Protokoll:
5131

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 131

  • date_rangeDatum: 8. November 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:10 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 131. Sitzung Bonn, den 8. November 1967 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Conring 6615 A Abg. Dr. Bayerl tritt in den Bundestag ein Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an Ausschüsse 6615 A Wahl des Abg. Dr. Bucher als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses . . 6615 B Absetzung des Punktes 3 von der Tagesordnung 6615 B Amtliche Mitteilungen 6615 C Fragestunde (Drucksache V/2236) Frage des Abg. Burger: Besetzung der Strafvollzugskommission Dr. Ehmke, Staatssekretär . . . 6617 A Burger (CDU/CSU) 6617 B Frage des Abg. Strohmayr: Ermittlungen über das Abhandenkommen eines Flugkörpers vom Typ Sidewinder auf dem Flugplatz Neuburg (Donau) 6617 B Fragen des Abg. Borm: Ermittlungen gegen Bundesbürger wegen Beleidigung des Schahs Dr. Ehmke, Staatssekretär . . . 6617 C Borm (FDP) 6617 D Frage des Abg. Rollmann: Öffnungseiten des Benutzersaals des Bundesarchivs in Koblenz Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6618 B Frage des Abg. Rollmann: Änderung der Bundeslaufbahnordnung Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6618 C Rollmann (CDU/CSU) 6618 D Frage des Abg. Dorn: Offizielle Polizeikonzeption Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6619 A Dorn (FDP) 6619 A Frage des Abg. Dorn: Frage einer Herauslösung des Bundesgrenzschutzes aus der Polizei Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6619 C Dorn (FDP) 6619 D Hübner (SPD) 6620 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 Frage der Abg. Frau Funcke: Frage einer evtl. Verfassungswidrigkeit einer Teilzeitbeschäftigung für Beamte mit besonderen Familienpflichten Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6620 C Frau Funcke (FDP) . . . . . . 6620 D Moersch (FDP) 6621 A Frau Freyh (SPD) . . . . . . 6621 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 6621 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 6622 A Fragen des Abg. Raffert: Erlaß des Bundesinnenministers vom 1. 9. 1967 betr. Förderung künstlerischer Nachwuchskräfte für den deutschen Film Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6622 B Raffert (SPD) 6622 C Dr. Meinecke (SPD) 6623 A Dr. Huys (CDU/CSU) 6623 C Moersch (FDP) . . . . . . . 6624 A Dr. Lohmar (SPD) 6624 B Frage des Abg. Moersch: Unterschrift in der Bundestagsdrucksache V/2166 „Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder" Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6625 C Moersch (FDP) 6625 C Fragen der Abg. Frau Kurlbaum-Beyer: Spendenaktion Vietnam des Gründers der SOS-Kinderdörfer 6626 A Fragen des Abg. Dr. Müller-Emmert: Öffentliche Münzfernsprecher in den Landgemeinden 6626 B Fragen des Abg. Baron von Wrangel: Anschluß im Zonengrenzgebiet liegender Städte und Gemeinden an das Hamburger bzw. Lübecker Fernsprechnetz — Gebührenstaffelung . . . . . . 6626 C Frage des Abg. Dichgans: Entschädigung der Deutschen Lufthansa durch die Bundespost bei mit höheren Kosten verbundenem Einsatz lärmschwacher Flugzeuge . . . . . . . 6626 C Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Postreisedienst Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 6626 D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 6627 A Josten (CDU/CSU) 6627 B Frage des Abg. Jung: Zahlen über die qualitative Struktur des Althausbesitzes Dr. Schornstein, Staatssekretär . 6627 D Jung (FDP) 6628 B Frage des Abg. Dr. Hudak: Schnellere Eingliederung von Spätaussiedlern von Hassel, Bundesminister . . . . 6628 D Dr. Hudak (CDU/CSU) 6629 B Frage des Abg. Richter: Ratifizierung des Protokolls zur Rechtsstellung von 1951 über den Status der Flüchtlinge 6629 C Fragen des Abg. Dr. Mühlhan: Beteiligung des Bundes an deutschen Wochenschauen Schmücker, Bundesminister . . . . 6629 C Dr. Mühlhan (FDP) 6629 D Frage des Abg. Dr. Serres: Empfehlung des Europarates betr. Gewährleistung einer wirksameren Entwicklungshilfe Wischnewski, Bundesminister . . . 6630 B Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete (Drucksache V/2078) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien (Drucksache V/2014) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Drucksache V/2232) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1968, Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 III 1969 und 1970 (Drucksache V/2233) — Erste Beratung — Dr. Schiller, Bundesminister . . . 6631 A Brand (CDU/CSU) 6637 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 6640 B Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) . 6646 D Kühn, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 6650 C Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes 6655 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6658 C Sackmann, Staatssekretär, Vertreter des Landes Bayern 6665 B Arendt (Wattenscheid) (SPD) . . 6668 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 6673 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . 6675 A Dr. Friderichs (FDP) 6680 B Ollesch (FDP) 6694 D Schmidhuber (CDU/CSU) 6700 C Entwurf eines Bundeswasserstraßengesetzes (Drucksache V/352) ; Schriftliche Berichte des Rechtsausschusses und des Verkehrsausschusses (Drucksachen V/1469, V/2215) — Zweite und dritte Beratung — Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 7601 A Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 6701 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. Dezember 1966 mit der Republik Sambia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/2006) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksachen V/2204, zu V/2204) — Zweite und dritte Beratung — 6701 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1966 mit der Republik Elfenbeinküste über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/2028) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksachen V/2205, zu V/2205) — Zweite und dritte Beratung — 6702 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Dezember 1966 mit dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen (Drucksache V/ 1782); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache V/2213) — Zweite und dritte Beratung — 6702 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksache V/2076); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache V/2216) — Zurückverweisung an den Ausschuß — . 6702 C Entwurf eines Gesetzes über die ertragsteuerlichen und vermögensteuerlichen Auswirkungen des Umsatzsteuergesetzes vom 29. Mai 1967 und zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Drittes Steueränderungsgesetz 1967) (Drucksache V/2185) — Erste Beratung — 6702 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes (Drucksache V/2237) — Erste Beratung — 6703 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kleingartenrechtlicher Vorschriften (Drucksache V/2221) — Erste Beratung - 6703 A Antrag der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer Eherechtskommission (Drucksache V/2162) Hirsch (SPD) . . . . . . . . 6703 B Busse (Herford) (FDP) 6703 D Nächste Sitzung 6704 C Anlagen 6705 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 6615 131. Sitzung Bonn, den 8. November 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 9. 11. Deringer 8. 11. Dr. Dittrich* 8. 11. Dr. Effertz 10.11. Dr. Erhard 10. 11. Frieler 11. 11. Gerlach * 8. 11. Graaff 9. 11. Hörmann (Freiburg) 10. 11. Kohlberger 10. 11. Dr. Kübler 17. 11. Kunze 30. 11. Lenz (Brühl) 31. 12. Lücker (München) * 8. 11. Dr. Mende 9. 11. Merten 30. 11. Müller (Aachen-Land) * 10. 11. Paul 31. 12. Petersen 10. 11. Scheel 10. 11. Dr. Schulz (Berlin) 30. 11. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Elsner 18. 11. Gibbert 16. 12. Hanz (Dahlen) 18. 11. Hösl 28. 11. Hussong 17. 11. Steinhoff 31. 12. Stücklen 18. 11. Anlage 2 Der Bundesminister für Wirtschaft Bonn, den 8. November 1967 Energiepolitische Daten des Jahres 1967 1. 23./24. Januar 1967 Erste Kohlegespräche mit IG Bergbau und Energie und Unternehmensverbänden 2. 27. Januar 1967 Nach Klärung der .gemeinsamen Finanzierung zwischen dem Bund unid den Bergbauländern (2/3 ,1/3% : Inkraftsetzung des 2. Kohleverstromungsgesetzes durch Erlaß der Ausführungsbestimmungen * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht 3. 15. Februar 1967 Bundestag verabschiedet das Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei der Stillegung von Bergwerken (unter anderem Steuerbefreiungsvorschriften für ,die Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH und Regelung der Lastenausgleichsverpflichtungen der Bergwerke bei Stillegungen) 3. März 1967 Bundesrat stimmt dem Gesetz zu 11. April 1967 Verkündung des Gesetzes 4. 16. Februar 1967 Kokskohlesubvention vom Ministerrat der Montanunion beschlossen (6,80 DM Beihilfe je Tonne Kokskohle) Bundeshaushalt 1967: 140 Mio DM, Länderhaushalte Nordrhein-Westfalen und Saarland 70 Mio DM 2. Juni 1967 Vorläufige Richtlinien für die Kokskohlenbeihilfe nach Entscheidung der Hohen Behörde 5. 7. März 1967 Exportfinanzierungshilfe Krupp (300 Mio DM Bundesbürgschaft) 3. August 1967 (150 Mio DM Landesbürgschaft Nordrhein-Westfalen) 6. 13. März 1967 21. März 1967 3. Mai 1967 Gemeinsame Kohlegespräche mit Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Saarland, IG Bergbau 'und Energie, Unternehmensverbände Ruhr und Saar 7. 20. März 1967 Dreiphasenplan des Bundesministers für Wirtschaft zur Anpassung und Gesundung des Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete 8. 26. April 1967 Übereinkunft mit Elektrizitätswirtschaft über Kohlemehreinsatz und Heizölmindereinsatz in Kraftwerken (kurzfristiger Mehrverbrauch bis zu 2,5 Mio t Kohle jährlich) 9. 2. Mai 1967 Verschärfung der Heizölselbstbeschränkung (1967 Zuwachs bei schwerem Heizöl und Mitteldestillaten auf 3 und 4 % vereinbart; bis 30. 9. 1967 effektiv 0,2 und 3,0 %). 7. Juni 1967 Verschärfte Überprüfung .der Mineralöleinfuhr gemäß § 10 Außenwirtschaftsgesetz durch Anordnung vom 7. Juni 1967 10. 17. Mai 1967 Zusätzliche soziale Sicherungen für Bergarbeiter von Bundesregierung beschlossen: Gleichstellung der Bergmannsprämie, Abfindungsgeld (Vorwegnahme des Kohlegesundungsgesetzes, s. u. Punkt 11), Nachholschichtenregelung, Feierschichtenregelung 14. Juli 1967 Durchführungsbestimmungen für Feierschichten-. und Nachholschichtenregelung und Abfindungsgeld vom Bundesminister für Wirtschaft unterzeichnet 11. 24. Mai 1967 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete (Kohlegesundungsgesetz) von Bundesregierung verabschiedet: a) geordnete Anpassung der Förderkapazität b) Rationalisierungseffekt durch optimale Unternehmensform, c) Abfindungsgeld für Bergarbeiter, d) 10 % Investitionsprämie für Industrieinvestitionen, e) Enteignungsmöglichkeiten für Industrielandbeschaffung 30. Juni 1967 Positive Stellungnahme des Bundesrates zum Kohlegesundungsgesetz 12. 5. Juni 1967 Antrag des Bundesministers für Wirtschaft an Hohe Behörde der Montanunion, die manifeste Krise dm Steinkohlenbergbau zu erklären 13. 15. Juli 1967 Positive Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Wirtschaft zum Kohlegesundungsgesetz 14. 19. Juli 1967 'Erste Besprechung des Bundesministers für Wirtschaft mit Fünfer-Gruppe „Rheinstahlplan". Beauftragung von Experten 'zur Prüfung von Einzelfragen 15. 10. August 1967 2. Konjunktur- und Strukturprogramm von Bundesregierung beschlossen (doppelter Bevölkerungsschlüssel für Steinkohlenreviere) 1. September 1967 Zustimmung des Bundesrates 8. September 1967 Zustimmung des Bundestages 16. 13. September 1967 Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1968 vom Kabinett verabschiedet mit 1051 Mio DM für den Steinkohlenbergbau (gegenüber 916 Mio DM Haushaltssoll 1967 und 460 Mio DM Ist 1966) (außer dem Zuschuß des Bundes zur Knappschaftlichen 'Rentenversicherung: Haushaltsansatz 1967: 2,750 Mrd. DM; 1971 gemäß mittelfristiger Finanzplanung: 3,194 Mrd. DM) 17. 27. September 1967 Kohlezollgesetz 1968, 1969 und 1970 vom Kabinett verabschiedet (Kontingent 6 Mio t jährlich, Kürzungsmöglichkeit um 20 %) 27. Oktober 1967 Stellungnahme des 'Bundesrates zum Kohlezollgesetz (fordert Streichung der Kürzungsmöglichkeit durch Bundesregierung) 2. November 1967 Bundesregierung plädiert in Gegenäußerung zur Stellungnahme des 'Bundesrates für Wiederherstellung der Regierungsvorlage 18. 29. September 1967 Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Verlängerung der Abwicklungszeit für das Darlehens- und Bürgschaftsprogramm des Rationalisierungsverbandes des Steinkohlenbergbaus 27. Oktober 1967 Positive Stellungnahme des Bundesrates 19. seit September 1967 Bemühungen um verstärkte Lieferungen deis Steinkohlenbergbaus im innerdeutschen Handel 20. 2. Oktober 1967 Positive Stellungnahme ,des Ministerrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zum Kohlegesundungsgesetz 21. 20. Oktober 1967 Der Bundesminister für Wirtschaft erklärt den Betriebsräten der Zechen Hansa und Pluto, daß keine Stillegungsprämie .an die Zecheneigentümer gezahlt werden würde 23. Oktober 1967 Unter Vorsitz 'des Bundeskanzlers 'wird in Ministergespräch beschlossen, Hansa und Pluto keine Stillegungsprämie zu gewähren 24. Oktober 1967 Stillegungsaufschub bei den Zechen Hansa und Pluto vom Vorstand ,der GBAB und Verwaltungsrat der Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH beschlossen 22. 31.Oktober 1967 Besprechungen über Neuordnung des Steinkohlenbergbaus mit IG Bergbau und Energie: „Einheitsgesellschaft" und Fünfer-Gruppe der Eigentümer: „Rheinstahlplan" Daran anschließend Erarbeitung einer Synthese der wesentlichen Neuordnungspläne Ziel: Neuordnung der Unternehmensform des Steinkohlenbergbaus möglichst schon ab 1. Januar 1968 Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordung. In dieser Debatte geht ,es um eine dauerhafte Lösung der Probleme der deutschen Steinkohle. Dieses Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 6707 Ziel hat die Bundesregierung durch Erklärung des Bun'desk'anzlers und es Bundeswirtschaftsministers proklamiert. Es ist in (dieser Debatte von den Sprechern aller Fraktionen bestätigt worden. Eine solche definitive Lösung ist weder gegen die Kräfte des Marktes noch gegen die technologische Entwicklung möglich, will man nicht unabsehbare Wachstumsverluste hinnehmen. Die Sanierung des deutschen Steinkohlenbergbaus ist nur (ein — wenn auch sehr wichtiger — Teil der uns gestellten energiepolitischen Aufgabe. Dies könnte man beinahe vergessen, wenn man die Begleitmusik hört, die vor 'Energiedebatten von Seiten der Betroffenen regelmäßig intoniert wird. Energiepolitik darf sich eben nicht in einer Kette von Hilfsaktionen für den Steinkohlenbergbau erschöpfen. Sie darf nicht zurückschauen auf das, was war — auf die großen industriellen Leistungen, die in diesem Wirtschaftszweig vollbracht worden ,sind , sondern sie muß auf (das gerichtet werden, was vor uns liegt — auf eine im Wandel begriffene Wirtschaft. Es hat wenig Sinn, in der Wissenschaftsdebatte 'die großen technologischen Perspektiven aufzuzeigen, wenn man (sie dann in der Energiedebatte ignoriert.. Diese Bundesregierung der Großen Koalition hat sich in der Regierungserklärung einer" Wirtschaftspolitik der Stabilität und des Wachstums verpflichtet. Diese Zielsetzung muß auch für die Energiepolitik gelten. Wirtschaftspolitische Eingriffe in bestimmte Teilbereiche der Wirtschaft müssen so erfolgen, daß sie auf lange Sicht gesehen wachstumsfördernd wirken. Die Erhaltung überholter Strukturen ist nur für eine kurze Übergangsfrist möglich. Die Umschichtungen bei der Energieverwendung sind nicht die Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik — wie es heute wieder behauptet wurde —, sondern nur ein Ausdruck der modernen technisch-wirtschaftlichen Entwicklung. Diesen Wandel können wir auch in anderen Industrieländern beobachten. Dieser Prozeß ist heute noch keineswegs abgeschlossen. Es kann durchaus sein, daß das Mineralöl in absehbarer Zeit von der Atomenergie in seiner Stellung als dominierender Wachstumsfaktor auf dem Gebiet der Energiedarbietung abgelöst wird. Diese strukturellen Veränderungen auf dem ,Energiemarkt haben nicht nur Schwierigkeiten mit sich gebracht, sondern sie sind gleichzeitig mit einem allgemeinen Aufschwung der Wirtschaft einhergegangen. Sie haben zu einer Veränderung der Standortbedingungen geführt, was sich positiv für die revierfernen Gebiete ausgewirkt hat. Man muß daher die Kohlekrise .als das sehen, was sie ist, nämlich als ein Umschichtungsvorgang in einer expansiven Wirtschaft. Wenn man aber eine expansive Wirtschaft will, dann darf man 'derartige Umschichtungsvorgänge nicht aufzuhalten versuchen und überholte Strukturen konservieren wollen. Aufgabe der Wirtschaftspolitik kann es nursein, für einen möglichst reibungslosen Verlauf dieses Umschichtungsprozesses zu sorgen. In der Debatte um den möglichen Umfang einer künftigen Kohleförderung spielt der Begriff der Versorgungssicherheit, d. h. der Eigenversorgung aus heimischen Energiequellen, eine große Rolle. Man sollte dieses Argument auf seinen rationalen Kern zurückführen. Hier ist zunächst einmal festzustellen, daß die 'deutsche Volkswirtschaft nun einmal in den Gemeinsamen Markt integriert und die Weltwirtschaft verflochten ist und daß jede Störung der internationalen Wirtschaftbeziehungen zu erheblichen Rückwirkungen auf unser Wirtschaftsleben führen würde. Es ist außerdem unbestritten, daß die Kohle den Energieverbrauch der deutschen Volkswirtschaft nicht mehr annähernd decken kann, so daß die Einfuhrabhängigkeit nicht mehr beseitigt werden kann. Ich möchte damit nicht sagen, daß man das Problem der Versorgungssicherheit völlig außer acht lassen soll. Im Gegenteil! Diese ist nur durch eine Fülle von Maßnahmen sicherzustellen. Sie liegt mindestens ebenso stark in (einer Diversifikation der Öleinfuhren und in einem gesteigerten Tempo des Ausbaus der Kernenergieerzeugung wie in der Erhaltung .einer bestimmten Kapazität des deutschen Steinkohlenbergbaus. Das Ziel der Hilfsmaßnahmen für die Kohle — oft versprochen, aber bisher noch nicht verwirklicht — muß daher sein die Anpassung des Steinkohlenbergbaus an die veränderten und sich verändernden Verhältnisse. Dies kann nicht geschehen durch die Garantie einer Quote am Gesamtenergieverbrauch oder die Setzung neuer Orientierungdaten, die nur allzu rasch durch die wirtschaftliche Entwicklung üiberhol.t werden können und dann weniger zur Orientierung der unternehmerischen Entscheidungen als zur Deroutierung des Marktes beitragen. Es darf daher keine starre Förderungsgrenze gesetzt werden, sondern es muß ein flexibles Anpassungsmodell gewählt werden, in dem die Veränderung der Nachfrage, die Kostensituation der Zechen, die für die Stützung des Kohleabsatzes verfügbaren Finanzmittel der öffentlichen Hand und die Möglichkeit der Beschaffung von Ersatzarbeitsplätzen entsprechend berücksichtigt werden. In der letzten Zeit ist hin und wieder die Behauptung aufgestellt worden — so u. a. vom früheren Vorsitzenden des Unternehmensverbands Ruhrbergbau Dr. Burckhardt —, es sei eine Illusion, an eine Wettbewerbsfähigkeit der Kohle gegenüber den anderen Energieträgern zu glauben. Ob diese Behauptung zutrifft, kann heute nicht gesagt werden. Es wird eine der ersten Aufgaben des Kohlebeauftragten oder einer Kohlebehörde sein, Klarheit in die Kostenverhältnisse des Bergbaus zu bringen und die daraus erforderlichen Schlüsse zu ziehen. Wenn es sich (aber herausstellen sollte, daß kein wettbewerbsfähiger Kern vorhanden ist — woran ich nicht glauben kann —, dann würde dies wohl bedeuten, daß ein Ende der Zechenstillegungen nicht absehbar wäre, denn keine Volkswirtschaft kann es sich leisten, für einen ganzen Wirtschaftszweig auf unbegrenzte Zeit Erhaltungssubventionen zu zahlen. Lassen Sie mich — nach diesen Vorbemerkungen einiges zu den Vorlagen sagen, die wir heute in erster Lesung beraten. Das Kernstück der von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe ist das Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete. De. Entwurf zielt konsequent auf die Beseitigung der Ursachen der Kohle- 6708 Deutscher Bundestau — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 krise ab, .einerseits durch Anpassungshilfen für den Kohlenbergbau, andereseits durch Schaffung der Instrumente für eine aktive Umstellungspolitik in den Steinkohlenbergbaugebieten. Es ist ein Gesetz für die Kohle, aber auch unter voller Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Aspekte der Energie- und Strukturpolitik. Es hält sich bewußt im ordnungspolitischen Rahmen der sozialen Marktwirtschaft. Es zielt auf die Sache ab, nämlich auf eine rasche und erfolgreiche Umstrukturierung an Ruhr und Saar. Es verspricht eine wirksame, aber für die Betroffenen möglicherweise bittere Medizin. Das mag für diejenigen enttäuschend sein, die ein Trostpflaster in Gestalt eines warmen Regens neuer Subventionen erwartet haben, ohne die Verpflichtung, im eigenen Haus Ordnung zu machen. Wir bejahen die fortschrittliche Konzeption dieses Gesetzes. Wir verfolgen daher auch mit Sorge die Absichten derjenigen, die den Entwurf des Kohleanpassungsgesetzes auf den Status einer Diskussionsgrundlage hinunterspielen wollen. Sicher wird in der Ausschußberatung einiges geändert werden 'können oder müssen. Wir werden aber darauf achten, daß der Entwurf nur verbessert und nicht verwässert wird. In der vorparlamentarischen Diskussion wurde 'die Forderung erhoben, daß der Entwurf durch eine unternehmenspolitische Lösung, d. h. durch eine Neuordnung der Unternehmensstruktur an der Ruhr ergänzt werden müsse. Dazu ist zunächst festzustellen, daß eine Neuordnung der Unternehmensstruktur durchaus mit dem Kohleanpassungsgesetz vereinbar ist. Es dürfte auch unbestreitbar sein, daß eine Zusammenfassung .der etwa 30 im Steinkohlenberbau tätigen Gesellschaften in leistungsfähigeren Unternehmenseinheiten oder in einer Einheitsgesellschaft nützlich ist. Man sollte die Formel von 'der Ergänzungsbedürftigkeit des Gesetzes in Klartext übersetzen. Es werden nämlich von seiten der Zecheneigentümer Fordederungen an die öffentliche Hand herangetragen, den an sich wünschenswerten Zusammenschluß durch öffentliche Garantien und steuerliche Maßnahmen zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Ob eine derartige Hilfestellung vertretbar und geboten ist, kann erst entschieden werden, wenn alle Einzelheiten und Modalitäten kritisch geprüft sind. Bei der Prüfung dieser Frage ist folgendes zu berücksichtigen: 1. Das Ziel muß die Schaffung einer leistungsfähigen Gesellschaft sein, die auf erwerbswirtschaftlicher Grundlage arbeiten, d. h. längerfristig eine Rendite abwerfen kann. Die Wirtschaftlichkeit der Einheitsgesellschaft wind davon abhängen, wie die eingebrachten Vermögensteile bewertet und in welcher Weise die Liefervorrechte der Altgesellschaften übernommen werden. 2. Nicht nur 'bei der Produktion, sondern auch beim Absatz muß der höchstmögliche Rationalisierungseffekt erzielt werden; d. h. die Absatzorganisation muß gestrafft und die Verkaufspolitik beweglicher gestaltet werden. 3. Es müssen institutionelle Sicherungen eingebaut werden, daß die Geschäftspolitik der Einheitsgesellschaft auch zu einer raschen Sanierung des Kohlenbergbaus führt. Die Einheitsgesellschaft darf kein Massengrab für vom Staat getragene Riesenverluste werden. 4. Die dem Bund aus den Hilfsmaßnahmen für die Kohle entstehende finanzielle Gesamtbelastung muß in irgendeiner Form begrenzt werden. Die Übernahme von Verpflichtungen auf einen Zeitraum von 20 Jahren erscheint in diesem Zusammenhang äußerst bedenklich. 5. Die öffentliche Hand kann nur die Kompensation von Nachteilen übernehmen, die durch politische Entscheidungen, etwa durch eine Verzögerung von Stillegungen aus strukturpolitischen Gründen, entstehen. Eine Garantie gegen die Entwertung von Realkapital durch die wirtschaftliche Entwicklung kann die öffentliche Hand auf keinen Fall übernehmen. Die Hinnahme einer Entwertung von Produktionsanlagen ist ein wesentlicher Bestandteil des unternehmerischen Risikos. Würde die öffentliche Hand den Unternehmern dieses Risiko abnehmen, so würde das Schlagwort von der Sozialisierung der Verluste eine fatale Bestätigung finden. Wenn man die Marktwirtschaft bejaht, dann muß man auch die Risiken des Marktes auf sich nehmen und tragen. Der Zusammenschluß der Bergwerksgesellschaften des Ruhrgebiets zu größeren Einheiten oder zu einer einzigen Betriebsführungsgesellschaft allein kann die Ertragslage des Bergbaus noch nicht bessern. Er kann aber den Rahmen für eine Rationalisierung der Förderung und damit für ein e entscheidende Kostensenkung bieten. Es sollte noch geprüft werden, ob nicht der Grundgedanke des Walsum-Planes in diese Überlegungen mit eingebaut werden könnte, nämlich daß ein interner Wettbewerb um die Einlieferungsmengen für den gemeinsamen Verkaufsapparat entsteht. Das zentrale politische und wirtschaftliche Problem ist die Verzahnung der geplanten Stillegungsmaßnahmen mit der Beschaffung neuer Arbeitsplätze. Die schlagartige Freisetzung einer großen Zahl von Arbeitskräften dürfte weder sozial zu vertreten noch regionalwirtschaftlich zu verkraften sein. Dies darf aber nicht dazu führen, daß der Plan, in den nächsten drei Jahren eine technische. Kapazität von mindestens 30 Millionen Jahrestonnen stillzulegen, fallengelassen oder in die Länge gezogen wird. Wenn es nicht gelingt, durch eine schnelle Stillegung der überschüssigen Kapazität die absinkende Nachfrage einzuholen, dann ist die Sanierung des Steinkohlenbergbaus gescheitert, dann sind die Milliarden an Steuermitteln vergeudet, und die Enttäuschung der Menschen an der Ruhr wird gefährliche Ausmaße annehmen. Die Verlangsamung des Stillegungsprozesses wäre daher eine ökonomische und politische Torheit. Aus dieser Situation gibt es nur einen Ausweg, nämlich die Beschleunigung der Anstrengungen zur Schaffung neuer Arbeitskräfte durch Erweiterung bestehender oder durch Errichtung neuer Anlagen in einer gemeinsamen Anstrengung von Wirtschaft, Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 6709 Bund und Land. Wir hoffen, daß der für das nächste Jahr erwartete Konjunkturaufschwung diese Aufgabe erleichtern wird. Ich kann mir allerdings in diesem Zusammenhang den Hinweis nicht versagen, daß sich heute rächt, daß man man in der Vergangenheit einige Großprojekte der Industrieansiedlung an Grundstücksschwierigkeiten scheitern ließ. Die Umstellung des Ruhr- und Saargebietes von einer Monostruktur zu einer ausgewogenen Industrielandschaft mit einem angemessenen Anteil an Wachstumsindustrien rechtfertigt ein großzügiges Engagement der öffentlichen Hand in Form von speziellen Investitionsanreizen. Angesichts des steigenden Kapitalbedarfs pro Arbeitsplatz handelt es sich um die Umschichtung bzw. den Neueinsatz großer Kapitalien. Man sollte aber das Ausmaß der Freisetzungen nicht dramatisieren. Nach 1945 sind schon Umschichtungsprozesse weit größeren Umfangs unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen gemeistert worden. Bei dieser Umstrukturierungsaktion kann allerdings nicht völlig außer acht gelassen werden, daß. es auch in anderen Teilen der Bundesrepublik regionale und sektorale Strukturprobleme gibt, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Ich darf daran erinnern, daß die höchsten relativen Arbeitslosenzahlen nicht im Ruhrgebiet, sondern in den strukturschwachen Gebieten des Bayerischen Waldes und der Oberpfalz zu verzeichnen sind. Unser Ziel ist eine ausgewogene und flexible Industriestruktur in allen Teilen der Bundesrepublik. Neben positiven Maßnahmen der Strukturpolitik hat sich die Abwanderung immer wieder als ein gewisses Regulativ erwiesen. Wenn die Bevölkerungszahl des Ruhrgebiets in der letzten Zeit leicht zurückgegangen ist, so kann ich darin noch kein nationales Unglück oder ein Alarmzeichen sehen, sondern dies ist eine Erscheinung, die in gewissen Grenzen durchaus geeignet ist, zur Lösung der Strukturprobleme beizutragen. Die Fragen der Strukturpolitik können nicht losgelöst von sozialpolitischen Fragen behandelt werden. Ich möchte hierzu nur noch wenige Bemerkungen machen. Der Beruf des Bergarbeiters ist hoch spezialisiert. Der Übergang in einen anderen Beruf begegnet einer Reihe von psychologischen und technischen Hindernissen. Er ist oft mit Einkommensminderung verbunden. Die Hilfe der Gemeinschaft sollte in erster Linie darauf ausgerichtet werden, die Eingliederung des freigesetzten Bergarbeiters in einen neuen Industriezweig derart zu fördern, daß mit dem Berufswechsel kein sozialer Abstieg verbunden ist. Deshalb sollten die Hilfen für die Umschulung vermehrt und verbessert werden. Die Verwendung öffentlicher Mittel für eine situationsgerechte Umschulungshilfe hat m. E. Vorrang vor der Zahlung eines Abfindungsgeldes. In der jetzt vorgesehenen Konstruktion stellt das Abfindungsgeld eine Kompensation für den verlorenen Arbeitsplatz dar. Dem Arbeiter wäre wohl besser gedient, wenn diese öffentlichen Mittel dazu verwandt werden würden, seine beruflichen Chancen in der Zukunft zu verbessern. Die Freisetzung von Arbeitskräften ist übrigens kein spezielles Problem des Bergbaus. Die vielen 100 000 Landarbeiter und Kleinbauern, die ihre Heimat wegen Mangels an auskömmlichen Arbeitsgelegenheiten verlassen mußten, werden sich fragen, warum sie keine Abfindung bekommen haben. Dieselben Fragen werden z. B. die Arbeiter stellen, die durch die Strukturwandlungen der Textilindustrie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Im Zuge der technologischen Entwicklung der nächsten Jahrzehnte müssen wir mit einer Kette solcher Freisetzungen rechnen. Damit gewinnt aber dieses Problem eine unübersehbare finanzielle und gesellschaftspolitische Dimension. Beim Abfindungsgeld wie bei einer eventuellen Pachtgarantie für die Zecheneigentümer müssen wir an die möglichen Konsequenzen und Berufungsfälle denken. Der Bundeswirtschaftsminister hat angekündigt, daß der Rückzug der Kohle durch zeitlich begrenzte flankierende Maßnahmen abgesichert werden soll. Bis jetzt sind wir noch nicht davon überzeugt, daß eine Absicherung durch zusätzliche restriktive Maßnahmen auf dem Mineralölsektor notwendig ist. U. E. könnte höchstenfalls für eine eng begrenzte Übergangszeit eine Verschärfung der Selbstbeschränkung der Mineralölgesellschaften ins Auge gefaßt werden. Eine Erhöhung der Heizölsteuer — wie sie die SPD gestern gefordert hat — wird von uns unter keinen Umständen hingenommen werden. Sie würde nur dem Verbraucher neue Belastungen aufbürden, ohne die Absatzmöglichkeiten des Bergbaus zu verbessern. Trotz aller Unkenrufe von seiten des Bergbaus können wir mit Befriedigung feststellen, daß die Selbstbeschränkung in den letzten Jahren sich als ein funktionsfähiges Instrument erwiesen hat. Wie das Beispiel der Heizölsteuer zeigt, haben derartige Übergangsregelungen ein zähes Leben. Den Versicherungen, daß es sich um befristete Maßnahmen handelt, muß man mit einer gewissen Skepsis begegnen. Schließlich sollte man nicht übersehen, daß in den letzten Jahren eine breite Palette von Schutzmaßnahmen für die Kohle geschaffen worden ist, von der Einführung des Kohlezolls angefangen bis zur Lizenzierung der Ölimporte. Einschließlich der Zuwendungen an die Knappschaftsversicherung und des Gegenwerts der Steuervergünstigungen machen sie im Jahre 1967 eine Hauhaltsbelastung von ca. 4 Milliarden DM aus. Die Ausgaben haben steigende Tendenz. Die Energiepolitik des Bundes wird somit zu einer schwerwiegenden finanziellen Dauerbelastung. Wir begrüßen es, daß in der Zwischenzeit die Bedeutung der Energiekosten für die Wirtschaft, insbesondere für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, besser anerkannt worden ist. Zur Verbreitung dieser Erkenntnisse dürfte wohl auch die Abwanderung großer Betriebe der Grundstoffchemie und der Stahlindustrie nach Belgien und Holland beigetragen haben. Die Bedeutung der Energiekosten kann man allerdings nicht an der Durchschnittszahl von 4,2 % der Energiekosten am gesamtwirtschaftlichen Bruttoproduktionswert ermessen. Der Anteil in den einzelnen Industrie- 6710 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. November 1967 zweigen ist nämlich sehr unterschiedlich. So beträgt er nach den Unterlagen der EWG-Statistik in der Petrochemie 17,0 %, in der Industrie der Steine und Erden 14,4 %; in der Stahlindustrie ist der Anteil der Energiekosten mit 20,9 % höher als der der Personalkosten mit 16,9 %. Im Hinblick auf die Automation kommt den Energiekosten in allen Industriezweigen steigende Bedeutung zu. Das Beispiel Bayern zeigt, wie durch die Heranführung neuer Primärenergien, durch den Aufbau des Ölzentrums Ingolstadt die wirtschaftliche Entwicklung günstig beeinflußt werden konnte. Dies war allerdings nicht ein Ergebnis der Wirtschaftspolitik auf Bundesebene, sondern im wesentlichen das Verdienst des bayerischen Wirtschaftsministers Dr. Otto Schedl, der heute wegen einer Erkrankung nicht von der Bundesratsbank aus diese Debatte verfolgen kann. Allein dieses Beispiel zeigt, wie fruchtbar die Betätigung der Länder auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik sein kann. Diese positiven Auswirkungen der Bereitstellung neuer Primärenergiequellen für die revierfernen Gebiete dürfen durch die Hilfsmaßnahmen für die Kohle nicht aufs Spiel gesetzt werden. Am 4. November 1959 — vor genau 8 Jahren — hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Ludwig Erhard von dieser Stelle aus erklärt: „Die Heizölsteuer und der Kohlezoll haben nur dann einen Sinn und können wirtschaftspolitisch verantwortet werden, wenn der Bergbau die ihm zugestandene Anpassungsfrist voll nutzt." Heute müssen wir uns im wesentlichen mit den gleichen Problemen auseinandersetzen wie damals; mit einem Unterschied: sie sind noch wesentlich schwieriger, und ihre definitive Lösung ist noch teurer geworden. Weil man an der Ruhr auf die jahrzehntelange Routine im Umgang mit der politischen Macht, die Wirkung der Pression auf Parlament und Regierung vertraute, unterließ man die rechtzeitige Anpassung an die veränderten Marktverhältnisse. Im Interesse einer weiteren gesunden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft wird dem Steinkohlenbergbau heute noch einmal eine Chance geboten. Wir hoffen, daß sie dieses Mal wahrgenommen wird. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 26. Oktober 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/2188 Frage 15) : Welches ist der gegenwärtige Stand in der Frage der Grenzöffnungen zur CSSR bei Bayerisch Eisenstein und an anderen Stellen der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze? Wie sich bei den zwischen dem Bundesminister der Finanzen und dem Außenhandelsministerium der CSSR geführten Zollgesprächen ergeben hat, beabsichtigt die tschechoslowakische Seite, den Straßenübergang Bayerisch-Eisenstein im Sommer 1969 wieder zu öffnen. Bei weiterem Ansteigen des grenzüberschreitenden Verkehrs kann zu einem späteren Zeitpunkt, jedoch frühestens im Jahre 1970 auch mit der Öffnung der Straßenübergänge bei Mähring und Philippsreuth gerechnet werden. Darüber hinaus hat die tschechoslowakische Seite ihr grundsätzliches Einverständnis für die Wiederaufnahme des Reisezugverkehrs über Bayerisch-Eisenstein oder Furth i. W. zu erkennen gegeben, sofern die beiderseitigen Eisenbahnverwaltungen die Rentabilität der Bahnlinien bejahen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 31. Oktober 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/2188 Frage 19) : Ist die Bundesregierung bereit, den Erlaß des Bundesinnenministeriums vom 31. Juli 1967 betreffend die Auslagenerstattung für den Erwerb von Führerscheinen durch Beamte, die an ausländischen Dienstorten tätig sind, so zu ändern, daß diesbezügliche Ausgaben, die in der Zeit vom 3. Juli 1964 bis 31. Juli 1966 entstanden sind, erstattet werden können? Nach der Verordnung über die Umzugskostenvergütung bei Auslandsumzügen vom 20. Juli 1966 können die Auslagen für den Erwerb eines am ausländischen Dienstort vorgeschriebenen ausländischen Führerscheines unter bestimmten Voraussetzungen erstattet werden. Mit dem Rundschreiben vom 31. Juli 1967 habe ich zugelassen, daß diese Regelung auch bei Umzügen nach grenznahen Auslandsdienstorten angewandt wird, obwohl die Verordnung für sie nicht gilt. Da die genannte Verordnung am .1. August 1966 in Kraft getreten ist, habe ich im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung bestimmt, daß das Rundschreiben von demselben Zeitpunkt an gilt. Für eine weiter rückwirkende Anwendung der Regelung sehe ich keine Möglichkeit. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 8. November 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Richter (Drucksache V/2236 Frage 12) : Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der Empfehlung 505 (1967) der Beratenden Versammlung des Europarates das Protokoll zur Rechtsstellung von 1951 über den Status der Flüchtlinge zu ratifizieren? Der Entwurf eines Vertragsgesetzes hat bereits dem Auswärtigen Amt zur Stellungnahme vorgelegen und wird demnächst dem Bundeskabinett zugeleitet werden. Zur materiellen Seite darf ich bemerken, daß die durch das Protokoll neu erfaßten Personen in der Bundesrepublik Deutschland bereits auf Grund des § 28 des Ausländergesetzes vom 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353) asylberechtigt sind. Da es aber erwünscht ist, daß das Protokoll von möglichst vielen Staaten in der Welt angenommen wird, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ihm auch die Bundesrepublik Deutschland beitritt.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, am 4. November hat der Abgeordnete Dr. Conring seinen 73. Geburtstag gefeiert. Ich darf ihm unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen.

(Beifall.)

Als Nachfolger für den ausgeschiedenen Abgeordneten Seuffert ist am 27. Oktober der Abgeordnete Dr. Bayerl in den Bundestag eingetreten. Ich darf ihn in unserer Mitte begrüßen und ihm eine gute Zusammenarbeit wünschen.

(Beifall.)

Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
1. Vorlage des Bundesministers des Innern und des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung
Betr.: Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen und technischen Personals in den hochschulfreien Forschungseinrichtungen des Bundes
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 22. Februar 1967 — Drucksache V/2165 —zuständig: Innenausschuß (federführend), Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik, Haushaltsausschuß
2. Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen
Betr.: Internationales Jahr für Menschenrechte 1968 Bezug: Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1967 — Drucksache V/2238 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Widerspruch gegen die Überweisung erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat mit Schreiben vom 26. Oktober 1967 für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Dehler den Abgeordneten Dr. Bucher als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß benannt. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist der Abgeordnete Dr. Bucher als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird Punkt 3 von der Tagesordnung abgesetzt.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Oktober 1967 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über die Luftfahrtstatistik
Gesetz zu dem Vertrag vom 11. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
Zu den nachstehenden Gesetzen hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 27. Oktober 1967 verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes angerufen wird:
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt
Gesetz zum strafrechtlichen Schutz gegen den Mißbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten
Die Schreiben sind als Drucksachen V/2223 und V/2225 verteilt.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, dem Gesetz über eine Statistik des Personals, der Dienstbezüge, Vergütungen und Löhne im öffentlichen Dienst
gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen und vorsorglich zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages einberufen wird, falls sich ergeben sollte, daß das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Das Schreiben ist als Drucksache V/2224 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 26. Oktober 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Frau Stommel, Vogt, Frau Pitz-Savelsberg und Genossen betr. Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Jugendwohlfahrtsgesetz und zum Bundessozialhilfegesetz — Drucksache V/2135 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2222 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat em 30. Oktober 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Memmel, Wagner und Genossen betr. Benzinpreise — Drucksache V/2161 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2226 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 3. November 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Logemann, Sander und der Fraktion der FDP betr. Lage der Kartoffelwirtschaft — Drucksache V/2174 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2239 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die Einfuhr von in Anhang III des Assoziierungsabkommens genannten Obst- und Gemüseverarbeitungserzeugnissen mit Zusatz von Zucker aus Griechenland
— Drucksache V12228 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im November erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfelsinen
Drucksache V/2229 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im November erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Einführung einer Abweichung von Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 12 Absatz 3 der Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates
Drucksache V/2230 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im November erfolgen wird

Vizepräsident Dr. Jaeger
Verordnung des Rates über die Regelung für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse mit Zusatz von Zucker aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und den überseeischen Ländern und Gebieten
- Drucksache V/2231 -
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im November erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Einführung einer zusätzlichen Beihilfe für in Italien verarbeitete Raps- und Rübsamen
-- Drucksache V/2235 -
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im November erfolgen wird
Verordnung des Rates zur Abänderung der Verordnung Nr. 142/67/EWG über Erstattungen bei der Ausfuhr von Raps- und Rübsensamen sowie von Sonnenblumenkernen
Verordnung des Rates betreffend die Beihilfe für Olivenöl an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden
Zu der in der Fragestunde der 119. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. September 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Felder, Drucksache V/2091 Nr. 3 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 30. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
Nach den Auskünften, die die Landesjustizverwaltungen mir zur Beantwortung Ihrer Anfrage jetzt erteilt haben, wird den Gefangenen in den Vollzugsanstalten keines Landes der Bundesrepublik Deutschland ein Revers zur Unterzeichnung vorgelegt, der die Ersatzansprüche ihrer Angehörigen ausschließt, wenn sie bei einem Fluchtversuch verletzt oder getötet werden sollten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513100100

„Auch in der Strafanstalt Bernau müssen die Gefangenen einen solchen Revers nicht unterzeichnen. Die Gefangenen dieser Strafanstalt haben bisher bei der Aufnahmeverhandlung u. a. lediglich folgende Erklärung unterschrieben: ,Über Gefangenenmeuterei- und Fluchtfolgen wurde ich belehrt.' Bei der mündlichen Belehrung wurden die Gefangenen darauf hingewiesen, daß bei einem Fluchtversuch scharf geschossen werde. Außerdem wurde ihnen gesagt, daß im Falle einer Verletzung oder Tötung keine Ersatzansprüche des Gefangenen und seiner Angehörigen gegen den Freistaat Bayern bestünden. Eine Verzichtserklärung wurde den Gefangenen nicht abgefordert. Die gegenteilige Darstellung, die hierüber teilweise gegeben wurde, beruhte auf einem Irrtum."
Ich darf Sie über diese Mitteilungen der Landesjustizverwaltungen unterrichten.
Zu den in der Fragestunde der 124. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 1967 gegestellten Fragen des Abgeordneten Kubitzka, Drucksache V/2155 Nrn. 37 und 38 **), ist inzwischen, die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 26. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
In der Fragestunde am 11. Oktober 1967 hatten Sie sich damit einverstanden erklärt, daß ich Ihre Fragen betreffend die Anzahl der Turn- und Sportstunden in den deutschen Schulen schriftlich beantworte.
Eine vollständige Antwort ist mir auch jetzt noch nicht möglich. Ich habe die Ständige Konferenz der Kultusminister der Lander gebeten, mir die notwendigen Angaben für die Beantwortung Ihrer Frage mitzuteilen. Die Erhebungen hierfür müssen in sämtlichen Ländern durchgeführt werden und werden geraume Zeit in Anspruch nehmen.
Aus einer Zusammenstellung von Berichten der Länder über den Stand der Leibeserziehung an den Schulen der Länder der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1967, vorgenommen vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz, ergibt sich hinsichtlich der Anzahl der Turn- und Sportstunden folgendes:
In Baden-Württemberg werden an den Gymnasien und Mittelschulen zwei Pflichtstunden in der Woche erteilt. Dagegen sieht der Stundenplan der Hauptschule für das 7. und 8. Schuljahr drei Wochenstunden vor. Die Einführung von drei Wochenstunden für alle Klassen läßt sich z. Z. nicht durchführen, da zahlreiche Schulen noch keine überdachten Anlagen für den ganzjährigen Unterricht in den Leibesübungen besitzen.
In Bayern ist die Zahl der Wochenstunden für die Klassen der allgemeinbildenden Schulen vom 3. Schuljahr ab auf zwei festgelegt. Dazu tritt wöchentlich ein zweistündiger Sportnachmittag, so daß generell vier Stunden vorgesehen sind.
*) Siehe 119. Sitzung, Seite 5991 B
**) Siehe 124. Sitzung, Seite 6239 C
In Berlin sind drei Planstunden vom 3.-8. Schuljahr eingeführt; sie werden an rund 85 bis 95 % der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien erteilt.
In Bremen führen ab 3. Schuljahr 52 % aller Klassen an Grund-, Haupt- und Realschulen und 25 % aller Klassen an Gymnasien die 3. Turnstunde durch.
In Hamburg hat die 3. Stunde an den allgemeinbildenden Schulen eingesetzt. Wegen des bestehenden Mangels an Übungsstätten können aber nicht alle Planstunden erteilt werden.
Hessen hat für die 2.-13. Klasse aller allgemeinbildenden Schulen die Zahl der Wochenstunden auf drei erhöht.
In Niedersachsen sind drei Wochenstunden für alle allgemeinbildenden Schulen verbindlich. Ausnahmen hiervon machen das 3. und 4. Schuljahr der Grundschulen, die Klassen 7 bis 11 der altsprachlichen Gymnasien und die Klassen 9 bis 11 der neusprachlichen Gymnasien.
In Nordrhein-Westfalen wird die 3. Stunde bisher an 1/3 aller Volksschulen, an 1/4 aller Realschulen und an 40 % aller Gymnasien verwirklicht.
Rheinland-Pfalz hat vom 3. Schuljahr an die Wochenstundenzahl in allen Volksschulen und Realschulen auf drei erhöht, sie können jedoch nur in etwa 2/3 aller Klassen erteilt werden. An den Gymnasien sind für die 5., 6. und 7. Klasse je drei Stunden festgesetzt; sie werden zu über 50 % erteilt.
Im Saarland besteht im Augenblick die Regelung, daß im 3. und 4. Grundschuljahr im 14tägigen Turnus zwei bzw. drei Stunden wöchentlich erteilt werden. An allen Realschulen und an den Gymnasien von Sexta bis Untertertia werden wöchentlich drei, von Obertertia bis Oberprima zwei Stunden gegeben.
In Schleswig-Holstein sehen die Lehrpläne für das 3. und 4. Grundschuljahr und für die 5. bis 9. Klasse der Hauptschule und für alle Schuljahre der Realschule drei Wochenstunden vor. Die Erteilung dieser Stundenzahl konnte noch nicht in allen Klassen durchgeführt werden.
Eine ergänzende Antwort, insbesondere auf Ihre 2. Frage, werde ich erteilen, sobald die Stellungnahme der Kultusministerkonferenz vorliegt.
Zu der in der Fragestunde der 124. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Müller (München), Drucksache V/2155 Nr. 27 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort .des Bundesministers Brandt vom 27. Oktober 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika haben am 30. Juni 1955 ein Abkommen über gegenseitige Verteidigungshilfe - Mutual Defense Agreement - geschlossen. Auf Grund dieses Abkommens und seiner Ergänzungen (Abkommen vom 25. Mai 1962, Vereinbarung vom 1. Dezember 1965) haben die Vereinigten Staaten
a) ein Rückkaufsrecht und
b) das Recht, die Zustimmung zur Veräußerung des Materials an dritte Staaten zu verweigern.
Das Rückkaufsrecht kann innerhalb einer Frist von 75 Tagen nach- der Bekanntgabe der Außerdienststellung des Geräts ausgeübt werden.
Das Recht, die Zustimmung zur Veräußerung an dritte Staaten zu verweigern, gilt für beabsichtigte Verkäufe an alle Staaten. Ausgenommen hiervon sind - mit geringen Einschränkungen - die NATO-Staaten und einige weitere Staaten. Da der größte Teil des aus dem Abkommen von den Vereinigten Staaten gelieferten Materials verschrottet oder mit deren Zustimmung veräußert worden ist, beschränken sich beide Rechte im wesentlichen nur noch auf
Panzer M 41 Al, A2, A3; 105 mm Haubitzen M 2 und 155 mm Haubitzen M 1.
Die Laufzeit der Verträge ist unbefristet. Die Rechte der amerikanischen Regierung aus den Verträgen enden mit der Veräußerung oder Verschrottung des Geräts.
Wir kommen zum ersten Punkt der heutigen Tagesordnung, der
Fragestunde
- Drucksachen V/2236, zu V/2236 -
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zuerst die Frage 1 des Abgeordneten Burger:
Weshalb sind bei der Besetzung der Strafvollzugskommission Gefängnispfarrer beider Konfessionen, Fürsorger und Lehrer übergangen worden?
Herr Staatssekretär!
*) Siehe 124. Sitzung, Seite 6236 A




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513100200
Wie der Bundesminister der Justiz schon in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Güde und Genossen vom 28. März 1967 ausgeführt hat, beabsichtigt er, den Entwurf eines Bundesstrafvollzugsgesetzes so rechtzeitig vorzulegen, daß er entweder gleichzeitig mit dem neuen Strafgesetzbuch in Kraft treten kann oder gegebenenfalls an das zur Zeit geltende Strafgesetzbuch anknüpft. Im Hinblick auf die kurze Zeit, die dafür zur Verfügung steht, war der Bundesminister der Justiz gezwungen, bei der Berufung einer Strafvollzugskommission den größten Wert auf ihre Arbeitsfähigkeit zu legen und, um dies zu erreichen, die Zahl der Mitglieder der Kommission so niedrig wie möglich zu halten.
Um Nachteilen, die mit dieser Beschränkung der Zahl der ständigen Mitglieder der Strafvollzugskommission verbunden sein könnten, vorzubeugen, hat der Bundesminister der Justiz dem Vorsitzenden der Kommission eine Reihe von Sachverständigen benannt, die an den Beratungen teilnehmen sollen, bei denen ihre Fachkenntnis von Nutzen ist. Unter diesen Sachverständigen sind auch Geistliche beider Konfessionen, ein Fürsorger und ein Lehrer. Die Benennung weiterer Sachverständiger hat sich der Bundesminister der Justiz vorbehalten.
Der Vorsitzende der Kommission, Herr Professor Dr. Sieverts, wird im Benehmen mit dem Bundesministerium der Justiz dafür Sorge tragen, daß die Möglichkeiten einer befriedigenden gesetzlichen Regelung des Straf- und Maßregelvollzugs von erfahrenen Sachkennern aller beteiligten Fachrichtungen geprüft und mit ihnen erörtert werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513100300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0513100400
Herr Staatssekretär, sind die genannten Sachverständigen auch stimmberechtigt, und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es sich beim Strafvollzug auch um eine soziale, pädagogische, psyschologische und soziologische Angegelegenheit handelt und daß, da Pfarrer, Fürsorger und Lehrer gute Kontakte zu Gefangenen haben, es erforderlich ist, diese Erfahrungen in der Strafvollzugskommission auch zu nutzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513100500
Herr Abgeordneter, ich sagte Ihnen schon, wir werden ihre Erfahrungen nutzen, indem wir diese Herren als Sachverständige um Teilnahme an den Beratungen bitten. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Geltendmachung und die Einbringung ihres Sachverstands nicht von der Frage ihres Stimmrechts abhängt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513100600
Das waren bereits zwei Zusatzfragen. Weitere Zusatzfragen? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Welchen Stand haben die Ermittlungen über das Abhandenkommen eines Flugkörpers vom Typ Sidewinder auf dem Flugplatz Neuburg (Donau) erreicht?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 33 und 34 des Herrn Abgeordneten Borm auf:
Treffen Pressemeldungen zu, denen zufolge noch nach dem Besuch des Herrn Bundesinnenministers in Teheran gegen Bundesbürger wegen Beleidigung des Schahs ermittelt wurde?
Wieviel Ermittlungsverfahren wurden überhaupt eingeleitet, ohne daß ein Strafverlangen des Schahs vorlag?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513100700
Es trifft zu, daß auch nach dem Besuch des Herrn Bundesministers des Innern in Teheran von verschiedenen Staatsanwaltschaften wegen Beleidigung des Schahs ermittelt wurde. Dies ist, Herr Abgeordneter, schon deshalb unvermeidlich, weil einer Anzahl Beschuldigter neben der Beleidigung des Schahs weitere, von Amts wegen zu verfolgende Straftaten zur Last gelegt werden, zum Beispiel gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Polizeibeamte.
Im übrigen hat der Schah, wie Herr Bundesminister Lücke in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 4. Oktober bereits mitgeteilt hat, erklärt, daß er von sich aus keinen Wert auf Strafverfolgung lege. Damit entfällt eine der Voraussetzungen für die Strafverfolgung, nämlich das ausländische Strafverlangen.
Für die Bundesregierung stellt sich die Frage einer Ermächtigung zur Strafverfolgung daher nicht mehr.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513100800
fine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0513100900
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß in diesem Bereich alle jene Straftaten, die verfolgt wurden und die ein Antragsdelikt sind, nicht mehr verfolgt werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513101000
Soweit es Antragsdelikte sind, bei denen es um den Antrag des ausländischen Staatsoberhauptes geht, ist damit die Voraussetzung entfallen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513101100
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0513101200
Ist Ihnen die ungefähre Zahl der anhängig gewesenen Verfahren und der noch anhängigen Verfahren in anderen Strafsachen bekannt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513101300
Herr Abgeordneter, das führt direkt zur zweiten Frage. Darf ich die Antwort bei Frage 34 geben?

(Abg. Borm: Bitte sehr!)

Ich darf hierbei zunächst klarstellen, daß die Staatsanwaltschaften nach unserem Strafverfahrensrecht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens



Staatssekretär Dr. Ehmke
wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nicht davon abhängig machen dürfen, ob ein Strafverlangen der ausländischen Regierung oder eine Verfolgungsermächtigung der Bundesregierung vorliegt.
Die ausländische und die Bundesregierung sollen vielmehr ihre Entscheidung in Kenntnis aller Einzelheiten des jeweiligen Falles treffen können. Dazu ist eine umfassende Ermittlung über die Einzelheiten der Tat und die Persönlichkeit des Täters erforderlich. Das Ergebnis der Ermittlungen ist nach den Richtlinien für das Strafverfahren der Bundesregierung mitzuteilen. Erst dann werden die ausländische und die Bundesregierung regelmäßig in der Lage sein, ihre Entschließung sachgemäß zu treffen.
Die Gesamtzahl der eingeleiteten Verfahren, die in der Landesjustiz anhängig sind, ist mir nicht bekannt, weil die Antworten auf eine entsprechende Umfrage noch nicht vorliegen und weil, wie gesagt, die Landesjustizverwaltung in jedem Falle ermittelt, um dann zu fragen: Wird die Ermächtigung erteilt? Dazu habe ich zur Zeit keine Gesamtübersicht. Ich habe die Fragen den Landesjustizverwaltungen gegeben. Die Antworten liegen aber noch nicht vor. Grob geschätzt — nach dem, was ich bisher gesehen habe — würde ich sagen, daß gegen etwa hundert Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet waren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513101400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Borm.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0513101500
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, wenn Sie über das genaue Material verfügen, mir das schriftlich mitzuteilen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513101600
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter.

(Unruhe rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513101700
Herr Abgeordneter Schlager, man sollte einem Staatssekretär nicht mit dem Finger drohen.

(Heiterkeit.)

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Frage 28 stellt Herr Abgeordneter Rollmann:
Ist es richtig, daß nur für 121/2 Stunden zusätzlich eine Aufsichtskraft benötigt wird, um den Benutzersaal des Bundesarchivs in Koblenz montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und sonnabends von 8 bis 13 Uhr für die meist von auswärts anreisenden Benutzer nach dem Vorbild ausländischer Nationalarchive offenzuhalten?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513101800
Das Interesse an den Beständen des Bundesarchivs ist stark gewachsen.
Dies hat zu einer ständig steigenden Zahl von zumeist auswärtigen Besuchern geführt. Das Bundesarchiv wird daher künftig an Arbeitstagen bis 18.00 Uhr geöffnet sein und auch jeden Sonnabend bis 13.00 Uhr den Benutzern zur Verfügung stehen. Diese ab 1. Dezember 1967 vorgesehene Verlängerung der Öffnungszeit läßt sich durch internen Personalausgleich ermöglichen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513101900
Auch Frage 29 stellt Herr Abgeordneter Rollmann:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, durch eine Änderung der Bundeslaufbahnverordnung eine längere Dienstzeit als bisher für die Beförderung aus der Eingangsstufe einer Laufbahn in das erste Beförderungsamt zu fordern, obwohl diese in den Ländern als Regelbeförderung nach drei Dienstjahren durchgeführt wird und damit einer Vereinheitlichung des Besoldungsrechtes im Bund und in den Ländern entgegengewirkt werden würde?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513102000
Nach den Vorschriften der Bundeslaufbahnverordnung ist in den Laufbahnen des einfachen, des mittleren und des gehobenen Dienstes vor der Beförderung aus dem Eingangsamt in das erste Beförderungsamt mindestens eine Dienstzeit von einem Jahr seit der Anstellung zurückzulegen. In der Laufbahn des höheren Dienstes beträgt die entsprechende Dienstzeit drei Jahre. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diese Dienstzeiten durch Änderung der Bundeslaufbahnverordnung zu verlängern.
Die sogenannte Regelbeförderung in das erste Beförderungsamt, die in Landesbesoldungsgesetzen seit 1965 festgelegt worden ist, läßt sich allerdings mit dem beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatz kaum vereinbaren. Hierauf ist der Bundesminister des Innern aus Anlaß der Beratung der ersten Stufe der Besoldungsneuregelung vor dem Hohen Haus mehrfach eingegangen. Für die zweite Stufe der Besoldungsneuregelung wird daher eine sachgerechte Lösung gefunden werden müssen. Ich bitte daher um Verständnis, Herr Kollege Rollmann, daß ich insoweit die Entscheidung der Bundesregierung abwarten möchte, bevor ich dazu etwas sagen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513102100
Eine Zusatzfrage, Herr Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0513102200
Herr Staatssekretär, wann ist mit einer solchen sachgerechten Entscheidung in dieser Frage zu rechnen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513102300
Herr Kollege Rollmann, ich erwähnte bereits, daß die Bundesregierung sich im Zusammenhang mit der zweiten Stufe der Besoldungsneuregelung um eine Lösung bemühen wird. Wie Sie sicher wissen, steht eine Entscheidung über die Besoldungsneuregelung in sehr naher Zukunft bevor.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513102400
Ich komme zur Frage 30 des Abgeordneten Dorn:
Worauf führt die Bundesregierung aus ihrer Kenntnis der Situation in den Ländern und aus ihrer Verantwortung fur den Bundesgrenzschutz heraus die Besorgnis der Gewerkschaft der Polizei zurück, die offizielle Polizeikonzeption in der Bundesrepublik Deutschland sei eindeutig militärisch und die politische Führung habe den Prozeß einer schleichenden Militarisierung der Polizei eingeleitet und fördere ihn massiv?

(Abg. Moersch: Ich übernehme die Frage.) — Sie übernehmen sie.

Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513102500
Die Bundesregierung kann sich die von der Gewerkschaft der Polizei geäußerte Besorgnis über die angeblich von den Regierungen der Länder und von der Bundesregierung vertretene Auffassung über Aufgaben und Stellung der Polizei nur auf Grund eines Mißverständnisses erklären. Eine schleichende Militarisierung der Polizei gibt es weder im Bund noch in den Ländern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513102600
Herr Abgeordneter Dorn zu einer Zusatzfrage.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0513102700
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Staatssekretär; ich habe nicht gewußt, daß es so schnell geht.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn der Meinung, daß die Bewaffnung der Polizei und die Ausbildung der Polizeibeamten an Handgranaten, Maschinengewehren und Granatwerfern nicht doch in diese Richtung geht, die von der Polizeigewerkschaft angesprochen worden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513102800
Herr Kollege Dorn, dieses Thema beschäftigt uns in den letzten Wochen praktisch in jeder Fragestunde. Ich habe Gelegenheit gehabt, mich zu dieser Frage mehrfach zu äußern. Ich darf Sie freundlicherweise darauf verweisen, was ich in der letzten Fragestunde zum gleichen Thema gesagt habe. Ich darf vielleicht im Augenblick dazu den Hinweis geben, daß die Polizei nach Art. 91 des Grundgesetzes — wie Sie zweifellos wissen — auch die Aufgabe hat, die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzuwehren. Die Ausrüstung und Bewaffnung der Polizei mit den von Ihnen erwähnten Waffen hängt mit dieser Spezialaufgabe zusammen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513102900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0513103000
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß die Befürchtung, die von der Polizeigewerkschaft geäußert worden ist, auch damit im Zusammenhang stehen könnte, daß der Entwurf der Bundesregierung für eine Notstandsverfassung — wenn ich an die Vorschriften in Art. 115 f denke — doch zu berechtigter Sorge Anlaß gibt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513103100
Es ist für mich sehr schwer, die Begründung für Befürchtungen zu geben oder auch zu vermuten, die nicht von mir, sondern von anderer Seite geäußert werden. Sollte die Befürchtung der Gewerkschaft der Polizei diese Begründung haben, wäre ich allerdings nicht in der Lage, diese Befürchtung als begründet anzusehen. Die Beratung der Notstandsverfassung, die, wie Sie wissen, in allernächster Zeit beginnt, wird zweifellos Gelegenheit geben, sich in allen Einzelheiten mit dieser Frage zu beschäftigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513103200
Frage 31 des Abgeordneten Dorn:
Wie steht die Bundesregierung zu der ebenfalls von der Gewerkschaft der Polizei geforderten Herauslösung des Bundesgrenzschutzes aus der Polizei und damit aus dem Bundespolizeigesetz?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513103300
Die polizeiliche Aufgabe des Bundesgrenzschutzes verbietet seine Herauslösung aus dem Bundespolizeibeamtengesetz. Der Forderung des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei liegt offenbar die von ihm wiederholt geäußerte, nach unserer Auffassung irrige Ansicht zugrunde, der Bundesgrenzschutz sei keine Polizei. Demgegenüber darf ich nochmals feststellen: dem Bundesgrenzschutz sind durch Gesetz eindeutig polizeiliche Aufgaben zugewiesen. Daran hat auch das von diesem Hohen Hause einstimmig angenommene Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz nichts geändert. Ich darf Sie vielleicht auf Ihre eigenen Ausführungen als Berichterstatter zu diesem Gesetzentwurf verweisen,

(Hört! Hört! in der Mitte)

in denen Sie mit Recht gesagt haben, das Gesetz solle „den Angehörigen der Verbände des Bundesgrenzschutzes ermöglichen, im Verteidigungsfall auch diejenigen polizeilichen. Aufgaben wahrzunehmen, bei denen die Gefahr besteht, daß ihnen zugleich mit dem ,Störer' der ,kombattante Gegner' entgegentritt." Eine rein militärische Verwendung des Bundesgrenzschutzes kommt nach diesem Bericht nicht in Betracht. Daher besteht kein Anlaß, am polizeilichen Charakter des Bundesgrenzschutzes zu zweifeln und daraus die von Herrn Kuhlmann geforderten Folgerungen zu ziehen. Im Gegenteil: Zweck der polizeilichen Grenzsicherung durch den Bundesgrenzschutz ist, daß nicht jeder Grenzzwischenfall die Gefahr einer militärischen Konfrontation heraufbeschwört. Dieser Zweck würde durch eine Herauslösung des Bundesgrenzschutzes aus der Polizei vereitelt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513103400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0513103500
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß, nachdem das von Ihnen zitierte Gesetz hinsichtlich des Kombattantenstatus eine unterschiedliche Regelung vorgesehen hat — der Bundesgrenzschutz hat den Kombattantenstatus, die Polizei hat ihn nicht —, erneut die Frage geprüft werden müßte, ob nicht vielleicht



Dorn
doch eine Trennung zwischen Bundesgrenzschutz und Polizei aktuell werden könnte?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513103600
Nein, Herr Kollege, ich bin ganz und gar nicht dieser Meinung. Ich glaube, daß wirklich keine besseren Gegenargumente genannt werden können, als Sie sie damals in Ihrer Eigenschaft als Berichterstatter über die Beratung der zuständigen Ausschüsse vorgetragen haben. Das steht in der Drucksache IV/3200. Sie ersparen es mir sicher, daß ich das vorlese; das ist Ihnen gewiß alles bekannt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513103700
Eine weitere Zusatzfrage.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0513103800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in Anbetracht dieser Situation bereit, erneut die Frage zu überprüfen, ob im Hinblick auf die jetzt von der Polizeigewerkschaft erhobenen Vorwürfe bezüglich des Kombattantenstatus und einer ganz klaren Aufgabenstellung gegenüber der Polizei nicht doch erneut zu überlegen ist, ob dieser Kombattantenstatus für den Bundesgrenzschutz im Lauf der Zeit nicht solche Unterschiede heraufbeschwört, daß diesem Umstand im Zuge der geplanten Gesetzgebung Rechnung getragen werden sollte?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513103900
Ich sehe seit der Verabschiedung der Novelle zum Gesetz über den Bundesgrenzschutz keine neuen Argumente. Daher sehe ich auch keinen Anlaß, eine erneute Prüfung dieser Frage vorzunehmen. W e Sie wissen, gehört die ständige Diskussion über jene Fragen, die seit längerer Zeit in diesem Hause erörtert werden, sozusagen zu unserer Aufgabe, und wahrscheinlich werden künftige Diskussionen — etwa im Zusammenhang mit der Notstandsverfassung oder einer allgemeinen Diskussion über Fragen der Polizei — erneut Veranlassung geben, auch diese Frage wieder einmal zu erörtern. Einen konkreten Anlaß vermag ich im Augenblick nicht anzuerkennen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513104000
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hübner.

