Gesamtes Protokol
Ich eröffne die Sitzung. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde
— Drucksache 10/5456 —
Vielleicht ist es gut, wenn ich die Geschäftsführer darauf aufmerksam mache, daß ein großer Teil der Fragen heute gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet wird, weil sie wegen der Regierungserklärung und der nachfolgenden Debatte hier nicht aufgerufen werden können. Es handelt sich hier insbesondere um Fragen, die sich mit dem Reaktorunglück in der Sowjetunion und auch mit dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio befassen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte ist zur Beantwortung der Fragen anwesend.
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Frau Odendahl auf:
Wann 1st mit dem Abschluß des Finanzierungsvertrages mit dem Land Baden-Württemberg für den Ausbau der S-Bahn-Strecke Böblingen-Herrenberg zu rechnen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, erste Vertragsverhandlungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und dem Land Baden-Württemberg haben am 26. November 1985 und am 29. Januar 1986 stattgefunden. Dabei ergaben sich eine Reihe strittiger Sachfragen. Eine gemeinsam eingesetzte Arbeitsgruppe hat deshalb den Auftrag erhalten, diese Punkte im einzelnen zu klären.
Zusatzfrage, Frau Odendahl.
Herr Staatssekretär, beziehen sich diese angesprochenen strittigen Sachfragen ausschließlich auf die vorgesehene Trasse, auf den Finanzierungsvertrag für den Ausbau der SBahn-Strecke Böblingen-Herrenberg, oder sind von diesen strittigen Sachfragen auch andere S-BahnVorhaben im Bereich des mittleren Neckarraumes betroffen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, bei jedem einzelnen Projekt muß geprüft werden, wie sich die wirtschaftliche Lage nach Inbetriebnahme der S-Bahn darstellt. Es geht also bei dieser Frage ganz konkret um die von Ihnen angesprochene Strecke und nicht um irgend etwas Allgemeines.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Antretter. Bitte schön, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Tatsache, daß die bereits vorhandenen S-Bahn-Einrichtungen im mittleren Neckarraum positiv angenommen werden, auch eine Anregung sein soll, das S-BahnNetz gerade in Richtung Herrenberg rasch auszubauen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages ist es eine allgemein anerkannte Tatsache, daß man für jede einzelne Strecke eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vornimmt und dann auf dieser Grundlage entscheidet.
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Frau Odendahl auf:
Kann mit den notwendigen Planungsarbeiten noch in diesem Jahr begonnen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Planungsarbeiten sind so weit gediehen, daß unmittelbar nach Abschluß des Finanzierungsvertrages mit den Bauarbeiten begonnen werden könnte.
Zusatzfrage, Frau Odendahl.
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie denn nun angesichts der bis heute schon vorliegenden Untersuchungsergebnisse dieser Arbeitsgruppe konkret mit dem Abschluß des Finanzierungsvertrages?
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16504 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich habe vorhin gesagt, daß wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben. Ich nehme nicht an, daß Sie der Ansicht sind, daß die Arbeitsgruppe durch die Diskussion hier in dieser Fragestunde ersetzt werden könnte.
Weitere Zusatzfrage, Frau Odendahl.
Steht schon fest, wann die Beratungen dieser Arbeitsgruppe zum Abschluß gelangen, Herr Staatssekretär?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Nein. Da diese Arbeitsgruppe den Auftrag hat zu arbeiten und da es eine Reihe von offenen Fragen gibt, steht nicht fest, wann die Beratungen beendet sein werden.
Zusatzfrage, Herr Antretter.
Kann man jedoch davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß sowohl die Bundesregierung wie das Land Baden-Württemberg nach wie vor erhebliches Interesse an der Errichtung dieser S-Bahn-Strecke haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bund engagiert sich in sehr hohem Maße für den öffentlichen Personennahverkehr. Das gilt auch für S-Bahn-Strecken. Der Bund zahlt dafür in diesem Jahr mehr als Länder, Kreise und Gemeinden zusammengenommen.
Im Einzelfall muß untersucht werden, wie sich die Streckenrechnung darstellt. Wenn es eine Möglichkeit gibt, das finanziell darzustellen, wird der Bund mitmachen.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Verkehr. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau braucht nicht aufgerufen zu werden, weil die — einzige — Frage 3 des Abgeordneten Hinsken auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Die Frage 4 des Abgeordneten Rusche soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung bisher aus der Stiftung „Mutter und Kind" vor?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Müller, die Bundesregierung hat in ihrer
Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion vom 2. Oktober 1985 ausführlich ihre positiven Erfahrungen mit der Bundesstiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" dargelegt. Die Stiftung hat sich bewährt. Sie hat seit August 1984 bis zum heutigen Tage zirka 35 000 Frauen in Not geholfen. Schon diese Zahl beweist, welche Art von Hilfeleistungen vorher gefehlt hat, um einen wirksamen Beitrag zum Schutz des ungeborenen Lebens zu leisten.
Eine Zusatzfrage, Herr Müller.
Frau Staatssekretärin, ich hätte gerne gewußt, ob es zutrifft, daß seit dem 1. Januar 1986, seit dem Zeitpunkt, seit dem Erziehungsgeld gezahlt wird, Mittel der Stiftung nicht mehr in dem Umfang beansprucht werden, wie das 1985 der Fall war. Meine ganz konkrete Frage lautet also: Inwieweit hat sich das Zusammentreffen der beiden Maßnahmen hier ausgewirkt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, insgesamt hat sich die Nachfrage nach Hilfe verstärkt, aber nicht mehr in dieser Langzeitdimension, wie das vorher oft der Fall war.
Eine weitere Zusatztfrage, bitte schön, Herr Müller.
Dann hätte ich noch gerne gewußt, welche Erfahrungen in der Zusammenarbeit der Bundesstiftung mit den Einrichtungen auf Länderebene gemacht worden sind, insbesondere nachdem die Vergaberichtlinien zugunsten der Stadtstaaten geändert wurden.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Insgesamt ist die Zusammenarbeit zwischen Bund und Land gut, wo es überhaupt Ländereinrichtungen gibt; Sie wissen, daß das nicht in allen Ländern der Fall ist.
In Sachen Stadtstaaten kann ich Ihnen keine Antwort geben, da in den Stadtstaaten keine Gelder über die Bundesstiftung hinaus abgerufen werden können. Aber ich prüfe das gerne nach.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Reimann auf:Wie hoch schätzt die Bundesregierung auf Grund des derzeitigen jährlichen Durchschnitts von 2,3 Millionen Arbeitslosen und des drastischen Anstiegs der Anzahl der Sozialhilfeempfänger das Armutspotential in der Bundesrepublik Deutschland ein?Bitte schön, Frau Staatssekretärin.Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reimann, der Begriff Armut kann nicht allgemeingültig definiert werden. Er ist nach dem jeweils vorherrschenden, sehr unterschiedlichen Lebensstandard zu beurteilen. Insbesondere kann Armut nicht mit dem Bezug von Sozialhilfe gleichgesetzt werden. Die Bundesregierung ist ebenso wie frühere Bundesregierungen der Auffassung, daß mit den Leistungen der Sozialhilfe der soziokultu-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16505
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkirelle Mindestbedarf sichergestellt wird. Ich verweise hierzu auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG.Der Anteil der Sozialhilfeempfänger an den Arbeitslosen insgesamt ist statistisch nicht erfaßt. Der Bundesregierung ist lediglich die Zahl der Haushalte bekannt, die neben der Sozialhilfe Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen. Von den insgesamt 1 042 000 Haushalten, die im Jahre 1984 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen erhielten, war der Verlust des Arbeitsplatzes bei knapp einem Viertel die Hauptursache für die Gewährung von Leistungen. 13,7 v. H. erhielten Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe. Eine konkretisierte Schätzung der Entwicklung ist der Bundesregierung nicht möglich. Sie geht aber davon aus, daß sich die Zunahme der Zahl der Beschäftigten und Leistungsverbesserungen insbesondere im Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes günstig auswirken werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Reimann, bitte schön.
Frau Staatssekretärin, wenn keine gesonderte Erfassung bei den registrierten Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern in bezug auf die Arbeitslosigkeit besteht, a) gedenkt die Bundesregierung, das in Zukunft festzustellen, und b), wenn es richtig ist, daß von 2,6 Millionen Sozialhilfeempfängern mittlerweile 50 %, also 1,4 Millionen, junge Menschen unter 25 Jahren sind, was gedenkt die Bundesregierung dann zu tun, um für junge Menschen, die keine Ansprüche bei der Arbeitslosenversicherung erwerben konnten, weil sie noch keine Berufstätigkeit hatten, einen anderen Anspruchsträger zu finden als die Sozialhilfe?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reimann, es war — ich habe das soeben ausgeführt — bei den vorhergehenden Regierungen wie auch bei uns nicht anders, als daß wir uns auf der Grundlage der Gesetze bewegen müssen. Wir haben ein hervorragendes, ausgebautes soziales Netz. Wir wissen, daß die letzte Hängematte das Bundessozialhilfegesetz ist, und dabei soll es auch bleiben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Reimann.
Würden Sie es auch als Hängematte bezeichnen — jetzt sagen Sie mir bitte nicht, das war bei anderen Regierungen auch so —, wenn der Sozialhilfeempfänger nach der Steuerreform der Bundesregierung 47 DM Kindergeld bekommt, die aber vom Sozialhilfesatz abgezogen werden, und er damit Null bekommt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Wir haben mit dem Kindergeldzuschlag eine hervorragende soziale Leistung auf den Weg gebracht. Von diesem Kindergeldzuschlag sind nicht nur Sozialhilfeempfänger betroffen, sondern auch Rentner, Studenten und andere. Es ist im Sozialhilferecht so — da sage ich Ihnen nichts Neues —, daß ich zuerst alles einbringen muß, was ich habe, also auch das Kindergeld, und darauf rechnend meine Sozialhilfe erhalte. So gesehen erhält der Sozialhilfeempfänger durchaus seinen Kindergeldzuschlag.
Wollten Sie eine Zusatzfrage stellen? — Bitte schön, Frau Abgeordnete Hürland.
Frau Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Sozialhilfe als klassische letzte Hilfe in unserem Staat immer nachrangig gewesen ist und das Kindergeld immer angerechnet worden ist, wenn Sie so wollen, daß also die 47 DM überhaupt nicht aus dem Rahmen fallen, sondern so behandelt werden wie alles andere Kindergeld auch?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ja, Frau Kollegin. Das habe ich soeben ausgeführt. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie es bestätigen.
Dann kommt jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Reimann:
Ist die Bundesregierung in dieser Situation bereit, die Mitte der siebziger Jahre vom damaligen rheinland-pfälzischen Sozialminister und jetzigen CDU-Generalsekretär Dr. Geißler begonnene „Bestandsaufnahme zur neuen Armut in Rheinland-Pfalz" auf Bundesebene fortzuschreiben?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reimann, die von Ihnen angesprochene Studie befaßte sich seinerzeit vor allem mit der Situation kinderreicher Familien, älterer Menschen, alleinerziehender Frauen und Behinderter. Die Situation dieser Gruppen hat sich insbesondere durch familien- und sozialpolitische Maßnahmen der Bundesregierung verbessert. Weitere Verbesserungen sind für die nächste Legislaturperiode vorgesehen. Eine Notwendigkeit für die Fortschreibung der damaligen Bestandsaufnahme wird daher nicht gesehen.
Zusatzfrage, Herr Reimann.
Frau Staatssekretärin, ich habe das ganz anders gelesen, was Herr Geißler damals in Rheinland-Pfalz gestartet hatte. Denn er hat über die bestürzende Entwicklung der Kosten für Sozialhilfe geschrieben.
Herr Abgeordneter, Sie müssen fragen.
Danke, Herr Präsident. Deshalb frage ich Sie: Wie hoch schätzen Sie jetzt das Armutspotential in der Bundesrepublik, wenn es der Herr Geißler damals auf sechs Millionen geschätzt hat?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ich schätze gar nichts; ich orientiere mich immer an Daten und Fakten. Dann kann man auch mit Zahlen entsprechend umgehen. Ich habe soeben ausgeführt, daß
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16506 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkider Generalsekretär zur sozialen Frage in bezug auf die aufgeführten Gruppen — ich nenne sie noch einmal: kinderreiche Familien, ältere Menschen, alleinerziehende Frauen und Behinderte — deutlich Stellung bezogen hat.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Reimann.
Ich frage konkret: Ist die Bundesregierung bereit, die damals von Herrn Geißler begonnene Studie über die soziale Armut fortzuschreiben, und wann könnte man damit rechnen, daß ein Ergebnis vorliegt?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Wir sind nicht dazu bereit, weil kein Bedürfnis besteht.
Die Fragen 8 der Abgeordneten Frau Borgmann, 9 der Abgeordneten Frau Eid, 10 und 11 des Abgeordneten Bueb und 12 der Abgeordneten Frau Dann sollen auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich danke der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe steht uns zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Kretkowski auf:
Wie haben sich die Marktanteile der Deutschen Bundespost an der Paketbeförderung seit 1975 entwickelt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, wenn der Kollege Kretkowski einverstanden ist, würde ich seine beiden Fragen gern zusammen beantworten.
Ich sehe, er ist es. Dann rufe ich auch die Frage 14 des Abgeordneten Kretkowski auf:
Welche Änderungen sind im Dienstleistungsangebot seit 1975 im Paketdienst eingetreten, und welche Änderungen sind in der Planung ?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Auf dem weiten Feld des Kleingutmarktes betätigen sich in hartem Wettbewerb die Träger des Werkverkehrs, sehr viele große, mittlere und kleinere Speditionsunternehmen, private Paketdienste, die Deutsche Bundesbahn und nicht zuletzt auch die Deutsche Bundespost. Der Markt des Kleinguttransportes läßt sich nur schwer analysieren, da auf diesem Gebiet keine detaillierten offiziellen Statistiken geführt werden. Auf Grund von Markterhebungen darf aber angenommen werden, daß der Anteil der Deutschen Bundespost am Paketaufkommen der versendenden Wirtschaft, also nicht der privaten Versender, in der Bundesrepublik einschließlich Berlin ca. 25% beträgt und in dem Zeitraum von 1977 bis 1983 leicht rückläufig ist.
Von den vielen Verbesserungen der Dienstleistungen und der Betriebsgüte, die von der Deutschen Bundespost vorgenommen worden sind, Herr Kollege Kretkowski, darf ich vielleicht einige der bedeutendsten herausnehmen: Das war im Mai 1977 das Einführen des Hausgepäckservice, zusammen mit der Deutschen Bundesbahn in Form eines Betriebsversuches, auch im Mai 1977 die Einführung des Postgüterzugnetzes, dann im Jahre 1978 die Möglichkeit, die Zustellgebühr vorauszuzahlen und Massendrucksachen ohne Anschrift im Gewicht von mehr als 500 Gramm auszuliefern, dazu die Möglichkeit der Zuführung von Abholer-Paketsendungen, die Erhöhung des Höchstgewichts für Postgut von 10 auf 20 kg, im Jahre 1980 der HausHaus-Versand von Behälterladungen, der Datapostdienst im Jahre 1982 und im Jahre 1983 der Postkurierdienst und nicht zuletzt im Jahre 1984 die Möglichkeit der Kooperation mit Speditionen, die auch im Betriebsversuch erprobt werden soll.
Weitere Änderungen des Dienstleistungsangebots sind zur Zeit nicht in der Planung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kretkowski.
Herr Staatssekretär, wenn man davon ausgehen kann, daß der Markt insgesamt wahrscheinlich größer geworden ist, worauf führen Sie die Ursachen des Rückgangs des Marktanteils der Deutschen Bundespost zurück?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sie wissen — ich habe das schon angedeutet —, daß hier ein harter Wettbewerb stattfindet und wir, was die Gebührenregelung angeht, natürlich in vielen Fällen nicht so flexibel sind wie die privaten Wettbewerber. Es wird hier sicherlich gemeinsam darüber nachgedacht werden müssen, wie man diese Voraussetzungen ändern kann.
. Vizepräsident Westphal: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kretkowski.
Sehen Sie nicht auch andere Nachteile in der Konkurrenz zur privaten Paketdienstbeförderung? Wie sehen z. B. die Laufzeiten bei dem Paketdienst der Bundespost im Verhältnis zu den Privaten aus, wie sieht das Verhältnis bei den Transportschäden oder auch bei der Schadensregulierung aus?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das kommt — der Zuruf ist richtig — an sich in einer späteren Frage. Da sehen wir nicht so schlecht aus: Im Nahverkehr sollen die Pakete ähnlich wie im Briefverkehr E plus 1 Tag zugestellt werden, und im weiteren Verkehr sollen es E plus 2 Tage sein. Dies halten wir zu 81 % ein, Herr Kollege.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16507
Eine weitere Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 15 des Abgeordneten Bernrath auf:
Welche Möglichkeiten der Kooperation werden im Paketdienst der Deutschen Bundespost mit anderen Verkehrsträgern bzw. Dienstleistungsunternehmen derzeit genutzt, und welche sind in Vorbereitung bzw. Planung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich hoffe, daß der Herr Kollege Bernrath ebenfalls einverstanden ist, wenn ich seine beiden Fragen gemeinsam beantworte.
Er ist einverstanden.
Dann rufe ich auch die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Bernrath auf:
Welche Kooperationsmodelle bestehen zur Zeit im Paketdienst der Deutschen Bundespost, und mit welchem Erfolg werden sie genutzt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, die Deutsche Bundespost arbeitet zur Zeit versuchsweise mit Speditionen und Dienststellen der Deutschen Bundesbahn in der Form zusammen, daß sie bei zentralen Paketumschlagstellen Sendungen, die von den genannten Verkehrsträgern akquiriert worden sind und sich zur gemeinsamen Beförderung mit den Paketsendungen der Deutschen Bundespost eignen, zum Weitertransport und zur Auslieferung in der Fläche übernimmt. Weitere Kooperationen im Paketdienst mit anderen Verkehrsträgern sind zur Zeit nicht in der Planung. Die derzeitigen Möglichkeiten am Markt sind, wie wir glauben, auch ausgeschöpft.
Seit 1973 arbeitet die Deutsche Bundespost mit Großversendern im Paketdienst zusammen. Die Großversender erbringen Sortier- und zum Teil auch Ladeleistungen und erhalten dafür einen finanziellen Ausgleich. Die Zusammenarbeit wird nach fünf Modellen abgewickelt, die sich im jeweiligen Aufteilungsgrad, also in ihrer Wirkung der erbrachten Vorleistung, und entsprechend in der Höhe des finanziellen Ausgleichs unterscheiden. Im Jahre 1985 wurden in der Kooperation 65,9 Millionen Paketsendungen und großformatige Päckchen bei der Deutschen Bundespost eingeliefert.
Zusatzfrage, Herr Bernrath.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich habe dazu vielleicht noch eine oder zwei Fragen. — Der Umfang der Zusammenarbeit mit anderen Verkehrsträgern hängt ja entscheidend davon ab, inwieweit man selbst die Leistung erbringen kann oder Restleistungen von der Post nicht erbracht werden und ob man sie in Kooperation mit anderen Verkehrsträgern wirtschaftlich erbringen kann. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, beispielsweise Entscheidungen über das Abholen von Paketen und über den Zeitpunkt der Zustellung in den einzelnen Zustellbereichen in den Gemeinden, dezentral anzusiedeln, also den Ämtern die Entscheidung zu überlassen, auch darüber, ob sie — je nach Bedürfnis der Kunden — beispielsweise am Nachmittag statt morgens zustellen, wo die Zusteller einen großen Teil der Empfänger nicht antreffen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, ich bin unter der Bedingung, die Sie selbst genannt haben, gern bereit, dies weitgehend zu überprüfen, denn Sie haben ja ausdrücklich angedeutet, daß das alles vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit geschehen müsse. In dieser Hinsicht ist das sicherlich eine gute Anregung.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Ich habe noch eine kurze Frage: Gibt es — auch im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit des Paketdienstes, die ja, was die Zukunft des Paketdienstes angeht, von entscheidender Bedeutung sein wird — im Augenblick Überlegungen, das eigene Transportsystem zu straffen, um unnötige Umschlagleistungen zu vermeiden?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Es ist, wie Sie, Herr Kollege, glaube ich, selber wissen, eine Daueraufgabe, das eigene Transportsystem zu straffen, und wir stellen uns dieser Aufgabe auch. Nur, ich glaube, es wäre etwas übertrieben, das als einen besonderen Programmpunkt herauszustellen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Paterna.
Herr Staatssekretär, meine Frage bezieht sich auf den Komplex Paketdienst: Wie erklärt das Ministerium die Tatsache, daß unser Verkehrsanteil bei Päckchen erfreulicherweise außerordentlich hoch ist — und zwar bei konkurrenzlos niedrigen Gebühren und bei einem ziemlich befriedigenden Kostendeckungsgrad —, während bei Paketen, für deren Versendung relativ hohe Gebühren zu entrichten sind, der Verkehrsanteil beklagenswert niedrig ist?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, ich freue mich natürlich, daß Sie die Frage gestellt haben, aber die Antwort wissen Sie natürlich selbst. Ich muß Ihnen zunächst widersprechen, wenn Sie sagen, der Kostendeckungsgrad in dem von Ihnen genannten Bereich sei zufriedenstellend; so zufriedenstellend ist er auch nicht. Aber Sie wissen, daß wir im Wettbewerb in einer etwas schlechten Ausgangslage sind. Wir müssen alles, was in dem unteren Bereich, den Sie genannt haben, auf uns zukommt, befördern, andere müssen das nicht und können infolgedessen ihre Wettbewerbssituation wirkungsvoller gestalten.
Herr Staatssekretär, selbst wenn Sie recht damit haben, daß Herr Paterna schon wußte, wie die Antwort lautet: hier gibt es manchmal ein paar Interessierte, die zuhören und auch etwas dabei lernen.Rawe, Parl. Staatssekretär: Natürlich.
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16508 Deutscher Bundestag -- 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Pfeffermann.
Herr Staatssekretär, Sie sagten soeben, die Deutsche Bundespost plane keine weiteren Kooperationsmodelle. Warum eigentlich nicht?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pfeffermann, ich glaube, da bin ich ein bißchen mißverstanden worden. Ich habe gesagt, zur Zeit seien solche Planungen nicht im Gang, weil wir im Moment den Markt für gesättigt halten. Aber daß wir den Betriebsversuch, wenn er sich erfolgreich gestaltet, möglicherweise erheblich weiter ausdehnen müssen, darüber, glaube ich, besteht zwischen uns kein Zweifel.
Sie können noch eine Frage stellen. Bitte schön, Herr Pfeffermann. Das gilt übrigens auch für Herrn Paterna für den Fall, daß er das wollte.
Herr Pfeffermann.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben von den verschiedenen Kooperationsmodellen. Können Sie kurz erläutern, wie sie sich eigentlich unterscheiden?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ja. Da gibt es zum einen das Modell I. Die Antwort ist etwas umfangreich, Herr Präsident; aber ich versuche, es kurz zu machen. Da wird auf mindestens 70 Richtungen sortiert. Der finanzielle Ausgleich für dieses Modell beträgt etwa 25%. Dann gibt es ein Modell II. Da sortieren die mit uns kooperierenden Partner mindestens 90 % des täglichen Aufkommens auf Paketumschlagstellen und erhalten dafür einen Abschlag bis zu 17 %. Beim Modell III fertigen sie mindestens einen Pack-Umbehälter und bekommen dafür einen Ausgleich von 13%. Beim Modell IV fertigen sie sogar Leitzonenbehälter und erhalten dafür einen Ausgleich von 8%. Beim Modell V muß das Verteilen von Sendungen auf mindestens zwei Richtungen geleistet werden; dafür gibt es einen Ausgleich von 3%.
Die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Berschkeit sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Paterna:
Wie häufig hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, Dr. Schwarz-Schilling, oder einer seiner Beauftragten mit dem früheren Springer-Journalisten und jetzt als Geschäftsführer für die Konservative Aktion vorgesehenen Herrn Siegerist Gespräche geführt, und was war von seiten Siegerists Ziel dieser Verhandlungen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht. Aber alle Fragen, die heute gestellt sind, stehen in einem Sachzusammenhang. Ich hoffe, der Herr Kollege Paterna ist einverstanden, daß ich seine Fragen 19 und 20 zusammen beantworte.
Er ist einverstanden.
Ich rufe auch die Frage 20 des Abgeordneten Paterna auf.
Welche Aufträge nach Art und Umfang sind Herrn Siegerist bzw. einer von ihm geleiteten Werbefirma fest zugesagt oder zumindest in Aussicht gestellt worden, und wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen solcher Geschäftsbeziehungen auf das Ansehen der Deutschen Bundespost in der Öffentlichkeit?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, es gibt weder Aufträge noch vertragliche Zusagen der Deutschen Bundespost an die von Herrn Siegerist geleitete Werbefirma.
Im übrigen bitte ich um Ihr Verständnis, daß die Bundesregierung grundsätzlich nicht bereit ist, über Gespräche, die Mitglieder der Bundesregierung mit einzelnen Personen geführt haben, Auskunft zu geben.
Zusatzfrage, Herr Paterna.
Herr Staatssekretär, ich habe dafür Verständnis, soweit es den Inhalt solcher Gespräche anlangt. Aber können Sie denn bestätigen oder verneinen, daß solche Gespräche mit dem Herrn Minister oder zumindest mit seiner Kenntnis geführt worden sind?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nach meiner vorausgegangenen Antwort werde ich das weder bestätigen noch verneinen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Er hat aber nur eine Frage zu beantworten. Denn:
Die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Vosen und die Frage 25 des Abgeordneten Hansen fallen unter Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien und werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Schäfer sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Es bleibt die Frage 26 des Abgeordneten Kirschner:
Ist der Bundesregierung bekannt, was die Gewerkschaftszeitung „Metall" Nr. 9 in ihrer jüngsten Ausgabe vom 2. Mai 1986 auf Berufung eines NASA-Informationsberichts im US-
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Vizepräsident Westphal
amerikanischen Wochenmagazin „The Nation" berichtet, wonach bei dem im Mai 1986 ursprünglich geplanten Flug der Challenger-Raumfähre bei dem „Projekt Galileo" eine plutoniumbetriebene Rakete transportiert werden sollte, und wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheit vor dem Hintergrund der jüngsten amerikanischen Weltraumraketenunfälle?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Kirschner, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesregierung ist seit langem bekannt, daß sich an Bord der Jupiter-Raumsonde Galileo zur Versorgung der Raumsonde einschließlich der Experimente mit elektrischer Energie zwei thermoelektrisehe Radioisotop-Generatoren befinden. Es handelt sich aber nicht um Kernreaktoren.
Diese RTG müssen bei Flügen zu den äußeren Planeten eingesetzt werden, weil die Sonnenenergie bei den Volumen- und Gewichtsbeschränkungen der Sonden für Solargeneratoren wegen der großen Entfernung von der Sonne nicht ausreicht.
Bei Galileo werden zwei RTG eingesetzt, die je bis zu 290 Watt elektrische Leistung abgeben können. Als Radioisotop wird Plutonium verwendet, dessen Zerfallswärme über einen thermoelektrischen Wandler zur Erzeugung elektrischer Energie herangezogen wird. Es handelt sich also nicht um eine plutoniumbetriebene Rakete, wie in Ihrer Frage angenommen wird. Die RTG gehören zum US-Teil des Galileo-Projekts und werden von den USA in den USA in die Raumsonde eingebaut. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich am Projekt Galileo mit wissenschaftlichen Meßgeräten für einige Experimente und einem Antriebsmodul mit chemischen Flüssigkeitstriebwerken.
Die RTG sind gegen Abgabe radioaktiver Strahlung und mechanischer Zerstörung gepanzert und gelten als sicher. Nichtsdestoweniger untersuchen die zuständigen Stellen in den USA zur Zeit erneut die Auswirkungen von extremen Belastungen an Hand der genaueren Daten der Challenger-Katastrophe. Die Bundesregierung verfolgt diese Aktivitäten sehr aufmerksam.
Zusatzfrage, Herr Kirschner.
Herr Staatssekretär, ist auszuschließen, daß bei einem Unglück, wie es bei der Challenger-Antriebsrakete aufgetreten ist, dann, wenn die von Ihnen genannte Rakete an Bord gewesen wäre, bei einem Absturz oder bei einer Explosion Gesundheitsgefährdungen für die Bevölkerung vorgelegen hätten? Ich unterstelle dabei das gleiche Unglück, wie es sich bei der Challenger-Rakete ereignet hat.
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Im streng wissenschaftlichen Sinne können Sie nichts' ausschließen, ' weil mit einer unendlich kleinen Wahrscheinlichkeit fast alles passieren kann. Aber in dem Umfang, wie man es im allgemeinen menschlichen Gebrauch bezeichnen kann, ist es sicher. Nichtsdestoweniger wird diese Frage noch einmal geprüft. Jedes Unglück, gerade im Bereich einer Großtechnologie, führt dazu — das ist eine wichtige und auch gute Nebenwirkung —, daß Techniken, auch wenn sie als noch so sicher angesehen werden, erneut einer Überprüfung unterzogen werden. Das geschieht in' diesem Falle.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kirschner.
Herr Staatssekretär, nachdem bei dieser Rakete Plutonium mit verwendet wurde, das wohl als eines der gefährlichsten Gifte überhaupt gilt, stellt sich doch die Frage: Ergibt sich nicht die Notwendigkeit, von vornherein auf solche hochgradigen Gifte zu verzichten, da doch nach dem Challenger-Unglück drei weitere Unglücke in der Raumfahrt zu verzeichnen waren, was beweist, daß es keine absolute Sicherheit gibt?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie unterstellen, daß Plutonium das größte Gift ist, das es überhaupt gibt. Das würde ich in dieser Form nicht unterstellen. Aber es steht außer Zweifel, daß Plutonium ein erhebliches Gift ist, insbesondere durch die Einlagerung in den Knochen. Deshalb ist Vorsorge geboten.
Es handelt sich nicht um den Einbau des Plutoniums in eine Rakete, sondern um den Einbau in einen Satelliten, der von einer Rakete in den Weltraum gebracht wird. Die Panzerung ist so ausgelegt, daß, wie ich es ausgeführt habe, nichts passieren kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Rusche.
Herr Staatssekretär, warum führen erst Unglücke oder Zwischenfälle zu den von Ihnen genannten Überprüfungen?Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist ein Irrtum, daß nur Unglücke dazu führen. Unglücke werden als neuer Anstoß genommen, auf Grund der Erfahrungen, die man durch sie gewinnt, zu überprüfen — dies ist eine allgemein menschliche Erfahrung; so ist es in allen Bereichen —, ob die Entscheidung richtig ist.Bei allen fortgeschrittenen Techniken, insbesondere solchen, die mit Gefahren verbunden sein können, werden alle nur denkbaren Unglücksfälle vorhergedacht, und es werden Maßnahmen dagegen ergriffen. Die Frage ist nur, ob der menschliche Geist zu jeder Zeit alle denkbaren Möglichkeiten erfassen kann.
Da sind solche Störfälle natürlich ein neuer Anlaß, nicht selbstgefällig zu sagen „Wir wissen und wußten alles", sondern neu zu prüfen, ob es wirklich so ist, wie wir dachten.
Ich unterstelle, daß Sie in diesem Punkt mit mir übereinstimmen.
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16510 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Forschung und Technologie. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Kastning auf:
Treffen Informationen aus verschiedenen Bereichen der Arbeitsverwaltung zu, wonach der Bedarf an Ausbildungsplätzen im Rahmen des Programms zur „Berufsausbildung benachteiligter Jugendlicher" im Ausbildungsjahr 1986/87 höher sein wird als zur Zeit und deshalb der Haushaltsansatz 1987 wesentlich erhöht werden müßte?
Bitte schön.
Herr Präsident! Herr Kollege Kastning, der Bedarf an Ausbildungsmaßnahmen des Programms für die Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen wird auch im Ausbildungsjahr 1986/87 hoch sein. Im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel können voraussichtlich im Herbst die freigewordenen Ausbildungsplätze in überbetrieblichen Einrichtungen für die bisherigen Zielgruppen des Programms wieder besetzt werden. Dadurch können rund 4 400 benachteiligte Jugendliche eine Ausbildung in den Vollmaßnahmen des Programms beginnen. Ob und in welchem Umfang darüber hinaus für die Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze im Bereich der Vollmaßnahmen oder zusätzlicher Teilnehmer im Bereich der ausbildungsbegleitenden Hilfen Mittel zur Verfügung stehen werden, hängt vom Ergebnis der Verhandlungen zum Bundeshaushalt 1987 ab.
Zusatzfrage, Herr Kastning.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund der Aussage des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit vom vorigen Monat, daß mit einer durchgreifenden Besserung der Ausbildungsplatzlage in diesem Jahr nicht zu rechnen ist, frage ich Sie, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß es besser ist, Jugendlichen im Benachteiligtenprogramm auch in den kommenden Jahren eine berufliche Erstausbildung mit besseren Vermittlungschancen hinterher zu geben, als etwa jetzt abzugrenzen und diese Jugendlichen ohne Erstausbildung in AB-Maßnahmen zu vermitteln, die ihnen später nicht solche Chancen der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt eröffnen.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kastning, die Fortsetzung des Programms ist unbestritten. Was aber den Umfang für den Herbst angeht, so ist es im jetzigen Zeitpunkt einfach zu früh, konkret etwas zu sagen. Wir sind uns doch wohl einig, daß wir diese Jugendlichen, wo immer das möglich ist, zunächst in betriebliche Ausbildungsplätze bringen sollten. Ich habe j a heute morgen bereits im Ausschuß mitgeteilt, daß die Zahl der gemeldeten
Ausbildungsplätze im April dieses Jahres um 7,5 % höher lag als im letzten Jahr, daß die Zahl der gemeldeten Bewerber um 2,8 % abgenommen hat und daß wir eine Zunahme der Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze um rund 21 000, d. h. rund 23 %, zu verzeichnen haben. Diese Zahlen machen sichtbar, daß wir uns jetzt in erster Linie darauf konzentrieren sollten, auch für benachteiligte Jugendliche betriebliche Ausbildungsplätze zu gewinnen. Das steht für uns im Vordergrund.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kastning.
Da ich nicht nach einer konkreten Zahl für Ihre Überlegungen für 1986/87 gefragt habe, sondern überhaupt nach der Grundannahme, ob es notwendig sein wird, die Zahl der Plätze zu steigern, und da ich annehme, daß Sie auch wissen, daß bei einer gleichbleibenden Haushaltssumme auf Grund der Eigendynamik der Programme die abgehende Zahl nicht voll wieder aufgefüllt werden kann, möchte ich doch fragen, ob Sie nicht wenigstens in Richtung einer Erhöhung — wie hoch auch immer — in Ihrem Hause Überlegungen anstellen, die dann wenigstens vorsorglicher Natur wären.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Wir überlegen uns das natürlich trotz dieser günstigen Zahlen. Aber letztlich wird das vom Verlauf der Haushaltsberatungen für den Etat 1987 abhängen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß mehr Mittel nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes zur Verfügung stehen, als für Maßnahmen der Berufsvorbereitung benötigt werden und, wäre es nicht sinnvoll, diese Mittel zur Förderung einer ordentlichen Berufsausbildung nach dem Benachteiligtenprogramm auszugeben?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, diese Frage ist in der jetzigen Fragestunde an den Bundesminister für Arbeit gerichtet. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß sie dort beantwortet wird.
Wir hoffen auf eine gute Antwort des Arbeitsministers. — Bleiben Sie gleich stehen, Herr Kuhlwein, denn jetzt kommt Ihre Frage 28, die ich jetzt aufrufe:Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die finanzielle Seite der beiden Förderungsmaßnahmen Benachteiligtenprogramm und § 40 Arbeitsförderungsgesetz zu verzahnen, und hat es Bemühungen in dieser Richtung — etwa im Zusammenhang mit der 7. AFG-Novelle — gegeben?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, das Programm für die Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen baut auf der vorausgegangenen Förderung einer berufsvorbereitenden Maßnahme auf. Für ehemalige Sonderschüler, Hauptschulabgänger ohne Abschluß und junge Ausländer, die auch nach dem Besuch
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Parl. Staatssekretär Pfeifereiner berufsvorbereitenden Maßnahme keinen Ausbildungsplatz finden, wird durch das Programm eine Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen ermöglicht. Während auf die Förderung von berufsvorbereitenden Maßnahmen im Rahmen des § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes ein gesetzlicher Anspruch besteht, erfolgt eine Förderung nach dem Benachteiligtenprogramm im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Eine finanzielle Verzahnung dahin gehend, daß statt der Förderung einer weiteren berufsvorbereitenden Maßnahme die Mittel für die Förderung der Ausbildung eingesetzt werden könnten, ist daher derzeit nicht möglich. Im Vorfeld der Siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz hat es Überlegungen zur Aufnahme der Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen in das Arbeitsförderungsgesetz gegeben, die jedoch von der Bundesregierung nicht weiter verfolgt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, können Sie vielleicht auch etwas dazu sagen, warum diese Überlegungen nicht weiter verfolgt worden sind, und können Sie gleichzeitig die Frage beantworten, ob es der Bildungsminister denn nicht für sinnvoller hält, an Stelle von berufsvorbereitenden Maßnahmen für bereits berufsreife Jugendliche Maßnahmen nach dem Benachteiligtenprogramm durchzuführen und zu finanzieren?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Zur zweiten Frage möchte ich zunächst sagen: Nicht zuletzt aus diesem Grunde haben wir die Mittel für das Benachteiligtenprogramm, also für das Programm zur Förderung benachteiligter Jugendlicher, in den letzten drei Jahren von 50 Millionen DM auf 335 Millionen DM gesteigert.
Zur ersten Frage möchte ich Ihnen sagen: Die Verordnung über die Beauftragung der Bundesanstalt für Arbeit mit der Förderung der Beruf sausbildung von benachteiligten Jugendlichen aus Bundesmitteln vom März 1984 läuft noch bis zum 31. Dezember 1989. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Neuaufnahme von Jugendlichen in die Ausbildung des Programms auch unter der bisherigen Regelung möglich. Das bedeutet, daß erst in der nächsten Legislaturperiode entschieden werden muß, wie und in welcher Ausgestaltung die Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen langfristig gesichert werden soll. Aus diesem Grunde haben wir die von Ihnen in der Frage 28 aufgeworfene Problematik in die nächste Legislaturperiode vertagt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, können wir denn davon ausgehen, daß bei den Beratungen zum Bundeshaushalt 1987, mindestens was die Anträge Ihres Hauses angeht, so viel Mittel veranschlagt werden, daß alle Jugendlichen, die die Kriterien des Benachteiligtenprogramms erfüllen, auch wirklich eine Ausbildung nach diesem Programm erhalten können?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Auch dazu möchte ich sagen: Unser erstes Ziel ist es, diese benachteiligten Jugendlichen nicht in dieses Programm, sondern auf betriebliche Ausbildungsplätze zu bekommen. Infolgedessen kann ich jetzt hier zu konkreten Zahlen, was den Haushalt 1987 angeht, nichts ausführen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kastning.
Herr Staatssekretär, da Sie eben ausweichend geantwortet haben, frage ich: Vorausgesetzt, daß im Spätsommer auch für Sie als Bundesregierung das erkennbar sein wird, was andere schon jetzt annehmen, daß nämlich ein größerer Bedarf für das Benachteiligtenprogramm vorhanden ist, ist das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft dann bereit, einmal interministerielle Gespräche darüber zu führen, ob Mittel, die im Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozi- alordnung nicht benötigt worden sind und vielleicht auch künftig nicht benötigt werden, nicht auf das Benachteiligtenprogramm verlagert werden sollten?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich habe keine Anzeichen dafür, daß Mittel für andere Programme nicht benötigt werden. Infolgedessen sind solche Gespräche im Augenblick nicht sinnvoll.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Kuhlwein auf:
Welche Widerstände müssen ausgeräumt werden, um durch gesetzliche Verzahnung finanziell und inhaltlich eine bessere Planbarkeit von Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Maßnahmen des Benachteiligtenprogramms zu erreichen und darüber hinaus die Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen langfristig zu sichern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung hat aus Anlaß der Verordnung über die Beauftragung der Bundesanstalt für Arbeit mit der Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen aus Bundesmitteln vom 30. März 1984 angekündigt, daß in der zweiten Hälfte der 80er Jahre entschieden werden muß, wie die Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen langfristig gesichert werden kann. Diese Entscheidung wird in der nächsten Legislaturperiode zu treffen sein. Bei der Vorbereitung der Entscheidung werden auch die Möglichkeiten einer stärkeren inhaltlichen und finanziellen Verzahnung von Berufsvorbereitung und Ausbildungsförderung für benachteiligte Jugendliche zu prüfen sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, eine Frage können Sie aber sicherlich schon heute beantworten: Sehen Sie denn für den durch das Benachteilig-
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Kuhlwein
tenprogramm geförderten Personenkreis der besonders schwachen Jugendlichen nach wie vor die Notwendigkeit für ein solches Programm auf Dauer, oder meinen Sie, daß sich das in den 90er Jahren demographisch von selbst erledigen wird?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich sehe diese Notwendigkeit. Aber ich sehe die Notwendigkeit eher darin, dieses Programm mit dem Schwerpunkt ausbildungsbegleitende Hilfen auszubauen, damit wir die Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz bekommen, um ihnen dann auf diesem Ausbildungsplatz und während des Ausbildungsverhältnisses die notwendigen Hilfen geben zu können.
Herr Kuhlwein, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge von Verbänden, das Benachteiligtenprogramm gesetzlich abzusichern, und welche Schritte wären dazu möglich und erforderlich?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Das ist durchaus eine der Möglichkeiten, die auch wir sehen. Allerdings wird auch hier sehr sorgfältig zu prüfen sein, ob dies beispielsweise in einem besonderen Gesetz, in einer Verordnung — wie jetzt — oder unter Einbindung in das Berufsbildungsförderungsgesetz geschehen soll. Das sind in der Tat Fragen, die wir zur Zeit sehr sorgfältig erörtern.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kastning.
Herr Staatssekretär, da sich der Herr Kollege Kuhlwein in seiner Frage auch nach der Planbarkeit von Maßnahmen erkundigt hat, frage ich Sie: Können Sie mir darin zustimmen, daß auch schon jetzt, also nicht erst 1989, eine bessere Planbarkeit der Maßnahmen zu einer besseren inhaltlichen und personellen Vorbereitung führen würde und auch die Chance böte, Teilnehmer berufsvorbereitender Maßnahmen rechtzeitig, wenn sie kein e Chancen auf dem Ausbildungsplatzmarkt haben, auf das Benachteiligtenprogramm hin zu orientieren?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kastning, eine Planbarkeit der Maßnahmen ist auch jetzt in zweierlei Richtungen möglich. Zum einen habe ich hier ausgeführt, daß freiwerdende Plätze wieder besetzt werden sollen. Damit ist in gewissem Umfang Planbarkeit vorhanden. Zum zweiten habe ich gesagt, daß es in erster Linie darauf ankommt, diese Jugendlichen in betriebliche Ausbildungsplätze zu bekommen. Auch dies ist ja jetzt bereits möglich.
Ich denke aber, daß wir im Laufe des Juli einen so exakten Überblick über die Entwicklung haben, daß, wenn weitere Maßnahmen erforderlich werden, dies den Arbeitsämtern mitgeteilt werden kann.
Die Frage 30 des Abgeordneten Hinsken soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Hupka auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten von Paßämtern, die auf Grund polnischer Forderungen bezüglich der Geburtsorte der Deutschen in Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße neue Pässe mit falschen Ortsangaben wie 1920 nicht in Breslau, sondern in Wroclaw geboren ausstellen und damit Urkundenfälschung begehen?
Bitte schön, Herr Spranger.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hupka, nach einer Absprache mit Polen aus dem Jahre 1970 sollen die Paßbehörden der Bundesländer bei der Eintragung von Geburtsorten, die im polnischen Bereich liegen, wie folgt verfahren: bei Geburt des Paßbewerbers vor Beginn der polnischen Verwaltung nur deutsche Ortsbezeichnung, bei Geburt des Paßbewerbers nach Beginn der polnischen Verwaltung polnische und dahinter in Klammern deutsche Ortsbezeichnung.
