungspolitiker der Bundesregierung und auch die der sogenannten sozialdemokratischen Op-



Wüppesahl
position sind zu der Leistung zu beglückwünschen, 1987 die Einsetzung einer Enquete-Kommission zu planen, die im September 1989 einen gerade 200 Seiten starken Bericht herausbringt, der dann ein Jahr später, im Oktober 1990, im Bundestag behandelt wird. Eine reife Leistung in Windeseile!
Vielleicht sollte einmal jemand im Hause Möllemann anrufen und dem Herrn Minister mitteilen, daß sich die Einheit Deutschlands vor fast einem Jahr abzeichnete, seit einem halben Jahr konkrete Gestalt annahm und seit gut drei Wochen Wirklichkeit ist. Dies könnte ja der Arbeitsminister übernehmen, der für eine solche Verschlafenheit unlängst den richtigen Begriff vom historischen Penner prägte.
Da werden drei Staatsverträge in sechs Monaten für die Gesamtordnung einer neuen Gesellschaft geschlossen, aber man ist nicht in der Lage, einen Bildungsbericht oder einen Bericht der Enquete-Kommission vorzulegen, der ein vergleichbares Niveau hat.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Sie wissen anscheinend gar nicht, worüber hier diskutiert wird! Keine Ahnung!)

Dieser Vorgang zeigt symptomatisch, welchen Stellenwert die Bundesregierung und der Bundestag — denken Sie nur an die 30 Minuten, innerhalb deren wir dieses Thema heute behandeln — der Bildungspolitik zumessen, nämlich fast gar keinen. Im Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ist fast nichts von neuer Bildungspolitik unter dem Aspekt der deutschen Einheit zu spüren.

(Oswald [CDU/CSU]: Bei Ihnen schreibt man „Lehrer" mit zwei „e" !)

Das in Lehrer- und Schülerkreisen geflügelte Wort, man lerne nicht für die Schule, sondern für die Zukunft, Scheit sich noch nicht auf jedem Truppenübungsplatz, auf dem Minister Möllemann verkehrt, herumgesprochen zu haben.
Selbst die Beschlußempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, eines Gremiums also, das doch in der Lage sein sollte, auf die aktuellen Erfordernisse angemessen zu reagieren, sind Papiere aus der Gegend rechts hinter dem Mond. Dies gibt der Ausschuß auch noch zu. Zitat: „Die Enquete-Kommission beschränkt ihre Arbeit auf die im Grundgesetz verankerte Zuständigkeit des Bundes. " Damit ist natürlich auch eine territoriale und nicht nur eine institutionelle Zuständigkeit gewünscht.
Was diese Beschlußempfehlung dann auch noch inhaltlich vermittelt, ist eine Mischung aus wohlmeinenden Plattheiten wie „Jeder Beruf und jede berufliche Tätigkeit sind umweltrelevant"

(Zuruf des Abg. Neuhausen [FDP])

— Herr Neuhausen, vielleicht ist es ganz gut, daß einmal ein Kollege, der nicht aus der Kommission heraus befangen diesen Bericht bewertet, sondern von außen einen Blick darauf geworfen hat, Ihnen ein paar Dinge mit auf den Weg gibt —

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Aber lesen muß man ihn schon!)

und den in der Bundesrepublik seit Jahren üblichen leeren Forderungen wie „Dringend erforderlich ist es, die Ausbildungsmittel in allen Bildungsbereichen rasch weiterzuentwickeln".
Meinen Glückwunsch zu dieser Einsicht! Der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, die EnqueteKommission „Bildung 2000" und nicht zuletzt die Bundesregierung haben im Bereich der Bildungspolitik schlampige, fahrlässige Arbeit geleistet, die nun die jungen Menschen in der Bundesrepublik auszubaden haben. Wo ist in der Beschlußvorlage auch nur ein Wort darüber zu lesen, daß die deutsche Einheit auch bildungspolitische Konsequenzen hat? Wo ist etwas darüber zu lesen, daß die Berufsbildung in der ehemaligen DDR der dringenden Modernisierung bedarf, wenn man heute nicht schon wieder die bildungspolitische Teilung der gerade staatlich vereinten Nation herstellen will?
Sicherlich, die Bildungspolitik fällt in die Kompetenz der Länder, aber die Bundesregierung, die doch sonst bemüht ist, alles zu zentralisieren — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123213500
Herr Abgeordneter Wüppesahl, ich unterbreche Sie. Für heute ist es nun genug.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Mehr als genug!)


Thomas Wüppesahl (GRÜNE):
Rede ID: ID1123213600
Das denke ich nicht. Ich weiß, wie konziliant Sie bei anderen Rednern verfahren sind, Herr Westpahl. Ich finde es nicht fair, daß Sie im letzten Satz meiner Rede so hart intervenieren.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123213700
Aber Sie sind derjenige, der genausoviel gesprochen hat wie eine ganze Gruppe in diesem Hause. Wir sind großzügig gewesen. Das ist gegenüber all den anderen Kollegen längst nicht mehr zu verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Herr Dr. Lammert, das Wort.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1123213800
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört zu den sympathischen Kuriositäten des Parlamentarismus, daß der Deutsche Bundestag zu Beginn der Behandlung dieses Tagesordnungspunkts übereinstimmend der Vereinbarung einer Redezeit zustimmt, die anschließend von sämtlichen Rednern aus allen Fraktionen als völlig unzulänglich zurückgewiesen wird. Daß sich dabei dieser Bundestag an Liberalismus von niemandem übertreffen läßt, geht schließlich hinreichend daraus hervor, daß in einer nicht ausreichenden Redezeit auch noch Kolleginnen und Kollegen das Wort erhalten, die an der Arbeit dieser Kommission überhaupt nicht beteiligt waren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FPD sowie bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN/Bündnis 90)

Ich halte es in der Tat für eines der ehrgeizigsten und kühnsten Unterfangen des Deutschen Bundestags in dieser nun zu Ende gehenden Legislaturperiode, die Perspektiven der zukünftigen Bildungs-



Parl. Staatssekretär Dr. Lammert
politik in einer gerade halbstündigen Debatte aufarbeiten zu wollen.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Aber wir schaffen es!)

Der Versuch, die Position der Bundesregierung dazu in weniger als fünf Minuten vorzutragen, wäre geradezu tollkühn und aussichtslos. Deswegen werde ich ihn auch gar nicht unternehmen.

(Wüppesahl [fraktionslos]: Das ist doch absurd, was hier läuft!)