Klaus Hübner (SPD):
Rede ID: ID0513104100
Herr Staatssekretär, würden Sie ein neues Argument — um Ihre Worte aufzugreifen — dafür, für den Bundesgrenzschutz ein eigenes Gesetz zu erlassen, darin sehen, daß in den Entwürfen für die Notstandsverfassung im Zusammenhang mit Art. 91 des Grundgesetzes, wo von den Polizeikräften die Rede ist, außerdem katalogmäßig der Bundesgrenzschutz aufgeführt wird, also schon eine Unterscheidung gegenüber der Polizei vorgenommen worden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513104200
Dies ist eine Frage, die wir im einzelnen wohl im Zusammenhang mit der Beratung der Notstandsverfassung behandeln sollten. Ich glaube, daß für diese Heraushebung des
Bundesgrenzschutzes mehr juristische als sachliche — wie Sie wohl vermuten — Unterscheidungsgründe maßgebend sind. Vielleicht ersparen Sie es mir im Augenblick, das näher zu begründen. Aber die Problematik des Themas ist mir durchaus bewußt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513104300
Keine Zusatzfrage mehr.
Dann komme ich zur Frage 32 der Abgeordneten Frau Funcke:
Hält die Bundesregierung die Einführung der Teilzeitbeschäftigung für Beamten(-innen) mit besonderen Familienpflichten — wie sie in Baden-Württemberg und Niedersachsen möglich ist -
für verfassungswidrig?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513104400
Verehrte Frau Kollegin Funcke, diese Frage gehört zu dem Gesamtkomplex der Teilzeitbeschäftigung für Bundesbeamtinnen, über den wir uns ausführlich — jedenfalls dem Zeitaufwand nach — in der Fragestunde am 25. Oktober 1967 in diesem Hohen Hause unterhalten haben. Sie haben sich selbst an der Diskussion beteiligt, und Ihnen sind sicherlich noch die Gründe in Erinnerung, aus denen ich gebeten habe, mich auf eine sehr allgemeine Beantwortung der von Ihnen und einer ganzen Reihe von anderen Damen dieses Hauses gestellten Fragen beschränken zu dürfen. Ich bitte Sie heute erneut um Verständnis dafür, daß ich mich wiederum aus den damals dargelegten Gründen auf eine Sachdiskussion nicht einlassen möchte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513104500
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0513104600
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß das Haus einen Anspruch hat, zu wissen, ob die Bundesregierung eine Vorlage für verfassungswidrig hält oder nicht?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513104700
Frau Kollegin, das Haus hat jeden Anspruch darauf, die Auffassung der Bundesregierung zu dieser wichtigen Frage kennenzulernen. Ich habe bereits in der Fragestunde am 25. Oktober wiederholt — ich glaube, mindestens ein halb dutzendmal — die Bereitschaft der Bundesregierung erklärt, im Innenausschuß, der zur Zeit über eben diese Frage berät, die Auffassung unseres Hauses — die im übrigen aus dem bekannten Bericht des Bundesministers des Innern den Ausschüssen bekannt ist — in allen Einzelheiten darzulegen und zu begründen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513104800
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0513104900
Herr Staatssekretär, nachdem der Bericht, von dem Sie sprechen, eindeutig die Verfassungswidrigkeit feststellt, darf ich fragen: glauben Sie nicht, daß es deswegen besonders interessant und wichtig wäre, zu wissen, ob die gesamte Regierung diese Regelung für verfassungswidrig hält?




Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513105000
Frau Kollegin Funcke, ob eine bestimmte Angelegenheit interessant und wichtig ist, ist eine Frage. Eine ganz andere Frage — mit der ich mich am 25. Oktober ausführlich beschäftigt habe — ist, ob das Plenum in der Fragestunde oder ob nicht die mit der Materie ohnehin beschäftigten Ausschüsse der richtige Ort sind, um diese Angelegenheit zu klären.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513105100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513105200
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß das Plenum in der Tat Anspruch auf eine klare Beantwortung einer solchen Frage hat, zumal es ja in gewissen Ländern Gesetze gibt, die nach der Rechtsauffassung des Innenministeriums offensichtlich für verfassungswidrig gehalten werden, was aber ein Privileg des Innenministeriums ist, diese Einsicht zu vertreten, die ich sonst noch nie gehört habe?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513105300
Herr Kollege Moersch, ich bin gern bereit, unentwegt zu wiederholen, solange das Hohe Haus bereit ist, das anzuhören, daß auch das Plenum Anspruch auf die Beantwortung der Frage hat. Ich schlage erneut und wiederholt das nach meiner Auffassung einzig sinnvolle Verfahren vor, daß die Ausschüsse, die diesen Bericht angefordert haben und sich zur Zeit mit ihm beschäftigen, ihn diskutieren, das Ergebnis dem Plenum mitteilen, wie es die Geschäftsordnung des Hauses vorsieht, und dann mag das Plenum die Sache so lange diskutieren, wie es glaubt, dieser Frage seine Aufmerksamkeit zuwenden zu sollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513105400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513105500
Herr Staatssekretär, können Sie nicht etwa der Auffassung folgen, daß unabhängig von dem Bericht und den Erörterungen im Ausschuß die Frage, die hier gestellt worden ist, von so eminenter Bedeutung für die Gesetzgebung zum Beispiel in den Ländern ist, daß ich Ihre Einstellung nicht verstehen kann, die Sache hier nicht klar zu beantworten. Dann hätte ja das Justizministerium vielleicht Gelegenheit, das zu tun.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513105600
Zuständig — um das einmal nur nebenbei zu sagen, Herr Kollege Moersch — für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ist nach meiner Auffassung das Bundesinnenministerium. Aber das nur nebenbei.

(Zuruf von der FDP.)

Ich darf mir die persönliche Auffassung erlauben, daß die Frage zu wichtig ist, um hier in der Fragestunde behandelt zu werden.

(Zuruf von der FDP.)

Das Verfahren, das ich vorschlage, ist das einzige, das eine sorgfältige Erörterung und Entscheidung in dieser wichtigen Frage ermöglicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513105700
Meine Damen und Herren, ich versuche, die vielen Fragesteller in der Reihenfolge ihrer Wortmeldungen zu Wort kommen zu lassen. — Zuerst Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0513105800
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen: ist es nicht ein Unterschied, ob eine Frage nur von Ihrem Ressort oder aber von der Bundesregierung im gesamten beantwortet wird?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513105900
Ich sehe den Unterschied nicht, Frau Kollegin Freyh. Denn jeder, der hier für die Bundesregierung spricht, spricht eben für die Bundesregierung, nicht nur für sein Ressort.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513106000
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0513106100
Da Sie sich aber doch offenkundig immer auf einen Bericht, der nur aus dem Innenressort stammt — das haben Sie in der letzten Fragestunde gesagt — beziehen, heißt das nicht mit anderen Worten, daß Sie nicht gewillt sind, die entsprechenden Bemühungen zu unternehmen, um uns hier eine Antwort der Bundesregierung zukommen zu lassen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513106200
Aber nein, Frau Kollegin Freyh. Die Bundesregierung hat, wie ich bereits in der vorigen Fragestunde gesagt habe, keinen Anlaß gesehen, sich mit diesem Bericht, auf den sich die ganze Diskussion bezieht, zu beschäftigen. Das bedeutet nicht etwa, daß innerhalb der Bundesregierung über die Sachfragen, die hier diskutiert werden, irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bestünden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513106300
Ich komme nunmehr zur Zusatzfrage des Abgeordneten Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0513106400
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß der Innenausschuß sinnvoll beraten kann, wenn Sie die Beantwortung der Frage, wie die Bundesregierung dazu denkt, immer weiter hinausschieben, nachdem Sie weder im Oktober noch heute bereit waren, die Frage klar zu beantworten?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513106500
Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Fähigkeit der Damen und Herren Mitglieder des Innenausschusses, sinnvolle Beratungen durchzuführen.

(Heiterkeit.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513106600
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus.




Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0513106700
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre zweite Antwort an Frau Kollegin Freyh so auffassen, daß sich die Bundesregierung eben tatsächlich bisher noch nicht zu dem Bericht des Innenministeriums geäußert hat?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513106800
Ganz recht. Das Bundeskabinett hat keine Veranlassung gehabt, sich mit diesem Bericht, der ja, wie ich wiederholt gesagt habe, vom Innenausschuß beim Bundesminister des Innern angefordert worden ist, zu beschäftigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513106900
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0513107000
Herr Staatssekretär, nachdem Sie selbst auf die Bedeutung, gerade auch auf die verfassungsrechtliche Bedeutung, dieses Berichts hingewiesen haben: Ist denn beabsichtigt, daß die Bundesregierung, also das ganze Kabinett, bevor der Innenausschuß sich damit befaßt, zu diesen Ausführungen des Innenministeriums Stellung nimmt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513107100
Das ist, soweit mir bekannt ist, zur Zeit nicht beabsichtigt. Aber ich gehe davon aus, daß sich die Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf, den ja Ihre Fraktion dem Hohen Hause vorgelegt hat, der die gleiche Materie betrifft, sicherlich noch eine Meinung bilden wird, und sie wird dann auch zu gegebener Zeit hier vorgetragen werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513107200
Meine Damen und Herren, bei dieser Frage sehen wir die Kunst zu fragen und die Kunst zu antworten.
Ich rufe dann die Frage 35 des Abgeordneten Raffert auf:
In welchen Vorschriften des Erlasses des Bundesinnenministers vom 1. September 1967 sieht die Bundesregierung wesentliche Maßnahmen zur Förderung künstlerischer Nachwuchskräfte für den deutschen Film?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513107300
Der Erlaß über die Förderung des Deutschen Films vom 1. September 1967 ist nach Auffassung des Bundesministers des Innern ganz besonders nachwuchsfreundlich.
1. Jeder — auch ein Nachwuchsproduzent — kann sich an der Spiel- und Kulturfilm-Prämienaktion beteiligen.
2. Jeder, gerade auch der Nachwuchs, kann für besonders hervorragende Spielfilmvorhaben bis zu 200 000 DM erhalten.
3. Wenn es sich dabei um den ersten Spiefilm eines durch gute künstlerische Leistungen ausgewiesenen Produzenten handelt, so kann die Prämie auf 300 DM erhöht werden.
4. Gibt ein Produzent bei einem besonders hervorragenden Filmvorhaben einer Nachwuchskraft eine
Chance, d. h. überträgt er ihr eine entscheidende Aufgabe bei der Herstellung des geplanten Films, so kann die Prämie ebenfalls auf 300 000 DM erhöht werden.
5. Besonders für die Absolventen der Filmschulen, aber auch für alle anderen Begabten ist die neueingeführte Förderung von Kurzfilmvorhaben gedacht. Gerade bei diesem letzten Punkt wird dem Nachwuchs nach unserer Auffassung geradezu ein Experimentierfeld eröffnet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513107400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513107500
Herr Staatssekretär, darf ich zunächst einen Lapsus linguae berichtigen: Sie haben von 300 DM gesprochen. Es sind 300 000 DM.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513107600
Ja, 300 000 DM.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513107700
Das macht deutlich, daß es hier um ganz harte Sachen geht. — Ist Ihnen klar, daß durch diesen neuen Erlaß die Tätigkeit des „Kuratoriums Junger Deutscher Film" beendet wird und daß eine sehr liberale Vergabe dieser Mittel, wie sie bisher durch das Kuratorium erfolgt ist, dadurch nun ein Ende findet?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513107800
Dies ist ein anderer Punkt, Herr Kollege Raffert. Aber zur Frage der Filmförderung durch das „Kuratorium Junger Deutscher Film" darf ich sagen: Es besteht Einvernehmen zwischen dem Bundesminister des Innern und den Initiatoren dieses Kuratoriums darüber, daß die Förderung durch das Kuratorium zum 30. Juni 1968 ausläuft. Damit das nicht falsch verstanden wird, darf ich die Gründe, über die zwischen den Beteiligten völlige Einigkeit besteht, hier sagen. Die Initiatoren des Kuratoriums gingen davon aus, daß sie nach einer aus öffentlichen Mitteln gegebenen Starthilfe, die damals 3 Millionen DM betragen sollte, selber in der Lage sein würden, ihr Förderungssystem zu finanzieren, und zwar aus den jeweils rückfließenden Mitteln. In der Zwischenzeit hat das Bundesinnenministerium zusätzlich zu den 3 Millionen DM weitere 2 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Es steht also ein Startkapital von 5 Millionen DM zur Verfügung. Wird sind in Übereinstimmung mit dem Kuratorium der Überzeugung, daß mit dieser beträchtlichen Starthilfe das Kuratorium dann ab Mitte des nächsten Jahres selbständig weiterarbeiten kann. Die Förderung durch das Kuratorium wird also keineswegs auslaufen, sondern sie wird in einer anderen Form, wie ich sie hier skizziert habe, weiterlaufen. Wir sind sehr zuversichtlich, daß dieser Weg der richtige sein wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513107900
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513108000
Herr Staatssekretär, Ihnen ist doch klar, daß die Mittel, die das Kuratorium als



Raffert
Darlehen vergibt, nicht alle wieder zurücklaufen, so daß die Mittel, die als Fonds zur Verfügung stehen, mit der Zeit zu Ende gehen, d. h. daß durch diesen Erlaß und durch die Tatsache, daß das Kuratorium als solches nicht weiter bezuschußt wird, seine Tätigkeit doch in absehbarer Zeit beendet sein wird?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513108100
Dieser Meinung sind weder der Bundesminister des Innern noch das Kuratorium selbst bzw. seine Initiatoren. Wir haben das sehr sorgfältig überlegt. Wie gesagt, der ursprünglich für notwendig gehaltene Betrag ist verstärkt worden, und es besteht nach wie vor die Überzeugung, daß das Kuratorium nach dieser kräftigen Starthilfe aus eigenen Mitteln eine fortlaufende Förderung über die rückfließenden Mittel durchführen kann. Ob sich diese Erwartung in vollem Umfange realisieren lassen wird, bleibt der Zukunft vorbehalten; aber einstweilen haben wir keinen Anlaß, an dieser zuversichtlichen Hoffnung zu zweifeln.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513108200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0513108300
Herr Staatssekretär, dieser Erlaß vom September 1967 steht im Ministerialblatt unter dem Titel „Kulturelle Angelegenheiten des Bundes" . Darf ich Sie fragen, ob noch keines der Bundesländer gegen diese Überschrift protestiert hat?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513108400
Mir ist bisher von keinem Protest etwas bekannt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513108500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0513108600
Herr Staatssekretär, darf ich Sie angesichts des recht breiten Spektrums dieser Filmförderungsmaßnahmen fragen, ob die deutschen Bundesländer oder eines der Bundesländer ähnliche Filmförderungsmaßnahmen ähnlichen Ausmaßes ergriffen haben oder ob sie sich da passiv verhalten haben?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513108700
Herr Kollege, das ist ja keine neue Sache, die wir veranstalten. Der deutsche Film wird seit einer sehr geraumen Zeit aus Bundesmitteln gefördert. Dieser Erlaß vereinheitlicht lediglich die bisher recht zersplitterte Regelung, zersplittert nicht etwa im Verhältnis Bund—Länder, sondern in verschiedene Erlasse des Bundes. Jedenfalls soweit mir im Augenblick bekannt ist, hat sich in den vergangenen Jahren niemals das Problem gestellt, daß etwa die Bundesländer Bedenken dagegen hätten, daß der Bund mit diesen Förderungsaktionen irgendwelche in der Zuständigkeit nach dem Grundgesetz problematische Kulturpolitik betreibt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513108800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Huys.

Dr. Lambert Huys (CDU):
Rede ID: ID0513108900
Herr Staatssekretär, ist das Kuratorium „Junger Deutscher Film" vorstellig geworden, weil die zur Verfügung gestellten 5 Millionen DM für die Nachwuchsförderung nicht genügten?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513109000
Nein, soweit mir bekannt ist. Ich habe auch sehr große Zweifel, daß das der Fall sein könnte. Wie gesagt, mir ist es nicht bekannt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513109100
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Raffert auf:
Womit begründet die Bundesregierung die extensiv gefaßte „Sittenklausel" des in Frage 35 bezeichneten Erlasses?
Herr Staatssekretär, bitte!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513109200
Die von Ihnen angezogene Bestimmung entspricht den bisher anstandslos praktizierten Bestimmungen einschlägiger früherer Erlasse. Sie ist nicht extensiv, sondern erläutert nur die besondere Bindung der Exekutive an die Verfassung, indem sie Förderungsmaßnahmen dann ausschließt, wenn keine angemessene Rücksicht auf die von der Verfassung geschützten Werte genommen wird. Damit spricht die Klausel im Grunde genommen nur eine Selbstverständlichkeit aus.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513109300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513109400
Herr Staatssekretär, wir wollen hier nicht „Katz und Maus" spielen.

(Heiterkeit.)

Darin sind wir uns doch wahrscheinlich einig. Ist es nicht so, daß diese Klausel im Entwurf sehr viel weitergeht als alle anderen Klauseln in irgendwelchen Rundfunkgesetzen, von denen wir bei der Vorberatung des Gesetzes zur Filmförderung, die wir zur Zeit in den Ausschüssen haben, ausgegangen sind?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513109500
Die Klausel im Entwurf des Filmförderungsgesetzes ist in der Tat kürzer. Ob sie damit besser ist, ist eine Frage, die im Zusammenhang mit den Beratungen in den Ausschüssen besprochen werden soll. Ich darf Sie aber auf einen Unterschied aufmerksam machen. Bei den Regelungen, die dem Erlaß unterliegen, handelt es sich um die gezielte Förderung von Filmvorhaben aus Bundesmitteln, während das Filmförderungsgesetz im wesentlichen eine Förderung aus Mitteln der Wirtschaft selber vorsieht. Ich sehe auch durchaus einen rechtlichen Unterschied zwischen beiden Sachverhalten, der eventuell eine andere Formulierung rechtfertigen könnte.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513109600
Eine zweite Zusatzfrage.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513109700
Das Filmförderungsgesetz ist — das haben Sie wohl richtig definiert — eine Art Hilfe zur Selbsthilfe, und darin unterscheidet es sich vom hier zur Rede stehenden Erlaß. Die Frage hierzu lautet aber: Wie würden Sie z. B. einen Begriff wie „die angemessene Rücksicht auf die von der Verfassung geschützten Werte, die Gesetze und das religiöse und sittliche Empfinden" interpretieren? Was ist angemessene Rücksicht, und wer wird im einzelnen auszulegen haben, was hier angemessen ist?

(Zuruf von der CDU/CSU: Professor Marcuse!)


Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513109800
Das Verfahren, Herr Kollege Raffert, ist Ihnen ja aus dem Erlaß bekannt. Es gibt diese unabhängigen Ausschüsse, die konkret entscheiden müssen, wer gefördert wird. Natürlich steckt hierin ein gewisser Ermessensspielraum. Ich glaube aber, daß er keineswegs so vage oder unpräzise ist, daß man ihn nicht hinreichend definieren könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513109900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513110000
Herr Staatssekretär, kann der Begriff „angemessene Rücksicht auf die verfassungsmäßigen Werte" etwa damit in Zusammenhang gebracht werden, daß einer der sich jetzt benachteiligt fühlenden Filmproduzenten einen Film herausgebracht hat, in dem die Hauptperson den Namen Lücke trug und sich in diesem Film in einer familienpolitisch nicht ganz angemessenen Weise bewegt hat?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513110100
Herr Kollege Moersch, ich darf diese Frage als eine Art Scherzfrage zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513110200
Nein, das ist keine Scherzfrage. Das hat Zusammenhänge, Herr Staatssekretär.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513110300
Ich vermag den tieferen Sinn ihrer Frage nicht zu erkennen. Ich glaube nicht, daß dies das Problem ist, das uns im Zusammenhang mit der sogenannten Sittenklausel bewegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513110400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0513110500
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden: Wollen Sie einen gewissen möglichen Unterschied andeuten zwischen einer unmittelbaren staatlichen Förderung sowie der sich daran anschließenden moralisch-sittlichen Benotung und dem, was eine Filmförderungsanstalt tut? Wenn ja, worin liegen die Kriterien für eine unterschiedliche Beurteilung bei staatlich unmittelbar geförderten Filmen einerseits und bei Filmen, die eine solche staatliche Förderung nicht haben, andererseits?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513110600
Herr Kollege Dr. Lohmar, Ihnen ist die verfassungsrechtliche Diskussion über dieses Thema natürlich mindestens ebenso gut bekannt wie mir. Ich darf in aller Kürze nur sagen: ich glaube nicht, daß man behaupten kann, der Staat sei aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen, Haushaltsmittel für Filme zu geben, deren Hersteller nicht einmal bereit sind, eine angemessene Rücksicht auf die im Grundgesetz verankerten Werte zu nehmen, denen wir doch alle verpflichtet sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube nicht, daß man so weit gehen kann, zu verlangen, daß das auch noch aus staatlichen Mitteln finanziert wird. Andererseits wissen wir alle, daß der Staat eine Geschmackszensur, eine Sittenzensur oder dergleichen weder vornehmen kann noch nach unserer, wie ich annehme, gemeinsamen Überzeugung vornehmen soll. Im Zwischenfeld dieser drei Pole liegt eine Regulierung dieses Gebiets durch ein Gesetz, das zwar eine Förderung des Films finanziell beabsichtigt, aber im wesentlichen nicht staatliche Mittel dafür aufwendet, sondern eine Art Selbsthilfe durch die beteiligte Wirtschaft durchführt. Hier glaube ich, daß man den Grundsatz, den ich zu dein ersten Teil — unmittelbare Förderung durch staatliche Maßnahmen — skizziert habe, nicht in voller Präzision aufstellen kann. Hier muß man etwas zurückhaltender sein. Die Frage, wo präzise die Grenzen sind, ist sehr diffizil, und man spricht über diese Frage ja im Zusammenhang mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs und wird auch in Zukunft noch über sie sprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513110700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0513110800
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die Bundesregierung gut beraten wäre, wenn sie sich auch für diesen Bereich der unmittelbaren Förderung, um Mißverständnisse und auch Fehldeutungen der Haltung der Bundesregierung zu vermeiden, der Formulierung anschließen würde, die im Filmgesetz noch zu finden sein wird?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513110900
Ich sehe einstweilen keine Möglichkeit der Fehl- oder Mißdeutung. Der Entwurf des Filmförderungsgesetzes wird ja erst noch beraten; er ist ja noch nicht Gesetz. Und ob dies nun die beste zu findende Formulierung ist, bleibt erst einmal abzuwarten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513111000
Wir kommen zu der Frage 37 des Abgeordneten Raffert:
Wie begegnet die Bundesregierung der Kritik, in der vor allem auf die Gefahr möglicher Verstöße gegen Artikel 5 GG



Vizepräsident Dr. Jaeger
beim Vollzug der Bestimmungen des in Frage 35 bezeichneten Erlasses hingewiesen wird?
Herr Staatssekretär, bitte!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513111100
Die Kritik an diesem Erlaß, die Sie zitieren, Herr Kollege Raffert, und mit der auf die Gefahr möglicher Verstöße gegen Art. 5 des Grundgesetzes hingewiesen sein könnte, ist mir nicht bekannt. Der Erlaß ist auch erst am 1. September dieses Jahres in Kraft getreten. Ich kenne eine solche Kritik nicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513111200
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513111300
Ich bin gerne bereit, Herr Staatssekretär, Ihnen die entsprechenden Ausschnitte usw. zuzustellen. Ich habe eine ganz präzise Frage u. a. zu Abschnitt X B Nr. 5 a der vorhandenen Formulierung, in der z. B. steht:
Der fertiggestellte Film ist dem Auswahlausschuß vorzuführen. Weicht er wesentlich von dem vorgelegten Filmvorhaben ab, so sind die Prämien ... zurückzuzahlen.
Ist Ihnen klar, daß insbesondere einer der letzten besonders exzellenten Filme unter diesen Umständen nicht hätte gefördert werden können? Ich denke an den Film „Abschied von gestern", der in diesem Jahr das Goldene Band bekommen hat, der aber von dem ursprünglichen Entwurf des Drehbuches ganz wesentlich abweicht.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513111400
Herr Kollege Raffert, ich kann mich zu dem Einzelfall nicht äußern. Aber allgemein sehe ich keinen Zusammenhang zwischen der von Ihnen zitierten Klausel — das war, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Abschnitt X B Nr. 5 a — und der verfassungsrechtlichen Problematik insbesondere aus Art. 5 des Grundgesetzes. Wenn aber ein Filmvorhaben finanziell gefördert wird und sich nachher, wenn es fertig ist, herausstellt, daß etwas ganz anderes dabei herausgekommen ist als das, was gefördert worden ist, dann scheint es mir berechtigt zu sein, die Frage aufzuwerfen, ob das Endprodukt eben das ist, was einem vorher in Aussicht gestellt worden ist und was der Staat gefördert hat.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0513111500
Herr Staatssekretär, handelt es sich bei dem Ergebnis des Entwicklungsprozesses, dem ein Film während der Dreharbeiten unterliegt, insbesondere ein Film, der nach dem Prinzip des sogenannten „Autorenkinos" gedreht wird, nicht mehr um eine Frage der Qualität als um eine Frage des Inhalts dieses Produktes?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513111600
Ich würde, soweit ich das im Augenblick zu übersehen vermag, diese Formulierung in Abschnitt X B Nr. 5 a mehr auf den Inhalt als auf die Qualität beziehen. Ich bin gern bereit, diese Frage noch einmal im einzelnen zu klären und Ihnen darüber eine Nachricht zukommen zu lassen, Herr Kollege Raffert.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513111700
Keine weitere Zusatzfrage. Frage 38 des Abgeordneten Moersch:
Auf welche Verfassungsbestimmung gründet sich die Unterschrift in der Bundestagsdrucksache V/2166 „Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder"?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513111800
Ich habe Ihnen, Herr Kollege Moersch, bereits in der Fragestunde am 24. Oktober auf eine von Ihnen in anderem Zusammenhang gestellte Zusatzfrage eine Antwort zu Ihrer Frage gegeben. Ich darf Sie freundlicherweise auf die Ihnen damals gegebene Antwort verweisen.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513111900
Herr Staatssekretär, da die damals gegebene Antwort in vollem Umfang unbefriedigend war, da sie die Verfassung nicht berücksichtigt hat, darf ich Sie als den hilfsweise für Verfassungsfragen zuständigen Staatssekretär noch einmal bitten, dem Plenum ,ganz genau zu sagen, was die Bundesregierung über Amtsbezeichnungen denkt, die in der Verfassung nicht irgendeinen Anhaltspunkt haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513112000
Herr Abgeordneter Moersch, gestatten Sie, daß ich mich dazwischenschalte. Sie können in einer Fragestunde der Bundesregierung keine Zensuren erteilen. Das können Sie in einer Aussprache, aber nicht in der Fragestunde.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513112100
Herr Kollege Moersch, es tut mir sehr leid, daß meine Antwort Sie nicht befriedigt hat. Ich kann aber nur sagen, daß die Bezeichnung „Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder", die in der von Ihnen zitierten Drucksache gebraucht worden ist, nach Auffassung der Bundesregierung keineswegs verfassungsrechtliche Bedenken begegnet. Wenn Sie solche Bedenken haben sollten, dann wäre ich sehr dankbar, wenn Sie jetzt in Form einer Zusatzfrage — oder bei anderer Gelegenheit — mir den Inhalt Ihrer Bedenken mitteilten. Ich will mich dann sehr gern im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten, die Sie nur vermuten, bemühen, Ihre Frage zu beantworten.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0513112200
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Bezeichnung „Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder" deshalb im Grundgesetz weggelassen worden ist, weil sonst der Verdacht entstehen müßte, daß wir in einem Staatenbund und nicht in einem Bundesstaat leben?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0513112300
Herr Kollege Moersch, ich glaube nicht, daß diese Bezeichnung irgendwelche Bedenken begründen könnte. Ich würde natürlich Bedenken haben — das Thema ist nicht



Parlamentarischer Staatssekretär Benda
neu, und wir kennen beide, wie ich annehme, die verfassungsrechtliche Literatur, die sich damit beschäftigt —, wenn etwa die Länder darangehen würden, solche Konferenzen mit eigener Rechtspersönlichkeit, mit eigenen Zuständigkeiten zu schaffen. Dann würde sich natürlich eine verfassungsrechtlich interessante Problematik ergeben. Aber der Versuch der Koordinierung der Herren Ministerpräsidenten der Länder über wichtige Sachfragen wie diejenige, die Gegenstand der von Ihnen bezeichneten Drucksache war, begegnet überhaupt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und begründet nach Auffassung der Bundesregierung keineswegs die in der Literatur in diesem Zusammenhang gern zitierte sogenannte dritte Ebene im Verhältnis Bund einerseits und Länder andererseits.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513112400
Wir kommen zu den Fragen 39 und 40 der Abgeordneten Frau Kurlbaum-Beyer:
Ist der Bundesregierung die Spendenaktion Vietnam des Gründers der SOS-Kinderdörfer bekannt, mit der das erste Dorf für 750 elternlose Kinder, die zu vielen Tausenden aus Nord- und Südvietnam völlig hilf- und schutzlos in Hütten und Lagern leben, gebaut werden soll?
Ist die Bundesregierung bereit, eine größere Summe für die Errichtung von 40 Fertighäusern und deren Transport zur Verfügung zu stellen, um das bei Saigon bereits erschlossene und mit Fundamenten versehene Gelände schnellstens dem gedachten Zweck zuführen zu können?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, zunächst zu den Fragen 3 bis 5 des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert:
Wie groß ist die Anzahl der öffentlichen Münzfernsprecher in den Landgemeinden der Bundesrepublik?
Wieviel öffentliche Münzfernsprecher in Landgemeinden werden von der Deutschen Bundespost im Interesse der Landbevölkerung in den Jahren 1967, 1968 und 1969 errichtet?
Welche Erfahrungen hat die Deutsche Bundespost hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit öffentlicher Münzfernsprecher in Landgemeinden gemacht?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten des Herrn Bundesministers Dr. Dollinger vom 2. November 1967 lauten:
Zu 1.:
Unter Landgemeinden werden nach Auffassung der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung die Gemeinden mit bis zu 2000 Einwohnern verstanden. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes gibt es nach dem letzten Stand (30. 6. 1966) 20 530 solcher Landgemeinden in der Bundesrepublik. In diesen Gemeinden sind z. Z. 2780 öffentliche Münzfernsprecher eingesetzt.
Zu 2.:
Im Interesse der Landbevölkerung ist vorgesehen, in den Jahren 1967, 1968 und 1969 weitere 4600 öffentliche Münzfernsprecher in den Landgemeinden einzurichten.
Zu 3.:
Die Deutsche Bundespost hat durchweg gute Erfahrungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit öffentlicher Münzfernsprecher in Landgemeinden gemacht- Die durchschnittlichen Einnahmen aus diesen Münzfernsprechern decken voll die Ausgaben für die technischen Einrichtungen einschließlich Unterhaltung und Wartung. Sie rechtfertigen darüber hinaus einen verstärkten Einsatz von öffentlichen Münzfernsprechern in den Landgemeinden, wie er auch beabsichtigt ist.
Ich rufe die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Baron von Wrangel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diejenigen Städte und Gemeinden, die im Zonengrenzgebiet liegen, an das Hamburger beziehungsweise Lübecker Fernsprechnetz anzuschließen?
Wäre die Bundesregierung im Interesse einer schnellen Verbesserung der Infrastruktur gegebenenfalls auch bereit, eine besondere Gebührenstaffelung für das Zonengrenzgebiet einzuführen, damit denjenigen Unternehmen, die im Zonengrenzgebiet angesiedelt sind oder sich dort ansiedeln wollen, gegenüber den Ballungszentren keine Nachteile entstehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten des Herrn Bundesministers Dr. Dollingen vom 3. November 1967 lauten:
Zu 1.:
Ein Anschluß der im Zonenrandgebiet liegenden Städte und Gemeinden an das nächstgelegene Großstadtortsnetz würde die Einheitlichkeit des organisatorischen .und technischen Aufbaues der Ortsnetze, die zugleich Ortsgebührenbereiche sind, zerstören. Für eine solche Maßnahme, die alle Städte und Orte entlang der gesamten Zonengrenze — fast 300 — erfassen müßte, wären überdies umfangreiche technische Umstellungen und sehr hohe finanzielle Aufwendungen erforderlich. Weder für die erheblichen Kosten einer solchen Umstrukturierung noch für die laufenden Einnahmeverluste aus dem Gesprächsverkehr besteht eine Ausgleichsmöglichkeit.
Die Bundesregierung sieht sich daher nicht -in der Lage, die im Zonengrenzgebiet liegenden Städte und Gemeinden an das nächstgelegene Großstadtortsnetz anzuschließen.
Zu 2.:
Aus gleichen Gründen vermag die Bundesregierung auch nicht der Anregung einer Gebührenermäßigung im Gesprächsverkehr zwischen dem Zonenrandgebiet und dem übrigen Bundesgebiet zu entsprechen, die ebenfalls mit hohen finanziellen Einbußen für die Deutsche Bundespost verbunden wäre.
Wir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Dichgans:
Ist die Deutsche Bundespost bereit, die Deutsche Lufthansa zu entschädigen, wenn sie, um den Lärm zu vermindern, lärmschwache Flugzeugtypen mit höheren Kosten einsetzt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 6. November 1967 lautet:
Die Deutsche Bundespost sieht sich nicht in der Lage, die Lufthansa für den Einsatz bestimmter Flugzeugtypen besonders zu entschädigen. Die Deutsche Bundespost setzt selbst keine Flugzeuge ein, sondern ist lediglich Mitbenutzer der vorhandenen Flugverbindungen bei verschiedenen Luftverkehrsgesellschaften. Als solcher muß die Deutsche Bundespost die Wahl des einzusetzenden Flugzeugtyps selbstverständlich der Luftverkehrsgesellschaft überlassen. Es kann also nicht Aufgabe der Deutschen Bundespost sein, eine Luftverkehrsgesellschaft für die Anschaffung oder den Einsatz eines bestimmten Flugzeugtyps zu entschädigen. Dies würde auch gegen den Grundsatz verstoßen, daß die Ausgaben für die Postbeförderung in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem zu erzielenden Nutzen stehen müssen, da ich gemäß § 26 der Reichshaushaltsordnung zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verpflichtet bin.
Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Lärmminderung habe ich wiederholt betont, daß ich innerhalb meines Aufgabenbereichs und im Rahmen der mir dazu gegebenen Möglichkeiten bemüht bleibe, jede Lärmbelästigung der Bevölkerung auf ein Mindestmaß zu beschränken. In Auswirkung dieser meiner Bemühungen ist es gelungen, von und nach Düsseldorf bis 1969 weiterhin ein Propellerflugzeug zu verwenden, Die weitere Entwicklung muß zeigen, ob und gegebenenfalls welche anderen Maßnahmen ergriffen werden können, wenn die Deutsche Lufthansa nach 1969 alle Propellergeräte aus dem Verkehr ziehen sollte.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) auf:
Trifft es zu, daß beabsichtigt ist, den Postreisedienst der Deutschen Bundespost in absehbarer Zeit einzustellen?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0513112500
Ich beantworte die Frage des Kollegen Fritsch wie folgt: Die Deutsche Bundespost beabsichtigt nicht, den Postreisedienst, einen Dienstzweig, den sie seit mehr als 60 Jahren in gemein-



Bundesminister Dr. Dollinger
wirtschaftlicher Weise betreibt, einzustellen. Ihre Frage zielt vermutlich auf die verschiedentlichen Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen über das in Arbeit befindliche Gutachten der Deutschen Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft ab. Die „Treuarbeit" hat im Oktober 1966 auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers vom Herrn Bundesminister für Verkehr und im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen und meinem Amtsvorgänger den Auftrag erhalten, „Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Omnibusbetrieb der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn" zu untersuchen.
Vor diesem Gutachten liegt mir zur Zeit nur ein Entwurf vor, so daß ich im jetzigen Zeitpunkt zu den dort gemachten Vorschlägen keine Stellungnahme abgeben kann. Nach Vorlage des Gutachtens werden die Untersuchungsergebnisse von der Bundesregierung sorgfältig geprüft werden, um eine optimale Lösung für die Verkehrsnutzer sowie für die Deutsche Bundespost und ihr im Postreisedienst tätiges Personal von rund 7700 Kräften zu erzielen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513112600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0513112700
Herr Bundesminister, gibt es im Rahmen des nun erstellten Gutachtens Überlegungen, Teile des Postreisedienstes etwa der Deutschen Bundesbahn zuzuordnen?

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0513112800
Herr Kollege, wie gesagt, kann ich zu einem Gutachten, das noch nicht endgültig vorliegt, in diesem Stadium keine Stellungnahme abgeben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513112900
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0513113000
Herr Bundesminister, wann ist mit den Ergebnissen dieses Gutachtens zu rechnen?

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0513113100
Das hängt davon ab, wann die Treuarbeit das Gutachten endgültig vorlegen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513113200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0513113300
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß bei dem betroffenen Personenkreis der Deutschen Bundespost besonders deshalb eine große Erregung besteht, weil in dem Gutachten angeblich Mängel vorhanden sind?

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0513113400
Ich kann zu dem Gutachten keine Stellung nehmen, solange es nicht endgültig vorliegt. Wir haben zu den Punkten, die uns bekanntgeworden sind und wo wir glaubten, daß Berichtigungen notwendig sind, der Treuarbeit selbstverständlich entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513113500
Eine zweite Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0513113600
Herr Minister, wären Sie bereit, in Ihrem Hause die Entschließßung, welche am 5. November in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz auf einer großen Versammlung von der Deutschen Postgewerkschaft gefaßt wurde, besonders zu überprüfen und der Deutschen Postgewerkschaft in Koblenz eine entsprechende Mitteilung zu geben?

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0513113700
Herr Kollege, ich bekomme nicht nur diese Entschließung, die ich kenne, sondern seit mehr als acht Tagen hagelt es Entschließungen. Selbstverständlich werden alle diese Dinge bearbeitet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513113800
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Jung aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau:
Welche politischen Konsequenzen müssen nach Ansicht der Bundesregierung nach den von Minister Lauritzen bekanntgegebenen Zahlen gezogen werden, wonach in der Bundesrepublik Deutschland etwa eine Million Wohnungen abbruchreif und sechs bis sieben Millionen sanierungsbedürftig sind?
Herr Staatssekretär, bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513113900
Herr Bundestagsabgeordneter, die Frage darf ich wie folgt beantworten.
Die von Herrn Bundesminister Dr. Lauritzen genannten Zahlen über die qualitative Struktur des Althausbesitzes beruhen auf einer Repräsentativerhebung, die von Herrn Professor Göderiz von der Technischen Hochschule Braunschweig im Auftrag meines Ministeriums in den Jahren 1961/62 durchgeführt und nach Auswertung der eingehenden Untersuchungen in einem Gutachten von Professor Göderiz im Jahre 1964 meinem Ministerium vorgelegt worden ist.
Sie machen deutlich, in welchem Umfang auf diesem Gebiet noch Aufgaben zu bewältigen sind. Genaue Aufschlüsse insbesondere über die in den einzelnen regionalen Bereichen erforderlichen Maßnahmen wird jedoch erst .die Erhebung nach dem Wohnungszählungsgesetz 1968 erbringen. Über dieses Wohnungszählungsgesetz konnte im Vermittlungsausschuß wegen der Aufteilung der Kostenlast zwischen Bund und Ländern leider keine Einigung erzielt werden. Jedoch soll erneut versucht werden, mit den Ländern zu einer Verständigung zu kommen, damit dieses nicht nur von Fachkreisen, sondern, wie die wiederholte Erörterung in der Presse zeigt, auch von der Öffentlichkeit für dringend erforderlich gehaltene Gesetz doch noch zustande. kommt.



Staatssekretär Dr. Schornstein
Welche Bedeutung die Bundesregierung schon jetzt der Instandsetzung und Modernisierung des Althausbesitzes beimißt, läßt das zweite Konjunkturprogramm der Bundesregierung besonders deutlich erkennen. Nachdem in den vergangenen Jahren bis zum Jahre 1966 bereits rund 3 Milliarden DM teils als verbilligte Kapitalmarktdarlehen, teils als Bundes-, ERP- oder Landesdarlehen dem Althausbesitz zugewandt worden sind — wenn gewünscht, kann ich die Anteile von Bund, Ländern, ERP und Lastenausgleich aufgliedern —, wird im Rahmen des zweiten Konjunkturprogramms mit Hilfe von Verbilligungszuschüssen für Kapitalmarktdarlehen und zinsgünstigen öffentlichen Baudarlehen zur Förderung der Althaussanierung ein Auftragsvolumen von mehr als 1,5 Milliarden DM finanziert. Mit diesen Mitteln können zirka 240 000 Wohnungen instand gesetzt oder modernisiert werden.
Die Mittel fließen, wie erwartet, zügig ab. Die Darlehensmaßnahmen über 30 Millionen DM sind in allen Ländern bereits voll ausgeschöpft. Bei der Zinsverbilligungsmaßnahme — das sind fünfmal 52,2 Millionen DM für fünf Jahre — ist von der ersten Jahresrate bereits ein Drittel abgeflossen. Die Soll-Vorschrift über die Einreichung von Anträgen bei den Kreditinstituten sieht bekanntlich eine Frist bis zum 31. Dezember 1967 vor. Wir haben keinen Zweifel, daß auch diese Maßnahme einen vollen Erfolg haben wird.
Weil die Bundesregierung die Instandsetzung und Modernisierung des Althausbesitzes aus volkswirtschaftlichen Gründen für sinnvoll hält — sie soll ihn wettbewerbsfähig machen, wenn wir überall einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt erreicht haben, und sie spart unnötigen Wohnungsneubau —, hat mein Ministerium auch die Aufklärung der betroffenen Hausbesitzerkreise durch finanzielle Förderung einer Aufklärungsschrift „Aus Alt mach Neu" unterstützt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513114000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0513114100
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß eigentlich dieses Göderiz-Gutachten nicht die richtige Basis für die Zahlen ist, die der Herr Minister in der Öffentlichkeit verwendet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513114200
Herr Abgeordneter, wir haben bis zur Zeit keine anderen Grundlagen. Die Zahlen beruhen, wie ich sagte, auf einer Erhebung aus den Jahren 1961/62. Sie können auch nur eine Größenordnung angeben. Sicherlich sind sie überholt, weil in den vergangenen Jahren von den Hausbesitzerkreisen teils freiwillig, teils durch die von mir erwähnten Hilfsmaßnahmen sehr viel geschehen ist. Deshalb können uns nur die Ergebnisse des Wohnungszählungsgesetzes genauere Unterlagen erbringen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513114300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0513114400
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Ansicht, daß die hierfür notwendigen 60 Millionen DM für diese Erhebung nicht sinnvoller in einer Städtebauforschung angelegt wären, daß das Wohnungsbauministerium sich die Erhebungen des Finanzministeriums zu eigen machen und diese als Grundlage für die Beantwortung dieser Fragen nehmen sollte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513114500
Ich glaube, das sind zwei verschiedene Dinge, Herr Bundestagsabgeordneter. Das Wohnungszählungsgesetz soll uns eine Menge von Unterlagen liefern, nicht nur hinsichtlich der Qualität des Hausbesitzes, sondern auch hinsichtlich der Besetzung der Wohnungen, hinsichtlich der Mieten, die effektiv gezahlt werden, hinsichtlich der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die in den verschiedenen Arten von Wohnungen wohnen. Auf dieses Wohnungszählungsgesetz können wir unter keinen Umständen verzichten. Aber wir glauben auch, wie ich eben sagte, daß wir mit den Ländern doch noch ein Arrangement erreichen werden.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0513114600
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513114700
Nein, Herr Abgeordneter, Sie hatten schon zwei Zusatzfragen. Mit zweien ist es aus.
Noch eine Zusatzfrage? — Nein. Ich danke Ihnen Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich rufe zunächst die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Hudak auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um den Spätaussiedlern, vor allem Akademikern und Angehörigen des öffentlichen Dienstes, eine schnellere Eingliederung zu ermöglichen?
Herr Minister, ich darf bitten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0513114800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Frage, Herr Kollege Dr. Hudak, beantworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Arbeitsminister und dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt.
Spätaussiedler sind als „Aussiedler" Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes und genießen alle Rechte und Vergünstigungen, die dieser Personenkreis in Anspruch nehmen kann.
Die neu ankommenden Aussiedler werden bereits in den Grenzdurchgangslagern Friedland und Nürnberg nicht nur zur Familienzusammenführung, sondern auch schon unter Berücksichtigung der Arbeitsmöglichkeiten den einzelnen Ländern zugewiesen. Dort liegt der Schwerpunkt der Eingliederung in der Vermittlung eines Arbeitsplatzes, der dem erlernten oder einem sonst angemessenen Beruf und Verdienst entspricht. Arbeitssuchenden Aussiedlern stehen dazu die Vermittlungsstellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung



Bundesminister von Hassel
bei allen Arbeitsämtern zur Verfügung, die zunächst auch Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zahlen. Arbeitssuchenden Akademikern widmet sich vor allem die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt am Main durch einen überregionalen Ausgleich.
Arbeitsämter und Zentralstelle übernehmen auch Bewerbungs-, Reise- und andere Kosten. Ferner können sie besondere Lehrgänge durchführen oder die Teilnahme daran fördern, um die Kenntnises und Fertigkeiten Arbeitssuchender zu erhalten oder zu erweitern. Schließlich sind Möglichkeiten zur beruflichen Umschulung gegeben.
Bei der berufsgleichen Eingliederung von Fach- und Hochschülern ergeben sich aus den unterschiedlichen Gesellschafts- und Ausbildungssystemen in den Herkunftsländern besondere Schwierigkeiten, denen noch durch eine Reihe besonderer Maßnahmen begegnet wird. So bestehen insbesondere finanzielle Förderungsmöglichkeiten für den Besuch von Sprach- und Ergänzungslehrgängen aus Mitteln des Bundesjugendplanes; für das Hochschulstudium steht das Honnefer Modell zur Verfügung.
In das Bundesgebiet zugezogene frühere Angehörige des öffentlichen Dienstes, die von der zuständigen Dienstbehörde als Aussiedler anerkannt worden sind, können Rechte sowohl nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes als auch nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes geltend machen, sofern die sonstigen Voraussetzungen dieser Gesetze erfüllt sind.
Nach den bisherigen Erfahrungen, Herr Kollege, haben die bestehenden Möglichkeiten zur Eingliederung der Aussiedler in der Regel ausgereicht. Eine beschleunigte Eingliederung wird zur Zeit durch die allgemeine wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik behindert, weil geeignete freie Arbeitsplätze nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung ist jedoch davon überzeugt, daß ihre generellen Maßnahmen zur Förderung eines neuerlichen wirtschaftlichen Aufstiegs auch den Aussiedlern zugute kommen werden. Im übrigen wird sie weiterhin bestrebt sein, das in ihrer Zuständigkeit Mögliche für die Eingliederung der Aussiedler zu tun.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513114900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hudak.

Dr. Adalbert Hudak (CSU):
Rede ID: ID0513115000
Herr Bundesminister, welche Möglichkeiten sehen Sie, in Zusammenarbeit etwa mit der Kultusministerkonferenz der Länder dafür Sorge zu tragen, daß Staatsprüfungen und Promotionen von Spätaussiedlern, die nach dem Jahre 1948 in den Ostländern erfolgten, hier in der Bundesrepublik Deutschland früher anerkannt werden und die Nostrifizierung von akademischen Graden erleichtert und schneller durchgeführt wird?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0513115100
Was die akademischen Grade anlangt, so gibt es darüber gesetzliche Bestimmungen, die diese Dinge klären. Auf der anderen Seite ist es aber für die Ausübung der Berufe oftmals notwendig, daß man noch einmal einen einjährigen oder zweijährigen Besuch einer Hochschule vorsieht, damit wirklich sichergestellt ist, daß diese Bewerber, die aus den Ostblockstaaten kommen, hier auch mit dem gleichen Wissen und mit den gleichen Kenntnissen in ihren Beruf hineingehen. Ergo müssen sie noch eine gewisse Hochschulzeit durchmachen. Ich glaube nicht, daß sich das wesentlich ändern läßt; eine Änderung würde auch nicht im Sinne der Betroffenen liegen, denen man ja nachher eine gleiche Startchance geben muß.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513115200
Keine weitere Zusatzfrage. Wir kommen dann zur Frage 12 des Herrn Abgeordneten Richter. — Der Abgeordnete Richter ist nicht da; die Frage wird schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers. Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Mühlhan auf:
An welchen deutschen Wochenschauen ist der Bund beteiligt?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Schmücker, Bundesschatzminister: Der Bund ist mit Mehrheit an der Deutschen Wochenschau GmbH, Hamburg, beteiligt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513115300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mühlhan.

Dr. Bernhard Mühlhan (FDP):
Rede ID: ID0513115400
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß 92 % der Anteile der Ufa-Wochenschau bundeseigene Anteile sind? Wie viele Anteile sollen in eine andere Hand übergehen?
Schmücker, Bundesschatzminister: Außer dem Bund sind Herr Dr. Robert Liebig, Frankfurt, mit 26 % — er hält Anteile für uns — und die Universum-Film GmbH (Bertelsmann) mit 8 % beteiligt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513115500
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Mühlhan auf:
Sind in letzter Zeit Überlegungen über eine Änderung der in Frage 13 erwähnten Beteiligungen des Bundes z. B. bei der Ufa-Wochenschau angestellt worden?
Schmücker, Bundesschatzminister: Ich bin in der letzten Zeit mehrfach wegen einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse angesprochen worden und darf auch vor diesem Hohen Hause erklären, daß ich solchen Erwägungen nicht ablehnend gegenüberstehe. Ich bitte jedoch sehr zu bedenken, daß man, bevor man hier zu abschließenden Verhandlungen kommt, prüfen sollte, ob es nicht Möglichkeiten der — entschuldigen Sie den Ausdruck — Marktbereinigung gibt. Sie wissen, daß wir verschiedene Wochenschauen haben. Es wäre doch sehr zu überlegen, ob man hier nicht zu einer Fusion, mindestens zu einer Zusammenarbeit kommen könnte. Das möchte ich vorab gern geprüft haben. Dann könnte man weiter darüber reden.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513115600
Ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Beantwortung der Fragen bitten.
Herr Abgeordneter Dr. Mühlhan zu einer Zusatzfrage.

Dr. Bernhard Mühlhan (FDP):
Rede ID: ID0513115700
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß der stellvertretende Pressechef, Herr Ahlers, Verhandlungen mit der Bank für Gemeinwirtschaft und Gewerbe über die Übertragung der Anteile geführt hat?
Schmücker, Bundesschatzminister: Zumindest nicht in meinem Auftrag. Es kann sein, daß er Gespräche geführt hat, aber Verhandlungen, die diesen Ausdruck verdienen, sind nicht geführt worden, mindestens nicht in meinem Auftrag.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513115800
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mühlhan.

Dr. Bernhard Mühlhan (FDP):
Rede ID: ID0513115900
Teilen Sie die Ansicht, Herr Bundesminister, daß „Blick in die Welt" — als privatwirtschaftliches Unternehmen gegenüber der UfaWochenschau — in eine schwierigere Wettbewerbslage gerät, wenn die Bank für Gemeinwirtschaft und Gewerbe eine größere Anzahl bundeseigener Anteile erwirbt, weil die Ufa-Wochenschau gegenüber „Blick in die Welt" dann über bessere Kapitalgrundlagen verfügen würde?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte, aber ich glaube, es ist nicht zweckmäßig, daß ich mich bei rein kaufmännischen, unternehmerischen Verhandlungen vorher festlege. Selbstverständlich bin ich der Meinung, daß die Beteiligungsverhältnisse ausgewogen sein müssen und es nicht zu, sagen wir einmal, Schwerpunktbildungen kommen darf, die nachher die . Arbeit der Wochenschau beeinträchtigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513116000
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, und komme zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Frage 15 des Abgeordneten Dr. Serres:
Wird sich die Bundesregierung im Ministerkomitee des Europarates dafür einsetzen, daß entsprechend der Empfehlung 500 (1967) der Beratenden Versammlung des Europarates eine Konferenz der europäischen Minister, die mit den Fragen der Entwicklungshilfe in ihren Regierungen beauftragt sind, noch vor der zweiten Welthandelskonferenz im kommenden Jahr einberufen wird, um über eine gemeinsame Politik zu beraten, die eine wirksamere Entwicklungshilfe gewährleistet?
Herr Minister, ich darf bitten.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0513116100
Diese Frage wird im Ausschuß der Ministerbeauftragten noch erörtert. Den Beratungen in diesem Ausschuß kann und möchte ich im Augenblick nicht vorgreifen.
Ich kann Ihnen aber, verehrter Herr Kollege, gerade aus jüngster Zeit sagen, daß ich mit meinen Kollegen in den übrigen westlichen Industrieländern in einem ständigen, sehr lebhaften und praxisnahen
Meinungs- und Erfahrungsaustausch über eine Verbesserung der Entwicklungshilfeleistungen stehe. Ich bin soeben erst von solchen Gesprächen aus den USA zurückgekommen. Wenige Tage vorher habe ich mich hier in Bonn mit dem britischen Entwicklungshilfeminister zu einem eingehenden Meinungsaustausch getroffen. Ein zweites Treffen ähnlicher Art mit meinem französischen Kollegen steht kurz bevor.
Die ganze Breite aller Fragen der Entwicklungshilfe und ihrer steten Verbesserung steht darüber hinaus ständig auf der Tagesordnung verschiedener Gremien, die sich mit der internationalen Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe befassen. Fragen der Welthandelskonferenz — wie die der Vorbereitung der nächsten Tagung — nehmen dabei einen hervorragenden Platz ein. Im Rahmen der OECD werden diese Fragen laufend sehr nachhaltig — und ich glaube, auch förderlich — erörtert: Der Handelsausschuß befaßt sich mit den Problemen der Handelshilfe, und im DAC werden die finanziellen Fragen erörtert.
Es kommt hinzu, daß vor der nächsten Welthandelskonferenz alle für die Entwicklungshilfe verantwortlichen Minister der westlichen Industrieländer noch einmal zu einer Sitzung im Rahmen der OECD zusammentreffen. Die Vorbereitung der nächsten Welthandelskonferenz in New Delhi wird dabei im Vordergrund stehen. Wir werden in dieser Sitzung darum bemüht sein, ein möglichst einheitliches und fortschrittliches Konzept für die Konferenz in New Delhi zu erarbeiten. Ich glaube, wir sollten zunächst diese Besprechungen abwarten, um dann zu prüfen, ob eine Zusammenkunft der europäischen Minister noch zweckdienlich und förderlich ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0513116200
Keine Zusatzfrage? p g g
— Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde. Ich rufe den zweiten Punkt der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete
— Drucksache V/2078 —
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien
— Drucksache V/2014 —
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau — Drucksache V/2232 —
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1968, 1969 und 1970
— Drucksache V/2233 —



Vizepräsident Dr. Jaeger
Der Ältestenrat schlägt gemeinsame Begründung und eine verbundene Debatte vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs spricht der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513116300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne meine Ausführungen mit der Feststellung: Die deutsche Kohle hat Zukunft! Sie hat dann eine Zukunft, wenn wir heute nicht einfach zu einer neuen Subventionsrunde ansetzen — damit würden wir die große Misere nur noch einmal verlängern —, sondern wenn wir allesamt entschlossen und zielbewußt einen Prozeß der Anpassung und Gesundung für die Kohle einleiten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zur Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus gehören neue Instrumente und neue Maßnahmen, die der vorliegende Gesetzentwurf anbietet. Aber zum Gesundungsprozeß gehört auch, daß wir den Menschen an Ruhr und Saar die Wahrheit sagen,

(Beifall bei den Regierungsparteien) und zwar die reine und die ganze Wahrheit.


(Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der Mitte.)

Existenzangst und Unsicherheit können nicht durch Vertröstungen und nicht durch Wunschdenken, sondern nur durch Redlichkeit und entschlossenes Handeln überwunden werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Eine gesunde deutsche Kohle wird auch in Zukunft einen gewichtigen Versorgungsanteil haben. Sie wird ein wesentliches Preisregulativ auf dem deutschen Energiemarkt überhaupt darstellen. Dieses Ziel, das wir uns setzen, ist weit entfernt von wirren Autarkieträumen, die uns doch nur Scheinlösungen bringen würden. Es ist ein Ziel der Realität, einer Realität, zu der auch gehört, daß wir nicht allein in dieser Welt leben und daß diese Welt nicht immer friedlich und von äußeren Störungen frei ist. in großes Industrieland wie die Bundesrepublik Deutschland kann auch in der Energieversorgung keine Monokultur gebrauchen. Wir wollen die Vielfalt — nicht zuletzt, um jederzeit und in vollem Umfang wirtschaftlich leistungsfähig zu sein, und nicht zuletzt, um auch dem Bundeskartellamt in Berlin, das gerade in diesen Tagen der Benzinpreissenkung eine neue Bewährungsprobe durchgemacht hat, den notwendigen Aktionsspielraum zu verschaffen.
Freilich wird auch der deutsche Steinkohlenbergbau seine Zukunft nicht allein erobern können. Die Vergangenheit hat die Bundesregierung daran zweifeln lassen. Diese Zukunft hängt nämlich entscheidend von der inneren Gesundung der Unternehmensorganisation des Kohlenbergbaues, von der Anpassung der Förderkapazität an die Nachfrage und von der zeitlichen Dimension ab, in der sich beides vollzieht. Je schneller Umstellung und Anpassung zu erreichen sind, um so eher wird die
Kohle gesund, d. h. unter marktwirtschaftlichen Absicherungen wettbewerbsfähig. Aber die Bundesregierung übersieht auch nicht den entgegengerichteten Faktor. Je länger der Zeitraum der Anpassung der Förderkapazität dauert, um so leichter ist der Prozeß von der Gesamtgesellschaft an Ruhr und Saar zu tragen.
Wesentlich ist bei der Entscheidung über den Zeitablauf der allgemeine Konjunkturverlauf. In einer Zeit deutlich ansteigender Konjunktur ist für jeden Menschen, der bisher im Bergbau arbeitete, das Hinüberwechseln in einen anderen Beruf sehr viel leichter, wenn auch alles andere als leicht. Wir kommen nicht daran vorbei, festzustellen: der letzte Boom 1964/1965 wurde von den deutschen Bergbauunternehmern gründlichst verpaßt.

(Zustimmung bei der SPD.)

Man setzte dafür lieber auf fällige politische Termine mit trügerischem Scheinerfolg für uns alle. Die Zeche dafür müssen alle heute bezahlen, um jetzt die Zukunft besser zu sichern.
Zukunft haben vor allem die Steinkohlenreviere selbst. Die Ruhr und auch die Saar liegen im Herzen Europas, sie haben die besten Standorte, sie waren gute Adressen und sie müssen wieder gute Adressen werden. Die Bundesregierung wird keinen Krisenherd an Ruhr und Saar dulden. Ruhr und Saar müssen auf der Basis der vorhandenen Infrastruktur, die doch schon viel besser ist als in weiten Gebieten im Norden und Süden unseres Landes,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

zu einem Zentrum neuer technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen werden — nicht anstelle der
Kohle, sondern auf der Basis einer gesunden Kohle!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist das Ziel und die Aufgabe einer Politik für das Ruhrgebiet und für die Saar. Und das ist allein die Grundlage für eine dauerhafte Lösung, die den Menschen in diesen Regionen den Weg in neue industrielle Perspektiven öffnet.
Für diese Politik sollen die Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe die notwendige rechtliche Grundlage schaffen. Am 1. Dezember 1965 sagte ein Abgeordneter dieses Hauses zur Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus:
Wenn bei Anpassungsvorgängen das dekapitalisierte Kapital entschädigt wird, muß in gleichem Maße auch die menschliche Arbeitskraft, die im Bergbau bisher tätig war, unorthodox entschädigt werden.
Der Abgeordnete, der damals jene Politik forderte, hat heute die Ehre, den Entwurf des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaureviere im Deutschen Bundestag einzubringen. In der Tat, jener damalige Satz gilt auch heute als Leitlinie für den vorgelegten Gesetzentwurf, er gilt als Leitlinie für die Kohlepolitik dieser Bundesregierung.
Dies zeigte sich besonders in einem pointierten Beispiel, als am 13. Oktober dieses Jahres die Still-



Bundesminister Dr. Schiller
legungen der Zechen „Hansa" und „Pluto" angekündigt wurden, auf telefonischem Wege dem Bundesminister für Wirtschaft mitgeteilt, mitten hinein in die Gespräche um den Rheinstahlplan und mitten hinein in die parlamentarischen Vorbereitungen zur ersten Lesung des vorliegenden Gesetzes. Die Stilllegungsankündigung vom 13. Oktober, die rund 5500 Beschäftigte betrifft, war ohne Rücksicht auf den arbeitenden Menschen erfolgt. Angesichts dieses in vieler Beziehung ungewöhnlichen Vorgangs kündigte der Bundeswirtschaftsminister am 20. Oktober an, es werde in diesem Falle keine Stillegungsprämien für die Eigentümer geben. Dies wurde dann am 23. Oktober dieses Jahres unter Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers zum Beschluß erhoben. Dieser Beschluß zeigt: die Bundesregierung ist sich in ihrer Energiepolitik einig. Er zeigt zugleich: die Bundesregierung ist nicht gewillt, plötzliche Stillegungsankündigungen einfach wie Hagelschlag hinzunehmen. Die Bundesregierung bekundet vielmehr durch den Gesetzentwurf, daß sie die Grundlagen schaffen will für einen geordneten, klaren, für jeden einsehbaren Anpassungsplan.
Das Zitat vom 1. Dezember 1965 und das Verhalten der Bundesregierung in dem konkreten Fall beweisen im übrigen auf das deutlichste, daß es völlig widersinnig ist, eine sogenannte hehre „politische" Lösung des deutschen Steinkohlenproblems von einer nicht so hehren „wirtschaftspolitischen" Lösung zu trennen. Der Bundeskanzler hat in diesen Tagen sehr zu Recht betont: „Eine ökonomisch sinnlose Lösung ist auch eine schlechte politische Lösung."

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wirtschaft und Politik sind in diesem Wirtschaftszweig Steinkohlenbergbau, der seit zehn Jahren von einer Strukturkrise geschüttelt wird, deren Lösung in der Vergangenheit allzuoft durch sogenannte rein politische Beweggründe hinausgeschoben wurde, in der Tat unauflöslich miteinander verbunden.
Allzuoft hat die einseitige Betonung sogenannter rein politischer Aspekte bis in die jüngste Vergangenheit hinein zu einer schrecklichen Verwirrung der Gemüter und zu einer wachsenden Unsicherheit und Existenzangst unter den Bergleuten geführt. Wir haben heute 295 000 Menschen im deutschen Steinkohlenbergbau beschäftigt. Wenn wir entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung und entsprechend unserer gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion etwa den Zeitraum bis 1971 als statistischen Beobachtungsraum ins Auge fassen, so ergeben alle unsere Anpassungs- und Absatzvorausschätzungen, daß über mehrere Jahre hinweg insgesamt etwa 40 000 bisher im Bergbau Beschäftigte eine Tätigkeit in anderen wirtschaftlichen Bereichen werden übernehmen müssen. Gleichzeitig werden ca. 39 000 Beschäftigte im „natürlichen Abgang", wie die Statistik es allzu nüchtern ausdrückt, eine wirtschaftliche Tätigkeit überhaupt aufgeben, d. h. vor allem in die Knappschaftsrente gehen.
Meine Damen und Herren, ich muß es ganz deutlich sagen: Wer diese Zahlen so einfach und schlankweg zusammenzählt, und heute und hier oder für das nächste Jahr von 80 000 arbeitslosen Bergleuten spricht, der ruft nicht zu einer Aktion „Zukunft" auf;
er erzeugt ungewollt Defätismus an Rhein und Ruhr.

(Beifall in der Mitte und bei Abgeordneten der SPD.)

Wer so spricht, dient nicht der Reform des deutschen Steinkohlenbergbaus an Haupt und Gliedern. -
Soviel zu diesen Zahlen.
40 000 Bergleute, die in den kommenden Jahren in andere wirtschaftliche Tätigkeiten gehen müssen. ... Meine Damen und Herren niemand von uns darf das mit kalter und gelassener Hand vom Tisch fegen und lediglich darauf hinweisen, daß in früheren Zeiten Jahr für Jahr jährlich jeweils rund 30 000 im Bergbau Beschäftigte ihren Arbeitsplatz im Bergbau aufgegeben haben. Die Situation ist heute anders:
Erstens. Wir haben seit Mitte 1966 eine wirtschaftliche Flaute. Erst jetzt sind erste deutliche Anzeichen einer allgemeinen wirtschaftlichen Besserung der Konjunktur erkennbar. In dieser Zeit müssen derartige Globalzahlen, wenn sie summarisch — also 80 000 — verkündet werden, politisch und sozial verheerend wirken.
Zweitens. Unter den Bergleuten, die in den kommenden Jahren ihren Arbeitsplatz wechseln müssen, sind nun immer mehr solche, die schon bisher dreimal, viermal, fünfmal ihre Zeche haben wechseln müssen. Daß hier ein Gefühl entsteht, Nummer oder Figur in einem Schachspiel zu sein, in dem man verschoben wird oder vom Brett gesetzt wird, meine Damen und Herren, das ist nur allzu verständlich. Hier findet ein Prozeß der Aufschaukelung statt, eine allzu verständliche Eskalation der Gefühle gegen das Umhergetriebenwerden von einer Zechenanlage zur anderen, von einem Arbeitsplatz zum nächsten. Und, meine Damen und Herren, eine solche Eskalation der Gefühle kann ohne Zweifel aus Unbedachtheit oder Absicht mißbraucht oder verstärkt werden. Unternehmer, die durch bestimmte planlose Ankündigungen die Menschen auf die Straße jagen, sollten wissen, daß kein Segen darauf ruht, die Sorge und die Existenzangst der Menschen als Druckmittel gegen den Staat zu verwenden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die aufgestauten und dann ausbrechenden Gefühle der Menschen mögen sich wohl erst mal gegen den Staat wenden, natürlich gegen Bonn und nochmal gegen Bonn und gegen „die da in Bonn" überhaupt. Aber diese Gefühle werden sich letztlich dann gegen die Unternehmerschaft selbst richten.
Es wäre falsch, die Gefühle der Menschen an der Ruhr und an der Saar, die schweren gesellschaftlichen Spannungen, die zutage getreten sind, zu unterschätzen. Gewiß mag sich mancher damit trösten, daß mit solchen Ausbrüchen die ominöse Dunkelziffer der radikalen Flügelbewegungen an der rechten und linken Seite der politischen Arena nun damit ins helle Rampenlicht tritt. Ein anderer wiederum — und das ist mir in jenen Tagen passiert, das hat jemand zu mir gesagt — mag ganz apolitisch, ganz kühl und gelassen aussprechen, die Lösung des Kohleproblems sei lediglich eine Frage



Bundesminister Dr. Schiller
des politischen Mutes. Ich aber sage darauf: Nein, so einfach geht das nicht. Es ist kein politischer Mut, über Menschenschicksale einfach hinwegzusehen. Wir wissen, was es für den Bergmann heißt, zur letzten Schicht unter Tage einzufahren und sich dann mit 40 oder mehr Lebensjahren auf die Schulbank zu setzen oder im viel zitierten „weißen Kittel" mühsam den Anschluß an eine neue Arbeitsumgebung zu suchen.
Infolgedessen hat die Bundesregierung in diesem Jahr trotz und wegen der Flaute auf Streckung der Stillegungen und auf zusätzliche öffentliche Hilfen für Feier- und Nachholschichten hingewirkt. Ebenso intensiv hat sie, wie die vorliegende Chronologie des Jahres 1967 *) zeigt, die Ihnen übermittelt worden ist, eine Fülle von Maßnahmen eingeleitet, die der Absatzstabilisierug für die Kohle dienen: vom zweiten Verstromungsgesetz über die Koks-KohlenSubvention bis hin zur verschärften Selbstbeschränkung für das Mineralöl. Die Bundesregierung hat zugleich durch das erste und zweite Konjunktur- und Strukturprogramm die Impulse erzeugt, die von der Marktwirtschaft aufgenommen und zu einem Aufschwung nach Maß führen werden. Die Bundesregierung hat drittens in dem vorliegenden Gesetzentwurf, der am 24. Mai vom Kabinett verabschiedet wurde, die Werkzeuge entwickelt, die während der kommenden Zeit des allgemeinen Konjunkturaufschwungs zugunsten der Gesundung des Bergbaus und für eine Neuindustrialisierung der Steinkohlenreviere eingesetzt werden sollen. Damit wollen wir es ganz deutlich machen: Der nächste Aufschwung darf vom deutschen Steinkohlenbergbau nicht wieder verpaßt werden. Das darf und wird nicht wieder geschehen.
Der Gesetzentwurf soll sicherstellen, daß der deutsche Steinkohlenbergbau den nächsten Konjunkturaufschwung zur Anpassung und Gesundung ausnutzen kann und nicht in den Schlendrian der Prolongation durch politische Termine — und wir kennen ja kommende politische Termine — verfällt. Das weitere Ziel dieses Gesetzentwurfs hat der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsminister in seiner Stellungnahme deutlich formuliert: Er begrüßt „die Grundkonzeption des vorliegenden Gesetzentwurfs, die Sanierung des Steinkohlenbergbaus mit ,dem Ziel zu betreiben, daß er am Ende des Prozesses als ein marktwirtschaftlich lebensfähiger Wirtschaftszweig in die deutsche Volkswirtschaft eingegliedert ist".
Der vorliegende Gesetzentwurf hat seit dem Mai dieses Jahres in der öffentlichen Debatte bereits schöpferisch gewirkt.

