Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich kann mit einer erfreulichen Mitteilung beginnen. Unser Kollege Lange feiert heute seinen 65. Geburtstag. Ich spreche ihm dazu die herzlichsten Glückwünsche des Hauses aus.
Für den verstorbenen Abgeordneten Peters ist am 30. April 1979 der Abgeordnete Dr. Zumpfort in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine gute, erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag.
Als Mitglied des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank hat die Fraktion der FDP den Abgeordneten Schmidt zur Wiederwahl vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann stelle ich Einverständnis fest. Damit ist der Abgeordnete Schmidt (Kempten) gemäß § 7 Abs. 4 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank als Mitglied des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank gewählt.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 unserer Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge
— Drucksache 8/111 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 8/2788 — Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Stark , Dr. Schwenk (Stade)
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache und erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Stark das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine allgemeine rechtspolitische Bemerkung zur Aufgabe des Gesetzgebers in unserer Zeit machen. In einem Zeitpunkt, in dem alle in unserem Lande über Gesetzesflut und Bürokratismus bis in den privaten Bereich hinein klagen, sollte der Gesetzgeber meines Erachtens bei jeder gesetzlichen Neuregelung ernsthaft prüfen, ob diese notwendig ist und ob für sie ein unabweisbares Bedürfnis besteht.
Ich glaube, in diesem Grundsatz können wir alle übereinstimmen. Wenigstens wir im Rechtsausschuß, die wir in einem besonderen Maße für die Gesetzgebung zuständig sind, haben uns das bei Beginn dieser Legislaturperiode geschworen.Dieser Grundsatz sollte unserer Auffassung nach aber ganz besonders für den sensiblen vorstaatlichen und spezifisch privatrechtlichen Bereich von Ehe und Familie und hier insbesondere für das Eltern-Kind-Verhältnis gelten. Gerade in diesem Bereich sollte sich der Gesetzgeber größter Zurückhaltung befleißigen und den staatlichen Einfluß nur dort erweitern, wo es unabweisbar notwendig ist.
Wer wie Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von der Koalition aus SPD und FDP, eine umfassende Gesamtneuregelung des Eltern-Kind-Verhältnisses in einem Zeitpunkt betreibt, in dem Ehe und Familie zweifellos in einer Krise stehen und von verschiedenen Seiten auch in ihrer Erziehungsfunktion in Frage gestellt werden, in dem es die Eltern mit der Pflege und Erziehung ihrer Kinder aus den verschiedensten Gründen nicht leicht haben, in dem die Bereitschaft, Kinder zu haben, in einem beängstigenden Ausmaß zurückgeht, was nicht nur die rapide fallenden Geburtenzahlen, sondern auch die ebenfalls rapide steigenden Zahlen der Schwangerschaftsunterbrechungen zeigen, der muß sich deshalb nachdrücklich fragen lassen, worin die dringliche Notwendigkeit und das Bedürfnis für eine solche generelle, umfassende Reform des geltenden Kindschaftsrechts bestehen soll, welche Ziele und Absichten er mit einer
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Dr. Stark
solchen Reform verfolgen will, ob und wie eine solche Reform geeignet ist, die Familie als Ganzes in ihrer Erziehungs- und Pflegefunktion für die Kinder zu stärken, ob eine solche Reform dem Art. 6 unseres Grundgesetzes entspricht, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz und eine besondere staatliche Förderungspflicht stellt. Eine einleuchtende und überzeugende Antwort auf diese Fragen konnten uns weder die Vertreter der Bundesregierung noch die Kolleginnen und Kollegen der Koalition während der umfangreichen und langwierigen Beratungen im Rechtsausschuß geben.Die Notwendigkeit einer umfassenden generellen Reform des Kindschaftsrechts wird von dieser Bundesregierung und den Koalitionsparteien SPD und FDP in ihren Entwürfen im wesentlichen wie folgt begründet — und daran müssen sie sich zunächst einmal halten. Es heißt dort: Das elterliche Sorgerecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das den Eltern einen weitgehenden und uneingeschränkten Freiheitsraum gebe, nämlich die umfassende elterliche Gewalt, entspreche nicht mehr der heutigen Bewußtseinslage vor allem der jungen Menschen. Sie beanspruchten unter Berufung auf ihre Grundrechte und ihre in der Entwicklung begriffene Grundrechtsmündigkeit einen Teil dieses Freiraums, der den Eltern vom Gesetz zugebilligt wird, für sich. Nach geltendem Recht stehe das minderjährige Kind, d. h. das Kind bis zur Volljährigkeit, unter der „elterlichen Gewalt". Wir sollten nicht vergessen, daß wir das Volljährigkeitsalter bereits von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt haben. Damit verbinden sich manche Fragen. Auch der Herr Bundeskanzler — der heute nicht da ist — hat hier neulich immerhin die Frage angesprochen, ob wir den jungen Menschen damit einen Dienst erwiesen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Der Herr Bundeskanzler hat mich wissen lassen, daß er an der heutigen Sitzung infolge seiner Konsultationen in England nicht teilnehmen kann.
Vielen Dank. — Weiter wird gesagt, diese Gewalt, die zum Wohl des Kindes auszuüben ist, knüpfe an ein Gewaltunterworfensein des Kindes an. Und dann kommt der berühmte Satz: Das Kleinkind ebenso wie der Heranwachsende sei damit ein Objekt elterlicher Fremdbestimmung.
So steht es in Ihrem Entwurf, und zwar nicht nur im Vorblatt, sondern in allen Begründungen; Ihr neuer Entwurf nimmt vollinhaltlich auf diesen ersten Entwurf Bezug, Herr Kollege Emmerlich.
— Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören. Aber da
Sie draußen immer wieder vertreten, das stehe nur
versehentlich im Vorblatt, sei festgehalten: Was
ich hier vorgetragen habe, steht ausführlich auf zwei Seiten in der Begründung, sehr verehrter Herr Kollege.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat die geplante Reform kürzer, aufrichtiger, aber auch entlarvender unter der Schlagzeile vorgestellt: „Elterliche Gewalt wird jetzt gezähmt" ;
so in „Dings-Bums", „Eine Zeitung für alle, die jung sind — —
— „Dings-Bums", „Eine Zeitung für alle, die jung sind und arbeiten" — da muß man auf jedes Wort achten —,
herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Es handelt sich um Nr. 7 von 1974 auf Seite 10.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich?
Bitte schön, Herr Kollege Emmerlich.
Herr Kollege Stark, darf ich Sie mit dem Text des Vorblatts, das Sie eben zitiert haben, konfrontieren, um Sie dann zu fragen, ob Sie in Zukunft gesonnen sind, diesen Text zutreffend zu zitieren?
Der Text lautet: „Das Kind ist nach heutigem Rechtsbewußtsein nicht als Objekt elterlicher Fremdbestimmung anzusehen, sondern als Grundrechtsträger."
Sehr verehrter Herr Kollege Emmerlich, ich habe gesagt, daß das nicht nur im Vorblatt steht. Lesen Sie einmal Ihre Begründung auf Seite 13! Da steht es genau und richtig drin. Damit haben Sie sich selbst widerlegt.
Bei Licht und nüchtern besehen, stellen sich alle diese Begründungen im wesentlichen als Fehldeutungen des geltenden Rechts, als nicht gerechtfertigte Unterstellungen bezüglich des Erziehungsver-
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Dr. Stark
haltens der Eltern und der wirklichen Lage der Kinder in unseren Familien, als ideologisch-emanzipatorisch überzogene Forderungen und als Vorspiegelung unechter Motive dar, wie sie diese Bundesregierung gerade im Bereich des Familienrechts auch bei anderen Reformen wie der Ehescheidungsrechtsreform und der Reform des § 218 StGB verwendet hat. Auch für diese Reformen wurden schöne Begriffe und edle Motive verwendet. Nur sind auch dort die Ergebnisse und Auswirkungen jeweils völlig anders als die in den Begründungen vorgetragenen Ziele und Motive, wie wir jetzt bei den Auswirkungen der Reform des Ehescheidungsrechts und des § 218 erfahren müssen.Ihren Vorschlägen zur Neuordnung des elterlichen Sorgerechts liegt nach unserer Auffassung neben einem unberechtigten, durch nichts gerechtfertigten Mißtrauen gegen die Erziehungsfunktion der Eltern, wie es vor allem im Kommissionsteil des Zweiten Familienberichts der Bundesregierung aus dem Jahre 1975 ausführlich beschrieben wird, ein falsches Familienverständnis und auch zumindest ein einseitiger Erziehungsbegriff zugrunde.Der von mir sehr geschätzte Kollege Mitberichterstatter für dieses Gesetz, Herr Kollege Schwenk, äußerte in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 17. März 1977 zu dieser Frage wörtlich folgendes — alles wörtliche Zitate —:Aber für die Mitwirkung und Mitverantwortung des heranwachsenden Kindes findet sich im BGB kein Hinweis. Dabei wissen wir, daß das beste Mittel zur Festigung eines Verbandes die mitverantwortliche Einbeziehung der einzelnen Mitglieder in den Entscheidungsprozeß des Verbandes ist. Wenn das so ist,— so sagt Kollege Schwenk —dann muß das, wie für andere Verbände, auch für den Familienverband gelten, wobei innerhalb— jetzt kommt die nächste wichtige Feststellung —des Familienverbandes klar zu unterscheiden ist zwischen den Beziehungen der Eheleute untereinander, die ihre Angelegenheit sind, ihren Beziehungen zum Kind und der Schicksalsgestaltung des Kindes selbst.Darüber, was das beinhaltet, muß man wirklich nachdenken. In dieser Äußerung des Kollegen Schwenk kommt klar zum Ausdruck, daß Sie bei dieser Reform von einem anderen Familienbegriff als wir und, wie wir meinen, das Grundgesetz ausgehen. Nach Ihrer Auffassung ist die Ehe offenbar Privatsache, während die Kindererziehung kollektive Aufgabe ist, etwa so, wie es im Zweiten Familienbericht auf Seite 120 klar festgehalten ist. Hier heißt es:Erziehung der Kinder ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe besonderer Art und Bedeutung. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe überträgt unsere Gesellschaft Familien und außerfamilialen pädagogischen Einrichtungen.Also ist die Familie Sozialagentur nach dieser Auffassung. Solche Auffassungen finden unseren entschiedenen Widerspruch, weil sie in der Sache falsch sind und weil sie unserem Grundgesetz widersprechen.
Ehe und Familie, welche das Grundgesetz in einem besonders hervorgehobenen Grundrechtsartikel, dem Art. 6, schützt, sind eben gerade kein Verband wie jeder andere, Herr Kollege Schwenk. Sie sind nicht lediglich eine zufällige Verbindung von mehreren Personen. Sie sind kein Verein, sie sind keine Tarifgemeinschaft und keine Gesellschaft, in der sich Rechte, Ansprüche, Gegenansprüche austarieren ließen wie im Recht der GmbH und Co. KG. Sie sind auch nicht lediglich eine Schlaf- und Essensgemeinschaft, wie es manche in ihren Parteiprogrammen oder sonstwo vertreten.Nur aus diesem falschen Bild der Familie ist es zu erklären, daß Sie bei der Begründung Ihrer Gesetzentwürfe Begriffe wie „Fremdbestimmung", „Mitbestimmung" , „Herrschaftsrecht", „ Gewaltunterworfensein" , „Mitwirkungsrechte", „Beteiligungsrechte", „Grundrechte" verwenden, die eher in das Tarif-, Arbeitskampf- und Gesellschaftsrecht oder auch in das öffentliche Recht gehören, nicht aber in den Bereich des Familienrechts.
Nach Art. 6 des Grundgesetzes und der umfangreichen dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Familie als ein vorstaatlicher, geschlossener, selbstverantwortlicher, eigenständiger Lebensbereich zu verstehen. Als autonomer und auch in seiner spezifischen Privatheit geschützter Lebensbereich bildet die Familie eine Einheit und ist damit mehr als eine Koordination autonomer Einzelpersonen. Über das Wohl und die Individualinteressen ihrer Mitglieder hinaus besteht ein Familienwohl nicht zuletzt im Interesse der Kinder, um die es uns heute geht,
das von allen Familienmitgliedern Anpassungsbereitschaft, Rücksichtnahme, gegenseitige Achtung, gelegentlichen Verzicht, gegenseitige Toleranz und Verständnis verlangt.Aus diesem Grund haben wir eine umfassendere Fassung für § 1618 a vorgeschlagen als Sie. Sie wollten auf Achtung zwischen Eltern und Kindern offenbar verzichten. Sie meinen, eine moderne Familie könne Achtung von Eltern und Kindern nicht haben.Die Familie ist insoweit, wie Theodor Heuss einmal sagte, die letzte noch einigermaßen intakte menschliche Reserve gegen die völlige Verstaatlichung, die reine Verberuflichung des Menschen, seine Verameisung, die auch Vereinsamung werden kann. An dieses Wort von Theodor Heuss möchte ich vor allem die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion erinnern, bei der ich nie begriffen habe, daß sie ein solches Gesetz mitmacht.
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Dr. Stark
Dieser Gesichtspunkt wird bei Ihren Reformen auf dem Gebiet des Familienrechts viel zuwenig beachtet. Sie haben bei Ihren Reformen auf diesem Gebiet jeweils nur die Individualinteressen und -rechte — oder was Sie dafür vorgeben — eines Teiles der Familie im Auge, sei es nun die der Frau, seien es die Rechte der Ehepartner, seien es wie bei dieser Reform die des Kindes. Sie machen deshalb nach meiner festen Überzeugung keine Reformpolitik für die Familie, sondern Politik mit einzelnen Mitgliedern der Familie, und das nicht immer aus sachlichen Gründen, meine Damen und Herren. Deshalb sind Ihre Reformen so unausgeglichen und tragen eher zum Abbau als zur Stärkung der Familie bei.
— Lieber Herr Staatssekretär, haben Sie eine Zwischenfrage? Wir kennen uns beide. Daß ich aus einer sehr kinderreichen Familie komme und Vater von vier selbstbewußten Kindern bin, wissen Sie auch, Herr Gallus.
Lassen Sie mich nach diesen mehr grundsätzlichen Bemerkungen zu der Begründung unserer Auffassung kommen, warum eine generelle Reform des elterlichen Sorgerechts weder notwendig noch wünschenswert ist, sondern, wie wir es von Anfang an vertreten haben, allenfalls einige Bestimmungen des geltenden Rechts im Interesse des besseren Schutzes gefährdeter Kinder geklärt, geändert oder ergänzt werden sollten. Selbst die Befürworter dieser Reform wagen nicht zu behaupten, daß die derzeitige Regelung des elterlichen Sorgerechts verfassungswidrig sei. Durch keine Vorschrift des geltenden Rechts werden die Eltern an einer den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Erziehung ihres Kindes gehindert.Durch keine Vorschrift des geltenden Rechts werden Eltern andererseits ermächtigt, ihre Kinder in einer unserer Grundwerteordnung und der Würde des Kindes widersprechenden Weise zu erziehen. Dies allein wäre aber von der Verfassung her ein zwingender Grund, die derzeitige Regelung zu ändern.Soweit in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des geltenden Rechts „elterliche Gewalt" operiert wird, wird in diesen Begriff bewußt etwas hineingelegt, was weder in den Materialien bei der Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches zu finden ist noch das geltende Recht je zum Inhalt gehabt hat. Nach dem jetzt noch geltenden Recht, meine Damen und Herren, wird in § 1626 Abs. 2 die elterliche Gewalt dahin definiert, daß sie das Recht und die Pflicht beinhaltet, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen. So steht es jetzt im Gesetz Nichts anderes wird die elterliche Sorge in Zukunft beinhalten.Es geht mir nur darum, daß mit dem Begriff „elterliche Gewalt" kein Schindluder getrieben wird, daß nicht etwas hineingelegt wird, was nie in diesem Begriff war. Sonst aber kann man durchaus darin übereinstimmen, daß „elterliche Sorge" die bessere Bezeichnung ist.Wir müßten dann wirklich fragen, da dies die Gesetzesinitiatoren behaupten, ob sich unsere Kinder und Jugendlichen unter dem geltenden Recht wirklich beeinträchtigt und unterdrückt fühlen, wie es die Begründungen des Gesetzentwurfs unterstellen.Wir sind dafür, daß man den Begriff „elterliche Gewalt" durch den Begriff „elterliche Sorge" ersetzt, weil dieser Begriff auch nach unserer Auffassung für den juristischen Laien und auch nach dem heutigen Sprachgebrauch besser zum Ausdruck bringt, was gemeint ist. Auch hierfür sind uns die Gesetzesinitiatoren im Rahmen der umfangreichen, langwierigen, manchmal harten, aber sachlichen Beratungen jeglichen Beleg schuldig geblieben.Ich habe schon in der ersten Lesung im Jahre 1977 eine Untersuchung des Bundesministers für Jugend und Familie erwähnt, die eindeutig ergeben hat, daß sich die Jugendlichen überhaupt nicht unterdrückt und fremdbestimmt fühlen und daß sie kein Verständnis haben — so steht es wörtlich in dem Bericht darüber —, wenn allzu schnell von Staats wegen mit Jugendamt und Vormundschaftsgericht gearbeitet wird. Ich darf Ihnen ein paar Sätze daraus zitieren.:Es ist auffallend gewesen,— wird in diesem Bericht gesagt —daß sich den jungen Leuten in keiner Weise entlocken ließ, daß sie den derzeitigen Generationenkonflikt für besonders ausgeprägt oder ihre Eltern für übermäßig autoritär hielten. Sie vertraten vielmehr die Meinung, daß es gewisse Spannungen zwischen Alteren und Jüngeren immer gegeben habe und daß der Unterschied zwischen früher und heute wohl lediglich darin besteht, daß Konflikte früher verkittet worden seien, wogegen sie heute ausgetragen würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Cronenberg?
Bitte schön!
Herr Kollege, könnten Sie sich vorstellen, daß der von Ihnen aufgezeigte Sachverhalt, der Unterschied zwischen Realität und gesetzlicher Situation, darauf zurückzuführen ist, daß die Realität bei den Jugendlichen anders ist als die im Gesetz vorgeschriebene gesetzliche Lage, und daß dies ein Grund sei, Realität und Gesetzestext in Übereinstimmung zu bringen?
Nein, Herr Kollege, dann hätten Sie Ihre Gesetzentwürfe nicht damit begründen dürfen, daß dem eben nicht so sei. Ich könnte mir das, was Sie theoretisch unterstellen, schon vorstellen, aber Sie haben es dann völlig falsch gemacht — das muß ich Ihnen dazu sagen —, weil — und da müssen Sie den Zweiten Familien-
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Dr. Stark
bericht dieser Bundesregierung lesen - in diesem Bericht etwas ganz anderes behauptet wird als das, was Sie jetzt unterstellen.
Ich darf Ihnen auch aus persönlicher Erfahrung sagen: Ich diskutiere sehr gern und sehr viel mit Jugendlichen über alle möglichen Fragen. Unsere Jugendlichen haben heute viele Fragen und Probleme, aber es ist mir noch nie passiert, obwohl bekannt ist, daß ich Berichterstatter für dieses Gesetz bin, daß in irgendeiner Versammlung mit jungen Leuten irgendein Jugendlicher gekommen wäre und gesagt hätte: „Aber das elterliche Sorgerecht, das müßt ihr dringend ändern; ich leide darunter."
Das hat noch kaum ein Jugendlicher gesagt, meine Damen und Herren. Diese Forderungen kommen nicht von der jungen Generation, sondern sie kommen von Ideologen, sie kommen von Soziologen, sie kommen von Leuten, die keine Kinder haben, oder — das muß ich einschränkend sagen — sie kommen auch — und das meine ich ganz ernst von Sozialarbeitern und Vormundschaftsrichtern, die beruflich nur mit kranken und geschädigten Kindern zu tun haben. Dafür habe ich Verständnis. Aber ich habe kein Verständnis für die ideologischen und emanzipatorischen Forderungen, wie sie im Zweiten Familienbericht stehen.
Meine Damen und Herren, auch wir wissen natürlich, daß wir nicht lauter heile, sogenannte intakte oder gar ideale Familien haben. Wir gehen bei unseren Überlegungen nicht von der Gartenlaubenfamilie des 19. Jahrhunderts, der sogenannten heilen Welt aus, wie uns dies Frau Minister Huber und andere Vertreter dieser Regierung und Koalition immer wieder in törichter Weise unterstellen.
Dabei will ich einmal zum Ausdruck bringen, Frau Minister Huber sollte als Familienministerin nicht immer den Begriff „heile Welt" herabsetzend gebrauchen. Ich bin froh über jede Familie, die noch heil ist, und über jedes Kind, das darin aufwächst.
Ein Kind, das in einer heilen Welt aufwächst, wird in dieser unheilen Welt besser bestehen, als es andersherum möglich wäre.
Wir wenden uns aber ganz entschieden gegen Auffassungen, als ob ein Großteil der deutschen Familien krank sei, die Kinder unter ihren „repressiven", „dummen", wie ein Sachverständiger gesagt hat, und „autoritären" Eltern zu leiden hätten und die Eltern nicht mehr zur Erziehung geeignet, willens oder fähig seien und sich deshalb der Gesetzgeber oder der Staat zum Erzieher der Erziehenden machen müsse. Das ist unserer Auffassung nach total falsch. Dies sind Gedanken und Feststellungen, die in aller Breite auf 180 Seiten im Zweiten Familienbericht dieser Bundesregierung im Kommissionsteil vertreten werden.Wir wissen andererseits auch, daß es in der Bundesrepublik viel zu viele verhaltensgestörte und verhaltensauffällige Kinder gibt, wie dies der Bericht der Bundesregierung zur Lage der Psychiatrie feststellt, wonach 20 bis 25 % der Kinder verhaltensgestört oder verhaltensauffällig sein sollen. Wir erleben gerade in diesen Wochen und Monaten, daß Hunderte, wenn nicht Tausende von Kindern und von Jugendlichen drogensüchtig werden und in orninösen Sekten eine Sinnerfüllung außerhalb der Familie suchen. Wir halten es jedoch für falsch, wenn man gerade diese Erscheinungen in unserer Gesellschaft in erster Linie oder gar allein den Eltern und den Familien anlastet. Die Ursachen dieser Verhaltensstörungen und -schädigungen bei einem Teil unserer Kinder und Jugendlichen sind so komplex, daß ich sie hier nur andeutungsweise erörtern kann. Neben einer allgemeinen Sinn- und Orientierungskrise in unserer Gesellschaft, die auch an unseren Familien und den Kindern und Jugendlichen nicht vorbeigeht, sind es vor allem ungenügende soziale und wirtschaftliche Verhältnisse, darunter vor allem unzureichende Wohn- und Spielverhältnisse für unsere Kinder und Jugendlichen, eine überstarke Beanspruchung und Beeinflussung durch außerfamiliäre Einrichtungen wie Schule, Massenmedien, Kino, kinderschädliche Umwelt. Sicherlich ist in vielen Fällen auch die Überbeanspruchung der Eltern durch die Berufstätigkeit und .die dadurch bedingte mangelnde emotionale und zeitliche Zuwendung an die Kinder ein Grund dafür.
— Ich sage Ihnen noch sehr viel dazu. — Insbesondere für die berufstätige Mutter von Kleinkindern gilt das. Wer deshalb die Tätigkeit der erziehenden Mutter und Hausfrau immer wieder mit Sprüchen wie „Kinder, Küche, Kirche" abwertet und nur die berufstätige Frau als vollwertig und emanzipiert darstellt, tut den Kindern einen ganz schlechten Dienst.
Ich darf Ihnen persönlich sagen, ich habe es nie begriffen — das sind ja immer die Äußerungen unserer Frau Familienminister —, daß eine Frau, die acht Stunden am Fließband stehen muß oder acht Stunden hinter der Schreibmaschine sitzen muß, emanzipierter sein soll oder sich emanzipierter fühlen soll als eine Frau, die ihre zwei oder drei Kinder pflegt und erzieht und ihren Haushalt führt.
Das habe ich nie verstanden. In Ihrem Programm, dem der SPD, steht wörtlich — wenn Sie da schon Einwendungen machen —, im Orientierungsrahmen 1975 bis 1985 der SPD heißt es zu dieser Frage über die Funktion der Frau: „Die volle Integration der Frau in das Erwerbsleben soll durch Schaffung
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Dr. Stark
von Kindertagesstätten, Ganztagsschulen, Einrichtungen zur Hilfe bei Schularbeiten erreicht werden, da nur in der Erweiterung der Erwerbstätigkeit der Frau die Erfüllung und soziale Sicherung der Frau gesehen wird." Nur!
Wir wenden uns gegen das „nur". Solange Sie von diesem „nur" nicht herunterkommen und nicht echte Wahlmöglichkeiten für die Frauen schaffen, müssen wir Ihnen das vorhalten. Frauen wollen ja durchaus noch Kinder, wie die Untersuchungen ergeben. Aber sie wollen dann auch die Rahmenbedingungen vorfinden, damit sie die Kinder auch pflegen und selber erziehen können, ohne materiell hoffnungslos benachteiligt zu sein.
Wir sollten uns ganz sicher auch über den häufigen Ausfall des Vaters als Erziehungsperson in einer „vaterlosen Gesellschaft" — um mit Mitscherlich zu sprechen — unterhalten. Nur steht es uns Politikern, soweit wir Familienväter mit Kindern sind, relativ schlecht an, den anderen Empfehlungen dafür zu geben.Wir wissen auch, daß wir in der Bundesrepublik viel zuviele Kindesmißhandlungen haben, die nicht entdeckt werden. Für die ständige Behauptung allerdings, daß die Zahl der Kindesmißhandlungen im Steigen begriffen sei, gibt es erfreulicherweise ebensowenig Anhaltspunkte und Beweise wie für die Behauptung der Frau Minister Huber, daß jährlich 4 Millionen Männer ihre Frauen körperlich mißhandelten, also jeder vierte der Männer ein Schläger sei. Solche Übertreibungen dienen oft lediglich dazu, die Ehe und Familie in ihrer Funktion herabzusetzen, um ihre Reformbedürftigkeit oder gar ihren Ersatz, so wie im Familienbericht, zu fordern. Außerdem muß darauf hingewiesen werden, daß mit diesem Gesetz, das ja kein Strafrechtsgesetz gegen die Eltern sein soll, dieses leidvolle Problem nicht gelöst wird und auch nicht gelöst werden kann. Alle Beteiligten wissen, daß der von Ihnen vorgeschlagene Paragraph, wonach entwürdigende Erziehungsmaßnahmen nicht zulässig sind, eher Schaden stiftet, weil er so unbestimmt, so plakativ ist, daß er wirklich zu Konflikten in der Familie und zu Streit führen wird. Die Rechtsanwälte werden sich mit dieser Vorschrift beschäftigen. Deshalb haben wir ihre Streichung beantragt und Ihnen im übrigen einen Entschließungsantrag zu dem Problem der Entdeckung von Kindesmißhandlungen vorgelegt.In diesem Zusammenhang muß im Jahr des Kindes auch erwähnt werden, daß jährlich rund 4 000 Kinder auf unseren Straßen zu Tode kommen und ca. 65 000 verletzt werden. Auch sollte es uns nicht ruheh lassen, daß wir in unserem Lande nach wie vor eine der höchsten Säuglingssterblichkeitsraten in der ganzen Welt haben.Schließlich kann ich mir — das müssen Sie mir erlauben; dazu fühle ich mich auf Grund der neuesten Entwicklungen einfach gedrängt — eine persönliche Bemerkung an die Adresse der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses nicht versagen. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie bei der Neuregelung einer anderen Vorschrift, nämlich das § 218, das wichtigste Grundrecht des Kindes, nämlich das auf Leben, ebenso ernst genommen hätten, wie Sie es nun im Rahmen der Neuordnung des elterlichen Sorgerechts tun,
und wenn Sie dem Grundrecht der Kinder dort einen höheren Stellenwert eingeräumt hätten, so daß es nicht möglich wäre, daß inzwischen Zehntausenden von Kindern aus rein sozialen Gründen in einem der reichsten Staaten ihr Grundrecht auf Leben vorenthalten wird; das halte ich für einen Skandal, meine Damen und Herren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Bitte schön.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß in der Entschließung vom 26. April 1974, die von den Fraktionen der SPD und FDP eingebracht wurde, folgendes steht:
Der Deutsche Bundestag bekräftigt, daß der Konsens über die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des ungeborenen menschlichen Lebens durch die neue Zuordnung der staatlichen Hilfs- und Schutzmaßnahmen zueinander nicht angetastet wird. Er ist besorgt über Äußerungen, in denen dies bestritten wird, und weist solche Äußerungen zurück. Er wird auch allen etwaigen Bestrebungen entgegentreten, die darauf gerichtet sein könnten, den Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens einzuschränken oder gar gänzlich aufzuheben.
Ich wiederhole meine Frage, ob Ihnen das bekannt und erinnerlich ist.
Sehr geehrter Herr Wehner, das ist mir sehr wohl bekannt. Mir sind auch alle Ihre schönen Sprüche „Leben muß besser geschützt werden" bekannt.
Jetzt bedauern die Familienministerin und andere das Nord-Süd-Gefälle und sind darüber traurig, daß nicht höhere Zahlen über Schwangerschaftsunterbrechungen vorgelegt werden können. Das ist doch die Wirklichkeit. Ich werfe Ihnen ja gerade vor — und deshalb sind wir bei Ihren Reformen auf dem Familiengebiet so skeptisch —, daß Sie immer schöne Begründungen, edle Motive vorbringen und die Wirklichkeit nachher ganz anders aussieht.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12015
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz?
Ich kann das nur, wenn das nicht von meiner Redezeit abgezogen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es tut mir leid, das machen wir grundsätzlich nicht, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen hier Probleme aufgezeigt, die wirklich die Kinder und auch die Eltern existentiell berühren und die wir lösen sollten. Deshalb stellt einer der führenden Kommentatoren zum elterlichen Sorgerecht, Herr Professor Uwe Diederichsen, in einer grundsätzlichen Stellungnahme zu Ihrem Gesetzentwurf fest:Der Gesetzentwurf geht insgesamt an den eigentlichen gesellschaftspolitischen Problemen des Eltern-Kind-Verhältnisses in unserer Zeit vorbei und ist deshalb zutiefst unmodern.Wörtlich fährt Diederichsen weiter:Angesichts der auf der Hand liegenden Familienprobleme in der Bundesrepublik Deutschland verspielt ein Gesetzgeber seine Glaubwürdigkeit, der eine Reform der Ausdrücke als dringlich vorantreibt, deren wichtigstes Nebenziel zu lauten scheint: keine Kosten.So sagt ein unabhängiger, sachlicher, unbefangener Betrachter dieser Gesetzgebung.
— Alle was Ihnen nicht in den Kram paßt, ist bei Ihnen ideologisch.
Ihre Frau Ministerin Huber
— das interessiert sie offenbar nicht so sehr, deshalb ist sie nicht da — hat neulich in einem Interview im Süddeutschen Rundfunk noch gesagt, jetzt komme es darauf an, ideologische Standfestigkeit in der Familienpolitik zu beweisen. Ihre Frau Ministerin hat das gesagt. Uns geht es nicht um Ideologie, uns geht es um die Sache, uns geht es um das Wohl des Kindes, unabhängig von aller Ideologie.
Lassen Sie mich in aller Kürze sagen — meine Redezeit ist leider schon fortgeschritten —, wo und inwieweit wir trotz dieser grundsätzlichen Einwände gegen den Inhalt, den Umfang, die Ziele und Absichten Ihres Entwurfs mit Ihnen übereinstimmen.Auch wir sind der Meinung — das habe ich bereits ausgeführt —, daß man den Begriff „elterliche Gewalt" in „elterliche Sorge" ändern sollte.Auch wir sind der Meinung, daß vor allem im Rahmen des § 1666 — das ist der entscheidende Paragraph — klargestellt wird, daß in bestimmten Fällen — auch ohne Verschulden der Eltern — im Interesse des besseren Schutzes des Kindes eingegriffen werden kann. Wir unterscheiden uns von Ihnen allerdings dadurch, daß wir meinen, im Normalfall muß es dabei bleiben, daß ein vorwerfbares Verhalten der Eltern Voraussetzung für den Eingriff ist, weil allein dies auf der anderen Seite der elterlichen Verantwortung gerecht wird.Wir sind auch dafür, daß der Schutz des Pflegekindes verbessert wird. Wir haben dieses Problem in die Debatte eingeführt; es war in den Entwürfen der Bundesregierung und der Koalition gar nicht enthalten. Mein Kollege Hasinger wird dazu nachher noch sprechen.Wir stimmen voll zu, daß die Anhörungsvorschriften für die Kinder im vormundschaftlichen Verfahren verbessert werden. Unser entscheidender Einwand, meine Damen und Herren — das muß ich in aller Kürze sagen, meine Kollegen werden darauf noch zurückkommen —, richtet sich gegen die umfangreichen Vorschriften, die alle Familien betreffen, und die mit dem Schutz des gefährdeten Kindes überhaupt nichts zu tun haben. Diese Vorschriften betreffen alle 20 Millionen erziehende Eltern oder Alleinerziehende und 15 Millionen Kinder. Mit diesen Vorschriften wollen Sie sozusagen in staatlichen Rahmenrichtlinien den Eltern gesetzliche Leitbilder und bestimmte Erziehungsstile vorschreiben. Darum finden diese Vorschriften unseren entschiedenen Widerspruch.
Es ist zuzugeben, daß Sie uns bei den anderen Vorschriften nach langem harten Ringen, nach mehreren Rückzügen, die Sie gemacht haben, entgegengekommen sind. Ludolf Herrmann schreibt in der „Deutschen Zeitung" hierzu völlig richtig: „Der Rückzug der Koalition erfolgte so schnell, daß einige der schweren Waffen nicht mitgenommen werden konnten. Die stehen nun sperrig in der publizistischen Landschaft" und, wie ich hinzufügen will, leider auch in der familienrechtlichen Landschaft. Zu diesen Vorschriften werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen, weil der Staat hier allen Eltern Erziehungsleitbilder, Erziehungsstile vorschreibt.
— Zum Beispiel in § 1626 Abs. 2, in § 1631 a und b. Sie waren ja bei der Beratung nicht dabei, Herr Kollege, deshalb können Sie das nicht wissen.
Das ist der entscheidende Grund, warum wir diese Vorschriften nicht annehmen. Wir haben zu allen diesen Vorschriften Änderungsanträge gestellt, die ich damit zugleich angesprochen und begründet habe. Soweit Sie eine weitere Begründung zu den einzelnen Anträgen wollen, werden Sie die von uns bekommen.Es muß klar bleiben, daß nach unserem Grundgesetz und im Interesse der Kinder, der Familien und der Eltern den Eltern das Interpretationsprimat bezüglich des Kindeswohls und ein breiter Ermessens-
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Dr. Stark
spielraum bezüglich der Art und der Methode der Erziehung zusteht. Wir haben auch aus erzieherischen Gründen gegen Ihren § 1626 Abs. 2 gewisse Einwendungen, die wird mein Kollege Helmrich im Laufe dieser Debatte vorbringen.Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, abschließend sagen — ich hätte gern noch etwas mehr gesagt, aber wir haben alle nur eine bestimmte Zeit zugeteilt —, daß wir Ihrem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen können. Ich darf das im einzelnen zusammenfassend nochmals begründen.Der Gesetzentwurf in dieser Form findet nicht unsere Zustimmung, weil wir der festen Überzeuzung sind, daß für eine umfassende Reform des geltenden Kindschaftsrechtes weder eine Notwendigkeit noch ein Bedürfnis besteht, da sich das geltende Recht mit wenigen Ausnahmen bewährt hat.
— Offenbar haben Sie unsere Streichungsanträge nicht gesehen, und offenbar haben Sie nicht berücksichtigt — das muß einmal gesagt werden —, daß es schon ein Erfolg ist, daß wir Sie im Laufe der Beratungen von vielem Unsinn abgebracht haben; das ist für eine Opposition ein seltenes Erfolgserlebnis.
Wenn wir noch ein bißchen länger beraten hätten, wären Sie vielleicht auch von diesen seltsamen und verfassungsrechtlich bedenklichen Vorschriften noch heruntergekommen.
Wir sind der Auffassung, daß der jetzt vorliegende Entwurf in einem Zeitpunkt, in dem Eltern und Familien anstatt stärkerer staatlicher Bevormundung und Reglementierung einer moralischen, geistigen und bewußtseinsmäßigen Aufwertung und Ermunterung sowie einer materiell besseren Förderung bedürften, nicht dazu beiträgt, die Bereitschaft zum Kind, die Erziehungsbereitschaft und die Erziehungsfunktion der Eltern zu stärken. Damit liegen diese Vorschriften auch nicht im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen. Nach unserer Meinung muß derjenige — da unterscheiden wir uns von Ihnen —, der den Kindern helfen will, die Familie stärken und darf sie nicht schwächen. Das Gesetz wird in der vorliegenden Form — zumal, wenn man den Zusammenhang mit Art und Umfang der geplanten Reform des Jugendhilferechts berücksichtigt —, wie wir befürchten, eine Verhaltensänderung im Eltern-Kind-Verhältnis in einem negativen, Konflikte und Polarisierung fördernden Sinne bewirken.Wenn Sie das Gesetz trotz unserer erheblichen Einwände, die von weiten Teilen der Praxis, der Familienrechtswissenschaft und der breiten Öffentlichkeit, vor allem den betroffenen Eltern, weitgehend geteilt werden, mit Ihrer Mehrheit aus SPD und FDP in dieser Form verabschieden — wir haben immer gehofft, daß sich vor allem die Liberalen an ihre Liberalität und ihre Freiheitsideale erinnern würden; das war aber vergeblich —, dann müssenSie die Verantwortung dafür allein tragen. Wir können Ihnen dabei nicht helfen!
Im übrigen hoffen wir, daß die Lebenskraft und die Wiederentdeckung des Wertes der Familie bei Erwachsenen und Jugendlichen, die man gerade in den letzten Jahren wieder bemerken kann — nur haben Sie das noch nicht bemerkt, vor allem die SPD —, auch diese in die falsche Richtung gehende Reform überdauert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwenk .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner, der sich leider zu diesem Gesetz wenig geäußert hat, sondern der Schattenringkämpfe mit allerhand Dingen aufgeführt hat, die er sich zusammengelesen hat, der zu den Kernfragen dieses Gesetzes, über das zu verhandeln ist, nur wenig gesagt hat, werde ich Gelegenheit nehmen, der Öffentlichkeit zu sagen, was wir hier vorhaben und warum unser Gesetzesvorhaben erforderlich und wie es durchzusetzen ist.
Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge schließt als vierter Teil an die Reform des Familienrechts an, zu der das Eherechtsreformgesetz zu zählen ist, wozu erst vor wenigen Tagen erneut zwei zustimmende Urteile des BGH in bezug auf die Verfassungsgemäßheit ergangen sind; das sollten wir nicht vergessen. Das neue Kindesannahmerecht, das Namensänderungsrecht und die Neuregelung der Rechtstellung des nichtehelichen Kindes waren vorausgegangen.Bei dieser Aufzählung möchte ich daran erinnern, daß der Bundesrat bereits in der 5. Wahlperiode anläßlich der Neuregelung des Rechts des nichtehelichen Kindes auch eine Neuregelung des Sorgerechts des ehelichen Kindes gefordert hatte. Ebenso haben seit Jahren Fachverbände und Fachleute, und zwar seriöse Fachleute vieler Richtungen, was Herr Kollege Stark wohl nicht sehen wollte, eine Verbesserung der rechtlichen Stellung des Kindes in der Familie einschließlich eines verbesserten Schutzes gefordert.Die Forderungen haben ihren stärksten Ausdruck in den Anhörungen gefunden, die der Rechtsausschuß und der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit im Herbst 1977 durchgeführt haben, die Sie leider mit keinem Wort erwähnt haben. Dort ist an uns noch einmal eine Fülle von Gedankengut herangetragen worden, das wir aufgenommen und verarbeitet haben.Wenn die CDU jetzt behauptet, sie hätte Wesentliches dazu beigetragen, dann muß ich Ihnen sagen: Das stimmt leider nicht! Sie haben bis zum Schluß eine ablehnende Haltung eingenommen. Erst als Sie
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12017
Dr. Schwenk
gesehen haben, daß die Sache lief, haben Sie sich angehängt. Dann haben Sie einige Vorschläge gemacht, die Sie jetzt als Änderungsanträge wiederholen.
Dennoch versuchen Sie nun, nein zu dem ganzenGesetz zu sagen. Sie sind ja innerlich zerrissen. Siewissen ja gar nicht recht, was Sie eigentlich wollen.
Wollen Sie ja, wollen Sie nein? Die einen wollen verbessern, die anderen sagen immer noch nein. Dann wollen Sie wieder etwas hineinbringen, und zum Schluß wollen Sie wieder nein sagen.
Dies ist keine klare Haltung. Demgegenüber möchte ich all denen Dank sagen, die unsere Arbeit kritisch begleitet und gefördert haben.
Es ist auch völlig verfehlt, wie es von Vertretern der Opposition immer wieder versucht wird, den mehrheitlich im Ausschuß beschlossenen Bestimmungen — davon bleiben auch die von Ihnen mitgetragenen nicht unberührt — eine familienfeindliche Sinngebung unterschieben zu wollen; denn gegen die Bestimmungen selbst haben Sie nichts Rechtes vorzubringen. Sonst hätte sich der Kollege Stark hier eingehender mit den Sachfragen auseinandergesetzt;
aber dann hätte er wenig dagegen vorbringen können.
Also mußte ein Schattenboxen folgen, und das machen wir nicht mit.Was wir vorlegen ist — das möchte ich ganz deutlich sagen — eine Reform für das Kind, nicht gegen die Eltern.
Diese Reform soll denjenigen Kindern helfen, denen gegenüber die Achtung ihrer Persönlichkeit nicht wie selbstverständlich gewahrt wird, die von ihren Eltern nicht gehört werden, wenn es um die Weichenstellung für die Zukunft geht und deren Wohl trotz Elternverantwortung gefährdet ist.
Diese Reform stellt die intakte Familie an keiner Stelle in Frage, sie bekräftigt das, was in der harmonisch lebenden Familie geschieht, wo die Familienmitglieder je nach ihrer Fähigkeit einander Partner sind.
Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege Stark, daß Siemich zitiert haben; denn zu den Worten, die Siezitiert haben, stehe ich nach wie vor voll und ganz,und ich bin meiner eigenen Überlegungen sehr sicher.
Die Vielzahl intakter Familien darf niemanden darüber hinwegtäuschen, daß es leider auch andere Familien gibt, in denen es an gegenseitigem Verständnis fehlt, in denen nicht jeder gleichermaßen das an Liebe, Zuneigung und Schutz erhält, was er für sein Leben braucht. Für diese Familien muß das Wächteramt des Staates Wirklichkeit und nicht nur eine leere Beschwörungsformel sein.
Es kann keine Auseinandersetzung um Zahlen sein, für welchen Prozentsatz von Kindern in Familien verbesserte Regelungen vonnöten sind.
Wenn es auch nur wenige sein sollten, für die sich die von uns entworfenen Bestimmungen nicht von selbst verstehen, so hat jedes Kind Anspruch darauf, daß sich der Staat seines Schutzes annimmt und sich darum bemüht, seine Lage zu verbessern.Elternverantwortung ist ein vorstaatliches Recht; daran kann und darf kein Zweifel bestehen. Aber ebenso unzweifelhaft ist es, daß die staatliche Gemeinschaft über elterliche Erziehungspflicht zu wachen hat. Das steht sogar in Art. 6 des Grundgesetzes, an das wir uns halten. Elterliche Erziehungsverantwortung hat auch wahrzunehmen, daß jedes Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden Beschluß vom 6. Juli 1968 ausgesprochen. Ich möchte dazu noch einmal die ganz besonders tragenden Sätze zitieren:Die Anerkennung der Elternverantwortung und der damit verbundenen Rechte findet daher ihre Rechtfertigung darin, daß das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht.Darauf fußen wir.Wenn wir in dem heute zu verabschiedenden Entwurf einige Leitbilder für die Verwirklichung der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern in der Familie und einige wenige über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge durch die Eltern aufnehmen, dann ist das weder staatliches Hineinregieren in die Familie noch gar Öffnung der Familie für staatliche Gewalt, wie Sie es nimmermüde behaupten, sondern Konkretisierung und Sichtbarmachung einiger Grundwahrheiten unserer Verfassung, die auch für die Familie gelten.
Dagegen kann in dieser Zeit niemand etwas haben,in der wiederholt und eindringlich Klage über diegroße Zahl von Kindesgefährdungen und Kindes-
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12018 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Dr. Schwenk
mißhandlungen geführt wird. In Ihren Ergänzungsvorschlägen schließen Sie sich ja auch schon an, aber Sie sollten ernst damit machen und das in das Gesetz hineinschreiben! Wir wollen hier nicht nur Klagen hören, sondern wir wollen etwas tun.
— Darauf komme ich noch zu sprechen.Die große Zahl von Eltern, denen die Kinder Hauptinhalt ihres Familienlebens sind und die ihre Kinder nach besten Kräften fördern, werden durch diese Feststellung überhaupt nicht berührt. Wir alle wissen vielmehr, wie schwierig es in einer hochkommerzialisierten Wohlstandsgesellschaft ist, Kinder zu erziehen, sie auf die Leistungsanforderungen dieser Gesellschaft vorzubereiten, Verführungen einer aufdringlichen Werbung abzuwehren und die Kinder auch noch dazu anzuleiten, gemeinschaftsverbunden und -verpflichtet zu sein. All denen, die das leisten, sind wir zu höchster Anerkennung und Dank verpflichtet. Solche Eltern können sich durch diesen Gesetzentwurf in ihren Rollen nur bestätigt sehen.
Als Anregung zum Nachdenken oder auch als Mahnung sind die dem Gedanken des Grundgesetzes entsprechenden Leitlinien für diejenigen zu sehen, die — aus welchen Gründen auch immer — die Persönlichkeit des Kindes oder dessen Entfaltung gering einschätzen, elterliche Erziehungsmittel ohne vertretbares Maß einsetzen, Eignung und Neigung ihres Kindes bei der Ausbildung und Berufswahl schlicht übergehen.Um falschen Schlüssen vorzubeugen: Beileibe nicht jeder elterliche Erziehungsfehler, vor dem niemand gefeit ist, kann und darf staatliche Instanzen auf den Plan rufen. Wer Elternverantwortung will, muß auch fehlerhaftes Elternverhalten ertragen. Erst wenn es sich um schwerwiegende Sachverhalte handelt, ist staatlicher Schutz geboten. Das Gesetz will das Bewußtsein schärfen, will Ausgewogenheit zwischen Recht und Pflicht, zwischen Beistand und Rücksichtnahme. Das Gesetz zeigt Grenzen auf, jenseits derer staatliches Eingreifen zur Wahrnehmung des Wächteramts erforderlich ist.Es ist nun behauptet worden, die im Entwurf enthaltenen Leitlinien und verstärkten Schutzvorschriften förderten Denunziation. Das kann ich nicht bejahen. Wiederholt ist von engagierter Seite gefordert worden, bei Bekanntwerden von Kindesmißhandlungen und Vernachlässigung öffentliche Stellen zu informieren. Ist das nun Aufforderung zur Denunziation? Ist es Denunziation, wenn — wie in der Nachbarschaft meines Wohnortes geschehen — zwei Installateure bei einer Wartungsarbeit ein halb verhungertes Kind vorfinden und das umgehend den Behörden melden?Wer Eltern eins auswischen will, ohne das Kind schützen zu wollen — dann ist das ein mieser Denunziant. Wer mutig für ein mißhandeltes Kind eintritt, ist das nicht.
Das will ich einmal klar und deutlich aussprechen. Danach sollten wir auch handeln.Ich wende mich auch gegen die, die sagen, das Gesetz sei gar nicht erforderlich, weil sie meinen, die Praxis sei bisher zu tragbaren Ergebnissen gekommen. Wer das sagt, der übersieht, daß allein schon die neu eingefügten Vorschriften zur Anhörung eines beteiligten Kindes sowohl im materiellen Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs als auch in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mehr sind als nur eine Ergänzung geltenden Rechts. Die Pflicht zur Anhörung eines Kindes und, wenn es noch nicht reden kann, die Einnahme des Augenscheins bedeuten, daß es nicht übergangen werden kann.
— Sehr schön. Aber ich möchte das noch einmal besonders hervorheben und damit auch deutlich machen, daß es mit einigen Korrekturen nicht getan ist.Wir legen Ihnen ein ausgewogenes, in sich schlüssiges Gesetz vor. Ihre Kritiken, man hätte nur den einen oder anderen Paragraphen zu ändern brauchen — im übrigen lehnen Sie alles ab —, gehen völlig an der Sache vorbei.
Wir sind von Anfang an entschlossen vom Verschuldensprinzip abgegangen. Die Sachverständigen haben uns vor Augen geführt, daß es Fälle gibt, in denen im Interesse des Kindes eine Maßnahme nach § 1666 BGB ergriffen werden muß und nicht nach dem persönlichen Verschulden der Eltern gefragt werden darf. Wir haben das getan. Sie haben lange und immer wieder behauptet, vom Verschulden dürfe nicht abgegangen werden. Erst in der Schlußphase der Beratung sind Sie auf unsere Vorschläge eingegangen.
— Herr Hasinger, im Rechtsausschuß ist das so gewesen. Sie können ja darlegen, daß das im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit nicht so gewesen ist. Im Rechtsausschuß war es jedenfalls so.Eine geringere Eingriffsschwelle kann nur im Einzelfall befürwortet werden. Das gilt für die Ausbildung und Berufsfindung. Kollegen, die nach mir sprechen, werden darauf noch näher eingehen. Aber eines möchte ich schon vorwegnehmen: Es muß sich jeweils um Angelegenheiten von Gewicht handeln.Wir haben als Familiengesetzgeber eben die Pflicht, Recht und Gesetz nicht nur vom Blickpunkt der Eltern aus zu betrachten, sondern auch von dem des Kindes aus. Wir würden unseren Auftrag verfehlen, wenn wir nicht beide Positionen gegeneinander abwägen würden.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12019
Dr. Schwenk
Denken Sie daran, daß die Kinder auch das Recht haben müssen — das haben uns die Sachverständigen gesagt —, einmal einen Ratschlag von außerhalb einzuholen, damit sie nicht nur auf das angewiesen sind, was die Eltern sagen. Früher konnten sie zum Großvater, konnten sie zum Onkel gehen. Die wohnen heute zumeist ganz woanders, weit weg. Es ist richtig, daß die Möglichkeit bestehen muß, auch eine andere sachverständige Person zu Rate zu ziehen.
Die Eltern dürfen dem Kind das nicht untersagen. Dieses müssen wir im Gesetz klar ausdrücken. Machen Sie darum keinen Bogen!Wir haben auch mit gutem Grund vom gerichtlichen Antragsrecht eines Kindes abgesehen. Auch wenn die elterliche Erziehung es erfordert, den Willen des Kindes zu entwickeln, zu lenken und zu leiten, aber nicht, ihn zu brechen, schließt elterliche Erziehung ein, auch gegen den Willen des Kindes zu entscheiden; denn die Verantwortung bleibt den Eltern, bis das Kind volljährig ist. Nach wie vor kann ein Jugendlicher berechtigte Beschwerden beim Vormundschaftsrichter vorbringen, aber kein Vormundschaftsrichter ist gehalten, wegen einer Belanglosigkeit die Eltern in ein Verfahren zu ziehen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Wenn anderes behauptet wird, dann ist das unrichtig. Kein Jugendlicher kann zum Vormundschaftsgericht gehen, um sich vom Vormundschaftsrichter das heißbegehrte Motorrad unter den Hintern schieben zu lassen.Den allgemeinen Grundsatz des Verfassungsrechts von der Wahrung der Würde des Kindes familienrechtlich sichtbar zu machen, das ist unsere Aufgabe. Hier möchte ich noch einmal auf ein Urteil des BGH von 1959 zu sprechen kommen. Sie haben seinerzeit, als wir das im Ausschuß erwähnt haben, gelächelt und gesagt: Das ist veraltete Rechtsprechung. Im Bericht der Minderheitsmeinung kommen Sie auf ein sehr zutreffendes Verfassungsgerichtsurteil von 1959 zurück. Das ist derselbe Jahrgang. Also ist das, was wir vom BGH vorgelegt haben, nicht so weit entfernt. Der BGH hat seinerzeit noch gemeint, das unregelmäßige Kurzscheren eines Mädchens, um es häßlich zu machen, das Festbinden auf einen Stuhl, weil es den falschen Freund hat, seien noch im. Rahmen der Erziehungsgewalt. Das kann ja wohl nicht stimmen!
Deshalb werden wir beschließen, daß entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig sind.
Wir wollen dieses gesetzlich ausdrücken und nicht nur so nebenbei sagen.
— Herr Kollege, wir machen ernst damit, wir nehmen diese Dinge zur Sichtbarmachung in das Gesetz auf. Wir wollen uns nicht damit begnügen, das so nebenbei zu sagen. Dieses ist uns Anlaß genug.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark?
Herr Kollege Schwenk, ist Ihnen bekannt, daß Kindesmißhandlungen in unserem Strafrecht in verschiedenen Paragraphen geschützt sind?
— Ist Ihnen bekannt, daß Kindesmißhandlungen mit Strafe bedroht sind und daß bei Kindesmißhandlungen im Rahmen des § 1626 auch heute schon in das elterliche Sorgerecht eingegriffen werden kann?
Herr Kollege Stark, das ist mir selbstverständlich bekannt. Aber hier verwechseln Sie etwas. Es geht nicht darum, das Strafrecht zu ändern. Es geht hier vielmehr — ich wiederhole es noch einmal — um die partnerschaftliche Familie, in der die Kinder den Eltern gegenüber natürlich nicht gleichberechtigt, aber die Partner ihrer Eltern sind. Es muß deutlich werden, daß sie ebenso wie die Eltern Personen sind. Ich will, um es abzukürzen, noch einmal den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts von 1968 zitieren.Astrid Lindgren, die schwedische Schriftstellerin, hat zu diesem Komplex deutlich gesagt: niemals Gewalt! Sie wollte damit deutlich machen, daß die Kinder nicht vor körperlicher Gewalt, sondern auch vor seelischer, vor physischer Gewalt zu schützen sind und daß das Bewußtsein dafür zu schärfen ist.
Ich will noch zu einigen Einzelpunkten Stellung nehmen, die wichtig sind und die dieses Gesetz tragen. Familie beruht auf beiderseitigem Engagement. Deshalb wollen wir in das Gesetz die Bestimmung aufnehmen, daß Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind; das schließt auch die Achtung mit ein.
— Auch dazu sage ich gleich etwas; warten Sie nur ab, Herr Kollege Stark. — Gegenseitige Rücksicht und Beistand schließen die Achtung mit ein, Herr Kollege.
Das „Gewaltverhältnis" lösen wir durch den Begriff der elterlichen Sorge ab. Er umschreibt die Aufgabe der Familie besser. Es ist schön, daß Sie dazu Einstimmigkeit erklären.
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12020 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Dr. Schwenk
Die elterliche Erziehung ist umfassend. Ob ein Kind religiös oder atheistisch erzogen werden soll, welcher Religion es anzugehören hat, steht zur Entscheidung der Eltern. Es steht weder nach altem noch nach neuem Recht zur Debatte, daß staatliches Wächteramt befugt wäre, einen Wechsel in der religiösen oder weltanschaulichen Grundhaltung der Erziehungsentscheidung herbeizuführen,
sei es direkt, sei es indirekt als Folge einer anderen, zum Schutze des Kindes ergriffenen Maßnahme. Die Grenze der Wahrung des Elternwillens ist erst dann erreicht, wenn die diesbezügliche Elternentscheidung selbst den Rahmen verfassungsrechtlicher Zulässigkeit sprengen würde. Es erübrigt sich also, in den § 1631 eine zusätzliche Formulierung zur Hervorhebung elterlicher Befugnisse einzufügen. Die Möglichkeit, der Erziehung eine Grundrichtung vorzugeben, ist im Erziehungsrecht enthalten.Wenn sich Eltern über Anglegenheiten der elterlichen Sorge nicht einigen können, kann das Vormundschaftsgericht die entsprechende Befugnis auf einen Elternteil übertragen. Wir haben damit eine Lücke geschlossen, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom Juli 1959 aufgezeigt hat, die Sie als Gesetzgeber seinerzeit — 1957 — gelassen hatten.Im übrigen stimmen wir dem Urteil voll darin zu, daß sich die Eltern vorrangig darüber zu einigen haben, wie sich die Willensbildung in der Familie vollzieht. Es wäre aber verfehlt, daraus den Schluß ziehen zu wollen, es könne dem Gesetzgeber gleichgültig sein, ob die Familienmitglieder überhaupt die Möglichkeit haben, an der Willensbildung teilzunehmen. Vielmehr muß ihm daran gelegen sein, diese zum Persönlichkeitsrecht jedes Menchen gehörende Entfaltungsmöglichkeit hervorzuheben. Dem widerspricht es nicht, wenn die Koalition dem Vormundschaftsgericht gestatten will, die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil mit Beschränkungen und Auflagen zu verbinden. Es muß dem Vormundschaftsrichter möglich sein, offensichtlich unzureichende Vorstellungen der Eltern zu ergänzen, einen Elternkonflikt beizulegen, der sich, wenn er nicht beigelegt würde, zu einem ElternKind-Konflikt ausweiten würde, den es zu vermeiden gilt. Deshalb werden wir uns Ihrer engeren Vorstellung nicht anschließen können.Verbesserter Schutz ist auch unser Begehren. Die Unterbringung des Kindes, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ist von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig zu machen. Es geht, wohlgemerkt, um Freiheitsentziehung, nicht um Freiheitsbeschränkung, wie sie in einer Erziehung — z. B. in der Form von Stubenarrest oder geregelter Ausgehzeit — nötig sein kann. Unterbringung mit Freiheitsentziehung bedeutet mehr: Festhalten von Heiminsassen in beschränktem Raum, ständige Aufenthaltsüberwachung, Verhinderung von Kontakten.Einem Kind, also einem bis zu 18 Jahre alten Menschen, soll an dritter Stelle die Freiheit entzogen werden, ohne daß es sich dazu äußern kann.Wir sind der Auffassung, es liegt im Interesse des Persönlichkeitsrechts des Kindes, daß es auch die Möglichkeit hat, sich vorher zu äußern, und daß dann ein Vormundschaftsgericht überprüfen kann, ob die von den Eltern gewollte Maßnahme der Verhältnismäßigkeit der Mittel entspricht. Vor langen Jahren hat man dem „ungeratenen Sohn" die Fahrkarte nach Amerika gegeben; die „gefallene Tochter" hat man in eine Nervenheilanstalt gebracht. Solche Sachen wollen wir nicht wieder haben.
Auf der anderen Seite hat die Koalition frühzeitig die Heilbehandlung aus der Diskussion genommen. Wir wollten die Ausgewogenheit und haben den damaligen § 1631 a frühzeitig entfallen lassen.Meine Damen und Herren, leider drängt die Zeit sehr; ich kann nur noch einige Punkte ansprechen.In den §§ 1666 und 1666 a haben wir dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deutlich Ausdruck gegeben. Ein Eingriff gegen den Willen der Eltern ist an diesem Kernpunkt nur möglich, wenn leibliches, geistiges oder seelisches Wohl des Kindes gefährdet ist. Angeknüpft wird an ein Verhalten oder Unterlassen der Eltern. Unterlassen bedeutet auch Unterlassen gegenüber Gefährdungen durch Dritte. Deshalb haben wir vorgesehen, daß Maßnahmen gegen Dritte direkt ergriffen werden können, wenn — das ist Voraussetzung — die Eltern nichts Entscheidendes unternehmen. Die Verwahrlosung nehmen wir nicht zusätzlich auf. Wir legen Wert auf eine einheitliche Eingriffsschwelle.Wir haben frühzeitig auch den Gedanken eines besseren Schutzes des Pflegekindverhältnisses eingebracht. Richtig ist, daß wir dabei weitgehend zusammengewirkt haben. Ich darf aber sagen: Nehmen Sie die Vaterschaft dafür nicht einseitig für sich in Anspruch. Wir haben frühzeitig angemeldet, daß wir in diesem Punkt etwas tun wollen.
Auch dort wahren wir die Einheitlichkeit der Eingriffsschwelle. Wir haben übereinstimmend vorgesehen: Die Pflegeperson hat ein Antragsrecht zum Vormundschaftsgericht. Sie steht bei dem Verfahren nicht vor der Tür.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Gern.
Herr Kollege Schwenk, könnten Sie, wenn Sie uns die Vaterschaft für die Verbesserung der Pflegekindschaftsverhältnisses streitig machen, uns sagen, ob wir über einen Entwurf der SPD und der FDP oder über einen Entwurf der CDU/CSU zu beraten hatten? In Ihrem Entwurf hat darüber doch gar nichts gestanden!
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12021
Herr Kollege Erhard, Sie wissen genau, daß die Koalitionsfraktionen nach Einbringung des Entwurfs die Dinge einer intensiven Beratung unterzogen haben, lange bevor Sie sich an den Beratungen im Rechtsausschuß positiv beteiligt haben.
Zu Anfang haben Sie stets nein gesagt. — Wir wollen die kostbare Zeit hier nicht mit derartigen Verfahrensdiskussionen verbringen.
Sie haben noch mehr Redner. Die können das bringen. Meine Kollegen werden ihnen das Entsprechende dazu sagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gewiß. Aber der Herr Abgeordnete, der die erste Zwischenfrage gestellt hat, hat einen Anspruch auf eine unmittelbar folgende weitere Zwischenfrage.
Herr Kollege Schwenk, könnten Sie mir sagen, ob bei der Veränderung des Entwurfs der Regierung aus der vorigen Wahlperiode, bei der Wiedereinbringung durch die Fraktionen der SPD und FDP keine Veränderungen, keine Prüfungen und ähnliches stattgefunden haben?
Herr Kollege Erhard, Sie wissen, daß ich seinerzeit nicht im Bundestag gewesen bin.
Ich bin Berichterstatter geworden. Ich habe von Anfang an diese Dinge kritisch durchgelesen. Auch meine Kollegen haben das getan.
Es kommt auf das an, was wir hier zum Schluß als Text vorlegen.
Damit wollen auch Sie sich bitte beschäftigen, statt hier allerlei Popanze aufzubauen! Was wir im Bericht zur Verdeutlichung des Gesetzentwurfs gesagt haben und was wir als Erläuterungen bringen,
gilt. Die Geschichtsbewältigung können Sie ja gern an anderer Stelle vornehmen. Ich habe hier den Inhalt des Gesetzes vorzutragen.
Präsident Carstens: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kuhlwein?
Ja, bitte.
Herr Kollege Dr. Schwenk, ist Ihnen bekannt und würden Sie bestätigen, daß die Regelung des Pflegekindverhältnisses vom mitberatenden Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit bereits an den Rechtsausschuß herangetragen worden ist und daß in diesem mitberatenden Ausschuß die Initiative von SPD und FDP ausgegangen ist?
Das ist mir bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Bitte, Herr Kollege Dr. Lenz.
Herr Kollege Schwenk, liegt in Ihrer bejahenden Antwort auf die letzte Frage des Kollegen Kuhlwein nicht das Eingeständnis, daß in dem ursprünglichen Entwurf ein solcher Passus nicht enthalten war?
Ich nehme an, Herr Kollege Lenz, daß wir alle lesen und schreiben können. Ich möchte noch einmal sagen: Jeder Abgeordnete hat genau wie ich die Freiheit und die Verpflichtung, Vorlagen durchzugehen und das zu verabschieden, was er für richtig hält. Ich lasse mich doch von Ihnen hier nicht auf falsche Gleise bringen.
Noch einige Worte. Schutz des Kindesvermögens ist für uns ebenso wichtig wie Schutz der Person. Wir wollen auch den Schutz des Kindesvermögens verbessern. Wenn Sie meinen, dies sei ein Ausdruck des Mißtrauens gegen die Eltern, dann ist das verkehrt. Unterlassen Sie doch solche Ablenkungsmaßnahmen, wenn Ihnen nichts Besseres einfällt!Bei der Scheidung der Eltern ist das Sorgerechtsverfahren zu verbessern. Wir können uns nicht bereitfinden, wie es kürzlich wieder gesagt worden ist, das Sorgerecht bei geschiedenen Eltern auf bei-
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Dr. Schwenk
de zu verteilen. Dieses wäre ein Aufschub, keine Verbesserung. Es muß also bei unserer vorgeschlagenen Fassung verbleiben.Die Neuregelung des Verfahrensrechts — ich möchte es noch einmal sagen — ist für mich ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt. Das Kind wird damit an der Gesamtverantwortung für den Zusammenhalt der Familie beteiligt. Dies stärkt die Verantwortungsfreude und das Hineinwachsen in die Volljährigkeit.Wir haben mit großer Gewissenhaftigkeit die Dinge überprüft. Wir haben nach besten Kräften zum Wohle aller Familienmitglieder daran gearbeitet. Wir geben diesen Entwurf in der Erwartung auf den Weg, daß er die Familie stärken und den Kindern zugute kommen wird. Wir sehen für ihn eine gute Zukunft voraus. Verfassungswidrigkeit ist schnell behauptet, Familienwidrigkeit ist schnell behauptet; das Gegenteil wird sich erweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Die umfassende Diskussion der Reform des elterlichen Sorgerechts scheint bislang • nicht dazu geführt zu haben, unterschiedliche Standpunkte einander anzunähern. Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt liegt der Reformentwurf weiterhin vor uns. Die Kritik geht vom harten Vorwurf einer Zielprojektion, die auf Zerstörung der Familie hinausläuft, bis zum Vorwurf völliger Unzulänglichkeit.Mit diesen Worten umriß der Bonner Familienrechtler Prof. Beitzke in der Familienrechtszeitschrift 1979, Heft 1, den Streitstand zu Beginn dieses Jahres. Daß sich daran bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert hat, haben Sie, Herr Kollege Dr. Stark, vorhin voll unter Beweis gestellt.Im Grunde ist zu dem, was Prof. Beitzke hier aussagt, noch etwas hinzugekommen: Sie sitzen in einem ideologischen Gehäuse, und aus diesem Gehäuse sprechen Sie über alles und jedes, über Familienberichte und über Ministeräußerungen und was sonst in diesem Lande zu diesem oder zu jenem Thema gesprochen oder geschrieben wird.
Sie sind dabei, sich Ihren Gegner selber zu schnitzen, um ihn anschließend so richtig beuteln zu können.
Denn denjenigen, die in dieser Stunde und bei dieser Beratung am Zuge sind, können Sie eben nicht so recht ans Zeug. Deswegen sprechen Sie ja auch überhaupt nicht über diesen Entwurf; Sie haben dazu eigentlich kaum etwas gesagt.Nun sage ich Ihnen ganz deutlich: der Widerpart, der angesprochen ist mit den beiden Extrempositionen, sind nicht wir, das sind nicht die Koalitionsparteien. Auf der einen Seite besteht die Extremposition der Union, und auf der anderen Seite gibt es vereinzelte gesellschaftliche Kräfte, die den Wert oder Unwert eines Reformgesetzes vielleicht ausschließlich danach zu bemessen suchen, daß möglichst alles Bestehende auf den Kopf gestellt wird und eine ungeheure Sprengwirkung eintritt.
Das sind die beiden Extrempositionen, und die schaukeln sich im Lande gegenseitig hoch. Ich sage Ihnen: Damit haben wir nichts zu tun, wir Liberale nicht. Wir haben in voller Übereinstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD versucht, einen Weg der Vernunft zu gehen und die goldenen Mitte zu finden.Wenn ich jetzt sehe, wie in der Öffentlichkeit der Beschuß von zwei Seiten kommt, dann fühle ich mich als Liberaler so richtig wohl — nicht weil wir Politik nach dem Grundsatz „Viel Fein', viel Ehr." betreiben, sondern weil dieser Doppelbeschuß aus den konträren Richtungen ein ganz deutliches Anzeichen dafür ist, daß wir richtig liegen.In der 7. Legislaturperiode kam der Entwurf über die erste Lesung nicht hinaus. Das ist vielfach bedauert worden. Er fiel damals der Beratung und Verabschiedung der großen Adoptionsreform aus zeitlichen Gründen zum Opfer. Aber vielleicht war das letztlich ganz gut; denn wir haben — das wird auch die Opposition einräumen — an diesem Gesetzentwurf einmal praktiziert, daß Gesetzgebung auch in unserer Zeit ohne Sprunghaftigkeit und ohne Hektik über einen längeren, kontinuierlichen Zeitraum hin möglich ist.
Wir haben in 24 Sitzungen des Rechtsausschusses sehr umfassend beraten. Wir hatten die volle Unterstützung der Beamten des Ministeriums, denen ich an dieser Stelle danken darf,
weil ich weiß, daß weit über das, was ihnen an Arbeit aufgegeben ist, natürlich eine Fülle von Nachfragen und sonstigen Belastungen in dieser Zeit ständig auf sie zugekommen ist.Wir haben bei diesen Beratungen als Liberale von Anfang an nie ein Hehl daraus gemacht, daß auch wir gegen den ursprünglichen Regierungsentwurf, der in dieser Legislaturperiode von den Koalitionsparteien zwecks Beschleunigung übernommen worden ist, auch eine ganze Reihe von Einwänden hatten. Wir Liberalen haben uns nie als Vollstrecker eines Regierungswillens in dieser Sache gefühlt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12023
Engelhard— Ich erinnere daran, Herr Kollege Dr. Stark, daß ich bereits bei der ersten Lesung am 17. März 1977 dazu Anmerkungen, im Plenum in etwa fünf Punkten gemacht habe und heute feststellen kann, daß allen, auch den kritischen Anmerkungen voll Rechnung getragen worden ist. Ich werde im einzelnen darauf noch einmal zurückkommen.Wir haben zusammen mit der SPD vor den Schlußberatungen eine ganze Reihe von Änderungsanträgen gestellt. Ich weiß, die Union meint, dies alles sei auf ihren wohltuenden Druck zurückzuführen. Ich hätte Ihnen dieses Erfolgserlebnis an sich gern gegönnt. Man soll ja nicht unfreundlich sein. Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben, es war ein langer Weg, zu dem wir von vornherein entschlossen waren
und zu dem wir nur eine Fülle von Beratunszeit benötigt haben. Das Gesetz, das heute auf dem Tisch liegt, so und nicht anders zu wollen, war von vornherein unser Wille und seine Durchsetzung unser freier Entschluß. Ich habe ganz umgekehrt den Eindruck, daß Sie von der Opposition es zunehmend schwer haben, Ihre Ablehnung auch draußen in der Öffentlichkeit noch zu begründen.
Der Gesetzentwurf hat im wesentlichen zwei Zielsetzungen: ein verbesserter Schutz gefährdeter Kinder und ein elterliches Sorgerecht, das dem Grundrechtsverständnis und dem Menschenbild unserer Verfassung entspricht und zugleich mit der gelebten Wirklichkeit im Verhältnis von Eltern und Kindern draußen im Lande in Übereinstimmung steht.
Nun sind wir, was den Schutz gefährdeter Kinder anbelangt, insoweit einig, daß auch unverschuldetes Versagen der Eltern aus all den bekannten Gründen ausreichen muß, um in schwerwiegenden Fällen dem Vormundschaftsgericht die Möglichkeit zum Eingriff zu geben. Wir teilen auch noch die Befürchtung, die sich wie ein roter Faden durch die Beratungen gezogen hat, daß die Herausnahme des Fehlverhaltens der Eltern und das alleinige Abstellen auf die Gefährdung möglicherweise zu der Mißdeutung hätte führen können, daß Gefährdung hier eine andere Qualität bekomme und extensiv auszulegen sei. Ich habe bei der ersten Lesung am 17. März 1977 auf diesen Punkt bereits sehr deutlich hingewiesen. Wenn jetzt aber die Union kommt und meint, einen eigenen Vorschlag vorlegen zu müssen, in dem der Begriff der Gefährdung, obwohl wir weitgehend auf das geltende Recht zurückgegangen sind, angereichert wird durch das Wort „erheblich", dann ist das ein Irrund Holzweg von beträchtlicher Dimension.
Meine Damen und Herren, es ist in ständigerRechtsprechung völlig unbestritten, daß nach geltendem Recht der Begriff der Gefährdung immereine erhebliche Gefährdung voraussetzt. Man würde sich, würde man dieses Wort zusätzlich aufnehmen, der Mißdeutung aussetzen, als wollten wir auf der einen Seite durch Herausnahme des Verschuldens den Schutz gefährdeter Kinder verbessern, um auf der anderen Seite an anderer Stelle diesen Schutz abzubauen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark?
Mit einem Blick auf die Uhr — — Präsident Carstens: Gestatten Sie die Frage? Engelhard : Ich bedaure.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie gestatten die Frage nicht.
Ich begründe es auch gerne. Ich bin sonst für eine belebte Debatte, die sicherlich durch Zwischenfragen angereichert wird. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir aber, daß dies leider nicht mehr möglich ist.Nun will natürlich niemand einen Abbau des Schutzes gefährdeter Kinder an anderer Stelle. Sie sollten in dieser Debatte Gelegenheit nehmen, noch einmal zu erklären, was Sie damit bezwecken.Wenn Sie nun diesem neuen § 1666 schon nicht zustimmen können, so sollten Sie zumindest Ihren Feldzug auch draußen im Lande nicht fortsetzen, mit dem Sie versuchen, jene Bestimmung als Handwerkszeug zur Erhöhung staatlichen Einflusses und als ein Rechtsinstrument zur Aushöhlung des elterlichen Erziehungsrechts und der Zerstörung der Familie lautstark und farbig zu schildern. Ich sage das mit allem Nachdruck, auch an jene Büchsenspanner draußen in Stadt und Land gewandt, die Ihre Geschäfte besorgen — oder Sie die ihren. Ich will dies nicht prüfen. Es ist aber insgesamt ein Konglomerat, das mir in dieser Form — und ich benütze dieses Wort absichtlich — als wenig erfreulich, ja, zuweilen als empörend erscheint.Für uns Liberale ist Art. 6 unserer Verfassung nicht nur eine ernste verfassungsrechtliche Verpflichtung. Das ist ganz selbstverständlich. Nein, der grundgesetzliche Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern ist für uns ureigenste, tiefe, vorkonstitutionelle Überzeugung. Gerade in einer Zeit, in der staatliche und gesellschaftliche Zwänge vieler Art zunehmend unsere Lebenswirklichkeit bestimmen, und in einer Zeit, in der der verwaltete Mensch beinahe zum Muster menschlicher Existenz zu werden verspricht, kommt der Familie eine ganz besondere Bedeutung als Privatraum höchstpersönlicher freier Lebensgestaltung zu. Nur, meine Damen und Herren von der Opposition, wer häufig meint, unsere Verfassung für seine politische Anschauungen gepachtet zu haben, der sollte immer jede einzelne Bestimmung zumindest bis zum Ende lesen und sollte aus Art. 6
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12024 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Engelhardnicht nur das Erziehungsrecht der Eltern, das gleichzeitig die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht ist, entnehmen, sondern weiterlesen, wo geschrieben steht: „Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."Dieses staatliche Wächteramt ermächtigt zwar nur in schwerwiegenden Konfliktfällen zu Eingriffen, aber dieses staatliche Wächteramt ist, vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt und aufgegriffen, vorhanden.
— Es ist unbestritten, aber Sie sollten, Herr Kollege, sich nicht immer nur auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das heraussuchen, was Ihnen gerade in den Kram paßt,
und Ihre Auffassung dahin auslegen, daß das staatliche Wächteramt fast nur noch als Garnierung und beinahe unnützes Beiwerk erscheint.
Ich will auch ein Weiteres sagen. Mir erscheint es — und das trifft genau die Büchsenspanner draußen — als ein tiefer Widerspruch, daß zuweilen gegenüber dem jetzt hier vorliegenden abgewogenen Entwurf Zeter und Mordio geschrien wird von denselben Leuten, die dort, wo es um die Durchsetzung ihrer Ziele in der Erziehung geht, so zimperlich nicht sind
und insbesondere in der Vergangenheit nicht zimperlich waren.
Darüber sollte man einmal nachdenken. Auch heute noch gibt es einfarbige Landschaften in unserem Lande,
wo den Eltern sehr, sehr genau bedeutet wird, was passieren könnte, wenn sie nicht bis ins Detail hinein die Erziehung ihrer Kinder nach dem ausrichten, was man ihnen lehrmäßig nahezubringen sucht.
Das Leitbild der Erziehung, das wir formuliert haben, kann nicht unzulässig sein. Wir sind nicht über das hinausgegangen, was möglich und was zulässig ist, gerade auch nicht über den nur minimalen Grundkonsens in einer pluralistischen Gesellschaft. Wir haben ein Leitbild verankert, das die Erziehung zur eigenständigen Persönlichkeit festlegt, nichts anderes, und dies ohne Sanktion. Alle die Beispiele, die Sie draußen im Lande zu verkaufen suchen, ziehen deswegen nicht; sie sind unrichtig. Und vollends unrichtig ist es, daß ein Verstoß gegen dieses Leitbild dazu führen könnte, Behörden oder das Vormundschaftsgericht auf den Plan zu rufen und zum Eingreifen zu veranlassen.
Das alles gehört zu jenen Nebelbomben, mit denen Sie die Landschaft einzunebeln suchen,
und um so verstärkter draußen mit unwahren Argumenten agitieren zu können.
Es ist ja fast ein Gemeinplatz, Herr Kollege, es wird von den Eltern in diesem Lande millionenfach seit langem praktiziert, und es ist, wie gesagt, jener minimale Grundkonsens, der auch in der pluralistischen Gesellschaft möglich ist, was wir hier verankert haben.Es wird allerdings konkreter, wenn man in den Bereich von Ausbildung und Beruf geht. Ich kann darauf aus zeitlichen Gründen nicht in der Breite eingehen. Ich will hier nur andeuten, daß dies ja keine so neue Sache ist. Sie tun so, als würde hier plötzlich der Versuch unternommen, den Eltern etwas wegzunehmen, was ihnen in der geschichtlichen Entwicklung immer zugestanden hat. Daß bei Ausbildung und Beruf in einer Weise, die niemand kalt lassen darf und wo man sich nicht völlig neutral verhalten kann, Konflikte gewaltigen Ausmaßes in einer Familie im Einzelfall ausbrechen können, das wissen wir. Deswegen haben bereits das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 und das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 Vorschriften festgelegt, die teilweise weiter gehen als das, was wir hier vorgesehen haben.
— Was haben Sie dagegen, Herr Kollege? Wissen sie, die Polemik, die Sie hier teilweise geboten haben, provoziert mich dazu, zu sagen: Eigentlich können Sie nur dagegen haben, daß zu jenen Zeiten Aufklärung und französische Revolution bereits stattgefunden hatten
und alles, was sich seither abgespielt hat, Ihnen im tiefsten verdächtig ist und Sie dagegen großen Widerwillen empfinden.
Wir haben weitere Überlegungen angestellt, wie wir den Kindeswillen stärker berücksichtigen können. Das war sicherlich eine schwierige Frage. Der ursprüngliche Entwurf ging hier ja auch Irrwege, wie ich sagen muß, wenn etwa dem über 14 Jahre alten Kind die Befugnis eingeräumt wird, selbständig in eine Heilbehandlung einzuwilligen. Ich habe auch dazu bereits in der ersten Lesung deutlich
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12025
EngelhardStellung genommen. Diese Vorschrift ist ersatzlos gestrichen worden.Sehr schwierig war die Frage — Sie wissen es aus den Beratungen —: Welchen Einfluß soll man einem Kind auf die Übertragung der elterlichen Sorge nach der Scheidung der Ehe der Eltern geben, und welchen Einfluß soll das Kind möglicherweise nach der Scheidung auf die Ausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil haben? Ich habe damals auch schon bei der ersten Lesung — Herr Kollege Dr. Stark, Sie erinnern sich vielleicht — davor gewarnt, irgendeinen gesetzlichen Anreiz dafür zu geben, daß nach der Scheidung der Eltern nun beide Elternteile verstärkt in einen Wettlauf um die Gunst des Kindes eintreten und es durch Einflüsterungen — immateriell — und durch Zuwendungen — materiell — zu beeinflussen suchen, um damit Neigungen des Kindes zu manipulieren, ja, zu korrumpieren. Wir haben jetzt eine sehr abgewogene Lösung gefunden. Der Kindeswille wird angemessen berücksichtigt; aber wir sind weitgehend dem Rat erfahrener Praktiker gefolgt, die uns hier große Zurückhaltung empfohlen haben.Im Verfahrensrecht haben wir das Anhörungsrecht für alle Betroffenen — die Eltern, die Kinder und jetzt auch für die Pflegepersonen — verstärkt verankert. Gerade weil wir die Mitwirkung des Kindes dort wollen, wo es wirklich darauf ankommt, haben wir — ja auch mit Ihrer Zustimmung — ein qualifiziertes Anhörungsrecht für das über 14 Jahre alte Kind in allen sorgerechtlichen Fragen festgelegt. Es gibt, wenn man die Fragen diskutiert, oft das Mißverständnis, als handle der Entwurf nach dem Motto: den Kindern die Rechte, den Eltern die Pflichten. Das wäre ein Mißverständnis. Wir haben dies auch immer anders gesehen.