Da in der Folgezeit die polnische Seite in zahlreichen Fällen Visaanträge von Sichtvermerksbewerbern abgelehnt hat, in deren Reisepässen der deutsche Ortsname eingetragen war, hat das Bundesministerium des Innern mit Rundschreiben vom 8. Februar 1979 den Ländern die Möglichkeit eröffnet, aus humanitären Gründen in dringenden Härtefällen den betroffenen Personen ausschließlich für die geplante Reise in das polnische Hoheitsgebiet einen Reisepaß mit nur polnischer Schreibweise des Geburtsortes und einer Geltungsdauer von höchstens zwölf Monaten auszustellen.
Diese Härtefallregelung ist ausschließlich aus humanitären Gründen und ohne Aufgabe der Rechtsposition der Bundesregierung getroffen worden. Sollten Ihnen Einzelfälle bekannt sein, in denen PaBbehörden der Länder nicht nach der dargestellten engen Härtefallregelung verfahren, wäre ich Ihnen für Unterrichtung dankbar, damit sich das Bundesministerium des Innern an Hand der Ihnen vorliegenden Einzelfälle mit den zuständigen Innenministerien der Länder in Verbindung setzen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, sind im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik Polen jemals Schritte dagegen unternommen worden, daß sich die Volksrepublik Polen hier entgegen den Verabredungen verhält?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß solche Schritte unternommen worden sind, ohne daß sie den von Ihnen erhofften Erfolg bisher gezeitigt haben.
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Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, Sie haben von Härtefällen und dann noch von strengen Härtefällen gesprochen. Wann bestehen derartige Härtefälle? Handelt es sich dann nachher auch um Omnibusreisen? Oder liegen Härtefälle bei Todesfällen oder dringenden Familienereignissen vor?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich gehe von der letzteren Alternative aus, nicht davon, daß es sich um irgendwelche normalen Reisen mit touristischer Dimension handelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rusche.
Herr Staatssekretär, Sie haben der Behauptung des Fragestellers, es gehe um Urkundenfälschung, nichts entgegengesetzt. Ich möchte fragen, ob die Nennung meines Geburtsortes mit der heutigen Bezeichnung Bad Neuenahr/Ahrweiler dann in diesem Sinne gegenüber der früheren Nennung nur von Bad Neuenahr nicht auch eine Urkundenfälschung wäre. Ich muß nämlich heute als Geburtsort immer Bad Neuenahr/Ahrweiler angeben, bin aber 1952 in Bad Neuenahr geboren. Wenn das keine Urkundenfälschung sein sollte, wäre von Ihnen zu erwarten, daß Sie die Bezeichnung „Urkundenfälschung" auch in dem anderen Zusammenhang zurückweisen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, das Problem, das Herr Dr. Hupka angeschnitten hat, ist ein substantiell anderes und ist auch ernster als das zu nehmen, was Sie vorgetragen haben.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Kolbow auf:
Trifft es zu, daß ein vom Umweltbundesamt zugesagter Zuschuß in Höhe von 30 000 DM für den Deutschen Umwelttag vom 6. bis 8. Juni 1986 in Würzburg gestrichen worden ist, und, wenn ja, welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, diese Unterstützung zu streichen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbow, das trifft nicht zu; vielmehr hat das Umweltbundesamt im Jahre 1985 für den Deutschen Umwelttag eine Zuwendung aus Mitteln des Bundeshaushaltsplans Kapitel 06 28 Titel 685 17 — Zuschüsse zu Maßnahmen von Verbänden und sonstigen Vereinigungen auf dem Umweltgebiet — in Höhe von 70 000 DM gewährt. Einem erst im Februar 1986 beim Umweltbundesamt eingegangenen Antrag auf weitere Förderung konnte nicht entsprochen werden, da kein Mittelansatz für das entsprechende Vorhaben in der Aufgabenplanung für 1986 enthalten war und da sich die Gewährung eines weiteren Bundeszuschusses voll zu Lasten von Projekten anderer Umweltverbände und -vereinigungen ausgewirkt hätte sowie zu unvertretbaren Kürzungen bei deren Projektanträgen geführt hätte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kolbow.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich dann, daß einer der Sprecher der Veranstalter des Deutschen Umwelttages in einem Brief vom 4. Mai an einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages schreibt:
Aus dem Bundesinnenministerium ist uns ebenfalls der erwartete und noch im Januar zumindest mündlich in Aussicht gestellte Zuschuß von 30 000 DM abgelehnt worden.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Mir ist dieses Schreiben nicht bekannt, und auch in meinen Unterlagen ist weder von einem Betrag von 30 000 DM noch in irgendeiner Form von einer entsprechenden Zusage oder von einer zusätzlichen Intervention die Rede.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Pfuhl auf:Unter Hinweis auf meine entsprechende Frage in der Fragestunde am 28. Februar/1. März 1985 und der in der öffentlichen Diskussion fortschreitenden Forderung nach gesetzlichen Regelungen, Stichwort: Waffenschein für Hundehalter, möchte ich heute fragen, ob die Bundesregierung weiterhin der Meinung ist, daß eine Regelung des Problems in die Zuständigkeit der Länder fällt, oder ob sie nicht selbst tätig werden muß.Bitte schön, Herr Staatssekretär.Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pfuhl, die Bundesregierung beobachtet die in der letzten Zeit bekanntgewordenen Unglücksfälle durch Hunde mit Aufmerksamkeit. Sie bedauert solche Vorfälle. Sie hat kein Verständnis für Halter gefährlicher Hunde, die ihre Tiere an Orten, an denen es zu einer Gefährdung von Menschen kommen kann, ohne wirksame Aufsicht frei herumlaufen lassen.Zu Ihrer Frage, ob der Bund zur Regelung dieses Problems Maßnahmen ergreifen sollte, hat sich die Bundesregierung in jüngster Zeit schon mehrfach geäußert. Ich darf insoweit auf meine Antwort auf die Frage 61 des Kollegen Dr. Weng in der Fragestunde am 16./17. April 1986 hinweisen, in der ich ausgeführt habe, daß dieser Komplex wesensmäßig dem Bereich „Polizei- und Ordnungsrecht" angehört. Für diesen Bereich steht nach dem Kompetenzkatalog des Grundgesetzes grundsätzlich den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zu. Die Bundesregierung hat daher — wie Ihnen auch schon mein Kollege Dr. von Geldern vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Fragestunde vom 28. Februar/1. März 1985 dargelegt hat — keine Möglichkeit, gesetzgeberisch tätig zu werden. Sie geht im übrigen unverändert davon aus, daß die in Ortssatzungen und Landesrecht enthaltenen Regelungen über das Führen von Hunden in der Öffentlichkeit ausreichend sind, um verantwortungslosen Auswüchsen wirksam begegnen zu können.
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Eine Zusatzfrage, Herr Pfuhl.
Herr Staatssekretär, fünf Tote im letzten Jahr durch Hunde sollten doch der Bundesregierung im Hinblick auf Maßnahmen zu denken geben, wie in Zukunft diese — wie in einigen Zeitschriften formuliert wurde — „Waffe Hund" besser gehandhabt werden könnte. Ist die Bundesregierung bereit, die Länder in dieser Frage zu konsultieren und darauf zu drängen, daß auf Länderbasis oder vielleicht im Rahmen der Innenministerkonferenz eine einheitliche Regelung zur Verhinderung solcher Unfälle erreicht wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pfuhl, ich habe versucht darzulegen, daß die Bundesregierung dieses Problem durchaus ernst nimmt, daß jedoch die Kompetenzverteilungen nach dem Grundgesetz der Bundesregierung eine Möglichkeit zum gesetzgeberischen Handeln nicht ermöglichen. Wir müssen davon ausgehen, daß die Länder ihre Vollzugsmöglichkeiten auf Grund der Gesetzgebungskompetenz, die ihnen zur Verfügung steht, ausnützen werden. Wir haben keine Anhaltspunkte, daß die Länder ihre Gesetzgebungskompetenz nicht in angemessenem Maße wahrnehmen werden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Pfuhl.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß sich das Verpassen von Maulkörben in Bonn nicht auf Hunde bezieht?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe das akustisch nicht verstanden.
— — daß das Verpassen von Maulkörben in Bonn sich nicht auf Hunde beziehen kann?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe es jetzt zwar akustisch verstanden, kann aber leider den Sinnzusammenhang nicht herstellen.
Es gibt noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel dazu. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang ist das Problem aufgetaucht, daß es insbesondere in der Zuhälterszene in verschiedenen deutschen Städten üblich geworden ist, sich regelrechte Kampfhunde, insbesondere Mastinos, zu halten, und die Frage, die sich eben in diesem Kreis anschließt, ist die, ob schon heute eine gesetzliche Möglichkeit besteht, derartigen Leuten die Haltung solcher ausgesprochener Kampfhunde, aggressiver Hunde, auf Lebenszeit zu verbieten, oder ob diese Möglichkeit nicht gegeben ist und, wenn diese Möglichkeit nicht gegeben ist, ob da nicht ein Regelungsbedarf besteht.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ihr Einzelfall bestätigt die Richtigkeit der Annahme, daß die Bundesregierung hier keinen Handlungsbedarf für sich sieht, sondern daß ausreichende gesetzgeberische Grundlagen bei den Ländern und Satzungen bei den Kommunen vorhanden sind, um das, was Sie als notwendig erachten, auch umzusetzen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Rusche.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß bei dem Problem der Führung von Hunden der Begriff „Führerschein", wenn überhaupt so ein Schein nötig sein sollte, eher angebracht wäre als „Waffenschein", weil man sonst vielleicht auch für ein Auto, das sehr gefährlich geführt werden kann, einen Waffenschein beantragen könnte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur erneut auf meine Antworten auf die bisherigen Fragen verweisen.
Das macht die Sache auch kürzer.
Jetzt kommt die Frage 39 des Abgeordneten Rusche:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung derzeit eine Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes vorbereitet, der zufolge eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit — und damit ein Ausweisungsgrund — stets auch dann vorliegen soll, wenn der Ausländer Träger einer LAV/HTLV-III-Infektion ist?
Er fühlt sich so befriedigt von seiner Zwischenfrage, daß er an seine Hauptfrage gar nicht mehr denkt. Sie sind jetzt dran, Herr Rusche.
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spanger, Parl. Staatssekretär: Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung gegenwärtig eine solche Änderung vorbereitet. Nach den geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen sind allerdings Ausländer, die sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten oder hier erwerbstätig werden wollen, grundsätzlich verpflichtet, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen — gemäß Nr.31 Buchstabe 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 21 des Ausländergesetzes.
Die Bundesregierung prüft, inwieweit es zweckmäßig und geboten ist, die Untersuchung auf eine etwaige Infektion mit AIDS-Erregern zu erstrecken. Die Bundesregierung wird sodann mit den Ländern erörtern, welche ausländerrechtliche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß ein Ausländer Träger von HTLVIII-Viren ist.
Zusatzfrage, Herr Rusche.
Herr Staatssekretär, welche Haltung zu ausländerrechtlichen Konsequenzen einer HTLV-III-Infektion hat der Vertreter der Bun-
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Ruschedesregierung in der Konferenz der Ausländerreferenten des Bundes und der Länder — ARB — eingenommen, als diese im Zusammenhang mit der Einführung einer einheitlichen Verwaltungspraxis bei der ärztlichen Untersuchung von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, über dieses Thema beriet?Spranger, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe hier nur über die Haltung der Bundesregierung zu berichten, und das habe ich getan.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Rusche.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn Sie mir diese Frage jetzt nicht aus dem Stegreif beantworten können, mir eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann den Versuch gerne unternehmen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, in der Fortsetzung der von Ihnen eben aufgestellten Überlegung auch Deutsche auf AIDS zu untersuchen, die ins Ausland fahren wollen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß Ihre Frage identisch ist mit der Frage, die der Herr Abgeordnete Rusche gestellt hat.
Aber ein gewisser Zusammenhang ist schon gegeben.
— Die Bundesregierung ist frei, zu entscheiden, wie sie zu antworten beabsichtigt.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Klose.
Da muß ich allerdings doch noch einmal nachfragen, Herr Staatssekretär: Habe ich das so richtig verstanden, daß im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen, die nach den gegenwärtigen Verwaltungsvorschriften vorgeschrieben werden können, auch beabsichtigt ist, Ausländer in Zukunft daraufhin zu untersuchen, ob sie Träger des sogenannten AIDS-Virus sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich darf noch einmal auf den zweiten Teil meiner Antwort verweisen, daß die Bundesregierung prüft, inwieweit es zweckmäßig und geboten ist, die Untersuchung auf eine etwaige Infektion mit AIDS-Erregern zu er- 1 strecken. Wenn die Prüfung abgeschlossen ist, wird die Bundesregierung mit den Ländern über das weitere Vorgehen beraten.
Meine Damen und Herren, alle restlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, die Fragen 40 bis 63, werden gemäß Ziffer 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Da wir viele Zuhörer haben, die diese Richtlinien naturgemäß nicht kennen können, möchte ich sagen, daß es darum geht, daß solche Fragen schriftlich beantwortet werden, die einen Tagesordnungspunkt der laufenden Sitzungswoche betreffen. Es handelt sich hier um Fragen, die nachher in der Regierungserklärung und der nachfolgenden De' batte eine Rolle spielen können.
Bei den Fragen, die schriftlich beantwortet werden, handelt es sich um die Frage 40 des Abgeordneten Engelsberger, die Frage 41 des Abgeordneten Stiegler, die Frage 42 des Abgeordneten Schreiner, die Frage 43 des Abgeordneten Vogel , die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Schulte (Menden), die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Ströbele, die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen), die Fragen 50 und 51 des Abgeordneten Stahl (Kempen), die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Dr. Kübler, die Frage 54 des Abgeordneten Hansen (Hamburg), die Frage 55 der Abgeordneten Frau Eid, die Frage 56 der Abgeordneten Frau Dann, die Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Senfft, die Fragen 59 und 60 des Abgeordneten Mann, die Fragen 61 und 62 der Abgeordneten Frau Zeitler und die Frage 63 des Abgeordneten Stiegler.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich kann ihn aber gleich wieder abschließen, weil die Frage 66 des Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup sowie die Frage 68 des Abgeordneten Dr. Diederich ebenfalls unter Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde fallen und schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Frage 67 des Abgeordneten Dr. Schierholz wird auf Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 64 und 65 des Abgeordneten Dr. Sperling sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung. Ich rufe zuerst die Frage 69 des Abgeordneten Klose auf:
Plant die Bundesregierung, für die nächste Legislaturperiode eine zusätzliche Steuer auf Bier, Wein und Schnaps sowie einen „Gesundheitspfennig" auf Zigaretten zu erheben ?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Klose, die Bundesminister Schäuble in der „Bild-Zeitung" vom 22. Februar 1986 zugeschriebene Äußerung zur Einführung besonderer Gesundheitssteuern trifft nicht zu.
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16516 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Parl. Staatssekretär Dr. VossDer Kollege Dr. Becker hatte sich zu dem Thema „Gesundheitspfennig" in der „Bild-Zeitung" am 7. Januar 1986 geäußert. Hierzu hat Bundesminister Dr. Schäuble in einem Schreiben vom 12. Februar 1986 an Herrn Dr. Becker wie folgt Stellung genommen — ich zitiere —:Ich gehe davon aus, daß Ihnen die erheblichen Bedenken des Bundesfinanzministers gegen eine derartige Maßnahme bekannt sind. Gleichwohl bin ich sicher, daß Ihre Vorschläge im Zusammenhang mit der für die nächste Legislaturperiode vorgesehenen Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung weiter diskutiert werden.
Zusatzfrage, Herr Klose? — Keine. Dann hat Herr Jung eine Zusatzfrage. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die finanziellen Auswirkungen von Steuererhöhungen zu nennen, wie sie von der SPD gefordert werden, z. B. die Erhöhung der Mineralölsteuer,
die Erhöhung der Energiesteuer und schließlich die Einführung einer Chemiesteuer? Treffen Zahlen zu, wonach hier 70 Milliarden DM mehr Steuereinahmen zu erwarten wären?
Also, ich kann den Zusammenhang mit der Ausgangsfrage nicht erkennen, Herr Jung. Aber wenn der Staatssekretär antworten will, so steht ihm das frei.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann soviel sagen, daß all diese Steuererhöhungen, die Sie genannt haben, zusammen schon einen Milliardenbetrag ausmachen würden.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung ein offenes Bekenntnis zu der von ihr beabsichtigten und von Bundesminister Dr. Bangemann sowie der CSU ausdrücklich geforderten Senkung des Einkommensteuer-Spitzensteuersatzes deshalb unterläßt, weil CDU-Generalsekretär Dr. Geißler vor der Bundestagswahl eine Diskussion hierüber verhindern will?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, es gibt keine Entscheidung der Bundesregierung über Einzelheiten der Steuerpolitik in der nächsten Legislaturperiode. Die Bundesregierung hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 1986 eine weitere Senkung des Lohn- und Einkommensteuertarifs in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt. Die Zielvorstellung sind hierbei ein sanft ansteigender linear-progressiver Tarifverlauf, eine deutliche Anhebung des Grundfreibetrags und eine weitere Verbesserung des Kinderfreibetrags.
Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat sich in dem von Ihnen zitierten Jahreswirtschaftsbericht aber doch eindeutig für eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes ausgeprochen. Sie hat auch durchaus den Zusammenhang erkannt, der zwischen Körperschaftsteuersatz und Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer besteht. Wieso können Sie dann jetzt behaupten, von der Bundesregierung sei keine Spitzensteuersatzsenkung geplant?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, über dieses Thema haben wir uns bereits in einer der letzten Fragestunden unterhalten. Ich habe Ihnen damals geantwortet — ich kann es nur wiederholen —, daß bei einer geplanten Senkung des Körperschaftsteuersatzes keine unbedingte Relation und Notwendigkeit zur Senkung auch des Einkommensteuerspitzensatzes besteht. Hier sehe ich nicht die von Ihnen unterstellte Notwendigkeit.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, wann wird sich die Bundesregierung zur Frage des Spitzensteuersatzes erklären? Wird diese Erklärung noch vor der Bundestagswahl oder nachher erfolgen?
Dr. Voss, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, wir sprechen hier über Steuersenkungen der nächsten Legislaturperiode. Von daher sehe ich keine Notwendigkeit, bereits in dieser Legislaturperiode die entscheidenden Dinge festzulegen und Beschlüsse dazu zu fassen. Das hat bis in die nächste Legislaturperiode hinein Zeit.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.
Herr Staatssekretär, halten Sie es dann für denkbar, daß man vom Herrn Bundeskanzler in seiner Funktion als Vorsitzender einer großen Partei etwas darüber hört, was eine von ihm geführte Bundesregierung zu tun gedenkt, sollte sie wider Erwarten die Bundestagswahlen gewinnen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, ich gehe davon aus, daß die jetzige Bundesregierung die Bundestagswahlen gewinnen wird.
Ich bin sicher, daß zu geeigneter Zeit dann auch der Bundeskanzler zu wichtigen Fragen der Steuerpolitik Stellung nehmen wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Wie kommt es eigentlich, Herr Staatssekretär, daß Sie sich über die angeblichen Steuerpläne der SPD auf eine Zusatzfrage aus der CDU/CSU so exakt informiert fühlten, dagegen das Parlament über Ihre eigenen Steuerpläne im ungewissen lassen?
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16517
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, man kann über die Steuerpläne der SPD, die ich das letzte Mal hier genannt habe, in allen Zeitungen lesen. Sie sind detailliert dargestellt. Das, was die Steuerpläne dieser Bundesregierung für die nächste Legislaturperiode betrifft, ist nur in Grundzügen festgelegt. Es gibt aber keinerlei Entscheidung. Hier sind lediglich Modellrechnungen vorgenommen worden, aber nicht im Sinne einer Entscheidung, wie Sie das gerne hätten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Penner.
Herr Staatssekretär, beruhen die Überlegungen der Bundesregierung zur Senkung des Spitzensteuersatzes darauf, daß sich Erfolg wieder lohnen muß?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Penner, die gesamten Überlegungen der Bundesregierung zur Senkung der Steuerlast beruhen letztlich auf dem Gedanken, daß sich Leistung und Arbeit wieder lohnen müssen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier.
Herr Staatssekretär, wäre es dann nicht angemessener, Sie würden endlich die ungeheuer hohe Lohnsteuerquote, die erst unter Ihrer Regierung so hoch geworden ist,
abbauen, und kann es sein, daß Sie — da Sie sich heute nicht endgültig zum Spitzensteuersatz äu-Bern wollen — die Absicht haben, im Bundestagswahlkampf mit der FDP die gleiche Arbeitsteilung wie bei der Ergänzungsabgabe 1983 derart vorzunehmen, daß die FDP sagt, der Spitzensteuersatz werde gesenkt, Sie als Volkspartei das aber nicht sagen, weil es Ihnen unangenehm ist, und nach der Wahl senken Sie dann den Spitzensteuersatz entgegen Ihrem Wahlversprechen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Matthäus, ich muß Ihnen sagen, daß die Bundesregierung im Zuge der Durchsetzung ihrer Steuerpläne — bei einem linear ansteigenden Progressionstarif — natürlich auch die Lohnsteuer in einem Maße senken wird, wie das nach ihren Vorstellungen — daß sich Leistung und Arbeit nämlich wieder lohnen müssen — notwendig ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie es für denkbar halten, zwar den Körperschaftsteuersatz für nicht ausgeschüttete Gewinne zu senken, Sie daraus aber keine Schlußfolgerungen ziehen, was die Senkung des Spitzensteuersatzes für die Einkommensteuer anbelangt? Und was bedeutet das eigentlich für die große Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen, für die die Unternehmensteuer die Einkommensteuer ist? Halten Sie das in der Tat für eine durchhaltbare Position?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Apel, ich habe eben darzulegen versucht, daß ich die Relation zwischen Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerspitzensatz nicht in der Stringenz sehe, wie das der Kollege Spöri sagt. Ich muß Ihnen sagen, daß beispielsweise bei der Körperschaftsteuer eine ganz andere Durchschnittsbelastung besteht als bei der Einkommensteuer. Von daher wäre es zumindest für einen gewissen Zeitraum schon erträglich, eine Differenz in den beiden Spitzensteuersätzen zu haben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Poß.
Herr Staatssekretär, wenn Ihre Steuerpolitik so angelegt ist, daß sich Leistung wieder lohnt: Bei welchem Monatseinkommen beginnt bei Ihnen der Leistungsträger?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Der Leistungsträger, Herr Kollege Poß, beginnt bei uns an dem Punkt, wo die Steuerpflicht überhaupt anfängt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Pfuhl.
Herr Staatssekretär, würden Sie den Vorschlag des Finanzausschusses des amerikanischen Senats, den Durchschnittssteuersatz auf 15 % bzw. den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer auf höchstens 27 % festzunageln, auch in der Bundesrepublik für vertretbar halten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die amerikanischen Verhältnisse sind auf die deutschen Verhältnisse nicht in einer unveränderten Form übertragbar. Von daher muß man die Situation in Amerika von der in der Bundesrepublik deutlich unterscheiden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schlatter.
Herr Staatssekretär, ich darf auf Ihre Antwort zurückkommen, die Sie vorhin zum Verhältnis von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer gegeben haben. Sie haben hier mit einer Durchschnittssteuerbelastung operiert. Ich frage mich, ob Sie künftig die durchschnittliche Steuerbelastung zum Gegenstand Ihrer Steuerpläne machen oder ob Sie dabei bleiben, daß entscheidend der Grenzsteuersatz ist und von daher die Entscheidung zu treffen wäre.Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß sowohl den Grenzsteuersatz als auch den Durchschnittssteuersatz, als auch den Individualsteuersatz in den einzelnen Fällen in die Überle-
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Parl. Staatssekretär Dr. Vossgungen einbeziehen, um zu einem tragbaren und gerechten Ergebnis zu kommen.
Ich habe jetzt noch eine Meldung zu einer Zusatzfrage zu dieser Frage. Wir haben noch eine ganze Reihe weiterer Fragen zu diesem Gesamtbereich. Ich schlage vor, daß wir dann ein bißchen schneller machen.
Herr Schreiner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie eben gesagt haben, Leistung muß sich wieder lohnen, frage ich: Wie beurteilen Sie den Umstand, daß sich in der Geschichte der Bundesrepublik — um in Ihrer Sprache zu bleiben -- Leistung noch nie so wenig gelohnt hat wie in den letzten drei Jahren während Ihrer Regierungszeit, daß die Summe von Steuer- und Sozialabgabenbelastung niemals seit 1949 ein solches Niveau erreicht hat, wie wir es gegenwärtig haben?
Dr. Voss, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, was Sie gerade ausgeführt haben, ist und bleibt eine pure Behauptung, für die Sie jeden Nachweis schuldig bleiben müssen.
Ich komme jetzt zur Frage 71 des Abgeordneten Dr. Spöri:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die für die neunziger Jahre geplante große Steuerreform z. T. durch eine Erhöhung der indirekten Steuern zu finanzieren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, es gibt keine Entscheidung der Bundesregierung für eine solche Steuerumschichtung. Es gibt zur Zeit lediglich die Absicht der Bundesregierung, für die 90er Jahre eine große Steuerreform durchzuführen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Spöri.
Herr Kollege Voss, kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Bundesregierung gegenwärtig auf EG-Ebene über eine Veränderung der Mehrwertsteuersätze und der Verbrauchsteuersätze verhandelt?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Spöri, daß im Rahmen der Steuerharmonisierung auf EG-Ebene durchaus Gespräche in dieser Richtung stattfinden. Aber ich kann Ihnen auch sagen, daß die EG gesagt hat, daß eine Schwankung von ± 2,5 Prozentpunkten möglich sei. Wenn der Spitzensteuersatz im EG-Raum auf 16,5% festgesetzt werden würde, könnten wir durchaus bei unserem Steuersatz von 14 % bleiben.
Können Sie, Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund dieser Verhandlungen eine Erhöhung spezieller Verbrauchsteuern ausschlieBen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spöri, ich merke sehr deutlich, wo Ihre Frage hingeht. Ausschließen im denkbaren Sinne können Sie an sich überhaupt nichts. Aber Sie können sich darüber im klaren sein, daß die Bundesregierung keine Entscheidung treffen wird, die man als eine unsoziale wird bezeichnen können.
Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Huonker auf:Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Steuerausfälle bei Senkung des Einkommensteuer-Spitzensteuersatzes von 56 v. H. auf 52 v. H. bzw. 49 v. H. , wenn die Senkung auf 55 v. H. zu einem Steuerausfall von rund 300 Millionen DM führen würde (vgl. Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss, Plenarprotokoll 10/210 S. 16100), und wie hoch ist die Zahl der davon Begünstigten?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Voss, Pari. Staatssekretär:- Herr Kollege Huonker, wie bereits in der Fragestunde am 17. April 1986 mitgeteilt, würde eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 56 v. H. auf 55 v. H. zu Steuerausfällen in einer Größenordnung von rund 300 Millionen DM führen. Würde man den Spitzensteuersatz stärker absenken und gleichzeitig einen linearen Progressionstarif einführen, würden vor allem die Steuerpflichtigen in der Progressionszone — das ist die große Mehrheit der Steuerzahler — stärker entlastet.Je nach Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung und das Entlastungsjahr ergeben sich z. B. bei Einführung linear-progressiven Tarifs und einer Senkung des Spitzensteuersatzes auf 52 v. H. Steuerausfälle in einer Größenordnung von rund 30 Milliarden DM und bei Senkung des Spitzensteuersatzes auf 49 v. H. Steuerausfälle von etwa 35 Milliarden DM. Diese höheren Steuerausfälle entfallen aber, wie gesagt, überwiegend auf die Progressions-zone und nicht auf die obere Proportionalzone. Begünstigt wären bei einer solchen Steuerentlastung alle Steuerpflichtigen in der Progressionszone — das sind etwa 14 Millionen Steuerzahler —, in der oberen Proportionalzone dagegen nur rund 140 000 Steuerpflichtige. Bei Anhebung auch des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags würden alle Steuerzahler entlastet. Dies wären 19,3 Millionen, wenn man die Doppelverdiener als einen Fall zählt.Bei allen bisher genannten Zahlen handelt es sich aber immer nur um rein rechnerische Ergebnisse auf Grund von Modellrechnungen, weil die Eckdaten über die wirtschaftliche Entwicklung in
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Parl. Staatssekretär Dr. Vossden 90er Jahren nicht vorliegen und Einzelheiten über die genaue Tarifgestaltung, z. B. die Tarifformel, noch nicht festgelegt sind. Politische Entscheidungen über den Einkommensteuertarif werden erst in der nächsten Legislaturperiode getroffen.
Eine Zusatzfrage, Herr Huonker.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie dankenswerterweise meine Frage sehr ausführlich beantwortet, aber nicht das gesagt haben, wonach ich gefragt habe, frage ich noch einmal: Welcher Betrag — summenmäßig — entfällt bei einer Absenkung des Spitzensteuersatzes in der von mir nachgefragten Weise auf die obere Proportionalzone?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, das ist nicht zu sagen. Ich habe Ihnen klarzumachen versucht, daß das von den Fakten abhängt, die wir zur Zeit noch nicht wissen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Huonker.
Ich will das nicht vertiefen.
Ich frage dann: Halten Sie die Einführung eines linear-progressiven Tarifs a) für theoretisch möglich und b) für politisch wahrscheinlich, ohne zugleich im Bereich der heutigen oberen Proportional-zone zu erheblichen Steuersenkungen zu kommen? Anders gefragt: Ist die Einführung des linear-progressiven Tarifs, wie von Ihnen vorgesehen, ohne eine Senkung der Steuern in den Bereichen, in denen heute der Spitzensteuersatz gezahlt werden muß, denkbar oder wahrscheinlich?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, ich halte das durchaus für denkbar. Es ist eine Lösung möglich, die lediglich den jetzigen Mittelstandsbauch begradigt und einen sanft ansteigenden linear-progressiven Tarif schafft. Das wäre schon eine ungeheure steuerliche Entlastung, Herr Kollege Huonker.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu — Sie führten vorhin an, Kinderfreibeträge würden gleichmäßig entlasten —, daß ein Kinderfreibetrag bei einem hohen Einkommen effektiv unter dem Strich mehr Steuerentlastung bringt, als wenn sich das Einkommen gerade in der Progressionszone bewegt?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist völlig klar, daß Entlastungen bei einem progressiven Tarif unterschiedlich wirken. Hier wird auch das Einkommen durch die Progression entsprechend stärker belastet; ergo wird auch eine Entlastung etwas stärker als im unteren Bereich sein.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Wartenberg.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, können Sie noch einmal verdeutlichen, wieviel Prozent der Steuerzahler sich in der unteren Proportionalzone und in der Progressionszone befinden und wieviel Prozent demnach von den Plänen der Bundesregierung über Steuersenkungen in diesem Bereich profitieren würden?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich habe das soeben gesagt, Herr Kollege von Wartenberg. Bei den Plänen, die die Bundesregierung für die nächste Legislaturperiode hat, wo der Grundfreibetrag deutlich erhöht werden soll, wo die Kinderfreibeträge deutlich erhöht werden sollen, wo es zu einem progressiv ansteigenden linearen Tarif kommen soll, wird sozusagen die Mehrzahl aller Steuerpflichtigen, insbesondere aber werden auch diejenigen in den unteren Einkommensbereichen steuerlich stark entlastet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Staatssekretär, kann ich also Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Klejdzinski entnehmen, daß dem Staat durch die Eintragung eines Steuerfreibetrags das Kind des Höherverdienenden mehr wert ist als das Kind des Geringerverdienenden?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist eine Frage, die ich in dieser Form nicht zu bejahen bereit bin.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Huonker auf:
Hält die Bundesregierung zur Vollendung des EG-Binnenmarktes eine Harmonisierung der indirekten Steuern für erforderlich und geht sie davon aus, daß dies ohne eine Anhebung des inländischen Umsatzsteuersatzes von derzeit 14 v. H. möglich sein wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, in Übereinstimmung mit der EG-Kommission hält die Bundesregierung zur Vollendung des EG-Binnenmarktes eine Harmonisierung der indirekten Steuern für erforderlich. Ob sich im Zuge dieser Harmonisierung für die Bundesrepublik Deutschland die Frage einer Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von derzeit 14 v. H. stellen wird, kann zur Zeit nicht abschließend beurteilt werden. Ein entsprechender Richtlinienvorschlag der EG-Kommission liegt bisher nicht vor.
In ihrem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes hält die EG-Kommission eine Steuersatzangleichung auf plus/minus 2,5-v. H.-Punkte an einen gemeinschaftlich zu bestimmenden Orientierungssatz für ausreichend. Wird dieser Orientierungssatz nicht höher als bei 16,5 v. H. festgelegt, kann in der Bundesrepublik Deutschland der allgemeine Steuersatz von 14 v. H. ohne weiteres beibehalten werden.
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Parl. Staatssekretär Dr. Voss
Selbstverständlich wird die Bundesregierung bei den Beratungen in Brüssel für eine Harmonisierung der Steuersätze auf möglichst niedrigem Niveau eintreten.
Zusatzfrage, Herr Huonker.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß für die Frage der Harmonisierung der indirekten Steuern — insbesondere bei der Mehrwertsteuer — die Harmonisierung der tatsächlichen Erfassung der steuerpflichtigen Umsätze mindestens genauso wichtig ist wie die Harmonisierung der Sätze, und teilen Sie ferner meine Auffassung, daß — was die Frage der Besteuerungspraxis angeht — die Unterschiede innerhalb der EG-Staaten mindestens so groß sind wie bei den Sätzen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, es ist zuzugeben, daß die Bemessungsgrundlagen, daß die Harmonisierung der Sätze im Gesamtkontext eine große Rolle spielen.
Herr Huonker, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung im Rahmen der Harmonisierung der indirekten Steuern auch auf die Harmonisierung der tatsächlichen Erfassung der steuerbaren Umsätze hinwirken?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihre Frage rein akustisch nicht verstanden.
Wird die Bundesregierung bei Ihren Bemühungen um die Harmonisierung der indirekten Steuern auch darauf hinwirken, daß es eine gleichmäßige Besteuerungspraxis geben wird?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Huonker, das ist eines der Ziele, die im Rahmen der EG angestrebt werden müssen. Sowohl die Bemessungsgrundlagen, die Steuersätze, als auch die Erhebung müssen in vielen Teilen noch deutlich verbessert werden.
Ich rufe Frage 74 des Abgeordneten Dr. Struck auf:
Handelt es sich bei der Regelung in § 23 Abs. 5 Körperschaftsteuergesetz, wonach die Körperschaftsteuer entsprechend zu ermäßigen oder zu erhöhen ist, wenn die Einkommensteuer auf Grund der Ermächtigung des § 51 Abs. 3 Einkommensteuergesetz herabgesetzt oder erhöht wird, um einen gesetzlichen Automatismus zur Wahrung gleicher Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Struck, § 23 Abs. 5 Köperschaftsteuergesetz koppelt den Körperschaftsteuersatz nur für einen Sonderfall an den Einkommensteuersatz. Nach dieser Vorschrift ermäßigt oder erhöht sich der Körperschaftssteuersatz entsprechend, wenn der Einkommensteuersatz aus konjunkturpolitischen Gründen unter den in § 51 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes genannten Voraussetzungen geändert wird. § 51
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes enthält die Ermächtigung, bei Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch Rechtsverordnung die Einkommensteuer zeitweilig um höchstens 10 v. H. herauf- oder herabzusetzen. Ein gesetzlicher Automatismus zur Wahrung gleicher Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer besteht deshalb nicht.
Zusatzfrage, Herr Dr. Struck.
Herr Staatssekretär, würden Sie nach Bewertung der Rechtslage aber nicht doch davon ausgehen, daß unter Umständen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Sonderfall, von dem Sie soeben gesprochen haben, in absehbarer Zeit vorliegen könnten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das sind reine Spekulationen. Ich sehe zur Zeit keinen Anhaltspunkt für das, was Sie hier unterstellt haben.
Sie haben eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, würden Sie meiner Auffassung zustimmen, daß es — selbst wenn es keinen gesetzlichen Automatismus gäbe — der Politik der Bundesregierung entspräche, doch einen politischen Automatismus in der Weise herzustellen, daß man bei einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes auch den Einkommensteuersatz senkt?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Struck, ich habe das soeben bereits ausgeführt. Ich sehe diesen Automatismus nicht, und ich sehe auch nicht die zwingende Notwendigkeit, daß hier eine Gleichheit besteht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.
Herr Staatssekretär, der Grundsatz, daß das Steuerrecht rechtsformneutral sein soll, ist ja unbestritten. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, wie groß die Differenz zwischen dem Körperschaftsteuersatz und dem Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer Ihrer Vorstellung nach sein kann, wenn man an dem von mir erwähnten Grundsatz festhalten will.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, es ist schwierig, das jetzt auf einen Prozentpunkt genau zu sagen. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, daß eine Differenz zwischen 1 und 3 Prozentpunkten durchaus erträglich wäre.
Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Dr. Struck auf:
Würde es der Politik der Bundesregierung nicht widersprechen, Einzelunternehmen und Personengesellschaften, an denen natürliche Personen beteiligt sind, steuerlich höher zu belasten als Kapitalgesellschaften?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Struck, eine steuerliche Höherbelastung der Unternehmen gehört nicht zur Politik der Bundesregierung. Im Gegenteil: Die Bundesregierung beabsichtigt eine Entlastung der Unternehmen und der arbeitenden Bürger. Im Mittelpunkt der steuerpolitischen Überlegungen der Bundesregierung für die nächste Legislaturperiode steht eine weitere Senkung des Einkommensteuertarifs. Dies würde vor allem auch mittelständische Personenunternehmen entlasten, deren Gewinn steuerlich unmittelbar den Inhabern zugerechnet wird.
Auch bei einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf nicht ausgeschüttete Gewinne würde die Bundesregierung nur Vorschläge unterbreiten, die die Wettbewerbslage der Personenunternehmen nicht beeinträchtigt. Bei der Einkommensteuer werden nur die Einkommensteile oberhalb eines Einkommens von 130 000 DM bei Ledigen und 260 000 DM bei Verheirateten heute mit 56 % besteuert, während die darunterliegenden Einkommensteile Sätzen von 0 bis weniger als 56 % unterliegen. Dies führt dazu, daß der Durchschnittsteuersatz für Gewinne von Personenunternehmen immer unterhalb von 56 % liegt. Der Körperschaftsteuersatz von 56 % wird dagegen stets auf den gesamten nicht ausgeschütteten Gewinn angewendet.
Zusatzfrage, Herr Dr. Struck.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung, wie Sie eben dargestellt haben, beabsichtigt, den Körperschaftsteuersatz in der nächsten Legislaturperiode zu senken, frage ich: Ergibt sich nicht aus der Logik ihrer bisherigen Steuerpolitik, daß sie dann auch den Einkommensteuerspitzensatz senken muß?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Struck, ich habe Ihnen eben gesagt, daß Entscheidungen auch in diesem Punkt wie in anderen Punkten nicht gefallen sind. Sie können also nicht davon ausgehen, daß der Körperschaftsteuersatz definitiv gesenkt wird. Die Bundesregierung sieht nur mit aller Deutlichkeit, daß es in sehr vielen anderen Staaten bedeutend niedrigere Körperschaftsteuersätze gibt und daher Wettbewerbsverzerrungen festzustellen sind. Zur Beseitigung dieser Wettbewerbsverzerrungen wird sich die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode Entsprechendes zu überlegen haben.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Struck.
Herr Staatssekretär, wie gedenkt denn die Bundesregierung nach einer entsprechenden Senkung des Körperschaftsteuersatzes dem Vorwurf zu begegnen, daß eine Nichtsenkung des Einkommensteuersatzes, wie Sie sie eben dargestellt haben, dem Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit widerspricht?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen eben darzulegen versucht, Herr Kollege, daß die Voraussetzungen der Belastung bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer nicht gleich sind. Bei der Körperschaftsteuer wird der gesamte nicht ausgeschüttete Gewinn von Anfang an mit 56 % belastet. Dagegen ist die Belastung bei der Einkommensteuer sehr viel geringer und steigt bis auf 56 % an.
Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin gesagt haben, daß unter dem Gesichtspunkt der Rechtsformneutralität des Steuerrechts die Differenz zwischen Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerspitzensatz nicht größer als 3 % sein sollte, frage ich: Kann man daraus schließen, daß, wenn der Körperschaftsteuersatz um mehr als 3 % gesenkt wird, damit automatisch steuerpolitisch eine Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer verbunden ist?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Huonker, das können Sie daraus nicht schließen. Ich habe eben gesagt, daß eine Marge bis zu 3 % vielleicht erträglich wäre. Aber ich habe ihnen auch gesagt, daß die Entscheidungen darüber noch nicht gefallen sind. Die Entscheidungen fallen in der nächsten Legislaturperiode. Daher ist das, was Sie hier ausführen, rein spekulativ.
Ich rufe noch die Frage 76 des Abgeordneten Schlatter auf:
Geht die Bundesregierung davon aus, daß bei einer Erhöhung des Grundfreibetrags auch das Ende der unteren Proportionalzone hinausgeschoben werden muß, oder hält sie — wie bereits beim Steuersenkungsgesetz 1986/88 — eine weitere Verkürzung der Spanne der unteren Proportionalzone für sinnvoll?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schlatter, im Mittelpunkt der steuerpolitischen Überlegungen der Bundesregierung für die nächste Legislaturperiode steht eine weitere Senkung des Lohn- und Einkommensteuertarifs. Die Zielvorstellungen sind hierbei ein sanft ansteigender linear-progressiver Tarifverlauf, eine weitere deutliche Anhebung des Grundfreibeitrags und eine weitere Anhebung der Kinderfreibeträge zugunsten der Familien. Die Bundesregierung sieht keine zwingende Notwendigkeit, bei der weiteren Erhöhung des Gundfreibetrags auch das Ende der unteren Proportionalzone hinauszuschieben. Theoretisch wäre sogar ein sogenannter durchgehend progressiver Tarif denkbar, bei dem auf eine untere Propoportionalzone verzichtet wird, die Steuerprogression mit einem niedrigeren Satz als 22 % also bereits unmittelbar im Anschluß an den Grundfreibetrag einsetzt.
Zusatzfrage, Herr Schlatter.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung der Tatsache, daß immer mehr Steuerpflichtige in die untere Progressionszone hineinwachsen, keine
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16522 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
SchlatterBedeutung beimißt und deshalb auch nicht zu Korrekturen in diesem Bereich bereit ist?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schlatter, ich haben Ihnen eben dargelegt, daß die Bundesregierung eine deutliche Anhebung des Grundfreibetrags plant. Von daher ist Ihre Frage nicht so zu beantworten, wie Sie sie gerade gestellt haben.
Letzte Zusatzfrage, Herr Schlatter.
Danke. Ich habe keine Zusatzfrage. Vielleicht kann noch die Frage 77 beantwortet werden.
Tut mir leid. Ich muß jetzt abbrechen, weil wir den Zeitpunkt des Abschlusses der Fragestunde erreicht haben. Ihre nächste Frage wird ebenso wie die weiteren Fragen in der morgigen Fragestunde aufgerufen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich einigen Kolleginnen und Kollegen zum Geburtstag gratulieren. Am 3. Mai 1986 hat der Abgeordnete Spilker seinen 65. Geburtstag gefeiert.
Am 11. Mai 1986 hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher ebenfalls ihren 65. Geburtstag gefeiert.
Der Abgeordnete Müller hat am 13. Mai seinen 70. Geburtstag gefeiert.
Ich darf der verehrten Kollegin und den beiden Kollegen im Namen des ganzen Hauses unsere besten Glückwünsche übermitteln.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tageordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Reaktorunfall in der Sowjetunion und zum Wirtschaftsgipfel in Tokio.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Beratung vier Stunden vorgesehen.
Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/5471 bis 10/5473 und 10/5477 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5478 vor. Weiterhin sind Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie der SPD vorgelegt worden, die während der Beratung noch verteilt werden.
Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung dem Herrn Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel in Tokio habe ich aus aktuellem Anlaß beantragt, die Tagesordnung des Gipfeltreffens kurzfristig um das Thema „Reaktorunfall in der Sowjetunion" zu erweitern.Was in Tschernobyl geschehen ist, hat uns alle tief betroffen gemacht. Unser Mitgefühl gilt allen Unfallopfern. Wir haben gemeinsam mit anderen sofort medizinische und technische Hilfe angeboten. Ich möchte dieses Angebot heute ausdrücklich erneuern.
Sorge, Unruhe und auch Angst bewegen viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in unseren Nachbarländern. Hierfür habe ich viel Verständnis. Wenn sich der Einzelne, wenn sich der Mensch von Unwägbarem bedroht fühlt, wird er im innersten Kern seiner Existenz getroffen.Wir sind mit dem technischen Fortschritt in Bereiche vorgestoßen, die die Vorstellungskraft der meisten Menschen überschreiten.
Bei Rückschlägen halten wir um so erschrockener inne. Wie viele unter uns begreifen schon die Grundlagen und die Abläufe moderner Nukleartechnik? Es ist nur zu gut zu verstehen, daß wir aufschrecken, wenn wir von einem Störfall in einem Kernkraftwerk erfahren.Das Unglück in der Sowjetunion beunruhigt uns besonders, weil Radioaktivität ausgetreten ist. Gegenüber dieser Gefahrenquelle fühlen sich die Menschen hilflos, weil sie die Wirkung nicht mit ihren Sinnesorganen wahrnehmen können. Die Gefährdung ist anonym und wird gerade deshalb als beklemmend und als bedrohlich empfunden.Meine Damen und Herren, Tschernobyl liegt 1 500 km von uns entfernt, und dennoch geht uns das Unglück ganz unmittelbar an. Viele Mitbürger fragen sich besorgt, wie weit wir bei der Nutzung moderner Technik gehen dürfen, wenn ein solches Unglück kontinentale Dimensionen gewinnen kann. Es liegt nahe, daß so auch Angst entsteht. Niemand von uns kann und darf diese Sorgen und Ängste einfach beiseite schieben.Daß jetzt eine intensive Diskussion stattfindet — weltweit wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland —, ist ebenso natürlich wie notwendig. Aber diese Diskussion muß gerade deshalb, weil es dabei letztlich auch um menschliche Urängste geht, ganz unvoreingenommen, mit Redlichkeit und mit Realismus geführt werden.
Ich bin gegen jede Bagatellisierung und Beschwichtigung, aber ebenso wende ich mich entschieden gegen das Schüren von Katastrophenstimmung.
Wer den Menschen wirklich helfen will, darf nicht bei ihren Ängsten stehenbleiben.Der Verantwortung, die uns in dieser Welt aufgetragen ist — es ist keine perfekte und keine heile Welt —, können wir nicht entfliehen. Wir könnenBundeskanzler Dr. Kohlauch unserer Unvollkommenheit als Menschen nicht entrinnen. Absolute Sicherheit gibt es für keinen Bereich des menschlichen Lebens.Meine Damen und Herren, wir haben aber die Pflicht, das Äußerste dafür zu tun, daß die Nachteile des technischen Fortschritts so gering wie irgend möglich gehalten werden. Denn die Chancen des Fortschritts wollen, j a müssen wir alle nutzen. Sie dienen den Menschen, sie erleichtern — wie wir alle wissen — unser Leben, sie machen es menschenwürdiger, sie versetzen uns in die Lage, Kranken und Schwachen besser zu helfen sowie Hunger und Not in der Welt zu bekämpfen.Dies gilt auch für die Kernenergie.
Sie bietet viele Chancen, aber wir müssen sie behutsam nutzen.Deshalb, meine Damen und Herren, sind hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland die Sicherheitsbestimmungen extrem streng und die Anforderungen an Fachkunde und technisches Können des Bedienungspersonals besonders hoch.
Wir fordern nicht nur vielfältige Vorsichtsmaßnahmen, um einen Störfall zu verhindern. Unsere Reaktoren haben — anders als die Anlage in Tschernobyl — mehrere unterschiedlich wirkende Sicherheitssysteme. Diese sind voneinander unabhängig und jeweils für sich allein bereits ausreichend. Wir verlangen auch Vorkehrungen, die ausschließen sollen, daß bei einem Störfall — wenn er einmal eintreten sollte — Radioaktivität nach außen entweichen kann.
Gerade das Wissen darum, daß es absolute Sicherheit nicht gibt, daß ein Restrisiko verbleibt, war und ist also die Grundlage für alle Entscheidungen, um größtmögliche Sicherheit bei der Nutzung von Kernenergie zu gewährleisten. Deshalb gehören die Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland mit zu den sichersten Anlagen in der Welt.
Meine Damen und Herren, auf dieser Grundlage ist das theoretisch verbleibende Restrisiko vertretbar und die Nutzung der Kernenergie ethisch zu verantworten.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber 1978 bescheinigt, daß er einen Maßstab aufgerichtet hat,der Genehmigungen nur dann zuläßt, wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, daß ... Schadensereignisse eintreten werden.
Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft— so das Bundesverfassungsgericht —haben ihre Ursache in den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens; sie sind unentrinnbar und insofern als sozial-adäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen.Der Reaktor von Tschernobyl wäre in der Bundesrepublik Deutschland niemals genehmigt worden.
Die Sicherheitsvorkehrungen dort sind in keiner Weise mit jenen vergleichbar, die bei uns durch den gemeinsamen Willen des Gesetzgebers zwingend vorgeschrieben sind.Wir verlangen beim Bau von Kernkraftanlagen Sicherheitsstandards, die weltweit unübertroffen sind. Bei keiner anderen technischen Anlage werden so hohe Anforderungen an die Sicherheit und an die Verminderung des letzten Restrisikos gestellt wie im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Die strengen Schutzvorschriften und ihre Bewährung in der Praxis bleiben die Grundlage für unsere verantwortete Entscheidung, die Kernenergie zu nutzen.Meine Damen und Herren, die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen hatten bei den Entscheidungen zur Kernenergie seit 30 Jahren bei allen Bundesregierungen und für die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP Vorrang vor allen anderen Erwägungen — besonders auch vor wirtschaftlichen Erwägungen.
Eine Absage an die Kernenergie geht darüber hinweg, daß praktisch alle heute gangbaren Wege zur Energieversorgung mit Risiken verbunden sind, die die menschliche Gesundheit in der einen oder anderen Form beeinträchtigen können. Für die Gesundheit der Menschen hat die Kernenergie den Vorteil, daß sie die Luft nicht mit Schadstoffen wie Schwefeldioxid belastet.
Und diese Energiequelle ist auch umweltschonend.Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren oft über die Schäden in unseren Wäldern debattiert. Jedermann weiß, daß auch die Gesundheit des Waldes von der Reinhaltung der Luft abhängt. • Die Bundesregierung hat von der Förderung des umweltfreundlichen Autos bis hin zum verpflichtenden Filtereinbau in Kohlekraftwerke weitreichende Maßnahmen beschlossen.
Aber wir alle wissen doch auch: Mit einem nochhöheren Anteil von fossilen Brennstoffen an der
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16524 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Bundeskanzler Dr. KohlEnergieerzeugung wäre unser Wald noch viel stärker gefährdet.Weil unser Sicherheitskonzept so anspruchsvoll ist, dürfen wir auch die wirtschaftlichen Vorteile der Kernenergie nutzen.
Als kostengünstige Energiequelle sichert die Kernenergie viele Arbeitsplätze. Wir decken damit heute gut ein Drittel unseres Strombedarfs ab. In Hessen sind es rund 70 %, in Niedersachsen gut 60%. Wer aus der Kernenergie aussteigen will, muß der Öffentlichkeit erst einmal darlegen, wie er eine Lücke in dieser Größenordnung schließen kann.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Sie haben nachher Gelegenheit, sich zu äußern.
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr damit einverstanden, daß die deutsche Öffentlichkeit zur Kenntnis nimmt,
daß Ihre Tätigkeit in diesem Hause, die damit begonnen hat, mit friedlichen Pflanzen einzuziehen, heute im wesentlichen darin besteht, den Ablauf des Geschehens zu stören und einen Beitrag zur Verleumdung politischer Gegner zu leisten.
Als heimischer Energieträger steht uns daneben im wesentlichen die Kohle zur Verfügung. Aber erst die Kernenergie ermöglicht durch ihre günstigen Erzeugungskosten, daß die Verstromung heimischer Kohle im heutigen Umfang wirtschaftlich verkraftbar bleibt.
So hat 1981 die damalige Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Schmidt mit Zustimmung aller Fraktionen in der dritten Fortschreibung des Energieprogramms klar ausgesprochen, daß die Kernenergie in der sogenannten Grundlast einen Kostenvorsprung gegenüber der Steinkohle hat.
Deshalb sei sie geeignet — ich zitiere —, „die steigenden Kosten der Kohlekraftwerke zu mildern". Meine Damen und Herren, mit anderen Worten: Die Kernenergie trägt maßgeblich zur Absicherung der Steinkohle bei,
und so war der begrenzte Ausbau der Kernenergie eine Voraussetzung für den sogenannten Jahrhundertvertrag mit seiner Kohleabnahme-Garantie.Niemand sollte verkennen, daß unsere Volkswirtschaft insgesamt auf kostengünstige Energie angewiesen ist, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen. Energieeinsparung ohne Gefährdung von Arbeitsplätzen und unserer Wettbewerbsfähigkeit wäre deshalb die Voraussetzung für eine Verringerung des Anteils der Kernenergie an unserem Stromaufkommen.Die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland
ist also ethisch verantwortbar,
weil unsere Sicherheitsanforderungen so anspruchsvoll sind und Sicherheit für uns höchste Priorität hat.
Sie dient unserer Gesundheit und schützt unsere Umwelt, weil sie die Luft nicht belastet.
Sie ist wirtschaftlich sinnvoll, weil sie unserer Volkswirtschaft durch niedrige Kosten Arbeitsplätze erhält.
Meine Damen und Herren, deshalb haben der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung in den letzten 30 Jahren über Parteigrenzen hinweg und im Konsens mit den Regierungen der Länder die friedliche Nutzung der Kernenergie auf- und ausgebaut.
Dabei wurden Anfang der siebziger Jahre von der damaligen Bundesregierung Willy Brandt erheblich mehr Kernkraftwerke für 1985 vorgesehen, als wir heute haben. Noch 1980 sagte Bundeskanzler Schmidt in einer Regierungserklärung von diesem Platz aus — ich zitiere:Die Bundesregierung hält einen weiteren Ausbau der Kernenergie sicherheitstechnisch für vertretbar und auf absehbare Zukunft, d. h. jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte, energiepolitisch für notwendig.Meine Damen und Herren, wer heute vorschlägt, bei uns alle Kernkraftwerke abzuschalten, muß wissen, daß er damit viele tausend Arbeitsplätze vernichtet — und zwar überall in unserer Wirtschaft.
Wer die Stromerzeugung aus Kernenergie bei unsverhindern will, muß wissen, daß er damit neueDeutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16525Bundeskanzler Dr. KohlUmweltprobleme schafft — sowohl für unsere Wälder als auch für andere Bereiche der Natur.Meine Damen und Herren, im übrigen vergeuden wir mit der Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle beschränkte Rohstoffreserven, auf die die Menschheit auch in kommenden Generationen angewiesen sein wird
und die die Länder der Dritten Welt heute schon dringender brauchen als wir.
Es sind vor allem die Entwicklungsländer, die den Ausstieg der großen Industrienationen und damit auch der Bundesrepublik Deutschland aus der Kernenergie bezahlen müßten.Im übrigen: Wenn wir bei uns die Anlagen abschalten, vermindern wir in gar keiner Weise die Gefahren, die etwa von Anlagen in der Sowjetunion oder anderen Nachbarländern für uns ausgehen können. -
Unsere Abhängigkeit vom Sicherheitsniveau der Reaktoren in anderen Ländern — und übrigens auch von der dort erzeugten Energie — würde dadurch nur zunehmen. Wenn wir uns wirklich besser vor Unfällen wie in Tschernobyl schützen wollen — und wir wollen dies —, müssen wir' ein höchstmögliches Sicherheitsniveau weltweit durchsetzen.
Es geht jetzt nicht um den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie,
sondern um den Einstieg in eine internationale Anstrengung für mehr Sicherheit.
Die Reaktorsicherheit läßt sich nicht durch Abschalten der sichersten Anlagen erhöhen. Heute betreiben schon 26 Länder der Erde Kernkraftwerke, und in sieben weiteren Ländern sind solche im Bau. Schon aus einer weltweiten Verantwortung heraus müssen wir unsere langjährigen Erfahrungen einbringen, unser Wissen um eine sichere Nutzung der Kernenergie weiterentwickeln und internationale Übereinstimmung über möglichst strenge Sicherheitsstandards anstreben.Meine Damen und Herren, ich habe dargelegt, warum wir die Kernenergie als sichere, kostengünstige und umweltschonende Technologie
in der Bundesrepublik Deutschland auch weiterhin nutzen wollen, und ich füge hinzu: Wir wollen keineswegs bei der Energieerzeugung durch Kernspaltung stehenbleiben, sondern unterstützen vielfältige Forschungsanstrengungen für andere Energiequellen, auch für neue. Dazu zählen umweltfreundliche Kohlekraftwerke und — trotz ihrer geringenChancen in unseren Breiten — auch die Sonnenenergie. Auch der Kernfusion widmen wir große Aufmerksamkeit — trotz des noch immer unsicheren Ausgangs der Forschungsarbeiten, für die wir die Bundesmittel seit 1982 um rund 50 % erhöht haben.
Besonderen Wert legen wir auf die Entwicklung energiesparender Techniken und überhaupt auf alle Maßnahmen, die dem sparsamen Einsatz von Energie dienen.
Dabei kommt es auf das Verhalten jedes einzelnen an. Auch die sinkenden Ölpreise sind keinerlei Grund dafür, daß wir in unseren Anstrengungen nachlassen, den Energieverbrauch einzuschränken.
Die Energiepolitik der Bundesregierung trägt beidem Rechnung: Weil wir langfristig nicht allein auf die Nutzung der Kernspaltung setzen wollen, fördern wir die Zukunftsforschung auf Alternativfeldern; weil wir aber die Energieerzeugung durch Kernspaltung noch lange brauchen, fördern wir weiter die Sicherheitsforschung für unsere Reaktoren, und wir treten weltweit für mehr Sicherheit ein.In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß auch der Reaktorunfall in der Sowjetunion nicht ohne Folgen bleiben kann. Die Informationsblockade der sowjetischen Behörden war verantwortungslos.
Sie wurde inzwischen gelockert, aber wir sind immer noch nicht wirklich darüber informiert worden, was in Tschernobyl tatsächlich vorgefallen ist.
Ein solcher Mangel an Verantwortungsgefühl gegenüber den eigenen Bürgern und den Nachbarvölkern sollte in der Völkergemeinschaft unmöglich sein.
Auf Grund der Daten von unseren eigenen Meßstellen haben wir in der Bundesrepublik Deutschland Vorsorgemaßnahmen getroffen. Viele Bürger fragen: Warum Vorsorge, wenn Experten sagen, daß eine Gefahr nicht besteht? Bei der Vorsorge geht es ganz einfach darum, die Strahlenbelastung grundsätzlich auf ein Minimum zu beschränken.
Jedermann weiß beispielsweise, daß eine Röntgen-untersuchung nicht gesundheitsschädlich ist, und
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16526 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Bundeskanzler Dr. Kohlgleichwohl wird von uns allen häufiges Röntgen mit Sicherheit vermieden.
Die Bundesregierung hat sich jeweils die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission zu eigen gemacht,
d. h. die Empfehlungen einer unabhängigen Sachverständigengruppe aus führenden Wissenschaftlern — Medizinern, Physikern und Biologen.
So haben wir uns auch konsequent dem Standpunkt dieser Fachleute angeschlossen, daß weitergehende Maßnahmen nicht erforderlich sind.Meine Damen und Herren, gerade bei so außergewöhnlich komplexen und schwierigen Fragen ist jeder handelnde Politiker letztlich auf den Ratschlag von Experten angewiesen. Es ist ein Zeichen von Verantwortungsbewußtsein und auch von Selbstbescheidung, die Autorität des Sachverstandes zu respektieren. Das setzt aber auch voraus, daß sich auch der Experte seiner besonderen Verantwortung bewußt ist.
Wir alle müssen zugeben, daß uns das Unglück in der Sowjetunion schockiert hat. Aber jetzt kommt es darauf an,
daß wir alle aus den Erfahrungen der letzten Tage lernen.
Die Bundesregierung hat folgende Initiativen ergriffen:
Erstens. Ich habe mich unmittelbar an Generalsekretär Gorbatschow gewandt und ihn gebeten, uns jetzt endlich über den Reaktorunfall umfassend zu informieren.
Auf dieser Unterrichtung bestehen wir gerade auch im Blick auf Gefahrenabwehr für die Zukunft.Das Thema Reaktorsicherheit gehört auf die Tagesordnung des Ost-West-Dialogs.Zweitens. Auf Antrag der Bundesregierung wird der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde in der nächsten Woche zu einer Sondersitzung zusammentreten. Wir fordern eine sofortige Meldepflicht bei Störfällen, einen umfassenden internationalen Informationsaustausch sowie eineVereinbarung über Sicherheitsstandards auf einem Niveau, das höchsten Ansprüchen genügt.
Drittens. Ich rege eine internationale Konferenz über Sicherheitsvorkehrungen an und werde mich dazu insbesondere an die Regierungschefs von Ländern wenden, die Kernkraftwerke betreiben und planen. Jedes Land, das Kernenergie erzeugt, trägt auch eine internationale Verantwortung. Nur mit einem Maximum an Reaktorsicherheit wird es dieser Verantwortung gegenüber den Menschen diesseits und jenseits der eigenen Grenze gerecht. Das ist auch der Grundgedanke, der die Entschließung des Weltwirtschaftsgipfels von Tokio zu diesem Thema prägt. Im übrigen ist dies ein Thema, mit dem sich nach meiner Überzeugung auch die Vereinten Nationen beschäftigen müssen.
Viertens. Die Bundesregierung hat sich für eine schnelle und unbürokratische Hilfe an die Betroffenen ausgesprochen. Bundesminister Kiechle wird morgen gemeinsam mit den zuständigen Ministern der Länder die weiteren Einzelheiten des Verfahrens besprechen.Fünftens. Die Erfahrungen der letzten Tage müssen auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ausgewertet werden. Ich werde die Sachverständigenkommissionen beauftragen, Leitlinien für den Fall erhöhter Strahlenbelastung auszuarbeiten, die ihre Ursache jenseits unserer Grenze hat. Dadurch sollen auch Voraussetzungen für ein einheitliches Vorgehen von Bund, Ländern und Gemeinden geschaffen werden sowie die Abstimmung mit unseren Nachbarn im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft verbessert werden. Gerade angesichts der internationalen Dimension dieser Herausforderung können wir uns Kleinstaaterei in gar keiner Weise leisten.
Das Reaktorunglück in der Sowjetunion hat vielen Menschen die internationale Verflechtung der Länder unserer Welt bewußter gemacht. Wir sind bereit, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Tokio ging es auch um andere Fragen, die das Leben der Menschen auch in der Bundesrepublik Deutschland ganz unmittelbar betreffen — insbesondere um die Entwicklung der Weltwirtschaft. Ich bitte um Verständnis, wenn ich mich hierzu heute — nach der ausführlichen Stellungnahme zum Reaktorunfall in Tschernobyl — auf einige kurze Bemerkungen beschränke. Selbstverständlich sind die Mitglieder des Kabinetts, die mit in Tokio waren, bereit, den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu eingehenden Diskussionen zur Verfügung zu stehen.Die wirtschaftliche Diskussion in Tokio hatte vor allem zwei Fragen zu erörtern: Zum einen war zu prüfen, inwieweit die vor einem Jahr auf dem Welt-
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Bundeskanzler Dr. Kohlwirtschaftsgipfel in Bonn übernommenen Verpflichtungen erfüllt worden waren und welche Wirkungen sich daraus ergeben. Zum anderen waren aus dieser Analyse Schlußfolgerungen für die weitere Arbeit zu ziehen.Zur Wirksamkeit der bisherigen Politik konnten meine Kollegen und ich in Tokio feststellen, daß bemerkenswerte Fortschritte erreicht wurden: Wirtschaftswachstum in allen wichtigen Regionen, ein vor dem Hintergrund der letzten 15 Jahre ungewöhnlich hohes Maß an Preisstabilität, deutlich niedrigere Zinsen, in den meisten Ländern erkennbare Fortschritte bei der Begrenzung von Staatsausgaben und Haushaltsdefiziten sowie eine bessere Übereinstimmung der Wechselkursstrukturen mit den wirtschaftlichen Grunddaten wie Inflationsrate, Wirtschaftswachstum und Außenhandel.Diese deutlichen Verbesserungen, meine Damen und Herren, kommen nicht von ungefähr. Wer die wirtschaftspolitische Diskussion der letzten Jahre genauer verfolgt hat — d. h. von Williamsburg über London und Bonn bis nach Tokio, um die Orte der Weltwirtschaftsgipfel der letzten Jahre zu nennen —, wird feststellen, daß sich hier Schritt für Schritt eine gemeinsame Linie der Vernunft durchgesetzt hat, die von deutschen Erfahrungen, Auffassungen und Erfolgen ganz maßgeblich geprägt worden ist.
Ich nenne dazu drei wichtige Elemente: erstens die Erkenntnis, daß Inflation und Arbeitslosigkeit keine Alternativen sind; Preisstabilität ist vielmehr die unerläßliche Voraussetzung, wenn Wachstum und Beschäftigung dauerhaft gesichert und gefestigt werden sollen;
zweitens die Einsicht, daß die anstehenden Probleme nicht mit einem Mehr an staatlichen Interventionen und Programmen, sondern nur durch eine entschlossene und breit angelegte Stärkung der Eigeninitiative und der Marktkräfte gelöst werden können; drittens die Überzeugung, daß der Protektionismus — und zwar sowohl in seinen offenen als auch in seinen versteckten Formen — nicht weiterführt, sondern daß es zu einer offensiven Stärkung des freien Welthandels in Wahrheit keine Alternative gibt.Meine Damen und Herren, für die Anerkennung dieser Grundlinien der Politik haben sich diese Bundesregierung und die Koalition aus FDP, CSU und CDU in den letzten drei Jahren mit Entschiedenheit eingesetzt. Wenn die Wirtschaftserklärung von Tokio heute von diesen Grundsätzen geprägt wird, dann nicht zuletzt deswegen, weil die Ergebnisse unserer Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland ausländische Beobachter offensichtlich davon überzeugt haben, daß unsere wirtschaftspolitischen Argumente auf einer guten Grundlage stehen.
So hat beispielsweise breite Beachtung gefunden, daß internationale Organisationen wie die OECD und der Internationale Währungsfonds uns hinsichtlich Wachstum und Preisstabilität für das laufende Jahr 1986 an die Spitze ihrer Vorausschätzungen in der Welt gestellt haben.
Dies wird durch Wirtschaftsdaten hierzulande ergänzt. Sie zeigen, daß das Preisniveau bei uns derzeit völlig stabil ist. Die Beschäftigung zeigt — gerade auch im europäischen Vergleich — deutlich steigende Tendenz. Die allerjüngsten Arbeitsmarktzahlen signalisieren, daß wir auf diesem gewiß schwierigen Feld Schritt für Schritt weiter vorankommen.
Meine Damen und Herren, neben der Überpüfung dessen, was in den letzten zwölf Monaten getan und erreicht worden ist, ging es in Tokio darum, Antworten auf die schwierigen Herausforderungen zu finden, vor denen wir stehen.Einigkeit bestand darüber, daß dabei — insbesondere für Europa — die Schaffung von Arbeitsplätzen ganz oben auf der Tagesordnung steht. Ebenso einmütig war die Überzeugung, daß ein inflationsfreies Wirtschaftswachstum die größten Aussichten bietet, die eingeleitete Trendwende weiter zu verstärken.
Für die Bundesrepublik Deutschland hat das kürzlich veröffentlichte Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute deutlich gemacht, daß wir 1986 auch hier ein gutes Stück vorankommen werden. In welchem Umfang dies auch in den anderen westlichen Industrieländern gelingt, wird ganz wesentlich davon abhängen, inwieweit die in einigen Ländern immer noch bestehenden großen Ungleichgewichte im Außenhandel und bei den Staatsfinanzen verringert und abgebaut werden können.Japan steht vor der schwierigen Aufgabe, seine extrem hohen Überschüsse im Außenhandel zurückzuführen und sein Wirtschaftswachstum künftig stärker auf Impulse aus dem inländischen Markt zu stützen. Dazu gehört selbstverständlich auch, daß der Marktzugang für ausländische Produkte genauso freizügig gestaltet wird, wie dies für japanische Waren hier bei uns der Fall ist.
Wir wissen aus eigener Erfahrung, daß eine derartig grundsätzliche Neuorientierung einer ganzen Volkswirtschaft keine Angelegenheit von Tagen, Wochen oder Monaten ist. Aber die beträchtlichen Verschiebungen der Wechselkurse zwischen Yen und Dollar, aber auch zwischen Yen und D-Mark machen unmißverständlich deutlich, daß ein dringender Handlungsbedarf besteht.Ungleichgewichte sind aber auch in den USA festzustellen. Hier geht es in erster Linie um das ungewöhnlich hohe Haushaltsdefizit, das endlich schrittweise reduziert werden muß. Wer die inneramerikanische Diskussion und insbesondere die Beschlüsse
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16528 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Bundeskanzler Dr. Kohldes Kongresses aufmerksam verfolgt, kann nur die Hoffnung hegen, daß diese Erkenntnis, die in Tokio von allen geteilt wurde, auch im amerikanischen Parlament seinen Niederschlag findet. Gelegenheit hierzu bièten auch die in Tokio verabredeten verstärkten Bemühungen zur Koordination der Wirtschaftspolitik zwischen den sieben Gipfelländern.Ein weiteres wichtiges Thema unserer Gespräche war die Offenhaltung der Weltmärkte. Hier haben alle Staats- und Regierungschefs noch einmal ihre Entschlossenheit bekräftigt, das Ihre zu tun, um Protektionismus und Handelshindernisse einzudämmen und abzubauen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die neue Verhandlungsrunde im Rahmen des GATT, für deren baldigen Beginn sich alle Länder auf der Konferenz in Tokio ausgesprochen haben. Entscheidende Fortschritte auf diesem Weg werden von der Ministertagung im September dieses Jahres erwartet.Die Staats- und Regierungschefs der Gipfelländer haben die Wirtschaftspolitik nicht allein aus ihrem eigenen Blickwinkel erörtert. Wir haben ganz bewußt auch die Situation und die Interessenlage der Entwicklungsländer und die damit verbundenen Fragen der internationalen Verschuldung ausführlich behandelt. Fortschritte bei der Lösung dieser Probleme setzen unabdingbar voraus, daß die Regierungen der betroffenen Länder durch ihre eigene Wirtschaftspolitik dafür Sorge tragen, daß Kapitalflucht uninteressant wird und Fluchtkapital zurückkehrt. Denn alle Kredite -- auch von unserer Seite — helfen nichts, wenn gleichzeitig hohe Beträge aus diesen Ländern auf ausländische Konten transferiert werden.
Um dies zu ändern, ist Vertrauen notwendig, ist Vertrauen zu schaffen. Das kann nur jeweils durch die eigene, interne Politik erreicht werden.Ebenso müssen aber private und öffentliche Finanzströme in diese Länder aufrechterhalten und, wenn möglich, ausgeweitet werden. In diesem Zusammenhang spielt die substantielle Mittelaufstokkung für die Internationale Entwicklungsorganisation — IDA — eine ganz besonders wichtige Rolle. Wir halten den vorgesehenen Betrag von 12 Milliarden Dollar für erforderlich. Ich habe es begrüßt, daß auch der amerikanische Präsident diesem Ziel zugestimmt hat.Diese umfassende politische Verantwortung der Industrieländer, die auch die Interessen der Entwicklungsländer einbezieht, gilt auch für ein anderes wichtiges Anliegen: Das ist das Thema des Umweltschutzes. Auf meine Initiative hin wurden bereits bei den Gipfelberatungen in London und im letzten Jahr hier in Bonn ausführlich die internationale Dimension der Umweltprobleme sowie die große Dringlichkeit eines gemeinsamen, eines weltweiten Handelns erörtert. Der Reaktorunfall in der Sowjetunion hat spätestens jetzt für jedermann sichtbar gemacht, wie unverzichtbar eine derartige offene, rückhaltlose Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg ist.
Ich hoffe, daß die jüngsten Erfahrungen in allen Ländern die Bereitschaft fördern, von internationaler Verantwortung nicht nur zu reden, sondern diesem Anspruch auch mit eigenem Handeln gerecht zu werden. Wir, die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, sind bereit, unseren Beitrag zu leisten und unserè Verantwortung zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die wir soeben gehört haben, sollte ursprünglich der Unterrichtung des Deutschen Bundestages über den Weltwirtschaftsgipfel von Tokio dienen. In der Zwischenzeit hat ein anderes Ereignis, nämlich der Katastrophenfall im Kernkraftwerk Tschernobyl, das Interesse an dem Weltwirtschaftsgipfel in den Hintergrund treten lassen. Es ist gut, daß Sie Herr Bundeskanzler, dem Rechnung getragen und sich in Ihrer Erklärung hauptsächlich auf den Katastrophenfall und darauf konzentriert haben, was er aus Ihrer Sicht und aus der Sicht der Bundesregierung für unser Volk bedeutet. Denn die Vorgänge in Tschernobyl haben unsere Welt, jedenfalls aber das Bewußtsein der Menschen verändert. Die Auswirkungen dieser Katastrophe werden uns auch dann noch beschäftigen, wenn der Gipfel von Tokio längst in Vergessenheit geraten ist.
Zu den eigentlichen Gipfelthemen beschränke ich mich deshalb auf drei kurze Bemerkungen.
Erstens. Wir begrüßen die Erklärung von Tokio zum internationalen Terrorismus. Wer den Terrorismus im Einklang mit dieser Erklärung national und international entschlossen und besonnen mit rechtmäßigen Mitteln bekämpft, hat unsere Unterstützung.
Wir begrüßen die Erklärung auch deshalb, weil sie zweierlei klarstellt, einmal, daß Militäraktionen nicht zu den Maßnahmen gehören, mit denen der Terrorismus überwunden werden kann,
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Wiederholung der Bombenangriffe auf Tripolis und Bengasi, sei es dort oder gegen Ziele in einem anderen Land, wäre mit dieser Erklärung unvereinbar.
Wir hoffen, daß sich alle Unterzeichner dessen bewußt sind.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn. Mittwoch, den 14. Mai 1986 16529
Dr. Vogel
Die Erklärung hätte noch an Gewicht gewonnen, wenn sie auch auf die Spannungen eingegangen wäre, die den Nährboden des internationalen Terrorismus darstellen. Nur wer diese Spannungen überwindet, wird dem internationalen Terrorismus endgültig das Wasser abgraben.
Zweitens. Die der Zukunft gewidmete Erklärung des Gipfels enthält nichts, was nicht an anderer Stelle bereits gesagt worden wäre, und zwar zumeist klarer und verbindlicher. Der Feststellung im „Handelsblatt" vom 7. Mai
Die Auflistung von Banalitäten, ja sogar von Schwulst, überrascht nicht, sondern entsetzt.
wird man deshalb kaum widersprechen können.
Die der Rüstungskontrolle und der Beendigung des Rüstungswettlaufs gewidmeten Passagen sind überdies von Einseitigkeit und Selbstgerechtigkeit nicht frei.
Die Welt hätte eher eine klare Antwort auf den eindringlichen Appell vieler Staats- und Regierungschefs aus vier Kontinenten erwartet, an dessen Abfassung Olof Palme unmittelbar vor seiner Ermordung noch mitgewirkt hat. Es ist gut, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, und andere Repräsentanten der Industrienationen an der Trauerfeier für Olof Palme teilnehmen. Wir haben das dankbar anerkannt. Noch besser wäre es, wenn sie im Geiste Olof Palmes und in Erfüllung seines Vermächtnisses handeln und entscheiden würden.
Drittens. Die wirtschaftspolitische Erklärung ist wortreich und voller Allgemeinplätze. In ihre Formulierungen ist auch ein gut Teil der Selbstzufriedenheit eingegangen, die Sie in Tokio zur Schau getragen und, vermischt mit Eigenlob, auch heute ausgebreitet haben.
Herr Stoltenberg war da viel realistischer. Er hat sich skeptisch über den Erfolg und die Auswirkungen des Gipfels geäußert. Damit steht im Einklang, was „Die Zeit" zum Gipfel bemerkt. Sie schrieb am 9. Mai 1986:
Aus ökonomischer Sicht war Tokio sicher keine Gala-Vorstellung, eher die Routinedarbietung eines internationalen Wanderzirkus, die nur Pflichtbeifall verdient.
Selbst der Pflichtbeifall zu dieser Veranstaltung fällt schwer.
Herr Bundeskanzler, welche Botschaft bringen Sie vom Gipfel eigentlich für die über 2 Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik? Was ändert sich jetzt für sie?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn die Arbeitslosigkeit angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftsdaten jetzt nicht fühlbar gemindert wird,wann soll sie denn dann eigentlich überhaupt gemindert und abgebaut werden?
Wozu Ihnen jetzt der Wille und die Kraft fehlen, das schaffen Sie doch erst recht nicht, wenn die Daten eines Tages wieder schlechter werden!Welche Botschaft bringen Sie vom Gipfel den Bauern in unserem Land? In der Entschließung findet sich die bemerkenswerte Feststellung, daß die Überschüsse bei wichtigen Agrarerzeugnissen auch auf die langjährige Politik innerstaatlicher Subventionen und des Schutzes der Landwirtschaft zurückgehen. Dann folgt — möglicherweise von Ihnen beigesteuert — der geradezu rührende Satz — wörtliches Zitat —: „Wir sind uns einig, daß bei Vorliegen von Überschüssen in der Agrarpolitik Handlungsbedarf besteht." Eine großartige Erkenntnis, für die man kaum nach Tokio hätte reisen müssen!
Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, daß solche Leerformeln unseren Bauern helfen? Haben Sie, Herr Bundeskanzler, eigentlich immer noch nicht zur Kenntnis genommen, daß mehr und mehr Bauern geradezu verzweifeln, daß mehr und mehr Bauern jedes Vertrauen in Sie, in Ihre Minister und in Ihre Politik verloren haben,
daß diese Bauern — das sage ich an die Adresse von Herrn von Heereman — auch das Vertrauen in ihren eigenen Verband und ihre Organisation mehr und mehr verlieren?
Die von Ihnen jetzt beschlossenen Hilfen, über deren Einzelelemente man durchaus reden kann, bewegen sich völlig an der Oberfläche. Diese Hilfen bringen doch nicht die einschneidende Kurskorrektur, die überfällig ist, wenn es in Zukunft überhaupt noch bäuerliche Familienbetriebe geben soll.
Weiter: Herr Bundeskanzler, was wird aus dem astronomischen Budgetdefizit der USA, aus ihrem ebenso astronomischen Leistungsbilanzdefizit und der amerikanischen Auslandsverschuldung, die immer neue Höhenmarken erreicht? Wie soll das Ungleichgewicht zwischen den japanischen und — das haben Sie vergessen zu erwähnen — auch den deutschen Exportüberschüssen einerseits und dem gigantischen amerikanischen Importüberschuß andererseits beseitigt werden? Was wird denn vorgeschlagen, was sagt der Gipfel: weitere Dollarabwertung, Protektionismus oder amerikanische Sparmaßnahmen? Der Gipfel schweigt dazu. Die USA werden in der Entschließung nicht einmal beim Namen genannt.
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16530 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. VogelDas waren und das sind wesentliche Fragen der Völker an die Führungen der Industrienationen. Der Gipfel hat sie nicht beantwortet und Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, erst recht nicht. Sie sind all diesen konkreten Fragen auch heute wieder sorgfältig aus dem Weg gegangen.
Die zentrale Frage aber — darin stimme ich mit Ihnen überein — ist heute die nach den Auswirkungen des Katastrophenfalls im Kernkraftwerk Tschernobyl.Herr Bundeskanzler, Sie haben in diesem Zusammenhang die sowjetische Informationspolitik kritisiert. Diese Kritik ist berechtigt. Wir teilen sie.
Wer gefahrdrohende Situationen für einen halben oder für einen ganzen Kontinent verursacht, der hat die Pflicht, die betroffenen Länder und ihre Regierungen unverzüglich und umfassend über die Ursachen, die Art und den Umfang einer solchen Katastrophe zu unterrichten. Wir fordern die sowjetische Führung auf, dieser Pflicht jetzt wenigstens im nachhinein gerecht zu werden.
Gerade weil wir Sozialdemokraten die Politik der Verständigung mit der Sowjetunion in Gang gebracht haben und diese Politik unverändert bejahen, füge ich hinzu: Hier ist auch die Glaubwürdigkeit der Sowjetunion und ihrer Führung berührt. Ich hoffe, Generalsekretär Gorbatschow spricht heute abend in seiner Fernseherklärung mit der Offenheit und Klarheit, die er selbst seit seinem Amtsantritt immer wieder gefordert und postuliert hat.
Damit wir uns gut verstehen: Unsere Kritik richtet sich gegen diejenigen, die die Informationspolitik zu verantworten haben. Den Menschen in der Ukraine, die von der Katastrophe betroffen wurden, den Eltern, die dort jetzt um die Gesundheit ihrer heranwachsenden Kinder bangen, gilt unser Mitgefühl,
und den Helfern und Rettungsmannschaften, die dort in Tschernobyl unter Einsatz von Leben und Gesundheit ihr Bestes gegeben haben, gilt unser Respekt und unsere Anerkennung.
In hohem Maße kritikwürdig ist aber auch die Informationspolitik der Bundesregierung und die Art und Weise, wie sie sich gegenüber der StrahlenBelastung seit dem 29. April dieses Jahres verhalten hat.
Die Hilflosigkeit gegenüber der Krise, die Widersprüchlichkeit der Informationen, der Bewertungen und Empfehlungen waren in diesen Tagen geradezu erschreckend. Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre Regierung haben dadurch die Sorge und die Angst der Menschen vermehrt, statt diese Sorge und die Angst zu mildern.
— Meine Damen und Herren, ich bin erstaunt darüber,
daß Ihnen selbst bei einem solchen Thema die Fähigkeit des Zuhörens, die Fähigkeit des Aufnehmens und der Erwiderung hier von dieser Stelle fehlt.
Ich möchte, damit sich auch die Öffentlichkeit ein eigenes Urteil bilden kann, den Satz noch einmal wiederholen: Durch den Umgang mit den Informationen, durch die Widersprüche der Bewertungen und Mitteilungen
haben Sie die Sorge und die Angst der Menschen vermehrt, statt sie zu mindern.
Sie haben dadurch eine Zeit lang sogar den Verdacht hervorgerufen, die Dinge seien in Wahrheit noch viel schlimmer, als man ohnehin vermutete. Die Menschen haben befürchtet, daß das der Hintergrund sein könnte.
Die Dinge waren schlimm genug.
— Meine Damen und Herren, ich gebe folgenden Rat: Lassen Sie diese törichten Zwischenrufe voll zur Geltung kommen. Die törichsten teile ich den Zuhörern mit. Das ist viel wirksamer, als wenn man diesen Unsinn mit Gegenrufen bekämpfen will.
Die Dinge waren schlimm genug. Einige der festgestellten radioaktiven Belastungen — ich weiß
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Dr. Vogelnicht, warum Sie als ehemaliger Innenminister an dieser Stelle lachen, Herr Kollege Schwarz —
können durchaus gravierende körperliche Schäden zur Folge haben. Selbst wenn jetzt — was wir alle hoffen — keine akute Gefahr mehr besteht: Wer weiß denn wirklich, welche Langzeitwirkungen die Cäsium- und Strontiumausschüttungen tatsächlich im Lauf der Jahre haben werden? Ich habe niemanden gefunden, der dies mit absoluter Sicherheit und Gewißheit beantworten kann.
In dieser Situation hat die Gesundheitsministerin eine Woche lang völlig geschwiegen. Der Forschungsminister dieser Regierung verstieg sich zu der Behauptung, unsere Reaktoren seien absolut sicher. Und der in erster Linie zuständige Innenminister, Herr Zimmermann, gab eher gelangweilt und lethargisch Belanglosigkeiten von sich, die alles enthielten, nur keine Information.
Warum, Herr Innenminister Zimmermann, haben Sie der Öffentlichkeit Ihr Wissen immer nur bruchstückhaft und mit der ständigen Beifügung mitgeteilt, eigentlich sei überhaupt gar nichts Gefährliches passiert?Warum, Herr Minister, haben Sie sich hinter der Zuständigkeit der Länder, ja sogar der Gemeinden versteckt? Sie sind doch nach dem Atomgesetz für den Schutz von Leben und Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren der Kernenergie verantwortlich, wie es Herr Baum von dieser Stelle aus als Ihr Vorgänger formuliert hat.
Und warum — dies kann ich überhaupt nicht verstehen, Herr Kollege Zimmermann — haben Sie eigentlich nicht sofort, wenigstens am zweiten, dritten oder vierten Tag, Ihre Ministerkollegen aus den Ländern zusammengerufen und sich mit ihnen über ein Höchstmaß an Einheitlichkeit verständigt?
Es war ja gut, daß Frau Kollegin Süssmuth dies jetzt vor zwei oder drei Tagen getan hat. Warum, in Gottes Namen, waren Sie dazu in den ersten Maitagen nicht in der Lage und fähig?
Sie hätten nur dasselbe getan, Herr Kollege Zimmermann, was unter dem Bundeskanzler Helmut Schmidt bei den Terroranschlägen der Jahre 1975 bis 1977 jeweils binnen Stunden ganz selbstverständlich geschehen ist, im übrigen unter Hinzuziehung auch anderer verantwortlicher Persönlichkeiten.
Ich sehe ein, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Reise nicht abgebrochen haben, obwohl es, wie ich heute lese, auch darüber Diskussionen gibt. Aber die Frage muß erlaubt sein, warum Sie eigentlich nicht von Bangkok oder Tokio aus an die Bevölkerung ein Wort über das Fernsehen gerichtet haben. Das wäre technisch doch ohne weiteres möglich gewesen.
— Meine Damen und Herren, ich habe eine Menge Zeit. Ich möchte Ihr akustisches und optisches Bild für das Fernsehen voll zur Entfaltung kommen lassen. Ich werde Sie da nicht stören.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn Sie Ihre Unsicherheit durch diese Art der Darbietung überdecken:
Von dem, was da an Vertrauen verspielt worden ist, haben Sie heute mit Ihrer Regierungserklärung kaum etwas zurückgewonnen.
Dafür war das, was Sie gesagt haben, zu allgemein und an vielen Stellen auch zu routiniert. Außerdem war noch nicht einmal ein Hauch von Selbstkritik in diesen schwierigen Fragen zu spüren. Das alles wird auch nicht dadurch aufgewogen, daß inzwischen der Rücktritt von Herrn Zimmermann sogar aus Ihren eigenen Reihen gefordert wird.Es ist schwer zu glauben, daß dies alles nur auf schlichtes Unvermögen zurückzuführen ist. Vieles deutet darauf hin, daß der Innenminister und andere Repräsentanten dieser Bundesregierung weniger die konkrete Gefahrenlage, sondern vielmehr die Sorge im Auge hatten und noch haben, ihre Kernkraftpolitik könne durch die Ereignisse an Akzeptanz verlieren,
und daß sie ihr Verhalten daran orientiert haben und noch orientieren.
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16532 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Meine Damen und Herren, ich bitte, mit den Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein.
Der Zwischenruf lautete „feige Verdrängungspolitik". Ich möchte, daß die Zuhörer die Kommentare hören und zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, nur so werden auch die forschen Äußerungen verständlich, was in der Sowjetunion geschehen sei — so wörtlich -, könne bei uns nicht passieren; nicht die Nutzung der Kernenergie, sondern der Kommunismus sei das Problem, über das diskutiert werden müsse. Natürlich ist der Kommunismus ein Problem. Aber in diesem Zusammenhang ist Ihre Parole doch eine Vernebelungsparole, die vom Kern der Sache und der Problematik ablenken soll.