Ich beschränke mich vielmehr auf fünf Bemerkungen.
Erstens. Einsetzung und Arbeit der Enquete-Kommission sind, wie ich denke, Ausdruck eines wieder gestiegenen öffentlichen Bewußtseins von der zentralen gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung und Wissenschaft. Ich denke, Herr Kollege Kuhlwein, sowohl das Parlament als auch die Bundesregierung sollten das bei dieser Gelegenheit ausdrücklich begrüßen.
Zweitens. Der Versuch einer umfassenden Bestandsanalyse und Bildungsplanung für das Jahr 2000 und darüber hinaus ist bei gleichzeitiger Begrenzung der Perspektiven auf die jeweiligen Zuständigkeiten von Bund bzw. Ländern überzeugend nicht möglich. Das haben, wie ich denke, die Arbeit der Kommission und ihr Ergebnis deutlich gezeigt. Die aktuelle Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern darf einer solchen Perspektive nicht im Wege stehen. Vielmehr ist sie selbst ein notwendiger Bestandteil dieser Analyse.
Drittens. Der Schlußbericht der Enquete-Kommission und insbesondere der Anhang-Band mit den in Auftrag gegebenen Gutachten und der Auswertung von Anhörungen stellen gewiß eine wertvolle Materialsammlung der künftigen Bildungspolitik dar.

(Wüppesahl [fraktionslos]: Mehr aber auch nicht!)

Eine verläßliche Leitlinie sind sie allerdings schon deswegen nicht, weil übereinstimmende Handlungsempfehlungen der Kommission nur in wenigen Ausnahmefällen verabschiedet werden konnten, in der Regel dagegen Mehrheits- und Minderheitsvoten.
Viertens. Die gemeinsamen Empfehlungen im Kapitel „Bildung in Europa" bestätigen dankenswerterweise weitgehend die Positionen der Bundesregierung in diesem Aufgabenfeld, wie sie etwa zuletzt in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion vom November vergangenen Jahres deutlich gemacht wurden. Im Bereich der Hochschulpolitik darf die Bundesregierung für sich in Anspruch nehmen, vielen Empfehlungen, die im Mehrheits- oder im Minderheitsvotum ausgesprochen werden, durch konkrete Initiativen bereits vorausgeeilt zu sein.
Fünftens. Dieser Abschlußbericht bedarf zweifellos einer ausführlichen und möglichst unvoreingenommenen Diskussion, die in der nächsten Legislaturperiode zu führen ist und die die doppelte Herausforderung der deutschen Einheit und des europäischen Binnenmarktes mit ihren Folgen für die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems berücksichtigen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123213900
Was man alles so in fünf Minuten unterbringen kann — und Sie haben sie noch nicht einmal gebraucht, Herr Lammert — , finde ich prima.
Meine Damen und Herren, auch hier ist ein Grund gegeben, den Mitarbeitern dieser Enquete-Kommission, insbesondere denjenigen, die nicht selbst im Bundestag vertreten sind, und denjenigen, die uns büromäßig geholfen haben, von hier oben aus zu danken.
Dieser Bericht geht nun — das werden wir gleich entscheiden — in die Ausschüsse, leider nicht in kontinuierlicher Arbeit. Wir haben gehört, was wir unseren Nachfolgern an Aufgaben mit auf den Weg geben wollen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Schlußbericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000" auf Drucksache 11/7820 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich lasse jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 11/7381 abstimmen. Wer für die Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen; einige Kollegen haben nicht mit abgestimmt.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft (19. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berufsbildungsbericht 1989
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berufsbildungsbericht 1990
— Drucksachen 11/4442, 11/6787, 11/7904 —
Berichterstatter: Abgeordnete Nelle Rixe
Neuhausen
Frau Hillerich
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft (19. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN
Einrichtung eines 8. Förderungsschwerpunktes „Mädchen und Frauen" für Modellversuche der Bund-Länder-Kommission für Bil-



Vizepräsident Westphal
dungsplanung und Forschungsförderung (BLK)

— Drucksachen 11/5713, 11/7918 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Schmidt (Spiesen) Rixe
Frau Hillerich
Im Ältestenrat sind auch für diese Beratungen 30 Minuten veranschlagt worden. — Ich sehe keinen Widerspruch; ich kann ihn empfinden, aber wir haben ihn nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Oswald.

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1123214000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berufsbildungsbericht 1990 liefert nach 20jähriger Gültigkeit des Berufsbildungsgesetzes eine beachtliche Bilanz über den Zustand der beruflichen Bildung in unserem Land. Man kann der Bundesregierung in ihrem Urteil nur zustimmen, daß die Leistungen des dualen Systems der Berufsausbildung und der im wesentlichen auf Eigeninitiative beruhenden beruflichen Weiterbildung zu den eindrucksvollen Beispielen positiver wirtschaftlicher Entwicklung in der 40jährigen Geschichte unseres Landes gehören.
Der Lehrstellenmangel, Anfang der 80er Jahre das bildungspolitische Problem Nummer eins, gehört für die 90er Jahre endgültig der Vergangenheit an. Bereits 1989 war die Lehrstellensituation besser als je zuvor. Das Lehrstellenangebot überstieg die Nachfrage bundesweit um 11 %. Das heißt, von rund 668 000 angebotenen Ausbildungsplätzen blieb jeder achte unbesetzt.
Ich will jetzt nicht auf die Fülle der Ursachen eingehen. Es bleibt eine Feststellung: Immer weniger junge Erwachsene stehen dem Arbeitsmarkt unmittelbar zur Verfügung. Die größten Nachwuchsprobleme zeigen sich heute im gewerblichen Mittelstand, im Bereich des Handwerks, der Bauwirtschaft, des Gaststättengewerbes und des Handels. Es zeigt sich vor allen Dingen im süddeutschen Raum ein dramatischer Lehrstellen- und Fachkräftemangel in diesem Bereich.
Zugespitzt stellt sich damit für die 90er Jahre die besorgte Frage: Droht womöglich dem dualen System, das seine Bewährungsprobe gerade im letzten Jahrzehnt mit Auszeichnung bestanden hat und um dessen Effizienz wir von der ganzen Welt beneidet werden, jetzt die innere Auszehrung?
Ich möchte jetzt kurz auf die Situation der beruflichen Bildung in den neuen Bundesländern zu sprechen kommen, wo bekanntlich seit dem 1. September unser Berufsbildungsgesetz gilt. Dort verfügt man zwar nach Erhebungen des Bundesinstituts für Berufsbildung über ein gut ausgebautes Berufsbildungssystem, das aber den Anforderungen einer modernen Wirtschaft nicht gewachsen ist. So ist die Ausbildung in kaufmännischen Berufen und im Dienstleistungsbereich bisher vollkommen vernachlässigt worden.
Bei der Neugestaltung der beruflichen Bildung auf dem Gebiet der neuen Bundesländer stehen wir vor einer doppelten Aufgabe: Zum einen müssen kurzfristig ausreichend viele neue Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, und zum anderen müssen gleichzeitig alle Anstrengungen auf das Ziel gerichtet werden, das Ausbildungsniveau anzuheben und die Berufsausbildung entsprechend zu modernisieren.
Mitten in einer Phase des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs muß das ganze System der beruflichen Bildung in den neuen Bundesländern auf den Ordnungsrahmen der Bundesrepublik umgestellt werden. Ich nenne nur einige wichtige Stichworte: Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung, Berufsschulgesetz , Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrpläne — dabei wird schon sichtbar, welche Punkte letzten Endes auf uns zukommen —, Konsolidierung der Berufsschulen, Ausbildung der Ausbilder, Umstellung der Ausbildungsdauer — und dies alles natürlich in einer nicht ganz einfachen wirtschaftlichen Situation.
Angesichts dieser Probleme möchte ich ausdrücklich die Bereitschaft der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Bundesregierung zu einer konzertierten Aktion beruflicher Bildung unterstützen. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl ist ausdrücklich dafür zu danken, daß er zu einem denkbar frühen Zeitpunkt durch die Lehrstellenaktion in Halle eine Initiative zur Schaffung von Ausbildungsplätzen gestartet hat. Die Bundesregierung hat mit ihrem Versorgungsprogramm für 30 000 Lehrlinge im Umfang von 312 Millionen DM einen finanziellen Startschuß gegeben und dadurch positive Signale gesetzt.
Ich hoffe sehr, daß wir bei der Debatte des nächsten Berufsbildungsberichts Gelegenheit haben, auch für die neuen Länder auf der Basis einer guten Versorgungslage mit Ausbildungsplätzen über die Weiterentwicklung des dualen Systems nachzudenken.
Noch einige grundsätzliche Punkte — auch im Anschluß an die vorherige Debatte zur beruflichen Bildung: Das duale System der Berufsausbildung stellt auf absehbare Zeit die bedeutendste und eine gesellschaftlich weithin anerkannte Ausbildungsform für die große Mehrheit der Jugendlichen eines Jahrgangs in unserem Lande dar. In den letzten 10 Jahren haben 6,5 Millionen Jugendliche die duale Ausbildung durchlaufen. Das heißt, 72 % eines jeden Jahrgangs absolvieren im Laufe ihres Bildungswesens eine Lehre in einem anerkannten Ausbildungsberuf.
Ich werbe für die duale Ausbildung. Die Besonderheiten dieser dualen Ausbildung liegen vor allem in ihrem Praxisbezug, der partnerschaftlichen Ausgestaltung zwischen Staat und ausbildender Wirtschaft, der Zahlung von Ausbildungsvergütungen und der maßgeblichen Beteiligung am Konsens der Sozialpartner. Als besonderer Vorzug des dualen Systems erscheinen mir die frühzeitige Einbindung in das Betriebsgefüge, das Lernen am Arbeitsplatz, die Teilhabe an technischen Veränderungen und die ergänzende theoretische Ausbildung. Das alles fördert von Anfang an die Bereitschaft und Fähigkeit zur späteren Weiterbildung, die wir doch im Sinne eines letzten Endes lebenslangen Lernens für so notwendig halten.