Um vollends klarzustellen, daß Erziehung zur eigenständigen Persönlichkeit immer nur möglich ist, wenn Rechte und Pflichten in ihrer Wechselbeziehung erlebt und begriffen werden, haben wir jetzt die Bestimmung eingesetzt, die bereits zitiert wurde: Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.Ein letzter Punkt. Ein Spezialfall der Fürsorge für gefährdete Kinder ist unser Bemühen um verbesserten Schutz für Pflegekinder. Weil vorhin gerade eine kleine Kontroverse um die Vaterschaft dieser Bestimmung ausgebrochen ist, darf ich Sie aufklären. Der Vater ist nämlich eine Frau; es ist unsere ehemalige Fraktionskollegin aus der letzten Legislaturperiode Barbara Lüdemann, die sich mit großem Engagement speziell in dieser Frage eingesetzt hat. Nach Ihrem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag haben wir dieses Engegament nach unseren Kräften mit dem Erfolg fortgesetzt, daß wir jetzt erstmals eine Bestimmung haben, die verhindert, daß leibliche Eltern zur Unzeit und obwohl Sie sich möglicherwiese jahrelang um Ihr Kind überhaupt nicht gekümmert haben, dieses Kind aus den gewachsenen Bindungen der Pflegefamilie beliebig herausreißen können. Die Eingriffsschwelle für das Vormundschaftsgericht mußte § 1666 BGB sein. Wir haben dem Richter Hinweise darauf gegeben, daß er hier nicht nur eine Zukunftsprognose zu treffen, sondern auch zurückzublicken hat: Wie lange hat denn das Pflegeverhältnis gedauert, und was war denn der Anlaß dafür, daß dieses Kind überhaupt dort untergebracht ist? Jetzt haben Sie dazu einen Änderungsantrag gestellt. Wir haben uns dies noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Es erscheint als ein guter Vorschlag; deswegen werden wir Ihrem Änderungsantrag zustimmen.Den anderen Änderungsanträgen können wir unsere Zustimmung nicht geben. Wir haben dies alles im Ausschuß eingehend beraten. Wir werden diese Änderungsanträge im Interesse auch der Betroffenen ablehnen. Wir wollen nichts tun, um von jener von mir angesprochenen goldenen Mitte abzuweichen, um mit Ihnen einen Schritt hin in jene Ecke zu tun, in der Sie sich derzeit unter dem Kopfschütteln der Öffentlichkeit aufhalten, jene Ecke, in der sie sich häuslich eingerichtet haben und in der sie leider häufig von sachlichen Argumenten kaum noch erreicht werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser Grundgesetz kann und konnte das Elternrecht nur aufnehmen und interpretieren; die geschriebene Verfassung setzte es als von der Natur gegeben voraus. Ich glaube, das sollten wir uns auch bei dieser Gesetzesberatung hier vor Augen halten; denn unser Grundgesetz spricht von einem natürlichen Recht der Eltern. Die Eltern-Kind-Beziehungen sind höchst privater Natur. Demgegenüber versuchen nun mit dem, was jetzt Gesetz werden soll, Koalition und Bundesregierung durch die Verhaltensbestimmungen zu suggerieren, es handle sich hier um so etwas wie ein Strafrechtsverhältnis; denn den Eltern müßte man ja grundsätzlich mißtrauen.
— Ich werde dazu Beispiele bringen. Ideologisch verbohrter Reformeifer hat nun zu diesem Gesetzentwurf geführt, der nach meinem Dafürhalten außerordentlich bedenklich ist im Hinblick auf unsere Verfassung, im Hinblick auf das natürliche Recht der Eltern, Kinder zu erziehen, weil die Eltern durch diesen Gesetzentwurf praktisch zu einer Erziehungsagentur des Staates degradiert werden.
— Lieber Herr Dürr, dann sagen Sie mir doch einmal, warum Sie es ausdrücklich abgelehnt haben, in das Gesetz hineinzuschreiben, daß die Eltern die Ziele der Erziehung bestimmen.
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12026 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Dr. Wittmann
Sie versuchen, über die wahren Tendenzen des Gesetzentwurfs — Herr Dr. Schwenk hat hier ein Beispiel gegeben — Nebel zu verbreiten, damit man das nicht erkennt, was eines Tages in der Praxis herauskommen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?
Herr Präsident, da Sie gesagt haben, das werde auf die Zeit angerechnet, und da mir der Herr Parlamentarische Geschäftsführer schon fünf Minuten genommen hat, möchte ich jetzt darauf verzichten.In Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls zur europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, das ja auch die Unterschrift der Bundesrepublik Deutschland trägt, heißt es, daß die Staaten verpflichtet sind, „das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen". Wir sind also von Verfassung wegen und auch durch internationale Bestimmungen daran gehindert, in gesetzgeberischer Beliebigkeit tätig zu werden.. Auch das Bundesverfassungsgericht — das haben Sie nicht zitiert, Herr Kollege Schwenk — hat ausdrücklich gesagt, daß offenbleiben muß, wie sich Entscheidungen in der Familie bilden.
Nun, meine Damen und Herren, wer soll künftig die Ziele der Erziehung bestimmen?
— Das sagen Sie. Warum haben Sie es dann aber nicht in das Gesetz hineingeschrieben?
— Eben wurde behauptet, daß Sie einige Dinge in Ausfüllung des Grundgesetzauftrages in das Gesetz hineinschreiben. Warum haben Sie das denn hier nicht auch gemacht?
— Herr Wehner, ausgerechnet Sie müssen darüber reden, der Sie einen der Grundsätze unserer Verfassung in Frage stellen, nämlich das Wiedervereinigungsgebot.
— Herr Wehner, Sie werden mir gestatten, daß ich darauf nicht eingehe.
— Ich verzichte auch auf einen Ordnungsruf, Herr Präsident. Dies ist zwar Ihre Kompetenz, aber ich glaube, der Herr Wehner ist in diesem Hause nicht mehr ernst zu nehmen!
In Zukunft sollen Familienfremde durch die gesetzten Leitbilder — z. B. durch die Bestimmung darüber, wie sich die Entscheidungen in der Familie bilden — mit hineinreden; denn eine Norm hat ja nur dann einen Sinn, wenn sie durch jemanden ausgelegt und wenn auch über diese Norm und ihre Anwendung entschieden wird. Dies ist in besonderem Maße dort der Fall, wo es um die Frage der Ausbildung und der Berufsfindung geht. Hier werden eine Reihe von Familienfremden geradezu beauftragt, in die Familie hineinzuregieren. Wir können Probleme in diesem Bereich ohne weiteres über den alten oder auch neu gefaßten § 1666 BGB lösen; das hat die bisherige Rechtsprechung gezeigt. Sie wollen ein Heer von. Berufsberatern, Sozialpädagogen, Jugendhelfern — und wie sie alle heißen- damit beschäftigen, der Familie in die Erziehunghineinzureden. Woher hat ein Staat das Recht, darüber zu entscheiden, welche Ausbildung ein Kind erhalten und welchen Beruf es ergreifen soll, wenn er andererseits nicht in der Lage ist, genügend Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze für diesen Beruf zu schaffen?
Hier haben wir doch eine Bestimmung, die letzten Endes eine Augenauswischerei für unsere Menschen ist, vor allem für unsere jungen Menschen, die sich heute in der Berufsfindung oft schwertun; sie tun sich nicht deshalb schwer, weil nicht auf ihre Neigungen und ihre Fähigkeiten Rücksicht genommen wird, sondern deshalb, weil sie eben keinen Arbeitsplatz finden.Meine Damen und Herren, eine weitere Bestimmung, die unsere Bedenken hervorruft, ist die, daß das Vormundschaftsgericht in allen Fällen entscheiden soll, in denen eine Freiheitsentziehung vorgenommen wird. Es ist im Ausschuß und auch eben in den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schwenk offengeblieben, wie dieser Begriff zu interpretieren ist. Wir werden sehr schnell eine Praxis bekommen, in der darunter auch die Internatsunterbringungen subsumiert werden. Sie haben zwar gesagt, das falle nicht darunter. Sie haben auch in dem Bericht geschrieben, daß es nicht darunter falle. Aber noch ist der von der Mehrheit geschriebene Bericht nicht geltendes Recht — das kommt vielleicht eines Tages noch.Ich glaube, wenn ein Kind in ein Internat muß, geht es nie gern dorthin. Das habe ich am eigenen Leibe erlebt, das erlebe ich auch bei meinen Kin-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12027
Dr. Wittmann
dern. Wie es sich dann später entwickelt, ist eine ganz andere Frage.
Hier wird praktisch der Keim dafür gelegt, daß die Kinder, die in Internate sollen, was für sie erzieherisch vielleicht besser ist, die Vormundschaftsgerichte bemühen. Damit wird der Konflikt in die Familie hineingetragen und von Außenstehenden entschieden. Hier wird der intakten Familie praktisch der Vorwurf gemacht, sie sei der prädestinierte Freiheitsberauber.Weiterhin ist die Bestimmung außerordentlich bedenklich, daß Eltern jetzt gezwungen werden, ein Vermögensverzeichnis in all den Fällen vorzulegen, in denen das Kindesvermögen 10 000 DM übersteigt. Bisher war ein Vermögensverzeichnis verständlicherweise nur in dem Fall vorzulegen, wenn ein Elternteil starb. Der dieser Regelung zugrunde liegende Gedanke war, daß ein Kind auch hinsichtlich seines Vermögens in guter Obhut ist, solange es Vater und Mutter hat. Erst wenn dieser Schutz wegfällt, sollte nach der Rechtsordnung ein Dritter mithelfen, die Vermögensinteressen des Kindes zu wahren.Die vorgesehene Neuregelung wird dazu führen, daß viele in den Vermögensangelegenheiten des Kindes mitreden, daß sich vielleicht manche scheuen, dem Kind noch etwas zuzuwenden; denn diese Bestimmung ist so gefaßt, daß man sich als Zuwendender erst einen Anwalt nehmen muß, um zu verstehen, was hier gemeint ist. Ich glaube, es hätte genügt, wenn wir eine Bestimmung aufgenommen oder eine bestehende Vorschrift verdeutlicht hätten, wonach das Vormundschaftsgericht erst bei einer konkreten Vermögensgefährdung eingreifen soll. Nur am Rande sei erwähnt, daß diese Bestimmung wohl dazu führen wird, daß bei der Justiz wahrscheinlich ein Heer von Rechtspflegern tätig sein muß und ein hoher Verwaltungsaufwand erforderlich sein wird. Ich wage zu bezweifeln, daß damit der Familie und dem Anliegen gedient ist. Dieser Aufwand wäre besser anderen Bereichen der Familienpolitik zugute gekommen.Herr Kollege Schwenk hat die neuen Normen des Eingriffs in das Elternrecht mehr oder weniger verharmlost. Die Praxis — das hat auch Herr Kollege Dr. Stark angedeutet — zu § 218 StGB zeigt uns ganz deutlich, wie Rechtsnormen aussehen und wie sie dann ideologisch interpretiert werden.
— Nein, das richtet sich nicht nur gegen die Gerichte. Ich werde Ihnen ein Beispiel nennen. Herr Kollege, was sagen Sie dazu, daß die Sozialdezernentin der Stadt Dortmund in einem Schnellbrief an die SPD-Fraktionen der Städte in Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert hat, in den Fällen keine Mittel zur Verfügung zu stellen, in denen die Abtreibung mit sozialer Unterstützung hätte verhindert werden können, weil — so wörtlich — „aufdiese Weise das . Recht auf Abtreibung unterlaufen wird".
Wie vereinbaren Sie das mit dem beschlossenen Gesetz? Unsere Befürchtungen gehen dahin, daß eines Tages harmlos klingende Bestimmungen in der Praxis, und zwar nicht nur von den Gerichten — Sie dürfen nicht übersehen, daß auch das Jugendhilferecht mit hineinspielt —, gegen die Familie und damit gegen die Kinder angewendet werden.Familienbericht, Begründung des Gesetzentwurfs und die jetzt getroffenen Regelungen zeigen eine Zielprojektion, die letztlich zur Zerstörung der Familie führt. Nach meinem Dafürhalten verletzt dieses neue elterliche Sorgerecht den Grundsatz der Familienautonomie. Der Gesetzentwurf führt vom Elternrecht weg und zu einem staatlich verwalteten Kindesrecht. Er sät Mißtrauen, wo Vertrauen herrschen sollte; die elternrechtlichen Bestimmungen unseres Grundgesetzes drohen zu Worthülsen zu werden. Der Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Aushöhlung der Integrität von Ehe und Familie und führt nicht zu einer Reform in diesem Bereich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Zeit Shakespeares wird von Bühnen berichtet, auf denen auf zwei Ebenen dasselbe Stück gespielt wurde. Die Debatte über die Neuregelung der elterlichen Sorge erinnert ein wenig an die damalige Technik der Dramaturgie. Auch hier wird nämlich das Thema auf zwei Ebenen zugleich behandelt
-- ich wollte Ihnen diese Rolle nicht zudenken, Herr Kollege Lenz; mich hindert deshalb auch die Liebenswürdigkeit, irgend jemand anders in diese Rolle zu drängen —: sachlich, nüchtern, im gemeinsamen Bestreben, Rechtsnormen, die bald ein Jahrhundert zurückreichen, zu verbessern, dem heutigen Verfassungsrecht anzupassen auf der einen Ebene, mit unheurem ideologischen Getöse, mit Schreckensvisionen und ganz unsinnigen Vorwürfen — bis hin zu dem Vorwurf, die Befürworter des Entwurfs verfolgten die Absicht, die Familie zu zerstören — auf der zweiten Ebene. Manche Akteure wechseln auch sehr behende zwischen den beiden Ebenen hin und her. Wir haben das auch hier soeben verfolgen können; das sind zum Teil atemberaubende Fertigkeiten.Warum muß das eigentlich so sein? Warum genügt es eigentlich nicht, die Meinung des Gegners mit Gründen und Alternativvorschlägen zu bekämpfen und seine Meinung mit Argumenten zu
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12028 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Dr. Vogelüberwinden? Warum muß dem Gegner immer die denkbar schlimmste Absicht unterstellt werden?
Warum muß — Herr Kollege Wittmann, lassen Sie mich das sagen - immer diese auf die Person gezielte Häme mit einfließen,
die das Klima nachhaltig vergiftet? Ähnliche Fragen habe ich bei anderen Gelegenheiten an das ganze Haus gerichtet. Heute muß ich sie fast ausschließlich an die Opposition richten. Ich kann nur sagen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: Weniger wäre mehr gewesen.Sie müssen doch allmählich selbst merken, daß die drei oder vier Zitate, die Sie seit Beginn der Diskussion wie Schlaghämmer benutzen und die Sie, Herr Kollege Stark, heute um ein „Dingsbums" -Zitat ergänzt haben, mit dem Entwurf, über den heute entschieden werden soll, im Grunde überhaupt nichts zu tun haben.
Sie machen die Zitate ja überhaupt nur hammerfähig mit kleinen Kunstgriffen, indem Sie Äußerungen unabhängiger Sachverständiger oder weit entfernt liegende Meinungsäußerungen in Erklärungen und Bekundungen der Bundesregierung umfunktionieren. Das geschieht selbst nach der siebten Distanzierung von einem Satz im Vorblatt einer Vorlage.
— Lieber Herr Kollege Stark, das ist der eine berühmte Satz, von dem Sie nun schon etwa sechs Jahre lang leben.
Ich habe Ihre Kunstfertigkeit ja bewundert, wie Sie aus einem Satz mit zwölf Worten monate- und jahrelang Honig saugen. Über die Substanz Ihrer eigenen Auffassung sagt das allerdings wenig und viel zugleich.
Im übrigen: Es gab einen Kaiser, der sprach von Sozialdemokraten als vaterlandslosen Gesellen. Der Vorsitzende der CDU hat auf dem Ludwigshafener Parteitag im Oktober 1978 dann geschmackvoller Weise von den geschichtslosen Gesellen gesprochen. Wenn man Ihnen zuhört, fehlt jetzt nur noch das dritte Stichwort von den familienlosen Gesellen, die solche Vorschläge und solche Anregungen unterbreiten.Warum reden Sie eigentlich so wenig zu den konkreten Streitfragen? Die wichtigste Streitfrage ist doch sicher die, ob die geltenden Rechtsnormen über das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, die nach dem Jahr 1870 entworfen und 1896 verabschiedet worden sind, jetzt nach fast 100 Jahren überhaupt geändert werden sollen. Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien sagen: Ja. Funktion und Struktur der Familie haben sich in diesen hundert Jahren gewandelt. Das Grundgesetz hat außerdem auch für das Eltern-Kind-Verhältnis neue Maßstäbe gesetzt. Die alten Vorschriften — so sagen wir — entsprechen deshalb nicht mehr den heutigen Anforderungen.Die Opposition sagt zu dieser Kernfrage im Grunde: Nein. Sie meint: Laßt uns den Ausdruck „elterliche Gewalt" durch „elterliche Sorge" ersetzen, ein paar kleinere Korrekturen vornehmen und im übrigen alles so lassen, wie es ist.Aber wer will denn eigentlich im Ernst leugnen, daß die Familie im letzten Jahrhundert in allen Industriestaaten einen tiefgreifenden Funktions- und Strukturwandel durchgemacht hat? Heute ist eben die Familie, in der nur die Eltern und Kinder zusammenleben, die Regel — nicht mehr die Großfamilie. Ebenso ist die Familie heute zumeist eben nicht mehr Produktionsgemeinschaft wie vorher über Jahrhunderte, ja, über Jahrtausende. Heute ist sie in sehr starkem Maße eine Freizeit- und eine Konsumgemeinschaft. Die weit fortgeschrittene Trennung der Produktion von der Familie, die Verlagerung der Produktionstätigkeit in den außerfamiliären Bereich hat sicherlich die Möglichkeiten familiären Erlebens vermindert und der Familie Funktionen genommen. Aber zugleich hat diese Veränderung die Hoffnung auf Chancengleichheit, auf Selbstverwirklichung, auf personale Lebens- und auch Liebesgemeinschaft gesteigert. Sie bietet auch neue Chancen, diese Hoffnung in der Familie zu verwirklichen. Damit steht nämlich die stärkere Orientierung der Familie auf den Innenbereich und die Gefühlswelt im Vordergrund.Aber ist denn das ein Nachteil? Ist das eine Entwicklung zum Schlechteren? War denn die Großfamilie des 17. und 18. Jahrhunderts, eingebunden in hierarchische und ständische Ordnungen, wirklich der Hort der Persönlichkeitsentwicklung und der Freiheit?
Ich komme zur Entwicklung der Funktion der Familie. Ich meine, die Familie hat heute vor allem zwei Funktionen zu erfüllen. Da ist einmal ihre Mittlerfunktion zwischen Individuum und Gesamtgesellschaft. Die Familie verklammert den einzelnen mit allen übergreifenden sozialen Strukturen, übrigens auch — das darf hier einmal von dieser Stelle aus gesagt werden — mit den transzendentalen.Für die Entwicklung der nachfolgenden Generationen leistet die Familie Unersetzliches und Unverzichtbares; denn die Verhaltensweisen, ohne die eine demokratische Gesellschaft auf Dauer nicht bestehen kann, müssen zuallererst in den entscheidenden Phasen der Kindheit und der Jugend in der Familie vermittelt, erlernt, ja, eingeübt werden.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12029
Bundesminister Dr. VogelIn der Familie erfahren das Kind und der junge Mensch, wie Spannungen abgebaut und Meinungsverschiedenheiten bereinigt werden. Es prägt das Kind, ob dies durch patriarchalischen oder elterlichen Machtspruch oder im Regelfall durch das Gespräch geschieht, in das die Kinder ihrem Alter entsprechend allmählich mit einbezogen werden.
Schon deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ist die von Ihnen so sehr bekämpfte neue Regel des § 1626 Abs. 2 Satz 2 StGB, derzufolge die Eltern Fragen der elterlichen Sorge mit dem Kind besprechen und Einvernehmen anstreben, soweit es nach dem Entwicklungsstand des Kindes angezeigt ist, ein Gebot der Vernunft, fast möchte ich sagen: eine Selbstverständlichkeit.
Welche Alternative, Herr Kollege Dr. Stark, sehen Sie denn eigentlich zu dieser Selbstverständlichkeit?
Neben dieser Mittlerfunktion steht die individuelle, auf das Individuum bezogene Stabilisierungsfunktion. Natürlich steht die Familie insoweit auch in einer dialektischen Spannung zur Gesellschaft, namentlich zum Arbeitsleben. Gerade daraus zieht sie einen Gutteil ihrer Lebenskraft. Die Familie befriedigt Bedürfnisse, die in einer durch Technisierung, Rationalisierung, ständigen Wandel und wachsende Vielfalt der Kontakte geprägten Umwelt sonst zu kurz kommen und deren Unerfülltbleiben das menschliche Dasein verkümmern ließe und ärmer machte.
Die Stabilität der Innenbeziehung, die Liebesgemeinschaft in der Familie geben dem einzelnen Halt und Zuflucht. Sie sichern dem einzelnen feste Bezugspunkte und die Identität seiner Person in einer sich rasch, wahrscheinlich für menschliche Maßstäbe allzu rasch wandelnden gesellschaftlichen Umwelt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ich soeben über die Entwicklung der Struktur und der Funktion der Familie vorgetragen habe, sind keine modischen Zeitströmungen. Das sind keine Entwicklungen, die etwa die Familie als solche in Frage gestellt oder sie haben brüchig werden lassen. Nein, die Familie ist unentbehrlich wie eh und je. Sie ist auch nicht brüchig. Brüchig geworden ist etwas ganz anderes, nämlich die patriarchalische Ordnung der Familie, die einseitig an der Herrschaft des Vaters oder der Eltern orientiert war.
Brüchig geworden ist das im wesentlichen auf Befehl und. Gehorsam gegründete Familienleitbild früherer Jahrhunderte.
— Aber Herr Kollege Stark, die Tatsache, daß Sie auf diese Dinge selbst nicht eingegangen sind, sondern sich im Vordergrund bewegt haben, berechtigt Sie jetzt doch nicht zu solchen Zwischenrufen; ich halte das nicht für gut.
Es wäre dankenswert gewesen, wenn sich gerade Sie, Herr Stark, und andere Sprecher der Opposition mit diesen Gedankengängen auseinandergesetzt hätten, wenn Sie uns gesagt hätten, in welchen Punkten Sie denn ein anderes Familienbild haben und Sie die Entwicklung anders sehen.
Manche von Ihnen innerhalb und außerhalb des Parlaments — nicht alle — bekämpfen den Entwurf doch gerade deshalb mit solcher Lautstärke, weil sie diesen Wandel leugnen, weil sie einfach nicht stark genug sind, sich der veränderten Wirklichkeit und ihren Herausforderungen zu stellen,
weil Ihre Nostalgie, meine Damen und Herren, Sie nicht beflügelt, sondern lähmt.
Aber nicht der schützt die Familie, der vor geschichtlichem Wandel die Augen verschließt; schützen kann sie nur, wer auf neue Fragen neue Antworten gibt, wer neuen Gefahren mit neuen Abhilfen auf Grund der Realität begegnet.
Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es neuer Regelungen bedarf, ist doch entgegen den hier aufgestellten Behauptungen keine mutwillige Erfindung sogenannter Systemveränderer.
Neue Regelungen haben neben vielen anderen doch schon 1970 der Deutsche Caritasverband und 1973 die Familienrechtskommission des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland gefordert.
— Nein, eben nicht nur bezüglich des § 1666, sondern in großer Breite.Der Bundesrat — da haben Sie recht — hat die Beseitigung des Verschuldenserfordernisses in der Bestimmung des § 1666 schon 1967 verlangt, und
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12030 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Dr. Vogeldie Anhörungen vom September und vorn Novemer 1977 haben doch all das, was ich gerade sage, noch einmal unterstrichen.
Soll ich Ihnen die Liste der zehn Organisationen vorlesen, die Veränderungen und eine Reform —unbeschadet gewisser Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen —
bejaht haben?Und wenn dies alles nicht reicht, noch ein weiteres Beispiel dafür: Zuletzt ist diese Veränderungsbedürftigkeit in Thesenform sogar von Herrn Dr: Happe, dem zuständigen Beigeordneten des Deutschen Städtetages, auf Ihrem rechtspolitischen Kongreß, auf dem rechtspolitischen Kongreß der CDU im Mai 1978 in Karlsruhe, betont worden. Seine dort vorgetragene These lautet: Eine Reform des im BGB der Jahrhundertwende kodifizierten Rechts der elterlichen Sorge ist notwendig, um die Konsequenzen aus der Entwicklung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Bereich Familie, Eltern und Kinder zu ziehen. — Ist nun vielleicht Herr Dr. Happe auch ein Familienzerstörer? Dies alles ist doch nur Ausdruck der Vernunft und der praktischen Erfahrung, gerade auch in Ihren eigenen Reihen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gerne.
Bitte sehr, Herr Dr. Lenz!
Herr Bundesminister der Justiz, empfinden Sie nicht einen gewissen Widerspruch zwischen Ihrer Kritik an dem Kollegen Stark, dieser habe Sachverständige zitiert, die man der Bundesregierung nicht zurechnen könne, und Ihrem Zitieren eines Sachverständigen, der uns nicht zuzurechnen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber, lieber Herr Kollege Lenz, erstens besteht ja zwischen den Verwendungen der Argumente ein ganz erheblicher Unterschied, und außerdem ist es doch ein Faktum, daß Herr Dr. Happe, von Ihnen zu Ihrem Kongreß eingeladen, dort diese Thesen vorgetragen hat und bei der Abstimmung über diese Thesen durchaus nicht vereinzelt geblieben ist, sondern einen sehr starken und deutlichen Anhang von CDU-Mitgliedern gefunden hat. Ich finde dies ja großartig. Ich verteufele den Mann nicht; ich lobe ihn ja. Dies ist, glaube ich, der Unterschied.
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, zu diesem Thema nicht mehr, Herr Stark, vielleicht zu einem anderen Thema.
Wir haben ja sonst auch Gelegenheit zum Meinungsaustausch.Was bleibt denn eigentlich an konkreten Einwendungen? Im Grunde nur die Behauptung, die neuen Bestimmungen gäben dem Staat zuviel Eingriffsbefugnis, die Familie werde verstaatlicht, das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern werde verrechtlicht, Eltern und Kinder würden in einen Gegensatz gebracht, und — bis zum Überdruß — die Familie werde zerstört. Mehrere Sprecher sind dem schon entgegengetreten. Ich beschränke mich deshalb auf drei Kernpunkte des Entwurfs.Erstens. Der alte § 1666 BGB ließ das Kind dann schutzlos, wenn sein Wohl ohne Verschulden der Eltern gefährdet wurde. Die Neufassung schließt diese Lücke. Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, in dem vom Wächteramt des Staates gegenüber der elterlichen Kindererziehung und -pflege die Rede ist, erlaubt diese Regelung nicht nur, sondern gebietet sie geradezu. Denn der Sinn des staatlichen Eingriffs in den Fällen, in denen anders nicht geholfen werden kann, ist doch nicht die Bestrafung der Eltern, sondern der Schutz des Kindes, das nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts als Grundrechtsträger, als Wesen mit eigener Menschenwürde auch in diesen Fällen einen Anspruch auf Schutz hat. Den Satz:Das Vormundschaftsgericht nimmt das Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft wahr, dessen verfassungsrechtlicher Sinn es ist, objektive Verletzungen des Wohls des Kindes zu verhüten, unabhängig von einem Verschulden der Eltern.hat das Bundesverfassungsgericht schon 1959 formuliert. Die Kritik geht also vollständig ins Leere.Im übrigen machen Sie von der Argumentation, das Bundesverfassungsgericht habe dies oder jenes gesagt, einen durchaus selektiven Gebrauch. Ich würde gerade auch in diesen Fällen eine größere Nähe zu Ihrer sonstigen Argumentation empfehlen.Wenn übrigens in diesem Zusammenhang ein Vorwurf berechtigt ist, dann ist es eher der, daß diese schon 1959 geforderte Neuregelung erst jetzt, im Jahr 1979, zustande kommt.
Der Vorwurf, dies sei eigentlich reichlich spät, kann durchaus erhoben werden, und zwar sowohl für die Zeit vor 1969 als auch — was ich fairerweise sagen möchte — für die Zeit danach.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12031
Bundesminister Dr. VogelVon einer Übermacht des Staates ist hier auch nicht eine Spur zu finden. Das haben ja dankenswerterweise inzwischen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und auch der Familienbund deutscher Katholiken ausdrücklich anerkannt.
— Aber, lieber Herr Stark, ich lese sie Ihnen gern vor. Zu § 1666 sagen die, das sei eine erfreuliche Entwicklung und ein Fortschritt, und das könne man bejahen. Es gibt sogar schon die ersten Zuschriften von katholischen Dekanaten, wo man aufgefordert wird, endlich zuzustimmen und das Ganze zu verabschieden.
— Aber! Entschuldigung, Herr Dr. Stark! Ich polemisiere doch überhaupt nicht.
— Lieber Herr Kollege Stark! Erstens empfehle ich, ganz vernünftig miteinander zu reden.
— Ja, das gilt auch für Sie. Freilich, da haben Sie recht, Herr Kollege Erhard.
— Sie haben ja nachher das Wort.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, wären Sie vielleicht so freundlich, dem Kollegen Stark die neuen Stellungnahmen des Familienbunds der Diözese Rottenburg /Stuttgart und Freiburg und der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen von Baden-Württemberg als Lektüre zu empfehlen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies will ich gern tun. Ich werde überhaupt eine ganze Reihe von Lektüreempfehlungen für den Kollegen Stark geben. Darunter wird sich auch dieser Text befinden.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns das doch in aller Ruhe behandeln.
Könnten wir vielleicht auf das Thema zurückkommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies sollte man wiederholen. Der Vorsitzende unseres Rechtsausschusses, maßgebender Rechtspolitiker der Union, hat Wert darauf gelegt, daß hier zur allgemeinen Kenntnis kommt, daß in dieser und anderen Fragen die Union keineswegs ein verlängerter Arm der Kirche sei. Dies sollte, glaube ich, allgemein zur Kenntnis genommen werden. Es gilt aber auch umgekehrt, nicht wahr, Herr Kollege Lenz.
Keine Zwischenfrage!
— Herr Kollege, Sie haben nicht das Wort zu einer Zwischenfrage. Bitte, fahren Sie fort, Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut. — Zweitens. Die neue Bestimmung des § 1626 Abs. 2 sagt:Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewußten Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.Diese Bestimmung halten Sie, wenn ich das auch heute richtig verstanden habe, für schlimm und ablehnungswürdig. Sie finden dabei — das muß ich ausdrücklich sagen — auch draußen in Stellungnahmen, auch in von mir zitierten Stellungnahmen, Unterstützung; auch dort wird besorgt gefragt und kritisiert. Sie halten dies für ein gesetzlich verordnetes Erziehungsleitbild, das das Elternrecht aushöhle. Nun frage ich mich: Was wollen Sie damit eigentlich angreifen? Die angebliche Verbindlichkeit gibt es doch gar nicht, auch nicht auf dem Weg über den § 1666 BGB.
Solange das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird,mögen Eltern diese wie auch andere pädagogischeGrundsätze außer acht lassen. Das Wohl des Kin-
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12032 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Dr. Vogeldes erfordert es durchaus nicht, daß die Eltern alle pädagogischen Grundsätze unentwegt befolgen. Wird aber im Einzelfall das Wohl des Kindes gerade dadurch gefährdet, daß die Eltern jede Diskussion etwa auch mit dem älteren, einsichtsfähigen Kind grundsätzlich ablehnen, dann wäre es abwegig, das Kind eben deshalb in diesem speziellen Fall schutzlos zu lassen.
Ich sehe also nicht, wie Sie die These von der Verrechtlichung pädagogischer Grundsätze — —
— Herr Kollege Stark, ich setze mich doch mit Ihrer Argumentation auseinander. Wenn Sie Ihre eigenen Argumente jetzt für „Pappkameraden" halten, dann ist das Ihre Bewertung, aber doch nicht mein Wort.
Ich fürchte auch, Herr Kollege Stark, Ihr Angriff richtet sich primär nicht so sehr gegen die Verbindlichkeit, sondern gegen den Inhalt der beiden Sätze.
— Ja, gut. Sie haben an dieser Stelle gesagt, Sie hätten auch Zweifel hinsichtlich des Inhalts. Das ist aber schlechterdings nicht zu verstehen.Ich verlese Ihnen zu dieser Frage einige Sätze aus einer Rede, die anläßlich des internationalen Jahres des Kindes anfangs dieses Jahres von einem Manne mit unbestrittener Autorität gehalten wurde. Der Mann sagte unter anderem: „Wenn diese Institution so handelte, betrachte sie, ohne deshalb immer den neueren Begriff ,Rechte des Kindes anzuwenden, tatsächlich das Kind nicht als nutzbares Individuum, nicht als Objekt, sondern als Subjekt mit unveräußerlichen Rechten, als eine Persönlichkeit, die zu ihrer Entfaltung geboren wird, die einen eigenen Wert, eine einmalige Bestimmung besitzt." Und: „Von den Rechten des Kindes sprechen heißt in Wahrheit, von den Pflichten der Eltern und Erzieher sprechen, die im Dienst des Kindes — man höre: im Dienst des Kindes — und seiner höheren Interessen stehen. Aber das heranwachsende Kind muß auch selbst an seiner Entwicklung Anteil haben, indem man ihm Verantwortung überträgt, die seinen Fähigkeiten entspricht." — Genau das bringt der neue Absatz des § 1626 zum Ausdruck. Der Mann, der das sagte, ist immerhin kein geringerer als Papst Johannes Paul II.
Der Gedanke, um den es hier geht, ist es durchaus wert, als Orientierungshilfe in einem Gesetz unserer Republik zu stehen. Ich meine, er schmückt sogar ein Gesetz, das wir uns in dieser Republik geben.
Ebenso haben wir doch gemeinsam in das Gesetzgeschrieben, daß Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind. Gegen diesen Satz könnte man doch von Ihrem Standpunkt aus genauso sagen, hier werde eine Verrechtlichung in das Eltern-Kind-Verhältnis getragen.Drittens. § 1631 a Abs. 2 ermächtigt das Vormundschaftsgericht, das Wächteramt des Staates dann zur Geltung zu bringen, wenn die Eltern offensichtlich keine Rücksicht auf Eignung und Neigung des Kindes nehmen — offensichtlich — und dadurch die Besorgnis begründet wird, daß die Entwicklung des Kindes nachhaltig und schwer beeinträchtigt wird. Auch das lehnen Sie ab, weil es zu sehr in das Elternrecht eingreife. Aber läßt es sich denn überhaupt noch als Erziehung oder gar als Pflege eines Kindes ansehen und passen denn die Ausdrücke überhaupt noch, wenn die mangelnde Rücksichtnahme auf Eignung und Neigung des Kindes offensichtlich ist und deshalb eine nachhaltige und schwere Beeinträchtigung seiner Entwicklung zu besorgen steht?Übrigens ist für Sie die folgende Gedankenassoziation sicherlich nicht unsympathisch: Das Königreich Preußen gab bis 1900 Kindern vom 14. Lebensjahr an sogar das Recht, jede elterliche Berufsentscheidung durch einen förmlichen Antrag beim Vormundschaftsgericht anzufechten. Im damaligen Preußen hielt man das Kind in diesem Zusammenhang offenbar für besonders schutzwürdig. Stimmt es nicht den einen oder anderen — nicht alle, um Gottes willen — von Ihnen nachdenklich, daß Sie im Gegensatz dazu dem Kind die gesteigerte Schutzwürdigkeit in diesem Zusammenhang völlig aberkennen wollen, also noch nicht einmal in diesem — —
— Aber ich bitte Sie um alles in der Welt, glauben Sie wirklich, daß man im obrigkeitsstaatlichen Preußen die Autorität des Vaters — von Eltern war doch überhaupt noch keine Rede — in einem Punkte schwächen oder in Frage stellen wollte? Gerade im Gegenteil! Selbst dort hat man gesagt, die Abwägung der Interessen zeigt, daß man dem Kind vom 14. Lebensjahr an in dieser Frage einen Schutz geben muß, der über § 1666 hinausgeht.Im übrigen, in Österreich ist dies unbestritten geltendes Recht. Auch Ihre Kollegen von der Österreichischen Volkspartei denken nicht im Traum daran, darin eine Zerstörung der Familie oder einen Eingriff in das Elternrecht zu sehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle anderen Kontroversen — da stimme ich den Rednern auch der Opposition zu — erscheinen mir weniger bedeutsam und zum Teil auch nicht leicht verständlich. Mir ist auch nach den heutigen Darlegungen nicht klargeworden, warum Sie der ausgewogenen Regelung zum Schutz von Pflegekindern, die längere Zeit in einer Pflegestelle gelebt haben und dort heimisch geworden sind, im Ausschuß nicht Ihre Zustimung gegeben haben.
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— Entschuldigung, Herr Stark. Ich bitte Sie, jetzt machen Sie doch nicht solche kindischen Zwischenrufe! Welche Minister Ihrer Regierungen haben denn in den Ausschußsitzungen gesessen? Herr Lenz würde das ja als Belästigung empfinden, wenn ich in jeder Ausschußsitzung säße. Was soll denn das? Das ist doch kindisch. Also, bitte!
— Jetzt wollen wir doch wieder zur Sache zurückkehren.
Verehrter Herr Kollege, ich meine, wenn jemand rügt, macht das der Präsident!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wundere mich ein bißchen. Herr Kollege Wittmann hat schon gesagt, er verzichtet auf einen Ordnungsruf. Nun fangen Sie auch noch an. Wir wollen uns doch ganz bedeckt halten.
— Ich habe ja nicht gesagt, es sei kindisch, daß Sie auf meine Anwesenheit als Dauererscheinung eher vorsichtig reagieren würden. Das habe ich ja nicht gesagt.
Ich komme zum Thema zurück. Tatsache ist, Sie haben der Regelung, die zu diesem Punkt vorlag, nicht zugestimmt, Sie haben sich der Stimme enthalten. Ich bekenne offen, ich habe nicht verstanden, warum. Ich hoffe, Sie reparieren das in der zweiten Lesung. Es scheint ja ein Antrag vorzuliegen, wenn ich es richtig verstanden habe, mit dessen Hilfe man sich wenigstens in diesem Punkt noch zusammenfinden kann.
Wenn Sie wirklich etwas gegen das ausdrückliche Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen einwenden — warum sagen Sie dann andererseits, „Achtung" muß aber hineingeschrieben werden? Dies ist selbst für fortgeschrittene Verfassungsjuristen und gutwillige Zuhörer wahrscheinlich kaum mehr richtig auseinanderzuklauben.
Wie dem auch sein, der Entwurf, über den das Parlament jetzt zu befinden hat, ist in fast sechsjähriger Beratung — es sind im Grunde sechs Jahre — ausgereift. Er ist — ich stehe nicht an, dies auch mit Blick auf die Opposition ausdrücklich zu sagen — reifer als die Vorlage des Jahres 1973; aber das ist ja auch der Sinn parlamentarischer Beratung.
Ich weiß nicht, wie man aus dieser Feststellung immer Anklagen zu schmieden versucht.
Namens der Bundesregierung danke ich allen, die an diesen Beratungen teilgenommen und sie gefördert haben: innerhalb des Parlaments vor allem den Mitgliedern der zuständigen Ausschüsse, außerhalb des Parlaments den Kirchen und den beteiligten Verbänden und Sachverständigen, ebenso dem Bundesrat. Ich bin auch dankbar dafür, daß die Mitwirkung der zuständigen Beamten des Bundesjustizministeriums hier Anerkennung und Würdigung gefunden hat. Ich schließe mich dem an.
Die Bundesregierung ist mit dem Ergebnis all dieser Bemühungen zufrieden. Das neue Gesetz läßt die natürlichen Rechte und Pflichten der Eltern unberührt. Es begreift sie als elterliche Verantwortung, als elterliche Sorge und stärkt sie ebenso wie den Schutz des Kindes.
Ich meine, dieses Gesetz ist ein angemessener Beitrag zu den weltweiten Anstrengungen gerade im Jahr des Kindes. Namens der Bundesregierung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf.
Das Wort hat der Abgeordnete Hasinger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr. Minister Vogel hat vor allem im Einleitungsteil seiner Rede die Schlachten des vorigen Jahrhunderts geschlagen.
Die Entwicklung, die er gezeichnet hat, beispielsweise weg von der patriarchalischen Familie, hat sich doch seit langen Jahrzehnten, und zwar unter dem geltenden Recht, vollzogen. Sie hat sich ungehindert vollzogen, weil sich dieses Recht mit einigen wenigen notwendigen Bestimmungen im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern begnügt. Von einigen allseits unbestrittenen Änderungsnotwendigkeiten abgesehen, ist es — das möchte ich hier sagen — eigentlich ein liberales Recht, das wir haben. Im Gegensatz dazu sage ich, daß die leitbildartige Festschreibung von Erziehungsstilen, beispielsweise wie sie jetzt von den Koalitionsfraktionen durchgesetzt werden soll, gerade das Gegenteil eines liberalen Gesetzes darstellt.
Ich hätte es interessanter gefunden, Herr Minister Vogel, wenn Sie sich mit einigen aktuellen jugendpolitischen Alarmzeichen auseinandergesetzt hätten, die uns alle aufhorchen lassen sollten. Ich will einige nennen: eine nicht zu unterschätzende Flucht junger Menschen in den Alkohol, eine zur Zeit Gott sei Dank rückläufige, aber um so ernster zu nehmende Zahl junger Drogenabhängiger, wobei besonders bedenklich ist, daß zunehmend harte Drogen wie Heroin unmittelbar als Einstiegsdroge genutzt werden, oder die erschreckend hohe Zahl von Jugendlichen, die keinen Schulabschluß besit-
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12034 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Hasinger zen, aber auch nicht bereit sind, die zahlreichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Angebote zu nutzen. Oder ein letztes Beispiel: der Zustrom zu Jugendsekten, deren Mitglieder, Anhänger und Interessenten die Bundesregierung auf 130 000 bis 150 000 Personen schätzt. Dies sind nur einige beispielhafte Probleme, um die wir uns heute kümmern müssen.Es stellt sich im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf die Frage, ob das vorliegende Gesetz irgend etwas zur Lösung dieser Probleme beiträgt. Diese Frage ist eindeutig mit Nein zu beantworten.
Der Gesetzgeber und die Bundesregierung sollten ihre Zeit besser darauf verwenden, sich etwa um die Wohnungsnot kinderreicher Familien und um die mangelhaften Spielmöglichkeiten in den Städten zu kümmern; denn immer noch müssen Kinder zwischen Garagen statt auf Grünflächen spielen.Es wäre viel sinnvoller, wenn sie sich damit beschäftigten könnten, wie die allzu frühe Vereinzelung der Kinder in den Schulen durch die Auflösung des Klassenverbandes wieder rückgängig gemacht werden könnte.
Völlig zu Recht hat bei den Anhörungen der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes festgestellt:Viele Fehler und manche mißbräuchliche Anwendung des Rechtes der elterlichen Sorge resultieren aus Uninformiertheit und Unkenntnis der Eltern, nicht aus bösem Willen. Viele Fehler entstehen aber auch aus sozialen und wirtschaftlichen Zwängen, die kaum durch Rechtsvorschriften auszuräumen sind.Hier, Herr Bundesminister, liegen die Aufgabenfelder der Regierung, aber auch der Länder und der Gemeinden, wie zuzugeben ist. Wir brauchen mehr sachkundige, nicht ideologische Information der Eltern über die Entwicklung des Kleinkindes, wie sie beispielsweise — das ist ein Beispiel, das Sie vielleicht aus Ihrer früheren Tätigkeit erfreuen wird in süddeutschen Städten mit den Peter-Pelikan-Briefen frühzeitig geleistet wird. Wo bleibt die verstärkte Förderung von Elternseminaren durch freie und kommunale Träger? Um hier nur einiges zu nennen.Die Bundesregierung spricht im Zusammenhang mit der Drogen- und Alkoholszene und den Jugendsekten von einer zunehmenden Identitätsverwirrung. Nicht wenige Jugendliche, so die Bundesregierung, fänden sich in der Vielfalt der Identifikationsmöglichkeiten nicht mehr zurecht, seien emotional verunsichert und bereit, sich rückhaltlos und total für Gegengruppen zu entscheiden.Ich räume gern ein, daß es sich hier um Entwicklungen handelt, die zum Teil weiter zurückreichen. Wer etwa die Erzählung „Unordnung und frühes Leid" von Thomas Mann kennt, kann auch für die Weimarer Zeit Symptome der Orientierungslosigkeit bei Jugendlichen feststellen. Gerade diese Orientierungslosigkeit hat der Nationalsozialismus in gewissenloser Weise ausgenutzt. Aber dann kann doch die Antwort heute, in unserer Zeit nicht darin bestehen, Bindungen abzubauen, sondern muß darin bestehen, Bindungsbereitschaft, Zuneigung, Verantwortungsbewußtsein, Pflichtbewußtsein, Liebe zwischen Eltern und Kindern zu stärken.
Wir haben auch die Pflicht — und das beziehe ich auf alle Anwesenden in diesem Haus —, deutlich zu machen, daß Kinder in erster Linie nicht Last sind, sondern Freude und Glück für die Eltern bedeuten.Die Familie als Institution darf nicht in derart schrankenloser Weise diskreditiert werden, wie dies in den letzten Jahren geschehen ist.
Wir brauchen eine Stärkung der Familie als Institution. Dabei verstehen wir Familie nicht als eine in sich abgekapselte Zelle, deren Wände dann in der Tat für die Heranwachsenden zu eng werden müßten. Familie soll vielmehr, um mit den Worten des Ludwigshafener Grundsatzprogramms der CDU zu sprechen, offen sein für ihre Verantwortung im Gemeinwesen.Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen nützt diesen hier bezeichneten jugend- und familienpolitischen Aufgaben unserer Zeit nicht, weil er im Grunde von einem ideologischen Leitbild ausgeht, das der Familie mißtrauisch und ablehnend gegenübersteht.
Natürlich müssen heranwachsende Kinder Luft haben, damit sie sich zu selbständigen Persönlichkeiten entwickeln können. Aber dies alles ist doch nicht justitiabel, Herr Kollege Kuhlwein. Das BGB kann kein Lehrbuch der Pädagogik sein.
Aber auch dort, wo das geltende Recht wirklich verbessert werden muß, hat uns der Koalitionsentwurf im Stich gelassen. Dies gilt insbesondere für das Recht der Pflegekinder. Es war der Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, der hier einstimmig, übrigens nicht auf Initiative der SPD, Verbesserungen gefordert hat. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß Eltern oder Mütter, die ihr Kind im Kleinkindalter in ein Heim oder in eine Pflegefamilie gegeben und sich dann nie mehr darum gekümmert haben, dieses Kind jederzeit ohne Rücksicht auf die inzwischen gewachsenen Bindungen wieder zu sich zurückholen können. Ich anerkenne gern, was hier schon in einer früheren Rede, ich glaube, von Herrn Kollegen Engelhard, gesagt worden ist, daß es vor allem die frühere Bundestagsabgeordnete Frau Lüdemann gewesen ist, die sich verdienstvollerweise besonders intensiv um dieses Problem gekümmert hat. Wenn in Gerichtsurteilen steht: „Die Mutter hat zwar ihr Kind jahrelang verlassen, daraus ist ihr aber kein Vorwurf zu machen, denn sie wußte, es ist ja gut versorgt im Heim", dann muß eine solche Rechtsprechung der Vergangenheit angehören.
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HasingerDer Rechtsausschuß hat mit den §§ 1630 Abs. 3 und 1632 Abs. 4 Bestimmungen beschlossen, die hier künftig Abhilfe schaffen wollen. Wir möchten mit unserem Antrag zu § 1632 Abs. 4 — den ich hier gleichzeitig mitbegründe — noch einen Schritt weiter im Interesse des Pflegekindes gehen. Kernpunkt unseres Antrages ist es, die zwischen Kind und Pflegeeltern durch ein seit längerer Zeit bestehendes Familienpflegeverhältnis gewachsene Bindung nicht zum Schaden des Kindes zu zerstören. Fehlende Bindungsfähigkeit gehört zu den Erziehungsdefiziten unserer Zeit, und der Gesetzgeber muß dafür sorgen, daß bei Pflegekindern, die ohnehin oft zu den Benachteiligten gehören, nicht ohne Not Bindungslosigkeit entsteht. Sicherlich kann auch ein junger Baum behutsam umgepflanzt werden. Wenn aber seine Wurzeln abgerissen werden, so wird er verdorren.§ 1632 Abs. 4 in der vorliegenden Fassung nimmt auf die Voraussetzungen von § 1666 Bezug. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob seinerzeit — bei der Weggabe des Kindes in die Familienpflege —die Voraussetzungen des § 1666 vorgelegen haben, vielmehr ist maßgebend — und dies möchte ich hier festhalten —, ob das Rückgabeverlangen selbst eine wesentliche Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge oder unverschuldetes Versagen der leiblichen Eltern darstellt. Da eine körperliche oder geistige Gefährdung wohl selten nachgewiesen werden kann, kommt hier der Gefährdung des seelischen Wohls des Kindes besondere Bedeutung zu. Ich möchte auch ganz eindeutig sagen, daß bereits in der Zerstörung der gewachsenen Bindungen eine mißbräuchliche Ausübung des Sorgerechts oder ein unverschuldetes Versagen liegen kann, wenn dadurch seelische Fehlentwicklungen zu besorgen sind. Dabei werden Dauer und Intensität der Bindungen zwischen dem Kind und den Pflegeeltern eine Rolle spielen. Je jünger das Kind bei Begründung des Pflegeverhältnisses war, um so intensiver werden in der Regel diese Beziehungen sein. Auch die Frage, in welchem Maße die Beziehungen des Kindes zu den leiblichen Eltern aufrechterhalten worden sind, wird eine Rolle spielen. Unser Änderungsantrag soll deutlich machen, daß auch bei Wegfall des seinerzeitigen Anlasses zur Begründung des Pflegekindverhältnisses dem Vormundschaftsgericht die Anordnung des weiteren Verbleibs in der Pflegefamilie möglich ist.Ein letzter Punkt. Irreführend wird von der Koalition behauptet, das vorliegende Gesetz trage zur Verhütung von Kindesmißhandlungen bei. Dazu einige Fakten. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahre 1977 1 749 Fälle der Mißhandlung von Schutzbefohlenen registriert. Diese Zahl ist seit 1973 etwa konstant. Klar ist — und darüber dürfte es allseits Einvernehmen geben —, daß jeder einzelne dieser Fälle zuviel ist.
Hinzu kommt, daß es gerade bei diesem Delikt einehohe und besonders bedauerliche Dunkelziffer gibt.Wir müssen alles tun, daß diese hilflosen Kinder,die im wahrsten Sinne wehrlose Opfer sind, nicht mehr allein gelassen werden.
Jeder Kenner der Materie weiß allerdings, daß diesmit gesetzlichen Maßnahmen nicht zu erreichen ist.
Damit es auch in der Öffentlichkeit keinerlei Mißverständnisse gibt: Wer Kinder mißhandelt, der wendet nicht eine unzulässige, entwürdigende Erziehungsmaßnahme an, wie dies die Koalition jetzt irreführend in das Bürgerliche Gesetzbuch schreiben will, sondern der macht sich strafbar, und dies hat ja auch in der Debatte schon eine Rolle gespielt.
Die Bundesregierung selbst sagt — ich zitiere jetzt die Bundesregierung; wenn Sie Ihre eigene Regierung desavouieren wollen, Herr Kollege Emmerlich, dann können Sie ja hier heraufkommen und können das tun —,
daß das Problem bei der Bekämpfung von Kindesmißhandlungen nicht an einem Mangel an geeigneten Strafvorschriften — wörtlich —, sondern an der Begrenztheit der tatsächlichen Aufklärungs- und Beweismöglichkeiten liegt. Hier muß deshalb an der Ursache angesetzt werden.
Wir müssen durch Aufklärung, durch Information, durch Beratung gegen derartige emotionale Fehlsteuerungen von Eltern vorgehen.In diesem Zusammenhang darf ich einen positiven Hinweis geben auf die Einrichtung einer Zentralen Beratungsstelle für Kindesschutz, die zugleich Meldestelle für Kindesmißhandlungen ist, in Rheinland-Pfalz.Ein Letztes, was mir besonders bedeutsam erscheint und was wir in dem Entschließungsantrag für die dritte Lesung, den ich ebenfalls. gleich mit begründe, niedergelegt haben: Wir müssen erkennen, daß es in der Öffentlichkeit eine zu geringe Bereitschaft gibt, eindeutige Fälle von Kindesmißhandlungen dem Jugendamt oder einer anderen zuständigen Stelle zu melden, und zwar einfach deshalb, weil man sich Schwierigkeiten ersparen will. Wir wollen keinem Denunziantentum das Wort reden, aber wir alle, meine Damen und Herren, müssen an das Verantwortungsbewußtsein jedes einzelnen appellieren, in offenkundigen Fällen die Zivilcourage aufzubringen, im Interesse eines hilflosen Kindes zu der zuständigen Stelle zu gehen. Ich fände es gut, wenn der Deutsche Bundestag dies als eindeutigen Appell in Form einer gemeinsamen Entschließung festhalten würde. Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuhlwein.
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12036 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Debatte jetzt mit dem letzten Beitrag wieder etwas sachlicher geworden ist, möchte ich mich auf eine Vorbemerkung beschränken. Einige der Redner der Opposition, insbesondere der Kollege Dr. Stark , haben erneut hier in diesem Haus das Schauergemälde des zweiten Familienberichts entworfen,
und deswegen ist es notwendig, hier noch einmal darauf hinzuweisen,
daß die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum zweiten Familienbericht deutlich gemacht hat, daß sie sich in ihrer Familienpolitik eindeutig auf den Artikel 6 des Grundgesetzes bezieht.
— Warten Sie einmal ab, Herr Dr. Stark, bevor Sie Ihre Zwischenfrage stellen, weil ich Ihnen noch etwas zu sagen habe. — Bei Ihnen ist das nicht ganz so sicher, beziehungsweise uns wundert es, daß sich einge aus Ihren Reihen ihre Haltung zum Familienbericht in den letzten Jahren von Grund auf überlegt und sie geändert haben. Da gibt es nämlich, nachzulesen im Protokoll der Bundestagssitzung vom 22. Mai 1975, eine bemerkenswerte Bemerkung der Kollegin Frau Dr. Wex, die im Wortlaut so heißt:
Der Bericht der Sachverständigenkommission, die das Generalthema „Leistung und Leistungsgrenzen der Familie im Erziehungs und Bildungsprozeß der nachwachsenden Generation" behandelt, verdient Anerkennung. Die Analysen und die gesellschaftspolitischen Vorschläge des Berichts lassen ein hohes Maß an wissenschaftlicher Kompetenz und politischer Unabhängigkeit erkennen, obwohl auch innere Widersprüche nicht zu übersehen sind.
Dann kritisiert die Frau Kollegin Dr. Wex im Verlauf ihrer Rede, daß die Bundesregierung den Vorschlägen des Familienberichts nicht folgt, meine Damen und Herren. Nun kann das doch heute nicht Teufelswerk sein, was Sie vor vier Jahren noch so gelobt haben in diesem Hohen Hause.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich habe nur zehn Minuten Zeit. Deswegen sollten wir die Diskussion um diese Frage versachlichen. — Das war meine Vorbemerkung.Eltern sind, meine Damen und Herren, häufig unzureichend auf ihre Erziehungsaufgabe vorbereitet. Schulstreß und überzogene Leistungserwartungen im Elternhaus fördern psychische und physische Störungen bei Kindern. Rund 30 000 Kinder jährlich werden von ihren Eltern mißhandelt, für viele endet die Mißhandlung tödlich, und über die Dunkelziffer hat der Kollege Hasinger hier schon etwas gesagt.Über 20 000 Kinder und Jugendliche laufen jährlich von zu Hause weg, 86 Kinder begingen 1977 Selbstmord, über 300 junge Menschen sind 1976 di- rekt oder indirekt durch Drogen ums Leben gekommen. Tausende von Straftaten werden jährlich von Kindern begangen.Meine Damen und Herren, das sind einige Zahlen und Fakten aus dem Programm der nationalen Kommission zum Internationalen Jahr des Kindes, und auch das ist gesellschaftliche Wirklichkeit in der Bundesrepublik, die mitdiskutiert werden muß, wenn über das Verhältnis Elternrecht — Kindesrecht — Wächteramt des Staates debattiert wird. Da kann man nicht so tun, als gebe es hier nichts mehr zu regeln. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Hasinger, die Kinder, um die es hier geht, hatten zum größeren Teil auch Eltern und Familien, in denen ihnen nicht Recht geworden ist.Sie haben gesagt, die gesetzlichen Formulierungen, um die es heute hier geht, änderten an den Problemen nichts, Herr Kollege Hasinger. Ich darf das zurückgeben: Ihre Änderungsanträge zu den Vorschriften, die wir heute beschließen wollen, ändern an den Problemen mit Sicherheit überhaupt nichts.Wir wollen die Lage der Kinder in unserer Gesellschaft verbessern, und dazu gibt es viele Ansätze. Einer davon findet sich im Recht der elterlichen Sorge, über einen anderen werden wir heute nachmittag reden, und ein dritter ist der Entwurf für ein neues Jugendhilfegesetz. Da hätten wir dann gern die Unterstützung insbesondere des Kollegen Hasinger, der hier ja vorgetragen hat, daß neue Regelungen — auch gesetzliche Regelungen — für eine Verbesserung des jugendpolitischen Klimas in unserer Gesellschaft insgesamt notwendig seien.Mit der abschließenden Beratung des Rechtes der elterlichen Sorge wird der Deutsche Bundestag heute jedenfalls einen wichtigen Beitrag zum Jahr des Kindes leisten. Wir wollen mit dem neuen Sorgerecht das Recht des Kindes auch gegenüber den eigenen Eltern stärken, soweit diese ihren Pflichten nicht nachkommen, und wir erfüllen damit die Forderung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung von 1968, wonach das Kind selbst als Grundrechtsträger Anspruch auf den Schutz des Staates hat. Die Unionsfraktion führt hier den bekannten ideologischen Eiertanz auf, bei dem sie ihre besseren Einsichten verdrängt, um das Pulver für kommende Wahlkämpfe trocken zu halten. Wir werden Sie dennoch nicht aus Ihrer Verantwortung entlassen, sich hier heute in der Abstimmung zu entscheiden.
Im § 1626 Abs. 2 BGB fordern wir die Eltern auf, bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu bzw. nach selbständigem, verantwortungsbewußtem Handeln zu berücksichtigen. Sie sollen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge besprechen undDeutscher Bundestag — 8. Wahlperiode. — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12037KuhlweinEinvernehmen anstreben. Die CDU hat die Streichung dieses Paragraphen beantragt. Sie lehnt diesen Appell an die Eltern ab, weil das Verhalten der Eltern gegenüber den Kindern nicht in Form eines Leitbildes festgelegt werden und den Eltern nicht ein bestimmter Erziehungsstil vorgeschrieben werden solle. Nun geht es hier, Herr Kollege Hasinger, aber überhaupt nicht um Stilfragen, sondern es geht um Inhalte der Erziehung. Es geht nicht um die Frage der Bestimmung der religiösen Kindererziehung. Es ist seit 1921 gesetzlich geregelt, von wann an die Kinder insoweit selbst bestimmen dürfen, und in diesem Gesetz wird dazu überhaupt nichts Neues gesagt. Hier geht es darum, ob das Kind als Partner ernstgenommen wird und ob es, wie im Grundgesetz garantiert, seine Persönlichkeit entfalten kann. Der Kollege Stark nennt so etwas „verrückte Vorschriften". Ich habe geglaubt, Herr Kollege Stark, wir hätten Konsens darüber, daß junge Menschen in unserer Gesellschaft zu mündigen Staatsbürgern erzogen werden sollen.
Die Katholische Junge Gemeinde hat das im Februar 1978 in einem Positionspapier wie folgt beschrieben:Die Familie ist ein Miniaturbild der Gesamtgesellschaft. Daher können in ihr nahezu sämtliche sozialen Fähigkeiten in der Eltern-Kind-Beziehung gelernt werden. Anpassungs-, Widerstands-, Konflikt- und Kooperationsfähigkeit sowie demokratische Willensbildung sind Grunderfahrungen, zu denen partnerschaftliches Erziehungshandeln verhelfen kann. Die Familie soll ein demokratisches Sozialisationsfeld sein, in dem aktive Teilhabe erlernt werden kann.Dies ist also nicht von wildgewordenen Jusos so formuliert worden, sondern von der Katholischen Jungen Gemeinde im Frühjahr 1978!
Meine Damen und Herren, ich will noch ein zweites Problem ansprechen. § 1631 Abs. 2 BGB erklärt entwürdigende Erziehungsmaßnahmen für unzulässig. Auch diese programmatische Norm, die als Appell an die Eltern zu verstehen ist, ist nicht mit Sanktionen bewehrt. Auch dieses Leitbild hält die Union für überflüssig. Herr Kollege Stark, Sie behaupten, damit werde Unsicherheit erzeugt, und die Norm könne zu unverantwortlichen Anzeigen ermutigen. Gleichzeitig wird dann von der Opposition das Maß an Kindesmißhandlungen in unserer Gesellschaft beklagt! Wir haben es uns mit dieser neuen gesellschaftlichen Normsetzung nicht leichtgemacht. Wenn das Kind ein eigener Grundrechtsträger ist, gilt auch für das Kind das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Achtung seiner Menschenwürde. Deshalb haben viele engagierte Verbände draußen, vom Juristinnenbund bis zum Bund derDeutschen katholischen Jugend, ein ausdrückliches Verbot der Gewaltanwendung in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern gefordert. Wir haben uns für die Ächtung aller entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen entschieden, nicht nur unangemessener körperlicher Züchtigung, sondern auch seelischer Repressionen. Ich bedaure es ein wenig, daß wir hier keine klarere Sprache gefunden haben. Der schwedische Reichstag hat dazu im Jahr des Kindes mehr Mut gezeigt, indem er im März mit Stimmen aus allen Fraktionen bei insgesamt nur sechs Gegenstimmen beschlossen hat: „Ein Kind darf nicht körperlicher Bestrafung oder einer anderen kränkenden Behandlung ausgesetzt sein."
Dennoch glaube ich, daß wir mit der neuen Norm langfristig gesellschaftliches Bewußtsein und gesellschaftliche Verhaltensweisen verändern können. Wir sind uns einig, Herr Kollege Hasinger, daß die Norm im Gesetz allein dieses Verhalten nicht wird ändern können. Aber Norm und Bewußtseinsprägung auch in der Öffentlichkeit, zu der auch wir Politiker aufgerufen sind, können sehr wohl langfristig Verhalten und Bewußtsein beeinflussen. Wenn die Union befürchtet, mit dieser Norm entstünden Unsicherheit und Auslegungskonflikte, dann sagen Sie doch mit uns den Menschen draußen im Lande, daß körperliche und seelische Strafen in pädagogischer, psychologischer, soziologischer und medizinischer Hinsicht keine angemessenen und erfolgversprechenden Erziehungsmittel sind. Oder soll in den Familien vielleicht weiterhin pädagogisch sinnvoll sein, was wir aus guten Gründen in der Schule abgeschafft haben, und zwar quer durch die Republik?Meine Damen und Herren, die Deutsche Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychiatrie kommt zu dem Ergebnis, körperliche Züchtigung bedeute Hilflosigkeit des Erziehers, und zwischen der Ohrfeige und der schweren Mißhandlung eines Kindes gebe es in dieser Hinsicht keinen grundsätzlichen Unterschied. Geschlagene Kinder seien seelisch gefährdete Kinder. Wie will man eigentlich jungen Menschen deutlich machen, daß Gewalt kein legitimes Mittel ist, um Forderungen durchzusetzen, wenn sie selbst Objekte legitimierter Gewalt gewesen sind? Hier trägt das Gesetz vielleicht doch etwas zur Linderung und Veränderung bei.Zu den entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen im Sinne des § 1631 Abs. 2 gehören sicherlich auch psychische Strafen, wie sie von Frau Peschel-Gutzeit beschrieben worden sind: brutale Arten von Liebesentzug, seelische Aussetzung des Kindes, die immer wieder gezeigte Ablehnung, die Ein- und Aussperrung des Kindes oder die Nötigung. In jedem Fall handelt es sich um den Versuch, Kinder gefügig zu machen, keineswegs um Lebenshilfe und schon gar nicht um Erziehung.
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12038 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
KuhlweinGerade weil der Unterschied zwischen Züchtigung und Mißhandlung fließend ist, kann ich es nicht verstehen, daß jemand, der Kindesmißhandlungen engagierter verfolgen möchte, gleichzeitig das Züchtigungsrecht der Eltern unbeeinträchtigt erhalten will. Ich appelliere deshalb an alle, die es mit den Grundrechten unserer Kinder ernst meinen und der Gesellschaft im Jahr des Kindes einen neuen Denkanstoß geben wollen, der im Rechtsausschuß gefundenen Formulierung zur Ächtung entwürdigender Erziehungsmaßnahmen zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neuregelung der elterlichen Sorge ist eines der wichtigen großen Vorhaben, die in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden. Obwohl dies ein ausgesprochen familienpolitisches Thema ist, liegt die Federführung wegen der Einbindung, in das Bürgerliche Gesetzbuch dennoch bei den Juristen im Rechtsausschuß. Ich mache kein Hehl daraus,. daß es mir lieber gewesen wäre, wenn die Federführung bei uns im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gelegen hätte. Dem Kollegen Stark ist es offensichtlich entgangen, daß wir mitberatend waren. Anders ist seine etwas leichtfertige Bemerkung nicht zu verstehen, daß ich z. B. nicht dabeigewesen sei.
Die Auseinandersetzungen im Plenum und in der Öffentlichkeit überzeichnen, wie ich meine, einen Gegensatz zwischen der Koalition und der Opposition, wie er in den Ausschußberatungen in der Realität nicht vorhanden war. Die Beratungen in den Ausschüssen zeigten unterschiedliche Meinungen nicht nur zwischen Koalition und Opposition, sondern auch zwischen Familienpolitikern und Rechtspolitikern. Ich meine, das war ein positives Beispiel für das Ringen um eine gute Lösung in diesem Bereich. Wenn das jetzt nach einigen Beiträgen der CDU/ CSU nicht so deutlich wird, dann liegt das an dem Wunsch der Opposition nach Außenwirkung, daran, daß man vielleicht, wie es vorhin mein Kollege Kuhlwein gesagt hat, das Pulver trockenhalten will. Der Stil der internen Auseinandersetzungen beim Suchen nach den besten Lösungen hebt sich jedenfalls meiner Überzeugung nach positiv von dem ab, was hier teilweise geboten wurde.Der Hauptangriff der Opposition richtet sich immer wieder gegen eine angebliche Verletzung des Elternrechts oder dagegen, wie es der Kollege Dr. Stark sagte, daß der staatliche Einfluß erweitert werden soll. Es wird der Eindruck erweckt, daß das Elternrecht über dem Kindesrecht steht. Nach unserer Meinung ist das Elternrecht aber ein Schutzrecht der Eltern gegen Beeinflussung durch die Gesellschaft und durch den Staat. Eltern vertreten ihre Kinder so weit, wie diese das nach dem Stand der Entwicklung nicht selbst tun können; Kinder sind Träger eigener Grundrechte. Wenn man, wie derKollege Dr. Stark, die Grundrechte in den Bereich von Tarifpartnern, von Vereinen, verweist, stehen nach meiner Meinung nicht wir neben dem Grundgesetz. Der Staat hat ein Wächteramt zum Schutz dieser Grundrechte des Kindes. Von einigen Eltern hört man leider noch vereinzelt den Satz, der nicht Maßstab der Eltern-Kind-Beziehung sein darf und kann: Solange du deine Beine unter meinen Tisch streckst, bestimme ich.
Dieses Gesetz ist auch kein Vorreiter, um das Bewußtsein der Bevölkerung zu verändern, sondern dieses Gesetz vollzieht nur das nach, was bereits gesellschaftliche Realität ist.
Eltern sind vernünftiger und fortschrittlicher als das zur Zeit geltende Recht. Deswegen ändern wir dieses Gesetz.An zwei Neuregelungen darf ich das deutlich machen. In § 1618 a in der Fassung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses heißt es: „Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig." Ich meine, das ist bisher manchmal etwas zu kurz gekommen. Rechte und Pflichten bedingen sich gegenseitig.
Beide Teile, Eltern und Kinder, haben Rechte, aber auch Pflichten.Eine weitere Vorschrift, die ich anführen möchte, ist § 1634: „Der Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, und der Personensorgeberechtigte haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen beeinträchtigt oder ... erschwert." Wir wissen, daß die Realität bei geschiedenen Ehen anders ausschaut, daß oft versucht wird, die Kinder gegen den anderen Ehepartner einzunehmen. Der vorgesehene § 1634 macht das für diese Eltern riskanter. Ich glaube, diese Vorschrift zeigt sehr deutlich, auf was wir im Endeffekt hinaus wollen.Ich sprach am Anfang vom Wächteramt des Staates, der Gesellschaft, von der Aufgabe des Staates, die Grundrechte des Kindes zu schützen. Auch dafür will ich einige Beispiele bringen. Da ist zunächst einmal § 1631 Abs. 2 über die entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen. Ich gebe zu, daß das ein verhältnismäßig unbestimmter Begriff ist. Wie nötig aber eine derartige Regelung ist, erkennt man, wenn man die geprügelten, eingesperrten und an den Pranger gestellten Kinder sieht. Wir waren uns im Auschuß völlig im klaren darüber, daß es schwer ist, alle diese Fälle in einer Formulierung zu erfassen, daß man versuchen muß, in der Begründung nähere Erläuterungen zu geben.Ich bin allerdings der Meinung, daß „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen" in der Begründung etwas vorsichtig ausgelegt werden. Ich glaube sagen zu können, daß das Ganze in unserem Ausschuß über die Fraktionsgrenzen hinweg etwas weiter gesehen wurde. Für mich sind Körperstrafen eben unangemessen. Wenn ich auch nicht jeden Klaps gleich kriminalisieren will, so halte ich es doch nicht für
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12039
Eimer
glücklich, daß das Gewohnheitsrecht der Eltern auf Züchtigung in der Begründung erwähnt wird. Leider ist es ja richtig, daß das in unserem Lande Gewohnheit ist. Aber Recht ist es eben nicht.
— Ich glaube, dieser Zwischenruf ist für Ihre Einstellung Kindern gegenüber sehr bezeichnend.Ein weiteres Beispiel, das ich anführen möchte, ist § 1631 b. Er sieht vor, daß die Unterbringung eines Kindes, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ohne Genehmigung der Gerichte nicht zulässig ist. Kein Erwachsener darf ohne Gerichtsurteil eingesperrt werden. Warum sollten wir Kindern dieses Grundrecht vorenthalten? Ich kann mir ganz allgemein kaum vorstellen, daß die geschlossene Unterbringung von Kindern deren Erziehung förderlich ist.Lassen Sie mich zum Schluß noch § 1632 ansprechen, besonders dessen Abs. 4. Es geht um das Wohl der Pflegekinder. Ich möchte meinem Kollegen Hasinger ausdrücklich danken, daß er die Verdienste von Frau Lüdemann angesprochen hat. Wir wollten im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — auch wieder quer durch alle Fraktionen — etwas mehr erreichen, als jetzt im Gesetz festgelegt ist. Hier ging es aber wohl nicht so sehr um einen politischen Gegensatz zwischen Koalition und Opposition und wohl auch nicht so sehr um einen Gegensatz zwischen Rechtspolitikern und Jugendpolitikern, sondern um das Problem der grundgesetzkonformen Formulierung. Wir wollten den Schutz der Aufenthaltsfamilie vor allem im Interesse des Kindes stärken. Die Begründung im allgemeinen Teil des Ausschußberichtes macht aber deutlich, was wir alle wollen. Wenn sich die Kommentatoren an den Geist der Begründung halten, können auch die Familienpolitiker mit dieser Regelung zufrieden sein.Das wird noch dadurch verstärkt — ich nehme das dankbar zur Kenntnis —, daß ein Antrag der Opposition vorliegt, nach dem „auf Anlaß und Dauer" in § 1632 Abs. 4 in „auf Anlaß oder Dauer" umformuliert werden soll. Damit wird deutlich, daß Anlaß oder Dauer allein für eine Entscheidung des Gerichtes ausreichend ist. Die Begründung des Kollegen Hasinger zeigt deutlich, daß hier ein Punkt ist, wo Koalition und Opposition einig sind. Auch das sollte man einmal positiv erwähnen.Lassen Sie mich zum Abschluß sagen: Wir sind glücklich, daß im Verlaufe der Beratungen ein gutes Gesetz geschaffen wurde. Wir werden dem Gesetz zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Helmrich.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gehört, daß die Koalition mit ihrem Gesetzentwurf die Kinder und jungen Menschen schützen will, schützen will gegenüber den Eltern. Sie tut dies, indem sie den jungen Menschen vor dem Volljährigkeitsalter gesonderte Rechtspositionen aufbaut.Der Familienrechtler Gernhuber sagt dazu:In Wahrheit verfehlt bereits der Gedanke eines Widerstreits von Elternrecht und Freiheitsrechten des Kindes das Verhältnis, in dem familienrechtliche Fürsorge und Freiheitsbedürfnisse zueinander stehen.Der Familienrechtler Diedrichsen, heute hier schon zitiert, hält ebenfalls die von Ihnen immer wieder betonte Grundrechtsmündigkeit der Kinder, die im übrigen gar nicht bestritten wird, im Bereich des Familienrechts für ein Scheinproblem. Er hält ebenfalls die Schaffung von Gegenrechten für einen falschen Ansatz. Ich teile diese Auffassung.Wenn man sich aber Ihre Gesetzesbegründung, den Familienbericht und Ihre Vorstellungen von Familie und Gesellschaft näher ansieht, ergibt sich, daß Sie gar nicht anders können. Das erklärt auch, warum Sie gerade an den Stellen, an denen Sie die Gegenrechte formulieren, in den Beratungen so besonders verbissen gewesen sind, obwohl Sie uns sonst in sehr vielen Positionen nachgegeben und Abstriche an Ihrem ursprünglichen Konzept gemacht haben. Sie, die Koalition vermögen nämlich Gesellschaft und Familie — die Familie als eines der Strukturelemente von Gesellschaft — nur als soziale Felder gesellschaftlicher und familiärer Konflikte zu begreifen,
als Konflikt zwischen Herrschenden und Gewaltunterworfenen, als Konflikt zwischen den Bestimmenden und den Fremdbestimmten in Staat, Gesellschaft und Familie. Dementsprechend heißt es im Familienbericht auch, daß „die Familie derzeit in unserer Gesellschaft der soziale Ort sei, in dem das Kind dem Reglement relativ festgefügter Gruppenbeziehungen und Gruppenrollen der Herrschaft und Unterordnung ausgesetzt sei".Die Gleichartigkeit der Probleme und Konflikte in Staat und Familie wird noch deutlicher, wenn Reich die Familie als „autoritären Miniaturstaat" beschreibt, der die Herrschaftsverhältnisse immer wieder neu reproduziere. In sich logisch wollen Sie dementsprechend in Staat und Gesellschaft nach Ihrer Auffassung für die Gewaltunterworfenen Gegenmacht aufbauen und für die gewaltunterworfenen Kinder im Familienrecht Gegenrechte.Es ist auch typisch, daß Sie für die Begründung dieser Herrschaftsstruktur in der Familie immer wieder auf die gewaltsamen Kindesmißhandlungen hinweisen. Wie tief eingefleischt und wie verbreitet diese Vorstellung in den Reihen der SPD ist, wurde deutlich, als vor wenigen Wochen Herr Koschnick im Bundesrat über den Schutz junger Menschen sprach und schwörend ausrief:Unsere Verpflichtung geht dahin, Minderheiten zu schützen. Eine der wehrlosesten Minderheiten ist die Minderheit unserer Kinder.
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12040 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
HeimrichIn der Folgeliteratur heißt es dann, unsere Kinder seien das letzte Proletariat, das befreit werden müsse. Etwa 15 Millionen Minderjährige in der Bundesrepublik werden so zunächst als wehrloseste Minderheit abgestempelt, und dann müssen ihnen Gegenrechte aufgebaut werden.Dies ist ideologisch gesehen die eine Wurzel des Gesetzentwurfs, die neomarxistische Wurzel. Folgerichtig heißt es dann auch in der Äußerung der Bundesregierung zum Sachverständigenbericht auf Seite V — Herr Minister, nicht in der Äußerung der Sachverständigen, sondern in der Äußerung der Bundesregierung selbst —, daß die Bundesregierung die Familienpolitik als Aufgabe einer umfassenden strukturgestaltenden Gesellschaftspolitik versteht. Ob Strukturgestaltung oder Strukturveränderung — ich glaube, das macht keinen großen Unterschied.In den Vorschriften des § 1626 Abs. 2 BGB und des § 1631 a BGB werden nun als Gegenrechte das Anhörungsrecht, das Mitwirkungsrecht junger Menschen bei Fragen der elterlichen Sorge, also bei Erziehungsmaßnahmen — bei allen Erziehungsmaßnahmen! —, aufgebaut und der Elternpflicht zum Gespräch, zur Erklärung und zur Diskussion gegenübergestellt. Es heißt weiter: Sie sollen Einvernehmen anstreben.Dieses Verhaltensleitbild ist der erzieherische, der pädagogische Kern des Gesetzentwurfes: Konflikterhellung, Konfliktoffenlegung, Darstellung in der Diskussion der beiderseitigen Interessenlage und dann Konfliktausgleich und Konfliktabbau im Gespräch, in der Diskussion und, wenn die Familie es nicht schafft, durch Lehrer, durch sonstige geeignete Personen, notfalls durch den Richter.Dies zu vertiefen fehlt hier die Zeit, aber hierüber können Sie sowohl im Familienbericht als auch speziell über die pädagogische Funktion von Konflikten bei dem Sozialpädagogen Mollenhauer, Professor in Göttingen und Mitverfasser des Familienberichts, aber auch in der gesamten Literatur über Konflikt und Konfliktstrategie nachlesen.Bei diesem pädagogischen Konzept der Konfliktauflösung haben die Psychoanalytiker und die Psychotherapeuten Pate gestanden. Diese heilen den Kranken, speziell den Neurotiker, indem sie die nicht ausgelebten Konflikte, meist frühkindliche Konflikte, durch Unterdrückung und Verdrängung hervorgerufen, bewußtmachen, erhellen und dadurch die Konflikte auflösen. Derartige Gedanken, ins elterliche Sorgerecht als Verhaltensnorm hineingeschrieben, nennt Diedrichsen zu Recht voller Hohn — ich zitiere — eine „zivilrechtliche Verhaltenstherapie".Am publikumswirksamsten ist dieser neomarxistische und psychoanalytische Ansatz dieser Gesetzesreform von Marcuse in seinem Werk „Triebstruktur und Gesellschaft" zu der globalen Theorie von der repressiven Gesellschaft zusammengedacht worden. Das, was Herr Kuhlwein eben sagte, ging etwa indiese Richtung.
Die von mir genannten Vorschriften, in denen Gegenrechte ausgebaut werden, könnte man als ideologische Sumpfblüten oder, besser, als allzu späte kümmerliche Mauerblümchen des längst überholten antiautoritären Erziehungsstils abtun, wenn es sich dabei, wie der Herr Minister versuchte glauben zu machen, nur um formulierte Gebote der Vernunft handelte, wenn es sich nur um allgemeine unverbindliche Leitsätze oder Programmsätze handelte. Nur, genau das sind sie nicht. Sie sind im Zusammenhang mit dem Eingriffsparagraphen 1666 zu sehen, dessen Änderung auch wir wollen — wir haben dazu Formulierungen vorgelegt, die Sie abgelehnt haben —, und sie sind im Zusammenhang mit den Vorschriften des Jugendhilferechts zu sehen. Sie sollen im § 1666 zur Definition des Kindeswohls beitragen: Wer mit den Kindern nicht ausreichend diskutiert, verletzt seine Erziehungspflichten, wer seine Erziehungspflichten verletzt, gefährdet das Kindeswohl — ein sehr simpler Mechanismus.