(Lachen bei der FDP.)

Er hat bei anderen Pläne produziert, die seinen Rahmen ausfüllen wollen. In dem Bemühen um eine Synthese dieser Pläne darf ich das energiepolitische Programm der Bundesregierung folgendermaßen skizzieren. — Es besteht aus vier Teilen.
Erstens. Das Gesetz bringt Druck zur Fusion der Zechengesellschaften zu optimalen Unternehmens-
*) Siehe Anlage 2
einheiten. Von einem bestimmten Zeitpunkt an werden den Gesellschaften, die sich nicht zusammenschließen, die laufenden Subventionen entzogen. Deswegen haben wir schon am 19. Juli 1967 im Vorgriff auf das kommende Gesetz — wenn Sie so wollen, extra legem; ich will einen früheren Bundesinnenminister dabei nicht zitieren —

(Heiterkeit)

das Angebot der Fünfergruppe des Rheinstahlplans auf eingehende Unterrichtung über ihren Plan angenommen. Die Herren dieser Fünfergruppe vertreten zwei Drittel der Eigentümer des Ruhrbergbaus, und sie sind bereit auf Grund des Gesetzes eine zentrale Pacht- und Betriebsgesellschaft zu gründen. Für diese Lösung wäre der § 12 des Gesetzentwurfs ohne weiteres anwendbar, gleichsam auch als Knüppel oder Stock — wenn Sie so wollen — hinter der Tür. In die gleiche Richtung, wenn auch durch gesetzlichen Zwang, zielt der Gesetzentwurf der IG Bergbau und Energie. Wollte man diesen Weg beschreiten oder diesen Weg des Zwangszusammenschlusses als zweite Möglichkeit offenlassen, so könnte der § 3 des Gesetzentwurfs der Bergarbeitergewerkschaft als Ergänzung zum § 12 unseres Gesetzentwurfs eingefügt werden mit der Maßgabe, daß jener Zwang erst nach einem gewissen Zeitablauf eintreten würde. Das wäre eine Zweistufenfolge.
Auf welchem Wege auch immer, meine Damen und Herren, ich stelle fest, wir brauchen die Gesamtgesellschaft, zumindest für den Ruhrbergbau, und zwar aus folgenden zwei Gründen: erstens um die Kohleproduktion auf die besten Zechen zu konzentrieren; ich nenne sie einmal die A-Zechen. Die Notlösung, die Kohleproduktion durch Feierschichten und anderes taufend linear einzuschränken, ist auf längere Sicht wirtschaftlich unsinnig; denn sie erhöht die Kosten pro Tonne erzeugter Kohle, sie macht die Kohle nicht wettbewerbsfähig.
Zweitens muß daher von der Gesamtgesellschaft in kürzester Frist, etwa ein Vierteljahr nach ihrer Gründung, ein Generalplan für die erforderliche Stillegung der, wie ich sie nennen möchte, B-Zechen erstellt werden. Dieser Generalplan oder Anpassungsplan muß jene Lücke schließen, die zwischen der heutigen Förderkapazität und der möglichen Absatzgröße liegt. Ad-hoc-Stillegungen müssen aufhören. So kann man nicht mit der wirtschaftlichen Not einzelner Menschen und ganzer Städte umgehen. Wir brauchen, meine Damen und Herren, den objektiven zwischenbetrieblichen Vergleich. Stillegungsprämien dürfen daher in Zukunft nur im Rahmen des geordneten Vollzugs eines Anpassungsplans gezahlt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Und drittens. Nur eine Gesamtgesellschaft, zumindest für den Ruhrbergbau, kann die notwendigen überbetrieblichen Rationalisierungseffekte bewirken, die nach Ablauf einiger Jahre den deutschen Steinkohlenbergbau wettbewerbsfähiger machen.
Alles das, was ich soeben über die Gesamtgesellschaft gesagt habe, gilt sowohl für die freiwillige



Bundesminister Dr. Schiller
Pacht- oder Betriebsgesellschaft wie für die durch gesetzlichen Zwang gebildete Einheitsgesellschaft. Der freiwillige Weg der Verpachtung hat den großen Vorzug, daß er schneller zu beschreiten ist. Eine Gründung der zentralen Pachtgesellschaft zum 1. Januar 1968, einer Pachtgesellschaft, die im übrigen, abgesehen vom Pachtzins — ich komme darauf noch —, für die Verpächter gewinnlos arbeiten sollte, wäre ein großartiges Zeichen unternehmerischer Initiative sozusagen fünf Minuten vor zwölf. Deshalb ist sie zu begrüßen.
Voraussetzung für eine Gesamtgesellschaft auf privater und freiwilliger Grundlage ist aber erstens, daß das unternehmerische Eigentumsrisiko erhalten bleibt. Eine scheinprivate Gesellschaft hat wohl kaum einen Sinn. Eine Garantie des Pachtzinses an die Altgesellschaften von 360 Millionen DM jährlich auf 20 Jahre, in jedem Jahr — so nehme ich einmal an -- voll in Anspruch genommen, könnte theoretisch einen zusätzlichen Aufwand für die öffentliche Hand von 7,2 Milliarden DM bedeuten. Unter einer solchen Perspektive — meine Damen und Herren, ich sage das frank und frei — könnte der Staat auch gleich den ganzen Bergbau kaufen und damit den deutschen Steinkohlenbergbau in Gemeineigentum überführen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Wenn man das nicht will — und mancherlei Gründe sprechen in der Tat gegen eine solche Lösung —, dann muß die Ausfallbürgschaft von jährlich 360 Millionen DM auf eine Gesamtsumme von etwa beispielsweise 2 Milliarden DM für den ganzen Zeitraum oder über einen angemessenen Selbstbehalt der Unternehmer, d. h. der Altgesellschaften, begrenzt werden. Die soeben genannte Zahl von 2 Milliarden DM als Beispiel und als Verhandlungsgrundlage ist eine gedankliche Anleihe an den zweiten privatwirtschaftlichen Plan, den wir kennen, den Plan von Staatssekretär a. D. Müller-Armack. Auch im Gesetzentwurf der Bundesregierung sind übrigens in § 11 Bürgschaften zur Förderung der Konzentration im Steinkohlenbergbau bereits vorgesehen, wenn auch in geringerem Umfang, etwa bis zu 1 Milliarde DM.
Zweitens. In die private Betriebsgesellschaft darf nicht nur ein „skelettierter" Bergbau eingebracht werden, von dem alles Fett und alles Fleisch abgeschnitten ist. Zechenkraftwerke, die auch in Gebiete außerhalb des Reviers Strom liefern, und die bergbauliche Wohnungswirtschaft dürfen ihren Zusammenhang mit der neuen Gesamtgesellschaft nicht verlieren. Die Altgesellschaften dürfen nicht zu Lasten der Gesamtgesellschaft die Rosinen aus dem Kuchen für sich selbst behalten.
Drittens. Die Politik der Gesamtgesellschaft soll, wie betont, nicht auf Gewinnausschüttungen gerichtet sein. Anfallende Gewinne sollen zur Senkung der Kohlenpreise verwendet werden. Die Kohle muß dann mehr und mehr — und das ist für die Kohle ganz ungewohnt — den Wettbewerb mit den anderen Energieträgern aufnehmen. Diese zentrale, produktivitätsorientierte Verkaufspolitik einer Gesamtgesellschaft — wie immer sie auch konstruiert wird —, zugleich kommerziell orientiert, ist ein wichtiges Element, das besonders in dem sogenannten Walsum-Plan zum Ausdruck kommt und das auch in die andere Lösung einbezogen werden kann und muß.
Meine Damen und Herren! Ich komme nun zum zweiten Teil des energiepolitischen Gesamtprogramms der Bundesregierung. Neben die Neuordnung der Unternehmensstruktur, die wir im Gesetz angezielt haben — optimale Unternehmenseinheit bzw. Gesamtgesellschaft, Generalplan zur Stillegung für die B-Zechen —, neben diesen ersten Teil gehört ein Gesamtsozialplan. Kernstück dieses Gesamtsozialplans ist das im Gesetz vorgesehene Abfindungsgeld für ausscheidende Bergarbeiter. Weitere Maßnahmen der Einkommenshilfe, die durch die Montanunion, durch den Bund und auch durch die Bergbauländer ermöglicht werden, müssen in diesen Gesamtsozialplan eingebaut werden. Jeder Bergarbeiter, der von einer Stillegung betroffen ist, muß die Sicherheit haben, daß für ihn, unabhängig von den betrieblichen Einzelverhältnissen, gesorgt ist.
Ich darf daher bekanntgeben: Die Bundesregierung hat den Bundesminister für Wirtschaft beauftragt, zusammen mit dem Bundesarbeitsminister und im Zusammenwirken mit den Beteiligten einen einheitlichen Sozialplan zu entwickeln, der allen von Stillegungen betroffenen Bergleuten die gleichmäßige Sicherung gibt, daß sich der Anpassungsprozeß für sie ohne unzumutbare Härten vollzieht. Härten wird es leider, wie stets, ohnehin geben müssen. Die Bergleute sollen dabei — so haben wir beschlossen — nach einheitlichen Maßstäben erhalten: erstens das im Gesetzentwurf vorgesehene Abfindungsgeld bis zu 5000 DM, zweitens die Anpassungshilfen des Bundes und der Montanunion nach Art. 56 des Montanvertrages und drittens die Leistungen des Bergbaus im Rahmen seiner betrieblichen Fürsorge.
Jeder einzelne Arbeitnehmer, jeder einzelne Bergmann, der bei einer Stillegung seinen Arbeitsplatz verliert und wechseln muß, muß vorher wissen, mit welchen Hilfen er rechnen kann. Das Ausscheiden aus der gewohnten Umgebung und das Hinüberwechseln in einen ganz anderen Arbeitsrhythmus und in ein neues Milieu sind ohnedies für den Bergmann meist schwer genug.
Es genügt aber nicht, nur für die von Stillegungen betroffenen Bergleute zu sorgen. Wir brauchen auch allgemeine sozialpolitische Übergangsmaßnahmen, die die Anpassungs- und Gesundungsphase erleichtern sollen. Deshalb haben wir im Jahre 1967 im Bundeshaushalt zusätzlich 80 Millionen DM für Feier- und Nachholschichten bereitgestellt. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß von den 915 Millionen DM, die über drei Titel verstreut außer dem Bundeszuschuß für die Knappschaft im Haushalt 1967 stehen, 331 Millionen DM allein für laufende Zuschüsse an die Bergarbeiterlöhne an den Lohnfonds in der Bergwirtschaft gezahlt werden. Es gehört zum Erbe unserer gemeinsamen politischen Vergangenheit hier in diesem Hause, daß Lohnrunden — ich habe einen solchen Fall mitgemacht — zu bestimmten Terminen eben auch zu Lasten der



Bundesminister Dr. Schiller
Bundes- und Landeskassen gingen. Das alles haben
wir erlebt, und das schlägt sich jetzt in diesen
laufenden Zahlungen auch für den Lohnfonds nieder.
Über die bisherigen Leistungen hinaus ist die Bundesregierung bereit, für 1967 einen Härteausgleich bis zum Jahresende durchzuführen und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel um 23 Millionen DM zu erhöhen. Hierfür stelle ich aus dem Haushalt meines Ministeriums bisher vorgesehene Stilllegungsprämien zur Deckung zur Verfügung.
Für das Jahr 1968 — so darf ich hier weiter bekanntgeben — ist die Bundesregierung nach ihren Beschlüssen außerdem bereit, über die vorgesehenen 50 Millionen DM hinaus ihrerseits zusätzlich 51 Millionen DM zu mobilisieren, um auch dann eine Feierschichtenregelung und .den Wegfall aller Samstagsschichten zu ermöglichen. Das heißt also, was wir in diesem Jahr begonnen haben, wird ins nächste Jahr hinein fortgesetzt: praktisch die Fünftagewoche für den Bergarbeiter. Wir gehen dabei davon aus, daß sich die Bergbauländer Nordrhein-Westfalen und Saarland wie bisher mit einem Drittel an den entstehenden neuen Gesamtkosten beteiligen.
Für die Durchführung des eben erwähnten Gesamtsozialplans sollte in Zukunft grundsätzlich und in erster Linie die wie auch immer zu gründende Gesamtgesellschaft des Bergbaus verantwortlich sein. Dabei ist noch einmal daran zu erinnern, daß die bergbauliche Wohnungswirtschaft für die Lösung des Sozialproblems eine ganz besondere Rolle spielt. Ein weiterer wesentlicher Teil aus dem Programm der Bundesregierung für den Bergmann steht mit dem Bergmannsprämienänderungsgesetz heute ebenfalls zur Beratung.
Meine Damen und Herren, ein Energieprogramm, das erstens aus Gesamtgesellschaft und Anpassungsplan sowie zweitens einem einheitlichen Sozialplan bestünde, wäre ein Tisch mit zwei Beinen, der umfallen muß. Zu diesem Programm gehört daher drittens ein Strukturplan zur Neuindustrialisierung der Steinkohlenreviere. Nun wird heute allenthalben landauf, landab ein solcher Strukturplan gefordert. Ich kann nur darauf hinweisen, daß der von der Bundesregierung im Mai dieses Jahres verabschiedete Entwurf eines Kohlegesundungsgesetzes, wie ich es nenne, von vornherein auf eine solche Umstrukturierung gerichtet war. Denn ein solcher Plan muß doch, wenn er Sinn haben und nicht nur aus einem schönen Wort bestehen soll, die beiden Produktionsfaktoren Kapital und Boden für die Menschen in den Bergbaugebieten mobilisieren.
Deswegen sind im Gesetz dafür folgende neue Instrumente vorgesehen:
Erstens ist eine zehnprozentige Investitionsprämie für Neuinvestitionen in den Steinkohlenrevieren vorgesehen. Im übrigen ist zu begrüßen, daß im Rheinstahl-Plan vorgesehen ist, die Pachtzinszahlungen der Gesamtgesellschaft zu Neuinvestitionen im Ruhrgebiet zu verwenden. Nach den bisherigen Verhandlungen soll dieses Paket der Pachtzinszahlungen nicht einfach zu konsumtiven Einkommen bei den Eigentümern führen.
Zweitens. Im Gesetz ist ein verkürztes und hartes Verfahren der Enteignung von Grund und Boden vorgesehen, und zwar, meine Damen und Herren, mit gutem Recht. Die Zechengesellschaften haben einen riesigen Grundbesitz. Wir könnten in der Tat ganz im Sinne von Ausführungen Franz Oppenheimers — der der Lehrer vieler Leute in diesem Hause und indirekt auch dessen, der hier spricht, gewesen ist —, mit denen er die mittelalterliche Grundherrschaft beschrieb, heute noch im Bergbau von einer Bodensperre sprechen, einer Bodensperre, die damals wie heute den Ansiedlungswilligen fernhält.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte. — Abg. Schmidt [Hamburg] : Sehr richtig!)

Das ist die Realität. Deswegen müssen wir durch Gesetz die Bodensperre brechen. Gut wäre es — denn ich bin immer, wie Sie wissen, für die freiwillige Lösung in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik —, wenn bei einer freiwilligen Lösung der gesamte Grund und Boden der Altgesellschaften auf die zentrale Betriebsgesellschaft übertragen würde. Auf jeden Fall steht fest: ohne die rasche Mobilisierung des bergbaulichen Grund und Bodens, soweit er nicht unmittelbar für den Bergbau selbst genutzt wird, ist eine schnelle Ansiedlung neuer Industrien an Ruhr, Saar und Emscher völlig unmöglich.

(Zuruf aus der Mitte: Sehr richtig!)

Die derzeitige Aktionsgemeinschaft deutscher Steinkohlenreviere hat sich u. a. zur Aufgabe gestellt, das Bodenangebot für neue Industrien an der Ruhr zu vergrößern. Meine Damen und Herren, das Ergebnis ist bisher gleich Null. Ich sage es klar und deutlich: Sosehr ich die Aktionsgemeinschaft deutscher Steinkohlenreviere begrüße — sie ist auch eine wirklich beachtenswerte Initiative aus der freien Wirtschaft —, so sehr muß ich doch bekunden: auch die Aktionsgemeinschaft hat sich, wie wir alle, jederzeit zu bewähren. Sie muß in der Lage sein, wirklich einen Boden- und Grundstückspool für neue Industrien binnen kürzester Zeit zu schaffen. Sie kann damit zu einem Zentrum des neuen Strukturplanes werden.
Soweit die drei Kernbestandteile des energiepolitischen Programms der Bundesregierung. Der Kohlebeauftragte als personifizierte Institution wäre bei einer alles umfassenden Gesamtgesellschaft sicherlich nicht oder nicht unbedingt nötig. Es könnte dafür, wie ich es ursprünglich vorhatte, einen National Coal Board geben, auch bei einer privaten Lösung, d. h. eine Aufsichtsbehörde, die dafür sorgt, daß die drei Kernaufgaben — Gesamtgesellschaft nebst Anpassungsplan, Sozialplan und Strukturplan — sachgerecht durchgeführt werden. Für dieses nationale Kohlenamt stünde nach wie vor die Zweigstelle Essen des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft, die dann auf Kosten der Frankfurter Hauptstelle ausgebaut werden müßte, zur Verfügung. Meine Damen und Herren, soviel zum Problem der inneren Ordnung der Kohle.
Die zweite Phase des Dreiphasenprogramms, in die wir ab Januar 1968 eintreten — mit der neuen



Bundesminister Dr. Schiller
Konjunktur dann voll eintreten —, die Anpassungs-
und Gesundungsphase, muß begleitet sein von flankierenden Maßnahmen. Mit diesen Maßnahmen soll dafür gesorgt werden, daß die konkurrierenden Primärenergieträger den Gesundungsprozeß der deutschen Steinkohle nicht beeinträchtigen. Sehr häufig werden diese flankierenden Maßnahmen als Mittelpunkt eines energiepolitischen Gesamtkonzepts angesehen. Manche verstehen unter Energiepolitik überhaupt nur den nackten Einfuhrprotektionismus gegenüber der ausländischen Konkurrenz.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Dieses Ziel ist nicht unser Ziel, und zwar auch aus folgenden Gründen. Die Zwangsmaßnahmen des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes — durch Einfuhrkontingente — sind weit weniger wirksam, als es das bei uns praktizierte System der freiwilligen Selbstbeschränkung für das Mineralöl ist: sie begrenzt in diesem Jahr die Zuwachsrate auf 4 % beim leichten Heizöl und auf 3 % beim schweren Heizöl. Das ist eine robuste Selbstbeschränkung, und sie funktioniert.
Im übrigen würden wir durch eine drastische Restriktionspolitik, durch einen wirklichen Protektionismus gegenüber den konkurrierenden Primärenergieträgern unsere gesamte deutsche Industrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit schwer beeinträchtigen. Steigende Energiekosten würden für den kommenden Aufschwung Gift sein. Kraß erhöhte Heizölsteuern würden die Mieten, und zwar auch im sozialen Wohnungsbau, erneut nach oben drükken; 60 % des leichten Heizöls gehen schon heute in den Hausbrand.
Unsere flankierenden Maßnahmen können daher in erster Linie nur in folgendem bestehen:
Erstens. Die freiwillige Selbstbeschränkung — im übrigen auch auf der Basis des § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes, den wir damit ja anwenden — muß fortgeführt werden. Sie ist effizienter und auch eleganter zu handhaben als jede Kontingentierung.
Zweitens. Die Methode der Absatzförderung, wie sie beim zweiten Verstromungsgesetz und der Koks-Kohle-Subvention angewandt wurde, könnte gegebenenfalls ausgebaut werden, z. B. für den Kohleexport in Drittländer.
Drittens. Ein weiterer wirksamer Schutz für unsere Steinkohle ist der prohibitiv wirkende Kohlezoll — den man oft vergißt — zusammen mit dem Zollkontingent. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf soll die Regelung des Importzollkontingents bis 1970 fortführen. Das als Ausnahme vorgesehene zollfreie Kontingent ist sowohl handelspolitisch wie versorgungspolitisch für die traditionellen Bezieher von Importkohle notwendig. Auch der Export von Volkswagen als Bestandteil der Leerfracht zurück über den Atlantik ist eine Sache, die für die Effizienz und für die Entwicklung unserer Gesamtwirtschaft von Bedeutung ist. Die Bundesregierung bittet — entgegen den Änderungsvorschlägen des Bundesrates — um Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die die Möglichkeit vorsieht, das Importzollkontingent um 20 % zu verändern.
Für die Gesundung der Steinkohle und die Sanierung der Ruhr und der Saar sind von allen Opfern zu bringen. Diese Opfer dürfen allerdings nicht darin bestehen, daß wir die deutsche Wirtschaft in ihrer Leistungsfähigkeit und in ihrem weiteren Fortschritt beeinträchtigen. Denn nur im optimalen Produktivitätsfortschritt der Gesamtwirtschaft können die Krisenherde in den Steinkohlengebieten beseitigt werden. Nur aus dem Mehrprodukt der Gesamtwirtschaft können Leistungen zur Heilung der Wunden an der Ruhr und an der Saar erbracht werden.
Meine Damen und Herren, allein die chemische Industrie braucht heute an Leichtprodukten der Mineralölindustrie als Rohstoff für ihre Fertigung jährlich 4 Millionen t, das heißt, sie brauchte einen Rohöldurchsatz — hier in dieser Volkswirtschaft — von 75 Millionen t im Jahre 1966. Wenn die chemische Industrie ihre jährliche Zuwachsrate halten will — und wir brauchen sie als Wachstumsindustrie —, so benötigt sie bis zum Jahre 1970 einen Bezug von 9 Millionen t Leichtprodukten, d. h. einen Rohöldurchsatz in Deutschland von über 100 Millionen t. Damit, meine Damen und Herren, spreche ich nur das Thema Leichtprodukte an, noch nicht das Thema Energiekosten. Das kommt nun.
Die verarbeitende Industrie in Baden-Württemberg, die Industrie in Bayern und die Industrie an der Küste haben mich in diesen Tagen durch eindeutige Zahlen wissen lassen, wie sehr sie an niedrigen Energiekosten interessiert sein müssen. Ja, es ist bemerkenswert, daß trotz heftiger akuter Spannungen das allgemeine Postulat „niedrige Energiepreise" nicht verstummt ist. Wenn daher flankierende Maßnahmen für die Gesundung des Steinkohlenbergbaus notwendig sind, so sind diese nur durch die beschriebenen und fortzusetzenden Maßnahmen der Absatzförderung für die Kohle möglich.
Im Gegensatz dazu wird manchmal bei der Forderung nach besonderen energiepolitischen Maßnahmen eine quantifizierte Planifikation der ganzen Branche Energiewirtschaft verlangt, eine Planifikation, in der auf mittlere Frist — ich will die Jahre gar nicht angeben — die Quote und womöglich auch noch der Preis eines jeden Energieträgers im vorhinein fixiert werden. Meine Damen und Herren, ich sage es ganz klar: eine solche Planification en détail wird von der Bundesregierung nicht verfolgt. Zwar arbeiten wir in unserer Energiepolitik mit verschiedenen Anpassungs- und Absatzvorausschätzungen. Aber es gibt keine Förderrichtzahlen. Meine Damen und Herren, die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit mit sogenannten Förderrichtzahlen sollten jeden schrecken.

(Zurufe: Sehr gut!)

Außerdem ist gerade der Energiemarkt der nächsten Jahre ein besonderes Feld der technologischen Revolution. Unsere Energiepolitik muß daher im Ziel eindeutig, in den Methoden jedoch von Jahr zu Jahr flexibel sein. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft hinweisen. In dem vorgeschriebenen Jahreswirtschaftsbericht wird die Darstellung unserer energiepolitischen Maßnahmen ein wichtiges Teilstück sein.



Bundesminister Dr. Schiller
Meine Damen und Herren, ich habe, für manchen vielleicht nicht ganz bequem, klipp und klar die Lage, die Perspektiven und die von der Bundesregierung ergriffenen und noch zu ergreifenden Maßnahmen geschildert und den Gesetzentwurf erläutert. Wenn wir im Sinne dieser Vorschläge vorgehen, dann können wir sagen: Mit dem 24. Mai 1967, also mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung und mit dem 8. November 1967, mit dieser ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag, hat ein neues Kapitel in der Geschichte der deutschen Energiepolitik angefangen.
Ich sage ganz offen: es ist kein leichtes Kapitel, das wir da beginnen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Dieses neue Kapitel stellt einen längst überfälligen Schritt zur Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus dar. Das Jahr 1967 war im Ganzen energiepolitisch ein Jahr des Überganges, in dem wir zu Anfang alte, schon beschlossene Maßnahmen, die erst einmal noch bedrucktes Papier waren, aber deren politische Aussage vorlag, in die Wirklichkeit umsetzen mußten, wie das Verstromungsgesetz und die Kokskohlesubvention. Aber zugleich wurde in diesem Jahr von der neuen Bundesregierung eine neue Energiepolitik vorbereitet, die sich vor allem in diesem Gesetzentwurf und in dem eben von mir dargestellten Vier-Punkte-Programm niederschlägt.
Eine solche Zeit, in der eine alte Politik eine neue hervorbringt, ist meist mit einer Krise verbunden. In die Krise gerät dabei nicht die neue Politik, die schließlich den Bergbau marktwirtschaftlich wettbewerbsfähig machen soll, sondern in die Krise gerät, genau genommen, allein das Verhaftetsein in alten Gewohnheiten, in die Krise gerät die Methode des Ad-hoc-Interventionismus, die Methode der Verlegenheitslösungen. Auch uns droht diese Gefahr natürlich in diesen Tagen und Wochen.
Bei der Durchsetzung beider Konjunkturprogramme der Bundesregierung sind Kritik und Krise in der öffentlichen Meinungsbildung natürlich nicht ausgeblieben. Immer setzt sich neues politisches Wollen mit Schmerzen und mit einer Umwertung überkommener Denk- und Verhaltensweisen durch.

(V o r sitz : Vizepräsident Dr. Mommer.)

Aber letztlich habe ich auch erlebt, daß es sich lohnt, daß es sich auszahlt, wenn die Bevölkerung erkennt, daß die neue Regierung weiß und sagt, was sie politisch will. Die einfache Erkenntnis, daß hier Leute stehen, die ihr Ziel im Auge haben und unverrückbar an diesem Ziel festhalten, läßt uns hoffen, daß sich diese freiheitliche, fortschrittliche und soziale Energiepolitik praktisch durchsetzen wird.
Ihr Erfolg wird nicht ausbleiben, meine Damen und Herren. Es muß ein Erfolg werden, nicht für die Bundesregierung, es muß ein Erfolg werden für den deutschen Bergmann und für das schwergeprüfte Land an der Ruhr und an der Saar.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513116400
Damit sind die Vorlagen der Bundesregierung begründet. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Brand (Remscheid).

Peter Wilhelm Brand (CDU):
Rede ID: ID0513116500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren „Der Gesetzentwurf zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete enthält eine geschlossene Konzeption für einen strukturellen Umbau des deutschen Kohlenbergbaues, indem ,er gradlinig eine Anpassung der Steinkohlenförderung an die Nachfrageentwicklung durch Konzentration der Eerzeugung .auf die guten und durch Preisgabe der schlechten Zechen durchzusetzen versucht." — Dieser Satz stammt nicht von mir. Er leitet eine Stellungnahme zu dem heute behandelten Gesetz .ein, die in der vergangenen Woche von Herrn Professor Wessels, dem Leiter des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln, in der „Frankfurter Allgemeinen" erschienen ist.
Ich setze diesen Satz aus berufenem 'Munde bewußt an den Anfang meiner Ausführungen, weil er sich deutlich von einer negierenden Kritik abhebt, die 'diesem Gesetz eine praktische Bedeutung für die strukturelle Gesundung 'des Bergbaus absprechen möchte. Die Wirtschaftsordnung, in der wir leben, gibt den Unternehmern und den Unternehmungen eine weitgehende Entscheidungsfreiheit, die durch die Erfordernisse eines sozial verpflichteten Rechtsstaates begrenzt wird.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513116600
Einen Augenblich, Herr Abgeordneter. Ich bitte doch um mehr Ruhe im Saal, und ich bitte, Gespräche nach draußen zu verlegen.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter!

(Beifall in der Mitte.)


Peter Wilhelm Brand (CDU):
Rede ID: ID0513116700
Danke schön, Herr Präsident. — In einer solchen Wirtschaftsordnung werden sich die Hilfen des Staates zur Überwindung von Schwierigkeiten in der Wirtschaft an den Erfordernissen heute der nationalen unid morgen der europäischen Gesamtwirtschaft zu orientieren haben und vorrangig Hilfen zur Selbsthilfe sein. Das ist etwas anderes als Protektionismus. Ich verstehe, daß derjenige, bei dem eine Staatshilfe nur dann Anerkennung findet, wenn sie Subventionen bringt und Konkurrenten die Luft abdreht, keine Freude an diesem Gesetz hat.
Was bringt 'dieses Gesetz nun — in Stichworten aufgezählt — an solchen Hilfen zur Selbsthilfe? Es setzt Orientierungsdaten für die Bergbauunternehmungen durch kurzfristige und mittelfristige Absatzvorausschätzungen, es beseitigt steuerliche Hemmnisse, um die Stillegung von Zechen zu erleichern, und schafft steuerliche Vorteile, um die optimale Unternehmenskonzentration zu fördern. Beides wird ergänzt durch die Einrichtung von Bürgschaften. Durch Zahlung eines Abfindungsgeldes sollen die besonderen Schwierigkeiten, die sich für die Arbeitnehmer aus idem Umstrukturie-



Brand
rungsprozeß ergeben, gemildert werden. Erwähnenwert ist auch die in § 6 verankerte Investitionsprämie und die in § 27 unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehene Enteignungsmöglichkeit von Grundstücken, wenn dies für die Stärkung der Wirtschaftskraft oder für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur opportun erscheint.
Meine Damen und Herren, die krisenhafte Situation im Steinkohlenbergbau stellt uns vor die zwingende Aufgabe, eine geordnete Anpassung der Förderkapazität an eine gesicherte Absatzmöglichkeit durchzuführen, mit den Mitteln der Rationalisierung und der Konzentration die Wettbewerbsfähigkeit der Steinkohle als Energieträger zu verbessern und gleichzeitig durch Umstrukturierungsmaßnahmen die Basis für eine gesunde wirtschaftliche Weiterentwicklung in den Steinkohlenrevieren zu schaffen. Im Hinblick auf Umfang und Bedeutung dieser Aufgaben hat die Bundesregierung die Einrichtung eines Beauftragten für den Steinkohlenbergbau und die Bergbaugebiete vorgesehen. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesregierung aktiv die Verantwortung für die Anpassung und Gesundung des Steinkohlenbergbaus auf sich nehmen und Schritte tun muß, um die Entwicklung in den Revieren zu normalisieren und auf die im Gesetzentwurf niedergelegten Ziele der Kohlepolitik auszurichten.
Viele meiner Freunde halten jedoch die Einsetzung eines Kohlebeauftragten für unpraktikabel, da sie ihn durch die ihm zugedachten Aufgaben für überfordert halten. Sie würden dem Einbau einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft den Vorzug geben, halten dies sogar für unvermeidlich, es sei denn, die Bergbauunternehmen würden sich freiwillig im Sinne eines Neuordnungsplanes zusammenschließen.
Man sollte sich keine Illusionen darüber machen, daß die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Kapazität und Absatz nicht von heute auf morgen, d. h. nicht in kürzester Zeit möglich sein wird, so notwendig sie auch ist. Wichtig erscheint uns vor allem, daß sie auf einem Niveau erfolgt, das dann für einen längeren Zeitraum gehalten werden kann.
Sowohl für die Bergbauunternehmen als auch — und das in besonderem Maße — für die Arbeitnehmer der Bergbaugebiete und für die Gemeinden, in denen sie liegen, ist nichts so entnervend wie die Ungewißheit. Wir müssen deshalb für alle Beteiligten so bald wie möglich Gewißheit schaffen, Gewißheit darüber, welche Zechen stillgelegt werden sollen und welche Maßnahmen zur wirtschaftlichen Neubelebung der davon betroffenen Bezirke in Aussicht genommen sind.
Um den Absatz für längere Zeit auf einem bestimmten Niveau zu stabilisieren, bedarf es einer klaren Aussage über die Durchführung absatzsichernder Maßnahmen. Wir denken dabei nicht an Mengen- und Preisgarantien, aber daran, daß die zur Zeit geltenden Regelungen zur Sicherung des Absatzes der Kohle, insbesondere das Verstromungsgesetz und die Kokskohleregelung, für die Dauer des Anpassungszeitraums erhalten bleiben müssen.
Es wäre töricht, in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Patentmedizin zu sehen, die allein für die Gesundung des Steinkohlenbergbaus ausreichen würde. Wir sehen in ihm aber doch ein Mittel, das geeignet ist, den Umstrukturierungsprozeß in den Griff zu bekommen, sofern das Gesetz durch eine Neuordnung der Unternehmensstruktur und eine abgesicherte Anpassung der Produktion ergänzt wird.
Es erscheint mir heute etwas früh, bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von mir aus auf die uns bekannt gewordenen Neuordnungsvorschläge für den Bergbau im einzelnen einzugehen. Darüber werden wir in den Ausschußberatungen noch ausführlicher zu sprechen haben, zumal der Herr Wirtschaftsminister — wenn ich ihn vorhin richtig verstanden habe — bei einer Würdigung aller Pläne eklektisch zu verfahren gedenkt. Ich möchte jedoch der Bundesregierung empfehlen, bei ihrer Beurteilung der verschiedenen Vorschläge diese jeweils daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie jeweils geeignet sind, das Anpassungsproblem mit den notwendigen Stillegungen sachgerecht nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Zechenangehörigen und der Bevölkerung der Bergbaugebiete zu bewältigen, die Leistungsfähigkeit des Steinkohlenbergbaus zu erhöhen und seine Existenz durch Aufrechterhaltung der Bindungen mit wichtigen Absatzbereichen zu sichern. Alle ordnenden und unterstützenden Maßnahmen sollten darauf ausgerichtet sein, daß die besten Zechen voll ausgelastet werden, um ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit zu erreichen und um hierdurch die Konkurrenzfähigkeit der Kohle als kostengünstigen Energieträger zu verbessern.
Ein Kriterium, dem wir bei der Beurteilung der Brauchbarkeit eines Planes besondere Bedeutung beimessen, ist die schnelle Fixierbarkeit der ausscheidenden Zechen und derjenigen, die auf Jahre hinaus weiterbetrieben werden können. Wenn das einmal feststeht, ist schon viel gewonnen. Es wird das infame Gefühl der Unsicherheit von den im Kohlenbergbau Beschäftigten genommen. Der Kohlenbergbau wird dann auch wieder bei der Berufswahl attraktiver werden. Zur Zeit ist es doch so, daß z. B. in Clausthal ganze drei erste Semester Bergbau studieren; das sind 10 % der früher üblichen Studentenzahl. Wenn dieser Nachwuchs und der der Bergbaulehrlinge so schwach bleibt oder noch weiter abfällt, ist in absehbarer Zeit ein Mangel an einsatzfähigen Bergleuten und leitenden Ingenieuren zu befürchten.
Die leider notwendig gewordene Selektion unter den Zechenbetrieben kann man nicht unkontrolliert — das ist auch unsere Auffassung — einem natürlichen Ausleseprozeß überlassen. Dafür ist der in ihr ruhende soziale und politische Zündstoff zu explosiv und die Gefahr eines sich hieraus ergebenden volkswirtschaftlichen Schadens zu groß. Die neue Unternehmensorganisation darf auf keinen Fall auf eine Liquidation des Steinkohlenbergbaues hinzielen, und das private Kapital muß in der Verantwortung bleiben, das heißt, es darf nicht aus dem Risiko entlassen werden.



Brand
Wir sind deshalb der Auffassung, daß einer Regelung der Vorzug zu geben ist, die eine privatwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit nach dem Willen und in der Verantwortung der Eigentümer zuläßt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Im Einvernehmen mit den Eigentümern wird am ehesten eine schnelle Realisierung und Ingangsetzung der neuen Gesellschaft für den Ruhrbergbau zu erreichen sein.
Sollten die Eigentümer allerdings ein eigenes, für Bundesregierung und Parlament annehmbares Konzept nicht verwirklichen können, müßte eine gesetzliche Regelung getroffen werden, die aber auch dann noch den privatwirtschaftlichen Charakter des Steinkohlenbergbaues erhalten sollte.
Gleichrangig neben dieser Bildung einer Unternehmensgesellschaft stehen die den Anpassungsprozeß begleitenden, stützenden und fördernden Planungen der sozialen Hilfe für die von der Stilllegung betroffenen Zechenangehörigen sowie die Pläne der Umstrukturierung. Es werden in einem Sozialplan neben dem im Kohleanpassungsgesetz vorgesehenen Abfindungsgeld die Anpassungshilfen des Bundes, der Hohen Behörde, des Landes, der Unternehmensgesellschaft und der Altbesitzer aufeinander abzustimmen und in einem Gesamtplan zu vereinigen sein.
Wichtiger jedoch als jede vorübergehende Geldhilfe scheint mir die Sicherheit des Arbeitsplatzes zu sein, ist die möglichst schnelle Klarstellung, welche Arbeitsplätze erhalten und welche neu geschaffen werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das scheint mir immer noch die beste Sozialhilfe zu sein.
Im Rahmen der Umstrukturierungsmaßnahmen ist die zügige Neuansiedlung von Industriebetrieben in die Bezirke der stillgelegten Zechen von besonderer Bedeutung. Hierdurch sollen die entsprechenden Maßnahmen in den anderen Ausbau- und Förderungsgebieten des Bundes nicht benachteiligt werden. Es darf nicht verschwiegen werden, daß es nicht immer möglich sein wird, diese Neuansiedlungen mit den Stillegungen zu synchronisieren. Es ist deshalb zu prüfen:
erstens, ob die bestehenden Anreize für die Ansiedlung neuer Industrien genügen oder in welcher Weise sie ausgeweitet werden können;
zweitens, welche öffentlichen Investitionen in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden im Kohlenrevier für die Übergangszeit auf dem Gebiete infrastruktureller Verbesserungen allgemeiner Art verplant werden können,
drittens, wie sichergestellt werden kann, daß bei Neuansiedlung von Betrieben genügend Mittel bereitstehen, um die mit der Umstrukturierung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden lokalen und speziellen Hilfen infrastruktureller Art bedienen zu können;
viertens, wie die Planung, Durchführung und Überwachung dieser neben den produktionsverändernden
Maßnahmen wichtigsten technischen Aufgabe zu institutionalisieren bzw. sicherzustellen ist.
Der Teil II des Gesetzes bezieht sich auf die Unternehmenskonzentration, die auch wir für notwendig halten und deren staatliche Unterstützung wir befürworten. Darüber hinaus unterstützen wir aber auch die Überlegungen, die darauf hinzielen, durch Fusion oder Konzernierung deutscher Energieunternehmen einen innerdeutschen Ausgleich wirtschaftlicher und technischer Art auf dem Energiemarkt zu fördern. Als Beispiel nenne ich die Fusion von GB AG und VEBA unter Einbeziehung weiterer deutscher Energieunternehmen, die vor einigen Monaten im Gespräch war. Wir sind nicht so naiv, anzunehmen, daß ein solcher Zusammenschluß ohne Schwierigkeiten zu erreichen ist. Viele Widerstände verschiedenster Art werden dabei zu überwinden sein. Es ist uns auch bewußt, daß man mehrere Bedürftige nicht dadurch saturieren kann, daß man sie zusammenlegt.
,(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Aber wir glauben, daß durch Schaffung eines bedeutenden energiewirtschaftlichen Potentials verschiedener Energieträger in einer Hand ein für supranationale Vereinbarungen mit ausländischen Gesellschaften interessanter Partner geschaffen werden würde. Auf diese Andeutung möchte ich mich an dieser Stelle beschränken. Ich möchte wünschen, daß die Bundesregierung auch solche Überlegungen in den Kreis ihrer Erwägungen einbezieht.
Auf Seite 16 der Drucksache V/2078 finden Sie in der Einleitung der Begründung die wichtigsten der bisherigen Förderungsmaßnahmen für den Bergbau aufgeführt, wie sie unter den Wirtschaftsministern Prof. Erhard und Schmücker beschlossen wurden.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Schon die Erwähnung dieser Maßnahmen genügt häufig, um aus den Kreisen des Bergbaus die Reaktion zu hören: das war aber nicht genug, dahinter stand keine geschlossene Energiekonzeption, dadurch wurden die Schwierigkeiten nicht behoben.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich nicht kompetent genug, um in ein Streitgespräch mit Energiewissenschaftlern einzutreten und die Gabe der Prophetie ist mir nicht verliehen worden. So viel aber weiß auch ich, daß in den ersten fünf bis sechs Jahren, die ich als Mitglied dieses Hohen Hauses tätig sein durfte, wenn von Energiepolitik gesprochen wurde, immer nur die Schließung einer Energielücke als zu bewältigendes Problem aufgezeigt wurde.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann kam das Erdgas als neuer Energieträger, kam das in diesem Tempo unerwartet stürmische Vordringen des schweren und leichten Heizöls, kam eine Entwicklung der Reaktorinstallationen in anderen Industrieländern, die selbst von der amerikanischen Atomenergiekommission weitaus geringer vorausgeschätzt worden war. Das Problem der Energielücke hatte sich über Nacht in ein Problem des Überangebots an Energie verwandelt.



Brand
Kann man angesichts dieser sich in Permanenz verändernden Voraussetzungen denjenigen einen Vorwurf machen, die sich verschätzt haben, und kann man deshalb vom Fehlen einer energiepolitischen Vorstellung sprechen? War hier nicht nur ein sehr begrenzter Zeitraum übersehbar? Wer hebt da den ersten Stein, so frage ich. Ich meinerseits gedenke es nicht zu tun.
Wir sehen das Kohleproblem nicht monoman, und man darf es auch nicht monoman sehen. Wir wissen sehr genau, daß es einzubetten ist in eine alle Energieträger umfassende Energiepolitik. Wir kennen die gegenseitige Bezogenheit dieser verschiedenen Energieträger. Es ist uns bewußt, daß unser Land auch andere Probleme zu lösen hat, Strukturprobleme in anderen Industrien, Wirtschaftsprobleme in den Grenzgebieten, Versorgung der Exportindustrien und der Wachstumsindustrie mit preisgünstiger Energie, alles Fragen, die irgendwie mit den Kohle- und Energieproblemen zusammenhängen und in sie hineinspielen.
Worauf es aber im Augenblick ankommt, ist, das Notwendige zu tun, um den wirtschaftlichen Krisenherd in den Steinkohlegebieten zu sanieren. Die Bundesregierung hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die ersten Schritte eingeleitet. Wir sollten ihr folgen und sie unterstützen. Es werden schmerzliche Eingriffe dabei notwendig sein, von denen jedermann, auch in den Kohledistrikten und vielleicht gerade dort, weiß, daß sie unvermeidbar sind. Aber es sollte sobald wie möglich — ich erwähne das noch einmal, weil es mir besonders wichtig erscheint
Gewißheit darüber geschaffen werden, welche Eingriffe notwendig sind. Darüber hinaus muß mit Tatkraft und Umsicht an die Neubelebung der betroffenen Distrikte herangegangen werden. Hierfür brauchen wir die Unterstützung der gesamten deutschen Wirtschaft; an sie appellieren wir. Zu einem Verzagen oder gar zu einer Panikstimmung besteht kein Anlaß. Die Arbeitskraft und der Lebenswille der Bevölkerung in den Kohlerevieren, die in der Vergangenheit mit ganz anderen Schwierigkeiten fertig geworden ist, bieten uns die beste Gewähr dafür, daß sie, vereint mit dem Willen und der Entschlossenheit von Regierung und Parlament, die momentanen Schwierigkeiten überwindet und die Entwicklung zu einem guten Ende führen wird. Die alten Wirtschaftsräume an Ruhr, Emscher mid Saar müssen und werden auch in Zukunft florierende Industriegebiete sein. Das ist der erklärte politische Wille der Fraktion der CDU/CSU.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513116800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0513116900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Namen der sozialdemokratischen Fraktion der Bundesregierung den Glückwunsch aussprechen zu den Beschlüssen, die das Kabinett gestern in dem Gesamtzusammenhang, über den wir heute debattieren, gefaßt hat. Die Beschlüsse kamen noch nicht zu spät. Ich möchte auch einen Glückwunsch aussprechen zu der Rede, die der Bundeswirtschaftsminister soeben gehalten hat und die doch, wie ich hoffe, die Sorgen sehr deutlich gemacht hat, die die Bundesregierung um die Menschen an der Emscher, an der Ruhr und an der Saar empfindet.
Lassen Sie mich über die Menschen zunächst etwas sagen. Wenn man sich mit den Seelsorgern in den Steinkohlegebieten, mit den Seelsorgern der evangelischen Kirche oder den Seelsorgern der katholischen Kirche, unterhält oder wenn man sich mit Menschen wie unserem Kollegen Walter Arendt oder anderen Funktionären der Bergbaugewerkschaft unterhält, die in gewisser Weise heutzutage eine ähnliche Funktion ausüben müssen, dann wird einem klar, wie sehr die Situation der Bergbaubevölkerung durch Unsicherheit und durch Angst gekennzeichnet ist. Mein Kollege Walter Arendt wird aus seiner Kenntnis dieser Lage heraus nachher noch sprechen, und ich hoffe, er wird es sehr deutlich tun.
Angst resultiert aus der Erwartung eines im einzelnen nicht erkennbaren, ungewissen, aber mit Gewißheit üblen Schicksals. Das psychologisch gegenwärtig Wichtigste ist deshalb, daß die Bundesregierung und daß dieses Parlament für die betroffenen Menschen Klarheit über die zu erwartende Entwicklung schaffen. Selbst bittere Wahrheit ist unendlich viel besser zu ertragen und zu bewältigen als dumpfe Angst, wenn einem nicht gesagt wird, was kommt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es war nicht nötig, und es ist auch in Zukunft keineswegs nötig, diese Viertelmillion Bergbauarbeitnehmer und die ihnen zugehörigen Familien in Ungewißheit und in Angst zu lassen. Ich meine, daß dem Bundeswirtschaftsminister — ich spreche das für meine Fraktion aus — Dank dafür gebührt, daß er als erster seit dem Erkennbarwerden der Strukturkrise ein klares Wort gesprochen hat. Herr Kollege Brand hat soeben darauf hingewiesen, daß die Schlagworte früher ganz anders waren — ich denke hier an die „Energielücke" —, aber seit sieben, acht Jahren war die Strukturkrise des Steinkohlenbergbaus doch erkennbar, fing sie an, deutlich erkennbar zu werden. Es ist in diesen letzten sieben, acht Jahren eben eine Politik gemacht worden, die, entschuldigen Sie,

(Abg. Dr. Stammberger: die keine Politik war)

eine Politik des Herauszögerns, des Umgehens war,

(Abg. Dr. Müller-Hermann: mit kräftiger Unterstützung der SPD!)

wenn ich mich deutlich ausdrücken darf: eine Politik der Dummheit und der Illusion. Ich rede hier nicht nur von der Bundesregierung und vom Bundestag, ich schließe hier die Herren Bergassessoren und vielerlei andere durchaus ein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Dem gegenwärtigen Bundeswirtschaftsminister ist Dank zu sagen dafür, daß er zum erstenmal seit sieben, seit acht Jahren das Problem bis zum Ende durchdacht und aufgeschrieben und auf diese Weise



Schmidt (Hamburg)

auch andere gezwungen hat, ihrerseits zu Ende zu denken und aufzuschreiben. Er hat doch eigentlich die Unternehmer, die Arbeitgeber des deutschen Steinkohlenbergbaus, erst reif gemacht für den Gedanken des Zusammenschlusses zu einer einheitlichen Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD.)

Es gab übrigens auch noch in einer anderen Ecke Leute, die diesen Gedanken schon sehr lange und sehr eindeutig kultiviert haben. Das darf man bei dieser Gelegenheit nicht vergessen. Es war dies die Bergbaugewerkschaft. Aber wenn nun inzwischen unter der tatkräftigen Führung von Herrn Sohl und Herrn Abs und anderen schließlich und endlich die Bergbauunternehmen sich diesem Gedanken öffnen, dann sollte es überflüssig sein, noch allzuviele alte Vorwürfe zu erheben. In diesem Punkt hat sich die heutige Rede des Bundeswirtschaftsministers auch etwas unterschieden von Text und Begründung des Gesetzentwurfs, über den wir heute reden.
Ich begrüße es ausdrücklich, daß sich der Bundeswirtschaftsminister hier so nachdrücklich zu dem Gedanken eines freiwilligen Zusammenschlusses zu einer Gesamtgesellschaft bekannt hat, und zwar nicht nur für seine Person, sondern auch für die Bundesregierung. So verstehe ich das. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, über den wir hier debattieren, ist so angelegt, daß er das ohne weiteres ermöglicht. Es stehen auch noch ein paar andere Bestimmungen darin, die vielleicht für andere Lösungen einen Sinn haben würden. Herr Schiller hat das angedeutet, und ich will es nicht noch einmal aufnehmen, was den Kohlebeauftragten und dergleichen Regelungen angeht. Ich will aber auch nicht verschweigen, daß bisher in Teilen der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen mußte, als sei der aus dem Frühjahr stammende Gesetzentwurf so angelegt, daß schon in relativ wenigen Monaten ein neuer Höhepunkt der menschlichen und sozialen Belastungen eintreten würde. Die sogenannten flankierenden Maßnahmen erscheinen relativ vorsichtig konzipiert und formuliert. Deswegen sagte ich: ich war sehr froh darüber, daß die Regierung gestern und heute durch den Mund ihres Wirtschaftsministers die Sache etwas schärfer akzentuiert hat, als sie bisher schien. Wir glauben nicht, die die noch im Frühjahr geäußerte Vorstellung, man könne das alles in 24 Monaten hinter sich bringen, richtig war. Wir glauben, daß das, was Herr Schiller heute gesagt hat, viel richtiger ist, daß nämlich der Zeitablauf natürlich von der Entwicklung der Konjunktur abhängig sein wird. Das scheint uns eine wichtige Akzentuierung, eine Verbesserung der bisherigen Einlassungen der Bundesregierung, zu sein.
Wenn ich den Entwurf richtig verstanden habe, dann besagt er folgendes. Ich bin allerdings genauso wenig wie Herr Brand Energiepolitiker; ich maße mir auch nicht an, einer zu sein. Ich hätte allerdings Lust, es dennoch zu tun, wenn ich die süffisanten Bemerkungen eines Teils der Wirtschaftspresse über uns Politiker lese, die wir angeblich gar nichts verstehen, sondern alles falsch im Kopfe haben. Aber ich lasse mich gleichwohl nicht verleiten, meine Herren, und bekenne gern, daß ich mich nur für einen Politiker halte und nicht für einen Energiepolitiker. Aber auch ein Nur-Politiker muß erkennen, daß der Gesetzentwurf von einer Prämisse ausgeht, nämlich von der Prämisse, daß die Gesamtenergiekosten unserer Volkswirtschaft so gering gehalten werden müssen, daß das Niveau so niedrig gehalten werden muß, wie das technologisch möglich ist. Daraus folgt eine im Grunde und auf die Dauer wettbewerbspolitisch konzipierte Energiepolitik. Das ist die Prämisse dieses Gesetzentwurfs, und die ist à la longue auf jeden Fall zu billigen. Modifikationen dieser Prämisse, sind, wie wir denken, von vornherein nur für einen begrenzten Anpassungszeitraum von sehr wenigen Jahren vertretbar.
Wer aber die menschlichen und die politischen Konsequenzen in den Steinkohlenrevieren sieht, der muß allerdings den früher geäußerten zeitlichen Vorstellungen über die Dauer des Anpassungszeitraumes mit großer Skepsis begegnen. Man kann die Ergebnisse von zehnjähriger struktureller Fehlentwicklung, von falscher Energiepolitik und falscher Unternehmenspolitik nicht innerhalb von 18 oder 24 Monaten korrigieren wollen. Um es noch deutlicher zu sagen: wir — jedenfalls wir auf dieser Seite des Hauses — werden nichts mitmachen, was in der Konsequenz eines Jahrzehnts falscher Energiepolitik den kleinen Mann die Zeche bezahlen läßt, dem großen Mann aber seine Zeche durch andere bezahlt; das werden wir nicht machen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Wer will denn das?)

— Lieber Herr Müller-Hermann, Sie müssen sich nicht getroffen fühlen. Aber ich erinnere in dem Zusammenhang, in dem ich eben sprach, an gewisse finanzpolitische Vorstellungen seitens jener Herren, die den — im übrigen von mir begrüßten — Rheinstahlplan konzipiert haben. Wenn ich richtig rechne, dann ist in dem Plan, wie er jetzt von der Unternehmerseite vorgelegt wird, vorgesehen —

(Abg. Dr. Barzel: Sie polemisieren nicht gegen uns!)

— gar nicht; ich verstehe gar nicht, warum sich Herr Müller-Hermann getroffen fühlt —, daß der Bund über 20 Jahre eine jährliche Pachtgarantie bis zu 360 Millionen DM geben soll. Rechnen Sie sich mal aus, was das im äußersten Falle die Bundeskasse — das heißt den Steuerzahler — kosten könnte. Wenn ich rechnen kann, sind das 7,2 Milliarden DM. Ich glaube nicht, daß die Regierung sich auf so etwas einläßt; das kann ich mir nicht vorstellen.

(Zuruf von der Mitte: Wir auch nicht!)

— Sie auch nicht, wie ich mit Freuden sehe; auch nicht Herr Burgbacher, wie ich mit Freuden sehe.

(Heiterkeit.)

Aber Sie werden mir erlauben, meine Damen und Herren, daß wir in einer energiepolitischen Debatte, in der es viele Beteiligte gibt — der Rheinstahlkreis ist genannt, ein wichtiger Beteiligter, dem in diesem Zusammenhang auch Anerkennung gebührt; ferner der Walsumkreis und viele andere —, uns mit den



Schmidt (Hamburg)

Argumenten auch jener Partner auseinandersetzen, die in diesem Augenblick in diesem Hause nicht selber sprechen können. Jene Partner allerdings meinte ich, Herr Müller-Hermann, wenn ich sagte, wir machen es nicht mit, daß ihnen ihre Zeche bezahlt wird und der kleine Mann derjenige ist, der sie zahlt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich möchte in ähnlicher Weise wie Herr Schiller auf vier verschiedene Punkte hinweisen, die uns am Herzen liegen. Aber ehe ich mich diesen einzelnen sachlichen Punkten zuwende, möchte ich ausdrücklich ein Zitat unterstreichen, das der Wirtschaftsminister aus der Einlassung des bei seinem Ministerium gebildeten Wissenschaftlichen Beirats gebracht hat. Ich hatte mir dasselbe Zitat aufgeschrieben; ich finde, es sollte hier noch einmal hervorgehoben werden. Der Beirat sagt, daß die Sanierung des Steinkohlenbergbaus mit dem Ziel betrieben werden muß, daß er am Ende als ein marktwirtschaftlich lebensfähiger Wirtschaftszweig in die deutsche Volkswirtschaft eingegliedert ist. Unter der Voraussetzung dieses Ziels, das man in einem konkret begrenzten Zeitraum erreichen muß, erscheinen mir alle unvermeidlichen behelfsmäßigen Zwischenlösungen um so besser, je weniger sie das endgültige Ziel außer acht lassen. Aber wir sind uns darüber klar, daß es eine unter a 11 e n Gesichtspunkten richtige Lösung nicht gibt. Jeder muß wissen, daß wir uns hier um einen Kompromiß, um eine Vielfalt von Kompromissen in einem Geflecht von verschiedenerlei großen Konflikten bemühen müssen.
Allerdings lese ich nun — ich muß noch einmal darauf zurückkommen — in den Zeitungen von den klugen Wirtschaftsjournalisten, in deren Sicht wir Politiker uns in den Niederungen befinden, etwas Bemerkenswertes. In den letzten Tagen schrieb z. B. eine Zeitung:
Der Bundeskanzler und der SPD-Fraktionschef Schmidt spielen auf dem Klavier der menschlichen Seite der Stillegungen.
In einer anderen Zeitung, die sehr seriös und konservativ ist, steht heute morgen etwas, was sich dem lückenlos anschließt:
Wieder einmal ist diesen Politikern das Herz in die Hose gerutscht.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen, meine Herren: Wir bilden uns etwas darauf ein, daß wir in dieser Sache ein Herz haben!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich zitiere in dieser Sache einen Zeugen, der nicht vor sechs oder sieben Jahren in diesem Haus gesprochen hat, der auch kein Gewerkschaftsführer, kein Politiker, kein Bergassessor und kein Kumpel ist. Er hat am 18. Mai 1966 in einer bemerkenswerten Rede, in einer ausführlichen, sorgfältigen Darlegung, die das Herz, aber auch die ökonomische Vernunft erkennen ließ, gesagt — —

(Zuruf von der Mitte: Wer?)

— Ich mache es wie Herr Schiller, ich sage hinterher,
wer es war. Bei ihm konnte man es allerdings
vorher wissen, wenn man damals aufgepaßt hatte. Wenn man die Energiepolitik seiner eigenen Partei so gut im Kopf hat wie wir, dann konnte man wissen, wer es war.
Aber jetzt hören Sie sich den Mann an. Ich fasse die Sätze, die ich in seinem Vortrag vom 18. Mai vorigen Jahres als Kernsätze empfunden habe, zusammen und zitiere:
Die Energiewirtschaft, die langfristig investiert und auf lange Sicht planen muß, entzieht sich ihrer Natur nach einem kurzfristigen Opportunismus und entzieht sich einer totalen Liberalisierung .. .

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir können nicht einem kalten Liberalismus das Wort reden, einem Liberalismus, der offen posaunt: Wir lassen den Bergbau fallen, weil die Energie aus der Kohle zu teuer ist, und die entlassenen Bergleute kommen schon irgendwie unter.
Das Zitat fährt fort:
Ich habe die Sorge, daß im Augenblick im Bergbau sehr viel moralischer Kredit, Vertrauen, Kameradschaft, Kollegialität, betriebliche Verbundenheit und Einsatzbereitschaft verwirtschaftet werden könnte.... Es besteht die Gefahr, daß die verderbliche Aussaat der Angst und Unsicherheit alles das überwuchert, was in den letzten Jahren zur Verbesserung der mitmenschlichen Beziehungen in der Wirtschaft kultiviert worden ist. ... Die Situation verpflichtet uns alle zu solidarischer Zusammenarbeit.
Ich lasse einmal weg, was der Autor zur Energiepolitik im ökonomischen Sinne gesagt hat; dazu habe ich meine eigene Meinung. Ich will Ihnen sagen, wer das war. Das war Franz Hengsbach, Bischof zu Essen, vor anderthalb Jahren. Der Mann hat recht. Das ist genau der Aspekt, den ich manchen unserer wirtschaftstheoretisch schreibenden Journalisten in der Wirtschaftspresse wünschen möchte. Dieser Mann hat recht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir Sozialdemokraten jedenfalls schämen uns keineswegs, an das Verantwortungsbewußtsein jedermanns im Land zu appellieren — wir brauchen nicht an den Deutschen Bundestag zu appellieren, wir sind uns der verdammten Verantwortung für das Bergbauproblem ziemlich bewußt und gewiß —, an Verantwortungsbewußtsein und Solidarität der Menschen draußen zu appellieren, jener Menschen, die in ihrem persönlichen Schicksal vom Niedergang der Kohle selbst nicht direkt betroffen sind. In den letzten Generationen hat der Selbstbehauptungswille unseres Volkes, meine Damen und Herren, zum Teil um überaus fragwürdiger Ziele willen unerhörte Opfer und Leistungen zustande gebracht. Das Bergbauproblem ist, was die moralische Seite angeht, wirklich nicht so problematisch. Die ökonomische Seite ist problematisch, die sozialpolitische Seite ist problematisch. Aber wir können auch dies Bergbauproblem nur lösen, wenn wir einer großen



Schmidt (Hamburg)

gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung Ziel und Weg weisen. Ganz gewiß darf dabei die ökonomische Vernunft nicht vernachlässigt werden, aber für einen begrenzten Zeitraum müssen wir gemeinsame Hilfe verfügbar machen. Auf die Dauer brauchen Konsumenten wie Industrie die technologisch niedrigstmöglichen Energiepreise. Ein Übergang, ein Anpassungsvorgang ist aber über eine Reihe von Jahren hinweg notwendig, ein umfassendes Anpassungsprogramm, wenn wir die Bergbaubevölkerung an Lippe, Emscher, Ruhr und Saar nicht in die Verzweiflung treiben wollen.

(Beifall bei der SPD.)

Es kann mich keiner davon abbringen, daß die menschliche und allgemeinpolitische Seite der Sache ganz genauso wichtig ist wie die wirtschaftspolitischen Aspekte und die wirtschaftspolitischen Instrumente, die man braucht, um des politischen Problems Herr zu werden.
Ich komme zu den vier Punkten. Zum ersten Punkt: Es ist eine in einem Jahrzehnt etablierte Politik der sozialdemokratischen Fraktion, an die wir in diesem Augenblick erinnern möchten, ohne es näher auszuführen, daß isolierte Kohlepolitik — etwa unter Außerachtlassung der Entwicklungen auf den Märkten der Energieträger Öl, Braunkohle, Erdgas und Kernbrennstoff — wegen des gegenseitigen Verdrängungswettbewerbs nicht möglich ist. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß der Bundeswirtschaftsminister heute morgen so betont die Notwendigkeit eines gesamtenergiepolitischen Konzepts unterstrichen hat. Ganz abgesehen davon, daß wir ja alle wissen, inwieweit das Öl bei der Kohlekalamität eine Rolle gespielt hat, sollten wir vielleicht wissen, daß z. B. Hilfsmaßnahmen, die wir in diesem Parlament zugunsten der Steinkohle beschlossen haben, anfangen, der Braunkohle Sorge zu machen.

(Zuruf aus der Mitte: Sehr richtig!)

Hier handelt es sich um ein verbundenes System von Märkten. Man darf und kann sie nicht isoliert betrachten wollen. Ich will mich hier nicht zum Braunkohlenexperten aufwerfen, aber ich will wohl darauf hinweisen, daß da jetzt die Sorgen anfangen, die wir durch unsere Maßnahmen zugunsten der Steinkohle erst heraufbeschworen haben.
Dem Wirtschaftsminister ist von unserer Seite aus recht zu geben: Er hat sich gegen eine planification en détail gewandt. Das war sicherlich Partnern außerhalb dieses Hauses gegenüber gesagt. Wir möchten ihm aber eben auch dann ausdrücklich recht geben, wenn er sagt, er gehe von Absatzvorausschätzungen aus. Ich glaube, diese sollten auch regelmäßig und öffentlich erfolgen, nicht isoliert für die Kohle, sondern für alle Energieträger. Wir begrüßen auch ausdrücklich, daß er hier angekündigt hat, daß es ein energiewirtschaftliches Kapitel in dem jährlichen Wirtschaftsbericht der Bundesregierung nach dem Stabilitätsgesetz geben wird. Wir meinen, daß es ohne mittelfristige, quantifizierte Absatzvorausschauen oder Verbrauchsvorausschauen keineswegs gehen wird.
Wir glauben dm übrigen, ,daß .die Bundesregierung prüfen muß, ob ihr Instrumentenkasten für eine Gesamtenergiepolitik vollständig ist. Wir sind durchaus bereit, diesen Instrumentenkasten zu vervollständigen. Wir wissen, daß ,es bereits einige Instrumente gibt. Wir möchten darauf hinweisen, daß z. B. in der Schublade 'der Regierung de lege lata — nach geltendem Recht — die Ermächtigung liegt, ,die Heizölsteuer heraufzusetzen, für 'das eine auf das Dreifache, für das andere auf das Eineinhalbfache.

(Zuruf des Abg. Dr. Burgbacher.)

— Ich sage nicht, Herr Burgbacher, Sie sollen das Instrument aus dem Kasten nehmen und sofort anwenden. Ich sage nur in einer bestimmten Himmelsrichtung — ich kenne sie aus meiner Heimatstadt —, daß das Instrument da ist.

(Zuruf: Fleet in being!)

— D'accord. Ich weiß nicht, 'ob die Instrumente alle vollständig sind.

(Zurufe von der Mitte: Es gibt andere! — Einfetten!)

— Einfetten?

(Zuruf von der Mitte: Einmotten!)