Oswald
Die hohe Qualifikation der arbeitenden Bevölkerung ist angesichts der rasanten technischen Entwicklung ein herausragender Standortvorteil, der nur zu halten ist, wenn die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erhalten bleibt. Ich will hier noch etwas wirklich Entscheidendes sagen: In den kommenden Jahrzehnten wird es notwendig sein, in unserer gesamten Gesellschaft eine hohe Flexibilität und Mobilität zu entwickeln. Nur Flexibilität und Mobilität in der Berufsorientierung, der Weiterbildungsbereitschaft sowie in den Ansprüchen an Status und Einkommen bieten die Gewähr, sich an die sich immer schneller ändernde Arbeits- und Wirtschaftswelt anzupassen und dem Risiko der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Dazu gehört bei zunehmender internationaler Arbeitsteilung und zunehmender europäischer Integration auch eine stärkere Berücksichtigung von Fremdsprachen in der beruflichen Bildung.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wenn sich das duale System der Berufsausbildung in den 20 Jahren quantitativ und qualitativ in so hervorragender Weise gefestigt hat, dann ist dies das unbestreitbare Verdienst aller Beteiligten, der Ausbildungsbetriebe, der Berufsschulen, der Sozialpartner und der verschiedenen staatlichen wie politischen Gremien.
Zur Erweiterung der Rahmenkompetenz des Bundes besteht im übrigen überhaupt kein Anlaß. Wir sind gut beraten, wenn wir uns auch im vereinten Deutschland auf die integrierende Kraft unserer föderativen Verfassung besinnen;

(Kuhlwein [SPD]: Weit weg von der Praxis!)

denn gerade im Zusammenwachsen in Europa muß Kulturhoheit der Länder als Wesensmerkmal der deutschen Verfassungstradition und als ein Element freiheitssichernder Gewaltenteilung erhalten bleiben.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Hillerich [GRÜNE]: So ein Quark!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123214100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elmer.

Dr. Konrad Elmer (SPD):
Rede ID: ID1123214200
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gehört, man kann um diese Zeit nur noch durch Kürze Eindruck machen. Aber dann müßte ich den Teil über die alten Länder weglassen, und das kann ich meinen neuen Kollegen auch wieder nicht antun.
Die beiden letzten Berufsbildungsberichte zeigen, daß sich in den zurückliegenden Jahren zwar die Zahl der beruflichen Ausbildungsplätze in den alten Ländern der Bundesrepublik positiv verändert hat, wie Kollege Oswald hier ausführlich bemerkte. Es gibt jedoch auch weiterhin erhebliche Mängel in der regionalen Verteilung — Süd-Nord-Gefälle, habe ich hier lernen müssen — und im Hinblick auf die Qualität der Ausbildungsplätze.

(Frau Hillerich [GRÜNE/Bündnis 90]: Sehr richtig!)

Durch die Fehlausbildung vieler Jugendlicher in den
vergangenen Jahren ist außerdem ein hoher Weiterbildungsbedarf entstanden, der noch nicht gedeckt sein soll.
Die Weiterbildung, die man nicht mehr von der beruflichen Erstausbildung trennen darf, hat sich in der alten Bundesrepublik wegen fehlender geeigneter planerischer Grundlagen nicht dem erhöhten Qualifizierungsbedarf angepaßt, einem Bedarf, den technologische Entwicklung und ökonomischer Strukturwandel erzwungen haben. Diese hohen Qualitätsanforderungen können nicht ausschließlich durch berufliche Weiterbildung erfüllt werden, vor allem dann nicht, wenn diese allein an arbeitsmarktwirksame Verwertbarkeit ausgerichtet ist, wie wir das vorhin vom Grafen Waldburg-Zeil hören konnten.
Flexibilität, Ideenreichtum und Vielseitigkeit bleiben auf der Strecke, wenn allgemeine politische und kulturelle Weiterbildung aus dem Weiterbildungskonzept ausgeschlossen bleiben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Auf Grund der erheblichen Mängel in der regionalen Verteilung und in der Qualität der Ausbildungsplätze und der Weiterbildungsmöglichkeiten sind Mädchen und junge Frauen bei der Ausbildung, Weiterbildung und Berufstätigkeit immer noch benachteiligt. Es ist keinesfalls die Schuld junger Frauen, daß zu viele eine Ausbildung in einem sogenannten Frauenberuf absolvieren, in dem sie dann nach erfolgreicher Ausbildung kaum Chancen auf Beschäftigung haben.