Ganz abgesehen davon, daß auch westliche Experten, auch deutsche Experten, den Reaktor von Tschernobyl als sicher beurteilt haben, wissen wir natürlich, daß unsere Sicherheitsstandards strenger sind als die anderer Länder. Sie sind es übrigens nicht zuletzt deshalb, weil der Protest und der Widerstand vieler Bürger diese schärferen Sicherheitsbestimmungen erzwungen haben. Diesen Zusammenhang wollen wir doch nicht bestreiten.
Wir wissen auch, daß wir Sozialdemokraten in der Frage der Nutzung der Kernenergie seit den 50er Jahren einen Lernprozeß, einen schwierigen, kontroversen und mitunter quälenden Lernprozeß, durchlaufen haben.
Wir werfen uns deshalb in diesem Zusammenhang auch gar nicht selbstgerecht in die Brust. Aber wir haben im Laufe dreier Jahrzehnte gelernt. Wer hingegen nach dem Katastrophenfall im Kernkraftwerk Tschernobyl, nach dem Katastrophenfall im Kernkraftwerk Three Miles Island, wer nach der Challenger-Katastrophe noch immer behauptet, er könne ausschließen, daß sich bei uns ähnliche oder noch schlimmere Katastrophen ereignen, der hat nicht gelernt, bis zum heutigen Tage nicht gelernt!
Nicht gelernt, Herr Bundeskanzler, hat auch der, der — wie Sie soeben wieder an dieser Stelle — sagt, das Restrisiko sei theoretisch, und es gebe Vorkehrungen, die ausschließen, daß bei einem Störfall, wenn er einmal eintreten sollte, Radioaktivität nach außen entweichen kann. Ich sage es noch einmal: Wer das sagt, hat aus den Ereignissen und aus den Geschehnissen nicht gelernt.Er hat auch nicht gespürt, daß wir hier eine Grenze erreicht, nein, daß wir sie wahrscheinlich schon überschritten haben.
Er muß wohl erst noch durch größeres Unheil davon überzeugt werden, daß der Mensch nicht allmächtig ist, daß es humane Grenzen des technisch Machbaren gibt.
Erst dann wird er zur Kenntnis nehmen, daß wir einen Punkt in der Entwicklung erreicht haben, an dem die Verantwortung nicht jede Nutzung und nicht jede weitere Steigerung unserer technischen Macht erlaubt, sondern den bewußten Verzicht auf die Ausübung dieser uns zugewachsenen Macht in bestimmten Bereichen gebieterisch erfordert.
Ich glaube, Herr Bundeskanzler — und das unterscheidet uns —, nach Tschernobyl ist nichts mehr so, wie es vorher war. Tschernobyl hat uns endgültig gezeigt: Die Katastrophen, die wir bisher kannten, waren und sind in ihren Auswirkungen räumlich und zeitlich beschränkt, auch die, die Sie heute aufgeführt haben. Atomare Katastrophen hingegen eröffnen ganz neue Dimensionen, sind von ganz anderer Qualität, weil sie ganze Kontinente in Mitleidenschaft ziehen und über lange, sehr lange Zeiträume in die Zukunft hinein fortwirken können.Die sowjetischen Experten, die ja jetzt allmählich mit Informationen an die Öffentlichkeit treten, haben erst gestern mitgeteilt, die Trümmer des Reaktors und seine Umgebung müßten für Jahrhunderte mit einer Betondecke versehen werden, um ein weiteres Austreten von radioaktiven Partikeln und Strahlungen zu verhindern. Nicht für Tage, Wochen oder Monate, nicht für Jahre, nein, für Jahrhunderte!Die Vorgänge haben auch deutlich gemacht, daß es gegen radioaktive Strahlungen, die bei Kernkraftkatastrophen auftreten, oberhalb gewisser, bisher ganz unzulänglich definierter Werte keinen wirklichen Schutz gibt. Es ist deshalb ein Gebot der Vernunft, die Energiepolitik, insbesondere die Kernenergiepolitik, in der Bundesrepublik, aber nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in Europa und international, von Grund auf neu zu überdenken.Herr Bundeskanzler, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie heute in Ihrer Regierungserklärung einen solchen Umdenkprozeß für überflüssig erklärt. Sie haben statt dessen schon von Tokio aus eine Offensive — es wurde gesagt, eine Propagandaoffensive -- zur Wiederherstellung der Akzeptanz für die Kernenergie angekündigt. Sie haben heute mit Ihren Worten gesagt, bei uns könne in punkto Kernenergie alles so bleiben, wie es ist.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, ich habe dem Bundeskanzler besser zugehört als Sie.
Er hat wörtlich gesagt, bei uns in der Bundesrepublik Deutschland könne in punkto Kernenergie alles so bleiben, wie es ist.
Wir als Sozialdemokraten widersprechen dem ausdrücklich.
Wir rufen heute und von dieser Stelle aus dazu auf, daß sich möglichst viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, nicht nur die Experten, an diesem Umdenkprozeß beteiligen. Wenn Sie sagen, Herr Bundeskanzler, nur wenige durchschauten diese technischen Prozesse — daß sie von den Katastrophenfällen alle miteinander betroffen sind, das haben die Menschen verstanden!
Wir rufen zur Teilnahme an diesem Umdenkprozeß auf mit dem Engagement, aber auch mit dem Ernst, der der Tragweite des Problems angemessen ist. Daß anders als Sie, Herr Bundeskanzler, inzwischen auch führende Repräsentanten Ihrer Partei — so Herr Biedenkopf, der Vorsitzende des größten Landesverbandes der Union — öffentlich den langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie fordern, läßt hoffen, daß ein solcher Dialog nicht einfach entlang den Parteilinien, sondern quer zu den Parteilinien geführt wird.
Dieses grundsätzliche Überdenken — da mag es teilweise Berührung geben — muß auch auf der internationalen Ebene in Gang kommen; denn mit dem Kernreaktor von Tschernobyl sind auch die herkömmlichen Vorstellungen von nationaler Souveränität — jedenfalls auf dem Gebiet der Kernenergie — endgültig gesprengt worden. Mit den Instrumenten einzelstaatlicher Souveränität lassen sich die Gefahren und Risiken der Kernenergie selbst dann nicht meistern, wenn man sie überhaupt für beherrschbar und für akzeptabel hält.Daß wir längst in einer einzigen Welt, in einer Gefahrengemeinschaft und folglich auch in einer Verantwortungsgemeinschaft um diesen Begriff auch auf dieses Gebiet zu übertragen — leben, das hat Tschernobyl wohl dem letzten klargemacht. Und klargemacht hat Tschernobyl wohl auch, was der Einsatz auch nur einiger weniger Atomwaffen weltweit bedeuten würde, und zwar ganz gleich, wo sie auf diesem Globus explodieren.
Das, meine Damen und Herren, mögen die bedenken, die — auf welcher Seite in dieser Welt auch immer — von der Führbarkeit eines Atomkrieges träumen oder sogar reden.
— Der Zwischenruf hat gelautet, diese Stelle sei nach Meinung der Union Quatsch. Ich möchte das immer gleich mitteilen.
Diesen Prozeß des Umdenkens haben wir Sozialdemokraten schon in den 70er Jahren begonnen. Ich wiederhole: Er war quälend, und er war über lange Strecken hin eine Prüfung und Probe für diejenigen, die an diesem Prozeß teilgenommen haben. Als Ergebnis dieses Prozesses bringen wir folgende Positionen in den nationalen Dialog ein, auf die wir uns nicht erst nach Tschernobyl, sondern schon 1984 auf dem Essener Parteitag geeinigt und die wir in mehreren Anträgen auch bereits im letzten Jahr im Bundestag eingebracht haben:Erstens. Wir lehnen den Einstieg in die Plutoniumwirtschaft und folglich die Wiederaufarbeitung ab. Wir fordern für die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf einen Baustopp.
Wir sagen nein zur Inbetriebnahme des Schnellen Brüters in Kalkar. Soweit dazu Gesetzesänderungen notwendig sind, werden wir sie vornehmen, sobald wir dazu die Mehrheit haben.
Zweitens. Wir lehnen den weiteren Ausbau der Kernenergie ab.
Drittens. Die Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke ist nur noch für eine Übergangszeit zu verantworten.
Für die Bemessung dieser Übergangszeit
und für die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um die Nutzung der Kernenergie überflüssig zu machen, werden wir ein realistisches Konzept erarbeiten. Dabei werden wir auch das schwedische Konzept heranziehen, das bekanntlich die Schließung der zwölf schwedischen Kernkraftwerke innerhalb bestimmter Fristen vorsieht.
Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß ein solches Konzept tiefgreifende Fragen aufwirft
und ein hohes Maß an Verantwortung verlangt,
eine Verantwortung, die es auch verbietet, Lösungen von heute auf morgen zu versprechen
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16534 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. Vogeloder den Menschen zu verschweigen, daß der Übergang zu einer kernkraftfreien Energieversorgung auch Verzichte und Opfer fordern wird.
Wir kennen den Einwand, das alles helfe nichts, wenn andere Länder, wenn Nachbarländer in Ost und West an der Kernenergie festhielten.
[CDU/CSU]: Sie
sollten diesen Artikel noch einmal lesen!)Dieser Einwand, den auch Sie, Herr Bundeskanzler, vorgebracht haben, überzeugt nicht; denn die Bewußtseinsänderung ergreift auch schon andere Völker, z. B. die Schweden, die Holländer, die Engländer und die Italiener, aber auch die Polen. Wir können internationale Korrekturen in dem von uns befürworteten Sinne nur erwarten, wenn wir selber in unserem eigenen Land mit solchen Korrekturen ernst machen.
Unsere Positionen stammen aus der Zeit vor Tschernobyl. Tschernobyl hat sie bestätigt und bekräftigt. Unser Weg ist nicht der Weg der Angst, der Panik oder gar der Hysterie.
Unser Weg ist der Weg der Vernunft; es ist der Weg, der dem Prinzip Verantwortung entspricht. Hans Jonas, den ich für einen der Großen unter den lebenden Philosophen halte, hat dieses Prinzip Verantwortung sinngemäß so beschrieben: Es gilt, dem Menschen die Unversehrtheit seiner Welt und seines Wesens, ja es gilt, die Menschheit selbst gegen die Übergriffe menschlicher Macht zu bewahren, die mit der Hochtechnologie in ihren Raum- und Zeithorizonten, aber oft auch mit ihrer Unumkehrbarkeit in unvorstellbarer Weise gewachsen ist.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Herausforderung, die erstmals unserer Generation begegnet. Es geht erstmals um die Umkehrung, um die Rückholung dessen, was bisher für unumkehrbar, für nicht rückholbar gehalten worden ist.
Dieser Herausforderung kann nicht mit den Formeln von gestern begegnet werden; ihr muß mit einer neuen Politik begegnet werden, einer Politik, die weiß, daß wir Heutigen die Erde von unseren Vorfahren ererbt und zugleich von unseren Nachkommen nur zur Leihe zur treuen Hand anvertraut bekommen haben;
einer Politik, die weiß, daß wir nicht nur der lebenden Generation, sondern auch den kommenden, den ungeborenen Generationen Rechenschaft schuldig sind. Diese Politik verlangt mehr Mut, mehr Standfestigkeit als eine Politik, die die Dinge im Grunde weiterlaufen und weitertreiben lassen will wie bisher.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dregger.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kernkraftthema, die Kernkraftkatastrophe in der Ukraine, ist ein ernstes Thema, ein Thema, das uns eine große Verantwortung auferlegt. Herr Kollege Vogel, Sie sind dieser Verantwortung heute nicht gerecht geworden.
Schon der Ton, den Sie angeschlagen haben, war diesem Thema nicht angemessen.,
Ich finde, wir alle sollten heute mit der Nachdenklichkeit und der Besonnenheit sprechen, die aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hervorgegangen ist.
Herr Kollege Vogel, am meisten habe ich konkrete Vorschläge von seiten der SPD darüber, was denn nun zu tun sei, vermißt.
Allgemeine Ankündigungen allein sind zuwenig.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion billigt die Regierungserklärung des Bundeskanzlers.
Wir nehmen sie zum Anlaß, um den Bundeskanzler zu der Tatsache zu beglückwünschen, daß die Bundesrepublik auf dem Wirtschaftsgipfel in Tokio das bewunderte Vorbild einer erfolgreichen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gewesen ist.
Darüber sollten wir uns alle freuen, und wir alle sollten darauf stolz sein — zumindest diejenigen, die diese Politik nicht bekämpft sondern sie unterstützt haben.
Herr Bundeskanzler, wir begrüßen ferner mit großer Genugtuung, daß Sie am Rande der Konferenz von Tokio mit dem amerikanischen Präsidenten ein Abkommen über Chemiewaffen abgeschlossen haben, das unser Land in Friedenszeiten zu einem chemiewaffenfreien Land machen wird.
Meine Damen und Herren, das ist ein großer Erfolg, der dem Ziel des Friedens ebenso dient wie den spezifisch deutschen Interessen. Wir werden dieses Thema ja morgen hier in diesem Hause debattieren.
Ich erinnere mich daran, daß ich nach meinen Gesprächen mit dem amerikanischen Verteidigungsminister in Washington im Juni vergangenen Jahres, die in die gleiche Richtung zielten, nach meiner Presseerklärung hier in Bonn von der SPD als unglaubwürdig hingestellt wurde. Wenn ich nicht von vornherein Böswilligkeit unterstelle, kann ich nur annehmen, daß Sie, meine Damen und
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16535
Dr. Dregger
Herren, diesen Erfolg, der in diesem Abkommen liegt, für so groß halten, daß Sie sich ihn nicht zu erträumen gewagt haben.
Wir unterstützen ausdrücklich die Stellungnahme der Konferenz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, ohne uns die Wertungen und Interpretationen des Kollegen Vogel in diesem Zusammenhang zu eigen zu machen.
Schließlich beglückwünschen wir Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung zu der Tatsache, daß Sie auf das Kernkraftunglück in der Sowjetunion mit Besonnenheit und mit sachgemäßen Vorschlägen reagiert haben,
nicht mit der Panik und der Verworrenheit, wie wir sie nicht nur aus dem Lager der GRÜNEN, sondern auch von vielen Sozialdemokraten in den letzten Wochen gehört haben,
wobei es löbliche Ausnahmen gibt, z. B. Herrn Kollegen Rappe von der IG Chemie.
Meine Damen und Herren, Besorgnis und Nachdenklichkeit sind erforderlich, aber gerade Nachdenklichkeit führt zu dem Ergebnis, daß beim Stand der Kernkraftentwicklung in der Welt und bei der geographischen Lage unseres Landes die Bundesrepublik Deutschland nicht die Rolle des Aussteigers übernehmen kann. Wir müssen die Rolle des Vorreiters übernehmen, des Vorreiters zu mehr Sicherheit in der Kernenergie.
Dazu sind wir berufen, denn in der Tat haben wir die sichersten Kernkraftwerke der Welt. Ein Ausstieg aus der Kernenergie in dieser Situation würde uns jeden Einfluß auf die weitere Entwicklung nehmen. Es sind inzwischen 26 Staaten, die Kernenergie erzeugen, und weitere sieben Staaten werden hinzukommen.
Durch einen Ausstieg würden wir auch unsere Sicherheit nicht verbessern können, denn die unsicheren Kernkraftwerke in der Nachbarschaft existieren ja fort und würden uns auch dann weiter bedrohen, wenn wir selbst gar keine eigenen Kernkraftwerke mehr hätten.
Die Sowjetunion hat erklärt, daß sie weiterhin Kernkraftwerke bauen und betreiben werde. In der DDR, in der Tschechoslowakei und in anderen Ostblockländern
gibt es Kernreaktoren aus sowjetischer Produktion.
Frankreich, das einen besonders großen Teil seiner
Stromerzeugung auf die Kernenergie um-
gestellt hat, wird ebenfalls weiterhin Kernenergie erzeugen.
Meine Damen und Herren, wenn wir allein aussteigen würden, würden wir unsere Sicherheit nicht verbessern.
sondern würden die Umwelt durch fossile Energieerzeugung unerträglich belasten, würden gute und wichtige Arbeitsplätze verlieren und würden damit im Grunde nur Schaden anrichten, aber keine Verbesserungen herbeiführen.
Zu unseren Aufgaben gehört es, überall dafür einzutreten, daß Sicherheit vor dem Nutzen steht. Weder Gewinnwünsche noch sozialistische Planziele dürfen den Sicherheitsfaktor beeinträchtigen!
Es entspricht der Tradition der deutschen Technik, daß bei uns dem Sicherheitsfaktor immer der erste Rang zuerkannt worden ist. Das ist einer der Gründe dafür, daß deutsche technische Anlagen in aller Welt in besonderer Weise gefragt sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Ja.
Bitte, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Kollege Dr. Dregger, wenn Sie das Problem des internationalen Ausstiegs ansprechen, dann darf ich Sie fragen: Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau" vom 9. Mai —, daß Den Haag das Atomprogramm stoppt, daß in Schweden ein vorzeitiger Ausstieg des Landes aus der Atomenergie erwogen wird, daß in Jugoslawien auf den Bau eines zweiten Atomkraftwerks verzichtet wird und daß in Österreich die Diskussion um Zwentendorf abgeschlossen ist, und sind Sie unter diesen Umständen bereit, über die Begriffe „Aussteigen" und „Vorreiter spielen" im Sinne Ihrer Bedenken und Ihres Nachdenklichwerdens zu reflektieren?
Herr Kollege, wenn die Sicherheitskonferenz, die der Bundeskanzler für alle Länder vorgeschlagen hat, die Kernenergie erzeugen, zustande kommt, dann werden wir erfahren, was diese Länder wirklich zu tun beabsichtigen. Ich würde mich nicht allein auf einen Bericht einer einzigen Zeitung stützen, wie Sie es hier gerade getan haben.
Meine Damen und Herren, die Gefährdungen, die von der Kernenergie ausgehen, unterscheiden sich von anderen vor allem durch zwei Umstände, einmal durch die Tatsache, daß wir sie mit unseren menschlichen Sinnen nicht erfahren können. Wir
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16536 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. Dreggerkönnen sie nicht sehen, wir können sie nicht riechen, wir können sie nicht anfassen, wir sind daher hier mehr als bei anderen Gefahren auf Auskünfte von Experten und auf technische Messungen angewiesen. Das zweite Merkmal, das die Kernenergie von anderen Risiken unterscheidet, ist die Tatsache, daß diese Risiken nicht ortsbezogen sind, daß sie nicht einmal länderbezogen sind, daß sie grenzüberschreitend sind, daß sie ganze Kontinente betreffen, daß sie also nicht nur eine nationale Frage sind, sondern eine internationale Frage.Auf nationaler Ebene sollten wir fortfahren in unserem Bestreben, die Sicherheit unserer Kernkraftwerke immer weiter zu verbessern. Herr Kollege Vogel, der Bundeskanzler hat nicht gesagt, daß hier nichts mehr zu geschehen habe. Wir arbeiten ständig an der Verbesserung der Sicherheitsstandards, und das gilt auch für uns, obwohl wir die besten Sicherheitsstandards der Welt haben.Das Zweite: Wir müssen unser Melde- und Warnsystem, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, das Zusammenwirken von Politik und Wissenschaft überprüfen. Wenn die Kernenergie schon die nationale Verantwortung übersteigt, dann können innerhalb unseres Landes für Fragen des Schutzes vor Gefahren der Kernenergie meines Erachtens nicht die Bundesländer in erster Linie zuständig sein, dann muß. die Hauptverantwortung hierfür beim Bund liegen. Ich sage das als überzeugter Föderalist, der dafür eintritt, Kompetenzen so weit wie möglich vom Bund auf die Länder zu verlagern. Ich meine aber, bei dem Schutz vor Reaktorunfällen und bei der Ausdehnung der Risiken, die daraus hervorgehen,
muß es anders sein, muß die Verantwortung beim Bund liegen. Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, „welche zentralen Zuständigkeiten der Bund im Hinblick auf mögliche Reaktorunfälle für die zu treffenden Schutzmaßnahmen gegebenenfalls erhalten muß".Meine Damen und Herren, das haben die letzten Wochen gezeigt: wir haben widersprüchliche Expertenaussagen erhalten, die uns verwirrt haben; aber noch verwirrender war die Tatsache, daß sich einzelne Bundesländer nicht an die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission des Bundes gehalten haben,
daß daher die Sicherungsmaßnahmen von Land zu Land ganz unterschiedlich waren. Das mußte in der Bevölkerung zusätzlich verwirren. Ich meine, das darf nicht sein. Wir brauchen eine nationale politische Instanz, die in enger Verbindung mit unseren besten Wissenschaftlern das Recht haben muß,
Anordnungen zu treffen und Aussagen zu machen, die dann auch für die Länder und Gemeinden verbindlich sind.
Das dritte auf nationaler Ebene: Wir müssen nach immer neuen Optionen in der Energieversorgung suchen und unsere Politik der Energieeinsparung fortsetzen.
Es geht um eine möglichst sichere und preiswerte Energieversorgung, die auch unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit erhält. Niemand kann heute sagen, ob das Prinzip der Kernfusion nicht besser und sicherer ist als das Prinzip der Kernspaltung und ob und wie wir es realisieren können. Niemand kann heute sagen, welche Chancen die Sonnenenergie einmal der Menschheit bieten wird. Wir müssen es erforschen. Das geschieht, meine Damen und Herren. Wir haben die Forschungsmittel für diese Aufgabe bereits im vergangenen Jahr erhöht.
Da die nationale Verantwortung nicht ausreicht, war es richtig, daß der Bundeskanzler das Thema Reaktorsicherheit zum Thema des Gipfeltreffens in Tokio gemacht hat. Deshalb war es richtig, daß er eine Konferenz aller Staaten vorgeschlagen hat, in denen Kernkraftwerke betrieben werden. Und es war schließlich richtig, daß er eine deutsche Intervention in dieser Frage vor der UNO angekündigt hat.Was sollte Gegenstand dieser Sicherheitskonferenz sein? Meines Erachtens sind es vor allem vier Punkte, die in unserem Entschließungsantrag genannt sind: erstens die Festlegung verbindlicher Sicherheitsstandards für alle Kernkraftwerke der Welt.
Diese Sicherheitsstandards müssen die bestmöglichen sein, und sie müssen nach dem Stand der Technik fortgeschrieben werden. Das ist unsere erste Forderung an alle Staaten, die Kernenergie erzeugen.
Die zweite Forderung ist, dàß internationale Kontrolleure das Recht erhalten, alle Kernkraftwerke der Welt zu kontrollieren, um festzustellen, ob diese internationalen Sicherheitsstandards eingehalten werden.Die dritte Forderung: Diese Konferenz sollte ein internationales Frühwarn- und Informationssystem entwickeln, an das alle Kernkraftwerke der Welt angeschlosen sind.Viertens sollte sich diese Konferenz mit einer internationalen Vereinbarung über Schadensersatz für Schäden befassen, die durch Kernkraftunfälle oder andere Geschehnisse im Rahmen der Kernkraft entstehen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16537
Dr. DreggerMeine Damen und Herren, Herr Vogel hat soeben gemeint, daß das wenig mit Kommunismus zu tun habe: Geheimniskrämerei gehört zum Wesen des kommunistischen Systems.
Diese Systeme sind daher unmodern. Diese Sy-. sterne sind daher nicht in der Lage, mit den Risiken moderner Technik angemessen fertigzuwerden.
Die moderne Technik und die moderne Welt brauchen offene Systeme mit offenen Grenzen,
mit offenem Austausch von Tatsachen und Meinungen.
Ich fordere die Führung der Sowjetunion auf, sich der Welt zu öffnen, damit die Sowjetunion ihren Beitrag zur Sicherheit der Welt leisten kann.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, einige allgemeine Überlegungen hinzufügen. Wir haben keine Garantie, daß uns Katastrophen alle Zeit erspart bleiben.
Vierzig Jahre Frieden und Freiheit hier bei uns — allerdings in einer Welt, die von Kriegen erfüllt ist — könnten diese Vorstellung beflügeln. Wir können weder technische Katastrophen noch kriegerische Verwicklungen ausschließen, selbst wenn wir ihr Entstehen im eigenen Verantwortungsbereich verhindern können, was bei Katastrophen nicht einmal 100%ig vorausgesagt werden kann. Tschernobyl zeigt, daß andere Staaten Katastrophen auslösen können, von denen wir betroffen werden. Auch unsere friedliche Demokratie muß daher möglichen Katastrophen ins Auge sehen. Wir müssen versuchen, sie abzuwenden. Das ist unsere erste und wichtigste Aufgabe. Aber wir müssen auch vorsorgen für den Fall, daß das nicht gelingt. Wir müssen dann dafür vorsorgen, daß der Schaden begrenzt wird.Ich habe in der Opposition vergeblich für die Verstärkung des zivilen Bevölkerungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland gekämpft. Dem wurden zum Teil absurde Argumente entgegengesetzt,
z. B. ziviler Bevölkerungsschutz könne als Kriegsvorbereitung oder gar als Absicht mißverstanden werden, einen Krieg auslösen zu wollen. Dieses Argument ist ebenso absurd wie die Behauptung, wer Brandschutz vorbereite, sei ein Brandstifter.Auch in der neuen Koalition, in der neuen Legislaturperiode ist es nicht zu wesentlichen Verbesserungen im zivilen Bevölkerungsschutz gekommen. Ich meine, die letzten Wochen sollten uns allen zur Lehre dienen. Mögliche Gefahren vorauszusehen und ihre Eingrenzung und Minderung vorzubereiten gehört zu den vornehmsten Aufgaben des Staates, die ihm niemand abnehmen kann. Wir sollten uns der Aufgabe der Gefahrenvorsorge stellen und uns durch noch so feige, so opportunistische und so verantwortungslose Parolen daran nicht hindern lassen.
Wir sollten diese Aufgabe als eine gemeinsame Aufgabe der demokratischen Parteien begreifen, gleichgültig, wer von uns jeweils Regierungspartei oder Oppositionspartei ist. Wenn es um die Sicherheit der Menschen geht, sollten wir alle zusammenstehen.
Auf dem Treffen der sieben Industrienationen in Tokio war die Bundesrepublik Deutschland — ich sagte es schon — das allseits bewunderte Modell. Nicht nur im Wirtschaftswachstum, sondern auch in der Geldwertstabilität sind wir Weltspitze. Das Kommuniqué des Wirtschaftsgipfels liest sich zum Teil wie eine Beschreibung und Empfehlung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung. Ein Blick zurück macht deutlich, welch enorme Leistungen deutsche Arbeiter, Ingenieure und Unternehmer in den letzten Jahren vollbracht haben.Als die CDU im Jahre 1969 die Regierungsverantwortung an die SPD abtrat, war unser Land vollbeschäftigt, schuldenfrei und sozial stabil.
1982, am Ende der Ära Brandt/Schmidt, war die Spitzenstellung der Bundesrepublik Deutschland auf allen Feldern verspielt.
Aus Vollbeschäftigung war Massenarbeitslosigkeit geworden. Die Arbeitslosenzahlen haben sich in diesen 13 Jahren sozialdemokratisch geführter Bundesregierungen vervierzehnfacht. In den letzten beiden Jahren vor dem Regierungswechsel war die Arbeitslosigkeit bei uns stärker angestiegen als in jedem anderen Land der Europäischen Gemeinschaft:
um 106 %. Sie hatte sich verdoppelt.
Die Geldwertstabilität, die zu Ludwig Erhards Zeiten sprichwörtlich war, ging verloren. 1981 betrug die Geldentwertungsrate 6,3%.Schulden und Zinslasten stiegen wie eine Rakete in den Himmel. Für das Jahr 1969 — das Jahr des Regierungswechsels von der CDU zur SPD — wurde kein Pfennig neuer Schulden aufgenommen. Für das Jahr 1982 -- das Jahr des Regierungswechsels von Schmidt zu Kohl — mußte der Bund 37 Mil-
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16538 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. Dreggerliarden DM neuer Schulden für ein einziges Jahr aufnehmen.
Die Schulden, die wir jetzt noch aufnehmen, dienen nur noch dazu, einen Teil der Zinsen für die Schulden zu bezahlen, die uns hinterlassen worden sind.
Hätten die Sozialdemokraten so solide gewirtschaftet wie wir vor 1969 und jetzt seit 1982, dann brauchten wir in dieser Legislaturperiode entweder überhaupt keine neuen Schulden aufzunehmen, oder uns stünden über 100 Milliarden DM für andere Zwecke als Zinszahlungen an die Banken zur Verfügung. Was könnten wir mit diesen über 100 Milliarden DM alles an Gutem tun, meine Damen und Herren!
Die Fehler sozialdemokratischer Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik belasten uns also in ihren Folgen noch heute. Um so erstaunlicher ist es, daß die Regierung Kohl auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio auf glänzende Ergebnisse hinweisen konnte. Wir haben totale Preisstabilität. Für jede Mark mehr kann sich der Bürger heute auch entsprechend mehr kaufen. Wir sind auf diesem Felde Weltspitze.Der raketenhafte Anstieg der Arbeitslosigkeit ist gestoppt. Die Kurzarbeit ist weitgehend beseitigt. Die Zahl der Beschäftigten steigt wieder, in den beiden letzten Jahren um 650 000 netto. Wir sind noch keineswegs am Ziel, aber wir haben den richtigen Kurs eingeschlagen. Die Zahlen und Vergleiche mit anderen Ländern beweisen es.
In diesem Jahr erleben wir den stärksten Anstieg der Realeinkommen der Arbeitnehmer seit sieben Jahren. Der Rückgang der Realeinkommen der Arbeitnehmer, der in den letzten Jahren der Regierung Schmidt einsetzte, ist endlich aufgefangen. In diesem Jahr erleben wir auch die stärkste reale Rentensteigerung seit acht Jahren. Die Renten sind nie höher gewesen als in diesem Jahr. Wir haben das Wohngeld um durchschnittlich bis zu 30 % erhöht. Unser soziales Mietrecht schützt auch die Mieter der Neuen Heimat, meine Damen und Herren.
Wir haben die Sozialhilfe um durchschnittlich 8 % erhöht. Bei der derzeitigen Geldwertstabilität bedeutet das eine ganz wesentliche Verbesserung der Lage der Sozialhilfeempfänger. Wir konnten ein Erziehungsgeld für alle Mütter einführen und auch ein Erziehungsjahr je Kind rentenbegründend und rentensteigernd in der Rentenversicherung anerkennen.
Damit schlagen wir, Alfons Müller, ein neues Kapitel in der Sozialgeschichte unseres Volkes auf.
Damit stehen wir in der großen sozialen Tradition der Christlich Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union. Die dynamische Rente war unser Werk, ebenso die Unternehmensmitbestimmung, ein fortschrittliches Betriebsverfassungsrecht, der Lastenausgleich und jetzt unser Gesetzespaket für Kinder, Mütter und Familien mit einem Volumen von ca. 10 Milliarden DM.Meine Damen und Herren, all das war nur auf der Grundlage sich konsolidierender Staatsfinanzen und günstiger Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft möglich. Dazu war unsere Politik notwendig. Sonst wären diese Erfolge nicht erzielt worden.
Unser Wirtschaftswachstum übertrifft das der anderen. Unsere Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz stehen auf Rekordniveau.
Die Systeme der sozialen Sicherung, die 1982 vor dem Zusammenbruch standen, sind stabilisiert. Die Renten sind sicher.Was die Welt bewundert und anerkennt, wird von Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, geschmäht.
Aber nicht nur das: Ihre bisherigen Äußerungen zur Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zeigen, daß Sie nichts gelernt haben
und daß Sie stracks zu Ihren alten Fehlern zurückkehren würden, wenn der Wähler Ihnen dazu die Gelegenheit geben würde. Dieses Mal würde es noch schlimmer als vor 1982 werden, da Sie nicht mehr durch die FDP als Koalitionspartner und nicht mehr durch einen Mann wie Helmut Schmidt in Ihren Fehlern gebremst würden. Heute würden Sie mit einer anderen Führung, die den Helmut Schmidt als Außenseiter betrachtet, und mit der Aussteigermentalität der GRÜNEN deutsche Politik gestalten. Das mögen Gott und die Wähler verhüten!
Die Politik, die Sie ankündigen, meine Damen und Herren, würde bedeuten: mehr Schulden, mehr Steuern, mehr Abgaben, höhere Kosten, höhere Zinsen, wie in den 70er Jahren.
Die Folgen wären ebenso wie in den 70er Jahren:sinkendes Vertrauen in der Wirtschaft, sinkende In-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16539
Dr. Dreggervestitionen, mehr Arbeitslosigkeit und mehr Schulden. Dahin wollen wir nicht zurück.
Ich fasse zusammen: Der Weltwirtschaftsgipfel hat gezeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir fordern die Bundesregierung Helmut Kohl auf, auf diesem Erfolgsweg weiter voranzuschreiten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hönes.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Recht behalten zu haben kann ein großes Unglück sein. Die GRÜNEN — gerechterweise muß man sagen: nicht nur die GRÜNEN — haben ein Tschernobyl erwartet: in den USA, in Japan, in Stade und in der Sowjetunion.
Sicher aber waren wir nicht, und natürlich haben wir wie alle Menschen gehofft, die Katastrophe möge ausbleiben. Sie ist nicht ausgeblieben. Das ist schrecklich und in all seinen Konsequenzen noch gar nicht absehbar. Aber in Ost und West, in Moskau, Bonn und Ost-Berlin, gilt die Hauptsorge der Regierenden nicht der Gesundheit der Bevölkerung, sondern ihrer Irreführung. Wir alle werden belogen, meine Damen und Herren, und der Grund dafür liegt auf der Hand: Rubel und D-Mark müssen rollen, aufgeklärte Bürger und Bürgerinnen, die Konsequenzen aus dem Unglück fordern, sind da im Wege.Vor dem Hintergrund des zerborstenen Reaktors von Tschernobyl verblassen die Unterschiede der Systeme: Nicht nur Radioaktivität kennt keine Grenzen, auch die Antworten auf die Katastrophe gleichen sich auf erschreckende Weise. Am 1. Mai 1986 war sich das offizielle Deutschland in Ost und West einig: Gleich drei Bundesministerien, so schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", hatten versichert, der radioaktive Staub vom Reaktorunglück sei im wesentlichen am Bundesgebiet vorbeigezogen. Im „Neuen Deutschland" hieß es am selben Tag: Nach der TASS-Meldung über eine Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl wurden keine Werte der Radioaktivität gemessen, die eine Gesundheitsgefährdung hervorrufen können.Selbst mehr als zwei Wochen nach der Katastrophe sind der Unverfrorenheit keine Grenzen gesetzt. Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth teilte am letzten Wochenende mit, für den Verkauf von Frischfleisch gebe die Bundesregierung weiter keine Empfehlungen, weil selbst bei der ermittelten Aktivitätskonzentration keine Gefahr bestehe. Am selben Tag meldete das Sozialministerium in Hessen bis zu 17 Millionen Becquerel Jod in der Schilddrüse von Wild und 4 000 Becquerel Jod im Muskelfleisch von Schlachtvieh. Wie sich die Bilder gleichen, meine Damen und Herren: Zur gleichen Zeit entnehmen wir den Zeitungen, daß die sowjetische Regierung das Niveau der Strahlungswerte, 60 Kilometer von Tschernobyl entfernt, im Hinblick auf die menschliche Gesundheit für absolut sicher hält. Absolut sicher ist nur eines: Hüben wie drüben werden die Bürger und Bürgerinnen auf menschenverachtende Weise für dumm verkauft.
In der Bundesrepublik Deutschland wurden maximale Werte gemessen, die im Boden um mehr als das Zwölftausendfache gegenüber 1983 lagen und bei der Milch um das 52tausendfache. Nach Untersuchungen des Heidelberger Instituts für Energie-und Umweltforschung ist im Südosten Baden-Württembergs 10 bis 15mal soviel langlebige Radioaktivität niedergegangen wie bei allen Kernkraftversuchen in den vergangenen 30 Jahren zusammengenommen.In dieser Situation stellen sich Mitglieder dieser Bundesregierung vor die Fernsehkameras und wollen die Bevölkerung glauben machen, das Spielen im Sandkasten sei für Kinder nicht gefährlich, werdende Mütter bräuchten sich um die Gesundheit ihrer Babies keine Sorgen zu machen; der ganze Spuk sei ohnehin in wenigen Wochen endgültig vorbei.
Das ist eine Lüge, und Sie wissen das. Die Welt ist eine andere geworden. Vorsichtigen Schätzungen von Wissenschaftlern zufolge ist der Boden durch den hohen Cäsium-Gehalt auf Jahre hinaus verseucht und für den Anbau von gesunder Nahrung nicht mehr geeignet. Das wagen Sie der Bevölkerung nicht zu sagen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung.
Die Folgen werden uns tief treffen. Strom können wir produzieren, gesundes Brot nicht mehr. Davon sind Sie genauso betroffen wie ich.
Wie reagiert die politische Führung des Landes auf die existenzbedrohende Situation der Bauern? Das Wort „existenzbedrohend" bekommt in diesem Zusammenhang eine Dimension, die den Rahmen Ihrer Gedankenwelt, Herr Kiechle, sprengt. -- Er sitzt schon gar nicht mehr hier. — Die Regierung wagt es, Unterschriften der Betroffenen zu sammeln, mit denen sie sich verpflichten müssen, nach geleisteten Ausgleichszahlungen keine Nachforderungen mehr zu stellen. Was ist denn mit der nächsten Ernte, mit der übernächsten Ernte? Was ist mit dem Trinkwasser, das aus verseuchtem Oberflächenwasser gewonnen wird? Wer kommt für die Schäden auf, wenn das verseuchte Wasser und das Getreide in die Nahrungsmittelkette gelangen? Es ist zu erwarten, daß Sie demnächst auch die letzten Grenzwerte für die zulässige Höchstbelastung für Nahrungsmittel aufheben, auf daß die Ernte nicht
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16540 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Frau Hönesvernichtet wird, damit Sie keine weiteren Entschädigungen zahlen müssen.Was dabei für Sie nicht mehr zählt, ist die Gesundheit der Bevölkerung. Die Gesundheit ist beim bisherigen Wirken der sogenannten Strahlenschutzkommission bereits auf der Strecke geblieben.
Die Aufgabe dieses Gremiums besteht offensichtlich darin, die Grenzwerte so hoch festzulegen, daß die Politiker mit ihnen die absurde Behauptung belegen können, es bestehe keine Gefahr.
Was bedeutet z. B. die Festlegung eines Grenzwertes von 500 Becquerel Jod-131 für Milch, für die Sie sich, Frau Süssmuth — ich spreche Sie ganz persönlich an —, so stark gemacht haben? Ich glaube, Sie können sich gar nicht vorstellen, was Sie in den letzten Wochen bei Müttern, bei besorgten Vätern an Vertrauensverlust erlitten haben, und ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie diesen Vertrauensverlust durch alle progressiven Vorschläge, die Sie in den nächsten Wochen und Monaten ja noch machen werden, je wieder gutmachen können. Sie haben so wenig Sensibilität gezeigt, daß es richtig wehtut. Ich bedaure das ganz persönlich.
Mit mir bedauern das sehr viele Frauen, die davon geträumt haben, daß es quer durch alle Parteien so etwas wie eine Solidarität der Frauen geben könnte.
Frau Ministerin Süssmuth, mit jedem Liter Milch, das ein Kind zu sich nimmt, erhält es die doppelte Menge an Radioaktivität, die bisher einem erwachsenen Menschen laut Strahlenschutzverordnung zugemutet werden durfte.
-- Pro Jahr, richtig.
Die Mitglieder der Strahlenschutzkommission haben sich vollkommen disqualifiziert als der verlängerte Arm derjenigen, die unsere Sicherheit bedrohen, und diesen Leuten trauen Sie. Dies ist der Grund, warum wir in unserem Katalog der Maßnahmen, die sofort ergriffen werden müssen, die Auflösung der Strahlenschutzkommission in ihrer jetzigen Zusammensetzüng an die erste Stelle gesetzt haben.
Niemand wird heute dringender gebraucht als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, denen die Bevölkerung vertrauen kann.
Offene und versteckte Atomlobbyisten gehören gewiß nicht dazu.
Keiner von uns weiß, ob die Strahlen von Tschernobyl auch in unseren eigenen Körpern bereits Schaden angerichtet haben. Es ist erwiesen, daß bereits kleinste Dosen von Radioaktivität Krankheiten erzeugen können, die unheilbar oder nur schwer zu heilen sind: Knochenmarktumore, Leukämie, körperliche und geistige Schäden am Embryo und genetische Schäden.Und obwohl Sie das alles wissen, haben Sie es nicht für nötig befunden, die Bevölkerung umfassend zu informieren.
Sie waren nicht einmal in der Lage, verantwortungsvoll auf die zahllosen Anfragen verängstigter Bürgerinnen und Bürger zu reagieren.Die Behauptung der Bundesregierung, die Lage sei nicht gefährlich, glaubt wohl niemand mehr in diesem Land.Ihre Behauptung Nummer 2 ist nicht minder abenteuerlich, obwohl wir sie natürlich erwartet haben. Sie lautet, ein derartiger Unfall sei in der Bundesrepublik ausgeschlossen. Man kann auch mit der Wahrheit lügen, Herr Riesenhuber und Herr Dregger.
Der selbe Unfall wie in der Sowjetunion kann hier in der Tat nicht passieren, weil in der Bundesrepublik Deutschland andere Reaktorsysteme stehen. Nehmen wir einmal an, in der DDR wären zwei Trabants zusammengestoßen, Vielleicht wird Ihnen an diesem kleinen Beispiel klar, was da eigentlich abläuft.
Der westdeutsche Verkehrsminister verkündet lauthals, einen derartigen Unfall könne es hier nicht geben, weil es hier keine Trabants gebe. Niemand, Herr Riesenhuber und Herr Dregger, käme angesichts dieser Verlautbarung auf den irrwitzigen Gedanken, deshalb für die Bundesrepublik Deutschland gleich generell einen Verkehrsunfall auszuschließen.
Genau das aber versuchen Sie und die Ihnen nahestehende Atomlobby uns einzureden.
Absolut lächerlich! Sie unterschätzen uns alle.
Sie sagen, die deutschen Atomkraftwerke seien viel sicherer als die sowjetischen. Die Wahrheit ist — und das wüßten Sie, wenn Sie noch objektiv sein könnten;
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16541
Frau Hönesdas können Sie natürlich nicht mehr,
weil Sie abhängig geworden sind, im wahrsten Sinne abhängig geworden sind —:
Diese Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland haben ihre dramatisch gefährlichen Schwachstellen, nur in anderen Bereichen. Noch in der Dezember-Nummer der deutschen Zeitschrift „Atomwirtschaft", der Publikation der AKW-Betreiber — Herr Dregger, Sie kennen diese Zeitschrift —, wurde der Reaktortyp in Tschernobyl in den höchsten Tönen gelobt.
Sie sollten mal Rücksprache mit den dort beschäftigten Experten nehmen. Wörtlich heißt es dort:
Die Verläßlichkeit des ganzen Systems ist sehr groß dank der Überwachungs- und Kontrollmöglichkeit der einzelnen horizontal liegenden Kanäle.Nun ist der Reaktor zerborsten, und mit ihm der Glaube an die Sicherheitsprognosen der deutschen Atomlobbyisten.Weil es offiziell in Ihren Köpfen kein Atomrisiko geben darf, weil Sie sich solche kritischen Gedanken gar nicht zugestehen, weil Sie es sich gar nicht leisten können, solche Gedanken noch zuzulassen, haben Sie das Restrisiko erfunden, eine Art Notlüge, wie sie schäbiger und beschämender nicht sein kann.
Was heißt Restrisiko? Im Auftrag der Stadt Schweinfurt untersuchte das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung:
Was passiert, wenn es in dem nur 3 km entfernten AKW Grafenrheinfeld zu einem GAU mit Kernschmelze, Dampfexplosion und Verlust der äußeren Schutzhülle kommt? Innerhalb von nur vier Stunden müßten etwa 46 000 Schweinfurter sterben. Eine rechtzeitige Evakuierung der 85 000 Menschen, die sich um die Mittagszeit in der Stadt aufhalten, ist ausgeschlossen.Restrisiko bedeutet also — ich spreche hier in Ihrer Logik — den qualvollen Tod von 10 000 Menschen sofort und die Zerstörung der Lebensgrundlagen der gesamten Bevölkerung auf Dauer.