Was nun die :Mineralölseite angeht, so darf ich darauf hinweisen, daß ich schon vor 10 oder 12 Jahren in ,diesem Hause Mineralöldebatten geführt habe. Die älteren Kollegen werden sich erinnern. Für jemanden, der von der Küste kommt, der aus einer Seehandelsstadt, aus einer exportorientierten Schiffahrtsstadt kommt und nicht von vornherein die Sympathie für die Steinkohle mit der Muttermilch in sich aufgesogen hat, liegt es nahe, sich mit Mineralöl zu beschäftigen. Aber ich will Ihnen etwas sagen: ich sehe mit Sorge, was auf dem Mineralölmarkt in Deutschland los ist. Ich ‘finde das, was die Franzosen und die Italiener machen, sehr viel sicherer und eindrucksvoller als das, was wir hier machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesrepublik Deutschland ist, wenn ich einmal von ,der Sowjetunion absehe, der drittgrößte Mineralölmarkt der Welt, ein unerhört expansiver, dynamischer Markt. Wie groß ist eigentlich die Marktmacht deutscher Unternehmer auf diesem Markt bei der heillosen Zersplitterung, in der sich die deutschen Unternehmer hier befinden?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bitte mich nicht mißzuverstehen: ich rede nicht darüber, daß ,der Staat den Zusammenschluß der einen Gesellschaft mit der anderen mit einer Viertelmilliarde finanzieren soll. Ich rede nicht davon, daß der Staat eine große Gesamtenergiegesellschaft bilden soll. Das mag interessant sein; ich weiß es nicht, ich bin kein Fachmann. Aber ich rede davon, daß ein Land wie .die Bundesrepublik, so exportstrukturiert, so abhängig verflochten in die Weltwirtschaft, sich selber nicht gestatten darf, auf diesem wichtigen Markt vollständig in die Abhängigkeit riesenhafter ausländischer Konzerne zu geraten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Schmidt (Hamburg)

Es mag überraschen, das im Rahmen einer Kohledebatte zu hören.

(Zuruf von der Mitte: Gerade richtig!)

Aber wir sehen die Kohle in einem Zusammenhang mit der Energiewirtschaftspolitik insgesamt.

(Erneuter Zuruf von der Mitte: Der entscheidende Punkt!)

— Ich bin Ihnen dankbar für die Zustimmung.

(Abg. van Delden: Eines einzelnen Herrn! — Abg. Dr. Müller-Hermann: Sagen Sie, wie man es machen muß!)

— Wie man das machen muß? Da gibt es allerhand subtile Möglichkeiten. Ich will nicht zuviel darüber sagen. Aber es gibt z. B. den Weg, Herr MüllerHermann, auf dem die Bundesregierung jetzt die Steinkohlebergbauunternehmen dazu bringt, sich zum Zusammenschluß zu bereiten, ohne daß etwa ein Gesetz sie dazu zwingen würde. Das Gesetz wäre ja nur der Knüppel hinter der Tür; ich will ihn nicht vergessen. Aber dieser Weg, auf dem man den Steinkohlenbergbau zur Räson einer modernen Volkswirtschaft bringt, ist eine der Möglichkeiten. Auf diesem möglichen Wege könnten Sie auch auf anderen Märkten der Räson zum Durchbruch verhelfen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Dadurch schaffen Sie aber nicht mehr deutsches Öl!)

Lassen Sie mich etwas zur Kohle sagen. Wir freuen uns, daß der Bundeswirtschaftsminister der Erwartung Ausdruck gegeben hat, daß diese Einheitsgesellschaft quasi rückwirkend — wenn ich es richtig verstanden habe — vom 1. Januar nächsten Jahres an wirksam werden soll. Der Herr Bundeswirtschaftsminister oder sagen wir genauer: die Bundesregierung insgesamt hat ja einige Möglichkeiten, das zu beschleunigen. Jedenfalls wären wir bereit, noch in der Ausschußberatung in das Gesetz Möglichkeiten hineinzuschreiben, um das zu beschleunigen. Ich könnte mir denken, daß es in Zukunft gewisse Subventionen nicht geben wird für solche Firmen, die sich dem vertraglichen Zusammenschluß nicht anschließen wollen. Das könnte ich mir sehr gut denken, und ich bin durchaus bereit, das sehr deutlich in den Gesetzentwurf während der Ausschußberatung hineinzuschreiben.

(Zuruf von der Mitte: Das ist notwendig!)

— Sehr schön; wir sind uns offensichtlich einig. (Abg. Russe [Bochum] : Völlig einig!)

Wir haben auch dieselbe Vorstellung, wie sie hier die Regierung geäußert hat, nämlich daß eine der zeitlich wichtigsten, der im Augenblick — nicht auf die Dauer — vordringlichsten Aufgaben der Stillegungsplan ist, den diese Gesamtgesellschaft dann entwickeln muß. Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, ganz dem englischen Beispiel zu folgen und von A-, B- und C-Zechen zu sprechen, damit man einerseits weiß, welche ganz gewiß dichtgemacht werden, andererseits weiß, welche ganz gewiß aufrechterhalten werden, und dazwischen dann die eigentlich problematischen eingegrenzt werden.

(Abg. van Delden: Dafür muß man aber erst die Kriterien haben!)

— Ja, sicher, unter anderem, dazu wird die Gesellschaft ja gegründet, um die Kriterien zu erarbeiten.
— Aber ich hoffe doch, daß die klugen Leute, die diesen Plan im Rheinstahlkreis erarbeitet haben, noch mehr im Kopf haben, als bisher aufgeschrieben worden ist. Die haben ganz gewiß, Herr van Delden, schon etwas mehr nachgedacht, auch über den Stilllegungsplan. Soviel Vertrauen habe ich auf jeden Fall.

(Abg. van Delden: Meinen Sie?)

— Vertrauensvorschuß, ja.
Ob das aber Zeit hat bis zum April, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall möchten wir, daß die Grundstücke einbezogen werden, daß die Grundstückspolitik einbezogen wird. Darauf sollte die Bundesregierung drücken und ihre Pressionsmöglichkeiten, wenn das nötig wird, auch durchaus anwenden, damit die Grundstücke einbezogen werden. Herr Schiller hat etwas über die Bodensperre an der Ruhr gesagt. Fahren Sie mal in die einzelnen Kommunen und Städte und lassen Sie sich erzählen, warum sich Ford nicht an der Ruhr ansiedeln durfte, warum diese, warum jene Industrie-Ansiedlung schiefgegangen ist. Das ist in vielen Fällen wirklich eine mittelalterliche Monopolbodenpolitik gewesen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

In vielen anderen Fällen haben sich die Zechen sehr kooperativ und vernünftig verhalten; auch das will ich durchaus dazu sagen.

(Abg. van Delden: Es lag zum Teil auch an der Steuer!)

— Es lag an vielerlei Unzuträglichkeiten.
Wir möchten im übrigen auch die Zechenkraftwerke einbeschlossen haben. Ich folge dem, was der Wirtschaftsminister gesagt hat. Ich füge hinzu: wir möchten auch die Bergarbeiterwohnungen einbeschlossen haben. Das ist nämlich ein dickes Problem für die Betroffenen. Wir möchten nicht, daß sie zusätzlich zu der Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, in einen ganz anderen Beruf zu müssen, noch mit der Sorge belastet sind, daß sie ihre Wohnungen loswerden oder daß ihnen demnächst, wenn sie nicht mehr Bergarbeiter sind, die Miete heraufgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind überzeugt, daß die Einheitsgesellschaft in wenigen Jahren unerhörte Rationalisierungseffekte erzielen kann, daß sie in wenigen Jahren die Schichtleistung pro Mann wesentlich heben wird und daß sie die Produktionskosten und damit auch die Absatzpreise für die Kohle wird senken können.
Lassen Sie mich über einen dritten Hauptpunkt sprechen. Der erste war die Energiepolitik insgesamt, der zweite die Kohlepolitik. Der dritte Hauptpunkt ist das Entwicklungsprogramm oder Strukturprogramm für Ruhr und Saar.



Schmidt (Hamburg)

Wir begrüßen sehr, was wir heute morgen hierüber gehört haben. Wir wünschten, daß die Bundesregierung einen Teil der Mittel, die immer noch mit unserer Billigung und mit Genehmigung des Bundestages für Zwecke der politischen Werbung der Bundesregierung verfügbar sind, verwendete, um nicht so sehr für einzelne Minister in den Tageszeitungen Reklame zu machen, sondern für die Betroffenen an der Saar und an der Ruhr deutlich zu machen, was die Absichten der Regierung wirklich sind,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

was ihre Absichten in bezug auf das Entwicklungsprogramm für die Steinkohlengebiete wirklich sind.
Es wird sich zum Teil darum handeln, daß zunächst, solange die allgemeine deutsche Investitionskonjunktur erst langsam anläuft — und die Investitionskonjunktur an der Ruhr und an der Saar vorhersehbar langsamer anlaufen wird —, im Jahr 1968 der Schwerpunkt bei einem solchen Entwicklungsprogramm auf den von der öffentlichen Hand als Auftraggeber in Gang zu setzenden infrastrukturellen Verbesserungen liegen muß, die auf der einen Seite Arbeitsplätze schaffen, wenn auch nur für eine Reihe von Jahren, auf der anderen Seite aber die infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen, damit eine moderne Industrie auch wirklich da hingeht und sich da neu ansiedelt.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Völlige Übereinstimmung!)

Wir glauben, daß das nicht dem Land allein, weder dem Saarland noch Nordrhein-Westfalen allein, aufgebürdet werden kann. Wir glauben auf der anderen Seite, daß beide Landesregierungen Wesentliches zu leisten haben, was die Konzipierung dessen angeht, was da gebaut werden muß. Die Aufgabenstellung reicht vom Verkehr bis zur Abwässerbeseitigung, von der äußeren Erschließung von zukünftigten Industriegrundstücken bis zur inneren Erschließung. Wir glauben, daß der Bund dabei mithelfen muß.
Wir benutzen die Gelegenheit, um der heute gut besetzten Tribüne des Bundesrates zu sagen, daß wir hier ein Paradebeispiel haben, meine Herren Ministerpräsidenten, ein Paradebeispiel für die von der Bundesregierung nach unserer Meinung mit Recht behauptete Notwendigkeit, in die zukünftige Finanzverfassung bei der Finanzreform die Gemeinschaftsaufgabe hineinzuschreiben, daß große regionale Strukturprobleme eben nur gemeinsam von Ländern und vom Bund gelöst werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sehen gern, daß in Zeiten der Not, wenn Probleme der Not behandelt werden, der Bundesrat hier sehr vollständig ist. Wir würden bei anderen Gelegenheiten den Bundesrat auch ganz gern hier sehen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Um es noch einmal mit anderen Worten zu sagen: das Entwicklungs-, das Strukturproblem der zukünftigen, der neuen industriellen Landschaft an Saar und Ruhr ist nicht nur ein Paradebeispiel, es ist auch zeitlich das erste und quantitativ das dickste aller Strukturprobleme, das im Rahmen unserer Entwicklungspolitik über ,die nächsten Jahrzehnte überhaupt auf uns zukommt. Es ist vielleicht nicht sehr günstig, daß wir gerade mit dem dicksten Problem zuerst konfrontiert werden. Aber hier wird sich das bewähren müssen, was mit einem neuhochdeutschen Schlagwort „kooperativer Föderalismus" genannt wird.

(Zuruf von der Mitte: Ist das Hochdeutsch?)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung — wir anerkennen das und unterstreichen das — enthält — Herr Schiller hat es genannt — an zwei Punkten wesentliche Instrumente für die Entwicklungspolitik, nämlich die Investitionsprämie einerseits, die wahrscheinlich noch ein bißchen entbürokratisiert und handhabbarer und übrigens auch attraktiver für den künftigen Investor gemacht werden muß, die vielleicht auch lokal ein bißchen noch differenzierter angewendet werden muß in bezug auf solche Gebiete, in denen es wirklich besonders not tut, und auf solche, bei denen es nicht so notwendig wäre. Das andere Instrument sehe ich darin, daß dem Bund, daß der hohen Hand die Möglichkeit verschafft werden soll, über den Grund und Boden zu verfügen.
Eines fehlt in diesem Gesetz, das zunächst von der Kohle her konzipiert war, und fehlt in der Erklärung der Bundesregierung — es geht allerdings natürlich auch über die Kompetenz des Bundeswirtschaftsministers allein hinaus —: es fehlen die finanziellen Vorstellungen für das Entwicklungsprogramm an der Saar und an der Ruhr, von dem ,der Wirtschaftsminister hier gesprochen hat. Das ist eine Aufgabe, die die Bundesregierung noch vor sich hat, Herr Bundeskanzler.

(Zuruf von der Mitte: Es gibt Vorschläge!)

— Es gibt Vorschläge. Ich habe davon gehört, aber ich habe sie nicht auf dem Tisch des Hauses liegen, Herr Kollege. Das ist eine Aufgabe, die die Bundesregierung noch vor sich hat. Wir haben auch gewisse Vorstellungen. Aber es ist ein bißchen früh, die Diskussion ist hierin noch nicht sehr weit. Ich habe gehört, daß es eine Anstalt gibt, die der Gesetzgeber ins Leben gerufen hat, um allen Leuten, die arbeitslos werden, zu helfen und um sie möglichst davor zu bewahren. Ich habe gehört, daß diese Anstalt — vielleicht — in der Lage wäre, mitzuhelfen, aber sich wohl noch nicht ganz dazu durchgerungen hat. Das ist eine Aufgabe der Bundesregierung, nicht ides Gesetzgebers. Wenn Sie meinen, es sei schließlich notfalls auch eine Aufgabe des Gesetzgebers, bin ich bereit, darüber mit mir reden zu lassen.

(Zuruf von der Mitte: Vielen Dank!)

Zum Schluß der vierte Punkt! Die Vorstellung der Bundesregierung, daß neben das Kohleanpassungsprogramm selbstverständlich ein Gesamtsozialplan gelegt werden müsse, halten wir für gar nicht diskussionsfähig. Das ist einfach selbstverständlich, schlechthin selbstverständlich. Anders geht es überhaupt nicht. Ich will mich nicht auf die Diskussion über die zu erwartenden Zahlen der



Schmidt (Hamburg)

Menschen, die den Bergbau noch verlassen müssen, einlassen. Das mögen Kundigere tun. Das mögen Herr Röder oder Herr Kühn tun, die nachher hier reden werden, oder die Energieexperten. Ich will nur sagen, wenn man schon den Bergleuten und ihren Familien sagen muß: „Soundso viele von euch werden in dem und dem Zeitablauf 'in den und den Orten bei den und den C-Zechen — und vielleicht nach dem Plan dann später bei den und den B-Zechen auch — ihren jetzigen Arbeitsplatz verlassen", dann muß man ihnen das menschenmöglich äußerste Maß an sozialer Rahmensicherheit bieten, wenn man Idas verantworten will.

(Beifall bei ,der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)

Ich begrüße es, daß die Bundesregierung gestern Beschlüsse zur Regelung der Feierschichten für das zweite Halbjahr 1967 und für 1968 gefaßt hat. Ich begrüße die Beschlüsse über die Nachholschichten für das Jahr 1968. Die Bundesregierung hat hier aus sozialer Verantwortung gehandelt. Ich begrüße auch die Idee des Gesamtsozialplans — da müssen noch die beiden Ausschüsse dran, die das in diesem Hause angeht —, weil ich darunter verstehe, daß z. B. auch die Abfindungen, die in dem Gesetzentwurf vorgesehen sind, und andererseits die Anpassungsbeihilfen, der Knappschaftshärteausgleich, was zum Teil von der Montanunion, zum Teil von der Bundesregierung, zum Teil von den Landesregierungen gezahlt wird, sorgfältig aufeinander abgestimmt und harmonisiert werden müssen. Ich bin kein Sozialpolitiker. Wenn ich das alles lese und höre, was mir die Fachleute auf diesem Gebiet dazu sagen, habe ich immer das Gefühl, daß dies einstweilen noch nicht ganz harmonisch geordnet ist.
Es wird sicherlich nicht so sein, daß alle Forderungen, die die Bergarbeiter erheben, befriedigt werden können. Sicherlich nicht, niemand kann alle seine Forderungen erfüllt bekommen. Mir scheint es aber doch wünschenswert zu sein, daß die Regierung hinsichtlich der Konzipierung dieses Sozialplans prüft, ob sie nicht ad hoc eine Kommission von Fachleuten einsetzen sollte, die einmal diese Thematik der Harmonisierung, die ich nur angedeutet habe, unter die Lupe nimmt, so daß hinterher alle Kraft darangesetzt werden kann, im Zuge der Anpassung einen sozialen Abstieg der Bergarbeiterbevölkerung zu verhindern.
Im Rahmen des Sozialplans muß andererseits — das gehört zu den Opfern, die der Bergmann bringen muß, das muß er einsehen — dem Bergmann klargemacht werden, was für viele Menschen in unserer Gesellschaft ohnehin gilt, daß auch er nunmehr vor der Notwendigkeit eines Berufswechsels steht, vielleicht nicht nur ein einziges Mal, vielleicht sogar zweimal. Das kann ihm nicht erspart werden, das muß man ihm mit allem Einfühlungsvermögen in seine Situation klarmachen. Man kann ihm das aber nicht verheimlichen wollen.
Der Einheitsgesellschaft muß wiederum auferlegt werden, daß sie bei jeder Stillegung nach dem Stilllegungsplan gemeinsam mit den lokal zuständigen Arbeitsämtern, den Bürgermeistern und Gemeinderäten und anderen Behörden lokale oder einzelbetriebliche Sozialpläne, wenn eine Stillegung in Frage steht, zusammen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft entwickelt. Das ist übrigens ein Grund dafür, daß natürlich auch bei der Einheitsgesellschaft in. jeder Zeche und in jedem Filialbetrieb ein Arbeitsdirektor sein muß. Das Einfühlungsvermögen in die soziale und psychologische Situation der Betreffenden ist das Wichtigste bei der ganzen Geschichte, wenn das Investitionsklima an der Ruhr in Ordnung kommen soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Der Bundeswirtschaftsminister hat in Nordrhein-Westfalen zweimal — einmal vor der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, als deren Gast er zu diesem gleichen Thema sprach — gesagt: Wer im Bergbau seinen Arbeitsplatz verliert, muß einen anderen Arbeitsplatz für sich bereitstehend finden. Das ist ein stolzes, ein sehr stolzes Wort. Wir fühlen uns — das sage ich für meine Freunde auf dieser Seite des Hauses — für die Einhaltung dieses Wortes mit verantwortlich.

(Beifall bei der SPD.)

Wer sich für die Einhaltung dieses stolzen Wortes mit verantwortlich fühlt, der weiß, daß der heutige Gesetzentwurf allein und daß Gesetze allein dieses Wort nicht einlösen können, sondern vielmehr noch sehr viel andere Arbeit und sehr viel Durchsetzungswille notwendig sind. Aber nicht nur Durchsetzungswille ist erforderlich, sondern ebenso sehr auch Wille zur Zusammenarbeit, zur Kooperation, mit den Gewerkschaften ganz genauso wie mit der Unternehmerschaft.
Ich möchte am Schluß, damit der Gesamttenor dessen, was ich hier — mehr aus dem Stegreif als nach vorher Aufgeschriebenem — gesagt habe, nicht falsch verstanden wird, auch erklären, daß all das, was jetzt von der Unternehmerseite an der Ruhr an Plänen entwickelt wird, zwar sehr spät kommt, daß man andererseits aber darum denjenigen, die nun auf der Unternehmerseite endlich anfangen, Tacheles zu reden, den Respekt nicht versagen sollte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513117000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menne.

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0513117100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle die Ausführungen unseres Wirtschaftsministers gehört. Wir stimmen mit seiner Zielsetzung, den Bergbau an Ruhr und Saar zu ordnen und die Bergleute von ihrer täglichen Sorge zu befreien, durchaus überein. Wir von der FDP haben von der Bundesregierung immer eine klare Konzeption der Energiepolitik gefordert.

(Lachen bei der SPD.)

— Ich freue mich, daß hier eine so gute Stimmung herrscht.
Manche unserer Fragen sind beantwortet worden, andere nicht. Wir vermissen z. B. die langfristige



Dr. h. c. Menne
Konzeption. Wir vermissen auch die Zahlen des langfristigen Kohlenförderziels. Wieviel Millionen Tonne Kohle stellt sich die Bundesregierung eigentlich als Dauerleistung des Ruhrgebiets und des Saargebiets vor?
Ich bekam heute morgen einen Brief — wofür ich der sozialdemokritischen Fraktion in Düsseldorf danken möchte — und dazu einen großen Brocken schwarzer Steinkohle übersandt. In dem Brief heißt es:
Sehr geehrter Herr Kollege Menne!
Wohin Sie diesen Brocken bester Ruhrkohle auch legen werden, er kann den Siedepunkt markieren, den das Revier erreicht hat. Ich drohe nicht, ich scherze aber auch nicht. Mit der Kohle ist nicht mehr zu scherzen. So gewiß wie der nächste Winter wird der nächste Wahltag kommen. Dann wird sich zeigen, für wen die Kohlen stimmen. Noch haben Sie und Ihre Freunde es in der Hand, die radikale Hitze an-der Ruhr in demokratische Wärme zurückzuverwandeln.
Meine Damen und Herren, ich habe das verlesen, weil ich nicht weiß, wieviele von Ihnen ebenfalls einen solchen Brief bekommen haben. Ich wollte damit erreichen, daß die Debatte mit dem nötigen Ernst geführt wird.
Nun möchte ich Ihnen sagen, verehrter Herr Kollege Helmut Schmidt oder Schmidt (Hamburg) — ich weiß nicht, wie ich Sie anreden darf — —

(Heiterkeit rechts. — Abg. Schmidt [Hamburg] : Was meinen Sie damit?)

— Wie ich es gesagt habe. Ich kann auch sagen „Herr Schmidt", aber es gibt hier ja viele Schmidts, wenn Sie auch der bekannteste in diesem Hause sind. — Dem Glückwunsch, den Sie, Herr Kollege Schmidt, der Bundesregierung am Eingang Ihrer Ausführungen für den Kohleplan ausgesprochen haben, kann ich mich leider nicht ganz anschließen, weil ich nämlich wesentliche Dinge vermisse.
Ich möchte auch noch auf etwas anderes zurückkommen, was Sie vorhin gesagt haben. Sie haben dafür plädiert — was sicher auch den Bergbau sehr erfreut —, daß die deutsche Erdölindustrie weiter ausgebaut wird. Ich stimme durchaus zu. Aber warum sind wir gegenüber den internationalen Ölkonzernen so schwach? Meine Damen und Herren, wir haben zwei Kriege verloren. Das „Tausendjährige Reich" hat uns vom Ausland abgeschlossen, so daß wir in eine bedauerliche Abhängigkeit gekommen sind. Wir sind als Opposition durchaus bereit, zusammen mit Ihnen — denn allein können wir es ja nicht — die Verhältnisse zu ändern. Aber ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß es die Große Koalition war, die die Hilfen an deutsche Firmen zum Bohren von Erdöl wesentlich verringert hat.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Wenn Sie da etwas tun wollen, werden Sie uns als bereitwillige Helfer finden.

(Beifall bei der FDP.)

Eine andere Sache, die ich vermisse, ist Aufschluß darüber, welche Pläne man für die Verlagerung von
Industrien in das Ruhr- und das Saargebiet hat. Bei der heutigen Wirtschaftslage — die allerdings langsam besser wird —, bei der geplanten Ergänzungsabgabe, bei dem Durcheinander von Meinungen in Parteien, Regierung und den vielen Beiräten unserer Ministerien — wenn ich das alles lese: Wirtschaftlicher Beirat, Finanzbeirat, Sozialbeirat, frage ich mich manchmal, ob wir nicht den Ruhm in Anspruch nehmen könnten, daß wir eine Räterepublik eigener Prägung schaffen —,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

habe ich den Eindruck, daß am wenigsten bei den berühmten Strukturmaßnahmen eine klare Konzeption in den Regierungsvorschlägen enthalten ist. Ich möchte aber nicht nur kritisieren — obwohl wir von der Opposition ja eigentlich nur kritisieren sollten —; ich möchte sagen: wir haben das Vertrauen, daß wir diese Maßnahmen in Bälde auch erfahren werden.
Auf dem Finanzgebiet hat sich unsere Regierung — ich nenne nur die „Mifrifri", die mittelfristige Finanzplanung —, einen Zeitraum ausgedacht und geplant. Ich sähe gern etwas Entsprechendes auch für den Kohlebergbau.
Die Maßnahmen kommen etwas spät, das wissen wir alle. Ich möchte aber auf etwas sehr Widersprüchliches hinweisen, obwohl mir die Gründe dafür nicht unbekannt sind. Man verlangt vom Bergbau, daß überflüssige Kapazitäten möglichst schnell stillgelegt werden. Wenn dann ein Unternehmen — ich will nicht sagen, daß es auf besonders geschickte Art und Weise geschehen ist — diesem Wunsche der Regierung folgt und stillegen will, dann protestiert die Bundesregierung. Ich weiß nicht, ob das eine Systemlosigkeit ist oder nicht. Ich bin der Meinung, daß man das klarstellen müßte.
Wir fordern eine geschlossene Energiepolitik, nicht eine isolierte Kohlepolitik. Auch in Brüssel sollte die europäische Lösung, Herr Bundeswirtschaftsminister, vorangetrieben werden. Ich bin überzeugt, daß Sie das vorhaben.
Das Ziel unserer Energiepolitik ist die preisgünstige Energieversorgung bei freier Wahl der Energieart.

(Beifall bei der FDP.)

Dabei nehme ich ausdrücklich die Fälle aus, wo von diesem Hause mit Rücksicht auf die Förderung des Kohleabsatzes bereits Maßnahmen getroffen worden sind; ich denke dabei an das Kohleverstromungsgesetz usw. Aber wenn wir noch mehr Steuergelder in die Bergbaugebiete hineinstecken wollen, dann sollten sie nicht dazu verwendet werden, die leider überholte Struktur künstlich aufrechtzuerhalten.

(Zustimmung bei der FDP.) Ich glaube, da stimmen wir alle überein.

Man sollte sich überlegen, ob man nicht trotz der Budgetschwierigkeiten — vielleicht kann man etwas aus dem Eventualhaushalt nehmen —

(Zuruf: Welchem?)




Dr. h. c. Menne
— einem der Eventualhaushalte, die wir schon haben oder die wir vielleicht noch haben werden — größere Mittel zur Strukturverbesserung, d. h. zur Neuansiedlung von Industrie, bereitstellen will. Man könnte durch den Ankauf von Industriegrundstücken, die dann verbilligt abgegeben werden, meiner Meinung nach die Situation verbessern. Man sollte so schnell wie möglich ein Programm dafür entwickeln, wie ich vorhin schon gesagt habe. Ich meine auch, daß die große Unruhe, die bei den Bergleuten besteht und die das ganze Hohe Haus bekämpfen will, nur dadurch bekämpft werden kann, daß man möglichst rasch die Zechen festlegt, die ihren Betrieb schließen sollen oder umgekehrt, die weiterhin in Betrieb bleiben. Wir werden dann am schnellsten die von uns allen beklagte Unruhe an der Ruhr beseitigen.
Die FDP-Energiepolitik bedeutet allerdings nicht -- darauf möchte ich aufmerksam machen —, daß wir die anderen Energieträger verteuern oder gar dirigistisch den gesamten Energiemarkt regeln wollten. Viele sprechen von der Notwendigkeit, die Kohlepolitik der Regierung durch energiepolitische Maßnahmen zu ergänzen. Diese energiepolitische Ergänzung besteht aber bisher in erster Linie darin, die mit der Kohle konkurrierenden Energieträger oder die Anbietung davon zu verteuern oder zu beschränken. Ich bin dagegen der Meinung, daß man darüber nachdenken sollte, den Absatz der Kohle zu fördern. Wir haben ja schon einiges getan. Es gibt aber sicher noch andere Möglichkeiten. Ich möchte an den Herrn Wirtschaftsminister die Frage richten, ob es nicht möglich wäre, die Exportkohle dadurch zu subventionieren und ihren Preis auf den Weltmarktpreis zu verringern, daß man einen Teil der Zechen in Betrieb hält, die geschlossen werden müßten und die Kosten für Stillegungsprämien und Sozialbeihilfen für die Subventionen verwendet. Das sollte mindestens einmal untersucht werden. Ich bin weiter der Meinung, daß Fernheizwerke für Wohnsiedlungen durch irgendwelche Zuschüsse oder Prämien gefördert werden könnten, damit in solchen Werken mehr Kohle verbraucht wird.

(Abg. Büttner: Wissen Sie, daß Ihr Minister Kienbaum das Fernheizwerk in Hochdahl verhindert hat? Ihr FDP-Minister in Nordrhein-Westfalen!)

— Ich darf vielleicht den Herrn Ministerpäsidenten von Nordrhein-Westfalen bitten, das zu beantworten.

(Heiterkeit.)

Jedenfalls darf nach unserer Auffassung die Bundesrepublik keine Insel großer Energiekosten innerhalb der EWG werden.
Ich habe vorhin schon gesagt, wir kennen die Probleme, vor denen der deutsche Bergbau steht, und die Probleme für die im Bergbau Beschäftigten sehr gut. Wir werden alle heute genannten sozialen Maßnahmen uneingeschränkt unterstützen, welche die soziale Not bei den Betroffenen lindern und beseitigen. Es sollten alle sozialen Hilfen gewährt werden, die möglich sind. Denn wir haben nicht vergessen, daß gerade die Leistungen der Bergleute in den ersten Nachkriegsjahren die Voraussetzungen für den Wiederaufbau bei uns geschaffen haben.

(Beifall bei der FDP.)

Nach unserer Meinung wird den Bergleuten jedoch nicht damit geholfen, daß man die notwendigen Stillegungen, die man beabsichtigt, zeitlich verzögert — sofern man nicht eine andere Lösung findet, von der ich vorhin gesprochen habe.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Ich will aber nicht weiter auf das soziale Programm eingehen; denn darüber wird ein Kollege von meiner Fraktion nachher noch sprechen.
Obwohl der Regierungsentwurf die erhöhte Besteuerung von Heizöl nicht vorsieht — worüber wir sehr glücklich sind —, habe ich aber doch heute in der Presse gelesen, daß man in Kreisen der Koalition daran denkt, die bestehende Ermächtigung auszunutzen und die Mineralölsteuer zu erhöhen. Ich möchte deshalb darauf hinweisen, daß man dem deutschen Steinkohlenbergbau damit nicht hilft. Man soll seine Preise herunterschleusen und nicht die anderen Kochschleusen. Die jetzigen Preise sind eine absolute Grenze, sie sind schon das doppelte der Preise in den USA.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513117200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Burgbacher?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0513117300
Bitte!

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513117400
Verehrter Herr Kollege Menne, würden Sie diesen an sich richtigen Grundsatz, den ich ausdrücklich bejahe: die Kohle herunterschleusen, nicht die anderen hoch, auch für eine konkurrenzierte Energie gleich welcher Art, die importiert wird, gelten lassen, wenn deren Preise im Inland niedriger sind als in anderen Ländern der freien Welt?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0513117500
Ich nehme an, Sie meinen die Preispolitik der Ölkonzerne. Ich kann diese Preispolitik leider nicht voll überschauen. Ich begrüße aber, daß die Energiepreise in unserem Land niedrig sind. Deswegen sage ich: Schleusen Sie die Kohlenpreise herunter, damit sie mit ihnen konkurrieren können. Verteuern Sie aber nicht die Kohle, und bitten Sie nicht vielleicht noch die auswärtigen Ölkonzerne, ihre Preise zu erhöhen! Dazu würde ich nicht raten!

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513117600
Noch eine Frage, Herr Dr. Burgbacher.

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513117700
Würden Sie der Meinung sein, daß, wenn die Preise einer Wettbewerbsenergie unter den Preisen der gleichen Energie in den Wettbewerbsländern liegen, die Kohle in größere Gefahr kommt, als wenn Preis-



Dr. Burgbacher
Bleichheit, die Voraussetzung echter Wettbewerbsfähigkeit, bestünde?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0513117800
Eine Gegenfrage, verehrter Herr Kollege Burgbacher: Meinen Sie die deutschen Preise, wie sie der Verbraucher zahlt, mit Steuern also, wenn Sie diese Vergleiche ziehen, oder meinen Sie die Preise ohne Steuern?

(Abg. Dr. Burgbacher: Natürlich mit Steuern!)

— Dann ist kein großer Unterschied mehr vorhanden.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Burgbacher: Aber es ist ein Unterschied da! — Zuruf von der FDP: Burgbacher plädiert für Preiserhöhung!)

Ich möchte in dem Plädoyer für billige Energie fortfahren. Ich rate dazu, die Bedenken der großen energieverbrauchenden Industrien nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Selbst Herr Ministerpräsident Kühn, der bestimmt nicht in dem Verdacht steht, die Interessen des Steinkohlenbergbaus nicht wahrzunehmen, hat es abgelehnt, die Kohle über den Energiepreis zu stützen. Das möchte ich nur denen von der Koalition sagen — nicht den Herren der Bundesregierung, die ja keine Vorschläge dieser Art gemacht haben —, die laute Erwägungen anstellen, daß man die Mineralölsteuer und was auch immer noch erhöhen müsse.
Gestatten Sie mir, noch einige Zahlen über den Energieverbrauch verschiedener Industrien zu nennen: Steine und Erden 10,3 %, Glas 14 %, Chemie 12 %; im Chemiebereich sind das zwei Drittel der Personalkosten. Hierbei handelt es sich natürlich nur um eine Globalbetrachtung. Ich darf deshalb hinzufügen, ohne Sie langweilen zu wollen, daß bei gewissen Produkten — Kunststoffe, Chlor, Phosphor, Ammoniak — der Anteil sogar 50 % beträgt. Ich habe daher vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gern gehört, daß er diese Frage völlig in seine Überlegungen aufgenommen hat.
Alle diese Industrien sind gleichzeitig Exportindustrien, und sie müssen konkurrieren können. Auch die Stahlindustrie fordert nicht von ungefähr, Kokskohle zu Weltmarktpreisen zu bekommen. Sonst kann sie draußen nicht konkurrieren. Ich möchte mich mit diesen Fragen nicht weiter befassen.
Ich möchte jetzt noch etwas zum Ruhrgebiet sagen. Die Industrie außerhalb des Bergbaus hat schon einige Investitionen im Ruhrgebiet vorgenommen. Ich kenne eine Industrie, die im letzten Jahr bei 4 Milliarden DM Investitionen im Inland 1 Milliarde DM im Ruhrgebiet und in den anderen Bergbaugebieten investiert hat. Es ist also durchaus möglich, die ausscheidenden Bergleute langsam aufzufangen.
Ich habe von der freien Wahl der Energieträger gesprochen. Sie darf nicht beeinträchtigt werden. Aus diesem Grunde lehnen wir von der FDP den im Gesetz vorgesehenen Kohlebeauftragten ab.

(Beifall bei der FDP.)

Die dirigistischen Eingriffsmöglichkeiten, die ihm
nach dem Gesetzesvorschlag gegeben werden, bilden einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die unternehmerischen Dispositionen der Wirtschaft. Der Kohlebeauftragte kann wichtigste Entscheidungen treffen oder beeinflussen, während 'das wirtschaftliche Risiko bei dem Unternehmen verbleibt, wobei natürlich noch offen ist, was für ein Unternehmen das sein wird. Darüber werden wir gesondert sprechen, und einer meiner Kollegen wird diesen Fall besonders behandeln. Wir befürchten also, daß die Entscheidungen des Kohlebeauftragten in starkem Umfang von unternehmensfremden Interessen beeinflußt werden, daß ,er nicht die betriebswirtschaftlich richtigen, sondern die politisch zweckmäßigen Entscheidungen trifft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die volkswirtschaftlich richtigen!)

In keinem Fall, meine Damen und Herren, wollen wir sehen, daß der Kohlebeauftragte ,ein Energiebeauftragter für den gesamten Energiebereich wird. Es ist nicht so geplant, aber man sollte manches einmal aussprechen, damit nicht solche Gedanken eines Tages Wirklichkeit werden.
Der Bundeskanzler sprach von einer Bewährung der Großen Koalition. Ich hoffe, daß diese Bewährung kommt. Wir haben sie noch nicht in vollem Umfang feststellen können.

(Abg. Russe [Bochum] : Das ist verständlich!)

Gewiß, Sie haben eine Anlaufzeit. Ich möchte hoffen, daß die Bewährung eines Tages wirklich da sein wird. Wenn ich meine Blicke so im Saale schweifen lasse, bin ich nicht ganz der Meinung, daß Sie in allen Fragen gleich denken. Das sollte zwar nicht nötig sein, aber Sie müssen die Regierung entspreentsprechend informieren.
Wir stehen meiner Meinung nach in dieser Frage vor einer Bewährungsprobe der Demokratie. Sie, die beiden Regierungsparteien, haben eine so große Mehrheit, daß Sie klare und unpopuläre Entscheidungen treffen können; denn auch ein Verlust von Wählerstimmen kann Ihnen gar nichts ausmachen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Russe [Bochum]: Das war eine offene Feststellung, ,Herr Kollege Menne!)

— Ganz offen, ja.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Mit Ihnen war das nicht möglich!)

—Mein, bei uns war das etwas schwieriger; denn wir möchten, nachdem wir leider noch nicht den großen Anteil hier haben, den wir haben möchten, Verluste möglichst vermeiden.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU: Den Sie auch nie kriegen werden!)

Warum 'sage ich das? — Weil ich das Gefühl habe, Sie gehen klaren Entscheidungen noch aus dem Weg.

(Erneuter Beifall bei der FDP.)

Deswegen noch einmal meine Feststellung: Sie müssen sich darüber klarwerden und müssen den Bergleuten, denen wir alle, Sie und wir, helfen wollen, bald sagen, welche Zechen ,weitergeführt und welche



Dr. h. c. Menne
Zechen stillgelegt werden. Es hat, glaube ich, wenig Sinn, ,die Beantwortung dieser Frage hinauszuschieben. Ich glaube, wir könnten eine bedeutend bessere Stimmung an der Ruhr und an der Saar erzielen, wenn wir diese Frage beantworteten.
Ich habe davon gesprochen, daß wir schon eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen haben. Wir haben den Bau von Kohlekraftwerken gefördert sowie die Verwendung von Kohle in diesen Kraftwerken, die Stabilisierung des Absatzes von Kokskohle an Eisen und Stahl, wir haben die Kohleeinfuhr beschränkt und den Kohlezoll eingeführt, wir haben große Hilfen für Rationalisierung und Stilllegungen gegeben, und wir besteuern das Heizöl. Meine Damen und Herren, seien Sie vorsichtig mit weiteren Maßnahmen!
Ich möchte noch zu einem Punkt kommen, den der Herr Wirtschaftsminister vorhin kurz erwähnt hat, nämlich zu der Frage der Versorgung der Wachstumsindustrien. Ich denke dabei insbesondere an die Industrien, die leichte Fraktionen aus dem Erdöl brauchen. Deshalb möchte ich sagen, daß jede Kontingentierung des Imports von Öl oder jede Abbremsung der Errichtung von Raffinerien falsch wäre. Das eine führt zu einer Verteuerung, das andere führt zu einer Minderung der bereits jetzt schon nicht voll möglichen Befriedigung, des Bedarfs an leichten Fraktionen. Wir werden neue Raffinerien bauen lassen müssen, die aber dann vielleicht so eingerichtet sind — und das wäre für den Bergbau gut —, daß sie weniger Heizöl erzeugen, aber mehr leichte Fraktionen, um den vom Herrn Minister geschilderten Bedarf der Chemie zu decken.

(Abg. Russe [Bochum] : Haben wir doch vorgeschlagen, Herr Kollege!)

— Ja, ich wollte es aber noch einmal unterstreichen. Wir dürfen doch wohl auch sagen, daß wir mit dem Herrn Minister übereinstimmen, Herr Kollege Russe.

(Abg. Russe [Bochum] : Natürlich!)

— Gut. Es ist zwar die Aufgabe der Opposition, zu kritisieren. Aber wir wollen ja keine Kritik um der Kritik willen.
Ich möchte nun zum Schluß kommen.
Ich möchte noch einmal sagen: Herr Minister, Sie sollten die Frage der Exportkohle untersuchen. Wir sind der Meinung, daß die Absatzförderung das A und O der Kohlefrage ist,

(Beifall bei der FDP)

nicht allein die Stillegung überflüssiger oder zu teurer Kapazitäten. Damit möchte ich schließen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513117900
Meine Damen und Herren, ich schaue auf die Uhr. Als nächste würden hier die Herren Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes das Wort ergreifen. Ich glaube, daß es nicht zweckmäßig ist, jetzt so zu verfahren. Wir wollen lieber in die Mittagspause eintreten und dafür eine Viertelstundefrüher als geplant wieder beginnen, also um 14.45 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.42 bis 14.45 Uhr.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118000
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Wort dem Mitglied des Bundesrates, Herrn Ministerpräsidenten Kühn.
Kühn, Ministerpräsident des Landes NordrheinWestfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur selten ergreifen Vertreter des Bundesrates in diesem Hohen Hause das Wort. Das geschieht vornehmlich dann, wenn ein Beratungsgegenstand in besonderem Maße die Länder oder einige von ihnen berührt.
Dieses Gesetz ist nichts weniger als ein Interessengesetz einiger Länder, der Kohlenländer an Rhein, Ruhr und Saar. Es rührt an das Lebenszentrum des Ruhrgebietes, der Schicksalslandschaft, die nicht selten — im Positiven wie im Negativen — Impulse in das ganze Deutschland ausgestrahlt hat. Dieses Gesetz geht uns alle an, woher auch immer wir aus bundesrepublikanischen Landen kommen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Es mag mir eine Vorbemerkung gestattet sein. Ich bin der letzte, der dieses Haus unter den Schock eines drohenden Radikalismus setzen will. Wer selber unter der Internationalen und der Roten Fahne marschierte und das keineswegs als einen Gesinnungsirrtum betrachtet, wird damit nicht dramatisieren wollen. Aber er wird auch nicht zulassen können, daß die Gefahr politischer Radikalisierung bagatellisiert wird.
Es war der Vorsitzende der CDU-Fraktion dieses Hauses, der Kollege Barzel, von dem das Wort stammt: Wenn die Ruhr in Flammen steht, wird der Rhein nicht genug Wasser führen, um diesen Brand zu löschen;

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

ein wahres Wort. — Sehr gut, Herr Kollege Barzel. Man soll mit Superlativen alarmierender Begriffe vorsichtig umgehen, aber auch mit bagatellisierenden Unterschätzungen.
Wir alle, auch die Mitglieder dieses Hohen Hauses, entsinnen sich des verstorbenen Kollegen Fritz Henßler, des Oberbürgermeisters von Dortmund, des Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten, eines Mannes, dessen moralischer Autorität und leidenschaftlicher Nüchternheit auch dieses Haus ein Andenken bewahrt hat. Er pflegte zu sagen: „Im Ruhrgebiet ist nichts so permanent wie die permanente Möglichkeit des Wechsels."
In der Tat, der Kohlenpott kann zum Hexenkessel werden. Seit zehn Jahren leben die Menschen des Ruhrgebiets mit der Kohlekrise. Seit Beginn der Krise des Steinkohlenbergbaus sind 66 Schachtanlagen mit einer Förderung von mehr als 43 Millionen t stillgelegt worden. Von 1958 bis 1966 wur-



Ministerpräsident Kühn
den 220 000 Arbeitnehmer im Steinkohlenbergbau freigesetzt, und von Januar bis September dieses Jahres 1967 sank die Zahl der im Revier insgesamt angelegten Arbeiter wiederum um mehr als 30 000, davon 20 000 unter Tage. Nunmehr gibt es erstmals keine Möglichkeit zur Verlegung auf andere Zechen, und im Konjunkturabschwung gibt es auch keine Möglichkeit, andere Arbeitsplätze bereitzustellen.
Allein im Ruhrgebiet jedoch hängen über 2 Millionen Menschen unmittelbar oder mittelbar am Bergbau. Das Bestellvolumen des Steinkohlenbergbaus an andere Wirtschaftszweige betrug 1966 rund 3 Milliarden DM. Bei einer Stillegung von 35 Millionen t Förderkapazität wird das Bestellvolumen des Bergbaus um rund 800 Millionen DM jährlich zurückgehen, auch da mit den Konsequenzen des Freisetzens von Arbeitnehmern.
Es gibt zahlreiche Städte des Reviers, bei denen der Anteil der Beschäftigten des Steinkohlenbergbaus an der Zahl der in der gesamten Industrie Beschäftigten 50 bis 75 % beträgt. Kein Wunder, daß in vielen Orten des Reviers gegenwärtig die Stimmung einer belagerten Stadt herrscht. Wenn die schwarzen Fahnen der Stillegung auf den Fördertürmen hochgehen, dann ist das so, als ob die weiße Fahne der Kapitulation über einer Stadt hochgeht. Das rührt an das Lebensgefühl aller Menschen dieser Städte. Wer in Dortmund-Huckarde vor den 15 000 Menschen gestanden hat, der vergißt Haß und Demagogie einer Minderheit vor den Gesichtern der Bedrücktheit und der Sorge, die die Existenzangst von Hunderttausenden von Familien an der Ruhr widerspiegeln.
Der Ministerpräsident des Kohlenlandes, der das Gastrecht dieses Hohen Hauses in Anspruch nimmt, kann nicht darauf verzichten, diesen Hintergrund hell, ja, grell anzuleuchten, vor dem der Deutsche Bundestag seine politische Entscheidung treffen muß. Es ist vielleicht eine schlechte Dramaturgie, das an den Anfang meiner Darlegungen zu setzen. Vielleicht wäre es dramatischer gewesen, ans Ende die warnenden Worte von einer Vertrauenskrise zu setzen, die an der Ruhr heranwächst, und von der Regierungen, welcher Zusammensetzung auch immer, Parlamente und Parteien gleichermaßen bedroht sind; wobei niemand glauben darf, daß er finassierend oder taktierend Nutznießer einer solchen politischen Entwicklung werden könne, wenigstens niemand aus dem Kräftefeld, in dem sich heute parlamentarische Politik bewegt.
Ich möchte aber auch hier ein Wort des Dankes als Ministerpräsident dieses Landes sagen dürfen. Dem Bergarbeiter gebührt Dank für seine verantwortungsbewußte Haltung und seine demokratische Gesinnung,

(allgemeiner Beifall)

die er abermals und abermals unter Beweis gestellt hat. Viele von ihnen wurden vier- oder fünfmal von Zeche zu Zeche auf immer neue Arbeitsplätze geschubst. Das Ruhrgebiet und seine Menschen waren eine Kraftquelle des deutschen Wiederaufstiegs, und seine Menschen — ob Kumpel oder Stahlwerker —, sie wollen es bleiben. Aber niemand möge glauben, daß er mit dem Beifall für die Leistung der Vergangenheit die Gefahren der Zukunft beschwören kann.
Wenn ich mich dem Gesetzentwurf, der heute hier von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgetragen worden ist, zuwende, habe ich mit einem zweiten Wort des Dankes zu beginnen. Ich habe namens der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen der Bundesregierung Kiesinger-Brandt und nicht zuletzt dem Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller für den entschlossenen Versuch zu danken, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Kohlenkrise anzugehen. Nach den illusionären Fata-Morgana-Zahlen der Vergangenheit von den 140 Millionen t gesicherten Steinkohlenabsatzes will die neue Bundesregierung nun die realistischen Konturen eines gesicherten Bergbaus abstecken. Dafür gebührt ihr Dank, genau wie für eine Reihe von Maßnahmen, die sie in der relativ kurzen Zeit ihres Bestehens ergriffen hat, um der Kohle ein möglichst gesichertes Absatzfundament zu geben.
Ich habe die von leidenschaftlicher Empörung erfüllten Bergleute der Zechen „Hansa" und „Pluto" beschworen, daß die zehnjährigen Versäumnisse früherer Bundesregierungen nicht in zehnmonatigen Bemühungen der neuen Bundesregierung wiedergutgemacht werden können. Aber diese schuldige Anerkennung

(Zurufe von der FDP)

hindert nicht unsere Besorgnis gegenüber einem Kohleanpassungsgesetz, das in einer zu kurzen Zeitdimensionierung von kaum mehr als zwei Jahren ein Zechensterben mit flankierenden Tröstungen werden könnte.
Gewiß, wir haben heute bei den Begründungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers mit Aufmerksamkeit die Darlegungen registriert, die eine größere Flexibilität des Anpassungsprozesses, eine mögliche Ausdehnung der Anpassungsperiode erhoffen lassen. Ich erhoffe mir von dieser gewonnenen Einsicht in die Notwendigkeit einer Streckung des Prozesses auch einen Gewinn für das Gesetz, wenn nun die Ausschüsse in seine Beratung eintreten. Aber in dem Gesetzentwurf heißt es, daß „die Rückführung der Förderkapazität so schnell wie möglich erfolgen" sollte. Die Unternehmensleitungen glaubten sich deshalb mit ihren verkündeten Stillegungsabsichten in Übereinstimmung mit den Gesetzentwurfsabsichten der Bundesregierung.
Die Investitionsprämien sind auf den 1. Januar 1970 begrenzt. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat schon im Bundesrat die Hinausschiebung der in § 26 vorgesehenen Frist bis zum Jahre 1972 beantragt. Ohne eine Verlängerung des Begünstigungszeitraums ist nach unserer Ansicht das Problem in einer so kurzen zeitlichen Zusammenballung nicht zu bewältigen. Sowohl die Entwicklung der Wirtschaftskonjunktur als auch die Gründe der Unternehmensplanung erfordern unserer Überzeugung nach eine solche Verlängerung. Gerade die Ansiedlung von Unternehmen moderner Technologie und hoher Produktivität erfordern nach aller Erfahrung einen Zeitraum von mehreren Jahren für die Verwirklichung der Investitionsentscheidung.



Ministerpräsident Kühn
Wenn die Anpassung der Förderkapazität an die Aufnahmefähigkeit des Marktes wirklich unter Vermeidung tiefgreifender sozialer und wirtschaftlicher Schäden erfolgen soll, dann muß für den Anpassungsprozeß ein Zeitraum von eher sechs als vier Jahren gewährt werden, zumal wenn die Parallelität von notwendigen Zechenstillegungen und erforderlichen Arbeitsplatzbeschaffungen gewährleistet werden soll, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister mehrfach in Aussicht gestellt hat, wie es in diesen Tagen der Ruhrbischof — Herr Kollege Schmidt hat es schon erwähnt — erneut gefordert und wie es auch die Landesregierung immer wieder gefordert hat.
Daß die Beratungen des Bundeskabinetts für den heutigen Tag gerade auf dem Gebiet der sozialen Maßnahmen weitere Verbesserungen bewirkt haben, soll hier ausdrücklich auch von der Landesregierung begrüßt werden. Die Last der Umstrukturierung darf nicht auf den Bergarbeiter abgewälzt werden. Es muß ein in seinem zeitlichen Ablauf überschaubarer Plan für notwendige Zechenstilllegungen mit konkreter Angabe der betroffenen Zechen aufgestellt werden, und dieser zeitliche Ablauf muß eben mit der Arbeitsplatzbereitstellung synchronisiert werden.
Die Regierung geht nunmehr von der Konzeption einer Einheitsgesellschaft — oder in der Formulierungsvariante: der Gesamtgesellschaft — auf freiwilliger unternehmerischer Selbstentscheidung aus. Dieser Weg der Freiwilligkeit ist ohne Zweifel von größerer Vorzugswürdigkeit gegenüber jedem gesetzlichen Zwang. Aber dieses Hohe Haus wird in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob es ausreicht, daß in die beabsichtigte Betriebsführungsgesellschaft nur die derzeit kranken Kostenbereiche des Bergbaus, nämlich die Grubenbetriebe und die Kokereien, eingebracht werden ohne die rentablen Großkraftwerke und die Wohnungswirtschaft — ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und dem Herrn Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion dankbar, daß sie mit allem Nachdruck auf diese Notwendigkeit hingewiesen haben —, und dies, so wollen es die Initiatoren dieser Betriebsführungsgesellschaft, dann auch noch unter einer staatlichen Pachtzinsgarantie von mehr als 7 Milliarden DM in dem in Aussicht genommenen Zeitraum. Die Bergarbeiter haben bereits mit den Stillegungsprämien die Erfahrung gemacht, daß die Aktien steigen, wenn die Zechen sterben,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und die Gemeinden der Bergbaugebiete machen immer wieder die Erfahrung, welche Gewinnüberlegungen angestellt werden, wenn sie Zechengelände für notwendige Infrastrukturmaßnahmen erwerben wollen. Concordia in Oberhausen bilanziert den Quadratmeter mit 70 Pf und bietet ihn der Stadt für 30 DM an.

(Zurufe von der SPD: Pfui! — Hört! Hört!)

Nun, vielleicht werden die Forderungen auch des Bundeswirtschaftsministers den freiwilligen Zusammenschluß gefährden. Dann lassen Sie mich sagen: Wenn nicht von allen Beteiligten — und Opfer werden alle bringen müssen —, vom Kumpel wie vom Bergassessor in diesem großen Konsolidierungsprozeß der Ruhr das Zumutbare auf der Grundlage der Freiwilligkeit erwartet werden kann, wird dieses Haus nicht vor dem Weg der Gesetzgebung zurückschrecken dürfen.
Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau und die Steinkohlenbergbaugebiete war eine zentrale Figur in dem Gesetzentwurf. Er dürfte kaum noch eine Funktion in einem revidierten Gesetzentwurf haben; denn zu einem solchen ist er — so glaube ich sagen zu dürfen — durch die Begründung des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei der Einbringung geworden. Denn die Einheitsgesellschaft gibt, wenn sie zustande kommt, einem Kohlebeauftragten kaum noch einen Raum.
Bereits bevor die Konstruktion einer Einheitsgesellschaft als Bestandteil des Gesetzes zu erwarten war, haben Landesregierung und Landtag von Nordrhein-Westfalen auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Funktion des Bundesbeauftragten auf die gesamte Energiewirtschaft auszudehnen. Bei allen Versäumnissen früherer Bundesregierungen und bei allen Fehlern der Bergbauunternehmensleitungen gilt eines: Die wesentlichen Ursachen für die Krisenlage des Bergbaus liegen nicht innerhalb des Bergbaus selbst, sondern beruhen auf dem Vordringen der anderen Energieträger, die mit ihm konkurrieren und ihn verdrängen. Infolgedessen kann auch die Gesundung des Bergbaus nur mit Maßnahmen erreicht werden, die sich nicht auf den Bergbau beschränken, sondern sich darauf richten, die Entwicklung aller Energieträger einschließlich des Bergbaus aufeinander abzustimmen. Kohlepolitik ist nicht lösbar von dem Gesamtprozeß 'Energiepolitik.
Die Landesregierung hat deshalb bereits im Bundesrat in einem Änderungsantrag zum Entwurf einen Energiebeauftragten gefordert mit der Aufgabe, a) den Energiebedarf und seine Deckung vorauszuschätzen, b) die Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Energieträger auf kurze, mittlere und lange Sicht zu untersuchen und c) Orientierungsdaten für die Energiepolitik und die Unternehmenspolitik der Energieanbieter zu schaffen, die geeignet sind, die Leistungs- mid Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Energieträger zu sichern.
Der Energiebeauftragte, der als Bundesoberbehörde dem Bundeswirtschaftsminister unmittelbar unterstellt ist, soll von einem Energiebeirat unterstützt werden. Die Befugnisse eines solchen Energiebeauftragten werden im Hinblick auf die einzelnen Energieträger sehr differenziert sein können.
Niemand wird sich technologischen Entwicklungen widersetzen können. Auch die Bergarbeiter sind keine Maschinenstürmer des vorigen Jahrhunderts. Sie wissen aus ihrer gewerkschaftlichen Tradition, aus dem Erlebnisbereich, den sie in ihrem Berufsleben unmittelbar durchschritten haben, daß technologische Fortschritte unaufhaltsam sind und, richtig gehandhabt, zum Segen der Menschen führen können, daß man sie nicht aufhalten kamt und nicht aufhalten darf. Auch ich stehe nicht als Kohlepatriot vor Ihnen, der nun meint, der Blick sei allein



Ministerpräsident Kühn
auf die Kohle zu richten. Wer die Schwere der Bergarbeit kennt, wird leicht geneigt sein, viel Verständnis für das Wort des amerikanischen Bergarbeiterführers Lewis zu empfinden, der einmal gesagt hat: Es wird der glücklichste Tag meines Lebens sein, wenn der letzte Bergarbeiter von der letzten Schicht nach oben kommt und niemals wieder einer einfahren muß.
Aber lassen Sie mich fragen: Ist es eine realistische Perspektive, die viele haben, die meinen, man solle den Zeitpunkt herbeisehnen, wenn nicht mehr über Kohle gesprochen zu werden brauche? Ist dies eine realistische Perspektive? Der Energiebedarf der Bundesrepublik ist vom Jahre 1955 mit 129 Millionen Steinkohleeinheiten auf 1965 — also innerhalb von 10 Jahren — auf 239 Millionen Steinkohleeinheiten gestiegen und wird 1975 auf 365 Millionen Steinkohleeinheiten angewachsen sein. Der Energiebedarf der Welt wird sich — von 1966 in der Projektion auf das Jahr 2000 — von etwa 5 Milliarden Steinkohleeinheiten auf 25 Milliarden erhöht haben. Der effektive Energiebedarf — so wie er mit Ziel auf das Jahr 2000 übereinstimmend geschätzt wird — wird in den Vereinigten Staaten und Westeuropa sich verdreifachen, in Osteuropa und der Sowjetunion sich versechsfachen und in Asien und dem Rest der Welt sich mehr als verzwölffachen.
Sind das ferne Horizonte, die durch kerntechnische Entwicklungen umgestoßen werden? Auch hier sagen die Projektionen ganz deutlich aus, daß auch die Kernenergie — und selbst Enthusiasten dieser Entwicklung werden das nicht bestreiten können — bis zum Jahre 2000 in der Lage sein wird, nur einen relativ geringen Umfang des Energiebedarfs zu decken. Das Fazit, in dem sich alle Beurteiler einig sind, ist: wir werden bei dem Anwachsen des Weltenergiebedarfs alle verfügbaren Energien brauchen.
Das alles sollte die deutsche Energiepolitik veranlassen, den Steinkohlenbergbau auf einer Auffanglinie zu stabilisieren, die nicht unter 90 Millionen Jahrestonnen an der Ruhr liegen kann. Die ernste Frage, die auch dieses Haus sorgfältig zu prüfen haben wird, ist, ob die Diskussion nicht allzusehr unter dem defensiven Gesichtspunkt der Zurücknahme der Förderkapazität steht und ob sie nicht unter dem notwendigen offensiven Gesichtspunkt der Sicherung eines Absatzmaximums stehen sollte. Es geht nicht allein um eine — lassen Sie es mich ruhig ein wenig provozierend so nennen — destruktive Lösung der Liquidation von Kapazitäten, die verkraftbar gemacht werden soll — dies ist in einem gewissen Umfange sicherlich unverzichtbar —, es geht ebensosehr — und mit einem, wie ich glaube, stärkeren Akzent — um die konstruktive Lösung der Stabilisierung des Förderniveaus, das für die deutsche Steinkohle an Rhein und Ruhr und Saar insgesamt eher bei 110 Millionen Tonnen liegen sollte; ich sprach dabei von 90 Millionen Tonnen für die Ruhr. Das kann und darf nicht im Naturschutzpark eines permanenten Protektionismus geschehen, sondern muß über die optimale Wettbewerbsbefähigung der Steinkohle versucht werden.
Das muß nicht eine Utopie sein. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist der leistungsstärkste Steinkohlenbergbau in Westeuropa. Die Bundesrepublik hat die Spitzenstellung in der absoluten Höhe der Untertageleistung und in der Zuwachsrate der Förderung pro Mann und pro Schicht. Die für 1970 angenommene Steigerung ,der Arbeitsproduktivität wurde bereits im ersten Halbjahr 1967 erreicht. Die Erwartungen richten sich für Ende 1972 auf 4,5 Tonnen pro Mann und pro Schicht. Neue bergtechnische Entwicklungen und notwendige unternehmensorganisatorische Reformen können eine weitere Steigerung der Produktivität bewirken. Es wird eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik und Wirtschaft sein, Organisation und Technik .des Bergbaus mit optimalen Fördereinheiten, Zentralschachtanlagen, Mechanisierung und Automatisierung der Betriebe, Investitionsplanung und Investitionskooperation zu entwickeln und die Bildung und Erhaltung einer hochqualifizierten und sozial gesicherten, sich auch in ihrer dauernden Existenz sicher fühlenden Belegschaft zu garantieren. Ziel muß sein, der deutschen Wirtschaft zu tragbaren Preisen langfristig Energien in ausreichender Menge und in garantierter Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Ob dabei die derzeit teurere deutsche Kohle zugunsten der derzeit billigeren Importenergie vom Markte genommen oder ob die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle wieder optimal herzustellen versucht werden sollte, das ist eine schwerwiegende folgenschwere Entscheidung, die nicht zuletzt auch unsere Sicherheit betrifft.
Wir dürfen nicht vergessen, welche Rolle der heimische Energieträger Kohle als Preisregulator spielt. Wenn der Bergbau nach weitgehenden Stilllegungen mengenmäßig keine Alternative mehr bieten kann und damit auch als Preisregulator ausfällt, werden alle Preisveränderungen der Importenergien hingenommen werden müssen. Das Devisendefizit im Energieaußenhandel, das 1965 rund 21/2 Milliarden DM betrug, wird 1975 auf 51/2 Milliarden DM und 1980 bereits auf 10 Milliarden DM geschätzt.
Wir dürfen auch nicht die Rolle vergessen, die der heimische Energieträger Kohle als Sicherheitskern der Energieversorgung spielt. Die Bundesrepublik ist in rapide steigendem Maße vom Import ausländischer Energien abhängig. Es kann nur meine Aufgabe sein, auf die Bedeutung ,dieses Gesichtspunkts hinzuweisen und eine Rückerinnerung an das Schatzkästlein politischer Merksprüche zu wagen, Herr Kollege Barzel: Was ihr habt, wißt ihr. Das sollte man auch auf die Kohle anwenden.
Nun zu einem wichtigen Kapitel, das unmittelbar die Aufgabe des Landes angeht: Energiekonzept, Sozialplan und Entwicklungsprogramm Ruhr bilden eine Einheit. Das Land ist sich seiner Verantwortung, selbst besondere und ungewöhnliche Anstrengungen für die Sanierung der Ruhr zu unternehmen, voll bewußt. Es handelt auch im Sinne dieser Verpflichtung, doch ist die Kraft ides Landes überfordert, mit diesem Problem allein fertigzuwerden. Auch in den Landeshaushalten — das ist niemandem in diesem Hause neu — wächst die Last der zwangsläufig gebundenen Verpflichtungen, der Verpflichtungen für den Personalhaushalt, für die



Ministerpräsident Kühn
gesetzlich und vertraglich gebundenen Leistungen. So war es auch bereits in der gegenwärtigen Phase nicht möglich, zu gleicher Zeit konjunkturelle Erfordernisse und strukturelle Notwendigkeiten in dem erwünschten Maße zu koordinieren. Unsere Entscheidung, mit der die Bundesoperation unterstützenden Konjunkturspritze 1967 aus Mitteln des Landes 'den konjunkturellen Erfordernissen den Vorrang einzuräumen, ist von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt worden. Ein Strukturprogramm Ruhr kann nur mit entscheidender Hilfe 'des Bundes realisiert werden. Es bedurfte nicht des Appells des Herrn Fraktionsvorsitzenden Schmidt an die Ministerpräsidenten, sie sollten die regionale Wirtschaftsförderung als eine Gemeinschaftsaufgabe anerkennen. Dies haben sie in einer sonst keineswegs immer üblichen Einmütigkeit bereits getan.
Es geht bei diesem Programm um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, und hier bedauere ich, mich zu dem Herrn Bundeswirtschaftsminister in einem Gegensatz zu befinden. Er hat davon gesprochen, daß derjenige, der die Zahl 80 000 nenne, Defätismus begehe. Ich bin geneigt, darauf zu antworten: Wer mit nur 40 000 rechnet, befindet sich auf dem Wege des Illusionismus. Ich glaube, daß wir nicht daran vorbeikommen, die Zahl von 100 000 neu zu schaffenden Arbeitsplätzen als eine realistische Perspektive zu nehmen; dabei spreche ich nicht von den bereits vorhandenen 56 000 Arbeitslosen im Revier, sondern ich denke nur daran, daß bei einer Rücknahme der Förderkapazität um 35 Millionen Tonnen 80 000 Bergarbeiter den Bergbau verlassen müssen. Davon werden 30 000 in der Knappschaftsrente oder auf anderen Wegen des natürlichen Abgangs Ausscheidende in Abzug gebracht werden müssen.
Aber es sind ja nicht nur die Zechenstillegungen, die wir in Betracht ziehen müssen. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß in einem erheblichen Maße infolge der Rationalisierung weitere Arbeitsplatzfreisetzungen in ,dem weiter und dann sehr viel rationeller fördernden Bergbau hinzukommen. Die heute 3,3 t pro Mann und pro Schicht betragende Förderung wird bis zum Jahre 1970 auf jeden Fall 'auf 4 t pro Mann und pro Schicht 'angewachsen sein. Wenn wir noch hinzurechnen, daß, wenn eine solche Rücknahme der Förderkapazität bei der Steinkohle erfolgt, den zubringenden Industrien ein Auftragsvolumen von jährlich 800 Millionen bis 1 Milliarde DM entgehen muß mit der Konsequenz von weiteren Arbeitsplatzfreisetzungen, sind wir mit .der Addition bei 100 000 Arbeitsplätzen angelangt, ohne daß dabei !die Rationalisierung 'in der Stahlindustrie einkalkuliert ist.
Es bedarf also einer großen Kraftanstrengung. Es bedarf des rationellsten Mitteleinsatzes, konzentriert auf Gebiete besonderer Bedrängnis, und es bedarf auch zusätzlicher Begünstigungskonditionen für neuansiedlungswillige Betriebe, die über die beabsichtigte Investitionsprämie hinausgehen. Es bedarf Begünstigungskonditionen, die diejenigen unserer Nachbarländer Holland, Belgien und Nordfrankreich an Attraktivität 'erreichen. Sonst werden selbst im konjunkturellen Aufschwung viele, die einen neuen Ansiedlungsplatz suchen, eher in die Nachbarländer ausweichen.
Jeder weiß, wie gering bei den gegebenen Markt- und Absatzchancen die unternehmerische Bereitschaft zur Investition ist. In Nordrhein-Westfalen ist in den zehn Monaten der neuen Landesregierung dem Lande nicht eine einzige zur Ansiedlung bereite Firma verlorengegangen. Das mindert jedoch nicht die Disproportionalität zwischen Angebot und Bedarf.
Das Land wird so lange keinen glaubwürdigen Umstrukturierungsplan aufstellen können, wie nicht die energiepolitischen Grundsatzentscheidungen in Bonn gefallen sind und auch in bezug auf die Zechen und ihr Schicksal genaue zeitliche Präzisionen vorliegen. Ein Strukturprogramm Ruhr aufstellen zu wollen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ruhrplan!)

das die Umstrukturierung in zwei Jahren vollziehen soll, das wäre eine unverantwortliche Täuschung.

(Sehr richtig! rechts.)