(Frau Hillerich [GRÜNE/Bündnis 90]: Und den sie sich vorher auch meistens nicht gewünscht haben! Sehr richtig!)

Modellversuche zur Förderung der Ausbildung von jungen Frauen in zukunftsorientierten Berufen sind dagegen erfolgreich verlaufen. Es ist an der Zeit, auf breiter Ebene die Einstellung von Frauen in diese Berufe und deren Übernahme nach der Ausbildung zu fördern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Die Bundesregierung hat bisher bei der Lösung dieses Problems ihre gesamtstaatliche Verantwortung leider noch nicht ausreichend wahrgenommen. Hier ist die Einrichtung eines achten Förderschwerpunktes Mädchen und Frauen für Modellversuche der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ein sinnvolles Instrument und kann die gewünschten Signale setzen. Der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft empfiehlt diese Förderung.
Seit die Mängel in der regionalen Verteilung und der Qualität eines auswahlfähigen Ausbildungsangebotes sichtbar wurden, hat die SPD dem Deutschen Bundestag Vorschläge unterbreitet, um diese Mängel zu beheben. Die SPD ist eingetreten für eine Verbesserung der Zusammenarbeit von Schulen, Berufsschulen, Ausbildungszentren, Betrieben, Kammern und Verwaltungen von kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften, um ein qualifiziertes Ausbildungsangebot regional zu sichern und auszuweiten.



Dr. Elmer
Seit Jahren fordern wir eine Weiterentwicklung der Qualifizierung von Ausbildern und Ausbilderinnen. Über eine größere Zahl qualifizierter Ausbilderinnen sollten mehr junge Frauen und Mädchen für eine Ausbildung in zukunftsorientierten gewerblich-technischen Berufen gewonnen werden.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

In der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft heißt es, daß qualifizierte berufliche Bildung zugleich grundlegende Voraussetzungen zur menschen- und umweltgerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen schaffen muß.
Die Menschen gerade bei uns in den neuen Ländern haben ein besonderes Interesse am Erhalt und an der Wiederherstellung natürlicher Lebensgrundlagen. Wachsendes Umweltbewußtsein verlangt nach einer hohen Umweltweiterbildung und -bildung.
Meine Damen und Herren, besonders schwierig ist die Lage der Berufsbildung zur Zeit in unseren fünf neuen Bundesländern, die erst der kommende Berufsbildungsbericht einschätzen wird. Viele Jugendliche haben zum September keinen Ausbildungsplatz erhalten, oder ihr Ausbildungsvertrag ist widerrechtlich gekündigt worden. Durch den Konkurs vieler Betriebe verlieren immer mehr Jugendliche ihren Arbeitsplatz. Betriebsberufsschulen werden wegen der finanziellen Belastung geschlossen, weil die Betriebe um ihr Überleben kämpfen. Es fehlen überbetriebliche Ausbildungsplätze, die die Ausbildung im überhastet eingeführten dualen System ergänzen könnten. Berufsschullehrer und Berufsschullehrerinnen, Ausbilder und Ausbilderinnen müssen erst noch in die neuen Anforderungen des dualen Ausbildungssystem hineinwachsen.
Auf die Übernahme des Berufsbildungsgesetzes, die durch den Beschluß der Volkskammer zum 1. September erfolgte, waren und sind die Betriebe und Einrichtungen der beruflichen Bildung unzureichend vorbereitet worden. Die Qualität der beruflichen Bildung konnte sich in der DDR — von einigen unterentwickelten Bereichen abgesehen — bisher durchaus sehen lassen. Dies bestätigen sowohl Aussagen der westdeutschen Wirtschaft als auch Fachinstitute; so zum Beispiel der Leiter des Bundesinstituts für berufliche Bildung anläßlich eines von der SPD veranstalteten Hearings zur Berufsausbildung in der Volkskammer im Juli dieses Jahres.
In diesem Zusammenhang ist auf den bei uns vorhandenen Bildungsweg der Berufsausbildung mit Abitur hinzuweisen — eine Kombination aus allgemeiner, zur Hochschulreife führender Bildung mit der Berufsausbildung. Dies ist ein Bildungsweg der uns dann, wenn er den neuen Anforderungen an allgemeine und berufliche Bildung angepaßt wird, sehr erhaltenswert zu sein scheint.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Die Qualifikation unserer Fachkräfte ist das eigentliche Kapital im Einigungsprozeß, das es zu erhalten und auszubauen gilt.
Ohne Unterstützung durch flankierende Maßnahmen wird es jedoch keine geordnete Neugestaltung der beruflichen Bildung in den neuen Ländern geben. Auch in der alten Bundesrepublik wurde die Einführung des Berufsbildungsgesetzes vor 20 Jahren von weiteren Aktionsprogrammen begleitet. Die Menschen in den neuen Ländern haben Anspruch auf entsprechende flankierende Maßnahmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Wir haben das in der Volkskammer mit Nachdruck gefordert, und wie Sie wissen, hat auch die SPD-Bundestagsfraktion schon im August ein solches Sofortprogramm zur Behebung der Ausbildungsnot in der damaligen DDR vorgeschlagen.
Die Entwicklung der letzten Wochen macht dieses Programm heute noch dringlicher. Täglich können Sie in der Presse verfolgen, meine Damen und Herren, wie die Arbeitslosigkeit und die Arbeitsplatznot in den neuen Ländern zunehmen. Rasche Hilfe ist gefordert.
Wie sollte dies am sinnvollsten geschehen? Solange in den neuen Ländern eine mit der in der alten Bundesrepublik vergleichbare Ausbildungsplatzstruktur nicht gegeben ist, haben die ehemaligen Betriebsberufsschulen, die jetzt als Berufsschulen in kommunale Trägerschaft übergegangen sind, die zentrale Bedeutung. Die Firmen als die ehemaligen Eigentümer der Betriebsberufsschulen weigern sich aber zum großen Teil, den Schulen die Werkstätten und Labors für die berufspraktische Ausbildung zu überlassen.

(Hört! Hört! bei der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Das wird hoffentlich die Treuhand in die Hand nehmen!)

— Dazu werde ich gleich kommen.
Sie nutzen sie zweckentfremdet und verpachten sie an andere Firmen.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Unglaublich!)