Zynischer und brutaler geht es nicht.
Nein, meine Damen und Herren, es gibt keine friedliche Nutzung der Kernenergie.
Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis!Alle 374 Kernkraftwerke auf dieser Erde sind Kriegserklärungen an die Menschen.
Die Menschen müssen Wirtschaftsführer und Staatsführungen, die diese Gefährdung ihrer Lebensgrundlagen, ihrer Gesundheit und ihres Lebens fortsetzen wollen, bekämpfen, Herr Dregger.
Sie müssen kämpfen, weil der Zerstörung unserer Gesundheit durch Jod, Cäsium, Strontium und Plutonium mit Meditation nicht beizukommen ist. Ich weiß nicht, wo der Herr Kanzler jetzt meditiert.
Was kann nun konkret getan werden? Tschernobyl hat niemanden unberührt gelassen. Die am eigenen Leibe erlebte Angst vor der strahlenden Wolke und dem radioaktiven Regen ist längst zu einem tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Faktor geworden. Millionen, die sich bisher für die Problematik kaum interessiert haben, ist es wie Schuppen von den Augen gefallen: Atomenergie kann nicht beherrscht werden. Deshalb fordern wir, alle Atomanlagen abzuschalten, jetzt und sofort!
Wer heute, meine Damen und Herren, dieses Menetekel ignoriert und mit Stalingrad-Mentalität den Ausbau der Atomenergie propagiert, hat sich selbst ins politische Abseits befördert.
Die GRÜNEN begrüßen alle Initiativen, auch innerhalb der SPD und des DGB, die nach Wegen suchen, um auf dem schnellsten Weg aus der Atomenergie auszusteigen. Wir mißtrauen aber zutiefst allen großen Worten, denen keine Taten folgen.
So können positive Entwicklungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Führungsgremien der Sozialdemokratie ihre Position nach der Katastrophe von Tschernobyl nicht um einen Millimeter bewegt haben. Nach wie vor wird die seit zehn Jahren bekannte Phrase von der Atomenergie als einer Übergangslösung wiederholt. Mit diesem Übergang scheinen Sie sich sehr lange Zeit lassen zu wollen.
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16542 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Frau HönesDer Kollege Schäfer hat heute morgen davon gesprochen, daß erst im Jahre 2015 daran gedacht werden könnte, die Atomkraftwerke tatsächlich abzustellen.
Nach wie vor wird eine vollkommen neue Reaktorlinie auf Hochtemperaturbasis vorangetrieben. Noch immer hält man an der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe fest. Noch immer will Gerhard Schröder in Niedersachsen das ebenso überflüssige wie gefährliche Atomkraftwerk in Lingen ans Netz gehen lassen.Wer wie Johannes Rau trotz der Katastrophe von Tschernobyl weiter in die Atomenergie investiert, übernimmt die Verantwortung für den nächsten Unfall. Wer wie er wider besseres Wissen den Eindruck erweckt, ein kurzfristiger Ausstieg aus der Atomenergie sei unmöglich, bestätigt sich als Taschenträger des Deutschen Atomforums.Auf Kritik stößt der Kanzlerkandidat damit auch in den eigenen Reihen. Vor genau einer Woche hat der energiepolitische Berater der SPD, Klaus Traube, in Bonn erläutert — ich zitiere wörtlich —:Die Forderung der GRÜNEN, sofort oder innerhalb weniger Monate die Atomkraftwerke abzuschalten, ist keineswegs unrealistisch, wie sie dargestellt wird. Wir haben gerade noch genügend Kraftwerkskapazität in Reserve, um den Ausfall von 17 Gigawatt Kernenergie zu verkraften, und ich habe auch kurz angedeutet, wie das ökonomisch zu bewältigen wäre.Unmittelbar würde die Stromerzeugung um die Größenordnung 1 Pf pro Kilowattstunde entsprechend ungefähr 5 bis 6 % des durchschnittlichen Strompreises zunächst einmal angehoben werden. Wenn der eindeutige politische Wille da wäre, könnte man abschalten. Machbar ist das ohne weiteres, technisch und ökonomisch.
Meine Damen und Herren, wir möchten Sie deshalb dringend auffordern, unserem Antrag auf Nichtinbetriebnahme der im Bau befindlichen Atomkraftwerke und unserem Antrag auf Abschaltung der überflüssigen Atomkraftwerke in der Bundesrepublik zuzustimmen.Aber selbst dann, wenn wir früher oder später alle Atomkraftwerke abgeschaltet haben, wird das wahre Atomzeitalter beginnen, wenn wir Hunderte und Tausende von Jahren mit der giftigen Atommüllhinterlassenschaft zu kämpfen haben. Denn der Irrsinn der Atomenergie äußert sich ja nicht allein bei Reaktorunfällen. Er äußert sich auch in der Tatsache, daß nach 20 bis 30 Jahren Atomstromgewinnung Atommüll zurückbleibt, der zwei bis drei Millionen Jahre lang sicher aus der Biosphäre ferngehalten werden muß und künftigen Generationen unabsehbare Probleme aufnötigen wird. Mit unserem Antrag „Keinen Atommüll in den Salzstock Gorleben — Einstellung der Erkundungs- und Bautätigkeit wegen erwiesener Nichteignung" bringen wir ein Anliegen in den Bundestag ein, das in der Vergangenheit nicht nur von Teilen der SPD und der FDP, sondern auch von führenden Geologen, die zum Teil an der Erkundung des Salzstocks Gorleben beteiligt waren, seit langem unterstützt wird. Nicht zuletzt der niedersächsische Ministerpräsidenten-Kandidat Gerhard Schröder hat in jüngster Zeit seine Zweifel an der Eignung des Salzstocks in Gorleben bekundet.
Aber heute kommt es darauf an, den politischen Willen zum Ausstieg aus der Atomenergie nicht allein mit Worten, sondern mit Taten unter Beweis zu stellen.
Die Flickschusterei neuer Sicherheitsüberprüfungen an bundesdeutschen Atommeilern ist überflüssig, meine Damen und Herren, da es einen sicheren Schutz vor dem GAU nicht geben kann. Das sicherste Atomkraftwerk der Welt ist das abgeschaltete!
Diese politische Forderung hat für uns allererste Priorität.Daneben fordern wir GRÜNEN folgende Sofortmaßnahmen: Auflösung der Strahlenschutzkommission; Einrichtung eines radiologischen Dienstes analog zum meteorologischen Dienst, der kontinuierlich Daten über die radioaktive Belastung am Boden und in der Luft erfaßt und diese öffentlich bekanntgibt; innerhalb von vier Wochen ist dem Bundestag ein Programm zur Ausbildung kommunaler Strahlenschutzbeauftragter für die Schaffung entsprechender Kapazitäten vorzulegen; sofortige Beendigung der Subventionierung und Erforschung von Atomenergie, statt dessen Förderung einer dezentralen, umweltfreundlichen Energieversorgung; schnellstmögliche Entschädigung aller von Tschernobyl materiell Betroffenen — es tut mir weh, daß ich „materiell Betroffenen" sagen muß —; Hilfsangebote für die in der Ukraine betroffenen Menschen, z. B. in Form von Trockenmilch aus EGLagerbeständen.Lassen Sie es mich noch einmal ganz deutlich sagen, damit das klar ist, meine Damen und Herren: Es ist verbrecherisch, Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Alle Atomanlagen müssen abgeschaltet werden, hier und heute.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren. Die Katastrophe von Tschernobyl war ein Schock, und sie wird Langzeitwirkung haben. Erneut erleben wir eine Krise des Vertrauens in die Kernenergie. Erneut wachsen Zweifel an der Beherrschbarkeit komplexer technologischer Ent-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16543
Baumwicklungen. Es stellt sich die Frage, ob wir nicht zu sorglos mit unserem Raumschiff Erde umgehen.
Wer sich aber, Frau Hönes, von irrationalen Bewegungen wegtragen läßt, wer nur die Apokalypse sieht,
der hindert sich selber an Handlungen, die verantwortbar sind.
Der technologische Fortschritt wird weitergehen.
Ohne technologischen Fortschritt werden wir die Probleme der Welt, die Überbevölkerung der Welt, nicht lösen, auch nicht die Umweltprobleme. Wir brauchen die Technik, um die Umweltprobleme zu lösen.
Doch ist Nachdenklichkeit gefordert, meine Damen und Herren, statt blinder Fortschrittsgläubigkeit. Nur ein qualitatives Fortschrittsverständnis, ein qualitatives Wachstum, das sich an Umweltzielen orientiert, ist vertretbar.Wir müssen alles tun, um die Risiken zu mindern; und es sind zahlreiche erhebliche Risiken, mit denen wir leben. Die Technik muß daran gemessen werden, ob sie den Menschen nützt. Die Begründungszwänge für uns alle, meine Damen und Herren, nehmen zu. Wir müssen darlegen, was wir tun. Wir müssen es erklären. Wir müssen offen sein. Wir müssen auf die Menschen zugehen und uns ihren Fragen stellen.Immer wieder neu stellt sich die Frage nach den Kosten und Risiken der technischen Zivilisation, und es gibt ein Beispiel dafür, wie wir die Diskussion über die Kernenergie versachlichen können. Dieses Beispiel hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1980 in beeindruckender Weise aufgezeigt. Sie hat empfohlen, sich weder auf endgültigen langfristigen Kernenergieausbau noch auf Entwicklungen zu verlassen, die einen Verzicht auf Kernenergie möglich machen könnten. Bis dahin soll eine Politik verfolgt werden, die auf eine rationale und faire Vermittlung beider Wege angelegt ist, meine Damen und Herren.Der Schlüssel für unser Problem ist das Einsparen von Energie. Hier ist viel geschehen; aber hier muß noch vieles geschehen.
Und, Frau Hönes, die Sie so heftig kritisieren, ist Ihnen denn nicht bewußt, daß alle Energieformen Umweltprobleme mit sich bringen?
Ich mache mir große Sorgen über die CO2-Anreicherung der Atmosphäre, die durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen entsteht.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Suhr?
Ich habe leider nur acht Minuten Zeit, Frau Präsident. Ich möchte keine Fragen gestatten.Die Sozialdemokraten haben eine zurückhaltende Position eingenommen. Das war ja kein sofortiger Ausstieg. Aber, meine Kollegen, Sie haben eine Bringschuld: Sie müssen uns jetzt sagen, warum Sie von den Überlegungen der Enquete-Kommission, die sehr abgewogen waren und die auch alle Möglichkeiten offengelassen haben, abweichen. Sie müssen uns auch die Konsequenzen Ihrer Entscheidung darlegen. Sie müssen dem Bürger sagen, was das im einzelnen bedeutet.
Wir können niemals alle Folgen unserer Handlungen voraussehen. Aber wir können viele Fehler korrigieren, wenn wir in kleinen, überschaubaren Schritten vorgehen, wenn wir also jedes Mal anhalten können, sobald wir feststellen, daß wir in die falsche Richtung gehen.In diesem Sinne hat meine Partei den bisherigen Ausbau der Kernenergie mitverantwortet, und zwar in der Hoffnung und Erwartung, daß eines Tages andere Energieformen zur Verfügung stehen werden. Bisher sind sie großtechnisch nicht einsetzbar. Wir haben nie ein bedenkenloses „Ja" zur Kernenergie gesagt. Wir haben den Ausbau an Bedingungen geknüpft. Wir haben ihn an die Entsorgung gekoppelt, wir haben ihn an Sicherheitsstandards, an internationale Kooperationen und an wirksame Vorkehrungen im Katastrophenschutz gekoppelt.Als Innenminister habe ich den Sicherheitsvorkehrungen erste Priorität zugemessen, und ich bin froh, daß ich das getan habe, trotz mancher Angriffe, die ich habe hinnehmen müssen, weil unsere Kernkraftwerke zu teuer seien und weil die Bauzeit zu lang sei. Das Ergebnis ist, daß wir mit die besten Sicherheitsstandards in der Welt haben, meine Damen und Herren.
Der Herr Bundeskanzler hat Konsequenzen aufgezeigt, denen wir zustimmen:Erstens. Die Sowjetunion muß ihre Informationspolitik grundlegend ändern. Das, was sie gemacht hat, war unverantwortlich im Interesse der Sicherheit der Menschen in ihrem Lande und in unseren Ländern.
Zweitens. Wir sollten mit Nachdruck internationale Vereinbarungen anstreben, um die Sicherheitsstandards verbindlich festzuschreiben; sie müssen dann auch international kontrolliert werden. Die Internationale Atomenergiekommission muß das Recht bekommen, Empfehlungen zu veröffentlichen.Drittens. Wir sollten auch bilaterale Vereinbarungen mit unseren Nachbarn treffen. Wir haben
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16544 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Baumsolche mit Frankreich, mit der Schweiz und mit den westlichen Nachbarn; diese können und müssen verbessert werden. Ich nenne nur das Stichwort Cattenom. Wir haben keine Vereinbarung mit unseren östlichen Nachbarn, mit der DDR und mit der Tschechoslowakei. Hier besteht ein Nachholbedarf, meine Damen und Herren.
Viertens. Wir sollten überlegen, ob wir zur Versachlichung der Diskussion hier im Hause und mit der Wissenschaft die Enquete-Kommission wieder aufleben lassen und diese Beratung nach jetzt sechs Jahren weiterführen sollten.Fünftens. Die Sicherheitskonzepte für Kernkraftwerke sind hier in der Bundesrepublik nach dieser Katastrophe erneut zu überprüfen. Meine Damen und Herren, wir können nicht ausschließen, daß wir auch aus Tschernobyl lernen können. Die Defizite, die bei uns in der Bundesrepublik bei der Information der Bürger, bei der Bewertung der Strahlengefahr und im Bereich des Katastrophenschutzes aufgetreten sind, sind schonungslos zu analysieren. Die Innen-, Umwelt- und Gesundheitsminister sollten unverzüglich lückenlose Berichte über die Tätigkeit ihrer Behörden vorlegen. Wir wollen auch prüfen, ob nicht für solche Fälle eine Übertragung von Kompetenzen auf den Bund erforderlich ist.
Künftig sollten in solchen Fällen von Anfang an die politisch Verantwortlichen von Bund und Ländern in einer Art permanentem Krisenstab in Bonn zusammenkommen.Sechstens. Die Informationswege und die Instrumente des Katastrophenschutzes sind zu überprüfen. Der Katastrophenschutz ist bisher ein Stiefkind aller parlamentarischen, aller staatlichen Ebenen. Hier im Bundestag kümmern sich wenige Unermüdliche um Zivilverteidigung und Katastrophenschutz. Wir dürfen vor den Risiken unserer Industriegesellschaft und auch vor den Risiken des Verteidigungsfalles nicht den Kopf in den Sand stecken. Dies darf nicht als Kriegsvorbereitung denunziert werden.
Das sind wir auch den vielen tausend freiwilligen Helfern schuldig, die sich im Land um den Katastrophenschutz kümmern.Siebtens. Denjenigen, die jetzt einen Schaden erlitten haben, wie beispielsweise unsere Gemüsebauern, müssen wir schnell und unkompliziert helfen.All diese Konsequenzen sollte die Bundesregie- rung nach dem Muster des Harrisburg-Berichts jetzt analysieren und darstellen, wie wir das 1981 gemacht haben.Meine Damen und Herren, wir sind zur Zusammenarbeit verurteilt. Umweltgefahren kennen keine Ländergrenzen. Die Welt ist kleiner geworden. Wir sind abhängiger voneinander. Das verlangt nach mehr Information, nach Transparenz, nachKooperation. Wir sind der Meinung, daß diese Katastrophe — wenn sie ein Gutes haben kann — die Einsicht stärken muß, daß internationale Zusammenarbeit notwendig ist. Dieser Schock von Tschernobyl kann einen Nutzen haben, wenn alle jetzt endlich die Chance nutzen, aus den Fehlern zu lernen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Minister für Umwelt und Energie des Landes Hessen, Herr Staatsminister Fischer.
— Meine Damen und Herren, der Herr Staatsminister hat das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, zwei Jahre hatten wir die Gelegenheit, hier gemeinsam die Bank zu drücken. Ich sehe da in meinem Outfit keinen Unterschied zu meiner jetzigen Funktion als Landesminister. Im Gegenteil: Ich würde es als despektierlich empfinden, wenn ich mich als Landesminister hier anders verhalten würde denn als frei gewählter Abgeordneter des deutschen Volkes.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die ukrainische Stadt Tschernobyl hat den Weltwirtschaftsgipfel in Tokio aus den Schlagzeilen verdrängt und diese sorgfältige Inszenierung "zu einem nachrangigen Ereignis werden lassen — zumindest in Europa. Die Debatte heute beweist dies.Die radioaktive Wolke aus dem 1 500 km entfernten russischen Atomkraftwerk machte hingegen auf schlimme Weise Geschichte. Das mathematisch errechnete oder, besser gesagt: getarnte Restrisiko der Atomenergie hat sich als ein nukleares Desaster von europäischem Ausmaß erwiesen. Diese radioaktive Wolke legte sich in den letzten Wochen über Europa. Die Realitäten gerieten durcheinander.Herr Baum, wenn Sie hier Rationalität einklagen und den GRÜNEN vorwerfen, es würde hier wieder auf irrationale Bewegungen gesetzt, dann wären Sie glaubwürdiger, wenn Sie der Antiatombewegung Ihre Meinung, daß sie sich irre, begründet hätten. Ich halte den Weg in die Atomindustrie, den Weg in eine Energiestruktur, die vor allen Dingen durch die WAA, durch den Schnellen Brüter auf einen neuen, auf den Plutonium-Pfad setzt, auf ei-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16545
Staatsminister Fischer
nen weiteren Ausbau von Atomreaktoren setzt, für zutiefst irrational.
Ist es etwa rational, Herr Baum, wenn Bundesforschungsminister Riesenhuber die hohe Radioaktivität in Skandinavien völlig gefahrlos für uns fand und wenn sein Kabinettskollege Zimmermann ebenfalls von — man höre genau zu — keinen „akuten Gesundheitsgefährdungen" sprach? Die Mentalität des Kleingedruckten reüssierte hier plötzlich in der politischen Sprache in der deutschen Öffentlichkeit. Als wenn jemals behauptet worden wäre, daß in der Bundesrepublik jemand verstrahlt umfallen würde! Ist dies rational gewesen? Hätte - um ein Beispiel zu nennen — ein im Mairegen in Hessen sich ergehender Spaziergänger die Sicherheitsschleuse etwa des hessischen Atomkraftwerks Biblis zu passieren versucht, er hätte sie nicht mehr passieren können; die Meßgeräte hätten sofort Alarm ausgelöst. Dies alles sei harmlos und ungefährlich, so die offiziellen Stellungnahmen der Bundesregierung. Das ist Ihrer Meinung nach offensichtlich zutiefst rational. Ich muß mich wiederholen: Ich finde dieses Verhalten zutiefst irrational.„Restrisiko" heißt bei den Statistikern des Atomzeitalters die wissenschaftlich verbrämte Tatsache, daß Menschenwerk nicht unfehlbar ist und daß alles, was schiefgehen kann, auch einmal schiefgeht.
Das ist eine Binsenweisheit. Freilich sollte sich dies — so die Experten — je nach Rechenkunst nur alle 4000 Jahre oder gar alle 10 000 Jahre ereignen. Nun hat es gerade 40 Jahre gedauert, bis der erste nicht mehr beherrschbare Unfall, der Super-GAU, in einem Atomkraftwerk stattgefunden hat. Nach 40 Jahren erleben wir also den Offenbarungseid der Atomenergie.
Das „Restrisiko" entpuppte sich als eine säkulare Technik-Katastrophe mit bisher noch nicht überschaubaren Folgen für Menschen und Umwelt.
Ich komme nun zur Bundesregierung. Die Bundesregierung hat seit Bekanntwerden der Katastrophe der Bevölkerung gegenüber die realen Gefahren verharmlost, die notwendige Aufklärung unterlassen und sie, wenn überhaupt, zu spät an die Menschen weitergegeben,
und dies alles nur aus einem Grund: aus Angst vor dem politischen Akzeptanzverlust für die Atomenergie bei den Bürgern.
Meine Damen und Herren, es ist der Mühe wert, sich den Ablauf der Woche, in der das Reaktorunglück bekannt wurde, nochmals vor Augen zu führen. Es hat vom Bekanntwerden des Unfalls am Dienstag bis zum Freitag gedauert, bevor die Bundesregierung auch nur erste Ratschläge zur Minimierung der Katastrophenfolgen an die Länder weitergab. Drei Tage, in denen Nachrichten über die Strahlenbelastung in Schweden, Warnungen aus Bonn vor einer Hysterie, erste Messungen erhöhter Belastungen in der Bundesrepublik, Redeverbote für die Beamten, die die Messungen vornahmen, und völlig chaotische Anweisungen für die Grenzbehörden, die Lkw und Reisende aus der betroffenen Region überprüfen sollten, einander abwechselten.Ich bin an die innerdeutsche Grenze in Hessen gefahren. Da kam am Abend des 30. an die zuständigen Behörden das Fernschreiben des Bundesinnenministers, das besagte, ab einem bestimmten Wert dürften Wagen und Personen nicht mehr einreisen, sie dürften aber auch nicht an der Weiterfahrt gehindert werden.
Dann standen sie da. Alles andere war Ländersache. Letztendlich blieb die Verantwortung beim ABC-Zug der Freiwilligen Feuerwehr von Bad Hersfeld hängen. Da gab es Familien mit kleinen Kindern, die Stunde um Stunde warteten. Man hat Anweisungen gegeben, hat sich aber über deren Umsetzung keine Gedanken gemacht. Dies waren drei Tage, an denen die Menschen trotz stark erhöhter Radioaktivitätswerte nicht gewarnt wurden. Man ließ die Bevölkerung in Hessen, j a, in ganz Süddeutschland an einem strahlenden 1. Mai auf eine verantwortungslose Weise in die Strahlenwolke laufen.
Meine Damen und Herren, nach Schätzungen von unabhängigen Experten wird in den nächsten Jahren mit einem Ansteigen der Zahl von Schilddrüsenkrebsfällen infolge erhöhter Strahlenbelastung, vor allem durch Jod 131, zu rechnen sein. Diese Zahl hätte sich reduzieren lassen, wenn die Bevölkerung nach Vorliegen der ersten alarmierenden Meßwerte durch die Medien gewarnt worden wäre. Daß dies in der allgemeinen Krebsstatistik untergehen wird, spricht die Verantwortlichen meines Erachtens nicht frei,
vor allem dann nicht, wenn man wider besseres Wissen den Menschen erzählt, die radioaktive Niedrigstrahlung sei harmlos, sei ungefährlich.Was dann schließlich am Freitag, dem 2. Mai, von der Bundesregierung den Länderregierungen empfohlen wurde, war aus der Sicht der Hessischen Landesregierung nicht zu verantworten. Die von der Strahlenschutzkommission des Bundesinnenministers als unbedenklich hingestellte Jod-131Konzentration der Milch von 500 Becquerel pro Liter führt dazu, daß der Verzehr eines einzigen Liters Milch mit dieser Belastung bei Kleinkindern etwa die doppelte Strahlenbelastung der Schilddrüse zur Folge hat, als sie von der Strahlenschutz-16546 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986Staatsminister Fischer
verordnung für Atomanlagen in einem ganzen Jahr zugelassen ist, nämlich etwa 200 Millirem; der Grenzwert in der Verordnung beträgt 90 Millirem.Hessen orientierte sich mit seinem Wert von 20 Becquerel an dem 90-Millirem-Grenzwert, und die Landesregierung wird daran festhalten, auch wenn für eine Übergangszeit Probleme bei der Milch erkennbar sind.
Die Strahlenschutzkommission stellte später auch die Verseuchung von Blattgemüse mit bis zu 250 Becquerel Jod 131 pro Kilogramm als unbedenklich hin. Zuvor hatte sie bereits verlauten lassen, Gemüse könne durch Waschen entseucht werden. Dies widerspricht eindeutigen Erkenntnissen. Nicht einmal die Reduzierung auf die Hälfte der Verseuchung ist durch Abwaschen gewährleistet. Davon stand in den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission nichts. Der Verzehr von wenigen Kilogramm des als unbedenklich bezeichneten Gemüses kann daher zu Schilddrüsenbelastungen führen, die den zugelassenen Wert von jährlich 90 Millirem überschreiten, von anderen Inhalationspfaden ganz zu schweigen.Schließlich weigerte sich die Bundesregierung, einen Grenzwert für kontaminiertes Fleisch festzulegen; ein Trauerspiel, das wir in den letzten Tagen hier in Bonn erleben durften.
Auch hier wie zuvor bei der Milch mußte die hessische Landesregierung im Alleingang einen Grenzwert bestimmen, da der Bund seiner Verantwortung nicht oder nur unzureichend nachkam.
Meine Damen und Herren von der Union, nicht nur Hessen, sondern auch andere, auch CDU-regierte Bundesländer haben sich nicht an die Empfehlungen von Bundesregierung und Strahlenschutzkommission gehalten,
weil diese Werte den Menschen nicht zuzumuten waren und nicht zuzumuten sind.
Herr Bundesinnenminister, es waren vor allem einzelne Länder, egal, wer sie regiert, die hier gehandelt haben, ja, handeln mußten, gegen die Bundesregierung und gegen ihre Empfehlungen. Dies geschah — oft spät und ebenfalls mit vielen Mängeln und Fehlern behaftet, aber dies war immerhin von dem Willen getragen, Schaden und Gefahren für die Menschen nicht zu verharmlosen und wegzuinterpretieren, sondern tatsächlich abzuwenden oder wenigstens zu verringern.Wie groß, meine Damen und Herren von der Bun- desregierung, wie groß, Herr Bundeskanzler, muß eigentlich Ihre Angst vor einer wirklichen Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren atomarer Verstrahlung sein, wenn Sie der Öffentlichkeit die Wahrheit so ausdauernd vorenthalten? Fürchten Sie so sehr um Ihr Atomprogramm, um Ihre Schnellen Brüter, um Ihre Wiederaufbereitungsanlage, am Ende um Ihren Mut zur Zukunft?
Ich meine, Sie fürchten sich zu Recht, Herr Bundeskanzler. Sie fürchten sich zu Recht vor der Einsicht einer Mehrheit in der Bundesrepublik, daß wir gegen einen nicht mehr beherrschbaren Atomunfall tatsächlich machtlos sind und sein werden. Auch diese bittere Wahrheit haben Sie und Ihre Minister der Bevölkerung bis heute vorenthalten.Die von Ihnen mitunterzeichnete Erklärung von Tokio, Herr Bundeskanzler, enthält in völliger Uneinsichtigkeit die Ankündigung des weiteren Ausbaus der Atomenergie. Einzige Konsequenz aus der Katastrophe ist die Aufforderung zu besserer internationaler Information auf dem Atomsektor. Bei aller nur zu berechtigter Kritik an der Sowjetunion, glauben Sie tatsächlich, Herr Bundeskanzler, daß auch nur die französische Regierung bereit wäre, ihre bisherige restriktive Informationspolitik aufzugeben oder gar die Atomreaktoren in Fessenheim und Cattenom in Frage zu stellen? Beantworten Sie doch den Bürgerinnen und Bürgern, die diese Debatte verfolgen, ganz konkret die Frage: Was tun Sie denn, was tun wir denn bei einem Unglück in einem französischen oder in einem DDR-Reaktor? Wozu nutzen dann die jetzt so dringend geforderten Informationen? Die letzten Tage haben gezeigt, was damit vermutlich geschehen wird: Sie werden wie die Radioaktivitätsmessungen des Deutschen Wetterdienstes als geheime Verschlußsache auf den Ministeriumsschreibtischen herumliegen.Meine Damen und Herren, Sie fürchten sich davor, daß der Glaube an die atomare Energiezukunft verlorengeht und mehr und mehr Menschen politisch den Ausstieg aus der Atomenergie ultimativ verlangen. Das heißt, im Klartext gesprochen: Sie fürchten sich vor dem vollständigen Bankrott Ihrer Energie- und Atompolitik.
— Das ist kein Geschwätz, denn man höre und staune und lese vor allem am gestrigen Tage, jetzt plötzlich ertönt im CDU-Präsidium der Ruf nach alternativer Energienutzung, nach regionalen Energiesparkonzepten und nach sanften Energiepfaden. In Hessen wurden wir dafür in den letzten Jahren -- auch in der Koalition — von der CDU müde belächelt. Ich füge hinzu, meine Damen und Herren: Ich wäre heilfroh, wenn dies alles ernst gemeint, wenn dies die Konsequenz der Bundesregierung aus Tschernobyl wäre: eine atomfreie Energiepolitik, ein Bundeskanzler als Atomkraftgegner.
Tatsächlich ist es allein das rhetorische Reagieren einer verschreckten christdemokratischen Parteiführung — Geschwätz, wie Sie das nannten — angesichts Absacken signalisierender Umfrageer-Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16547Staatsminister Fischergebnisse und bevorstehender Landtagswahlen, der Kampf gegen das Gespenst Stimmung.
Aber es wäre nicht die CDU, meine Damen und Herren, wenn man dort neben so hübschen Dingen wie Sonnenenergie nicht im selben Atemzuge auch noch die Kernfusion als alternative Energiequelle angeführt hätte. Da wird es angesichts der Atomkatastrophe von Tschernobyl meines Erachtens endgültig zynisch, meine Damen und Herren — endgültig!Das Erschrecken der Europäer über die atomare Wolke aus der Ukraine rührte nicht allein von der nicht faßbaren radioaktiven Gefahr, sondern auch von den unmittelbar spürbaren, einschneidenden Veränderungen aller Lebensverhältnisse, ja grundsätzlicher Normen in unserer Gesellschaft her. Diejenigen, die Kinder haben, haben das am ehesten und nächsten mitbekommen.Es zeichnete sich eine tiefgehende Umwertung allgemeingültiger Werte im Falle eines atomaren Super-GAUs ab. Wir haben hier in den letzten beiden Wochen leider eine makabre Generalprobe erleben müssen. Plötzlich waren Dosennahrung, waren synthetische Produkte, waren tierische Produkte aus Stall- und Käfighaltung wieder gefragt. Gesunde Ernährung hieß plötzlich das Gegenteil von dem, was man bis zum 1. Mai 1986 darunter verstanden hatte.Tausende von Anrufen ratloser Bürger erreichten uns im Ministerium, die schlichte Tatsachen des alltäglichen Lebens nicht mehr geregelt bekamen: Was mache ich mit den Eiern meiner Freilandhühner? Was mache ich mit Freilandhühnern? Was mache ich mit dem Staubsaugerbeutel — und, und, und? Alle diese Fragen kamen von Tausenden besorgter Bürger bei der hessischen Landesregierung an. Die verantwortliche Bundesregierung, die bei jedem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, die bei jedem atomaufsichtlichen Verfahren sofort die Finger drin hat, hat zu dieser Frage eisern geschwiegen oder verharmlost.
Stellen wir uns doch einmal vor, meine Damen und Herren, es wäre ein deutsches Atomkraftwerk oder aber, damit sich der Bundesinnenminister nicht verweigert, ein französisches Atomkraftwerk oder ein Atomkraftwerk der DDR gewesen: Wir würden, meine Damen und Herren, diese Republik nicht wiedererkennen. Diese wäre keine freie Gesellschaft mehr, sondern wir würden fortan unter dem Diktat von Halbwertzeit, Geigerzähler und Strahlendosis zu leben haben — von den menschlichen Katastrophen ganz zu schweigen. Ich frage mich hier — und ich frage mich das als Bürger, nicht als Landesminister —, ob jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen ist, erneut mit einer Verfassungsklage gegen die Nutzung der Atomenergie nach Karlsruhe zu gehen.
Denn die Erfahrung von Tschernobyl hat gezeigt, daß ein tatsächlich stattfindender atomarer Super-GAU eine grundlegende Verletzung elementarer Grundrechte mit sich bringen wird, mit sich bringen muß.Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ich frage mich: Was muß denn noch alles passieren, bis Sie aufwachen und endlich umkehren, bis Sie endlich rational denken und handeln? Welch ein Aberwitz, wenn man hierzulande das Hohelied der deutschen Atomtechnik, das Lied der ewigen Sicherheit, das „Bei uns nie" singt! Vor wenigen Jahren galt der Reaktor von Tschernobyl dem Deutschen Atomforum noch als sicher, heute ist es ein Schrottreaktor in einer kommunistischen Diktatur.Auch der häufige Hinweis auf das fehlende Containment bei sowjetischen Reaktoren ist insofern irreführend, als bei den deutschen Siedewasserreaktoren — das sind sieben der 16 Leistungsreaktoren — ebenfalls kein Volldruck-Containment existiert. Ein effektiver Schutz gegen das Bersten, der berühmte Berstschutz, der von der Bundesregierung in Interviews plötzlich angeführt wurde, existiert bei keinem einzigen deutschen Reaktor. Entsprechende Forderungen von seiten der Bürgerinitiativen wurden abgelehnt — aus Kostengründen und weil es unnötig sei.
Die mit offen chauvinistischem Unterton — die Zwischenrufe haben das hier heute wieder gezeigt —
vorgetragene Behauptung, die deutschen Atomkraftwerke seien die sichersten der Welt, wurde spätestens dadurch zur Phrase, daß die Sicherheitsstandards bei den neuesten Atomkraftwerken dank Ihres segensreichen Wirkens in der Regierung aus Kostengründen deutlich reduziert wurden.
Im übrigen beweist eine lange Kette von Störfällen in deutschen Atomkraftwerken das Gegenteil. Um nur den vorerst letzten — nicht den dramatischsten — zu nennen: Vor kaum zwei Monaten, am 12. März 1986, ereignete sich im Atomkraftwerk Gundremmingen ein Störfall, bei dem zwischen 1 000 und 30 000 Liter radioaktives Wasser aus dem gefluteten Reaktor auf den Bedienungsflur überschwappte. Auslöser war ein grober Fehler des Bedienungspersonals — menschliches Versagen —, der sicherheitsrelevante Systeme von Hand außer Funktion setzte. Menschliches Fehlverhalten ist dementsprechend kein typisches Problem der UdSSR, sondern hat, wie dieser Störfall verdeutlicht, auch auf die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke großen Einfluß.
Herr Minister Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte im Zusammenhang weitersprechen.
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Staatsminister Fischer
Die Liste läßt sich verlängern. 1977 kam es in Gundremmingen zu einem Störfall, der schließlich zur Stillegung der Anlage führte. 1978 überbrückte das Bedienungspersonal des Atomkraftwerks Brunsbüttel die automatische Sicherheitsabschaltung mit der Folge, daß eine große Menge radioaktiven Dampfs über das Maschinenhaus entwich.
1981 wurde die Fehldimensionierung von Sicherungen in der Notstromversorgung des AKW Biblis entdeckt. Sie war bei allen Tests über sechs Jahre lang verborgen geblieben. Ebenfalls 1981 bildete sich bei einem Notstromunfall in Biblis eine Dampfblase, die in den vorher durchgeführten Störfalluntersuchungen nicht erwartet worden war.Hanford, Brown Ferry, Harrisburg, Sellafield, Tschernobyl — daß deutsche Ortsnamen heute diesen Klang nicht bekommen haben, ist kein Verdienst deutscher Unfehlbarkeit, Herr Dregger, sondern der schiere Zufall. In den USA ist es geschehen, in der Sowjetunion nun ebenfalls. Und nur bei uns — so der Bundesinnenminister im ZDF — sind die Atomkraftwerke absolut sicher. Wortwörtlich: absolut sicher. Welch eine Hybris, Herr Zimmermann, welch eine zivile Fortsetzung des deutschen Wunderwaffenglaubens unseligen Angedenkens.
Das alles ähnelt weniger einer verantwortungsvollen, durchdachten Energiepolitik als vielmehr einem Lotteriespiel mit unser aller Sicherheit.
Es ist kein politisches Geheimnis — jetzt hören Sie zu; das wird Sie wahrscheinlich mehr freuen —, daß die Koalitionsparteien der hessischen Landesregierung in der Atomfrage grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung sind.
Nach Tschernobyl haben Ministerpräsident Börner und die hessische Sozialdemokratie, hat die hessische Landesregierung keine Veranlassung gesehen, den hessischen Koalitionskompromiß in Richtung Ausstieg aus der Atomenergie zu ändern. Hierin besteht der grundlegende Dissens zwischen GRÜNEN und Sozialdemokraten in der Landesregierung; denn — ich zitiere die Regierungserklärung von Ministerpräsident Börner — „mit dem Atomunfall in einem Kernkraftwerk in der Sowjetunion hat sich die Welt dramatisch verändert".
Wenn das richtig ist, dann halte ich eine sofortige grundsätzliche Umkehr zu einer atomfreien Energiepolitik für zwingend geboten und vor allem auch für machbar. Das atomare Restrisiko halte ich nach der Katastrophe von Tschernobyl für nicht mehr hinnehmbar.
Es gehört allerdings Mut dazu, die bisherigen Investititionen abzuschreiben, so wie Mut dazu gehört, zuzugeben, daß man sich in einem solchen Ausmaß geirrt hat, wie es in der Atompolitik der Fall ist.
Herr Minister, ist es eine grundsätzliche Feststellung, daß Sie keine Zwischenfragen zulassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist eine grundsätzliche Feststellung.
Dann, Herr Abgeordneter Hirsch, bedaure ich, daß Sie ihre Zwischenfrage nicht stellen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was verbirgt sich denn hinter dem Gespenst vom sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie? Ein sofortiger Ausstieg bedeutet, daß eine Nettokraftwerksleistung von rund 16 200 MW der in Betrieb befindlichen Anlagen vom Netz genommen werden muß. Hinzu kommen rund 2 500 MW Nettoleistung der Atomkraftwerke Mülheim-Kärlich und Brokdorf, für die 1986 die Aufnahme des Vollastbetriebs geplant ist.
Ich würde es gerne machen, wenn Sie mitzögen.
— Es ist doch der Bundesinnenminister, der immer sofort dazwischengeht. Das hat er doch in Hanau bereits einmal demonstriert.
Damit hat sich gegenüber dem Jahr 1983 die Situation für einen Ausstieg deutlich verschlechtert. Mit jedem Jahr Weiterbetrieb und Bau von Atomanlagen wird dieser Preis höher werden. Wenn man davon ausgeht, daß ein sofortiges Abschalten der Atomanlagen noch im Jahre 1986 stattfindet, dann würde dies trotz der seit 1983 verschlechterten Situation immer noch im Rahmen des technisch Machbaren liegen.
Selbst bei sofortigem Ausstieg wäre noch eine ausreichende nichtatomare Kraftwerkskapazität von 17,5 % der Höchstlast als Reserve vorhanden. Die Versorgungssicherheit kann auf Grund der Weltmarktsituation für Importkohle und Erdgas sowie der großen Halden bei der Ruhrkohle als ausreichend eingestuft werden, bis regenerative Energiequellen zur Verfügung stehen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16549
Staatsminister Fischer
Was die Situation bei konventionellen Emissionen, also Schwefeldioxid und Stickoxiden, betrifft, so würde dies eine Erhöhung der Stickoxidemissionen um ca. 8 % und eine Verminderung der Schwefeldioxidemissionen um 9 % bedeuten. Die erwartete Verminderungsgeschwindigkeit wäre also geringer. Die atomaren Risiken würden dabei aber drastisch sinken. Für eine technisch notwendige Übergangszeit hielte ich das für vertretbar.
Bis Anfang der 90er Jahre könnte eine weitgehende Reduzierung der SO2- und NOx-Emissionen entsprechend dem Fortschritt bei der Rauchgasreinigung erreicht werden. Dies würde, meine Damen und Herren, weder die Arbeitsplatzsituation noch die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik beeinträchtigen. Im Gegenteil: Die Energieversorgung durch andere Energieträger ist bekanntlich arbeitsplatzfreundlicher als die durch Atomenergie.
Ich möchte Sie eindringlich bitten, die notwendige Ruhe herzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die derzeit bedeutendste Energieressource, die ohne jeden Konsumverzicht sofort beim Verbraucher nutzbar wäre, ist bekanntlich die Energieeinsparung. Diesen Faktor gilt es mittelfristig mitzurechnen. Studien für die Großstädte Hamburg und München haben ein Stromeinsparpotential von rund 30 % ermittelt. Eine soeben vorgelegte Untersuchung für Hessen kommt sogar zu einem maximalen Stromeinsparpotential von 58 % in den privaten Haushalten.
Es kann als sicher gelten, daß die unterstellten 15% Stromeinsparung durch Investitionen in eine rationellere Stromausnutzung weit billiger sind als die Kosten, die für die Produktion des entsprechenden Stroms notwendig wären.
Es ließen sich hier genügend weitere Fakten anführen. Aber wir stehen hier, meine Damen und Herren, nicht vor technischen, sondern allein vor politischen Problemen, was den Ausstieg anbetrifft. Das atomare Restrisiko hat sich als Super-GAU erwiesen. Der weitere Zubau von neuen Atomkraftwerken, ja, der Weg in die Plutoniumwirtschaft mit Schnellen Brütern und Wiederaufbereitungsanlagen potenzieren diese Gefahren um ein Vielfaches. Energiepolitisch taumeln wir mit dieser Politik weiter in die Abhängigkeiten von der Katastrophe. Das Verrückte daran ist, daß all dies angesichts existierender, machbarer, sofort ein- und umsetzbarer Alternativen gegen Erfahrung und Vernunft geschieht.
Wer da sagt, ein Ausstieg aus der Atomenergie sei jetzt nicht möglich, weil sonst die Lichter ausgingen, der irrt oder läßt meines Erachtens irren. Denn seien wir doch ehrlich, meine Damen und Herren von der Union: Läge Tschernobyl in der DDR oder in Frankreich, so wäre am heutigen Tage hierzulande kein Atomkraftwerk mehr am Netz, und dies ganz sicher ohne den Zusammenbruch der Stromversorgung.
Allein der politische Wille zum Weiterbetrieb verhindert den sofortigen Ausstieg, die sofortige Stillegung aller Atomanlagen. Wer glaubt, man könne die Ausstiegsentscheidung bis Mitte der 90er Jahre offenhalten, der vergißt zum einen die Möglichkeit von Tschernobyl in Stade, oder Biblis oder Gundremmingen oder sonstwo in einem westdeutschen Atomkraftwerk, und er vergißt weiter, daß bei einem weiteren Zubau nebst Plutoniumwirtschaft die Entscheidung faktisch nicht mehr offen sein wird, sondern von der Atomindustrie alternativlos zugebaut werden wird. Wer jetzt auf die zeitliche Dehnung des Ausstiegs setzen will, der wird zu begründen haben, wie er diesen beiden Gefahren entgehen will. Eine Seniorenperspektive mit dem Jahr 2015 wird da nicht weiterhelfen.
— Wenn Sie endlich wissen wollen, als was ich hier spreche: Ich spreche hier als hessischer Minister für Umwelt und Energie und mache von meinem Recht, hier zu sprechen, wie es im Grundgesetz steht, Gebrauch.
Herr Minister, der Abgeordnete Seiters bittet Sie noch einmal.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, keine Zwischenfrage.
Vizepräsdent Cronenberg: Sie lassen keine Zwischenfrage zu. Ich darf die Gelegenheit nutzen, ohne den Art. 43 des Grundgesetzes für Sie einschränkend auslegen zu wollen, darauf hinzuweisen, daß dieses Haus beschlossen hat, eine vierstündige Debatte zu führen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das in Ihrem Beitrag angemessen berücksichtigten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, selbstverständlich steht es mir nicht zu, Ihre Anregung zu kritisieren. Ich nehme an, das wird in Zukunft bei Ministern, Bundes- oder Landesministern, zur Übung dieses Hauses werden.
Meine Damen und Herren, nach Tschernobyl gibt es nur eine wirklich sichere, wirklich greifende
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16550 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Staatsminister Fischer
Konsequenz: Wir müssen raus aus der Atomenergie, wir müssen damit jetzt und sofort beginnen.