Und wenn Sie hier dazwischenrufen: „Ruhrplan"!, darf ich daran erinnern — es ist nicht meine Sache, an dieser Stelle polemische Auseinandersetzungen zu führen —, daß alle drei Fraktionen des Landtages nach der Wahl in den zwischen ihnen gepflogenen Koalitionsverhandlungen der Auffassung waren, daß es einen solchen Umstrukturierungsplan Ruhr aufzustellen gelte. Nicht daß es im Wahlkampfeinen solchen Plan gegeben oder daß jemand behauptet hätte, einen solchen perfekten Plan zu besitzen!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Es war die übereinstimmende Auffassung unter allen drei Partnern der Koalitionsgespräche, daß es nach den Versäumnissen früherer Regierungen jetzt darauf ankomme, daß die neue Regierung einen solchen Plan aufstelle. Dies wird sie aus den Gründen, die ich darzulegen versucht habe, nur in Zusammenarbeit mit dem Bund können. Ein Strukturprogramm aufstellen zu wollen, das diese Umstrukturierung in zwei Jahren vollziehen will, das würde, wie gesagt, eine unverantwortliche Täuschung sein. Einen Plan zu erarbeiten, nach dem die Umstrukturierung in sechs Jahren bewältigt werden soll, ,das wäre ein notwendiges und mögliches Gemeinschaftsunternehmen von Bund und Land. Das müßte in der Synchronisierung mit dem Konjunkturaufschwung möglich sein.
Alle drei Parteien des Landtages von NordrheinWestfalen, unbeschadet ihrer unterschiedlichen ideologischen Ausgangspositionen, haben einstimmig einen Katalog von Maßnahmen beschlossen, deren Anwendung wir von Bundesregierung und Bundestag in dem notwendigen Umfang erwarten, Maßnahmen, die wir nicht um ihrer selbst willen lieben, sondern die nach unserer Überzeugung ungeliebte Notwendigkeiten sind. Alle drei Parteien haben sich dem Katalog staatlich-dirigistischer Maßnahmen nur — das darf ich für uns alle sagen — zögernd und widerstrebend genähert und beruhigenden Trost allerdings im Blick auf alle anderen Länder gefun-



Ministerpräsident Kühn
den, die — von den USA bis Frankreich — noch
liberaleren oder konservativeren Leitbildern folgen.
Wir haben uns diese Gemeinsamkeit der ganz großen Kohle-Koalition nicht leicht gemacht. Dieser Katalog, der allen Mitgliedern dieses Hauses bekannt ist, verlangt u. a. die Bestellung eines Energiebeauftragten, der für alle Energieträger zuständig ist, die Beschränkung der Mineralöl- und Erdgaseinfuhren, die Novellierung des Raffineriegesetzes und des Pipeline-Gesetzes mit dem Ziel, dem Verdrängungswettbewerb der anderen Energieträger zu steuern, Erhöhung der Heizölsteuer mit dem Ziel, die dadurch zu erzielenden Steuereinnahmen für strukturverbessernde Maßnahmen im Steinkohlenbergbaugebiet einzusetzen, und die Herabsetzung der Einfuhrkontingente vom 1. Januar 1968 an. Die deutsche Kohle hat in zehn Jahren ein Drittel ihrer Förderung verloren. Warum sollte das amerikanische 01 nicht auch einmal die amerikanische Kohle bedrängen!
Die protektionistischen Maßnahmen sollten als Hilfs- und Stützungsmaßnahmen nicht über den Zeitraum hinaus ausgedehnt werden, der absolut notwendig ist, um durch Fördereinschränkung, Produktionsrationalisierung und Senkung der Kosten die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle wiederherzustellen.
Ein letzter Wunsch, den wir diesem Hause vorzutragen uns verpflichtet fühlen: Das Haus möge schnell und entschlossen handeln. Attentismus provoziert Defaitismus. Das gilt für die Situation an der Ruhr in einem besonderen Maße.
Es gibt bei dieser Aufgabe keine bequemen Lösungen, keine bequemen Lösungen für die nationale Gemeinschaftsaufgabe Ruhr. Der Weg, der diese industrielle Kernlandschaft Deutschlands in eine neue Zukunft führt, wird über eine Etappe möglichst gleichmäßig und gerecht verteilter Zumutungen gehen. Dabei werden auch die Bergarbeiter — und sie wissen das sehr wohl, ich greife hier ein Wort des Kollegen Schmidt auf — erkennen müssen, daß in der modernen Industriegesellschaft die Mobilität des Arbeitsplatzes eine Voraussetzung dieser Industrieentwicklung ist und niemand glauben kann, daß er den Beruf, den er erlernt hat, über sein ganzes Leben ausüben kann. Es wird Zumutungen an alle zu richten gelten. Aber sie müssen gerecht verteilt sein.
Der Herr Bundeskanzler hat am Sonntag — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat schon darauf angesprochen, wie ich der Presse entnehme — gesagt — wohl in Abwandlung eines Wortes eines englischen Politikers, der einmal gesagt hat, was moralisch richtig sei, das sei auch politisch richtig —, was ökonomisch richtig sei, das sei auch politisch richtig. Nun, was ist ökonomisch richtig? Das ist nicht so leicht erkennbar wie das, was moralisch richtig ist. Wenn jedoch die Ökonomie dem Menschen dienen soll, dann ist bei der Bewältigung dieser Krise ein zumutbares ökonomisches Opfer, über alle verteilt, auch über alle deutschen Landschaften verteilt, ein verpflichtender politischer Dienst.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118100
Als Mitglied des Bundesrates hat das Wort Herr Ministerpräsident Röder.
Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihr Verständnis, wenn sich in der heutigen Debatte auch das zweite kohlefördernde Land zu Wort melden muß. Ich werde allerdings, der Größenordnung der beiden Länder entsprechend — nicht etwa, weil die Problematik geringer wäre — versuchen, mit weniger Zeit auszukommen, als mein Vorredner für sich in Anspruch nehmen mußte.
Ich nehme auch nicht das Wort, um für mein Land zu wiederholen, was aus der Sicht Nordrhein-Westfalens bereits gesagt worden ist. Vieles von dem, was Herr Kühn gesagt hat, gilt natürlich auch für das Saarland, und das unterstreiche ich insoweit. Aber es gibt auch wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden großen Steinkohlenrevieren, auf die ich aufmerksam machen muß.
Ich will zunächst nur eine Zahl nennen, um einen Unterschied zu verdeutlichen: Während der Bergbau in Nordrhein-Westfalen im Schnitt der letzten sechs Jahre nur etwa 7 % des Umsatzes der gesamten Industrie ausmachte, betrug sein Anteil im Saarland rund 17 %.

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

Das vorweg, um der Auffassung zu begegnen, als spiele der Bergbau in der saarländischen Wirtschaftsstruktur eine geringere Rolle; er spielt eine größere, und entsprechend größer sind natürlich auch die Auswirkungen bei einer Kohlenkrise. Es ist also sicher nicht angebracht, meine Damen und Herren, wenn gelegentlich nur von Rhein und Ruhr gesprochen wird und dann die Saar noch so nebenbei miterwähnt wird.
Ich brauche an dieser Stelle nicht auf weitere Unterschiede im einzelnen einzugehen, weil ich mich auf ein Memorandum der saarländischen Regierung beziehen kann, mit dem Titel: „Das Saarland zehn Jahre nach seiner Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland — Bilanz und Aufgaben", das ich dem Präsidium und den Abgeordneten dieses Hauses habe zustellen lassen. Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich meinte, dem Deutschen Bundestag diese Bilanz schuldig zu sein, um so mehr, als bei den Maßnahmen zur wirtschaftlichen Eingliederung, die vornehmlich im Jahre 1959 in diesem Hause lebhafte Debatten ausgelöst haben, niemand mit Sicherheit voraussagen konnte, wie sich diese Maßnahmen im einzelnen auswirken würden. Für die Eingliederung eines Gebietes, das sich unter sorgfältiger Trennung von der Bundesrepublik in einem andersartigen Wirtschafts-, Steuer- und Währungssystem, natürlich auch in vielen anderen Bereichen, andersartig entwickelt hatte, gab es ja keinen Modellfall. Vieles mußte daher auf wirtschaftlichem Gebiet einfach Experiment sein, dessen Ergebnisse der Überprüfung bedürfen. Um eine solche sachliche Überprüfung durch Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung möglich zu machen, wurde dieses Memorandum vorgelegt, das ich im Zusammenhang



Ministerpräsident Röder
mit der heutigen Debatte erwähne, weil es neben der Standortsituation im wesentlichen die Fragen zum Gegenstand hat, um die es heute hier geht.
Ich begrüße es sehr, daß der Herr Bundeskanzler für die Bundesregierung nachdrücklich erklärt hat, daß sie das Steinkohlenproblem in den Griff bekommen wolle und daß sie es nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Vernunft lösen werde, was eine Berücksichtigung der sozialen Lage der Bergleute, besser: der im Bergbau Beschäftigten notwendig mit einschließt.
Ein zweiter Gesichtspunkt scheint mir ebenso wesentlich zu sein, nämlich die Absicht, der Kohlenkrise an Saar und Ruhr durch eine Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, also auf ökonomischem Wege, beizukommen und dadurch gleichzeitig eine größere Arbeitslosigkeit zu verhindern. Das ist in der Tat, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, auch für die Saar ein politisches Problem allerersten Ranges. Denn vornehmlich infolge seines politischen Schicksals ist das Saarland für den jeweiligen Besitzer im wesentlichen Produktionsstätte für Kohle, Eisen und Stahl gewesen. Von daher rührt doch die Unausgeglichenheit seiner Wirtschaftsstruktur, von daher die außergewöhnlich harten Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftsleben an der Saar bei jeder auch nur leichten Krise bei Kohle und Stahl, die einfach nicht aufgefangen werden kann.
Dabei ist in den letzten zehn Jahren, auch mit Hilfe der früheren Bundesregierungen unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, einiges geschehen, was sich durchaus sehen lassen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zunächst einmal zur Strukturverbesserung bei der Kohle selbst! Denn da muß man ja wohl anfangen, wie heute wiederholt zum Ausdruck gekommen ist. Man gewinnt das Recht auf Hilfe schließlich nur durch den Nachweis, daß man selbst alles getan hat, was man tun konnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir haben im Rahmen eines Generalplans an der Saar — Herr Bundeswirtschaftsminister, ich freue mich, daß der Gedanke heute auch bei Ihnen aufgenommen worden ist — in wenigen Jahren die im Bergbau Beschäftigten um die Hälfte vermindert und unsere Produktion fast um ein Drittel zurückgenommen. Ich sage „unsere Produktion", weil Bund und Land Eigentümer der Saarbergwerke sind, was sich ohne Zweifel bei der Durchführung notwendiger Maßnahmen als vorteilhaft erwiesen hat; denn unsere Zusammenarbeit mit dem Bundesschatzminister, mit dem Vorstand und mit den Gewerkschaften ist beispielhaft gut. Nur in einer solchen gut funktionierenden Zusammenarbeit ließen sich größere soziale Härten in der Vergangenheit vermeiden und konnten, was nicht weniger wichtig ist, die auch bisher schon gewährten Hilfen, wenn sie auch nicht ausreichend waren, optimal eingesetzt werden. Ich kann daher sehr wohl verstehen, wenn in der Diskussion der letzten Monate und auch heute in diesem Hause auch für den Bereich der Ruhr bessere betriebliche
Bedingungen in Form einer Gesamtgesellschaft gefordert werden, weil sie einfach die Voraussetzung für die Wirksamkeit auch der in der Zukunft vorgesehenen Maßnahmen sind.
Es ist aber bezeichnend für die besonders schwierige Lage im saarländischen Steinkohlenbergbau, daß zur Zeit trotz der von mir genannten verhältnismäßig frühzeitig im Rahmen eines Generalplans vorgenommenen Eingriffe, und obwohl die Saarbergwerke ihren Eigenverbrauch durch Erzeugung von Strom, Koks und Gas bis heute um ein Drittel auf 25 % erhöht haben, ein Drittel unserer Jahresförderung, also etwa 4 Millionen t, aufgehaldet sind, aufgehaldet werden mußten und daher weiteren Tausenden von braven Bergleuten auch an der Saar das Gespenst .der Arbeitslosigkeit droht, wenn nicht eine schnelle Lösung gefunden wird. Dabei ist der Prozentsatz der Arbeitslosigkeit im Saarland heute schon doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Das wird so bleiben, und es wird eher noch ärger werden, wenn nicht im Ballungsraum Saarland ein modernes Strukturbild verwirklicht werden kann, das auch moderne Wachstumsindustrien einschließt. Warum sollten solche modernen und zukunftsträchtigen Industrien nicht auch an der Saar wie im übrigen Bundesgebiet existieren? Wenn das bisher nicht der Fall ist, so hat das doch Gründe, die untersucht werden müssen und die notfalls beseitigt werden müssen, wenn man der Kohlenkrise, die ja auch eine Strukturkrise ist, mit wirtschaftlicher Vernunft und Nüchternheit beikommen will. Die Ursachen sind in dem von mir genannten Memorandum, wie ich glaube, überzeugend nachgewiesen, und es ist ferner gesagt, wie sie behoben werden können. Eine habe ich bereits genannt: der mehrmalige politische Besitzwechsel, der die Ansiedlung ergänzender Industrien in einem Zeitraum verhindert hat, als sie anderenorts entstanden sind. Eine zweite Ursache, die von der ersten nicht zu trennen ist, ist die Verkehrslage und die Standortsituation. Die großen nationalen und internationalen Verkehrsplanungen haben dieses Gebiet, von dem niemand wußte, wem es morgen gehören würde, einfach ausgespart. Und so ist eben vieles unterblieben, was nachgeholt werden muß und was das wirtschaftliche Wachstum an der Saar behindert und notwendigerweise auch die Kohlenkrise verschärft.
Und doch gibt es auch an der Saar keinen anderen Weg, dieser Krise beizukommen und für einen Teil unserer Bergleute zufriedenstellende Arbeitsplätze neu zu schaffen, als eine bessere Ausgewogenheit des Wirtschaftsgefüges insgesamt herbeizuführen. Das ist das Ergebnis aller wissenschaftlichen Gutachten, .das erklärte Ziel aller Regierungserklärungen.
Ich begrüße es daher sehr, daß neben einem General- und Sozialplan nun auch ein Strukturplan aufgestellt werden soll, der diesen Gesichtspunkt Rechnung zu tragen hat. Nur das Wie macht eben, wenn man sich nicht in Wunschvorstellungen verlieren will, die einen nicht weiterbringen, doch ernsthafte Schwierigkeiten.
Ich will es mir nicht so einfach machen und sagen: ich entwickle hier Vorstellungen, und der Bund



Ministerpräsident Röder
oder wer auch immer soll sie bezahlen. So, meine Damen und Herren, will ich es nicht machen, sondern ich möchte zusammenfassend unter nüchterner Abwägung der Möglichkeiten folgendes für den Bereich meines Landes sagen.
Die Kohlenfrage kann — und das wiederhole ich auch hier — nur durch eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur dauerhaft gelöst werden, d. h. wenn das Saarland auch in Zukunft ein wirtschaftlicher Schwerpunkt bleibt. Dieser Ausgleich kann auf folgendem Weg erzielt werden. Da eine völlige Neustrukturierung kurzfristig nicht möglich ist — auch da stimme ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu; er hat das, glaube ich, heute morgen ausgeführt —, muß d a s aus dem bislang an der Saar vorherrschenden Bereich von Kohle und Stahl erhalten bleiben, was auch in Zukunft unter modernen Gesichtspunkten bleiben kann, auch deshalb, weil die Grundstoffindustrie mehr Arbeitskräfte binden kann, als durch moderne Industrien, menschenarme Industrien kurzfristig aufgefangen werden können. Das setzt aber eine Umstrukturierung zunächst unserer Gruben und auch unserer Hütten voraus, bei den letzteren vornehmlich in der Massenstahlproduktion, bei den Gruben mit dem Ziel einer wesentlichen Verbilligung der Kohle.
Vielleicht kann man, ohne ungerecht zu sein, doch sagen, daß in dieser Hinsicht auch von der Unternehmerseite in der Vergangenheit nicht alles getan worden ist, was hätte getan werden müssen. Denn da der Kohlepreis immer mit entscheidend dafür bleiben wird, in welcher Höhe die Kohle auf dem Energiemarkt abgesetzt werden kann, wird eine moderne Struktur des Steinkohlebergbaus diesem Gesichtspunkt eben Rechnung zu tragen haben.
Meine Damen und Herren, das erreicht man aber nicht einfach dadurch, daß man stillegt und entläßt. Das wäre eine Kette ohne Ende, wie Vergangenheit und Gegenwart lehren. Es ist im übrigen die einfallsloseste Art, an der notwendigen Umstrukturierung im Bereich der Kohle selbst vorbeizukommen.
Lassen Sie mich auch noch folgendes sagen. Die Politik ist doch einfach überfordert, wenn sie sich daran begeben soll, die Lösung schwieriger Wirtschaftsfragen von sich aus zu konzipieren und durchzusetzen. Sie hat die Möglichkeiten dazu zu bieten, wie es der vorliegende Gesetzentwurf tut. Natürlich ist Wirtschaftspolitik in der modernen Gesellschaftsordnung ein wesentlicher Bestandteil der Politik schlechthin; aber sie kann doch den Einfallsreichtum und die Initiative der in der Wirtschaft selbst Verantwortlichen nicht ersetzen und sie soll sie nicht ersetzen, meine Damen und Herren.
Ich bin also der Meinung, daß bei der Schaffung einer produktiven Wirtschaftsstruktur möglichst viel von dem, was vorhanden ist — ich wiederhole es —, so struktuiert werden muß, daß es eine Konkurrenz nach menschlichem Ermessen auch in Zukunft aushalten kann. Das wird schon deshalb notwendig sein — ich wiederhole auch das —, weil eine plötzliche und starke Beschneidung der Grundstoffindustrie wegen ihrer Arbeitskraftintensität so viele Menschen auf einmal freisetzen würde, wie sie in modernen, menschenarmen Industriezweigen so schnell gar nicht untergebracht werden können. Wenn bei der Schließung auch nur einer Grube z. B. 3000 Bergleute freigesetzt werden, kann man sich leicht ausrechnen, was an moderner Industrie geschaffen werden muß, um diese Menschen aufnehmen zu können. Das dürfte gleichzeitig und in gleichem Umfange einfach nicht möglich sein. Daher wird noch für geraume Zeit die Kohle auf dem Energiemarkt einen ausreichenden Schutz nötig haben. Trotz allem, was inzwischen geschieht und was geschehen muß, werden wir daran nicht vorbeikommen.
Rückschnitte bei der Kohle mit dem Ziel der Gesundung und der Wettbewerbsfähigkeit verlangen eine gleichzeitige und zügige Ansiedlung neuer Industrien, wie das heute wiederholt zum Ausdruck gekommen ist; ich brauche das nicht zu wiederholen. In diesem Zusammenhang muß ich sehr unterstreichen, was der Sprecher der ,CDU/CSU-Fraktion, mein Kollege Brand, heute morgen hier ausgeführt hat. Er hat gesagt, es sei unerläßlich, sehr sorgfältig zu prüfen, ob die gegebenen und vorgesehenen Anreize in der Tat ausreichend seien, um solche Ansiedlungen herbeizuführen. Und, verehrter Herr Kollege Brand, was ebenso wichtig ist: Die Betriebe müssen in diesen Gebieten auch dann bleiben, wenn eine Konjunkturabschwächung eintritt. Es darf nicht das Umgekehrte eintreten -- wie das bei mir an der Saar geschehen ist —, daß bei einem leichten Kräuseln einer Abschwächung, diese Betriebe als erste ihre Leute entlassen und so, statt die Schwierigkeiten auszugleichen, sie noch zusätzlich verschärfen. Das kann nicht die Aufgabe sein.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Diese Frage muß also sehr sorgfältig erwogen werden, zumal — das kommt hinzu — nicht jedes Mittel an jeder Stelle geeignet und ausreichend ist; auch da gibt es Unterschiede.
Für das Saarland ist jedenfalls unerläßlich, daß seine Standort- und Verkehrssituation so schnell und so wirkungsvoll wie möglich verbessert wird; wir brauchen auch hier eine Modernisierung. Sie wissen selber, wie beschwerlich es heute noch ist, von Bonn nach Saarbrücken zu kommen und umgekehrt. Nicht, als ob bis heute auf diesem Gebiet etwa nichts geschehen wäre, das will ich gar nicht sagen. Wer das Saarland einige Jahre nicht gesehen hat, wird nicht bestreiten können, daß es aus eigener Kraft und mit tatkräftiger Hilfe des Bundes fortschrittliche Züge angenommen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber, meine Damen und Herren, es wäre schrecklich, wenn das bei dem ersten wiedervereinigten deutschen Gebietsteil anders wäre. Es wäre auch sehr nachteilig, da wir an dieser Stelle gleichzeitig dafür werben müssen, daß sich deutsche Betriebe für die Ansiedlung in diesem Land interessieren, die das doch nur tun, wenn es sich lohnt, dort tätig zu werden und sich anzusiedeln. Aber es darf nicht bei einer formalen politischen und wirtschaftlichen Eingliederung bleiben.



Ministerpräsident Röder
Wenn eine dauerhafte Verbesserung der . saarländischen Wirtschaftsstruktur erreicht werden soll, bei der allein auch eine Beseitigung der Kohlenkrise möglich ist, dann muß dieses Land an die großen nationalen und internationalen Verkehrswege sowohl über die Straße, Herr Kollege Leber, als auch über das Wasser wie auch im Luftverkehr angeschlossen werden. Das ist die Erwartung der Menschen an der Saar, einschließlich der fleißigen Bergleute, denen wir an der Saar sehr viel zu verdanken haben, auf die wir stolz sind, die aber doch nichts anderes wollen, als auch in Zukunft die Möglichkeit zu haben, zu arbeiten, und zwar in einem Land, in dem sie sich seit Generationen befinden und wo sie auf allen Gebieten Hervorragendes geleistet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum Schluß meiner Ausführungen, weil ich versprochen habe, nicht zu lange zu sprechen. Die beiden schweren Hypotheken, die das Saarland belastet haben und von denen ich eingangs sprach — Zankapfel zwischen zwei verfeindeten Völkern und dazu Randlage —, die einer Verbreiterung der Wirtschaftsstruktur im Wege standen und sie verhindert haben, diese Hypotheken konnten, was auch einmal gesagt werden muß, durch eine hervorragende Politik der vorangegangenen Bundesregierungen beseitigt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn im Rahmen der endgültigen deutsch-französischen Aussöhnung, meine Damen und Herren, ist dieses Land nunmehr zu einer Stätte friedlicher Begegnung auf Dauer zwischen diesen beiden ausgesöhnten Völkern und zu einer Stätte engster wirtschaftlicher Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus geworden.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Bei der fortschreitenden Integration des europäischen Wirtschaftsraums wird uns unsere zentrale geographische Lage zweifellos zugute kommen.
Die heutige Debatte im Deutschen Bundestag kann für das Saarland, meine Damen und Herren, eine entscheidende Stunde sein. Wenn ich zu großen Worten neigte, würde ich sagen: Es könnte eine historische Stunde sein. Sie wäre es dann, wenn diese Debatte dazu beitrüge, daß mit der Zielsetzung, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch an der Saar zu überwinden und die Kohlekrise zu beheben, gleichzeitig — das ist unerläßlich — auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß dieses Land in der Zukunft seine Aufgabe erfüllen kann, so wie es das möchte, eine Aufgabe, die nach unserer Auffassung nicht darin bestehen kann, auf die Dauer Unterstützungsempfänger zu sein. Dieses Land will vielmehr einen positiven Beitrag zur Wirtschaftskraft der Bundesrepublik insgesamt leisten.
Meine Damen und Herren, alles, was Sie in der gegenwärtigen Situation in dieses Land investieren an Mitteln, die bedeutende Mittel sind, ist nach unserer Überzeugung und unserem Willen nicht verloren, sondern wird, wie man in diesem Land nachweisen kann, eines Tages zum Wohl des Ganzen seine Früchte bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0513118300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Brand hat heute morgen in einer sehr abgewogenen Weise hier unser Votum für die erste Lesung abgegeben. Wir stimmen dem zu.
Der Gang der Debatte veranlaßt mich, auf Bitten meiner Freunde, zur Debatte, zur Sache und zu einigen Zusammenhängen noch etwas zu sagen.
Wir haben zu Beginn dieses Bundestages in der ersten großen Aussprache, die dieses Haus hatte, am 29. November 1965, Wert darauf gelegt — ohne daß es einen konkreten Anlaß gab —, hier den Rang der Kohle und die Zweckmäßigkeit eines genügend großen Anteils heimischer Energieversorgung darzutun. Das gilt für uns fort.
Es geht hier um eine Frage — ich bin dankbar, daß Ministerpräsident Röder hier in so vorzüglicher Weise die Zusammenhänge in die Debatte eingeführt hat —, die vielleicht Kohle heißt oder Ruhr genannt wird, aber in Wirklichkeit eine Frage an alle ist, weil es um die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und auch darum geht, darzutun, daß eine freie Gesellschaft, die ihren Staat demokratisch und rechtsstaatlich organisiert hat, imstande ist, auch schwierige und scheinbar unpopuläre Probleme zu lösen.
Bevor ich zu einigen Punkten der Debatte komme, möchte ich sagen — ich glaube, das kann man nach dieser Debatte für das ganze Haus sagen —, mir scheint, daß heute alle erkannt haben: es ist ein Irrtum, zu glauben, man brauche nur genügend staatliche Interventionen, und schon werde sich jede Menge Kohle beliebig verkaufen lassen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Dieser Irrtum ist allgemein erkannt, und damit haben wir ein Problem, so hoffe ich, festgehalten, auch für andere Bereiche, und miteinander eine Erkenntnis gefunden, die über den Anlaß hinaus von Bedeutung ist.
Ein paar Worte zu der Debatte. In der Debatte ist viel Gutes gesagt worden. Sicher ist auch manches gesagt worden, was der eine oder andere im Ohr angenehm empfunden hat, vielleicht nicht nur hier im Hause, sondern auch irgendwo draußen, meine Damen und Herren. Nur hat dieses Angenehme des Tages dieselbe Eigenschaft wie der Beifall des Tages: es kommt nämlich in der Form von Sorgen und unangenehmen Problemen zurück, wenn es darum geht, das zu realisieren, was in einer Stunde vielleicht etwas zu leichtzüngig gesagt worden ist.

(Beifall in der Mitte.)




Dr. Barzel
Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, auch von uns aus für die Regierungserklärung danken.

(Beifall bei der SPD.)

Wir finden sie gut. Ich habe nur eine Kleinigkeit, über die ich im Laufe der Debatte sprechen möchte. Und ich möchte auch ein Wort an die Adresse meines verehrten Kollegen Helmut Schmidt sagen: Ich freue mich, daß wir eine neuen Freund für die Ruhr gefunden haben, einen Freund nicht nur mit einer gewaltigen Stimme, sondern auch einen Freund, der es versteht, sein Herz, wenn es nötig ist, auch laut schlagen zu lassen. Und weil ich schon lange zu den Freunden der Ruhr gehöre, verehrter Herr Kollege Schmidt, deshalb möchte ich auch das, was kritisch zu sagen ist, etwas sanfter sagen, als es an sich die Gleichberechtigung im Ton auch innerhalb einer Koalition hier doch erlauben würde.
Um also auch hier mit dem Netten zunächst zu beginnen: ich freue mich über den Glückwunsch an die Adresse des Kollegen Schiller, mit dem Sie hier begonnen haben. Ich glaube, darüber hat sich auch der Bundeskanzler gefreut und wir alle, außer Ihnen (zur FDP gewandt). Das war natürlich ein Stück Stabilisierung der gesamten Koalition, die wir miteinander gut gebrauchen können.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD.)

Also sind wir uns in der Zustimmung einig. Das hat vielleicht diejenigen geärgert, die gehofft hatten, uns in dieser Debatte auseinanderbringen zu können. Das ist so leicht nicht, weil wir die große Verantwortung, die die Große Koalition uns auferlegt, eben auch spüren, und das große Maß, mit dem wir mit Recht bei dieser großen Mehrheit gemessen werden.
Meine Damen und Herren, ich stimme dem Kollegen Schmidt ausdrücklich zu, wenn er von der Gefahr gesprochen hat, in die ein Land geraten könne, wenn seine energiepolitische Bilanz — so habe ich es verstanden — in eine zu große Abhängigkeit komme. Ich freue mich, daß damit ein Gedanke, den mein Freund Dufhues vor einiger Zeit in die Debatte geworfen hat, auch eine breitere Resonanz gefunden hat. Mein Freund Dufhues hat gefragt, ob wir etwa das — ich zitiere jetzt —, „was wir jetzt der Kohle an Schutz verweigern, in Zukunft in Form erhöhter Preise an die ausländischen Ölkonzerne abführen müßten". Das ist eine Frage, über die man nachdenken muß. Das ist eine Frage, über die wir auch im Ausschuß werden nachdenken müssen. Denn wir haben auch in anderen Bereichen die Erfahrung machen müssen, daß Importe aufhören, billig zu sein, wenn man von ihnen abhängig ist.

(Beifall in der Mitte.)

Wir haben auch in anderen Bereichen die Erfahrung machen müssen, daß der Preis von Importen unbestreitbar durch das mitreguliert wird, was man hier im Inland noch hat. Das ist also eine Übereinstimmung.
Im übrigen, Herr Kollege Schmidt, möchte ich die Abteilung „Herz und Hose" und die Abteilung „Sturzflug und Gleitflug" nicht aufnehmen. Ich freue mich, daß unsere Gemeinsamkeiten nun auch in der
gemeinsamen Verehrung des Ruhrbischofs Hengsbach eine weitere Unterstreichung gefunden haben.

(Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

Ich wollte nur zeigen, wie Sie heute morgen, Herr Kollege Schmidt, — —

(Zuruf des Abg. Schmidt [Hamburg].)

— Wir sind doch beide gefragt worden, ob wir noch imstande seien, „Kleingeld zu wechseln". Ich glaube, es war an der Zeit zu zeigen, daß wir dies auch in der Großen Koalition nicht verlernt haben, meine Damen und Herren!

(Heiterkeit und Beifall.)

Nun zunächst einige Fragen zu dem, was in der Debatte war. Ich sagte Ihnen, Herr Kollege Schiller, daß ich eine Frage an den Bundeswirtschaftsminister hätte. In Ihrer von uns, wie gesagt, sehr gut empfundenen Erklärung ist die Rede vom „National Coal Board" oder vom „Nationalen Kohlenamt". Diesen englischen Ausdruck habe ich natürlich deshalb sehr ungern gehört, weil es sich dort um eine sozialisierte Kohle handelt. Aber es wird sicher notwendig sein, das, was das „Nationale Kohleamt" betrifft, im einzelnen zu verdeutlichen. Das muß nicht hier und jetzt geschehen, denn es handelt sich ja um eine Regierungsvorlage von vor den Sommerferien, die Sie haben hier einbringen müssen und über die wir jetzt in einer anderen Situation diskutieren. Es kann also auch im Ausschuß geschehen.
Dann, Herr Kollege Schmidt, habe ich eine Frage an Sie. Sie haben auf Italien und Frankreich hingewiesen. Nun, ich weiß nicht genau, was damit gemeint war. Der Eindruck bei manchen draußen muß nicht unbedingt mit dem identisch sein, was Ihre Vorstellung war. In Frankreich haben wir einen nationalisierten Bergbau und — wenn ich es richtig über Mittag habe feststellen können, ich bitte, mich zu berichtigen — einen ganz überwiegenden Einfluß des Staates auf die Kraftwerke und auf den Mineralölmarkt. In Italien haben wir auch einen sehr starken öffentlichen Einfluß auf den Mineralölmarkt. Ich glaube nicht, daß Sie dies gemeint haben; Sie haben sicher andere Dinge gemeint. Das sollte man klarmachen, damit nicht Hoffnungen oder falsche Vorstellungen draußen im Lande erweckt werden, die wir hier miteinander nicht meinen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte!

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0513118500
Herr Kollege Barzel, Sie wissen, daß ich Ihre Frage nur in der Frageform beantworten kann. Ich will versuchen, das zu tun. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß, wenn wir z. B. auf Italien oder auf Frankreich hingewiesen haben, wir damit vornehmlich gemeint haben, daß es dort schon von langer Hand eine die nationalen Interessen dieser Länder — das schließt auch die Sicherheitsinteressen dieser beiden Länder ein — in den Vordergrund stellende Gesamtnergiepolitik gibt, daß wir nicht sosehr die verstaatlichte Kohle in Frankreich oder dergleichen im



Schmidt (Hamburg)

Auge gehabt, wohl aber die wachsende Unabhängigkeit von ausländischen Machteinflüssen gemeint haben, die diese beiden Länder für ihre gesamte Energiepolitik genießen?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0513118600
Herr Kollege Schmidt, ich werde nachher auf das französische Problem im Zusammenhang eingehen. Ich hoffe, daß ich Ihrer Frage nicht etwa einen weiteren Vorwurf entnehmen muß, daß hier die nationalen Dinge der Vorsorge nicht genügend berücksichtigt worden seien.

(Zurufe von der SPD.)

Immerhin ist es durch die vielen Maßnahmen, über die wir hier gleich sprechen werden, doch im Laufe der letzten Jahre gelungen, eine von vielen über lange Zeit als imaginär bezeichnete Fördermenge von 140 Millionen t zu erreichen, während in anderen Ländern der Rückgang schon sehr viel früher einsetzte. Ich werde aber nachher noch auf diese Frage zurückkommen, weil ich einige Dinge aus anderen Ländern eben wegen dieses Diskussionsbeitrages in unsere Antwort einbeziehen möchte.
Zunächst noch ein Drittes zu dieser Diskussion. Ich habe bisher — ich sage: zu meiner Freude — von niemandem gehört, daß er einen Antrag stellen wolle, die flankierenden Maßnahmen — wie der Herr Bundeswirtschaftsminister das nennt etwa durch eine Erhöhung der Heizölsteuer zu perfektionieren. Das ist bisher nicht beantragt worden. Vorher gab es Andeutungen in der Presse. Man muß das festhalten, was hier gesagt worden ist.
Nun muß ich aber doch noch ein Wort an den Herrn Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen sagen, leider auch ein kritisches Wort. Aber wir kennen ihn von früher als einen streitbaren Kollegen und wir haben gerade festgestellt, daß er -was sein gutes Recht ist — das in Düsseldorf natürlich nicht verlernt hat. Da ist gesagt worden: „Alles Versäumnisse"! Da ist gesagt worden — dies ist dann Herr Schmidt —: „In den letzten zehn Jahren falsche Energiepolitik"! Oder gar: „In den letzten sieben Jahren dumme Politik" !, usw. usw. Meine Damen und Herren, machen wir das ganz sachlich. Ich habe vorher von einem Irrtum gesprochen, den das ganze Haus eingesehen hat. Heute sind wir alle klüger. Ich frage deshalb ganz konkret: Was an den gegenwärtigen Maßnahmen, die doch die Folge dieser langen Politik sind, ist so falsch, daß wir es ändern wollen? Welche Position des Haushalts bietet sich dann z. B. zum Streichen an, oder zu welchen Gesetzen will man heute die Zustimmung, die in den letzten Jahren erteilt worden ist, zurückziehen? Das muß man doch fragen. Sicher kann man manches anmerken, auch Kritisches. Wie sollte es anders sein, wenn Menschen zehn Jahre in einer so schwierigen Frage arbeiten, sich mit einem Problem beschäftigen, das in der ganzen Welt eine Rolle spielt. Aber ich meine, eins sollte niemand, weder direkt noch indirekt noch im Zwischenton, hier kritisch anmerken: keiner sollte den Mehrheiten, die bis zum vergangenen Oktober die
Energiepolitik vorwiegend verantwortet haben, den guten Willen und ihr Engagement zugunsten des Kumpels absprechen oder abzusprechen suchen. Das sollte niemand versuchen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie sind denn die Realitäten? Ich will hier nicht die einzelnen Positionen durchgehen. Lassen Sie mich nur die Endsummen nennen. Im Jahre 1966 haben wir aus Bundeshaushaltsmitteln 2,787 Milliarden DM für den Bergbau beigetragen. Hinzuzuzählen sind Steuerbegünstigungen von 562 Millionen DM. Im Jahre 1967 tragen wir aus Bundeshaushaltsmitteln für Bergbaufragen 3,659 Milliarden DM bei. Im nächsten Jahr werden es 3,819 Milliarden DM sein, eine gewaltige Solidarleistung des gesamten Volkes für einen von uns allen als wichtig angesehenen Teil unserer Volkswirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir haben uns in den letzten Jahren bemüht, ein gutes Stück Absatz in Deutschland zu sichern und zu garantieren. War das falsch?
War es etwa falsch, daß wir uns hier vorgenommen und zum Teil mit gesetzlichem Zwang erreicht haben: die Förderung der Verwendung von Kohle in Kraftwerken, die Stabilisierung des Absatzes von Kokskohle und Hochofenkoks in den Eisen- und Stahlwerken, die Förderung des Baus von Heizwerken, die Frachthilfe für Kohlentransporte, die mengenmäßige Beschränkung der Kohleneinfuhr und den Kohlenzoll, die Hilfen für die Rationalisierung und Stillegung von Zechen, die Heizölsteuer, die Selbstbeschränkung der Mineralölwirtschaft beim Heizölabsatz und umfangreiche soziale Maßnahmen für die von Stillegungen und Feierschichten betroffenen Bergleute? Ich nehme nicht an, daß einer das ändern möchte. So frage ich, was hier falsch war und so schrecklich „dumm" in den letzten zehn Jahren, meine Damen und meine Herren.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Nun möchte ich ein Wort an Sie, Herr Ministerpräsident Kühn, sagen. Zunächst auch hier das nette: Ich bedanke mich natürlich, daß Sie zweimal so freundlich waren, mich zu zitieren. Das kann aber nicht vergessen machen, daß es aus unserer Sicht weniger gut war, hier von „zehnjährigen Versäumnissen" — so Ihre Formulierung — zu sprechen. Herr Kollege Kühn, ich habe Ihnen sorgsam zugehört und manchen konstruktiven Gedanken bei Ihnen gefunden, aber auch manchen Vorschlag, der weit über alles hinausgeht, was hier im Hause erwogen wird. Dazu wird der Herr Bundeswirtschaftsminister sicher sprechen.
Aber ich habe Ihnen nicht nur heute genau zugehört, sondern auch im vergangenen Jahr. Im Sommer vergangenen Jahres, Herr Kollege Kühn, war doch viel die Rede von Kohle und von Ruhr, und später habe ich dann etwas mehr von Schule und von Gebietsreform von Ihnen aus Düsseldorf gehört, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Barzel
Das wird man doch in aller Höflichkeit hier noch festhalten dürfen. Ich möchte ganz allgemein sagen: manch einer, der jetzt bedauert, wegen der Gefahr von Radikalisierung eine Suppe mit auslöffeln zu müssen, wird bei diesem Auslöffeln manches Salz auf der Zunge spüren, das er vielleicht früher selbst in diese Suppe getan hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß auch noch ein Wort — wie könnte es anders sein — an die Opposition sagen. Es wäre ja schrecklich, Herr Zoglmann, wenn ich das nicht täte; es ist ja in Ihrem Interesse, daß ich Sie erwähne. Nun, ich finde es pikant, daß ausgerechnet ein Kollege der Freien Demokratischen Partei bis zu dieser Stunde der Debatte der einzige war, der ein Förderziel, also eine quantitativ-planerische Aussage für die Ruhrkohle, gefordert hat. Das, meine Damen und Heren, wollte ich nur festhalten. Ich glaube, wir haben uns alle verstanden.
Meine Damen und Herren, ich möchte dann zu einer zweiten Abteilung kommen, zu den Ergänzungen und zu ein paar Zusammenhängen, die aus unserer Sicht in dieser ersten Lesung anzusprechen notwendig erscheint.
Es ist viel über die Gründe für den Absatzrückgang gesprochen worden, auch von Herrn Ministerpräsident Kühn. Aber es ist nur die Hälfte der ganzen Erkenntnis, wenn man nur vom Zuwachsen von 01 und von Importen spricht, wenn man nicht etwa auch die technische Entwicklung als eine Mitursache der Kohleprobleme überall in der Welt betrachtet.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es gibt eine Tendenz — wenn wir schon den Blick in die Zukunft wenden; und ich glaube, Herr Kühn hat das an manchen Punkten sehr gut getan —, die man so formulieren kann: Immer weniger Bergleute werden auch bei uns immer mehr Kohle fördern.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das ist eine Tendenz. Die muß man sehen. Man muß außerdem sehen, daß auch der Ausnutzungsgrad je Wärmeeinheit, der Grad der Ausnutzung der Kohle beim Abnehmer, ansteigt. Wir haben es also auch mit ein paar technischen Entwicklungen zu tun.
Meine Damen und Herren, die Zahlen über den Bergbau sind genannt. Ich will das hier nicht wiederholen. Aber ich meine, man sollte im Ausschuß viele Anregungen aufnehmen, die hier geäußert worden sind, etwa die — es ist noch eine Anregung, die uns Herr Kollege Otto Schmidt intern gegeben hat, die ich gern aufgreife —, daß man einmal versuchen sollte, das Problem nicht nur aus der Isolation auf das Kohleproblem zu lösen, sondern die Energiepolitik insgesamt zu sehen, aber auch die Strukturpolitik insgesamt und die Konjunkturpolitik insgesamt. Denn alles das darf man nicht in Scheibchen zerschneiden; sonst kommt, glaube ich, nichts Gutes dabei heraus.

(Zuruf von der SPD: Späte Erkenntnis!)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch eine Zahl — ich habe auf die anderen verzichtet —, und diese Zahl ist für unser Haus wichtig, wenn wir hier entscheiden werden. Wir haben von verschiedenen Sprechern gehört, daß wir über 270 000 Bergarbeiter weniger haben — „Beschäftigte im Bergbau" muß man sagen, nicht nur Untertagearbeiter — und daß wir über 80 Zechen schon geschlossen haben. Das wirkt sich für uns als die Verantwortlichen für die Bundesfinanzen natürlich aus. Ich möchte deshalb aus dem letzten Sozialbericht der Bundesregierung zwei Zahlen nur sagen, weil sie in die Debatte gehören: über das Verhältnis der Beiträge zu den Zuschüssen in der knappschaftlichen Rentenversicherung. Im Jahre 1957 betrugen die Beitragseinnahmen 960 Millionen, die Zuschüsse 679 Millionen. Im Jahre 1967 betrugen die Beitragseinnahmen 1 Milliarde, die Zuschüsse 2,781 Milliarden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das sind Zahlen, die muß man würdigen und anerkennen. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sollten eigentlich alle Steuerzahler empfinden wie wir, daß man hier nicht von „Versäumnissen" im Sinne von „zu wenig getan" sprechen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Realität gebietet uns, hier niemandem etwas vorzumachen. Kurzfristig ist auch durch das, was wir jetzt tun müssen, für den Bundeshaushalt eine Entlastung wohl kaum zu erwarten. Oder irre ich in dieser Frage? Herr Leicht und Herr Schiller sollten uns darauf auch eine ganz klare Antwort geben.
Nun möchte ich ein paar Daten nur über andere Länder sagen, weil das heute eine Rolle gespielt hat. Wir wissen sicherlich alle, daß jeder Vergleich schwierig ist, einmal, weil nicht Kohle gleich Kohle ist — nach der Art, dem Umfang und der Qualität —, zum andern, da ,die geologischen Bedingungen überall unterschiedlich sind — wir gehen 1000 Meter unter die Erde, die Amerikaner 50 und 100 Meter —, und daß natürlich auch ,die Verwendung und die Verkehrswege hierfür eine Rolle spielen.
Ich möchte aber noch ein Wort sagen, weil das draußen im Land eine Rolle spielt, aber auch hier. In unserem Nachbarland Belgien ist dieselbe Entwicklung wie bei uns festzustellen. Es gibt einen Absatzrückgang, bewirkt durch andere Energieträger, durch preiswertere US-Kohle. Die Förderung betrug 1957 29 Millionen t. Sie ist zurückgegangen auf 17,5 Millionen t im Jahre 1966 und soll bis 1970 auf 12 Millionen t zurückgenommen werden. Die Zahl ,der Schachtanlagen dort betrug 1957 120 und 1966 45. Ich meine, das muß man wissen, wenn man in Deutschland diese Dinge diskutiert.
In Frankreich — verstaatlichter Bergbau — haben wir ähnliche Erscheinungen: seit 1960 eine Förderungsrücknahme um 1 Million t je Jahr; Schachtanlagen 1957 108 an der Zahl, 1966 64 an der Zahl.
In Großbritannien ist die Lage ebenfalls gekennzeichnet durch einen Absatzrückgang: Förderung 1966 177 Millionen t, Förderziel für 1970 155 Millionen t.
Der Kohlenabsatz in den Niederlanden ist rückläufig: die Förderung 1966 betrug 10 Millionen t, das Förderziel 1970 5,4 Millionen t.



Dr. Barzel
Ausweitung der Kapazität dagegen gibt es in den USA und in Teilen Kanadas,

(Zuruf)

wo wegen des Tagebaus — ich danke für Ihren Zuruf — .die Kohle nicht nur als wettbewerbsfähig gilt, sondern es tatsächlich ist — auch gegenüber dem Öl, auch gegenüber .der Kernenergie —, und dies ohne staatliche Hilfe.
Es schien uns wichtig zu sein, ein paar dieser Gründe für den Absatzrückgang darzutun und das auch aus unserer Sicht noch einmal zu sagen.
Wir stimmen Ihnen gern zu, wenn Sie den Dank an ,die Bergarbeiter aussprechen, Herr Kollege Kühn. Ich glaube, daß kein Grund für den Absatzrückgang etwa zu finden ist im Mangel an Fleiß oder in fehlender Qualität der Arbeit unserer Bergleute; im Gegenteil ist da der Anstieg .der Förderziffer je Mann und je Schicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, hier ist viel von Ruhr und Saar und Emscher gesprochen worden. Ich bin eigentlich glücklich darüber, daß das hier geschehen ist; denn in der Vordebatte draußen konnte manchmal der Eindruck entstehen, als würde man vor lauter Plänen den Kumpel nicht mehr sehen und vor lauter wirtschaftlichen Überlegungen und volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und vor Zahlen und strukturellen Dingen und Statistiken sowie finanziellen Rücksichten übersehen, daß es um den Menschen geht, um Menschen — ich möchte das hier für die Saar wie für die Ruhr und für die Emscher sagen —, denen wir etwas schuldig sind.
Für die Saar haben Sie, Herr Röder, etwas Politisches angedeutet, was wir nie vergessen wollen und nie vergessen werden. Meine Damen und Herren, Sie müssen es einem Mann erlauben, der seine ersten politischen Schritte mit Karl Arnold machen durfte, daran zu erinnern, wie uns damals aus allen deutschen Ländern die Bitten erreichten: Liebe Kumpels an der Ruhr, krempelt eure Ärmel auf und geht noch eine Stunde und auch mal zum Wochenende in den Pütt, sonst kriegen wir keinen Wiederaufbau! Und, meine Damen und Herren, sie haben es getan.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Heute, nachdem nun der Wiederaufbau zu Ende ist und dort eine Schwierigkeit entstanden ist, haben diese Menschen eine einzige Bitte an uns, nämlich: Denkt bei allen Notwendigkeiten, denen wir uns nicht verschließen und denen wir uns auch nicht verschließen wollen, daran, daß wir nicht gesund bleiben können, wenn wir eine zu große Zahl potentiell Kranker haben, daß durch Ansteckung alle krank werden können. Sie wissen, was notwendig ist, aber sie bitten eben: Tut das Notwendige so, daß wir sehen, wohin die Reise morgen geht, eröffnet uns eine Perspektive und erleichtert uns das, was heute und morgen notwendig ist, durch klare soziale Absicherung. Ich glaube, diesem Wunsch sollte man entsprechen; ich sehe das in dem Programm der Bundesregierung bestätigt.
Ich will aber einen Schritt weitergehen. Wenn wir über Kohle sprechen, merken wir nicht nur aus den Zahlen und aus anderen Bereichen, daß wir hier nicht nur in der Solidarität der Steuerzahler als Nation angesprochen sind. Ich möchte deshalb diese Debatte dazu benutzen, den Teil der deutschen Industrie, der durch das Oel als Rohstoff und als Energiequelle besondere Vorteile gezogen hat, zu ermuntern, seine Solidarität zu beweisen, indem gerade er nun an der Ruhr investiert.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, das wäre ein Solidaritätsakt; diese Industrie sollte sich verpflichtet fühlen, durch eine solche Handlung das Investitionsklima an der Ruhr zu verbessern und Voraussetzungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schiller, Herr Schmidt und andere haben viel von Infrastruktur gesprochen, von einer neuen Situation für Ruhr, Emscher und Saar; dem kann man nur zustimmen. Ich möchte neben den Verpflichtungen des Bundes und der Länder noch einen Akzent hinzusetzen: ich glaube, daß sich auch die Nürnberger Anstalt diesem Gemeinsamen nicht verschließen sollte und hier, meine Freunde, eine Aufgabe sehen sollte, durch konstruktive Vorsorge vielleicht das spätere Auszahlen zu vermeiden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sind noch den vielen Mitbürgern in Deutschland ein Wort schuldig, die auch Strukturprobleme haben und nun sagen: Was geschieht dort alles an der Ruhr? Wir können es uns nicht so einfach machen, daß wir sagen, das Problem an Ruhr und Saar sei eben gekennzeichnet, was richtig ist, durch die räumliche Konzentration und Bevölkerungsdichte. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat dazu bedeutsame Zahlen vorgelegt, ebenso wie sein Kollege Röder von der Saar. Betroffen sind hier nicht nur die Bergarbeiter. Wenn wir versuchen, das den anderen Menschen klarzumachen, dann müssen wir auch denen an der Ruhr klarmachen, was andere schon hinter sich haben oder worin sie gerade noch begriffen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dazu gehört eben, wie ich meine, daß in einer modernen Industriegesellschaft nichts so zum Dauerzustand gehört wie strukturelle Veränderungen. Das gehört dazu, es ist ein Preis für ökonomischen Fortschritt und für Wachstum. Das muß man einfach sehen. Deshalb möchte ich doch wenigstens mit ein paar Strichen darauf hinweisen, daß wir auch anderen Bürgern unseres Landes bei diesem Prozeß, ein modernes Land zu bleiben, einiges zumuten mußten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und noch schuldig sind!)

- Und noch schuldig sind, natürlich!
Ich nenne zunächst ein paar Zahlen aus dem Bereich der Landwirtschaft. Die ist die andere heimische Produktion, mit der wir pfleglich umzugehen haben, wo im Prinzip — z. B. hinsichtlich der Billig-



Dr. Barzel
keit — dasselbe gilt, was ich vorhin bei der Kohle sagte.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland betrug 1949 1 939 000. 1966 sind es noch 1 423 000 Betriebe. Das sind 26 % weniger. Eine Zahl! Was verbirgt sich hinter ihr für ein menschliches Schicksal und auch was für eine Umschichtung?! Nehmen Sie eine andere Zahl hinzu: die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Familienarbeitskräfte betrug 1950/51 5 560 000, 1965/66 3 280 000, und die Zahl der Lohnarbeitskräfte in der Landwirtschaft betrug 1950/51 1,2 Millionen, 1965/66 noch 378 000. Meine Damen und Herren, dies ist eine Evolution, die auch ihren Rang hat und die ebenfalls in diese Gesamtbilanz in einer ersten Lesung gehört, wenn wir ein Strukturproblem aus einer anderen Ecke besprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich nenne etwas anderes, das Handwerk. Von 1956 auf 1963 hat sich die Zahl der Betriebe um 13 % vermindert. Jedes Jahr waren es rund 10 000 Betriebe weniger. Es gäbe viele andere Probleme. Ich wollte nur dartun, daß man hier den Blick ausweiten und das Ganze sehen muß. Ich nenne nur drei der anderen Probleme und auch diese nur in Schlagworten, die Lage der Textilindustrie, ich nenne die Lage des Zonenrandgebiets, und ich nenne Probleme des flachen Landes, wo Arbeitskräfte pendeln,

(Beifall bei der CDU/CSU)

auch ein Strukturproblem, dem wir unser Augenmerk widmen müssen.
Nun zurück zur Kohle! Wir möchten noch einmal sagen, für uns ist der Regierungsentwurf einschließlich dessen, was durch die Regierungserklärung dazugekommen ist, die Basis der Erörterung. Wir halten das für eine brauchbare Diskussionsgrundlage und ein zweckmäßiges Konzept. Die vielen anderen Vorschläge, die gemacht worden sind, sollte man im Ausschuß in die Diskussion einbeziehen, und zwar einschließlich des Vorschlages, den heute unser Freund Brand hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Steinkohleverbunds als eines Anpassungsinstrumentes gemacht hat.
Ich möchte aber im Hinblick auf manche Pressestimme in der Vordebatte hier noch etwas dazu sagen. Der Herr Bundeskanzler hat uns in dieser Debatte als Prinzip erklärt — und wir haben dem zugestimmt —, daß in dieser Frage das, was ökonomisch falsch sei, auf keinen Fall politisch richtig sein könne. Meine Damen und Herren, dem haben wir zugestimmt. Einige haben dann versucht, von draußen so einen Keil zwischen den Kanzler und den Bundeswirtschaftsminister zu treiben. Auch das ist nicht gelungen. Ich darf hier wohl, glaube ich, einmal sagen, daß das, was der Herr Bundeswirtschaftsminister hier heute vorgetragen hat, vom ganzen Kabinett getragen wird. Und ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß der Mann, der diesem Kabinett vorsitzt, unser Freund Kiesinger ist. Das sollte nun auch in der Presse deutlich genug werden. Hier sollte nicht versucht werden, noch alles Mögliche „auseinanderzupulen".
Erlauben Sie mir noch ein Wort zu dem, was in der Debatte hinsichtlich der „flankierenden Maßnahmen" gesagt worden ist. Herr Kollege Schiller, ich weiß nicht, ob Sie immer glücklich sind, wenn Sie feststellen, daß wohl nicht alle die gleiche Begabung, die Sie beim Wortschöpfen haben, hinsichtlich der richtigen Interpretierung dieser Worte haben. Wir interpretieren „flankierende Maßnahmen" als solche Maßnahmen, die die Seiten absichern, die nicht hemmen, sondern in derselben Richtung fördern. Das ist richtig verstanden? Ja. Wir verstehen diesen Begriff als nicht só, wie man es vor allen Dingen in der Vordebatte manchmal gehört hat, wo der Vergleich mit den zwei Leuten gezogen wurde, die an einem Seil ziehen, nur in verschiedenen Richtungen.

(Heiterkeit.)

Das ist nicht gemeint. Deshalb ist das Ziel des Gesetzes das Entscheidende, und flankierende Maßnahmen sind vernünftig, soweit sie zur Erreichung dieses Zieles helfen und nicht von dem Ziel wegführen, und sei es auch nur im zeitlichen Vollzug. Ich glaube, das sollte man hier sagen. Wahrscheinlich wird sich niemand diesen Schuh anziehen wollen.
Da der Herr Bundeswirtschaftsminister mit Recht mit einem Bekenntnis dazu begonnen hat, daß wir auch morgen Kohle aus deutschen Zechen brauchen, möchte ich dies für uns noch einmal unterstreichen. Wir haben es sooft getan, daß ich das nicht im einzelnen hier darzutun brauche.
Erlauben Sie mir aber, noch einen anderen Gesichtspunkt in diese Debatte einzuführen. Mit dem, was wir hier nun die „geordnete Rückführung" des Kohleabsatzes, der Kohleförderung zu nennen uns angewöhnt haben, passiert ein schwerwiegender Eingriff, es wird eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen, und wir treffen eine weitgehend nicht reparable Entscheidung.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das muß man festhalten, und deshalb muß hier noch manches sorgsam erwogen werden. Ich freue mich, daß heute, von ein paar Sachen, die Leben in den Saal gebracht haben, abgesehen, doch eine sehr einmütige Auffassung entstanden ist. Dies, meine Damen und Herren, ist zu ernst, als daß es ein Feld für Prestige- oder Parteipolitik sein sollte. Dies ist aber auch zu ernst, als daß es nur aus einer aktuellen betriebswirtschaftlichen oder haushaltspolitischen Situation beantwortet werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn hier werden Weichen für die Zukunft gestellt.
Auf der anderen Seite gehört dazu, daß wir auf die Energieverbraucher Rücksicht nehmen. Wir brauchen für unser Land Export, wie ein Fisch das Wasser braucht. Wir müssen feststellen, daß in dem, was wir an Konjunktur in den letzten zwei Jahren hatten, natürlich diejenigen ganz vorn marschierten, die hier in unserem Lande ihre industrielle Tätigkeit auf der Basis von Öl aufgebaut haben. Das muß man gegen-



Dr. Barzel
einander abwägen. Und wenn, wie aus einer Eingabe, die uns alle erreicht hat, hervorgeht — ich kann es nicht kontrollieren —, daß im Durchschnitt in der chemischen Industrie — um die es doch hier im wesentlichen geht — der Anteil der Energiekosten an den Gestehungskosten der Schlüsselprodukte 50 % beträgt, dann ist dies ein schwerwiegendes Problem für unsere Volkswirtschaft.

(Zuruf.)

