Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kernkraftthema, die Kernkraftkatastrophe in der Ukraine, ist ein ernstes Thema, ein Thema, das uns eine große Verantwortung auferlegt. Herr Kollege Vogel, Sie sind dieser Verantwortung heute nicht gerecht geworden.
Schon der Ton, den Sie angeschlagen haben, war diesem Thema nicht angemessen.,
Ich finde, wir alle sollten heute mit der Nachdenklichkeit und der Besonnenheit sprechen, die aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hervorgegangen ist.
Herr Kollege Vogel, am meisten habe ich konkrete Vorschläge von seiten der SPD darüber, was denn nun zu tun sei, vermißt.
Allgemeine Ankündigungen allein sind zuwenig.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion billigt die Regierungserklärung des Bundeskanzlers.
Wir nehmen sie zum Anlaß, um den Bundeskanzler zu der Tatsache zu beglückwünschen, daß die Bundesrepublik auf dem Wirtschaftsgipfel in Tokio das bewunderte Vorbild einer erfolgreichen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gewesen ist.
Darüber sollten wir uns alle freuen, und wir alle sollten darauf stolz sein — zumindest diejenigen, die diese Politik nicht bekämpft sondern sie unterstützt haben.
Herr Bundeskanzler, wir begrüßen ferner mit großer Genugtuung, daß Sie am Rande der Konferenz von Tokio mit dem amerikanischen Präsidenten ein Abkommen über Chemiewaffen abgeschlossen haben, das unser Land in Friedenszeiten zu einem chemiewaffenfreien Land machen wird.
Meine Damen und Herren, das ist ein großer Erfolg, der dem Ziel des Friedens ebenso dient wie den spezifisch deutschen Interessen. Wir werden dieses Thema ja morgen hier in diesem Hause debattieren.
Ich erinnere mich daran, daß ich nach meinen Gesprächen mit dem amerikanischen Verteidigungsminister in Washington im Juni vergangenen Jahres, die in die gleiche Richtung zielten, nach meiner Presseerklärung hier in Bonn von der SPD als unglaubwürdig hingestellt wurde. Wenn ich nicht von vornherein Böswilligkeit unterstelle, kann ich nur annehmen, daß Sie, meine Damen und
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1986 16535
Dr. Dregger
Herren, diesen Erfolg, der in diesem Abkommen liegt, für so groß halten, daß Sie sich ihn nicht zu erträumen gewagt haben.
Wir unterstützen ausdrücklich die Stellungnahme der Konferenz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, ohne uns die Wertungen und Interpretationen des Kollegen Vogel in diesem Zusammenhang zu eigen zu machen.
Schließlich beglückwünschen wir Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung zu der Tatsache, daß Sie auf das Kernkraftunglück in der Sowjetunion mit Besonnenheit und mit sachgemäßen Vorschlägen reagiert haben,
nicht mit der Panik und der Verworrenheit, wie wir sie nicht nur aus dem Lager der GRÜNEN, sondern auch von vielen Sozialdemokraten in den letzten Wochen gehört haben,
wobei es löbliche Ausnahmen gibt, z. B. Herrn Kollegen Rappe von der IG Chemie.
Meine Damen und Herren, Besorgnis und Nachdenklichkeit sind erforderlich, aber gerade Nachdenklichkeit führt zu dem Ergebnis, daß beim Stand der Kernkraftentwicklung in der Welt und bei der geographischen Lage unseres Landes die Bundesrepublik Deutschland nicht die Rolle des Aussteigers übernehmen kann. Wir müssen die Rolle des Vorreiters übernehmen, des Vorreiters zu mehr Sicherheit in der Kernenergie.
Dazu sind wir berufen, denn in der Tat haben wir die sichersten Kernkraftwerke der Welt. Ein Ausstieg aus der Kernenergie in dieser Situation würde uns jeden Einfluß auf die weitere Entwicklung nehmen. Es sind inzwischen 26 Staaten, die Kernenergie erzeugen, und weitere sieben Staaten werden hinzukommen.
Durch einen Ausstieg würden wir auch unsere Sicherheit nicht verbessern können, denn die unsicheren Kernkraftwerke in der Nachbarschaft existieren ja fort und würden uns auch dann weiter bedrohen, wenn wir selbst gar keine eigenen Kernkraftwerke mehr hätten.
Die Sowjetunion hat erklärt, daß sie weiterhin Kernkraftwerke bauen und betreiben werde. In der DDR, in der Tschechoslowakei und in anderen Ostblockländern
gibt es Kernreaktoren aus sowjetischer Produktion.
Frankreich, das einen besonders großen Teil seiner
Stromerzeugung auf die Kernenergie um-
gestellt hat, wird ebenfalls weiterhin Kernenergie erzeugen.
Meine Damen und Herren, wenn wir allein aussteigen würden, würden wir unsere Sicherheit nicht verbessern.
sondern würden die Umwelt durch fossile Energieerzeugung unerträglich belasten, würden gute und wichtige Arbeitsplätze verlieren und würden damit im Grunde nur Schaden anrichten, aber keine Verbesserungen herbeiführen.
Zu unseren Aufgaben gehört es, überall dafür einzutreten, daß Sicherheit vor dem Nutzen steht. Weder Gewinnwünsche noch sozialistische Planziele dürfen den Sicherheitsfaktor beeinträchtigen!
Es entspricht der Tradition der deutschen Technik, daß bei uns dem Sicherheitsfaktor immer der erste Rang zuerkannt worden ist. Das ist einer der Gründe dafür, daß deutsche technische Anlagen in aller Welt in besonderer Weise gefragt sind.