Die Berufsschulen müssen daher finanziell in die Lage versetzt werden, diese notwendigen Einrichtungen erwerben oder mindestens mieten zu können.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Deshalb ist ein Sonderprogramm notwendig, das die vollen laufenden Kosten, freilich zeitlich befristet, für die Berufsschulen übernimmt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

Die Finanzierung sollte duch den Bund oder gemeinsam durch Bund und Länder erfolgen. Ein Vorbild dafür könnte die Förderung der außerbetrieblichen Berufsausbildung in den ehemaligen Ausbildungsstätten der Montanbetriebe in Nordrhein-Westfalen sein. Dort gibt es, wie Sie wissen, ein Sonderprogramm, bei dem sich Bund, Länder und Betriebe die Ausbildungskosten teilen. Die Kosten für die Modernisierung der Berufsschulen könnten außerdem aus dem Modernisierungstitel des Bildungshaushaltes für berufliche Ausbildungsstätten finanziert werden.
Als weitere Lösungsvorschläge möchte ich hier benennen:



Dr. Elmer
Erstens: Um das Verantwortungsbewußtsein der Betriebe für die Berufsausbildung zu stärken, sollte die Treuhandanstalt die Vergabe von Krediten von der Ausbildungsbereitschaft abhängig machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

Außerdem müßte sie bei der Veräußerung von Betrieben die Berufsausbildung sichern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

In diesem Zusammenhang wäre vielleicht auch einmal zu fragen, wieviel Ausbildungsplätze — und nicht nur Arbeitsplätze — VW bei den großen Investitionen in Zwickau bereitstellen wird.
Zweitens. Um die Ausbildungsleistung in den kleinen und mittleren Betrieben zu intensivieren, könnte ein System der Ausbildungsprämie für zusätzlich eingerichtete Ausbildungsstellen — nach dem Vorbild der Bundesländer in den 70er Jahren — eingeführt werden.
Drittens. Dringend erforderlich erscheint die sofortige Einrichtung von mindestens 5 000 überbetrieblichen Ausbildungsplätzen. Bis zum Jahr 2000 sollte im Bereich der neuen Bundesländer der Bau von mindestens 35 000 überbetrieblichen Ausbildungsplätzen für mehr als 100 000 Auszubildende in Handwerk, Kleinindustrie und Landwirtschaft vorgesehen werden.
Viertens. Die Umstellung der DDR-Berufsausbildung auf die Normen des Berufsbildungsgesetzes hängt von den rund 17 000 Berufsschullehrern und Berufsschullehrerinnen sowie den 30 000 Ausbildern und Ausbilderinnen ab. Ihrer Weiterqualifikation ist darum besonderes Augenmerk zu schenken.
Meine Damen und Herren in diesem Hohen Haus, lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung schließen. Viele von uns aus der ehemaligen DDR sind im Herbst vorigen Jahres auch deshalb auf die Straße gegangen, weil sie verhindern wollten, daß ihre Kinder über Ungarn oder auf anderen Wegen die Heimat verlassen. Auch meine älteste Tochter sagte mir im Sommer letzten Jahres: „Vater, ich werde im Dezember 18, und so lange wie ihr warte ich nicht auf die Demokratisierung des Sozialismus." Das war für mich der letzte Anstoß, nicht mehr nur über Reformen nachzudenken, sondern zusammen mit Gleichgesinnten die Sozialdemokratische Partei in der Illegalität zu gründen.
Es wäre für uns, die SPD, und die anderen politischen Gruppierungen des Herbstes, die die friedliche Revolution in der DDR zum Erfolg brachten, und sicher auch für Sie, meine Damen und Herren, geradezu absurd, wenn der Preis für die errungene Freiheit nun darin läge, daß die jungen Menschen jetzt gen Westen ziehen, weil wir es nicht schaffen, ihnen dort, wo sie aufgewachsen sind, Ausbildungsplätze zu sichern und ausreichende Lebensperspektiven zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

In diesem Sinne bitte ich Sie, tätig zu werden und dem hier vorliegenden Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und der Gruppe der PDS)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123214300
Nun hat der Abgeordnete Neuhausen das Wort zu seiner letzten Rede.

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1123214400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123214500
Bevor Sie überhaupt anfangen zu reden, ist schon jemand da, der Sie etwas fragen will. Gestehen Sie Herrn Weng diese Frage zu?

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1123214600
Ja, wenn mir das auf meine Redezeit nicht angerechnet wird.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123214700
Nein, wir stoppen das. Bitte schön, Herr Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1123214800

Mit leiser Wehmut frage ich Neuhausens lieben Friederich,
Ob er denn weiß, daß wir bedauern, Wenn er in Parlamentes Mauern
In Zukunft wird nicht mehr erfreuen Uns mit Ideen, guten, neuen?
Da als Poet er ist bekannt,
Sei ihm als Frage noch genannt, Ob ihm bewußt ist oder nicht, Daß wir erhoffen ein Gedicht.
Jedoch wir werden auch verzeih'n Die Abschiedsrede ohne Reim.
In jedem Fall, er sollte wissen:
Wir werden ihn in Bonn vermissen!

(Beifall im ganzen Hause)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123214900
Herr Kollege Neuhausen, ich füge das Fragezeichen noch an und frage Sie: Kriegen wir ein Gedicht?

Friedrich Neuhausen (FDP):
Rede ID: ID1123215000
Herr Präsident! Verehrter Herr Kollege Weng! Leider kann ich jetzt kein Gedicht machen. Aber ich mache Sie bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß die Buchhandlung am Bundeshaus noch über einen Restbestand an preiswerten Büchlein verfügt, die dort wohlfeil zu erhalten sind, und das dient der Bildung auf dem Wege der Langfristwirkung ja viel mehr, als wenn ich jetzt hier für den Tag etwas machte.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident, im Ernst: Ich wollte gerade meine Befriedigung darüber zum Ausdruck bringen, daß wir bei den Beratungen in unserem Ausschuß zu einer gemeinsamen Beschlußempfehlung gekommen sind und, wie ich glaube, auch zu einer gemeinsamen Einschätzung der Qualität der Berufsbildungsberichte. Wir haben hier über zwei zu sprechen. Das dauert immer so lange. Ich hätte fast gesagt: Wenn jetzt das Universalgenie Wüppesahl noch unter uns wäre,



Neuhausen
würde das natürlich — — Ich sage das nicht; ich sage es nicht, nein.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)