— 50 %, ja!
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten in diesem Hause noch ein anderes sehen. Wir haben hier nicht nur ein Problem, sondern auch eine große Chance. Wir haben die Chance, in einer Zeit, in der eine Diskussion von den Flügeln her durch unser Land geht, zu zeigen, wie eine freie Gesellschaft durch Diskussion und Entscheidung schwierige Fragen sozial gerecht zu lösen vermag. Wir haben die Chance, zu beweisen, daß die beiden großen Parteien gewillt und imstande sind, nicht nur eine Große Koalition zu bilden und zu erhalten, sondern auch große Fragen zügig und sachgerecht anzupacken und zu entscheiden, und wir haben die Chance — und das beinhaltet immer auch die Pflicht —, jedermann deutlich zu machen, daß Demokratie entschlossenes Handeln nach Diskussion ist. Das, meine Damen und Herren, muß man dem einen oder anderen draußen wohl sagen.
Die Opposition hat uns in der Vordebatte gemahnt, hier nichts zu dramatisieren. Ich glaube nicht, daß das durch die Regierung oder durch uns geschehen ist. Aber es gilt, glaube ich, noch an ein anderes zu denken. Ich habe immer zu denen gehört, die der Meinung waren, daß wir die Fragen, die draußen an uns gestellt werden, auch hier im Hause ansprechen müssen, um unserem Rang als das erste Gesprächsgremium der Nation zu entsprechen. Es wird draußen auch manches Böswillige behauptet. Das muß durch diese Debatte oder durch den Ausschußbericht völlig aus der Welt. Da wird behauptet, wir seien dabei, unsere Kohle an das Ausland zu verkaufen; oder es wird behauptet, wir seien, anders als im Zeichen der Diktatur, nicht mehr imstande, aus Kohle Benzin oder Butter oder ähnliches zu machen. Alle diese Argumente, auch wenn sie dumm sind, auch wenn sie böswillig sind, müssen beantwortet werden.
Es muß manches beantwortet werden. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat ein paar Fragen nach der künftigen Energiebilanz gestellt; die Fragen müssen beantwortet werden. Es ist uns eine Information zugegangen, nach der im Jahre 2000 fünf Sechstel der Erdölproduktion der Welt allein für Rohstoffe gebraucht würden und deshalb kein Platz mehr sei für Mineralöl als Benzin z. B. in Automotoren. Auch das ist eine Frage, auf die wir eine Antwort geben müssen. Wenn wir das nämlich nicht tun, dann wird man das Gefühl haben, wir redeten über die Köpfe der Menschen hinweg.
Dabei stellt sich auch eine Frage, auf die wir, glaube ich, im. Ausschuß oder heute eine Antwort geben müßten, eine Frage, die die Regierung beantworten kann: Die Bürger draußen, vor allem die Betroffenen an der Ruhr, fragen uns, ob etwa die
Solidarität der europäischen Gemeinschaft anders sei, wenn es sich um Weizen aus Frankreich, und anders, wenn es sich um Kohle aus Deutschland handle.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Frage müssen wir beantworten, diese Frage müssen wir hier aufgreifen, damit jeder spürt, wir fällen hier nicht eine parteipolitische, koalitionspolitische Tagesentscheidung, sondern wir haben eine solide Grundlage für den Entwurf und haben eine Perspektive, die völlig klar verantwortet ist vor dem, was man heute voraussehen kann. Und ich meine, -dazu gehört auch die Frage, die unser Freund Burgbacher immer wieder aufwirft, ob es denn vernünftig sei, in den Energieimporten über die 50 %-Marke in der Gesamtbilanz hinauszukommen.
Für uns als Bundestag aber bleibt eine Frage, die wir selbst beantworten müssen und die wir uns in den Ausschüssen redlich beantworten sollten, bevor wir in die zweite und dritte Lesung gehen, nämlich die Frage: Was kostet dies alles? Was kostet dies die Volkswirtschaft? Was kostet die Stillegung von Förderkapazität den Bundeshaushalt, und was kosten die neuen Arbeitsplätze, von denen der Ministerpräsident Kühn gesprochen hat? Das sind, glaube ich, wichtige Fragen.
Ich möchte nur noch zu einem Punkt etwas sagen und dann zum Schluß kommen, nämlich zu der Frage der „Einheitsgesellschaft". Es mag sein, daß sich so etwas in dieser oder jener Form am Schluß der Debatte im Ausschuß als unausweichlich nötig dartut. In welcher Form, das weiß heute eigentlich noch keiner. Ich möchte aber dreierlei dazu sagen.
Erstens: Manche nennen dieses Wort „Einheitsgesellschaft" gläubigen Auges, und manche hören dieses Wort und erwarten Wunder. Ich meine, wir sollten gleich nüchtern sagen, daß für Wunderdoktoren hier kein Platz ist; denn es geht um schmerzhafte Eingriffe, es geht um Operationen. Deshalb wäre es vielleicht gut, ein ideologisch weniger anspruchsvolles Wort zu finden als dieses, das Hoffnungen erweckt, die hier nicht begründet sind.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.• Zweitens: Wir wollen uns nichts vormachen. In dem, was hier geschieht, wie immer die Gesellschaft heißen wird und wie immer die Form der Organisation sein wird, entsteht ein Präjudiz. Wir treffen eine Entscheidung von einer weittragenden Konsequenz, eine Entscheidung, auf die sich andere Bereiche und andere Regionen auch dann berufen werden, wenn die Tatbestände nicht vergleichbar sind. Deshalb ist hier sorgsam alles abzuwägen. Und das Dritte, über das wir uns auch Rechenschaft geben sollten: Wie immer am Schluß die Form aussehen wird, ordnungspolitisch entsteht ein größeres Engagement des Staates und eine unmittelbarere Verantwortung des Staates für einen Wirtschaftsbereich. Das sollte uns veranlassen, Dr. Barzel höchst konkret im Ausschuß darüber nachzudenken und möglichst die Grenzen für Engagement und Verpflichtung nicht nur zu sehen, sondern auch in den Entscheidungen direkt zu ziehen. Hier sollte man, meine ich, daran denken, daß ein Grad, so oder so der Kurs gelegt, hier unmittelbar vor unseren Augen ein Millimeter ist, aber im Hinblick auf die Präjudizien und alles andere schon tausend Meter später ein großer Brocken ist, und das heißt hier: eine große Menge Steuergeld bedeutet. Wir müssen ganz genau abmessen, wieweit wir mit diesem Engagement und mit dieser Mitverantwortung gehen wollen. Wir möchten gern alles das, was hier unausweichlich notwendig wird — wir begrüßen natürlich auch die konstruktive Haltung der Beteiligten auf allen Seiten, die hierzu in der letzten Zeit zu spüren ist —, soweit wie irgend möglich privatwirtschaftlich betreiben. Meine Damen und Herren, Engagement und Verantwortung des Staates für den Bereich der Kohle sind ohnehin schon sehr, sehr weitgehend. Wir wissen, daß das nicht nach normalen marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben ist. Aber wir sollten uns bei jeder zusätzlichen staatlichen Intervention, bei jeder zusätzlichen staatlichen Verantwortung, bei jedem zusätzlichen staatlichen Engagement überlegen, daß jedes zusätzliche Engagement am Schluß nicht nur heißt zusätzliches Steuergeld, sondern auch zusätzliches Hineinziehen der staatlichen Autorität — und damit potentielles Abnutzen der staatlichen Autorität — in wirtschaftliche Bereiche. Dies sollten wir bei all dem nicht außer acht lassen, so meinen wir. Ich komme zum Schluß dieser Debatterede. Es ist eine erste Lesung. Wir legten Wert darauf, einige Zusammenhänge hier noch darzutun und einige Antworten zu geben. Ich hoffe, sie waren nirgendwo verletzend — wenigstens war das meine Absicht —, aber doch deutlich genug für das, was hier zurückzuweisen war. Wir sollten bei den Beratungen im Ausschuß, wo noch viel zu tun ist, nicht nur die Fragen beantworten, die die Bürger draußen uns stellen — einige habe ich übernommen —, sondern auch bereit sein, die Vorschläge, die andere Sachkundige oder Besorgte an uns herantragen, zu erörtern. Wir stehen vor einem Problem, das wir lösen müssen, wenn wir ein modernes Land bleiben wollen. Das Problem ist lösbar, und ich glaube, es wird um so leichter lösbar sein, je mehr wir unsere Leidenschaft allein dem zuwenden, was hier allein helfen kann, nämlich Nüchternheit und Sachgerechtigkeit der Antworten. Als Beauftragtem des Bundesrates gebe ich das Wort dem Herrn Staatssekretär Sackmann. Herr Bundestagspräsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn in einer Debatte dieses Hohen Hauses, in der Sie um den richtigen Weg in der Energieund Kohlepolitik ringen, der Vertreter des Landes Bayern das Wort ergreift, dann werden Sie verstehen, daß gerade dieses Land mit seiner Revierferne, mit seiner Energiearmut ein besonderes Interesse an der Lösung der anstehenden Fragen hat, ein Land, dessen blühende Wirtschaftsräume entlang einer Grenze von rund 800 km durch den Eisernen Vorhang zerschnitten worden sind, der Absatzund Rohstoffmärkte getrennt hat, ein Land, wie es heute auch Herr Bundestagsabgeordneter Barzel bereits dargelegt hat, mit einem Zonenrandgebiet, das Strukturprobleme aufzuweisen hat, die nicht leicht zu lösen sind, mit einem Zonenrandgebiet, das noch in diesem März in weiten Bereichen 30 und 40 % Arbeitslose aufzuweisen hatte, Menschen, die erst vor wenigen Jahren aus einer hohen Arbeitslosenziffer durch die Maßnahmen, die die Bundesregierung dankenswerterweise mit dem regionalen Förderungsprogramm eingeleitet hat, aus einer Lethargie und aus einer Hoffnungslosigkeit herausgelöst worden sind und die nun, nachdem sie gerade den Saum des Wirtschaftswunderkleides ein bißchen erfaßt hatten, als erste wiederum von der Rezession betroffen werden. Dann werden Sie vielleicht verstehen, daß wir auch die Töne, die draußen in der öffentlichen Diskussion und auch in diesem Hohen Hause am heutigen Tage angeklungen sind, als etwas gefährlich betrachten; denn wenn Probleme, die nüchtern gesehen werden sollten, allzusehr von Gefühlsmomenten durchdrungen sind, wie es manchmal der Fall ist, entsteht vielleicht ein verzerrtes Bild in der Offentlichkeit. Mit dieser Feststellung soll keine negative Wertung getroffen werden. Es ist verständlich, wenn durch die Strukturveränderungen auf dem Energiemarkt vornehmlich die betroffenen Wirtschaftszweige und natürlich erst recht die Kumpels an der Saar und an der Ruhr mit ihren Familien in banger Sorge um ihre Zukunft, um ihren Arbeitsplatz, mit uns um die Lösung dieser Probleme ringen. Heute morgen hat ein Kommentator in der „Süddeutschen Zeitung" geschrieben, daß es den Kumpels darum gehe, die Wahrheit zu erfahren, daß es ihnen darum gehe, Hilfe zu finden und kein Almosen zu erhalten, daß es ihnen darum gehe, nicht Trost zu bekommen oder vertröstet zu werden. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen. Gerade die revierfernen Länder haben in den vergangenen Jahren wohl den Beweis dafür geliefert, daß sie die schwierige Situation des Steinkohlebergbaus, eines auch sicherlich noch für alle Zukunft lebenswichtigen Wirtschaftszweiges, niemals unterbewertet haben. Wir haben die Bereitschaft, dafür Opfer zu bringen, auch stets im Bundesrat bekundet. Es ist unbestritten, daß die Lösung des Steinkohleproblems — mag sich dieses auch in einem regional begrenzten Wirtschaftszweig darstellen — letztlich eine die gesamte Bundesrepublik angehende Frage ist. Ich möchte noch weitergehen und sagen, daß sie endgültig nur im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft gelöst werden kann; sie muß sogar in dieser Gemeinschaft gelöst werden. Staatssekretär Sackmann Da das Fehlen einer gemeinsamen energiepolitischen Konzeption in der Gemeinschaft gemeinschaftliche Maßnahmen umfassender Art derzeit nicht zuläßt, sind wir allerdings im Augenblick wohl noch darauf angewiesen, die Frage von uns aus zu ordnen. Lassen Sie mich die positive Haltung der revierfernen Länder an einigen Beispielen demonstrieren. Der bayerische Verbraucher brachte für die zweckgebundene Heizölsteuer immerhin im Jahre 1966 100 Millionen DM auf, bei einem Gesamtaufkommen von ca. 800 Millionen DM, ein Betrag, der nur noch geringfügig in Form eines Darlehens für die „Ferngas Nordbayern" oder für die Frachthilfe im Rahmen der Verstromungsgesetze wieder zurückgeflossen ist. Wenn wir berücksichtigen, daß die Kohleverstromung besonders im reviernahen Bereich mit Hilfe von Heizölsteuermitteln gefördert werden sollte, so ergeben sich für die ersten neun Monate des Jahres 1967 folgende Zahlen, die wir hier vielleicht darlegen können. Mit Hilfe dieser Verstromungsgesetze ist ein Heizölminderverbrauch der Kraftwerke von 320 000 t Steinkohleeinheiten und ein Mehrverbrauch an Steinkohle von 342 000 t Steinkohleeinheiten erreicht worden. Dies ist nicht zuletzt auf die Haltung der stromerzeugenden Unternehmen in den süddeutschen Ländern zurückzuführen. Nach den mir vorliegenden Zahlen nahm allerdings überraschenderweise in den ersten neun Monaten des Jahres 1967 der Kohleverbrauch bei der Stromerzeugung in den Ländern Nordrhein-Westfalen und dem Saarland ab. Hessen, Bayern und Baden-Württemberg haben hier ihre Umsätze wesentlich gesteigert. Lassen Sie mich ein klein wenig von den Sorgen sprechen, die wir eventuell von weiteren restringierenden Maßnahmen erwarten müssen. Wenn die Probleme in der Form, wie das da und dort vorgetragen worden ist, eine Lösung finden würden, müßten gerade die revierfernen Bereiche in besonders harter Weise getroffen werden. In den letzten Jahren ist ohnehin von Ost nach West ein sehr starkes Energiepreisgefälle entstanden. Wir in unseren von der Natur aus benachteiligten und mit wirtschaftlichen Strukturschwierigkeiten belasteten Gebieten haben ohnehin in bezug auf den Wettbewerb große Sorgen. Eine Durchsetzung der oben genannten Tendenzen würde letztlich bedeuten, daß die in unseren Zonenrandgebieten erzielten Erfolge eingefroren oder sogar abgebaut werden. Ich würde eine solche Politik für verfehlt halten. Ich befinde mich dabei in guter Gesellschaft. Diese Meinung entspricht nicht nur der erkennbaren Auffassung der Bundesregierung, sondern auch den Erwägungen, die bei den bisherigen energiepolitischen Überlegungen in der Gemeinschaft angestellt worden sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat heute in seiner Rede deutlich und klar eine Auffassung zum Ausdruck gebracht, von der wir nur hoffen können, sie möge sich weitgehend durchsetzen. Es liegt mir fern, heute vor dem Hohen Hause in die sachlich sehr schwierige Diskussion der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Energiekosten einzutreten. Ich möchte mich vielmehr mit der Feststellung begnügen, daß die Energiekosten für die Gesamtwirtschaft schlechthin, speziell aber für einige besonders energieintenvise Wirtschaftszweige von einer für die Wettbewerbsfähigkeit nicht unerheblichen Bedeutung sind, daß der Energiekostenanteil in der Zukunft kaum absinken wird und daß daher die Höhe der Energiepreise für die zukünftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung von nicht zu vernachlässigender Bedeutung sein wird. Über diese Feststellungen sollten wohl keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. Das Gewicht dieser Feststellungen zeigt sich in besonders starkem Maße in den revierfernen Ländern, deren Wirtschaft aus den Gegebenheiten der Standortungunst heraus Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit stärker zu spüren bekommt als die Wirtschaft im Revier. Es wäre dieser Wirtschaft nicht nur die im Interesse der kontinuierlichen Wirtschaftsentwicklung erforderliche Gewinnung neuer Märkte erschwert; sie müßte auch befürchten, erworbene Positionen zu verlieren. Die Wahrung des in hartem Wettbewerb errungenen Besitzstandes dieser Wirtschaftsräume auf dem Markte scheint mir daher ein Anliegen zu sein, das nicht vernachlässigt werden darf. Die Strukturveränderungen auf dem Energiemarkt haben sich aus ökonomischen Gründen im energiearmen Bereich zwangsläufig rascher zugunsten des Mineralöls vollzogen als im Revier. Unter diesem Aspekt war bereits die Einführung und die Verlängerung der Heizölsteuer für den revierfernen Bereich von schwerwiegender Bedeutung. Gleichwohl haben die Länder diesen Maßnahmen unter der Voraussetzung zugestimmt, daß es sich um Übergangsmaßnahmen, nicht aber um Dauerbelastungen eines bestimmten Energieträgers handelt. Mit der Zustimmung zu den Kohleverstromungsgesetzen haben diese Länder eine weitere Hypothek auf sich genommen. Die Aufbringung der notwendigen Mittel wird es mit Sicherheit erfordern, daß die für das Auslaufen der Heizölsteuer derzeit gesetzten Daten wohl nicht in vollem Umfang eingehalten werden können. Um so nachdrücklicher müssen alle etwaigen Erhöhungswünsche angesichts der zu erwartenden Folgen im revierfernen Bereich mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Die Folgen der auf Initiative der Bundesregierung zustande gekommenen Selbstbeschränkung der Mineralölwirtschaft sollten uns davon abhalten, diesen Weg der restringierenden Maßnahmen gegenüber dem Heizöl weiter zu beschreiten. Sicherlich hat die Mineralölwirtschaft auf Grund der freiwilligen Beschränkung von ihrem zulässigen Soll von 3 % Zuwachs in diesem Jahr erst 1 °/o im Jahresschnitt erreicht und im Oktober statt der zugelassenen 5 % bisher nur 4 % in Anspruch genommen. Ob aber diese Selbstbeschränkung der Kohle die Hilfe gebracht hat, die man erwartet hat, möchte ich doch ein klein wenig bezweifeln. Auf jeden Fall muß aber künftig die Anwendung dieser Maßnahme hinfällig werden. Die Entwicklung Staatssekretär Sackmann der letzten Jahre hat gezeigt, daß die restringierenden Maßnahmen gegenüber dem Mineralöl nicht ausgereicht haben, den Absatz der Steinkohleförderung in der von der Steinkohle gewünschten Größenordnungzu sichern. Es wird gewiß notwendig sein, in zeitlichen Anpassungsplänen und -maßnahmen, die aufeinander abgestimmt sind, das Einpendeln der Produktion auf ein bestimmtes stabiles Absatzvolumen herbeizuführen. Ich darf an den steigenden Absatz der Steinkohle bei der Verstromung erinnern. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß die Kokskohleregelung auf Grund der Entscheidung der Hohen Behörde zu einer beachtlichen Stabilisierung der Liefermöglichkeiten von Kokskohle im Jahre 1967 geführt hat. So betrug der Koksverbrauch in Hochöfen in der Zeit von Januar bis September 1967 insgesamt 12,4 Millionen t gegenüber 12,2 Millionen t im Vorjahr. Diese Zahlen scheinen mir ein Indiz dafür zu sein, daß es um die Zukunft der deutschen Steinkohle heute weit besser bestellt wäre, wenn man das Hauptgewicht der Maßnahmen in früherer Zeit weniger auf die Zurückdrängung des konkurrierenden Mineralöls gelegt hätte als auf die Sicherung und Erweiterung der Absatzmöglichkeiten der Steinkohle, zum einen durch die Subvention beim Verbraucher, wie es beim Verstromungsgesetz geschieht, und zum anderen vor allem durch die Rationalisierung und die Produktivitätssteigerung, die manchmal noch etwas zu wünschen übrig läßt und wo die Verantwortlichen im Kohlebereich vielleicht zehn Jahre zu spät geschaltet haben. Ich kann mir die Feststellung nicht ersparen, daß die Kohle im letzten Jahrzehnt manches versäumt hat. Eine flexible Preispolitik der Kohle gerade in den revierfernen Bereichen hätte mit Sicherheit zugunsten der Kohle Marktanteile erhalten und gehalten, die heute anderen Energieträgern zugefallen sind, da die preisliche Überlegenheit augenfällig war. Wir müssen uns vor Augen führen, daß da, wo die preisliche Gleichstellung der Kohle durch öffentliche Subvention heute sichergestellt ist, nämlich bei der Verstromung, der Kohleabsatz im revierfernen Bereich gestiegen ist, während er im reviernahen Bereich gefallen ist. Das zeigt doch deutlich, daß die Bereitschaft zum Kohleverbrauch im revierfernen Bereich in starkem Maße vorhanden ist, wenn die Kohleversorgung zu auskömmlichen Preisen gewährleistet ist. Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel bringen. Die Praktizierung des zweiten Kohleverstromungsgesetzes hat gezeigt, daß etwa bayerische Stromerzeuger selbst dann bei der Kohleverstromung bleiben, wenn ihnen wegen nicht 'ausreichender Mittel im Bundeshaushalt keine volle Abdeckung des Wärmepreisunterschiedes .gegenüber dem Heizöl zugesichert werden kann. Diese Fakten sollten uns ermutigen, der deutschen Steinkohle alle Möglichkeiten zu eröffnen, im Wettbewerb mit den anderen Energieträgern zu bestehen, indem man den Weg ,der gezielten Subvention des Kohleverbrauchs beim Verbraucher und die Rationalisierung und Produktivitätssteigerung weiter fortsetzt. Das Idealergebnis derartiger Bemühungen wäre es, wenn die Kohle allen Verbrauchern in der Bundesrepublik zu gleichen Preisen angeboten werden könnte, wenn also die unterschiedliche Frachtbelastung der Steinkohle etwa durch entsprechende Frachtausgleichsmaßnahmen aufgefangen werden könnte. Der Gesichtspunkt, daß derartige Regelungen mit den Wettbewerbsbestimmungen 'der Montanverträge nicht in Einklang gebracht werden können, dürfte angesichts der Haltung der europäischen Organe bei der Erörterung der Subventionsentscheidung und der Kokskohleentscheidung, aber auch bei der Konsultation hinsichtlich der Kohleverstromungsgesetze an Wert verlieren. Es zeigt sich doch deutlich, daß hier manche, früher für unumstößlich gehaltene Prinzipien aufgegeben oder zumindest doch durchbrochen worden sind. Ich hielte 'diesen Weg für erfolgversprechender als den Weg der weiteren Perfektionierung der restringierenden Maßnahmen gegenüber ,dem derzeitigen Hauptkonkurrenten ,der Steinkohle, dem Mineralöl. Wir sollten uns auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die in Deutschland zutage getretene Strukturentwicklung in der Energiewirtschaft nicht auf 'den europäischen Bereich beschränkt ist, sondern daß sie Ausdruck einer weltweiten Bewegung ist. Die Zahlen ides Weltenergieverbrauchs, aber auch das Material, das die Europäische Gemeinschaft und auch ,die OECD zur Verfügung gestellt haben, lassen dies allzu deutlich erkennen. Wir sollten auch nicht übersehen, daß neue Energieträger in den Markt einzudringen beginnen, die die Position der bisher auf dem Markt befindlichen Energieträger nicht unangetastet lassen werden. Ist es in den nächsten Jahren das Erdgas, das neue Märkte sucht, so steht im Hintergrund die Kernenergie, deren Wirtschaftlichkeit schon heute unbestritten ist und die dann ebenfalls auf den Markt zukommen wird. Wenn wir heute den Weg des Protektionismus zugunsten der deutschen Steinkohle gegenüber dem Mineralöl gehen sollten, so wären wir in wenigen Jahren gezwungen, das Bündel der restringierenden Maßnahmen auch gegen das Erdgas und die Kernenergie zu richten. Dies würde aber bedeuten, daß die deutsche Energiewirtschaft von den Möglichkeiten ,des Fortschritts der energiewirtschaftlichen Entwicklung wenigstens zum Teil ausgeschlossen bliebe. Der exportorientierten deutschen Wirtschaft wäre damit kein guter Dienst erwiesen. Daß in einer solchen Entwicklung der revierferne Bereich in besonderem Maße betroffen würde, bedarf keiner näheren Erläuterung. Es war mein Anliegen, Ihnen nüchtern und sachlich die Erwartungen Bayerns, eines revierfernen und energiearmen Landes, hinsichtlich der künftigen deutschen Energiepolitik darzulegen. Lassen Sie mich noch einmal sagen und klar ausdrücken: Die Bereitschaft, der deutschen Steinkohle in ihrer bedrängten Situation zu helfen und dafür ein Opfer der Gesamtheit zu 'bringen und ihr eine angemessene Marktbeteiligung zu sichern, hat sich in den Staatssekretär Sackmann letzten Jahren bereits erwiesen. Diese Bereitschaft wird auch jetzt und in Zukunft bestehen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arendt. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Herrn Bundeswirtschaftsminister sind von verschiedenen Seiten Dankesworte für die Vorlage dieses Gesetzentwurfes ausgesprochen worden. Ich möchte von dieser Stelle ausdrücklich den Bergarbeitern und den Bergbauangestellten in den Steinkohlenrevieren der Bundesrepublik den Dank dafür sagen, daß sie trotz der materiellen und sozialen Belastungen in diesen zehn Jahren der Krise auf der demokratischen Grundlage dieses Staates ihre Pflicht tagein, tagaus erfüllt haben. Bevor ich mich mit dem Gesetzentwurf im einzelnen auseinandersetze, möchte ich gern Gelegenheit nehmen, Herr Kollege Dr. Barzel, zu Ihrer Bemerkung eine Bemerkung meinerseits zu machen. Wenn Sie davon sprachen, daß die Bundeszuschüsse zur knappschaftlichen Sozialversicherung im Jahre 1967 gegenüber 1957 so stark angestiegen sind, dann könnte der Nichteingeweihte den Eindruck gewinnen, daß hier das Parlament durch seine Entscheidung einen Großteil der sozialen Sicherung der Bergleute erfolgreich abgeschlossen hat. Ich darf Ihnen sagen, erstens muß es heißen: Bundeserstattung. Denn die knappschaftlichen Versicherungen haben eine ganze Reihe von wesensfremden Leistungen, beispielsweise Kriegsfolgeleistungen, übernommen. Es wäre nicht gut, sie in diesem Zusammenhang zu nennen. Zweitens muß man sagen, daß durch die Entwicklung in der Energiepolitik und insbesondere im Steinkohlenbergbau und in den Steinkohlenrevieren die Zahl der Versicherten im Verhältnis zu den Rentenempfängern gewaltig zurückgeht. Das Verhältnis ist heute so, daß 100 Versicherten 165 Rentenempfänger gegenüberstehen. Und nicht zuletzt ist die Zahl der Rentenempfänger — wie Sie ganz richtig gesehen haben — deshalb gestiegen, weil in der Zeit nach 1945 die Bergleute auch in Überund Sonntagsschichten einen Tribut in Form ihrer Gesundheit gebracht haben, so daß heute Tausende und aber Tausende von Bergleuten frühzeitig ausscheiden müssen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Arendt: Bitte sehr! Erlauben Sie mir statt einer Rede eine Frage an Sie zu stellen, die, wie ich glaube, von Ihnen zu beantworten im Interesse unserer Zusammenarbeit und für die Menschen draußen wichtig wäre. Ist Ihnen bekannt, daß ich den Sozialplan der Bundesregierung, also die zusätzlichen Leistungen, ausdrücklich als erforderlich und begrüßenswert bezeichnet habe und daß ich mit keinem Wort den Eindruck erweckt habe, als seien die Probleme der sozialen Sicherheit der Bergarbeiter erledigt? Nein, das habe ich schon vernommen, Herr Kollege. Es sollte auch gar nicht als Kritik gelten; ich wollte nur an die Adresse der Nichteingeweihten sagen, daß es sich hier nicht um zusätzliche soziale Leistungen handelt, sondern einfach um eine Folge der Entwicklung, die eingetreten ist. Nun zu diesem Gesetz. Sie haben gefragt, was in der Vergangenheit falsch war. Ich will nicht über diese 10 Jahre Krise reden. Aber wenn gefragt wird, was falsch war, würde ich — ich persönlich — meinen, daß z. B. sowohl der Rationalisierungsverband — Sie erinnern sich, daß wir ihn zum Teil als Beerdigungsinstitut erster Klasse bezeichnet haben — als auch die Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohle falsch waren. Ich möchte hinzufügen: wenn das vorliegende Gesetz, das als Kernstück der kommenden energiepolitischen Debatten in den Ausschüssen anzusehen ist, nicht in ganz entscheidenden Punkten geändert wird, dann wird das ein Stillegungsverband III. Das ist die Lage. Denn in der Begründung des Gesetzes heißt es — das ist die Zielsetzung und eine Zentralaufgabe dieses Gesetzes —, es kommt darauf an, recht schnell eine Anpassung der Förderung an die Absatzbedingungen vorzunehmen. Herr Kollege Arendt, wenn Sie schon von Versäumnissen und Fehlern der Vergangenheit sprechen, würden Sie dann nicht auch meinen, daß das Festhalten an einem Ziel von 140 Millionen t in den vergangenen 10 Jahren seitens Ihrer Gewerkschaft und ihrer Führung ebenfalls zu diesen Fehlern gehört? Herr Blumenfeld, da will ich Ihnen gleich ganz offen etwas sagen: aus meinem Munde haben Sie noch nie gehört, daß wir die 140-Millionen-t-Förderung als das erstrebenswerte Ziel ansehen. Lassen Sie mich noch ein Wort als Vorsitzender der IG Bergbau und Energie hinzufügen. Wir haben uns zu keiner Zeit als Maschinenstürmer bewegt oder entwickelt. Wir haben uns zu keiner Zeit dafür eingesetzt, daß auch die letzte Schachtanlage erhalten bleibt. Aber wofür wir uns eingesetzt haben und wofür wir uns auch einsetzen, ist, daß sich der Strukturwandel nicht auf dem Rücken der sozial Schwächsten vollzieht. (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Das hätte sich aber leichter vor fünf Jahren durchziehen lassen!)


(Zustimmung bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118700
Prinz Konstantin von Bayern (CSU):
Rede ID: ID0513118800




(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Beifall in der Mitte.)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513118900
Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0513119000

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513119100
Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0513119200

(Beifall in der Mitte.)

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0513119300

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)


(Zuruf von der Mitte: Sicher!) — Bitte sehr, Herr Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0513119400

(Beifall in der Mitte.)

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0513119500



Arendt (Wattenscheid)

— Da haben doch die Manager versagt; sonst hätten sie das ja getan.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Leider mit Ihnen! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Na ja; warten Sie einmal ab. Wenn in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind, so heißt das doch nicht, daß wir sie jetzt wiederholen müssen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Nein, nein; aber sprechen wir lieber nicht über die Schuldfrage!)

Der Gesetzentwurf hat eine schnelle Anpassung der Förderung an die Absatzmöglichkeiten zum Ziel. Man muß deshalb in diesem Zusammenhang ein paar Bemerkungen zu der Drei-Phasen-Vorstellung des Bundeswirtschaftsministers machen, auch wenn das nicht im Gesetzentwurf steht. Nach dieser Drei-Phasen-Vorstellung würde im nächsten Jahr die verstärkte Anpassung durch Stillegung beginnen und durchgeführt werden. Das würde bedeuten, daß sich das, was in der Vergangenheit mit der Ankündigung der Schachtanlagen „Pluto" und „Hansa" geschehen ist, etwa 20- oder gar 30mal wiederholen würde. Das würde bedeuten, daß die Zahl der arbeitslosen Bergleute in der nächsten Zeit einen gewaltigen Sprung nach oben machen würde.
Nun ist davon die Rede, daß natürlich durch einige Maßnahmen auf dem Gebiete der Strukturveränderung eine ausreichende Zahl von gleichwertigen Arbeitsplätzen geschaffen werden soll. Das unterstützen wir sehr. Aber, meine Damen und Herren, man muß hier in aller Deutlichkeit sagen, daß in einer so kurzen Zeit eine ausreichende Zahl von gleichwertigen Ersatzarbeitsplätzen nicht zu schaffen ist. Nach den neuesten Untersuchungen — diese Zahlen stammen gar nicht von uns — liegt der Investitionsaufwand, der Kapitalaufwand für die Schaffung eines Arbeitsplatzes in der Größenordnung bei 100 000 DM. Wenn nur 50 000 Bergarbeiter in ganz kurzer Zeit einen anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz dort in den Zentren des Bergbaus, an der Ruhr, an der Saar und in Aachen erhalten sollen, wäre ein zusätzlicher Kapitalaufwand von 5 Milliarden DM erforderlich. Auch diese Größenordnung muß man einfach einmal sehen, abgesehen von den Schwierigkeiten, die auch auf anderen Gebieten unseres Lebens einsetzen würden.
Nun ist hier — und das ist auch durch den Bundeswirtschaftsminister gesagt worden — die Möglichkeit vorgesehen, daß eine andere Organisationsform des Bergbaus Platz greifen muß. Dabei ist insbesondere der Rheinstahl-Plan erwähnt worden. Meine Damen und Herren, ich möchte gar nicht im einzelnen zu den Plänen, die in letzter Zeit bekanntgeworden sind, ob es sich um den Ochel-Plan, den Funcke-Plan, den Söhngen-Plan, den Russe-Plan, den IG-Bergbau-Plan, oder was weiß ich, handelt, etwas sagen. Ich möchte nur ein paar Bemerkungen zu diesem sogenannten Rheinstahl-Plan machen, weil nicht nur Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums mit Vertretern dieser Vorstellung verhandeln, sondern weil der Eindruck bei mir entstanden ist, daß diese Verhandlungen ziemlich konkret geworden sind und daß damit zu rechnen ist, daß diese Vorstellungen auch realisiert werden sollen.
Ich darf in kurzen Sätzen sagen, was in diesem Rheinstahl-Plan enthalten ist. Da ist erstens vorgesehen, daß die jetzt Bergbau treibenden Zechengesellschaften ihre Betriebsanlagen des Steinkohlenbergbaus in eine Betriebsführungsgesellschaft einbringen. Sie würden also ihren Bergbaubesitz skelettieren. Die nackten Förderanlagen kämen in diese Betriebsführungsgesellschaft. Der Grundbesitz, der Wohnungsbesitz, die Kraftwerke, alle gewinnbringenden Unternehmungen blieben draußen. Die Väter dieses Rheinstahl-Plans gehen davon aus, daß 360 Millionen DM Pachtzinsen an die Altgesellschaften für 20 Jahre garantiert werden und daß eventuell der Bund, die öffentliche Hand eine Ausfallbürgschaft übernehmen soll. Meine Vorredner haben schon auf diese Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die sich eventuell für die Bundesfinanzen ergeben könnten.
Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um eine andere Bemerkung zu machen. Ihnen ist sicherlich bekanntgeworden, daß die Organisation der Arbeiter und Angestellten im Bergbau, die IG Bergbau und Energie, eine Vorstellung entwickelt hat — der Bundeswirtschaftsminister nannte das ein berechtigtes Mini-Programm — und das in diesem Programm ein Punkt enthalten ist, der eine Verbesserung der Einkommenssicherung für die Bergleute vorsieht. Ich darf es auch einmal anders sagen. Wenn den Altgesellschaften, den Eigentümern, den Aktionären oder wem auch immer für 20 Jahre eine Pachtzinsgarantie in der Größenordnung von 360 Millionen DM gegeben wird, dann, meinen wir, ist es nicht zuviel verlangt, daß auf der anderen Seite eine bessere Einkommenssicherung für jenen betroffenen Kreis der Beschäftigten Platz greift.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da liegt noch eine ganze Menge im argen. Ich könnte Ihnen Einzelheiten aus der Praxis sagen, wo Umschulungskurse durchgeführt werden, die drei Jahre dauern, der Betreffende aber nur für zwei Jahre Umschulungsbeihilfen bekommt. Eine solche Vorstellung — Sicherung der Einkommen — haben wir erhoben. Dabei sollte man daran denken, daß diesem Teil der Auseinandersetzung und der Vorgänge eine größere Aufmerksamkeit gewidmet werden muß, als das in der Vergangenheit der Fall war.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein Wort zu den Stillegungen sagen. Nach meiner Meinung hat der Bundeswirtschaftsminister richtig gehandelt, als er nach dem Bekanntwerden der Stilllegungsabsichten der GBAG in den Fällen der Zechen „Pluto" und „Hansa" eine Versagung der öffentlichen Mittel ausgesprochen hat. Die Reaktion, die dann eintrat, wa ja entsprechend. Hier sollte ich aber sagen, daß — wenn nicht eine andere Ordnung entwickelt wird, und ich wiederhole jetzt das, was ich vorhin sagte — der Fall „Hansa" und „Pluto" sich in der nächsten Zeit einige Male wiederholen wird. Das wird, soweit die sozialen Auswirkungen in Frage kommen, nicht zu verkraften sein.



Arendt (Wattenscheid)

Deshalb möchte ich in kurzen Worten das skizzieren, was nach unserer Auffassung notwendig ist, um einen Beitrag zur Gesundung des Bergbaus zu leisten. Eines ist ganz sicher: wenn Sie sich die Felderkarte des Ruhrgebiets ansehen, dann werden Sie mit mir der Meinung sein, daß ein orientalischer Flickenteppich eine triste Angelegenheit gegen diesen Felderbesitz ist.

(Sehr gut! rechts.)

Hier muß also eine Zusammenfassung des Bergbaus, ja, ich würde sagen, zu einer Einheitsgesellschaft erfolgen, aber nicht zu einer skelettierten Einheitsgesellschaft, sondern zu einer lebensfähigen Einheitsgesellschaft, in der die Grundstücke und der Wohnungsbesitz, die Kraftwerke und die lukrativen Nebenanlagen ebenso vertreten sind wie die Förderanlagen,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

damit keine Konzentration und keine Einheitsgesellschaft der Verluste entsteht.
Diese Einheitsgesellschaft hätte folgende Vorzüge — ich will hier gar nicht alle Einzelheiten ausbreiten —: Sie hätte die Möglichkeit, eine zentrale Vergabe des Auftragsvolumens an Dritte vorzunehmen. Es wurde vorhin schon gesagt: in der Addition beträgt das Auftragsvolumen des gesamten Bergbaues pro anno 3 Milliarden ,DM. Eine zentrale Vergabe eines solchen Betrages würde zweifellos dazu führen, daß die Konditionen sich verbessern. Und wenn es nur 5 % wären, dann wären das 150 Millionen DM, die ganz sicherlich für einen anderen Zweck sinnvoller eingesetzt werden könnten.
Aber nicht das allein sind die Vorteile, sondern in der Zusammenfassung liegt auch die Möglichkeit begründet, optimale Betriebsgrößen zu entwickeln. Es liegt darin die Chance begründet, durch Maschinenausgleichstellen, durch Normierung der Ausbauelemente, durch eine andere Belegschaftspolitik andere Effekte zu erzielen.
So richtig und so erstrebenswert das ist, so sollten wir uns in dieser Zeit aber darüber im klaren sein — und deshalb möchte ich das nachdrücklich unterstützen, was der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen gesagt hat —: dieses Wirksamwerden der Effekte in der überbetrieblichen Rationalisierung bedeutet zu den Stillegungen oder Anpassungsmaßnahmen noch zusätzliche Freisetzungen von Arbeitskräften. Deshalb muß man dieser anderen Seite, auf die ich nachher zu sprechen komme, ganz sicher eine größere Bedeutung beimessen.
Diese Einheitsgesellschaft würde in der Lage sein — und das scheint mir das Kernproblem überhaupt zu sein —, durch das Ausnützen überbetrieblicher Elemente zu einer Verbilligung der Förderung zu kommen und damit die Chance zu gewinnen, punktuell — zumindest vom Preis her — in eine Wettbewerbssituation gegenüber anderen Energieträgern zu kommen, ganz sicher aber gegenüber der eingeführten US-Kohle.
Lassen Sie mich hier ganz freimütig aussprechen, daß ich nicht glaube, daß auf freiwilliger Basis unter Einbeziehung der Objekte, die hier schon angeführt wurden, eine Einheitsgesellschaft zustande kommt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn in den nachfolgenden Beratungen dieses Gesetzentwurfs an den entsprechenden Stellen eine Formulierung gewählt würde, die den gesetzlichen Zwang zur Bildung einer Einheitsgesellschaft mit den genannten Komponenten in der nächsten Zeit vorsieht.

(Abg. Memmel: Sie meinen also, daß sanfter Zwang nicht genügt?)

— Es kommt darauf an, wie sanft dieser Zwang ist, Herr Memmel. Ich meine, es ist besser, eine gesetzliche Regelung vorzusehen, weil damit nicht die Gefahr aufkommt, daß unnötige Zeit vergeht. Wenn der Kohlebeauftragte eingesetzt würde — ich will dazu gar nicht viel sagen, weil dieser bei einer solchen Konstruktion ja in Wegfall kommen könnte —, müßte er erst einmal Fakten und Daten sammeln, um optimale Größenordnungen vorschlagen zu können. Man braucht dann kein Prophet zu sein, um zu sagen, daß damit wieder ein wertvolles Jahr verlorengeht, um eine Vorstellung zu gewinnen, wie dieser Steinkohlenbergbau geordnet werden soll.

(Beifall bei der SPD.)

Nach meiner Auffassung wäre es deshalb gut, wenn in den Beratungen der Ausschüsse eine entsprechende gesetzliche Formulierung gefunden würde, damit nicht unnötig Zeit verlorengeht.
In diesem Zusammenhang komme ich jetzt auf den Punkt, den der Bundeswirtschaftsminister „flankierende Maßnahmen" nennt. Dieser Begriff stammt ja nicht von uns, sondern von ihm, und ich glaube, es wäre nützlich, wenn in dem einen oder anderen Falle noch einmal ein Wort der Verdeutlichung gesagt würde, was im einzelnen darunter zu verstehen ist. Nach meiner Auffassung — lassen Sie mich das sagen — reicht die Verstromung der Kohle, reicht die Kokskohlesubvention, reicht die Importbeschränkung in der jetzigen Form nicht aus, um diesen flankierenden Schutz zu gewährleisten, bis die Effekte der Einheitsgesellschaft eintreten. Bei einer Einheitsgesellschaft würde eine Reihe von Effekten sofort und unmittelbar wirksam werden, andere brauchen einen mittelfristigen Zeitraum, andere wiederum brauchen längere Zeit. Wir meinen, es wäre nicht übertrieben, zu sagen, daß für diese Anpassungsphase ein Zeitraum von vier bis sechs Jahren erforderlich ist. Für diesen Zeitraum müssen die flankierenden Maßnahmen einsetzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513119600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Memmel?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0513119700
Bitte sehr, Herr Memmel!

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0513119800
Herr Kollege Arendt, was hielten Sie von der flankierenden Maßnahme, daß man etwa von der Bundesregierung aus einen For-



Memmel
schungsauftrag für die Hydrierung der Kohle erteilt? Das haben wir doch während des Krieges gemacht. Könnten wir nicht auch jetzt aus Kohle Benzin machen, und wäre das nicht auch eine flankierende Maßnahme?

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0513119900
Herr Memmel, sicherlich kann man aus Kohle Benzin machen. Wenn aber auf das Beispiel USA verwiesen wird, muß man einfach in die Erinnerung zurückrufen, daß die Schichtleistung in den Vereinigten Staaten auf Grund der geologischen Bedingungen wesentlich höher ist als in der Bundesrepublik und daß infolge höherer Schichtleistungen geringere Selbstkosten zu verzeichnen sind. Ich glaube nicht, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Subventionen aus Kohle hydriertes Benzin gegenüber Benzin aus Rohöl konkurrenzfähig wäre. Dieser Frage muß man aber, davon bin ich überzeugt, eine gewisse Aufmerksamkeit schenken.
Ich darf noch hinzufügen, daß wir vielleicht heute eine andere Ausgangsposition hätten, wenn in der Vergangenheit größere Anstrengungen unternommen worden wären, um das technische Verfahren zu verbessern. Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier sagen — und daran werden keine guten Reden etwas ändern können —: wenn die Effekte einer Einheitsgesellschaft, einer neuen Organisationsform im Bergbau ausgenützt werden und voll zur Wirkung kommen sollen, dann braucht das eine gewisse Zeit. Ich weiß nicht — Sie können sich das ausrechnen —, was es bedeuten würde, wenn die Anpassung in dieser kurzen Zeit vor sich gehen soll und 50 000 oder 60 000 Bergleute mit ihren Familienangehörigen und zahlreiche Angehörige aus den Bereichen der Zulieferindustrie Arbeitslosengeld empfangen, als Beitragszahler der Sozialversicherung, als Konsumenten und — indirekt — als Steuerzahler ausfallen. Man muß sich klarmachen, welche Belastung verschiedener Kassen zwar, aber öffentlicher Kassen das bedeutet.
Ob es unter solchen Umständen nicht besser ist, für diesen Zeitraum der Anpassung, der sich mindestens über vier bis sechs Jahre erstrecken muß, in größerem Umfang „flankierende Maßnahmen" einzusetzen? Was ist darunter zu verstehen? Zwei Dinge sind schon gesagt worden: die Verstromung und die Kokskohlensubvention. Der eine Komplex wird in der nächsten Zeit, wenn er beibehalten wird, steigende Tendenz aufweisen. Aber wir werden erleben: das reicht nicht ganz.
In diesem Zusammenhang sollte auch ein Wort zu den Einfuhren aus den USA gesagt werden. Ich will hier gar nicht auf die Einzelheiten eingehen. Aber, meine Damen und Herren, wissen Sie, was die Kumpels an Rhein und Ruhr, in Aachen oder an der Saar sagen? Sie sagen: Wenn man das Kontingent von 6 Million t, daß die Bundesrepublik zollfrei aus den USA einführt, um die Hälfte reduziert, macht das für den amerikanischen Kohlenbergbau überhaupt nichts aus; es macht auch für die amerikanische Wirtschaft nichts aus, denn allein im letzten Jahr ist die Förderung in den Vereinigten Staaten um 40 Millionen t angestiegen. Aber es bedeutet hier in der Bundesrepublik die Erhaltung von zwei kompletten Schachtanlagen und damit die Erhaltung von 10 000 oder 8000 Arbeitsplätzen allein in der deutschen Bergbauwirtschaft.

(Abg. Schlager: Sie kennen aber die Auffassung Ihres Hamburger Freundes Weichmann!)

— Verzeihen Sie, warum kann denn der Herr Weichmann nicht eine andere Auffassung haben als ich?

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Die Kumpels an der Ruhr fragen so, meine Damen und Herren, und Sie werden das, soweit Sie Ihre Wahlkreise dort haben, ja oft genug zu hören bekommen, wenn Sie Versammlungen abhalten.
Wir glauben, daß eine Reduzierung dieser zollfreien Kontingente im Zusammenhang mit dem Einfuhrgesetz möglich ist. Denn wenn eine entsprechende Zeit gewonnen ist und wenn diese Rationalisierung und die Neuordnung erfolgt sind, wird der deutsche Bergbau ganz sicher in der Lage sein, dieser Einfuhrkohle vom Preis her Konkurrenz zu machen.
Der wichtigste Punkt bei dieser Sache ist zweifellos die Ansiedlung neuer Industriezweige. Welche Schwierigkeiten dort im einzelnen bestehen, ist, glaube ich, jedermann aus der praktischen Arbeit zur Genüge bekannt. Ich habe vorhin die Beträge genannt, die notwendig sind, um solche Arbeitsplätze in der erforderlichen Zahl neu zu erstellen. Die Vergangenheit hat, so möchten wir meinen, recht nachdrücklich gezeigt, daß die Schaffung der erforderlichen neuen Arbeitsplätze nicht zu erreichen war. Stellen Sie sich eine Schachtanlage X mit 4000 Arbeitsplätzen vor. In vielen Fällen ist diese Schachtanlage das Synonym für die Gemeinde. Es gibt Orte, in denen 60 und mehr Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung ihre Existenz auf einer Schachtanlage gefunden haben. Wenn diese Schachtanlage verschwindet, bedeutet das, daß entsprechend große Betriebe angesiedelt werden müssen. Das ist in der Vergangenheit — mit einer Ausnahme in Bochum — nicht möglich gewesen. Es wird aber das, was in der Vergangenheit war, in einer nächsten Zeit übertroffen werden. Deshalb sollten wir, weil es einfach unmöglich ist, in dieser kurzen Zeit so viele neue Arbeitsplätze anzusiedeln, Maßnahmen ergreifen, die diesen Streckungsprozeß der Anpassung um entsprechende Zeiten verlängern.
Das, meine Damen und Herren, muß in der nächsten Zeit geschehen. Denn sonst wird sich das, was sich am 21. Oktober in Dortmund-Huckarde ereignete, in vielfältiger Weise wiederholen. Das ist keine Drohung, das ist nur ein warnender Hinweis. Was sich in Dortmund-Huckarde am 21. Oktober abgespielt hat, das war keine geplante Aktion von langer Hand, sondern der spontane Aufschrei von Menschen, die effektiv nicht wissen, was morgen in ihrer beruflichen Existenz sein wird.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wenn wir eine solche Entwicklung nicht haben
wollen — und ich glaube, wir alle sind daran
interessiert, daß wir Beiträge zur Stützung und zur



Arendt (Wattenscheid)

Festigung unserer Demokratie leisten —, dann haben wir nicht nur die Pflicht, sondern auch eine vordringliche Aufgabe darin zu sehen, durch geeignete Maßnahmen Ruhe und Kontinuität in der Entwicklung herbeizuführen.
In dem Gesetzentwurf, lassen Sie mich auch das sagen, ist auch von einem Abfindungsgeld die Rede. Ich will dafür keine andere Bezeichnung wählen. Aber bei der Beratung muß man darauf hinweisen, daß diese Vorgänge ja nicht nur im Steinkohlenbergbau vor sich gehen, sondern daß das gleichermaßen für den Braunkohlenbergbau oder für den Pechkohlenbergbau in Bayern gilt. Und hier muß darüber gesprochen werden, daß dieser soziale Teil des Gesetzes eine entsprechende Veränderung erfährt, damit nicht diese an sich gute Sache zu einem neuen Streitpunkt in den Auseinandersetzungen der nächsten Zeit wird.
Und man muß noch etwas sagen. Es ist sicherlich erfreulich — und dafür möchte ich meinen Dank an das Kabinett sagen —, daß in der Frage der Feierschichtenregelung, des Härteausgleichs für das Jahr 1967 und für das Jahr 1968 eine Regelung gefunden worden ist. Das wird sicherlich dazu beitragen, daß auf diesem Gebiet in der nächsten Zeit eine Beruhigung eintreten wird.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben in der Vergangenheit viel Zeit damit verbracht, von Zeit zu Zeit Energiedebatten zu führen, die dann auch zu gewissen Interventionen führten, ohne daß das Problem im Grundsatz gelöst worden wäre. Der Bundeskanzler hat am Donnerstag der vergangenen Woche erklärt — ich war ihm für dieses Wort sehr dankbar —, daß er mit seinem Ruf als Kanzler dieses Kabinetts dafür einsteht, daß das Energieproblem, und dabei insbesondere das Kohleproblem, einer endgültigen und dauerhaften Lösung zugeführt wird. Wir würden uns, und ich bin davon überzeugt, die Bergleute, die Arbeiter und Angestellten würden sich am meisten darüber freuen, wenn dieses Wort und diese Absicht in der nächsten Zeit durch entsprechende Maßnahmen verdeutlicht würden.
Wir glauben, daß in der Sache eine ganze Menge zu sagen ist. Ich will es mir in dieser vorgerückten Stunde versagen, auf Einzelheiten einzugehen: auf den Devisenhaushalt im Energiebereich, auf die Notwendigkeit der freien Verfügungsgewalt — über Energieträger die Verfügungsgewalt zu haben — und so weiter und so weiter. Ich möchte nur eines sagen. Wenn schon in der Sache keine Argumente überzeugen, wenn wir schon in einer gewissen Euphorie dem Fortschritt, den technologischen Veränderungen das Wort reden — und niemand ist für Rückschritt —, dann sollten wir aber daran denken, daß es eine ganze Reihe von Argumenten in der Sache gibt, die es geboten erscheinen lassen, nicht dem raschen, dem Sturzflug ähnlichen Vorgehen der Anpassung, der Stillegung im Bergbau das Wort zu reden. Vielmehr sollten wir daran denken — und wir haben einschlägige Erfahrungen —, daß es auch Situationen gibt, wo jedermann, wo auch andere Teile in der Bundesrepublik dankbar und glücklich sind, wenn sie über heimische Bodenschätze verfügen. Das war etwa nach 1945 so. Das ist auch in Europa zum Teil so.
Diese Punkte werden zum Teil auch im Europa der Sechs nicht gewürdigt. Kollege Burgbacher hat auf europäischer Ebene oft darüber gesprochen. Ich teile mit ihm die Auffassung, daß es auch ein Bestandteil unserer Politik auf europäischer Ebene sein muß, dafür zu sorgen, daß nach den Verträgen nicht nur die Bundesrepublik als der größte Produzent von festen Brennstoffen eine Lieferpflicht hat, sondern daß danach andere Partner dieses Europas auch eine Abnahmeverpflichtung haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das, was für Europa gilt, muß in gewissem Umfange auch für die Bundesrepublik gelten. Es gibt bedauerlicherweise, wenn Sie so wollen nur zwei Produzentenländer in der Bundesrepublik: das ist das Saarland und das ist Nordrhein-Westfalen. Alle anderen Länder sind Verbraucherländer. Lassen Sie es mich einmal sagen: Ich bin davon überzeugt, daß auch diese Länder für vorübergehende Maßnahmen Verständnis haben, weil es noch sehr viele Menschen gibt, die sich an die Zeit nach 1945 erinnern, als die Menschen in den Steinkohlenrevieren, die Arbeiter und die Angestellten, durch ihre Arbeit und ihre Leistung die Voraussetzungen dafür schufen, daß das geschehen konnte, was man hinterher deutsches Wirtschaftswunder und was man die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung genannt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diesen Menschen, so möchte ich meinen, sind wir verpflichtet. Wenn nicht Sachargumente allein genügen, um zur Vorsicht zu mahnen und um uns und um insbesondere das Kabinett zu veranlassen, dieser Frage eine größere Bedeutung im Hinblick auf Strekkung und ordnungsgemäße Überführung in eine vernünftige Bahn beizumessen, dann sollten wir hier deutlich machen, daß wir diesen Menschen gegenüber eine solche Verpflichtung haben und daß diese Menschen, die ihre Arbeitskraft und ihre Gesundheit für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt haben, einen Anspruch darauf haben, daß in dieser Zeit, nachdem so viele Jahre vergangen sind, eine Lösung des Energieproblems gefunden wird, von der auch die Beschäftigten in den Steinkohlen- und den Braunkohlenrevieren, also dort, wo feste Brennstoffe gefördert werden, sagen können: Hier hat der Bundestag, hier hat die Politik, hier haben die politisch Verantwortlichen eine Entscheidung getroffen, die nicht dazu führt, daß die sozial Schwächsten, die Arbeitnehmer, zusätzlich belastet werden, sondern die dafür sorgt, daß sich technische Veränderungen so vollziehen, daß sie nicht darunter zu leiden haben.
Diese Menschen möchten gar nicht, daß sich der Bundestag jede Woche mit ihrem Problem beschäftigt. Glauben Sie mir — ich sage das aus Erfahrung —, sie hätten nichts lieber, als daß sie in Ruhe und in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen könnten. Ich meine aber, solange Unsicherheit und Ungewißheit über der Zukunft ihres persönlichen Schicksals liegt, haben wir die Verpflichtung, solche Voraussetzungen zu schaffen, daß sie ihrer Arbeit in Ruhe



Arendt (Wattenscheid)

nachgehen können. Wir haben eine Chance dazu, und ich würde hinzufügen: wir haben eine letzte Chance, in dieser Zeit durch entsprechende Maßnahmen auf der politischen Ebene Vorsorge dafür zu treffen, daß den Menschen nicht zu viel zugemutet wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513120000
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0513120100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergreife das Wort an dieser Stelle nicht, um mich im einzelnen mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die soeben Herr Kollege Arendt vorgetragen hat, mit dem ich ja zusammen mit weiteren Vorstandsmitgliedern der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie vor kurzem ein ausführliches Gespräch hatte; das wird zweifellos der Herr Bundeswirtschaftsminister noch tun. Aber vielleicht ist es ganz gut, daß ich doch an dieser Stelle ein allgemeineres politisches Wort sage.
Ich ergreife das Wort auch nicht, um mich mit den einzelnen Beiträgen !der Debatte, die mich im ganzen befriedigt — das geht sicher auch meinen Kabinettsmitgliedern so —, auseinanderzusetzpen, auch nicht mit den Argumenten, die der Vertreter der Oppositionspartei vorgebracht hat, obwohl es auch mich frappiert hat, daß er ,der einzige war, der von einem Förderziel gesprochen hat, obgleich doch er erfahren genug ist, zu wissen, wie gefährlich ein solches prognostisches Wagnis ist.
Da ich schon einmal bei der Opposition bin, möchte ich gern einen Fehler gutmachen, den ich bei ,der letzten Debatte in diesem Hause unabsichtlich gemacht habe. Es traf sich, daß ich bei der letzten außenpolitischen Debatte die Ehre hatte, mich mit dem Vorsitzenden der freien demokratischen Fraktion, Herrn von Kühlmann-Stumm, auseinanderzusetzen. Mir war in ,dem Augenblick nicht bewußt, daß er nach langer Krankheit zum erstenmal wieder in diesem Hause das Wort genommen hatte. Hätte ich's gewußt, hätte ich natürlich meiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß wir ihn wieder gesund und wohl in unserer Mitte haben. Ich habe es inzwischen telefonisch getan, möchte es aber auch öffentlich heute noch nachholen.

(Beifall.)

Ich sprach davon, daß ich vor kurzem Vertreter der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie empfangen habe. Ich habe mit Erstaunen in einer Zeitung 'gelesen, daß das kein guter politischer Stil sei. Das sei wie zu Zeiten Adenauers, als damals die Interessengruppen vom zuständigen Wirtschaftsminister ,an Iden Kanzler appelliert hätten. Nun, meine Damen und Herren, so schlecht scheint mir das Vorbild Adenauer im großen und ganzen nicht zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich hoffe, daß er auch in .diesen Fällen entschieden
hat als der bedeutende Staatsmann, als den wir
alle ihn respektieren und sein Gedächtnis in Ehren halten. Ich meine, die Männer an 'der Spitze der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, die es wahrhaftig in dieser Situation, besonders in den vergangenen Wochen, nicht leicht haben, hatten das Recht, 'ihre Sorgen dem Kanzler vorzutragen, und der Kanzler hatte die Pflicht, diese Sorgen anzuhören.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe im übrigen nicht nur sie, sondern auch Vertreter der Arbeitgeber an 'der Ruhr gehört, und ich habe beiden 'gegenüber mit der gleichen Zunge gesprochen.
Sie haben, Herr Arendt, soeben erwähnt, was ich Ihnen gesagt habe. Ich habe das sehr ernst gemeint und werde es weiter ernst meinen. Ich habe Ihnen und meinen anderen Gesprächspartnern erklärt, daß ich und die gesamte Bundesregierung fest entschlossen seien, dieses Problem zu lösen und zu beweisen, daß die Große Koalition in der Lage ist, die schwärende Wunde an der Ruhr und an der Saar zu heilen. Ich sei mir über die menschliche und politische Problematik der Situation völlig im klaren und bereit, mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Interessenstandpunkte die Frage anzupacken. Das Ergebnis müsse eine gesunde strukturelle Neuordnung im Ruhr- und im Saargebiet sein, und bei dieser Neuordnung müsse man vor allem an das Schicksal der von der Strukturkrise betroffenen Menschen denken. Dieses ist unser Programm, und dieser unser Wille kommt in dem Gesetz zum Ausdruck, daß dieses Hohe Haus heute zu beraten hat, und kam in dem zum Ausdruck, was der Herr Bundeswirtschaftsminister heute vorgetragen hat. Ich kann zu all dem, was er ausführte, nur ein uneingeschränktes Ja sagen und Sie versichern, daß in den ganzen Beratungen über dieses schwierige Problem in den vergangenen Wochen zwischen uns keinerlei Meinungsverschiedenheit bestanden hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich sage das, meine Damen und Herren, weil wir es ja unter den Verhältnissen der Großen Koalition — je länger, je mehr — damit zu tun haben, gewisse Versuche abzuwehren, die außerhalb des parlamentarischen Raumes unternommen werden, um uns auseinanderzureden oder auseinanderzuschreiben.
Aber auch ein anderer Grund zwingt mich, das Wort zu nehmen. Ich habe in den letzten Wochen so viele Appelle von den verschiedensten Menschen bekommen, nicht nur von den unmittelbar Betroffenen, also den Bergleuten oder den Arbeitgebern, sondern — jawohl! — auch von Bischöfen und Seelsorgern und anderen Menschen, die sich des menschlichen Problemes annehmen wollten, das, wie wir alle wissen, in diesem ökonomischen Problem eingeschlossen ist.
Es konnte vielleicht der Eindruck entstanden sein — und so las ich es da und dort —, als ob sich die Bundesregierung plötzlich auf Grund der Demonstrationen an der Ruhr mit diesem Problem beschäftigt habe. Meine Damen und Herren, wir



Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger
haben unser Programm in der Regierungserklärung formuliert. Ich habe mich im Februar eingehend in das Problem einzuarbeiten versucht. Ich habe am 10. März dem Herrn Bundeswirtschaftsminister einen Brief geschrieben, in welchem ich ihn bat, diese schwere Aufgabe anzupacken und uns bald entsprechende Vorschläge und Vorlagen zu machen. Er war mir fast ein bißchen böse damals; denn er sagte durchaus mit Recht, er brauche dazu eigentlich keine Mahnung. So war es auch gar nicht gemeint. Ich habe damals nur festgestellt, daß der Bundeskanzler wohl weiß, welch großes und schweres Problem wir hier zu lösen haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat rasch gearbeitet. So konnte das Kabinett schon am 24. Mai die Gesetzesvorlage, die heute in diesem Hause beraten wird, verabschieden. Natürlich haben wir uns in der Zwischenzeit auch weitere Gedanken gemacht. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat darüber das Nötige schon gesagt.
Nun komme ich zum Kernpunkt der Auseinandersetzung. Mein verehrter früherer Kollege, Herr Ministerpräsident Kühn, hat mich — sicherlich nicht absichtlich — falsch zitiert. Herr Professor Schiller hat mich richtig zitiert, und ich muß Wert darauf legen, das richtigzustellen. Sie haben gemeint, ich hätte in Anlehnung an das Wort eines Amerikaners, was moralisch richtig sei, sei auch politisch richtig, gesagt: was ökonomisch richtig sei, sei auch politisch richtig. Beide Aussprüche sind falsch. Zunächst der erste: was moralisch richtig sei, sei auch politisch richtig. Lassen Sie mich an einem Beispiel demonstrieren, daß das nicht stimmt. Wenn einer von uns sich entschlösse, sich für den Rest seiner Tage zurückzuziehen und über die letzten und ewigen Dinge zu meditieren, dann wäre das zweifellos moralisch richtig. Ob es aber auch politisch richtig wäre, darüber werden seine politischen Freunde und Gegner verschiedener Meinung sein.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe gesagt: eine ökonomisch sinnlose Lösung könne auch keine gute politische Lösung sein. Das ist etwas anderes. Ich möchte es an einem geschichtlichen, uns allen wohlbekannten Beispiel klarmachen: Als die schlesischen Weber gegen die neuen Textilmaschinen aufstanden, handelten sie ökonomisch nicht sinnvoll. Die Regierungen, die damals den Siegeszug der modernen Maschinen unterstützten, handelten ökonomisch sinnvoll. Die Regierungen, denen aber angesichts ides Elends, in welches ,die schlesischen Weber versanken, nichts Besseres einfiel, als das Militär gegen sie aufzubieten, handelten, obwohl sie ökonomisch sinnvoll handelten, politisch falsch.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich erinnere mich, wie ich als junger Student zum erstenmal das Ruhrgebiet besuchte und dabei Bergarbeiter kennenlernte. Ich erlebte dabei, wie diese Menschen an ihrer grauen und rußigen Heimat hingen, wie sie sie liebten. Sie sagten mir .auch, warum sie sie liebten. Ich sah, wie auch in ihnen, nicht nur bei den Bergassessoren und den großen
Zechenherren, der Stolz darüber lebte, daß sie im mächtigen Herzen der deutschen Industrie und der deutschen Wirtschaft tätig waren. Ich weiß, daß auch das Anteil hat an der Sorge, an der Unruhe und an dem Schmerz über die Situation, mit der wir es zu tun haben. Das sind nicht nur alltägliche materielle Sorgen. Es ist nicht leicht, einen Beruf aufzugeben, und es ist auch nicht leicht, eine Gemeinde, in der man aufgewachsen ist, in der vielleicht schon der Vater und der Großvater im selben Berufe tätig waren, zu verlassen und dem Gesetz der Mobilität, das das moderne Industriezeitalter uns aufzwingt, zu gehorchen. Das sind schwere Dinge. Es würde auch in meiner engeren Heimat nicht anders sein, wenn etwa in meiner Heimatstadt die Textilarbeiter eines Tages 'durch eine Textildauerkrise gezwungen wären, ihre Heimat zu verlassen. Ich weiß das alles, die Regierung weiß das alles.
Aber, meine Damen und Herren, wenn davon die Rede war, daß nur geholfen werden kann, wenn die Bevölkerung an der Ruhr und auch die Bevölkerung an der Saar endlich weiß, woran sie ist, dann heißt es doch, daß wir ihr nichts vormachen dürfen, wofür wir nicht einstehen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deswegen müssen wir auch hinsichtlich der Prognosen, die wir wagen, sehr vorsichtig sein. Wir haben in der Vergangenheit zu viele falsche Prognosen gewagt, nicht nur wir einfachen Zeitgenossen, sondern auch ,die berühmten Drei Weisen — man erinnere sich —, die von der Energie- und Kohlenlücke in Europa sprachen. Ich habe sie, weil ich sie wirklich für weise hielt, in meinen eigenen Reden oft genug zitiert. Sicherlich waren es unterrichtete Männer. Die Entwicklung der Zeit hat ihnen aber unrecht gegeben. Wissen wir, wie diese Welt in fünf oder zehn Jahren aussehen wird? Wir wissen es nicht.
Weil das so ist, meine Damen und Herren, müssen wir einen Weg gehen, bei dem wir weder uns noch den anderen etwas vormachen, einen Weg, der aber doch zu einer guten Lösung führt. Dazu gehören Anpassungsfähigkeit, Elastizität, vor allem aber der Mut zur Wahrheit. Jawohl! In diese Lösung, Herr Arendt, werfe ich meine Reputation. Diesem Kanzler wird man einmal nicht vorwerfen können, daß er auf diesem Gebiet ohne Mut versagt hat. Er kann keine Wunder wirken, diese Regierung kann es nicht, auch dieses Haus nicht. Aber wir können das tun, was uns Vernunft und Gewissen in dieser Situation vorschreiben.
Ich bin der Überzeugung, mit dem, was wir heute in diesem Hause beraten, haben wir das uns jetzt und in dieser Stunde Mögliche getan. Wenn wir alle und nebenbei auch manche außerhalb dieses Hauses, die mitverantwortlich sind, so weiterhandeln, dann wird es auch zu einem guten Ende kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513120200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zoglmann.




Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513120300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin hier nicht in der glücklichen Lage wie der Kollege Schmidt von der SPD, meine Ausführungen mit Glückwünschen zu beginnen, oder wie der Kollege Barzel von der CDU, der es vorhin ähnlich tat und Dank nach allen Seiten verteilte für die großartigen Leistungen, die sich in dem Gesetzentwurf, den wir heute zu beraten haben, niedergeschlagen haben. Ich kann mich auch nicht auf Seelsorger berufen, wie es der Kollege Schmidt getan hat, auch nicht auf Zitate von Bischöfen. Ich würde sagen, ich tue es deshalb nicht, weil wir es nicht nötig haben. Einmal habe ich keinen Nachholbedarf bei Seelsorgern und Bischöfen; ich war nämlich sieben Jahre Ministrant und würde sagen, da ist kein Nachkontingent zu erfüllen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Zum anderen haben wir, die wir draußen jeden Tag und am Abend mit den Menschen an der Ruhr sprechen, es nicht nötig, auf Urteile Zweiter und Dritter zurückzugreifen, um das zu erhärten, was hier heute gesagt wird.
Nun ist im Laufe des Tages von verschiedenen Seiten, auch jetzt wieder beim Herrn Bundeskanzler, angeklungen, der Bevölkerung an der Ruhr müßten bittere Wahrheiten gesagt werden. Meine Damen und Herren, was ist Wahrheit? Ich bin versucht, die Frage zu stellen: Was ist denn dieser Gesetzentwurf? Was ist denn diese Debatte? Der Herr Bundeskanzler hat eben gesagt: Sie ist unbefriedigend. Lassen Sie es mich ergänzen: Auch der Gesetzentwurf ist unbefriedigend. Es wird eindeutig nachzuweisen sein, welche Fehlleistungen in diesem Gesetzentwurf stecken.
Der Herr Bundeskanzler hat hier eben weiter gesagt, daß man an die Menschen an der Ruhr denken müsse und daß es keine Meinungsverschiedenheiten über diese Dinge innerhalb der Koalitionsfraktionen gebe. Ich darf sagen, wenn man an das Schicksal der Menschen an der Ruhr und an der Saar denkt im Zusammenhang mit den Problemen, vor denen sie heute stehen, dann können Sie in diese Gemeinschaft die Opposition ruhig mit einschließen. Aber wenn Sie sagen, es gebe innerhalb der Koalition keine Meinungsverschiedenheiten zu dem Problem, soweit es sich um die Sache, die wir heute diskutieren, dreht, dann wäre ich eigentlich versucht, boshafterweise die Frage zu stellen, ob es nicht erst einer Art Kartell der Herren Vorsitzenden der beiden großen Fraktionen dieses Hauses bedurfte, um eine bestimmte Rednereinteilung während dieser Debatte zustande zu bringen. Ich wäre weiter versucht, ein Gespräch wiederzugeben, das ich heute bei Beginn dieser Debatte mit einem maßgeblichen Kollegen aus einer der beiden großen Fraktionen geführt habe. Er hat mir sehr eindeutig dargelegt, warum eigentlich nur Herr Barzel und Herr Schmidt sprechen können und warum man sich am Ende doch noch verständigt hat, einen weiteren Kollegen der CDU und der SPD zu nehmen, aber ja keine weiteren, weil dann — er sitzt vor mir — also Herr Müller spricht, und dann spricht der und der und der, und dann platzt nämlich der ganze Haufen auseinander. Das ist die Schwierigkeit, Herr Bundeskanzler. Das ist Ihre sogenannte vollkommene Interessengleichheit hier innerhalb der Koalition.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Russe [Bochum] : Was hat denn das mit der Debatte zu tun?! — Unruhe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513120400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513120500
Nun, Herr Kollege von Guttenberg, Sie wollten eine Frage stellen.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0513120600
Herr Kollege Zoglmann, um Sie wieder auf das Thema der Debatte zurückzubringen, darf ich mir folgende Frage erlauben. Sie haben vorhin den Herrn Bundeskanzler zitiert, daß er gesagt habe, daß er von dieser Debatte nicht befriedigt sei. Haben Sie sich verhört? Er hat das genaue Gegenteil gesagt. Er hat erklärt, daß er von dieser Debatte befriedigt sei.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513120700
Wenn der Herr Bundeskanzler wirklich befriedigt ist, wie er es hier erklärt, dann kann ich mich nur verhört haben. Vollkommen klar!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513120800
Bitte, Herr Kollege Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0513120900
Herr Kollege Zoglmann, ist Ihnen eben auch deutlich geworden, welche Aufgabe und Bedeutung die Parlamentarischen Staatssekretäre in der Bundesregierung haben?

(Lachen und Beifall bei der FDP.)


Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513121000
Sehr richtig! Der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Kollege Genscher, hat etwa die gleiche Aufgabe wie der Ruhrkohlenbeauftragte des Herrn Bundeskanzlers, nämlich Herr Dufhues. Das ist ja auch wieder so eine Geschichte, in der man sich angeblich vollkommen einig ist. Aber ich darf jetzt einen Begriff, den der Herr Bundeswirtschaftsminister geprägt hat, aufgreifen. Ich darf also sagen, bei dem Ruhrkohlenbeauftragten Dufhues — in Klammern CDU — handelt es sich um eine flankierende Maßnahme des Herrn Bundeskanzlers, um den Bundeswirtschaftsminister und zuständigen Energiemann Schiller — in Klammern SPD — wieder irgendwo flankieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

So ähnlich ist es hier auch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär.

(Anhaltende Heiterkeit bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513121100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Baron Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0513121200
Herr Kollege Zoglmann, nach der flankierenden



Freiherr von und zu Guttenberg
Maßnahme, die der Kollege Genscher eben für Sie zu unternehmen versucht hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß ein Parlamentarischer Staatssekretär als Abgeordneter eine solche Frage, wie ich sie eben gestellt habe, zu stellen hat.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513121300
Herr Kollege Guttenberg, ich gehe noch weiter, ich würde sagen, daß das, was Sie getan haben, absolut in den Bereich einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit mit Ihrem Chef gehört.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP. Lachen in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0513121400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0513121500
Herr Kollege Zoglmann, nachdem Sie mich angesprochen haben: können Sie sich aus den Erfahrungen Ihrer Fraktion gar nicht vorstellen, daß man in einer anderen Fraktion nach sehr hartem und klarem Meinungsaustausch sich zu einer gemeinsamen Konzeption zusammenfinden kann und die auch gemeinsam und sehr überzeugend nach außen vertritt?

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513121600
Ich kann mir das durchaus vorstellen. Wir stehen ja vor einer ähnlichen Lage.

(Zurufe und Heiterkeit in der Mitte.)

Wir stehen immer vor einer ähnlichen Lage. Wir müssen uns auch in der Fraktion erst durch gemeinsame Diskussion einen Willen bilden. Das ist ganz klar. Aber der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist der: von uns kann jeder hier reden, und bei Ihnen wird es ein bißchen gemanagt. Das ist doch die Situation!

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP.)

Wir wollen doch nicht aneinander vorbeireden. In dem Antrag des Kollegen Dichgans, den ich sehr ernst nehme, schlägt sich doch das Problem der CDU nieder, das eben soundso viel Leute hier nicht reden können, weil das alles eben in einem Kartell gemanagt wird. Das ist doch offenkundig! Aber das ist ja Ihr Bier, das müssen Sie austrinken, nicht wir! Wir wenden uns nur dagegen, daß Sie hierhergehen und den Anschein absoluter Einigkeit erwecken und in Wirklichkeit decken Sie mit dem Mantel des heiligen Martin Ihre Blößen zu.

(Unruhe und Zurufe in der Mitte.)

Nun, meine Damen und Herren, der Kollege Schmidt von der SPD hat hier heute früh erklärt, daß in dem Problem, das wir hier diskutieren, sieben Jahre Politik der Dummheit und der Illusionen hinter uns liegt. Der Kollege Barzel hat das aufgegriffen. Ich nehme an, er hatte den Eindruck, daß er sich diesen Schuh, der hier in der Gegend herumstand, anziehen muß.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der Mitte: Ein Paar Schuhe! Das gilt auch für Sie!)

Er hat das, was dazu zu sagen war, gesagt. Ich will es nicht vertiefen. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Nachdem also in der vergangenen Zeit die Politik der Dummheit und der Illusionen praktiziert worden ist, darf ich doch jetzt — der Herr Bundeswirtschaftsminister ist nicht da — unterstellen, daß das, was jetzt hier auf dem Tisch liegt, nämlich dieser Gesetzentwurf und die vorgeschlagenen Maßnahmen, ein Ausfluß höchster Klugheit ist. Das muß man doch so interpretieren, das kann man nur so auslegen. Und da darf ich mich auf einen Sprecher berufen, der in gar keiner Weise verdächtigt werden kann, daß er nicht objektiv sei. Es handelt sich um den Sprecher der SPD, der hier vor wenigen Minuten erklärt hat: Wenn nicht bestimmte Änderungen in diesem Gesetzentwurf erfolgen, und zwar in den Ausschüssen, dann wird es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Stillegungsinstitut III handeln — also doch offenbar um eine sehr negative Angelegenheit. Meine Damen und Herren, genau diesen Eindruck haben auch wir. Ich würde sagen, diese Regierung stellt sich in ihrem Kanzler, wenn ich mir so vorstelle, Herr Bundeskanzler, wie Sie jetzt hier, — — er ist nicht da.

(Heiterkeit.)