Ein Ausstieg der Bundesrepublik aus der Atomenergie hätte in Europa, Herr Dregger, West wie Ost, eine kaum zu unterschätzende Beispielsfunktion;
die anderen würden über kurz oder lang folgen. An der technischen, an der energiewirtschaftlichen Möglichkeit eines solchen sofortigen Schrittes zum Aus- und Umstieg habe ich nicht den geringsten Zweifel.
Wir können, Herr Seiters, wenn wir politisch nur wollen, umgehend aus der Atomenergie aussteigen. Der Bund hat mit dem Atomgesetz hier eine zentrale Leitfunktion. Wir würden dadurch an energiewirtschaftlicher Sicherheit nichts verlieren, an Sicherheit allgemein aber viel gewinnen.
Wir würden die heimische Kohle mittelfristig stabilisieren, zahlreiche Arbeitsplätze sichern und uns und unsere Kinder nicht aus Verblendung mit dem atomaren Super-GAU und einer verstrahlten Umwelt bedrohen.
Mit der Atomenergie, meine Damen und Herren, ist unsere Zivilisation meines Erachtens einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen. Wir müssen nein sagen und definitiv umkehren.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Forschung und Technologie, Dr. Riesenhuber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage, ob Herr Fischer für die Landesregierung Hessen gesprochen hat, ist eine faszinierende Frage, insbesondere vor dem Hintergrund, daß weitere Minister der hessischen Landesregierung hier heute im Deutschen Bundestag sind.
Es hat hier der Minister einer Regierung gesprochen, in deren Land mehr als 60 % der Stromversorgung auf der Basis von Kernenergie bereitgestellt werden. Es hat der Minister einer Regierung gesprochen, dessen Land einen wesentlichen Beitrag zu seinem Wohlstand aus dieser Kerntechnik hat. Er hat als Minister einer Regierung gesprochen, die mit großen Fertigungsstätten, mit Hochtechnik, mit den frühesten Kernkraftwerken, die in Deutschland gebaut worden sind, ein Energiepreisniveau hat, das die Voraussetzung für eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit und eine vergleichsweise erfolgreiche Politik in der Wirtschaft ist.
Wenn dieses die Grundlage ist, auf der die Landesregierung hier eine Politik anlegt, dann wäre es hier faszinierend, zu sehen, wie der Wohlstand in diesem Lande Hessen auf der Basis von Wissenschaft und Technik gehalten werden kann.
Es wird in den nächsten Tagen interessant sein, zu hören, wie die hessische Landesregierung dies selbst betrachtet und ob sie dies als Bestandteil ihrer Politik ansieht und ob sie der Überzeugung ist, daß dies mit der Politik übereinstimmt, die über Jahre von einer SPD-geführten hessischen Landesregierung betrieben worden ist und durch die dem Land auch ein Beitrag zum Wohlstand zu seiner Standortgunst geleistet worden ist.
Ich möchte einen zweiten Punkt aufgreifen: Dies alles, was wir hier diskutieren, steht unter der sehr grundsätzlichen Betroffenheit über den Tod von Menschen in der Sowjetunion und über die Schäden, die viele davongetragen haben.
Es steht aber auch unter der Betroffenheit über die Angst von vielen Menschen. Es ist hier zu Recht gesagt worden, daß auch die Angst dieser Menschen hier etwas ist, was als Tatsache respektiert werden muß
und was wir in unsere politisch verantwortliche Tätigkeit einbeziehen müssen.
Nun frage ich mich: Wie kann man hier die Angst vernünftig, sachgerecht und verantwortlich behandeln? Man kann es doch nicht anders als mit der Wahrheit machen.
Hier ist von unterschiedlichen Grenzwerten gesprochen worden. Es sind nach dem besten Wissen, das der deutschen Wissenschaft heute zur Verfü-Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16551Bundesminister Dr. Riesenhubergung steht, nach dem Wissen der Strahlenschutzkommission,
in der unabhängige Mediziner und Biowissenschaftler vertreten sind, Grenzwerte festgelegt worden, die unter denen anderer Industrienationen liegen, weil wir hier den Anspruch auf Umweltschutz, auf Sicherheit, auf Schutz der Menschen über jeden Anspruch auf wirtschaftliche Vorteile gestellt haben.
Die Angst der Menschen wird, wenn beliebige andere Werte festgesetzt werden, nicht geringer, sondern sie wird größer.
Es wäre ganz gefährlich, wenn man versuchen würde, mit der Angst der Menschen Politik zu machen. Dies wäre ein Zynismus, der nicht vertretbar ist.
Es ist hier von der Sicherheit und von Tschernobyl gesprochen worden. Es ist hier davon gesprochen worden, wie oft große, schwere Unfälle in Reaktoren nach Berechnungen stattfinden können. Es ist gesagt worden: Jetzt ist es schon geschehen. Jetzt spreche ich einmal von der wirklichen Aufklärung.
Hier war immer die Sprache: Unter den Sicherheitsstrategien, die über 20 Jahre und mehr in Deutschland entwickelt worden sind, ist ein Maß an Sicherheit erreicht worden, unter dem Kerntechnik vertretbar ist. Es ist nicht unter einer beliebigen Sicherheitsstrategie vertretbar. Wenn jemand leichtfertig mit einer Technik umgeht, dann ist dies keine Aussage über die Technik, sondern es ist eine Aussage über seine Leichtfertigkeit.
Die einzige verantwortliche Frage ist doch wohl die: Wie ist die Technik, die wir entwickelt haben, zu beurteilen, und warum sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß sie verantwortbar sei?
— Herr Dr. Vogel, Sie sprachen hier soeben — an uns gewendet — von „Ihrer Kerntechnik". Herr Dr. Vogel, ich möchte darauf hinweisen, daß das, was über die Jahre entwickelt worden ist — über ein gutes Dutzend von Jahren unter Kanzlern, die Ihrer Fraktion angehört haben oder angehören —, der heute gültige Standard der Technik, der Kernenergiestrategie ist. Dies ist nicht die Kernenergie einer Partei oder einer Fraktion, dies ist eine Kernenergietechnik, die aus unserer besten Verantwortung über die Jahre gemeinsam entwickelt worden ist. Wenn Sie hier sagen: „Ihre Kerntechnik", dann hoffe ich, das klingt nicht so, als ob Sie sich auseiner Verantwortung verabschieden wollten, unter der wir gemeinsam gearbeitet haben.
Was war das Kriterium für diese Kerntechnik über die Jahre? Es waren doch zwei grundsätzliche Fragen. Die erste Frage ist: Ist sie notwendig? Die zweite Frage ist: Wie können wir sie verantwortbar machen? Dies waren doch die beiden Fragen. Ich warne hier dringend davor, in der jetzigen Situation so zu diskutieren, als ob die niedrigen Ölpreise, die fallenden Erdgaspreise unsere Energiewirtschaft auf Dauer begründen und unsere Versorgung sichern könnten.
Unsere Politik war immer die: Wir müssen alle Energien und Energietechniken, deren Einsatz sinnvoll und verantwortbar ist, einsetzen, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden, um die Grundlage unserer Wirtschaft zu festigen und um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Das war die Grundlage, und das ist sie noch heute. Daran hat Tschernobyl nichts geändert.
Wir haben dies alles immer im Zusammenhang mit der Sicherung der Arbeitsplätze gesehen und diskutiert. Wir haben uns dabei aber auch von der Notwendigkeit, Umweltbelastungen durch alle verfügbaren Techniken zu mindern, sowie von der weiteren Notwendigkeit leiten lassen, knapper werdende Energieressourcen durch Arbeit, durch Kapital, durch die bestmögliche Technik zu ersetzen. Weil wir eine Wirtschaft haben, die zu Hause nur die Kohle hat und die Energien importieren muß, die mit dieser Tatsache leben und auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein muß, haben wir begrenzte Ressourcen durch die beste verfügbare Technik ersetzt. Unter diesen Bedingungen haben wir Kerntechnik übereinstimmend für verantwortbar erklärt.
Jetzt kommt die dritte Frage. Ich greife den Begriff der Sicherheit auf. Der Anspruch, den wir alle hier hatten, war immer der gewesen, daß ein Höchstmaß an Sicherheit, das uns überhaupt erreichbar ist, hier eingesetzt wird. Dies bedeutet, daß wir hier erstens eine Reaktorsicherheitsforschung über die Jahre mit ständiger Intensität weitergeführt haben, daß wir über Genehmigungsverfahren, die zu den strengsten in der Welt gehören, die Ergebnisse der Reaktorsicherheitsforschung in die Praxis umgesetzt haben, daß wir alles, was an Störfällen aufgetreten ist, sei es in Harrisburg, sei es nach den Störfallberichten des Innenministers, immer wieder untersuchen und überprüfen und aus
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16552 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Bundesminister Dr. Riesenhuberallem, was wir an Informationen finden, zu lernen versuchen, um das höchste Maß an Sicherheit zu bekommen. Denn nur dann, wenn wir es — und das war die gemeinsame Überzeugung — auf dem Höchstmaß an Sicherheit halten, ist es verantwortbar. Und weil uns hier international niemand — —
— Ich nehme dies auf. Wir haben nie behauptet, die Technik in einer abstrakten Absolutheit fahren zu können.
— Nein. Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr. Was wir hier über Sicherheit gesagt haben, war das Höchstmaß an Sicherheit. Da haben wir uns vor keinem in der Welt zu verstecken.
Wir haben hier in der Welt ein Höchstmaß an Sicherheit erreicht. Wie Sie in den letzten Tagen gehört haben, haben amerikanische Experten festgestellt: In der Sicherheitstechnik liegt die Sowjetunion am Ende, die USA in der Mitte, an der Spitze Deutschland mit dem, was wir erreicht haben. Dies ist kein Chauvinismus. Dies ist kein Angeben mit dem, was wir geleistest haben. Dies ist Anspruch an uns selber, weil wir das, was verantwortbar ist, nur dann tun können, wenn wir dieses Höchstmaß an Sicherheit haben.
Die dritte Bedingung, die wir hier damals eingeführt haben — auch über sie bestand Konsens —, war eine gesicherte Entsorgung nach der besten verfügbaren Technik. Ich erinnere an die Gespräche über die Vereinbarung, die Bundeskanzler Schmidt im September 1979 geführt hat, die hier die Grundlage für das Entsorgungskonzept sind. Das ist zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten aller Länder im Konsens festgeschrieben worden. Hierhin ist festgehalten — und das ist der Grund für die Wiederaufarbeitung —, daß wir zur Entsorgung die Wiederaufarbeitungsanlage brauchen, weil sie die beste genehmigungsfähige Technik ist, die wir hier haben.
So stand es damals drin, und so ist es vereinbart.
Herr Minister, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauff?
Bitte sehr.
Herr Riesenhuber, können Sie bestätigen, daß in den Entsorgungsrichtlinien, die Sie gerade erwähnt haben, angemerkt ist, daß die damalige Bundesregierung beabsichtigt, die beiden Alternativen — Endlagerung mit Wiederaufarbeitung und direkte Endlagerung — sorgfältig in einem mehrjährigen Forschungsprogramm untersuchen zu lassen, um Mitte der 80er Jahre in der Lage zu sein, zu entscheiden, welches der richtige Weg ist?
Ich darf hier die zwei Sachen aufarbeiten. Das eine war, daß das, was genehmigungsfähig ist — das ist die Wiederaufarbeitung — zu machen sei. Das andere war, daß die Alternative der direkten Endlagerung zu untersuchen sei und dann hier — Sie haben recht — Mitte der 80er Jahre zur Entscheidung zu führen sei.
Genauso haben wir es gemacht. Bei diesem Programm hat sich herausgestellt, daß die direkte Endlagerung eine Möglichkeit darstellen kann, daß sie aber nach heutigem Stand nicht genehmigungsfähig ist. Wir entwickeln sie weiter
in Kontinuität mit der früheren Regierung. Wir gehen davon aus — das ist die Grundlage —,
daß wir die Industrie nicht aus der Entsorgungsverpflichtung entlassen können und daß die Wiederaufarbeitungsanlage gebaut werden muß, weil und solange sie die genehmigungsfähige Technik ist, die wir haben,
und weil sie das Maß an Sicherheit bringt, das unserem strengen Genehmigungsverfahren
standhält.Nun hat der Kollege Fischer darauf hingewiesen, andere Energietechniken würden nicht hinreichend berücksichtigt, man habe sozusagen nur auf die Kerntechnik gesetzt. Ich darf auf folgendes hinweisen — das gilt für die Forschung, das gilt für die Programme der CDU und für die Programme der CSU —: Wir haben immer gesagt, alle Energien und alle Energieeinsparungsmöglichkeiten müßten berücksichtigt werden. Wir geben jetzt noch jährlich Millionen für die Entwicklung von Energieeinsparungsmöglichkeiten aus.Wichtiger ist: Wir haben festgestellt, daß der Markt in den letzten Jahren Einsparungsmöglichkeiten bewirkt hat, mit denen niemand gerechnet hat, als man es am grünen Tisch betrachtet hat. Damals wurde gesagt, 6 bis 8% an leichtem Heizöl seien einsparbar. Es wurde beim leichten Heizöl aber eine Einsparung von 25 % erreicht.Wenn man die prognostizierten und die tatsächlichen Wachstumsraten beim Stromverbrauch miteinander vergleicht, stellt man fest, daß wir in einer sehr erfolgreichen Weise Energieeinsparung betrieben haben. Wir haben die neuen Energietechniken entwickelt. Bei der direkten Umwandlung der Son-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16553
Bundesminister Dr. Riesenhubernenenergie in Strom haben wir zweistellige Wachstumsraten im Jahr. Hier sehen wir Chancen.Wir haben die Windenergie weiterentwickelt. Wir errichten den Windpark, wir installieren die dezentrale Energieversorgung in Helgoland.In Kooperation mit den Entwicklungsländern werden dort hilfreiche Anlagen zur Windenergieversorgung errichtet. Wir haben alles, was an neuen Energien sinnvoll genutzt werden kann, weiterentwickelt. Wir tun, was wir können, um sie im Markt einzuführen. Ich nenne hier § 82 a des Einkommensteuergesetzes, der die Windenergieanlagen fördert. Ich nenne die Möglichkeit, über Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Windenergienutzung einzuführen.Überall dort, wo wir sie einsetzen können, nutzen wir alle Techniken, die sinnvoll und entwickelbar sind.
— Ich sage gern etwas über die Quantität, Herr Kollege. Dazu nur eines: Wir haben jetzt in der Tat noch den Zustand, daß in unserem dichtbesiedelten Land mit einem voll integrierten und funktionierenden Versorgungssystem die Chancen für die Windenergienutzung noch nicht sehr groß sind, weil sie teuer ist. Trotzdem sagen wir: Wir geben ihr jede Chance, die wir bieten können, und fördern in den Markt hinein; in unserem Land, in Entwicklungsländern, über Solardörfer in verschiedenen Ländern: in China, in Mexiko, in Brasilien, überall da, wo sie nutzen kann.Aber es kann nicht sein, daß wir auf Dauer mit Staatsmitteln gegen den Markt anfördern. Dies wäre eine Fehllenkung volkswirtschaftlicher Kraft, die sich eine Industrienation, die in Weltmärkten erfolgreich bestehen will, nicht leisten kann.Wir können der Technik jede Chance geben.
Wir können versuchen, den Start zu erleichtern. Aber danach muß sie sich im Markt durchsetzen. Genau dies ist der heutige Stand.
Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einen dritten Punkt aufgreifen. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, an welchen Stellen wir das, was in Tschernobyl geschehen ist, in unsere eigene Arbeit einbeziehen müssen. Es besteht die Bereitschaft, auf ein Höchstmaß an internationalen Sicherheitsstandards hinzuarbeiten; aber es besteht nicht die Absicht, dem Rest der Welt irgend etwas vorzuschreiben.
Der Bundeskanzler hat gesagt — und dies ist der Weg --: Wir bieten unsere Kerntechnik an. Wir können hier nichts verordnen. Die Staaten sind autonom. Aber wir müssen auf einen Konsens hinarbeiten. So hat es der Bundeskanzler in seinem Brief anHerrn Gorbatschow ausgedrückt. So haben wir es mit der Sondersitzung des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergieorganisation, die am 21. Mai stattfindet, gehalten. So haben wir es mit der Konferenz angelegt, die der Herr Bundeskanzler angesprochen hat.Wir verfolgen dabei die Absicht, mit einem Höchstmaß an technischer Sicherheit eine interntionale Übereinstimmung zu erzielen. Es wurde schon gesagt — und das ist wahr —: Wir werden die Sicherheit der Kerntechnik nicht dann erhöhen, wenn wir jetzt unsere sicheren Reaktoren abschalten, sondern nur dann, wenn wir andere Reaktoren in internationaler Arbeit auf das Höchstmaß gemeinsam erreichbarer Sicherheit bringen.
Ich möchte einen weiteren Punkt aufnehmen, den Herr Kollege Vogel hier angesprochen hat. Er sprach von einer internationalen Gefahrengemein- ' schaft. Dies ist wahr. Es ist aber auch eine internationale Chancengemeinschaft, und dies ist auch gut.Herr Vogel, wenn Sie über das Prinzip Verantwortung von Hans Jonas gesprochen haben, dann sollten wir hier noch einige andere Aspekte mit einbeziehen, die dort diskutiert werden. Wenn wir über neue Technik sprechen, müssen wir durchaus betrachten, wo ihre Risiken, ihre Gefahren liegen, was wir tun können, damit sie verantwortbar sind. Wir müssen also den Einsatz dieser Techniken verantworten. Aber wir müssen auch die Frage stellen, ob wir einen Verzicht auf diese neuen Techniken verantworten können. Dies ist die komplementär richtige Frage.
Nur wenn wir beides sehen, die Chancen und das Risiko, die Verantwortung für diese Entscheidung, die Symmetrie der Entscheidung, bekommen wir einen Blick für die Wirklichkeit, bei dem wir nicht von Angst verblendet werden. Angst kann ein schlechter Ratgeber sein. Es wäre gefährlich, sie zu leugnen,
aber sich der Angst zu unterwerfen, ist gefährlich. Es kommt darauf an, den Blick auf die Sache zu bewahren.
Ich diskutiere dabei nicht das weg, was an Sorge und Bedrücktheit da ist; überhaupt nicht. Aber ich rate uns, alles zu tun, um den Blick auf das sachlich Richtige zu bewahren.
Was ist denn Kernenergie? Jetzt spreche ich mal an Hand dieses Beispiels; wir könnten es an Hand anderer Energietechniken genauso besprechen: Kernenergie ist die einzige zusätzliche Energie, die
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16554 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Bundesminister Dr. Riesenhuberuns in einer begrenzen Welt verfügbar gemacht worden ist. Die Diskussionen des Club of Rome in den 70er Jahren gingen doch von einem einfachen Ansatz aus: In einer begrenzten Welt mit erschöpfbaren Energien, mit erschöpfbaren Rohstoffen, mit einer Menschheit, die weiter wächst, mit einer Menschheit, die sich in vielen Entwicklungsländern in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird — wie können wir da eigentlich die Chance bekommen, daß diese Menschen ein menschliches Leben führen, daß sie nicht nur von dem zeitweisen Export ihrer erschöpflichen Rohstoffe leben, sondern daß sie auch die Möglichkeiten haben, am Wohlstand teilzuhaben?
Damit plädiere ich nicht dafür, daß Kernenergieanlagen in beliebigem Umfang in beliebigen Entwicklungsländern gebaut werden. Aber wenn die Industrieländer, die diese Technik verantwortlich beherrschen können, die Sache nicht so anlegen, daß sie sie nutzen, daß sie sie einsetzen, daß sie sie verantwortlich entwickeln und weiter fortschreiten mit dem, was man für die Sicherheit tun kann, dann werden die Industrieländer mit ihrer überlegenen Kapitalkraft den Entwicklungsländern noch lange die fossilen Rohstoffe wegkaufen können, wenn diese keine Chance mehr haben, sie zu bezahlen.Zur Symmetrie der Verantwortung gehört auch die Frage, ob ein Verzicht auf Kerntechnik verantwortet werden kann in einer begrenzten Welt mit einer wachsenden Menschheit und mit begrenzten Ressourcen, die nicht in wenigen Generationen ausgebeutet und vernichtet werden dürfen, weil sonst für eine zukünftige Menschheit nichts mehr bleibt und Länder, die sich nicht selbst so helfen können wie wir, keine Chancen auf dieser Erde bekommen.
Herr Kollege Vogel, ich möchte noch einen weiteren Gedanken von Hans Jonas aufgreifen. Hans Jonas spricht von einer seltsamen Asymmetrie des Denkens. Er spricht davon, daß uns bei dem, was neu entsteht, das Gefährliche, das Kritische, das Bedrohliche in der Regel sehr anschaulich und sehr deutlich sei
— ich beschreibe einen Vorgang, ich ziehe gleich daraus eine Konsequenz —, daß aber das andere, was an Chancen entsteht, was an Neuem kommen kann und Probleme lösen kann, nur sehr vage erkennbar sei und die Herzen der Menschen nicht sehr bewege; es ist noch abstrakt.
Hans Jonas sagt einerseits, dies ist ein durchaus wichtiger Mechanismus, der uns sensibel macht für Gefährdungen. Er sagt aber andererseits auch, daß wir dadurch nicht blind werden dürfen für das, was an Neuem und an Möglichkeiten entsteht. Und so scheint es mir in dieser Diskussion wichtig zu sein, daß wir zwar aufarbeiten, was an Gefährdungenund Bedrohungen da ist, was wir an Schwierigkeiten zu bewältigen haben, daß wir aber auch sehen, was wir an Möglichkeiten haben, Zukunft verantwortlich zu gestalten. Und das wird nicht gelingen, indem wir uns wegducken vor der Technik, indem wir Technik leugnen, indem wir so tun, als ob sich durch eine Verweigerung von Technik Probleme erledigen lassen könnten.
Nein, das können wir nur dadurch erreichen, daß wir die Technik nach bestmöglicher Kraft verantwortlich gestalten, entwickeln, durchsetzen und einsetzen zur Gestaltung der Welt.Und wenn Sie jetzt fragen, wer hier etwas anderes will, dann kann ich nur sagen: Wenn dieses Prinzip wahr ist, dann messen wir an diesem Prinzip unseren Umgang mit Kerntechnik. Dann bedeutet dies, daß wir Kerntechnik hier einsetzen sollen, und zwar in dem Maß ihrer Verantwortbarkeit. Wenn wir das Höchstmaß an Sicherheitstechnik, das beste Maß an Entsorgungstechnik, das Höchstmaß an erreichbarem Umweltschutz bauen, wenn wir dafür arbeiten, daß das internationaler Standard ist,
wenn wir zu einer Gemeinschaft der Völker kommen und in dieser Gemeinschaft der Völker weltweit eine Industriekultur entwickeln,
dann haben wir die Chance, Zukunft verantwortlich zu gestalten, aber nicht so, daß die Reichen sich auf Kosten der Armen salvieren und sich aus der Verantwortung wegstehlen, sondern dadurch, daß wir einen Beitrag leisten zu einer friedlichen Welt und zu den Chancen für die Menschen in dieser Welt in gemeinsamer Arbeit in einer schwierigen Zeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröder .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Riesenhuber, Sie haben hier eben gesagt, wir müßten Kerntechnik in dem Maße einsetzen, in dem das verantwortet werden könne.
Nach dem, was wir jetzt wissen, und als Folge der Katastrophe von Tschernobyl ist festzustellen — auch auf der Basis Ihres Satzes —: Der Einsatz, wie Sie ihn vorsehen, ist nicht verantwortbar. Deswegen müßten Sie sich eigentlich in die Reihe derer
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Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16555
Schröder
einreihen, die nach einem Plan für den Ausstieg aus dieser so gefährlichen Form der Energieerzeugung und -verwendung suchen.Noch eines, Herr Riesenhuber: Sie haben hier mehrfach über die Angst der Menschen gesprochen. Ich will unterstellen, daß Sie Angst um die Menschen haben. Ich will Ihnen aber sagen — und ich weiß nicht, wie die Kolleginnen und Kollegen im Bundestag das aufgenommen haben —, daß ich selbst Angst gehabt habe und meine Frau auch. Die Bedrohung nämlich, die von der radioaktiven Giftwolke aus Tschernobyl ausging, hat auch meine Angst und die meiner Familie verursacht.
Ich habe Angst nicht so sehr um mich selbst gehabt, sondern z. B. um Kinder,
Angst um Kinder, denen wir auf der Basis der spärlichen Informationen, die wir bekamen, nicht sagen konnten, ob und warum wir ihnen verbieten mußten, draußen im Regen zu sein, im Gras oder im Sand zu spielen. Was — so haben wir uns gefragt —konnten wir die Kinder essen lassen? Wie war und wie ist das mit der Milch?Wenn über Verantwortung philosophisch diskutiert wird, dann darf dieser Aspekt des täglichen Lebens nicht ausgegrenzt werden. Radioaktive Strahlung — dies sollten wir uns klar machen — macht nicht vor Ländergrenzen halt und auch nicht vor Parteigrenzen. Ich glaube, Mütter und Väter haben um ihre Kinder Angst, gleichgültig welcher Partei sie nahestehen, und ich meine, auch diese realen Ängste großer Teile der Bevölkerung hat die Politik in einer Demokratie ernst zu nehmen und vor allem bei den Entscheidungen zu berücksichtigen.
Herr Riesenhuber, Sie haben an die Adresse meiner Partei polemisch gefragt, wer für die Kernenergie verantwortlich ist. Man hat Ihnen gesagt — und ich tue das auch, obwohl ich zu dieser Zeit noch keine politischen Entscheidungen getroffen habe —, daß es natürlich so ist, daß auch die SPD verantwortlich war und ist für das, was aufgebaut worden ist. Niemand will sich aus dieser Verantwortung herausdrücken und herauswinden.
Aber es geht doch darum, ob wir die Kraft finden, auf Grund der Erfahrungen, die wir vor allen Dingen — aber nicht nur — mit Tschernobyl gemacht haben, umzukehren, oder ob wir weitermachen wie bisher. Und dies, Herr Riesenhuber, unterscheidet uns.
Sie haben ungeachtet der Erfahrungen dafür plädiert weiterzumachen. Wir raten, nein, wir drängenzur Umkehr, und wir sagen: Was wir brauchen, istnicht die Bestätigung dessen, was wir schon immer gedacht und gemacht haben. Was wir brauchen,
ist die Bereitschaft, ist der Mut, aus einer Technologie, die — wie sich zeigt — nicht verantwortbar ist, herauszukommen — gewiß unter Schwierigkeiten.
Hier ist über Informationschaos und über Hilfslosigkeit im Zusammenhang damit geredet worden.
Es ist ja nur zu richtig, daß darüber geredet worden ist, denn es ist die Wahrheit, daß es so war. Menschen haben darunter gelitten, haben deswegen Angst bekommen, weil Informationen unterdrückt, bemäntelt, verschwiegen worden sind. Fraglich ist, warum eigentlich diese Hilfslosigkeit besteht. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Hilfslosigkeit entstanden ist, weil mit Tschernobyl etwas passiert ist, was nach herrschender Lehrmeinung nicht geschehen konnte, weil es nicht geschehen durfte.
Die Kernspaltung ist außer Kontrolle geraten. Dies ist die Erfahrung von Tschernobyl. Darauf konnten diejenigen, die blindes Vertrauen in diese Technologie setzten, nur mit Kopflosigkeit reagieren.Ihre Ratlosigkeit — ich habe es gesagt — hat Angst verursacht, Angst bei vielen von uns, Angst in der Bevölkerung, aber Angst auch bei den politisch Verantwortlichen vor der eigenen Hilfslosigkeit.
Auch dies — so denke ich — ist eine Erfahrung, die sich aufdrängt. Diese Angst lähmt.
Sie führt zur panischen Reaktion und zur organisierten Verdrängung. Wir haben heute wieder Beispiele erlebt. Eines der anschaulichsten Beispiele ist die Art, wie Sie hier vorne auf das Thema reagieren. Das ist organisierte Verdrängung. Das ist Angst vor sich selbst.
Menschen, die jedes wirtschaftliche und soziale Risiko in Kauf nähmen, wenn nur morgen alle Reaktoren abgeschaltet würden, haben wir erlebt. Auf der anderen Seite haben wir Regierende erlebt, die gestern noch hilflose Erklärungen abgaben und heute schon wieder so tun, als sei nichts geschehen, und unbeirrt am weiteren Ausbau der Kernenergie festhalten.
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Schröder
Das sind die eine und die andere Seite.Was ist auf der Strecke geblieben? Auf der Strecke geblieben ist das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit von Politik und Politikern, ehrlich zu informieren, Krisen zu beherrschen, Katastrophen zu begegnen und Menschen zureichend zu schützen.
Das wird fortwirken, leider, und vor allem berührt dieses politisch unbegründete Umgehen mit der Katastrophe die Legitimationsgrundlagen unseres Staates.Ich denke also, daß wir die Folgen der Katastrophe, auch die Folgen auf dem Sektor der Information, diskutieren müssen. Es muß eine Analyse und Bewertung stattfinden, und es muß breiter wissenschaftlicher Sachverstand einbezogen werden. Es dürfen nicht nur diejenigen, die die Betriebsgenehmigungen erteilt haben, über die Analyse und die Folgen entscheiden; dies müssen auch diejenigen tun, die schon immer eine kritische Haltung zur Kernenergie eingenommen haben und sie immer mehr einnehmen. Auch sie müssen in die Analyse und Bewertung einbezogen werden!
Wir dürfen uns nicht mehr allein auf ministeriellen Sachverstand verlassen, sondern müssen auch diejenigen fordern, die dieser Form der Energiegewinnung immer schon kritisch gegenüberstanden.
Aber nicht nur die Folgen der Katastrophe müssen behandelt werden. Noch wichtiger sind die Ursachen, und hier beginnt die eigentliche Kontroverse.
Die Diskussion über die Kernenergie ist nicht neu, und die sie auslösenden Anlässe sind es auch nicht. Es ist bereits darauf hingewiesen worden: Vor Tschernobyl gab es Harrisburg, Windscale und andere Unfälle und Risikoquellen. Die Gefahren, die damit verbunden waren, sind nicht einfach auf angeblich oder tatsächlich vorhandene kommunistische Mißwirtschaft zurückzuführen; sie sind nämlich in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und anderswo entstanden. Es ist deshalb falsch, wenn Politiker der Union sagen, daß bei uns dies alles niemals passieren könnte.
Dieses „niemals" ist nicht richtig, und weil es nicht richtig ist, gibt es als Folge der Katastrophe nur einen einzigen Schluß: Wir brauchen ein Ausstiegskonzept, und wir brauchen eine gesellschaftliche Mehrheit, die dafür sorgt, daß dieses Ausstiegskonzept auch gemacht werden kann.
Wenn wir vor der Schwierigkeit dieser Aufgabe scheiterten oder der Schwierigkeit dieser Aufgabe auch nur auswichen, würden wir damit zugeben, daß wir uns am Ende von Politik befinden, am Ende von politischer Gestaltbarkeit unserer eigenen Zukunft und der unserer Kinder.
Deswegen sage ich: Man soll die Schwierigkeiten eines solchen Ausstiegskonzepts nicht unterschätzen,
aber man darf vor ihnen nicht scheitern. Die wichtigsten Aspekte will ich nennen:Erstens. Wir brauchen keine neuen Reaktorlinien. Das gilt für alle, die geplant sind.Zweitens. Die Wiederaufarbeitung ist ökonomisch unsinnig und ist zugleich die risikoreichste atomare Technik. Sie darf daher nicht gemacht werden.
Herr Abgeordneter Schröder, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Präsident. -- Sie darf nicht gemacht werden, nicht in Wackersdorf und auch nicht anderswo.Drittens. Neue atomare Reaktoren dürfen nicht mehr gebaut werden. Wir müssen statt dessen — und da scheint sich ja Übereinstimmung anzubahnen — die Entwicklung anderer, umweltfreundlicher Energien entschieden fördern.Viertens. Wir müssen weiter Energie sparen. Das müssen die Verbraucher sicher auch tun, und wir müssen es ihnen klarmachen. Aber wir müssen es auch den Stromverkäufern klarmachen.
Ich sage ganz deutlich: Es ist unsinnig, es paßt nicht in die Landschaft, daß für den Verbrauch von Strom statt für das Einsparen von Strom geworben wird.
Dies muß den Energieversorgungsunternehmen klargemacht werden.
Und wenn sie nicht freiwillig darauf eingehen, nun gut, dann müssen wir sie eben zwingen. Wir brauchen eine Tarifgestaltung, die den hohen Verbrauch von Strom nicht auch noch subventioniert.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16557
Schröder
Fünftens. Die Energiebedarfsprognosen müssen überprüft werden. Dort, wo es Überkapazitäten gibt, kann man — und muß es dann auch tun — am schnellsten und am leichtesten den Atomstrom abbauen. Dies schafft konkrete, machbare Möglichkeiten, abzuschalten.
Ich wäre ganz froh, wenn Herr Minister Fischer noch da wäre, damit man mit ihm einmal darüber diskutieren könnte, wie denn ein realistisches Ausstiegskonzept aussehen könnte.
Bei einer solchen Ausstiegsstrategie ist nach dem Prinzip zu verfahren, daß die ältesten Atomkraftwerke zuerst stillzulegen sind, weil es mutmaßlich so ist, daß gegen sie die größten Sicherheitsbedenken am Platze sind.
Frau Hönes, in diesem Zusammenhang ein Wort zu Stade — Sie haben mich daraufhin angesprochen —: Es gibt offenbar ganz ernsthafte Sicherheitsbedenken. Sie dürfen nicht verharmlost werden, dies aber tut die gegenwärtige Landesregierung in Niedersachsen.
— Gar kein Zweifel, daß das so ist. Sie müssen nur mal die Erklärungen dieser Regierung lesen, dann kommen Sie von alleine darauf.Falls auch nur eines der Bedenken zutrifft, muß natürlich abgeschaltet werden. Das ist doch überhaupt keine Frage.
Bis ich dies überprüfen kann — das wird nicht mehr allzu lange dauern —,
bleibt mir doch nichts anderes, als die Betreiber aufzufordern, bis zur Klärung der Vorwürfe als Betreiber auf die ihnen zustehenden Rechte aus den Betriebsgenehmigungen zu verzichten und einverstanden zu sein, daß vorläufig und bis zur Klärung der Vorwürfe stillgelegt wird. Ich kann es ja nicht erzwingen, leider. Die wären auch gut beraten, das zu tun; sie würden nämlich damit klarmachen, daß ihnen der Grundsatz „Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit" wirklich ernst ist.
Sechstens. Wir müssen eine Neubewertung der Risiken aller Atomkraftwerke in der Bundesrepublik durchsetzen. Auch hier gilt, etablierter Sachverstand ist gut, aber nicht genug; kritischer Sachverstand muß hinzugezogen werden, und wir müssen das politisch organisieren.
Siebtens. Wir müssen schließlich Pläne erarbeiten, die uns in die Lage versetzen,
nach und nach auf Atomstrom ganz zu verzichten. Die Frage aber, in welchem Zeitraum das geschehen kann, wird von der Zuverlässigkeit der Energiebedarfsprognosen einerseits abhängen und andererseits davon, ob wir die politische Kraft entwikkeln können, das, was an Ersatz da sein muß, andere Energieträger, Einsparkonzepte, auch verbindlich zu machen. Zur Zeit haben wir leider diese politische Kraft nicht.
Wenn wir es hinkriegen, aus den Erfahrungen von Tschernobyl einen gesellschaftlichen Konsens über diese Notwendigkeiten zu entwickeln, dann werden aus diesem Konsens die politischen Mehrheiten und wird daraus die politische Kraft erwachsen, nicht nur Ausstieg zu sagen, sondern ihn in einem Zeitraum, der verantwortbar ist, auch zu machen. Darum geht es mir.
Solch einem Konzept wird leicht entgegengehalten, nationale Lösungen reichten nicht. Es ist richtig, daß auch die Kraftwerke an unseren Grenzen ein Risiko für uns bergen. Gilt aber nicht auch, daß wir internationalen Druck auf die anderen nur dann entfalten, wenn wir im eigenen Land mit gutem Beispiel vorangehen? Dieses Beispiel müssen wir geben.
Meine Damen und Herren, diese Diskussion hat noch einen anderen Aspekt, der mir außerordentlich wichtig ist und der nicht verlorengehen darf. Uns ist versprochen worden, daß die risikoreichste Erfindung der Menschheit, eben die Kernspaltung, Sicherheit garantiere: absolut sichere Energien und durch atomare Waffen auch Sicherheit nach außen. Vielleicht nicht Ihnen von der Union, aber den Bürgern in diesem Land ist in diesen Tagen klargeworden, daß das Illusionen sind. Auch die friedliche Nutzung — wer mag eigentlich nach Tschernobyl noch von „friedlich" reden? —, auch die zivile Nutzung der Atomspaltung schafft tödliche Gefahren.
Wieviel mehr gilt das erst für atomare Massenvernichtungsmittel!
Sicherheit vor der atomaren Katastrophe gibt es daher nur, wenn wir auch die Atomwaffen abschaffen.
Sicherheit vor atomaren Katastrophen gibt es nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch miteinander. Ja, es gibt sie, diese gemeinsame Verantwortung. Sie setzt voraus, daß wir nicht nur mit Worten, sondern auch mit politischen Taten zu dieser Ge-
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meinsamkeit stehen, daß wir dadurch unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und das Leben künftiger Generationen vor den Gefahren der zivilen wie der militärischen Nutzung der Kernspaltung schützen. Darum, meine Damen und Herren, sollte es uns in dieser Debatte wenigstens ein Stück weit gehen. Nur so reagieren wir auf die Ängste bei uns selbst und in der Bevölkerung angemessen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Schröder hat heute
einen etwas anderen Auftritt absolviert, als wir das in letzter Zeit von ihm gehört haben. Aber es ist auch nicht ganz die Art und Weise, in der er sich sonst zur Zeit im Lande bewegt.
— Herr Kollege Vogel, Ihre Zwischenrufe zeichnen sich nicht durch mehr Qualität aus als die, die Sie vorhin kritisiert haben. —
Meine Damen und Herren, ich will auf die Fragen, die Herr Schröder gestellt hat, eingehen und dabei an das anknüpfen, was eigentlich und ursprünglich der Anlaß dieser Debatte war, nämlich der Weltwirtschaftsgipfel, bei dem, betrachtet man die dort behandelten Themen — und das über eine Reihe von Jahren hinweg —, das Wort „Wirtschaft" oder der Wortbestandteil „Wirtschaft" aus der Bezeichnung mehr und mehr gestrichen werden müßte.Es war selbstverständlich — solchen Zwängen kann und darf sich ein solches Treffen nicht entziehen —, daß dieses Mal das Reaktorunglück in der Sowjetunion eine wesentliche Rolle gespielt hat. Schließlich hat die friedliche Nutzung der Kernenergie natürlich etwas mit Wirtschaft zu tun. Leider — lassen Sie mich diese Anmerkung machen — ist die Feststellung im Kommuniqué — im Gegensatz zu dem, was der Herr Bundeskanzler uns heute hier erklärt und was er inzwischen unternommen hat — gänzlich unzulänglich, die Feststellung nämlich, man solle in Notsituationen gegenseitige Information vereinbaren oder anstreben. Das reicht nicht, wenn die Notsituationen erst eingetreten sind. Das, was notwendig ist, sind die Vereinbarung internationaler Sicherheitsstandards und die internationale Kontrolle der Einhaltung solcher Standards, um alles nur Mögliche zu tun, damit Notsituationen nicht erst eintreten.
Nun, meine Damen und Herren, wer erreichen will, daß wenigstens internationale Sicherheitsstandards verabredet werden, und wer weiß, wie schwierig schon das angesichts der Informationspolitik der Sowjetunion, die wir in diesen Tagen erleben
und die von allen Rednern mit Recht beanstandet worden ist, sein wird, wie kann der sich eigentlich hier hinstellen und glauben machen, man könne durch nationales Vorbild internationales Abschalten und Aussteigen erreichen?
Das ist weit von jeder Realität.
Das ist keine Naivität, Herr Kollege. Für so naiv halte ich den Kollegen Schröder nicht; er weiß, was er sagt. Es grenzt an Verdummung der Öffentlichkeit, so etwas als reale Möglichkeit in die Diskussion einzuführen.
Herr Schröder, Sie haben von den Erfahrungen von Tschernobyl gesprochen. Ja, gewiß, wir haben die höchst unerfreulichen Erfahrungen, die Sie in zutreffender Weise geschildert haben: die Ängste, die Besorgnisse. Aber wenn wir auf Tschernobyl eingehen und uns mit den Folgen, vor allem aber den Ursachen — davon haben Sie gesprochen: Analyse und Ursache — auseinandersetzen wollen, dann brauchen wir die Informationen darüber, wie es denn überhaupt zu diesem Ablauf kommen konnte. Das war unser Problem auch nach Harrisburg. Hier unterscheidet sich eben — bisher j eden-falls — die kommunistische Gesellschaftsordnung von einer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaftsordnung: daß wir diese Informationen bekommen haben, daß wir — wenn auch erst nach 16 oder 18 Monaten — einen Harrisburg-Report bekommen haben, aus dem wir ablesen — und dann auch abhaken — konnten, was denn wohl bei uns noch zu verbessern war. Das war damals im Hinblick auf unsere Sicherheitsstandards erfreulicherweise nicht viel.Niemand hat von uns je behauptet — niemand dürfte das vernünftigerweise und ehrlicherweise tun —, es gebe die absolute Sicherheit beim Betrieb von Kernkraftwerken. In keinem industriellen Betrieb gibt es die absolute Sicherheit, nirgendwo. Aber das Risiko und die Folgen, die eintreten können, sind so groß, daß die Anstrengungen, das Risiko zu minimieren, wie es nur irgend geht, aufs äußerste angespannt sein müssen. Das war und ist bei uns der Fall. Nirgendwo auf der ganzen Welt wird bestritten, daß die Bundesrepublik Deutsch-
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Dr. Graf Lambsdorffland die höchsten Sicherheitsstandards für den Betrieb von Kernkraftwerken hat.Wenn irgendwo Mängel, Beschwerden und Beanstandungen auftreten, ist es die Pflicht aller Verantwortlichen, dem nachzugehen und sie nicht wegzureden, sie nicht zu verschweigen. Darüber kann es keine Meinungsverschiedenheiten geben.Wir sind nach wie vor davon überzeugt, wie gesagt, daß diese Sicherheitsbestimmungen ausreichen. Aber wir sind auch bereit, jeden Ergänzungsund Verbesserungsvorschlag sorgfältig zu prüfen. Das wird und muß die Bundesregierung auch tun. Mein Kollege Baum hat das heute zu den Aspekten begründet, die mit Sicherheitsüberlegungen, Katastrophenschutz und ähnlichem zu tun haben. Ich will das nicht wiederholen.Nach Auffassung der FDP kann es keinen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie geben. Wer das als eine auch nur mittelfristig realistische, praktische Möglichkeit den Menschen im Lande vorstellt, der vergißt entweder oder — wie sagten Sie, Herr Schröder: organisierte Verdrängung — verdrängt organisiert, daß inzwischen 36 % der deutschen Stromerzeugung auf der Basis von Kernenergie beruhen. Bei dieser Größenordnung ist ein Ausstieg mittelfristig unmöglich. Und langfristig gibt es aus heutiger Sicht keine realistische Alternative.Herr Schröder, auch die Wiederaufarbeitungsanlage muß gebaut werden.
Der parallele Entsorgungsansatz, dessen Bestandteil die Wiederaufarbeitung ja ist, ist ein Entsorgungskonzept, das von einer Bundesregierung, geführt von einem sozialdemokratischen Kanzler, mit den Bundesländern verabredet und vereinbart worden ist. Nicht durch die Wiederaufarbeitung gegangene radioaktive Brennelemente sind gefährlicher in der Endlagerung, sind bedenklicher in der Endlagerung.
— Lassen Sie uns darüber diskutieren.