— Herr Minister Vogel hat gesagt, wenn hartnäckig von den Eltern nicht diskutiert wird, dann ... Sie haben aus unserem Vorschlag zu § 1666 das Wort „erheblich" vor dem Begriff „gefährdet" herausgestrichen. Aber lassen Sie mich einen Moment weiter ausführen.Der Kollege Stark hat bereits darauf hingewiesen, daß in der Vorlage von 1974 die Tatsache, daß das sanktionsbewehrte Vorschriften sind, noch zugestanden war.
Lassen Sie mich deshalb zur Auslegung noch zwei Stimmen aus dem Hause des Justizministeriums hinzufügen.Herr Dr. Stöcker aus dem Justizministerium schreibt dazu in „Recht und Gesellschaft" 1974, S. 70:Bleibt darum die beschränkte Mündigkeit— gemeint ist das Mitspracherecht nach § 1626 Abs. 2 —ein Papiertiger, den die Eltern nicht zu fürchten brauchen? Dies anzunehmen wäre voreilig. Denn das Wohl eines Heranwachsenden ist stets gefährdet, wenn die Eltern das Mitspracherecht, das ihm im Rahmen der beschränkten Mündigkeit zusteht, nicht respektieren.
Herr Dr. Stöcker ist Mitverfasser des Gesetzentwurfs, Herr Dr. Schwenk, falls Sie das vergessen haben sollten.Die zweite Stimme aus Ihrem Haus, Herr Minister: Herr Dr. Knöpfel, der es ja eigentlich wissen müßte — er hat über ein Jahr lang das mit uns beraten —, schreibt in der „Zeitschrift für das gesamte Familienrecht" im Jahr 1977 auf Seite 607:
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HelmrichIm übrigen ist die Vorschrift keineswegs ohne jede Sanktion. Sie ist maßgeblich für die Auslegung des Rechts. Sie ist unmittelbar mit heranzuziehen, wenn aus anderen Gründen ein gerichtliches Verfahren in Betracht kommt. Sie ist auch bei den Maßnahmen der Jugendhilfe zu beachten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Zeit ist so sehr begrenzt, Herr Emmerlich. Ich bitte um Verständnis. Keine Zwischenfrage.
Die Eltern sollen diese Vorschrift also fürchten, die Gerichte sollen die Diskussionspflicht als Rechtspflicht beachten, und bei Maßnahmen der Jugendhilfe muß diese Vorschrift Berücksichtigung finden.
Und jetzt komme ich zu Ihren zwei Ebenen auf der Bühne, Herr Minister. Diese Vorschriften — deren Inhalt wir als Erziehungsprinzip bejahen, aber als gesetzliche Rechtspflicht ablehnen — brauchen Sie — und deshalb haben Sie so verbissen daran festgehalten — als Einstiegsluke zu dem Maschinenraum der umfassenden strukturpolitischen, strukturgestaltenden Gesellschaftspolitik.
— Nicht „finster"! Bei der Novellierung des Jugendhilferechts werden wir noch präziser darauf zu sprechen kommen.
Dies alles wirkt beim elterlichen Sorgerecht zum Schutz der Kinder zunächst einmal gegen die Eltern. Im Jugendhilferecht beziehen Sie dann die Eltern, die nicht genug diskutieren können oder wollen, in Ihren Schutz, Ihre Fürsorge und Ihre pädagogische Therapie ein. Die Bundesregierung hat ausdrücklich den verstärkten Einsatz von therapeutischen Kursen und Trainingskursen befürwortet. Es wurde auch schon erörtert, ob es das alles auf Krankenschein geben soll. Und wenn Sie dann erst einmal Kinder wie Eltern in den Trainingskursen, in gruppentherapeutischen Kursen und möglicherweise auf der Couch des Psychotherapeuten haben, betreiben Sie mit Ihrer ideologischen Heilserwartung die Umerziehung, schaffen die Herrschaft des Menschen über den Menschen ab und führen uns in die Glückseligkeit Ihres utopischen Sozialismus.
Man sollte solche Gesetze nicht mit einem so ideologischen Ansatz beginnen. Denn er beruht auf einem wirklichkeitsfremden Zerrbild von unserer Gesellschaft, auf einem wirklichkeitsfremden Zerrbild von unseren Familien und auf einer halsbrecherischen Utopie von einer zukünftigen konfliktfreien Gesellschaft.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Wir haben sehr viele Änderungsanträge. Es wird etwas lange dauern.Ich rufe Art. 1 Nr. 01 auf.Hierzu liegt auf der Drucksache 8/2808 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer dem Art. 1 Nr. 01 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2808 unter Ziffer 2 a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Damit ist auch der Antrag unter Ziffer 2 b des Änderungsantrages Drucksache 2808 erledigt.Wer Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 1 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2808 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 3 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 4 und 5 in der Ausschußfassung auf. Wer den Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 6 auf. Auf Drucksache 8/2808 unter Ziffer 4 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer dem Art. 1 Nr. 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 6 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 7 auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor.Ich rufe zuerst den Änderungsantrag auf Drucksache 8/2809 Ziffer 1 auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ge-
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12042 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Frau Rengergenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Damit sind auch die Anträge unter den Ziffern 2, 3 und 4 des Antrags Drucksache 8/2809 erledigt.Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2810 Ziffer 1 auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Damit sind auch die Anträge unter den Ziffern 2 bis 9 des Änderungsantrags auf Drucksache 8/2810 erledigt.Ich lasse nunmehr über Art. 1 Nr. 7 in der Ausschußfassung insgesamt abstimmen. Wer dieser Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 8 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2808 unter Ziffer 5 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist angenommen.Wer dem Art. 1 Nr. 8 in der so veränderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 9 in der Auschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 10 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 8/2808 unter Ziffer 6 a vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Damit ist auch der Antrag unter Ziffer 6 b des Änderungsantrags Drucksache 8/2808 erledigt.Wer Art. 1 Nr. 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 11 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 12 auf. Hier liegt auf Drucksache 8/2811 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Damit sind auch die Anträge unter den Ziffern 2 bis 8 des Änderungsantrages auf Drucksache 8/2811 erledigt.Wer Art. 1 Nr. 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU ist Art. 1 Nr. 12 in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 13 und 14 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 15 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 16 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 8/2812 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Damit sind auch die Anträge unter den Ziffern 2 bis 7 des Änderungsantrages auf Drucksache 8/2812 erledigt.Wer Art. 1 Nr. 16 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 17 und 18 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2813 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.Damit sind die Anträge unter den Ziffern 2 und 3 des Änderungsantrages auf Drucksache 8/2813 ebenfalls erledigt.Wer Art. 1 Nr. 17 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 17 ist in der Ausschußfassung mit Mehrheit gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Wer Art. 1 Nr. 18 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 18 in der Ausschußfassung ist mit Mehrheit angenommen.Meine Damen und Herren, wenn ich es richtig sehe, haben wir jetzt keine weiteren Änderungsanträge vorliegen, so daß wir über die folgenden Bestimmungen insgesamt abstimmen können. Ist das Ihre Meinung?
— Das ist nicht Ihre Meinung. Gut, dann fahren wir fort.Ich rufe Art. 1 Nr. 19 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 20 und 21 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12043
Vizepräsident Frau RengerIch rufe Art. 1 Nr. 22 bis 27 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 28 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 29 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 30 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, um ein Handzeichen. — Ablehnung? — Enthaltungen? — Gegen die CDU/CSU-Fraktion angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 30 a und b in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 30 c in der Ausschußfassung auf.' Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 30 d, 31 und 32 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU
— Ich bitte um Entschuldigung, das ging ineinander über. Ich darf bitte noch einmal wiederholen: Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe • Art. 1 Nr. 33 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 34 und 35 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 36 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen' wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen?— Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen,Ich rufe Art. 1 Nr. 37, 37 a, 37 b und 38 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe , Art. 1 Nr. 39 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 40 und 40 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 41 und 43 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 43 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 44 und 44 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 45, 45 a, 45 b und 46 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 47 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Gegen die Stimmen der CDU/CSU in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 48 und 48 a und Art. 2 Nr. 3 a und 5 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 2 Nr. 7 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 2 Nr. 8, Art. 3 und Art. 3 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe jetzt Art. 4 Nr. 7 a in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 8, 10 und 11 a in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 13 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 14 a, 15 a und 15 b in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe!— Enthaltungen? — In der Ausschußfassung einstimmig angenommen.
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12044 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Frau RengerIch rufe Art. 4 Nr. 16 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 4 Nr. 17 und 17 a und Art. 5 Nr. 1 und 2 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 5 Nr. 2 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 5 Nr. 3 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 5 Nr. 4 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 5 Nr. 4 a und 5 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 6 Nr. 2 und 2 a in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht,, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 8 §§ 1 a, 2 und 3 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 8 § 4 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Ich lasse jetzt über Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Das Gesetz ist damit in der zweiten Beratung angenommen. Wir treten in diedritte Beratungein. Dazu eröffne ich die Aussprache. Das Wort wird gewünscht. Herr Abgeordneter Erhard, Sie haben das Wort.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt unzweifelhaft Meinungsverschiedenheiten von Eltern über die konkreten Entscheidungen in der Erziehung der Kinder. Es gibt Meinungsverschiedenheiten und Differenzen zwischen den Eltern einerseits und ihren Kindern andererseits. Es gibt die Auflehnung des Kindes gegen die Eltern in vielen kleinen, größeren und wichtigen Angelegenheiten, im Trotzalter, in der Pubertät, ein üblicher und natürlicher Vorgang. Das wird durch kein Gesetz der Welt auszuschließen oder zu vermeiden sein, es sei denn, man schafft die Ehe ab, man schafft die Familie ab, man schafft die Erziehung ab und hofft, damit das endgültige Glück für jeden einzelnen zu schaffen, das Paradies, in dem jeder frei von Not, Angst und Zwang ist.Von solchen Traumvorstellungen, meine Damen und Herren, ist der vorliegende Gesetzentwurf frei. Es kann und soll nicht verkannt werden — es kann auch nicht übersehen werden —, daß zwischen den ursprünglichen Vorschlägen der Regierung und der Koalitionsfraktionen und den heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetzestexten ein weitgehender, ein tiefgreifender und wesentlicher Unterschied besteht.Ganz überwiegend sind die jetzt aufgeschriebenen Paragraphen und Veränderungen von der Sache her überflüssig. Es handelt sich zum großen Teil um Worthülsen, die eine Reform dort vortäuschen, wo keine stattfindet.
Gesellschaftsverändernde Absichten sind zu einem erheblichen Teil zusammengeschrumpft auf die Verpackung, auf die Aufschrift und die Garnierung. Dafür soll als Propagandainstrument das Bundesgesetzblatt ge- oder mißbraucht werden.Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen, obwohl das die dritte Lesung ist. Im geltenden Recht heißt es:Der Vater und die Mutter haben Kraft der elterlichen Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen.Jetzt soll es heißen:Der Vater und die Mutter haben das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen . Die elterliche Sorge umfaßt die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
Meine Damen und Herren, es sind Worte geändert, der materielle Inhalt ist absolut unverändert. Damit auch deutlich wird, daß sich in der Sache nichts ändern soll, heißt es in der Übergangsvorschriftich zitiere wörtlich —:In Bundesgesetzen treten jeweils in derselben sprachlichen Form an die Stelle
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12045
Erhard
der Worte „elterliche Gewalt" die Worte „elterliche Sorge",der Worte „elterliche Gewalt über" die Worte „elterliche Sorge für",der Worte „persönlicher Verkehr" das Wort „Umgang".
— Sicherlich stimmen wir dem zu; es ist eine Worthülse, gnädige Frau.
Aber damit kein Zweifel entsteht: schon heute wird der gesetzliche Wortlaut „elterliche Gewalt" seinem Inhalt nach als elterliche Sorge verstanden, beschrieben und in der Praxis angewendet. Über das Wort besteht kein Streit, aber wir lehnen — —
— Ach, Herr Wehner, ich komme noch auf Sie. —Über das Wort besteht kein Streit, aber wir lehnen eine solche überflüssige Gesetzesmacherei ab.Im Bundestag waren wir uns seither in allen Parteien darüber einig, daß im Wettbewerbsrecht Mogelpackungen unzulässig sind, weil dadurch der Verbraucher getäuscht wird. Bei der Gesetzgebung über das Familienrecht soll das jetzt offenbar anders sein.
Wenige Bestimmungen des Gesetzentwurfs bringen Klarstellungen und Veränderungen. Richtig ist die vom Rechtsausschuß eingearbeitete Änderung des Pflegekinderverhältnisses. Gewisse Bedenken bestehen noch im Bereich der unmittelbaren Eingriffsmöglichkeit des Staates. Aber damit ist die Reihe der grundlegenden Veränderungen, soweit man ihnen auch noch in möglichen Fällen zustimmen kann, schon am Ende.
— Herr Kollege Emmerlich, ich mache das so, wie es der Herr Justizminister gemacht hat. Er hat sich auf die wesentlichen Dinge konzentriert. Deshalb kann ich das ganz genauso tun, zumal in der dritten Lesung.Ablehnen aber müssen wir den sonstigen, noch übrigbleibenden Teil der Vorlage, ausgenommen die Vorschriften, die relativ wenig bedeuten. Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, festhalten: Wir sind der Meinung, das Recht der Eltern, die Erziehungsziele und -Inhalte für ihre Kinder selbst zu bestimmen, muß rechtlich gesichert sein.
Weder der Staat noch die Gesellschaft haben dasErziehungsziel festzusetzen. Wir bleiben dabei undsagen: Staatliche Eingriffe in die Familie, staatliche Bevormundung der Familie ist grundsätzlich abzulehnen. Nur beim Vorliegen wirklich gravierender Fälle ist der Eingriff in das Elternrecht zulässig. Die innerhalb einer Familie auftretenden Konflikte sind von ihr selbst zu lösen.Diesen Grundvorstellungen wird die Vorlage trotz der Änderungen auch heute noch nicht gerecht. Die angeblich sanktionslosen Programmbestimmungen sind die Vorgabe für das beabsichtigte Jugendhilferecht. Auf diesen Gesichtspunkt hat Herr Kollege Schwenk in seiner Handreichung für seine Fraktionskollegen in seinem Exposé vom 4. April dieses Jahres auch hingewiesen. Die Familie soll für öffentliche Einflüsse weiter geöffnet werden, und damit soll die Gesellschaft verändert werden. So sollen auch die Eingriffsmöglichkeiten erweitert werden.Familienpolitik ist für die SPD offenbar immer noch, wie auch Frau Eilers in ihrem Aufsatz zum 70. Geburtstag von Herrn Kollegen Dr. Schellenberg schrieb, integrierter Bestandteil der Gesellschaftspolitik. Deutlicher und noch entlarvender wird Thomas Nipperdey, Professor, Sozialdemokrat, der diese Vorstellungen wörtlich charakterisiert:Es geht um die Auflösung einer personalen Bindung durch Soziologisierung, und zwar mit pädagogischen Mitteln.Das Familienverständnis der SPD wird aus dem Orientierungsrahmen '85 deutlich; Herr Kollege Stark hat heute schon darauf hingewiesen. Hier heißt es — auch wieder wörtlich —:Dabei ist sie — die Familie —von Aufgaben zu entlasten, die kooperativ oder öffentlich besser erfüllt werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der wahre Sinn, das ist der Geist und das ist das Ziel, welche den hier vorgelegten Gesetzentwurf begleiten. Die Weichenstellungen, die jetzt noch übriggeblieben sind, sind vorsichtig, behutsam aufgeschrieben. Wieder einmal sind aber Sozialdemokraten dem Prinzip treu geblieben, Rechtsreform als Gesellschaftsreform zu nutzen. Diese Vorgabe hat hier im Plenum schon mehrfach zur Diskussion gestanden. Martin Hirsch, der jetzige Bundesverfassungsrichter, schrieb noch am 17. Dezember 1970, daß der Gesetzgeber Gesetze schaffen solle, die zum Ziele haben, soziologische Verhaltensmuster für die Zukunft zu umschreiben.Die gesellschaftsideologische Zielsetzung solcher Rechtspolitik hat die Zukunftsgesellschaft im Visier, und zwar die sozialistische Zukunftsgesellschaft. Dies läßt sich mühelos und konsequent zurückverfolgen auf das geradezu klassische Lehrbuch sozialistischer Gesellschaftstheorie von Karl Kautsky aus dem Jahre 1902. Er wollte durch die staatliche Ganztagsschule mit staatlicher Verköstigung der Kinder den Einfluß der Eltern und der Kirchen systematisch abbauen. Er empfahl, den Weg zur sozialistischen Gesellschaft in behutsa-
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Erhard
men und kleinen Schritten zu gehen, weil andernfalls zu viele Gruppen die Absicht erkennen, sich zusammenschließen und diesen Absichten machtvoll entgegentreten würden.Die Fabel vom Wolf und den sieben Geißlein fällt mir ein.
Erst nachdem der Wolf die Beine mit Mehl weiß gemacht und seine Stimme verändert hatte, indem er Kalk — hier muß ich sagen — gefressen hatte,
öffneten ihm die Geißlein die Tür, was sie ihm vorher verwehrt hatten.
Sie haben den Rat Kautskys, die kleinen Schritte zu gehen, mit Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf nicht befolgt. Ihr großer Vorsitzender Herbert Wehner hat dann dafür gesorgt, daß Sie zu den kleinen Schritten zurückgefunden, den Weg der Salamitaktik eingeschlagen und sich dafür der Zustimmung der großen Gruppen, vor allen Dingen der Kirchen, vergewissert haben.
— Sie machen kleine Schritte, das akzeptiere ich ja. Aber Sie machen anderes Gemüse. Der Unterschied zwischen dem Entwurf und der jetzt vorliegenden Fassung ist sicherlich bedeutend, wie ich schon sagte.Schließlich hat der große Vorsitzende Herbert Wehner aber Kautskys Schrift besonders empfohlen und neu herausgegeben. Im Vorspruch gibt er sein politisches Ziel offen an, nämlich die sozialistische Neugestaltung unseres Lebens. Vielleicht haben Sie inzwischen Ihre Sinne gewandelt, Herr Wehner. Folgen wir dem von Ihnen behutsam gestellten Schienenweg, so wird das Ende des Weges ein anderes sein, als wir es für die Freiheit unserer Bürger, unserer Kinder und Familien wollen.
Diesen Weg müssen Sie allein gehen.Reform als Gesellschaftsreform, Gesellschaftsveränderung durch Bewußtseinsveränderung muß Ihr Anliegen und Ihre Sache bleiben. Beides dient nicht den Menschen, beides dient nicht einer freiheitlichen Gesellschaft. Das Recht und die Rechtsordnung sollen aber diesen Menschen helfen, ihnen schützend und fördernd dienen. Weil das durch diesen Gesetzentwurf in der Richtung nicht mehr stimmt, lehnen wir den Entwurf ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir Herrn Erhards Märchenstunde und die Fabel vom Wolf und den sieben Geißlein mit Vergnügen genossen haben, gestatten Sie mir, daß ich nunmehr zu der Ihnen vorliegenden Gesetzesvorlage zurückkehre. Meine Absicht ist es, Ihnen die Motive und Hintergründe, die uns bei diesem Gesetzentwurf geleitet haben,
zu verdeutlichen.
— Ich glaube nicht, daß das gefährlich wäre. Es ist unangenehm für Sie, diese Absichten so hinzunehmen, wie das ein ehrlicher Mann von einem anderen tut. Sie sind offenbar darauf angewiesen — ich bedaure das sehr —, die notwendigen Auseinandersetzungen über notwendigerweise unterschiedliche Meinungen und Positionen nicht zu führen, sondern ihnen auszuweichen, indem Sie Popanze aufbauen, Gespensterschlachten durchführen. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß es Ihnen unmöglich ist, die Sachdiskussion mit uns aufzunehmen und zu bestehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein wichtiges Ziel der Familien- und Jugendpolitik, das Recht auf Pflege und Erziehung für alle Kinder durchzusetzen. Um dieses' Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, einerseits die Erziehungskraft der Familie zu stärken und andererseits den Schutz gefährdeter Kinder zu verbessern.
Zu diesem Ziel kann und muß das Recht der elterlichen Sorge einen wichtigen Beitrag leisten. Dieser Beitrag wird mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf erbracht.Maßstab und Rahmen für das Recht der elterlichen Sorge ist das Grundgesetz, nicht nur weil wir als Gesetzgeber selbstverständlich an die Verfassung gebunden sind, sondern weil wir Sozialdemokraten den Wertungen der hier einschlägigen grundgesetzlichen Vorschriften voll zustimmen, weil wir sie voll für richtig halten.Das Grundgesetz stellt die Familie unter den besonderen Schutz des Staates und legt fest, daß Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern, aber auch die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht ist, über deren Bestätigung die staatliche Gemeinschaft zu wachen hat. Über die Bedeutung und die Tragweite dieser grundgesetzlichen Regelung sind insbesondere im Verlauf der Diskussion um das Recht der elterlichen Sorge manche Fehlinterpretationen entstanden und verbreitet worden. Art. 6 des Grundgesetzes gewährleistet das Elternrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder als ein natürliches, d. h. der staatlichen Rechtsordnung vorgegebenes, der staatlichen Verfügungsbefugnis nicht unterliegendes Recht. Art. 6 stellt aber gleichermaßen die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder fest. Elternrecht und Elternpflicht sind gleichgewichtig, gleichrangig und bedingen einander. Nach Art. 6 ist es die Aufgabe und damit die Verpflichtung des Staates, dar-
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Dr. Emmerlich 'über zu wachen, daß das Elternrecht respektiert und die Elternpflicht erfüllt wird. Der Charakter des Elternrechts als eines natürlichen, nicht vom Staat gewährten, sondern von ihm zu gewährleistenden Recht schließt allerdings rechtliche Regelungen der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern nicht aus. Das staatliche Wächteramt macht dagegen Regelungen notwendig, die Eingriffe in das Elternrecht zum Zwecke der Erfüllung der Elternpflicht ermöglichen. Wer den vorliegenden Gesetzentwurf kritisiert, sollte überprüfen, ob er alle Elemente des Art. 6 Elternrecht, Elternpflicht und staatliches Wächteramt ausgewogen berücksichtigt oder ob er nicht vielleicht das Elternrecht überbetont und die Elternpflicht und das staatliche Wächteramt zu gering bewertet.Bei der Ausgestaltung des Rechts der elterlichen Sorge — darauf ist mehrfach hingewiesen worden, und ich wiederhole das, weil mir diese Hinweise bei Ihnen nicht recht angekommen zu sein scheinen — ist nicht nur Art. 6, sondern auch zu beachten, daß Kindern die Grundrechte unserer Verfassung ebenso wie Erwachsenen zustehen. Im Verhältnis zu Dritten, im Außenverhältnis, nehmen die Eltern diese Grundrechte ihrer Kinder kraft des ihnen zustehenden Sorgerechts wahr. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Innenverhältnis, also das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, ein grundrechtsfreier Raum ist. Daraus folgt insbesondere: Auch bei der Erziehung gilt, daß die Menschenwürde des Kindes unantastbar ist und daß ihm das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zusteht.
— Ich freue mich darüber und bin dafür dankbar, daß wir in diesen grundsätzlichen Fragen offenbar einer Meinung sind. Ich halte das im Interesse unseres gesamten Staates, unserer Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande, für überaus wichtig.Für die Gerichtsverfahren, die Angelegenheiten des Kindes betreffen, ergibt sich aus der Grundrechtsfähigkeit der Kinder, daß sie den Anspruch auf rechtliches Gehör selbständig wahrnehmen können müssen, soweit das ihre geistige Reife zuläßt.
— Herr Erhard, dies ist für mich keine Randfrage dieses Gesetzentwurfs, sondern das ist einer der zentralen Punkte, eines der zentralen Anliegen dieses Gesetzentwurfs.
Bei unseren Bemühungen im Recht der elterlichen Sorge, Elternrecht, Elternpflicht, das staatliche Wächteramt sowie die Grundrechtsfähigkeit des Kindes ausgewogen zu berücksichtigen, haben wir uns stets von unserer Überzeugung leiten lassen, daß Pflege und Erziehung der Kinder prinzipiell in der eigenen Familie am besten möglich sind, daß die Familie besser als jede Einrichtung bzw. Institution dazu in der Lage ist. Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern und die Liebe der Kinder zu Vater, Mutter und Geschwistern sind durch nichts zu ersetzen. Eine Familie, in der diese gegenseitige Zuneigung, diese innige emotionale Bindung besteht, gibt dem Kinde die Geborgenheit, die Sicherheit und das Vertrauen, die die beste Voraussetzung dafür sind, daß es seine Persönlichkeit entfalten kann und zu sozialem Verhalten befähigt wird.Diese Einsicht darf uns aber keineswegs den Blick dafür verstellen, daß es Eltern gibt, die ihre Elternpflicht nicht erfüllen. Allerdings dürfen wir andererseits an die Eltern auch nicht absolute, vom Menschen im täglichen Leben nicht zu erfüllende Ansprüche stellen. Unser Maßstab darf auch kein theoretischer sein, selbst wenn er wissenschaftlich begründet wird, und schon gar nicht, wenn er sich nur ein wissenschaftliches Gewand zugelegt hat. Wer handelt, macht Fehler. Auch Eltern machen Fehler und sind nicht in der Lage, den Ansprüchen, die sie an sich selbst stellen und die an sie gestellt werden dürfen und müssen, immerzu und alle Zeit hundertprozentig gerecht zu werden.Trotzdem sind unsere Kinder bei ihren Eltern gut aufgehoben, besser als bei jedem anderen. Im übrigen sind die Möglichkeiten des Staates, Erziehungsfehler auszugleichen, unübersehbar begrenzt und in der Regel nur in ganz schwerwiegenden Fällen gegeben. Weil das alles so ist, garantiert Art. 6 des Grundgesetzes zu Recht den Eltern gegenüber dem Staat den Vorrang als Erziehungsträger.Die Summe dieser auf das Grundgesetz und unsere Grundauffassung von der Familie gestützten Erwägungen hat zu der Ihnen vorliegenden Ausformulierung der Tatbestände geführt, die staatliche Eingriffe in das Elternrecht in den Ausnahmefällen erlauben, in denen die Elternpflicht grob mißachtet wird und ein solcher Eingriff zum Wohl des Kindes erforderlich und möglich ist. Diese Erwägungen, insbesondere die Berücksichtigung dessen, daß dem Kind „als Grundrechtsträger eigene Menschenwürde und ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit" zukommt — jetzt habe ich wörtlich aus dem 4. Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juli 1968 zitiert —, müssen auch in den Bestimmungen des Rechts der elterlichen Sorge ihren Niederschlag finden, in denen der Inhalt der elterlichen Sorge konkretisiert wird.In dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf ist das insbesondere in den bereits mehrfach kontrovers diskutierten Bestimmungen der §§ 1626 Abs. 2 und 1631 Abs. 2 dadurch geschehen, daß ausgeführt wird, daß Eltern bei der Pflege und Erziehung der Kinder das wachsende Bedürfnis und die wachsende Fähigkeit zu selbständigem, verantwortungsbewußtem Handeln berücksichtigen sollen und daß sie, soweit das nach dem Entwicklungsstand des Kindes angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge mit dem Kind besprechen sollen, um möglichst ein Einvernehmen herzustellen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage des Gesetzentwurfs zu beachten, daß entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig sind.
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12048 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Dr. EmmerlichDie Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat die ersatzlose Streichung dieser beiden Bestimmungen beantragt. Mir ist dieser Antrag unverständlich.
Der Bundesminister der Justiz hat in seiner Rede heute morgen bereits aus einer Ansprache von Papst Johannes Paul II. vom 9. März 1979 zum Jahr des Kindes zitiert. In dieser Aussage des Papstes findet sich als die Haltung der katholischen Kirche das wieder, was den Inhalt der beiden Bestimmungen in § 1626 Abs. 2 und § 1631 Abs. 2 ausmacht. Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, diese Haltung der katholischen Kirche richtig zu würdigen.Ich bitte Sie, dabei auch folgendes zu erwägen. Wie soll ein volljährig gewordener junger Mensch zu selbständigem, verantwortungsbewußtem Handeln in der Lage sein, wenn ihm seine Eltern dazu nicht schon vor Erreichen der Volljährigkeit Gelegenheit gegeben haben? Wie soll der junge Mensch lernen, Konflikte mit anderen so auszutragen, wie das im Interesse des friedlichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens sowie aus Respekt vor dem anderen und mit Rücksicht auf die Wahrung der Menschenwürde aller Beteiligten erforderlich ist, wenn er nicht in seiner eigenen Familie erlebt, erfahren und eingeübt hat, daß man bei auftauchenden Konflikten miteinander reden muß, daß man bereit sein muß, auf den anderen einzugehen, daß es am besten für alle ist, wenn eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten leben können, die von allen Beteiligten akzeptiert wird?
Wie soll die Fähigkeit zu einem solchen sozialen Verhalten entwickelt werden können, wenn das Leben in unseren Familien nicht von dem Gespräch, von der gegenseitigen Rücksichtnahme, vom Aufeinandereingehen geprägt wird, sondern von Befehlen und bloßem Gehorchen,
vom Kommandieren und Kommandiertwerden, vom Bestrafen und Bestraftwerden, vom Herrschen und Beherrschtwerden?Wie wollen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Demokratie festigen, wie sollen die demokratischen Tugenden zum selbstverständlichen Verhaltenskodex für das Miteinander der Menschen werden, wenn das Leben in unseren Familien von autoritären und hierarchischen Herrschaftsstrukturen und Verhaltensmustern bestimmt wird?
Wie können wir eine demokratische Gesellschaft erreichen, wenn der vom Volk gewählte Gesetzgeber es nicht für nötig hält, in dem Gesetz, das die Familienbeziehungen regelt, die Idee der partnerschaftlichen Familie als Leitbild niederzulegen, um allen Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu sagen, wie die Familie in unserer Zeit aussehen und gelebt werden muß, damit die Familie das Fundament unserer Gesellschaft bleibt, damit sich die Menschen in der Familie wohl und geborgen fühlen können, damit die Familie als die beste Lebensform bejaht, angenommen und verteidigt wird?
Das Ja zur Familie und die Stärkung ihrer Funktionsfähigkeit sind abhängig davon, daß der Übergang zur partnerschaftlichen Familie gelingt. Nur wenn Erziehung, wie es in § 1626 Abs. 2 in der Fassung des Entwurfs heißt, die Kinder zu selbständigen, verantwortungsbewußtem Handeln befähigt, wenn ungeachtet fortbestehender und ungeschmälerter elterlicher Verantwortung und elterlicher Entscheidungsbefugnis das vertrauensvolle Gespräch, die Bereitschaft zum Kompromiß und das Streben nach Konsens die Grundlagen des Familienlebens sind, kann die Erziehungsfähigkeit und damit auch die Erziehungsbereitschaft der Familien erhalten und, wo nötig, gewonnen und gestärkt werden.Wenn das Miteinanderreden, die Bereitschaft zum Ausgleich und zu einvernehmlichen Entscheidungen Grundlagen unseres Familienlebens sind, dann ist schließlich auch die beste Gewähr dafür gegeben, daß die noch immer auch im familiären Bereich in beklagenswertem Ausmaß vorhandene Gewalttätigkeit in all ihren vielfältigen physischen und psychischen Varianten, unter der vor allem Frauen und Kinder zu leiden haben, mehr und mehr zurückgeht und hoffentlich eines Tages nahezu vollständig beseitigt wird.Das wirksamste Mittel gegen Kindesmißhandlungen ist nämlich, wie die Erfahrung lehrt, nicht, daß diese verboten und unter Strafe gestellt sind und daß wir dieses im Strafrecht .bereits normierte Verbot im Sorgerecht wiederholen, sondern daß wir im Rahmen unserer gewiß begrenzten Möglichkeiten durch das Recht der elterlichen Sorge einen Beitrag dazu leisten, daß die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander von einer Qualität sind, die Gewalttätigkeit nicht aufkommen läßt.
Der Kollege Erhard hat davon gesprochen, daß sich der Ihnen vorliegende Text weitgehend und tiefgreifend von der Regierungsvorlage der letzten Legislaturperiode unterscheidet. Der Kollege Klein hat, wenn ich mich recht erinnere, im Zusammen- hang mit der Beratung des Justizhaushalts von einem Rückzug, von einer Revision gesprochen. Richtig ist, daß es zu einer ganzen Reihe von Änderungen dieser Regierungsvorlage gekommen ist. Damit teilt diese Regierungsvorlage das Schicksal fast aller Vorlagen, die dieses Haus erreichen. Wir sollten stolz darauf sein, daß wir hier nicht nur etwas nachvollziehen, was die Exekutive uns vorschlägt,
sondern die Gesetzgebungsarbeit als unsere eigene verstehen und uns dieser Aufgabe stellen und sie wahrnehmen.
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Dr. EmmerlichWir sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, in diese Beratungen ohne Scheuklappen, ohne Vorurteile, mit einer offenen Haltung gegenüber jedem Einwand gegangen. Ich bitte, es nicht polemisch zu verstehen, wenn ich mir manchmal und auch heute noch die Frage gestellt habe, ob Sie dieselbe Freiheit in der Beratung gehabt haben. Ich erinnere dabei an die Ausführungen, die Herr Strauß in seiner Abschiedsrede vor Ihrer Fraktion gemacht hat. Dort hat er ausgeführt:Diese beiden Gesetze dürfen weder so noch in anderer Form das Licht der Welt erblicken. Wir müssen zu . ihnen ein bedingungsloses Nein sagen. Das Wort „Konfrontation" ist kein unsittliches Gewerbe, sondern Konfrontation gehört zum normalen Handwerk der parlamentarischen Demokratie.
Ich habe ein anderes Verständnis von parlamentarischer Demokratie. Ich meine, daß der Wille zum Kompromiß auch das Handeln dieses Parlaments bestimmen muß, insbesondere dann, wenn es sich darum dreht, so wichtige Vorhaben wie die Regelung des Rechts der elterlichen Sorge zu behandeln.
Ich bitte Sie sehr herzlich, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, und hoffe, daß Ihnen das trotz mancher vielleicht noch vorhandenen Bedenken auch gelingt.
Eine kurze Mitteilung, meine Damen und Herren: Der Ältestenrat beginnt erst um 13.30 Uhr mit seiner Sitzung.
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Erhard war so liebenswürdig, darzustellen, wie sehr sich der Gesetzentwurf verändert hat. Wir Freien Demokraten sind sehr froh darüber, daß er sich so verändert hat, und wir machen auch gar kein Geheimnis daraus, daß einige von uns daran sehr eifrig mitgewirkt haben. Außerdem sind wir auch sehr froh darüber, daß die Bedenken, deren einige man ja durchaus teilen kann — solange man sich in einer Sachdiskussion befindet —, die die Christlich Demokratische Union hier während der Beratungen geltend gemacht hat, dazu geführt haben, daß eben noch einiges weitere geändert worden ist.Ich verstehe dann nur nicht, warum Sie am Schluß einer in solcher Weise vorbildlich demokratisch abgelaufenen Diskussion dem Gesetz, an dem ja auch Sie nützlich mitgearbeitet haben, nicht zustimmen, sondern sagen: Nun wollen wir das alles nicht. Zu Ihrer Ablehnung — und das muß man doch ganz deutlich zu machen versuchen —• brauchen Sie nicht den Gesetzestext, wie er unter Ihrer Mitwirkung entstanden ist, sondern selbstgestrickte Buhmänner, die Sie aufbauen, damit Sie überhaupt noch Gründe, besser gesagt, Vorwände finden, um gegen das Gesetz öffentlich anzugehen.
Zum Gesetzestext selbst haben sich die Hauptredner ihrer Fraktion ganz offensichtlich aus diesem Grund verschwiegen.
Ich meine, unter Juristen geht das schlecht an, was Herr Erhard hier machte, als er sagte, der Text habe sich nicht wesentlich geändert. Er hat ein Beispiel zitiert. Ich finde übrigens die Sprache der Neufassung, die Sie zitiert haben, Herr Erhard, viel besser als die Sprache der alten Fassung. Warum soll man nicht in einer so wichtigen Frage, wie es die des Verhältnisses der Familienmitglieder untereinander ist, Mühe darauf verwenden, einen sehr alten und sehr harsch klingenden Gesetzestext in eine bessere Sprache zu bringen, auch wenn damit sachlich nichts geändert worden sein sollte?
Aber warum sagen Sie dann: Das Gesetz mag ja noch angehen, der Text ist ja nicht so wesentlich geändert; jedoch die finsteren Absichten der Koalition, die sich dahinter verbergen, sind das Schlimme, und darum lehnen wir das ab? Was ist denn das für eine neue Auffassung von Rechtsanwendung bei Ihnen,
daß man außerhalb des Gesetzestext liegende angebliche, von Ihnen vermutete Gründe bei der Gesetzesanwendung hinterher berücksichtigen könnte? Das ist doch nicht die Art, in der wir sonst über Recht und Rechtsanwendung miteinander zu reden pflegen.
Deshalb bleibt der Verdacht, daß besonders die Fachleute in Ihrer Fraktion sich hier in einem großen Zwiespalt befinden: einerseits das sachlich Richtige und Vernünftige zu tun und das Gesetz, nachdem Sie es ja ganz sachlich mitberaten haben, auch mitzutragen und andererseits Zugriff auf Urängste und besonders in Ihrer Partei eingewurzelte uralte Vorstellungen zu nehmen, von denen sich Ihre Wähler, so meine ich, vielleicht eher lösen als die, die diese Wähler hier vertreten wollen.
Wir haben ja vorhin erlebt, daß große Verwirrung entstanden ist, weil in der zweiten Lesung die Koalition einen Ihrer Änderungsanträge angenommen hat, der ganz offensichtlich von einem großen Teil Ihrer Fraktion nicht angenommen worden ist, was eine zweite Abstimmung über diesen Punkt erforderlich machte. Der tiefere Grund dafür liegt auf der Hand: Sie sind sich untereinander überhaupt nicht einig
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12050 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Kleinertund können sich nur notdürftig einigen, wenn Sie nein sagen.
Mit einem differenzierten Ja wären Sie völlig überfordert.Die Gefahr, die meine Parteifreunde und ich in diesem Gesetz sehen, könnte allenfalls in seiner Anwendung im Verwaltungsbereich liegen. Das ist allerdings etwas, was von hier aus nicht beeinflußt werden kann. Vielmehr ist da in vielen großen Ländern die CDU/CSU am Zug, wenn ihre Sozialminister, genauso wie natürlich die Sozialminister der SPD, dafür sorgen, daß hier nicht Dinge falsch aufgefaßt werden und daß hier der Unterbau der Verwaltung nicht meint, neue, besonders ergiebige Tätigkeitsgebiete und Gründe für Anhebungen des Stellenkegels erblicken zu können. Das wollen wir nicht. Das können wir aber nur dann verhindern, wenn wir das Vernünftige, das in diesem Gesetzentwurf ist, gemeinsam tragen und dann um so besser dafür sorgen, daß bei einem allgemeinen Konsens über den wirklichen Sinn dieses Gesetzgebungswerks Mißbrauch ausgeschlossen wird.Sie haben insbesondere — auch das ist bei der Beratung eines Gesetzentwurfs recht ungewöhnlich, Herr Erhard — einen Gesetzentwurf, der uns überhaupt noch nicht beschäftigt, nämlich den Jugendhilfegesetzentwurf, benutzt, um daraus reflexartig Zweifel an diesem Gesetz zu wecken. Lassen Sie uns doch immer bei dem bleiben, was wir gerade haben. Sagen Sie konkret, was Ihnen daran nicht gefällt. Und kommen Sie uns doch nicht mit Gesetzentwürfen, von denen noch kein Mensch weiß, ob sie jemals verabschiedet werden sollten.
Bei großer persönlicher Sympathie für die Inhaberin des Amtes erlaube ich mir in diesem Zusammenhang die Bemerkung, daß die besonders hilfreiche Mitwirkung des mitwirkenden Ministeriums heute während des Vormittags auch durch die Besetzung der Regierungsbank deutlich geworden ist.
Ich verdanke einem besonders intelligenten und von mir sehr geschätzten Mitglied der christlich demokratischen Fraktion eine Geschichte über die Weihnachtsmette vor der deutschen Gemeinde in Rom. Da soll es einen Pater gegeben haben, der offensichtlich stark wissenschaftliche, wenn nicht sogar juristische Neigungen hatte. Er hat gesagt: „Liebe Gemeinde, heute sehen wir vor uns die Krippe. Wir sehen die Krippe unter folgenden Aspekten: erstens die Mutter, zweitens das Kind, drittens die väterliche Autorität." Eine sehr interessante Aufgliederung, insbesondere an so einem Abend wie dem Heiligen Abend. Einiges von dem ist ja wohl noch da. Das muß tief drin sein. Deshalb Verdächtigungen gegen so unverdächtige Formulierungen, wie sie hier mit der Hilfe aller zustande gekommen sind.
Wir wollen uns doch nicht über das, was der Staat den Kindern schuldet — was die Eltern ihren Kindern schulden, wissen wir alle —, mit denjenigen streiten, die viele Jahrzehnte lang an der Zwergschule festgehalten haben.
Das ist ein falscher Aspekt.
Ganz zum Schluß möchte ich noch einiges sagen, weil die Betreffenden Ihnen das zwar sehr gut und besser sagen könnten, es aber höflicherweise nicht tun. Ich kenne sehr viele Sozialdemokraten aus guter Zusammenarbeit. Ich habe aber noch keinen Sozialdemokraten kennengelernt — noch gar keinen —, der etwa ein schlechterer Elternteil gewesen wäre als irgendein Mitglied der Christenunion.
Deshalb, aus diesem ganz einleuchtenden Grunde, daß diese Leute genauso Kinder haben und genauso eine Auffassung von Familie wie Sie auch und wie vernünftigerweise alle in unserem Land, finde ich es schändlich, daß Sie hier ein so vernünftiges Gesetz so verdächtigen, ohne sachlich etwas vorbringen zu können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Von der SPD-Fraktion ist namentliche Abstimmung beantragt.Ich bitte das Haus, damit einverstanden zu sein, daß wir zuvor über den Antrag des Ausschusses abstimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. — Dagegen erhebt sich wohl kein Widerspruch. So beschlossen.Zweitens bitte ich um Ihre Zustimmung zu der Überweisung des Entschließungsantrages der CDU/CSU auf Drucksache 2814, und zwar auf Grund interfraktioneller Vereinbarung an den Rechtsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. — Es gibt dagegen keinen Widerspruch. So beschlossen.Dann kann die Abstimmung jetzt beginnen. — Meine Damen und Herren, ist jemand im Saal, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat?Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal fragen, ob jemand im Saal ist, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat. — Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte auszuzählen.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 207 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 9 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 182 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder und 9 Berliner Abgeordnete.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12051
Vizepräsident Frau RengerErgebnisAbgegebene Stimmen 352 und 14 Berliner Abgeordnete; davonja: 207 und 9 Berliner Abgeordnete,nein: 182 und 9 Berliner AbgeordneteJaSPDAhlersAmlingDr. ApelArendtAugstein BaackBahrBatzBecker BiermannBindigBrandt
BrückBuchstaller Büchler
BuschfortDr. BußmannColletConradiCoppikCurdtFrau Dr. CzempielFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. EhrenbergEickmeyerFrau Eilers
Dr. EmmerlichEngholm EstersEwenFiebigDr. Fischer Frau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenGlombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack HaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHofmann
HornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens Junghans JungmannJunkerKaffkaKirschner Klein
KoblitzKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarschallFrau Dr. Martiny-GlotzDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Neumann (Stelle)Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaterna PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn Porzner Rapp
Rappe
Frau Renger ReuschenbachRohdeRosenthal RothSanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchirmerSchlaga SchluckebierDr. Schmidt
Schmidt
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. StegerFrau SteinhauerStocklebenStöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. TimmTönjes TopmannFrau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WalkhoffWaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeisskirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer ZanderBerliner AbgeordneteBühling -Dr. Diederich Dr. DübberEgertLöfflerMänningMattickSchulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann GrünerDr. HaussmannHölscherHoffieKleinertDr.-Ing. Laermann LudewigDr. Dr. h. c. MaihoferFrau Matthäus-Maier MerkerMischnick PaintnerSchäfer
Schmidt
von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Wendig Wolfgramm WurbsDr. ZumpfortBerliner Abgeordnete HoppeNeinCDU/CSUDr. Abelein Dr. AlthammerDr. ArnoldDr. Becker Frau BenedixBenzBerger
BiehleDr. BlümDr. Bötsch BraunBreidbach BrollBühler
BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)Dr. CzajaDammDawekeDr. Dollinger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiEyFeinendegen Frau FischerFrancke . FrankeDr. FriedmannFrau Geier Geisenhofer Dr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster Gierenstein GlosHaase
Dr. Häfele Dr. HammansHanzHartmann Hasinger
Dr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerDr. Hornhues Horstmeier Dr. Hubrig Frau HürlandDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKiechleDr. Klein Klein (München)Dr. Köhler KösterDr. KohlKolb
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12052 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Frau Renger KrampeDr. Kraske KrausKreyKroll-SchlüterFrau Krone-AppuhnDr. Kunz LampersbachLandréDr. LangguthDr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz
LinkLintnerLöherDr. LudaDr. Mertes MetzDr. Meyer zu BentrupDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. Möller Dr. Narjes Neuhaus NiegelNordlohne Frau PackPetersen PicardPierothDr. Pinger Pohlmann PrangenbergDr. Probst RainerRaweRegenspurgerDr. ReimersDr. Riedl
Dr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer
Sauter
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Schartz
SchetterFrau SchleicherSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (SchwäbischGmünd)SchwarzDr. Schwarz-Schilling SeitersSickSpilkerSpranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken StücklenStutzerSussetde TerraTillmannDr. TodenhöferFrau Tübler Dr. Unland Frau VerhülsdonkVogt Voigt (Sonthofen) VolmerDr. VossDr. Waigel Dr. WarnkeDr. von Wartenberg Weiskirch
Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldWimmer Wissebach WissmannDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. Wulff Dr. Zeitel ZeyerZieglerZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. Gradl Kittelmann Kunz
Müller
Frau Pieser Straßmeir Wohlrabefraktionslos Dr. GruhlDas Gesetz ist damit in dritter Lesung angenommen. Ich darf noch mitteilen, daß 78 Kollegen wegen europäischer Verpflichtungen oder wegen Krankheit an der Abstimmung nicht teilnehmen konnten.Um 14 Uhr fahren wir mit der Fragestunde fort. Ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung wird fortgesetzt. Wir treten in die
Fragestunde
— Drucksache 8/2802 —
ein.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Wir fahren im übrigen in diesem Geschäftsbereich in der Beantwortung der Fragen fort. Die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Jungmann werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dies gilt auch für die Frage 39 der Abgeordneten Frau Simonis. Auch hier wird die Antwort als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Dr. Spöri hat die Fragen 41 und 42 eingebracht. Ich weiß nicht, ob eine gemeinsame Beantwortung vorgesehen ist, Herr Staatssekretär.
Ich würde sie gerne gemeinsam beantworten.
Herr Kollege, Sie sind auch damit einverstanden? — Dann rufe ich die beiden Fragen auf:Wie hoch waren die Zuwachsraten für den Primärenergieverbrauch und den Stromverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1978 bzw. im ersten Quartal 1979, und wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der angestrebten Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energiezuwachs?Sieht die Bundesregierung angesichts dieser aktuellen Zuwachsraten die Konzeption der Energieeinsparpolitik von Bund und Ländern bestätigt?Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Primärenergieverbrauch stieg 1978 gegenüber 1977 um 3,9 %. Im ersten Quartal 1979 wird die Zuwachsrate — nach vorläufigen Zahlen — gegenüber dem ersten Quartal 1978 bei 6,7 % liegen.Beim Stromverbrauch betrug die Zunahme 1978 4,5 %. Für das erste Quartal 1979 liegen hier noch keine umfassenden Daten vor, doch läßt sich aus der Entwicklung im Bereich der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft schließen, daß der gesamte Bruttostromverbrauch um etwa 6 bis 7 % gestiegen sein dürfte.Eine Bewertung dieser Zahlen unter dem Gesichtspunkt, ob sie dem energiepolitischen Ziel einer Auflockerung des Zusammenhangs zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch entsprechen, ist nicht möglich. Der Indikator für diese sogenannte Entkoppelung läßt sich aussagekräftig nur über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren ermitteln. Kurzzeitig und in einzelnen Stichjahren verfälschen Sondereinflüsse das Bild. Daß sich der Winter 1978/79 ganz erheblich in der Energiebilanz niederschlägt, liegt auf der Hand.Die Bundesregierung sieht aus den oben genannten Gründen in den aktuellen Zuwachsraten weder eine Bestätigung der Einsparkonzeption noch hat sie Zweifel, daß bis 1985 nicht eine wesentliche Verminderung der früheren Relationen zwischen Wachstum des Sozialprodukts und Wachstum des Primärenergieverbrauchs erreicht werden könnte. Sie hat stets betont, daß rationelle und sparsame
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Parl. Staatssekretär GrünerEnergieverwendung eine Daueraufgabe ist und bedeutende Erfolge nur langfristig erreicht werden können. Über eine Verstärkung und einen Ausbau des Einsparprogramms wird die Bundesregierung in Kürze entscheiden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es, unabhängig von einer politisch-inhaltlichen Bewertung, nicht möglich zu sagen, daß die Entkoppelung, zumindest statistisch gesehen, nach den von Ihnen genannten Zahlen nicht erreicht worden ist, nämlich die Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachsturn und Energieverbrauchswachstum? Statistisch läßt sich hier ja keine Verbesserung der Koeffizienten an Hand der Zahlen, die Sie genannt haben, erkennen.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Man kann das so nicht sehen, weil nämlich, statistisch gesehen, das Jahr 1977 eine solche Entkoppelung durchaus ermöglicht hat, während die darauffolgenden Jahre Ihrer Annahme wieder entsprechen. Nur ein längerer Zeitraum läßt überhaupt eine Aussage darüber zu, ob eine solche Entkoppelung erreicht werden kann oder erreicht worden ist. Wir sind davon überzeugt, daß die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, mit dazu beitragen werden, diese Entkoppelung tatsächlich zu erreichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß die mangelhafte Rückwirkung, die hier in den satistischen Zahlen sichtbar wird, die Sie genannt haben, auch daran liegen kann, daß die bisher eingeleiteten Maßnahmen in der Praxis noch nicht voll zum Tragen gekommen sind? Können wir davon ausgehen, daß die Einsparwirkung der schon bisher eingeleiteten politischen Maßnahmen im Laufe der Zeit noch steigen wird?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ja, davon kann man ausgehen. Ich erinnere etwa an den Bereich der Wärmedämmung; ich erinnere aber auch an den Bereich des vermehrten Einsatzes von Solarkollektoren, die sicher ihren Niederschlag finden werden, allerdings erst in einer längerfristigen statistischen Beobachtung.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind nicht bei den bisherigen Bemühungen auf zentralen Energieeinsparfeldern, z. B. bei der Nutzung der Wärmekraftkoppelung in Form des planerischen Ausweises von Fernwärmeversorgungsnetzen durch die Kommunen, die Schwerpunkte planerisch vernachlässigt worden, d. h., gibt es bisher nicht zu wenig planerisch ausgewiesene Fernwärmenetze?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich könnte mir auf diesem Gebiet sicher größere Fortschritte vorstellen, aber für uns ist ja entscheidend, daß wir für Fernwärme sehr große Finanzmittel bereitgestellt haben, um einen etwaigen Rückstand in diesem Bereich durch finanzielle Zuschüsse aufzuholen. Es gibt viele andere Bereiche, wo man sich raschere Fortschritte wünschen könnte, aber ich möchte hier nicht in eine Einzelbewertung eintreten, weil das zu kompliziert wäre.
Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß notwendige und erfolgreiche Energieeinsparungen nicht automatisch zu weniger Strombedarf führen, und welche Konsequenzen gedenken Sie daraus zu ziehen?
Sie haben geschickterweise gleich zwei Fragen gestellt. — Bitte.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dieser Zusammenhang, den Sie darstellen, Herr Kollege, ist sicher gegeben. Es gibt z. B. Einsparmöglichkeiten im Primärenergiebereich, etwa bei Heizöl, die mit erhöhtem Stromverbrauch einhergehen, wenn man etwa an den Bereich der Wärmepumpen denkt. Also ganz generell ist Ihre Bemerkung richtig. Ich möchte darauf hinweisen, daß auch das erhöhte Preisniveau mit Sicherheit auf das Verbraucherverhalten zurückwirken und erhebliche Einsparanstrengungen auslösen wird. Wir wollen von unserer Politik her aber nicht Rahmenbedingungen erzwingen, die bruchartige strukturelle Veränderungen auslösen würden. Natürlich hätten wir die Möglichkeit, durch gesetzliche Rahmenbedingungen die Einsparanstrengungen spürbar zu verstärken. Dies hätte aber schwerwiegende Konsequenzen für unseren Wohlstand und unser Wirtschaftswachstum.
Herr Kollege, noch eine knappe Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dafür zu sorgen, daß im Sinne der Energieeinsparungen und der Verbesserung der Umweltqualität nicht nur neue Fernwärmenetze geschaffen, sondern vorhandene durch entsprechende Anreize auch besser ausgenutzt werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dazu sind wir bereit.
Ichrufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf:
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12054 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIn welchen Positionen hat die Bundesregierung die Liste für sensitives Material im Rahmen der Abmachungen des Londoner Supplier Clubs auf Grund der Erfahrungen mit dem Aufbau einer pakistanischen Urananreicherungsanlage geändert, und inwieweit hat dabei eine Abstimmung mit der Regierung der USA stattgefunden?Grüner, Parl. Staatssekretär: Die vom Londoner Suppliers Club vereinbarte Kernenergieliste könnte nur in Übereinstimmung mit allen Mitgliedern des Suppliers Club geändert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt jedoch, ihre nationale Ausfuhrliste um die Warenposition „Frequenzumformer mit mehrphasigem Ausgang zwischen 600 und 2 000 Hertz" zu erweitern. Eine entsprechende Rechtsverordnung wird zur Zeit vorbereitet.Für diese zusätzliche Ausfuhrkontrolle spricht folgendes: Die der Urananreicherung dienenden Gas-Zentrifugen sind bereits in der Ausfuhrliste erfaßt. Das gleiche gilt für Frequenzumformer, die einen wichtigen Bestandteil der Gas-Zentrifugen bilden, sofern sie für solche Zentrifugen besonders konstruiert oder hergerichtet sind. Nun ist nicht auszuschließen, daß andere, handelsübliche Frequenzumformer, die bisher keinem Ausfuhrgenehmigungserfordernis unterliegen, nach entsprechendem Umbau ebenfalls für Zwecke der Urananreicherung herangezogen werden. Dieser aus Gründen der Nichtverbreitungspolitik unerwünschten Möglichkeit will die Bundesregierung durch die Einführung des Genehmigungserfordernisses für die Warenposition „Frequenzumformer" begegnen.Die neue Maßnahme ist mit den Regierungen Großbritanniens und der USA abgestimmt.
Keine
Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Brück zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf:
Hat die Bundesregierung auf Grund von kürzlich erfolgten Presseveröffentlichungen versucht, mit dem ehemaligen Lagerkommandanten des Guerilla-Rekrutierungslagers „Francistown" , Gumbo Mazwy, Verbindung aufzunehmen, oder was gedenkt sie zu unternehmen, um seine Aussagen zu überprüfen, das von der Bundesregierung mit 500 000 DM finanzierte Lager "Selebi Pikwe" sei ein Rekrutierungslager für Guerillas gewesen?
Herr Kollege Voss, die Bundesregierung hat keine Veranlassung, mit Herrn Gumbo Mazwy Verbindung aufzunehmen. Die Bundesregierung hat hier schon mehrfach erklärt, daß das Lager „Selebi Pikwe" unter der Schirmherrschaft des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen steht. Zu den Prinzipien des Hohen Flüchtlingskommissars gehört es, daß in solchen Lagern keine Rekrutierung von Guerillas geduldet wird.
Eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie sich vorzustellen, daß die Untersuchungen, die damals stattgefunden haben, erst zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben, als dieses Lager „Selebi Pikwe" geschönt und entsprechend gesäubert worden war?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Voss, ich habe hier in der Fragestunde schon einmal gesagt, daß die Bundesregierung keinen Anlaß hat, an den Angaben der Regierung von Botsuana und an den Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zu zweifeln.
Eine
weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voss.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir denn darin zuzustimmen, daß in dem Moment, da ein neuer Zeuge auftaucht, wie hier der Kommandant des Lagers „Francistown", der den Aufbau des Lagers „Selebi Pikwe" nach seinen glaubhaften Aussagen selbst mitgemacht hat, ein Grund gegeben wäre, hier erneut in eine Untersuchung einzutreten?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe in der Zeitung gelesen, was dieser Zeuge Ihnen gesagt hat, und ich habe auch etwas über diesen Zeugen gelesen. Dies hat bei mir nicht den Eindruck vermittelt, daß dieser Zeuge glaubhafter ist als die Regierung von Botsuana oder der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, auch nicht glaubhafter als der deutsche Botschafter, der dieses Lager im vergangenen Jahr besucht hat.
Ich dan-
ke Ihnen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi beantwortet die Fragen.
Frau Abgeordnete Simonis hat um schriftliche Beantwortung ihrer Frage 40 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Bühling auf:
Sind der Bundesregierung die Erwägungen der türkischen Regierung bekannt, in der Türkei Internatsschulen für Kinder in Deutschland arbeitender Eltern einzurichten, auf denen die Kinder auch deutsch lernen können, aber ihrer Heimat nicht gänzlich entfremdet werden, und was wird die Bundesregierung gegebenenfalls tun, um bei der Verwirklichung dieser Vorschläge mitzuhelfen?
Herr Staatsminister!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bisher nicht darüber informiert worden, daß die türkische Regierung beabsichtigt, für türkische Kinder, deren Eltern in der Bundesrepublik
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12055
Staatsminister Dr. von DohnanyiDeutschland arbeiten, in der Türkei Internatsschulen einzurichten. Der Bundesregierung liegen auch keine entsprechenden Anträge auf Unterstützung für ein solches Projekt vor. Die Bundesregierung kann daher zu diesem Zeitpunkt nicht materiell zu derartigen Überlegungen Stellung nehmen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Graf Huyn auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich angesichts der Tatsache, daß sie die SWAPO nicht als alleinigen Vertreter Südwestafrikas anerkennt, dafür einzusetzen, daß die Vereinten Nationen nicht laufend hohe Beträge für den Unterhalt des New Yorker SWAPO-Büros und andere SWAPO-Aktivitäten leisten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Vermutlich bezieht sich die Frage auf das Arbeitsprogramm des Namibiarats. In der Ziffer 3 der Resolution 33/182 C ist vorgesehen, daß dem Namibiarat bei den Vereinten Nationen aus Mitteln der Vereinten Nationen ein Betrag zur Finanzierung des SWAPO- Büros in New York und zur Sicherstellung der Beteiligung von SWAPO-Vertretern an Veranstaltungen der Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt werden soll. Die Bundesregierung hat sich — wie auch zahlreiche andere westliche Regierungen einschließlich der an der Fünfer-Initiative beteiligten Regierungen — bei der Abstimmung über diese Resolution der Stimme enthalten. Sie hat sich ferner bei den budgetrelevanten Entscheidungen zusammen mit den anderen Mitgliedern der Namibia-Kontaktgruppe im Plenum der Stimme enthalten.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist es aber nicht so, daß außer den allgemeinen Mitteln, die als Beitrag der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen fließen, aus denen, wenn ich richtig informiert bin, diese Zielsetzungen mit finanziert werden, auch noch besondere Mittel aus dem Bundeshaushalt an die SWAPO fließen? Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß dies dann gestoppt werden sollte?
Dr. von Dohnany, Staatsminister: Herr Kollege, wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, bezieht sie sich auf Zahlungen , der Bundesregierung an die Vereinten Nationen und die Weitergabe derartiger Mittel durch die Vereinten Nationen an die SWAPO. Es gibt natürlich im humanitären Bereich Zahlungen, die an alle Betroffenen gehen, die z. B. über den Hohen Flüchtlingskommissar oder über die UNICEF vermittelt werden und bei denen dann natürlich auch SWAPO-Mitglieder oder der SWAPO Nahestehende einbezogen werden. Andere direkte Zahlungen an die SWAPO sind mir nicht bekannt.
Eine letzte Frage.
Herr Staatsminister, Sie sagten in Ihrer Antwort auf meine Zusatzfrage, daß die Zahlungen an alle Beteiligten gehen. Darf ich das so verstehen, daß solche Mittel etwa auch für Flüchtlinge verwandt werden, die nach Südwestafrika kommen und aus Angola geflohen sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich kann das im Augenblick nicht wörtlich bestätigen, Herr Kollege. Aber ich gehe davon aus, daß der UN-Flüchtlingskommissar seine Verpflichtungen in dieser Beziehung erfüllt. Die hier vorgesehenen Mittel diesen Flüchtlingen im südlichen Afrika, in Namibia, also wohl auch solchen, die aus Angola geflohen sind.
Ich rufe die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Rumänien die Söhne von ausreisewilligen Deutschen in sogenannte Schwarze Brigaden zu einem 16monatigen Dienst eingezogen werden, nur weil die Eltern Anträge zur Gewährung von Besuchsreisen und der Ausreise gestellt haben, und hält sie dies für vereinbar mit Geist und Buchstaben der deutsch-rumänischen Absprache über die Ausreise rumänischer Staatsangehöriger deutscher Volkszugehörigkeit?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, die eine Feststellung erlauben, wie sie in Ihrer Frage getroffen wird.
Eine Zusatzf rage.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, die „Siebenbürgische Zeitung" vom 19. April dieses Jahres zur Hand zu nehmen, um sich durch einen Bericht in dieser Zeitung zu informieren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, wir sind natürlich bereit, jede Zeitung in die Hand zu nehmen, und ich bin auch gern bereit, das von Ihnen besonders zitierte Blatt nachzuschlagen. Im übrigen kann ich nur wiederholen, daß von uns eine generelle Feststellung, wie sie von Ihnen in Ihrer Frage getroffen worden ist, nicht bestätigt werden kann. Entsprechende Informationen liegen nicht vor. In dem Einzelfall will ich das aber gern noch einmal überprüfen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, darf ich daraus schließen, daß unserer Botschaft in Bukarest keinerlei Informationen des Inhalts vorliegen, wie sie in dem Zeitungsartikel Gegenstand der Berichterstattung sind?Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Auf jeden Fall hat die Botschaft der Bundesregierung dem Auswärtigen Amt zu diesem Zeitpunkt keine entsprechenden Informationen gegeben. Ich gehe also da-
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12056 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Staatsminister Dr. von Dohnanyivon aus, daß auch dort bis zu dem entsprechenden Zeitpunkt keine derartigen Informationen vorgelegen haben.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Trifft es zu, daß die Volksrepublik Polen ununterbrochen von der Bundesregierung verlangt, daß sie wegen einer angeblichen Verpflichtung aus dem Warschauer Vertrag in den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland die Oder-Neiße-Gebiete als „Ausland" behandelt, während Artikel IV des Warschauer Vertrags zusammen mit den Bestimmungen aus dem Deutschlandvertrag sowie das Grundgesetz einer solchen Verpflichtung entgegenstehen, und handelt es sich bei diesen Forderungen nicht um eine dauernde Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland, die die UN-Charta verbietet?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Volksrepublik Polen hat sich mehrfach gegenüber der Bundesregierung dahin geäußert, daß der Inlandsbegriff in den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland dem Warschauer Vertrag entsprechen sollte. Die Bundesregierung vertritt dazu folgende Auffassung. Nach Art. I des Warschauer Vertrages stellt die Bundesrepublik Deutschland als solche die Gebietshoheit der Volksrepublik Polen über die OderNeiße-Gebiete seit Inkrafttreten des Warschauer Vertrages nicht mehr in Frage. Der Inlandsbegriff, der in deutschen Gesetzen verwendet wird, muß demnach der bestehenden polnischen Gebietshoheit Rechnung tragen.
Nach dem Zweck des einzelnen Gesetzes ist differenzierend zu beurteilen, ob die darin verwendete Bezeichnung „Inland" im Einzelfall der geltenden Rechtslage entspricht. Bezieht sich der Begriff „Inland" auf Tatbestände, die sich aus der Vergangenheit ergeben, wie es etwa öfter bei der Gewährung sozialer Rechte in Frage kommt, so kann die Verwendung eines umfassenden Inlandsbegriffs gerechtfertigt sein, ohne daß darin ein Verstoß gegen Art. I des Warschauer Vertrags zu sehen wäre.
Diese Auffassung steht, wie Ihnen auch aus der Antwort von meiner Kollegin Frau Hamm-Brücher auf Ihre mündliche Frage am 18. Januar dieses Jahres und auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Graf Stauffenberg am 27. April dieses Jahres bekannt ist, mit Art. IV des Warschauer Vertrages durchaus im Einklang. Die Bundesregierung sieht in einer Erörterung dieser rechtlichen Sachverhalte und in der notwendigen Differenzierung mit der polnischen Seite keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatsminister, hat der eindeutige Wortlaut des in meiner Frage aufgeführten Art. IV des Warschauer Vertrages zusammen mit den Erklärungen der Bundesregierung während der Verhandlungen und den Polen vor der Unterzeichnung bekanntgegebenen und von ihm angenommenen alliierten Friedensvertragsvorbehalten für Deutschland als Ganzes völkerrechtlichen Vorrang in bezug auf die territoriale Souveränität, und zwar heute und morgen bis zum Abschluß eines Friedensvertrags?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole: Es besteht zwischen der in Art. I übernommenen Verpflichtung und der Verpflichtung aus Art. IV kein Widerspruch. Infolgedessen wiederhole ich hier das, was meine Kollegin Frau Hamm-Brücher Ihnen im Januar und dem Kollegen Graf Stauffenberg im April gesagt hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie klar sagen, daß bei Gesetzen, die Gebietsfragen oder Staatsangehörigkeiten betreffen — im Gegensatz zu den von Ihnen aufgeführten funktionalen Gesetzen —, Art. IV und die Friedensvertragsvorbehalte Vorrang haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, ich habe gerade gesagt, daß man differenzieren muß. Der Gesetzgeber in der Bundesrepublik wird im Einzelfall nach den von mir skizzierten Grundsätzen zu entscheiden haben.
Ich rufe Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung von General Haig, „die Zukunft wird ein gewisses Maß an transatlantischer Verbundenheit, Vertrauen und konzertierter Aktion erfordern" , und ist sie entschlossen, allen Bestrebungen zur Annäherung an entgegenstehende Ziele des Ostblocks in Beachtung seiner ständig verkündeten ideologischen Aggression und seiner hegemonialen Ansprüche entschieden entgegenzutreten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Antwort ist kurz und lautet ja.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, berücksichtigt die Bundesregierung bei ihrem Ja zur Konzertierten Aktion auch die Tatsache, daß seit der Vertagung der Entscheidung über die Neutronenwaffe wegen einer erhofften sowjetischen Zurückhaltung inzwischen ein Jahr vergangen ist, ohne daß bei den umstrittenen Teilen des Militärprogramms eine solche Zurückhaltung festzustellen gewesen wäre?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, Sie wissen, daß Sie über eine Entscheidung sprechen, die ausschließlich in die Zuständigkeit des amerikanischen Präsidenten fällt.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12057
Darf ich aus Ihrer zustimmenden Antwort entnehmen, daß man die Behauptung, die beispielsweise auch in der englichen Zeitung „The Observer" anläßlich des Berichts über eine Berliner Konferenz des Aspen-Instituts in Gegenwart des Bundeskanzlers erhoben wurde, als unzutreffend bezeichnen kann, wonach die Bundesrepublik trotz der Zugehörigkeit zum Westen — so wörtlich — „jedoch nicht mit der gegenwärtigen Führung des Westens einverstanden ist"?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, zu diesem Vorgang im Aspen-Institut hat es einen interessanten Briefwechsel gegeben. Selbstverständlich ist die im „Observer" wiedergegebene Behauptung unzutreffend. Das ist aber auch schon erklärt worden.
Herr Abgeordneter Jäger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, bedeutet Ihr Ja auf die Frage des Kollegen Dr. Czaja, daß die Bundesregierung die Angriffe, die in den sowjetischen amtlichen Verlautbarungen gegen die Reden von Bundesaußenminister Genscher und Verteidigungsminister Apel bei der Bundeswehr-Kommandeurstagung gerichtet worden sind, entschieden zurückweisen wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie wissen doch, daß es in allen Ländern Presseberichte über Reden gibt, die Bundesminister oder auch der Bundeskanzler halten. Wenn die Bundesregierung und der Bundeskanzler sich jeweils bemüßigt sähen, solche Berichte ausdrücklich zu bestätigen oder zurückzuweisen, könnten sie andere Tätigkeiten gar nicht mehr ausüben.
Ich hoffe, daß es die Bundesregierung mit dem Bibelwort hält, daß die Rede j a oder nein sei, und entsprechend verfährt.
Damit sind alle Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buchfort zur Verfügung.
Ich rufe Frage 43 des Herrn Abgeordneten Schirmer auf:
Wie viele Zivildienstleistende sind in den Bereichen des Sports mit welchen besonderen Aufgaben und Ergebnissen tätig?
Diese Frage steht in einem gewissen Zusammenhang mit der zweiten von ihm eingereichten Frage. Ich weiß nicht, ob er mit einer gemeinsamen Beantwortung der beiden Fragen einverstanden ist.
Dann rufe ich auch Frage 44 des Herrn Abgeordneten Schirmer auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, auf der Grundlage vorliegender Erfahrungen und Ergebnisse die für Zivildienstleistende angemessenen Möglichkeiten in den Sportorganisationen besonders zugunsten der Rehabilitation, der Betreuung von Kindern, Behinderten und alten Menschen fortzusetzen und auszuweiten?
Herr Kollege Schirmer, in den Bereichen des Sports waren am 16. Februar 1979 55 Zivildienstleistende tätig. Sie werden dort in der Hauptsache mit Verwaltungs- und Organisationsaufgaben, aber auch — soweit sie dafür vorgebildet sind — als Organisations-und Übungsleiter beschäftigt. Ihre Arbeit wird von den beteiligten Sportorganisationen durchweg positiv beurteilt. Soweit Sportorganisationen Zivildienstleistende ausschließlich in der Rehabilitation und in der Betreuung von Behinderten oder alten Menschen beschäftigen sollen, besteht für die Einrichtung neuer Zivildienstplätze keine Beschränkung.
Der Modellversuch bezieht sich nur auf die Beschäftigung von Zivildienstleistenden im Bereich allgemeiner sportlicher Aktivitäten.
In der Betreuung von Kindern können allerdings nur Zivildienstleistende mit pädagogischer oder sozialpädagogischer Ausbildung beschäftigt werden.
Ob die Tätigkeit von Zivildienstleistenden im allgemeinen Sportbereich über den zur Zeit laufenden Modellversuch hinaus ausgeweitet werden kann, hängt von der Entwicklung der Beschäftigungsmöglichkeiten im engeren sozialen Bereich ab, der nach dem Zivildienstgesetz Vorrang hat.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schirmer.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die im Sportbereich tätigen Zivildienstleistenden bei ihren Aufgaben oft schwierige Situationen zu bewältigen haben und daß die Bewältigung solcher Aufgaben auch viel persönlichen Einsatz und Engagement erfordert?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, unsere Informationen sind durchweg positiv. Wir können nur unterstreichen, daß sich die bisher eingesetzten Zivildienstleistenden im sportlichen Bereich bewährt haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden Sie in Ihre Bemühungen zur Neuregelung des Anerkennungsverfahrens für Zivildienstleistende diese positiven Erfahrungen einbeziehen?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Schirmer, diese Neuregelungen beziehen sich sicherlich mehr auf Verwaltungsvorgänge z. B. in der Frage der Gewissensprüfung. Im Organisatorisch-Technischen ist es aber notwendig, dem sportlichen Bereich ein besonderes Augenmerk zu wid-
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12058 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Parl. Staatssekretär Buschfortmen. Ich sage Ihnen gern zu, daß wir uns, wenn es die allgemeine Einordnung in den sozialen Bereichen erlaubt, auch besonders der sportlichen Seite annehmen wollen.
Keine
weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Grobecker auf:
Liegen der Bundesregierung Ergebnisse und Erkenntnisse von Forschungsvorhaben vor, die geeignet sind, Herstellern und Betreibern von Datensichtgeräten bzw. Bildschirmgeräten durch Verordnungen und Richtlinien technische Normen zur Gestaltung dieser Geräte vorzugeben, die eine Gesundheitsgefährdung für Beschäftigte ausschließen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn es erlaubt ist, möchte ich die beiden Fragen 46 und 47 zusammen beantworten, da sie in einem Zusammenhang stehen.
Herr Präsident, die beiden Fragen behandeln einen unterschiedlichen Sachverhalt. Ich wäre schon für eine getrennte Beantwortung.
Ich
hatte es deswegen auch nicht vorgeschlagen. Dann beantwortet der Herr Staatssekretär die Fragen getrennt.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grobecker, dein Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung liegt seit dem vorigen Jahr ein Forschungsbericht „Anpassung von Bildschirmarbeitsplätzen an die physische und psychische Funktionsweise des Menschen" vor. Eine Erörterung der Forschungsergebnisse mit Sachverständigen im Jahre 1978 hat ergeben, daß die vorliegenden Erkenntnisse noch nicht geeignet sind, in Richtlinien oder Rechtsvorschriften umgesetzt zu werden. Der Forschungsbericht ist zunächst veröffentlicht worden, um die Resonanz in der Praxis abzuwarten. In diesem Jahre soll ein weiteres Gespräch mit Sachverständigen durchgeführt werden, um zu klären, ob und in welcher Form die Erkenntnisse über die freiwillige Anwendung hinaus verbindlicher gemacht werden können.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie werden also auf Ihre Möglichkeiten der Normung dieser Arbeitsplätze nicht verzichten, sondern zunächst abwarten, was die Betroffenen zu den Forschungsergebnissen sagen werden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grobecker, eine Normung wird sicherlich notwendig sein, um eine sinnvolle Arbeitsplatzgestaltung herbeiführen zu können. Dazu gehören sicher die von mir genannten Gespräche und auch Einbeziehung der Tarifvertragsparteien. Da wird es sicher auch auf die praktische Anwendung solcher Normen ankommen.
Wenn wir hier so weit sind — dazu benötigt man in der Tat noch etwas Zeit —, kann man sicher für die Fragen der Weiterentwicklung dieser Arbeitsplätze bessere Lösungen finden.
Eine
weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen, ob Sie entsprechend der Forderung aus einem anderen Bereich, daß die Maschinen zur Arbeit gebracht werden müssen und nicht die Arbeit zu den Maschinen gebracht werden soll, Wert darauf legen, daß die Geräte nicht mehr gesundheitsgefährdend konstruiert werden und nicht umgekehrt den Beschäftigten an diesen Geräten Schutzvorschriften auferlegt werden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, daß wir diese Politik vertreten, die Sie gerade angesprochen haben, ersehen Sie schon aus der Formulierung der Betriebsverfassung 1972. Dort haben wir bereits einen Paragraphen formuliert, der auf die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit verweist. Auch in diesem Zusammenhang darf ich daher noch einmal auf diese Gesetzesinitiative aus dem Jahre 1972 hinweisen.
Ich
rufe ,die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Grobekker auf:
Liegen der Bundesregierung Ergebnisse und Erkenntnisse von Forschungsvorhaben vor, die es notwendig erscheinen lassen, eine Arbeitsstättenriditlinie für Kassenarbeitsplätze zu verabschieden, die gewährleistet, daß schwere körperliche Arbeit an Kassenarbeitsplätzen abgestellt wird und Wettbewerbsverzerrungen durch Einrichtung humaner Arbeitsplätze im Einzelhandel verhindert werden? -
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Grobecker, dem Bundesarbeitsminister ist im Jahre 1978 der Forschungsbericht „Menschengerechte Gestaltung von Kassenarbeitsplätzen in Selbstbedienungsläden" vorgelegt worden. Der Bericht wurde veröffentlicht und wird in der Praxis lebhaft diskutiert. Im Frühsommer dieses Jahres soll mit Sachverständigen erörtert werden, ob und in welcher Form die Erkenntnisse umgesetzt werden können.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn in der Lage, schon Termine zu nennen, wann es zu einer derartigen Richtlinie kommen wird?Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ich kann noch nicht sagen, wann es zu einer Richtlinie kommen wird. Wir werden aber in den nächsten Monaten dieses Sachverständigengespräch führen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12059
Eine
weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gehen Sie denn davon aus, daß diese Forschungsergebnisse nicht nur dafür da sind, Bücherschränke zu zieren, sondern daß es irgendwann zur Verwertung dieser Forschungsergebnisse zum Schutz der Arbeitnehmer kommen wird?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege,. aus dem letzten Grunde haben wir die Forschungsergebnisse immer wieder veröffentlicht. In dem Bereich, den wir jetzt behandeln, kommt es uns auch darauf an, noch einige Ergänzungsaufträge zu vergeben, die sich einfach aus dem ersten Forschungsbericht ergeben. Wenn die weiteren Ergebnisse vorliegen und wenn Praxiserfahrung vorliegt, wird sich zeigen, ob Konsequenzen gezogen werden müssen. Ich jedenfalls gehe nach dem bisherigen Verlauf davon aus, daß vieles dafür spricht, daß die derzeitige Belastung der Arbeitnehmer an Kassenarbeitsplätzen wohl doch erheblich ist.
Herr
Kollege, geben Sie sich im übrigen nicht zu großen Hoffnungen hin, was die Verwertung vieler Dinge, die in den Bibliotheken stehen, betrifft. — Herr Abgeordneter Dr. Steger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, um vielleicht die Hoffnung trotz der Bemerkung des Herrn Präsidenten etwas zu vergrößern, darf ich Sie fragen: Welche Rolle spielt denn bei diesem Problemkomplex, den der Herr Kollege Grobecker angesprochen hat, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung in Dortmund, die hier ja auch stark eingeschaltet ist?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Anstalt spielt sicherlich eine große Rolle. Wir konnten uns in bestimmten Situationen immer wieder darauf verlassen, daß Anschluß- und Detailuntersuchungen von dieser Anstalt durchgeführt wurden.
Auf ein zweites möchte ich besonders hinweisen: Mit Hilfe dieser Anstalt war es immer wieder möglich, Erkenntnisse für Multiplikatoren aufzuarbeiten und auch umzusetzen. Von daher ist es schon sehr sinnvoll, daß wir diese Möglichkeiten in Dortmund haben.
Nein,
Herr Kollege, die Geschäftsordnung gilt.
Da brauchen Sie gar nicht erst im Schrank nachzusehen; die müssen wir immer präsent haben.
Bitte, Herr Kollege Müller.
Herr Staatssekretär, wäre eigentlich nicht die Gewerbeaufsicht dafür zuständig, zu prüfen, ob diese Einrichtungen nicht zu Erschwernissen für die Betroffenen führen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, die Gewerbeaufsicht hat sicherlich auch darauf zu achten, ob im arbeitsmedizinischen Sinne alles in Ordnung geht; das müssen im übrigen die Berufsgenossenschaften auch. Nur ist es so: An Arbeitsplätzen mit besonders schwierigen Bedingungen gibt es in der Bundesrepublik eine Vielzahl, und hier hat in letzter Zeit eine neue Entwicklung eingesetzt. Es versteht sich aus arbeitsmedizinischer Sicht, daß man darauf ein besonderes Augenmerk haben muß.
Damit,
meine Damen und Herren, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.. Herr Staatssekretär Dr. Hiehle beantwortet die Fragen.
Der Herr Abgeordnete Menzel hat die Fragen 48 und 49 eingebracht:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Gewerkschaftszugehörigkeit und Einstellung zu Streiks Kriterien für die Ablehnung eines Antrags auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer waren , und hält die Bundesregierung Fragen nach gewerkschaftlicher Organisation und Haltung im Streik im Anerkennungsverfahren für zweckdienlich und zulässig?
Was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, damit Gewerkschaftszugehörigkeit und Bejahung von Streik als legitimes Kampfmittel der Arbeitnehmer auch im Anerkennungsverfahren als Kriegsdienstverweigerer den Betroffenen nicht zum Nachteil werden können?