Aber der Staatssekretär ist da, und der kann es ihm sagen. Also wenn ich mir so vorstelle, wie er diese grauen Wolken an der Ruhr und diese armen, abgehärmten Menschen in diesem Raum hier projiziert hat, und wenn ich mir gleichzeitig vergegenwärtige, daß dort oben das rote Licht des Fernsehens aufgeflammt ist, dann kann ich mir auch sehr gut vorstellen, was man so von sich geben muß, um irgendeinen bestimmten Eindruck draußen zu erwecken. Nun, meine Damen und Herren, diese Regierung ist ganz groß, wenn es gilt, neue Begriffe zu erfinden. Aber ich erinnere mich da immer gern an den Spruch: Wo die Begriffe fehlen, stellt schnell das Wort sich ein.

(Ironischer Beifall bei der SPD.)

Denn was ist dieser Ruhrkohlenbeauftragte, dieser Kohlenpapst — Nachholbedarf! —, der jetzt eingesetzt werden soll?

(Zurufe von der Mitte.)

Der Herr Bundeskanzler hat hier gesagt: Man kann nicht schätzen; niemand weiß, was in fünf Jahren sein wird. Die drei Weisen hätten sich eben damals trotz größter menschlicher Anstrengung am Ende doch verrechnet. Ja, meine Damen und Herren, was soll denn dieser Kohlenbeauftragte tun? Der soll ja laufend schätzen und ermitteln, und der soll dann mit so problematischen Schätzungen und so problematischen Ermittlungen, die hier soeben charakterisiert worden sind, in die Privatwirtschaft eingreifen und härteste privatwirtschaftliche Maßnahmen „empfehlen" können. Das ist ja auch so eine Geschichte. Herr Kollege Schiller, das gehört ja auch so zu ihrem besonderen Flair. Sie haben eben auch mit den „Empfehlungen" etwas Besonderes erfunden. Diese Empfehlungen sind doch in Wirklichkeit krasseste Befehle. Sie haben das ja auch deutlich werden lassen. Sie haben gesagt: Wir empfehlen; aber wer nicht pariert, bekommt hinterher kein



Zoglmann
Geld. Na, wenn das noch Empfehlungen sind, dann frage ich mich, was eine Empfehlung ist.

(Beifall bei der FDP.) So einfach macht man sich das. also.

Aber nun weiter. Der Kollege Arendt hat soeben gesagt: Dieser Bundeskohlenbeauftragte sei deshalb so problematisch, weil er ja die ersten Empfehlungen erst Ende 1968 geben könne. Wenn Sie den Gesetzentwurf durchlesen, werden Sie sehen, was da für Fragebogen herausgeschickt werden sollen, abgesehen davon, daß wir auch noch ein bißchen Zeit brauchen, um das Gesetz zu beraten und zu verabschieden. Dann dauert es natürlich bis 1968, bis dieser Mann überhaupt Empfehlungen geben kann.
Lassen Sie mich aber noch eine weitere etwas boshafte Erwägung anstellen. Nun wird dieser Mann dann Ende 1968 — nach Arendt, nicht nach Zoglmann — die Empfehlungen geben. Darf ich jetzt die Frage stellen: Wann werden diese Empfehlungen realisiert? Im Jahre 1969? Großes Fragezeichen. 1969? — Sie wissen, was ich meine. Im Jahre 1969 wird der Bundestag neu gewählt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Mommer.)

Nun stelle ich an Sie, die Kollegen von der SPD, und an Sie, die Kollegen von der CDU — die stolz darauf sind, daß ein so großer Teil unserer Bergarbeiter auf Grund ihrer früheren Herkunft katholisch sind und daher katholisch wählen —

(Heiterkeit bei der FDP — Zurufe von der Mitte.)

die Frage: — —

(Abg. Dr. Barzel: Schlechter Stil! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nicht „schlechter Stil"! Lassen Sie mich eines sagen. Mir können Sie ja noch sagen: „schlechter Stil" ; denn ich kann mich auch auf dieser Ebene mit Ihnen auseinandersetzen. Aber Sie haben auch schon verschiedentlich solche Zensuren gegenüber Leuten gegeben, die nicht bereit sind, auf die Ebene herunterzusteigen, die Sie angeben. So können Sie es nicht machen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Barzel: Aber doch nicht mit Glaubensdingen!)

Hier zensiert keiner den anderen. Hier steht keinem von uns zu, dem anderen zu bestätigen, er habe sich schlecht oder gut benommen. Das kann der Präsident tun, aber nicht Sie.

(Beifall bei der FDP.)

Ich stelle an Sie die Frage, meine Damen und Herren, und stelle diese Frage vor der ganzen deutschen Offentlichkeit auf Grund der gemachten Erfahrungen — wir sind alle nicht von heute, auch nicht von gestern; wir können uns auch noch an das erinnern, was vorgestern war, was wir all die Jahre über erlebt haben —: Glauben Sie wirklich, daß Sie im Jahre 1969 30 Millionen t Kohlenkapazität stillegen können? Glauben Sie das wirklich? Meine Damen und Herren, das bedeutet dreißigmal Concordia Oberhausen, das bedeutet dreißigmal Huckarde. Ich darf den Kollegen Kühn als zuständigen Landesvater fragen, ob er der Meinung ist, daß wir das staatspolitisch aushalten, dreißigmal Huckarde im Jahre 1969, dreißigmal Concordia.
Meine Damen und Herren, ich brauche dieses Wort nicht aufzugreifen — aber der Herr Kollege Kühn hat es gesehen — von den „Zechenkillern", weil sich das so schön reimte. Herr Kollege Schiller, hier geht es doch einfach um die Aussage, die gemacht werden muß. Wir sind es den Leuten an der Ruhr schuldig, daß heute nicht wieder Nebel abgeblasen wird, daß heute nicht wieder irgendwelche Vorstellungen erweckt werden, die hinterher nicht realisiert werden. Das ist es nämlich. Dagegen wehre ich mich.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Kollege Barzel, wenn Sie und auch der Bundeskanzler uns Freien Demokraten den Vorhalt machen, daß ausgerechnet ein Liberaler — so darf ich das interpretieren —, ausgerechnet also ein Anhänger der freien Marktwirtschaft heute hier die Frage gestellt hat: Wie groß ist denn das Förderziel, das ihr habt?, dann sage ich Ihnen: Ich wiederhole diese Frage.

(Beifall bei der FDP.)

Ich will von dieser Regierung wissen, welche Vorstellungen sie hinsichtlich der effektiven Produktion im Jahre 1969, im Jahre 1970 hat. Meine Damen und Herren, hier müssen Sie, wie die Westfalen sagen, „Butter bei die Fische legen". So geht das nicht, daß Sie hier den Anschein erwecken, man kann das so oder so machen, aber wenn es darum geht, die Dinge beim Namen zu nennen, dann wird nichts gesagt. Also, wie hoch sieht die Förderkapazität aus? Herr Kollege Schiller — darf ich da einmal einen Ausdruck aus Ihrem Wortschatz gebrauchen —, welche Zielvorstellungen haben Sie denn da eigentlich? Welche Zielprojektionen haben Sie denn da? Wenn wir diese Frage stellen, dann stellen wir sie doch deshalb, weil die Unternehmer am Ende disponieren müssen. Sie können nur disponieren, wenn sie wissen, was die Regierung vorhat. Also hier „Butter bei die Fische" ! Sagen Sie, wie Sie sich das vorstellen!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513121700
Herr Abgeordneter Zoglmann, gestatten Sie eine Frage von Herrn Russe?

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513121800
Bitte!

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0513121900
Herr Kollege Zoglmann, können Sie mir freundlicherweise die Frage beantworten, welche Vorstellungen eigentlich die Opposition hat? Bisher habe ich nur gehört, was sich bei Ihnen in blinder und unvorstellbarer Kritik irgendwie niedergeschlagen hat. Mich würde interessieren, was die Opposition nun konkret vorzuschlagen hat. Danach möchte ich Sie Ihrerseits fragen und, wenn ich mir das erlauben darf, dabei auch vorschlagen, zu prüfen, welches Ihre Richtzahl ist.




Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0513122000
Sie werden mir doch zugeben, daß den Duktus meiner Ausführungen ich hier festlege und nicht Sie. Das werden Sie mir doch konzedieren.

(Beifall bei der FDP.)

Also hören Sie zu! Dann werden Sie nachher auch unsere Vorstellungen hören.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Lassen Sie doch mal den Nebel ab!)

Meine Damen und Herren, noch ein Weiteres. Wenn Sie an diese Kapazitätsvernichtung im Wahljahr — ich sage es noch einmal ganz deutlich, damit jeder weiß, wie die Dinge aussehen —, wenn Sie an diese Kapazitätsvernichtung im Jahre 1969 denken, dann muß ich Ihnen sagen: Geben Sie sich keinen Täuschungen hin! Die sozialen Lasten bleiben. Mit jeder Zeche, die Sie zumachen, steigen die sozialen Lasten. Und wie ist das mit den Zulieferern, meine Damen und Herren? Wissen Sie, daß an der Ruhr 3 Milliarden DM jährlich Zuliefereraufträge aus den Zechen der kleinen und mittelständischen Industrie zufließen? Was soll mit diesen Leuten geschehen? Das ist die nächste Frage, die ich an die Regierung richte. Der Bundeswirtschaftsminister muß sich dazu äußern. Diese Fragen stelle ich an ihn.
Ein Drittes! Auch die Bundesbahn spielt dabei eine Rolle. Denken Sie daran, daß die Eisenbahndirektion Essen eine von 16 Bundesbahndirektionen ist und etwa wie alle übrigen Bundesbahndirektionen im Personalsektor, im Streckennetz usw. rund 5 % der Gesamtkapazität ausmacht, daß aber diese Eisenbahndirektion Essen etwa 20 % der Wagengestellung und etwa 30 % des abgehenden Güterfernverkehrs aufbringt. Wenn Sie also in dieser Form verfahren, muß Ihnen klar sein, daß Sie nachher einen Ausfall bei der Bundesbahn von 160 bis 230 Millionen DM haben. Auch über diesen Ausfall müssen Sie sich dann hier unterhalten. Das sind Dinge, da kommt immer eines nach dem anderen.

(Zuruf von der SPD: Was schlagen Sie vor? — Abg. Dr. Müller-Hermann: Lassen Sie sich mal Nachhilfestunden geben!)

Dann wurde hier von „Versäumnissen der letzten zehn Jahre" gesprochen. Dazu folgendes. Niemand bestreitet die Leistung des Kumpels. Es bestreitet auch niemand die Leistung der Ingenieure; jedenfalls habe ich so etwas noch nie gehört. In der Kritik sind die Betriebsleitungen. Warum sind sie in der Kritik? In der Kritik sind sie, weil sie etwas nicht vorausgesehen haben, von dem der Bundeskanzler eben hier sagte, es sei gar nicht voraussehbar. Er hat gesagt: Man kann nicht auf fünf Jahre voraussehen. Aber diese Leute haben sich an etwas anderem orientiert, nämlich nicht nur an den Projektionszahlen, sondern auch an ,den effektiven Verkaufs- und Absatzzahlen der Jahre 1954 bis 1964. Diese Zahlen liegen etwa bei 140 Millionen t.
Meine Damen und Herren, wenn ich Sie von der CDU hier sehe, dann muß ich Sie fragen: wie wäre denn sonst Ihr Wirtschaftsminister Erhard dazu gekommen, seinerzeit die 140 Millionen t zu garantieren, wenn er es nicht vor dem Hintergrund dieser Erfahrungstatsache gemacht hätte?

(Zuruf von der CDU/CSU: Er hat sie ja gar nicht garantiert!)

Es fällt also auch auf Sie zurück. Deshalb sage ich, es ist ein bißchen billig, jetzt Prügelknaben für Maßnahmen zu suchen, die ich durchaus nicht alle entschuldigen will. Nein, da gibt es auf weiten Strecken Dinge, die an der Ruhr passiert sind, wo jedem Einsichtigen klar wird, daß dort Minderleistungen vollbracht worden sind.
Aber ein Weiteres! Das Problem, vor dem die Menschen an der Ruhr stehen, ist, daß sie sich in einem Strukturwandlungsprozeß befinden, der natürlich nicht nur die Kohle, sondern auch eine ganze Reihe anderer entscheidender Lebensgebiete unseres Volkes erfaßt hat, von der Landwirtschaft über die Textilindustrie und über den Stahl bis zum Holz. Jeder, der mit diesen Dingen zu tun hat, weiß das. Aber wir können den Fortschritt nicht verbieten. Keiner von uns wird Ihnen hier einen Vorschlag unterbreiten, der dahin geht, daß wir am Ende das Moderne hemmen sollen, daß wir uns dem Modernen in den Weg stellen.
Ein Wort zum 01! Der Herr Kollege Schmidt hat heute hier anklingen lassen, daß wir da Versäumnisse aufzuweisen haben. Aber ich sage Ihnen, das 01 ist vielleicht auch nur ein Durchgangsprodukt. Denn auch das darf ich sagen — hinsichtlich des Unbefriedigtseins über die heutige Energiedebatte, und es sollte doch heute, Herr Bundeswirtschaftsminister, eine Energiedebatte sein, wenn ich richtig informiert bin —, in dieser Energiedebatte also ist bis zu dieser Minute nicht das Wort Atomenergie ausgesprochen worden.

(Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien. — Abg. Könen [Düsseldorf] : Man hat nur „Kernenergie" gesagt statt Atomenergie! — Weitere Zurufe. — Unruhe.)

Kein Mensch hat hier davon gesprochen, welche Auswirkungen sich ergeben werden, wenn wir mit dem Problem der Atomenergie rechnen.
Nun ein Weiteres! Soeben ist von dem Kollegen Arendt sehr richtig darauf hingewiesen worden, daß in Amerika die Kohleproduktion im letzten Jahr um 40 Millionen t gestiegen ist. Daraus kann ich doch nur ableiten, daß die Kohle nicht ein unmodernes Produkt ist, daß die Kohle durchaus eine Basis hat, wenn man hier die entsprechenden Faktoren in eine entsprechende Zuordnung bringt.
Nun komme ich zu dem, was Sie gefragt haben: Welche Maßnahmen schlägt denn nun die Opposition vor? Zunächst sind wir mit Ihnen einig: Wirtschaftlicher produzieren! Dabei kann der Zusammenschluß der Zechen ein positiver Beitrag dazu sein — muß nicht, meine Damen und Herren, muß gar nicht. Wenn Sie sagen, der Zusammenschluß an sich sei das beste, dann wäre es ja am besten, die ganze Wirtschaft zu verstaatlichen; dann wäre sie nach solchen Auffassungen ja am allerproduktivsten. Ich sage noch einmal, es kann sein, daß das einen



Zoglmann
Wirtschaftlichkeitseffekt ergibt; insofern haben Sie unsere Unterstützung. Aber, meine Damen und Herren, am Ende wird auch für diese vergrößerte Gesellschaft der Absatz das Ausschlaggebende sein. Am Absatz wird sich alles entscheiden.

(Beifall bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, dazu nun folgendes. Es ist von einem der Vertreter der Länderregierungen eine wichtige Sache so ein bißchen mit der linken Hand behandelt worden. Auch der Kollege Barzel hat sie vorhin unter den Maßnahmen, die in der Vergangenheit durchgeführt worden sind, erwähnt. Er hat nämlich auf die Verstromung hingewiesen. Ich darf das meinerseits, Herr Kollege Barzel, noch einmal verdeutlichen. Im Augenblick haben die Engländer im Yorkshire-Revier die größte thermische Energieanlage der ganzen Welt mit einem Jahresverbrauch in der ersten Ausbaustufe von 5 Millionen t Kohle und in der zweiten Ausbaustufe von weiteren 4 Millionen t Kohle in Betrieb genommen. Ich darf also gerade im Hinblick darauf die Frage stellen: Was können wir unsererseits in dieser Richtung noch tun, können wir da noch Beiträge leisten?
Ein zweites ist das Problem der Heizungen. Es ist hier angeklungen. Ich darf es verdeutlichen. Sie sagten: Was schlagt ihr denn vor? Ich schlage Ihnen unter anderem beispielsweise vor, daß die Institutionen, die maßgeblich mit Bundes- oder Ländermitteln gebaut werden — ich denke an Universitäten, an Krankenhäuser, an Schulen usw. — von vornherein darauf verpflichtet werden, ihre Wärmeenergie aus Kohle zu beziehen. Meine Damen und Herren, es geht doch nicht an, hier den Scheinheiligen zu spielen, hier ein Wort für die Kohle zu sprechen und für die Kohle eine Lanze zu brechen, und zu Hause haben die Herren dann. eine Ölheizung. Das ist ein bißchen inkonsequent. Ich will daher die Frage gar nicht stellen, welche Heizung die Herren zu Hause haben, die hier heute für die Kohle gesprochen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie denn für eine Heizung?)

— Ich wohne — wenn Sie es genau wissen wollen, Herr Kollege Brand — in einer städtischen Wohnung in Düsseldorf. Sie ist im Jahre 1928 gebaut worden und wird natürlich mit Kohle geheizt. Wenn Sie das befriedigt: Meinen Beitrag haben Sie also. Es ist nur die Frage: Welche Beiträge bringen die anderen?

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist aber der erste positive Beitrag von Ihnen!)

Ein Wort noch zur EWG. Das ist hier auch nur am Rande angeklungen; ich muß es aber sehr deutlich sagen. Halten Sie auf die Dauer einen Vertrag, der uns in einer Zeit, als die Bundesrepublik in gar keiner Weise souverän war, auf den Tisch gelegt worden ist, den wir damals unterschrieben haben und der einseitige Lieferverpflichtungen der Deutschen fixiert hat, denen keinerlei Abnahmeverpflichtungen der anderen Seite gegenüberstanden, nicht auch für ein bißchen antiquiert?
Ein Weiteres, meine Damen und Herren! Die Strukturhilfen, die für die Montanunion in Luxemburg aufgebracht werden, sind bisher in Höhe von 350 Millionen DM wieder refundiert worden. Den Großteil dieser Strukturhilfen in Höhe von 350 Millionen DM hat die deutsche Steinkohlenbergbauwirtschaft aufgebracht. Von den 350 Millionen DM sind aber nur 15 Millionen DM, also knapp 5 %, nach Deutschland zurückgeflossen, Halten Sie das für richtig? Ich halte es nicht für richtig. Hier muß einmal deutlich gesagt werden, daß man so nicht weitermachen kann.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist auch für diese ganze Debatte, die ich nach wie vor als unbefriedigend bezeichnen muß, bezeichnend, daß Idas Wort „Kohleverflüssigung" erst durch Zwischenrufer aus Bayern in die Diskussion gebracht worden ist. Der Kollege Memmel mußte erst die Frage stellen: Wie ist es denn mit der Verflüssigung? Der Kollege Arendt, der es ja als Vorsitzender der IG Bergbau wissen muß, sagte dann: Ja, im Grunde genommen wissen wir da gar nichts; wir wissen nur eines: daß man wahrscheinlich Steuerpräferenzen schaffen müßte.
Meine Damen und Herren, ich könnte mir durchaus vorstellen, daß man ,der ausländischen Mineralölindustrie, den Mineralölgiganten, zumuten kann, hier unter Umständen eine Art Hilfestellung einzunehmen. Was uns diese Ölmagnaten in den letzten Monaten vorexerziert haben, ist für mich nur der Beweis dafür, daß auf diesem Gebiet Verhältnisse herrschen, die man auf die übrige Wirtschaft nicht übertragen kann. Wenn diese Leute, nachdem wir hier — ,d. h. nicht wir, sondern Sie von der Koalition — die Mineralölsteuer erhöht haben, in der Lage sind, 3 Pf im Preis nachzulassen — 3 Pf auf einen Rohverkaufspreis von 60 Pf, das sind 5 % —, kann ich nur sagen: jeder von uns, Herr Kollege Brand, in der Wirtschaft, wäre froh, wenn er mit 5 % Jahresgewinn vom Umsatz rechnen könnte. Wir können es nicht. Aber diese Herren können es nicht nur, sondern sie können 5 % vom Preis einfach nachlassen. Ich frage deshalb: Welche Kalkulationen haben diese Leute?
Deshalb bin ich durchaus der Meinung, daß man ,dann eben im Bereich 'der Kohleverflüssigung auch an Präferenzen für ,die ,deutsche Kohle denken muß, wenn das möglich ist. Ich stelle an die Bundesregierung die Frage: Wo liegen die Ergebnisse einer sauberen, klaren Prüfung der Möglichkeiten der Kohleverflüssigung? Wo liegen die echten Zahlen? Stimmt es, daß man den Liter in Amerika auf der Basis der amerikanischen Kohlepreise mit 12 Pf herstellen kann, während die Herstellung in Deutschland 19 Pf kostet? Stimmt das oder nicht?

(Beifall bei .der FDP. — Zurufe von den Regierungsparteien.)

Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sind aufgerufen.
Es ist die Frage, die ich an Sie stelle. Sie fragen,
was wir für Vorschläge machen. Hier haben Sie



Zoglmann
unsere konkreten Hinweise. Mehr können Sie von einer Opposition nicht verlangen.
Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu den Problemen der Strukturwandlung an der Ruhr sagen. Mit den Investitionshilfen, Herr Kollege Schiller, die in diesem Entwurf vorgesehen sind können Sie natürlich die Strukturwandlung an der Ruhr nicht anheizen. Hier müssen Sie noch einen Schritt weitergehen. Wieder konkrete Antwort auf Ihre Frage: Was schlagt ihr vor? Wir schlagen vor, Strukturwandlungshilfen, Investitionshilfen für das Ruhrgebiet etwa in der Art der Berlin-Hilfe zu geben.

(Zuruf von der CDU/CSU? Nichts Neues! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Dann werden Sie weiterkommen, aber nicht mit Ihren 10 %, die am Ende kaum etwas erbringen.
Schließlich muß man — der Kollege Barzel hat es vorhin angedeutet — auch auf die Mobilisierung der Möglichkeiten, die in der Nürnberger Anstalt stecken, zurückgreifen.
Herr Kollege Brand, Sie haben vorhin gesagt: Alles, was man tut, darf natürlich keinerlei Rückwirkungen negativer Art woanders hervorrufen. Meine Damen und Herren, wer so an die Probleme herangehen will, wird am Ende nichts erreichen. Selbstverständlich können Sie einen Fabrikbetrieb, ,den Sie an die Ruhr bringen, nur einmal placieren. Sie können ihn nicht auch noch irgendwo andershin geben. Also Sie müssen sich schon für die Prioritäten entscheiden.
Damit bin ich am Ende. Der Kollege Schmidt hat hier heute früh mit Stolz gesagt, daß er die Probleme an .der Ruhr mit ,dem Herzen sieht. Wer mir hier zugehört hat, wird zugeben müssen: auch bei mir ist das Herz bei ,der Sache. Aber mit dem Herzen allein können Sie die Probleme nicht lösen. Sie brauchen auch den Mut bei ,der Festlegung der Prioritäten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513122100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513122200
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich möchte eingangs sagen, das das Ziel, das sich die Bundesregierung und, wie ich glaube, die Mehrheit dieses Hohen Hauses gesetzt haben, das Ziel, die Probleme zu lösen, von allen, d. h. auch von der Opposition, geteilt werden muß und geteilt wird. Da aber Energiepolitik eine recht nüchterne Sache ist, erlauben Sie mir bitte, daß ich dazu einige, vielleicht auch nüchterne Ausführungen mache.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Als Ausgleich, Herr Friderichs!)

Wir stehen im Augenblick — das habe ich heute morgen bei den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers ein wenig vermißt — vor der Situation, daß wir eine potentielle Förderkapazität von ca. 135 Millionen t und daß wir im Jahre 1967 eine Absatzmöglichkeit in Höhe von ca. 110 Millionen t haben. Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben in Ihren Ausführungen — erlauben Sie mir bitte, daß ich meinen Fraktionskollegen Dr. Menne, dessen Meinung zu dieser Frage ich sehr genau kenne, hier interpretiere — nicht so sehr die Nennung einer konkreten Zahl, sondern eine Aussage zu der voraussichtlichen oder voraussehbaren Entwicklung vermißt. Sie wissen selbst, daß vor Jahren einmal diese Tal-Theorie hier in diesem Hohen Hause — nicht von Ihnen vertreten, aber von anderen, auch vom Unternehmensverband Ruhrbergbau — große Wellen geschlagen hat. Das heißt: „Bis 1970 geht's abwärts, und dann brauchen wir wieder mehr." Wir hätten gern aus Ihrem Munde gehört, ob Sie diese Meinung teilen oder nicht.
Nach Auffassung der Opposition — und wir sind bereit, uns hier festzulegen — wird eine nachhaltige Absatzbelebung ohne zusätzliche flankierende Maßnahmen über das Ziel von derzeit 110 Millionen hinaus wohl kaum kommen. Aber wir hätten sehr gern Ihre Auffassung dazu gehört.
Wir hätten weiterhin gewünscht, Herr Bundeswirtschaftsminister — und es ist das Recht und die Pflicht der Opposition, auch Fragen zu stellen —, daß Sie etwas mehr zur voraussehbaren Entwicklung auf dem Sektor der substitutionellen Energie Öl bzw. Gas gesagt hätten. Im Augenblick, glaube ich, kann man die Lage knapp dahin charakterisieren, daß eine stürmische Entwicklung dieser beiden neuen, vielleicht kann man sagen: modernen Energieträger stattgefunden und dazu geführt hat, daß im Jahre 1967 nur noch knapp die Hälfte — etwa 48 % — des Energiebedarfs in der Bundesrepublik mit Kohle befriedigt wird. Die Frage, Herr Bundeswirtschaftsminister, die wir uns stellen und die Sie sich sicher gestellt haben, ist: Welche Konsequenzen zieht das Ö1 unter Umständen — lassen Sie mich das Problem nur andeuten — aus der Tatsache, daß ihm möglicherweise eine neue Energieart, nämlich die Kernenergie, im Nacken sitzt? Das heißt: Wird sich die Absatzpolitik der erdölfördernden Länder und internationalen Gesellschaften nur nach dem derzeitigen Markt richten, oder wird sie auch durch die Tatsache beeinflußt werden, daß möglicherweise der Absatz von 01 in den siebziger Jahren in bestimmten Bereichen — Elektrizitätserzeugung — schon von der Kernenergie bedrängt sein könnte? Welche unternehmenspolitischen Konsequenzen ziehen daraus möglicherweise die fördernden Länder und die fördernden Gesellschaften, und, Herr Bundeswirtschaftsminister, hat eine solche Überlegung unter Umständen Auswirkungen auf die Politik dieses Landes, auf die Politik Ihrer Regierung? Oder aber: Wären Sie bereit, mir zuzustimmen, daß es zweifellos im Bereich der Elektrizitätswirtschaft zu einem echten Wettbewerb mit der Kernenergie — hier meine ich nicht zwischen Kohle und Kernenergie, sondern zwischen Ö1 und Kernenergie — kommt, mit der Folge der Unterlegenheit des Öls, daß aber — das Beispiel USA ist Ihnen wahrscheinlich bekannt, die Überproduktion an Öl, die dann da bestünde, voll durch den zunehmenden Verkehr und seinen Bedarf aufgezehrt werden kann? Die Amerikaner glauben, daß sie jedenfalls, was



Dr. Friderichs
ihre eigene Förderung anbelangt, allein durch die neue Ära der Großraumflugzeuge das, was sie in der Elektrizitätswirtschaft weniger absetzen können, voll verbrauchen können, weil bekannt ist, daß der Verbrauch dieser neuen technischen Verkehrsmittel ungeheure Ausmaße annehmen wird. Dazu hätten wir gern etwas gehört; und so meinen wir es, wenn wir nach Ziel, nach Richtung fragen.
Wir hätten von Ihnen, Herr Bundesminister, auch gern etwas mehr zu der Frage gehört: Wie sehen Sie die Kernenergie in unserem Lande? Sind Sie der Meinung, daß sie ab 1971, spätestens 1972, kommerziell wettbewerbsfähig ist? Wie groß schätzen Sie die dann jährlich hinzukommenden Mengen an elektrischer Energie, die aus Kernenergie gewonnen werden? Befriedigt sie nur den Zuwachs, oder aber beginnt auch die bei uns im Land erzeugte Kernenergie andere Energieträger — nicht nur Kohle, sondern auch Öl — zu verdrängen? Welche Konsequenzen hat das?
Das waren Fragen, zu denen wir, Herr Bundeswirtschaftsminister, in der ersten Eingangsdebatte gern ein bißchen gehört hätten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was wir schon von Herrn Stoltenberg gehört haben!)

— Ja, nun, Herr Kollege: Herr Stoltenberg hat gestern auf einer Tagung in der Nähe von Bonn gesprochen. Aber bisher war ich immer noch der Meinung, daß die Entscheidungen in diesem Hohen Hause fallen oder vorher im Rahmen der zahlenmäßig großen Koalition vielleicht auch an anderen Stellen. Aber ich hoffe, daß hier letztlich wenigstens noch abgestimmt wird.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Bundeswirtschaftsminister, wir beraten in erster Linie das Kohleanpassungsgesetz. Wir sind der Meinung, daß es sich bei diesem Gesetz eben nicht um eine energiepolitische Konzeption in Gesetzesform handelt, sondern daß es sich um nichts anderes handelt als um ein Rahmengesetz — wie von Ihnen zugegeben —, das mit Politik ausgefüllt werden muß. Deswegen hätten wir gern die politische Zielkonzeption — nicht Förderrichtzahlen — von Ihnen erfahren.

(Beifall bei der FDP.)

Es handelt sich um ein Rahmengesetz, das doch nichts anderes beinhaltet als eine Erweiterung des Instrumentariums für die Regierung. Sie selbst haben — und Ihr Fraktionsvorsitzender Helmut Schmidt hat Sie ja in dieser Frage echt gefordert, mehr als alle anderen bisher — gesagt: Ja, wir brauchen einen Gesamtenergieplan. Ich frage: Warum haben wir eigentlich eine energiepolitische Debatte — die leider zur Kohledebatte ausgeartet ist —, wenn wir nicht in dieser energiepolitischen Debatte den Gesamtenergieplan vorgelegt bekommen? Er soll jetzt im Wirtschaftsbericht kommen. Ich war davon ausgegangen: Heute und hier wissen wir, was Sie und die von Ihnen mitgetragene Regierung will, und dazu können wir unsere Meinung sagen. Das können wir im Augenblick nur zu einer Fülle von kleinen Maßnahmen, zu einem Instrumentariumsgesetz,
von dem wir nicht wissen, wie Sie es gebrauchen. Denn Sie selbst sagen, es ist ein Rahmengesetz, es muß ausgefüllt werden. Dann greifen Sie zu dem Rheinstahl-Plan, zu dem — oder zu einem von Ihnen modifizierten Rheinstahl-Plan — ich mich nachher noch äußern werde.
Sie sagen — und vor allem Herr Helmut Schmidt hat es gefordert —, wir brauchen einen Sozialplan. Ich frage mich: Warum wird er uns nicht vorgelegt, wenn wir nach langer Vorbereitung eine energiepolitische Debatte führen?

(Beifall bei der FDP.)

Und, Herr Bundeswirtschaftsminister, von Ihnen hätten wir eigentlich gern gehört: Wie sieht die deutsche energiepolitische Konzeption aus? Dazu haben Sie bis jetzt — Sie werden sich sicherlich das Bonbon für den Schluß der Debatte vorbehalten — nichts gesagt. In der Hoffnung allerdings, daß es noch kommt, harren wir gern aus; aber wir müssen Sie eben fragen: Wie sieht Ihr deutsches energiepolitisches Konzept aus, mit dem Sie Ihr Rahmengesetz ausfüllen wollen? Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber auch eine Frage der Konzeption der Gemeinschaft der EWG!)

— Damit geben Sie mir ein glänzendes Stichwort, für das ich Ihnen wirklich dankbar bin. Und dann sagt diese Bundesregierung in der Äußerung zur Stellungnahme des Bundesrates: Das ist ein EWG-Problem. Dann frage ich Sie: Mit welcher Konzeption gehen Sie die EWG-Fragen durch? Bisher sind wir häufig ohne eine Konzeption hereingetapst und hereingefallen.

(Beifall bei der FDP.)

Hier muß ich, Herr Bundeswirtschaftsminister, um der Korrektheit halber Sie entlasten: Dies ist eine eminent politische Frage, die eigentlich von dem Herrn Bundeskanzler vielleicht statt des Meditierens, wo man moralisch und politisch wichtiger ist, hier hätte vorgetragen werden können. Denn hier hat er nicht mehr gesagt als in der Bundespressekonferenz, und wie das beurteilt wurde, konnten Sie in der NRZ aus der Feder von Jens Feddersen sehr deutlich lesen, nämlich dreieinhalb Seiten — ich habe sie hier liegen — ohne energiepolitische Aussage. Wir hätten erwartet, daß der Herr Bundeskanzler dann wenigstens zu diesem Problem, das eben ein rein politisches im Rahmen der Richtlinien ist, gesagt hätte, wie er sich die Energiepolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus deutscher Sicht vorstellt. Wollen wir wie so oft in die Verhandlungen in Brüssel ohne eine eigene Vorstellung gehen, auf daß wir wieder einmal von den Technokraten, die aus anderen Ländern dort wohlvorbereitet sitzen, in die Enge gebracht werden? War es nicht einmal so, daß im Rahmen der Getreidepreisverhandlungen Vereinbarungen bezüglich der Energiepolitik getroffen worden waren, die nicht eingehalten wurden? Dazu hätten wir gern etwas gewußt. Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, werden jetzt wahrscheinlich die Antwort für den Kanzler geben müssen, der nicht mehr da ist.



Dr. Friderichs
Wir hätten auch gern etwas klarer das angesprochen gesehen, was Ihr Fraktionsvorsitzender Helmut Schmidt hier eingeführt hat, nämlich .die Frage: internationale Konzerne, Oligopol, Monopol, Preissicherheit, und was alles damit zusammenhängt. Da haben Sie doch bestimmt eine fertige Konzeption. Wenn Ihr Amtsvorgänger und jetziger Bundesschatzminister klar mit einer Bank über Paketaustäusche verhandelt, muß man ja vorher einer energiepolitische Konzeption haben, bevor man die Paketverhandlungen mit der Dresdner Bank aufnimmt. Oder aber wollten Sie oder wollte Ihre Regierung das nur mal eben unter Haushaltsgesichtspunkten sehen? Wir haben eine Vorstellung von diesem Problem. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich glaube, es wäre gut, wenn wir mit dem Blick auf den Markt an ,das Problem herangingen.
Nun darf ich noch einmal versuchen, Ihnen zu interpretieren, was wir mit den Zielen gemeint haben, damit alle Mißverständnisse ausgeräumt sind. Da gibt es z. B. den Bereich Stahl. In diesem Bereich konkurriert zur Zeit die deutsche Kohle nicht mit neuen Energieträgern wie Erdgas, .01 und Kernenergie, sondern zur Zeit konkurriert sie dort mit ausländischer Kohle. Wir hätten gerne gewußt, ob die Bundesregierung glaubt, daß dieser große Bereich — 25 Millionen t — in Zukunft in erster Linie oder ausschließlich der einheimischen Energie vorbehalten bleibt oder nicht; ob sie der Meinung ist, daß sie, um das zu erreichen, Maßnahmen treffen muß oder nicht, d. h. ob unsere Kohle mit Ihrer Einheitsgesellschaft so billig werden kann, daß sie mit Importkohle wettbewerbsfähig ist. Wir hätten gern gewußt: Wollen Sie, wenn Sie sich in diesem Bereich schützen müssen, es mit, wie Sie es nennen, „nacktem" Protektionismus oder — wenn ich Ihre Sprechweise aufgreifen darf — mit „angezogenem" Protektionismus tun? Wollen Sie es mit Subventionen oder wollen Sie es mit Verbilligung unserer eigenen Kohle tun? Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn die Bundesregierung weiß, wie der Stahlverbrauch in den nächsten zehn oder fünf Jahren sich entwickelt, und wenn ,die Bundesregierung weiß, wo ,der zu verbrauchende Stahl erzeugt wird, könnte sie sich z. B. ausrechnen, mit welchen Entwicklungsaussichten einheimisch geförderte Steinkohle in Zukunft in diesem Bereich verbraucht wird. Das haben wir mit dem „Ziel" gemeint, nicht „nackte" oder „angezogene" Zahlen. Aber dazu werden Sie ja sicher noch etwas sagen.
Ein zweiter Punkt betrifft die Elektrizitätswirtschaft. Hier konkurriert die Kohle zur Zeit schon mit dem Öl, demnächst mit der Kernenergie. Wir hätten gerne von Ihnen gewußt: Sind Sie der Meinung, daß das einmal in Aussicht genommene Ziel, daß von der in Deutschland erzeugten elektrischen Energie etwa die Hälfte aus einheimischer Kohle erzeugt wird, beibehalten wird? Oder sind Sie ,der Meinung: Wir wollen das öffnen und .der Entwicklung überlassen, wobei von Markt oder freiem Markt hier nur schwer gesprochen werden kann, weil ja in diesem Bereich bereits Maßnahmen getroffen sind: Verstromungsgesetz, Stromsicherungsgesetz. Die Frage lautet konkret: Glauben Sie, daß die bereits von der alten Regierung beschlossenen Maßnahmen in diesem Bereich ausreichen, den 50%igen Anteil zu halten? Wenn ja, in welcher Entwicklungslinie wird der Elektrizitätsverbrauch in den nächsten fünf Jahren steigen? Daraus ergibt sich natürlich die Konsequenz: Es gibt Erwartungen über die Größenordnungen, die in diesem Bereich absetzbar sind.
Ich habe jetzt nur zwei Bereiche genannt. Ich weiß, es ist viel schwieriger, eine solche Antwort beim Hausbrand zu geben. Aber in diesen großen, ja, ich möchte sagen: dem öffentlichen Sektor sehr nahen Bereichen wird es gelingen.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben die Selbstbeschränkung erwähnt, die ich qualitativ als ein ganz problematisches Mittel ansehe. Wir kennen sie von den Kaufhauskonzernen und wir wissen, wie lange sie da noch hält. Glauben Sie, daß Sie mit Selbstbeschränkung, selbst wenn Sie sie mit dem Adjektiv „robust" versehen, im harten Wettbewerb auf Dauer Probleme lösen können? Wenn Sie ja sagen, können wir uns eine Antwort darauf machen und wissen, was Sie denken.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513122300
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Burgbacher.

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513122400
Herr Kollege Friderichs, wollen Sie damit die Anwendung des Art. 10 AWG befürworten?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513122500
Herr Professor Burgbacher, ich werde im Anschluß an diese Ausführungen zu unserem Konzept kommen. Ich wollte jetzt den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen, ob er glaubt, es reicht oder es reicht nicht. Das ist doch das Recht der Opposition, sogar von Abgeordneten der Koalition. Auch sie dürfen fragen, sie tun das nur so selten.

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513122600
Dann gibt es nämlich nichts anderes mehr.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513122700
Das ist die Frage. Ich bin der Meinung, es gibt noch mehr.
Herr Bundeswirtschaftsminister, eine weitere und in diesem Zusammenhang letzte Frage: Wie sieht es mit den Vorstellungen der Bundesregierung im Rahmen ihrer Verhandlungsführung in der EWG bezüglich des Exports deutscher Kohle in die Europäische Gemeinschaft aus? Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, deutsche Steinkohle in Länder außerhalb der EWG zu exportieren; wenn ja, wie stellt sich die Bundesregierung die Lösung dieser Probleme vor? Das sind eben alles Dinge, die man nicht in das Maßnahmengesetz hineinschreibt. Das ist das „Fleisch", mit dem dieses Gesetz schließlich ausgefüllt werden muß, wenn es als Gesetz Politik und Realität Werden soll.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ohne Antwort auf diese Fragen wird man keinen Gesamtenergieplan machen können.

(Sehr richtig! bei der FDP.)




Dr. Friderichs
Die Tatsache, daß Sie ihn heute nicht vorgetragen haben, spricht natürlich — mindestens aus der Sicht der Opposition — dafür, daß diese Fragen eben im Schoße der zahlenmäßig großen Koalition noch nicht beantwortet werden konnten. Vielleicht waren sie noch nicht austariert, so daß wir deswegen auf den Gesamtenergieplan noch warten müssen.
Ich bestreite gar nicht, daß das Kohleanpassungsgesetz in seinen wesentlichsten Teilen ein gutes und brauchbares Gesetz werden kann, wenn wir wissen, welche Politik mit diesem Gesetz gemacht werden soll.

(Beifall bei der FDP.)

Das müssen Sie doch diesem Hohen Hause sagen!
Der Herr Bundeskanzler hätte z. B. einmal die immer wieder hochkommende Frage beantworten können: Versorgungssicherheit unter dem Gesichtspunkt der äußeren Sicherheit, wenn ich mich hier einmal eines Notstandsbegriffs bedienen darf; ich meine die Frage: Ist die Sicherheit der deutschen Energieversorgung unter Umständen wegen der Weltlage gefährdet? Das ist eine hochpolitische Frage, auf die ich gern eine Antwort des Herrn Bundeskanzlers gehört hätte, statt, wie gesagt, noch einmal die Frage beantwortet zu bekommen, ob er nun moralisch meditieren oder politisch leiden solle. Das entscheiden im Zweifelsfall sowieso 1969 die Wähler und anschließend dieses Hohe Haus und sonst gar niemand. Bei den vielen Plänen fehlt nur noch, daß man uns auch noch einen „Gesamtwahlgewinnungsplan" präsentiert. Das scheint auf der einen Seite des Hauses auch schon eine Sorge zu sein — nach den letzten Wahlergebnissen.
Ich meine, daß der Artikel — wenn ich noch eine Zeitung zitieren darf, die nicht im Verdacht steht, FDP-hörig zu sein — in der „Welt am Sonntag" von Herrn Schlamm eigentlich eine derartige Antwort geradezu herausgefordert hätte, ich meine den Artikel unter der Überschrift „Schlafende Koalition".
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben zur Ausfüllung oder Abrundung Ihres Gesetzentwurfs den „Rheinstahl-Plan" zitiert. Ich möchte — ich glaube, das sollte man hier ruhig sagen — den „Rheinstahl-Plan" in seiner Urfassung etwas umbenennen in „reiner Stahlplan", in seiner Urfassung!

(Beifall bei der FDP.)

Denn in seiner Urfassung hat er nichts anderes zum Ziel, als die schlechten Risiken der öffentlichen Hand anzulasten und die anderen privatwirtschaftlich fortzuführen. Ich glaube aber, nachdem Sie soviel davon abgeschnitten haben, werden sich die Initiatoren des Plans wohl kaum noch veranlaßt sehen, sich mit Ihrer Konzeption selbst zu identifizieren, es sei denn, man hat es Ihnen zugesagt. Auch darüber möchte ich gern etwas hören.
In der Frage des Kohlebeauftragten habe ich das Gefühl — man muß ja hier immer ein bißchen zwischen den Zeilen zu lesen versuchen —, daß dieser von der Bundesregierung bereits fallengelassen worden ist, bevor wir seine Einsetzung hier überhaupt beschlossen haben; denn so wurde er doch heute hier behandelt, von da ein bißchen und von dort ein bißchen.

(Abg. van Delden: Wollen Sie ihn denn beschließen?)

— Ich gebe Ihnen eine Antwort darauf, Herr van Delden. Sie brauchen dann einen Kohlebeauftragten, wenn Sie einen schlechten Bundeswirtschaftsminister haben; sonst brauchen Sie keinen.

(Beifall bei der FDP.)

Denn es gibt in Duisdorf immerhin eine Abteilung, die von einem Staatssekretär geführt und von einem mindestens wortgewandten Minister geleitet wird, die sich doch mit Energiepolitik zu befassen hat. Warum brauchen wir dann noch einen Beauftragten? Ein guter Wirtschaftsminister würde mir völlig reichen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Sie meinen, wir hätten einen guten Wirtschaftsminister und könnten deswegen darauf verzichten?)

— Herr Schmitt-Vockenhausen, ich unterstelle, daß in einer funktionierenden Demokratie Minister, wenn sie nicht gut sein sollten, so schnell ersetzt werden, daß man den Kohlebeauftragten trotzdem nicht braucht.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Sind Sie mit dieser Antwort einverstanden?

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ja, bitte!)

— Danke schön. (Heiterkeit rechts.)

Natürlich muß ich das aber jetzt noch einmal alles überdenken,

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Aber doch bitte nicht erst an diesem Pult!)

nachdem Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister heute morgen gesagt haben, der Kohlebeauftragte sei eine „personifizierte Institution". Nun wissen wir es genau. Wissen Sie, was ich daraufhin zu meinem Nachbarn gesagt habe? — Man müßte Sie eigentlich in Ihrem Ressort umbenennen in „Bundeswortschatzminister" ;

(Heiterkeit bei der FDP)

das war wirklich eine tolle Schöpfung.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie wollen das Problem mit der Einheitsgesellschaft in Form einer Betriebsführungsgesellschaft lösen. Ich habe die Sorge, das diese Einheitsgesellschaft im Vorstand und im Aufsichtsrat eine Proporzgesellschaft wird. Das ist doch gar keine Frage. Wir wissen doch, wie die besetzt wird. Die Frage ist folgende: Glauben Sie, daß zwei Kranke, die man kurzerhand gemeinsam in ein Bett legt, dabei gesund werden?

(Heiterkeit bei der FDP.)

Ich glaube das nicht. Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn ich mir die Situation bei einer ähnlichen Konstruktion genauer ansehe, dann kann ich — soweit ich noch Haare habe — nur noch graue bekommen. Wenn ich mir einmal ansehe, was beim bundeseigenen Salzgitter-Konzern passiert



Dr. Friderichs
ist! Da hat man den Stahl mit der Verlustfirma Büssing gepoolt und glaubt, das gebe Gewinn. Ja, minus mal minus gibt zwar plus; aber so funktioniert das nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, auch nicht bei Ihrer Einheitsgesellschaft.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513122800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513122900
Herrn Professor Burgbacher immer!

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513123000
Verehrter Herr Kollege Friderichs, Sie haben mit einigem Recht auf Salzgitter verwiesen. Wollen Sie aber nicht anerkennen, welch wesentlicher Unterschied zwischen der Macht der Tatsachen der Rationalisierung in einem Einheitsunternehmen einer Branche und den weniger entwickelten Möglichkeiten der Rationalisierung eines Einheitsunternehmens verschiedener Branchen besteht?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513123100
Herr Professor Burgbacher, die Tendenz geht zur Diversifikation und nicht zum monolithischen Gebilde, in dem sogar die .Gefahr besteht, daß vieles schludert, aus Proportionalitätsgründen sogar im Vorstand.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513123200
Noch eine Frage?

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513123300
Wollen Sie nicht anerkennen, daß auch im Bergbau von der optimalen Betriebsgröße zur Zeit nicht die Rede sein kann und daß die Zusammenfassung zur optimalen Betriebsgröße am zweckmäßigsten — auch nach den mir bisher bekannten Grundsätzen Ihrer Partei — durch den Zusammenschluß von Unternehmen geschieht?

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513123400
Herr Professor Burgbacher, ich bin ein Anhänger der optimalen Betriebsgröße. Nur bestreite ich, daß der Kohlebeauftragte oder das Vorstandsmitglied dieser Gesellschaft der ideale Mann ist, um die optimale Betriebsgröße zu bestimmen.

(Abg. van Delden: Sie kennen den Vorstandsmann noch gar nicht!)

— Herr van Delden, in jedem Fall bin ich der Meinung, daß es einfacher ist, wenn Sie die optimale Betriebsgröße über die Marktentwicklung entstehen lassen. Dazu will ich unsere Konzeption jetzt vortragen. Wenn Sie mir erlauben, Herr Professor Burgbacher, will ich das tun.
Herr Professor Schiller, wir glauben, daß die schnellstmögliche Lösung dieses Problems, soweit es überhaupt eine echte dauerhafte Lösung geben kann, erreicht würde, wenn die deutschen Zechen weiterhin privatwirtschaftlich betrieben würden, wenn eine einheitliche Verkaufsgesellschaft, über deren Konstruktion — das heißt Syndikat oder öffentlich-rechtliche Natur — wir gern mit uns reden lassen, in der Lage wäre, die zu verkaufende Kohlemenge pro Jahr auszuschreiben und bei den Zechen zu kaufen, die am billigsten fördern.

(Beifall bei der FDP.)

Das sollte also nicht, wie bisher, nach Quoten geschehen, sondern dort, wo am billigsten gefördert wird. Herr Professor Burgbacher, dann werden Sie mal sehen, wie schnell diejenigen, die nicht kostengünstig liegen, sich zusammenschließen. Das geht viel schneller, als wenn Sie es mit Ihrem Vorstand probieren, weil sie nämlich andernfalls aus dem Prozeß der Produktion über den Markt ausscheiden müssen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich weiß mich also mit Herrn Russe wenigstens halb einig. Also: eine einheitliche Verkaufsgesellschaft ohne Quoten nach kostengünstigsten Förderungsbedingungen.

(Abg. Dr. Burgbacher: Walsum!)

— Walsum ist mit drin, aber nicht ganz. Das heißt also, es geht nicht nach der Höhe der Fördermenge, sondern wer am billigsten sein wird, bekommt den Zuschlag. Wer das nicht kann, scheidet aus dem Wettbewerb aus. Ich bin überzeugt davon, daß Sie mit einer derartigen Konstruktion den Kapazitätsschnitt unendlich viel schneller vollziehen könnten als mit dem Mammutgebilde der Einheitsgesellschaft, wo dann die Strukturfragen kommen, wo dann die Vorstandsdisproportionalitäten kommen. Die Leute kommen doch aus anderen Unternehmen, aus diversen Gegenden; wir kennen das alles.
Machen Sie den Versuch, soweit Sie die Steuerung über den Markt machen können und das Ziel damit erreichen. Warum wollen Sie den Weg vom Markt her nicht mit uns gehen? Das wäre ganz schnell möglich und hätte den Vorteil, daß sehr rasch mindestens feststünde, welche Zechen in jedem Fall weiterfördern und welche in jedem Fall nicht weiterfördern. Damit hätten Sie die Unruhe innerhalb der Belegschaft der Zechen zunächst einmal dort beseitigt, wo die Gewißheit besteht, daß weitergefördert wird, und Sie hätten — hier beziehe ich mich auf den Kollegen Schmidt von der SPD-Fraktion — die Gewißheit geschaffen: Dort wird nicht weitergefördert. Er war mit uns der Meinung: Bittere Gewißheit ist besser als Ungewißheit.
Ich glaube, man muß diesen Weg gehen; denn diese Ungewißheit führt zu einer verheerenden Alterspyramide in den Bergbaugesellschaften. Das hat natürlich zur Folge, daß die überlebenden Zechen auf die Dauer teurer fördern. Zur Zeit läuft ihnen jeder junge Mann, der irgendwoanders einen guten Arbeitsplatz findet, davon, weil er nicht weiß, ob seine Zeche bleibt, obwohl eigentlich sehr schnell feststellbar wäre, ob sie bleibt oder nicht.
Herr Professor Schiller, ich gestehe Ihnen zu, daß man hier die Frage stellen muß: Kann ich das Tempo dieses Kapazitätsschnitts nur vom Markt bestimmen lassen? Oder aber sagen Sie: „Das Markttempo ist zu schnell, wir müssen das Tempo verlangsamen?" Und dann hätten wir von Ihnen gern gewußt, wie Sie das Tempo verlangsamen wollen. Das ist doch wohl eine Frage, .die sogar mit



Dr. Friderichs
Zahlen beantwortet werden könnte, indem Sie sagen: zirka 1970, zirka 1971 oder 1972. Dann müssen Sie allerdings eine Antwort darauf geben: Was machen Sie, um das Tempo zu verlangsamen?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie machen flankierende Maßnahmen, von denen Sie heute morgen nicht mehr gesprochen haben. Sie persönlich haben sie eigentlich nie vorgebracht, sondern da liefen Sie wohl in den flankierenden Maßnahmen Ihrer .eigenen Bundestagsfraktion; denn da waren Nuancen unterschiedlicher Meinungen spürbar. Oder aber man sagt: Du kriegst die Stillegungsprämie nicht in diesem Jahr, sondern erst in zwei Jahren, weil wir im Augenblick aus sozialen Gründen die Schließung nicht vornehmen können. Aber dann müssen Sie eine Antwort geben: Was machen Sie mit einer Zeche, die bereit ist stillzulegen, wenn Sie sie aus übergeordneten politischen oder sozialen Gesichtspunkten weiterfördern lassen? Übernehmen Sie die Streckungskosten, oder übernehmen Sie .sie nicht?
Sehen Sie, ,das alles steht im Rahmengesetz nicht drin. Das ist Politik, die wir von Ihnen hier heute nicht hören wollten. Das Gesetz haben wir selber gelesen.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist also die Frage: Wie halten Sie es mit den Streckungskosten? Wie halten Sie es mit dem Tempo? Sind Sie bereit, den Prozeß vom Markt her mit uns zu gehen?
Herr Professor Schiller, unsere Konzeption hätte im Gegensatz zur Einheitsgesellschaft den großen Vorteil, daß sie sich permanent ohne neue Datensetzung der Absatzlage automatisch anpassen würde. Ist das für Sie nicht reizvoll, eine solche gleitende Lösung zu finden? Und glauben Sie nicht mit uns, daß ,die volkswirtschaftlich richtige Lösung, Herr Bundeskanzler Kiesinger, politisch immer die richtige ist, wenn man sie sozialpolitisch einwandfrei absichert? So wie er das mit den Webern in Schwarz und Weiß erzählt hat, kann man die Probleme auch darstellen. Natürlich war der Prozeß ökonomisch richtig. Er wurde doch nicht deswegen falsch, weil man keine sozialpolitischen Absicherungen getroffen hat, sondern da war es eben falsch, daß man keine Absicherung getroffen hat. Der Bundeskanzler ist ein Meister des Wortspiels und der Mimik, aber er sollte die Dinge hier doch etwas nüchterner sehen.
Wir sind uns dessen bewußt, was diese Konzeption für die Menschen bedeutet, die von ihr betroffen sind. Es sind nicht nur die Kumpel, sondern auch andere betroffen. Wir wissen alle: Es gibt Mantelindustrien, den Lebensmittelhändler, den Gastwirt um die Ecke. Sie alle sind von den Problemen betroffen.
Deswegen sollten sie alle schnellstmöglich Gewißheit haben und nicht warten müssen, bis ein Kohle-beauftragter eine Analyse darüber erstellt, welches die ökonomischsten Zechen sind. Dann ist ein Jahr herum. Darauf wird ein halbes Jahr im Vorstand verhandelt, wie man das mit der Stillegung macht. So sind anderthalb Jahre vergangen. Das ist unsere Sorge.
Herr Bundeswirtschaftsminister, unsere Konzeption würde am 1. Januar funktionieren. Sie braucht nicht erst Mitte nächsten Jahres installiert zu werden. Wer in diese Verkaufsgemeinschaft nicht herein will, bleibt draußen, aber — da stimme ich Ihrer Konzeption zu — er kann halt keine Stillegungsprämien bekommen. Wenn aber eine optimal fördernde Zeche sagt: Ich will gar nicht herein, ich will mich frei am Markt bewegen, ich gehe das Risiko ein — dann sollte man sie getrost lassen. Ich glaube, soviel Marktwirtschaft sollten wir da, wo sie funktionieren kann, wo der Unternehmer sie praktizieren will und wo sie die Gesamtkonzeption nicht stört, getrost bestehen lassen.

(Abg. Dr. Burgbacher: Wenn sie nicht stört!)

Mir liegt es nicht so, die Sorge um die Menschen an Rhein, Ruhr und Saar zu schildern, indem ich mein Herz auf den Tisch lege oder durch den Mund schlagen lasse. Ich mache das etwas anders. Ich möchte einfach sagen, was wir konkret für richtig halten. Wir glauben, daß die großzügigste — die großzügigste! — soziale Absicherung billiger sein wird, als eine mittelfristige falsche Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP.)

Deswegen sollten wir schnellstens die volkswirtschaftlich richtig Lösung bringen, und dann — das kann ich Ihnen sagen — sind wir bereit, jeder nur halbwegs sinnvollen sozialen Maßnahme zuzustimmen. Da stimme ich dem Herrn Kollegen Arendt zu: Ob das Abfindungsgeld in seiner Konstruktion eine glückliche Lösung ist, darüber kann man diskutieren.

(Beifall bei der FDP.)

Ich habe Sorge. Ich möchte nicht die 5000 DM weghaben; sie sollen ausgegeben werden. Aber ich glaube, man kann sie sehr viel zweckmäßiger anwenden, indem man längerfristig die Sorgen der Menschen dadurch beseitigt, daß man bei denjenigen, die frühzeitig sofort einen Arbeitsplatz finden, zunächst flexiblere Lösungen trifft. Bitte, nichts gegen die Höhe der Summe! Aber der Einsatz der Mittel scheint uns nicht zweckmäßig zu sein. Wenn der Führer der Bergbau- und Energiegewerkschaft das hier sagt, sollten wir insofern auch einmal auf ihn hören. Er ist sogar Ihr Fraktionskollege.
Strukturmaßnahmen, Herr Bundeswirtschaftsminister: Ja! Mit unserer Hilfe, mit unserer Unterstützung! Leider haben Sie nicht gesagt, welche Mittel aus den zwei von Ihnen mit soviel Lobgesang eingebrachten Eventualhaushalten— der zweite heißt sogar „Konjunktur- und Strukturprogramm" — in dieses Gebiet gegangen sind. Warum sagen Sie denn nicht, daß Sie von den 5,3 Milliarden DM die Hälfte oder etwa die Hälfte in dieses gefährdete Gebiet gesteckt haben, um die Strukturprobleme sofort zu lösen?

(Abg. Genscher: Gießkanne!)

— Ja, Gießkanne plus Proporz, Herr Genscher, das ist noch schlimmer. Ein bißchen wurden die Dinge so gemacht.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie brauchen uns nicht beizubringen, das Strukturmaßnahmen immer



Dr. Friderichs
ökonomischer sind als Erhaltungssubventionen. Das ist doch logisch. Deswegen sind wir sehr dafür, daß das kommt. Aber warum gebrauchen Sie die Investitionshaushalte nicht stärker dazu? Da brauchen Sie gar kein Kohleanpassungsgesetz; das können Sie ganz einfach mit Ihrem Investitionshaushalt machen, indem Sie diese Gebiete viel stärker berücksichtigen als es mit den in Ihren Plänen bisher angesetzten Mitteln möglich ist. Da ist natürlich der Bundesfinanzminister mit angesprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Von welchem Gebiet wollen Sie das wegnehmen?)

— Herr Kollege, sehen Sie, ich komme aus einem Gebiet, das begünstigt ist. Hier muß man eine möglichst objektive Interessenabwägung vornehmen. Wenn die Krise an Rhein und Ruhr so groß ist, wie der Bundeskanzler und andere sie mit Radikalisierungsthesen beschworen haben, dann wird die Interessenabwägung im Zweifelsfall eben so aussehen müssen, daß wir einem anderen Gebiet sagen müssen: Bei dir geht es leider im Augenblick nicht!

(Zuruf: Aber man muß eben entscheiden können! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

Ein Wort noch zu den Arbeitsplätzen. Es wird gesagt — nicht von Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister; dafür kennen Sie die Dinge viel zu gut —: Ja, stillegen, aber Ersatzarbeitsplätze müssen da sein. Wollten wir eigentlich nicht den Betroffenen an Rhein und Ruhr ehrlicher gegenübertreten? Wollen wir ihnen nicht sagen, daß, wenn wir eine ökonomisch sinnvolle Regelung in einem vertretbaren Zeitraum anstreben, es dann trotz Ansiedlung moderner Ersatzindustrie wahrscheinlich nicht möglich sein wird, alle am angestammten Ort in qualitativ gleicher Arbeit unterzubringen? Lassen wir es doch den Betroffenen sagen! Sie erwarten von uns Wahrheit. Sie können viel mehr Wahrheit vertragen, als wir alle hier glauben. Wir müssen ihnen eben sagen, daß das wahrscheinlich nicht möglich sein wird, daß das ein schwieriges menschliches Schicksal ist, wenn der eine aus Tübingen nach Bonn vertrieben wird. Da muß einer vielleicht auch den Arbeitsplatz wechseln, so wie Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, von Hamburg nach Berlin und dann nach Bonn gegangen sind — ganz unterschiedliche Städte. Sie landeten zum Schluß hier. Wir alle wissen, daß wir eben nicht mehr ständig auf unserem Arbeitsplatz bleiben können. Das ist das Harte und Unbarmherzige an dieser Wirtschaftsordnung, zu der wir nun einmal ja gesagt haben. Dann müssen wir auch zu der Konsequenz ja sagen. Ich wage das hier offen auszusprechen. Wir sollten mit dem „In-die-linke-oder-rechte-Tasche-uns-was-Vorerzählen" aufhören und wirklich unsere Meinung sagen. Machen wir uns doch nichts vor: Wieviel Menschen aus der deutschen Landwirtschaft sind aus landschaftlich völlig anderen, soziologisch ganz anderen Gemeinschaften herausgerissen und in die Ballungszentren geschickt worden, weil sie sich dem ökonomischen Prozeß nicht widersetzen konnten! Das brachte für sie viel größere menschliche Spannungen mit sich, als wenn man von einem Ballungszentrum in ein anderes Ballungszentrum umzieht. Der Umzug von einer landschaftlich ganz bestimmt strukturierten Gegend — ich stamme aus einer solchen Gegend — in ein Ballungszentrum bringt ungeheure Friktionen für die betroffenen Menschen mit sich. Sie konnten sich dem nicht entziehen, und wir sollten hier nicht herumflunkern, sondern das offen aussprechen. Wir wollen es für die Menschen so reibungslos und erträglich wie möglich machen. Aber bitte: sagen wir ihnen, daß wir es ganz einfach nicht verhindern können, daß wahrscheinlich einige von ihnen mobil gemacht werden. Wir können die Garantie eines Arbeitsplatzes am bestimmten Wohnort nicht übernehmen. Das sollten wir offen aussprechen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Größenordnung sagen. Wenn man die Dramatisierungen von manchen Seiten sieht, ist das notwendig. Der deutsche Steinkohlenbergbau hat einen Umsatz, der etwa in der Größenordnung eines einzigen Chemieunternehmens in der Nähe von Bonn liegt. Er hat eine Beschäftigtenzahl, die bezüglich der Untertage-beschäftigten mit der eines einzigen Elektrounternehmens vergleichbar ist. Die Firma Siemens hat 230 000 Beschäftigte. Der deutsche Steinkohlenbergbau hat zur Zeit unter Tage noch etwa 200 000. Wir müssen doch die Proportionen sehen. Was heißt das denn? Wenn in der Automobilindustrie eine echte Absatzkrise käme, wären für Wolfsburg die Probleme ähnlich, weil es eine Monokultur ist, so wie das Ruhrgebiet leider in seiner Struktur nicht sehr vorteilhaft für die derzeitige Entwicklung ist. Wir müssen die Größenordnungen miteinander vergleichen, und dann wird man mit nüchternem Blick sagen: das wird doch wohl lösbar sein. Aber wir haben oft kein richtiges Verhältnis zu Größenordnungen.
Ich denke z. B. daran, daß der riesige Verbrauchermarkt Deutschlands, der interessanteste Verbrauchermarkt für alle Ölkonzerne der Welt nicht im entferntesten in der Lage ist, seine Marktmacht auszunutzen. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe im Handel ein Unternehmen, das mit einer solchen Quote am Absatz eines Produzenten beteiligt wäre wie wir am internationalen Öl! Was glauben Sie, was die mit dem Hersteller allein in bezug auf Preise und Konditionen machen würden! Und wir verhalten uns hier, als wären wir nach wie vor ohnmächtig! Schade, offensichtlich hat die zwar zahlenmäßig große Koalition doch nicht die Kraft, diese Stärke in den Verhandlungen nach draußen zu bringen. Das geht nicht, indem man sagt: jetzt haben wir uns mit Frankreich vertragen, jetzt machen wir ein bißchen Amerika, ein bißchen England. Es ist eben bei den Verhandlungen nichts herausgekommen, und daran kranken wir innenpolitisch und auch wirtschaftspolitisch.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513123500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte!

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0513123600
Herr Friderichs, ich höre das gern. Würden Sie aber jetzt die Freundlichkeit haben, uns zu sagen, wie wir uns in der Bundesrepublik gegen die Macht der Ölkonzerne abschirmen sollen?




Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513123700
Wir sollten uns einmal überlegen, ob ,die Amerikaner nicht mit ihrem Öl Politik machen, und dann sollten wir uns einmal überlegen, ob wir nicht mit uns als Verbrauchern auch Politik machen können, etwa beim Devisenausgleich oder bei Rüstungsaufträgen. Es gibt eine Fülle von Kompensationsgeschäften, wo man auch politische Kompensationen machen kann. Man kann nur eines nicht: gleichzeitig in Paris und in Washington freundlich reden und glauben, man habe dann beide gewonnen. In Wahrheit hat man beide von sich entfernt.

(Beifall bei der FDP.)

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zu di'es'em Bereich, Arbeitsplätze und Strukturverbesserung, an die Adresse des Herrn Kollegen Arendt sagen.

(Abg. Illerhaus meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Vielleicht darf ich das gerade ausführen. — Ich glaube, wir sind dem Herrn Abgeordneten Arendt in seiner Eigenschaft als Führer dieser zuständigen Gewerkschaft zu offenem und echtem Dank verpflichtet, daß er einer Radikalisierung keinen Vorschub geleistet hat, ja, im Gegenteil dafür gesorgt hat, daß es nicht dazu gekommen ist.

(Beifall bei 'der FDP.)

Ich möchte das an dieser Stelle sagen. Verschlimmert haben diejenigen, die in verantwortungsloser Weise ständig von Radikalisierung reden.

(Beifall bei der FDP.)

Damit fördert man das allerings. Wir haben das im Herbst 1966 erlebt, als man von Ihnen (zur CDU/CSU) einen Offenbarungseid verlangte —„Bankrottunternehmen" etc. etc. —, um ein politisches Ziel zu 'erreichen. Die Politiker sollten sich hüten, von Radikalisierung und Panik zu sprechen.

(Abg. Hermsdorf: Sie sollten sich hüten, von Inflation zu reden! Damit haben Sie angefangen! — Widerspruch bei 'der FDP.)

— Herr Kollege Hermsdorf, ich glaube, Sie können meine Reden in diesem Hause nachlesen. Sie werden die Behauptung dann nicht aufrechterhalten.

(Abg. Hermsdorf: Sie persönlich nicht, aber Ihr Parteivorsitzender im Fernsehen!)

Ich betone noch einmal, daß wir die Probleme an Rhein und Ruhr nur lösen, wenn wir nicht durch verantwortungslose politische Äußerungen eine Radikalisierung, die nur vermeintlich 'besteht, tatsächlich herbeiführen. Wir wissen doch alle, daß man eine Konjunktur und auch eine vernünftige Struktur zerreden kann. Wir sollten uns davor hüten. Wir sollten eher das tun, was Herr Arendt getan hat, nämlich beruhigend einwirken, um diese Übergangsphase sauber und ordentlich zu überstehen.

(Beifall bei der FDP.)