Wer diesen parallelen Entsorgungsansatz behindert und eine weitere Entwicklung insoweit nicht zuläßt, handelt umweltpolitisch verantwortungslos.
Sind Sie gewillt, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Conradi zuzulassen?
Nein. Es tut mir leid, aber bei der beschränkten Redezeit nicht.
— Herr Kollege Conradi, ich bedaure, daß sich einDebattenstil entwickelt hat, bei dem man Zwischen-fragen nicht mehr oder kaum noch beantworten kann.
Meine Damen und Herren, ich frage mich, wenn ich hier stehe: Welche Energiepolitik verteidige ich eigentlich? Ich verteidige die Energiepolitik, die mein Vorgänger Hans Friderichs und ich selber unter sozialdemokratischen Kanzlern in der sozialliberalen Koalition miteinander entwickelt haben,
zeitweise unter heftiger Kritik der damaligen Opposition, die sich inzwischen erfreulicherweise eines Besseren besonnen hat. Ich kann das nur begrüßen. Lernprozesse sind immer erfreulich. Nur sind jetzt Sie auf dem Abmarsch, meine Damen und Herren. Die einzigen, die nach wie vor zu derselben Politik stehen, die wir gemeinsam entwickelt haben, sind die Freien Demokraten.
Nun hat Herr Schröder in einigen Punkten ein Konzept zum Ausstieg vorgestellt. Lassen Sie mich darauf in aller Kürze eingehen.Sie fordern: keine neuen Reaktorlinien. Herr Schröder, haben wir nicht gerade mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung zusammen die Reaktorlinie Hochtemperaturreaktor auch aus Sicherheitsgründen, auch aus Gründen der Zusammenarbeit mit der Kohle, finanziert und entwickelt? Ist nicht Minister Krollmann in Hessen dieser Tage dabei, das Installieren eines Reaktors auf der HTRBasis in Hessen zu befördern? Was wollen Sie eigentlich wirklich? Dieser Schlingerkurs ist niemandem klarzumachen.
Zu neuen Reaktoren sagen Sie nein. Es sind fünf Reaktoren im Bau. Alle sind auf der Basis von § 4 des Atomgesetzes von Innenministern der sozialliberalen Koalition genehmigt worden.Andere Energien fördern, sagen Sie. Ich behaupte — wenn mir das Gegenteil bewiesen wird, müßte in diesem Bereich die Forschungspolitik früherer und jetziger Regierungen kritisiert werden —,
daß die Erforschung und Entwicklung alternativer Energien, wenn es nicht gerade die verrücktesten Vorstellungen waren, an Geldmangel nicht gescheitert sind.
Sie sagen, wir sollten weiter sparen. Ich bin sehr dafür, Herr Schröder. Aber ein Energieeinsparungspotential gibt es nur einmal in einer Volkswirtschaft. Ich kann nicht dasselbe Potential dreimal benutzen. Wir haben ganz erheblich eingespart. Sehen Sie sich doch die Energieverbrauchszahlen bei uns an. Aber wenn es an die Tarife geht, wenn
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Dr. Graf LambsdorffSie kritisieren, daß mehr Verbrauch, für den geworben wird, finanziell begünstigt wird, dann erinnere ich an den Stromtarif 2. Zweimal habe ich versucht, ihn abschaffen zu lassen, weil er eine solche Regelung beinhaltet. Beide Male ist das an sozialdemokratischen Landesregierungen im Bundesrat gescheitert. Sorgen Sie also erst einmal dafür, meine Damen und Herren, daß Sie das zurechtbringen.
Für eine neue Bewertung der Kernkraftwerke sehe ich keinen konkreten und aktuellen Anlaß. Wenn sich aus Tschernobyl solches ergibt, wird das geschehen.Es gab zu unserer Energiepolitik äußerst kritische Stimmen. Das hat uns viele Schwierigkeiten bereitet. Ich bestätige, daß diese Schwierigkeiten zu den hohen Sicherheitsstandards geführt haben. Ich wehre mich dagegen, daß der etablierte Sachverstand dem kritischen Sachverstand gegenübergestellt wird. Der etablierte Sachverstand in der Bundesrepublik Deutschland ist durchaus. auch ein kritischer Sachverstand, meine Damen und Herren.
Auf Kernenergie ganz zu verzichten, sagt Herr Schröder, sollten wir von der Zuverlässigkeit von Bedarfsprognosen abhängig machen. Meine Damen und Herren, der Grad der Zuverlässigkeit von Bedarfsprognosen ist so, daß Sie diesen Teil aus Ihrem Konzept streichen können. Solche Prognosen gibt es nämlich nicht. Sehen Sie sich die Bedarfsprognosen nicht der Bundesregierung, sondern des Energiewirtschaftlichen Instituts an.
— Nein, Herr Conradi. Sie hätten besser aufpassen sollen. Es sind nicht die der Bundesregierung, sondern die des Energiewirtschaftlichen Instituts, als Anlage zum Energiebericht. Sehen Sie sie sich an. Sie sind alle falsch. Heute vor acht Jahren haben wir in Tokio verhandelt und haben uns verpflichtet, mühsam verpflichtet — —
— Herr Vogel, ich weiß, daß Sie über Sachverstand verfügen
und daß der Ihre auch etabliert ist. Bei Ihnen ist alles etabliert.Meine Damen und Herren, wir haben 141 Millionen Tonnen Öl als Obergrenze festgelegt. Wir haben uns schwergetan, das zu akzeptieren. Wieviel haben wir in diesem Jahr importiert? 108 Millionen Tonnen. Das war alles falsch. Das können Sie alles vergessen.
Streichen Sie diesen Punkt.
National und international auf andere Druck ausüben: Herr Kollege Schröder, helfen Sie und dieSozialdemókraten mit, daß bei den Gesprächspartnern, die Sie im Osten haben, keine Phantasieprojekte verfolgt werden. Helfen Sie vor allem mit, daß wir die Informationen über die Ursachen von Tschernobyl bekommen, damit wir uns gemeinsam ansehen können, was zu tun ist.
Da wundert es mich nicht, meine Damen und Herren, daß in dieser Diskussion natürlich auch sofort der Bogen zur nuklearen Verteidigung gezogen wird. Das macht mir allerdings eines klar: Die wirtschaftliche Inkompetenz der sozialdemokratischen Opposition hat der Wähler 1983 bestätigt, sie ergibt sich aus jeder Meinungsumfrage, sie haben Sie in Hamburg auf Ihrem merkwürdigen Kongreß ad oculos für jedermann demonstriert — keiner weiß, wo es entlanggehen soll —, und sie werden Sie im Januar 1987 wieder bestätigt bekommen.
Ich habe hier schon einmal gesagt, daß Ihre Devise heißt: Raus aus der NATO! Wenn ich richtig hinhöre, verehrter Herr Kollege Schröder, befinden Sie sich auf diesem Wege. Dieser Schlingerkurs, ein Ausstiegskonzept, für das wir eine gesellschaftliche Mehrheit — --
— Das ist ein guter Zwischenruf, Herr Duve; er ist wenigstens witzig. Danke schön.Meine Damen und Herren, was Sie, Herr Schröder, sich inzwischen in Ihren Positionen geleistet haben: Am Anfang wollten Sie es mit den GRÜNEN, dann wollten Sie es, als die Baracke anders pfiff, gegen die GRÜNEN, und jetzt sind Sie wieder bei der gesellschaftlichen Mehrheit für ein Ausstiegskonzept, und das heißt doch mindestens nicht ohne die GRÜNEN.
Ihren politischen Standort zu beschreiben, das stößt auf dieselben Schwierigkeiten wie der Versuch, den Standort einer Forelle im Wildwasserbach zu beschreiben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern, Dr. Zimmermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind eine ganze Reihe von Zahlen vorher genannt wor-
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Bundesminister Dr. Zimmermannden, vor allem von Frau Hönes, eine Fülle von Zahlen und Werten,
die ungeheuer dramatisch geklungen haben
und die allesamt wissenschaftlich völlig unbestätigt und falsch sind.Was die gefährlichsten Stoffe anbetrifft, so haben heute nicht ungenannte Wissenschaftler, sondern die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung in München folgendes bekanntgegeben: In den Regenfällen vom 29. April 1986 bis zum 2. Mai 1986 — in diesem Zeitraum sind 90 % der Radioaktivität in München niedergegangen — sind 220 Becquerel Strontium-90 pro Quadratmeter nachgewiesen worden. Dieser Wert entspricht weniger als 10 % der Belastung aus den 60er und 70er Jahren, als die Gesamtmenge der Belastung aus den oberirdischen Atombombenversuchen dieser Zeit 2 900 Becquerel Strontium pro Quadratmeter ausmachte.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Grundsätzlich nein. Ich halte mich an die Tradition der Vorredner.
Das war das Strontium.
Jetzt nenne ich Ihnen Cäsium. Die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung sagt, man könne angesichts dieser Messungen einigermaßen aufatmen,
und gab bekannt, daß in Milchproben nur 11)/0 Strontium-90 gegenüber den Cäsium-Werten gemessen wurde. Herr Kollege, Ihre Zwischenrufe haben mittlerweile terroristischen Charakter angenommen. Bitte halten Sie sich etwas zurück!
— Entrüsten Sie sich doch nicht! Das ist doch unglaublich! Hier soll doch nur gestört werden.
Wir werden an unserem bisherigen Kurs der offenen Information und sachlichen Diskussion festhalten.
Herr Minister, ich darf zwei Dinge tun, erstens Ihnen die notwendige Ruhe verschaffen und zweitens Sie bitten, diesen Ausdruck „terroristisch" zurückzunehmen. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Ihre Gefühle anders zum Ausdruck bringen können.
Herr Präsident, wenn Zwischenrufe einen solchen Charakter annehmen, daß sie nicht mehr Zwischenrufe sind, sondern offensichtlich der Unterbrechung und Störung des Redners dienen, dann bieten sie Anlaß, dies zu kritisieren.
Nun bitte ich fortzufahren.
Meine Damen und Herren, die Aussage der ersten Stunde nach Bekanntwerden der Größenordnung hatte Bestand. Ich wehre mich vor allem dagegen — das ist heute versucht worden —, daß Wissenschaftler in zwei Kategorien eingeteilt werden: in etablierte — dabei war im Unterton zu spüren, diese brauche man nicht so ernst zu nehmen, sie stünden in irgendeinem Sold — und in nicht etablierte, die man ernst nehmen müsse, die unabhängig seien.
— Ja, unabhängige. — Die Strahlenschutzkommission und die Reaktorsicherheitskommission sind aus Mitgliedern höchsten wissenschaftlichen Ranges zusammengesetzt, und diese Kommissionen sind nach dem Gesetz unabhängig.
All diese Wissenschaftler, deren Namen Sie lesen können und die zu einem großen Teil auch schon von meinem Vorgänger berufen worden sind, standen in den letzten 14 Tagen vor einer außerordentlich schwierigen Aufgabe. Sie mußten beinahe pausenlos präsent sein und sich äußern. Ich möchte ihnen an dieser Stelle für die Erfüllung dieser außerordentlich schwierigen und sie selbst sehr belastenden Aufgabe danken.
Meine Damen und Herren, jetzt noch ein Wort zur Sowjetunion. Wir haben Grund zu der Annahme, daß auch die Sowjetunion unter dem Eindruck dieses Unglücks, das zuerst sie selbst und ihre Bürger getroffen hat, zu neuen Formen internationaler Zusammenarbeit finden wird. Diese Einsicht zu fördern ist eine der vordringlichen Aufgaben der Bundesregierung.Mit der DDR sind wir im laufenden Kontakt. Erst heute vormittag habe. ich den Präsidenten des staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR, Staatssekretär Professor Dr. Sitzlack, empfangen. Seine Kommission ist bei einer
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Bundesminister Dr. Zimmermanndritten Gesprächsrunde zwischen der DDR und uns in Sachen Strahlenschutz und Reaktorsicherheit. Ich habe diese Verbindung 1983 angebahnt. Wir hoffen, wie bei der Münchner Umweltkonferenz 1984 auch bei internationalen Vereinbarungen zur Reaktorsicherheit erfolgreich auf das Zusammenwirken beider deutscher Staaten bauen zu können.
Herr Staatssekretär Professor Dr. Sitzlack hat mir ausdrücklich erklärt,
daß ein Unglücksfall wie in Tschernobyl bei einem Kraftwerk in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich gewesen wäre; das — so wörtlich — wisse jeder Wissenschaftler.
Bei der Bewältigung der Auswirkungen hat es Abstimmungsprobleme gegeben.
Daran besteht gar kein Zweifel. Es hat Abstimmungsprobleme zwischen den verschiedensten staatlichen Instanzen gegeben.
Nur, für meinen Verantwortungsbereich innerhalb der Bundesregierung kann ich feststellen: Hier wurde mit einer Stimme gesprochen, von den Messungen bei den Grenzkontrollen bis hin zu den Empfehlungen bei der Lebensmittelaufnahme, die alle auf Grund der einstimmigen Empfehlungen der Strahlenschutzkommission zustande gekommen sind.
Wir hätten manche unnötige Angst — nicht die berechtigte Sorge, die wir durchaus verstehen — vermeiden können, wenn sich alle behördlichen Stellen an die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission gehalten hätten, die verantwortungsbewußt an die oberste Grenze der festzulegenden Werte gegangen ist.
In Situationen wirklicher oder vermeintlicher Gefahr interessieren den Bürger nicht Parteimeinungen und auch nicht die Frage von Zuständigkeiten.
Es interessiert ihn auch nicht, ob die Auskunft von einem Beamten des Bundes, des Landes oder einer Kommune kommt.
Er erwartet die Auskunft von allen Behörden, an die er sich wendet.Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß ich nach meiner Struktur lieber anordne als koordiniere. Nur, wer die Möglichkeiten des Gesetzes kennt, der muß wissen, daß hier nur zu koordinieren war und daß die Gesundheitsbehörden der Länder festlegen konnten, was sie wollten.
Ich halte es für falsch, daß das geschieht und daß das geschehen ist. Ich bin der Meinung, daß die Kompetenzen in einem solchen Fall in einer Hand liegen müssen.
Darüber wird die Bundesregierung mit Ländern und Gemeinden eine Regelung anstreben.
Man kann aber andererseits in einem demokratischen Staatswesen wie diesem mit seiner Meinungsfreiheit nicht erreichen, daß mit einer Stimme gesprochen wird. Hier unterscheiden wir uns eben vom politischen System der anderen Seite, und dem trauert ja wohl niemand nach.
Die friedliche Nutzung der Kernenergie ist über 30 Jahre alt. Es hat in dieser Zeit Störfälle gegeben. Es hat Unfälle gegeben. Es hat keinen Fall wie Tschernobyl gegeben.Die Reaktorsicherheitskommission hat heute in ihrer 211. Sitzung eine erste Bewertung dieses Unfalls abgegeben.
Ich zitiere wörtlich:Sie stellt dazu fest, daß nach den derzeit vorliegenden Informationen kein Anlaß für Maßnahmen bei in der Bundesrepublik Deutschland im Bau und im Betrieb befindlichen Kernkraftwerken besteht.
Sie begründet das ausführlich. Im Gegensatz zu dem, was Herr Fischer aus Hessen gesagt hat, heißt es dort wörtlich:Die druckführende Umschließung von Leichtwasserreaktoren wird von einem druckfesten Sicherheitsbehälter umgeben, der wiederum von einer dickwandigen Stahlbetonhülle eingeschlossen ist.Das ist in Wirklichkeit die Sicherheit bei Leichtwasserreaktoren. Die Kommission stellt weiter fest, daß seit 15 Jahren im Rahmen der deutschen Reaktorsicherheitsforschung umfangreiche Untersuchungen zum Verlauf von Unfällen immer wieder durchgeführt worden sind und die Phänomene und Auswirkungen aus diesen Versuchen bekannt sind. Die Untersuchungsergebnisse zeigen bei uns erheblicheDeutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16563Bundesminister Dr. ZimmermannSicherheitsreserven auf und bestätigen die Ausgewogenheit des bei uns angewandten Sicherheitskonzepts.Ich wiederhole, daß 1979 der damalige Bundeskanzler die friedliche Nutzung der Kernenergie —' Herr Hauff weiß das —
als unverzichtbar bezeichnet hat. Schneller Brüter Kalkar und das Konzept der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstäben sind keine Erfindung dieser Bundesregierung.-
Das ist eine übernommene Stafette.
Ich habe selber als Oppositionspolitiker jahrelang
im Nuklearrat der Regierung Schmidt gesessen und weiß, wovon ich rede.Die Bundesregierung wird international dafür eintreten, daß Sicherheit bei Kernkraftwerken oberstes Gebot ist und daß Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit geht. Wir zahlen bereits Höchstpreise für ein Höchstmaß an Sicherheit. Niemand von uns ist so vermessen, zu behaupten, daß es bei uns zu keinem Störfall kommen könnte.
Aber unsere Sicherungen sind so umfassend ausgelegt, daß Unfälle nach menschlichem Ermessen beherrschbar bleiben.
Und dieses Verfahren müssen wir auch von anderen Staaten erwarten können.
Wer jetzt aussteigen will, kann sich nicht mit Formeln wie Wind- oder Sonnenenergie herausreden.
Daran wird seit 1973 geforscht. Das Ende von „Growian", der größten Windanlage aller Zeiten, ist bekannt.
— Er hat nicht funktioniert. — Es gibt Prognosen, daß wir bis zum Jahre 2000 4 % unseres Strombedarfs aus Wind- oder Sonnenenergie nutzen können. Nein, wer aussteigen will, der muß schon sagen: Dann müssen die alten Kohleanlagen wieder angeworfen werden. Dann muß nicht nur Buschhaus mit voller Leistung gefahren werden.
Dann müssen Offleben 1 und 2 wieder ans Netz. (Frau Hönes [GRÜNE]: Falsch!)
Und dann haben Sie eine Million t mehr Schwefeldioxid in der Luft als heute.
Das muß um der Ehrlichkeit willen denjenigen gesagt werden, die aussteigen wollen.
Herr Abgeordneter Senfft, Frau Abgeordnete Hönes, ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie sich ein bißchen zurückhalten würden.
— Auch wenn es schwerfällt.
Herr Minister, Sie können fortfahren.
Das muß den Leuten draußen in aller Breite und Deutlichkeit dargelegt werden.
Die Bundesregierung sagt: Wir werden die Kernenergie auch in Zukunft brauchen. Aber wir werden die Frage der Sicherheit immer wieder neu stellen. Wir halten folgendes für notwendig: zuerst eine sorgfältige Auswertung des Unglücks — und wir erwarten jetzt endlich rückhaltlose Aufklärung durch die Sowjetunion —, zweitens die ständige Fortentwicklung des Sicherheitsstandards auch unter Berücksichtigung der Erkenntnisse von Tschernobyl, drittens internationale Vereinbarungen über Sicherheitsstandards und Informationsnetze, viertens Schaffung einer Koordinierungsstelle mit umfassenden Zuständigkeiten für Schutzmaßnahmen bei Reaktorunfällen mit überregionalen Auswirkungen, fünftens, eine langfristige Weiterentwicklung unseres Energiekonzepts unter Einschluß aller Energiequellen und unter realistischer Einschätzung ihrer Nutzungsmöglichkeiten. Diesen Aufgaben wird sich die Bundesregierung mit Nachdruck annehmen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Abgeordnete Schmidt .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen!
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16564 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Ich möchte Sie herzlich bitten, mit den Zwischenrufen aufzuhören und die notwendige Ruhe wiederherzustellen.
Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Minister Zimmermann, genau diese Art der mangelnden und trotzdem zur Schau gestellten Sensibilität, genau diese, Ihre Art der Information
hat die Ängste in der Bevölkerung bewirkt. Wir haben heute beinahe das gesamte Kabinett — zumindest einen wesentlichen Teil davon — gehört. Ich frage mich, was die Bürger, die zu Hause an den Fernsehapparaten sitzen und sich von dieser Diskussion Aufklärung und Beseitigung ihrer Ängste versprechen, soweit diese zu beseitigen sind, und was wir in dieser Frage heute von diesem Kabinett erfahren haben.
Es geht eben nicht darum, daß honorige, 50 bis 60 Jahre alte Minister beinahe oder scheinbar wagemutig, in jedem Fall aber werbewirksam im Fernsehen ein Glas Frischmilch trinken, und es geht nicht darum, Frau Ministerin Süssmuth, Sprachregelungen zu finden, wie Sie sie am 6. Mai gefunden zu haben glaubten: „Der Gesundheitsschutz ist erreicht; wollt ihr zusätzlich etwas tun, dann könnt ihr erwägen, ob ihr beim Bodenkontakt durch Kinder vorsichtig seid." Sie fügen hinzu: „Aber ich denke, es müßte für die Bevölkerung deutlich sein, daß ein Kind, das im Sandkasten spielt, nicht gesundheitsgefährdet ist." Ich frage Sie: Woher nehmen Sie eigentlich diese verdammte Sicherheit?
Ich habe sie nicht, wenn mich meine Tochter fragt, wohin sie jetzt mit ihrem zwei Wochen alten Kind und ihrer zweijährigen Tochter gehen soll, was sie kaufen darf, wo ihre Tochter spielen soll. Die Mütter, die von uns Aufklärung wollen, haben diese Sorgen.
Ich werde schlicht wütend und ein bißchen traurig, wenn eine Frau als Gesundheitsministerin nichts anderes als Verharmlosung zu bieten hat. Was sagen Sie einer schwangeren Frau, wie sie sich in den nächsten Monaten ernähren soll, um ihrem Kind nicht zu schaden? Wo kann die stillende Mutter ihre Milch untersuchen lassen? Wie versucht die Bundesgesundheitsministerin sicherzustellen, daß uns Caesium, Strontium, Barium und Plutonium in den nächsten 10, 20, 30 Jahren in der Nahrungskette im geringstmöglichen Ausmaß begleiten? Diese Auskünfte hätte ich von Ihnen, Frau Süssmuth, schnell, deutlich und klar erwartet.
Ich mache Ihnen nicht zum Vorwurf, daß Sie — wie die meisten von uns — zunächst nicht oder nicht so ganz genau wußten, welche Spaltprodukte welche Halbwertzeiten haben, welche Maßeinheiten eigentlich was aussagen. Ich fand und finde es gut, daß Sie mit dem Anspruch angetreten sind, den Frauen Mut zu machen, in der Politik auch die unüblichen Fragen zu stellen, Fragen, die aus unseren Erfahrungen als Frauen kommen, Fragen, die gegen den Strich gehen. Aber Sie haben diese Fragen vergessen und sich als Verharmloserin, Beschwichtigerin und Lobbyistin benutzen lassen.
Warum, so frage ich Sie, haben Sie sich nicht informiert, wie die Atomwaffentests Anfang der 60er Jahre gewirkt haben. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 230 000 Kindern, die mit schweren geistigen und körperlichen Defekten geboren wurden, von 420 00 Embryos, die getötet wurden, und von 150 000 Menschen, die durch diese Tests gestorben sind bzw. noch sterben werden.
Nun sagen uns andere Wissenschaftler
— das ist von Linus Pauling; das habe ich aus einem Buch von ihm von 1979 entnommen —,
das träfe nicht zu. Ich weiß es nicht und gestehe dieses Unwissen ein. Aber Sie, Frau Süssmuth, wissen das auch nicht.
Ich behaupte nicht, daß mit Tschernobyl alle diese Gefahren verbunden sind; ich kann das nicht behaupten. Aber ich kann auch nicht das Gegenteil beweisen; keiner hier kann das. Ich frage Sie deshalb, warum Sie sich nicht auf die Seite derer begeben haben, die für die größtmögliche Sicherheit sind.
Bei den heute 20-, 25jährigen, also unseren Kindern, läßt sich Strontium noch heute nachweisen. Was geschieht, wenn sie neuen, zusätzlichen Strahlendosen ausgesetzt sind? Keine Gesundheitsgefahren? Wo sind Ihre Schutzvorschriften für diejenigen geblieben, die z. B. im Tiefbau, die als Automechaniker, die als Garten- und Waldarbeiter, die in der Landwirtschaft arbeiten, wo die Bodenbelastung zunehmend stieg? In meiner Heimatstadt Nürnberg wurden gestern an einigen Stellen 20 000 Becquerel gemessen. Aber selbstverständlich, Sie tönen über den Fernsehschirm, das Spielen von Kindern in den Sandkästen sei nicht gesundheitsgefährdend.Sie haben die Familien, die Mütter und Väter, mit ihren Ängsten alleingelassen. Wo bleibt diesmal die so dringend notwendige einheitliche Aufklärung in einer verständlichen Sprache, die die Menschen nachvollziehen können? Wo bleiben die Informatio-Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16565Frau Schmidt
nen für unsere ausländischen Mitbürger, die sie auch verstehen können? Auch die haben Kinder, und auch die wollen sie schützen.
Wo bleibt die Information, wie diese Grenzwerte für Milch und Gemüse zustande kommen? Warum liegen sie um soviel höher als die unbedenklichen Werte der Strahlenschutzverordnung? Auch hier sagen die einen Wissenschaftler, die Werte seien richtig, die anderen sagen, sie seien zu hoch, und die dritten sagen, sie seien zu niedrig. Ich weiß es nicht, aber Sie wissen es auch nicht.
Wenn Sie die unterschiedlichen Grenzwerte der Bundesländer beklagen, warum wurden nicht jeweils die niedrigsten empfohlen? Damit hätten Sie auf der sichersten Seite gelegen.
Welche Gründe außer wirtschaftlichen können zu einer anderen Verfahrensweise geführt haben? Haben Sie, Frau Süssmuth, hier Gesundheitsinteressen durchgesetzt? — Nein, Sie haben sich auch hier benutzen lassen,
um die Vermarktungschancen von Milch und Gemüse zu erhöhen, Schadenersatzforderungen von zu Recht empörten Bauern, Händlern und des Lebensmitteleinzelhandels gering zu halten.Wie konnte es passieren — ich habe bis heute keine Erklärung dafür —, daß in Italien für 15 Tage ein Verkaufsverbot für Blattgemüse verhängt wurde und gleichzeitig unsere Märkte von italienischem Blattspinat, Kopfsalat und Kräutern überquollen? Wenn sich schon der Innenminister auf das Zurückschicken von Autos aus dem Ostblock beschränkte, hätte nicht die Gesundheitsministerin gemeinsam mit ihren Länderkollegen dafür sorgen müssen, die Gemüseimporte auch aus EG-Ländern, auch aus Holland, auch aus Belgien zu überwachen?
Warum haben Sie als die für die Gesundheit Zuständige gestern nichts zu den Äußerungen des Regierungssprechers gesagt, der sagte, niemand brauche Bedenken zu haben, Gemüse, Kräuter, Gewürtze, Fleisch zu essen? Am selben Tag, als das gesagt wurde, wurden bei uns in Nürnberg je Kilo Feldsalat 1 920 Becquerel und je Kilo Spinat 1 470 Becquerel gemessen. Aber natürlich, keine Mutter braucht sich Sorgen zu machen. Außerdem haben wir ja erfahren, daß es viele gibt, die angeblich falsch messen.Wie erkläre ich in Bayern, daß es zwar notwendig ist, Fleisch, Gemüse, Milch aus der Tschechoslowakei und der DDR mit einem Importstopp zu belegen, daß die gleichen Lebensmittel aber 50 km weiter aus Bayern unbedenklich sind? Hat die Bundesregierung da irgendwelche Erkenntnisse? Warum gelten diese Erkenntnisse dann für die DDR-Kuh und nicht für die bayerische? Oder soll ein Handelskrieg oder eine Strafaktion durchgeführt werden? Warum wurde ausgerechnet an dem Tag, als alle Landwirtschaftsminister der Länder dies für bedenklich hielten, vom Bundeslandwirtschaftsminister der Weideauftrieb empfohlen?Daß die Katastrophe von Ihrem Kollegen Zimmermann unterschätzt und von Ihnen anfangs nicht zur Kenntnis genommen wurde, ist nicht Ländersache. Daß Meßergebnisse teils an Ihr Ministerium, teils an das Innenministerium gingen, ist nicht falsches Krisenmanagement der genannten Länder, sondern mangelnde Abstimmung in der Bundesregierung. Nichtausreichende und unterschiedliche Meßgeräte, Uneinigkeit über die Wirkung des Waschens von Gemüse, Ahnungslosigkeit, wie verseuchte Fahrzeuge entgiftet werden sollen,
all das war Ihr Versagen und das Versagen der Bundesregierung.
Die Bundesregierung und auch Sie, Frau Ministerin, haben Entwarnung gegeben, obwohl die Werte in der Luft erheblich schwankten und in Atemhöhe von Kindern nicht überall ungefährlich sind. Verseuchte Milch wird jetzt zu Käse gemacht, verseuchtes Gemüse wird teils umgepflügt, und so ist auch durch Ihre Mithilfe gesichert, daß uns und unseren Kindern Tschernobyl in „strahlender" Erinnerung bleiben wird.Warum hat eigentlich das erste Gespräch auf Ministerebene erst gestern stattgefunden?
Hätten nicht viele Verunsicherungen durch rechtzeitige Abstimmung vermieden werden können? Auch das ist Ihre Sache.Ich fordere Sie deshalb auf, daß alle Lebensmittel, die als nicht zum Verkauf geeignet bewertet werden, so vernichtet werden, daß sie nicht in den Nahrungskreislauf gelangen können.
Ich fordere Sie auf, gemeinsam mit den Ländern die Messungen flächendeckend fortzuführen und insbesondere auf die bisher nicht gemessenen Spaltprodukte auszudehnen.Ich fordere Sie auf, gemeinsam mit den Ländern schnellstmöglich dafür zu sorgen, Babynahrung verstärkten Kontrollen zu unterziehen und in allen Bundesländern Trockenmilch für Kleinkinder zur Verfügung zu stellen. Es ist ein Skandal, wenn in Bayern Trockenmilch nur in geringen Mengen vorhanden ist. In Nordrhein-Westfalen war dagegen dafür gesorgt, daß für alle beunruhigten Eltern Trockenmilch vorhanden ist. Mir wurde vom Landwirtschaftsministerium gesagt: „Die sollen doch
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Frau Schmidt
Frischmilch trinken." Das ist Ihre Art von Ängstebeseitigung!
Ich fordere Sie aüf, die verharmlosenden Grenzwerte zurückzunehmen und Werte festzulegen, die einen optimalen Gesundheitsschutz gewährleisten.Ich fordere Sie auf, sich als Anwältin für die Gesundheit unserer Bürger in die Diskussion über die Novellierung des Strahlenschutzrechts einzumischen und zu verhindern, daß den Betreibern von Wackersdorf eine Morgengabe dargebracht wird, indem das Strahlenminimierungsgebot teilweise aufgeweicht, teilweise gestrichen werden soll und die zulässigen Grenzwerte in der Luft und der Nahrung erhöht werden.
Gesund leben soll modern werden, haben Sie gesagt, und Sie haben dem vorbeugenden Gesundheitsschutz das Wort geredet. Mit der Erfüllung dieser Forderungen könnten Sie Ihre eigene Modernität beweisen.Auch ich halte die Informationspolitik der Sowjetunion für menschenverachtend.
Vergessen sind aber inzwischen wohl die mangelhaften Informationen zu Harrisburg und Windscale. Tschernobyl — vielleicht ist es interessant, sich auch daran einmal zu erinnern — wurde von CDUPolitikern hier in diesem Plenum und von bundesdeutschen Ingenieuren noch vor zweieinviertel Jahren für sicher gehalten und unsere Kernkraftwerke für noch ein bißchen sicherer.
So bleibt bestehen — —(Zurufe von der CDU/CSU: Wer war denndas?)— Das kann ich Ihnen — —
— Wenn ich jetzt deren Namen alle nennen würde — — Ich reiche Sie Ihnen nach; die kann ich Ihnen nachreichen!
Meine Herren, ich möchte Sie eindringlich bitten!
— Sie können sich später dazu äußern! Allen Ernstes bitte ich Sie, die entsprechende Ruhe wiederherzustellen!
— Herr Abgeordneter Pfeffermann, ich möchte Sie eindringlich bitten, nun die notwendige Ruhe herzustellen!
Ich sage die Wahrheit! Ich kann Ihnen die Fundstelle nennen, aber ich weiß die Namen leider nicht alle auswendig. Auch Ihren habe ich mir bisher nicht merken können. Woran mag das nur liegen?
So bleibt bestehen: Auch bei uns kann niemand ein Unglück ausschließen, nicht einmal der Bundesinnenminister oder der Bundesforschungsminister. Deshalb müssen wir uns von dem Glauben der Beherrschbarkeit jeder Technologie durch den Menschen trennen.
Sozialdemokraten haben hier keinen Grund zur Selbstgerechtigkeit; aber wir sind Manns und Weib genug zu sagen, daß wir heraus wollen aus einer Energieversorgung, die uns und unseren Kindern unkalkulierbare Risiken aufbürdet, übrigens nicht erst seit Tschernobyl.
Wer unsere Parteitagsbeschlüsse von Berlin 1979, München 1982 und Essen 1984 liest, der sieht sehr deutlich, daß unser Ziel eine sichere Energieversorgung ohne Kernenergie ist. Nur müssen und werden unseren Absichtserklärungen jetzt auch Taten folgen.
Daß dies geht, sagt der bisherige Kernkraftbefürworter Karl Friedrich von Weizsäcker in dem Vorwort eines Abschlußberichts zu den Grenzen der Atomwirtschaft, der vom Bundesforschungsminister bisher offiziell nicht vorgestellt worden ist. Die beiden beauftragten Wissenschaftler, die Professoren Meyer-Abich und Schefold, kamen zu dem Ergebnis, daß die Bundesrepublik vor der Entscheidung stehe, die endlichen Energielieferanten Holz, Kohle und Erdgas langfristig durch viele Atomreaktoren und Schnelle Brüter oder durch Sonnenenergie und Energieeinsparung zu ersetzen. Beides sei zu gleichen Kosten und ohne verringerten Lebensstandard möglich.Kurz- und mittelfristig können wir durch Modernisierung von Kohlekraftwerken und durch die Reduzierung des Überangebots an Strom von der Kernenergie wegkommen. Wir setzen auf Technologien, die ohne Polizeischutz anwendbar sind. Deshalb ist nicht etwa der Ausstieg aus der Kernenergie — wie Herr Geißler meint — ethisch nicht ver-
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Frau Schmidt
tretbar, sondern das weitere Setzen auf eine nicht beherrschbare und damit von niemandem verantwortbare Technologie.
Deshalb sagen wir nein zu Kalkar und nein zu Wakkersdorf.
Wir werden den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie betreiben, und wissen, daß wir diese Schritte im Interesse der Gesundheit und des Lebens unserer Kinder ein ganz klein bißchen rascher gehen müssen als bisher.
Meine Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich dem Abgeordneten Schulte für seinen Zwischenruf am Ende der Rede des Ministers, in dem er den Minister der Lüge bezichtigt, einen Ordnungsruf nach § 36 unserer Geschäftsordnung erteilen.
Dann erlauben Sie mir den Hinweis, daß dieser Raum sicherlich für Debatten vorgesehen ist, aber nicht für Debatten untereinander. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie der nun nachfolgenden Rednerin, der Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Professor Süssmuth, die notwendige Aufmerksamkeit schenken und Ihre Privatgespräche einstellen würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende der Debatte — oder fast am Ende der Debatte — möchte ich Gelegenheit nehmen, zu dem Verantwortungs- und Sensibilitätsverständnis, das hier aufgeworfen wird, als erstes Stellung zu nehmen.
Offenbar ist es so, daß alle von Verantwortung reden, aber nur die einen die richtige Angst haben und die anderen die falsche, die einen die Verantwortung wahrnehmen und die anderen unverantwortlich handeln.
Ich möchte gleich hinzufügen: Ich halte es für ein Unding, nicht nur in bezug auf uns Frauen hier im Parlament, sondern auch in bezug auf all die Mütter, die Frauen, die das draußen mitbekommen, wie wir denn mit Frauensensibilität umgehen.
Ich möchte an Hand dieses Beispiels fragen, ob Sie denn wirklich glauben, daß ich vor die Frauen in der Bundesrepublik hintrete, ohne mich zuvor eingehend bei vielen Wissenschaftlern erkundigt zu haben,
wie es denn mit dem Schutz des ungeborenen Lebens bei erhöhter Radioaktivität aussieht.
Ich muß Ihnen sagen, wenn sieben bis neun Wissenschaftler aus der Bundesrepublik von Norden bis Süden, die befragt worden sind, erklären
— im Augenblick kann ich Ihnen die Zahl nicht aus dem Gedächtnis nennen —
— ich lasse mich hier überhaupt nicht aus der Ruhe bringen —
und einhellig zu dem Urteil gekommen sind, daß hier eine Strahlenbelastung von 0,6 Millirem vorliegt und die Grenze in der medizinischen Forschung bei 6 Rem liegt, dann glaube ich, daß hier eingehend Untersuchungen und Auskünfte eingeholt worden sind.
Frau Minister, sind Sie gewillt, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hönes zuzulassen?
Bundesminister Frau Dr. Süssmuth: Nein, ich bin nicht gewillt, ich habe eine Viertelstunde. Diese möchte ich ausnutzen,
weil ja gesagt worden ist, daß so viele Informationen fehlen, die Sie fast alle in Presseerklärungen nachlesen können.
— Es gibt keine Nachrichtensperre. Sie möchten sie vielleicht.
Ich wünschte mir auch, daß sich diejenigen, die mich angreifen, zunächst einmal selbst so informieren, daß wir auf dem gleichen Kenntnisstand miteinander reden können.
Ich nehme hier für mich überhaupt nicht in Anspruch, als sachkundige Politikerin von vornherein aus dem Fach zu kommen, aber ich mache mir die Kompetenz der Wissenschaftler zu eigen.
Ich habe in diesen vierzehn Tagen viel gelernt — auch dazu komme ich gleich noch — und bitte alle anderen, das auch zu tun, damit wir uns hier nicht so verhalten, daß wir von den Ängsten der Mütter
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Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
reden und sie dadurch steigern, daß wir sie mit falschen oder halben Informationen belegen.
Ich nehme für mich und die ganze Bundesregierung in Anspruch, daß wir die Sorgen und Ängste der Menschen, vor allem der hier oftmals angesprochenen Mütter und Väter, nicht weniger ernst nehmen, als die Opposition es tut,
und ich sage: Es ist das eine, die Angst aufzunehmen und sich in sie hineinzuversetzen, und es ist das andere, vernünftig mit ihr umzugehen.
Zu diesem vernünftigen Umgehen gehört es, sich zu informieren und den nötigen Fachverstand verfügbar zu machen.
Dazu gehört es auch, diese heutige Debatte nicht dazu zu benutzen, weniger über den Gesundheitsschutz als vielmehr über den Ausstieg aus der Kernenergie zu sprechen,
damit man sich der Verantwortung für die Gegenwart entziehen kann.
Weil mehrfach gefragt worden ist, wer denn diese Wissenschaftler seien, möchte ich an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, daß die Strahlenschutzkommission seit 1974 tätig ist.
— Ich denke gar nicht daran, denn ich muß Ihnen sagen: bis 1986 ist es Ihnen nie eingefallen, gegenüber dieser Strahlenschutzkommission Bedenken und kritische Fragen anzumelden;
jetzt aber werden diese Wissenschaftler abqualifiziert und verunglimpft.
Ich muß fragen: Hält es denn jemand für zweckmäßiger, daß sich jede Gruppe, daß "sich jeder Minister in Zukunft seine eigenen Wissenschaftler hält und daß diese dann gegen unabhängige Expertenkommissionen ausgespielt werden? Mit wissenschaftlicher Erörterung und vernünftigem Handeln hätte das nichts mehr zu tun.
Kein Gesundheitsminister hat gestern in der Gesundheitsministerbesprechung überhaupt die Idee gehabt, daß diese unabhängige Kommission nicht auch für die Zukunft Bestand haben sollte. Das einzige, was erörtert worden ist, ist die Frage, ob bei den Besprechungen noch stärker als bisher die Länder beteiligt werden. Wir hätten, wenn nicht das politische Interesse im Vordergrund gestanden hätte, bereits gestern zur Einheitlichkeit der Richtwerte zurückgefunden.
Sie haben den Vorwurf erhoben, es sei nicht informiert worden, die Tatbestände seien verharmlost worden, und die Bundesländer seien nicht ins Bild gesetzt worden.
Es ist aber seit dem 30. April und dann seit dem 1. Mai nicht eine einzige Entscheidung der Strahlenschutzkommission getroffen worden, die nicht noch am selben Tage den Ländern mitgeteilt worden wäre. Es hat darüber ständige Ressortbesprechungen und Besprechungen mit Lebensmittelexperten und mit den Staatssekretären aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Gesundheit — bis hin zur Gesundheitsministerkonferenz — gegeben, so daß man es sich einfach zu leicht macht, wenn man sagt, da hätten keine wechselseitigen Absprachen stattgefunden. Das ist einfach nicht wahr.
Das nächste, was Sie erklären, ist, wir hätten nicht rasch gehandelt, und wir seien hilflos gewesen. Kein europäisches Land hat so rasch gehandelt wie die Bundesrepublik! Das können Sie sich auf EG-Ebene bestätigen lassen!
Wenn Sie, Frau Wagner, fragen, was es denn mit unseren Grenzwerten auf sich hat, würde ich Sie doch auffordern, die europäischen zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben bei der EG unser Nein gegenüber Blattgemüse mit 1 000 Becquerel durchgehalten, weil wir um ein Vierfaches darunter liegen, nämlich bei 250 Becquerel. Schauen Sie sich die Becquerel-Werte für Milch in England, in Schweden oder in Frankreich an;
die liegen bei 2 000 und bei 3 000. Sie aber kritisieren die 500!
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Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
— Ich maße mir zunächst einmal nicht an, weil ich weiß, daß wir sehr sichere Richtwerte haben, die Richtwerte der anderen in Frage zu stellen.
Frau Abgeordnete Hönes, es ist die Rednerin, die das Wort hat, nicht Sie. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich ein wenig zurückhalten würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe den Eindruck, daß an der Informationspolitik Kritik geübt wird, weil es nicht die Informationen sind, die Sie haben möchten. Von daher wird diese massive Kampagne eröffnet.
Ich muß hier sagen, daß für die Bereiche, in denen die Strahlenschutzkommission auf Richtwerte verzichtet hat, gerade beim Fleisch, die hessische Entscheidung auch von den Gesundheitsministern der übrigen Länder, ob nun A- oder B-Länder, nicht nachvollzogen werden konnte, so daß man nicht sagen kann, einer handele verantwortlich und alle anderen prüften nicht, setzten nicht entsprechende Empfehlungen. Ich glaube, daß in diesen Tagen nicht ein Zuwenig, sondern ein Zuviel an zu verwirrenden Empfehlungen gegeben worden ist.
In diesem Zusammenhang sage ich auch noch einmal: Es geht nicht an, daß wir plötzlich beim Bund Erwartungen, Anforderungen formulieren, die eindeutig Ländersache sind. Was hier auf Bundesebene zu geschehen hatte, ist geschehen.
— Es ist nicht Ländersache, die Grenzwerte festzulegen. Das liegt beim Bund. Wenn wir nicht zur Einheitlichkeit zurückkehren, muß der Bund beim nächstenmal Verordnungen erlassen. Dann können wir vielleicht den Sprachenwirrwarr verhindern.
Ich möchte in diesem Zusammenhang außerdem Stellung nehmen zu dem Vorwurf, das Krebsrisiko würde überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Strahlenschutzkommission in der Bundesrepublik hätte wie die anderen EG-Länder auf der Grundlage der Störfallverordnung händeln können. Dann wäre in fast keinem Bereich überhaupt eine Grenzwertfestlegung notwendig gewesen, vielleicht beim Blattgemüse. Da sie aber vom Grundsatz „größtmöglicher Gesundheitsschutz" ausgegangen ist, hat sie entsprechende Werte festgelegt. Hier gilt es nicht zu kritisieren, sondern diesen Akt als einen verantwortlichen im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes anzuerkennen und dies auch mit Dank zu versehen.