Es handelt sich also um den Berufsbildungsbericht 1989 und den Bericht 1990. Sie enthalten sehr gute und qualitativ wichtige Untersuchungen und Analysen. Sie zeigen Tendenzen und langfristige Trends, ihre Umbrüche und Veränderungen auf und machen auf Perspektiven, Notwendigkeiten und Erfolge, aber auch auf Defizite aufmerksam. Daß der Bericht für 1990, der sich ja im wesentlichen auf 1989 bezieht, die neuen Entwicklungen in Deutschland noch nicht berücksichtigen konnte, ist ihm nicht vorzuwerfen. Aber ich glaube, daß er besonders deswegen wichtig ist, weil er für alle künftigen Überlegungen, die hier schon angeschnitten worden sind, eine gute Voraussetzung und Grundlage bildet. Dafür möchte ich allen, die für diese Berichte verantwortlich sind, an dieser Stelle einmal ausdrücklich danken.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß es mich auch gefreut hat, daß wir zu einer gemeinsamen Beschlußempfehlung gekommen sind und daß wir darüber hinaus — in leicht veränderter Form — dem Antrag der GRÜNEN zustimmen werden, der heute hier mitberaten wird. Für mich persönlich ist das ein schöner Ausklang.
Lassen Sie mich noch kurz ein paar Dinge nennen, die mir — natürlich neben vielen anderen — wichtig geworden sind und wichtig bleiben.
Erstens. Meines Erachtens besteht zwischen dem Anteil der Abbrecher einer Ausbildung und der Beratung der jungen Leute vor Ausbildungsbeginn ein zwar nicht ausschließlicher, aber doch wesentlicher Zusammenhang. Man denkt, es gebe so viele Beratungsbemühungen und so viel Informationsmaterial. Aber dennoch ist nicht zu verkennen, daß der Anteil der Abbrecher zu hoch ist. Hierüber muß nachgedacht werden. Ich halte Aktionen von einzelnen Firmen, wie sie jetzt gestartet werden und die beinhalten, daß junge Auszubildende und Lehrlinge selber möglichen Nachfolgern ihre Berufswelt vorstellen, für sinnvoll und ausbaufähig.
Zweitens. Meine Damen und Herren, die Bedeutung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten als Ergänzung der betrieblichen Ausbildung ist nach mancherlei Wehen, an die wir uns erinnern, heute nicht mehr umstritten. Sie nimmt zu. Ich glaube, daß auch im Hinblick auf die neuen Bundesländer solche Einrichtungen zur Verbesserung der Situation und auch zur Steigerung der Attraktivität der beruflichen Bildung beitragen können.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Die betrieblichen und die sonstigen Formen der beruflichen Weiterbildung spielen in diesen Zusammenhängen ebenfalls eine immer wichtigere Rolle. Darüber ist ja schon gesprochen worden. Ich denke dabei auch an die jungen Menschen, die in den Zeiten des Ausbildungsplatzmangels keine Ausbildungsstelle bekamen und der Förderung und Qualifizierung durch Weiterbildungsmaßnahmen bedürfen.
Viertens. Das Benachteiligtenprogramm, über das wir hier oft gesprochen haben, hat sich bewährt. Es muß, wie ich glaube, weiterhin so ausgestattet sein, daß die Träger ihre — ich wage einmal das große Wort — segensreiche Tätigkeit verstetigen und fortschreiben können.
Herr Präsident, dies ist nun voraussichtlich mein letzter Beitrag. Wer weiß, was die Tagesordnung der nächsten Woche bringt; man ist nicht davor geschützt, hier zu reden. Aber lassen Sie mich einmal ganz kurz auf die zehn Jahre zurückschauen, die ich, Herr Kollege Kuhlwein, in unterschiedlichen politischen Konstellationen hier verbracht habe. Wenn ich jetzt auch dem Ministerium danke, dann gilt das eben nicht nur für das heutige Ministerium; es gilt für die ganze Zeit. Es ist jetzt komisch: Ich danke Ihnen, der Sie damals Parlamentarischer Staatssekretär waren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das tut ihm gut!)

Ich danke sehr herzlich auch für die Zuarbeit für einen Abgeordneten. Manches, was wir so machen, könnten wir nicht tun ohne die Hilfe des Ministeriums, wenn es uns nicht mit seiner Formulierungskunst und ähnlichen Dingen zur Seite stünde.

(Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Das sagt ein Dichter!)

— Frau Schulte, es ehrt mich, daß Sie das so sagen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte aber vor allen Dingen den Kollegen im Ausschuß danken. Ich glaube nämlich, daß wir es über zehn Jahre lang geschafft haben, ein Klima zu erzeugen, das zwar nicht eine heile Welt ist — dazu haben wir uns auch zu oft gestritten — , das aber dem entspricht, wofür man sich nicht zu schämen braucht, um auch das einmal zu sagen: einem Stück politischer Kultur. Wenn das nämlich in der Bildungsarbeit nicht möglich ist, wo sonst soll es dann im politischen Bereich möglich sein? Das ist der Bereich, auf den junge Menschen auf ihren ersten Schritten in das Leben zukommen, und da haben wir eine gewisse Funktion. Das will ich nicht überhöhen — wir haben alle unsere Fehler und Schwächen —; aber in diesen zehn Jahren, darf ich sagen, ist das im Bildungsausschuß gelungen. Dafür danke ich. Ich ermuntere dazu, das so fortzuführen. Wenn Sie das nicht tun, werde ich Ihnen Briefe schreiben.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123215100
Herr Kollege Neuhausen, ich fühle, daß Sie auch mir Dank gesagt haben, denn ich war der Berichterstatter im Haushaltsausschuß für den Bildungsetat.

(Heiterkeit)

Wir alle wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Weg alles Gute, Herr Neuhausen.

(Beifall)

Jetzt hat Frau Hillerich das Wort.




Imma Hillerich (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1123215200
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir schreiben schwarze Zahlen in der Ausbildungsstellenbilanz der alten Bundesrepublik. Das ist erfreulich. Ich möchte hinzufügen: Dies sollte baldmöglichst auch in den neuen Ländern selbstverständlich sein. Wir GRÜNEN halten ein gesetzlich garantiertes Recht auf berufliche Erstausbildung hierfür für unverzichtbar. Eine neue deutsche Verfassung sollte dies als soziales Grundrecht festschreiben, und ein novelliertes Berufsbildungsgesetz sollte Regelungen für den Fall enthalten, daß die ausbildende Wirtschaft in den einzelnen Regionen nicht genügend Ausbildungsplätze anbietet.
Unabhängig von der demographischen Entwicklung und von wirtschaftlichen Konjunkturen müssen in den Regionen ergänzend zum Ausbildungsstellenangebot der Wirtschaft Ausbildungskapazitäten vorgehalten werden. Für die Bildung in den Schulen der Sekundarstufe II ist dies übrigens selbstverständlich. „ Alle, die Abitur machen wollen, haben einen Platz in einer Schule gefunden" — diese Tatsache wäre keine Meldung wert. Ich wünsche mir das gleiche für die berufliche Erstausbildung.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Ausbildungsbeteiligung steigt seit Jahren kontinuierlich an. Die ausbildende Wirtschaft hat sich in den 70er und 80er Jahren insgesamt zwar als äußerst elastisch in ihrer Aufnahmefähigkeit erwiesen, dennoch hat das Lehrstellenangebot trotz starker Subventionierung nicht ausgereicht. Festzustellen ist aber auch, daß gerade für die industriellen Kernberufe im Elektro- und Metallbereich die Ausbildungskapazitäten in der Vergangenheit nicht in dem Maß erhöht wurden, wie das dem wachsenden Bedarf an qualifizierter Facharbeit entspräche. Die Klagen über den neuen Facharbeitermangel aus diesem Bereich sind in Wirklichkeit ein Eingeständnis dafür, daß der Aus- und Weiterbildungsverantwortung selbst im Interesse an eigenem Nachwuchs äußerst unzureichend genügt wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN/ Bündnis 90 und der SPD)