Ich habe das Gefühl, hier wäre eine gemeinsame Beantwortung angezeigt. — Ich sehe, der Herr Fragesteller ist damit einverstanden. Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist der Fall, von dem in der Zeitschrift „Metall" vom März 1979 die Rede war, bekannt. Die Bundesregierung hält Fragen nach der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft und zum Verhalten im Streik im Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer weder für zweckdienlich noch für zulässig.Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen weder den Vorsitzenden noch den Beisitzern der Prüfungsgremien für Kriegsdienstverweigerer Weisungen erteilt werden. Es ist deshalb nicht möglich, durch Bestimmungen für die Vorsitzenden und die Beisitzer sicherzustellen, daß solche Fragen nicht gestellt werden. Der Bundesminister der Verteidigung hat jedoch veranlaßt, daß die Vorsitzenden der Prüfungsgremien anläßlich ihrer regelmäßig stattfindenden Tagungen und Sitzungen über seine Auffassung zu diesem Problem in vollem Umfang unterrichtet werden.
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Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort ergibt sich, daß solche Vorfälle immer wieder vorkommen können. Sieht sich die Bundesregierung außerstande, geeignete Schritte zu unternehmen, um solche Vorkommnisse zu verhindern?
Dr. Hiehle, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, in diesem Fall wie wahrscheinlich auch in den von Ihnen eben erwähnten ähnlichen Fällen besteht dann ein hinreichender Anlaß, einzugreifen, wenn festzustellen und nachzuweisen ist, daß derartige Fragen und ihre Behandlung einen Einfluß auf das Ergebnis des Verfahrens hatten. Wir werden durch Belehrungen darauf nachdrücklich hinweisen. Das ist der ausreichende Weg. Im vorliegenden Fall bestand jedoch kein Anlaß zum Eingreifen.
Der Herr Abgeordnete Ludewig ist nicht im Saal. Daher werden die Fragen 50 und 51 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Hölscher hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 52 und 53 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dasselbe gilt für die Fragen 54 und 55 der Abgeordneten Frau Will-Feld.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Wimmer stehen in einem Zusammenhang miteinander. Ich nehme an, Herr Staatssekretär, daß Sie diese beiden Fragen zusammen 'beantworten möchten. Der Fragesteller wäre einverstanden.
Dr. Hiehle, Staatssekretär: Ich danke Ihnen, Herr Präsident.
Ich rufe die Fragen 56 und 57 des Herrn Abgeordneten Wimmer auf:Ist dem Bundesverteidigungsminister bekannt, welche Umstände im einzelnen am 21. März 1979 dazu geführt haben, daß der Wehrpflichtige Hans-Joachim Holten aus Mönchengladbach, Dohrer Straße 137, als Angehöriger des schweren Pionierbataillons in Emmerich /Niederrhein nach der Aufforderung durch den diensthabenden Unteroffizier, auf die Zimmer zu gehen, in der Kaserne durch einen zum Wachdienst eingeteilten Soldaten gegen 21.50 Uhr durch Messerstiche getötet wurde?Trifft es zu, daß es für den schwerverletzten Wehrpflichtigen Hans-Joachim Holten weder innerhalb der Kaserne noch außerhalb der Kaserne in einem nahe gelegenen Krankenhaus eine unverzügliche Sanitätsversorgung gab, und trifft es insoweit zu, daß die in der Kaserne zuständigen Ärzte nicht auffindbar waren, und ein nahe gelegenes Krankenhaus nicht über den schweren Unglücksfall unterrichtet wurde, so daß beim Eintreffen des schwerverletzten Soldaten in diesem Krankenhaus ärztliche Hilfe nicht unverzüglich geleistet werden konnte?Dr. Hiehle, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die von Ihnen erwähnte Tat erfolgte im Anschluß an eine inoffizielle Feier, zu der sich etwa 10 Soldaten anläßlich des bevorstehenden Abschlusses ihrer Grundausbildung am 21. März 1979 ab 18 Uhr im Lesezimmer des Kompaniegebäudes zusammengefunden hatten.Im Verlauf des Abends, an dem die Soldaten auch Alkohol zu sich nahmen, kam es zu Auseinandersetzungen über Meinungsunterschiede und zu lebhaften Diskussionen über diese Meinungsunterschiede. Worüber im einzelnen diskutiert wurde, ist nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Zutreffend ist, daß der „Unteroffizier vom Dienst" diese Runde der Soldaten gegen 21.30 Uhr auflöste und den Soldaten befahl, sich auf ihre Stuben zu begeben.Dieser Aufforderung kamen mit Ausnahme des Pioniers Joachim Holten und des Pioniers Frank Ludwig, der als Angehöriger des Bereitschaftsdienstes an der Feier teilgenommen hatte, alle Soldaten nach.Wie Zeugenaussagen zu entnehmen ist, hat Pionier Holten nach Verlassen des Leseraumes den Pionier Ludwig aufgefordert, noch bestehende Meinungsverschiedenheiten auf dem Dachboden zu klären. Dieser Aufforderung, der der Pionier Ludwig folgte, wurde jedoch von den anderen Soldaten keine Bedeutung beigemessen, 'so daß Zeugen der Tat nicht vorhanden sind.Die tatsächliche Auseinandersetzung erfolgte unmittelbar darauf auf der Treppe zum Dachboden, auf der sich — nach Aussagen des Pioniers Ludwig — der vorausgehende Pionier Holten plötzlich umdrehte und Ludwig, der sein Dienstmesser offen in der Hand trug, mit dem Fuß gegen die Schulter trat. In einer Reflexbewegung hielt dieser den Fuß fest und zog seinen Kontrahenten nach unten. Beide gerieten daraufhin ins Stolpern und stürzten auf die Vorfläche der Treppe. Als er sich vom Boden löste, bemerkte Pionier Ludwig, daß er Holten mit dem Messer verletzt hatte. Er stürzte auf den Flur und rief um Hilfe.Die Annahme — und das ist der eigentliche Punkt —, daß eine unverzügliche Sanitätsversorgung des Pioniers Holten nicht gewährleistet gewesen sei, trifft nicht zu. Vielmehr ist festzustellen, daß unmittelbar nach der Verletzung die telefonisch alarmierte Sanitätsbereitschaft mit einem fachlich ausgebildeten Sanitätsunteroffizier und einem Krankenkraftwagenfahrer zur Stelle war und den Verletzten in das 2,5 km entfernte St. Willibrordus-Spital transportierte.Dort waren die diensthabenden Ärzte, die sich anläßlich einer Fernsehübertragung in einem Aufenthaltsraum in unmittelbarer Nähe des Operationssaales aufhielten, unverzüglich nach Eintreffen des Krankentransports einsatzbereit und leisteten Soforthilfe. Nach Schätzung mehrerer Beteiligter waren vom Eintritt der Verletzung bis zum Eintreffen beim Arzt im Krankenhaus etwa 6 bis 7 Minuten vergangen.Ferner ist nicht zutreffend, daß die in der Kaserne zuständigen Ärzte nicht auffindbar waren. Obwohl an diesem Abend kein Arzt turnusmäßig zum Standortarztdienst, der mehrere Kasernen umfaßt, eingeteilt war, befanden sich zwei Truppenärzte anläßlich einer dienstlichen Veranstaltung im Offiziersheim, von denen einer unverzüglich verständigt wurde. Als Stabsarzt Dr. Stempel am Unfallort eintraf, war Pionier Holten bereits ins Krankenhaus abtransportiert, so daß er lediglich den unter Schockwirkung stehenden Pionier Ludwig behan-
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Staatssekretär Dr. Hiehledein konnte. Nach Zeugenaussagen geschah dies um 22 Uhr..Abschließende Bemerkung: Es ist zutreffend, daß es in der allgemeinen Aufregung unterblieb, das Krankenhaus über den Unglücksfall und das Eintreffen des Pioniers Holten vorab zu unterrichten. Diese Unterlassung hatte jedoch auf Grund der unmittelbaren Verfügbarkeit der Ärzte im Krankenhaus keinen wesentlichen Einfluß auf die Soforthilfe.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß der Täter bereits wegen Körperverletzungsdelikten einschlägig bekannt war und vorher bereits ein Zwischenfall in dieser Runde dazu beigetragen hatte, daß er von dem diensthabenden Unteroffizier zur Ruhe ermahnt worden ist, weitere Schritte aber unterblieben sind?
Dr. Hiehle, Staatssekretär: Ich kann dies nicht bestätigen, Herr Abgeordneter.
— Ich bin bereit, es aufzuklären, und werde Sie schriftlich unterrichten.
Ist es weiter zutreffend — das ist meine zweite Frage —, daß der Transport, der dann zum Krankenhaus erfolgte, deshalb nicht unmittelbar ins Krankenhaus gelangen konnte, weil das Krankenhaus nicht unterrichtet worden war und erst das Eintreten von Scheiben dazu geführt hat, daß man die im Krankenhaus befindlichen Ärzte unterrichten konnte?
Dr. Hiehle, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, vom Eintreten von Scheiben weiß ich nichts. Ich weiß nur, daß es keinen wesentlichen Unterschied bedeutete, das Krankenhaus vorab anzurufen. Denn — ich habe das ausgeführt — bereits sechs bis sieben Minuten nach der Verletzung ist der Verletzte im Krankenhaus eingetroffen.
Sie haben noch Zusatzfragen.
Wimmer CDU.DU/CSU: Ist es in einem solchen Fall nicht üblich, daß man, wenn eine solche Verletzung oder etwas ähnliches in der Kaserne passiert, zunächst einmal unmittelbar die zur Verfügung stehenden Truppenärzte unterrichtet, damit unter Umständen noch in der Kaserne Hilfe geleistet werden kann?
Dr. Hiehle, Staatssekretär: Das ist richtig. Ich habe ausgeführt, Herr Abgeordneter, daß der zur Verfügung stehende Stabsarzt sofort eintraf, aber der Verletzte bereits in dieser Zeit in das Krankenhaus abtransportiert worden war.
Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Herr Staatssekretär Zander steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die erste Frage ist vom Herrn Abgeordneten Braun eingebracht — Frage 58 —:
Hat Frau Bundesminister Huber am 28. März 1979 in Köln erklärt, daß jährlich ca. 1 000 Babys geboren werden, die durch Alkoholkonsum der Mutter geschädigt wurden, und ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die bisherigen Informations-und Aufklärungsbemühungen ausreichen, bzw. was wird die Bundesregierung gegebenenfalls veranlassen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Braun, anläßlich der Verleihung des Hufeland-Preises 1978, unter anderem für die Arbeit „Untersuchungen zur Alkoholembryopathie", hat Frau Bundesminister Huber am 28. März 1979 erklärt, daß jährlich mit mindestens 1000 Neugeborenen zu rechnen ist, die durch den Alkoholmißbrauch der Mutter während der Schwangerschaft geschädigt wurden. Diese Zahl basiert auf einer im Auftrag des Ministeriums erarbeiteten Expertise über die Alkholembryopathie.
Frau Minister Huber hat gleichzeitig erwähnt, daß es andere Schätzungen über die Alkoholgefährdung von Frauen gibt, und zwar sind Frauen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren betroffen, auf die 90 O/o aller Geburten fallen. Dabei werden Zahlen von 2 000 und noch darüber hinaus genannt.
Obwohl die Entstehung der Alkoholmißbildungen noch nicht geklärt ist, erscheint es sicher, daß erhebliche Mengen von Alkohol während der Frühschwangerschaft und ein fortgeschrittenes Stadium der Alkoholkrankheit der Mutter Voraussetzungen für die Entstehung solcher Mißbildungen sind. Es bedarf jetzt einer konsequenten Umsetzung dieser Ergebnisse in die Schwangerenberatung im allgemeinen und in die Beratung alkoholkranker Frauen im besonderen. Diese Aufgabe fällt vor allem in die Verantwortung des Arztes.
Die Bundesregierung wird ihrerseits noch stärker in den Aufklärungs- und Informationsmaterialien über die Gesundheitsrisiken durch Alkohol auf das Problem des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft eingehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entsprechendes .Material für die von Ihnen auch vorhin angesprochenen Kreise zur Verfügung stellen?Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Braun, das geschieht bereits jetzt. Ich darf darauf hinweisen, daß wir von seiten des Ministeriums den „Ärztlichen Ratgeber für werdende und junge Mütter" fördern, ferner die Informationsschrift „Das
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Parl. Staatssekretär ZanderBaby", herausgegeben von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Schrift „Alltagsdrogen und Rauschmittel", ebenfalls dort herausgegeben. Für 1980 bereitet die Bundeszentrale eine Kampagne für Erwachsene hinsichtlich Alkohol vor. Dabei wird das Thema Alkohol und Schwangerschaft stärkere Berücksichtigung erfahren. Es geschieht schon einiges, und es wird verstärkt fortgesetzt.Vizepräsdent Dr. Schmitt-Vockenhausen: Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Haben Sie die Möglichkeit, auch sicherzustellen, daß dieses Informationsmaterial nicht über den allgemeinen Verteiler verbreitet wird, sondern speziell an die Kreise gelangt, die es angeht?
Zander, Parl. Staatssekretär: Ja, diese Bemühungen stellen wir natürlich bei allen Informationsschriften an. Wir versuchen immer sicherzustellen, daß sie die jeweilige Zielgruppe erreichen. Hier geht es darum, während der Schwangerschaft möglichst früh die werdende Mutter zu erreichen oder auch speziell, wie ich es erwähnte, alkoholkranke Frauen anzusprechen. Darum bemühen wir uns. Das geschieht in den meisten Fällen auch ganz erfolgreich.
Die
Fragen 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup und 60 sowie 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Reimers werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Abgeordneter Niegel, ich rufe die von Ihnen gestellte Frage 62 auf:
Welche Maßnahmen hat das Bundesgesundheitsministerium auf Grund der Aufforderung des Bundesernährungsministers, vorgetragen vom Parlamentarischen Staatssekretär Gallus in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 25. April 1979, wegen des Verkaufs von holländischen Eiern getroffen, und ist dem Bundesgesundheitsministerium die Tatsache bekannt, daß holländische Erzeuger nach wie vor Antibiotika und andere Zusätze für Futtermittel zur Erzeugung von Eiern und Geflügel verwenden, die bei uns aus gesundheitsrechtlichen Gründen verboten sind?
Herr Staatssekretär.
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit geht davon aus, daß durch die von der Bundesregierung angestrebte Streichung des Art. 21 der Vermarktungsnormen für Eier eine Gelegenheit eröffnet wird, die Angabe der Herkunft von Elern in einer Weise zu regeln, die auch den Erfordernissen des Verbraucherschutzes genügt.
Zur Frage der verbotswidrigen Verwendung von Antibiotika und anderen Zusätzen in Futtermitteln für Legehühner und Schlachtgeflügel ist zu bernerken, daß der Einsatz von Antibiotika als wachstumsfördernde Zusatzstoffe in Mischfuttermitteln EWG-einheitlich geregelt ist. Nach der Richtlinie über Zusatzstoffe in der Tierernährung vom 23. November 1970, abgedruckt im Amtsblatt unter der Nummer L 39/11, dürfen in den Mitgliedstaaten der
EG in Futtermitteln nur Zusatzstoffe verwendet werden, die in Anhang I oder II der Richtlinie aufgeführt sind.
Von der Geflügel- und Eierwirtschaft ist allerdings darauf hingewiesen worden, daß in den Niederlanden Legehühnern Arzneimittel und Futtermittelzusatzstoffe in einer Weise zugeführt werden sollen, die nach dem in der Bundesrepublik geltendem Recht unzulässig seien. Amtliche Hinweise, daß Eier und Geflügel aus den Niederlanden in die Bundesrepublik verbracht werden, die nicht den lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen, liegen allerdings hier nicht vor.
Eier und Geflügel, die als Lebensmittel in die Bundesrepublik Deutschland verbracht werden, müssen wie alle Lebensmittel, die hier in den Verkehr gebracht werden, den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprechen. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt den dafür zuständigen Landesbehörden. Art und Weise der Durchführung der amtlichen Lebensmittelüberwachung können vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit nicht bestimmt vierden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im vorliegenden Falle wird der Verbraucher dadurch irregeführt, daß holländische Eier als deutsche Eier verkauft werden. Herr Staatssekretär Gallus hat in der letzten Fragestunde erwähnt, daß hier die Zuständigkeit Ihres Hauses gegeben ist. Würden Sie in dem vorliegenden Fall der Sache im Hinblick auf die Lebensmittelüberwachung nachgehen?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, ich habe bereits erwähnt, daß sich die Burdesregierung insgesamt darum bemüht, Art. 21, den ich eingangs erwähnte, zu streichen. Damit würde sich dieses Problem regeln. Auch Kollege Gallus hat Ihnen dargestellt, daß es auf die genannte Regelung zurückzuführen ist, daß solche etwas zweifelhaften Beschriftungen noch möglich sind. Mit der Streichung dieses Artikels, um die wir uns bemühen, würde die Möglichkeit der undeutlichen Herkunftsangabe, will ich einmal sagen, entfallen.
Zusatzfrage.
Sie sagen, Herr Staatssekretär, daß Ihnen amtlicherseits keine Informationen bekanntgeworden seien, daß verbotenerweise Antibiotika und andere Zusätze in holländischen Futtermitteln enthalten seien. Werden Sie von Ihrem Ministerium und von nachgeordneten Dienststellen, z. B. dem Bundesgesundheitsamt, aus die Länder bitten, tätig zu werden, um festzustellen, ob und wie es zu solchen Mißbräuchen kommt?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, ich habe Ihnen gesagt, daß die lebensmittel-
Parl. Staatssekretär Zander
rechtlichen Kontrollen eine eigene Angelegenheit der Bundesländer sind. Ich habe Ihnen andererseits dargestellt, daß wir keine amtlichen Informationen darüber haben, die die gerüchteweise an uns herangetragenen Vermutungen bestätigen. Infolgedessen sah sich die Bundesregierung leider außerstande, diese Vermutungen gewissermaßen dadurch amtlich zu machen, daß wir von uns aus an die Länder herangetreten sind.
Da diese Informationen auch öffentlich verbreitet wurden, gehe ich davon aus, daß auch die zuständigen Landesbehörden Kenntnis von diesen Vermitungen haben und ihnen mit ihren eigenen Möglichkeiten nachgehen werden.
Noch
eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordeten Jäger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Schritte bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unternommen, um diese zu veranlassen, von der holländischen Regierung Auskunft zu erbitten?
Zander, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Durchführung und Kontrolle von lebensmittelrechtlichen Vorschriften ist keine Sache, auf die die Gemeinschaft Einfluß hat. Das wird national geregelt. Bei uns obliegt diese Aufgabe den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder.
Ich
danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Herr Abgeordneter Daweke — Frage 63 —, Herr Abgeordneter Dr. Ahrens — Fragen 64 und 65 — und Herr Abgeordneter Müller — Frage 66 — haben um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Jetzt kommt Frage 67 des Herrn Abgeordneten Hennig, bei der dem amtierenden Präsidenten natürlich das Herz höher schlägt, weil sie so kurz und knapp ist:
Wo bleibt der europäische Führerschein?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, während der deutschen Präsidentschaft im EG-Ministerrat im zweiten Halbjahr 1978 war auf Grund eines Kompromisses weitgehende Einigung über den Inhalt der EG-Führerscheinrichtlinie erzielt worden. Lediglich ein Mitgliedstaat lehnte sowohl in der Ministerratstagung am 23. November 1978 als auch am 20. Februar 1979 die erarbeitete Fassung der Richtlinien in wesentlichen Punkten ab. Der derzeitige französische Vorsitz beabsichtigt, die Beschlußfassung über die EG-Führerscheinrichtlinie erneut auf die Tagesordnung der nächsten Ministerratstagung, die Ende Juni dieses Jahres stattfinden soll, zu setzen.
Herr
Kollege, keine Zusatzfrage außer der Hoffnung, daß die Bearbeitung in Brüssel so schnell geht, wie die Frage knapp ist.
Nachdem ich für die Präzision meiner Frage hier so nett gelobt worden bin, Herr Präsident, wollte ich an die Bundesregierung die Frage stellen, ob sie diese Kürze nicht dadurch hätte übertreffen können, daß sie einfach eine Jahreszahl mitteilt.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn das von der Bundesregierung abhinge, wäre das sicher möglich. Ich habe auf die schwierigen. Beratungen in Brüssel hingewiesen. Ein EG-Führerschein hat nur dann einen Sinn, wenn sich alle Staaten beteiligen.
Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen. — Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Für die Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sperling zur Verfügung. Herr Abgeordneter Henke hat die Frage 68 eingebracht:
Ist der Bundesregierung bekannt daß eine große, überregionale gemeinnützige Siedlungsgesellschaft Wohnanlagen aufkauft mit dem Ziel, sie nach kurzer Zeit durch Umwandlung in Eigentumswohnungen mit hohem Gewinn zu veräußern, und hält die Bundesregierung dies gegebenenfalls für vereinbar mit den zahlreichen Steuervergünstigungen, die sich aus der sogenannten Gemeinnützigkeit ergeben?
Herr Kollege Henke, uns sind bisher auch nur allgemeine Gerüchte zu Ohren gekommen, keine präzisen Informationen. Die Gerüchte haben aber genügt, um uns zu einer Prüfung der rechtlichen Bedingungen zu veranlassen. Insoweit können wir folgendes sagen:Gemeinnützige Wohnungsunternehmen haben die Aufgabe, die breiten Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu versorgen. Deshalb ist diesen Wohnungsunternehmen die Maximierung des Gewinns verwehrt. Mit ihrer , Zielsetzung ist es unvereinbar, wenn ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen Wohnanlagen aufkauft, um sie nach kurzer Zeit als Eigentumswohnungen mit hohem Gewinn zu veräußern. Ob in dem angesprochenen Fall ein Verstoß gegen das Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht vorliegt, kann nur das Land, in dem das Wohnungsunternehmen seinen Geschäftssitz hat, prüfen.
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Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darüber informieren, daß die Gemeinnützig.emeinnützige Siedlungsgesellschaft mbH des evangelischen Siedlungswerks in Deutschland und der Leonberger Bausparkasse mit Sitz in Stuttgart im Oktober 1978 in Köln eine Wohnanlage mit 111 Wohnungen für 4 Millionen DM erworben hat, die jetzt, also ein halbes Jahr später, für rund 8,6 Millionen DM verkauft werden soll? Würden Sie das zuständige Land -- hier Baden-Württemberg — von diesem Vorgang in Kenntnis setzen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Henke, ich bin Ihnen für diese detaillierte Information dankbar. Ich sage Ihnen zu, daß das Land Baden-Württemberg über Ihre Frage und unsere vorangegangene Antwort informiert werden wird.
Noch eine Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung für den Fall, daß sich jetzt die Instrumente zur Vermeidung solcher Fälle als unzureichend erweisen, die Möglichkeit, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu ändern, daß gemeinnützige Gesellschaften aus solchem Fehlverhalten keine steuerlichen Vorteile ziehen können?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Menzel, falls sich erweisen sollte, daß das Gemeinnützigkeitsrecht in einem solchen Fall untauglich ist, ein Unternehmen zu dem anzuhalten, was es eigentlich seinem Status nach leisten soll, dann werden wir zu prüfen haben, wie die rechtlichen Bedingungen verändert werden, denn die Gemeinnützigkeit kann einem solchen Unternehmen dann nicht zuerkannt werden.
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beantwortet. Die Herren Abgeordneten Dr. Schneider und Dr. Jahn haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen 69 und 70 bzw. 73 und 74 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Dr. Hoffacker hat seine Fragen 71 und 72 zurückgezogen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Kreutzmann steht zur Verfügung. Der Herr Abgeordnete Lintner hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 75 und
76 gebeten. Ferner hat der Herr Abgeordnete Dr.
Hupka um schriftliche Beantwortung seiner Frage
77 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich kann damit den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie aufrufen. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl steht zur Verfügung. Die Frage 79 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Steger gestellt:
Werden — wie ein Bonner Pressedienst, der auf Behördenaufträge spezialisiert ist, behauptet — die Zuschüsse aus dem Programm zur Entwicklung für Einfach-Technologien und Technologietransfer vorn Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erheblich großzügiger und einfacher gewährt als vom Bundesministerium für Forschung und Technologie?
Herr Kollege Steger, Ihre Anfrage beantworte ich mit Nein, da Zielsetzung und Verfahren unterschiedlich und nicht vergleichbar sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn bekannt, wie derartige Informationsdienste an offensichtlich zum Teil sehr interne Behördenvorgänge kommen, und sehen Sie sich nicht veranlaßt, diesen Informationsfluß zu unterbinden, damit derartige Berichte nicht erscheinen?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steger, ich habe mir das hier in Rede stehende Informationsblatt angesehen. Es stehen nicht dienstliche Sachen darin, sondern es stehen dort Sachen, die allgemein zugänglich sind. Was die reißerische Aufmachung derartiger Aussagen anbetrifft, sind wir nicht zuständig. Wir würden uns gerne wünschen, daß dies in sachlicher Form geschieht. Wenn dort Mitarbeiter z. B. unseres Hauses mit Telefonnummern angegeben werden, so sind diese natürlich aus dem Geschäftsplan des Bundesministeriums, der vielen zugänglich ist, ersichtlich.
Sie wollen noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt dann vielleicht die Bundesregierung, mit dem betreffenden Informationsdienst mal in Kontakt zu treten, um ihm den tatsächlichen Sachverhalt mitzuteilen, damit solche Dinge nicht im Raum stehenbleiben?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Steger, ich will das gerne veranlassen. Ich weiß aber nicht, ob dies zum Erfolg führt, weil wir, wie gesagt, keinerlei Möglichkeit haben, die Diktion derartiger Aussagen zu beeinflussen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir stehen am Ende der Fragestunde. Denn der Herr Abgeordnete Lenzer hat um schriftliche Beantwortung der beiden eingereichten Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12065
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen zu dem Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens— Drucksache 8/2777 —Berichterstatter: Abgeordneter Russe Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für den Vermittlungsausschuß darf ich Ihnen das Ergebnis seiner Beratungen vom 26. April dieses Jahres betreffend das Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nachfolgend zur Kenntnis bringen. Das Hohe Haus hat in seiner 139. Sitzung am 16. Februar dieses Jahres auf Grund der Beschlußempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — dargestellt in den Drucksachen 8/2535 und 8/2568 — den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens auf Drucksache 8/1567 angenommen. Der deutsche Bundesrat verlangte demgegenüber in seiner Sitzung vom 9. März 1979 gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes die Befassung des Vermittlungsausschusses. Dabei vertrat er, wie in der diesbezüglichen Drucksache 74/79 des Bundesrates ausgewiesen ist, auch die Ansicht, daß es sich bei dem vorgenannten Gesetz um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes handle.Insgesamt neun Änderungsbegehren brachte der deutsche Bundesrat gegen den Gesetzesbeschluß des Hohen Hauses vor. Dabei ließ er sich von verschiedenen politischen und rechtlichen Vorstellungen leiten. Im Vordergrund stand bei seinen Änderungsbegehren das Verlangen nach Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Ich verweise diesbezüglich auf die Nummern 2, 7, 8 und 9 des Begehrens des Bundesrates in der schon zitierten Drucksache 74/79.Die Einwendung Nr. 1 des Begehrens ist vom föderativen Selbstverständnis geprägt, während die Nummern 3 und 5 der Anrufungsbegründung des Bundesrates den Gesetzeszweck der Beschleunigung arbeitsgerichtlicher Verfahren akzentuieren. Die Einwendung Nr. 6 betont den Entlastungsgesichtspunkt. Schließlich werden in Nr. 4 vom Bundesrat in seinem Begehren reine Rechtsbedenken vorgetragen.Lassen Sie mich im folgenden kurz das Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses mitteilen. Ich lenke diesbezüglich Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die Ihnen vorliegende Drucksache 8/2777. Der Vermittlungsausschuß akzeptierte das Verlangen des Bundesrates unter Nr. 1 seines Begehrens nicht, nämlich die normierte Bindung der Arbeitsgerichte an die Arbeitsministerien aufzuheben. Bund und Länder werden also nicht die Möglichkeit erhalten, die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit einem alle Gerichtsbarkeiten umfassenden Rechtspflegeministerium zuzuordnen. Dabei verneinte der Vermittlungsausschuß insbesondere auch die diesbezügliche Begründung des Bundesrates, die zum Ausdruck brachte, daß die bisherige Fassung des Arbeitsgerichtsgesetzes bzw. die darin festgeschriebene Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit zumindest eine verfassungsrechtlich bedenkliche bzw. verfassungspolitisch unerwünschte Beschränkung beinhalte.Bezüglich der Rechtsmittelbelehrungspflicht — das betraf das zweite Begehren des Bundesrates — folgte der Vermittlungsausschuß dem Verlangen des Bundesrates. Einen weiteren Schutz für den Rechtsuchenden glaubte der Vermittlungsausschuß allerdings insofern ergänzend normieren zu müssen, als er den Änderungsvorschlag des Bundesrates erweiterte, und zwar um den zweiten Satz in der Ziffer 1 der Anlage zu der vorhin zitierten, Ihnen das Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses anzeigenden Drucksache 8/2777.Das dritte Begehren des Bundesrates betreffend Organisationsakt durch Rechtsverordnung fand keine Zustimmung im Vermittlungsausschuß. Das heißt in concreto, das Begehren des Bundesrates, gewisse Organisationsakte weiterhin durch Rechtsverordnung zu regeln — wie z. B. die Zuweisung einzelner Sachgebiete an ein Arbeitsgericht für die Bezirke mehrerer Arbeitsgerichte oder die Errichtung von Kammern des Arbeitsgerichtes an anderen Orten —, fand keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß.Was die Bedürfnisprüfung bei der Einrichtung von Fachkammern bei den Arbeitsgerichten angeht, so verschloß sich diesbezüglich der Vermittlungsausschuß nicht dem Verlangen des Bundesrates. Die Ziffer 2 zu Art. 1 Nr. 17 Buchstabe b auf Drucksache 8/2777 demonstriert Ihnen den Beschluß des Vermittlungsausschusses im einzelnen.Der Bundesrat hatte als nächstes Begehren vorgetragen, die Befugnis des Kammervorsitzenden bei den Arbeitsgerichten zu erweitern. Hier kam es nur zu einem Kompromiß zwischen dem Gesetzesbeschluß des Hohen Hauses und dem Vermittlungsbegehren des Bundesrates. Ich verweise diesbezüglich auf die ausgedruckte neue Fassung des § 55 unter Ziffer 3 zu Art. 1 Nr. 37 und Nr. 44 Buchstabe d (§ 64 Abs. 7 des Arbeitsgerichtsgesetzes). Sie ist So schlüssig, daß ich auf eine weitere Einzelerläuterung verzichten kann.Das sechste Begehren des Bundesrates betreffend Rechtsmittelgrenze wurde im Vermittlungsausschuß nicht aufgenommen. Es verbleibt demzufolge bei dem Bundestagsbeschluß.Das siebte Begehren des Bundesrates, also der Änderungswunsch des Bundesrates, die Berufungsfrist und die Frist für die Berufungsbegründung mit je einem Monat zukünftig festzuschreiben, fand die Unterstützung des Vermittlungsausschusses. Sie finden unsere Beschlußfassung unter Ziffer 4 zu Art. 1 Nr. 45, Nr. 52, Nr. 69 und den dazu gehörigen und zitierten Paragraphen des Arbeitsgerichtsgesetzes ausgewiesen.Im achten Begehren wandte sich der Bundesrat gegen die vom Bundestag im Gesetz eingeräumte Möglichkeit, Beteiligte als Zeugen zu vernehmen. Er
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Russebegründete sein Verlangen auf Streichung dieser neuen Bestimmung damit, daß nach dem für alle Verfahrensordnungen geltenden Grundsatz Zeuge nur ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter sein könne. Deshalb beschloß der Vermittlungsausschuß, § 83 Abs. 2 Satz 2 zu streichen. Bitte vergleichen Sie unter Ziffer 5 der Drucksache 8/2777 die entsprechende Ausweisung.Nun zum Schluß das neunte Begehren des Bundesrates. Nach dem Vorschlag des Hohen Hauses sollte die Bindung des Bundesarbeitsgerichts an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht nicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren Geltung haben. Der Bundesrat vertrat demgegenüber den Standpunkt, daß in diesem Punkte hinsichtlich des Urteils- und des Beschlußverfahrens nicht differenziert werden sollte. Der Vermittlungsausschuß schloß sich dem Begehren des Bundesrates an. Aus diesem Grunde finden Sie in der Drucksache 8/2777 unter Ziffer 6 die entsprechende Änderung in § 92 Abs. 1 Satz 2 dargestellt, nach dem § 72 Abs. 2 und 3 entsprechend anzuwenden ist.Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen schließlich gemäß seiner Geschäftsordnung vor, über diesen Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit abzustimmen. Ich darf Ihnen empfehlen, diesem Votum wie der gesamten Vermittlungsvorlage zu folgen.
Ich
danke Ihnen, Herr Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung. Sie haben gehört, daß der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen.
Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses in Drucksache 8/2777 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Damit ist die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses angenommen.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 3:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Entwicklungsländer-Steuergesetzes und des Einkommensteuergesetzes
— Drucksache 8/2778 — Berichterstatter: Senator Apel
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichte über die Drucksache 8/2778 und damit über das Gesetz zur Änderung des Entwicklungsländer-Steuergesetzes und des Einkommensteuergesetzes und den dazu ergangenen Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses. Es handelt sich um ein bisher befristetes Gesetz, das nunmehr unbefristet in Kraft treten soll. Der Bundestagsbeschluß dazu ist am 15. März 1979 nahezu einstimmig ergangen. Der Bundesrat hat am 6. April beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, und zwar aus zwei Gründen. Er wünschte erstens die Aufnahme der Volksrepublik China in den Kreis der begünstigten Länder. Das bedeutet, daß in § 6 Abs. 1 unter Nr. 2 die Volksrepublik China aufgeführt wird. Der Bundesrat begehrte zweitens, daß § 9 des Gesetzes gestrichen wird mit der Folge, daß die dort vorgesehene Bundesstatistik nicht erhoben wird.
Der Vermittlungausschuß macht den Vorschlag, dem zuerst genannten, die Volksrepublik China betreffenden Begehren zu entsprechen, hingegen dem zweiten Begehren, die Bundesstatistik betreffend, nicht zu entsprechen.
Im Vermittlungsausschuß wurde zu dem ersten Wunsch ausgeführt, daß die Aufnahme der Volksrepublik China tunlich sei, weil neben der Intensivierung der sonstigen wirtschaftlichen Beziehungen deutscherseits auch die privaten Investitionen in China gefördert und entsprechend begünstigt werden sollten. Dies solle, so wurde gesagt, selbst dann gelten, wenn zur Zeit noch keine konkreten Initiativen Chinas erkennbar seien und wenn China selbst die rechtlichen Voraussetzungen für solche Investitionen in seinem Lande erst noch schaffen müsse.
Was den zweiten Anrufungsgrund, die Bundesstatistik, anlangt, so empfiehlt Ihnen der Vermittlungsausschuß keine Streichung, er lehnt also dieses Anrufungsbegehren ab, und zwar obgleich er wie der Bundesrat der Meinung ist, daß — so heißt es in der Anrufung — gegen Wildwuchs auf dem Gebiet der Statistik vorgegangen werden müsse und daß natürlich vermeidbarer Verwaltungsaufwand zu vermeiden sei. Er war jedoch der Meinung, daß diese Argumente in diesem Fall nicht durchgreifen. Die Zahl der Fälle, die hier in Frage kommen, ist gering, etwa 300. Verwaltungsaufwand und kostenmäßiger Aufwand sind ebenfalls gering, maximal 50 000 DM. Die Aussagekraft dieser Statistik ist indes erheblich.
Der Bundestag hat eine Entschließung verabschiedet, in der er bis 1982 einen Bericht über die Auswirkungen des nunmehr unbefristeten Gesetzes verlangt. Der Vermittlungsausschuß war der Meinung, daß ein solcher aussagekräftiger Bericht unverzichtbar sei und nur erstattet werden könne, wenn eine aussagefähige Statistik ihm zugrunde gelegt werden könne. Dies ist ja die Beurteilungsgrundlage für den Gesetzgeber, ob er tätig werden muß im Hinblick auf die Auswirkungen dieses Gesetzes.
Ich bitte Sie um Zustimmung zum Vorschlag des Vermittlungsausschusses.
Ichdanke Ihnen, Herr Berichterstatter, und frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses in der Drucksache 8/2778 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12067
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Stimmenthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Punkt 5 der heutigen Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Eilers , Frau Dr. Lepsius, Glombig, Hauck, Fiebig, Schmidt (Kempten), Frau Schuchardt, Spitzmüller, Frau Matthäus-Maier, Eimer (Fürth) und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (Unterhaltsvorschußgesetz)— Drucksache 8/1952a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/2821 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Roseb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 8/2774 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Karwatzki
Ich frage, ob von den Berichterstattern das Wort gewünscht wird? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich den Berichterstattern.Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Karwatzki.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der ersten Lesung des vorliegenden Entwurfs eines Unterhaltsvorschußgesetzes habe ich im Oktober des vergangenen Jahres angekündigt, daß sich die CDU/CSU im Interesse einer raschen parlamentarischen Debatte der Vorlage konstruktiv an den Beratungen beteiligen werde. Ich denke, dies ist unsererseits geschehen. Zu verdanken ist das allerdings der Tatsache, daß wir von Anfang an mit der Grundtendenz des Entwurfs einverstanden waren, der bekanntlich der Idee der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg und Berlin entspricht. Ich sage dies nicht als Vorwurf, sondern lediglich zur Klarstellung.Bei diesem Entwurf fällt es uns trotz einiger Bedenken, die ich gleich noch aufzählen werde, leichter, unsere Zustimmung zu geben, als bei den übrigen zur Entscheidung anstehenden jugend- und familienpolitischen Gesetzentwürfen, die uns die Bundesregierung präsentiert hat, zum Beispiel zum Jugendhilferecht. Dort können Sie eines solchen Wohlwollens von unserer Seite nicht sicher sein. Dort wird es Ihnen erhebliche Mühe bereiten, die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Ich kann Sie an dieser Stelle nur bitten, sich dabei unseren Bedenken und Alternativvorstellungen möglichst nicht zu verschließen.Im Falle des Unterhaltsvorschußgesetzes gehe ich davon aus, daß die Problematik und die Materie hinreichend bekannt sind. Wir haben im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit den in einigen Punkten abgeänderten Entwurf mitgetragen, weil wir ein rasches Inkrafttreten befürworten.
Nun ist der 1. Januar 1980 vorgesehen, um die Probleme bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen solcher Kinder, die von alleinstehenden Elternteilen erzogen werden, schnellstmöglich zu lindern.Insgesamt kommen wir durch das neue Gesetz einen kleinen Schritt weiter. Unserem Ideal entspricht es jedoch nicht. Ich darf die verbleibende Kritik in vier Punkten zusammenfassen:Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion hätte es gern gesehen, wenn die im Ausschuß bereits beschlossene und auch von der Bundesregierung voll befürwortete Streichung des umstrittenen § 1 Abs. 1 Nr. 4 beibehalten worden wäre. Die CDU/CSU-Minderheit im Ausschuß hat das Titelerfordernis abgelehnt, weil sie hierdurch — wohl nicht zu Unrecht, wie die Praxis zeigen dürfte — eine den Intentionen des Gesetzes zuwiderlaufende Erschwerung, Komplizierung und Verzögerung der Hilfeleistung befürchtet. Eine unbürokratische und bürgernahe Abwicklung des Anspruchs auf Vorschuß- oder Ausfalleistung dürfte an Hand der vorliegenden Regelung kaum möglich sein.
Ein vollstreckbarer Titel als Anspruchsgrundlage ist sogar ein Rückschritt hinter entsprechende Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes. . Hier unterlagen die Familienpolitiker ausnahmsweise einmal nicht den Finanzexperten, sondern den Experten im Rechtsausschuß. Insbesondere die als Entgegenkommen des Rechtsausschusses gedachte Schaffung der Absätze 5 und 6 des § 1, die das Titelerfordernis einschränken, sorgt für eine nicht zu überbietende Bürokratisierung schon zu Beginn des Antragsvorgangs, die das Gesetz unübersichtlich und somit unattraktiv macht und obendrein eine zurückhaltende Anwendung durch die Behörden erwarten läßt. An diesem Beispiel sehen wir, wie man sich selbst ein Bein stellen kann.
Zweitens. Auch Stiefkinder hätten als Anspruchsberechtigte in das Gesetz mit einbezogen werden müssen. Zwar sind sie als solche in eine vollständige und in der Regel auch intakte Familie eingebettet, ihr Anspruch auf Unterhaltszahlung durch den leiblichen Vater ist aber damit keineswegs leichter durchsetzbar geworden oder gar in irgendeiner Weise geschmälert oder erloschen. Auch könnte die zum Jahreswechsel in Kraft tretende Rechtslage den Entschluß zur Eheschließung erschweren, parallel dazu áber einer Tendenz zur vermehrten Führung von „Ehen ohne Trauschein", um so die
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12068 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau Karwatzkianstehende Benachteiligung der Stiefkinder zu verhindern, Vorschub leisten. Hier hätte man zu einer familienfreundlicheren Lösung kommen müssen. Wir sollten gemeinsam auf diesem Sektor nach Inkrafttreten des Gesetzes genauere Beobachtungen anstellen, um zu erfahren, ob die im Ausschuß beschlossene Nichteinbeziehung der Stiefkinder gerechtfertigt ist.Drittens. Die altersbezogene Anspruchsgrenze des berechtigten Kindes ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 mit der Vollendung des 6. Lebensjahres erreicht, was der Sache nach nicht begründbar ist, weil — ich wiederhole das hier noch einmal — nicht das Lebensalter des Kindes, sondern das Eintreten einer Notsituation, also etwa Scheidung, Trennung oder Tod eines Ehegatten, für das Bedürfnis nach Hilfeleistung entscheidend ist. Gleichartige Sachverhalte müssen auch gleichartig behandelt werden. Der vorliegende Entwurf wird dieser rechtstheoretischen Elementarforderung jedoch nicht gerecht. Die Tatsache, daß die Bundesregierung die Grundgesetzkonformität dieser Bestimmung behauptet, kann ich nur als eine kosmetische Pflichtübung ansehen. Ich räume allerdings ein, daß ein Gewährungszeitraum von maximal drei Jahren in der Regel ausreichen dürfte, um die Rechtslage abschließend zu klären und dem Kind zu seinem Recht zu verhelfen.Leider unterscheidet sich das Gesetz nicht von einer reinen Sozialleistungsregelung. Eine auch die Problematik der Vorschuß- oder Ausfallzahlungen berücksichtigende Ausgestaltung des Bundessozialhilfegesetzes hätte sicherlich den gleichen Effekt gehabt und nicht zum weiteren Ausufern der immer wieder beklagten Gesetzesflut beigetragen. Ein eigenständiges Gesetz ist nach meiner Ansicht überflüssig. Da aber diese Regierung stärker aus ideologischer Verpflichtung mit der Absicht angetreten ist, Reformen um der Reformen willen zu kreieren, mußte wieder einmal unter einer imposanten Überschrift und vielversprechender Titulierung ein eigenständiges Gesetz auf die Beine gestellt werden. Rechtsgelehrte — so wurde mir gesagt — pflegen solche Produkte als „Eintagsfliegengesetze" zu bezeichnen.
Insgesamt hat die CDU/CSU ihre im federführenden Ausschuß erteilte Zustimmung letztendlich um der betroffenen Kinder willen gegeben. Dies geschah auch deshalb, um das pünktliche Inkrafttreten zu gewährleisten und u. a. unter Rücksichtnahme auf die von den Ländern und die vom Bund zu übernehmenden Kosten. Eine Überschreitung des finanziellen Rahmens hätte das Gesetzgebungsverfahren gefährden können. Dies hat — ich möchte es so interpretieren — beide Seiten im Ausschuß dazu bewogen, vorerst auf kostenwirksame Erweiterungen zu verzichten. Die vorgetragenen Forderungen werden mit der Verabschiedung des Gesetzes jedoch keineswegs hinfällig. Wir werden sie zu gegebener Zeit zum Gegenstand konkreter Änderungsvorschläge machen. Auf diese Weise könnte das Gesetz dann doch noch perfekt werden.
Wir sollten noch einmal darüber reden, wenn wir, wie ich denke, spätestens nach der nächsten Bundestagswahl in diesem Hause die Mehrheit haben.
Das
Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind froh, daß das von der Koalition aus SPD und FDP eingebrachte Unterhaltsvorschußgesetz heute abschließend beraten werden kann. Es handelt sich hierbei um eine neue soziale Leistung für Kinder alleinerziehender Elternteile und entspricht damit der Grundauffassung sozialdemokratischer Familienpolitik, die vor allem eine Politik für das Kind zu sein hat.Kinder wachsen in Familien mit nur einem sorgeberechtigten Elternteil im allgemeinen unter erschwerten Bedingungen auf. In der Bundesrepublik leben zur Zeit ungefähr 787 000 Familien, in denen Väter oder Mütter ihre Kinder weitgehend allein erziehen. Diese Familien haben es sicher schwerer als Vollfamilien.Die Sorge um die Erziehung der Kinder und die Sicherung des Lebensunterhalts lastet dort gewöhnlich nur auf einer Person. Zwar bestehen meistens Unterhaltsansprüche gegen den außerhalb des Haushalts lebenden Elternteil, jedoch entzieht sich dieser in vielen Fällen seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern. Dadurch wird die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage Alleinerziehender, über die gerade eine vor kurzem vorgelegte Analyse des Max-Planck-Instituts Aufschlüsse gegeben hat, noch zusätzlich erschwert. Meist sind es die Väter, die den Kindern Unterhalt nicht oder nicht regelmäßig leisten, dies gilt aber auch für Mütter, die sich ihren Unterhaltsverpflichtungen zu entziehen versuchen. Stets aber sind die Kinder die Leidtragenden.Mit der Verabschiedung des Unterhaltsvorschußgesetzes durch den Deutschen Bundestag werden eine wichtige Forderung des familienpolitischen Programms der SPD und eine Ankündigung im Regierungsprogramm für die 8. Wahlperiode verwirklicht. Sozialdemokratische Politiker, die sich seit langem für dieses familienpolitische Vorhaben eingesetzt haben, sehen ihre Initiative kurz vor der Realisierung.Die Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs ist mit wenigen Worten zu umschreiben. Unterhaltsleistungen für Kinder alleinsorgeberechtigter Mütter oder Väter werden aus öffentlichen Mitteln rasch und unbürokratisch bevorschußt, wenn der außerhalb des Haushalts lebende unterhaltsverpflichtete Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht in ausreichendem Umfang nachkommt. Es handelt sich hier um eine klar umrissene familienpolitische Zielsetzung, deren Verwirklichung dennoch eine Reihe praktischer Probleme aufgeworfen hat.Dabei konnte freilich nicht allen Erwartungen Gerechtigkeit widerfahren. Das gilt sowohl für die
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12069
Frau Eilers
Sozial- und Familienpolitiker selbst als auch für die betroffenen Alleinsorgeberechtigten und ihre Vertreter im Verband der alleinerziehenden Väter und Mütter. In der Bundesrepublik haben wir mit dem Unterhaltsvorschußgesetz gewissermaßen Neuland betreten, wodurch wir zu besonderer politischer Vorsicht veranlaßt wurden.Das betraf zunächst einmal die Einhaltung eines bestimmten finanziellen Rahmens. Zugleich sollte die Erfüllung einer weiteren Grundforderung sichergestellt werden, nämlich im Interesse der zu unterstützenden Kinder und ihrer alleinerziehenden Elternteile eine möglichst unkomplizierte Regelung zu gewährleisten.Leistungen nach dem Gesetz sollen nichteheliche Kinder, ferner die ehelichen Kinder von Geschiedenen oder dauernd Getrenntlebenden, unter bestimmten Voraussetzungen auch Halbwaisen in Anspruch nehmen können, wenn sie nämlich nicht über eigenes Einkommen verfügen und auch keine Ansprüche auf Waisenrente bestehen. Unterhaltsleistungen sollen bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr und längstens für die Dauer von drei Jahren gewährleistet werden.Die altersmäßige und zeitliche Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises folgt zwingend aus dem vorgesehenen Finanzrahmen. Sonst hätten wir auch gern einer Erweiterung dieser Möglichkeiten zugestimmt. Nach unseren Vorstellungen soll dieser Finanzrahmen zu gleichen Teilen vom Bund und von den Bundesländern bereitgestellt werden.Mit dieser Abgrenzung sollen keineswegs die wirtschaftlichen Schwierigkeiten jener alleinsorgeberechtigten Familien verkannt werden, deren Kinder älter als sechs Jahre sind, wenn der außerhalb des Haushalts lebende unterhaltsverpflichtete Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Aber bereits durch die Einbeziehung von sechs Geburtsjahrgängen in die Leistungen dieses Gesetzes ist in den ersten drei Jahren mit einer jährlichen Haushaltsbelastung von Bund und Ländern in Höhe von 142 Millionen DM zu rechnen.Einen präzisen Überblick über die Rückflüsse der bevorschußten Unterhaltsleistungen wird man erst nach einer gewissen Anlaufzeit des Gesetzes erhalten können. Bis dahin können wir nur vorsichtige Schätzungen anbringen.Die Höhe der Unterhaltsvorschußleistungen ist auf den sogenannten Regelbedarf abgestellt, wie er in der jeweils geltenden Regelunterhaltsverordnung für nichteheliche Kinder festgelegt ist. Dadurch erhöht sich der Betrag entsprechend der Entwicklung von Einkommen und Lebenshaltungskosten.Dem Erfordernis einer schnellen und unbürokratischen Hilfe, auf das meine Fraktion bei der Gesetzgebungsinitiative und im Laufe der Ausschußberatungen besonderen Wert gelegt hat — und Sie, Frau Kollegin Karwatzki, haben eben gesagt, im Rechtsausschuß seien Erschwernisse aufgekommen —, ist auch dadurch entsprochen worden, daß das Einkommen des sorgeberechtigten Elternteils nicht auf die Unterhaltsvorschußleistungen angerechnet wird. Einer Anrechnung haben wir lediglich dann zugestimmt, wenn bereits die Kinder über eigenes Einkommen verfügen, z. B. aus Rentenbezug.Für die Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschüssen wird vorausgesetzt, daß ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach besteht. Dies wird in der Regel durch einen vollstreckbaren Titel nachzuweisen sein. Sollte ein solcher Titel innerhalb einer Dreimonatsfrist nicht zu erlangen sein, wird auf das Titelerfordernis verzichtet. Ich glaube, das wird einen Teil Ihrer Bedenken, Frau Kollegin Karwatzki, mit ausräumen.Es wird im Ermessen der ausführenden Bundesländer liegen, bei welcher Behörde eine mit Unterhaltsvorschüssen befaßte Stelle anzusiedeln sein wird. Wir halten die Jugendämter als für am besten für diese Aufgabe geeignet. Wir würden es begrüßen, wenn die Bundesländer sich dieser Empfehlung anschließen könnten.Um den Vorschußcharakter der Leistungen auch verfahrensmäßig zu verdeutlichen, gehen die Unterhaltsforderungen in Höhe des bevorschußten Teils auf die auszahlende Behörde über, die die vorgestreckten Unterhaltsleistungen beim unterhaltsverpflichteten Elternteil beitreiben wird.Für weitergehende Unterhaltsansprüche, die also über den Regelbedarf hinausgehen, kann ein Amtspfleger für nichteheliche Kinder bzw. ein Unterhaltspfleger für eheliche Kinder bestellt werden. Damit ist also der alleinsorgeberechtigte Elternteil vom Prozeßrisiko und der Prozeßlast um Unterhaltszahlungen befreit. Das ist ein schon gegenwärtig zu verzeichnender Tatbestand in der Rechtslage. Wir sollten aber immer wieder. nach außen darauf hinweisen. Es wäre gut, wenn auch in entsprechenden Veröffentlichungen die Bundesregierung, aber auch die Länder und Kommunen die Betroffenen stärker darauf hinweisen.Die Lebenssituation der Alleinstehenden mit kleinen Kindern wird verbessert: sei es, daß die öffentliche Hand für den ausfallenden Unterhalt in Vorlage tritt, sei es durch die Übernahme eines langwierigen und zumeist auch kostenaufwendigen prozessualen Beitreibungsverfahrens.Unterhaltsvorschüsse stellen also weder Staatsalimente dar, noch sind die Sozialhilfeleistungen. Es handelt sich vielmehr um eine finanzielle Leistung zugunsten der Kinder von Alleinstehenden, deren Chance nicht noch dadurch geschmälert werden sollte, daß sich der außerhalb des Haushalts lebende Vater oder die Mutter den Zahlungsverpflichtungen dem Kind gegenüber entzieht.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktionstimmt diesem Gesetz zu. Sie appelliert zugleich an den Bundesrat, im Interesse vieler Mütter und Väter mit kleinen Kindern dieses familienpolitische Gesetz zügig zu beraten und zu verabschieden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß spätestens Anfang 1980 das Unterhaltsvorschußgesetz auch in der Bundesrepublik gilt und damit eine familienpolitische Leistung verwirklicht
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12070 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau Eilers
wird, die in vielen europäischen Staaten ihre Bewährungsprobe bereits bestanden hat.
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wunsch nach einer zügigen Behandlung dieses Gesetzes, den ich in der ersten Lesung für unsere Fraktion aussprach, hat sich in den Ausschußberatungen erfüllt. Wir stehen heute vor der Verabschiedung eines in vielen Punkten veränderten und, wie ich meine, auch verbesserten Gesetzes. Diese Verbesserungen beziehen sich vor allem auf eine bessere Lesbarkeit und auf eine deutlichere Sprache.
Wir sind sehr froh, daß eine Initiative, die auf unseren Parteitag 1972 in Freiburg zurückgeht, nun endlich gesetzliche Wirklichkeit geworden ist. Damit ist aber auch ein weiterer Punkt der Regierungserklärung abgehakt.
Der Kreis der Berechtigten — Kinder im Alter bis zu sechs Jahren — und die Dauer der Zahlung — maximal bis zu 36 Monaten — könnten und sollten sicher ausgeweitet werden. Die Kosten, die in den ersten drei Jahren voraussichtlich über 140 Millionen DM betragen, setzen dem zunächst eine Grenze. Wir wissen aber aus Erfahrungen aus anderen Ländern, daß sich diese Kosten nach der Einführung ungefähr um die Hälfte reduzieren werden. Das zeigt im übrigen auch das Beispiel Hamburg; der dort eingesetzte Etat wurde bei weitem nicht verbraucht. Dann wird die Zeit gekommen sein, zu überlegen, wie wir den Kreis der Empfänger in diesem Gesetz ausweiten können. Uns kam es zunächst und vordringlich darauf an, mit diesem Gesetz einen Anfang zu setzen. Eine Ausweitung ist dann kein rechtspolitisches, sondern nur noch ein finanzpolititsches Problem. Wir werden jedenfalls die Ausweitung dieses Empfängerkreises im Auge behalten.
Ausdrücklich danken möchte ich dem Rechtsausschuß für die Änderungsvorschläge zu diesem Gesetz, die im großen und ganzen übernommen wurden und zur Verbesserung des Gesetzes beitragen. Ich will dies an einem Beispiel deutlich machen. In unserem ursprünglichen Entwurf hieß es: „wer ... im Haushalt eines seiner Elternteile lebt". Da aber sehr viele ledige Mütter keinen eigenen Hausstand haben, sondern bei ihren Eltern wohnen, wäre dieser Personenkreis ganz im Gegensatz zu dem, was wir im Ausschuß wollten, leer ausgegangen. Die jetzt gefundene Regelung vermeidet das durch die Formulierung: „wer ... bei einem seiner Elternteile lebt". Das ist also unabhängig davon, ob ein eigener Hausstand vorhanden ist oder nicht.
Als Vorteil sehe ich es auch an, daß an Stelle der Verweisung auf die §§ 1615 f und 1615 g des Bürgerlichen Gesetzbuches die entsprechenden Regelungen wörtlich übernommen wurden. Dies trägt wesentlich zur besseren Lesbarkeit dieses Gesetzes und vor allem zur besseren Verständlichkeit bei.
Durch § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) wird sichergestellt, daß auch Waisen, die keine Waisenrente in Höhe der Regelsätze bekommen, in den Genuß dieses Gesetzes kommen werden. Auch das sehe ich als eine wesentliche Verbesserung dieses Gesetzes an.
Bereits in der ersten Lesung am 5. Oktober 1978 habe ich darauf hingewiesen, daß wir Familienpolitiker gern auf die Voraussetzung eines vollstreckbaren Titels verzichtet hätten, wie Regierung und Opposition dies auch wollten. Die Befreiung von dieser Voraussetzung — Frau Kollegin Eilers hat schon darauf hingewiesen — wird aber keine Nachteile für Betroffene und keine Notfälle auftreten lassen. Der Einwand und die Warnung der Rechtspolitiker vor zuviel Macht und vor zuviel Einfluß eines Amtes — z. B. davor, daß ein Amt ohne Rechtstitel tätig werden kann — hat mich schließlich wohl oder übel davon überzeugt, daß es mit dem Titel besser ist. Wer vor der steigenden Macht des Staates warnt, wer weniger Staat fordert, darf dann auch im konkreten Fall nicht das Gegenteil in einem Gesetz tun. Auch Beispiele in anderen Ländern — ich denke da an Osterreich und auch an Hamburg — zeigen, daß dort ähnliche Lösungen gefunden wurden, wie wir sie hier verabschieden wollen. Eine Verzögerung der Hilfeleistungen gibt es in der Praxis dieser Länder nicht, und wir können davon ausgehen, daß es eine Verzögerung der Hilfeleistungen auch nach diesem Bundesgesetz nicht geben wird.
Nachdem wir uns also im Prinzip — von einigen ideologischen Pflichtschlenkern von Frau Karwatzki abgesehen — über dieses Gesetz einig sind, kann ich mir und Ihnen Zeit sparen und will damit schließen: Wir werden dem Gesetz zustimmen.
Da
Wort hat Frau Bundesministerin Huber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Verabschiedung des Unterhaltsvorschußgesetzes. Das Gesetz ist darauf gerichtet, die Situation der alleinerziehenden Mütter und Väter und die ihrer Kinder zu verbessern. Es wendet sich damit an eine zwar kleine, aber doch besonders belastete Gruppe von Eltern.In der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 hat der Bundeskanzler die Sicherung des Unterhalts der Kinder von alleinstehenden Erziehungsberechtigten als Ziel genannt. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, alleinerziehenden Elternteilen, Müttern oder Vätern, die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche ihrer Kinder abzunehmen. Die geltenden Regelungen über die Amtsvormundschaft .für nichteheliche Kinder, über die Einrichtung von Unterhaltspflegschaften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und die Beratungs- und Unterstützungspflicht des Jugendamtes nach dem Ju-
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Bundesminister Frau Hubergendwohlfahrtsgesetz geben schon jetzt eine akzeptable, wenn auch durchaus noch verbesserungsfähige Grundlage für die Durchsetzung solcher Ansprüche.Das grundlegend Neue an diesem Gesetz ist vielmehr, daß in Höhe des Regelunterhalts nunmehr die alleinerziehenden Eltern nicht mehr wie nach geltendem Recht im Rahmen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit für den anderen Elternteil einzutreten haben, wenn dieser als Unterhaltszahler für die Kinder ausfällt.Die Unterhaltsleistung setzt darüber hinaus auch dann ein, wenn ein Anspruch wegen Todes oder wegen absoluter Leistungsunfähigkeit des anderen Elternteils nicht besteht. Somit bietet das Gesetz auch Unterhaltsersatz und nicht, wie z. B. die österreichische Regelung, lediglich Unterhaltsvorschuß.Diese Regelung liegt im Interesse der alleinerziehenden Mütter oder Väter. Die schwierige Erziehungssituation in solchen Fällen, an die das Gesetz anknüpft, ist unabhängig davon vorhanden, aus welchem Grund der andere Elternteil als Unterhaltszahler ausfällt.Diese Fälle sind keineswegs selten. Nach Schätzungen, die auf der Grundlage der von der Bundesregierung veranlaßten EMNID-Erhebung über die Situation alleinerziehender Elternteile angestellt wurden, ist in mindestens 20 vom Hundert aller Leistungsfälle des neuen Gesetzes damit zu rechnen, daß kein Unterhaltsanspruch gegen einen anderen Elternteil besteht, so daß die öffentliche Leistung als Unterhaltsersatz erbracht wird. Geht man von einer Gesamtzahl der nach dem Gesetz Anspruchsberechtigten von rund 73 000 aus, so dürfte es rund 16 000 Anspruchsberechtigte ohne Unterhaltsanspruch geben, z. B. Halbwaisen ohne Waisenbezüge.Um auch jenen alleinerziehenden Elternteilen, die nicht so begütert sind und deren Kinder daher Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten, zu einer Verbesserung zu verhelfen, hat die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes, der heute hier in erster Lesung behandelt werden wird, vorgeschlagen, den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerzieher, der in § 23 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes zur Zeit nur für Alleinerzieher mit mehreren betreuungsbedürftigen Kindern besteht, auch den Alleinerziehenden mit nur einem Kind zuzubilligen. Die Alleinerziehenden mit nur einem Kind machen den Hauptteil aller Alleinerzieher aus.Die Bundesregierung begrüßt die Initiative der Koalitionsfraktionen, die zum heute vorliegenden Gesetzentwurf geführt hat. Unbestreitbar wird hier ein wichtiger familien- und sozialpolitischer Schritt gegangen zum Wohle einer in besonderer Bedräng- nis lebenden Gruppe unserer Mitbürger.Daher danke ich Ihnen für die zügige Behandlung und Verabschiedung dieses Gesetzes.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 4, 6 bis 9, 11, 13, 13 a, 14 und 15, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein.Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Stimmenthaltungen. — Damit ist das Gesetz einstimmig angenommen.Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2774 unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe den Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs— Drucksache 8/2613 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/2829 —Berichterstatter: AbgeordneterPrinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteinb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 8/2797 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Lepsius
Weiter rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung des von den Abgeordneten' Dr. Kohl, Carstens , Windelen,Frau Dr. Wex, Franke, Dr. Dregger, Dr.Blüm, Dr. Ritz, Katzer, Dr. Jenninger, Dr.Biedenkopf, Erhard , FrauGeier, Köster, Pfeifer, Dr. von Weizsäcker,Kunz , Dr. Zeitel, Zink, Hauser (Krefeld), Dr. Becker (Frankfurt), Hoffacker, Bur-
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12072 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenger, Vogt , Haase (Kassel), Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Waffenschmidt, Frau Verhülsdonk, Vogel (Ennepetal) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die stufenweise Einführung des Familiengeldes (Bundesfamiliengeldgesetz — BFGG)— Drucksache 8/2650 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/2830 —Berichterstatter: Abgeordneter Ewenb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit
— Drucksache 8/2815 —Berichterstatter:Abgeordneter Neumann (Erste Beratung 144. Sitzung)Schließlich rufe ich noch den Tagesordnungspunkt 8 auf:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Mutterschutzgesetzes— Drucksache 8/2667 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/2831 —Berichterstatter:Abgeordneter Carstens
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/2816 —Berichterstatter: Abgeordneter Stutzer
Interfraktionell ist für diese Tagesordnungspunkte eine verbundene Debatte vereinbart worden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich frage zunächst, ob jemand der Berichterstatterinnen oder Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich den Damen und Herren Berichterstattern sehr herzlich für Ihre Berichte danken.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Geier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ablauf der Beratung unseres Antrags, des Gesetzentwurfs für ein Familiengeld, als Alternative zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Mutterschaftsurlaub war — das geben wir zu — etwas verwirrend. Denn in dem zuständigen Ausschuß ist von uns noch nachträglich ein Antrag gestellt worden, analog zum Gesetzentwurf über den Mutterschaftsurlaub nach dem 3 000 DM an staatlichen Mitteln für die erwerbstätigen Mütter ausgegeben werden sollen, das gleiche Geld auch den nicht erwerbstätigen Müttern zu geben. Wir sind der Meinung, daß dieses Geld allen Müttern nach der Geburt ihres Kindes zusteht.
Es ist einfach ungerecht und eine rein arbeitsrechtliche Lösung, was Sie hier als „Familienhilfe" deklarieren und dabei den immer noch größeren Teil der Mütter, nämlich die Hausfrauen-Mütter, leer ausgehen lassen.Dieser Zwischenantrag ist in der Öffentlichkeit verständlicherweise gelegentlich so aufgefaßt worden, als hätten wir unseren Antrag auf 18 Monate Familiengeld wieder zurückgezogen. Deshalb möchte ich heute hier mit aller Deutlichkeit sagen: Unser Grundanliegen ist nach wie vor der Antrag auf stufenweise Einführung eines Familiengeldes in Höhe von 400 DM, auf 18 Monate zunächst begrenzt, und zwar auszahlbar für jede Mutter, eventuell auch jeden Vater, die in diesen 18 Monaten auf eigene Erwerbstätigkeit verzichten und bei ihrem Kind bleiben.
Der größere Teil Ihrer Kollegen aus SPD und FDP hat leider von Anfang an erkennen lassen, daß Sie ein kompromißloses „Nein" zum Familiengeld sagen. Aber auf der anderen Seite waren wiederum Kollegen von der SPD, die zu erkennen gaben — in öffentlichen Diskussionen oder PolitikLive-Sendungen, wie z. B. Herr Fiebig —, daß sie sehr wohl auch das Problem der Familien sehen und daß auch sie über ein Familiengeld oder ähnliche Wege nachdenken. Wir waren deshalb zunächst bereit, den Antrag auf Familiengeld auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, weil wir mit der Koalition in einen vernünftigen Dialog darüber kommen wollten.Weil aber nun in der Zwischenzeit die Vorlage der Regierung drängt, wenn das Mutterschaftsurlaubsgesetz zum 1. Juli in Kraft treten soll, suchten wir dann im Ausschuß mit unserem Antrag noch einmal eine Möglichkeit, allen Müttern, nicht nur den erwerbstätigen Müttern, diese 3 000 DM staatliche Zuwendungen nach der Geburt ihres Kindes zukommen zu lassen.Die Union will gar nichts anderes als die volle Gleichberechtigung für alle Mütter.
Gleichberechtigung heißt doch vor allen Dingen Gleichbehandlung und nicht neue soziale Ungleichheiten schaffen. Die Union will die gesellschaftspolitische Anerkennung der Hausfrauen-Zeit, in der sie ihre Kinder erzieht. Wir wollen weder die berufstätige Frau noch die Hausfrau in einer gewissen Richtung abstempeln. Wir wollen nur, daß die Mütter alle gleich behandelt werden und nicht dieFrau GeierArbeit und Leistung der einen höher bewertet wird.Deshalb fragen wir heute wiederum die Regierung und die Koalitionsfraktionen: Warum eigentlich wollen Sie die Hausfrauen schlechterstellen als die erwerbstätigen Frauen? Zugegeben, Hausfrauen und Mütter stehen in keinem Lohnverhältnis. Sie sind aber auch keine Befehlsempfänger, und sie sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Ist das vielleicht für einige von Ihnen der Grund, warum Hausfrauen nicht in Ihrer Sozialskala vorgesehen sind?Meine Damen und Herren, lassen Sie sich von uns ein für allemal sagen: Unser Ziel ist nicht, vorzuschreiben, was eine Frau machen soll. Wir wollen nur durch gleichwertige Angebote die Voraussetzung dafür schaffen, daß eine Frau frei entscheiden kann, was sie machen will, und daß sie bei dieser Entscheidung, ganz egal, wie sie ausfällt, nicht benachteiligt wird.
Freie Entscheidungsmöglichkeiten gehören nun einmal in einem demokratischen Staat mit einer pluralistischen Gesellschaftsordnung zu den Grundrechten der Bürger. Dieses Recht verlangen wir auch für alle unsere Mütter.
Lassen Sie sich gesagt sein: Erst dann, wenn Sie alle Mütter gleich gerecht behandeln, haben Sie einen Anspruch, von der von Ihnen so oft zitierten Gleichberechtigung zu reden.
Deshalb bitten wir Sie: Überdenken Sie doch noch einmal diesen einseitigen Weg, den Sie nun gehen wollen, einen Weg, der in eine neue Ungleichheit zwischen den Frauen • führt. Unsere Hausfrauen fühlen sich doch schon heute diskriminiert und etwas in die Ecke geschoben. Mit diesem Gesetz zementieren Sie diese Tatsache auch noch rechtlich. Die benachteiligten und nicht erwerbstätigen Frauen werden dieses Gesetz, das Sie als Fortschritt für eine kleine Gruppe von Menschen deklarieren, als einen Rückschritt empfinden, weil Sie hier ein Leitbild festschreiben, das davon ausgeht, daß die Frau eine lebenslange Vollerwerbstätigkeit ausüben soll. Das ist nach unserem Verständnis und nach dem, was wir aus Ihren Parteiprogrammen wissen, eine rein marxistische Forderung. Schon Marx hat gesagt, daß die Frau erst dann voll emanzipiert ist, wenn sie auch voll erwerbstätig ist.Wenn Sie Ihr Gesetz zum Mutterschutz wirklich so handhaben, wie Sie es uns heute vorlegen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Ihnen das die Hausfrauen, die Sie damit benachteiligen, niemals vergessen werden.
Die von Ihnen so programmierte einseitige Bevorzugung der berufstätigen Frau ist nicht nur ungerecht, sie ist auch kurzsichtig, weil sie unsere jungen Mütter verstärkt veranlassen wird, sofort nach dem ersten Kind wieder in den Beruf zurückzukehren, um beim zweiten Kind ebenfalls in den Genuß der Mutterschaftszuwendungen zu kommen.Noch viel schlimmer werden wahrscheinlich folgende Auswirkungen sein. Die Ehepaare werden in Zukunft nur noch ein Kind planen. Dann folgen wir einem Trend, der dazu führt, daß sich die künftige Kindergeneration in einer übergroßen Zahl aus Einzelkindern zusammensetzt, die dann noch zusätzlich die frühkindliche Mutterentbehrung erleben müssen, weil ihre Mütter wieder arbeiten gehen. Dann werden diese Kinder doppelt belastete Komplikationskinder sein. Wir alle wissen, Sie so gut wie wir, daß Einzelkinder ohne das notwendige Geschwistererlebnis keine so harmonische Entwicklung durchmachen und daß sie meistens einsame und auch kontaktschwierige Kinder werden. Zum anderen ergibt sich bei dem Leitbild, das Sie programmieren, nämlich dem der berufstätigen Mutter, in den meisten Fällen bei den Kindern das, was die Ärzte ein Deprivationssyndrom nennen. Das heißt, die wechselhafte Betreuung eines Säuglings und die nicht ausreichende Zuwendung in den ersten Lebensjahren wird sich bei den Kindern sehr bald zumindest mit Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Entwicklungsstörungen zeigen.Jahrelang schon gehen die Politiker an den Erkenntnissen der Wissenschaft und der Medizin vorbei. Sie hören einfach nicht die eindringlichen Warnrufe derer, die mit wissenschaftlicher Begründung die Auswirkung von fehlgeleiteter oder nicht geleisteter Erziehung in der Familie aufzeigen. Nichts ist bedeutender für die gesamte Entwicklung eines Menschen als die frühkindliche Entwicklungsphase. Das sagen uns alle Mediziner und alle Erziehungswissenschaftler. Das beginnt nicht zu einem Zeitpunkt mit drei oder sieben Jahren, das beginnt vielmehr mit der Stunde der Geburt. Sie bildet eine geschlossene Phase bis ungefähr zum dritten Lebensjahr. Hier wird die Verhaltensweise eines Menschen geprägt, und hier wird auch seine Sozialkontaktfähigkeit entweder entwickelt oder eben nicht entwickelt. Dazu braucht das Kind nun einmal die beständige Nähe und die beständige Zuwendung der Mutter.Meine Damen und Herren, wer Politik macht und behauptet, diese Politik auch für die Zukunft unserer Kinder zu machen, der kann doch nicht einfach an der Entwicklungsbiologie des Kindes vorbeigehen. Es wird uns heute nachhaltig und auch in einer für Laien verständlichen Form von namhaften Kapazitäten der Wissenschaft aus der ganzen Welt immer wieder aufgezeigt, worauf es bei einem Kind im frühesten Kindesalter ankommt. Es ist einfach ein Versäumnis aller politisch Verantwortlichen, wenn sie diese Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen. Die Urbedürfnisse eines Kindes sind Liebe, Geborgenheit, Angenommenwerden und ständiger Schutz. Daran, meine Damen und Herren, haben sich alle Hilfen für Familien und Kinder zu orientieren.Wenn wir über kindliche Entwicklung reden, dann müssen wir auch die in Abschnitte eingeteil-
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Pratt Geier ten Entwicklungsvorgänge kennen. Der Prozeß der Entwicklung der geistigen Fähigkeit ist ganz eng mit dem Wachstum des menschlichen Hirns verbunden. Die Wissenschaft weist nach, daß das menschliche Hirn 50 % seiner Kapazität im ersten Lebensjahr anlegt und bis zum dritten Lebensjahr 80 % seiner Kapazität hat. Genauso wie das Hirn wächst, sind auch die. Sozialfähigkeiten eines Menschen zu wecken und zu entfalten. Wenn das nicht im richtigen Alter geschieht, dann ist das einfach nicht mehr aufholbar. Es muß doch von daher jedem denkenden erwachsenen Menschen einleuchten, daß wir den Schwerpunkt politischer Zuwendung genau in diese Zeit legen müssen, wo die geistig-soziale Entwicklungsfähigkeit eines Kindes am größten ist. Alle Wissenschaftler, vor allen Dingen Kinderärzte, sagen uns immer wieder, daß die Versäumnisse der ersten Lebensjahre bei einem Kind einfach nicht mehr aufholbar sind. Kinder, die in der Zeit keine umfassende, vollständige und liebevolle Betreuung haben, können sich ganz einfach nicht zu gesunden Menschen an Leib und Seele entwickeln.Was das Kind in der ersten Lebenszeit braucht, ist unheimlich viel Zeit der Mutter, und das darf nicht unter Hektik geschehen. Das Kind braucht die Liebe und Geduld, es braucht eine Mutter, die es das Lachen lernen läßt, eine Mutter, die dem Kleinstkind beweist, daß sie selber Freude darüber empfindet, über dieses Kind und mit ihm.
Wer könnte das denn eigentlich besser als die Mutter? Glauben Sie, es gibt dafür eine Ersatzperson? Das kann mit Sicherheit am besten die Frau, die das Kind geboren hat. Sie ist kraft ihrer Natur, aber auch durch ihre Schwangerschaft am engsten mit ihrem Kind verbunden, und sie wird auch am besten die Grundlage seiner geistig-psychischen Entwicklungsfähigkeit legen können.Jetzt kommt der wichtigste Faktor, warum wir Familiengeld für zunächst 18 Monate, später drei Jahre für den richtigeren Weg halten. Die Medizin und die Psychologie lehren heute, daß das „SichBinden" eines Kindes in den ersten Lebensmonaten ein ungeheuer wichtiger Lebensvorgang ist.
Was Sie machen, ist falsch. — Hören Sie erst einmal zu. — Ein Kind entfaltet diese Bindungsfähigkeit vom dritten bis zum neunten Monat. Ausgerechnet in der Mitte dieser Phase unterbrechen Sie nach sechs Monaten Mutterschaftsurlaub diesen Kontakt des Kindes zur Mutter.
— Darüber können wir auch noch ein Wort reden, wer die bessere Familienpolitik machte. Kommen Sie jetzt nicht mit den alten Sprüchen! Wir müssen heute zu den Gesetzen Stellung nehmen, die Sie uns jetzt aufoktroyieren wollen. Wenn Sie also genau in der Mitte diese Bindungsfähigkeit eines Kindes durch anderweitige wechselnde Betreuung unterbrechen, tun Sie diesem Kind und seiner Familie wirklich keinen Dienst.
Nein, es ist viel besser, Sie gehen auf unser Familiengeld ein und lassen die Mütter 18 Monate bei ihrem Kind.
Wir wissen auch, daß die Medizin uns sagt, daß Lebensängste, Urängste eines Kindes im ersten Lebensjahr abgebaut werden und wiederum am stärksten vom sechsten bis zum zwölften Monat. Wir hören aber, daß dies nur geschehen kann, wenn das Kind in dieser Zeit den dauernden Schutz der Mutter verspürt. Eine frühkindliche Schädigung durch eben diese Mutterentbehrung verhindert ganz einfach die Entwicklung von Gefühl, Intelligenz und späterem Sozialverhalten. Die Mediziner sagen uns, die Zeit, die eine Mutter für das Kind durch Körperpflege, Spiel, Zärtlichkeit und sorgende Liebe aufbringen sollte, müßte mindestens sechs bis acht Stunden am Tag betragen. Wie soll denn Ihre voll berufstätige Mutter, die nach dem sechsten Monat wieder arbeiten geht, diese Zeit noch zusätzlich für ihr Kind aufbringen können?Deshalb sagen wir, Sie legen das Geld, das Sie ausgeben wollen, von dem sich einige von Ihnen vielleicht einbilden, es zu einem der Familie dienenden Zweck zu tun, völlig falsch an.Es muß uns wohl allen in diesem Hause klar werden, daß nicht Geld allein unsere Gesellschaft, un-, sere Mütter, unsere Väter zu einer anderen, zu einer besseren Einsicht bringen kann. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Es ist aber unsere Aufgabe, dieser Gesellschaft wieder mehr nahezubringen und es 'öfter zu sagen, daß die mütterlichen Talente und die elterliche Liebe Güter von unschätzbarem Wert sind. Es genügt nicht, daß die Wissenschaft dies immer wiederholt, es ist eine politische Notwendigkeit, daß wir dazu die Voraussetzungen schaffen. Darauf ist unser Familiengeld angelegt. Wir können den Frauen sagen, wir geben euch 400 DM pro Monat, damit ihr diese Einsicht von einer besseren Betreuung und Zuwendung euren Kindern gegenüber auch in die Wirklichkeit umsetzen könnt. Familienpolitik muß ihre Aufgabe so erfüllen, daß sie sich an den geistigen und seelischen Bedürfnissen des Kindes orientiert.Wenn Sie über all das, was ich jetzt in Kurzform gesagt habe, worüber es aber mittlerweile viele Bücher gibt, nachdenken und sich ein klein wenig damit befassen, was hier die Berufsgruppe aus der Fachwelt sagt, die tagtäglich mit seelisch erkrankten und in der Folge auch körperlich labilen Kin- dern zu tun haben, dann müssen Sie doch erkennen, daß staatliche Investitionen für die berufstätigen Mütter ganz bestimmt nicht die rechte Richtung darstellen, wenn wir den betroffenen Kindern helfen wollen. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß Familiengeld der richtige Weg ist, denn mittlerweile fordern ja die Ärzte, die Familienver-
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Frau Geierbände alle eben dieses Erziehungsgeld. Deshalb ist es keine Frage, ob das der richtige Weg ist. Wir sagen, das ist der richtige Weg.
Ein SPD-Kollege hat in unserem Ausschuß gemeint, diese 400 DM, die wir bieten, würden nicht ausreichen, um Frauen vom Arbeitsplatz weg zu ihrer Familie zu bewegen.
Ich will Ihnen eines sagen. Das ist eine Hypothese; die können Sie nicht beweisen, denn Sie haben es ja noch gar nicht ausprobiert.
Wenn wir von der politischen Seite mit der wissenschaftlichen Seite einig gehen, werden wir sicherlich viele Mütter überzeugen können, diesen besseren Weg für ihre Kinder zu gehen.
Ich will noch kurz auf einige Beiträge eingehen, die Sie von der Koalition in der ersten Lesung gebracht haben. Zunächst einmal zu Frau Lepsius. Sie meinte, wir würden das Geld in die Familien verschleudern, und sprach von unserem „Milliardending". Sehr verehrte Frau Kollegin, wir schreiben hier nicht das Drehbuch zu einem drittklassigen Krimi. Wir nehmen unser Engagement für die Familie ernst. Aus diesem Grunde bin ich nicht bereit, in dieser Sprache mit Ihnen zu diskutieren.
Aber nehmen Sie folgendes zur Kenntnis. Zu Ihrer Bemerkung, die Sie im Ausschuß gemacht haben, wir brächten da wieder mal ein unsoziales Gesetz ein, weil wir nicht sozial staffelten, habe ich nur eine Frage. Bei Ihrer überzeugenden Art müßten Sie Ihre eigene Fraktion längst davon überzeugt haben, daß das Kindergeld auch sozial gestaffelt werden müßte.
Wir sind der Meinung, die Honorierung für die Erziehungsleistung darf nicht sozial gestaffelt sein, weil nämlich diese Leistung von allen Müttern gleich gut erbracht wird. Denken Sie doch einmal an die vielen Frauen, die in ihren mittelständischen Betrieben oder in der Landwirtschaft voll mitarbeiten, aber keinen Lohn beziehen; die stehen bei Ihnen alle miteinander außen vor der Tür.