Alle vorbeugenden Maßnahmen waren darauf gerichtet, das Risiko an Spätwirkungen, d. h. gerade auch die mögliche Krebsentstehung, so gering wie möglich zu halten. Die Strahlenschutzkommission hat sich gerade in diesem Punkt ihre Stellungnahme nicht leicht gemacht. Angesichts der Zahlen, die ich hier eben gehört habe, möchte ich sowohl Frau Hönes wie auch Frau Wagner sagen: Sie wissen genau, daß wir über keine einzige epidemiologische Studie, einfacher ausgedrückt, über keine einzige klinische Untersuchung verfügen, mit der wir das nachweisen können, was Sie an Hand rein rechnerischer Beispiele hier verbreiten. Ich halte das für unverantwortlich.
Wissenschaftler, die sich über viele Jahre mehr oder weniger ausschließlich mit der Frage der Krebsentstehung befassen, können bis heute für bestimmte Bereiche keine gesicherten Aussagen machen.
Wir wissen durch Untersuchungen, daß bei hohen Dosen strahlenbedingter Krebs auftritt. Ich halte es von daher für unverantwortlich, daß Sie die Menschen mit diesen unabgewogenen Annahmen, den rechnerischen Beispielen, — —
— Dies sind nicht Erfahrungswerte. Ich möchte für die Bevölkerung sagen, daß die durchschnittliche Strahlenbelastung der letzten 14 Tage
für die Kinder bei einem halben Rem gelegen hat.
Herr Abgeordneter Senfft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Meßwerte werden täglich an die Länder gegeben und veröffentlicht.
— Es ist doch überhaupt nicht wahr, was Sie da erzählen.
In der Bundesrepublik hat sich in diesen Wochen nicht nur das Prinzip, sondern in Bund und Ländern die Praxis durchgesetzt, für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung das Optimale zu tun.
Wir alle miteinander haben Lernprozesse durchgemacht.
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16570 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Herr Abgeordneter Eigen, halten Sie sich bitte zurück!
Entschuldigen Sie bitte, Frau Minister. Ich möchte, daß jetzt Ruhe im Hause hergestellt wird. Sonst unterbreche ich die Sitzung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solche Aussagen fallen auf denjenigen, der das sagt, zurück. Ich brauche mich an dieser Stelle nicht zu verteidigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn die Ereignisse von Tschernobyl — —
Herr Abgeordneter Seiters, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
Ich bitte, die notwendige Ruhe herzustellen. — Frau Minister, bitte, beenden Sie Ihre Ausführungen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte Ihnen abschließend sagen, daß es mir wichtig wäre — ich denke, das ist auch im Sinne der Abgeordneten, die hier zugehört haben, und der Bevölkerung, die draußen an dieser Debatte Anteil genommen hat —, daß wir uns darauf konzentrierten,
die Bevölkerung in den nächsten Wochen über alles, was wir im Rahmen der Auswertung in Erfahrung bringen, umfassend zu informieren. Wir sollten auf EG- und internationaler Ebene gesundheitspolitisch eng zusammenarbeiten, um jegliches Risiko soweit wie möglich auszuschließen.
— Das mag Ihnen so erscheinen, weil Sie es nicht hören wollen. — Ich stehe dafür ein, daß in Bund und Ländern für die Menschen die Informationen verfügbar sind, die sie jetzt noch brauchen.
Damit möchte ich meine Ausführungen schließen.
Meine Damen und Herren, ich möchte versuchen, Ihnen klarzumachen, daß Sie mit Ihrem Verhalten weder Ihrem jeweiligen Anliegen noch dem Ansehen des Hauses dienen. Ich bitte, das bei den nachfolgenden Ausführungen zu berücksichtigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rapp.
Rapp (SPD) (von den Abgeordneten der SPD mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Tschernobyl wird nicht vergessen, wird Konsequenzen haben.
Der Tokio-Gipfel, hat man den Eindruck, ist bereits vergessen. Das mag, was die Veranstaltung selber anlangt, nicht so schlimm sein. Aber es wäre sehr schlimm, wenn in dieses Vergessen die Verdrängung der Probleme mit eingehen würde, um die es in Tokio ging oder doch hätte gehen sollen. Deshalb ist es richtig, in diese Debatte programmgemäß auch noch die Wirtschaftsthemen mit hineinzunehmen.
Es kann nicht sein, es darf nicht geschehen, daß die Fragen, die Herr Dr. Vogel hier gestellt hat — welche Botschaft für die Arbeitslosen, welche Botschaft für die Landwirte, welche Botschaft für die überschuldeten Länder des Südens? —, untergehen. Ich mahne sie an.
,Vizepräsident Cronenberg: Herr Abgeordneter Rapp, führen Sie Ihre Ausführungen in Ruhe fort!
Meine Damen und Herren, der politische Gehalt der Gipfelerklärung zur Wirtschaft entspricht etwa dem der immer wieder frappierenden Einsicht, daß reich und gesund zu sein schöner ist als arm und krank. Wenn es irdendwo auf der Welt arme und kranke Volkswirtschaften, wenn es Arbeitslose und Ausgegrenzte gibt, dann ist das deren Problem. Warum leben sie nicht nach dieser Einsicht?Nach diesem Kommuniqué ist der Befund unabweisbar: Wer die Institution des Weltwirtschaftsgipfels erhalten will — weil wir sie brauchen —, der muß jetzt nach Tokio wirklich darüber nachdenken, wie ihr Niedergang aufgehalten, wie dem Mißbrauch entgegengewirkt werden kann, sie zu einer für den jeweils anstehenden nationalen Wahlkampf bestimmten Show-Veranstaltung zu machen.
Übrigens habe ich da eben den Grafen Lambsdorff zitiert, „Handelsblatt" vom 2. Mai 1986.Nun mag man einwenden, solche Texte seien im Grunde nur Dekor, auf die Diskussionsprozesse komme es an. Und in der Tat: Darauf käme es an. Ob es sie gegeben hat, wäre aus den Konsequenzen abzulesen. Was aber ist dem Tokio-Gipfel gefolgt? Präsident Reagan hat wörtlich gesagt: Wir haben alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Er sprach von einem Durchbruch., Der Mann hat recht.
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Rapp
Nur, das „wir" bezog sich auf die Interessen der Vereinigten Staaten. Die sind in der Tat auch und gerade dort zur Geltung gekommen, wo sie mit den Interessen anderer nicht übereinstimmten.
Bundesfinanzminister Stoltenberg muß das auch so gesehen haben. Sagte er doch, von einem Durchbruch wolle er nicht sprechen. Und die Japaner meinten vollends, der Präsident der Vereinigten Staaten müsse manches anders verstanden haben. Sie jedenfalls fühlten sich durch die Erklärungen nicht gebunden; eine weitere Zinssenkung komme für Japan nicht in Frage.Vor allem aber dies: Während die Staats- und Regierungschefs der sieben mächtigsten Industriestaaten in Tokio beisammen waren, saßen in Kuala Lumpur die Vertreter von 45 Entwicklungsländern beisammen. Dort wurde der Tokio-Gipfel eine Kabale der reichen Länder auf Kosten der Länder der Dritten Welt geheißen, die — Zitat — „durch die Verschuldenssituation verkrüppelt und erwürgt werden". Von der Anmaßung eines Weltwirtschaftsgipfels war die Rede, auf dem über den größten Teil der Menschheit in deren Abwesenheit verfügt wird.Nun hat kein vernünftiger Mensch vom TokioGipfel problemlösende Antworten auf alle weltwirtschaftlichen Fragen erwartet. Wenn ich drei dieser Probleme, nämlich Wachstum, Währung und Verschuldung, anspreche, so geschieht das gewiß nicht in dieser Attitüde. Was aber an dieser Entschließung von Tokio stört, ist diese Mischung aus Eigenlob und Unverbindlichkeit, dieses distanziert-noble Sich-nicht-Einlassen auf die Sorgen all jener in der Welt, die eben nicht reich und mächtig, sondern arm und ausgegrenzt sind.
Zum Beweis erstens: Da war in Tokio unentwegt von Wachstum, Aufschwung und günstigen Zukunftsaussichten die Rede. Gewiß, es gibt gerade bei uns Zahlen, die man vorzeigen kann und die der Bundeskanzler denn auch musterschülerhaft vorgezeigt hat. Doch nirgendwo eine Reflexion darüber, was sich hinter diesen Zahlen möglicherweise anbahnt, wenn man die Entwicklung ihrem Selbstlauf überläßt. Wer sich dem aber unterzieht, wird feststellen, daß sich bei uns jetzt fünf Monate hintereinander die Ergebnisse des Ifo-Konjunkturtests über die Geschäftslage des verarbeitenden Gewerbes verschlechtert haben. Fünf Monate hintereinander. Auswirkungen auf die Investitionspläne der Unternehmen werden bereits befürchtet. Die Auftragseingänge schwächen sich ab, zumal in den Schlüsselbranchen.Die Bundesbank legt Wert auf die Feststellung, nie 4 % Wachstum für dieses Jahr prognostiziert zu haben. Da müsse sie mißverstanden oder mißbraucht worden sein. Es ist auch gesagt worden, wer eventuell mißbraucht hat.
Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche.
Ich wäre dankbar, wenn die diskutierenden Abgeordneten, z. B. die Abgeordneten Wischnewski oder Lorenz, wieder Platz nähmen, damit im Plenum die Ruhe herrscht, die nötig ist, damit Herr Rapp seine Ausführungen zu Ende bringen kann.
Der Vertreter der Bundesbank sagt: Wenn jetzt nicht bald der private Verbrauch anspringt und den wechselkursbedingt nachlassenden Export ersetzt, sind auch die prognostizierten 31/2% Wachstum in Gefahr. Alle unsere zum Glück noch guten Zahlen stützen sich auf außenwirtschaftliche Tatbestände. Die Bundesbank aber vermutet, daß die deutsche Exportwirtschaft die Talfahrt des Dollars doch nicht so mühelos wird verkraften können wie allgemein angenommen. Das kann auch gar nicht anders sein. Zahlen, die auf 100 Milliarden DM Zahlungsbilanz- und 60 Milliarden DM Leistungsbilanzüberschuß beruhen, können keinen Bestand haben, es sei denn, sie werden nach und nach durch die Binnennachfrage unterfüttert und gestützt.
Wo aber bleibt die? Würde das Bißchen Verbesserung am Arbeitsmarkt, das die Regierung unter Zuhilfenahme statistischer Kniffe und bei Leugnung der positiven Wirkung der Arbeitszeitverkürzung meint konstatieren zu können, auch nur zu halten sein, wenn der absehbare Rückgang im Export nicht rasch durch eine kräftigende Binnennachfrage aufgefangen würde?
Sie mögen das alles Miesmacherei nennen. Und doch ist es die angemessene Art, sich auf eine einerseits chancenreiche und andererseits ungesicherte Situation einzulassen.
Da ist es zu kritisieren — —
Herr Abgeordneter, ich verstehe Ihre Bitte. Sie ist berechtigt. Ich möchte all diejenigen, die nicht gewillt sind, dem Redner zuzuhören, bitten, den Saal zu verlassen. Vielleicht hilft das.
Meine Damen und Herren, ich hätte mir gedacht, daß die Rückwendung auf dieses nüchternere Thema vielleicht Ihre Gemüter besänftigen und Aufmerksamkeit wecken könnte. Aber es scheint so nicht zu sein.
Ich sage noch einmal: Da ist es zu kritisieren, daß Bundesregierung und Koalition den absehbar vorübergehenden Exportboom nicht als Chance, nicht als geschenkte Zeit für eine Politik genutzt haben, die nicht nur die Konjunktur auf solidere und binnenmarktgestützte Beine stellt, sondern auch unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft darüber hinaus strukturell zukunftssicherer macht. Kein Sozialdemokrat fordert kreditfinanzierte Konjunkturprogramme in der Absicht, irgendeinen abstrakt vorgegebenen Wachstumspfad einzuschlagen.
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Rapp
Die naive Wachstumsgläubigkeit ist dahin. Wir sehen mit Interesse, daß Herr Biedenkopf auch in Ihre Partei hinein diese Einsicht zu vermitteln versucht. Warum aber — so frage ich, so fragen viele im Lande, so fragen die Arbeitslosen — nicht jetzt, spätestens nach Tschernobyl, eine große Gemeinschaftsanstrengung einleiten, um die Altlasten der Umweltgefährdung aufzuarbeiten, in der Abfallwirtschaft, in der Energiewirtschaft, um nur die dringendsten Problemfelder zu nennen?
Meine Damen und Herren, wenn Sie da nun sagen, die Entzugseffekte unseres Sondervermögens „Arbeit und Umwelt" würden Beschäftigungswirkungen unmöglich machen: Es stimmt das nicht. Wenn Sie prüfen, wenn Sie die Multiplikatorwirkungen einbeziehen, dann wissen Sie, daß wir, wenn wir nur wollen, im Grunde vier Dinge zugleich haben könnten: eine bessere Umwelt, das dazu nötige qualitative, d. h. zukunftssichernde Wachstum, daraus mehr Beschäftigung und am Ende wahrscheinlich auch noch entlastete öffentliche _Haushalte. Dabei wissen wir sehr wohl, daß man bessere Lebensqualität nicht dauerhaft auf Pump haben kann. Der Weg vom Mehr hin zum Besser erfordert Opfer. Wir würden sie mittragen. Sie hätten in uns eine Opposition haben können, die Ihnen dabei hilft. Niemand hier hätte Sonthofen gemacht. Im Grunde wäre es auch jetzt noch nicht zu spät dazu.
Meine Damen und Herren, was läßt sich — zweitens — zu den Tokioer Währungsbeschlüssen anderes sagen als dies, daß einmal mehr klargeworden ist, wer das Sagen hat. Solange die veritable Voodoo-Ökonomie des Reaganschen Rüstungskeynesianismus bei ruinös hohen Zinsen freies Kapital der ganzen Welt an sich gezogen hat, hat es hierzulande Konservative gegeben — —
Herr Abgeordneter, das Plenum strapaziert sicher Ihre Geduld. Aber ich muß Sie doch darauf aufmerksam machen, daß Sie Ihre Redezeit sehr deutlich überschritten haben, und wäre dankbar, wenn Sie zu Ende kämen.
Herr Präsident, das tut mir leid. Mir ist gesagt worden, ich sei mit 15 Minuten angemeldet.
Herr Kollege Rapp, Ihrer Fraktion standen noch neun Minuten zu. Sie haben inzwischen fast zwölf Minuten verbraucht. Bei aller Großzügigkeit wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie zu Ende kämen.
Das tut mir leid. Ich kann nur hoffen, daß wir diese Debatte bei Gelegenheit nachholen und dann in einem Klima, das der Sache dienlicher ist.
Meine Damen und Herren, als nächstes steht der Abgeordnete Handlos auf der Rednerliste.
— Ich werde ihm das Wort erst erteilen, wenn die notwendige Ruhe im Hause hergestellt ist.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß noch einmal auf den Reaktorunfall zurückkommen, nachdem der Weltwirtschaftsgipfel offensichtlich nicht von besonderem Interesse ist.
Die Bürger haben heute bisher keine Auskunft zu ihren Ängsten bekommen. Ich glaube, diese Feststellung muß man hier einmal treffen, und man muß sich auch fragen, was noch alles geschehen muß, bis die letzten Kollegen hier im Bundestag die Gefahren der Atomkraft zur Kenntnis genommen haben.
Warum haben die USA eigentlich den Bau weiterer Kernkraftwerke eingestellt? Die Wirtschaft der USA ist deswegen nicht zusammengebrochen. Man sieht die Hilflosigkeit der Bundesregierung und der Länderregierungen bei der gesamten Katastrophe. Es gibt keine Vorsorgemaßnahmen. Was nützen beste Meßergebnisse? Wir sollten hier wirklich, wie der Kollege Dregger heute sagte, die Frage des Zivilschutzbaus, der Zivilschutzprogramme nach diesem atomaren Unfall neu überdenken. Es ist nicht mein Stil — —
Herr Abgeordneter, ich muß Sie noch einmal unterbrechen. Ich möchte bitten, daß Sie Platz nehmen. Das gilt auch für die Abgeordneten Schäfer — bitte, Herr Abgeordneter —, Pohlmann und andere.
Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen erst das Wort, wenn die notwendige Ruhe hergestellt ist. Herr Abgeordneter Jäger , würden Sie die Güte haben, sich zu setzen, um mit dazu beizutragen, daß hier der Rest der Sitzung ordentlich abgewickelt werden kann? — Danke schön.
Herr Abgeordneter, Sie können fortfahren.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß es hier nicht mein Stil ist, über Kollegen etwas zu sagen, aber ich muß doch einen Satz über den Bundesinnenminister sagen.
Einen Tag nach dem Bekanntwerden des Atomunfalls in Tschernobyl sagte er vor dem Fernsehen, Kiew liege 2 000 km entfernt, und es könne uns überhaupt nichts passieren. Am nächsten Tag hatten wir die gesamte Katastrophe in unserem Lande. So, Herr Dr. Zimmermann, kann man es wirklich nicht machen. Das muß hier auch einmal festgestellt werden.
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HandlosDa gibt es immer noch welche in unserem Lande, die sogenannten Verharmloser, die sagen, bei uns könne nichts passieren. Sowjetische Wissenschaftler haben dies vor kurzem ebenfalls noch gesagt. Ich habe den Eindruck, daß sich viele wie Lemminge in das Unglück stürzen wollen, ohne darüber überhaupt im einzelnen nachzudenken. Die Fraktionsführung schreibt vor, was zu tun ist. Ich darf hier sagen: Ich bin im höchsten Maße heute verwundert, daß von der gesamten CDU/CSU-Fraktion außer dem Kollegen Dregger kein Abgeordneter gesprochen hat. Da muß man sich wirklich einmal die Frage stellen: Hat sich hier die Fraktion aus der Diskussion abgemeldet?
Wir haben hier heute tatsächlich nur Minister und den Kollegen Dregger, sonst niemanden gehört. Ich sage es hier im Klartext: Die Atomlobby durch zahlreiche Politiker, die in den Aufsichtsräten der entsprechenden Konzerne sitzen,
scheint so stark zu sein, daß sich Wähler nur noch mit dem Wahlzettel wehren können, wie wir von der Freiheitlichen Volkspartei meinen.
— Ich erkläre es Ihnen gern. Ich habe darauf gewartet. Die Freiheitliche Volkspartei wurde von uns als Partei der bürgerlichen Mitte zur Erneuerung gegründet. Gibt es sonst noch Zwischenrufe? Ich stehe für die Antworten zur Verfügung.
— Meine Damen und Herren, ich warte immer nur darauf, daß Sie darauf reinfallen, damit ich dann sagen kann, wer die FVP ist.Strauß sagte vor längerer Zeit einmal, er wisse, daß ein Atomkraftwerk so harmlos sei wie eine Fahrradspeichenfabrik.
Das sind die Verharmloser in unserem Lande. Wenn man nach Bayern blickt, so bauen die Bayernwerke z. B. Ohu II, und sie bauen bei Wackersdorf mit. Und wer sitzt im Aufsichtsrat der „Bayernwerke"? Dreimal dürfen Sie raten. Das sind Finanzminister Streibl, Wirtschaftsminister Jaumann und der sehr verehrte Ministerpräsident Franz Josef Strauß.
Wir sind der Meinung, dieser Filz zwischen politischen Mandaten und Aufsichtsratsmandaten in der Wirtschaft muß einmal endgültig aufhören, meine Damen und Herren.
Dies ist ein Zustand, der verfassungsrechtlich inhöchstem Maße bedenklich ist. Das trifft nicht nurmanche in der CDU/CSU, das trifft auch manche in anderen Parteien.
Ich würde sagen, es sollte grundsätzlich ein Verbot der gleichzeitigen Ausübung von Aufsichtsratsmandaten und politischen Mandaten ergehen, meine Damen und Herren.
Ich darf zum Schluß wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit nur noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. Meine Damen und Herren, Reaktionen der Atomkerne — Zerfall oder Fusion — liefern pro Einzelatom das Millionenfache an Energie im Vergleich zu chemischen Prozessen. Daher ist die Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu Recht diskutiert worden. Was jedoch von Anfang an übersehen oder verharmlost wurde, waren die Zerfallsprodukte aus Kernspaltungen, die selbst wieder zerfallen können, d. h. radioaktiv sind. Diese Radionuklide werden auch heute noch für so uninteressant gehalten, daß man die Umgebung von Kernkraftwerken nur nach Alpha-, Beta- und Gammastrahlen absucht. Solche Strahlen werden naturgemäß auch nur in geringem Umfang festgestellt. Die abgegebenen Radionuklide werden dagegen einfach totgeschwiegen oder verharmlost. Jedesmal, wenn bei einem Abschaltmanöver oder bei einem Störfall ein verstärkter Schwall von radioaktiven Substanzen in die Umgebung gelangt, besteht selbstverständlich, wie es immer heißt, für die Bevölkerung keinerlei Gefahr. Dies ist das Entscheidende. Diese Radionuklidanreicherung vermehrt sich von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr und immer mehr in Boden, Luft und Wasser, auch ohne GAU, meine Damen und Herren. Was wir heute nur als Schreck verspüren, wird die harte Wirklichkeit unserer Kinder sein. Sie werden in wenigen Jahren das als Dauerbelastung erleben, was heute scheinbar vorübergehend war. Da es eine erbbiologische Anpassung nicht gibt, werden Krebs- und Erbschäden die Geißeln der Menschheit werden wie ehedem Pest und Cholera.Ich muß zum Schluß kommen, meine Damen und Herren. Ich kann nur folgendes feststellen: Tschernobyl hat der Hybris des Menschen Schranken gesetzt. Ob wir diesen Fingerzeig erkennen werden oder ob wir weiter in das Verderben rennen, wird die Zukunft beweisen. Es gibt die Solarenergie, es gibt verschiedene andere Technologien. Man muß nur den Willen haben, zu neuen Ufern aufzubrechen.Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, ich bitte nunmehr um Ruhe und Geduld für den Abgeordneten Peter , der eine persönliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung abzugeben 'gedenkt.
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16574 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Angst, es ist keine lange Beanspruchung Ihrer Geduld. — Im Namen der Kolleginnen Lieselott Blunck, Katrin Fuchs, Doris Odendahl, des Kollegen Wolf-Michael Catenhusen und Günther Heyenn erkläre ich gemäß § 31 Geschäftsordnung zum Entschließungsantrag der SPD-Fraktion:
Wir meinen, gegen radioaktive Strahlung gibt es keinen Schutz. Das Festlegen von Grenzwerten kann in der Bevölkerung den Eindruck entstehen lassen, daß Strahlenbelastungen unterhalb dieser Grenzwerte ungefährlich seien. Das ist desorientierend, da niemand eine Gefährdung von Mensch und Umwelt auch bei geringen Strahlenbelastungen oder bei Aufnahme über die Nahrungskette aus- schließen kann. Der Gefährdung ist nach unserer Überzeugung nur zu begegnen, indem künftige Strahlenbelastungen vermieden werden. Dem trägt der SPD-Antrag Rechnung, indem er ein realistisches Ausstiegskonzept aus der Kernenergie fordert.
Danke schön.
Nunmehr liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir können zum Abstimmungsverfahren kommen.Zunächst gebe ich dem Haus bekannt, daß es nicht drei, sondern vier namentliche Abstimmungen gibt, nachdem ein weiterer Antrag der SPDFraktion zu dem Entschließungsantrag 10/5478 eingegangen ist.Bevor wir zu den namentlichen Abstimmungen kommen, lasse ich über den Entschließungsantrag 10/5472 der GRÜNEN abstimmen. Vorsorglich mache ich darauf aufmerksam, daß nach den namentlichen Abstimmungen weitere Abstimmungen zu vollziehen sind, Sie also das Haus nicht verlassen können.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5472. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Antrag mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag 10/5471 der Fraktion DIE GRÜNEN, die gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung ordnungsgemäß namentliche Abstimmung beantragt hat. Wir stimmen also nun über diesen Antrag ab. Das Verfahren ist Ihnen bekannt.Ich eröffne die namentliche Abstimmung.Meine Damen und Herren,.ich schließe damit die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen, damit wir anschließend sofort die nächste Abstimmung durchführen können. Ich werde mit der Abstimmung nicht eher beginnen, als bis Sie Platz genommen haben. — Wenn Sie ein Interesse daran haben, daß die namentlichen Abstimmungen schnell durchgeführt werden, bitte ich Sie, Platz zu nehmen.Meine Damen und Herren, wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5473. Ich eröffne die namentliche Abstimmung nach dem bekannten Verfahren. —Es fehlen noch Schriftführer. Die Schriftführer werden eindringlich gebeten, sich für das Auszählen zur Verfügung zu stellen.Befindet sich noch ein Mitglied des Hauses im Saale, das noch nicht abgestimmt hat? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.Die Urnen sind da. Wir können nunmehr mit der dritten Abstimmung beginnen. Es handelt sich um den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/5477. Ich eröffne die namentliche Abstimmung nach dem bekannten Verfahren. —Befindet sich noch jemand im Saal, der abstimmen möchte? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich diese Abstimmung.Außerdem gebe ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten Abstimmung bekannt; es handelt sich um die namentliche Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/5471: Abgegebene Stimmen: 412, ungültig: keine, mit Ja: 25, mit Nein: 373, Enthaltungen: 14.Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 412 Abgeordnete; davonja: 25 Abgeordnetenein: 373 Abgeordneteenthalten: 14 AbgeordneteJaDIE GRÜNENFrau BorgmannBuebFrau DannFrau EidFischer FritschFrau HönesFrau KellyLangeMannDr. Müller RuscheSchmidt
Schulte SenfftSuhrTatgeTischerVogel VolmerFrau WagnerWerner Werner (Westerland) Frau Zeitlerfraktionslos HandlosNeinCDU/CSUFrau AugustinAustermannBayhaDr. Becker
BergerFrau Berger
BiehleDr. Blank Dr. Blens Dr. BötschBohlBohlsen Borchert Boroffka BraunBreuer BrollBrunnerBühler
Dr. Bugl BuschbomCarstens
Carstensen ClemensDr. Czaja Dr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDeutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16575Vizepräsident CronenbergDörflingerDolataDr. DollingerDossDr. DreggerEhrbar EigenEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFellnerFischer
Dr. FriedmannFunkGanz
Frau GeigerGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz Götzer Günther Dr. Häfelevon HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld)HedrichFrau Dr. Hellwig Helmrich HerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. HupkaGraf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Kalisch Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannDr. Köhler KrausKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertLandréDr. LangnerDr. Laufs LemmrichLenzerLink
Link LinsmeierLöherLohmann Dr. h. c. LorenzLouven Lowack MaaßFrau MännleMagin MarschewskiMetzDr. Meyer zu Bentrup Dr. MiltnerMilzDr. MöllerMüller Müller (Wadern)Müller
Frau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog Frau Pack PeschPfeffermann PfeiferDr. Pfennig PöpplPohlmannDr. PohlmeierDr. Probst RaweReddemann RegenspurgerRepnikDr. RiesenhuberFrau Rönsch
Frau Roitzsch
Dr. RoseRossmanith Roth
RüheRufSauer
Sauer
Sauter Sauter (Ichenhausen) ScharrenbroichSchartz Schemken ScheuSchlottmann SchmidbauerSchmitz Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder (Freiburg) SchulhoffDr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin)
SchwarzDr. Schwarz-SchillingDr. SchwörerSeehofer SeesingSeitersSpranger Dr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. StoltenbergStommel Straßmeir StrubeStücklen StutzerSussetTillmannDr. TodenhöferDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Will-Feld WilzWindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerWürzbachDr. WulffDr. ZimmermannZinkSPDDr. Ahrens AmlingAntretter Dr. Apel Bachmaier BambergBecker BernrathBrückBuckpeschDr. von BülowBuschfort CatenhusenColletConradi CurdtDaubertshäuserDelorme DreßlerDr. Ehmke EickmeyerDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen) Gerstl (Passau)GilgesGlombig GrunenbergDr. Haack HaarHauckDr. Hauff Heimann HeistermannHerterich Hettling HornFrau Huber Huonker IbrüggerJahn
Jaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschner Kisslinger Klein
Dr. KlejdzinskiKolbowKretkowski Dr. Kübler Kühbacher LambinusLennartz Leonhart LöfflerLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens
Dr. MitzscherlingDr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Dr. NöbelFrau Odendahl OostergeteloPauliDr. Penner Peter
PfuhlPorzner PoßPurpsRankerRapp
Rappe ReimannFrau RengerReuterRohde
RothSanderSchäfer SchanzDr. Scheer Schlaga SchluckebierFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)Frau Schmidt Dr. SchöfbergerDr. Schwenk Sieler (Amberg)Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. SperlingDr. SpöriStahl
Frau SteinhauerStobbeStockleben Dr. Struck TietjenFrau Dr. TimmFrau TraupeUrbaniak Vahlberg Verheugen Dr. Vogel Vogelsang Voigt
VosenWaltematheWeinhofer Dr. Wernitz Frau WeyelWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiDr. de With Wolfram
Zander
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16576 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Dr. RumpfSchäfer
Frau Dr. SegallDr. Weng
EnthaltenSPDBahrFrau BlunckDuveFrau Fuchs GanselFrau Dr. Hartenstein HeyennHiller
JansenJungmann Kuhlwein Schreiner Frau SimonisWeisskirchen
CatenhusenDuveFrau Fuchs GanselHeyennHiller
Damit ist der Antrag abgelehnt.Darüber hinaus möchte ich dem Abgeordneten Schulte von der Fraktion DIE GRÜNEN für den ausweislich des Protokolls gegen die Ministerin Dr. Süssmuth ausgesprochenen Vorwurf „Krebsminister" einen Ordnungsruf erteilen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5478. Ich eröffne die Abstimmung nach dem bekannten Verfahren. —Meine Damen und Herren, ich mache erneut darauf aufmerksam, daß nach dieser namentlichen Abstimmung noch eine weitere Abstimmung zu absolvieren sein wird. Sie können also den Raum, wenn Sie an dieser teilnehmen wollen, nicht verlassen.Meine Damen und Herren, wenn sich niemand mehr im Saale befindet, der abstimmen möchte, dann schließe ich die Abstimmung.Ich gebe jetzt das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung bekannt. Dabei handelt es sich um den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5473: Abgegebene Stimmen: 411, ungültig: keine, mit Ja: 41, mit Nein: 354, Enthaltungen: 16.Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 411 Abgeordnete; davonja: 41 Abgeordnetenein: 354 Abgeordneteenthalten: 16 AbgeordneteVizepräsident CronenbergZeitler Frau ZuttFDPFrau Dr. AdamSchwaetzer BaumBeckmannBredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardErtlDr. FeldmannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannDr. HirschHoffieHoppeDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemannNeuhausenPaintnerRonneburgerJaSPDBahrFrau Blunck JansenJungmannKuhlweinNeumann Peter (Kassel)SchreinerFrau Simonis WaltematheDIE GRÜNENFrau BorgmannBuebFrau Dann Frau EidFischer FritschFrau Hönes Frau Kelly LangeMannDr. Müller RuscheSchmidt
Schulte
SenfftSuhrTatgeTischerVogel
VolmerFrau Wagner Werner Werner (Westerland) Frau Zeitlerfraktionslos HandlosNeinCDU/CSUFrau Augustin AustermannBayhaDr. Becker BergerFrau Berger BiehleDr. Blank Dr. Blens Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert Boroffka BraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. Bugl Buschbom Carstens
Carstensen ClemensDr. Czaja Dr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDörflinger DolataDr. DollingerDoss Dr. DreggerEhrbar EigenEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFellnerFischer
Dr. FriedmannFunkGanz
Frau GeigerGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz Götzer Günther Dr. Häfelevon HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld)HedrichFrau Dr. Hellwig Helmrich HerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. HupkaGraf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Kalisch Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannDr. Köhler KrausKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertLandréDr. LangnerDr. Laufs LemmrichLenzerLink
Link LinsmeierLöherLohmann Dr. h. c. LorenzLouven Lowack MaaßFrau MännleMaginMarschewskiMetzDr. Meyer zu BentrupDr. MiltnerMilzDr. Möller
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16577
Vizepräsident CronenbergMüller Müller (Wadern)Müller
Frau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. OlderogFrau PackPeschPfeffermann PfeiferDr. PfennigPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riesenhuber Frau Rönsch
Frau Roitzsch
Dr. Rose
Rossmanith Roth RüheRufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich Schartz (Trier) SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder (Freiburg) SchulhoffDr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin) Schwarz
Dr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. Stavenhagen Dr. SterckenDr. Stoltenberg StommelStraßmeirStrubeStücklenStutzerSussetTillmannDr. Todenhöfer Dr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von WartenbergWeirichWeißWerner
Frau Will-FeldWilzWindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWittmann Dr. WörnerWürzbach Dr. WulffDr. ZimmermannZinkSPDDr. Ahrens AmlingDr. Apel BambergBecker BernrathBrückBuckpeschDr. von BülowBuschfort ColletCurdtDaubertshäuserDelorme DreßlerDr. Ehmke EickmeyerDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen) Gerstl (Passau)GilgesGlombig GrunenbergDr. HaackFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff Heimann HeistermannHerterich Hettling HornFrau HuberIbrüggerJahn
Jaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKisslingerKlein
Dr. KlejdzinskiKolbow Kretkowski Dr. Kübler Lennartz Leonhart LöfflerLohmann
LutzFrau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Dr. MitzscherlingDr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmDr. NöbelOostergeteloPauliDr. PennerPfuhlPorzner PoßPurpsRankerRapp Rappe (Hildesheim) ReimannFrau RengerReuterRohde
RothSander Schanz Schlaga SchluckebierFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)Dr. SchöfbergerDr. Schwenk Sieler (Amberg)Frau Dr. Skarpelis-Sper] Dr. SoellDr. SperlingStahl
Frau SteinhauerStobbe StocklebenDr. StruckTietjenFrau Dr. TimmFrau TraupeUrbaniakVahlbergVerheugenDr. VogelVogelsangVoigt
Vosen WeinhoferDr. WernitzFrau WeyelWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiDr. de WithWolfram
Zander
ZeitlerFDPFrau Dr. Adam-SchwaetzerBaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth)Engelhard ErtlDr. FeldmannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannDr. Hirsch HoffieHoppeDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemann Neuhausen PaintnerRonneburgerDr. Rumpf Frau Dr. SegallDr. Weng
EnthaltenSPDAntretter Bachmaier ConradiHaarHuonker Kirschner Kühbacher LambinusFrau Dr. Martiny-Glotz Frau OdendahlSchäfer
Dr. ScheerFrau Schmidt Dr. SpöriWeisskirchen Frau ZuttDer Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, Platz zu nehmen, damit wir die letzten Abstimmungen durchführen können.Ich lasse jetzt abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5487. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Antrag abgelehnt.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, zunächst über den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/5485. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
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16578 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Vizepräsident CronenbergWer sodann dem Entschließungsantrag 10/5486 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? -- Enthaltungen? — Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen.Meine Damen und Herren, wir müssen uns jetzt noch einen kleinen Moment gedulden, weil ich die Abstimmungsergebnisse noch bekanntzugeben habe. Diese liegen mir noch nicht vor.Ich unterbreche die Sitzung für einen Moment.
Meine Damen und Herren, nun liegen mir die beiden Abstimmungsergebnisse vor.Ich gebe zunächst das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5477 bekannt. Abgegebene Stimmen: 411, ungültig: keine, mit Ja: 25, mit Nein: 370, Enthaltungen: 16.Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 408 Abgeordnete; davonja: 25 Abgeordnetenein: 367 Abgeordneteenthalten: 16 AbgeordneteJaDIE GRÜNENFrau BorgmannBuebFrau Dann Frau EidFischer FritschFrau Hönes Frau Kelly LangeMannDr. Müller RuscheSchmidt
Schulte
SenfftSuhrTatgeTischerVogel
VolmerFrau Wagner Werner Werner (Westerland) Frau Zeitlerfraktionslos HandlosNeinCDU/CSUFrau Augustin AustermannBayhaDr. Becker BergerFrau Berger BiehleDr. Blank Dr. Blens Dr. BötschBohlBohlsen Borchert Boroffka BraunBreuerBroilBrunnerBühler
Dr. Bugl Buschbom Carstens
Carstensen ClemensDr. Czaja Dr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDörflinger DolataDr. DollingerDossDr. DreggerEhrbarEigenEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFellnerDr. FriedmannFunkGanz
Frau GeigerGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz GötzerGünther Dr. Häfelevon HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFrau Dr. Hellwig Helmrich HerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes HöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. HupkaGraf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Kalisch Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKellerKiechle KittelmannDr. Köhler KrausKroll-SchlüterDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertLandréDr. LangnerDr. Laufs LemmrichLenzerLink
Link LinsmeierLöherDr. h. c. LorenzLouven Lowack MaaßFrau MännleMaginMarschewskiMetzDr. Meyer zu Bentrup Dr. MiltnerMilzDr. MöllerMüller Müller (Wadern)Müller
Frau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. OlderogFrau PackPeschPfeffermannPfeiferDr. PfennigPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riesenhuber Frau Rönsch
Frau Roitzsch
Dr. Rose
RossmanithRoth RüheRufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich Schartz (Trier) SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder (Freiburg) SchulhoffDr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin) Schwarz
Dr. Schwarz-SchillingDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSprangerDr. SprungDr. Stark
Dr. Stavenhagen Dr. SterckenDr. Stoltenberg StommelStraßmeirStrubeStücklenStutzerSussetTillmannDr. Todenhöfer Dr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Will-Feld WilzWindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerWürzbachDr. WulffDr. ZimmermannZink
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16579
Vizepräsident Cronenberg SPDDr. Ahrens AmlingAntretterDr. ApelBachmaier BahrBambergBecker BernrathBrückBuckpeschDr. von Bülow Catenhusen ColletConradiCurdtDaubertshäuserDelormeDreßlerEgertDr. Ehmke EickmeyerDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen) Gerstl (Passau)GilgesGlombigGrunenberg Dr. Haack HaarFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff Heimann HeistermannHerterich HettlingHornFrau Huber IbrüggerJahn
JaunichDr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschner Kisslinger Klein
Dr. KlejdzinskiKolbowKretkowski Dr. Kübler Kühbacher Lambinus Lennartz Leonhart LöfflerLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Dr. MitzscherlingDr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Dr. NöbelFrau Odendahl OostergeteloPauli Dr. Penner PfuhlPorznerPoßPurpsRankerRapp
Rappe ReimannFrau Renger ReuterRohde
RothSanderSchanzDr. Scheer SchlagaSchluckebier Frau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)Frau Schmidt Dr. SchöfbergerDr. Schwenk Sieler (Amberg)Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. Sperling Dr. SpöriStahl
Frau SteinhauerStobbeStockleben Dr. Struck TietjenFrau Dr. TimmFrau Traupe Urbaniak Vahlberg Verheugen Dr. Vogel VogelsangVoigt
VosenWeinhofer Dr. Wernitz Frau WeyelWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiDr. de With Wolfram
Zander
ZeitlerFrau ZuttFDPFrau Dr. Adam-SchwaetzerBaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardErtlDr. FeldmannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannDr. Hirsch Hoff ieHoppeDr. Graf Lambsdorff MischnickNeuhausen PaintnerRonneburgerDr. RumpfFrau Dr. SegallDr. Weng
EnthaltenSPDFrau BlunckDuveFrau Fuchs
Gansel HeyennHiller
HuonkerJansenJungmann Kuhlwein Peter
Schäfer SchreinerFrau SimonisWaltemathe Weisskirchen
Damit ist der Antrag abgelehnt.Ich gebe nunmehr das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5478 bekannt. Abgegebene Stimmen: 408, ungültig: keine. Mit Ja haben 154 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 251 Abgeordnete gestimmt, der Stimme enthalten haben sich 3 Abgeordnete.Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 408 Abgeordnete; davonja: 154 Abgeordnetenein: 251 Abgeordneteenthalten: 3 AbgeordneteJaSPDDr. Ahrens AmlingAntretter Dr. ApelBachmaier BahrBambergBecker BernrathFrau Blunck BrückBuckpeschDr. von Bülow Catenhusen ColletConradiCurdt Daubertshäuser DelormeDreßlerDuveEgertDr. Ehmke EickmeyerDr. Emmerlich EstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen) Frau Fuchs (Verl) GanselGerstl GilgesGlombigGrunenberg Dr. Haack HaarFrau Dr. Hartenstein HauckDr. HauffHeimannHeistermannHerterich HettlingHeyennHiller
HornFrau Huber Huonker IbrüggerJahn
JansenJaunichDr. JensJung
Junghans Jungmann Kastning KiehmKirschner Kisslinger Klein
Dr. KlejdzinskiKolbowKretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart LöfflerLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens
Dr. MitzscherlingDr. Müller-Emmert MünteferingNehmNeumann
Dr. NöbelFrau Odendahl
Metadaten/Kopzeile:
16580 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Vizepräsident CronenbergOostergeteloPauliDr. PennerPeter
PfuhlPorznerPoßPurpsRankerRapp Rappe (Hildesheim) ReimannFrau RengerReuterRohde RothSanderSchäfer SchanzDr. ScheerSchluckebierFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)Frau Schmidt Dr. SchöfbergerSchreinerDr. Schwenk Sieler (Amberg)Frau SimonisFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. SperlingDr. SpöriFrau Steinhauer StobbeStocklebenDr. StruckTietjenFrau Dr. TimmFrau TraupeUrbaniakVahlbergVerheugenDr. VogelVogelsangVoigt VosenWaltematheWeinhoferWeisskirchen Dr. WernitzFrau WeyelWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiDr. de WithWolfram ZanderZeitlerFrau ZuttDIE GRÜNEN Tischerfraktionslos HandlosNeinCDU/CSUFrau Augustin AustermannBayhaDr. Becker BergerFrau Berger BiehleDr. Blank Dr. Blens Dr. BötschBohlBohlsen Borchert Boroffka BraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. Bugl Buschbom Carstens
Carstensen ClemensDr. Czaja Dr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDörflinger DolataDr. DollingerDossDr. DreggerEhrbarEigenEngelsbergerEylmannDr. FaltlhauserFellnerFischer
Dr. FriedmannFunkGanz
Frau GeigerGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz Götzer Günther Dr. Häfele von HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFrau Dr. Hellwig Helmrich HerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungFrau HürlandDr. HupkaGraf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Kalisch Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKeller KiechleKittelmannDr. Köhler KrausKroll-Schlüter Dr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. Lammert LandréDr. Langner Dr. LaufsLemmrichLenzerLink Link (Frankfurt) LinsmeierLöherLohmann Dr. h. c. Lorenz •LouvenLowackMaaßFrau Männle MaginMarschewski MetzDr. Meyer zu BentrupDr. MiltnerMilzDr. MöllerMüller Müller (Wadern) Müller (Wesseling)Frau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. OlderogFrau PackPeschPfeffermann PfeiferDr. PfennigPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riesenhuber Frau Rönsch
Frau Roitzsch
Dr. Rose
RossmanithRoth RüheRufSauer
Sauer Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich Schartz (Trier) SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder (Freiburg) SchulhoffDr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin)
SchwarzDr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersSprangerDr. SprungDr. Stark Dr. StavenhagenDr. Stercken Dr. StoltenbergStommelStraßmeir StrubeStücklenStutzerSussetTillmannDr. TodenhöferDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Will-FeldWilzWindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerWürzbach Dr. WulffDr. ZimmermannZinkFDPFrau Dr. AdamSchwaetzerBaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardErtlDr. FeldmannDr. HaussmannHoffieHoppeDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemann Neuhausen PaintnerRonneburgerDr. Rumpf Frau Dr. SegallDr. Weng
DIE GRÜNENFrau BorgmannBuebFrau Dann Frau EidFischer FritschFrau Hönes Frau KellyDeutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16581Vizepräsident CronenbergLangeDr. Müller Rusche
Schulte
SenfftSuhrTatgeVogel
VolmerFrau WagnerWerner Werner (Westerland) Frau ZeitlerEnthaltenSPDNagelStahl
DIE GRÜNEN MannDer Entschließungsantrag ist abgelehnt.Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Es bleibt mir nur übrig, Ihnen einen geruhsamen Abend zu wünschen.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Mai 1986, 8 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.