Im Jahr 1989 wurden in der alten Bundesrepublik fast 584 000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Wir wissen, daß davon in kurzer Zeit etwa 117 000, also gut 20 %, wieder gelöst werden oder teilweise schon gelöst sind. Dieser Durchschnitt wird in einigen Bereichen des Handwerks noch weit übertroffen. Aus dieser Quelle speiste sich auch etwa die Hälfte jener ca. 15 % der Geburtsjahrgänge von 1960 bis 1969, die in den 80er Jahren ohne Berufsausbildung geblieben sind. Von seiten des Bundesinstituts für Berufsbildung wird die „Drop out"-Quote in der Berufsbildung sogar auf 17 % geschätzt. Diese jungen Menschen halten sich heute durch ungelernte Arbeit, durch Gelegenheitsjobs, durch Arbeitslosen- oder Sozialhilfe über Wasser. Viele von ihnen haben bereits Kinder, die darunter zu leiden haben. Den meisten dieser Ausbildungsabbrecher/Ausbildungsabbrecherinnen hätte durch ausbildungsbegleitende Hilfen und intensivere Beratung — auch von seiten der Ausbildungsverantwortlichen — dieses Schicksal erspart werden können. Eine Ausweitung der Zielgruppen des Benachteiligtenprogramms und ein Rechtsanspruch auf ausbildungsbegleitende und sozialpädagogisch orientierte Förderung, was wir GRÜNEN mehrfach gefordert haben, ist die einzig vernünftige Lösung für dieses Problem jetzt und in Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

Was die 1,5 bis 1,7 Millionen junger Erwachsener ohne Ausbildung aus den 80er Jahren betrifft, finde ich es beschämend, wenn im jetzigen Berufsbildungsbericht lediglich von Angeboten zur Nachqualifizierung die Rede ist, ohne klare Verantwortlichkeiten zu benennen. Auch für diese Menschen muß das Recht auf Ausbildung gelten; sie benötigen ein auf ihre Lebenssituation zugeschnittenes Förderprogramm mit der klaren Option auf voll qualifizierende Ausbildung, finanziert durch die öffentliche Hand und die Bundesanstalt für Arbeit.
Ein weiteres Problem. Immer noch werden die Übernahmewünsche vieler Auszubildender nach der Lehre durch das Einstellungsverhalten der Ausbildungsbetriebe nicht eingelöst. Die wichtige Phase der beruflichen Ersterfahrung, durch die das in der Ausbildung Gelernte erst wirklich gefestigt und auf die realen Arbeitsanforderungen bezogen werden kann, wird also einem Teil der Jugendlichen vorenthalten. Ihre Vermittelbarkeit in ihrer Ausbildung entsprechende Beschäftigung sinkt mit jedem Tag, an dem sie ausbildungsfremd arbeiten oder arbeitslos sind. Dieses Schicksal trifft etwa 4 % der Absolventinnen und Absolventen einer Ausbildung; Frauen sind auch hier wieder überrepräsentiert.
An der zweiten Schwelle also, vor dem Berufseintritt, werden sehenden Auges die künftigen Sozialfälle produziert, von denen in der jüngst erschienenen Studie „Armut im Wohlstand" ausführlich die Rede ist. Wir GRÜNEN schlagen zur Lösung des Problems eine Übernahmeverpflichtung für mindestens zwei Jahre nach der Ausbildung vor. Wenn Ausbildungsbetrieben dies nicht möglich ist, müssen die Kammern — gemeinsam mit der Arbeitsverwaltung — diese gesellschaftliche Verantwortung für die Erstbeschäftigung der Ausbildungsabsolventen übernehmen und geeignete Stellen finden.
Mittelfristig würde sich dadurch auch die äußerst ungleiche Ausbildungsintensität der Betriebe entsprechend den tatsächlichen Beschäftigungschancen bzw. -bedarfen ausgleichen.
In unserer Ausschußempfehlung sprechen wir uns gemeinsam dafür aus, daß qualifizierte berufliche Bildung auch Voraussetzungen zur menschen- und umweltgerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen schaffen muß. Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es leider auch ernst zu nehmende Fallstricke.
Im Berufsbildungsbericht wird zum Thema „Umweltlernen" u. a. auf Materialien zum Umweltschutz in der betrieblichen Ausbildungspraxis hingewiesen, die zusammen mit der Hoechst AG entwickelt wurden. Ich habe mir diese Materialien genauer angeschaut und festgestellt: Darin geht es nicht um die Schaffung umweltgerechter Arbeitsplätze, sondern um ganzheitlich angelegte Gewöhnung an soge-



Frau Hillerich
nannte Sachzwänge der sondermüllvermehrenden großtechnischen Chemikalienproduktion.
Was die industriellen Metallberufe, eine Branche mit bisher kaum abschätzbarer Umwelt- und Gesundheitsgefährdung, betrifft, muß der Wahrheit halber angemerkt werden, daß die Erarbeitung von Erkenntnissen über umweltrelevante Handlungsfelder von Metall-Arbeitgeberseite bis vor kurzem stark beeinträchtigt wurde, übrigens gegen den Willen von Betrieben, die sich für derartige Untersuchungen der Berufsbildungsforschung zur Verfügung stellen wollen.
Wir beschließen heute erfreulicherweise auch über eine Beschlußempfehlung, die auf den Antrag der GRÜNEN zur Einrichtung eines Förderungsschwerpunktes „Mädchen und Frauen" für Modellversuche der Bund-Länder-Kommission zurückgeht. Wir freuen uns, daß wir bei diesem Anliegen gemeinsam mit der Bundesregierung an einem Strick ziehen und daß unser Antrag deshalb im Ausschuß die einstimmige Zustimmung gefunden hat und wohl auch hier finden wird. Allerdings müssen dem bei den künftigen Haushaltsberatungen Taten folgen.
Dies war mein Schwanengesang zur Berufsbildung im Deutschen Bundestag. Mir hat die Arbeit im Ausschuß und im Plenum viel Spaß gemacht; natürlich auch in der Enquete-Kommission. Ich werde der Berufsbildungspolitik auch außerhalb dieses Hohen Hauses treu bleiben.