Wir wollen hier eine gerechte Lösung, indem wir das Familiengeld allen Müttern und Vätern zukommen lassen.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Es ist einfach unfair, wenn uns einige von Ihnen unterstellen, wir wollten die Eltern mit unserem Angebot des Familiengeldes bis ins Bett hinein motivieren, ihr generatives Verhalten zu ändern.
Das ist hier gesagt worden. Wenn Sie so einen Unsinn in Ihrem „Vorwärts" schreiben, gehen wir großzügig darüber weg. Wenn das aber z. B. auch Frau Funcke als Vertreterin der FDP sagt, dann müssen wir uns dagegen mit aller Entschiedenheit verwahren. Übrigens hat uns auch Frau Huber in ähnlicher Weise unterstellt, daß das unsere Motive seien. Das weisen wir auch zurück. Frau Huber, über Ihre Auffassung vom generativen Verhalten der derzeitigen Elterngeneration werden wir uns hier ein andermal in aller Deutlichkeit auseinandersetzen müssen. Das ist aber heute nicht die Aufgabe.Ich habe heute eigentlich nichts weiter als die Bitte an Sie: Lassen Sie sich doch in Zukunft nicht einfach von Ihrem anscheinend stärkeren männlichen Kollegen im Kabinett die Butter vom Brot nehmen. Denn das, was der Herr Ehrenberg mit diesem Gesetz macht, ist eine rein arbeitsrechtliche Lösung, die nur einen familienpolitischen Anstrich hat. Er verbrät hier im Grunde genommen das Geld, das Sie eigentlich in Ihrem Ministerium den Familien auf eine vernünftigere Weise zukommen lassen sollten.
Wir wissen allerdings nicht so richtig, wo wir bei Ihnen dran sind. Wenn wir Ihre Sonntagsreden hören, könnten wir annehmen, Sie verträten den gleichen Standpunkt wie wir. Heute morgen mußte ich aber erfahren, daß Sie erst gestern wieder in einer Fernsehdiskussion gesagt haben sollen, es gelte jetzt, den ideologischen Standpunkt in der Familienpolitik zu beweisen. Was ist denn nun eigentlich Ihr wirklicher Standpunkt: Das, was Sie sonntags draußen den Bürgern erzählen, oder das, was Sie hier drinnen für Ihre Partei an sozialistischer Marschrichtung leisten?
Wir wären froh, wenn Sie uns dies endlich einmal sagen würden; die Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf Ihr wahres Gesicht.
Wir freuten uns, daß die FDP in ihren Ausführungen bei der Einbringung des Gesetzes eine Einstellung gezeigt hat, aus der wir entnehmen konnten, daß auch Sie die Situation der Familie so ähnlich sehen wie wir. Wir sind sehr dankbar dafür, daß Frau Matthäus hier Worte gefunden hat wie die, daß man nicht nur ständig von der Belastung des Kindes sprechen könne, sondern auch von den vielen Freuden mit einem Kind sprechen müsse. Nur, Frau Matthäus, über den Vorschlag, den Sie dann gemacht haben — einen Erziehungszuschlag von 500 DM für alle Mütter dem Kindergeld beizugeben —, müssen wir uns noch unterhalten. Wenn Sie das Geld an alle Mütter geben, auch wenn sie berufstätig sind, werden Sie erreichen, daß die materialistische Art noch mehr zum Zuge kommt. Denn dann werden drei bis fünf berufstätige Frauen diese 500 DM zusammenlegen und können sich damit eine Fremd-
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Frau Geierbetreuung leisten. Dann haben wir genau das Gegenteil von dem geschaffen, was wir erreichen wollen. Wir wollen in dieser sehr wichtigen Lebensphase des Kindes nicht die Fremdbetreuung, wir wollen die Mutter und den Vater beim Kind. Aber immerhin, Sie zeigen Erkenntnis und einen Schritt, von dem wir annehmen, daß wir uns zu irgendeinem Zeitpunkt einigen können.Dann möchte ich noch auf eines hinweisen: Reden Sie doch nicht immer von den Großmüttern, die unsere Kinder dann betreuen, wenn unsere Mütter am Arbeitsplatz stehen. Diese Großmütter wird es bald nicht mehr geben, denn die heutige 40- bis 50jährige Frau will wieder an den Arbeitsplatz zurück, und das ist recht so, denn sie soll die Möglichkeit haben, nach der Betreuung eigener Kinder nun auch wieder ihre eigene Rente etwas aufbessern und vor allen Dingen auch wieder eigenes Geld zu verdienen. Aber doch alles schön nacheinander und nicht so irrsinnig durcheinander, wie Sie das haben wollen.Nun noch ein abschließendes Wort zur Finanzierung. Ihre letzte Ausrede ist immer die, daß Sie sagen: Nun ja, schön und gut, aber wir können das nicht finanzieren.
Nun geben Sie doch einmal selber zu: Ist es nicht sonderbar, daß immer dann, wenn wir Geld für familienpolitische Aufgaben brauchen, unsere Finanzpolitiker aufheulen und sagen, dafür seien keine Mittel vorhanden?
— Moment, wenige Fraktionskollegen; das werden wir nachher bei der Abstimmung gleich feststellen können. — Gestatten Sie mir doch einmal eine grundsätzliche Bemerkung dazu.
Wenn wir es nicht fertig bringen — ich möchte jetzt die Jugend- und Familienpolitiker ansprechen —, in diesem Parlament einmal geschlossen einen Aufstand zu wagen gegen all die anderen unnötigen Ausgaben, die gemacht werden, und die man zugunsten der Familien umorganisieren könnte,
dann wird sich der Zustand in diesem Hause nicht ändern. Deshalb, Herr Hauck, Sie lächeln mir gerade so wohlwollend zu, sollten wir in unserem Ausschuß beschließen, den Finanzpolitikern und den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß den Auftrag zu geben, im Haushaltsjahr 1980 mindestens 10 Milliarden DM aus dem Haushalt zusammenzustreichen zugunsten der Familienpolitik.
Dann könnten wir sowohl das Familiengeld bezahlen als auch die notwendige Aufstockung des Erstkindergeldes vornehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen wir gemeinsam an den Haushalt heran. Es gibt darin eine ganze Menge Positionen, die man umschichten kann. Wir hören niemals ein großes Murren — ab und zu gibt es höchstens einmal ein böses Gesicht —, wenn unsere Haushaltspolitiker Milliarden von Mark wegen überzogener Etats nachbewilligen müssen; beim letztenmal waren es über 21 Milliarden DM. Wir hören niemals ein Murren, wenn Milliarden DM Steuermehreinnahmen verteilt werden. Sie bezahlen damit doch nicht Ihre Schulden zurück, sondern Sie nehmen das Geld und machen neue Wahlgeschenke. Nehmen Sie das Geld doch einmal für unsere Familien, dann werden wir viel besser miteinander zu Stuhle kommen.
— Herr Ehmke, vielleicht könnten gerade Sie sich auch einmal überlegen, ob wir nicht bei der Unterstützung kommunistischer Länder in Millionen- und Milliardenhöhe auch dort einige Positionen zugunsten einer besseren Familienpolitik streichen können.
Ich habe nicht die Entwicklungshilfe angesprochen, sondern ich habe die Investitionen in kommunistischen Ländern angesprochen. Wir brauchen die Entwicklungshilfe nicht zu kürzen, Herr Hauck; es gibt andere Positionen. Ich habe Ihnen heute schon einige genannt. Wenn Sie bereit sind, sich mit mir zusammen einmal an den Haushalt zu machen, dann bin ich davon überzeugt, daß wir zwei 20 Milliarden DM herausholen.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Menge Möglichkeiten, und da, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!Ich möchte zum Schluß meiner Ausführungen kommen. Wir beantragen namentliche Abstimmung sowohl für die Abstimmung zum Familiengeld als auch für die Abstimmung über unseren Zusatzantrag, die 3 000 DM, die Sie für Mutterschaftsschutz ausgeben wollen, an alle Mütter nach der Geburt ihrer Kinder zu zahlen. Wenn Sie gegen Abend Ihre Entscheidung treffen, möchte ich Sie bitten, sie unter folgenden Gesichtspunkten noch einmal zu überdenken:1. unter der wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnis, daß die Kleinstkinderbetreuung seit Jahren falsch läuft und sich sehr schädigend auf unsere Kinder auswirkt,2. unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Frauen,3. unter der Erkenntnis, daß eine Regierung nicht nur Trends nachlaufen darf, sondern dann positive Weichenstellungen vornehmen muß, wenn sie erkennt, daß sich diese Trends zum Schaden der Bevölkerung auswirken.
Wenn Sie diese drei Punkte in vollem Ernst überdenken, dann kann ich es mir einfach nicht vorstellen, daß sie gegen unser Familiengeld stimmen kön-Deutschher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12077Frau Geiernen oder daß Sie es überhaupt noch wagen können, die erwerbstätigen Frauen und die Hausfrauen nicht völlig gleichberechtigt zu behandeln. Ich hoffe immer noch auf Ihre Einsicht und Vernunft und möchte Sie bitten, unseren Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lepsius.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
— Ich hoffe, ich werde mich positiv von der Rede von Frau Geier abheben.
Wir beraten heute nur wenige Wochen nach der ersten Lesung das Mutterschaftsurlaubsgesetz, und wir befinden uns in gewisser Weise in einem Wettlauf mit der Zeit; denn der Mutterschaftsurlaub soll schon am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten und damit für alle ab 5. Mai geborenen Kinder von erwerbstätigen Müttern gelten. Man könnte auch sagen, daß dies ein symbolischer Blumenstrauß zum Muttertag am nächsten Sonntag geworden ist.
Natürlich haben wir dieses Gesetz im federführenden Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung kontrovers beraten, aber schließlich haben wir den Mutterschaftsurlaub gegen einige wenige Stimmen aus dem Arbeitgeberlager mit großer Mehrheit verabschiedet.
— Das war doch so. Für die Einsicht in die Eilbedürftigkeit dieses wichtigen sozialpolitischen Gesetzes möchte ich mich deshalb auch bei den Vertretern der Opposition ausdrücklich bedanken.
Mit diesem neuen Gesetz unternehmen wir einen weiteren Schritt, eines der ungelösten Folgeprobleme der Industrialisierung anzugehen, die aus der räumlichen Trennung von Haushalt und Betrieb herrühren. Die Internationale Arbeitskonferenz hatte bereits 1965 eine Empfehlung zur Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten ausgesprochen und damals einen Mutterurlaub gewünscht. Einige andere europäische Länder sind dieser Empfehlung schon eher als die Bundesrepublik gefolgt und haben Lösungen mit unterschiedlichen arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen Einzelregelungen entwickelt.So unterschiedlich diese gesetzlichen Regelungen auch sein mögen, eines haben alle gemeinsam: sie gelten ausnahmslos für die in einem Beschäftigungsverhältnis stehende erwerbstätige Frau.Unser Mutterschutzgesetz besteht in seinem Kern nahezu unverändert seit 1965, und es soll nun erst durch den neuen Mutterschaftsurlaub qualitativ erweitert werden. Dabei handelt es sich um eine alte sozialdemokratische Forderung. Für mich war es sehr eindrucksvoll, als ich bei der Durchsicht alter Protokolle aus dem Jahre 1965 nachlesen konnte, daß bereits damals sozialdemokratische Kollegen von mir, insbesondere meine Kollegin Margarete Rudoll, eine Ausdehnung der Mutterschutzfrist auf sechs Monate nach der Entbindung im Interesse eines engeren Mutter-Kind-Verhältnisses beantragt hatten. Es handelt sich also in gewisser Weise um alte soziale Fragen, für die wir heute eine Lösung finden können.Nach geltendem Recht muß eine Arbeitnehmerin acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes wieder erwerbstätig sein, d. h., sie muß ihre Pflichten als Arbeitnehmerin auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses voll erfüllen. Ich glaube, welche gesundheitlichen und psychologischen Belastungen hiermit verbunden sind, können nur jene Mütter voll ermessen, die sich schon einmal in einer solchen 'Situation befunden haben. Diese Frist ist — darin stimmen wir wohl mit der Opposition überein — viel zu kurz. Dies gilt sowohl für die physische als auch die psychische Gesundheit der Mutter und für die damit ganz eng verbundene Mutter-Kind-Beziehung.Bei der Verabschiedung des Mutterurlaubs geht es uns im Kern darum, der in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Frau innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Geburt ihres Babys ebenso wie einer nichterwerbstätigen Mutter, also einer Hausfrau, die Chance zu eröffnen, sich ohne Belastung aus ihrem Arbeitsverhältnis selbst zu regenerieren und sich ohne Belastung aus diesem Arbeitsverhältnis ebenso intensiv wie eine Familienmutter um ihr neugeborenes Baby zu kümmern.
Drei Elemente müssen dabei geregelt werden, damit dieser Urlaub von den erwerbstätigen Müttern angenommen werden kann. Dieses sind übrigens die üblichen rechtlichen Rahmenbedingungen eines jeden Urlaubs, nämlich die Freistellung von der Arbeit mit Arbeitsplatzgarantie, Lohnersatz und die soziale Sicherung. Dies und nichts anderes regelt das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs. Hierfür hat der Bund die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt.Im einzelnen ist der Mutterschaftsurlaub wie folgt geregelt:Erstens. Der Arbeitsplatz muß gesichert sein, damit eine Mutter nach Ablauf des Urlaubs wieder dorthin zurückkehren kann, wenn sie es wünscht. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Kündigungsschutz für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs erschien uns hierfür noch nicht ausreichend. Deshalb haben wir den Kündigungsschutz für die Dauer
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Frau Dr. Lepsiusvon zwei Monaten nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs erweitert, und zwar analog dem bestehenden Kündigungsschutz während der gesetzlichen Mutterschutzfrist, der hier ja ebenfalls zwei Monate überlappt.Zweitens. Eine weitere Voraussetzung dafür, daß Arbeitnehmerinnen den Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen können, ist ein finanzieller Ausgleich als Lohnersatz. Wir begrüßen ausdrücklich, daß hierfür ein Betrag bis höchstens 750 DM vorgesehen ist.Drittens. Der während des Mutterschaftsurlaubs bezahlte pauschale finanzielle Lohnausgleich wird weder um Steuern noch um Sozialversicherungsabgaben geschmälert. Denn in einem Gesetzentwurf zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Mutterschutzgesetzes, der heute ebenfalls verabschiedet werden soll, wird das Mutterschaftsgeld in seiner neuen Form von der Einkommensteuer freigestellt. Zugleich werden die Bestimmungen über die Steuerfreiheit des Mutterschaftsgeldes und anderer Leistungen nach dem bisherigen Mutterschaftsgesetz zusammengefaßt und im Einkommensteuergesetz überschaubarer gemacht.Viertens. Während des Mutterschaftsurlaubs entstehen — das ist wichtig — keine Lücken in der sozialen Sicherung. Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung werden aus Mitteln der öffentlichen Hand übernommen.Mit anderen Worten: Das geltende Mutterschutzgesetz wird um den Mutterschaftsurlaub erweitert, der arbeits-, leistungs- und versicherungsrechtlich ausgestaltet ist, mithin alle Merkmale eines bezahlten Urlaubs aufweist.Die Doppelbelastung aus beruflicher und familiärer Verpflichtung wird in dieser Zeit zu einer Einfachbelastung reduziert, auch im Interesse der neugeborenen Kinder. Dies wollen wir, und meine • sozialdemokratische Fraktion mißt dem einen hohen sozialpolitischen Rang bei.Den Versuch, die Diskussion über den Mutterschaftsurlaub mit familienpolitischen oder gar ideologischen Lasten zu betrachten, die nicht Gegenstand dieses Gesetzes sind und auch nicht sein können, muß ich namens meiner Fraktion zurückweisen. Ich betone nochmals: Damit ein solcher Urlaubsanspruch kein leeres Versprechen und nicht nur auf dem Papier stehen bleibt, ist es erforderlich, daß auch die für einen gewöhnlichen Urlaub geltenden Rahmenbedingungen die neue Urlaubsregelung für erwerbstätige Mütter begleiten.Es ist empirisch belegt, daß nahezu jede Frau zumindest bis zur Geburt ihres ersten Kindes erwerbstätig bleibt. Damit wird eine neue Generation junger Mütter — ich meine, künftig wohl jede Mutter — mindestens einmal in ihrem Leben einen Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen können.Aber auch den Kindern erwerbstätiger Mütter wird dieser Mutterschaftsurlaub mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Lebenschancen bringen. Jede zeitliche Erweiterung liebevoller Zuwendung durch die Eltern kommt unmittelbar dem Kind und seiner emotionalen wie sozialen Entwicklung zugute.
Dies sage ich mit großem Ernst. Eine solche, zunächst für die Dauer von sechs Monaten zeitlich begrenzte Chancengleichheit der Kinder von erwerbstätigen Müttern und Hausfrauen ist ein familienpolitisches Ziel, für das in dem heute zu verabschiedenden Gesetz die sozialpolitischen Weichen gestellt werden.Ich frage mich daher, welcher Grundauffassung es entspricht, den für Arbeitnehmerinnen geltenden Mutterschaftsurlaub so auszulegen, als ob Hausfrauen dadurch diskriminert würden. Von meinem politischen Verständnis und meiner ganzen parlamentarischen Arbeit her könnte ich mich niemals mit einer Diskriminierung dieser oder auch einer anderen Frauengruppen einverstanden erklären.
Schließlich haben wir den Versorgungsausgleich und die Änderung des Eherechts herbeigeführt.
— Es ist so; das kann man ja feststellen. Es war ein sehr schwieriger Gang, den wir damals getan haben.Wer den Mutterschaftsurlaub in der Weise interpretiert, wie es die Opposition in diesem Hause tut, wer nämlich ausschließlich auf die damit verbundenen finanziellen Regelungen abzielt; kann damit eigentlich nur zwei Ziele verfolgen: entweder dem eigenen Gesetzesantrag zu größerer Durchschlagskraft zu verhelfen — das ist natürlich legitim — oder aber die unterschiedliche Belastung, der erwerbstätige und nicht erwerbstätige Mütter mit neugeborenen Kindern in den ersten sechs Monaten ausgesetzt sind, zu verkennen. Durch den neu eingeführten Mutterschaftsurlaub werden Hausfrauen nicht diskriminiert.Eine einseitig auf finanzielle Regelungen des Mutterschaftsurlaubs abgestellte Argumentation muß ich nochmals und mit Entschiedenheit zurückweisen. Daher ist der Änderungsantrag der Opposition, übergangsweise für die Dauer von sechs Monaten ein Familiengeld von monatlich 500 DM auch an nicht erwerbstätige Mütter zu zahlen, ebenso abzulehnen wie der Gruppenantrag von 53 CDU- Abgeordneten, ein Familiengeld einzuführen.
— Sie wollen ja etwas ganz anderes: Honorar.Lasse ich einmal völlig außer acht, daß Ihr CDU- Familiengeld nicht finanzierbar ist — Sie sind uns ja jegliche Überlegung darüber schuldig geblieben, wie die 4 Milliarden DM eigentlich gedeckt werden sollen —,
dann würden sicherlich erwerbstätige Mütter mitqualifizierten Berufen und mit interessanten Ar-
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Frau Dr. Lepsiusbeitsplätzen — von den Vätern will ich jetzt einmal schweigen — davon abgehalten, ein solches Familiengeld in Anspruch zu nehmen, knüpft doch die CDU — das tun Sie — daran die Aufgabe der Erwerbstätigkeit für 18 Monate. Aber Sie versäumen es andererseits, den Arbeitsplatz zu sichern.
— Wir können doch in der Sozialpolitik keine Adhoc-Gesetzgebung betreiben. Dies bedarf doch alles immer der sorgfältigsten Vorbereitung.
Wir sind gegen diese Art von Ad-hoc-Gesetzgebung.Drei Monate sollen die zur Kindererziehung beurlaubten Mütter oder Väter bevorzugt wieder eingestellt werden. Dies ist in der Tat eine Formulierung, die jeden Betriebsrat oder jeden Gewerkschaftler oder auch jeden, der sich überhaupt mit arbeitsschutzrechtlichen Fragen befaßt hat, erheitern muß. Das bringt den doch zum Lachen. Sie verweisen Mütter kleiner Kinder an den häuslichen Herd, und damit verkennen Sie eben die heutige Realität und auch die gewandelte Einstellung der Frauen zur Erwerbstätigkeit.
— Ich sage nicht, daß ich allwissend bin; um Gottes willen. Ich sage aber, daß die erwerbstätigen Frauen heute ein anderes Interesse an der Berufstätigkeit haben und an qualifizierten Berufen interessiert sind. Natürlich ist das Problem der Trennung von Familie und Berufswelt ein ganz zentrales politisches Thema der Gegenwart.
Meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten, die mit der Einführung des Mutterschaftsurlaubs insbesondere für kleine und mittlere Betriebe entstehen können, haben wir keinesfalls verdrängt. Ich denke hier z. B. an kleinere Einzelhandelsbetriebe; ich denke an freiberuflich Tätige mit nur wenigen Mitarbeitern und insbesondere daran, daß natürlich in den kleineren Betrieben personelle und organisatorische Probleme zu bewältigen sind. Wir meinen aber, das, was kleinere Länder wie Österreich und Schweden mit einem einjährigen Urlaub bei Geburt eines Kindes geschafft haben, werden wir in der Bundesrepublik mit einem halbjährigen Mutterschaftsurlaub erst recht bewältigen können.
Hier möchte ich natürlich auch an das Verantwortungsbewußtsein der Betriebe appellieren. Eine Gesellschaft, die ihre Verantwortung gegenüber Kindern und Familien ernst nimmt, eine Gesellschaft, die weiß, wie wichtig der Aufbau einer Mutter-KindBeziehung in dieser entscheidenden ersten Lebensphase ist, eine solche Gesellschaft muß auch ihrerseits bereit sein, zumutbare Opfer zu bringen und mit Flexibilität und Elastizität zu reagieren.Meine Damen und Herren, wir haben uns eingehend auch mit dem zeitlichen Zusammentreffen von Erholungsurlaub und Mutterschaftsurlaub auseinandergesetzt. Etwaige Zweifelsfragen wollten wir zur Klärung nicht etwa der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überlassen, und deshalb haben wir eine Regelung vorgesehen, wonach für jeden vollen Kalendermonat Mutterschaftsurlaub der Erholungsurlaub um ein Zwölftel gekürzt werden kann. Diese ebenso klare wie eindeutige Regelung dürfte auch den Interessen der Betriebe entgegenkommen. Verlängerter Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen auf der einen und eine angemessene Kürzung des Erholungsurlaubs auf der anderen Seite, das ist eine Kompromißformel, der die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zustimmen konnte.Weiter haben wir vorgesehen, daß eine Arbeitnehmerin den Mutterschaftsurlaub spätestens vier Wochen nach der Geburt ihres Kindes verlangen soll, damit auch der Arbeitgeber disponieren kann. Von der beurlaubten Mutter erwarten wir auch, daß sie den Arbeitgeber rechtzeitig darüber unterrichtet, ob sie nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird. Eine solche Mitteilung sollte dem Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes gemacht werden.Die Einzelregelungen des Mutterschaftsurlaubsgesetzes sind, so meinen wir, ausgewogen. Sie entsprechen sowohl den berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen mit kleinen Kindern als auch denen der Betriebe.Sehr ernst nehmen wir Sozialdemokraten den kritischen Einwand, daß der Mutterschaftsurlaub die Einstellung von jungen Frauen erschweren und zu einer weiteren Arbeitsmarktdiskriminierung beitragen würde. Wir wissen sehr genau, daß jedes arbeitsschutzrechtliche Gesetz die Gefahr in sich trägt, daß es nicht nur mit Vorteilen für den zu schützenden Personenkreis verbunden ist. Diese Entwicklung müssen wir also sorgfältig und längerfristig beobachten, damit die Bemühungen der Sozialdemokraten, die einseitige Ausrichtung der Frauenarbeit auf nur wenige Berufsgruppen aufzubrechen, nicht unterlaufen werden.Für viel problematischer halte ich allerdings das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen, das ja für uns alle eine generelle Herausforderung ist. Angesichts der überproportionalen Arbeitslosigkeit von Frauen, die unbestritten anhält, erwarten wir, daß es den Betrieben gewöhlich gelingen wird, die Zeiten des Mutterschaftsurlaubs durch Aushilfskräfte organisatorisch zu überbrücken.Lassen Sie mich abschließend noch auf zwei Aspekte hinweisen, zunächst auf die Einbindung des neuen Mutterschaftsurlaubsgesetzes in die allgemeine Gesetzgebung für Frauen, und zwar sowohl was die historische als auch was die künftige Entwicklung anlangt. Die für den Mutterschaftsurlaub entwickelte sozialversicherungsrechtliche Regelung findet in der Öffentlichkeit leider nicht die Beachtung, die ihr angesichts des Durchbruchs zu einem neuen Prinzip zukommen müßte. Denn zum ersten-
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Frau Dr. Lepsiusmal in der Geschichte der Sozialversicherung wird die Zeit der Kinderbetreuung im Grundsatz als Beitragszeit anerkannt.
Dieser Einstieg ist für uns Sozialpolitiker von hoher prinzipieller Bedeutung für die anstehende Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung 1984. Denn wir Sozialdemokraten kämpfen seit langem für die Anerkennung der Erziehungsleistung von Müttern im Rentenrecht. Diesen Ansatz im Rahmen des finanziellen Machbaren längerfristig gesehen für alle Mütter auszubauen, ist ein Anliegen der Sozialdemokratischen Partei, das auch im Orientierungsrahmen bis 1985 programmatisch festgeschrieben wurde.
— Beim Familiengeld ist überhaupt keine soziale Sicherung vorgesehen. Auch das haben Sie wohl übersehen.
Der Mutterschaftsurlaub und seine sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen zeigen also bereits jetzt einen Weg, den wir politisch weiterverfolgen werden.Die Frauen in der Bundesrepublik wissen sehr wohl, daß sie das Scheitern des Babyjahrs 1972 der Opposition zu verdanken haben, der dieser erste Schritt bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten für pflichtversicherte wie für freiwillig versicherte Frauen nicht weit genug ging und die darum das ganze politische Vorhaben vereitelte.
Die Frauen der Bundesrepublik wissen aber auch, daß es Sozialdemokraten und Freie Demokraten waren, die erstmals im deutschen Recht — und das mit erheblichen Folgewirkungen im Sozialversicherungsrecht — die Gleichwertigkeit von Hausarbeit und außerhäusliche Erwerbstätigkeit zwischen den Ehepartnern im neuen Eherecht durchgesetzt haben. Ich muß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, daran erinnern, welche Schwierigkeiten Sie uns bei der Gleichbehandlung von Hausfrauentätigkeit und Erwerbstätigkeit bei der daraus abgeleiteten gleichmäßigen Aufteilung der Altersversorgung auf beide Ehepartner, wenn ihre Ehe geschieden wird, bereitet haben.Dabei wiederholt sich die CDU/CSU in ihrer Argumentation. Ob Babyjahr, ob Versorgungsausgleich im Eherecht, ob Mutterschaftsurlaub — stets lehnen Sie Neuregelungen erst einmal deshalb ab, weil Sie darin eine Benachteiligung der Hausfrauen in bestehender Ehe sehen. Dies hindert Sie andererseits nicht daran, abgelehnte gesetzliche Regelungen gleichzeitig verbal zu fordern. Ich zitiere:Familienleistungen der Frau müssen bei der Altersversorgung genau wie Beitragszahlungen aus Erwerbsleben anerkannt werden.Ich habe soeben einen Satz aus einem Flugblatt der CDU — „Selbst ist die Frau" — zitiert, das gerade eben veröffentlicht worden ist.
Dies ist also die Taktik der Opposition: eine Politik des „Alles oder nichts". Wir Sozialdemokraten werden Ihnen darin genausowenig wie in der Vergangenheit folgen. Es ist daher ein Gebot der politischen Fairneß, keine unerfüllbaren Hoffnungen zu wecken, sondern in Gesetze wie in Gesetzesanträge nur solche Maßnahmen aufzunehmen, die auch tatsächlich realisierbar, d. h. finanzierbar sind.
Wir Sozialdemokraten werden Ihre Politik nicht mitvollziehen. Wir Sozialdemokraten werden aber unsere kleinen Schritte zugunsten von Frauen, die dann zu großen Schritten zugunsten von Familien werden, fortsetzen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktionstimmt dem Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs zu.Ich appelliere an den Bundesrat, dieses Gesetz zügig zu verabschieden, damit die neue soziale Leistung, auf die viele Mütter warten, Mitte dieses Jahres in Kraft treten kann.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt, daß nun rechtzeitig zum 1. Juli 1979 das Gesetz über die Einführung eines Mutterschaftsurlaubs heute verabschiedet wird. Wir begrüßen das auch deswegen, weil damit der letzte noch offene Punkt aus dem Paket verabschiedet wird, das die Bundesregierung nach dem Weltwirtschaftsgipfel im letzten Jahre dem Bundestag vorgelegt hat: ein Mutterschaftsurlaub, der den erwerbstätigen Frauen die Möglichkeit gibt, über die heutige Schutzfrist von acht Wochen hinaus weitere vier Monate lang auf Antrag zu Hause bei Ihrem Kind zu bleiben, und zwar bei Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes bis zu einem Höchstbetrag von 750 DM und bei entsprechendem Kündigungsschutz.Wir sehen in dieser Verlängerung der Mutterschutzfrist überhaupt erst die Chance, daß sich die erwerbstätige Arbeitnehmerin länger als bisher ernsthaft ihrem Kinde widmen kann, und zwar in den sehr wichtigen ersten Lebensmonaten.Die FDP-Fraktion bedauert es, daß die Möglichkeit zu diesem Mutterschaftsurlaub nicht auch von den Vätern — wir würden es dann Elternschaftsurlaub nennen — alternativ bzw. von Adoptiveltern wahrgenommen werden kann. Wir meinen,
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Frau Matthäus-Maierdaß eine solche Wahlmöglichkeit der Eltern ein guter Beitrag zur Auflockerung der starren Rollenverteilung gewesen wäre, die wir ja heute immer noch haben.Aber wir wissen, warum wir das nicht tun konnten: Sie haben über die Ausschußberatungen hinaus bis heute nicht eindeutig erklärt, meine Damen und Herren von der Opposition, ob Sie diesem Gesetzentwurf zur Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs zustimmen. Deshalb haben wir es nicht gewagt, die alternative Möglichkeit für Väter in das Gesetz hineinzunehmen, weil der Gesetzentwurf dann zustimmungsbedürftig geworden wäre. Wir hatten nicht die Absicht, uns in dieser wichtigen Frage, die bis zum 1. Juli 1979 zeitlich drängt, vom Bundesrat abhängig zu machen. Wir meinen, daß diese Erweiterung so bald wie möglich an anderer Stelle nachzuholen ist.
Wir glauben, daß eine solche Erweiterung auch die selbstverständlich nicht ganz von der Hand zu weisende Gefahr etwas stärker gemindert hätte, daß auf Grund dieser Verlängerung der Mutterschutzfrist die junge Arbeitnehmerin im Erwerbsleben benachteiligt werden könnte. Denn bei einer alternativen Möglichkeit für Vater oder Mutter wüßte ja ein Arbeitgeber, der eine junge Frau einstellt, nicht, ob nicht möglicherweise, wenn die Frau einmal schwanger wird, der Vater den Elternurlaub in Anspruch nimmt, so daß auf diese Weise die Gefahr einer Benachteiligung verringert würde.
— Ganz schön pfiffig; da sind Sie völlig fertig! Aber eines ist klar: Bei der wachsenden Erkenntnis gerade auch junger Väter — was offensichtlich Frau Geier in ihrer Rede überhaupt noch nicht zur Kenntnis genommen hat —, daß es für sie nicht nur eine Pflicht ist, an der Kindererziehung teilzunehmen, sondern daß sie sich damit ein Recht nehmen, das ihnen jahrhundertelang verweigert worden ist: sich auch um ihre Kinder zu kümmern,
würden in einer solchen Situation sicher auch mehr Väter einen solchen Urlaub wahrnehmen.
Wir meinen, zur Bekämpfung der Gefahr der Benachteiligung von jungen Frauen im Erwerbsleben — eine Gefahr, die, wie gesagt, nicht auszuschließen ist — müssen aber auch andere Instrumente eingesetzt werden. Ich erinnere an die Forderung der FDP, möglichst bald ein sogenanntes Antidiskriminierungsgesetz nach englischem Muster einzuführen, um die Benachteiligung von Frauen u. a. im Erwerbsleben abzubauen oder zu vermeiden, zusammen mit der Schaffung einer Gleichberechtigungskommission, die mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet ist und diese Benachteiligung tatsächlich abbauen soll. Wir glauben, bis zum Inkrafttreten eines solchen Antidiskriminierungsgesetzes nach englichem Muster ist das in der Bundesregierung in der Diskussion befindliche EG-Anpassungsgesetz bereits eine gute Sache. Nach diesem Gesetz soll dasdeutsche Recht an die EG-Richtlinie angepaßt werden, die uns die Gleichbehandlung der Frauen im Berufsleben vorschreibt. Wir hoffen, daß das Anpassungsgesetz bald in Kraft treten kann.Meine Damen und Herren, die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt auch den Entschließungsantrag, in dem eine Weiterentwicklung der Unterstützung der Kindererziehung in Aussicht gestellt wird. Wir sind der Meinung, daß wir der Weiterentwicklung der Förderung der Familie mit dem vor wenigen Wochen in unserem Kinderprogramm in Kiel verabschiedeten Gedanken eines Kinderbetreuungszuschlags gerecht werden können. Ein solcher von uns ins Gespräch gebrachter Kinderbetreuungszuschlag, den Frau Geier hier angesprochen hat, kann ein Modell für eine solche Weiterentwicklung sein. Nach unserer Vorstellung soll in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes den Familien ein erhöhtes Kindergeld zur Verfügung gestellt werden, das — das ist wichtig — unabhängig davon gewährt wird, ob in der Familie beide Eltern erwerbstätig sind, ob einer erwerbstätig ist, welcher von beiden das ist, oder ob möglicherweise keiner erwerbstätig ist.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hasinger?
Ja.
Frau Kollegin, ich möchte gern eine Frage an Sie stellen, weil ich den Eindruck habe, daß hier einige Weichen für die kommenden Jahre umspringen können. Wir sollten uns das genau überlegen. Halten Sie es wirklich für eine, sagen wir einmal, illiberale Einschränkung des Lebensstils, wenn bei einer Leistung, die irgendwann einmal kommen wird, für alle Frauen zur Voraussetzung gemacht wird, daß jedenfalls keine volle Berufstätigkeit ausgeübt wird? Wenn dies so wäre, müßten Sie doch konsequenterweise auch das jetzt vorliegende Gesetz nicht mittragen können.
Zu dem zweiten komme ich gleich noch. Zu dem ersten: Ich halte es grundsätzlich für völlig legal und auch legitim, wenn der Staat an staatlichen Leistungen Bedingungen knüpft und Auflagen macht, wenn er ein bestimmtes Ziel erreichen will. Wenn aber die Auflage oder die Bedingung darin besteht, daß die Frau während des Zeitraums, um den es hier geht, zu Hause bleiben muß und damit wieder die Rollenverteilung erzwungen wird, die unserer Ansicht nach der entscheidende Grund für die Benachteiligung der Frauen im Berufsleben und im Bildungswesen ist, dann halten wir das für illiberal, in der Tat.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine zweite Frage des Herrn Abgeordneten Hasinger?
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Ja.
Nur noch ganz kurz, weil ich meine, daß das für die Zukunft wichtig ist: Könnten Sie vielleicht Ihre Meinung eines Tages im Hinblick darauf modifizieren, daß eine solche Leistung, wie Sie selbst sagen, nicht zwingend der Frau, sondern möglicherweise auch dem Mann zustehen könnte und daß Sie stärker auf das Kindeswohl und nicht so sehr auf die Position des zu Hause bleibenden Ehepartners abstellen?
Ich finde es gut, daß Sie wenigstens im Unterschied zu Frau Geier auch dem Mann, dem Vater, die Chance geben möchten, sich um sein Kind zu kümmern. So weit ist Frau Geier leider noch nicht.
— Frau Geier, ich habe Ihre Rede verfolgt. Sie war an Gedankengängen aus dem vorigen Jahrhundert nicht mehr zu überbieten.
Aber ich will Ihnen sagen, warum wir meinen, eine solche Frage sollten die Eltern frei entscheiden. Wir meinen, daß die Frage, wie eine Familie glücklich wird, wie sie die Beziehung zu ihrem Kind regelt, ob nicht möglicherweise besser dadurch, daß z. B. einer von beiden teilzeitbeschäftigt ist, den Staat in der Tat nichts angeht.
Ich darf zurückfragen. Schauen Sie einmal in Ihren Entwurf eines Familiengeldgesetzes für Nichterwerbstätige. Da haben Sie — im Unterschied zu den Äußerungen von Frau Geier — doch wichtige Probleme nicht gelöst. Etwa: Wie werden denn nach Ihrem Gesetzentwurf die mithelfenden Familienangehörigen, die Heimarbeiterinnen, die Teilzeitbeschäftigten behandelt?
Nach Ihrem Vorschlag, Frau Geier — ich habe die Änderungsanträge der CDU hier vorliegen —, soll das Familiengeld ausschließlich an Nichterwerbstätige gezahlt werden. Sollen alle mithelfenden Familienangehörigen als Nichterwerbstätige gelten? Doch wohl nicht.
Das heißt doch wohl, daß die nach Ihrem Änderungsantrag nichts bekommen sollen.
Von daher ist nach unserer Ansicht unsere Lösung diejenige, die wirklich liberal ist, die dem einzelnen Bürger, der einzelnen Familie die freie Entscheidung läßt und nicht bestimmte Arten von Berufen benachteiligt.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Ich würde es gerne tun, es ist nur immer schwierig. Das war auch in der letzten Debatte so. Ich glaube, wir diskutieren bis 18.00 Uhr. Sie haben viele Redner auf der Rednerliste. Lassen Sie sich doch bitte draufsetzen! Ich glaube, es sind sechs Redner. Da können Sie dann alle Ihre Gedankengänge loswerden, lassen mir aber gleichzeitig die Chance, meine Minuten auszunutzen.
Wir sind also der Ansicht, daß dieser Kinderbetreuungszuschlag zum Kindergeld, abnehmend mit der Anzahl der Jahre, liberalen Vorstellungen am ehesten entspricht. Wir hoffen, daß in absehbarer Zeit über den Entschließungsantrag des Ausschusses der Einstieg hierzu gefunden wird. Wir halten dies, wie gesagt, für den entscheidenden Unterschied zu der ideologisch fixierten Position der CDU/CSU.Meine Damen und Herren, wir können es auch nicht hinnehmen, daß die Opposition versucht, einen Keil zwischen erwerbstätige und nichterwerbstätige Frauen zu treiben.
In Ihrem Änderungsantrag versteigen Sie sich in der Begründung sogar zu der Behauptung, schon die heute bestehende Mutterschutzregelung stelle eine materielle Präferenz für die erwerbstätige Mutter dar, die zugunsten der nichterwerbstätigen Mutter ausgeglichen werden müsse. Nehmen Sie denn einfach nicht zur Kenntnis, daß Frauen, die neben der Kindererziehung auch noch einen Beruf wahrnehmen, eine größere Belastung haben als andere? Nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß diese Frauen eine Erleichterung wollen?
— Doch, das haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf stehen. Schon die heutigen lächerlichen zwei Monate, mit denen wir international weit hinter anderen Ländern herhinken, seien eine materielle Präferenz. Ich halte das wirklich für ein unglaubliches Stück.
— Ich zeige es Ihnen gerne. Ich habe Ihren Entwurf wie beim letztenmal genau gelesen.
Sie sprechen. von der gesellschaftspolitischen Anerkennung der Hausfrau. Es war doch diese Koalition, die als erste einen Schritt dahin getan hat, nämlich durch die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit beim Versorgungsausgleich nach der Scheidung. Zum erstenmal kann eine Frau, auch wenn sie nicht erwerbstätig war, nach einer Scheidung die Hälfte des Rentenanspruches mitnehmen, auch wenn nur der Mann diesen Rentenanspruch erworben hat. Das ist materielle Gleichstellung, das ist
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Frau Matthäus-Maiermaterielle Anerkennung der Hausfrauentätigkeit, nicht aber das, was Sie hier heute vortragen.Ein weiteres, wenn wir von der Doppelbelastung sprechen: Haben Sie sich eigentlich schon Gedanken darüber gemacht, daß die Doppelbelastung für eine Frau eben ein Mehr an Belastung bedeutet? Zum Beispiel die Frage des Stillens: Wir öffnen mit unserem Gesetzentwurf überhaupt erst die reale Chance, daß Frauen ihre Kinder stillen können. Sie haben doch auf die psychologische und auf die medizinische Bedeutung eines engen Kontaktes zwischen Mutter und Kind hingewiesen. Warum erkennen Sie nicht an, daß aus allen diesen Gründen die erwerbstätige Frau eine Sonderstellung hat, die wir erleichtern wollen?Warum erkennen Sie nicht an, daß z. B. das von Ihnen so simpel dargestellte Modell — auf der einen Seite die Alleinverdienerehe, die so wenig Geld hat, weil nur einer verdient, auf der anderen Seite die sogenannte Doppelverdienerehe, die so viel Geld hat, weil beide arbeiten — nicht stimmt, daß eben sehr viele sogenannte Alleinverdienerehen, in denen nur einer arbeitet, netto mehr zur Verfügung haben als sogenannte Doppelverdienerehen, weil sie eben Berufe haben, in denen man nicht so viel verdient?Warum nehmen Sie eigentlich, wenn Sie hier so scharf gegen eine Doppelbelastung angehen, nicht zur Kenntnis, daß auch in diesem Bundestag in allen drei Fraktionen Kolleginnen sitzen, die einen Beruf wahrnehmen, nämlich im Deutschen Bundestag, und zugleich kleine Kinder haben? Was wollen Sie denn mit denen tun? Wollen Sie die alle nach Hause schicken, Frau Geier?
— Mit Ihren Vorstellungen von der heutigen Gesellschaft, in der viele Frauen erwerbstätig sein möchten — nicht unbedingt, um sich zu emanzipieren, wie Sie an anderer Stelle gesagt haben, denn in vielen Berufen kann man sich leider nicht emanzipieren, sondern weil sie entweder das Geld brauchen oder weil es ihnen Spaß macht —, nehmen Sie nicht zur Kenntnis, daß viele Frauen das wollen und daß sie trotzdem für einen bestimmten Zeitraum bei ihren Kindern bleiben wollen.Das, was Sie hier mit Ihrem Änderungsantrag vertreten, der die Familien dazu zwingt, daß einer von beiden mit der Berufstätigkeit aufhört, entspricht einem Familien- und Menschenbild, das wir nicht hinnehmen können.
Meine Damen und Herren, der andere Grund, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können, ist die finanzielle Belastung. Wir haben schon bei der letzten Debatte auf die finanzielle Größenordnung Ihres Antrages hingewiesen. Wenn das von uns verwirklicht werden sollte, was Sie gefordert haben, nämlich zum jetzigen Zeitpunkt eine Einbeziehung auch der nichterwerbstätigen Frau, dann hätte dies bei dem begrenzten finanziellen Volumen, das wir zur Verfügung haben, bedeutet, daß das, was für jeden einzelnen herauskäme, so gering wäre, daß der Mutterschaftsurlaub kein ernsthafter Anreiz für eine Frau gewesen wäre, die Erwerbstätigkeit für weitere vier Monate zu unterbrechen. Deswegen mußten wir angesichts des finanziellen Spielraums eine Priorität setzen. Diese Priorität haben wir gesetzt. Wir werden an dieser Sache weiterarbeiten, wie es der Entschließungsantrag zum Ausdruck bringt.Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Frau Geier hat gesagt, wenn das FDP-Modell durchkäme, dann würden die Frauen die 400 DM, die 500 DM oder die 350 DM, die sie dann bekommen, zusammenwerfen, um doch arbeiten zu gehen. Frau Geier, ich frage Sie sehr ernsthaft, können Sie in dem, was Sie hier vortragen, eigentlich ausschließlich und allein eine materialistische Betrachtungsweise der Art an den Tag legen, daß Sie allen Vätern und Müttern in diesem Lande unterstellen, die Frage, wie oft und wieviel sie sich mit ihrem Kind beschäftigen, hänge ausschließlich davon ab, wieviel Geld sie vom Staat bekommen? Ich finde dies peinlich.
Die nicht sehr hohe Kinderzahl in unserem Lande erschreckt uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht. In der jetzigen geringeren Zahl sehen wir eine Chance, den weniger Kindern mehr zu bieten. Wir meinen, daß angesichts dieser Situation Ihr Vorschlag, alle Probleme mit dem Staat und mit Geld zu lösen, verkehrt ist. Es gibt andere Möglichkeiten, z. B. das Rooming-in in den Krankenhäusern, z. B. die Mitbetreuung der Eltern im Krankenhaus, wenn ihre Kinder krank sind, z. B. das Verbot von kinderfeindlichen Mietverträgen, z. B. verkehrsberuhigte Zonen in Wohngebieten, z. B. Ablehnung von Gewalt als Mittel der Erziehung — was Sie, die Sie von Liebe gegenüber dem Kind reden, im Ausschuß für Jugend und Familie abgelehnt haben, als der Kollege Eimer den Versuch unternommen hat, Gewalt als Mittel der Erziehung zu verbieten. Solange Sie solche Dinge tun, seien Sie bitte mit dem Gerede von Liebe zum Kind vorsichtig! Ich glaube, daß Liebe zum Kind mehr ist als nur eine Frage des Geldes und des Staates. Das sollten Sie sich zu Herzen nehmen.
Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Kindergeld und Mutterschaftsurlaub gibt der Bund ab jetzt jährlich rund 3,5 Milliarden DM mehr aus in jenem Bereich, den man als die Familienpolitik im engeren Sinne bezeichnen kann. Die beiden Maßnahmen sollen verschiedenen, besonders belasteten Gruppen helfen, nämlich den größeren Familien und den überwiegend jungen Familien mit berufstätigen Müttern.Wenn man Familienpolitik so im Zusammenhang sieht, wird klar, daß hier überhaupt keine Orien-
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12084 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Frau Hubertierung an einem Leitbild, nämlich der Familie mit der berufstätigen Mutter, erfolgt. Denn in den meisten Fällen, in denen Familien mit drei und mehr Kindern seit Januar 200 DM für das dritte Kind und alle weiteren Kinder bekommen, ist die Mutter ja nicht erwerbstätig. Sie müssen die Familienpolitik als Ganzes sehen und nicht nur die Einzelmaßnahmen.
Frau Geier, Sie haben gefragt, wie ich Familienpolitik verstehe. Im Gegensatz zu dem, was Sie hier behauptet haben, will unsere Regierung und will ich selbst gerade eine nichtideologische Familienpolitik machen; das ist das Allerwichtigste.Wer sich zur Wahlfreiheit der Frau bekennt — und dies tut die Bundesregierung —, muß es ablehnen, daß die Gesetzgebung zu einseitiger Förderung mißbraucht wird. Das bedeutet aber auch, daß wir Vorschlägen nicht folgen können, deren Sinn es ist, die Frauen, wie man es manchmal hört, gefälligst zurück an den heimischen Herd zu bringen.
Die Bundesregierung respektiert und schützt die Freiheit einer jeden Familie, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und nach eigenen Wertmaßstäben zu bestimmen. Das ist die wichtigste Leitlinie aller familienpolitischen Vorhaben und Reformen. Der Mutterschaftsurlaub ist keine staatliche Bezahlung der Erziehungsleistung der Familie, sondern Ersatz für Lohnausfall, und zwar teilweiser Ersatz, der den Besserverdienenden durchaus auch Einbußen zumutet.Von dem, was Sie, Frau Geier, hier über die Mutter-Kind-Beziehung gesagt haben, unterschreibe ich vieles. Aber alles dieses spricht gerade für den Mutterschaftsurlaub. Es spricht eher noch dafür, ihn später noch zu verbessern und, wie Frau Matthäus-Maier gesagt hat, auch auf Väter auszudehnen. In erster Linie ist es gerade notwendig, eine bessere Beziehung zwischen Mutter und Kind bei der Frau zu erleichtern, die im Erwerbsleben steht. Alles dies spricht eben, für eine besondere Regelung für die erwerbstätige Frau.
Sie können ja nicht an der Wirklichkeit vorbeisehen. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Die Zahl der berufstätigen Mütter steigt. 1970 betrug ihr Anteil bei den erwerbstätigen Frauen knapp 35 °/o, sieben Jahre später, also 1977, schon 40 %. Nach unseren Umfragen möchten heute zwei Drittel aller Frauen, wenn Sie wirklich die Wahl hätten — so sagen sie —, Berufs- und Familienleben miteinander verbinden. Es gibt eben kein doppeltes Leitbild: hie Heimchen am Herd und hie Arbeitsbiene.
Auch die CDU/CSU bekennt sich ja oft verbal zur Gleichstellung von Mann und Frau; aber wenn es um die praktische Politik geht, kehren Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, immer wieder zu der alten geschlechtsspezifischen Rollenverteilung zurück.
Das Konzept, das Sie hier als Kontrastprogramm vorführen, ist alt und einfach, jedenfalls was Ihre Überlegungen betrifft. Aber es ist nicht einfach und auch nicht akzeptabel für die Frauen von heute, denen wir ja doch mit Recht bei vielen Gelegenheiten Ausbildung und Berufsengagement empfohlen haben. Das möchten wir auch heute tun, ohne damit auch nur ein einziges Wort gegen die Familie zu sagen. Wenn die Argumentation mit der Wichtigkeit der Mutter-Kind-Beziehung richtig ist, zielt sie eben gerade auf die berufstätige Frau. Wollen Sie aber mit dem Vorschlag nur bewirken, daß Frauen nunmehr von der Berufstätigkeit in das Haus zurückkehren, dann müssen wir natürlich fragen: Wo bleibt die Arbeitsplatzgarantie, die Krankenversicherung, die Anrechnung bei der Rente? Das sind doch alles sehr wesentliche Punkte für berufstätige Mütter. Das sind doch nicht alles Leute, die im Luxus leben, sondern Leute, die den Verdienst ihrer harten Arbeit brauchen.Mütter werden nicht vom Staat dafür belohnt, daß sie sich an ein bestimmtes Leitbild halten; sie dürfen umgekehrt auch nicht diskriminiert werden,
weder als kindererziehende Hausfrau noch als berufstätige Mutter. Ich habe Ihnen die Lohnersatzfunktion des Mutterschaftsurlaubs schon erklärt.In dem Vorschlag des Familiengeldes für nicht Erwerbstätige, den Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, heute — nicht ohne interne Auseinandersetzungen — auf den Tisch gelegt haben, erkennen wir natürlich den 3,3-Milliarden-Hut wieder, den Sie hier schon 1975 vorgeführt haben. Das ist ein nun schon alter Hut. Sie haben ihn ja schon einmal im Schrank verschwinden lassen, und jetzt haben Sie ihn neu garniert und in „Familiengeld" umbenannt, und dann haben Sie ersatzweise auch noch die Krempe abgeschnitten und haben eine Kappe in Form eines Antrags vorgelegt. Aber selbst diese Kappe für fast 1 Milliarde DM ist noch immer sehr groß. Es sollen alle daruntergebracht werden, sowohl diejenigen, die Hilfen besonders nötig haben, als auch diejenigen, die sie nicht so nötig haben. Darum geht es jetzt bei unserer Ablehnung ihres Vorschlages. Wir können uns in der Familienpolitik zusätzlichen Maßnahmen leisten, die nicht gezielt dazu beitragen, in besonders schwierigen Situationen zu helfen — das will der Mutterschaftsurlaub — und Ungerechtigkeiten abzubauen — das will z. B. das differenzierte Kindergeld für große Familien.Mit einer Gießkanne, in der ja, da Sie keinen Finanzierungsvorschlag eingebracht haben, über-
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Bundesminister Frau Huberhaupt kein Wasser ist, kann man nicht durchs Land ziehen. Familienpolitik muß Schritt für Schritt und mit Augenmaß betrieben werden. Im vorigen Jahr um diese Zeit hätte sicherlich niemand von Ihnen gedacht, daß wir jetzt dreieinhalb Milliarden DM mehr auf diesem Sektor investieren — und dies bei all der Enge im Haushalt und der dicken Schuldendiskussion, in der ja gerade Sie uns — und das heißt, dem Finanzminister — immer vorwerfen, er tätige eine zu hohe Kreditaufnahme.Die Gelder des Staates sind knapp. Sie müssen knapp sein; denn der Staat muß immer darauf bedacht sein, seinen Bürgern nicht zuviel Steuern aus der Tasche zu ziehen. Deshalb müssen alle Maßnahmen auf der Ausgabenseite wohlbegründet sein.Zusätzlich zum Kindergeld ist die Einkommenssituation der Menschen in diesem Jahr durch Steuersenkungen beträchtlich verbessert worden. Es liegt daher auf der Hand, daß der Staat 13 Milliarden DM, die der nicht mehr hat, auch nicht mehr ausgeben, geschweige denn zusätzlich einsetzen kann. Trotz dieser Steuersenkungen kann sich die familienpolitische Bilanz sehen lassen. Seit 1969 sind beispielsweise die Leistungen für eine Familie mit drei Kindern auf das 2,2 fache gestiegen. Insgesamt erhöhte sich das Kindergeld von 1975 bis 1979 um 46 °/o, und der Finanzaufwand stieg in der gleichen Zeit von 9,5 auf über 17 Milliarden DM pro Jahr.
Das sind Leistungen, die allen Familien zugute kommen.Die Weiterentwicklung in der Familienpolitik muß sich nun, soweit es um finanzielle Hilfen geht, darauf orientieren, konkrete Nachteile der Familien auszugleichen, die nur in eingeschränktem Maße am allgemeinen Wohlstand teilhaben. Dadurch, daß ein gleich hoher Zuschuß — wie auch immer genannt — in jede Familie fließt, wird Ungerechtigkeit nicht kleiner, sondern nur auf einer höheren Ausgangsbasis diskutiert.Es ist keine Ungleichbehandlung, wenn der Staat künftig dort mehr ausgleicht, wo die eigene Wirtschaftskraft der Familie eben schwach ist, wo Vater und Mutter die Mark oder gar den Groschen umdrehen, oder wo ein Erwerbseinkommen wegen Kindererziehung für eine begrenzte Zeit ausfällt. Wer dauernd allen gibt, begibt sich der Möglichkeit, denen, die es am dringendsten brauchen, mehr zu geben.Wir haben mit Interesse beobachtet, wie sich in der Fraktion der CDU/CSU Meinungsverschiedenheiten über das Erziehungsgeld, jetzt Familiengeld genannt, entwickelt haben. Ihre Leute mit soliden Finanzkenntnissen haben ja früher schon vor der Unfinanzierbarkeit gewarnt. Ich möchte Ihnen überdies sagen, es ist nicht redlich, bei der Diskussion über das Geburtendefizit immer so besorgt zu sein über die berufstätige Frau, aber dann Sturm zu laufen, wenn für sie etwas Besonderes geschehen soll.Es gibt leider keine unbegrenzten Möglichkeiten für Leistungen aus dem Steuersäckel. Die Familien in der Bundesrepublik leben heute aber in gesicherten sozialen Verhältnissen und vielfach in einem früher kaum für möglich gehaltenen Wohlstand. Die verfügbaren Einnahmen der privaten Haushalte waren bis 1976 gegenüber 1965 auf 246 % angestiegen; die Sparquote hat sich verdreifacht.In einem solchen Land gebietet die Gerechtigkeit, die eingehobenen Steuermittel sozial zu verwenden. Das heißt nicht, daß, wie ich eingangs schon sagte, sich alle Schritte in der Familienpolitik am Leitbild einer Familie mit zwei erwerbstätigen Eltern orientieren. Es kommt vielmehr auf die konkreten Sachverhalte, die tatsächlichen Schwierigkeiten, die tatsächlichen Nachteile an.Deshalb hat sich zusätzlich zum Kindergeld z. B. auch die Ausbildungsförderung im letzten Jahrzehnt verfünffacht. Deshalb ist der Förderungshöchstbetrag für Studenten gestiegen und ein Ausbildungsfreibetrag für auswärtig untergebrachte Kinder eingeführt worden. Deshalb hat es seit 1969 eine Verdreifachung der Entwicklung beim Wohngeld und strukturelle Verbesserungen gerade bei den großen Haushalten gegeben. Deshalb sind so viele Mittel in den öffentlich geförderten Wohnungsbau geflossen, insbesondere für die kinderreichen Familien.Wir haben nicht darauf abgehoben, wie die Menschen, wie die Familien ihr Leben im einzelnen gestalten, sondern darauf, wie die Lage dieser Familien ist. Nun erleben wir wieder eine familienpolitische Auseinandersetzung, bei der es um das Geld geht. Dabei soll der Eindruck erweckt werden, daß derjenige am familienfreundlichsten ist, der ohne Betrachtung der Schwierigkeiten allen alles zugesteht. Aber dies ist weder gerecht noch familienfreundlich, denn es geht hier nicht um nackte Not, sondern um mehr Gerechtigkeit.Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß auch für uns die Familie die unverzichtbare Lebensgemeinschaft ist, in der Kinder wie in keiner anderen Gemeinschaft aufwachsen und erzogen werden. Ich möchte erneut auch keinen Zweifel daran lassen, daß die materielle Hilfe für uns nur ein Teil dessen ist, was Familien heute wirklich brauchen. Viele Kinder in Heimen sind nicht dorthin gekommen wegen der materiellen Unfähigkeit der Familie, sie zu ernähren. Deshalb legen wir großen Wert darauf, daß freiwillige Beratungsangebote und Erziehungshilfen gegeben werden. Ich hoffe, daß wir bei der Jugendhilfereform darüber miteinander werden sprechen können. Deshalb legen wir Wert darauf, daß im Wohnungs- und Städtebau mehr auf die Kinder Rücksicht genommen wird und daß Familie als konfliktbeladene und nicht immer heile Welt dennoch mehr Wertschätzung erfährt durch die Anerkennung dessen, was sie leistet: an menschlicher Hilfe, an Geborgenheit, als Kraftquelle für unsere Kinder, aber nicht nur für sie.Der Gesetzentwurf der Opposition zum Familiengeld geht in seiner Begründung aber von falschen Voraussetzungen aus, denn durch ein Familiengeld werden familienergänzende Einrichtungen nicht überflüssig, sondern Eltern werden frei in ihrer Entscheidung, ob sie sich der Erziehung ihrer Kinder
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12086 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Frau Huberganztägig widmen oder Einrichtungen in Anspruch nehmen wollen. Diese Einrichtungen werden ja nicht nur von berufstätigen Eltern in Anspruch genommen. Die Bundesregierung fördert deshalb in Modellprogrammen fortschrittliche Lösungen, die den Eltern die Wahl ermöglichen, ohne daß die Kinder Schaden leiden. Das hat überhaupt nichts mit „Entleerung der Familie" oder „Vergesellschaftung der Familie" zu tun; denn die Familie wird hier nicht ersetzt, sondern nur in ihrer Erziehungsfunktion ergänzt, und sie kann in diesen Einrichtungen durchaus mitwirken.Es ist gut, daß wir gerade im Internationalen Jahr des Kindes so oft über Familienpolitik reden. Dabei dürfen wir nicht versäumen, die bis jetzt nur zaghaft geäußerte Ansicht zu verbreiten, daß unsere sehr am Wohlstand und am Zivilisationskonsum orientierten Wertmaßstäbe verändert werden müssen, daß wir mehr Zeit und Kraft für die Kinder brauchen. Der heute hier zu beschließende Mutterschaftsurlaub ist ein Beitrag dazu.Auf dem Wege zu einer kinderfreundlicheren Gesellschaft werden künftig aber auch noch andere Schritte erfolgen und auch notwendig sein, sowohl materielle als auch nichtmaterielle. Die nationale Kommission für das Internationale Jahr des Kindes hat in ihrem Programm, an dem 150 Organisationen mitgearbeitet haben, eine ganze Reihe von Problemen aufgezeigt und auch Vorschläge entwickelt. Es wäre gut, meine Damen und Herren von der CSU, wenn Sie Ihrem Generalsekretär gelegentlich mitteilen würden, daß dieses Programm, an dem auch die CDU/CSU-Fraktion mitgewirkt hat, kein „sozialistisches Teufelszeug" aus meinem Hause ist.
Mit dem verbesserten Kindergeld, der Einführung eines Mutterschaftsurlaubs, den Unterhaltsvorschuß-kassen, der Verabschiedung des Rechts der elterlichen Sorge und der Einführung der Jugendhilfereform werden in diesem Jahr wichtige Schritte in der Familienpolitik getan. Aber alle staatliche Umverteilungspolitik, alle verbesserten Rechtssetzungen, alle praktischen Bemühungen um Ausbildungsplätze, um Wohnungen, Spielmöglichkeiten und Freizeitangebote werden nur Erfolg haben, wenn die ganze Gesellschaft dazu beiträgt, daß wir ein kinderfreundlicheres Land werden. Familienpolitik ist nicht Familiengeldpolitik. Sie muß vielmehr eine stete Bemühung um mehr Gerechtigkeit und mehr Hilfe sein, auch, aber nicht nur, materiell.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höpfinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zuerst den bisherigen Rednern zuwenden. Frau Minister, für das Glück in der Familie sind alle zuständig, die zur Familie gehören, die Frau, der Mann und die Kinder. Das ist nicht nur ein Auftrag an den einzelnen. Trotz all Ihrer Bemühungen wird es Ihnen nicht gelingen, uns in das Klischee der drei K zu rücken: Küche, Kinder, Kirche.
Dieser Teil Ihrer Ausführungen stammt in der Tat aus der sozialistischen Mottenkiste des vergangenen Jahrhunderts.
Der Frau Kollegin Matthäus darf ich sagen: Die Berufstätigkeit der Frau hat viele Gründe, Frau Kollegin; das wissen Sie selber. Bei einem Teil der Frauen ist es die Freude am Beruf, bei einem anderen Teil die Liebe zu dem Betriebsmilieu, in dem sie jahrelang gearbeitet haben. Eine dritte Gruppe — das darf man auch nicht übersehen — bilden die Frauen und Mütter, die mitverdienen müssen, weil das Leben teuer ist.
Das haben wir immer gesagt: Solange diese Notwendigkeit besteht, fehlt in der Bundesrepublik ein vernünftiger Familienlastenausgleich; denn sonst wäre das nicht erforderlich!
Nicht wir sind es, die einen Keil zwischen erwerbstätige Frauen, Hausfrauen und selbständige Frauen treiben, sondern der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist es doch, der diese Dreiteilung der Mütter vornimmt.
Versuchen Sie doch nicht, jetzt etwas zu verschieben, sondern sagen Sie offen, daß Ihr Gesetzentwurf von Anfang an diese Dreiteilung vorgenommen hat,
gegen die wir uns in der ersten Lesung und gegen die wir uns auch in den Ausschüssen gewehrt haben.Frau Kollegin Lepsius hat den Muttertag angesprochen. Ich wollte das in meiner Rede auch tun. Ich wollte die Männer, die Väter, die Kinder bitten, ihren Frauen und Müttern am Sonntag einen schönen Muttertag zu gestalten. Das sage ich jetzt nicht nur als Floskel, sondern weil ich glaube, daß die Wertschätzung der Frau und Mutter und ihrer Tätigkeit auch eine konkrete Hilfe für die Familiensituation in unserem Lande ist.
Man sollte an der Alltagsarbeit, die zu Hause oder sonst irgendwo für die Familie geleistet wird, nicht so ohne weiteres vorbeigehen.Wenn Sie aber meinen, Frau Kollegin, Ihr Gesetzentwurf sei ein Blumenstrauß für die Mütter, dann muß ich sagen: Er ist ein bißchen zerzaust und auch welk. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Schlimm ist, daß Sie den einen Müttern einen Blumenstrauß und den anderen leere Worte geben.
Das ist bitter. Ich habe Verständnis dafür, daß dieKoalitionsparteien natürlich bemüht sind, den Vor-
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Höpfingerwurf der Diskriminierung wegzuschieben. Aber gerade diese Benachteiligung der Hausfrau und Mutter bezeichnen wir als Diskriminierung. Wir können keinen anderen Ausdruck dafür finden, weil wir glauben, daß es so ist.
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Jetzt geht es mir nicht um harte, scharfe oder markige Worte. Ich will vielmehr noch einmal versuchen, in Ihrem Gesetzentwurf eine Kurskorrektur zu erreichen, um ein soziales Unrecht zu verhindern. Der Entwurf hat einen arbeitsrechtlichen, einen sozialrechtlichen und einen finanziellen Teil. Beim arbeitsrechtlichen Teil müssen wir das Kündigungsverbot ansprechen. Von den Befürwortern der Ausweitung des Kündigungsverbotes auf acht Monate wird gesagt, das sei eine Chance für die Frau, sich nach dem Mutterschaftsurlaub wieder in den Arbeitsplatz einzuarbeiten. Das ist gut. Die Ausweitung des Kündigungsverbotes bringt aber auf der anderen Seite vielen Betrieben eine nicht unerhebliche Belastung. Frau Bundesminister Huber sah sich in den vergangenen Tagen veranlaßt, auf die Schwierigkeiten dieser Regelung insbesondere bei kleineren Betrieben hinzuweisen. Frau Minister, Ihre Äußerung zeigt mir, daß dieses Problem auch von Ihnen und von der Bundesregierung gesehen wird. Nur fehlt Ihnen die Kraft zum Handeln; Sie belassen es bei der Feststellung.
Niemand vermag zu sagen, welche Auswirkungen die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs auf die Arbeitsmarktsituation der Frau haben wird und welche Personalprobleme auftreten werden. Es war sehr interessant, daß Frau Kollegin Matthäus in ihren Ausführungen auf die Gefahr der Benachteiligung hinwies; diese Bemerkung kam doch nicht von ungefähr. Herr Kollege Cronenberg hat bei den Beratungen einige Male darauf hingewiesen, daß ein Kündigungsschutz nicht so weitgehend sein darf, daß er zur Einstellungsverhinderung führt. Das ist so. Ich frage mich nur, warum die FDP der Ausweitung dieses Kündigungsverbotes noch einmal zugestimmt hat, wenn sie das erkennt. Die zusätzliche Ausweitung des Kündigungsverbots erschwert die betriebliche und arbeitsrechtliche Situation noch mehr; denn an die Zeit des Kündigungsverbots schließt sich ja dann erst die regelmäßige Kündigungszeit nach den tarifrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen an. .Meines Erachtens wäre es besser gewesen, zunächst einmal Erfahrungen mit dem Mutterschaftsurlaub von sechs Monaten zu sammeln. Wenn man es dann 'für notwendig erachtet hätte, hätte sicher die Möglichkeit bestanden, weiter zu diskutieren. Ich meine, in der Sozialpolitik muß man sich einen klaren Blick bewahren. Man darf nicht nur in der einen Richtung auf die Personengruppe blicken, die durch eine Maßnahme begünstigt werden soll; man muß auch in der anderen Richtung auf die Personengruppe sehen, die nach solchen Entscheidungen mit neuen und schwierigen Verhältnissen fertig werden soll. Auch das darf man nicht vergessen und nicht übersehen.Nun zum sozialrechtlichen Teil. Beim sozialrechtlichen Teil geht es um die Belastung der Sozialversicherungsträger. Hier wurde vorhin von Frau Kollegin Matthäus oder von Frau Kollegin Lepsius gesagt, daß die Finanzierung des Familiengeldantrages nicht richtig dargestellt sei. Was macht die Bundesregierung? Hierin steht überall: Die Leistungen bis 1981 trägt die Bundesregierung, wenn es um den Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen und um die Krankenversicherung geht. Aber im Rentenversicherungsbericht vom März 1979 ist bereits verankert, daß die Rentenversicherungsträger 3 Milliarden DM einsetzen, um nachher .diese Leistungen tragen zu können, die vom Mutterschaftsurlaub ausgehen. Also: Sie verschieben die Kosten von der einen Ebene auf die andere. Das sind 3 Milliarden DM für den Zeitraum von 1982 bis 1992. Mit dem Schwerbehindertengesetz ist es bezüglich der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze genau dasselbe. Wir haben es alle getragen. Nur darauf sei hingewiesen: Hier wurden nicht weniger als 9 Milliarden DM ebenfalls den Sozialversicherungen zugeschoben. Tun Sie also nicht so, als ob Sie die Finanzierung Ihres Antrags sichergestellt hätten; Sie haben dieses Problem nur in einen anderen Bereich verlagert.
Nun wende ich mich dem finanziellen Aspekt, dem leistungsrechtlichen Teil zu. SPD und FDP waren in den Beratungen der Ausschüsse nicht bereit, die Hausfrau und Mutter in die finanzielle Begünstigung einzubeziehen. Die Entscheidung der Bundesregierung und der SPD und der FDP in dieser Frage bleibt deshalb mager, halbherzig und ungerecht.
Da nützt auch die Stellungnahme von Frau Bundesminister Huber im Süddeutschen Rundfunk nichts, in der sie dafür eintrat, die nichtberufstätigen Mütter in die Leistungen des Mutterschaftsgeldes einzubeziehen. Einen Zeitpunkt nannte sie nämlich nicht.Die FDP kam über Absichtserklärungen in dieser Frage nicht hinaus. Herr Kollege Glombig von der SPD äußerte in der Ausschußberatung, daß die Koalition auf diesem Gebiet in der jetzigen Legislaturperiode nicht mehr tun wolle. Damit tritt doch klar zutage: SPD und FDP halten an der Benachteiligung der Hausfrau und Mutter fest.Unseren Änderungsantrag stellen wir deshalb wieder, weil wir in der Entscheidung der SPD und der FDP eine unannehmbare Benachteiligung der Hausfrau und Mutter sehen, weil wir der Frau und Mutter in der Tat eine freie Entscheidung ermöglichen wollen, ob sie außerhäuslich berufstätig sein oder sich ganz der Erziehungsaufgabe und der Familie widmen will, ohne finanziell benachteiligt zu werden.
Ich möchte jetzt nicht darlegen, mit welchen Negativbemerkungen unser Antrag im Ausschuß versehen wurde; das führt zu nichts. Allerdings möchte
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Höpfingerich in diesem Zusammenhang zwei völlig falsche Auffassungen der SPD zurückweisen. Die erste falsche Auffassung kommt in dem Vorwurf zum Ausdruck, unser Änderungsantrag sei ein Schaufensterantrag. Durch die Vorlage des Antrags zur Einführung eines Familiengeldes — Finanzvolumen 3,28 Milliarden DM — ist eine Abwertung unseres Änderungsantrags vollends widerlegt; denn der Antrag verdoppelt den Kostenansatz in Ihrem Gesetzentwurf, nämlich von 900 Millionen auf 1,8 Milliarden DM.Vorhin ist die Finanzierungsfrage angesprochen worden. Dazu muß man doch sagen, daß das Mutterschaftsgeld nach Ihrem Gesetzentwurf und das Familiengeld nach dem anderen Gesetzentwurf auf-rechenbar sind. Wer Familiengeld bezieht, kann nicht Mutterschaftsgeld beziehen; wer Mutterschaftsgeld bezieht, kann nicht Familiengeld beziehen. Damit beträgt die Differenz von Ihrem Gesetzentwurf mit unserem Aufsattelungsauftrag — insgesamt 1,8 Milliarden DM — bis zum Familiengeldantrag 1,45 Milliarden DM; insgesamt sind es 3,28 Milliarden DM. Wenn Sie mir sagen wollen, das sei unfinanzierbar, frage ich mich, ob es nicht doch möglich wäre, diese 1,45 Milliarden DM aufzubringen.
Zweitens weisen wir den Vorwurf zurück, unser Änderungsantrag begünstige die Reichen und benachteilige die Armen. Glaubt denn in der Tat jemand, daß unter den etwa 300 000 Müttern, die ein Kind zur Welt bringen und im Interesse der Erziehung dieses Kindes auf die Berufstätigkeit verzichten, die Reichen in unserem Lande sind? Das sind doch zum überwiegenden Teil die Mütter, die schon die Erziehungsaufgabe für ein, für zwei, für drei und mehr Kinder erfüllen und nicht berufstätig sein können. Diese Gruppe der Hausfrauen und Mütter zu den Reichen unseres Volkes zu zählen, ist meines Erachtens eine Weltfremdheit sondergleichen.
Einen Reichtum gibt es natürlich schon. Ich denke z. B. daran, daß in Art. 125 der bayerischen Verfassung steht: Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes. Ich meine, dieses Wort „Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes" sollten wir auch bei anderen Diskussionen wieder stärker herausstellen, weil es eine Wahrheit ist.
Unser Änderungsantrag bezüglich des Familiengeldes für die Nichterwerbstätigen ist meines Erachtens familienbezogen, es ist sach- und personen- gerecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD und der FDP, Sie haben noch einmal die Chance, diesem Antrag zuzustimmen. Tun Sie es nicht, ist Ihr ganzer Gesetzentwurf weniger als ein halber Schritt. Davor wollten wir Sie bewahren.
Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur eine Richtigstellung vornehmen. Herr Kollege Höpfinger hat soeben gesagt, ich hätte in einem Rundfunkinterview die Einbeziehung auch der nichterwerbstätigen Mütter in den Mutterschaftsurlaub gefordert. Dies ist eine Falschmeldung über das Interview. Ich bitte Sie, sich den Originaltext anzusehen. Dort finden Sie meine Auffassung, so wie ich sie auch heute vertreten habe. Der Originaltext steht Ihnen zur Verfügung.
— Ich bin nicht für die Einbeziehung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Kollegin Frau Geier und des Kollegen Höpfinger werden sich noch viel mehr Bürger in diesem Land fragen, was denn hinter der von den Oppositionspolitikern in den letzten Wochen und Monaten angekündigten Offensive in der Familienpolitik eigentlich steckt. Sie werden sich fragen, wann sie denn nun eigentlich kommt. Dies hier war sie ja wohl nicht.
Will die CDU/CSU mit der Ankündigung eigentlich den vorläufig letzten Willen ihres Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß aus Bayern erfüllen, der ja wohl, bevor er sich bei Ihnen verabschiedet hat, das angekündigt hat? Er hält sich ja in den letzten Wochen zu diesem Thema merkwürdig zurück.Oder will die Opposition das gute Zeugnis, das Ihr Kollege Biedenkopf der Regierung und den sie tragenden Parteien auf fast allen Gebieten der Politik gegeben hat, dadurch unterlaufen, indem sie sagt: Hier haben wir aber ein Gebiet, auf dem wir vielleicht besser sein könnten!? Oder will sie schlicht und einfach nur Wahlkampf machen? Diese Vermutung drängt sich auf, wenn dieser Gesetzentwurf zum Familiengeld drei Tage mit viel Getöse vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Berlin auf den Tisch des Hauses gelegt wird. Ist dieser Gesetzentwurf eigentlich, so fragen wir, die Offensive, dieser Antrag, der von einer Gruppe, der CDU, unterschrieben ist, auch von ihrem Vorsitzenden? Er wurde aber nicht von allen unterschrieben. Dieser Entwurf steht hier zur Beratung an.
Als Auftakt einer familienpolitischen Offensive ist dieser Gesetzentwurf allerdings recht dürftig ausgefallen.
Zum einen hat ihn nur eine kleine Gruppe unterzeichnet. Zum anderen hat sich die CSU noch nicht
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Neumann
einmal daran beteiligt. Nach der Einbringung haben sich sofort viele Mitglieder der CDU, unter anderem Ministerpräsident Späth, gegen diesen Entwurf ausgesprochen.
— Sie können es in der „Stuttgarter Zeitung" nachlesen, Herr Dr. Ritz.
— Ja, Sie können.Es kann auch kaum Auftakt einer familienpolitischen Offensive sein, wenn mit der Einbringung der finanzpolitische Sprecher Ihrer eigenen Fraktion gleichzeitig sagt, daß er das Familiengeld für nicht vertretbar hält. Dies wurde im Saarländischen Rundfunk gesagt.Herr Biedenkopf hat gesagt, er werde dem Gesetzentwurf die Zustimmung so lange nicht geben, bis nicht nachgewiesen sei, daß er finanzierbar sei.Der bayerische Ministerpräsident will das ja auch nicht zu seinem Nachlaß zählen. Er hat seine Mannen angewiesen, sich in den Ausschüssen zurückzuhalten. Im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit waren Sie gestern gar nicht anwesend.
— Sie haben ja hier die große Debatte beantragt, damit die Redner die unterschiedlichen Positionen in Ihrer Fraktion darlegen können. Sonst hätten Sie ja mit einer Stimme zu dem Gesetzentwurf reden können, den Sie vorgelegt haben. Am 17. März hat Herr Dregger noch einmal zu erklären versucht, wie er sich verhalten wird. Er hat gesagt, aus dem Nachdenken der CSU über Ihren Gesetzentwurf könnte sich etwas ergeben, was die CDU übernehme. Diesen Satz kann man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Aus dem Nachdenken der CSU über Ihren Gesetzentwurf könnte sich etwas ergeben, was die CDU übernehme.
— Frau Geier, Sie haben doch schon angekündigt, daß Sie sieben Mitglieder Ihrer Fraktion nicht hinter sich haben!Dieser Ihr Gesetzentwurf ist keine familienpolitische Glanzleistung und zudem nicht vollständig durchdacht. Das Gesetz ist nicht seriös finanzierbar. Mehr als 11 Milliarden DM sollen in den nächsten vier Jahren vom Bund aufgebracht werden. Woher das Geld kommen soll, wird nicht gesagt. Seriöse Deckungsvorschläge sind nicht erkennbar. Schon aus diesen Gründen müssen wir Sozialdemokraten das Gesetz ablehnen; wir werden keine Gesetze beschließen, die nicht finanzierbar sind.
Es gibt da übrigens eine seltsame Übereinstimmung zwischen unserer Koalition und Ihren Finanzexperten und Teilen der CSU. Ich sehe das als ein dickes Lob unserer politischen Gegner für unseren Regierungsentwurf zum Mutterschaftsurlaubsgesetz an, der finanzierbar und solide ist.
Konsequent ist deshalb auch, daß sich die Kollegen der CSU im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gegen dieses Familiengeld ausgesprochen haben. Die Kollegen von der CDU waren beim Mutterschaftsurlaubsgesetz ja nicht so ganz einig; da haben sich vorsichtshalber erst einmal zwei der Stimme enthalten, zwei haben zugestimmt, und zwei waren dagegen.
Die Auswirkung des Bundesfamiliengeldgesetzes der CDU ist auch familienpolitisch nicht zu Ende durchdacht. Im bekannten Gießkannenprinzip werden hier 18 Monate lang zunächst 400 DM über nicht berufstätige Mütter ausgeschüttet, deren Ehemänner zum Teil gut verdienen, und ebenso über solche, die aus finanziellen Gründen gezwungen sind zu arbeiten. Für die ersteren — sicher einen kleineren Teil der nicht berufstätigen Mütter — sind die 400 DM ein willkommenes Taschengeld. Für die anderen, die aus finanziellen Gründen arbeiten müssen, bringen diese 400 DM nichts.
Das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat eine Umfrage durchgeführt, allerdings schon vor vier Jahren, aber wenn sie heute gemacht würde, würden sich die Ergebnisse eher noch im Sinne meiner Argumentation erhärten. Das Ergebnis besagt, daß die Zahlung von 400 DM bedeutet, daß weniger als 25 % der berufstätigen Frauen dazu kommen würden, im Falle der Mutterschaft den Arbeitsplatz aufzugeben — weniger als 25 %! Dies gilt um so mehr, als das Familiengeld, das sie hier vorschlagen, ohne Arbeitsplatzsicherung und ohne Sicherung in der Rentenversicherung gezahlt werden soll. Mehr als 75 % der berufstätigen Frauen würden, wenn es nach dem Willen der Antragsteller ginge, nach Ablauf der bisherigen Mutterschutzfrist, also nach zwei Monaten, wieder ihren Beruf ergreifen und die Doppelbelastung „Beruf und Kindererziehung" auf sich nehmen. Wir haben mit der Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs den einzig gangbaren Weg, diesen Frauen zu helfen, beschritten.
Nun wird uns Sozialdemokraten vorgeworfen, wir täten nichts für diejenigen Hausfrauen, die nicht gut verdienende Männer haben, täten nichts für diejenigen, die nicht berufstätig sind, also insbesondere jene, die wegen mehrerer Kinder zu Hause bleiben müssen, um dort ihre Aufgabe zu erfüllen.
