Rede von
Heinz
Rapp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich hätte mir gedacht, daß die Rückwendung auf dieses nüchternere Thema vielleicht Ihre Gemüter besänftigen und Aufmerksamkeit wecken könnte. Aber es scheint so nicht zu sein.
Ich sage noch einmal: Da ist es zu kritisieren, daß Bundesregierung und Koalition den absehbar vorübergehenden Exportboom nicht als Chance, nicht als geschenkte Zeit für eine Politik genutzt haben, die nicht nur die Konjunktur auf solidere und binnenmarktgestützte Beine stellt, sondern auch unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft darüber hinaus strukturell zukunftssicherer macht. Kein Sozialdemokrat fordert kreditfinanzierte Konjunkturprogramme in der Absicht, irgendeinen abstrakt vorgegebenen Wachstumspfad einzuschlagen.
16572 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986
Rapp
Die naive Wachstumsgläubigkeit ist dahin. Wir sehen mit Interesse, daß Herr Biedenkopf auch in Ihre Partei hinein diese Einsicht zu vermitteln versucht. Warum aber — so frage ich, so fragen viele im Lande, so fragen die Arbeitslosen — nicht jetzt, spätestens nach Tschernobyl, eine große Gemeinschaftsanstrengung einleiten, um die Altlasten der Umweltgefährdung aufzuarbeiten, in der Abfallwirtschaft, in der Energiewirtschaft, um nur die dringendsten Problemfelder zu nennen?
Meine Damen und Herren, wenn Sie da nun sagen, die Entzugseffekte unseres Sondervermögens „Arbeit und Umwelt" würden Beschäftigungswirkungen unmöglich machen: Es stimmt das nicht. Wenn Sie prüfen, wenn Sie die Multiplikatorwirkungen einbeziehen, dann wissen Sie, daß wir, wenn wir nur wollen, im Grunde vier Dinge zugleich haben könnten: eine bessere Umwelt, das dazu nötige qualitative, d. h. zukunftssichernde Wachstum, daraus mehr Beschäftigung und am Ende wahrscheinlich auch noch entlastete öffentliche _Haushalte. Dabei wissen wir sehr wohl, daß man bessere Lebensqualität nicht dauerhaft auf Pump haben kann. Der Weg vom Mehr hin zum Besser erfordert Opfer. Wir würden sie mittragen. Sie hätten in uns eine Opposition haben können, die Ihnen dabei hilft. Niemand hier hätte Sonthofen gemacht. Im Grunde wäre es auch jetzt noch nicht zu spät dazu.
Meine Damen und Herren, was läßt sich — zweitens — zu den Tokioer Währungsbeschlüssen anderes sagen als dies, daß einmal mehr klargeworden ist, wer das Sagen hat. Solange die veritable Voodoo-Ökonomie des Reaganschen Rüstungskeynesianismus bei ruinös hohen Zinsen freies Kapital der ganzen Welt an sich gezogen hat, hat es hierzulande Konservative gegeben — —