(Beifall im ganzen Hause)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123215300
Frau Hillerich, mich trifft das unvorbereitet. Aber auch Ihnen gilt mein guter Wunsch für Ihren weiteren Weg.
Jetzt hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Lammert das Wort.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1123215400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die geschätzten Kollegen aus dem Kabinettsreferat meines Ministeriums haben heute mittag, als der Schluß dieser Debatte auf etwa 13 Uhr kalkuliert wurde, vorsichtig bei mir angefragt, ob ich meine Rede nicht vielleicht so sorgfältig formulieren könnte, daß ihnen im späteren Verlauf des Nachmittages umfängliche Korrekturen des Stenographischen Protokolls erspart blieben. Ich habe das selbstverständlich zugesagt und will deswegen jede Neigung zu möglichen kontroversen Punkten sorgfältig vermeiden, um Zwischenrufe und Zwischenfragen, wenn eben möglich, auszuschließen, was vielleicht um so leichter gelingen könnte, als wir eine Beschlußempfehlung vorliegen haben, die der Ausschuß mit allen Fraktionen einstimmig verabschiedet hat.
In der Tat begrüße ich für die Bundesregierung natürlich ausdrücklich, daß die von uns vorgelegten beiden Berufsbildungsberichte 1989 und 1990 den zuständigen Fachausschuß in die Lage versetzt haben, dem Bundestag eine einstimmige Beschlußempfehlung vorzulegen.
Daß im übrigen auch die zweite Beschlußempfehlung, die wir in verbundener Beratung heute verabschieden wollen, auf Initiative der Fraktion DIE GRÜNEN bereits vorhandene Aktivitäten der Bundesregierung ausdrücklich unterstützt, komplettiert das ganz ungewöhnlich harmonische Klima der Schlußdebatte des heutigen Tages im Deutschen Bundestag.

(Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Wer hat denn den Fehler gemacht?)

— Verehrter Kollege Rüttgers, das könnte Gegenstand einer Kontroverse werden, die zu vermeiden ich ausdrücklich versprochen hatte.
Die beiden wichtigsten Nachrichten zu den Berufsbildungsberichten 1989 und 1990 finden sich gleich zu Beginn der Beschlußempfehlung. Erstens, die Berufswahlmöglichkeiten der Jugendlichen haben sich deutlich verbessert; zweitens, für die Betriebe wird Nachwuchsmangel zunehmend zum Problem.
In der Tat kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Verhältnis von Ausbildungsplätzen zu Ausbildungsbewerbern in den letzten Jahren immer günstiger geworden ist. Verehrter Kollege Elmer, selbst die über viele Jahre uns sehr in Anspruch nehmenden Problemregionen weisen inzwischen ein Überangebot an Ausbildungsstellen gegenüber Ausbildungsbewerbern aus, was wir gemeinsam ausdrücklich begrüßen können, weil es in der Tat für die betroffenen jungen Leute die Auswahlmöglichkeiten ständig vergrößert.
Ich habe die letzten verfügbaren Zahlen vom September dieses Jahres vorliegen. Danach ist die Zahl der verfügbaren Ausbildungsstellen im September 1990 noch einmal von knapp 600 000 im September vergangenen Jahres — das war das Berichtsende, über das wir heute zu befinden haben — auf über 650 000 im September dieses Jahres gestiegen, während die Zahl der Berufsausbildungsbewerber von damals 482 000 auf 465 000 zurückgegangen ist. Daher müssen wir in der Tat damit rechnen, daß sich die Verdoppelung der unbesetzten Ausbildungsstellen zwischen 1987 und 1989 zwischen 1989 und 1990 wiederholt und wir von damals etwa 85 000 auf insgesamt etwa 170 000 unbesetzte Ausbildungsstellen kommen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123215500
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Elmer?

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1123215600
Selbstverständlich, ich kann das ja nicht verweigern.

Dr. Konrad Elmer (SPD):
Rede ID: ID1123215700
Ich wollte nur fragen, ob Sie solch positive Zahlen — mit diesem Verhältnis — auch für den Bereich der neuen Länder haben.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1123215800
Ich will in der Tat im Zusammenhang mit der Beschlußempfehlung des Ausschusses ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung den Aufforderungen, die hier aufgelistet sind, gerne und mit Engagement nachkommen wird und daß wir für die Empfehlungen, die unter Ziffer 9 formuliert sind, bereits Vollzug melden können; denn unter Ziffer 9 wird die Bundesregierung zur Vorlage eines Programms zur Sicherung der Ausbil-



Parl. Staatssekretär Dr. Lammert
dung auf dem Gebiet der neuen Länder unter finanzieller Beteiligung des Bundes, der Länder und der Wirtschaft aufgefordert, das inzwischen längst beschlossen und auch in Kraft gesetzt ist.
In der Tat können wir Gott sei Dank, Herr Kollege Elmer, auch für den Ausbildungsplatzmarkt in den neuen Bundesländern heute von einer wesentlich günstigeren Situation berichten, als wir sie noch vor wenigen Montagen gemeinsam befürchten mußten. Von mehr als 156 000 Bewerbern sind mit Stichtag Ende September nur gut 3 000 nicht in Ausbildungsplätzen untergebracht worden. Das heißt, das sind weniger als 2 %. Dies ist damit ein wesentlich günstigerer Wert, als wir ihn noch vor wenigen Jahren in den alten Bundesländern über einen langen Zeitraum hatten.
Ich verbinde damit übrigens ausdrücklich nicht die Behauptung, hier gebe es kein Problem mehr — damit wir uns da nicht mißverstehen — , weil wir mit einer sehr dynamischen Veränderung und mit Strukturbrüchen zu tun haben, die uns auch in den nächsten Monaten gemeinsam engagiert beschäftigen müssen. Dies wünscht der Fachausschuß, und dies hat die Bundesregierung ausdrücklich als ihre eigene Absicht mehrfach zu Protokoll gegeben.
Meine Damen und Herren, auch ich möchte zum Schluß gerne insbesondere den Kollegen, die heute zum letztenmal in einer Berufsbildungsdebatte des Deutschen Bundestages gesprochen haben, für die gute Zusammenarbeit, für das ungewöhnlich angenehme Klima, mit dem wir gelegentlich auch Kontroversen ausgetragen haben, und für die besonders produktiven Auseinandersetzungen, die in diesem Klima möglich waren, herzlich danken.
Daß einer der begabtesten Dichter des Deutschen Bundestages

(Nolting [FDP]: Der bekannteste!)

das Parlament mit dem ausdrücklichen Lob der Formulierungskünste der Bundesregierung verläßt, dies, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist der für mich nicht mehr zu überbietende Höhepunkt dieser Legislaturperiode.

(Beifall im ganzen Hause)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1123215900
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 11/7904 ab. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei der Annahme dieser Beschlußempfehlung stelle ich Einstimmigkeit fest.
Jetzt folgt die Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 11/7918. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5713 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist auch dies einstimmig angenommen worden.
Nun kann ich Ihnen nur noch mitteilen, daß dies der Schluß unserer heutigen Tagesordnung ist.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 30. Oktober 1990, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.