Diejenigen, die das sagen, verschweigen, was an familienpolitischen Leistungen erbracht worden ist, die den nicht berufstätigen Müttern — in manchen Fällen sogar nur den nicht berufstätigen Müttern,
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also den Hausfrauen — zugute kommen. Ich nenne die Reform des Familienlastenausgleichs mit der Abschaffung des ungerechten Kinderfreibetrages, den Sie ja kürzlich wieder einführen wollten; damit verbunden eine bedeutende Steigerung des Kindergelds für das zweite Kind und das dritte Kind; insgesamt 8 Milliarden DM in den letzten vier Jahren. Das können jeder Vater und jede Mutter am eigenen Geldbeutel nachprüfen.
Diese Leistungen sind unabhängig davon gezahlt worden, ob die Mutter berufstätig war oder nicht.Wir haben den Elternurlaub bei Pflege des kranken Kindes eingeführt. Wir haben Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere und Kinder, Verbesserungen des Wohngeldes und der Arbeits- und Berufsförderung eingeführt. Hinzu kommt die Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen; das betrifft nur Hausfrauen.
Ich nenne die Eherechtsreform und den Versorgungsausgleich; dieses Thema ist hier von uns bereits zweimal angeschnitten worden.
— Ich weiß, daß Ihnen diese Aufstellung nicht paßt, weil es Ihnen nicht paßt, daß hier nachgewiesen wird, daß wir nicht bereit sind, uns auseinanderdividieren zu lassen und uns unterstellen zu lassen, daß hier eine Diskriminierung der Hausfrau stattfindet. So etwas werden Sie nicht schaffen, auch Sie nicht, Frau Geier.
Das Argument, die Sozialdemokraten hätten nichts für die berufstätigen Frauen getan, gilt also nicht. Wir haben immer dort familienpolitische Maßnahmen ergriffen, wo es notwendig und wo es finanzierbar war.
Der Gesetzentwurf der CDU findet unsere Ablehnung auch deshalb, weil hier ein bedenklicher Weg eröffnet wird, die Mutter zur „Staatsmutter" zu machen.
Auch wir möchten nicht — worin uns unser nicht anwesender verehrter Kollege Professor Biedenkopf aus Ihrer Fraktion zustimmt —, daß der Staat Arbeitgeber der Mutter wird.
— Ich zitiere Ihren eigenen Kollegen. Der Weg von der „Staatsmutter" zum direkten Einfluß des Staates auf die Erziehung der Kinder wäre nämlich nicht mehr weit. Bei der Zahlung von 400 DM monatlich auf 18 Monate und später auf drei Jahre, wie es in Ihrem Gesetzentwurf steht, wäre die Entscheidung der Frau, der Eltern und der Familie, einen Beruf auszuüben oder nicht berufstätig zu sein, unerträglich eingeengt. Man kann darin wirklichnur einen Versuch sehen, die Frau wieder an den heimischen Herd zu locken.Ich habe auch die Argumente nicht ganz verstanden, die Sie, Herr Franke, bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs vorgebracht haben. Sie sagten damals: Damit die Kleinkinder eine optimale Betreuung und Erziehung in ihrer Familie erhalten, solle ein Familiengeld gezahlt werden. Steckt dahinter nicht wieder die Auffassung, daß man mit Geld und direkten Geldzuwendungen alles machen kann?
In der Familienpolitik und noch dazu nach dem Gießkannenprinzip können direkte Geldzuwendungen nur wenig bewirken. Das gilt für eine bessere Erziehung wie auch — das war Ihr zweites Argument — für die Entscheidung der Familie für mehr Kinder.Die CDU sollte nicht von dem Weg abkommen, den ihr eigener Familienminister in einer Wahlkampfbroschüre vor einiger Zeit aufgezeigt hat. Ich zitiere Franz-Josef Wuermeling:Wir wollen keine „Wuermeling-Kinder" und keine Neuauflage nazistischer Geburtenprämierung und keine Mutterkreuzehrung.
Auch wir nicht.Da wäre es schon besser, die Opposition würde der Koalition helfen, ein besseres Klima für die Familien zu schaffen, insbesondere für ihre schwächsten Glieder: nämlich für die Kinder.
Wir haben viele Maßnahmen dazu eingeleitet und vollzogen. Wir werden weitere folgen lassen. Die Unterhaltsvorschußregelung, die wir heute beschlossen haben, und das Mutterschaftsurlaubsgesetz, das wir gleich nachher beschließen werden, sind solche weiteren Maßnahmen.
Leider erhalten wir von den meisten Mitgliedern der Opposition wenig Hilfe bei der Verbesserung der Situation jener Familien, die unserer Hilfe bedürfen. Gott sei Dank ist das nur der kleinere Teil der Familien. Daß das so ist, verdanken wir der Politik dieser Bundesregierung und früherer Bundesregierungen, dieser Partei und allen Parteien, die diese Regierungen getragen haben.Den Familien, den Eltern und den Kindern, die unserer Hilfe bedürfen, gehört weiterhin unsere Aufmerksamkeit.Ich verstehe daher nicht, daß die neue Regelung des Rechts der elterlichen Sorge, die die Rechte der Kinder stärkt, und die Verbesserung der Pflegekindverhältnisse, über die wir heute morgen gesprochen haben, gegen den Widerstand der CDU/CSU erkämpft werden müssen. Ich verstehe nicht, warum beim Jugendhilferecht, worauf unsere Jugend, die sie betreuenden Organisationen und
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die staatlichen Stellen warten, so wenig Hilfreiches von der Opposition kommt.
Wäre es nicht besser gewesen, hier mitzuhelfen, statt einen solchen halbherzigen Gesetzentwurf wie den über das Familiengeld vorzulegen? Halbherzig deshalb, weil in den Ausschüssen mit Stimmenthaltungen, mit Gegenstimmen, mit Anträgen auf Sachverständigenanhörung, mit Rücknahme der Anträge, mit Zusatzanträgen zum Mutterschaftsurlaubsgesetz, wie es heute' wieder vorgekommen ist — was sich ja logischerweise gegenüber Ihrem anderen Gesetzentwurf ausschließt —, gearbeitet wird und weil dies alles darin mündet, daß Ihr eigener Gesetzentwurf im Hauruck-Verfahren, nachdem die Wahlen in Schleswig-Holstein gelaufen sind, in die zweite Lesung des Bundestages gebracht wird.Für die Familien sind Pressemitteilungen wie bei diesem Familiengeldgesetzentwurf der CDU nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" wenig hilfreich.Ich möchte Ihnen sagen: Ich fände es besser, wir würden bei neuen Anträgen dieser Art uns vorher zusammensetzen und gemeinsam das tun, was in der Familienpolitik notwendig ist und was den Eltern, den Kindern und insbesondere denen hilft, die Hilfe benötigen.Mit diesem Gesetzentwurf für das Familiengeld wird diese Hilfe nicht gewährt.Wir werden ihn deshalb ablehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte noch lieber nach der Frau Kollegin Verhülsdonk gesprochen. Ich erwarte mit Spannung Ihre Rede und hoffe, daß es mir möglich ist, das zu sagen, was ich über Sie jetzt eigentlich hätte sagen müssen, wenn ich Ihre Rede kennen würde. Aber ich kann mir so einiges denken.
Wir als Freie Demokraten begrüßen es selbstverständlich, daß ab dem 1. Juli 1979 Arbeitnehmerinnen nach der Geburt ein halbes Jahr bei Sicherung ihres Arbeitsplatzes zu Hause bleiben können und für vier Monate vom Staat ein Mutterschaftsgeld von je 750 DM erhalten. Damit werden erstmals Hilfen für einen Personenkreis unter den Frauen eingeführt, der nun einmal einer ganz besonderen Doppelbeanspruchung, nämlich durch Beruf und Kinderbetreuung, unterliegt. Aber es werden auch Hilfen für Frauen gegeben, die bereit sind, auf die Erwerbstätigkeit dann, wenn der wirtschaftliche Zwang nicht mehr in dem Ausmaß gegeben ist, vorübergehend zu verzichten, um sich voll ihrem Kind zu widmen.
Verschiedentlich wurde heute schon das Thema Kündigungsschutz und die möglichen Folgen angesprochen. Ich gestehe für meine Fraktion, daß wir uns ernsthaft überlegt haben, ob der Kündigungsschutz so, wie er zunächst im Gesetzentwurf angelegt war, sich nicht in Einzelfällen gegen die Begünstigten kehren könnte, z. B. bei einer Einstellung im Wettbewerb mit einer älteren Frau, aber auch im Wettbewerb mit dem Mann. Dies ist auch ein Grund gewesen — und ist ein Grund auch heute noch —, warum wir u. a. die Einbeziehung der Väter für richtig halten.
Aber ich denke auch, wenn die Wirkungen dieses Kündigungsschutzes selbstverständlich beobachtet werden müssen, wenn das Gesetz in Kraft ist, haben wir in den Ausschußberatungen doch erreicht, daß die möglichen Folgen des Kündigungsschutzes etwas milder werden. Ich darf Sie daran erinnern — Sie finden das in der Beschlußempfehlung des Ausschusses —, daß der Arbeitgeber von der Frau erwarten kann, daß sie ihm zu Beginn des Mutterschaftsurlaubs bereits mitteilt, ob sie nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs an die Stelle zurückkommen will oder nicht, so daß er zu einem früheren Zeitpunkt in die Lage versetzt ist, den Arbeitsplatz neu zu besetzen, wenn sie ihm erklärt, nicht zurückkommen zu wollen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Hölscher, sind Sie sich der Unverbindlichkeit dieser Formulierung aus Ihrem Antrag bewußt, daß nämlich niemand gezwungen werden kann, eine solche Mitteilung zu machen — nach dem Text Ihres Antrages?
Das ist sicher richtig, Herr Kollege Franke; ich darf aber daran erinnern, daß Sie keinen Änderungsantrag bei den Ausschußberatungen gestellt haben, etwa hier eine Rechtsverbindlichkeit einzuführen. Ich glaube, auch Sie würden das für falsch halten, weil soziale Härten zu einem späteren Zeitpunkt nach der Erklärung eintreten könnten, die es unvertretbar machten, hier die Rechtsverbindlichkeit zu verankern.Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen — ich tue dies, ich muß sagen, jetzt fast etwas unwillig, weil ich nach dem Beitrag insbesondere der Frau Kollegin Geier langsam daran glaube, daß Sie hier mit fast bösartig gemeinten Unterstellungen arbeiten, auch in der Öffentlichkeit —,
daß die Einführung des Mutterschaftsurlaubs für uns nur ein Einstieg in eine weitere Verbesserung der Familienförderung ist.
Wir haben dies in aller Deutlichkeit in der Öffentlichkeit gesagt. Wir legen Ihnen heute einen Ent-
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Hölscherschließungsantrag vor, bei dem wohl mit absoluter Sicherheit die Mehrheit dieses Hauses, vielleicht auch Sie , diesen politischen Willen bestätigen werden.
Ich denke, meine Kollegen von der Opposition, Sie sollten dies doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen.Weitere Schritte müssen folgen. Sie können allerdings erst dann folgen, wenn es finanziell und politisch machbar ist. Hierzu gehört — auch das muß ich noch einmal betonen — die Einbeziehung der Adoptiveltern. In Ihren Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung haben Sie das dann völlig vergessen, obwohl Sie es angeblich sonst wollen. Sie haben dort jedenfalls einen solchen Vorschlag nicht mehr gemacht.
Hierzu gehört auch die Einbeziehung der Väter. Auch hierzu bringen Sie keinen Änderungsantrag. Ich stelle dies nur fest.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Lassen Sie mich mal gerade ausreden, lieber Herr Kollege Blüm, sonst verliere ich meinen Gedanken.
— Vielleicht ist es auch nicht so wichtig, was ich hier sagen will, aber ich möchte es zu Ende brin- gen.
Ich muß noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: es ist vielleicht gar kein finanzpolitisches Problem, die Väter einzubeziehen; so viele werden davon nicht Gebrauch machen. Aber wir können es uns eben nicht erlauben, weil Sie den Bundesrat als Obstruktionselement benutzen.
Wenn wir den Vater mit hineinbringen, würden Sie uns über den Bundesrat Ihr von der Konzeption her abzulehnendes Familiengeld hineinknallen, und wir würden hinterher vielleicht ein Gesetz bekommen, das jedenfalls nicht die gesellschaftspolitischen Ziele Wirklichkeit werden läßt, die wir uns vorstellen. — Bitte schön, Herr Kollege Blüm. — Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin, Sie haben das Wort zu erteilen.
Bitte schön, wenn Sie die Zwischenfrage gestatten.
Verehrter Herr Kollege Höscher, ist Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß in unserem Gesetzentwurf die Kinder, die an Kindes Statt angenommen werden, enthalten sind, also die Adoptiveltern im Unterschied zum Mutterschaftsurlaub der SPD berücksichtigt werden?
Lieber Herr Kollege Blüm, ich darf das bei Ihnen entstandene Chaos, das verständlich ist, aufklären. Ich hab von Ihren Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geredet. Was Sie zitiert haben — ich komme noch darauf —, ist Ihr eigener Gesetzentwurf, den Sie schamhaft im Bundesrat eigentlich nicht mehr so ernsthaft zur Abstimmung gestellt haben, den Sie nach bestimmten Presseerklärungen angeblich sogar zurückgezogen haben. Heute liegt er wieder vor. Das ist die Maximallinie, die „nur" 3,6 Milliarden DM kostet. Ich rede jetzt über die mittelfristige, aber dennoch genauso unrealistische Finanzierungslinie, nämlich Ihre Änderungsanträge mit einem Kostenpunkt von einer Milliarde DM.
Wir sind also sehr wohl für die Einbeziehung der Adoptiveltern und auch der Väter, schon aus partnerschaftlichem Denken. Ich möchte noch einmal betonen, daß die Opposition aufhören sollte, zu behaupten, die Koalition diskriminiere die Hausfrauen, weil wir mit der Problemgruppe anfangen, mit den Berufstätigen, die unter der Doppelbelastung von Beruf und Kindererziehung, Kinderbetreuung stehen. Wir haben aber in aller Deutlichkeit gesagt, daß dies nur ein Einstieg und nicht bereits der Schluß einer notwendigen Entwicklung ist.Beide Anträge der Opposition, um es genauer zu sagen: Ihr illusionärer Antrag mit 3,6 Milliarden DM und Ihr utopischer Antrag mit einer Milliarde DM sind nicht nur von der Finanzierung her unseriös. Kein Mensch kann zur Zeit die eine Milliarde aufbringen, die das kostet. Aber das entspricht nun einmal Ihrer etwas seltsamen finanzpolitischen Haltung.
Ich habe mir von Frau Kollegin Matthäus eben sagen lassen, in der vorigen Woche hätten Sie im Finanzausschuß Anträge mit einem Ausgabevolumen von sogar 4,5 Milliarden DM gestellt — Verschiebung der Mehrwertsteuererhöhung und vieles andere mehr. Als Opposition kann man das. Da steht man nicht in der Verantwortung, und Sie sollen ja auch nicht in die Verantwortung kommen. Da werden wir Ihnen helfen.
Aber Sie werden irgendwann einmal doch vom Wähler daran gemessen, was bei Ihnen Luft und was Realität ist. Dies ist Luft. Sie wenden in Ihrer Politik — das sieht man auch bei Ihren Anträgen, dem Gesetzentwurf einerseits und den Anträgen zum Regierungsentwurf andererseits — wieder die Formel an: Man erhöhe die Ausgaben, man senke die Einnahmen, und das Ergebnis benutze man, um die Staatsverschuldung zu verringern. Das ist Ihre
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HölscherFinanzpolitik, und die schlägt dann auch in der Familien- und Sozialpolitik durch.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Bitte schön, noch einmal, Herr Kollege Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Hölscher, Sie sprechen von der Finanzierung. Können Sie mir sagen, was die Realisierung des Antrages oder der Vorstellungen der FDP kosten würde?
Gerade weil wir dies nicht sagen können, gerade, Herr Kollege Franke, weil wir uns bemühen, eine seriöse Finanzpolitik zu machen — und dies tun wir —,
müssen wir so lange warten, bis sich dies finanziell realisieren läßt.
Dann werden wir auch mit den entsprechenden Zahlen kommen,
die wir heute aber noch nicht nennen können, weil wir gar nicht wissen, zu welchem Zeitpunkt das, was wir einführen wollen, realisiert werden kann. Da müssen vielleicht andere Zahlen genannt werden, als das heute möglich ist.
— Uns fehlt nicht die politische Kraft, uns fehlt das Geld, Herr Kollege Hasinger! So einfach ist das. Vielleicht verhalten sich Ihre Finanzpolitiker einschließlich Herrn Strauß, der ja nach wie vor die Richtlinienkompetenz auch für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat, so vernünftig, daß es die Staatsfinanzen ermöglichen, schneller zu der Realisierung eines Gesamtkonzeptes der Familienförderung zu kommen. Wir sind jederzeit gern bereit, dies zu tun, wenn die Finanzdecke es erlaubt.
Aber wir sollten das nicht unter finanziellen Aspekten sehen. Das wäre auch für uns zu einfach. Auch konzeptionell ist Ihr Antrag auf Einführung eines Bundesfamiliengeldes — ich meine beide Anträge, Herr Kollege Blüm; wir haben ja zwei zur Verabschiedung vorliegen —
nicht nur dirigistisch, sondern ist — dies muß ich
wiederholen, auch wenn es schon gesagt wurde,
weil Frau Kollegin Geier dies in aller Deutlichkeit bestätigt hat — von einem Leitbild aus dem 19. Jahrhundert geprägt.
Es ist leider so. Lassen Sie mich, Frau Kollegin, in aller Sachlichkeit, aber auch in aller Entschiedenheit an dieser Stelle sagen: Haben Sie gar nicht gemerkt, daß Sie mit dem Leitbild, das Sie hier verkündet haben, einigen Kolleginnen dieses Hauses, und zwar Kolleginnen, die in allen Fraktionen, auch in Ihrer eigenen Fraktion sitzen, bitter Unrecht getan haben, nämlich Kolleginnen, die noch kleinere Kinder haben und denen Sie doch wohl nicht unterstellen wollen, nur weil sie in diesem Hause sitzen, schlechtere Mütter zu sein oder ihren Kindern Schäden zu verursachen?
Ihr Konzept ist dirigistisch, weil Sie den Staatskontrolleur in die Familien schicken. Sie wollen. mit Ihrem Gesetzentwurf, daß auch an die Frauen Familiengeld gezahlt wird, die nur teilzeitbeschäftigt sind. Dann heißt es in Ihrem Entwurf — ich zitiere, Frau Präsidentin — in § 4 Abs. 2:
Ebenso ist eine Teilzeitbeschäftigung, Heimarbeit oder Ausbildung der anspruchsberechtigten Person ... für die Gewährung des Familiengeldes unschädlich, wenn ihr dabei ausreichend Zeit für die Pflege und Erziehung des Kindes verbleibt und während der übrigen Zeit die Aufsicht über das Kind gesichert ist.
Und jetzt schicken Sie Frau Huber als Staatskontrolleur in die Familien, indem Sie schreiben:
Das Nähere regelt der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.
Ich weiß nicht, ob sich Frau Huber solche Familienbesuche wünscht; ich denke, nicht. Hier bringen Sie den Staat in die Familien hinein, hier lassen Sie den Staat dirigieren, hier soll der Staat Leitbilder schaffen.
Es soll kontrollieren, ob bei der Teilzeitbeschäftigung noch genügend Zeit für die Kindererziehung verbleibt. Und dann werfen Sie uns beim Recht der elterlichen Sorge vor, wir höhlten das Elternrecht aus und würden dem Staat in unzulässiger Weise Aufgaben übertragen!
Herr Kollege Hölscher, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Burger?
Bitte schön!
Herr Kollege Hölscher, was ist nun richtig? Einmal sagen Ihre Sprecher, wir arbeiteten mit der Gießkanne, was wir mit der Re-
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Burgergelung gerade verhindern wollen, und jetzt sprechen Sie von Staatskontrolleur. Was ist nun richtig in Ihrer Aussage?
Richtig ist, Herr Kollege Burger, daß wir Familienpolitik so verstehen, daß keine Frau — ob im Beruf oder nicht im Beruf —, die sich der Kinderbetreuung widmet, diskriminiert werden soll.
Dies ist im Grunde das, was ich Ihrem Änderungsantrag vorwerfe, daß er keinen Unterschied macht. Ich rede jetzt vom Änderungsantrag, Herr Kollege Blüm,
uni von vornherein Nebel zu vermeiden, der bei Ihrem Antragswirrwarr zweifellos entstehen muß. Sie differenzieren doch bei dem Umfang der Leistung überhaupt nicht zwischen Doppelbelastung aus Berufstätigkeit und Kinderbetreuung einerseits und. andererseits der Belastung der Frau, die Hausfrau ist, die nicht erwerbstätig ist. Der Leistungsumfang ist bei Ihnen derselbe: sechsmal 500 DM und das, was in etwa im Regierungsentwurf angelegt ist.
Frau Kollegin Geier, ich respektiere das, was Sie hier gesagt haben, aber ich akzeptiere es nicht. Hier trennen uns Welten.
Das kann man aus Ihrer Rede in aller Klarheit entnehmen. Es macht ja nichts, daß uns da Welten trennen, wir sollten uns aber dennoch damit auseinandersetzen.
Ihre Ausführung hat deutlich gemacht, daß für Sie die Frau ins Haus gehört, daß für Sie die berufstätige Frau, die Frau, die die Möglichkeit der Selbstverwirklichung auch im Beruf sieht, im Grunde genommen etwas Anormales ist, sonst hätten Sie nicht Ihre schlüssige, aber durch und durch konservative familienpolitische Haltung hier dargelegt.
Meine Damen und Herren, wir Liberalen gehen davon aus, daß eine Ausweitung über den Mutterschaftsurlaub hinaus auch für die Hausfrauen erfolgt, sobald die politischen und die finanziellen Voraussetzungen geschaffen sind, und ich hoffe, dies geht sehr schnell.
— Herr Hasinger, auch wenn das Geld heute da wäre, könnten wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich habe versucht, dies zu erläutern. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir vor einigen Wochen ein Kinderprogramm verabschiedet haben,
bei dem wir unseren Weg darstellen. Eben weil wir die einseitige Rollenverteilung zwischen Mann und Frau im Sinne des 19. Jahrhunderts nicht für richtig halten, eben weil wir Partnerschaft, weil wir Gesellschaftspolitik so sehen, möchten wir unabhängig davon, ob jemand selbständig ist, ob jemand Arbeitnehmer ist, ob jemand Hausfrau ist, z. B. über Betreuungszuschläge zum Kindergeld Familienpolitik machen. Wir werden uns bemühen, diesen Weg, sobald es finanziell geht, zu verwirklichen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Verhülsdonk.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hölscher, ich will tatsächlich versuchen, Sie in Ihrer Erwartung zu befriedigen, und mit kritischen Anmerkungen beginnen. Vorab ein Wort zu dem „Einstieg", den Sie gewählt haben. Sie meinen, uns trennen Welten. Wenn Sie das auf ihre Ideologie im Hinblick auf Frauen beziehen, dann mag das sein. Wenn Sie aber meinen, uns trennen Welten im Hinblick darauf, daß es uns um das Wohl der Kinder und nicht um Klassifizierung der Frauen in die eine oder andere Schublade geht, dann, meine ich, sollten wir hier darüber reden.
Haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, eigentlich draußen mal die Wählerinnen gefragt, auch die SPD- und FDP-Mitglieder in Ihren eigenen Wahlkreisen, was diese davon halten, daß Sie mit Ihrem Mutterschaftsurlaub die größere Hälfte aller Mütter, die ein Kind zur Welt bringen, leer ausgehen lassen wollen? Ich kann mir nicht denken, daß Ihnen die Stimmung draußen verborgen geblieben ist.Was sind das eigentlich für Frauen, diese nichterwerbstätigen Familienmütter, die Ihnen keine Steuergelder wert sind, über die, wie Frau Dr. Lepsius sich ausgedrückt hat, kein Füllhorn ausgeschüttet werden soll, an die man, um diese Kollegin weiter zu zitieren, Steuermittel nicht verschleudern darf, übrigens Steuermittel, die auch die Ehemänner dieser betroffenen Frauen mit aufbringen.
Es sind — es gehört nicht viel Phantasie dazu, das herauszufinden — junge Frauen, die auch beruflich tätig waren, die aber jetzt in ihren Familien ihren vollen Einsatz leisten, weil sie davon überzeugt sind, daß dies zum Wohl ihrer Kinder notwendig ist.
Das mag diesen Frauen bestimmt nicht leicht gefallen sein, finanziell den meisten ganz sicher nicht. Denn wer kann schon leichten Herzens auf einen wesentlichen Teil des Familieneinkommens genau in dem Augenblick verzichten, wo gleichzeitig durch Kinderhaben die familiären Ausgaben steigen! Sicherlich ist es ihnen auch aus anderen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12095
Frau VerhülsdonkGründen nicht leicht gefallen. Vielleicht haben,. auch sie an ihrem Beruf gehangen und ihn gerne ausgeübt. Sie wissen natürlich, wie es heute mit den Wiedereingliederungschancen von Hausfrauen nach längerer Pause der Kindererziehung steht. Ich bin ganz sicher, meine Damen und Herren, Sie wissen sehr wohl, was die Bevölkerung insgesamt und was speziell die Hausfrauen draußen im Lande denken und für richtig halten. Wenn Sie nämlich Ihr Konzept noch für so attraktiv hielten, dann hätten Sie es ganz sicher vor der Wahl in SchleswigHolstein verabschiedet, wie Sie es ja ursprünglich vorhatten, als Sie sich noch in dem Wahn wiegten, Ihr Mutterschaftsurlaubsgesetz sei ein Verkaufsschlager bei den Wählerinnen draußen. Nein, die Frauen draußen denken gerechter, als Sie gedacht haben. Sie können sie auch nicht davon überzeugen, daß es sich hier ja um ein arbeitsrechtliches Gesetz handle, das eben nur Erwerbstätigen zugute kommen könne. Niemand, meine Damen und Herren, hat Sie gezwungen, den arbeitsrechtlichen Weg statt einen familienpolitischen zu wählen.
Nein, es ist schon klar: Sie wollten von vornherein nur jene Frauen bedenken, die das von Ihnen gesellschaftspolitisch präferierte Lebensmodell gewählt haben, das der erwerbstätigen Ehefrau und Mutter. Da scheiden uns dann tatsächlich Welten, weil wir dies nicht wollen.
Solches Verhalten hat soeben Frau Minister Huber eine nichtideologische Politik genannt. Man höre! Nur, ein verräterischer Fehler ist Ihnen unterlaufen bei Ihrem ersten Entwurf im Sommer letzten Jahres. Da hatten Sie nämlich zuerst einmal die falsche Begründung für Ihr arbeitsrechtliches Gesetz gewählt. Sie sprachen davon, es gehe darum, dem Kleinstkind sechs Monate lang die volle Zuwendung seiner Mutter zukommen zu lassen. Sicher, darum geht es; aber Sie hatten bei Ihrer ersten Begründung familienpolitische Argumente für ein arbeitsrechtliches Gesetz gebracht. Die Begründung, die Sie da gewählt haben, kam uns von der CDU/CSU übrigens sehr bekannt vor. Sie hatten nämlich Anleihen bei dem Gedankengut gemacht, wie wir es schon 1974 in unserem Gesetzentwurf zum Erziehungsgeld, einem familienpolitisch angelegten Gesetz, eingebracht hatten, einem Gedankengut, wie es bekanntlich — und davon ist ja heute schon viel die Rede gewesen — seit Jahren mit Nachdruck von allen Fachbereichen der Humanwissenschaften vorgetragen wird.
Die Erkenntnis, daß kleine Kinder stetige Zuwendung brauchen, um zu gedeihen, ist übrigens nicht an Ihnen allen vorbeigerauscht. Zumindest hat sich ein sehr prominenter FDP-Politiker, nämlich kein Geringerer als unser derzeitiger Bundespräsident Walter Scheel, diese Erkenntnis zu eigen gemacht, als er in seiner Weihnachtsansprache 1978 zum Jahr des Kindes folgendes sagte:Man weiß mittlerweile, daß die ersten drei Lebensjahre eines Kindes den Charakter eines Menschen, sein Verhalten zur Umwelt, seine Fähigkeit, freundlich und hilfsbereit zu sein, Selbstbewußtsein zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen, entscheidend prägen. Das Wichtigste in diesen drei Jahren ist, daß sich das Kind bei einem Menschen — und das ist natürlicherweise meistens ein Elternteil — geborgen fühlt. Wenn das fehlt, dann ist die weitere Entwicklung des Kindes außerordentlich gefährdet. Das Kind braucht in diesen drei Jahren immer einen Menschen, zu dem es kommen kann, der für es da ist.Wir schreiben gar nicht vor, wer dieser Elternteil ist. Unser Gesetzentwurf läßt tatsächlich den Eltern die Wahl, selbst zu entscheiden, wer das sein soll.Allerdings ist dem Herrn Bundespräsidenten ein Irrtum unterlaufen, wenn er am Ende seiner beachtenswerten Rede meinte, bisher habe man in der politischen Diskussion leider wenig über diese Erkenntnisse gehört. Ich verweise wieder darauf: schon 1974 haben wir versucht, die Konsequenzen in dem Gesetzentwurf zum Erziehungsgeld zu ziehen, das dann leider in den Jahren der schweren wirtschaftlichen Rezession, die wir nicht zu verantworten haben, nicht finanzierbar war.Nun, in Ihren Reihen haben offenbar kluge Leute rechtzeitig erkannt, daß der beabsichtigte Etikettenschwindel in der Begründung nicht geht. Wenn man nicht in erster Linie die Familie im Auge hat wie wir, und das Wohl des Kindes wie wir, sondern nur eine bestimmte ausgewählte Wählerinnengruppe, eben die erwerbstätigen Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, und wenn man deshalb also — auch aus verfassungsrechtlichen Gründen übrigens — zu einer arbeitsrechtlichen Lösung greifen muß, wie Sie, statt zu einer generellen und familienpolitischen, dann kann man halt nur Argumente verwenden, die ins Arbeitsrecht passen. Jetzt sprechen Sie also in Ihrer Begründung von der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der doppelbelasteten Mütter.Alles gut und schön, dieser Zielsetzung stimmen auch wir zu. Aber sind nicht auch Hausfrauen, die mehrere Kinder betreuen, sehr belastet und erholungsbedürftig und nach einer Geburt auch schonungsbedürftig, und brauchen nicht gerade sie vor allem finanzielle Hilfe, wenn schon mehrere Kinder da sind? Beiden Frauengruppen wollen wir gleichermaßen helfen, wenn wir, wie es in unserem Bundesfamiliengeldgesetzentwurf geschieht, den ordnungs- und gesellschaftspolitisch richtigen und wichtigen Ansatzpunkt wählen, nämlich auf die Mutter-Kind-Beziehung abzustellen und allen Frauen das Ja zu einem Kind und die völlige Zuwendung zu ihrem Kind zu erleichtern.Ihr falscher Einstieg, meine Damen und Herren, bringt Sie in mehrfacher Hinsicht in die Bredouille. Verlängerung des Mutterschutzes auf der Basis eines Mutterschaftsgeldes von 750 DM monatlich, das wäre gut und schön, wenn diese hohe Summe erstens allen Müttern gegeben werden könnte und
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12096 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau Verhülsdonkwenn sie, was noch wichtiger ist, zweitens über einen genügend langen Zeitraum gezahlt werden könnte. Sechs Monate sind zwar sicherlich für die Erholung der Mütter eine gute Sache, aber wie sieht es aus der Sicht der Kinder aus? Wenn das Kind seine Mutter schon genau kennt, wenn sich die Bindung an seine Mutter gerade richtig entwikkelt hat, dann hört nach Ihrem Vorschlag der staatliche Geldsegen auf, und die Mutter muß sich entscheiden, ob sie ihrem Kind den Schock des Wechsels der Bezugsperson antun und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren soll. Ist es dann nicht wahrhaft humaner, dem Zeitraum der Förderung, wie wir es getan haben, zunächst wegen der Finanzlage den Vorrang zu geben vor der Höhe der Summe, die man ja später bei entsprechender Kassenlage leicht anheben kann? Ihre arbeitsrechtliche Lösung mit der gesundheitlichen Begründung hat Ihnen übrigens noch eine andere Absicht vermasselt, es nämlich den Eltern zu überlassen, wer von Ihnen — Vater oder Mutter — sich der Betreuung des Kindes zuwendet und mit der Arbeit aussetzt. Ihr alter Traum vorn Elternurlaub läßt sich bei dem jetzt von Ihnen gewählten Einstieg ohne schweren Stilbruch nicht erfüllen; denn wovon soll sich eigentlich der Vater erholen, wenn er den Mutterschaftsurlaub antritt? Warum in aller Welt lassen Sie sich nicht belehren? Warum geben Sie nicht zu, daß die ganze Sache so, wie Sie es machen, ein Krampf ist?Die Äußerungen von Frau Minister Huber im Süddeutschen Rundfunk vom 6. Mai, sie stimme dem Satz der FDP aus der ersten Lesung völlig zu, daß man die nichtberufstätigen Mütter nicht immer aus allen Maßnahmen ausklammern kann, die sie heute ja wiederholt hat, zeigen doch deutlich, daß Sie selbst die Schwäche Ihrer politischen Situation erkannt haben. Jeder etwas gewitzte Bürger muß doch bei all diesem Herumgerede erkennen: Die Opposition hat zwar recht, aber erstens darf die Opposition nicht recht bekommen und zweitens wird das Richtige sowieso später auch von der Koalition getan werden, natürlich zum parteipolitisch richtigen Zeitpunkt, nämlich vor der nächsten wichtigen Wahl, wie man sich ja schon leicht ausrechnen kann. Wahrlich, in Taktik sind Sie nicht schlecht, meine Damen und Herren.So zwingen Sie heute die CDU/CSU, nachdem in den Ausschußberatungen klargeworden ist, daß Sie unseren Gesetzentwurf ablehnen, zuerst überIhr Gesetz abzustimmen. Wir werden Ihnen natürlich nicht ersparen — das wurde schon gesagt —, über unseren Erweiterungsantrag abzustimmen, der alle Mütter begünstigen will. Dann können Sie zeigen, wie Sie es da halten wollen. Ich gebe zu, daß Sie nach dessen vermutlicher Ablehnung mich und nicht wenige Kollegen aus meiner Fraktion durch die Reihenfolge der Abstimmung in einen Zielkonflikt bringen. Wir wollen natürlich den erwerbstätigen Frauen gönnen, was Sie ihnen an Mutterschaftsurlaub zugute kommen lassen wollen. Das ist ja nicht prinzipiell der Dissens, den wir haben: den erwerbstätigen Frauen diese Hilfe zu geben. Man könnte durchaus sagen: Besser für die Hälfte derMütter eine finanzielle Hilfe als gar nichts. Der Dissens liegt ja in einem anderen Bereich, er liegt in der sozialen Gerechtigkeit und in dem falschen Weg, den Sie gewählt haben.Aber da sind in Ihrem Gesetz die auf den ersten Blick gesehen ganz plausiblen und für die Frauen attraktiv klingenden Kündigungsschutzbestimmungen. Die betroffenen Frauen werden sie natürlich zuerst einmal begrüßen, doch man fragt sich, wie lange. Man muß fürchten: bis sich diese als Bumerang für viele Frauen erweisen werden, weil — das haben Sie teilweise selbst zugegeben — die große Zahl der mittelständischen Betriebe, in denen Frauen beschäftigt sind, mit dem achtmonatigen Kündigungsschutz in große Schwierigkeiten kommen. Werden diese Betriebe in Zukunft nicht lieber gleich Männer oder ältere Frauen einstellen? Dazu hören wir nun von Ihnen im Ausschuß interessante Bemerkungen. Schon vor der Verabschiedung des Gesetzes erwägen Sie, man müsse doch einmal ganz generell überprüfen, welche gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen sich inzwischen als ein Bumerang für die Begünstigten ausgewirkt hätten, und das dann auch später wohl in bezug auf dieses Gesetz. Trotz all dieser geäußerten Bedenken gehen Sie aber diesen Weg!Mit dem von Ihnen erwogenen Trick, in späterer Phase auch dem Vater wahlweise den Elternurlaub und damit den Kündigungsschutz zu eröffnen, kann man zwar den Betrieben ein Schnippchen schlagen und die Arbeitsplatzchancen der jungen Frauen wieder verbessern. Aber damit ist das eigentliche Problem nicht aus der Welt geschafft, daß nämlich die Engpässe in den Betrieben entstehen, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt trotz hoher Arbeitslosigkeit für acht Monate nicht auszufüllen sind, und zwar aus Gründen der speziellen Qualifikation der Ersatzkraft, die gesucht werden muß und die sicher in den allermeisten Fällen nicht zu finden ist. Ein Erziehungsgeld für 18 Monate würde auch dieses Problem lösen; denn bei einem solchen Zeitraum spielt das Problem Kündigungsschutz keine wesentliche Rolle mehr. Meine Kolleger werden sich zu diesem Problem noch äußern.Lassen Sie mich mit der eindeutigen Feststellung schließen: Nicht die CDU/CSU kann verdächtigt werden, nur e i n Lebensmodell der Frau politisch zu begünstigen, sondern Sie, die Koalition, müssen den Vorwurf der bewußten Einseitigkeit hinnehmen.
Ja, es stimmt, der Union liegt die soziale Situation der Hausfrauen am Herzen; denn diese unterliegen bis in ihre Alterssicherung hinein einer sozialen Benachteiligung, die ungerecht ist und die so auf Dauer nicht bleiben kann. Uns liegen aber ebenso die erwerbstätigen Frauen am Herzen, die wir nicht ausschließen wollen. Wir treiben keinen Keil zwischen beide Gruppen der Frauen, im Gegenteil, wir wollen den Frauen eine Teilerwerbstätigkeit ermöglichen. Eben hat sich Herr Hölscher zu diesem Punkt geäußert. Er meinte, wir wollten den Staatskommissar in die Familie bringen. Nein, wir wollen mit dieser Bestimmung gerade erreichen, daß eine Teilzeit-
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Frau Verhülsdonktätigkeit unschädlich sein soll. Wenn die Pflege und Erziehung des Kindes und seine Betreuung gesichert ist, wollen wir den Frauen die Möglichkeit des Kontakthaltens mit ihrem Beruf erleichtern.Noch ein Wort zu den Finanzen. Reden Sie sich nicht mit den Finanzen heraus! Der Steuerfluß sprudelt in letzter Zeit nicht schlecht, Gott sei Dank. Das sollte jetzt endlich der Familie zugute kommen. Erinnern Sie sich daran, was Heinz Franke in der ersten Lesung angeboten hat: Die CDU/CSU ist zu diesem Zeitpunkt bereit, für familienpolitische Prioritäten auch unbequeme Maßnahmen mitzutragen.Ein letztes Wort: Rechnen Sie einmal hoch, was die Pläne von Frau Huber für die Familienpolitik und was die hier vorgetragenen Pläne der FDP für die Familienpolitik kosten! Dann kommen Sie auf Summen, die 5 Milliarden DM leicht überschreiten dürften.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Ich halte es für einen Skandal, ich halte es für unverantwortlich, mit welcher Schnelligkeit, mit welcher Hektik diese wichtigen Entscheidungen in diesen Tagen durchgepeitscht werden.
Warum denn dieser Wettlauf mit der Zeit? Allein doch deshalb, weil die Bundesregierung monatelang um ihren Entwurf gerungen hat. Und wir müssen in zwei kargen Ausschußsitzungen mit dieser Problematik fertig werden, meine Damen und Herren!
Es gab keine Expertenanhörung. Warum scheute die Koalition die Meinung der Experten? Warum schafft sie vollendete Tatsachen mit der schnellen Annahme des Mutterschaftsgeldes? Meine Damen und Herren, es ist doch klar: Die Konzeptionen Mutterschaftsgeld auf der einen Seite und Familiengeld auf der anderen Seite umfassen gesellschaftspolitische Grundalternativen. Die Koalition forciert doch zwingend das Leitbild, nach welchem beide Elternteile eines Kleinkindes durchweg erwerbstätig sein sollen. CDU und CSU wollen die Betreuung und Erziehung des Kleinkindes in der Familie fördern, und sie wollen vor allem auch die Wahlfreiheit der Mutter möglich machen. Der Antrag der Koalition ist meiner Auffassung nach nicht nur Stückwerk. Er bringt eine falsche Weichenstellung, er wird auch Unfrieden stiften. Es gibt dann zweierlei Mütter, und die nicht erwerbstätigen Mütter, die sich schon bislang ganz um ihre Kinder gekümmert und auf materielle Vorteile verzichtet haben, werden sich diskriminiert fühlen.Meine Damen und Herren, was ist denn die nicht erwerbstätige Hausfrau? Das ist doch meistens eine Frau, die 10 oder 20 Jahre lang erwerbstätig war und dann zu Hause blieb, weil sie ein Kind oder zwei Kinder hat. Wenn dann das dritte Kind kommt, bekommt sie nichts mehr.
Dieser verkürzte Begriff der Erwerbstätigkeit wird Ihnen noch schwer zu schaffen machen, wenn einmal die Leistungen gezahlt werden. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" stand ein interessanter Vergleich: In einem Haus wohnt eine Familie mit zwei Kindern. Die Mutter ist zu Hause. Es kommt ein drittes Kind: Sie bekommt nichts. Daneben wohnt ein kinderloses Ehepaar mit einem hohen Lebensstandard. Bei uns bestimmt das Einkommen der doppelverdienenden kinderlosen Eheleute den Lebensstandard. Diese Frau wird Mutterschaftsgeld bekommen, und die andere wird es nicht bekommen. Dies wird Unfrieden geben, wie ich Ihnen heute schon voraussage.
Um was geht es uns? Es geht uns schlicht und einfach um einen der Punkte, den die Vereinten Nationen in ihrem Zehn-Punkte-Programm für das Jahr des Kindes apostrophiert haben. Dort wird gefordert, das Kind solle in einer Atmosphäre der Zuneigung und Sicherheit und, wo immer das möglich ist, in der Obhut und Verantwortung seiner Eltern aufwachsen. Dies ist unser Auftrag. Der Bundespräsident — Frau Verhülsdonk hat soeben darauf hingewiesen -- forderte dies gründlich und breit in seiner Neujahrsansprache. Er sagte: Man weiß, daß die ersten drei Lebensjahre eines Kindes entscheidend sind. Er hat das begründet, und er hat gesagt, daß das Kind nichts nötiger braucht, als daß die Eltern sehr viel Zeit für das Kind haben. Uns geht es genau um die Verfolgung dieses Anliegens. Herbert Wehner nannte unseren Entwurf eine Seifenblase. Diese Konzeption verfolgen wir seit Jahren, und sie wird von vielen, vielen Wissenschaftlern ebenso gefordert.Das Familiengeld ist der entscheidende erste Schritt, der diese Erziehungsaufgabe der Mütter so möglich macht, wie es Ärzte, Erzieher und Verhaltensforscher längst fordern. Es ist unbestritten, daß das Kind seine Mutter als wichtige Bezugsperson nicht nur in den ersten sechs Monaten seines Lebens, sondern wenigstens drei Jahre lang braucht. Gerade aber wenn das kleine Kind beginnt, die Umwelt und seine Eltern zu erkennen, also in der wichtigsten Phase, soll die Mutter nach der Konzeption der Regierung wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Dies alles ist zu wenig durchdacht.Nun richte ich noch ein Wort an Frau Minister Huber. Frau Minister, Sie haben uns vor dem Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung vor wenigen Tagen vorgeworfen, wir wollten Frauen am vergoldeten Zügel wieder an den Herd locken — Sie sagten tatsächlich: locken —, damit sie sich ausschließlich der Familie widmen. Sie sprachen von alten Rollenbildern und davon, daß dies kein Generalrezept mehr sei. Frau Minister, der Einwand des Heimchens am Herd ist barer Unsinn, weil niemand gezwungen wird, Familiengeld zu beziehen und auf Erwerbs-
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12098 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Burgertätigkeit zu verzichten. Lassen Sie doch die Eltern selbst entscheiden! Wir machen lediglich ein freiheitliches Angebot.
Unter Partnerschaft verstehen wir, daß die Eltern entscheiden sollen. Wir bringen kein Leitbild, wir plädieren nicht für diese oder jene Rolle der Frau, sondern wir wollen ihr ein Angebot machen, damit sie sich für diese oder jene Rolle frei entscheiden kann. Sie von SPD und FDP benachteiligen aber in unerträglichem Maße solche Frauen, die nicht erwerbstätig sind, weil sie gerade Kinder haben und versorgen.Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Die Gleichberechtigung der Frau — so sagte der Bundespräsident in seiner Neujahrsansprache — ist ein Gebot der Gerechtigkeit und ein Gebot der Verfassung; aber sie spielt sich zum großen Teil auf dem Rücken unserer Kinder ab. Die Frauen: — so sagte er weiter — dringen in die Männerwelt ein, und der Platz, den sie früher in der Familie einnahmen, bleibt leer. Die Erwachsenen haben immer weniger Zeit für die Kinder. Dieser klaren Auffassung des Bundespräsidenten kann ich nicht widersprechen. Auch über diese Ausführungen hätte man in den Ausschüssen reden müssen. Sie sind doch als Appell in der Neujahrsansprache an das ganze Volk gerichtet worden. Es ist doch auch ein Auftrag für das Parlament, darüber nachzudenken, was der Bundespräsident hier gefordert hat.
Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Koalition, unterstellt allein der Berufstätigkeit der Frau zwangsläufig eine emanzipatorische Funktion. Er entwertet dadurch das Wirken der Hausfrau und Mutter und vergißt auch andere Erwerbstätige, z. B. die selbständige Bäckersfrau oder die Bauersfrau; sie wird völlig übergangen.Viele Redner haben uns Leitbilder aus dem 19. Jahrhundert vorgeworfen. Meine Damen und Herren, Sie haben falsch gehört, nicht richtig zugehört. Wir haben kein Leitbild vorgetragen. Wir vertreten die Auffassung von der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Arbeit, Beruf und Gesellschaft, so wie es im Grundgesetz steht. Wir haben die Auffassung, daß der Gedanke der Partnerschaft in Ehe und Familie dominieren soll. Partnerschaft bedeutet, daß allein die Eltern über die Zahl der Kinder und die Frage der Erwerbstätigkeit entscheiden.
Der Staat hat weder in die Familien noch in die Schlafzimmer hineinzuregieren.
Partnerschaft bedeutet Alleinentscheidung der Eltern in diesen wichtigen Fragen.Wir haben kein Leitbild. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Eltern für die eine oder für die andere Lösung frei entscheiden können.
Gewiß, das Familiengeld kostet Milliarden. Aber auf lange Sicht entlastet es.
Denn die Kosten, die für die Resozialisierung strafgefangener Jugendlicher oder für die Wiedereingliederung drogenabhängiger Jugendlicher aufgewendet werden müssen, sind meist Folgekosteneiner falschen Erziehung, meine Damen und Herren.
Die Erziehung wollen wir mit unserem Vorschlag verbessern. Die Wirkung der Erziehung beruht auf Vorbild und Liebe, wie es einst Pestalozzi gefordert hat. Daran halten wir fest. Das ist nicht neunzehntes Jahrhundert, sondern das ist modern und aktuell, meine Damen und Herren.
Außerdem muß berücksichtigt werden, daß erwerbstätige Mütter für ihre Kleinkinder und für deren Erziehung außerhalb der Familie Einrichtungen benötigen. Auch diese kosten Milliarden, meine Damen und Herren. Das haben Sie bei Ihrem Kostenvoranschlag vergessen. Aber außerdem ist diese Art Erziehung für die Kinder schädlich.Für das Familiengeld spricht auch das Ergebniseiner großangelegten wissenschaftlichen Untersuchung, die von der Gesamthochschule Essen durch-geführt wurde. Der Sprecher des Instituts sagte: Wir haben in der Euphorie der 60er Jahre die Wirkungsmöglichkeiten der Institutionen über-schätzt. Es muß eine Umkehr erfolgen. Für die Kinder ist das wichtigste, daß die Eltern Zeit haben zur Erziehung. Die Familie— so sagt Professor Walter Twellmann —ist wichtiger als Kindergarten, Vorklasse undGrundschule.Darum, meine Damen und Herren, treten wir für die große Lösung des Familiengeldes ein, und deshalb bleibt für uns dieser Programmpunkt auf der Tagesordnung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Burger hat kein Leitbild der Familie. Frau Geier hat ein Leitbild der Familie,
— ein leidvolles Leitbild der Familie, eines des vorigen Jahrhunderts. Sie sprach ja auch von der dreigeteilten Frau,
— der Mutter, ja. Das liegt schon länger zurück als im vorigen Jahrhundert. Das ist die Marter. Frau Geier hat es sicher nicht so gemeint. Aber ich finde diese Art der Diskussion schon reichlich verwirrend.
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GlombigWenn ich mir die Zahl der Redner ansehe, die hier noch gemeldet ist, meine ich, daß folgendes bezüglich des Procedere geklärt werden sollte. Wir haben hier keine Unterscheidung zwischen zweiter und dritter Lesung. Es geht quer durch den Garten. Die Abstimmungen, vor allem die namentlichen Abstimmungen, mit denen wir es nachher zu tun haben, werden am Schluß der Debatte zur zweiten und dritten Lesung stehen.Ich will mich jetzt vor allem mit der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung beschäftigen. Diese enthält nämlich eine Entschließung, die klar zum Ausdruck bringt — es lohnt sich, das einmal in der Drucksache 8/2797 nachzulesen, die auf den Tischen liegt —, daß die .Sicherstellung von Pflege und Erziehung der Kinder vor allem in der besonders wichtigen ersten Lebensphase eine Aufgabe von großer gesellschaftlicher und familienpolitischer Bedeutung ist.Für uns Sozialdemokraten jedenfalls ist klar — ich sage das, damit es daran heute abend nichts mehr zu pinseln gibt —, daß diese Tatsache weiterer politischer Anstrengungen bedarf, die über das gegenwärtige Mutterschutzkonzept hinausreichen.Wir halten es für notwendig, politisch und finanziell realisierbare Lösungen zu entwickeln — das werden wir tun, meine Damen und Herren —, die die Betreuung und Erziehung von Kleinkindern weiter verbessern. Dabei werden wir im Rahmen des Möglichen alles tun, um sicherzustellen, daß Eltern sich der Kindererziehung ohne wirtschaftlichen Zwang zur Erwerbstätigkeit widmen können, Eltern frei entscheiden können, ob Mutter oder Vater zur Kindererziehung die Erwerbstätigkeit unterbrechen bzw. ob die Eltern gemeinsam ihre Erwerbstätigkeit zeitweise einschränken wollen. Wir werden auch nicht vergessen, daß Adoptiveltern in eine solche Regelung einbezogen werden müssen.Die Fraktion der SPD will damit ,dokumentieren — das sollten Sie jetzt zur Kenntnis nehmen —, daß sie aufgeschlossen ist gegenüber weitergehenden Wünschen, die mit dem vorliegenden Gesetz über den Mutterschaftsurlaub nicht berücksichtigt werden konnten, und zwar zum einen deshalb, weil dies den Rahmen einer Novelle des Mutterschutzgesetzes konzeptionell sprengen würde, zum anderen weil augenblicklich die erforderlichen finanziellen Mittel nicht vorhanden sind. Wir sind uns bewußt, daß die Hilfen für kindererziehende Familien weiter ausgebaut werden müssen. Wir wollen sie auch weiter ausbauen.
— Wir wollen sie auch weiter ausbauen.Zu dieser Entschließung sind nun aber einige grundsätzliche Bemerkungen angebracht, um zu verdeutlichen, welche Position die Sozialdemokraten in der ideologischen Auseinandersetzung, die um den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs geführt wird, vertreten.Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, die Probleme der Familien auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu sehen und Familienpolitik in erster Linie als aktive Gesellschaftspolitik zu begreifen.In diesem Punkt gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen sozialdemokratischem und konservativem Verständnis von Familienpolitik. CDU und CSU, Frau Wex — das mag für Sie interessant sein —, versuchen, den Eindruck zu erwekken — Sie besonders —, als hätte der Staat, natürlich erst seitdem er sozialliberal regiert wird — vorher ist ja auch auf dem Feld der Familienpolitik von Ihnen nicht viel gemacht worden —, die Probleme der Familien verursacht. So wird das dargestellt, so weben Sie an diesem Märchen.
In Wirklichkeit sind es in erster Linie aber die Bedingungen der modernen Industriegesellschaft, Frau Wex, die die Entfaltungsmöglichkeiten der Familie bestimmen und auch ihre Schwierigkeiten und Probleme hervorrufen.Ich will nur einige Stichworte nennen: die Arbeitswelt mit ihren Belastungen, ihrem Konkurrenzkampf und ihrem Anpassungsdruck; die Einkommensverhältnisse; die soziale Stellung der Eltern; die Wohnbedingungen; die Verkehrsverhältnisse; die Lebensqualität in den Städten; die Anforderungen im Bildungswesen; die Einflüsse der kommerziellen Freizeitindustrie, der Medien und der Werbung. Dies alles sind entscheidende Rahmenbedingungen für die Schwierigkeiten der Familie und der heranwachsenden Generation.Deshalb muß sich die Familienpolitik vorrangig darauf konzentieren, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen familienfreundlicher zu gestalten. Sie muß den Gedanken der Prävention, der Vorbeugung, in den Vordergrund stellen und versuchen, Ungerechtigkeiten und soziale Folgeschäden zu verhindern oder zu korrigieren.Das heißt, Geldleistungen an die Familien reichen nicht aus. Sie machen hier den Eindruck, als könnte es bei der Familienpolitik nur um Geldleistungen gehen. Mindestens genauso wichtig für die Familien ist eine Politik zur gerechteren Verteilung der Primäreinkommen,
der Humanisierung und Demokratisierung der Arbeitswelt,
der Verkürzung der Arbeitszeit, die ja von Ihnen, wenn ich das richtig verstanden habe, ganz kategorisch abgelehnt wird.
Notwendig ist eine Arbeitsmarktpolitik, die auf die familiären Verhältnisse der Arbeitnehmer
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Glombig— ja, es wäre doch sehr schön, wenn wir die hätten, finde ich — Rücksicht nimmt und die Erwerbstätigkeit der Frau fördert,
wenn sie daran interessiert ist; natürlich soll sie dazu nicht gezwungen werden.Notwendig ist eine am Interesse der grOßen Mehrzahl der Bevölkerung statt an Eigentümerinteressen orientierte Wohnungs- und Städtebaupolitik. Auch das ist ein Teil einer richtig verstandenen Familienpolitik.Notwendig ist weiter eine Bildungspolitik, die es sich zur Aufgabe setzt, soziale Benachteiligungen abzubauen, rücksichtslose Auslese durch Förderung zu ersetzen und Leistungsdruck zu vermindern.Das bedeutet natürlich — wenn ich das jetzt in einen Zusammenhang bringen darf — eine Gesellschaftspolitik im Interesse der Mehrzahl der Bevölkerung, wenn nötig, auch gegen mächtige ökonomische Interessen, d. h., wir müßten bei der Durchsetzung der Familienpolitik gegebenenfalls gegen mächtige ökonomische Interessen Partei ergreifen.Wenn es nun auf die Frage ankommt, wer mehr für die Familien tut oder getan hat, ist eine Gesamtbilanz der Gesellschaftspolitik zu ziehen, und das wollen wir heute abend auch tun.
— Sie machen uns den Vorwurf der Ideologie, aber Sie betreiben Familienpolitik nur nach ideologischen Gesichtspunkten; das ist doch hier heute nachmittag klargeworden.
— Ich will Ihnen gleich sagen, wie Ihre Ideologie aussieht; ich bin ja dabei, Ihnen das auseinanderzusetzen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ach, wissen Sie, jeder von der CDU/CSU hat heute die Möglichkeit, zu diesem Thema zu sprechen. Wenn ich mir die Rednerliste ansehe, meine ich, die Damen und Herren, die vorhaben, darüber zu reden, sollen das nachher tun. Lassen Sie mich dies hier doch einmal im Zusammenhang darstellen; ich bitte dafür um Verständnis.
Meine Damen und Herren, ich will nur, damit Sie im Bilde sind, darauf aufmerksam machen, daß inzwischen noch für ungefähr 125 Minuten Wortmeldungen vorliegen. — Bitte.
Frau Wex, ich habe eben gesagt, daß die CDU/CSU ideologisch Familienpolitik großschreibt, aber im übrigen eine Politik befürwortet, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Familie verschlechtern muß.
— Ja, nun hören Sie doch einmal zu! — Das geschieht z. B. durch eine Steuerpolitik, die die ohnehin besser Gestellten begünstigt — ja, das wollen Sie mit einer Beharrlichkeit, die bei uns immer wieder Erstaunen auslöst —, durch eine Wohnungspolitik, die den Mieterschutz aushöhlen will — auch das wollen Sie ständig —, durch eine Bildungspolitik, die mehr Auslese und Leistungsdruck an den Schulen bedeutet
— aber sicher doch! —, durch eine Arbeitspolitik, die den Forderungen der Arbeitnehmer nach mehr Mitbestimmung und nach Verkürzung der Arbeitszeit die kalte Schulter zeigt, oder durch eine Medienpolitik, die privates Fernsehen befürwortet und damit dafür sorgt, daß die Kinder minderwertigen Unterhaltungsprogrammen
-- ja: minderwertigen Unterhaltungsprogrammen— und noch mehr als bisher der Fernsehwerbung ausgesetzt sind.
— Sie sollten darüber nicht lachen. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie selten Zeit haben, die Fernsehprogramme anzusehen, wenn Sie in Bonn sind. Aber wenn Sie zu Hause sind, sollten Sie sich unsere Fernsehprogramme doch mal ansehen, vor allem im Dritten Programm. Das kann sich ja durchaus sehen lassen; ich finde das ganz gut.
Weiter: Die Familiefipolitik darf nicht allein auf der Überzeugung aufgebaut werden, die Familie sei eine heile Welt inmitten einer nahezu idealen Gesellschaftsordnung. Dieses Bild von der Familie hat nie der Wirklichkeit entsprochen und entspricht ihr auch heute nicht. Denn sonst wären schmerzhafte Rollenkonflikte der Frauen zwischen Kindererziehung und Beruf, Entfremdung der Generationen, Ehescheidungen, Kindesmißhandlungen, Jugendalkoholismus und Jugendkriminalität nicht erklärbar.
- Na ja; gut; wir sind alle mehr oder weniger andieser Entwicklung schuld. Ich habe ja nicht gesagt, daß das die Schuld der CDU/CSU ist.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12101
GlombigAber wir sind ja irgendwie alle auch Teil einer Familie und sollten da mal an unsere eigene Brust klopfen, finde ich.Tatsache ist, daß die Familie im Verlauf der gesellschaftlichen Veränderungen immer wieder tiefgreifende Wandlungen durchgemacht hat und auch in Zukunft weitere Wandlungen erfahren wird und daß daraus immer wieder Probleme und Konflikte entstehen werden.Das bedeutet keinesfalls, daß diese Erscheinungen typisch für die Familien in unserer Gesellschaft seien. Aber das zeigt, daß viele Familien Schwierigkeiten und Belastungen ausgesetzt sind. Es ist doch wohl selbstverständlich, daß die Familienpolitik ihre Aufgabe vordringlich dort wahrzunehmen hat, wo es Probleme gibt. Und wenn wir diese Probleme für die Familien lösen wollen, dann können wir doch nicht die Gießkanne in die Hand nehmen, wie Sie es gern wollen,
sondern da müssen wir uns doch gemeinsam darüber verständigen: Wo liegen denn nun eigentlich die Probleme, und wo müssen wir sie lösen? Da können Sie nicht damit kommen, daß wir Steuermehreinnahmen haben und daß die Steuermehreinnahmen uns dazu berechtigten, nun dieses Geld, ich möchte mal sagen: ziemlich besinnungslos, wenn wir Ihrem Konzept folgen wollten, unter die Leute zu bringen.
Auf der anderen Seite werfen Sie uns Staatsverschuldung noch und noch vor.Sie überlassen die Einsparungsmaßnahmen der Bundesregierung.
— Das steht in Ihrem Gesetzentwurf: Wo eingespart werden soll, soll die Bundesregierung entscheiden. Ich finde diesen Paragraphen des Gesetzentwurfs „großartig". Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Aber so haben Sie es immer gemacht: bei Ihrem Antrag aus dem Jahr 1975 und bei Ihren Anträgen zur Rentenversicherung. Ich finde das „großartig": Geschenke auf Kosten anderer Leute verteilen wollen gegen die Meinung der eigenen Haushaltspolitiker und eines großen Teils der eigenen Fraktion und dann sagen: Das ist unsere Familienpolitik. So einfach kann man sich das machen.
Nun, ich meine, die Familienpolitik hat ihre Aufgabe dort wahrzunehmen, wo es Probleme gibt. Deshalb kann sie sich nicht darauf beschränken, die Familien mit Geldleistungen zu unterstützen und im übrigen zu versuchen, das traditionelle Familienleitbild juristisch und ideologisch zu konservieren. Das kann doch nicht die Aufgabe unserer Familienpolitik sein. Aber darauf läuft die konservative Familienpolitik der CDU/CSU hinaus.Nach unserer Auffassung wäre eine solche Familienpolitik unzureichend und würde den Problemen nicht gerecht werden. Die Familie bedarf — und das ist kein Eingriff in ihren grundgesetzlich garantierten Freiraum — familienergänzender Einrichtungen und Dienstleistungen, um ihren Erziehungsauftrag erfüllen zu können. Wer dies nicht anerkennt, läßt letztlich trotz aller • schönen Worte die Familie mit ihren Problemen allein. Genau diesen Vorwurf müssen wir der Familienpolitik der CDU/CSU machen, jedenfalls wenn man als Maßstab das anlegt, was in öffentlichen Reden immer wieder behauptet und verbreitet wird. Wenn der Ausbau des Erziehungs und Beratungsangebots der Jugendhilfe z. B. oder das Tagesmüttermodell als Eingriff des Staates in die Familie verunglimpft werden, dann spricht daraus eine Einstellung, von der die Familien — außer erhabene Worte — nichts zu erwarten haben.
Das ist die Tatsache, der wir ins Auge sehen müssen.Es wäre eine Illusion, zu glauben, mit gigantischen Milliardenprogrammen für Geldleistungen könnte die wirtschaftliche Situation der Familie mit Kindern gegenüber dem heutigen Zustand wirklich grundlegend verändert werden, wenn wir hier nicht gezielt vorgehen. Rund 60 % der steuer- und beitragzahlenden Erwerbstätigen haben selber Kinder. Familienpolitische Geldleistungen, die der großen Mehrzahl der Familien, d. h. den Ein- und Zweikinderfamilien, zugute kommen und dementsprechend teuer sind, müssen wohl oder übel von der Mehrzahl der Familien mitfinanziert werden. Von wem sonst? Denn das sind die Steuerzahler. Deshalb muß der weitere Ausbau der familienpolitischen Geldleistungen schwergewichtig dort geschehen, wo besonders soziale Probleme zu lösen sind, z. B. für kinderreiche oder einkommensschwache Familien oder für alleinerziehende Eltern. Das könnte doch z. B. ein Konzept sein, auf das wir uns verständigten.
Nach dem Gießkannenprinzip verteilt, haben sie — gemessen an dem dafür erforderlichen Milliardenvolumen; das ist wohl unbestreitbar — nur geringen Effekt. Lediglich propagandistischen Wert haben auch alle Pläne, die sich zum Ziel setzen, die Hausfrauentätigkeit ganz generell zu einem aus öffentlichen Mitteln bezahlten Beruf zu machen oder auf die Dauer von mehreren Jahren staatlicherseits einen Einkommensersatz zu zahlen, wenn eine Mutter oder ein Vater um der Kindererziehung willen aus der Erwerbstätigkeit ausscheidet.Bei dieser Gelegenheit sollte man auch darauf hinweisen, daß sich das Ehegattensplitting für die nicht erwerbstätigen Hausfrauen immerhin mit 30 Milliarden DM auswirkt. Darüber wird gar nicht gesprochen. Das ist inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die in keiner Weise gewürdigt wird.Damit ist selbstverständlich nichts gegen die Notwendigkeit und den weiteren Ausbau des Familienlastenausgleichs gesagt. Er ist sogar dringend nötig. Deshalb haben wir Sozialdemokraten uns auch fürGlombigden Ausbau der Geldleistungen eingesetzt, und zwar mit Erfolg. Wir haben für die Reform des Familienlastenausgleichs gesorgt und mehrfach das Kindergeld angehoben. Das Drittkindergeld beträgt heute 200 DM und ist damit um 2/3 höher als 1975.Auch mit dem heute zur Entscheidung stehenden Gesetz werden die Geldleistungen für die Familie erhöht. Das heißt, für jedes erste Kind wird dieses Gesetz auf jeden Fall Leistungen erbringen und Vorteile schaffen. Aber staatliche Geldleistungen, auch wenn sie noch so großzügig sind, können nicht die volkswirtschaftliche Notwendigkeit aus der Welt schaffen, daß die große Mehrzahl der Familien ihren Lebensunterhalt zum größten Teil aus ihrem eigenen Erwerbseinkommen bestreiten muß. Das können wir sicherlich nicht beseitigen. Es gibt keinen Topf, in den man hineingreifen kann, um daraus alle Kinderkosten und einen vollständigen Einkommensersatz für kindererziehende Eltern zu zahlen, ohne daß die meisten Eltern vorher selber hineinzahlen. Deshalb muß sich der weitere Ausbau der Geldleistungspolitik für die Familie auf sozialpolitisch gezielte und sozial gerecht verteilte Hilfen konzentrieren. Dazu sind wir, das sage ich Ihnen ganz offen, „finster" entschlossen.
— Ja, aber unsere Finsterheit ist in diesem Fall etw as, was uns heiter werden läßt.Mit der Weiterentwicklung der Familienpolitik sind vielfältige Probleme verbunden. Uns kommt es darauf an, nicht gießkannenmäßig große Geldbeträge zu verteilen, sondern gezielt und sozial gerecht zu helfen, d. h. vorrangig der kinderreichen Familie, der einkommensschwachen Familie und der jungen Familie. Die SPD wird zur rechten Zeit ein in sich stimmiges und solides Gesamtkonzept vorlegen.
— Wir fangen doch nicht jetzt schon den Wahlkampf des Jahres 1980 an. Wir werden so rechtzeitig unser Konzept vorlegen, daß diejenigen, die über unsere Politik zu entscheiden haben, auch wissen, worüber sie entscheiden.
Darauf können Sie sich verlassen. Da sind wir sehr zuverlässig.Also: die SPD wird zur rechten Zeit ein in sich stimmiges und solides Gesamtkonzept vorlegen. Wir wehren uns aber dagegen, dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf nach dem Muster der Union ein hastig zusammengezimmertes, unausgegorenes, finanziell nicht gesichertes
— da brauchen Sie nicht zu stöhnen; stöhnen tun wir über so etwas —, nur unter dem Aspekt der Publikumswirksamkeit — das ist doch ganz klar geworden inzwischen nach dem Theater, das sich in den Ausschüssen abgespielt hat — konzipiertes Paket überzustülpen.Was jetzt möglich, im Rahmen eines soliden und sicher finanzierbaren Konzepts machbar ist, meine Damen und Herren, müssen wir jetzt beschließen. Wir fordern Sie auf, das zusammen mit uns zu tun. Herr Präsident, die CDU/CSU hat bei der von uns beantragten namentlichen Abstimmung die Möglichkeit, zu beweisen, ob sie willens ist, an konkreten familienpolitischen Verbesserungen mitzuwirken. Ich bin auf den Ausgang dieser Abstimmung gespannt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauser .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
— Sie werden gleich hören, als was ich hier spreche. — Die unterschiedlichen Auffassungen zu den einzelnen Gesetzesvorschlägen, die heute zur Beratung stehen, sind durch die Vorredner sehr intensiv dargestellt worden. Ich möchte gern noch einmal speziell auf einen Punkt zu sprechen kommen, der zwar dankenswerterweise schon vom Kollegen Höpfinger einbezogen worden ist. Ich habe dazu aber bisher von der Koalition nichts gehört. Vor allen Dingen hatte ich gehofft, die FDP, die sich in vielen Bereichen dann, wenn es gerade so in den Kram paßt, so außerordentlich mittelstandsfreundlich darstellt, hätte zu dieser Frage zumindest eine Antwort parat gehabt.Es handelt sich um die Auswirkungen auf den Bereich des größten deutschen Arbeitgebers, des Mittelstandes. Herr Kollege, jetzt wissen Sie es.
— Ja, ist in Ordnung.Wir stehen wieder einmal vor einem Gesetzentwurf, der verabschiedet werden soll und der die gesetzliche Begünstigung einer ganz bestimmten Gruppe zum Ziel hat. Frau Minister Huber hat vorhin von der Ungleichbehandlung gesprochen, die sie verhindern möchte. Aber genau dies wird in diesem Gesetzentwurf konzipiert.Ich möchte an Hand von einigen Beispielen einmal auf die Nachteile zu sprechen kommen, unter denen wahrscheinlich viele Betroffene zu leiden haben werden.So läßt sich ein junger Jurist als freier Rechtsanwalt nieder, stellt eine Sekretärin ein, die kurz nach der Einstellung schwanger wird und nach einigen Monaten von dem jetzt eingeführten Gesetz Gebrauch macht. Die Bemühungen zur Schaffung einer Reihe von Arbeitsplätzen, die aus der Gründung der Praxis möglicherweise hervorgehen könnten, werden dadurch abrupt beendet. Unter den Zwängen des hier vorliegenden Gesetzentwurfes erhält der junge Anwalt mit Sicherheit keine Ersatzkraft. Wer ist schon bereit, auf einem quasi besetzten Ar-Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12103Hauser
beitsplatz einige Monate übergangsweise Dienst zu tun, um anschließend mit dem bedauernden Berner-ken, die Sozialgesetzgebung lasse keine andere Wahl zu, wieder vor die Tür gesetzt zu werden?Ein anderes Beispiel. Ein selbständiger Unternehmer im Dienstleistungs- oder Einzelhandelsbereich beschäftigt eine Reihe von Mitarbeitern in der Produktion, einen anderen Teil im Verkauf. Diese Kräfte können nicht beliebig gegeneinander ausgetauscht werden, anders als in einem Großbetrieb, wo dies unter Umständen zum Teil wenigstens noch möglich ist. Der Handwerker, der mittlere Unternehmer, der Freiberufler haben eben nur zwei oder drei Verkäuferinnen, Friseusen, Sekretärinnen, Arzthelferinnen oder ähnliches. Sie können bei Ausfall einer oder gar mehrerer Mitarbeiterinnen nicht einfach wie im Großbetrieb Arbeitskräfte umsetzen. Sie können auch niemandem zumuten, für einen begrenzten Zeitraum eine Tätigkeit in der sicheren Gewißheit zu übernehmen, sie nach Ablauf der Schutzfrist für die eigentliche Inhaberin dieses Arbeitsplatzes wieder aufgeben zu müssen.Die derzeitige Mutterschutzgesetzgebung, zu der wir uns alle bekennen — damit hier kein Zweifel aufkommt —, bringt da und dort schon Schwierigkeiten —. Das Unglückselige dieses Gesetzentwurf es wird sein, daß sich viele Mittelständler nicht mehr in der Lage sehen werden, Frauen im entsprechenden Alter zu beschäftigen. So haben wir einmal mehr ein Beispiel dafür, wie ein gutgemeintes Gesetz wegen seiner Praxisferne, seiner alleinigen Bezogenheit auf den Großbetrieb, für die Betroffenen geradezu zur Belastung wird, weil es sie ganz aus dem Kreis derer ausschließt, die eigentlich begünstigt werden sollen.Damit bin ich beim zweiten Einwand gegen diesen Entwurf. Warum wird eigentlich ein Unterschied zwischen der Arbeitnehmerin als Mutter und derjejenigen Frau gemacht, die als Hausfrau oder als selbständig Erwerbstätige oder als mithelfende Ehefrau in einem Betrieb oder in der Praxis ihres Mannes arbeitet?Frau Minister, Sie haben soeben in diesem Zusammenhang gesagt, daß die es wohl nicht nötig hätten. Ich glaube, wir sind uns doch hoffentlich darin einig, daß viele Erwerbstätige in unselbständiger Tätigkeit heute insgesamt in einer wirtschaftlich besseren Lage sind als leider manche mithelfende Ehefrau in einem kleinen Handwerksbetrieb. Es ist unbestritten, daß sich die Einkommenssituation eines qualifizierten Facharbeiters — wenn die Ehefrau dann noch mitarbeitet, um so mehr — zum Teil überhaupt nicht mehr mit der mancher Selbständiger vergleichen läßt, die es sehr, sehr schwer haben, heute noch ihre Existenz zu behaupten. Genau diese Frauen, die hier in einem harten Konkurrenzkampf stehen, die unter Umständen 60 und 70 Arbeitsstunden in der Woche arbeiten müssen, die wollen Sie also ausschließen, nur weil sie eben nicht das Etikett „unselbständig tätig" tragen, sondern selbständig tätig sind. Und da sprechen Sie davon, daß die es nicht nötig haben; und dann sprechen Sie davon, daß Sie keine Ungleichbehandlungwollen. Hier werden Klischeevorstellungen gezüchtet, meine Damen und Herren, von denen Sie sich einmal freimachen müssen.
Ich halte dies für eine unerträgliche Diskriminierung, ja, für einen Schritt auf dem Wege weiterer Ungleichbehandlung der Frau. Dieser Schritt wird dann vor allen Dingen von denen vollzogen, die angeblich die soziale Gleichstellung der Frau durchsetzen wollen. Mir ist die Doppelzüngigkeit dieser Ihrer Behauptungen einerseits und Ihrer politischen Taten andererseits selten so deutlich geworden wie gerade jetzt hier wieder in diesem Fall.Natürlich ist es wünschenswert, daß die Mutter länger als acht Wochen nach der Geburt die Möglichkeit hat, ihr Kind selbst zu betreuen. Es spielt dabei überhaupt gar keine Rolle, ob diese Mutter, wie Sie so schön sagen, abhängig tätig, selbständig tätig, als Hausfrau oder als mithelfende Ehefrau tätig ist. Vielmehr handelt es sich dabei um einen rein familienpolitischen Aspekt. Genau darum ist unser Gesetzentwurf, ist unsere Alternative zu Ihrer falschen Konzeption hier notwendig. Sie ist nicht, wie uns Herr Kollege Glombig hier soeben weismachen wollte, eben schnell zusammengeschrieben, sondern sie ist das Produkt einer Überlegung, die Sie bei uns in Parteiprogrammen und in vorhergehenden Erklärungen über lange Jahre nachvollziehen können. Das ist nicht mal eben so aus der Schublade gezogen.
Meine Damen und Herren, dieser familienpolitische Aspekt darf keine Frage des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sein. Der arbeitsrechtliche Ansatz Ihres Gesetzentwurfs führt im Ergebnis zur Schlechterstellung der betroffenen Personengruppe. Dies wird von Ihnen mit dem angeblich vorhandenen familienpolitischen Aspekt des Entwurfs zu rechtfertigen versucht. Dieser Aspekt wird aber offensichtlich von Ihnen zugleich gar nicht so hoch veranschlagt. Gerade der Arbeitsschutzcharakter Ihres vorgelegten Entwurfs wird von Ihnen ja gleichzeitig dazu verwendet, die Begünstigung derjenigen Frauen abzulehnen, die im Interesse der Betreuung und Erziehung von Kindern auf eine Erwerbstätigkeit ganz verzichten.Lassen Sie mich abschließend kurz auf die Frage der Finanzierung eingehen, weil hier vorhin von dem Kollegen Neumann von „finanzierbar" und „solide" gesprochen wurde. Diese Finanzierung in Ihrem Gesetzentwurf ist nur bis 1981 gesichert. Bis heute ist es offengeblieben, was danach geschehen soll und wer dann für die Kosten aufkommt.
— Unsere Anträge dazu sind alle abgelehnt worden. Ich darf heute schon in aller Eindringlichkeit davor warnen, eine Kostenübernahme durch die Betriebe vorzusehen, wie das ja bei dieser Koalition dann so schnell üblich ist, weil das der bequemste
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12104 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Hauser
Weg ist. Man erwartet da ja auch den geringsten Widerstand.
Inzwischen dürfte auch dem Letzten in diesem Hohen Hause hoffentlich klar geworden sein, daß die Grenze der finanziellen Belastbarkeit durch Steuern und Abgaben für unsere Unternehmen besonders im mittelständischen Bereich längst überschritten ist. Wir haben keinen Spielraum für familienpolitisch zweifelhafte, arbeitsrechtlich verhängnisvolle und die nichtberufstätige Hausfrau und die mithelfende Ehefrau diskriminierende Maßnahmen zu finanzieren.Aus Verantwortung gegenüber den berechtigten und schutzwürdigen Interessen aller betroffenen Frauen, aus Verantwortung auch gegenüber den zahllosen mittelständischen Betrieben, die nun vor unlösbare Probleme gestellt werden, müssen wir diesem Gesetzentwurf der. Bundesregierung unsere Zustimmung versagen. Der Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion hat die Grundlage für eine familienpolitische Konzeption, die auch diesen Gesichtspunkten in vollem Umfange Rechnung trägt.
Das Wort hat der Abgeordnete George.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Tag, an dem wir alle über Verbesserung des Rechts und der Rechtsmöglichkeiten zugunsten eines Kindes und der Kinder diskutiert haben, neigt sich dem Ende zu. Lassen Sie mich für diejenigen, die zu Ihrem Mutterschaftsurlaubsgesetz ein entschiedenes Nein sagen werden, einige wesentliche Begründungen vortragen.Alle unter uns sind sich einig: Kinder haben ein Grundrecht auf elterliche Betreuung. Alle sind sich einig, daß die leibliche Mutter die beste Garantie zur Realisierung dieses Grundrechts auf elterliche Betreuung bietet. Das hat nichts mit konservativ zu tun, sondern das ergibt sich aus der natürlichen biologischen Situation der Frau: Einig sind wir auch darin, daß eine Dringlichkeit für einen weiteren Ausbau der gesetzlichen Grundlagen gegeben ist. Nur beim Wie scheiden sich die Geister.Wenn jener Erfahrungssatz aus Sirach 7, 40: „Überall muß man auf das Ende und den Ausgang sehen" Gültigkeit hat, dann hier und heute. Was will denn die SPD mit ihrem „Gesetzentwurf zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubes" am Ende erreichen? Ein Blick in das sozialistische Europa-Programm der SPD belehrt uns über dieses Endziel — ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren —: „Langfristige Einführung eines achtzehnmonatigen Elternurlaubs mit Arbeitplatzgarantie, der zwischen Vater und Mutter aufteilbar sein muß.
Dieses Endziel — Ihr Programm für Europa stehtbezeichnenderweise unter der Kapitelüberschrift„Frauenarbeitslosigkeit". Vielleicht hat man hier schon ahnungsvoll das als Kapitelüberschrift gewählt, worüber wir vielleicht in zwei, drei Jahren hier diskutieren müssen.In der ersten Beratung am 15. März haben die Regierungsparteien auch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie mit diesem Gesetzentwurf einen ersten Schritt in diese Richtung machen werden. Herr Arbeitsminister Ehrenberg wird nachher in seiner Rede noch einmal darauf hinweisen, daß dies ein erster Schritt in diese Richtung ist.Die Union hält in ihrer überwiegenden Mehrheit diesen Weg für total falsch. Er führt geradewegs in die Einkindergeselischaft mit lebenslanger Berufstätigkeit der Frau. Familienpolitik wird dann nicht mehr selbständig und freiheitlich gestaltet werden können. Familienpolitik wird dann zum Teilgebiet des Arbeits- und Berufsrechts und einer entsprechenden Politik degradiert.Meine Damen, meine Herren, wenn der eine oder andere von uns letztendlich und mit schweren Bedenken Ihrem Gesetzentwurf doch zustimmen wird, dann vielleicht nur deshalb, weil er diese grundsätzlichen Bedenken in der Güterabwägung mit kurzfristigen Teilvorteilen zugunsten der Arbeitnehmerinnen hintanstellt.Die anderen aber stellen diesem Gesetzentwurf ein klares Nein entgegen. Sie tun dies in Verantwortung und im Interesse aller Frauen sowie im Interesse aller Kinder mit dem Ziel, den Weg für eine freiheitliche und eigenständige Familienpolitik offenzuhalten. Herr Glombig, dabei fürchten wir uns auch nicht vor den kommenden „Prüfsteinen des DGB", die dieser für die nächsten Wahlen als „Stolperschwellen" auflegen wird. Dabei fürchten wir uns auch nicht vor dem „Verdrehungspotential" und vor der „Anprangerungskapazität" gerade Ihrer Partei.Wir gehen diesen großen ersten Schritt, den Sie in eine falsche Richtung auf einem falschen Weg gehen und mit dem Sie eine falsche Lösung anstreben, nicht mit. Wir wollen mit unserem Nein ein Zeichen setzen.
Damit sollen die Signale für eine Kurskorrektur in der Familien- und Gesellschaftspolitik auf Grün gesetzt werden. Vieles von dem, was die FDP gesagt hat, ist zum großen Teil auch Gedankengut vieler in unserer Partei.Halten wir als Zwischenergebnis fest: Familienpolitik an das Arbeitsverhältnis anzuknüpfen, wie es die Koalition nun als einen ersten Schritt tun will — also einen laboristischen Weg zu gehen —, ist aus schwerwiegenden Gründen falsch. Ich darf diese Gründe noch einmal kurz zusammenzählen:Punkt eins: Ordnungspolitik. Nach einem „Globus" -Schaubild, das jüngst erschienen ist — die Nummer ist 3074 —, investieren Eltern je Kind in 18 Jahren bei gehobenem Lebensstandard etwa 131 000 DM, bei mittlerem Einkommen etwa 87 000 DM und bei unterem Einkommen etwa 63 000 DM. Eine gewaltige Investitionsleistung der Eltern, eine
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Dr. Georgegewaltige Verzichtsleistung der Eltern in materieller Hinsicht. Wenn man diese Belastung ausgleichen will, dann ist der einzige ordnungspolitische Weg zum Ausgleich oder zur Milderung nur der steuerpolitische Weg.Aber das Ganze arbeitsrechtlich anzuknüpfen — meine Damen, meine Herren, lassen Sie sich dies bitte noch einmal ins Stammbuch schreiben —, ist ordnungspolitisch ein Sündenfall höchsten Grades.Punkt zwei: Familienpolitik. Wir stehen nach wie vor dazu — so altmodisch das auch klingen mag, um so moderner ist es —, daß die Familie Keimzelle der Gemeinschaft und Kernzelle der Gesellschaft und des Staates ist.
In ihr und nicht von ihr weg oder aus ihr heraus erfüllt sich der Mensch, emanzipiert er sich in seiner Individualität ebenso wie in seiner Gemeinschaftsbezogenheit. Wer da meint, diese „humane Emanzipation" gelinge nur oder fast ausschließlich über das Arbeits- und Berufsleben, der lebt in einem „falschen Orientierungsrahmen". Der Gesetzentwurf der Koalition hat diesen falschen Ansatz gewählt.Punkt drei: Sozialpolitik. Wir sind der Meinung, daß in einem modernen Wohlstandsstaat — und der Bundeskanzler wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen und dies ausschließlich für seine Regierung zu reklamieren — die Prinzipien der Eigenvorsorge und der Subsidiarität Vorrang vor dem Prinzip der kollektiven Solidarität haben und erhalten müssen. Daher müssen wir auch die Kraft und den Mut haben, jede „soziale Wohltat", sei sie schon gegeben oder sei sie erst festzulegen, daraufhin zu prüfen und daraufhin anzulegen, daß sie am Ende in der Alltagspraxis nicht in das Gegenteil umschlägt.
Ihr Gesetzentwurf hat diese negative Grundanlage schon in sich, und ich warte auf die Diskussion in drei Jahren, wenn wir über die Bereinigung dieses Gesetzes diskutieren müssen.
Ich weise noch einmal darauf hin, daß der Gesetzentwurf alle nicht erwerbstätigen Frauen und Mütter diskriminiert. Ich halte das sozialpolitisch für unerträglich und sozialpolitisch auch für unzulässig. Meine Damen und Herren — ich sage das auch in Richtung auf die FDP —, Ihr Entschließungsantrag, den Sie nachher vorlegen und zur Abstimmung stellen werden, der diesen Frauen für später eine Lösung verspricht, ist doch nichts anderes als ein Dokument des Versagens und des schlechten Gewissens.
Herr Ehrenberg wird nachher, wenn er seine Rede so hält, wie er sie schon veröffentlicht hat, dies mit dem Wort „nachdenken in der Familienpolitik" kaschieren. „Nachdenken" heißt: eventuell verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag oder die Frage wieder unter Hetze und unter Druck für dienächste Bundestagswahl durch dieses Parlament peitschen.Vierter Punkt: Arbeitsmarktpolitik. 95 % aller Betriebe — Herr Hauser hat davon gesprochen, daß es sich um den größten Arbeitgeber handelt — gehören dem Mittelstand an. In ihm sind rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer und dabei überwiegend Frauen beschäftigt. Er bildet über 75 % aller Jugendlichen aus. Die mittelständischen Betriebe sind das Fundament unserer Wirtschaft, unseres Wohlstandes und unseres Fortschritts. Wenn sie nun überwiegend von ihnen die erst einmal arbeitsorganisatorisch und menschlich verlangten Belastungen aufgebürdet bekommen, dann kann es passieren — und darum geht es letztlich —, daß die „Arbeitsplätze vermännlicht" werden, daß die nicht oder nicht mehr gebärfähigen Frauen bei der Einstellung bevorzugt werden und daß auch Frauenarbeitsplätze und -ausbildungsplätze wegrationalisiert werden.Und dann kommt etwas Merkwürdiges: Dann kreiden Sie das den Unternehmern an und verwenden es für eine neue Unternehmerverketzerung. Dann kreiden Sie das nicht sich selbst an, sondern versuchen es dann wieder zu regulieren mit neuen Sonderprogrammen zur Beseitigung der Frauenarbeitslosigkeit.Auf die gesundheitspolitischen Aspekte ist vorhin schon hingewiesen worden.Auf die verfassungspolitischen und rechtspolitischen Aspekte möchte ich nur in einem Punkt hinweisen. Das Mutterschaftsgesetz, das wir damals mit der FDP gegen das von der SPD verlangte „Karenzjahr" verabschiedet haben, hat ein totales Beschäftigungsverbot für Frauen aufgestellt. Da ist es ganz logisch und ganz konsequent, daß dann auch Lohnfortzahlung geleistet und relativer Kündigungsschutz garantiert wird.Was Sie jetzt machen, ist eine völlig andere Lösung, nämlich auf dieses System Urlaub aufzupfropfen, dafür Lohnersatz zu geben sowie einen absoluten Kündigungsschutz zu gewähren.Das verstehe, wer will.
Die Krone der Widersinnigkeit ist der § 8 Abs. 4, wo Sie festlegen: wenn das Kind stirbt, muß die Mutter drei Wochen später an den Arbeitsplatz zurück! Und da sagt Herr Ehrenberg nachher noch scheinheilig, „Schonungsbedürftigkeit" der berufstätigen Frau sei das Hauptanliegen des Gesetzes.Meine Damen! Meine Herren! Im Jahr des Kindes sollten wir allen Müttern und allen Kindern helfen. Deshalb wird die Union nein sagen zu einer arbeitsrechtlichen Lösung für nur einen Teil der Mütter. Wir stehen am Scheidewege; der Gesetzentwurf der Koalition weist in die falsche Richtung, wir gehen nicht mit.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
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12106 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Kollegin Geier hat es eben in der Debatte gesagt:
Es ist unfair, wenn uns einige von Ihnen unterstellen, wir wollten die Eltern mit unserem Angebot des Familiengeldes bis ins Bett hinein motivieren, Ihr generatives Verhalten zu ändern. Wenn Sie so einen Unsinn in Ihrem Vorwärts schreiben
— so Frau Geier weiter —
gehen wir großzügig darüber hinweg; wenn das aber zum Beispiel Frau Funcke als Vertreterin der FDP sagt, dann müssen wir uns dagegen mit aller Entschiedenheit wehren.
Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn die Kollegen der Frau Kollegin Geier mitteilen würden, daß ich mich gegen diese ungehörige und unwahre Unterstellung wehre.
Ich habe das weder der Sache nach noch in dieser von ihr gewählten Terminologie jemals gesagt, und wer mich kennt, wird mir das wohl auch abnehmen. Ich wäre dankbar, wenn Frau Geier entweder — bitte wörtlich — diese Behauptung belegen oder sie zurücknehmen würde.
Was ich gesagt habe — darauf bezieht sie sich wahrscheinlich —, war in der Rede zum Haushalt, als ich kurz nach ihr sprach. Damals habe ich gesagt:
Es war in der Tat zu befürchten, daß es im Jahr des Kindes bei uns in der öffentlichen Diskussion nicht vorrangig um die Qualität eines Kinderlebens, sondern um die Quantität der Geburten gehen würde. Daß es aber so schlimm kommen würde, wie wir das vorgestern, gestern und heute in der Etatberatung erlebt haben, hätten wir allerdings nicht gedacht. Ihre Reden, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben in aller Deutlichkeit gezeigt, wer diese Mißinterpretation des Jahres des Kindes so aktiv betreibt.
Es war — darauf bezog ich mich — nahezu von jedem Redner der CDU in den Haushaltsberatungen zur Familienpolitik von der Geburtenzahl und ihrer Abnahme die Rede. Ich wäre also dankbar, wenn Sie Frau Kollegin Geier vielleicht dazu motivieren könnten, den Wahrheitsbeweis anzutreten oder die Behauptung zurückzunehmen.
Ich möchte auf etwas anderes zurückkommen, was in der heutigen Debatte offensichtlich auch einen Eindruck erwecken sollte, der nicht stimmt. Als ein Kollege — ich glaube von der SPD — bei dem Hinweis auf die familienpolitischen Beschlüsse der letzten zehn Jahre sagte, daß die Öffnung der Sozialversicherung für Hausfrauen von der Koalition angeregt worden sei, kam ein widersprechender Zwischenruf. Meine Herren und Damen, bitte schauen Sie sich Ihren Antrag an. Die CDU hat damals einen Antrag auf Öffnung der Krankenversicherung für Selbständige eingereicht, und Regierung und Koalition haben die Öffnung der Sozialversicherung für Selbständige und für Hausfrauen angeregt. Das sollte man an dieser Stelle doch noch einmal sehr deutlich sagen. Daß Sie dann nachher mitgestimmt haben, nehmen wir Ihnen gern ab.
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ja, bitte.
Frau Kollegin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die CDU/CSU-Fraktion seinerzeit einen Gesetzentwurf zur Offnung der Pflichtversicherung auf Antrag der Selbständigen eingebracht hat? Und würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Öffnung für die freiwillige Versicherung der Selbständigen und Hausfrauen 'oder andere Personengruppen tatsächlich von der Regierung kam? Wissen Sie, daß aber ein Durchschnittsverdiener eine solche Versicherung für seine Frau nicht bezahlen kann?
Herr Kollege, Sie haben gleich drei Fragen gebündelt.
Herr Kollege, das war alles nicht das Thema; das mag jetzt ein neues Thema sein. Der Zwischenruf, der vorhin kam, sollte deutlich machen, daß dieser Antrag auf Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen aus Ihrer Fraktion gekommen sei, und das trifft nicht zu.Meine Damen und Herren, ich will zu Ihrem Änderungsantrag sprechen. Und da möchte ich jetzt einmal nicht vom Grundsatz her argumentieren, wie das ja heute verschiedentlich geschehen ist, sondern sehr konkret zu diesem Antrag sprechen. Sie erwarten, daß wir heute abend diesen Änderungsantrag annehmen. Aber zugleich, meine Damen und Herren von der Opposition, beklagen Sie sich darüber, daß wir immer wieder neue Gesetze machen und daß die Durchführungsverordnungen dann Bände füllen. Was Sie hier aber vorgelegt haben, ist beim besten Willen nicht entscheidungsreif. Wenn Sie ganz ehrlich mit sich selber umgehen, müssen Sie das wohl auch zugestehen. Schon allein aus diesem Grunde können wir den Antrag nicht annehmen.Ich will Ihnen auch sagen warum. Zunächst einmal haben Sie vor, die Ausländer auszuschließen, wenn sie nicht mindestens ein Jahr lang bei uns leben. Ich bin nicht sicher, ob das mit dem EG-Vertrag in Einklang zu bringen ist, ob wir Staatsangehörige aus EG-Ländern bei uns anders behandeln dürfen als die Deutschen. Das müßte geklärt werden. Ich bin der Meinung, daß dies so nicht angenommen werden kann.
— Ich kann ja lesen, Frau Kollegin Wex. Oder Sie müssen nachher sagen, wo es denn steht, daß zum Beispiel auch Italienerinnen dieses Geld bekom-
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Frau Funckemen, wenn sie erst drei Wochen in Deutschland sind und ihr Kind bekommen.
Wenn nicht, muß ich fragen, wie das mit dem EG-Recht in Einklang zu bringen ist.Zweiter Punkt: Sie sprechen vom Familiengeld für Nichterwerbstätige. Meine Kollegin Frau Matthäus hat Sie schon gefragt — die Antwort steht aus —: Was ist mit den mithelfenden Familienangehörigen? Wird die Bäuerin das Geld bekommen, oder wird sie es nicht bekommen? Die Bäuerin wird im Zweifel ihre Tätigkeit weiter ausführen, sie kann auch vermutlich gar nicht anders. Daß dies eine Erwerbstätigkeit ist, ist in unserer Statistik eindeutig geklärt, und nicht nur in der Statistik. Sie gilt als erwerbstätig. Das gleiche gilt für die Frau im Handwerk, im Handel und Gewerbe. Die Bäckersfrau, die weiterhin die Brötchen verkauft, würde bei Ihnen leer ausgehen, weil sie nicht zu Hause ist. Frage: Ist das gemeint? Eben hat sich auch jemand von Ihnen dagegen gewehrt, daß wir Ihnen eine Diskriminierung unterstellen; aber es ist doch so.Wie soll das mit der teilzeitbeschäftigten Frau gehandhabt werden? Sie haben zwar einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem Sie sagen, geringe Tätigkeit und Heimarbeit sollen das Familiengeld nicht ausschließen. Aber das steht hier ja alles nicht drin.
— Nein, in dem Änderungsantrag steht das alles nicht. Ich habe ihn ja sorgfältig gelesen.Aber wenn Sie nun die Teilzeitarbeit gesondert behandeln wollen, wo hört sie auf? Wenn Sie sagen, Teilzeitbeschäftigung gilt, dann sagen Sie mir freundlicherweise, wo das steht. Und selbst dann wäre es nicht ausreichend definiert.
Frau Kollegin Funcke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Franke?
Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Funcke, sind Sie bereit, § 4 Abs. 2 zur Kenntnis zu nehmen:
Ebenso ist eine Teilzeitbeschäftigung, Heimarbeit oder Ausbildung der anspruchsberechtigten Person für die Gewährung des Familiengeldes unschädlich, wenn ihr dabei ausreichend Zeit für die Pflege und Erziehung des Kindes verbleibt ...
Herr Kollege, ich habe doch gesagt, daß darüber in Ihrem Gesetzentwurf etwas anderes steht, aber in Ihrem Änderungsantrag nicht. Dem werden Sie ja wohl zustimmen. Da ist einfach nur von der Nichterwerbstätigkeit die Rede, von Teilzeitarbeit oder von „überwiegend zu Hause" steht in Ihrem Änderungsantrag nichts.Selbst, wenn wir uns auf die Grundlage Ihres Gesetzentwurfes stellen würden, so müßten wir feststellen: Er entspricht nicht den Erfordernissen eines Gesetzes; denn es fehlt an den notwendigen Präzisierungen. Was ist denn Teilzeitbeschäftigung? Es gibt zwei Möglichkeiten: einmal die Halbtagsbeschäftigung, dann die Teilzeitbeschäftigung in Form etwa eines 6-Stunden-Tages oder eines 3-Stunden-Tages, zum anderen die besondere Art von Teilzeitbeschäftigung, die ohne Lohnsteuerkarte mit Pauschalbesteuerung geleistet wird. Fällt das alles unter Teilzeitbeschäftigung oder nicht?Und wie ist es mit der Heimarbeit? Gilt das auch, wenn der Bäckerladen gleich neben der Wohnung liegt? Diese Regelungen können Sie doch nicht alle dem Verordnungsgeber überlassen. Wenn Sie uns so etwas in der zweiten Lesung zur Abstimmung vorlegen, um Aktivität zu beweisen, können Sie das doch gleichwohl nicht ernsthaft als eine vernünftige gesetzgeberische Arbeit ansehen. So etwas erfordert, wenn es denn schon sein soll, eine ordnungsgemäße Beratung.Sie schreiben ganz schlicht, die Abwicklung erfolge bei den Trägern der sozialen Krankenversicherung. Da Sie nun vorsehen, daß die Frau, die vorher nicht berufstätig war, in diesen sechs Monaten auch nicht berufstätig werden wird — sonst dürfte sie das Familiengeld nicht bekommen —, heißt das doch, daß die Krankenkassen jeden Monat rückfragen müssen, ob die Frau weiterhin zu Hause bleibt und sich ganz oder überwiegend um das Kind kümmert. Ein Gesetz muß ordnungsgemäß durchgeführt werden. Und wenn nun die Durchführung bei den Krankenkassen liegt, müssen sie für die Durchführung dieses Gesetzes auch die Verantwortung übernehmen. Wie soll das denn aussehen? Haften die Krankenkassen möglicherweise dafür, daß sie das Geld an Personen zahlen, die inzwischen voll erwerbstätig sind? Die Krankenkasse kann das ja nicht wissen. Darum stellt sich die Frage: Wollen Sie nun ständig eine Fragebogenaktion durchführen, oder wie soll die Kranken kasse feststellen, daß das Geld wegen Nichtbeschäftigung zu Recht gezahlt wird?Das sind Dinge, die geregelt werden müssen. Sie mögen großzügig sein und sagen, es käme auf die Einzelheiten und Einzelnachweise nicht so an. Nur, auf gesetzwidrige Weise darf nicht verfahren werden, und Steuergelder, die unter sorgfältiger Abwägung aller Interessen ausgegeben werden, dürfen auf keinen Fall ohne gesetzliche Grundlage verteilt werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns in sachlicher und nüchterner Auseinandersetzung darüber klar werden könnten, daß dieser Gesetzentwurf nicht abstimmungsreif ist. Schon allein aus diesem Grund können wir ihm nicht zustimmen.In Ihrem Gesetzentwurf gibt es eine einzige klare Vorschrift — die versteht man —, das ist § 2, der besagt: die Kosten trägt der Bund. Das ist das einzige, was aus Ihrer Sicht klar und ohne Interpretation durchführbar wäre. Nur, alles andere erfordert eine Flut von Rechtsverordnungen, für die nach den Erfordernissen, die an Rechtsverordnungen gestellt werden, im Gesetz nicht hinreichende
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12108 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau FunckePräzisierungen vorhanden sind. Wir sollten uns darüber verständigen, daß solche Gesetze, die völlig unklar, verschwommen und rechtlich nicht abgesichert sind und nur aus optischen Gründen vorgelegt werden, nicht angenommen werden dürfen.
Frau
Kollegin, die Frau Kollegin Wex wollte noch eine Zwischenfrage stellen.
Bitte schön.
Frau Kollegin Funcke, wenn Sie gegen diesen Gesetzentwurf prinzipiell nichts einzuwenden haben und nur danach fragen, welche Auswirkungen er haben wird — es also letztlich nur um die genauen Formulierungen geht —, hätten Sie es dann nicht für richtig gehalten, den Entwurf im Ausschuß zu beraten, statt ihn einfach in dieser Form abzulehnen? Wenn dieser Gesetzentwurf Ihren Vorstellungen im Prinzip entspricht, hätten Sie doch im Ausschuß Änderungsanträge stellen können.
Frau Kollegin, ich komme jetzt darauf. Wir finden Ihren Ansatz verkehrt. Das hat Frau Kollegin Matthäus-Maier schon gesagt.
Wir finden Ihren Ansatz falsch, nicht auf die Notwendigkeit der Betreuung eines Kleinkindes, sondern auf die Berufstätigkeit oder Nichtberufstätigkeit der betreuenden Person abzustellen.Unser Ansatz ist der, zu sagen: Ein Kind muß im frühen Alter gut betreut sein. Deswegen muß — wegen des Kindes, aber nicht wegen einer Erwerbstätigkeit oder Nichterwerbstätigkeit der Mutter — Geld gezahlt werden. Wenn das Kind gut betreut werden soll — darin sind wir alle miteinander einig —, dann muß das unabhängig davon geschehen, in welcher Weise die Eltern es für richtig halten, das Kind zu erziehen. Da möchten wir keinen erhobenen Zeigefinger eines Gesetzgebers sehen.Wir wissen: Es gibt Fälle, in denen beide Eltern berufstätig sind, und Fälle, wo der alleinerziehende Elternteil berufstätig sein muß. Sie haben eine bestimmte Animosität gegen die Berufstätigkeit. Gerade klang das bei Herrn George mit der etwas rhetorischen Frage an, ob eine Frau sich denn nur in einer Berufstätigkeit verwirklichen könne. Nein, meine Damen und Herren, Sie verkennen völlig, daß es, solange die Welt besteht, berufstätige Frauen gegeben hat, was Sie nie gestört hat, nämlich in der Landwirtschaft, im Handwerk und im Handel. Überall sind die Frauen berufstätig gewesen, und Sie wollen sie da ja auch nicht verdrängen.Sie müssen also zur Kenntnis nehmen, daß es Notwendigkeiten der Berufstätigkeit der Frau gibt.Und da meinen wir, daß wir deswegen die Bemühungen um die Betreuung des Kindes nicht schlechterstellen sollten. Darum unser Ansatz, das Kindergeld in den ersten Lebensjahren des Kindes durch einen Zuschlag anzuheben. Im Einzelfall mag darin ein nichterwerbstätiger Elternteil einen Ausgleich für den Verzicht auf Verdienst sehen.
— Das ist der andere Ansatzpunkt als bei Ihnen, Frau Wex: Es müßte aber auch denen, die berufstätig sind oder sein müssen, die Möglichkeit gegeben werden, mit diesem Geld eine gute Betreuung des Kindes sicherzustellen.So fand ich es etwas seltsam, daß vorhin jemand— ich glaube, gegenüber Frau Lepsius — es geradezu als ein Unding bezeichnete, daß sich drei berufstätige Frauen möglicherweise zusammentun, um gemeinsam eine gute Tagesmutter zu finanzieren. Ich finde, daß ist eine gute Sache. Das ist sicher besser als eine Kinderkrippe. Aber das muß man bezahlen, dafür müssen Gelder zur Verfügung stehen.Wir würden deswegen gern gemeinsam über eine Fortentwicklung des heute zu verabschiedenden Gesetzes mit Ihnen reden; das klingt ja auch in der Resolution durch. Aber mit Hoppla-HoppGesetzen, die nicht ausgereift sind, und mit einem Antrag, der eindeutig eine Diskriminierung derjenigen darstellt, die berufstätig sein müssen oder die mithelfen — —
— Wenn Sie der mithelfenden Familienangehörigen trotz Erwerbstätigkeit das Familiengeld geben wollen, kommen Sie zu einer Diskriminierung der berufstätigen Verkäuferin gegenüber der mithelfenden Ehefrau. Das können wir doch auch nicht machen.
Ein Beispiel: die mithelfende Ehefrau, die weiterhin den ganzen Tag Schuhe verkauft, kriegt trotzdem das Geld. Aber ihre Verkäuferin, die nach — sagen wir — 3 Monaten nach der Geburt wieder arbeitet, bekommt es dann nicht. Ich glaube, wir können da keinen Unterschied machen: Die eine Frau, die wieder arbeitet, bekommt es nicht, während es die mithelfende Ehefrau bekommen würde.Meine Damen und Herren, dies ist in Ihrem Gesetzentwurf völlig unlogisch geregelt. Wenn Sie sich das einmal in einer ruhigen Stunde ansähen, würden sie es zugeben. Es gibt Kollegen in Ihren Reihen, die das durchaus schon jetzt so sehen und es hinter vorgehaltener Hand sogar zugeben.
— Aber Sie haben doch die vorgehaltene Hand nicht gesehen, Frau Wex. Lassen Sie uns doch nicht darüber streiten!
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12109
Frau Funcke— Meine Damen und Herren, ich fände es wirklich seriös, wenn wir gemeinsam sagen würden: Ein Gesetzentwurf, der so unausgereift ist, kann nicht verabschiedet werden. Aber vielleicht könnten wir gemeinsam eine Lösung finden, die niemanden diskriminiert und die den Eltern hilft, das Kind in den ersten Lebensjahren in besonders guter Weise zu betreuen.
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke, um Ihre letzten Einwände noch einmal aufzugreifen: Sie scheinen das Opfer einer unvollständigen Drucksache zu sein. In meiner Drucksache, die ich hier vorfinde, sind die Ehefrauen der Arbeitnehmer, die im EG-Bereich leben, durchaus in unserem Antrag enthalten. Ich verweise auf die Seite 6 unseres Antrages. Das muß Ihrer Lektüre entgangen sein.
Wollen Sie der Kollegin Frau Funcke die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage gebèn?
Herr Kollege, ich kann nicht finden, daß etwas, was in der Begründung steht, Inhalt eines Gesetzes sein kann. Die Seite 6 Ihres Antrags enthält die Begründung.
Ist Ihnen klar, daß wir ausgesprochen klargestellt haben, daß in unserem Entwurf auch die von Ihnen angesprochene Italienerin ohne Zeitbegrenzung in den Genuß unseres Vorschlages kommen sollte?
Steht dies im Gesetz?
Ich schlage vor, daß wir doch wieder zu der Alternative zurückkehren und hier nicht das fortsetzen, was eigentlich Aufgabe der Beratung in den Ausschüssen war.Meine Damen und Herren, eine alte Faustregel der christlichen Soziallehre sagt: Im Normalfall soll ein Verdiener als Ernährer der Familie ausreichen. Das ist nicht einfach ein Programm gegen die Erwerbsarbeit der Frau. Es ist vor allen Dingen ein Programm, das dafür sorgen soll, daß keine Familie aus wirtschaftlichen Gründen zum Doppelverdienen gezwungen sein soll und Vater und Mutter in die Erwerbstätigkeit schicken muß.Aber so ist das heute in sehr. vielen Fällen. Die Entscheidung zur Erwerbsarbeit der Frau ist vielfach keine freie Entscheidung, sondern eine Entscheidung unter wirtschaftlichem Zwang, und Zwang sollten wir nicht als Fortschritt feiern. Ich behaupte, daß in der Mehrzahl der Fälle die Mütter nicht aus emanzipativen Gründen erwerbstätig sind, sondern einfach aus finanziellen Gründen. Die Hälfte aller sechsköpfigen Familien lebt mit einem Einkommen unter dem Sozialhilfesatz. Das sind die traurigen Rekorde der sozialliberalen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Kollege Neumann, der hier einen Erfolgskatalog für die Familienpolitik dieser Regierung vorgelegt hat, hat ganz vergessen, neben dem Kindergeld auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu erwähnen; denn Sie haben mit der linken Hand nur ausgegeben, was Sie vorher mit der rechten Hand bei der Familie abkassiert haben.
Jede Mehrwertsteuererhöhung muß der Familienvater um soviel mehr bezahlen, wie er Kinder hat. Das sollten Sie auch in Ihre „Erfolgsbilanz" aufnehmen.
Kinderreichtum ist unter dieser Bedingung eine wirtschaftliche Dummheit, obwohl es gerade die Kinder sind, die auch — auch! — das wirtschaftliche Überleben der Gesellschaft von morgen sichern. Die Familie, ganz besonders die kinderreiche Familie, ist in die Ecke gestellt.An dieser traurigen Tatsache ändert der geplante Mutterschaftsurlaub rein gar nichts. Er ist eine Ersatzlösung, aber nicht die Lösung des Problems. Er ist eine Erleichterung — das gebe ich zu — für einen Teil der Mütter, aber nicht Hilfe und Anerkennung für alle Mütter. Er ist Feuerwehr, aber nicht Brandverhinderung. Ich meine, das ist die wichtige Frage, die wir heute hier zu diskutieren haben.Es geht nicht in erster Linie — jedenfalls aus meiner Sicht — um Urlaub für Mütter, so gut er ist und so sehr er jeder Mutter gegönnt wird, sondern es geht um die Beseitigung des wirtschaftlichen Zwangs zur Erwerbstätigkeit der Mutter. Darum geht es in dieser Frage.
Solange Sie staatliches Geld auf die erwerbstätige Mutter beschränken; so lange entsteht sogar ein Sog, auch die Mütter zur Erwerbsarbeit einzuladen, die bisher darauf verzichtet haben. Denn in der Logik des Gesetzes liegt: Wer ans staatliche Geld will, muß erst einmal erwerbstätig werden. Nur dann kann er an die Kasse kommen. Worin hier der familienpolitische Sinn liegt, habe ich noch nicht erkannt.
Meine Damen und Herren, eine familienfreundliche Politik würde dem Mutterschaftsurlaub seine Bedeutung nehmen, würde den Mutterschaftsurlaub im Idealfall geradezu überflüssig machen, weil der Zwang zur Erwerbsarbeit abgestellt würde. Erst das Familiengeld schafft Freiheit und wirkliche Wahlmöglichkeit zwischen Erwerbsarbeit und Mutterarbeit. Es verhindert die Überlastung der Mutter durch Betrieb, Haushalt und Kind, und es ist die Anerkennung der Leistung, die die Mutter erbringt.Wir sind dabei nicht so vermessen, in die Familie hineinregieren zu wollen, und wir sind weit von dem sozialdemokratischen Ehrgeiz entfernt, in alles
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12110 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Dr. Blümhineinreglementieren zu wollen. In der Tat, die Familie hat zu entscheiden, wie sie ihr Geld verdient, wer der Hauptverdiener ist. Und wenn sich eine Familie dafür entschiede, daß der Vater sozusagen die Mutter sein soll, daß der Vater Hausmann sein soll, würden wir das ebenso akzeptieren, denn wir sind nicht die Oberaufsicht über die deutschen Familien.Dennoch steht, glaube ich, eines fest: So sehr die Kinder die Eltern brauchen, Vater und Mutter, so sehr ist gerade das kleine Kind auf die Mutter angewiesen. Der erste Schmerz, den der junge Erdenbürger erfährt, ist offenbar der Schmerz der Trennung von der Mutter, und den kann eben die Mutter besser wettmachen als der Vater.
— Diese Einsicht hat, Frau Dr. Lepsius, überhaupt nichts mit Ideologie zu tun. Diese natürliche Vorgegebenheit hat weniger mit Politologie und mehr mit Biologie zu tun. Herr Glombig, Sie haben gesagt, wir hätten ein Leitbild aus dem 19. Jahrhundert. Ja, daß die Mutter das Kind gebärt, das stammt nicht aus dem 19. Jahrhundert, das ist noch älter, Herr Glombig!
Daran werden Sie jedenfalls vorerst nichts ändern. Sie trauen sich ja manches zu, aber an der Entbindung der Mutter werden Sie vorerst Gott sei Dank nichts ändern können; so weit kann Ihr Reformeifer nicht gehen.
Deshalb wollen wir mit unserem Familiengeld der Mutter die Chance einräumen, sich hauptberuflich ihrem Kind zu widmen. Das Feierabendkind ist sowenig das ganze Kind, wie die Tagesmutter die ganze Mutter ist.Hier wird kein Programm „Heimchen am Herd" verkündet, aber die Fließbandarbeiterin, die in einer Schicht 5 000 Druckknöpfe annähen muß, ist eine schlechte Wiedergutmachung für die Benachteiligung der Frau, und ich habe noch nie eingesehen, daß in der mütterlichen Zuwendung weniger menschliche Befriedigung und weniger Emanzipation liegen soll als in manchen Arbeiten, die den Frauen zugemutet werden.
Sie sagen nun, die Frauen mit den interessanten Arbeiten würden das Familiengeld nicht in Anspruch nehmen. Nun, meine Damen und Herren, diese Gefahr besteht bei Ihrem Mutterschaftsurlaub genauso. Und wenn es auch nur die Arbeiterinnen in Anspruch nehmen würden: was haben Sozialdemokraten daran eigentlich auszusetzen?
Ich verstehe Ihre Zweifel nicht, wie ich überhaupt schon die Prämisse anzweifle.Im übrigen sind viele Hausfrauen gar nicht so unzufrieden, wie das in den Bilderbüchern der sozialdemokratischen Frauenbewegung steht.
Seien Sie bitte vorsichtig; das Zitat, das ich jetzt bringen möchte, stammt von Helge Pross, und mit der sind Sie durch den rheinland-pfälzischen Wahlkampf gezogen. Wenn Sie jetzt darüber schimpfen, beweisen Sie, daß Sie Frau Helge Pross im rheinland-pfälzischen Wahlkampf nur als Leihgabe der Liberalen benutzt haben.
Da heißt es:Die Zufriedenheit— der Hausfrauen —hat reale Grundlagen. Dazu gehört, daß die Haushalte im Durchschnitt klein und die Hausfrauenarbeiten in der Folge zahlreicher industrieller Hilfen physisch leicht geworden sind. Obendrein gewähren sie mehr Einteilungs- und Verfügungsfreiheiten als die meisten außerhäuslichen Berufe.Soweit Helge Pross.Um es noch einmal klarzustellen, meine Damen und Herren: Wir sind nicht gegen die erwerbstätige Frau, aber wir sind auch für die nichterwerbstätige Mutter.
Wir sind für die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Erwerbsleben. Wir wollen nicht, daß die Frau im Beruf benachteiligt wird, wir wollen nicht, daß sie weniger Lohn erhält, wir wollen nicht, daß sie am Aufstieg gehindert wird, wir wollen die .Gleichberechtigung von Mann und Frau. Nur, unsere Gleichberechtigungsfrage geht noch etwas weiter als die Gleichberechtigungsfrage des Sozialismus. Wir wollen nicht nur die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Erwerbsleben, wir wollen auch die Gleichberechtigung der nichterwerbstätigen Frau mit der erwerbstätigen Hausfrau und Mutter.
An diese Gleichberechtigung haben Sie, wie Ihr Gesetzentwurf beweist, eben nicht gedacht.Ein Großteil Ihrer Emanzipationsideologie — mit Verlaub gesagt —, Frau Lepsius, geht ja auf Kosten der Hausfrau, die Sie mancherorts gönnerhaft als „Nur-Hausfrau" bezeichnen. Ein Teil Ihrer Emanzipationsideologie ist schließlich ganz schlicht Miesmacherei. Die Hausfrau und Mutter wird miesgemacht. Die Hausfrau muß sich, wenn ich manche Reden höre, geradezu wie ein defizitäres Wesen, ein Mängelwesen, vorkommen.Nicht alles Heil kann in der Erwerbsarbeit liegen. Aber in den heiligen Büchern des Sozialismus erscheint die nicht erwerbstätige Frau als beschädigtes Wesen.
— Ich weiß gar nicht, warum Sie etwas gegen das 19. Jahrhundert haben. Da hat doch der Karl Marx gelebt, aus dem Sie dauernd Ihre Begründung auch für diese Politik schöpfen.
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Dr. BlümFriedrich Engels — lassen Sie mich aus dem 19. Jahrhundert zitieren — sah die Lösung der Frauenfrage — ich zitiere Engels — „In der Wiedereinführung des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie".Und August Bebel
— ich werde doch wohl noch die Kirchenväter des Sozialismus hier ohne Ihren Einspruch zitieren dürfen! —
— nein; Gott sei Dank haben wir keine Kirchenväter des Sozialismus —,
August Bebel blieb auf dieser Spur mit seinem Buch „Die Frauen des Sozialismus". Und Sie haben, wie die heutige Debatte beweist, diese Spur ja geradezu zum Trampelpfad ausgetreten.Der alte Marxismus verkündet den Frauen als neuen Fortschritt: Der Mensch ist Mensch nur in der Arbeit.Ich frage: Wieso ist eigentlich nur Erwerbsarbeit Arbeit? Es ist ein seltsamer Widerspruch, daß ausgerechnet jene, die gegen die Inhumanität der Leistungsgesellschaft polemisieren, ihren ganzen Ehrgeiz offenbar darauf verwenden, daß möglichst viele Frauen in diese Leistungsgemeinschaft eingespannt werden, und offenbar nicht ruhen noch rasten, bis auch die letzte Mutter erwerbstätig ist.
Wo da der Sinn ist, habe ich noch nie begriffen.Und als Trost dafür haben Sie dann einen sechswöchigen Urlaub vom Streß der Doppellast, Mutter und erwerbstätige Frau zu sein.Die Welt wird härter, wenn wir uns nicht mit jenem verbissenen Emanzipationsfanatismus entgegenstellen. Ich zitiere wieder:Das Den-Männern-nicht-mehr-Nachstellen ist die große Errungenschaft. Der dafür gezahlte Preis aber ist die neue und radikale Variante von Unterdrückung, nämlich der auferlegte Verzicht, die Welt weiblich zu sehen und das Zusammenleben nach weiblichen Kriterien mitzubestimmen.Dieses Zitat stammt von einem Mann, der nicht der CDU nahesteht. Es stammt von Hans Eberhard Richter.Familienpolitik muß endlich die Mutter aufwerten und den Mutterberuf anerkennen und aufwerten. Auf ihn sind wir angewiesen. Er ist eine Leistung, deren auch die Gesellschaft bedarf.Die erwerbstätige Mutter steht unter einer dreifachen Last: Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Mutterarbeit. Sie muß entlastet werden, freilich nicht nur durch das Familiengeld — das wissen auch wir —, und auch die Väter dürfen sich nicht drücken und Fahnenflucht aus der Familie betreiben. Das Zeitalter des Patriarchats ist vorbei. Die Frauen sind kein familiäres Bedienungspersonal. Sicher, die Kinder brauchen Vater und Mutter. Niemand kann sich aus der Verantwortung drücken.Unsere Politik zielt darauf, daß der Mutter die Wahlmöglichkeit gelassen wird, sich ganz ihrem Kind zu widmen, daß sie nicht zur Erwerbsarbeit gezwungen und nicht unter wirtschaftlichen Zwängen in die Leistungsgesellschaft einbezogen wird.
— Es ist mir klar, daß das Sie etwas aufregt. Aber lassen Sie mich zum Schluß kommen.Das Familiengeld beschränkt sich nicht auf sechs Monate bezahlter Freistellung, sondern gibt den Müttern die Chance, auf Erwerbsarbeit länger zu verzichten, und honoriert die Arbeit der Mutter, die zu Hause geblieben ist.Sechs Monate Urlaub sind — ich gebe es zu — besser als nichts. Das ist der Grund für mich und viele meiner Kollegen, dem Mutterschaftsurlaub zuzustimmen. Aber auch die, die zustimmen, halten den Mutterschaftsurlaub nur für eine Teillösung und nur für eine Ersatzlösung, während das Familiengeld die bessere, die beste Lösung ist.
Mutterschaftsurlaub ist verbesserter Mutterschutz. Das ist Arbeitsrecht. Familienpolitik ist der Mutterschaftsurlaub noch nicht. Wer Familienpolitik will, muß dem Familiengeld zustimmen.Lassen Sie mich am Schluß noch die Finanzfrage mit einem Satz ansprechen. Ich bin sicher, daß jede Mark, die wir für die intakte Familie einsetzen, eine doppelt gesparte Mark ist, weil wir sie sonst übermorgen für Psychiater und Polizei ausgeben müssen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein gütiges Geschick fügt es, daß dies eine sehr lange Debatte geworden ist. So ist das Wirklichkeit geworden, was auf einem Zettel für mich stand: Wenn die Debatte lang wird, muß der Egert auch noch reden. Also muß ich jetzt reden. Dies hat damit zu tun, daß Sie uns als eine sehr vielzüngige Opposition heute gegenübergetreten sind. Ich kann Ihre Schwierigkeiten verstehen. Daß das dem Parlamentarismus nicht unbedingt guttut, das ist ein anderes Ding.
— Wir unterhalten uns einmal privat über Berlin. Da gebe ich Ihnen gern Privatunterricht, dann können Sie das ein bißchen verstehen, Herr Kollege Franke. Aber jetzt reden wir über Mutterschaftsurlaub und über Ihren Familiengeld-Gesetzentwurf,
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12112 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
EgertSie lassen mich sehr verwirrt zurück. Da ist der Herr Kollege George. Der sagt hier für die Union: Wir lehnen diesen Mutterschaftsurlaub-Gesetzentwurf ab. Da spricht der Kollege Blüm hier für andere — ich weiß nicht, für wen —, und der sagt: Wir stimmen, aber schweren Herzens, Ihrem Gesetzentwurf zu, aber am Prinzip sind wir auch dagegen. Auch eine sehr komische Position.
Da ist die Frau Kollegin Geier, die uns hier sehr beredt Wissenschaftler vorführt, die dies und das sagen, die hier als weiblicher Süsterhenn offensichtlich Konkurrenz machen will in diesem Parlament. Da kommen dann so viele flankierende Beiträge, bei denen man sich fragt: Was soll das alles. Eines soll es ganz sicher: ablenken von dem Schritt, der nun wirklich gegangen wird.
Jetzt will ich Ihnen erst mal eines sagen: Das Mutterschaftsurlaubsgeld-Gesetz kommt und wird für die Fließbandarbeiterin in diesem Land ein Stück Fortschritt bringen.
Da mag man darüber, wie weit dieser Schritt ist, hier rechten und streiten, für die Fließbandarbeiterin wird es ein konkreter Fortschritt sein. Dies lassen wir uns nicht zerreden. Da können Sie hier noch so viele Vorhänge in das Schaufenster zu hängen versuchen. Dieses Spiel wird Ihnen nicht gelingen.
Über Familienpolitik werden wir in diesem Haus noch häufig zu reden haben, allerdings nicht auf der Grundlage von Familiengeld-Gesetzentwürfen, die nur mit dieser Absicht, etwas ins Fenster zu hängen, gestrickt worden sind, sehr schnell gestrickt worden sind und eine ganze Menge Webfehler haben. Das ist hier ausführlich dargetan worden; das will ich hier nicht wiederholen.Nun kommen wir zu dem, was sozusagen den ideologischen Vorspann macht, was deutlich machen soll, wohin die „familienzerstörerische Politik der SPD" führen soll. Da wird dann gesagt: Ihr mit eurem Gesetzentwurf treibt die Frauen in die Erwerbstätigkeit. Wer will denn das? Hier gibt es zigtausend Frauen, die in diesem Land erwerbstätig sind, und zwar weil die materielle Situation ihrer Familie so ist, daß sie es sein müssen. Es geht hier nicht nur um die wenigen, die es sein dürfen oder können, bei denen Emanzipation und so etwas eine Rolle spielt.
Da gehen wir einen Schritt, der ihnen ein Stück Familie für einen begrenzten Zeitraum schafft. Da sollten Sie doch mittun und sollten dies nicht zerreden, sondern auch ein Stück weit anerkennen.
Nun kommen wir zu dem Punkt: Wie sieht denn das mit dem besonderen Schutz der Familie nach unserer Verfassung aus? Wir haben ja am 23. Mai den 30. Geburtstag. In dem Grundrechtsartikel, der so häufig mißbraucht wird, steht nicht, daß die Familie ein Getto ist, das abgeschlossen von der Gesellschaft lebt, sondern darin steht, daß diejenigen, die in der Familie leben, in dieser Gesellschaft leben sollen, und zwar als Frau, Mann, Kind gleichermaßen mit gleichen Rechten und gleichen Chancen.
Dies ist gegenüber Ihrem Familienbegriff allerdings ein anderer.Sehr verräterisch war Frau Geier doch heute in der Debatte, die gesagt hat: Wir wollen die Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten. Das wollen wir allerdings nicht. Wir wollen Wahlmöglichkeiten. Wir wollen — um es mit einer populären und abgewandelten Parole zu sagen — „mehr Freiheit statt Konservativismus". Dies wollen wir tatsächlich.
Dies ist ein Punkt, bei dem wir dann ein bißchen weiter über unsere Verfassung reden sollten und über die Chancen, die diese Verfassung gibt.Da bin ich mit Ihnen sofort einig, wenn Sie sagen: Was können wir denn hier tun an familienentlastenden Einrichtungen? Was fehlt noch? Da fehlt eine Menge gegenüber der Bestandsaufnahme. Daß familienpolitisch etwas getan werden muß, auch für die nicht erwerbstätige Hausfrau und ihre Situation, ist zweifellos richtig. Nur, wenn man die Situation der besonders belasteten erwerbstätigen Frau und ihre Beziehung zu Kind und Familie sieht, dann ist abzuwägen, wo man den ersten Schritt setzt. Da haben wir uns entschieden, ihn dort zu setzen.
Dies ist kein Argument gegen den zweiten Schritt,sondern dies ist eine logische Abfolge von Schritten.Dazu bin ich nun der Meinung, wir sollten dann auch einmal weiter darüber reden, wie denn das ist. Hier hat der Kollege Blüm darüber räsoniert. Das kann nur ein Räsonieren sein. Er hat gesagt: Was ist denn nun mit der Nach-Feierabend-Mutter, die am Tag am Fließband steht? — Was ist denn nun mit der Nach-Feierabend-Familie, wo der Vater am Tag am Fließband gestanden hat und die Hausfrau zu Hause war?
Wenn das so ist, Herr Kollege Blüm, dann ist doch die ganze Wahrheit die, daß wir die Familiensituation, die Beziehung von Mann und Frau, von Mann, Frau und Kindern und der Familien, die keine vollständigen Familien sind, auch möglich machen müssen unter den Bedingungen, unter denen sie leben. Dies gehört dann zu der gesamten Diskussion. Das kann man nicht einfach wegwischen, indem man den Mund sehr voll nimmt und sagt: „Wir machen jetzt ein Versprechen in die eine Richtung." — Sie waren heute sehr vollmundig.Nur, dies ist nicht die Lösung der Probleme. Die Lösung liegt darin, daß es uns insgesamt gelingt, nicht nur nach Familienpolitik zu rufen, sondern ein
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EgertStück weit auch zu fragen: Wo wird denn die Gesellschaft insgesamt familienfreundlicher, damit die familienpolitischen Maßnahmen, die in vielfältiger Form auch in anderen Bereichen, wo sie nicht diese Überschrift haben, auch wirklich wirken können?
Dies hat dann auch ein bißchen damit zu tun, daß wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Gesellschaft gemeinschaftlich darauf ausrichten.Da hilft es eben nicht, wenn Herr George hier beredt beklagt, was das alles für schlimme Folgen hat. Hinter all diesen beredten Klagen verbirgt sich doch nur, daß er die Last von den Unternehmen wegnehmen und auf den Staat schieben will. Dies ist aus seinem Interesse und seiner politischen Herkunft legitim. Nur soll er uns doch hier nicht blinder zu machen oder Sand in die Augen zu streuen versuchen, warum er die Rede so hält, wie er sie hier gehalten hat. Daß er sie so gehalten hat, ist verständlich. Ich werfe es ihm auch nicht vor. Er soll das bloß nicht mit ideologischen Kampfbegriffen verbrämen, die nur den Zweck haben, von den wirklichen Problemen der Familie • in unserer Gesellschaft abzulenken.
Da ist der Punkt, wo es dann auch nicht ausreicht zu sagen, wie es der Kollege Blüm hier getan hat: „Bitte schön, dann richten wir sozusagen den Beruf der Hausfrau ein, verleihen ihm quasi den Begriff der Erwerbstätigkeit." Natürlich wird in der Familie gearbeitet, wird von der Mutter, die nicht erwerbstätig ist, gearbeitet. Wer will dies in Abrede stellen! Nur sollten wir die Begriffe nicht verändern. Die Einführung eines Honorars, also die quasi Professionalisierung der Hausfrau, halte ich nicht für den Ausweg.Sie haben hier von Chancengleichheit, von Gleichberechtigung gesprochen. Wenn alle unsere Anstrengungen, die in anderen Feldern der Politik unternommen werden, Frauen den Zugang zum Beruf zu ermöglichen, Ausbildungschancen auszugleichen, zu verbessern, richtig sind, dann müssen die doch irgendwo zusammenkommen. Dann kann doch der Ausweg nicht die Professionalisierung der Hausfrau sein, sondern dann müssen die im Familienverband Lebenden die Wahlmöglichkeit, die Möglichkeit der Entscheidung haben, wie sie ihre Aufgaben verteilen wollen. Dazu wollen die Sozialdemokraten in dieser Koalition beitragen. Dazu werden wir Ihnen auch noch Vorstellungen entwickeln. Allerdings lassen wir uns die Zeit zur Diskussion und zur Überlegung. Mit Schnellschüssen hilft man hier niemandem. — Nebelkerzen, Herr Kollege Blüm, helfen da auch nichts.Wissen Sie — das als ganz persönliches Wort zum Abschluß —: Sie kommen mir vor wie eine christdemokratische Wunderkerze. Sie versprühen viele Ideen. Ich freue mich auf den Tag, wo eine Ihrer Ideen in Ihrer Fraktion mehrheitsfähig wird. Dann werde ich mich uneingeschränkt mit Ihnen freuen. Ich glaube, ich muß noch etwas warten. So kann ich mich nur an dem schnell vergehendenGlanz von Wunderkerzen freuen. Dies reicht nicht aus.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abgeordnete Wex.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während der Debatte konnte man heute den ganzen Tag die Überzeugung gewinnen: Jetzt ist es so weit, jetzt hat die Familienpolitik die große Chance, Richtung zu weisen. Der von uns mehrheitlich vorgelegte Entwurf eines Familiengeldgesetzes hatte eigentlich gar keine Gegenargumente aufzuarbeiten, außer daß er von der CDU/CSU kam und daß er vielleicht nicht finanzierbar ist.
Es wurde gesagt: Wir werden auch so etwas machen. — Sie werden ja nachher bei der Abstimmung sehen, Herr Glombig, wie es aussieht. Darauf waren Sie ja vorhin schon so gespannt. Daß Sie hier im Parlament gesagt haben, Sie werden das alles irgendwo und irgendwann auch einmal machen, ist nicht ausreichend. Ihre Lernprozesse sind uns einfach zu teuer, auch materiell. Der Bildungskongreß in den letzten Tagen in Böblingen zeigt deutlich, was Sie an Experimenten zurücknehmen müssen. Ihre eigenen Leute sagen, wie Herr von Friedeburg, vor zehn Jahren habe sich die sozialdemokratische Schulpolitik vor allem die Modernisierung und die Chancengleichheit zum Ziel gesetzt; heute seien andere Antworten nötig. Aber wer gibt denn den Kindern die verpaßten Chancen zurück, wenn sie jahrelang als Betroffene den hinterher als gescheitert erklärten Versuchen ausgesetzt waren und sind?
Soll es der Familie nun auch so ergehen? Im Auftrag des SPD-Kultusministers von Nordrhein-Westfalen hat die Gesamthochschule in Essen ein Gutachten veröffentlicht, in dem es heißt:Die Reformer haben in der Euphorie der 60er Jahre die Wirkungsmöglichkeiten der Institution Schule, Vorklassen und Kindergarten unterschätzt. Es muß eine Umkehr erfolgen. Für die Kinder ist es das wichtigste, daß die Eltern zur Erziehung Zeit haben.Der vorliegende Gesetzentwurf über den Mutterschaftsurlaub wird diesen Erkenntnissen und den gesellschaftspolitischen Anforderungen von heute nicht gerecht, denn er verweigert die Chancengerechtigkeit für alle Mütter in der Bundesrepublik. Hier werden wieder einmal durch die Mehrheit, die nicht hört, was die Opposition sagt, die gesellschafts- und familienpolitischen Weichen falsch gestellt. Die heute zur Entscheidung anstehenden Fragen sind ein Ausschnitt aus der Problematik Frau und Gesellschaft. Wir haben diese Fragen — auch Herr Wehner hat das ja in einer Presseerklärung gesagt — nie isoliert von der vordringlichen Frage der Stärkung der Familie gesehen.Frau Dr. WexDie vor zwei Tagen veröffentlichte Kriminalstatistik unterstreicht eindrucksvoll, daß die Politik ihre schwersten Fehler dann begeht, wenn sie nicht zur Kenntnis nimmt, daß es zwischen der Situation der Kinder in der Gesellschaft, der Orientierungslosigkeit vieler Jugendlicher und Erwachsener und der ungenügenden Hilfe für die Erziehungsfunktion der Familie einen engen Zusammenhang gibt. Die gesellschaftspolitische Situation draußen spricht eine andere Sprache als der Vorschlag der Bundesregierung. Während Sie an dem Irrweg festhalten und ihn jetzt auch noch durch einen Gesetzentwurf festschreiben wollen, der besagt, daß die Gleichberechtigung der Frau im Erwerbsleben erst einmal vorgezogen werden muß, haben die meisten Frauen bereits erkannt, wie falsch diese Einseitigkeit ist.Sicher, Frau Lepsius, die Frauen haben heute eine andere Einstellung zur Berufstätigkeit, eine positive, und das ist richtig. Sie wollen aber frei sein, zu entscheiden, was sie tun wollen, und nicht durch Gesetze, die einseitig bevorzugen, gezwungen werden, etwas zu tun. Ist es denn wirklich freiheitlich, daß man erst berufstätig sein muß, wenn man ein Kind bekommen will, um die Vorteile der Absicherung zu bekommen?Es wurde über die Anrechnung der Erziehungsjahre gesprochen. Sie wissen, 'daß wir in unserem Erziehungsgeldentwurf aus dem Jahre 1974 die Anrechnung der Erziehungsjahre haben und daß wir in unserem Familiengeldentwurf auf die Lösung im Jahre 1984 hinweisen. Ich persönlich bin der Meinung, daß wir diese Jahre nicht noch hingehen lassen sollten. Die Anrechnung der Erziehungsjahre ist ein ganz wichtiger Schritt.Frau Lepsius hat so leichtsinnig auf den Versorgungsausgleich hingewiesen. Ich meine schon, daß eine dringende Notwendigkeit besteht, einen Ausgleich für die Tatsache zu finden, daß man sich heute eine eigenständige Sicherung eher erscheiden als durch Kindererziehung erarbeiten kann.
Dieses alles sind Zusammenhänge, auf Grund deren wir sagen müssen: die Beschäftigung der Frauen im Haushalt ist keine Freizeitbeschäftigung ohne gesellschaftlichen Wert.Der Gesetzentwurf betreffend das Mutterschaftsgeld ist darüber hinaus ein Schlag gegen die Gleichberechtigung, weil er allein auf die Frauen abstellt. Dem Mann wird es unmöglich gemacht, bei freier Entscheidung die Aufgaben in der Familie wahrzunehmen. Damit schränkt der Gesetzentwurf die Wahlfreiheit der Ehepartner ein. Er verordnet ein Modell. Sie verfallen in den alten Fehler einer sozialistischen Politik, Sie teilen Lebenschancen zu, anstattt klare Rahmenbedingungen für eine freie Entscheidung zu schaffen.
— Ja, aber die Zuteilung, die Tatsache, daß manetwas herausnimmt, ohne dem anderen die Chancezu geben, meine ich, ist doch eine Ungerechtigkeit.Einseitigkeit ist, wie wir meinen, doch immer Ungerechtigkeit.
Einer der größten Fehler dieses Gesetzes ist — das ist doch wohl bei der augenblicklichen Arbeitsmarktlage nicht zu bestreiten —, daß er die Gefahr beinhaltet, die Berufschancen der Frauen weiter einzuengen.Ihr Gesetzentwurf ist — um es zusammenzufassen, und die dritte Lesung dient ja dazu — gegen die Gleichberechtigung der Frau gerichtet, weil er den Graben zwischen Hausfrauen und erwerbstätigen Frauen erweitert, anstatt ihn zuzuschütten, gegen die Gleichberechtigung und Partnerschaft gerichtet, da er den Mann volkommen ausspart, gegen die Chancen der berufstätigen Frauen gerichtet, weil er deren Chancen möglicherweise einengt, gegen die Familie gerichtet, weil er einen Zwang zur Berufstätigkeit ausübt, gegen die Wahlfreiheit gerichtet, weil er Lebenschancen zuteilt, gegen die soziale Gerechtigkeit gerichtet, weil er die nur in der Familie tätige Mutter unsozial behandelt.Die FDP — und damit möchte ich auch auf Frau Matthäus und Frau Funcke eingehen — spielt in dieser Auseinandersetzung eine besondere Rolle. Sie verabschiedet auf Parteitagen einen Betreuungszuschlag für die Eltern bei der Geburt eines Kindes, also einen Plan, der unserem ursprüglichen Erziehungsgeld oder dem Familiengeld ähnelt. Aber ich darf darauf hinweisen, Frau Funcke und Frau Matthäus: Den Begriff Betreuung sollten wir so nicht benutzen. Wir wollen Erziehung und Zuwendung und nicht allein eine Betreuung.Das Geld wollen wir im übrigen an die Familie binden und nicht irgend jemandem geben.Und, Frau Matthäus, müssen wir hier wirklich das abarbeiten, was Sie gesagt haben: daß Liebe nicht durch Geld ersetzt werden kann? Aber wie kommen wir denn eigentlich dazu, daß wir den Müttern, die aus finanziellen Gründen arbeiten gehen müssen und bei ihren kleinen Kindern bleiben wollen, die finanzielle Hilfe verweigern? Das kann doch nicht die Idee dieses Entwurfes sein.Nur noch etwas Grundsätzliches. Sicherung und Anerkennung der Familie in einem freien Staat ist natürlich zuerst einmal auch eine Frage an die Kraft der Gesellschaft und zunächst nicht die Aufgabe des Staates. Aber bei der Entwicklung der Lage der Familie müssen wir eine Komplettierung der Sozialgesetzgebung und eine Umstrukturierung der Finanzen vornehmen. Es ist ein aktives Aufbringen für Familienpolitik nötig, um die Familien in die Lage zu versetzen — und ihnen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen —, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Staat — darüber sind wir uns doch hoffentlich einig — kann nicht ausschließlich Sachinvestitionen unterstützen und die Erfüllung der Familienaufgaben als Zukunftsinvestition der Familie alleine überlassen.Der Gesetzentwurf zur schrittweisen Einführung eines Familiengeldes vermeidet alle Nachteile, die das Mutterschaftsgeld mit sich bringt, und weist von
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12115
Frau Dr. Wexunserem Ansatzpunkt her den richtigen Weg. Die Familie als Einheit wird gestärkt und gefördert, die Frau wird nicht losgelöst von der Familie allein unter dem Aspekt der Erwerbstätigkeit gesehen. Das Familiengeld für alle Väter und Mütter wahlweise schafft daher auch Gleichberechtigung und Partnerschaft. Hausfrauen und Mütter, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sowie Selbständige dürfen nicht diskriminiert werden. Auch Väter dürfen nicht ausgeschlossen werden, wenn sie die Betreuung und die Erziehung ihrer Kinder übernehmen.Das Familiengeld: 18 Monate; es soll in weiteren Stufen für Kinder bis zu drei Jahren ausgeweitet werden. Die Zeitzuwendung ist der wichtigste Ansatzpunkt dieses Familiengeldes. Es sichert dem Kind eine ständige Bezugsperson innerhalb der Familie, baut den Zwang zur Erwerbstätigkeit für Mutter oder Vater während der ersten Lebensjahre des Kindes ab, ist eine Anerkennung der Erziehungsleistung als wertvollen Beitrag für die Zukunft der Gesellschaft, fördert die Wahlfreiheit und Partnerschaft zwischen Mann und , Frau, bringt Entlastung besonders für unvollständige Familien, erleichtert die Annahme ungeborenen Lebens in Schwangerschaftskonflikten, ist ein wertvoller Beitrag zur längerfristigen Gewährleistung des Generationenvertrags und der Alterssicherung.Nun möchte ich zugeben, daß es sich CDU und CSU mit ihrer Entscheidung nicht leichtgemacht haben. Die Differenzen will ich hier auch gar nicht unter den Teppich kehren. Aber wenn wir Differenzen haben, dann sind sie nicht im Grundsätzlichen zu suchen, sondern sie hängen ursächlich mit der von der Bundesregierung zu verantwortenden Staatsverschuldung zusammen. Ich respektiere den Standpunkt, unter allen Umständen zu sparen. Sie finden aber unter den Abgeordneten der CDU und der CSU niemanden, der nicht der Erziehungsleistung innerhalb der Familie und der Gleichbehandlung aller Frauen erhöhte Priorität einräumte. Das Familiengeld würde — ich sage das, weil wir immer von Finanzierung gesprochen haben — im zweiten Halbjahr 1979 rund 450 Millionen DM mehr kosten als das Mutterschaftsurlaubsgeld der Bundesregierung. Für die folgenden Jahre ist mit Mehrkosten von durchschnittlich 2,5 Milliarden DM zu rechnen, die sich jedoch dadurch um mehrere hundert Millionen DM reduzieren, daß die notwendige Unterhaltung von Kinderkrippen und deren weiterer Ausbau überflüssig wird, die ständige Betreuung des Kindes in der Familie Entwicklungsstörungen verhindert. Wenn, wie wir heute wissen, ein Heimplatz 2 000 DM im Monat kostet, dann sollte dieses Geld zur Vermeidung von Schäden erst einmal den Eltern zur Verfügung gestellt werden.SPD und FDP sprechen gegen das Familiengeld; es sei zu teuer, nicht finanzierbar und unseriös. Aber jede Haushaltsplanung setzt politische Entscheidungen voraus. Insofern spiegelt die Verteilung der Finanzmittel die politischen Prioritäten der Regierung wider.
Die Einführung des Familiengeldes ist nach unserer Meinung daher nicht zuerst eine Frage des Geldes, sondern Ausdruck des politischen Willens.
Die Bundesregierung will den Vorschlag eines Familiengeldes mit der Behauptung abtun, daß nur ein geringer Prozentsatz berufstätiger Frauen bereit sei, für 400 DM monatlich auf ein eigenes Erwerbseinkommen zu verzichten. Tatsachen beweisen jedoch das Gegenteil. Seit dem 1. Juli 1978 läuft in vier Gemeinden Niedersachsens ein Modellversuch, bei dem Mütter oder Väter ein monatliches Erziehungsgeld von 350 DM erhalten, wenn sie zugunsten der Kindererziehung auf eine Erwerbstätigkeit verzichten. Alle Erwartungen hinsichtlich des Erfolgs diese Versuchs sind bereits bis zur Hälfte des Versuchszeitraums weit übertroffen worden. Das Beispiel in Niedersachsen beweist die Erfolgschancen, die in unserer Initiative stecken. Hier unterscheiden sich die Auffassungen von Opposition und Regierungskoalition grundsätzlich.Wenn auch, wie ich zugebe, einige ordnungspolitische, finanzpolitische und Verfahrensfragen noch weiterer Diskussion bedürfen, so sind wir uns in der CDU/CSU doch vollkommen einig in dem Willen, allen Familien wirksam zu helfen, ihre Erziehungskraft zu stärken und ihre Leistung anzuerkennen. Unser Weg, keine diskriminierenden Schranken zwischen berufstätigen und nicht berufstätigen Müttern zu errichten, ist unter familienpolitischen Gesichtspunkten mit Sicherheit ein richtigerer Weg als der, den die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf eingeschlagen hat. Um wenigstens einen Schritt weiterzukommen, hat die CDU/CSU einen Änderungsvorschlag unterbreitet, der wenigstens die größte Ungerechtigkeit ausgleicht, nämlich daß die nichterwerbstätige Mutter etwa völlig leer ausgeht. Wir haben bei unseren Vorschlägen, die Sie alle abgelehnt haben, die Haushaltssituation nie aus dem Auge gelassen und darum ein abgestuftes Verfahren ins Auge gefaßt, das der Gesamtsituation der berufstätigen Frauen, der Hausfrauen und Mütter Rechnung trägt, schrittweise zu einer Verbesserung führt und die Wahlfreiheit zwischen außerhäuslicher Und innerhäuslicher Berufstätigkeit ermöglicht.Wir müssen nun — von der jetzigen Lage und der Mehrheit ausgehend — noch einmal appellieren, doch dem Familiengeldgesetzentwurf zuzustimmen, weil wir der Meinung sind, daß es die richtigere Gesamtkonzeption ist.- Wir müssen nun von den kleineren Vorstellung ausgehen. Wir wissen, daß die Bundesregierung und die Koalition im Augenblick nicht bereit sind — trotz aller Ausführungen der Redner in der Diskussion heute —, den größeren Schritt mitzumachen.Wir befürchten zum Schaden der Sache, daß Sie sich erst vor bestimmten Wahlkämpfen schrittweise unserer Konzeption annähern werden. Ihre Diffamierungen, unsere Vorstellungen seien nicht finanzierbar, werden dann vergessen gemacht werden, genau wie vor der Sommerpause im vorigen Jahr, als Sie die Erklärung, es sei kein Geld vorhanden, nicht
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12116 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Frau Dr. Wexgehindert hat, nach der Sommerpause für den Mutterschaftsurlaub Geld zur Verfügung zu haben. Wir wollen keine unterschiedliche Bewertung von Hausfrauen und Müttern innerhalb und außerhalb der Familie. Wir wollen qualitativ mit unseren Anträgen besonders hinsichtlich des Familiengeldes etwas ganz anderes, nämlich die Stärkung der Familie als Einheit und nicht die Stärkung der einzelnen Teile.Sie sind nach den Ausführungen in der Debatte, wie wir gehört haben, nicht daran interessiert, die Erziehungskraft im Sinne der Einheit der Familie zu stärken. Wir haben vielmehr den Verdacht nicht loswerden können, daß Sie eine Umerziehung der Gesellschaft wollen. Ein Wandel wird erst eintreten können, wenn die bessere und menschlichere Konzeption die Sache einer besseren Regierung ist. Der Opposition bleibt in diesem Falle heute nichts anderes, als ihre andere, für unsere Begriffe bessere, weiterfassende, menschlichere Konzeption hier vorzuschlagen und die Mehrheit zu bitten, auch diesen weitergehenden Vorschlägen zuzustimmen, zumal wir glauben, daß Sie auf die Dauer weder darum herumkommen werden noch darum herumkommen wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wenn die Länge der Debatte Beweis für die Qualität derselben wäre, dann hätten wir heute eine ungewöhnlich gute Debatte geführt. Ich befürchte allerdings, daß dies nicht der Fall ist.
Die Quantität der Minuten steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Qualität eines Teils der Beiträge.
Selbst die Fachleute, die möglicherweise die Summe von Programmzitaten und vielen programmatischen Äußerungen, die hier getan worden sind, verstehen mögen, sind sich im Detail Qffensichtlich auch innerhalb der CDU/CSU-Fraktion nicht völlig einig. Lassen Sie mich deswegen noch einmal versuchen, mit einigen wenigen Sätzen unser Anliegen hier klarzumachen. Das Ziel ist es, die Situation der Kinder zu verbessern, und wir halten dies für praktizierte Familienpolitik.
Wir möchten, daß die Mütter möglichst lange bei ihren Kindern sind, und ich persönlich — daraus mache ich überhaupt kein Hehl — finde es besser, wenn Mütter statt Väter bei ihren Kindern sind, was nicht ausschließt, daß ich natürlich die rechtliche Gleichstellung unterstütze.
Nun haben wir für diesen, wie uns scheint, sinnvollen Zweck 900 Millionen DM freizumachen versucht, und wir sind nicht böse darüber, daß uns dies gelungen ist. Jetzt erhebt sich doch lediglich die Frage, wie wir diese Summe im Sinne des eben genannten Zieles sinnvoll einsetzen. Da kann es doch wohl durchaus sinnvoll im Sinne eines ersten Schrittes sein, Frau Wex, wenn wir diese Summe zunächst einmal bei den Müttern einsetzen, die wegen ihrer Berufstätigkeit nun einmal nicht zu Hause sind. Wir nehmen an, daß die meisten dieser Mütter arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Der Kollege Blüm hat gesagt, das sei das Ergebnis fehlgeleiteter sozialliberaler Politik. Dem muß man natürlich widersprechen, weil es nicht stimmt.
Tatsache ist, daß ein Teil der Familien auf dieses Einkommen angewiesen ist. Dann ist es doch vernünftig und richtig, die vorhandenen Mittel so einzusetzen, daß diesen berufstätigen Müttern die Möglichkeit gegeben wird — auch finanzielle —, zu Hause bei ihren Kindern bleiben zu können, sich als Mutter zu betätigen. Alles Drumherumreden nützt nichts, die Mittel können am sinnvollsten — immer im Sinne eines ersten Schrittes — bei den berufstätigen Müttern eingesetzt werden. Der erste aufgezeigte Alternativvorschlag erfordert 3,6 Milliarden DM. Das ist nicht finanzierbar; das brauche ich im Detail hier nicht zu begründen; das haben freundlicherweise die Kollegen der CDU/CSU im Ausschuß untereinander ausgemacht, indem sie dort durch ihr Abstimmungsverhalten demonstriert haben, daß es unterschiedliche Meinungen gibt. Ich finde, dies ist zwar kein Zeichen von Liberalität, aber immerhin von sympathischer Individualität, und ich möchte das deshalb nicht kritisieren, sondern mein Verständnis für dieses unterschiedliche Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen.
Wenn nun der eine Teil der CDU/CSU-Fraktion diesem Vorschlag nicht zustimmt, so werden wir dies zur Kenntnis nehmen müssen. Wir müssen diesen Kollegen allerdings den Vorwurf machen, daß ihre Verhaltensweise nicht besonders logisch ist. Wenn ich das Weniger nur deswegen nicht bejahe, weil ich zur Zeit das Mehr nicht erreichen kann, dann ist dies für mich keine hinreichende Begründung.
Ich meine, die richtige Reaktion auf diesen vernünftigen ersten Schritt wäre, den ersten Schritt dankbar zur Kenntnis zu nehmen und gemeinsam zu überlegen, wie man später möglicherweise mehr machen kann. Dies stünde denjenigen, die in diesem Land immer von Anspruchsinflation reden, ganz besonders gut zu Gesicht. Ein wenig mehr Bescheidenheit täte uns allen gut. Ich bitte auch die Kollegen der CDU/CSU, in diesem Sinne zu verfahren.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach den langen Ausführungen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12117
Bundesminister Dr. Ehrenbergüber Leit- und Rollenbilder ganz kurz und knapp zum Schluß noch einmal auf die konkrete Zielsetzung unseres Gesetzentwurfs zurückkommen. Es geht darin ganz konkret um verbesserten Mutterschutz für Arbeitnehmerinnen.
Der Kollege Blüm hat in diesem Zusammenhang beklagt, daß das Arbeitsrecht sei und keine Familienpolitik. Das ist richtig, Herr Blüm, aber es ist gutes Arbeitsrecht, und wir stehen zu diesem Arbeitsrecht.
Es hat sich über lange Jahre herausgestellt, daß acht Wochen nach der Entbindung zu wenig sind, daß es notwendig ist, der Arbeitnehmerin die Möglichkeit zu geben, sich wenigstens in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ohne Belastung durch den Beruf ihrem Kind widmen zu können, ohne daß sie deshalb aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müßte. Die um vier Monate erweiterte Freistellung von der Arbeit ist der Kern des Mutterschaftsurlaubs. Alle anderen damit zusammenhängenden Maßnahmen — Fortzahlung des Mutterschaftsgeldes, Aufrechterhaltung der sozialen Sicherheit und Arbeitsplatzgarantie — sind notwendige Rahmenbedingungen. Ohne diese Bedingungen wäre die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen nicht in der Lage, von dieser Möglichkeit wirklich Gebrauch zu machen.
Es ist schon recht merkwürdig, daß sich der Streit der Fraktionen gerade an der Zahlung des Mutterschaftsgeldes entzündet hat. Die Länge der Debatte hat in diesen Fragen nicht mehr Klarheit gebracht. Hier ist von der Opposition in unzulässiger Weise verkürzt worden, da immer wieder allein auf die Geldleistungen abgestellt worden ist.
— Das haben sehr viele von Ihnen getan. Herr George, Sie haben das nicht getan; auf Ihren Beitrag komme ich noch ausführlich zurück.Wegen dieses Abstellens auf die Geldleistungen muß ich hier folgendes noch einmal wiederholen. Seit mehr als inzwischen fast 100 Jahren ist die rechtliche Freistellung der Mütter nach der Entbindung gutes Arbeitsrecht. Die dann gezahlten Leistungen bleiben eine Lohnersatzleistung. Das kann man nicht mit eigenständigen familienpolitischen Leistungen in einen Topf werfen, und man kann auch nicht das Kindergeld — wie Herr Kollege Blüm das getan hat —, das eine eigenständige soziale Leistung ist, plötzlich gleich einer Zauberei aus dem Hut gegen die Umsatzsteuer aufrechnen. Herr Kollege Blüm, ich bitte Sie, nur einen kleinen Moment zuzuhören. Für eine Familie mit vier Kindem — wie die Ihre — sieht die Rechnung folgendermaßen aus. Sie erhalten ab 1. Juli künftig in jedem Jahr 1 440 DM mehr Kindergeld und werden bei voller Überwälzung — diese ist sehr unwahrscheinlich — mit 165 DM im Jahr durch die Umsatzsteuer belastet. Es bleibt ein Saldo von 1275DM netto im Jahr. Das nenne ich eine stolze Leistung für die Familie, die Sie nicht vom Tisch wischen können.
Im Zusammenhang mit der Realisierbarkeit möchte ich noch eine Bemerkung an Kollegen Höpfinger richten, der bezweifelt hat, daß unser Finanzkonzept auf sicheren Füßen steht, und als Beweis dafür den Rentenanpassungsbericht angeführt hat. Im Rentenanpassungsbericht steht eindeutig, daß bis 1981 die Beitragsausfälle in der Renten- und Krankenversicherung durch den Bund getragen werden. Im Rentenanpassungsbericht heißt es weiter — ich zitiere —:Hier wird allerdings kein Präjudiz für die Finanzierung dieser Kosten nach 1981 geschaffen. Die Bundesregierung wird bis zum 30. Juni 1981 über die finanziellen Auswirkungen der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte berichten . . .Gleichzeitig wird diesem Bericht das andere angefügt werden. Damit ist deutlich gemacht, daß 1981 hierüber entschieden wird und nichts im Nebel gelassen ist. Im übrigen ist das der kleinere Teil der Kosten, der hier zu tragen ist.Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von der ungleichmäßigen Behandlung reden, dann möchte ich gern noch darauf hinweisen — das hat auch die Kollegin Matthäus-Maier schon getan —, daß die einzige Ungleichbehandlung bei Ihnen vorliegt; denn Sie haben vergessen, Ihrem Ergänzungsantrag den Antrag hinzuzufügen, im Regierungsentwurf bei der Formulierung „bis zu 750 DM" die Worte „bis zu" zu streichen. Nach Ihrem Entwurf würde also eine Frau, die teilzeitbeschäftigt ist und weniger als 500 DM netto verdient, weniger als die nichtberufstätige Hausfrau zu Hause bekommen. Es wird wohl niemand behaupten, daß das ein sozial vertretbares Ergebnis sein soll.
Herr Bundesminister, einen Augenblick bitte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie sehr darum, die Plätze einzunehmen. Ich bitte den Herrn Bundesminister, erst dann fortzufahren, wenn die Plätze eingenommen sind.
Ich möchte gern noch eine Bemerkung an den verehrten Kollegen George richten, der unser Nachdenken in der Familienpolitik bezweifelt hat. Ich glaube, wir könnten darin einig sein, daß sich Nachdenken immer lohnt. Und wie bei unserem Nachdenken über die Erweiterung des Mutterschutzes etwas Vernünftiges herausgekommen ist, so dürfen Sie sich auch darauf verlassen, daß bei unserem Nachdenken über eine noch bessere Familienpolitik etwas Vernünftiges herauskommen wird. Aber wir machen logischerweise den ersten Schritt vor dem zweiten und nicht umgekehrt.
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12118 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Dr. EhrenbergLassen Sie mich noch etwas zu der Vielzahl der Leit- und Rollenbilder sagen, die hier erwähnt wurden. Wir wollen keiner Ehegemeinschaft ihre Leit- und Rollenbilder vorschreiben. Ob eine Frau berufstätig ist oder nicht, nachdem sie Kinder bekommen hat, soll sie in Gemeinschaft mit ihrem Partner ganz alleine entscheiden. Wir wollen lediglich die materiellen Voraussetzungen verbessern.
Hier ist oft von dem Schock geredet worden, den die Frau erleben wird, wenn sie sich nach sechs Monaten von ihrem Kind trennt. Solange das geltende Recht diesen Schock nach acht Wochen zuließ, hat niemand von Ihnen diesen Schock als unerträglich empfunden. Erst als wir den Mutterschutz erweitert haben, erst als wir aus acht Wochen sechs Monate gemacht haben, kamen Sie mit der Schockwirkung. Ich kann das, was in diesem Zusamenhang vorgebracht worden ist, nicht ernst nehmen. Zu der von Ihnen behaupteten Besserstellung der berufstätigen Frau möchte ich gerne darauf hinweisen, daß dem Lohnersatz für die berufstätige Frau nach der Geburt eines Kindes das jahrelange Zahlen von Steuern und Sozialbeiträgen vorausgegangen ist.
So kann man guten Gewissens sagen: Was der berufstätigen Frau der Lohnersatz, ist der Hausfrau das Steuersplitting. Da gibt es auf beiden Seiten Vorteile.
in dem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu den Befürchtungen, daß die Arbeitsplatzgarantie die Möglichkeiten der Frauen verschlechtern und mittlere und kleinere Unternehmen in die größten Schwierigkeiten bringen würde. Erstens, Herr George: Mein Vertrauen in die Dispositionsfähigkeit und Organisationskraft der deutschen Unternehmer ist größer, als daß sie mit dem Problem nicht fertig werden sollten, rechtzeitig Ersatzkräfte einzustellen.
Und zum zweiten: Ich finde es schon sehr merkwürdig, daß über die Arbeitsplatzgarantie — auch in der öffentlichen Diskussion — gerade aus jener Ecke geklagt wird, in der gleichzeitig das große Lamento über die sinkenden Geburtenziffern stattfindet.
Allzu vieles an Stellungnahmen sowohl in der Öffentlichkeit als auch von den verschiedenen Verbänden erinnert mich daran, daß wir seit hundert Jahren keinen sozialen Fortschritt erreicht haben — vom Verbot der Kinderarbeit bis zum 8-StundenTag —, ohne daß wirtschaftliche Schwierigkeiten vorausgesagt worden wären. Sie können sich darauf verlassen: Wenn dieses Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, wird über die Schwierigkeiten nicht mehr geklagt, sondern das Gesetz wird in der Praxis angewendet und auch funktionieren.
Nachdem die lange Debatte nun vorbei ist, glaube ich davon ausgehen zu können, daß dieses Gesetz eine große Mehrheit finden wird. Zu dieser Annahme berechtigt mich auch die Tatsache, daß eine Reihe von Kollegen der Opposition diesem Gesetz im Ausschuß zugestimmt haben. Ich bitte Sie, das auch hier zu tun.Abschließend möchte ich den Kollegen aus den Ausschüssen — sowohl aus dem federführenden als auch aus den mitberatenden — meinen herzlichen Dank aussprechen. Sie haben in zügiger Arbeit dafür gesorgt, daß dieses Haus das Gesetz heute so rechtzeitig verabschieden kann, daß alle Mütter, auch diejenigen, die seit dem 5. Mai ein Kind geboren haben — sie werden nämlich von diesem Gesetz, wenn es rechtzeitig in Kraft tritt, schon erfaßt —, in ihrem Vertrauen nicht enttäuscht werden.Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über den Tagesordnungspunkt 6: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs — Drucksachen 8/2613, 8/2829 und 8/2797 —.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich bitte, auf allen Seiten Platz zu nehmen, auch diejenigen Abgeordneten, die den zweimaligen Aufruf nicht verstanden haben.Ich rufe Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung auf. Wer Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Erstere war die Mehrheit. Die Ausschußfassung ist damit angenommen.Ich rufe Art. i Nr. 2 in der Ausschußfassung auf. Wer iuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch Art. 1 Nr. 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nrn. 3 bis 6 und Art. 2 bis 6 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2828 unter Ziffer 1 auf. Der Änderungsantrag ist bereits begründet. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Die Fraktion ist ausreichend vertreten. Ich eröffne die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied dieses Hauses gewillt, die Stimme abzugeben? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12119
Vizepräsident StücklenIch mache darauf aufmerksam, daß wir noch zwei namentliche Abstimmungen vor uns haben. Wenn Sie nach der in Kürze zu erwartenden Bekanntgabe des Ergebnisses alle hier im Saal bleiben, werden wir diese zwei namentlichen Abstimmungen schnell abwickeln können. —Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. An der Abstimmung konnten wegen europäischer ' Verpflichtungen 67 Abgeordnete, die ein Pairing vereinbarten, nicht teilnehmen; 11 Abgeordnete sind wegen Krankheit entschuldigt. Mit Ja haben gestimmt 186 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 8 Berliner Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 211 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 9 Berliner Abgeordnete. Enthaltungen keine.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 396 und 17 Berliner Abgeordnete; davonja: 186 und 8 Berliner Abgeordnete,nein: 210 und 9 Berliner AbgeordneteJaCDU/CSUDr. Althammer Dr. ArnoldBayhaDr. Becker Frau BenedixBenzBerger Berger (Lahnstein) Dr. Biedenkopf BiehleDr. BlümDr. BötschBraunBreidbachBrollBühler BurgerCarstens Conrad (Riegelsberg)Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiEyEymel Frau Fischer Francke (Hamburg) FrankeDr. Friedmann Frau GeierGeisenhoferDr. von Geldern Dr. GeorgeGerlach GersteinGerster GierensteinGlosHaase HaberlDr. HäfeleDr. Hammans HanzHartmannHasinger
Dr. Hennigvon der Heydt Freiherr von Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. Hornhues HorstmeierDr. HubrigFrau Hürland Dr: HüschGraf HuynDr. JaegerJäger Dr. Jahn (Münster)Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau Karwatzki KiechleDr. Klein Klein (München)Dr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampeDr. KraskeKrausDr. KreileKreyKroll-SchlüterFrau Krone-AppuhnDr. Kunz Lampersbach LandréDr. Langguth Dr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz LinkLintnerLöherDr. LudaDr. Mertes MetzDr. Meyer zu BentrupDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. Möller Dr. Narjes Neuhaus Frau Dr. NeumeisterNiegelNordlohne Frau Pack Petersen PicardPierothDr. Pinger Pohlmann PrangenbergDr. Probst RainerRaweRegenspurgerDr. ReimersDr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer
Sauter
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Schartz
SchedlSchetterFrau SchleicherSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderSchröder
Dr. Schwarz-Schilling SeitersSpilkerSpranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Stücklen StutzerSussetTillmannDr. TodenhöferFrau Tübler Dr. Unland Frau VerhülsdonkVogt
Voigt
VolmerDr. VossDr. WaffenschmidtDr. Waigel Dr. WarnkeDr. von Wartenberg Weiskirch
Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer
Frau Dr. Wisniewski Wissebach WissmannDr. Wittmann
Dr. WörnerBaron von WrangelWürzbach Dr. Wulff Dr. Zeitel ZeyerZieglerDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Kittelmann Kunz Müller (Berlin)Frau Pieser Straßmeir Wohlrabefraktionslos Dr. GruhlNeinCDU/CSUFeinendegen SickSPDAhlers Amling Dr. ApelArendt AugsteinBaack BahrBatzBecker
BiermannBindig Brandt Brandt
Brück BuchstallerBüchler
BuschfortDr. BußmannCollet Conradi Coppik Dr. CorterierCurdtFrau Dr. CzempielFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. EhrenbergEickmeyerFrau Eilers
Dr. EmmerlichEngholmEsters Ewen Fiebig Dr. FischerFrau Dr. Focke,Franke
Friedrich
Gansel
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12120 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident Stücklen Gerstl
Gertzen Glombig Gobrecht Grobecker GrunenbergGscheidle Dr. Haack HaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHofmann HornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens Junghans JungmannJunkerKaffkaKirschnerKlein
KoblitzKratzKretkowskiDr. Kreutzmann Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus LattmannDr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarschallFrau Dr. Martiny-Glotz Dr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller Müller (Nordenham) Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Neumann (Stelle)Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaterna PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn PorznerRapp Rappe (Hildesheim)Frau Renger ReuschenbachRohdeRosenthal RothSanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchirmerSchlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Niederselters) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. StegerFrau Steinhauer StocklebenStöcklSybertz Thüsing Frau Dr. TimmTönjes Topmann Frau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt Walkhoff WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeisskirchen WendtDr. WernitzWestphal Wiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer ZanderBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning Mattick Schulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann GrünerDr. Haussmann HölscherHoffieKleinertDr.-Ing. Laermann LudewigDr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier MerkerMischnickPaintnerSchäfer
Schmidt
von SchoelerFrau Schuchardt SpitzmüllerWolfgramm WurbsDr. ZumpfortBerliner Abgeordnete HoppeDer Antrag, über den wir jetzt in namentlicher Abstimmung abgestimmt haben, ist damit abgelehnt.Ich rufe die Art. 7 bis 9 in der Ausschußfassung, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erstere war die Mehrheit.Wir treten in diedritte Beratungein.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist mit ausreichender Mehrheit unterstützt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —Haben alle Mitglieder dieses Hauses ihre Stimme abgegeben, die sich an der Abstimmung beteiligen wollen? — Dies scheint der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung.Meine Damen und Herren, wenn Sie Platz nehmen, können wir, bis die Auszählung abgeschlossen ist, noch einige Regularien erledigen. Die Abstimmung ist schon geschlossen. —Ich lasse über zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2797 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit.Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2797 unter Nr. 3 außerdem, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung bekannt: Mit Ja haben 269 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 14 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 126 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 3 Berliner Abgeordnete. Eine Enthaltung, voll stimmberechtigt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12121
Vizepräsident StücklenEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 395 und 17 Berliner Abgeordnete; davonja: 268 und 14 Berliner Abgeordnete, nein: 126 und 3 Berliner Abgeordnete, enthalten: 1,ungültig: 1.JaCDU/CSUDr. AlthammerDr. Arnold Berger
BiehleDr. Blüm Breidbach Bühler
BurgerConrad
Frau Fischer FrankeGeisenhofer Gierenstein Dr. Häfele Dr. HammansHartmann Hasinger HöffkesHöpfinger Frau HürlandDr. Jaeger Dr. Jobst Frau KarwatzkiKlein
KösterKrausFrau Krone-AppuhnDr. Kunz
Dr. LangguthDr. Langner LinkLöherDr. Mertes
Dr. Mikat Dr. Möller Frau Pack PrangenbergRainerRegenspurgerDr. Reimers RöhnerDr. RoseSauer
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Schmidt
Dr. SchneiderStutzerFrau VerhülsdonkVogt
Voigt
VolmerDr. WaffenschmidtDr. von WeizsäckerFrau Dr. WexFrau Dr. WilmsWimmer WissmannDr. Wittmann Dr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger KittelmannMüller
StraßmeirWohlrabeSPDAhlers Amling Dr. ApelArendt AugsteinBaack BahrBatzBecker BiermannBindig BrandtBrandt BrückBuchstallerBüchler
BuschfortDr. BußmannCollet Conradi Coppik Dr. CorterierCurdtFrau Dr. CzempielFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. Ehrenberg EickmeyerFrau Eilers Dr. EmmerlichEsters EwenFiebigDr. FischerFrau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
Gertzen GlombigGobrechtGrobeckerGrunenbergGscheidleDr. HaackHaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. HauffHenke HeyennHofmann HornFrau HuberHuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens JunghansJungmannJunkerKaffkaKirschnerKlein
KoblitzKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarschallFrau Dr. Martiny-Glotz Dr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Neumann (Stelle)Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn PorznerRapp
Rappe
Frau Renger ReuschenbachRohdeRosenthal RothSanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchirmerSchlagaSchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Niederselters) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk SielerSimpfendörferDr. Sperling Dr. SpöriStahl
Dr. StegerFrau Steinhauer Stockleben StöcklSybertzThüsingFrau Dr. TimmTönjesTopmannFrau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt
WalkhoffWaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeisskirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer ZanderBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning Mattick Schulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann GrünerDr. HaussmannHölscherHoffieKleinertDr.-Ing. LaermannLudewigDr. Dr. h. c. MaihoferFrau Matthäus-MaierMerkerMischnick PaintnerSchäfer
Schmidt
von Schoeler Frau SchuchardtSpitzmüller Dr. WendigWolfgramm WurbsDr. ZumpfortBerliner Abgeordnete HoppefraktionslosDr. Gruhl
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12122 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Vizepräsident StücklenNein CDU/CSUBayhaDr. Becker
Frau Benedix BenzBerger
Dr. Biedenkopf Dr. BötschBraunBrollCarstens
Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiEyEymer Feinendegen Francke (Hamburg)Dr. Friedmann Frau GeierDr. von Geldern Dr. GeorgeGerlach
GersteinGerster GlosHaase HaberlHanzHauser
Hauser HelmrichDr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon MassenbachDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. Hornhues Horstmeier Dr. HubrigDr. HüschGraf HuynJäger Dr. Jahn (Münster)Dr. JenningerDr. Jentsch JostenKiechleDr. Klein
Dr. Köhler
Dr. KohlKolbKrampeDr. KraskeDr. KreileKreyKroll-Schlüter Lampersbach LandréDr. LaufsDr. Lenz
LintnerDr. LudaMetzDr. Meyer zu BentrupDr. Miltner MilzDr. Narjes NeuhausFrau Dr. NeumeisterNiegelNordlohne PetersenPicardPierothDr. Pinger Pohlmann Dr. Probst RaweDr. RiesenhuberDr. RitzRüheRusseSauter
Schartz
SchedlSchetterFrau SchleicherSchmitz SchmöleSchröder
Dr. Schulte
SchwarzDr. Schwarz-SchillingSeitersSickSpilkerSpranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken StücklenSussetTillmannDr. TodenhöferFrau Tübler Dr. Unland Dr. VossDr. WaigelDr. von Wartenberg Weiskirch
WernerFrau Will-FeldFrau Dr. Wisniewski WissebachDr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. Wulff Dr. Zeitel ZeyerZieglerBerliner AbgeordneteAmrehnKunz Frau PieserEnthaltenSPDFrau SimonisDamit ist das Gesetz in namentlicher Abstimmung angenommen.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung zu Punkt 7 der Tagesordnung betr. den von den Abgeordneten Dr. Kohl, Carstens , Windelen und anderenAbgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die stufenweise Einführung eines Familiengeldes . Hierzu gehören die Drucksachen 8/2650 und 8/2830.Ich rufe die §§ 1 bis 21, Einleitung und Überschrift auf. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir kommen zur dritten und letzten namentlichen Abstimmung. Die Abstimmung ist eröffnet. —Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte abgegeben? — Das scheint der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung.Ich lasse vor Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses schon über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abstimmen, wenn Sie die Freundlichkeit hätten, zumindest überwiegend Platz zu nehmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2815 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 172 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und acht Berliner Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 221 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und neun Berliner Abgeordnete gestimmt. Eine Enthaltung.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 394 und 17 Berliner Abgeordnete; davonja: 172 und 8 Berliner Abgeordnete,nein: 221 und 9 Berliner Abgeordnete, enthalten: 1.JaCDU/CSUDr. ArnoldBayhaDr. Becker Frau BenedixBenzBerger Berger (Lahnstein)Dr. Biedenkopf BiehleDr. BlümBraunBreidbachBrollBühler
BurgerCarstens Conrad (Riegelsberg)Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiEyEymer Feinendegen Frau FischerFrancke
FrankeDr. FriedmannFrau Geier GeisenhoferDr. von GeldernDr. George Gerlach
GersteinGerster
Gierenstein Haase
Dr. HammansHanz
Hauser
Helmrich Dr. Hennig von der Heydt Freiherrvon MassenbachHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. HornhuesHorstmeier Dr. Hubrig Frau HürlandDr. Hüsch
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Vizepräsident Stücklen Graf HuynDr. JaegerJäger
Dr. Jahn
Dr. Jenninger
Schwarz
Frau Dr. Wisniewski Wissebach
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Jeder Jurastudent, vor allem auch die hochqualifizierten Beamten in seinem Ministerium, könnten den Bundesinnenminister ja aus dem Stegreif belehren, welche bedeutsamen Polizeibehörden des Bundes ihm unterstehen, welche großenteils unvollkommenen Befugnisse diese Behörden haben und wie unterschiedlich sie formuliert sind. Diese Beamten wüßten auch, daß schon im Jahre 1973 der Innenausschuß des Deutschen Bundestages die Bundesregierung angesichts der Rechtszersplitterung aufgefordert hat, nun endlich ein einheitliches Polizeigesetz für die Bundesbehörden vorzulegen. Ich darf den Herrn Bundesinnenminister vielleicht an den § 1 unseres Gesetzentwurfs erinnern.Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich nicht im einzelnen aufführen, welche Behörden zur Rechtsvereinheitlichung, zur Festigung ihrer Rechtsgrundlagen, zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und zur Spezialisierung ihrer Befugnisse auf eine bundeseinheitliche Regelung dringend angewiesen wären.Nur eines möchte ich zitieren. Gestern berichtete die „Frankfurter Rundschau" über die sehr zu Recht erhobene Forderung des Kollegen Dr. Wernitz, die Rechtsgrundlagen für die Bahnpolizei zu präzisieren und zu verbessern. Das ist nur einer der wesentlichen Bereiche, wo man von seiten des Bundes tätig sein müßte.Wir wollten alle diese Bereiche abdecken. Schon deshalb wäre, unabhängig von der länderübergreifenden polizeilichen Zusammenarbeit, ein einheitliches Recht für die Bundespolizeien notwendig gewesen. Wenn der Bundesinnenminister trotzdem erklärt, dies alles sei überflüssig, dann muß man fragen, was sich die Bürger unseres Landes eigentlich haben zuschulden kommen lassen, daß sie einen solchen Bundesinnenminister verdient haben.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, den Minister heute abend noch für diesen Gesetzentwurf zu gewinnen. Aber lassen Sie mich doch einige Hauptgründe für ihn nennen.Herr Pensky hat einige Zielvorstellungen angepeilt. Alle diese Zielvorstellungen sind in diesem Entwurf schon vorhanden. Ich empfehle Ihnen, die Bemerkungen und Bewertungen von Herrn Hirsch zu diesem Thema ebenfalls nachzulesen.Die reibungslose Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder ist immer notwendiger geworden. Die Erfüllung polizeilicher Aufgaben wird beeinträchtigt, wenn sich Polizeibeamte erst in dasPolizeirecht des Landes einarbeiten müssen, in dem sie eingesetzt werden. Gerade bei diesen Einsätzen mit hohen Belastungen, bei Masseneinsätzen, bei Strafverfolgung sind einheitliche Vorschriften einfach zwingend erforderlich. Unsere Bürger erwarten schließlich, daß der Polizeibeamte in Hessen, der Polizeibeamte in Bayern und der Polizeibeamte in Hamburg nicht mehr und nicht weniger Rechte, sondern die gleichen Rechte und die gleichen Befugnisse haben und daß insbesondere dem Bürger die gleichen Rechte zustehen und die gleichen Pflichten obliegen. Die Einheit des Polizeirechts dient somit dem Schutz des Bürgers durch verbesserte polizeiliche Arbeitsbedingungen.
Die rechtsstaatlichen Forderungen nach Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit polizeilichen Handelns werden in unserem Entwurf in einem bisher nicht gekannten Ausmaß erfüllt. Diese Verrechtlichung stärkt Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und damit die Rechte der Bürger.Auf diese Stärkung der Rechte haben aber auch jene Anspruch, die das Polizeirecht anzuwenden haben, nämlich die Bediensteten der Sicherheitsbehörden.Die Koalition und der Bundesinnenminister lehnen unseren Gesetzentwurf nicht aus sachlichen Gründen ab. Wir scheitern vielmehr an einer langanhaltenden, emotional aufgeputschten und ideologisch verzerrenden Kampagne der radikalen Linken innerhalb und außerhalb von SPD und FDP. Sie setzte sich gegenüber jenen Sozialdemokraten und Freien Demokraten durch, die wie wir den Musterentwurf bejahten.Wie hier gearbeitet wurde, hat wiederum der nordrhein-westfälische Innenminister Hirsch in der „Neuen Bonner Depesche" 1978 auf Seite 13 wie folgt beschrieben:Kaum ein Gesetzentwurf ist derart Gegenstand verzerrender Polemik und kenntnisarmer Auseinandersetzung geworden wie der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes.
Der Streit geht am Sinn und an den Zielen des Musterentwurfs im wesentlichen vorbei. Die Auseinandersetzung bleibt statt dessen fixiert auf die Bereiche Todesschuß und Ausrüstung mit Maschinengewehren.Ich empfehle Ihnen, Herr Pensky, Ihre Auseinandersetzung, die Sie vorhin durch die Zwischenfrage mitmir beginnen wollten, mit Herrn Hirsch fortzusetzen.Die Erfahrungen aus der bisherigen Diskussion lassen befürchten, daß zu Fetischen hochstilisierte Schlagworte den Blick auf das Grundanliegen des Musterentwurfs vernebeln.
Nun einige Agitationsformeln. Die „Frankfurter Rundschau" am 5. Juli 1976: „Der staatliche Gewaltapparat wird weiter ausgebaut."
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SprangerDer „Spiegel" vom 2. August 1976 zum neuen Polizeigesetz:Danach dürfen Polizisten künftig jeden Unverdächtigen kontrollieren und zur Wache bringen, dürfen leichter in Wohnungen eindringen, Autos aufbrechen, mit MG und Handgranaten umgehen, um Verbrecher, oder wen sie in der Eile dafür halten, mit gezieltem Todesschuß niederzustrecken. Notfalls zahlt der Staat die Beerdigungskosten.Die „Zeit" schrieb am 1. Oktober 1976 „Exekution per MG? — Ein heimliches Ermächtigungsgesetz".Leider ist es so, daß auch Politiker der Koalition in diesen Chor manipulierten Entsetzens eingestimmt haben. Nach dem „Spiegel" vom 15. November 1976 sahen die Liberalen — so wörtlich — das Ende des Rechtsstaates heraufdämmern. Angst, Unsicherheit, Denunziation und Bespitzelung hätten nach Auffassung der Liberalen in der Bundesrepublik Platz gegriffen. Deswegen wollten sie das geplante Polizeigesetz entschärfen.Kollege Pensky erkennt am 26. Mai im Pressedienst der SPD „schwerwiegende politisch-rechtsstaatliche wie formaljuristische Bedenken". Herr Neu von der FDP erklärt im nordrhein-westfälischen Landtag am 15. März 1979: Todesschuß statt Todesurteil, das ist wirksamer. Der saarländische FDP-Rechtsexperte Leonardi meint, Passagen des Entwurfes seien ein erster Schritt zum Polizeistaat. Die FDP verliere bei Gesetzeszustimmung das Recht, sich eine liberale Partei zu nennen.
Hier wurde doch systematisch unberechtigtes Mißtrauen gegen unsere Polizei geschürt.
Man unterstellte ihr, sie sei stets bereit, ihre Befugnisse zu mißbrauchen, ihre Macht illegal auszudehnen und jeden Bürger zu kontrollieren, zu verhaften, zu verletzen oder gar zu erschießen. Wir von der CDU/CSU weisen derartige Denunziation aufs schärfste zurück.
Wir können auch sagen, daß diese Methoden nicht vermochten, das tief verwurzelte Vertrauen der breiten Masse unserer Bevölkerung zu den Sicherheitsbehörden grundlegend zu erschüttern. Um so schlimmer, daß die Koalition vor dieser Kampagne trotzdem in die Knie ging. Ihre Zustimmung zum Musterentwurf 1976 erklärt sich ohnehin daraus, daß damals die Bundestagswahlen vor der Tür standen. Im Jahr 1977 hatten die Morde und Gewalttaten linksextremistischer Terroristen einen derartigen öffentlichen Druck erzeugt, daß man auch nicht anders konnte, als dem Entwurf zuzustimmen. Die Ablehnung im Jahr 1978 war im Grunde nur eine Formsache.Dieses Taktieren, dieses Abgehen von früheren Erklärungen, Zusagen und Entscheidungen, dieses Nachgeben vor sachwidriger Emotionalität und Radikalität von links, dieses An-der-Nase-Herumführen von Bürgern und Polizeibeamten, dieses unverfrorene „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" und die Kapitulation der den Entwurf nach wie vor im Grunde bejahenden Sozialdemokraten und Freien Demokraten vor jenen, die in dem Musterentwurf eine Art sicherheitsbessenes Teufelswerk sahen das alles fällt schon ein böses Urteil über die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Koalitionsparteien und der Bundesregierung.
Als besonders schwerwiegend empfinde ich es, daß der Bundesinnenminister für diesen Musterentwurf nicht nur keinen Finger krumm gemacht hat, sondern daß er den Entwurf selber ablehnt. Es ist leider notwendig, die Auseinandersetzung über die Amtsführung dieses Bundesinnenministers zukünftig verstärkt zu führen. Wir werden es jedenfalls nicht zulassen, Herr Minister, daß Sie zugunsten Ihrer von den Linksaußenflügeln abhängig gemachten Parteikarrierre die Sicherheit unseres Landes aufs Spiel setzen.
Was dieser Innenminister seit seinem Amtsantritt schon angerichtet hat, ist mehr, als ein Bundesinnenminister verantworten kann. Über ihn wird sicher ein vernichtendes Urteil gefällt werden. Ich fürchte, daß kommende Ereignisse möglicherweise sehr schnell zu diesem Urteil führen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spranger, mit einigem, was Sie hier wieder ausführen zu müssen glaubten, machen Sie es einem wirklich schwer, eine allein an der Sache orientierte Stellungnahme abzugeben. Ich weiß nicht, ob Ihnen nicht zuweilen auch der Gedanke kommt, daß jemand, der dieses Haus besucht und völlig unvoreingenommen ist, wenn er Sie so hört, in keiner Weise mehr die Überzeugung haben kann, daß es Ihnen wirklich um ein Anliegen geht, nämlich um ein einheitliches Polizeirecht,
sondern glauben muß, daß es Ihnen um andere Dinge geht, so daß der Gedanke aufkommt, Sie würden so etwas überhaupt nur mit initiieren, um anschließend wieder einen Aufhänger dazu zu haben, zu ganz anderen Bereichen und über eine Fülle von Personen und über ganz andere Dinge sprechen zu können.Ich will mich auf die Sache beschränken und will zunächst einmal der Initiative, die Sie hier gestartet haben, vom Anliegen her, so wie man es objektiv verstehen müßte, durchaus recht geben. Natürlich wäre es dringend erwünscht, wenn nicht gar unbedingt notwendig, ein einheitliches Polizeirecht in
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12130 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
EngelhardBund und Ländern, zunächst aber in den Ländern zu haben.
Das ist natürlich nicht nur, wie es im Vorblatt des Ausschußberichtes heißt, eine Frage der „Komplikationen und Reibungsverluste", die auftreten können, wenn Polizeikräfte aus verschiedenen Bundesländern gemeinsam bei Einsätzen tätig werden. Das ist ganz sicherlich richtig und von der Effektivität des polizeilichen Einsatzes und der Gewährleistung der inneren Sicherheit her von großer Bedeutung.Aber es ist mindestens ebenso wichtig — darauf ist hingewiesen worden — für den Bürger, der heute bei dem hohen Grad der Mobilität wissen muß, daß die Polizei ihm überall mit denselben Rechten gegenübertritt. Wenn er seine Rechte kennen will, muß dieses Recht vereinheitlicht werden. Jener Bürger, der sich seines Rechts bewußt sein und dieses Recht kennen muß, wird dann auch eher wissen, welche Befugnisse die Polizei hat und was er im Kontakt mit der Polizei hinzunehmen hat und was das Recht der Polizei ihm gegenüber ist.
Wir sind also von daher im Ziel durchaus einig.
Nur gabelt es sich in der Frage, ob das, was Sie mit Ihrer Gesetzesinitiative übernommen haben, der richtige Weg ist.Da wollen wir einmal durch die Jahre etwas zurückverfolgen, daß es gar nicht so einfach war — niemand hat das auch vermutet —, in der Innenministerkonferenz zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen.
Es hat sich auch alsbald gezeigt, daß sich, als dieses Ergebnis im Jahre 1976 zustande kam, die Situation keinesfalls so darstellte, als würde es gelingen, zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Das istdoch ganz merkwürdig. Da könnte man jetzt auchdie Blitze schleudern und Vorwürfe erheben, jeweils natürlich gegen jene Innenminister, die nichtgerade der eigenen Partei oder der des Koalitionspartners angehören. Aber ich frage: Was soll's?Das Problem liegt im Grunde viel tiefer. Wir müssen heute feststellen, daß zunächst einmal einige Länder gar nicht den endgültigen Entwurf abgewartet haben, sondern aus einem Vorentwurf Teile übernommen und in ihre Polizeigesetze eingespeist haben. Bayern hat schon den Musterentwurf verabschiedet,
einige andere Länder haben entsprechende Entwürfeeingebracht, einige haben noch nichts unternommen. Es sieht also insgesamt nicht nach einer Einigung aus. Wir sehen, wie schwierig es ist, hier zu einer Harmonisierung zu kommen.Nun stellt sich die Frage: Können das Dilemma und das Problem dadurch gelöst werden, daß man dem Bund eine Vorreiterrolle gibt? Sie haben dazu einiges gesagt. Man kann sich über alles unterhalten. Ich sage nicht, daß dies schlechthin unrichtig sei. Aber ich meine doch, daß dieser Vorschlag wenig sachgerecht ist. Denn der Bund verfügt nicht über jene Polizeikräfte, die wir zunächst einmal meinen, wenn wir über die Polizeien der Länder sprechen. Es sind nicht die typischen Polizeikräfte. Natürlich, der Bundesgrenzschutz, die Beamten des Bundeskriminalamts, sie sind auch Polizeibeamte.
Sie erfüllen in ihrem Dienst polizeiliche Aufgaben;
wer wollte dies bestreiten? Aber diesen Kräften sind natürlich zum Teil Spezialaufgaben zugewiesen, die erheblich von dem divergieren, was von den Polizeikräften der Länder typischerweise erledigt wird.
Der Bundesgrenzschutz und die Beamten des Bundeskriminalamtes haben jeweils in einem Bundesgesetz eine klare gesetzliche Grundlage, die auch auf die Spezialaufgaben abgestimmt ist, die sie zu erfüllen haben.
Wir werden bei der Diskussion nicht übersehen können, daß der Bund von der gesamten Konstruktion seiner Polizeikräfte her an sich wenig Voraussetzungen dafür bietet, die typische Vorreiterrolle bei dieser Harmonisierungsaktion zu spielen. Dieses Hin und Her, das wir jetzt erleben und das — so möchte ich meinen — leider auch anhalten wird, ist auf den Umstand zurückzuführen — Herr Kollege Pensky hat das bereits angesprochen —, daß man nicht bereit ist, dem Bund die notwendige Gesetzgebungskompetenz zu geben. Man mag das für richtig halten, man mag dies für falsch halten; aber man muß das Dilemma sehen.
Wir müssen erkennen, daß in dem, was sich im Bereich der Länder bisher getan hat, Grenzen gerade im Bereich des kooperativen Föderalismus deutlich werden.
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Es wäre eine Vereinfachung, darauf zu verweisen, dies hänge mit den unterschiedlichen politischen Einfärbungen und Mehrheiten in den einzelnen Länderparlamenten zusammen. Damit ist es ja nicht getan. Nein, das ist
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12131
Engelhardauch eine Frage, wie man in allen Länderparlamenten ein und denselben Gesetzentwurf ohne jede Abweichung durchzieht und verabschiedet. Das scheitert schon an den verschiedenen dort jeweils mitwirkenden Persönlichkeiten, die eigenständige Persönlichkeiten sind und eigene Gedanken haben, die eigene Wünsche zunächst gar nicht sosehr von der parteipolitischen Ebene her — dies natürlich auch — haben. Aber auch wenn wir die ,gleiche politische Mehrheit in allen Länderparlamenten hätten, würden Sie sehen und erleben, wie schwierig es wäre, zu einheitlichen Ergebnissen zu kommen.Es hat sich = wenn ich es richtig verfolgt habe— zuweilen auch gezeigt, daß alte Landesbesonderheiten wieder durchschlagen. Ich erinnere mich aus meiner Studienzeit, daß wir in Bayern immer stolz waren, im Polizeiaufgabengesetz die Befugnisse der Polizei enumerativ aufgezählt zu haben. Mit einer gewissen Herablassung wurde nach Norden hinaufgezeigt und uns bedeutet: Droben ist das anders, dort arbeitet man mit Generalklauseln.Sicherlich, man wird vielleicht zusammenkommen können. Daß derartige Dinge bei solchen Beratungen immer wieder durchschlagen, ist aber gleichfalls eine ganz klare Sache. Ich meine also zunächst die Länder. An sie richtet sich die Bitte und der dringende Appell, sich zusammenzuraufen. Wenn das nicht möglich ist, wird man dem Bund die notwendige Gesetzgebungskompetenz einräumen müssen. Einen dritten Weg zu gehen — wie Sie es aus teilweise vordergründigen Überlegungen hier versucht haben - führt in der Sache nicht weiter. Das ist sicherlich auch nicht der sachgerechte Weg; diese dritte Alternative, die gibt es nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
— Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht noch sehr verlängern. Die Argumente sind im wesentlichen ausgetauscht. Herr Kollege Pensky hat das sehr deutlich vorgetragen, was auch die Meinung der Bundesregierung ist. Herr Kollege Engelhard hat dies noch ergänzt.Für mich ist das, Herr Kollege Spranger, überhaupt keine Frage ideologischen Gewichts. Sie werden von mir keine Äußerung finden, die sich in polemischer Weise mit dem .Musterentwurf auseinandersetzt. Für mich ist dies eine sehr schwierige Materie, und die Diskussion, die in der Öffentlichkeit geführt wurde, ist von hohem Interesse. Auch. der von Herrn Pensky in die Diskussion eingeführte Alternativentwurf ist außerordentlich wichtig. Denn hier stehen Fragen zur Debatte, die tief in die Praxis der Polizei einerseits und in die rechtsstaatlichen Überlegungen andererseits hineinreichen. Wir haben einen Musterentwurf gehabt — das wissen Sie --, und wir haben ihn noch. Aber die Länder haben inzwischen eigene Gesetze gemacht oder in Vorbereitung. Das ist auch gar nicht verwunderlich.Wir haben zu respektieren, meine Kollegen, daß der Bund hier keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hat, daß er also nicht in der Lage ist, den Ländern das Polizeirecht verbindlich vorzuschreiben. Ich respektiere dies ausdrücklich. Hier geht es nicht darum, daß wir etwa die Innenminister der Länder schelten, daß sie nicht in der Lage waren, einheitliches Recht durchzusetzen. Natürlich unterscheidet sich das bayerische Gesetz von dem nordrhein-westfälischen Gesetz. Warum ist das aber so, meine Damen und Herren? Das geht auf die Entscheidungsfreiheit der Länderparlamente zurück, die wir zu achten haben. Die können wir, selbst wenn wir es wollten, durch einen Mustergesetzentwurf nicht beeinträchtigen.Das Ziel der Harmonisierung des Polizeirechts — Herr Kollege Engelhard hat das deutlich gesagt —ist ein vernünftiges Vorhaben; dies bestreitet auch die Bundesregierung nicht. Aber ein unmittelbares Regelungsbedürfnis für die Polizeien des Bundes —für sie gelten Gesetze, die Sie kennen: das Bundeskriminalamtsgesetz, das Bundesgrenzschutzgesetz— besteht nicht. Hier besteht Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Bitte, berücksichtigen Sie auch, wenn die Sicherheitsbehörden des Bundes zur Unterstützung der Länderpolizeien herangezogen werden — also etwa nach Bayern oder nach Nordrhein-Westfalen, wo jetzt unterschiedliches Recht besteht —, gilt für die Polizeien des Bundes dieses Länderrecht. Wir unterwerfen uns also gemäß unserer föderalistischen Struktur dem Recht der Länder. Das heißt, wenn wir ein Bundespolizeigesetz verabschiedeten, würde das nicht zur Einheitlichkeit führen, sondern die Unterschiedlichkeit würde bestehen bleiben.Ich bin deshalb der Meinung, daß wir diese Diskussion fortsetzen sollten. Aber sie kann im Grunde — Herr Kollege Schwarz, vielleicht gehen Sie darauf ein — vernünftigerweise nur fortgesetzt werden, wenn wir alle bereit' sind, wenn auch die Länder bereit sind, dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für allgemeine Angelegenheiten der Polizei einzuräumen. Man kann sehr darüber streiten, ob das notwendig ist. Herr Kollege Engelhard hat soeben ausgeführt, daß die gewachsenen Besonderheiten der Länder durchaus zu respektieren seien. Ich bin der Meinung — um das ganz deutlich zu sagen —, daß die nicht vorhandene Einheitlichkeit, auch die sich jetzt nach den Arbeiten und den Gesetzesberatungen in den einzelnen Ländern nicht abzeichnende Einheitlichkeit — obwohl das deutsche Polizeirecht in groben Zügen immer übereingestimmt hat, Herr Kollege Spranger— nicht zu einem Sicherheitsdefizit führt. Der Schutz des Bürgers ist in keiner Weise gefährdet. Sonst würden Sie ja die Behauptung aufstellen wollen, Herr Kollege Spranger — ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das tun —, daß die Polizei in unserem Lande 30 Jahre lang nicht in rechter Effizienz für Sicherheit und Ordnung gesorgt habe. Ich meine, Sie würden der Polizei unrecht tun,
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12132 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Bundesminister Baumwenn Sie jetzt sagten, daß Schutz und Ordnung für den Bürger nur gesichert sind, wenn wir ein einheitliches Polizeirecht haben. Ich sage noch einmal, das Ziel ist gut. Auch die Bundesregierung wäre der Meinung, ein solches Ziel ist erstrebenswert. Aber es ist angesichts der Verfassungslage im Moment nicht erreichbar. Für den Bereich des Bundes, den wir zu verantworten haben, gibt es eine klare Rechtslage. Es besteht überhaupt kein Sicherheitsdefizit für den Bürger.
Das Wort hat der Abgeordnete Schwarz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesinnenminister, ich bin etwas verwundert darüber, daß Sie überhaupt keine Notwendigkeit sehen, zur Vereinheitlichung im Polizeirecht zu kommen, und jetzt eine völlig andere Position einnehmen als ihre Vorgänger Minister Genscher und Minister Maihofer. Als 1972 in der Innenministerkonferenz darüber geredet wurde, daß jetzt halt eben doch immer mehr die Polizei des Bundes, die Polizeien der Länder untereinander und füreinander tätig sein sollten, hatten diese Minister — die Länderinnenminister wie der Bundesinnenminister — das feste Bedürfnis, eine Lösung zu finden, wonach wesentliche Bestimmungen des Polizeirechts im Interesse der handelnden Beamten einheitlich gestaltet würden. Dies ist auch bei Herrn Pensky und bei Herrn Engelhard deutlich geworden.Nun ist es natürlich keine Großzügigkeit, wenn sich die Polizeibeamten des Bundes den Gesetzen der Länder unterwerfen. Das geht gar nicht anders. Das entspricht der Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Die Schwierigkeit, in der wir uns befinden, ist, daß der handelnde Beamte jeweils nachdenken muß, ob er, in diesem Land handelnd, in seinem eigenen Land handelnd, beim Bund handelnd, nach gleichem Recht handelt, wenn er intuitiv handelt. Man kann ihm nicht zumuten, da dauernd umdenken zu müssen.Das war die politische Erkenntnis, eine Erkenntnis, die dem Ziel diente, dem Polizeibeamten in seiner Arbeit Rechtssicherheit zu geben, und zwar einfacher als bisher Rechtssicherheit zu geben, und deshalb zu sagen, wir müssen sehen, daß wir die föderale Struktur der Bundesrepublik aufrecht erhalten, an der Konstruktion und Grundgesetzlage nichts ändern, und wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, gemeinsam, CDU, CSU, SPD, FDP. Wir haben uns erfolgreich auf den Weg gemacht, meine Damen und Herren, einem von allen Gewerkschaften, von den Polizeigewerkschaf ten, von den politisch Verantwortlichen vertretenen Ziel entgegenzugehen, auf der Grundlage des Grundgesetzes möglichst viel Einheitlichkeit zu bekommen. Das ist gelungen. Und dann gab es ein paar schwierige Punkte.Nun, Herr Engelhard, Ihre ganze Einlassung ist sehr vordergründig. Sie haben gesagt, es gibt nur zwei Wege. In der Politik gibt es meistens, gerade für die FDP immer mehr als zwei Wege. Auch hier,Herr Engelhard, gibt es mehr als zwei Wege. Es ist nicht wahr, daß nur die Alternative der konkurrierenden Gesetzgebung bleibt. Sie wollen nicht diesen von dem Innenminister vorgeschlagenen Weg gehen. Herr Pensky hat das sehr klar ausgedrückt: wir sind nicht Notare der Innenministerkonferenz. Aber selbstverständlich sind wir nicht Notare. Das ist doch nicht das Thema.Die Frage ist, ob wir, wenn wir alle der Meinung sind, daß wir einheitliches Polizeirecht brauchen, wie vorgeschlagen, zu einem einheitlichen Polizeirecht kommen können und kommen wollen. Nun sagen Sie: wir wollen ja gar nicht mehr. Sie sagen expressis verbis: wir wollen gar nicht mehr. Ich finde, eigentlich kann eine Opposition nichts Sachgerechteres tun, als eine von allen Innenministern erarbeitete Vorlage zu unterstützen. Sie haben so sehr die Professores gelobt, die da den Entwurf gemacht haben. Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Pensky, mein Respekt vor den Beamten, die an diesem Entwurf gearbeitet haben, vor den Beamten der einzelnen Ministerien aus den verschiedenen Ländern und von verschiedener politischer Herkunft ist mindestens so groß wie Ihr Respekt vor den acht Professores.
— Ich will ja nur das Gleichgewicht wieder herstellen, weil Sie die Professores so gelobt haben, daß es da auch in den Administrationen der deutschen Bundesländer und beim Bund hochqualifizierte Beamte gibt, die in der Lage und fähig sind, einen rechtlich einwandfreien, guten Entwurf zu erstellen. Ich sage das nur, damit nicht die Beamten das Gefühl haben, Sie hätten da schlechte Arbeit geleistet und das, was jetzt von den Professoren komme, sei bessere Arbeit. Respekt vor den Professoren, nur, die Beamten können es auch.Und deshalb glaube ich Ihnen nicht, Herr Kollege Pensky, daß Sie ernsthaft wollten, daß wir zu einem einheitlichen Entwurf kommen. Sie haben den Entwurf eingebracht mit Stand 1976.
— Politik lebt ja manchmal auch von der Unterstellung, von der Annahme, das ist doch völlig klar. Denn wenn Sie gewollt hätten — ich versuche ja, meine Unterstellung zu beweisen —, wer hätte Sie gehindert zu sagen: Was ihr da eingebracht habt, ist der Entwurf von 1976, da haben die Innenminister dazu gelernt, das wollen wir ändern. Sie haben doch schlicht vom Tisch geputzt, was wir vorgelegt haben; das ist doch das Entscheidende.Sie — SPD und FDP — haben doch im Grunde genommen Ihren Innenministern klipp und klar gesagt: Was ihr da gemacht habt, ist dummes Zeug, es ist noch nicht einmal wert, daß man darüber im Ausschuß redet; Ihrem eigenen Innenminister ha- ben Sie das gesagt. Das ist ein wesentlicher Unterschied, ob ich nun Notar bin und anerkenne oder ob ich sage: Das ist alles Blödsinn, was ihr da aufgeschrieben habt. Sie haben nicht den ernsthaften Versuch unternommen, diesen Weg zur Vereinheitlichung des Polizeirechts zu gehen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12133
SchwarzUnd — jetzt kommt der Kollege Engelhard — am bundestreuesten, was die Einheitlichkeit des fortentwickelten Entwurfs angeht, den wir vorgelegt haben, war Ihr von mir so sehr geschätztes Bundesland Bayern. Die haben fast ohne Änderung in den wesentlichen Punkten den Musterentwurf angenommen.
Die Bayern haben das gemacht. Dies zeigt, daß es schon eine Möglichkeit gäbe, auf einer einheitlichen Basis — da kann man hin und wieder etwas ändern — eine solche Änderung vorzunehmen.Alles andere, was Sie da sagen — die haben 1974 beschlossen, die haben 1976 beschlossen, die haben 1972 beschlossen —, ist doch nicht sachgerecht, denn die haben ja alle die Einlassung gemacht: Wenn der einheitliche Entwurf kommt, dann müssen wir uns in den Bestimmungen, die jetzt nicht stimmen, anpassen.Nun kommt die Frage: Spielt der Bund eine Führungsrolle, kann der Bund etwas tun? Es gibt Stimmen aus SPD /FDP-geführten Ländern, die gesagt haben, das solle erst einmal der Bund machen. Das war ja einer der Gründe für uns, daß wir sagten: Gut, wenn der Bund nichts vorlegt, dann nehmen wir den Entwurf auf als Opposition und legen ihn vor, damit einmal bei den Ländern, die von SPD und FDP geführt sind, dieses Argument weg ist.
Die Buntscheckigkeit im Polizeirecht der Länder kann geändert werden; ich sage Ihnen aber, warum Sie nicht können, warum Sie nicht wollen. Sie können nicht, Sie wollen nicht, Sie dürfen nicht, weil Sie, SPD und FDP, an einem Problem scheitern, an dem sich die Innenministerkonferenz festgebissen hatte, aber nicht gescheitert ist, nämlich an zwei wesentlichen Bestimmungen dieser Vorlage. Das eine war der Befreiungsschuß, das zweite die Bewaffnung mit Sonderwaffen. An diesem Punkt hatte die Innenministerkonferenz Schwierigkeiten, Rechtsprobleme: Geht dies nach Recht und Gesetz? Und weil wir die Frage hatten, ob man das so aufschreiben, so kodifizieren kann, hat die Innenministerkonferenz gesagt: Dazu wollen wir Wissenschaftler hören.Alle fünf Wissenschaftler, die gehört worden sind, kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis — das war noch nicht so fein formuliert, wie es jetzt hier steht —, daß es rechtlich kein Problem gibt, diesen Tatbestand besser zu kodifizieren, als dies bisher mit der allgemeinen Notwehr, mit der allgemeinen Nothilfe kodifiziert ist. Gleiches gilt für die Sonderwaffen, von denen die Rede ist. Das heißt, es bleibt bei der Notwendigkeit, politisch zu entscheiden, was man will.Damit, Herr Kollege Pensky, muß ich auf etwas eingehen, auf das Sie hingewiesen haben. Sie sagten, seit 1945 sei noch keinem Polizeibeamten etwas geschehen. Das ist richtig. Es ist deshalb richtig, weil in keinem gegen Polizeibeamte angestrengten Verfahren wegen eines Befreiungsschusses oder ähnlichem ein Polizist verurteilt worden ist.Nun haben wir in vielen Punkten differenzierter formuliert, als wir dies in der Vergangenheit getan haben, und jetzt sagen Sie, Herr Pensky, nach wie vor: Nun schieß mal schön, wenn du meinst, es sei notwendig; nachher wird der Staatsanwalt klären, ob es Rechtens war. Sie sagen zwar ja zu der Notwendigkeit dieses Schusses, aber Sie haben nicht den politischen Mut, das ins Gesetz zu schreiben, was Sie für sachlich notwendig halten, was Sie im Interesse des Beamten für richtig halten. Das ist der entscheidende Punkt.
Da sind Sie nicht sozial, meine Damen und Herren. Da erfüllen Sie nicht die notwendige Fürsorgepflicht des Gesetzgebers, dem handelnden Beamten, von dem Sie erwarten, daß er in einer bestimmten Situation etwas Bestimmtes tut, auch die rechtliche Absicherung zu geben, die durch Gerichtsentscheidungen prinzipiell abgesichert ist. Das ist mein Vorwurf an Sie, daß Sie kneifen, daß Sie sich aus der Verantwortung schleichen, wo es notwendig wäre, dem Mann an der Front eine bessere Rechtsposition zu geben. Da verweigern Sie sich, meine Damen und Herren.
— Natürlich, die Männer von der Polizei sagen „an der Front" ; denn das ist die wirkliche Front, wenn sie dem Täter mit der Waffe in der Hand gegenüberstehen. Das ist ein Stückchen Front. Das ist für die Männer bei der Polizei der Alltag, manchmal, Gott sei Dank nicht immer. Das riecht ein bißchen nach Front, auch wenn Sie das nicht gerne hören. Das ist die Wirklichkeit dieser Männer.
Da verweigern Sie diesen Männern aus politischen Gründen den besseren rechtlichen Schutz,
weil Gruppierungen in Ihrer Partei es nicht zulassen wollen, daß das getan wird, was notwendig ist. Meine Damen und Herren, wir haben doch die Diskussion auf Ihren Parteitagen verfolgt.
— Aber, meine Damen und Herren, wer will denn einem Beamten vorgaukeln, daß er nicht zu überlegen braucht. Das ist doch gar nicht wahr. Indem Sie diese Bestimmungen verweigern, erwecken Sie den Eindruck, als ob die deutsche Polizei ein bißchen schießwütig wäre. So klingt es doch teilweise aus Ihren Reihen; und das ist nicht richtig!
— Es gibt Probleme für die Polizei, Herr Ehmke.
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12134 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Schwarz— Es gibt an diesem Punkt Probleme für die Polizei, weil sie sich von den politisch Verantwortlichen alleingelassen fühlt, weil immer erst eine Nachkontrolle stattfindet und nicht vorher gesagt wird: in einer bestimmten Situation dürft ihr das tun.Was diskutieren wir? Wir diskutieren nicht um den Todesschuß. Wir diskutieren nicht um die Wiedereinführung der Todesstrafe. Wir diskutieren schlicht und einfach — und dem verweigern Sie sich — um den Absatz 2 des § 44, in dem es heißt:Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.Jetzt kommt der entscheidende Satz:Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.Das ist der Punkt, an dem Sie scheitern!
Das ist der Punkt, an dem Sie scheitern, Herr Kollege Professor Ehmke. Das dürfen Sie nicht mitmachen, weil in Ihren Reihen ganze Gruppen sagen: Das kommt bei uns nicht in Frage. Das ist der Punkt. -
Die Formulierung, die eben verlesen worden ist, ist eine, Formulierung, die Innenminister Hirsch gefunden hat, um das auch ganz rechtssicher zu machen.
Allerdings hatte Minister Hirsch auch die besonderen Waffen aufgenommen, die Maschinengewehre und Handgranaten. Für mich ist es zweimal der Name Hirsch: einmal der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Hirsch, der hier im Parlament in der Notstandsdebatte sagte, daß man die Aufgabe habe, Gesetze, die man sicher machen will, dann zu machen, wenn es nicht hektisch zugeht. Er bezog sich auf die Notstandsgesetze.Das gleiche gilt für die besonderen Waffen. Wir sollten die besonderen Waffen vorsehen, damit wir nicht im Falle eines inneren Notstandes, wenn die Polizei ihre Aufgabe erfüllen muß, hektisch Gesetze machen müssen, um die Bundeswehr noch nicht einzuschalten. Diese Begründung von Minister Hirsch teile ich voll und ganz.Meine Damen und Herren von der Koalition, diesen Gesetzesvorschlag haben Sie wirklich in den Mülleimer des Parlaments gekippt. Ich appelliere noch einmal an Sie, darüber ' nachzudenken, was Sie im Interesse der Sicherheit unseren Polizeibeamten schuldig sind! Überlegen Sie, ob Sie nicht vielleicht doch den neuen Musterentwurf im Deutschen Bundestag einbringen, damit wir zur Einheitlichkeit im Polizeirecht kommen.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.Wir kommen nun zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 61, Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Das bedeutet nach § 8 Abs. 3 der Geschäftsordnung, daß damit auch die dritte Lesung entfällt.Wir haben noch über Punkt 2 der Ausschußempfehlung abzustimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Juli 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Arbeitslosenversicherung— Drucksache 8/2594 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 8/2798 —Berichterstatter: Abgeordneter Höpfinger
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung darüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des vorzeitigen Ruhestandseintritts von schwerbehinderten Beamten und Richtern- Drucksache 8/2656 —Uberweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß
RedchsausschußHaushaltsausschuß mitberatend und gemaß § 96 GOErste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften- Drucksache 8/2710 —
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12135
Vizepräsident Frau FunckeÜberweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß
RechtsausschußHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GOWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Aussprache hat Herr Abgeordneter Brandt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Notwendigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs gibt es sicherlich überhaupt keinen Streit.
— Nur über die Zeit; aber ich werde dafür sorgen, daß die Zeit nicht zu weit ausgedehnt wird.
Wir haben heute schon eine Regelung für Schwerbehinderte im Rentenrecht, früher in Rente zu gehen, die für Arbeiter und Angestellte gilt. Es war die Absicht, auch im Beamtenbereich gleichermaßen die parallele Möglichkeit für schwerbehinderte Beamte zu schaffen, vorzeitig in Pension zu gehen, und zwar nach demselben Stufenplan also mit 61 Jahren bis zum 1. Januar 1980 und dann mit 60 Jahren.
Wir hatten diese Regelung damals an das Siebte Besoldungserhöhungsgesetz angehängt, und es ist bekannt, daß die Regelung, wie sie dort vorgesehen gewesen ist, letzten Endes im Vermittlungsausschuß gescheitert ist. Auch die Gründe dafür sind bekannt.
Ich muß noch auf folgendes hinweisen. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf von SPD und FDP sieht wie der damalige Entwurf vor, daß schwerbehinderte Beamte vom Datum der Gültigkeit dieses Gesetzes an — deshalb muß es sehr schnell beraten werden — mit dem 61. und vom 1. Januar 1980 an mit dem 60. Lebensjahr vorzeitig in Pension gehen können.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berger?
Bitte sehr.
Herr Kollege Brandt, würden Sie denn nicht auch einmal darauf eingehen, daß die Reaktivierungspflicht doch die Schwierigkeit im .Vermittlungsausschuß war und daß gar nicht zutrifft, was Sie sagen, nämlich daß der jetzige Antrag der Koalition mit dem damaligen Antrag identisch sei? Sie sind bisher, glaube ich, auf die Reaktivierungspflicht gar nicht eingegangen.
Hierauf wäre ich sowieso noch zu sprechen gekommen. Außerdem habe ich nicht gesagt, daß der Antrag mit dem anderen identisch sei, sondern nur, daß er dasselbe Ziel verfolge. Das Ziel ist, daß den schwerbehinderten Beamten die Möglichkeit gegeben wird, vorzeitig in Pension zu gehen.
Damals ist der Antrag da gebe ich Ihnen völlig Recht, das bestätige ich Ihnen gern, Herr Berger — an der Reaktivierungsklausel gescheitert, die vorgesehen hatte, daß derjenige Beamte, der die durchschnittliche Grenze des monatlichen Zuverdienstes von 425 DM übersteigt, reaktiviert werden sollte.
— Ja, mußte. — Daran ist dieser Gesetzentwurf damals gescheitert.
Nun. wird ein neuer Gesetzentwurf mit dem gleichen Ziel eingebracht, nämlich den schwerbehinderten Beamten die Möglichkeit zu geben, vorzeitig in Pension zu gehen. Aber wir sind es der Gleichbehandlung schuldig, daß Arbeiter und Angestellte nicht völlig anders behandelt werden als Beamte, d. h., eine Zuverdienstgrenze von 425 DM muß bei den Beamten wie bei den Arbeitern und Angestellten vorgesehen werden. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, den Beamten in diesem Bereich eine andere Rechtsstellung zu geben.
Wir haben diese Meinung beibehalten, Sie jedoch nicht, wie ich weiß. Sie werden Ihre Meinung sicher gleich begründen, oder Herr Regenspurger wird es tun. Wir werden das im Ausschuß miteinander auszutragen haben. Wir haben es diesmal an disziplinarrechtliche Maßnahmen angebunden. Nur ist meine Bitte, Herr Berger und Herr Regenspurger, das, was in Vorspiel zu diesem Gesetz stattgefunden hat, jetzt nicht zu wiederholen, weil wir eine sehr kurze Debatte vereinbart haben. Ich meine damit das, was Sie in einer Pressemitteilung gesagt haben: durch die Anbindung an das Disziplinarrecht sei es so, als wenn die Stellung der Ruhestandsbeamten derjenigen von Verfassungsfeinden gleiche. Meine Damen und Herren, ich will es ironisch mit Bernhard Shaw sagen. Dieser Gedanke ist so absurd, daß er sicherlich viele Menschen überzeugen wird. Uns, meine Damen und Herren, überzeugt er jedenfalls nicht.
Ich bitte um eine schnelle Beratung. Ich denke, daß wir diesen Gesetzentwurf schon in der kommenden Woche im Innenausschuß beraten können, so daß das Gesetz sehr schnell in Kraft treten kann und die schwerbehinderten Beamten ebenso behandelt werden können wie jetzt schon die schwerbehinderten Arbeiter und Angestellten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Regenspurger.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine sehr knappe Beratungszeit. Deshalb muß ich meine Ausführungen ein bißchen kürzen.Mit dem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Regelung des vorzeitigen Ruhestandseintritts von schwerbehinderten Beamten und Richtern soll es diesem Personenkreis schnellstens möglich gemacht werden, ab sofort auf Antrag mit dem 61. Lebensjahr und ab 1. Januar 1980 mit dem
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12136 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Regenspurgervollendeten 60. Lebensjahr vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Damit wird die flexible Altersgrenze für Schwerbehinderte, die im Rentenrecht bereits durch das 5. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz eingeführt wurde, auch für die Beamten und Richter Wirklichkeit werden.Eine entsprechende Initiative zugunsten der schwerbehinderten Beamten und Richter war ja bei der Beratung des 7. Besoldungserhöhungsgesetzes am Widerstand der SPD und der FDP gescheitert. Sie hatten versucht, die Einführung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte im öffentlichen Dienst dadurch unmöglich zu machen, daß Sie den vorzeitigen Ruhestandseintritt der Körperbehinderten mit einer beamtenfeindlichen und dem Beamtenrecht völlig systemfremden Reaktivierungsklausel verknüpft haben.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf bereits eine Woche nach dem Scheitern im Vermittlungsausschuß eingebracht. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU stimmt mit dem Vorschlag überein, den der federführende Innenausschuß des Deutschen Bundestages aufgrund eines einstimmigen Votums der Ausschußmitglieder vorgelegt hatte. Diesem Vorschlag hat auch die Mehrheit der Länder im Bundesrat zugestimmt.Die CDU/CSU hat den Gesetzentwurf deshalb so schnell eingebracht, weil die schwerbehinderten Beamten und Richter zu Recht eine baldige Regelung ihres vorzeitigen Ruhestandseintritts erwarten dürfen. Sie haben mit Sicherheit kein Verständnis dafür, daß sie noch länger warten müssen, und zwar — diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen — durch diese Reaktivierungsklausel, die Sie früher in das Gesetz hineingebracht haben.Man hätte erwarten dürfen, daß die Koalitionsfraktionen dem Vorschlag zustimmen. Die SPD nimmt ja in der Öffentlichkeit den Mund gerne voll und spielt sich als Hüterin der Belange der sozial Schwachen und der Behinderten auf. Auch von der FDP hätte man, geht man von den Reden ihrer Verantwortlichen aus, annehmen müssen, daß sie mitzieht. Sie tritt draußen im Lande als die Partei der Bürger auf, der angeblich die Interessen der Beamten am Herzen liegen.Jedoch: Grau ist alle Theorie. An ihren Taten kann man sie erkennen. Kratzt man bei beiden Parteien die Wahlkampftünche ab, so kommt der wahre Jakob zutage.
Der sieht dann allerdings anders aus, und zwar so: Nicht das Interesse der Schwerbehinderten und der sozial Schwachen liegt den Damen und Herren von der SPD am Herzen; was sie wollen — und hieran klebt ihr Herzblut —, ist die totale Gleichschaltung von Beamten, Angestellten und Arbeitern.
— Ich bedanke mich für den Zwischenruf, Herr Wehner, denn es ehrt mich, wenn Sie mich mit einem Zwischenruf bedenken.Zur Erreichung dieses von Ihren linken Ideologen erträumten und verkündeten Ziels ist Ihnen jedes Mittel recht.
— Das möchte ich schon so sehen: Systemveränderer.Dann sind Sie auch bereit, das Opfer der Schwerbehinderten in Kauf zu nehmen, die ohnehin zahlenmäßig für Sie nicht ins Gewicht fallen und am Wahltag nicht die entsprechenden Stimmen bringen.
Die FDP macht dieses Spiel mit. Ob dies aus Überzeugung oder, wie in vielen anderen Fällen nachgewiesen, aus blankem Opportunismus geschieht, ist schwer auszumachen.Meine Damen und Herren, ich muß mich wegen der Kürze der Redezeit beeilen. Die Zuverdienstgrenze von 425 DM ist nach wie vor rechtlich höchst problematisch und völlig unausgegoren. Wir werden im Ausschuß noch entsprechend darauf zurückkommen. Ist sie jetzt eine Anbindung an das Beamtenrecht oder an das bürgerliche Recht?
— Weil das ja eine freiwillige Verpflichtungserklärung ist. Sie ist im Beamtenrecht nicht zu finden.
— Öffentlich-rechtlich. Darauf werden wir im Ausschuß zurückkommen.Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Brandt, ich muß es dennoch sagen: Disziplinarmaßnahmen bei Ruhestandsbeamten gibt es eben nur bei ganz schweren Delikten. Diese sind beispielsweise bei einem Verfassungsfeind vorhanden. Wenn man diejenigen gleichstellt, für die eine Zuverdienstgrenze gilt, stellt man sie mit Verfassungsfeinden im Ruhestand gleich.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Wir fordern SPD und FDP auf, endlich ihren Widerstand gegen die Einführung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte aufzugeben, wie das von CDU und CSU und vom Bundesrat vorgeschlagen wird. Der Personenkreis der Schwerbehinderten eignet sich nicht dazu, als Spielwiese unausführbarer ideologischer Wunschträume mißbraucht zu werden. Legen Sie bei der jetzt folgenden parlamentarischen Beratung keine weiteren Steine in den Weg, damit wir alsbald zu einer gesetzlichen Regelung für die Schwerbehinderten kommen können..
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12137
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Verehrter Kollege Regenspurger, Sie wollen ganz augenscheinlich Herrn Spranger als bisherigen. Spitzenpolemiker entthronen.
Das war ganz augenscheinlich kein wahrer Jakob, sondern das war ein ziemlich billiger Jakob.
Sie sprechen hier von einer totalen Gleichschaltung von Angestellten, Arbeitern und Beamten. Ich würde Ihnen doch empfehlen, einmal die einschlägige Gesetzgebung zu lesen. Dann werden Sie eine große Vielfalt und einen großen Unterschied feststellen.
Ich meine — und da wollen wir doch wieder auf die Gemeinsamkeit dieses Gesetzentwurfes kommen —, daß die Altersantragsgrenze für schwerbehinderte Beamte und Richter im Rahmen eines Stufenplans um zwei Jahre herabgesetzt werden sollte. Das will unser Entwurf, und das will Ihr Entwurf, und zwar soll das auf eigenen Antrag und ohne Nachweis einer Dienstunfähigkeit möglich sein. Das sind, glaube ich, die Kernpunkte, die diese Position auszeichnen.
Ihre unterschiedliche Auffassung besteht eben darin, daß Sie hier den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand ohne zusätzliche Einschränkungen ermöglichen wollen. Wir meinen, daß einmal diese Hinzuverdienstgrenze von 425 DM eine Grenzposition markieren soll, und zusätzlich soll es als mögliche Reaktion gegenüber einem Mißbrauch dieser Hinzuverdienstgrenze die Reaktivierung geben. Wie eigentlich stellen Sie, verehrter Kollege Regenspurger, es sich vor, wenn wir bei der bedrängten arbeitsmarktpolitischen Situation noch einen Personenkreis ohne jede Begrenzung bei voller sozialer Absicherung in den Arbeitsmarkt bringen, der diese Situation noch zusätzlich erschwert?
Sicher kann es sein, daß wir noch Möglichkeiten haben, das Disziplinarrecht zusätzlich anzureichern. Ich verspreche mir von den Ausschußberatungen da doch das eine oder andere; vielleicht strengen Sie Ihre Phantasie dabei ein wenig an. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß das Disziplinarrecht hier keine besonders scharfe Waffe darstellt, und des- wegen muß der Gesetzgeber, meine ich, bei den Beratungen im Innenausschuß und im Plenum auch deutlich machen, daß er den Willen hat, diese Hinzuverdienstgrenze mit einer entsprechenden Sanktion zu versehen. Diese Sanktion ist zumutbar, und diese Sanktion ist entsprechend unserer arbeitsmarktpolitischen Situation notwendig und geboten.
Im wohlverstandenen Interesse der schwerbehinderten Beamten wünschen und hoffen wir, daß die Beratungen rasch und zügig vonstatten gehen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat empfiehlt
Überweisung der beiden Vorlagen an den Innenausschuß - federführend —, an den Rechtsausschuß — mitberatend — und mitberatend sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes
— Drucksache 8/2534 —Zur Begründung hat Frau Bundesminister Huber das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die vereinbarte kurze Redezeit möchte ich zur Einbringung nur wenige Worte sagen. Das Sozialhilfegesetz hat, glaube ich seine Bewährungsprobe in schwierigen Zeiten bestanden. Wir sind sehr froh darüber, daß sich der Kostenanstieg von ca. 26 % im Jahre 1974 jetzt auf 9 0/o verlangsamt hat, wodurch viele Besorgnisse weggefallen sind.Das Änderungsgesetz, das wir Ihnen heute vorlegen, dient in erster Linie der Anpassung an die Entwicklung der letzten Jahre. Es werden Leistungsverbesserungen vorgeschlagen. Besonders will ich hier die Leistungsverbesserung bei Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende mit nur einem Kind erwähnen; früher kam man nur mit mehreren Kindern in den Genuß dieser Zulage. Auch das einfache Pflegegeld wird auf monatlich 255 DM angehoben, und es ist eine Regelung vorgesehen, die sicherstellt, daß das Pflegegeld künftig jährlich angepaßt wird. Es gibt bei der Pflege auch zusätzliche Leistungen für den Fall, daß neben Angehörigen oder nahestehenden Personen eine besondere Pflegekraft tätig werden muß.Neben den Leistungsverbesserungen, die ich hier nur kurz streifen konnte, ergibt sich das Problem der Angleichung gewisser Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe, wie sie auch sonst im Zuge der Kostensteigerungen für die Krankenkassen festgelegt worden sind. Außerdem wollen wir die Einbeziehung in das Reha-Angleichungsgesetz, wozu aber noch weitere Vorarbeiten nötig sind.Ich denke, daß es die Zielsetzung bleiben muß, das Sozialhilferecht zwar immer mit anderen Bereichen zu harmonisieren und anzupassen. Es darf aber für den Personenkreis, der keine andere Sicherung hat, keine Leistungsverschlechterungen bringen. Dies ist das soziale Netz, das die Bundesrepublik sich aufgebaut hat, und daran wird der soziale Standard der Bundesrepublik gemessen. — Ich denke, daß wir trotz Diskussion in einigen Punkten diese Novelle miteinander bald über die Runden bringen werden.
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12138 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Es ist interfraktionell ein Kurzbeitrag je Fraktion vereinbart.
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung .des Bundessozialhilfegesetzes stellt im ganzen gesehen eine Sparnovelle dar. Einigen Leistungsverbesserungen stehen auch einige Leistungseinschränkungen gegenüber. Der Grund liegt wohl in den Ausgabenanstiegen in der Sozialhilfe. Sie waren seit Beginn der 70er Jahre stark beschleunigt. Nach Jahren des überportionalen Ansteigens der Ausgaben ist die Zuwachsrate der Sozialhilfeausgaben allerdings in den letzten Jahren stetig gesunken.
Sozialhilfe ist ja subsidiär. Sie ist leider auch oft zum Ausfallbürgen für sozialpolitische Fehlentwicklungen und auch zum Lückenbüßer in unserem sozialen Leistungssystem geworden. So haben sich insbesondere Leistungseinbußen, wie sie z. B im Haushaltsstrukturgesetz, im KrankenversicherungsKostendämpfungsgesetz und auch in den Rentengesetzen beschlossen worden sind, als Kostenverlagerungen bei der Sozialhilfe ausgewirkt.
Im Rahmen der Beratung dieser Novelle gibt es natürlich auch einige Probleme. Ein dringendes, das einer Lösung näherbebracht werden muß, ist die Sicherung der Pflege hilfloser Bürger, wobei die Heimpflege eine besondere Rolle spielt. Die CDU/CSU wird bei der Beratung auf eine Regelung drängen. Pflegebedürftigkeit ist ein Risiko geworden, das jeden Bürger treffen kann. Trotz lebenslanger Vorsorge reicht die Rente meist nicht aus, um die Pflegekosten zu decken.
Einige der im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen im Leistungsrecht für Pflegegeld treffen auf die Besorgnisse der Behinderten. Wir werden deren Eingaben sorgfältig prüfen. Dabei geht es auch im die auf Grund eines höchstrichterlichen Urteils praktizierte Anrechnung von Einfamilienhäusern. Dieses Problem hat mein Kollege Braun in der Debatte über die Lage der Behinderten ausführlich erläutert. Er sagte u. a.:
Aus den Unterlagen, die mir betroffene Eltern zur Verfügung gestellt haben, geht hervor, daß ein Haus, welches im Verkehrswert, nicht Einheitswert; teurer als ca. 135 000 DM ist, als verwertbares Vermögen angesehen wird. Das heißt im Klartext,
— so führte er aus —
daß entweder die Hilfe eingestellt oder nur als Darlehen gegen entsprechende Eintragung im Grundbuch weitergewährt wird. Hier sollten wir uns darauf verständigen, daß bei der demnächst anstehenden Änderung des Bundessozialhilfegesetzes in § 88 die Formulierung gefunden wird, die auch im Bundesversorgungsgesetz gefunden wurde, indem man das 2. Wohnungsbaugesetz zugrunde legte.
Wir werden bei den Beratungen auf diesen Vorschlag zurückkommen.
Auch das Müttergenesungswerk sieht einige Probleme. Für die Gewährung von Müttergenesungskuren soll der Vertrauensarzt eingeschaltet werden. Wir halten das nicht für erforderlich. Wir werden aber diese Frage ebenfalls sorgfältig beraten.
Berechtigt erscheinen mir auch die Sorgen der Eltern Behinderter. Sie wollen für die Zukunft ihrer Kinder Vorsorge treffen. Sie sind aber daran gehindert, weil die Vorschriften über den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei Gewährung der Hilfen für Schwer- und Schwerstbehinderte das unmöglich machen. Wir weisen die Behinderten sehr oft darauf hin, daß wir ihnen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten wollen. Aber wenn sie dann diese Selbsthilfe praktizieren, schädigen sie sich selbst. Das ist ein Widerspruch. Darüber sollte man gerade im Hinblick auf die Sorge der Eltern einmal ausführlich sprechen.
Ich komme zum. Schluß — wir müssen uns heute abend ja kurz fassen —: Die Sozialhilfe ist der dritte Pfeiler in unserem sozialen Leistungssystem. Nach dem Bedarfsdeckungsprinzip sollen die Träger — im wesentlichen sind es die Städte, die Stadtkreise und die Landkreise — Not verhindern und Not beseitigen. Wir sollten anerkennen, daß die Träger mehr Möglichkeiten für die Hilfe zur Selbsthilfe suchen und daß sie versuchen, im konkreten Einzelfall möglichst individuell zu entscheiden.
Einen wesentlichen Beitrag im r Bereich der Sozialhilfe leisten auch die freien Träger. Wir können auf deren Mithilfe nicht verzichten, und wir sollten dies auch bei den Beratungen berücksichtigen.
Die CDU/CSU wird sich gründlich mit allen anstehenden Fragen befassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte es für richtiger gehalten, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache, lediglich durch Überweisung an die Ausschüsse, zu behandeln, da in fünf Minuten kaum darstellbar ist, welche Probleme sich mit dieser Vierten BSHG-Novelle verbinden. Während die Zweite und Dritte Novelle zum BSHG echte Weiterentwicklungen gebracht haben, insbesondere für die Behinderten in unserem Lande, ist dieser Entwurf einer Vierten Novelle, der sicher auch Verbesserungen bringt, nicht so klar mit dem Begriff „Weiterentwicklung" zu umschreiben.Die Sozialdemokraten sind stolz auf ihren Anteil, den sie an der Weiterentwicklung der Sozialhilfe bei der Zweiten und Dritten Novelle haben leisten können. In dieser Tradition stehend, werden wir uns bemühen, auch die Vierte Novelle zu einer echten
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12139
JaunichWeiterentwicklungsnovelle des Bundessozialhilfegesetzes zu machen. Auch die Bundesregierung ging davon aus, daß das BSHG weiterzuentwickeln ist, als sie am 4. März 1974 dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge den Auftrag gab, Untersuchungen in dieser Richtung anzustellen. Die Fachdiskussion, die sich hierüber entspann, wurde sehr schnell von einer öffentlichen Diskussion im Jahre 1976 überlagert, die ausschließlich der Kostenminderung der Sozialhilfe galt. Ich erwähne hier an besonders hervorragender Stelle Herrn Stoltenberg. Ich finde es sehr merkwürdig, daß man gerade auf diesem Felde eine Diskussion ausschließlich unter Kostenminimierungsgesichtspunkten veranstaltet.
Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß die Bundesregierung mit den. Bundesländern verabredet hat, daß die Vierte Novelle kostenneutral gestaltet werden soll. Die Grundlagen hierfür stimmen allerdings heute nicht mehr. Denn der Trend des Kostenanstiegs in der Sozialhilfe ist gebrochen, er ist deutlich zurückgegangen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß durch die Achte Novelle des Bundeskindergeldgesetzes die Sozialhilfeträger wesentliche Entlastungen erfahren haben. Ähnliches gilt für die verbesserten Wohngeldleistungen und andere Sozialleistungen, die wir hier in diesem Hause beschlossen haben. Deshalb kann ich nur an den Bundesrat und an die Einsichtigkeit der Sozialhilfeträger appellieren, damit das Finanzvolumen, das den Sozialhilfeträgern durch diese Maßnahmen zugeflossen ist, für eine vernünftige Weiter- und Fortentwicklung der Sozialhilfe verwandt werden kann.Wir stehen voll und ganz hinter der im Entwurf enthaltenen Verbesserung beim Mehrbedarfszuschlag für alleinerziehende Elternteile mit einem Kind. Dies ist der wesentlichste Brocken vom Finanzvolumen des Gesetzes her.Wir begrüßen auch gewisse Verbesserungen bei der Pflegegeldregelung, dic in der Novelle enthalten sind, obwohl die Regelung in § 69 zunächst insgesamt mehr Besorgnisse erweckt, als wir über die geringfügigen Verbesserungen dort Freude haben können. Ich glaube, da gibt es keinen Dissens unter uns.Kritisch anzumerken — ich muß das in der mir vorgegebenen furchtbaren Kürze machen — bleibt die Bestimmung, daß Mehrbedarf künftig erst ab sechsten Schwangerschaftsmonat vom Gesetz her. gedeckt werden soll. Wir werden bei den Beratungen sehr kritisch prüfen, ob wir uns dem anschließen können. Auch die Einschränkungen in der vorbeugenden Gesundheitshilfe — Herr Kollege Burger hat darauf hingewiesen — sind hier anzusprechen. Wir wollen keine Bürokratisierung, keine unnötige Einschaltung von Vertrauensarzt und Amtsarzt. Zu erwähnen ist, daß es weniger Mütterkuren gibt. Das Bedürfnis für Mütterkuren in unserem Lande ist groß genug, und es muß auch über die Sozialhilfe zu befriedigen sein.
Die Alterssicherung für Pflegepersonen, wozu die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ins Gesetz hineinschreibt, erscheint uns auch nicht als das Nonplusultra. Auch hier muß fortentwickelt werden. Denn die damalige Intention des Gesetzgebers in der Dritten Novelle ist durch die Praxis und durch die restriktive Rechtsprechung nicht erfüllt worden. Hier werden wir nach vorne drängen.Dasselbe gilt für die Problematik des § 88. Das Thema wurde hier schon mit dem „Schonvermögen" angeschnitten, mit dem eigengenutzten Heim. Ob die Formulierung, die die Bundesregierung in den Entwurf hineingenommen hat, das Begehren auffangen kann, erscheint zumindest zweifelhaft. Unser übereinstimmendes Wollen — ich entnehme es den Äußerungen des Kollegen Burger — ist, daß wir hier zu einem Schutz des Eigenheimes durch entsprechende gesetzliche Formulierung kommen.Welche Problematik im Zusammenhang mit dem Pflegegeld besteht, habe ich bereits angeschnitten.Lassen Sie mich noch kurz drei Forderungen, die über den Entwurf hinausgehen, in dieser ersten Lesung erheben.Erstens. Hilfe für mißhandelte Frauen, heute in § 72 sicherlich unter diskriminierenden Vorschriften abgehandelt, sollte in einer eigenständigen Fassung im BSHG geregelt werden.
Zweitens. Wir sprechen uns dafür aus, die Gelegenheit zu nutzen, Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz und auch beamtenrechtliche Bestimmungen zur Rehabilitation im Reha-Angleichungsgesetz zu verankern.Drittens. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Punkten. Ich möchte insbesondere an die unbefriedigende Situation bei der Erhöhung des Kindergeldes für Drittkinder und der anstehenden. Erhöhung des Kindergeldes für Zweitkinder erinnern, wo gerade diejenigen Personenkreise, die unter das Bundessozialhilfegesetz fallen, davon überhaupt nichts mitbekommen haben.
Hier werden wir gemeinsam zu überlegen haben, wie wir gerade diesem so betroffenen Personenkreis zu seinem Recht verhelfen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Nervus rerum — die Kosten — sagt über die Bedeutung eines Gesetzentwurfes oft mehr aus als viele Paragraphen. So zeigte auch ein Blick in den vorliegenden Entwurf:Die jährlichen Kosten für die Haushalte in den Ländern steigen um nur 4,8 Millionen DM. Daß es sich bei diesem Vierten Änderungsgesetz nur um eine kleine Novelle handeln kann, ist damit schon auf dem Vorblatt ausgemacht.
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SpitzmüllerBereits auf dem Vorblatt wird darauf hingewiesen, daß. für Leistungsverbesserungen nur ein geringer Spielraum angesichts des unverhältnismäßigen Kostenanstiegs vorhanden ist, der seit Jahren zu verzeichnen ist. Mit diesem Hinweis sind wir bei der Kostenentwicklung in der Sozialhilfe, einer Entwicklung, die den Verantwortlichen in der Tat seit vielen Jahren große Sorgen macht. Wenn ich die Zahlen der letzten zehn Jahre Revue passieren lasse und sie auf einen einheitlichen Nenner bringen will oder soll, dann kann ich sagen: Die eigentliche Kostenexplosion in der Sozialhilfe ist zwar vorbei, die Kostenexpansion aber noch keineswegs ausgelaufen: 9 % im letzten Vergleichsjahr.Angesichts dieser Lage ist es uns klar, daß der Kosten- und Verbesserungsspielraum, den wir bei diesem Entwurf haben, sehr gering ist. Der Bundesrat als Sachwalter auch der kommunalen Haushalte wird gerade auf die kostenmäßige Begrenzung dieser Novelle besonders achten. Dieses Gesetz bedarf seiner Zustimmung.Aber mit dieser realistischen Einschätzung unseres Spielraums will ich nicht sagen, wir seien bei den Ausschußberatungen von der Prüfung entbunden, inwieweit dringende weitere Verbesserungen hier und da erforderlich sind. Meine Vorredner haben eine Reihe von Problemen behandelt.Ein Streitpunkt ist seit Jahren, inwieweit der Sozialhilfeempfänger eigenes Grundvermögen einzusetzen hat. Wir begrüßen es, daß der Entwurf den Gesetzestext insoweit klarstellt. Darüber hinaus sollten wir freilich sorgfältig prüfen, ob hierbei das grundlegende Sozialhilfeprinzip, nämlich das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe, nicht noch deutlicher sichergestellt werden kann. Nehmen wir etwa den Fall einer Familie mit einem behinderten Kind oder gar mehreren behinderten Kindern, die sich etwa, unter sehr großen Opfern in der Regel, ein behindertengerechtes Eigenheim gebaut hat. Ihr Sparund Selbsthilfewille sollte nicht etwa durch eine engherzige Vermögensanrechnung enttäuscht und geschwächt werden.Die Kuren für Mütter im Rahmen des Müttergenesungswerkes müssen unverändert gesichert bleiben. Das ist wohl einheitliches Anliegen aller drei Fraktionen.Ebenfalls seit Jahren umstritten, und vor allem von den Betroffenen abgelehnt, ist die vom BHSG vorgesehene Anrechnung von Kindergeld als Einkommen des Hilfeempfängers. Anders als im vorigen Fall sehen wir hier jedoch kaum eine Möglichkeit für eine Änderung. Da die Regelsätze den Aufwand für Kinder mit umfassen, wäre die Nichtanrechnung von Kindergeld eine öffentliche Doppelleistung. Wohl aber ließen sich die Termine für Erhöhungen der Sozialhilferegelsätze und des Kindergeldes besser koordinieren, um die Anrechnungen weniger fühlbar und einschneidend zu machen.Ich möchte diese kurze Generaldebatte über die Sozialhilfe nicht schließen, ohne einige Bemerkungen über die weitere mittelfristige Entwicklung zu machen. Wir müssen in der Sozialhilfe wieder die Normalität in der Kostenentwicklung erreichen, eine Normalität, die dort Leistungsverbesserungen ermöglicht wo sie notwendig sind. Die Statistik zeigt seit langen Jahren, daß sich ein Aufgabensektor der Sozialhilfe überproportional vergrößert und schließlich zu einem Strukturfehler in diesem Bereich ausgewachsen hat. Ich meine die Hilfe zur Pflege, insbesondere in Anstalten. Die Frage ist kürzlich bei der Debatte über die Altenpolitik bereits als sozialpolitische Langzeitaufgabe von allen Fraktionen angesprochen worden. Ich selbst habe im Herbst 1977 bei der damaligen Kommunaldebatte auf jene Fehlentwicklung hingewiesen und Vorschläge für eine mögliche Lösung gemacht.Ein weiteres Problem, das ich ansprechen möchte, das auch Herr Kollege Jaunich von der SPD angesprochen hat, liegt in der Tatsache, daß wir im Sozialhilferecht prüfen müssen, ob die jetzigen Regelungen ausreichen, um mißhandelten Frauen Gerechtigkeit und Hilfe widerfahren zu lassen.Ein letztes Problem möchte ich ansprechen: § 96 Abs. 1 in der geltenden Fassung läßt es zu, kreisangehörige Gemeinden zu örtlichen Sozialhilfeträgern "zu bestimmen. Hier müssen wir versuchen, mehr Bürgernähe zu erreichen. In Nordrhein-Westfalen gibt es 27 kreisangehörige Städte mit über 60 000 Einwohnern. Das sollte uns zum Nachdenken im Ausschuß veranlassen.Schließlich möchte ich eine längst überfällige Frage ansprechen, die eigentlich Gegenstand des Regierungsentwurfs hätte sein sollen: Ich meine die Aufhebung des sogenannten Halbierungserlasses 1972 bzw. des Nachfolgeerlasses in den Bundesländern. Dies ist übrigens auch eine nachdrückliche Forderung der Psychiatrie-Enquete-Kommission. Ich schlage vor, zumindest die Problemstellungen und die zur Zeit vorliegenden Lösungsvorschläge bereits jetzt im Ausschuß zu erörtern, obwohl das schwierige vielschichtige Problem bei dieser Novelle noch nicht entscheidungsreif ist. Es muß aber angesprochen werden.Wir stimmen den vom Ältestenrat vorgeschlagenen Überweisungen zu.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes und des Geflügelfleischhygienegesetzes— Drucksache 8/2722 —Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und mitberatend an den Ausschuß
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1979 12141
Vizepräsident Frau Funckefür Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1979 hier: Einzelplan 12 — Geschäftsbereich desBundesministers für Verkehr— Drucksachen 8/2510, 8/2623 —Berichterstatter: Abgeordneter Müller
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Zur Aussprache wird ebenfalls das Wort nicht gewünscht.Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2623 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ist bei zwei Enthaltungen so beschlossen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Bundesministers der FinanzenBundeseigene Liegenschaft in Wertheim-Bestenheid; Einwilligung zur Veräußerung gemäß § 64 Abs. 2 BHO— Drucksache 8/2775 —Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Haushaltsausschuß, — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Beratung der Beschlußempfehlung und desBerichts des Rechtsausschusses
zu der Unterrichtung durch das EuropäischeParlamentEntschließung zu dem Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und Strafrecht— Drucksachen 8/140, 8/2735 — Berichterstatter:Abgeordnete Coppik, Wimmer
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Der Rechtsausschuß schlägt auf Drucksache 8/2735 vor, die Entschließung des Europäischen Parlaments auf Drucksache 8/140 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe als letzten Punkt für heute Tagesordnungspunkt 18 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungUNESCO-Empfehlung zum Rechtsschutz für Übersetzer und Übersetzungen und die praktischen Mittel zur Verbesserung der Lage der Übersetzer sowie eine Stellungnahme der Bundesregierung— Drucksachen 8/1311, 8/2734 — Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Linde, Dr. PfennigWünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2734, die Stellungnahme der Bundesregierung zu der UNESCO-Empfehlung auf Drucksache 8/1311 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. — Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden, es ist so beschlossen.Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.