Meine verehrten Damen! Meine Herren! Ich hättte mir gewünscht, daß wir heute — vielleicht kommt es noch; es ist ja noch recht früh am Tage — etwas mehr über die gesamte Energiepolitik gesprochen hätten und diese Probleme in dieser Offenheit schon heute morgen von der Regierung gehört hätten, damit wir als Opposition in der Lage gewesen wären, unsere Vorstellungen dagegen zu entwickeln. Denn es ist nun einmal das Normale in einer parlamentarischen Demokratie, daß ,die Bundesregierung ein Gesetz 'einbringt und die Politik, die sie mit diesem Gesetz verficht, begründet und daß dann die Opposition sagt: Hurra, ausgezeichnet, wir stimmen zu, oder sagt: Aus diesen und jenen Gründen ist uns das nicht möglich. Das ist der normale Weg. Obwohl es anders geschehen ist, habe ich soeben versucht, darzulegen, wie eine ökonomisch sinnvolle, sozial gerechtfertigte und im allgemeinen Interesse liegende Lösung möglich wäre.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513123800
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513123900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß als erstes dem ganzen Hohen Hause den Dank für diese Debatte sagen. Es ist, glaube ich, uns allen gelungen — ich meine, denjenigen, die in der Debatte gesprochen haben —, nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein schweres soziales und ökonomisches Problem zugleich als ein Politikum ersten Ranges in einer Einheit darzustellen. Es war ein volles Haus und seit langem nicht ein so volles Haus.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Zoglmann hat die Leute hinausgetrieben!)

Erst die letzten Reden, bei denen ich den Eindruck hatte, mancher wußte nicht mehr ganz, wovon er redete, erst die letzten beiden Reden haben das Haus leider geleert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Bis dahin hatte man wirklich den Eindruck: es geht um nationale Energie- und Kohlepolitik und nicht um Poujadismus, der dort vertreten wurde.

(Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der FDP. — Abg. Genscher: Das ist aber ganz billig!)

— Ich komme auf Sie im einzelnen sehr ausführlich zurück.

(Abg. Genscher: Ich bitte darum!)

Ich bin für Barauszahlung, das wissen Sie, kein Kredit, wenigstens nicht von jedem!

(Zurufe von der FDP.)

Es ist ein Tag sehr großer Übereinstimmung, ein Tag des Durchbruchs zu einem neuen Abschnitt in unserer Kohle- und Energiepolitik.

(Zuruf rechts.)

Wenn Herrn Menne nicht die kleine Geschichte — das war ein Lapsus linguae — mit dem Förderziel passiert wäre, — ich wage zu behaupten, auch Herr Menne gehörte in den Kreis jener großen Übereinstimmung, die wir heute haben feststellen können, bis auf die beiden anderen Ausnahmen; nun, darauf komme ich noch.

(Oho-Rufe von der FDP.)




Bundesminister Dr. Schiller
Noch einmal, meine Damen und Herren: ich glaube, diese Debatte hat Fragen gestellt und Fragen beantwortet, die für die Ausschußberatungen wichtig sind. Sie hat uns auch unterstützt für die Verhandlungen mit der privaten Wirtschaft, um Herrn Friderichs gleich in einem Punkte eine Beruhigung zu geben. Wir sind völlig frei gegenüber den Vertretern des Rheinstahl-Planes, gegenüber denen des Walsum-Planes und gegenüber allen anderen Vertretern von Plänen. Im Worte sind wir einzig und allein hier gegenüber dem Gesetzgeber, indem wir als Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt und diesen Entwurf vor dem Hause zu erläutern haben. Das ist unsere eigentliche und wirkliche Verpflichtung. Wir sind nicht gebunden durch irgendwelche Unterhaltungen draußen, die aber notwendig waren und die der Sache gedient haben.
Hier ist von Herrn Zoglmann gesagt worden, wir müßten vermeiden, daß wieder einmal nur Nebel abgeblasen werde. Ich kann nur sehr ruhig feststellen: es geht hier um einen Gesetzentwurf, der bisher nicht war und bei dem es um sehr harte Tatsachen geht. Es geht darum, daß sich die Unternehmen der Zechenwirtschaft zu optimalen Einheiten zusammenschließen sollen. Wenn sie das in einem Jahr — so steht es im Gesetzentwurf —, bis zum 31. Dezember 1968, nicht getan haben, dann werden ihnen die Subsidien entzogen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, Sie sind doch diejenigen, die sonst immer reden: „Weg mit den Subventionen!" Hier wird in einem bestimmten Fall deutlich gesagt: laufende Subventionen werden bei einem bestimmten Verhalten — „wenn ihr euch nicht zusammenschließt" — gestrichen. Nun bitte, machen Sie mal mit! Nicht nur den Mund spitzen, sondern auch pfeifen!

(Beifall bei der SPD. — Heiterkeit. — Unruhe rechts.)

Es geht darum, daß den optimalen Unternehmenseinheiten die Auflage gegeben wird, einen in sich
— durch zwischenbetrieblichen Vergleich — möglichen Anpassungsplan aufzustellen, den wir bisher
— da wir in die einzelnen Firmen nicht hineinsehen können — nicht aufstellen konnten. Das ist die Auflage. Ob es ein, drei oder fünf Unternehmen gibt, auf jeden Fall wird dann der zwischenbetriebliche Vergleich möglich sein.
Ferner geht es um die 10%ige Investitionsprämie. Das war übrigens, Herr Zoglmann, eine der Sachen, bei denen Sie jenseits gewisser Grenzen waren. Denn das ist eine Berliner Regelung, die kenne ich nun ganz genau; an der bin ich mal sehr beteiligt gewesen, und ich weiß, daß diese Berliner Regelung, die im übrigen in diesem Fall durch weitere 5 % aus verbilligten Kreditmitteln ergänzt wird
— also 15 % —, im Aufschwung sehr greift. Genau das ist der marktwirtschaftliche Weg der Ansiedlung von neuen Industrien. Und dann geht es darum, daß Boden durch neue gesetzliche Mittel schnell beschafft werden kann. Das ist kein Nebel, Herr Zoglmann, das ist ein harter Gesetzentwurf, über den Sie in Bälde mit Ja oder Nein zu entscheiden haben werden, es sei denn, Sie können etwas
Besseres liefern. Aber als Nebel können Sie das nicht bezeichnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der FDP.)

— Ich werde auf Ihre Fragen eingehen. Sie sind ja nun auch nicht die einzigen hier im Hause. Sie werden hier also noch Bargeld zurückbekommen.
Ich muß doch die verschiedenen Fragen, die an mich gerichtet worden sind, beantworten. Herr Kollege Brand hat nach der Höhe des Investitionsanreizes gefragt. Meine Antwort ist: 15 %, 10 plus 5. Herr Kollege Brand hat gefragt, ob dieser Anreiz ausreiche. — Nach allen Erfahrungen, die wir gesammelt haben, können wir sagen, das reicht aus, das schlägt durch.
Es wurde von dem zweiten Investitionshaushalt gesprochen. Ich werde über diesen zweiten und auch über den ersten Investitionshaushalt sowie die übrigen zusätzlichen Mittel in diesem Jahr für das Land Nordrhein-Westfalen und das Saarland später noch insgesamt berichten.
Ich bin sehr dankbar, daß von Herrn Schmidt und von anderen Kollegen — ich glaube, auch von dem Herrn Abgeordneten Brand — die Frage der Beschaffung zusätzlicher Mittel durch die Nürnberger Anstalt angesprochen wurde. Das war eine gute Unterstützung; sie kam von mehreren Seiten. Ich danke dafür. Wir befinden uns nämlich in einer Welt der Autonomien der Selbstverwaltungsorganisationen, und es sind hier aus dem Hause ja harte Worte gegenüber den Selbstverwaltungsgremien gefallen. Wir sind dankbar dafür, denn ich glaube, das wird den Damen und Herren in dem Selbstverwaltungsgremium der Nürnberger Anstalt sehr zu denken geben, und ich nehme an, sie werden sehr bald zu zusätzlichen Hilfen für die Steinkohlenreviere bereit sein.
Meine Damen und Herren, der Strukturplan — das wurde mehrfach angesprochen, sowohl von Herrn Brand wie von Herrn Schmidt — ist eine Aufgabe des Landes und des Bundes, und ich freue mich darüber, daß heute nicht nur von diesem Hause, sondern auch von den Vertretern des Bundesrates klar anerkannt wurde, daß die regionale Wirtschaftsförderung zu den unumstrittenen Gemeinschaftsaufgaben einer zukünftigen Finanzreform gehört. Ich kann nur sehr bitten, daß man in den Ländern und in den Gremien, die gemeinsam verhandeln, sehr schnell in dieser Richtung vorankommt. Wir brauchen das.

(Zustimmung bei der SPD.)

Herr Kollege Schmidt hat mit Recht darauf hingewiesen, daß unser Volk für die Bewältigung vieler schwerer Aufgaben in seiner Vergangenheit große Anstrengungen unternommen hat und daß hier wieder eine große Anstrengung zu unternehmen ist. Das kann alles unterschrieben werden. Er hat nach dem Zeitraum der Anpassung gefragt. Diese Frage ist auch von Herrn Ministerpräsidenten Kühn gestellt worden, auch von anderen Abgeordneten aus diesem Hause. Hierzu möchte ich eines sagen: In der Begründung steht: Diese Rückführung der För-



Bundesminister Dr. Schiller
derkapazität sollte so schnell wie möglich erfolgen. Und dann steht dort in der Begründung des Gesetzentwurfs als Leitlinie unter der Voraussetzung, daß die optimale Unternehmenseinheit geschaffen ist, generell: „zweckmäßige und geordnete Durchführung der Anpassung der Förderung". Damit ist klar: keine chaotischen, überstürzten Stillegungen, sondern planmäßige und geordnete. Man kann damit — das ist, glaube ich, in der Debatte deutlich geworden, und auch ich habe es am Anfang gesagt — sehr viel leichter in einer Zeit des Konjunkturaufschwungs, der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung fertig werden. Dann sind die Stillegungen und die Umstellung für die Gesellschaft, für die Menschen an der Ruhr und an der Saar sehr viel leichter durchzustehen.
Von dem einen oder anderen wird nun gefragt, ob das „so schnell wie möglich" denn noch gilt. Darauf kann ich nur antworten: Wir wollen doch auch den wirtschaftlichen, den Konjunkturaufschwung „so schnell wie möglich" ! Oder ist hier jemand im Hause, der den Konjunkturaufschwung nicht so schnell wie möglich will? Insofern stimmt beides überein, das, was hier in der Begründung steht, und das, was heute als Leitlinie für den Zeitbedarf eines Anpassungsplans. gegeben wurde.
Es wurde gesagt, der Instrumentenkasten der Bundesregierung sei nicht voll ausgenutzt. Der Kollege Schmidt hat das z. B. gesagt, und er hat, wie man es in Hamburg gern ausdrückt, gesagt, beispielsweise die Heizölsteuerermächtigung sei noch als „Fleet in being" vorhanden. Ich glaube, mein Freund und Kollege Helmut Schmidt wird es sehr gut begreifen, wenn ich ihm sage: eine „Fleet in being" — so war es nämlich bei der alten Navy — ist am besten, wenn sie nicht ausläuft. Die „Fleet in being" ist einmal ausgelaufen, und da hat sie ein Skagerrak erlebt. Die Historiker sind bis heute noch sehr darüber im Zweifel, wie die Sache eigentlich wirklich ausgegangen ist.
Es ist daran erinnert worden, daß Stillegungen natürlich mit neuem Angebot an Arbeitsplätzen verbunden sein müßten, und hier wurde auch mehrfach eine Äußerung von mir in dieser Richtung zitiert. Meine Damen und Herren, ich habe immer gesagt: kein Mensch kann annehmen, daß ein Unternehmer justament in dem Augenblick eine Werkbank leer hinstellt, in dem ein Bergmann aus einer stillgelegten Zeche ankommt. Vielmehr wird es sich hier auch um temporäre Beschäftigungen handeln. Darüber ist doch gar kein Zweifel. Das Entscheidende ist — das habe ich immer gesagt und wiederhole es heute —, daß der Anpassungsprozeß und der Prozeß der Neuindustrialisierung parallel laufen.
Es wurde auf Italien, Frankreich und zum Schluß sogar auf England Bezug genommen. Dazu will ich einiges darstellen. Diese Länder sind genannt worden in bezug auf ihre Energiepolitik und in bezug auf ihre Kohlepolitik. Ich kann Ihnen folgende Zahlen nennen. Das Haus weiß, glaube ich, seit langem, daß die französische Politik dahin geht, die Gesamtversorgung des Landes mit Öl so zu regulieren, daß 50 % aus nationaler französischer Raffineriekapazität kommen. In Italien ist der Anteil der nationalen Raffineriekapazität am Gesamtverbrauch 35 %

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

und in Deutschland 30 %. Also ganz so arg ist es nicht: 50, 35 und 30 %.
Nun zur Kohle selbst, speziell in Frankreich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, da in den Behauptungen sehr vorsichtig zu sein. Die französische Kohle wird gestützt — wenn Sie so wollen — durch zwei Maßnahmen der Absatzstabilisierung, nämlich dadurch, daß die staatliche Kohlegesellschaft ihre französische Kohle einmal in der verstaatlichten Energiewirtschaft und zum anderen in der unter staatlichem Einfluß stehenden Stahlindustrie absetzen kann. Im übrigen Bereich, im Haushalt, im Kleingewerbe, in der privaten Verarbeitungsindustrie, ist die heimische Kohle in Frankreich — ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen — dem völlig freien Wettbewerb mit dem Öl ausgesetzt. Deswegen ist es auch kein Zufall, daß—und dies hat vielleicht mancher nicht erwartet — die Reduktion der Förderkapazität von 1957 bis 1966 in Frankreich größer ist als in Deutschland. Es ist gar kein Zweifel, daß Frankreich einen härteren Schritt gemacht hat und im übrigen auch nicht zögert, weiter in dieser Beziehung die Kapazität anzupassen. Die Relationen sind so, daß die Abnahme des Kohleverbrauchs in Frankreich im gleichen Zeitraum etwa bei 28 % und in Deutschland bei 25 % liegt.
Auch die Engländer — die etwas früher angefangen haben — mußten, wie wir alle wissen, einen sehr tiefen Schnitt machen.
Meine Damen und Herren, nun komme ich auf die speziellen Probleme der 'beiden deutschen Bergbauländer. Die beiden Herren Ministerpräsidenten haben uns eine sehr anschauliche Darstellung der Lage ihrer Länder gegeben. Ich glaube, beiden Ministerpräsidenten sollten wir hier vom Hause danken, idaß sie die Krise 'dargestellt haben. Aber ich möchte doch hinzufügen: Wenn man von Vertrauenskrise spricht — und ich sehe das schwere Problem für die Bergleute —, dann ist das nicht gerade immer eine „Aktion Zukunft". Ich verstehe die Situation. Ich bin selber 4 Jahre lang Wirtschaftssenator inBerlin gewesen. Auch da gab es wirtschaftliche Belastungen erheblicher Art. In solchen Situationen ist dann immer die Frage, ob man dadurch Gelder anzieht, oder ob man nicht dadurch den Eindruck einer besonderen Misere erweckt und damit Investoren abstößt.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Das ist das Problem; das muß man sehen.

Ich glaube feststellen zu können, daß im ganzen Hause, was ein 'anderes Problem betrifft, außer dem lapsus linguae von Herrn Menne nur von einem der Herren Bundesratsvertreter eine wirkliche Förderrichtzahl oder „Auffanglinie" gefordert wurde. Sie hieß: 110 Millionen. Ich muß nur sagen: das wäre noch einmal der Irrtum, wie gehabt. Damals hat man die Förderrichtzahl genannt, da waren es 140 Millionen, und das hat die Vorstellung erweckt, als ob das linear bis ans Ende der Welt ginge. Herr



Bundesminister Dr. Schiller
Barzel hat völlig recht: wir können mit staatlichen Interventionen machen, was wir wollen — wenn in einer Gesellschaft der freien Konsumwahl der Absatz nicht unterzubringen ist, dann hilft die Förderrichtzahl nichts mehr. Deshalb warne ich dringend davor, daß nun der derzeitige Stand unseres Absatzes erneut ,als eine Förderrichtzahl oder als Auffanglinie genommen wird, die man dann viele Jahre mit Gewalt zu erreichen versucht, ,die man aber tatsächlich nicht erreicht. Ich freue mich, daß hier in der Mehrheit des Hauses deutlich auf eine solche Förderrichtzahl verzichtet wurde. Ich brauche die Gründe nicht noch einmal darzulegen, ich habe sie deutlich genug genannt. Ich wundere mich, daß die Freien Demokraten nun für eine Planification einer Branche eintreten, indem sie Energiezahlen auf mittlere Frist für die verschiedenen Energieträger wissen wollen. Sonst, das kann ich nur feststellen, wurde :das hier nicht gefordert.
Herr Ministerpräsident Kühn — ich bin noch bei dem Lande Nordrhein-Westfalen — hat in einem Punkt, glaube ich, uns im Gesetzentwurf mißverstanden. Er hat ,die kurze Frist von gut zwei Jahren bei dem § 26 kritisiert. Ich muß mit aller Deutlichkeit ,darauf hinweisen, daß dieser § 26 die Investitionsprämie für neue Investitionen bringen soll. Wenn man also ganz hart fordern wollte: erst einmal neue Arbeitsplätze und dann Stillegung, dann müßte man gerade mit dem Druck eines sehr kurzen Zeitraumes im Sinne dieses § 26 mit Investitionsprämien vorgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf hier auf ein Beispiel hinweisen: Wir haben in diesem Jahr am 19. Januar im Einkommensteuergesetz eine steuerliche Sonderabschreibung für Investitionen bis zu 10 % in diesem Hause beschlossen, und zwar mit Absicht bis zum 31. Oktober dieses Jahres — und ,das Haus hat es verstanden und es gebilligt —, weil wir Druck ausüben wollten, weil wir den Investoren sagen wollten: verschiebt nicht im Attentismus die Investitionen auf das nächste Jahr, sondern nehmt in diesem Jahr bis zum 31. Oktober die Gelegenheit wahr und greift ,dem Finanzamt in die Tasche.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Deswegen ist — natürlich geht das hier nicht so schnell — dieser Zweijahreszeitraum für den § 26 gesetzt. Ich glaube, Herr Ministerpräsident Kühn könnte der Sache folgen, wenn er sich das klarmacht. Das hat überhaupt nichts mit einer Terminierung eines Anpassungsplanes zu tun. Im übrigen kann man ja sagen — das läßt sich leicht machen —, daß auch Neuinvestoren, ,die zuerst Verluste haben und dann also die Prämie unmittelbar nicht gewinnen würden, weil sie als Abzug von der Steuerschuld konstruiert ist, durch eine bestimmte Berücksichtigung ides Verlustvortrages später in den Genuß der Prämie kommen.
Ich freue mich auch darüber, ,daß in diesem Hause ein Energiebeauftragter nicht gefordert wurde. Ich bin der Meinung, daß mit dem Energiebeauftragten eine Institution für den gesamten Bereich der Energiepolitik geschaffen würde, die nicht unmittelbar parlamentarisch verantwortlich ist, und ich bin der Auffassung, für ,die gesamte Energiepolitik ist das Kabinett im ganzen und ist der Bundeswirtschaftsminister gegenüber diesem Hause verantwortlich.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Eines habe ich bei den Ausführungen eines unserer Ministerpräsidenten bedauert. Er sagte, Stillegungen wären jetzt — es wurde so angedeutet — etwa in Übereinstimmung mit dieser Begründung. Das stimmt nicht; denn in derselben Begründung steht: zweckmäßige und geordnete Durchführung der Anpassung der Förderung. Genau das war bei Hansa und Pluto nicht der Fall. Schon der Gesetzentwurf selber zeigt uns, daß wir im Rechte waren, wenn wir so reagiert haben.
Es ist ebenfalls große Übereinstimmung in diesem Hause, daß der Maximalkatalog der Einfuhrbeschränkungen — § 10 AWG und ähnliches — nicht angewandt werden soll. Er ist von keinem Mitglied aufgenommen worden. Ich finde es gut, daß man in dem Bereich der Mittel geblieben ist, die unser Energiekostenniveau nicht nach oben drücken.
Nun möchte ich ein Wort über die Aussichten der beiden Länder der Steinkohlenreviere sagen. Meine Damen und Herren, hier wurde sehr oft in einer düsteren Prognose für die kommende Investitionschance in diesen Gebieten, für die kommende Entwicklung so getan, als ob es völlig unmöglich wäre, etwa 40 000 Bergleute oder bisher im Steinkohlenbergbau Beschäftigte, in diesem Revier verteilt über eine gewisse Zeit, in anderen Bereichen unterzubringen. Man muß doch das Ganze sehen. Die gesamtwirtschaftlichen Daten sind so, daß allein durch technologische Veränderungen und Strukturwandlungen in der gesamten Bundesrepublik in jedem Jahr eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz wechseln müssen.
Wir haben uns eine Vorstellung über das Investitionsvolumen in den Steinkohlenrevieren verschafft, die eine sehr große Zahl für das Jahr 1966 ergibt. Wenn wir die Steinkohlenreviere im Jahre 1966 nehmen und die Investitionen im Unternehmensbereich ohne Kohle und Stahl berücksichtigen, dürften dies etwa 9 Milliarden DM gewesen sein. Man muß sich diese Größenordnung vorstellen, und zwar 9 Milliarden DM nur in den Steinkohlengebieten! Daß es im Jahre 1967 weniger war, wissen wir alle; da haben wir die Rezession gehabt. Daß wir das alte Niveau wiederhaben wollen, ja ein noch höheres brauchen, wissen Sie auch. Dafür haben wir unsere Konjunkturprogramme gemacht. Nur, diese 9 Milliarden DM, diese Investitionstätigkeit allein auf die Steinkohlenreviere bezogen, haben im Jahre 1966 150 000 neue Arbeitsplätze in den Steinkohlenrevieren geschaffen.
Da sollte es nicht möglich sein, in einem kommenden Aufschwung Investitionsmittel zu mobilisieren, um auch die zusätzlich benötigten Arbeitsplätze zu produzieren? Ich bin der Meinung, beide Länder sollten den Mut haben, die neuen Strukturmaßnahmen einzuleiten. Wirtschaftlich ist das zu schaffen.
Es ist gefragt worden, was wir denn im Konjunkturprogramm getan haben. Ich will Ihnen nur eine



Bundesminister Dr. Schiller
Zahl geben. Wenn wir den ersten Eventualhaushalt, den zweiten Eventualhaushalt, das normale regionale Förderungsprogramm und die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zusammenzählen, dann kommen wir an zusätzlichen Investitionsmitteln für Nordrhein-Westfalen und das Saarland zusammen auf eine Summe von 2,4 Milliarden DM. Diese sind in diesem Jahr mobilisiert bzw. werden — das reicht ja tief in das Jahr 1968 hinein — mobilisiert sein. Das scheint mir der erste Anstoß zu einer besonderen Strukturhilfe für jene Steinkohlengebiete zu sein.
Im übrigen danke ich Herrn Ministerpräsidenten Röder dafür, daß er ausdrücklich gesagt hat: keine Wunschvorstellungen! Er hat gesagt, daß auch eine alte Industrie nur das halten könne, was unter modernen Gesichtspunkten bleiben könne, und er hat an den Ideenreichtum der Unternehmer appelliert.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Barzel hat mich — ich will das gleich beantworten; das geht ganz kurz — nach dem nationalen Kohleamt gefragt. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Barzel, ganz präzise: auf keinen Fall mehr Befugnisse als bisher im Entwurf für den Kohlebeauftragten, sehr wahrscheinlich weniger.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Denn in jedem der beiden Fälle, ob wir die Gesamtgesellschaft — freiwillig — oder die Einheitsgesellschaft — nicht freiwillig — haben, sind die Befugnisse des Kohleamtes geringer als in dem Entwurf für den Kohlebeauftragten. Ich glaube, damit ist die eindeutige Obergrenze der möglichen Vollmachten gegeben.
Sie haben mit Recht auch die Frage nach den finanziellen Grenzen gestellt. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Einheitsgesellschaft auch immer wir begründen, eine Gesamtgesellschaft — freiwillig — oder eine andere mit gesetzlichem Zwang, wir werden um eine Übergangshilfe für eine solche Gesellschaft über die bisherigen Mittel in jedem Fall nicht hinauskommen. In einem Land haben wir ja schon eine Einheitsgesellschaft. Der Herr Ministerpräsident des betreffenden Landes hat ja hier gesprochen. Ich will darüber nichts sagen, und ich will auch nicht unsere Verhandlungsposition unnötig strapazieren. Auf jeden Fall müssen wir die Realitäten sehen. Mit der einen Firma allein ist es auch noch nicht getan. Zuerst kommt der Anpassungsplan und dann kommen die Rationalisierungseffekte, da gebe ich Herrn Kollegen Arendt völlig recht.
Ich bin nur etwas traurig darüber, daß Sie nicht zur Kenntnis genommen haben, daß ich selber gesagt habe: Bei der Bürgschaft stelle ich mir nicht die Multiplikation von 360 Millionen DM mit 20 Jahren, sondern eine maximale Obergrenze vor. Das ist, glaube ich, eine Verhandlungsposition, bei der ich sagen kann: bei Ihnen Herr Arendt, finde ich auf jeden Fall Beistand; dafür kann ich mich nur bedanken; das stärkt unsere Verhandlungsposition.
Im übrigen sind wir uns, glaube ich, klar darüber, daß die Anpassungs-, Planungs- und Rationalisierungseffekte und ähnliches bei jeder Gesamtgesellschaft gegeben sind, wie immer sie entstanden sei. Ich bin nur der Meinung, daß man nach dem alten Prinzip der Subsidiarität erst einmal den Menschen, in diesem Fall den Unternehmern, die Chance geben sollte, es freiwillig zu tun. Wenn das nicht geht — ich habe ja selber einen Vorschlag angedeutet —, kann man nach einer gewissen Zeit den Zwang dahintersetzen.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den Fragen, die die Opposition hier an mich gestellt hat. Eine Reihe von Antworten gebe ich Ihnen gleich. Sie haben — dieses Thema wurde mehrfach aufgeworfen — die Frage nach der Kohlehydrierung gestellt. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Die billigste Subvention der Kohle ist die Kokskohlesubvention. Sie mobilisiert eine Tonne Kohle mit einer Subvention von 6,80 DM. Die nächst teure Subvention ist die der Verstromung. Sie kostet im Schnitt 10 DM pro Tonne. Die Kohlehydrierung würde eine Subventionierung von 40 DM pro Tonne — bei einem Preis von 60 DM pro Tonne Kohle — voraussetzen. Da sehen Sie also die Skala: 6,80 DM Kokskohle, 10 DM Verstromung, 40 DM für Kohlehydrierung nach den bisherigen Berechnungen. Wir haben uns um sehr genaue Rechnungen gekümmert. Das wäre die allerteuerste Subventionierung; darüber gibt es keinen Zweifel. Si wäre exorbitant teuer im Verhältnis zu den anderen. Ich kann wohl sagen: leider; denn ich habe in keiner Weise irgendwie ein dogmatisches Vorurteil für oder gegen Kohlehydrierung, obgleich wir alle das Verfahren aus früheren Zeiten nicht gerade in bester Erinnerung haben, was seine damaligen Produkte betrifft. Aber lassen wir das.
Herr Zoglmann, ich habe Ihnen schon geantwortet, weshalb im Gesetz vorgesehen ist, daß, wenn die Unternehmungen sich nicht zusammenschließen, nach einem Jahr — das ist eine Einjahresgrenze — die Subventionen wegfallen. Ich kann Ihnen offen sagen: es gibt auch Überlegungen von Abgeordneten dieses Hauses, die Frist noch kürzer zu setzen, damit die Unternehmen sich schneller zusammenfinden.
Der Entzug von Subventionen ist eine erlaubte Sache. Im übrigen hat dieses Haus ein Gesetz verabschiedet, nach dem die Bundesregierung jetzt alle zwei Jahre mit dem Haushalt einen Subventionsbericht vorlegen soll. Sie soll auch darlegen, wie man in Form eines Gleitplanes von den Subventionen herunterkommt. Hier ist so ein Versuch gemacht. Herr Zoglmann, ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Sie haben immer wieder — man mag es drehen und wenden — eine Förderrichtzahl verlangt. Es wurde von Ihnen gesagt: Woran sollen sich denn die Unternehmer ohne Förderrichtzahl orientieren? Hier möchte ich Sie etwas fragen, Herr Zoglmann, und auch Sie, Herr Friderichs; Sie sind ja, Herr Friderichs, etwas anders orientiert, mehr marktwirtschaftlich, weniger poujadistisch als Herr Zoglmann.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.) Das scheint mir Ihr Dilemma zu sein.


(Beifall bei der SPD.)




Bundesminister Dr. Schiller
Ich möchte Sie fragen: In welcher anderen Industrie gibt es das eigentlich, daß wir eine Produktionsrichtzahl geben? Herr Menne, sollen wir das auch für die chemische Industrie in allen Sparten und in allen Produkten machen? Stellen Sie sich einmal vor, was das für Hoechst und Leverkusen bedeuten würde. Ich habe den Eindruck, die Unternehmer der chemischen Industrie können auch ohne Produktionsrichtzahl für ihre Branche auskommen. Es gibt auch andere Branchen — denken Sie an die Textilindustrie —, die in der Reduktion sind und die ohne Produktionsrichtzahl sich mühselig im marktwirtschaftlichen Prozeß anpassen, ohne daß die Forderung nach einer branchenmäßigen Produktionszielgröße erhoben wird.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513124000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? —

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513124100
Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie bereit, erstens zur Kenntnis zu nehmen, daß ich niemals eine Förderrichtzahl verlangt habe, sondern daß ich zum Ausdruck bringen wollte, daß dann, wenn z. B. der Absatz von Steinkohle in den Elektrizitätskraftwerken durch beschlossene Maßnahme eine bestimmte Relation zu anderen Energieträgern hat, man sagen muß, ob man die Maßnahmen fortführt, und wie lange, weil das einfach zur Marktbeobachtung klar sein muß? Sind Sie bereit, anzuerkennen, daß es allerdings eine Aufgabe der Regierung ist, zu sagen, wie lange sie bereits getroffene interventionistische Maßnahmen fortsetzen will, weil sie nämlich auf die Marktbeeinflussung wirken, oder glauben Sie, daß man auch dazu nichts sagen sollte?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513124200
Ich kann Ihnen folgendes sagen: Für den Bereich der Verwendung der Kohle zur Verstromung ist durch den Gesetzgeber eine Richtzahl gesetzt: 50 %. Wir gehorchen dem Gesetz. Die Gesamtsummen für dieses zweite Verstromungsgesetz sind sozusagen ausgeschrieben; sie sind alle ausgebucht. Das bedeutet in etwa gegenwärtig pro Jahr einen stabilisierten Absatz von Steinkohle von 30 Millionen t. Die Kokskohlesubvention für den Stahl in Deutschland und in der Gemeinschaft bedeutet einen weiteren stabilisierten Absatzbereich von 35 Millionen t. Damit haben Sie diese beiden Wirkungen. Das ist aber keine Förderrichtzahl. Es ist gar kein Zweifel, daß es hier um zwei besondere Verwendungsbereiche der Kohle geht.
Nun muß ich Ihnen noch eines sagen. Hier wurde immer Dr. Fausts Wehklage über die Montanunion angestimmt, und es wurde gesagt, wir seien so schwach usw. Sie wissen, daß die SPD im vorigen Jahr, damals in der Opposition, die Kokskohlesubvention beantragt hat. Übrigens gab es schon damals in Sachen Energiepolitik, was diese absatzstabilisierende Maßnahmen betraf, seit Anbeginn des 5. Deutschen Bundestages so etwas wie eine große Übereinstimmung. Damals gehörten auch Sie dazu, woran ich nur erinnern wollte; jetzt ist es ein bißchen anders geworden. Auf diesem Feld war kein großer Krieg. Wir haben das damals beantragt. Mein Amtsvorgänger, der jetzige Bundesschatzminister, sagte: Wir wollen natürlich versuchen, zu einer Gemeinschaftslösung zu kommen. Er hat versucht, mit Luxemburg zu verhandeln. Die Gemeinschaftslösung bringt uns den ungemeinen Vorteil, daß sie, wie ich schon einmal angedeutet habe, von dem Gesamtexport der deutschen Steinkohle von 25 Millionen t 13,5 Millionen t auch subventioniert. Es gibt nur zwei Länder in der Montanunion, die überhaupt Überschußländer sind. Es sind Belgien und wir. Die anderen sind in der angenehmen Position, Importüberschußländer zu sein.
Nun, er hat es versucht, und ich habe es versucht. Das hat dazu geführt, daß ich im Februar, entsprechend der Forderung dieses Hauses, den Kollegen aus der Montanunion gesagt habe: Liebe Kollegen, wenn wir am 16. Februar nicht mit einer Gemeinschaftslösung via Luxemburg nach Hause kommen, dann werde ich vor den Bundestag treten — die Mittel waren im Etat schon eingeplant —, und wir werden eine nationale Lösung machen. Diese harte Haltung hat am 16. Februar dazu geführt — übrigens zum erstenmal —, daß wir auf diesem Gebiet etwas erreicht haben. Das möchte ich nur anfügen. Wir sind da nicht etwa diejenigen gewesen, die sich alles haben gefallen lassen und immer das schwächste Glied sind. Dies war eine Sache, wo wir nicht nur gekämpft, sondern auch Erfolg gehabt haben und wo einige andere eben mitmachen mußten.
Herr Friderichs, es stimmt nicht, daß wir jetzt eine Kapazität von 135 Millionen t haben. Wir haben nur eine von 120 Millionen t. Wir müssen von den im Bergbau tätigen Menschen ausgehen. Daß die technische Kapazität höher ist, ist selbstverständlich. Die kann beinahe beliebig sein. Da können Sie 145 Millionen t Kapazität hier und heute ausrechnen — ich kenne Leute, die das machen —, indem Sie einfach eine genügende Zahl von Arbeitskräften zuordnen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513124300
Zu einer Zwischenfrage, Herr Dr. Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0513124400
Herr Professor, sind Sie der Meinung, daß sich die Kapazität nach der Beschäftigtenzahl richtet, oder meinen Sie, daß sich die Kapazität — nicht nur im Steinkohlebergbau, sondern überhaupt — nach der möglichen Leistung bei voller Besetzung mit Arbeitskräften richtet?
Dr. Schiller: Bundesminister für Wirtschaft: Bei diesem spezifischen Wirtschaftszweig, bei dem wir alle wissen, wie es aussieht und es technisch vor sich geht, bin ich der Meinung: Die Ausgangsbasis ist eine Förderkapazität, die durch die heute dort Beschäftigten dargestellt wird. Das ganze Problem ist doch in der Tat ein menschliches Problem. Wenn wir von einer technischen Kapazität ausgingen, wäre das doch eine Schattenkapazität, die wir da berechneten; wir kämen da zu riesigen Zahlen hin-



Bundesminister Dr. Schiller
sichtlich der Einschränkung und würden nur noch mehr Unruhe erzeugen, als ohnehin schon da ist.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513124500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0513124600
Herr Bundesminister, da Sie augenscheinlich von der Zahl der Beschäftigten ausgehen, darf ich fragen, welche weitere Entwicklung der Zahl der Beschäftigten im Bergbau Sie erstens für Ihr Strukturprogramm, zweitens für Ihren Gesamtsozialplan und die dafür bereitzustellenden Mittel vor Augen haben.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513124700
Ich habe Ihnen schon ganz deutlich gesagt, welche Größenordnungen für die kommende Zeit der Anpassung der Förderkapazität in bezug auf die derzeitig im Bergbau beschäftigten Menschen in Frage kommen: 40 000 plus 38 000. Die 38 000 sind vor allem Invaliditäts- und Knappschaftsrentner, und die anderen sind diejenigen, die eben nicht mehr im Bergbau zu beschäftigen sind. Ich glaube, das ist das, was ich Ihnen zu sagen habe. Der Sozialplan hat sich selbstverständlich auf jene 40 000 zu beziehen, und das Abfindungsgeld auf diejenigen, die nach den Vorschriften, die wir im Gesetz entworfen haben, in Frage kommen. Sie können es ja noch verbessern.

(Abg. Genscher: Würden Sie das noch ergänzen durch Ihre Zeitvorstellungen?)

— Die Zeitvorstellung ist bei mir in Übereinstimmung mit dem Bundeskanzler und dem ganzen Bundeskabinett allein durch den kommenden Konjunkturverlauf determiniert. Davon hängt sie ab. Das ist eine präzise Antwort. Auf jeden Fall denken wir bei dieser Angelegenheit nicht — das möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen — an politische Termine, an Wahltermine. Damit Sie es genau wissen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir können den Menschen die Anpassung nur in einer Aufwärtsbewegung zumuten. Damals hat man in einer Aufwärtsbewegung den Moment verpaßt und hat mehr Rücksicht auf andere Termine genommen. Da waren Sie mehr dran als wir. Aber lassen wir die Vergangenheit! Sie wissen, ich bin einer, der mit Milde zurückblickt, und ich blicke lieber in die Zukunft. Ich glaube, die große Debatte heute hat sich dadurch ausgezeichnet, daß sie nur an wenigen Stellen zu einem Streit über die Vergangenheit wurde. Sie ging erfreulicherweise vielmehr im wesentlichen um die Zukunft.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513124800
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513124900
Ja, natürlich.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0513125000
Würden Sie um der Fairneß willen bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß der
Hinweis auf die Wahltermine durch Kollegen meiner Fraktion durch einen Brief eines sehr maßgeblichen Mitglieds Ihrer Partei verursacht worden ist, der in Briefen an Mitglieder der FDP-Fraktion darauf hingewiesen hat, sie sollten sich bei dieser Debatte auch an den nächsten Wahltermin erinnern.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0513125100
Da sehen Sie, was für eine große und multiple Volkspartei wir sind, nicht wahr?

(Heiterkeit.)

Ja, das kann ich nur darauf sagen. Meine Auffassung ist es nicht, und die Auffassung des Bundeskabinetts ist es nicht. Für uns ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung maßgebend.
Nun wird nach dem energiepolitischen Gesamtkonzept gefragt. Da Herr Friderichs Marktwirtschaftler ist, ist bei ihm nicht der Gruselkatalog mit allen möglichen Restriktionsmaßnahmen gemeint. Ich kann Ihnen folgendes sagen. Unser energiepolitisches Gesamtkonzept besteht darin — ich sage es ganz deutlich —, die Kohle als heimischen Primärenergieträger wettbewerbsfähig zu machen, im übrigen den deutschen Energiemarkt für die kommenden technologischen Fortschritte geöffnet zu lassen. Das ist das Programm. Wir wollen keinen geschlossenen Markt und keine geschlossene Gesellschaft der gesamten Energiewirtschaft. Damit haben Sie das, was zu diesem Thema zu sagen ist.
Meine Damen und Herren, ich wurde hier von Herrn Friderichs sehr auf einen Plan hingewiesen, als er sagte, ich sei sehr nahe am Rheinstahl-Plan.

(Abg. Dr. Friderichs: Das ist der einzige, den sie erwähnt haben!)

— Nein, da haben Sie nicht aufgepaßt. Ich habe drei privatwirtschaftliche Pläne und einen von der IG Bergbau und Energie genannt. Der war nämlich schon vor dem Gesetz. Ich habe vier Pläne genannt.

(Abg. Dr. Friderichs: Den einzigen, den Sie neben Ihr Konzept gestellt haben, war zum Schluß der Rheinstahl-Plan!)

— Wollen wir das sachlich klären. Sie selber haben, soweit ich das verstanden habe, für eine Syndikatslösung gesprochen — ja? — und für eine marktwirtschaftliche Lösung insofern, als dieses Syndikat durch seine Preispolitik auch darüber bestimmen soll, was an Zechen stillgelegt wird.

(Abg. Dr. Friderichs: Wo gekauft wird!)

— So habe ich Sie verstanden. Da ist der Walsum-
Plan. Ich darf Ihnen noch eines sagen: der WalsumPlan für sich allein ist nicht der Gleitflug für den Kohlenbergbau. Eine solche Sache allein mit der Preispolitik zu machen, ist der Sturzflug. Da bekommen Sie keine geordnete Anpassung, sondern möglicherweise in einem Jahre den Zusammenbruch der Förderkapazität weithin.

(Abg. Dr. Friderichs: Deshalb habe ich den Walsum-Plan nicht aufgenommen!)

— Ja, bloß ging die Politik, die Sie empfahlen, in diese Richtung. Ich bin für eine Kombination, und



Bundesminister Dr. Schiller
das Kabinett ist für eine Kombination, weil keiner von uns den Sturzflug für die Kohle will, sondern weil wir alle eine geordnete Anpassung wollen. Im übrigen ist das positive Element des Walsum-
Plans und ihres Plans, Herr Friderichs, in unserem Programm enthalten, indem ich nämlich gesagt habe: produktivitätsorientierte Preispolitik, zentral! Das gehört — Sie können es genau nachlesen — zu den Aufgaben der Gesamtgesellschaft.
Wenn Sie sagen: Das, was wir mit dem Strukturplan tun, reicht alles nicht,—mein Gott, ich erinnere mich daran, wie hier der zweite Investitions- und Strukturhaushalt beschlossen wurde. Warum haben Sie da eigentlich nicht dem Schiller gesagt: Fünfmal soviel!

(Lachen bei der FDP.)

— Ja, natürlich, oder dreimal soviel.

(Zuruf von der SPD: Aus Angst vor Herrn Luda!)

Da hatten Sie vor weiteren Verschuldungen Angst.
Ihre Pläne gingen doch nur sehr massiv durchzusetzen. Woher wollen Sie das dann alles nehmen?

(Abg. Genscher: Gezielt!)

Aus Steuern wollen Sie es nicht nehmen — das ist doch klar —, also müßten Sie es mit Schulden machen. Ich habe schon gesagt, welch große Summen auf diese Steinkohlenreviere entfallen. Wollen Sie Niedersachsen, wollen Sie den Bayerischen Wald, wollen Sie das Zonenrandgebiet, wollen Sie Berlin aus dem zweiten Investitionsprogramm auslassen? So leicht geht es doch nicht. Dann hätte man es vergrößern müssen; dann hätten Sie den Mut haben müssen, eine höhere Verschuldung zuzulassen, und ich habe gerade von Ihrer Seite in der Beziehung damals nicht den Eindruck gehabt, daß Sie das mitmachen wollten.
Zu der Frage, was wir bei den Ölfirmen, den amerikanischen und den anderen ,ausländischen Ölfirmen in diesem Jahr getan haben, will ich Ihnen nur eins sagen: In der Nahostkrise habe ich in Washington und hier den Herren gegenüber vertreten: Wenn ihr in den letzten zehn Jahren diesen Markt in Deutschland bis zur Größe von 70 % — ich habe vorhin die 30 % deutsche Anteile genannt — erobert habt, dann müßt ihr auch in Zeiten der Versorgungsbeengung durchhalten; man kann einen solchen Riesenmarkt wie die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach erobern und dann, wenn es ein bißchen knapp wird, verlassen und sich rausziehen. Ich habe den Herren sehr deutlich gesagt, wenn sie in irgendeiner Weise den deutschen Markt unterversorgten, dann würde ,das eine sehr große Gegenbewegung in der deutschen Öffentlichkeit hervorrufen. Das haben sie sich auch gemerkt, in Washington wie in Paris — in Paris nur als Standort; Paris als Lieferant hatte ,damit nichts zu tun; es ging um die OECD. Das ist das eine.
Zum anderen: Sie haben ja wohl gehört, daß das Bundeskartellamt zu meinem Ressort gehört und daß dieses Bundeskartellamt, das aus vielerlei Gründen sehr beschimpft wird, es jetzt immerhin fertiggebracht hat, auf dem Benzinpreismarkt etwas zu tun; denn das ist ja wohl nicht allein der Markt,
sondern eben wohl auch diese Institution gewesen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zum Schluß möchte ich noch etwas Prinzipielles sagen. Bei dieser großen Frage, die zu einer so umfassenden Debatte geführt hat, weigere ich mich einfach, anzuerkennen, daß es bei der Debatte etwa darum geht, Herz contra Verstand auszuspielen. Das möchte ich ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich sage sogar noch weitergehend: Warum bemühen wir uns eigentlich, Parlament und Regierung, warum schuften wir alle, Sie und wir, um zwei Konjunkturprogramme? Warum bemühen wir uns qua Exekutive 15 Stunden mit der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie? Warum bemühen wir uns 20 Stunden im Metallarbeiterstreik? Es geht uns dabei doch, Ihnen, den Parlamentariern, und uns, in der Exekutive, immer und bei jedem dieser Probleme um den Menschen! Hinter einem Tarifvertrag, der möglicherweise, weil er im Streite ist, zu einem Streik führt, stehen Menschen, ein paar Hunderttausend Menschen. Deswegen bemühen wir uns, Sie und wir. Hinter den Arbeitslosenzahlen — und im Winter werden wir wieder etwas mehr darüber sprechen, wenn die gute Saison vorbei ist — stehen Menschen. Kurz und gut, wir haben uns nicht gegenseitig zu prüfen, daß der eine mehr Herz habe als der andere, Das möchte ich einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im übrigen können wir ,das auch nicht so machen: Diese Woche schlägt unser Herz für den Bergbau, in der nächsten Woche natürlich für Berlin — wer will hier aufstehen und behaupten, daß sein Herz nicht für Berlin schlägt; das möchte ich einmal sehen —, und dann schlägt unser Herz vielleicht für das Zonenrandgebiet oder für anderes. Nein, meine Damen und Herren, so kommen wir nicht weiter mit einer Auseinandersetzung — ich meine Sie gar nicht, Herr Genscher —, ob der eine oder der andere mehr Herz hat für den Bergbau. Es geht einfach darum: Wir hier, Parlamentarier und Exekutive, arbeiten für das allgemeine Wohl, und unser Herz schlägt für 'das allgemeine Wohl. Das ist unsere Aufgabe, und von dieser Aufgabe kann uns nichts und niemand befreien, solange wir den politischen Auftrag haben, hier im Deutschen Bundestag und in der Exekutive zu wirken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0513125200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513125300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeswirtschaftsminister hat eine Übung aufgenommen, die seit Bildung der Großen Koalition hier im Hause grassiert, nämlich den Versuch zu unternehmen, die Reden der Opposition zu bewerten. Er hat das allerdings nicht in der plumpen Art wie die entsprechenden Kollegen der CDU und der SPD getan, die sich an-



Ollesch
gesprochen fühlen mögen, sondern er als der Schöpfer eleganter Redewendungen hat sich eines bildhaften Vergleichs bedient. Er meinte, die Qualität der Reden der Opposition sei an dein mäßig gefüllten Saal abzulesen. Ich will mich nicht in einen Streit darüber einlassen, ob das möglich ist. Ich habe, Herr Bundeswirtschaftsminister, während Ihrer Rede keinesfalls festgestellt, daß sich der Saal wieder gefüllt hätte.

(Beifall bei der FDP.)

Im Gegenteil, ich habe zu meiner Verwunderung sehen können, daß sich die Bundesratsbank während Ihrer Rede ganz geleert hat. Sie sehen, wie gefährlich es ist, zu versuchen, aus solchen Bildern Reden bewerten zu wollen. Ihre Rede wäre damit auch ins Negative hinein bewertet.

(Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.)

Wer Gelegenheit hatte, vor Beginn dieser 13. Kohledebatte draußen im Lande die Stimme des Volkes zu hören — und ich glaube, daß die Kollegen auf dem linken Flügel dazu in der letzten Zeit besonders Gelegenheit gehabt haben, sie mündlich und schriftlich zu hören —, der hat zur Kenntnis nehmen können, daß weite Teile der Ruhrbevölkerung von dieser Debatte einen ähnlichen Verlauf wie bei denen der vergangenen Zeit erwartet haben, nämlich: daß sich in der Debatte die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen mit Deklamationen begnügen, daß wieder einmal die Vergangenheit beschworen, dem deutschen Bergbau Dank gezollt und das Herz für den Bergbau auf dem Markt herumgetragen wird. Ich habe das Gefühl. gehabt, daß der Kollege Barzel im Begriff ist, einen neuen Verein zu gründen, eingedenk einer früheren, allerdings mißglückten Gründung, nämlich den Verein der Freunde an der Ruhr.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie aber schlecht zugehört!)

Er hat den Kollegen Schmidt (Hamburg) schon als zweites Mitglied dieses Vereins bezeichnet. Nun, die Erwartungen der Freunde draußen wurden enttäuscht.

(Zuruf von der Mitte: Wer sagt das?)

Denn im Gegensatz zu den früheren Debatten, bei denen in letzter Zeit mindestens Maßnahmen der Absatzförderung vorgeschlagen und letztlich auch beschlossen wurden, war heute zwar von mutigen Schritten zu einer neuen Energiepolitik die Rede, im Grunde genommen wurde aber wortreich erklärt, daß es der Bildung einer großen Gesellschaft bedürfe, um weitere Anlagen stillzulegen, schnell stillzulegen.
Es hat eine ganze Reihe von Erklärungen in diesen Tagen gegeben. Herr Kollege Barzel hat beispielsweise erklärt, die Stillegungen müßten sozial, schnell und billig sein. Er hat heute hier im Hause vor den Wunderdoktoren gewarnt. Wer den Barzelschen Wünschen folgen will, wer die Barzelschen Ideen in die Tat umsetzen möchte, müßte in der Tat ein Wunderdoktor sein. Denn aus den Erfahrungen insbesondere der letzten Zeit wissen wir, daß die notwendige Anpassung der Förderkapazität an den Verbrauch keineswegs sozial, schnell und billig durchzuführen sein wird.
Nun hat es in der letzten Zeit draußen im Lande Demonstrationen gegeben. Dortmund-Huckarde wurde hier erwähnt und eindrucksvoll beschworen von den Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen. Sicherlich, bei den Demonstrationen in Dortmund-Huckarde kam vornehmlich die Sorge um die Erhaltung des Arbeitsplatzes zum Ausdruck, aber doch nicht zuletzt auch die tiefe Enttäuschung der Bevölkerung in dem betroffenen Gebiete und insbesondere der Bergarbeiter über die Leistungen der Partei, die in der jetzigen großen Koalition ist, die in der Vergangenheit in den Wahlkämpfen draußen übers Land gezogen ist mit der Behauptung: Bei einer Regierung, die von der SPD geführt würde oder in der die SPD beteiligt wäre, würde es keine Zechenstillegungen mehr geben. Nun sehen Sie, daß es furchtbar leicht ist, zu Wahlkämpfen solche Grundsätze aufzustellen, aber unendlich schwer, sie zu realisieren, wenn man in der Verantwortung steht.
Mich hat es nicht gewundert, daß die Rede des
Kollegen Schmidt (Hamburg) — nun erlauben Sie
mir einmal eine Zensur — im Grunde genommen,
wenn Sie so wollen, ein Offenbarungseid sozialdemokratischer Energiepolitik gewesen ist. Denn
außer dem Herz für die Bergleute und dem stolzen
Wort, das keine Grube stillgelegt werde, wenn nicht
daneben eine Anlage stehe, die in der Lage sei, die
freigesetzten Kumpel aufzunehmen, war nicht allzuviel an Gehalt in diesen Ausführungen. Mir ist
heute im Laufe des Tages von den Zuhörern auf
der Tribüne erklärt worden, es sei verwunderlich,
daß man so viel ohne positiven Inhalt sagen könne.

(Abg. Russe [Bochum] : Aber dann nicht nachmachen, Herr Kollege!)

Lassen Sie mich nun zu den Ausführungen des Herrn Bundesverteidigungsministers — des Herrn Bundeswirtschaftsministers — —

(Abg. Könen [Düsseldorf]:: Auch das noch! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

— Meine Damen und Herren, es ist Ihnen ja nicht unbekannt, daß ich mich auch mit Verteidigungsfragen beschäftige.

(Zurufe von der SPD.)

— Gar nicht so schlecht, Herr Kollege! Ich bin nämlich Betroffener. Ich bin Fahrsteiger im deutschen Kohlebergbau. Ich habe meine Sorgen um meine Existenz. Inzwischen bin ich 52 Jahre alt. Herr Kollege Könen, ich bejahe den Sozialplan, der Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs ist, aber glauben Sie, daß 5000 DM für mich ein Äquivalent für einen verlorenen Arbeitsplatz bedeuten können? Keineswegs! Ich habe deswegen meine Sorge und als Angehöriger und Bewohner des Ruhrgebiets, die Berechtigung, Herr Kollege Könen, hier meine Auffassung darzulegen.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513125400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513125500
Bitte!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0513125600
Herr Kollege Ollesch, darf ich meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß Sie meinen Ausruf „Auch das noch" so falsch verstanden haben? Weil Sie sich versprochen hatten, habe ich nur gemeint: Du lieber Gott, nun auch noch Verteidigungsfragen! Es bestand also kein Anlaß, mir diese Antwort zu geben.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513125700
Ach, Herr Kollege Könen, auch auf dem verteidigungspolitischen Sektor könnten Sie Beispiele entdecken, die unter Umständen auf das Energieproblem anzuwenden wären. Ich erinnere nur einmal an die Geschichte mit der „Transall". Wir überlegen, ob wir statt 60 nicht doch 110 Maschinen kaufen sollten, obwohl wir nur 60 brauchen, weil es nämlich unter dem Strich billiger ist, 110 zu kaufen und 50 zu verschenken, als nur 60 zu bestellen. Das klingt sehr verwunderlich, ist aber in der Tat so.

(Abg. Könen [Düsseldorf]:: Einverstanden!)

Meine Damen und Herren! Alle Pläne, die sich bisher mit ,der angeblichen Gesundung des Bergbaus beschäftigen — es sind jetzt schon fast ein Dutzend —, regeln Fragen der Organisation des deutschen Bergbaus. Keinesfalls schreiben sie ein neues Kapitel 'deutscher Energiepolitik, wie der Bundeswirtschaftsminister heute morgen behauptet hat. Auch der vom Bundeswirtschaftsminister vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete macht hier keine Ausnahme. Er ist, wenn Sie so wollen, ein weiterer Plan zu den vielen vorhandenen. Damit allerdings kein falscher Eindruck entsteht — ich habe es vorhin schon erwähnt —: Ich begrüße, auch im Namen der Freien Demokraten, die sozialen Maßnahmen, die Inhalt auch dieses Planes und des Gesetzentwurfs sind, wenn sie auch verbesserungswürdig sind. Die anzustrebenden Verbesserungen sind hier schon dargelegt worden und werden in den Beratungen der nächsten Monate sicherlich auch zu erreichen sein.
Meine Kritik gegen diesen Plan richtet sich gegen den wirtschaftlichen Teil, gegen die angebliche Zielsetzung. Der in diesem Gesetz angesprochene Steinkohlenbeauftragte soll nämlich darauf hinwirken, daß die Bergbauunternehmen ihre Produktionskapazität auf die Absatzmöglichkeiten des deutschen Steinkohlenbergbaus ausrichten — eine sehr lobenswerte Maßnahme. Zweitens soll er 'darauf hinwirken, daß die Steinkohlenbergwerke mit der günstigsten Kostenlage ihre Produktionskapazität ausnutzen können. Als Behörde eigener Art ist er dem Bundeswirtschaftsminister unterstellt.
Nun hat unser Kollege Friderichs schon darauf hingewiesen, daß es zur Durchführung dieser Maßnahmen im Grunde genommen eines Bergbaubeauftragten gar nicht bedürfte, daß also das Wirtschaftsministerium — sprich: der Wirtschaftsminister —durchaus in der Lage sein müßte, diese Ziele anzusteuern und letztlich auch zu erreichen. Wer sich einmal den Gesetzentwurf ansieht, stellt fest, daß dieser Mann und sein Gremium mit den Aufgaben einfach überfordert sind. Sie sollen nämlich bestimmen, welche Anlagen stillzulegen und in welchen Anlagen Investitionen vorzunehmen sind. Wer macht diesen Mann haftbar, wenn seine Empfehlungen falsch sind und sich dies erst nach geraumer Zeit erweist? Ich möchte meinen, daß die Verantwortung des Bundeswirtschaftsministers bleibt.
Nun ist, obschon 'der Bundeswirtschaftsminister vorhin beschworen hat, ,die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, heute morgen doch angeklungen, daß .die harten Maßnahmen der nächsten Zeit Folge von Unterlassungssünden in der Vergangenheit, sprich — beispielsweise — Unterlassungssünden .der vorigen Bundesregierung sind. Ich meine, der frühere Bundeskanzler Erhard hat das Maß an Schuld, das ihm zugesprochen werden kann, schon lange erreicht. Im Gegensatz zum heutigen angeblich neuen Schritt in die Energiepolitik hat die Regierung Erhard/Mende in der Vergangenheit etwas Außergewöhnliches getan. Sie hat sich nämlich Gedanken um die Absatzsteigerung gemacht. Heute vermissen wir jeden Hinweis, ob es nicht auch Aufgabe und Pflicht einer vorausschauenden Bundesregierung ist — einer Bundesregierung, die ja von mittelfristiger Finanzplanung, von Lohnleitlinien und von Orientierungshilfen spricht —, intensiv über Erweiterung des Absatzes nachzudenken, damit die Betriebe einmal in die Lage versetzt werden, ihre Anlagen voll auszufahren.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Glauben Sie, 'daß das durch Nachdenken erreicht wird?)

— Ich wäre froh, wenn Sie schon einmal darüber nachdächten, statt sich nur darüber zu unterhalten, auf welchem Wege wir die Anlagen abwerfen. Ich komme aber gleich noch darauf, Herr Kollege Russe! Haben Sie keine Sorge!

(Abg. Russe: Ich habe nichts gesagt!) Wir nutzen die Zeit aus.

Nun ist es aber keineswegs so, daß es in der Vergangenheit keine Rationalisierung gegeben hat, daß nicht versucht worden ist, die Förderung dem Absatz anzupassen. Das ist ohne dieses vorliegende Gesetz mit Hilfe einer Institution geschehen, die die Bundesregierung geschaffen hat, nämlich dem Rationalisierungsverband. Herr Kollege Russe, Sie haben ja damals an der Gestaltung fleißig mitgewirkt. Die Zahlen dürfen ruhig einmal wiederholt werden. 1957 hatten wir 142 fördernde Anlagen, 1966 waren es noch 66. Es ist in der Vergangenheit möglich gewesen, eine Förderkapazität von rund 30 Millionen t abzubauen. 40 Anlagen wurden nach den Regeln des Rationalisierungsverbandes stillgelegt. Und immer noch nicht sind wir dort, wohin wir hinwollen: Anpassung der Förderung an den möglichen Absatz. 1957 hatten wir im Bergbau rund 600 000 Beschäftigte; heute sind es rund 300 000. Dem Kapazitätsschwund und dem Belegschaftsabbau



Ollesch
steht aber eine Steigerung der Leistung von rund 84 % gegenüber. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, die Leistung im Ruhrkohlenbergbau pro Schicht und Mann in der nächsten Zukunft auf 4 bis 4,5 t zu steigern.

(Abg. Russe [Bochum] : 4,8 sogar!)

Meine Damen und Herren, warum erwähne ich die Leistungssteigerung überhaupt? Weil schon allein auf Grund der zu erwartenden Leistungssteigerung das Ende der Stillegung von Kapazitäten überhaupt nicht abzusehen ist; denn es kann — und das darf dem Bundeswirtschaftsminister mitgeteilt werden — gar nicht dabei bleiben, 30 bis 40 Anlagen stillzulegen. Es geht halt weiter. — Ich weiß nicht, daß Sie das nicht gern hören;

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber so primitiv können sie es doch nicht machen!)

aber es muß Ihnen gesagt werden.
Wir haben bei 142 Anlagen im Jahre 1957 150 Millionen t gefördert; wir haben 1966 in den verbliebenen 66 Anlagen 125 Millionen t gefördert. Trotz Abbaues der Kapazitäten eine Steigerung der Förderleistung. Die Absatzentwicklung: 1964: 138 Millionen t; 1966: 118 Millionen t. Geschätzte Förderung 1967: rund 110 Millionen t, 1970 rund 90 Millionen t.
Die Förderkapazität — ich glaube, das müßte dem Bundeswirtschaftsminister auch noch einmal besonders klargemacht werden — beträgt zur Zeit eben doch 135 Millionen t. Ich kann die Kapazität nicht daran messen, wie viele vorhandene Bergleute zur Zeit in der Lage sind, Kohle zu fördern, sondern muß sie daran messen, wieviel die Anlagen bei hundertprozentiger Ausnutzung hergeben. Die hundertprozentige Ausnutzung der Anlagen muß das Ziel sein, wenn wir die Kohle wettbewerbsfähig machen wollen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht aller Anlagen!)

wenn wir den Preisunterschied zwischen schwerem Heizöl und Kohle — derzeit 10 DM — wettmachen wollen, damit von der Kostenseite her ein weiterer Ausschluß der Kohle nicht zu erfolgen braucht.
Wir haben also zur Zeit eine Überkapazität von 25 Millionen t jährlich. Sie wird sich durch die zu erwartende Leistungssteigerung und durch den Rückgang des Absatzes, so wie er geschätzt wird, bis 1970 auf zirka 40 Millionen t erhöhen. Das bedeutet, meine Damen und Herren: Stillegung von 30 Anlagen in einem Zeitraum bis 1970, wenn wir diese Zahl als sogenannte Zielprojektion ins Visier nehmen. Das sind 30 fördernde Anlagen mit 80 000 bis 100 00 Arbeitskräften. Es hat gar keinen Sinn, bei der Rechnung und bei den Aufgaben, die vor uns stehen, zu versuchen, die Zahlen herunterzuspielen. Ob wir sagen: „Es müssen 50 000 aktive Bergleute umgesetzt werden, und 30 000 können wir dann in die Verrentung hineinbringen" — bezahlt werden muß beides, und beides muß von der Volkswirtschaft bezahlt werden. Wir haben es ja vor 14 Tagen anläßlich der Debatte um die mittelfristige Finanzplanung gesehen, welche Schwierigkeiten durch den forcierten natürlichen Abgang bei den Rentenversicherungsträgern entstehen; als Ausweg blieb nur eine 20%ige Rentenkürzung in der Ruhrknappschaft ab 1971, gegen die wir Freien Demokraten uns ausgesprochen haben.
Nun aber werden diese Daten — aus der gemachten Erfahrung wissen wir das doch — im Laufe der Jahre immer wieder überholt sein, so daß kein Ende der Stillegung abzusehen ist. Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: das ist die Grundursache der Unruhe in Nordrhein-Westfalen und speziell an der Ruhr. Die Leute fragen sich: Wann hört das denn endlich einmal auf?

(Beifall bei der FDP.)

Nun ist hier ja nicht unausgesprochen geblieben, daß wir gar nicht in der Lage sind, die Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaues durch die Anpassung der Förderung an den Absatz im Wege der Stillegung von Anlagen zu erreichen, weil es inzwischen kein Geheimnis mehr ist, daß die Zeit für die Neuansiedlung von Industrie äußerst ungünstig ist. Ich kann Ihnen aus meiner Heimatstadt Recklinghausen berichten, daß wir in dieser Richtung nichts erreicht haben, obwohl wir in den letzten 10 Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen haben und obwohl Grundstücke vorhanden waren. Deswegen sind die Vorwürfe an den Rationalisierungsverband und an die Notgemeinschaft Deutscher Steinkohlenreviere wegen Nichthergabe von Grundstücken unangebracht. Grundstücke sind inzwischen in ausreichendem Maße vorhanden; es fehlen die Firmen die bereit sind, sich in diesem Revier anzusiedeln, obwohl von seiten der betroffenen Städte Grundstückspreise gefordert werden, die weit unter dem Verkehrswert liegen.
Wie will nun die Bundesregierung die Gesundung des deutschen Kohlenbergbaus erreichen? Nach den Worten des Herrn Bundeswirtschaftsministers durch ein energiepolitisches Gesamtprogramm — so hat er heute morgen gesagt —, und zwar auf folgenden Wegen: Erstens durch eine Neuordnung der Unternehmensstruktur. Durch Druck über finanzielle Maßnahmen, steuerliche Maßnahmen, Verweigerung von Prämien soll es zu einer optimalen Unternehmensgröße kommen. Was ist überhaupt eine optimale Unternehmensgröße? Ich habe, nachdem der Rheinstahlplan besonders herausgehoben wurde, den Eindruck, daß unter der optimalen Unternehmensgröße eine Einheitsgesellschaft, eine Betriebsführungsgesellschaft an der Ruhr verstanden wird. Es soll zweitens erreicht werden durch einen Sozialplan mit den vorgesehenen Abfindungen, Übergangsgeldern, Umschulungsbeihilfen und Feierschichtenbezahlungen und drittens durch einen Strukturplan. Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, bedeuten kein energiepolitisches Gesamtprogramm; sie bedeuten einen gangbaren Weg der Rücknahme unserer Förderung, der Anpassung der Förderung an den Absatz und der Stillegung von Anlagen.
Diese Maßnahmen sollen von den sogenannten flankierenden Maßnahmen begleitet werden. In dem Bericht des Bundeswirtschaftsministers wurden diese



Ollesch
flankierenden Maßnahmen als eine Leistung der neuen Bundesregierung hingestellt. Sie sind nur in dem neuen Begriff eine Leistung des begriffeschaffenden Bundeswirtschaftsministers; sie sind in ihren Anlagen eine Leistung der vorigen Bundesregierung: Verstromungsgesetz, Weiterführung der Heizölsteuer, Kohlezoll und Kokskohlesubventionen. Ich kann aus alledem immer noch keine neue Gesamtenergiekonzeption erkennen.
Nun vernehmen wir heute, daß aus verständlichen politischen Gründen wegen der fehlenden Arbeitsplätze die Stillegung der 30 bis 40 Anlagen nicht in dem vorgesehenen Zeitablauf erfolgen könne. Die Stillegung muß also gestreckt werden. Wir haben vor vierzehn Tagen ein Beispiel erlebt: das Veto des Bundeswirtschaftsministers gegen die beabsichtigte Stillegung der Anlagen „Hansa" und „Pluto". Nun bedeutet Streckung erneute Kosten für die Anlagen; denn sie bedeutet Einlegung von Feierschichten, und die Einlegung von Feierschichten kostet die Betriebe pro Tonne 25 DM. Sie werden also in eine noch ungünstigere Kostensituation hineingetrieben, als sie es heute schon bald sind, wenn die Streckung über Gebühr ausgedehnt wird. Wir sind also wegen der auflaufenden Streckungskosten, die dazukommen, nicht in der Lage, auf dem Weg der Streckung das Ziel einer kostengünstigen Förderung zu erreichen.
Ich habe eingangs erwähnt, meine Damen und Herren, daß zur Anpassung der Förderung an den Absatz 1970 rund 30 Anlagen stillzulegen sind, nach Herrn Barzel möglichst schnell, billig und sozial. Sie wissen alle, daß das nicht möglich ist, daß wir uns mit den bisherigen Mittelchen — den erwähnten Feierschichten und dergleichen — weiterhelfen müssen. Eine weitere Haldenverlagerung wird ja sicherlich nicht ins Auge gefaßt. Das bedeutet, daß die Situation der noch kostengünstig fördernden Anlagen immer schlechter wird und daß das Ausfahren, das nicht volle Ausfahren und das Ausfahren mit Teillast weitere hohe Kosten verursacht.
Über das Problem der kostengünstigen Förderung ist noch etwas zu sagen. Es ist gar nicht so einfach, den Kreis der stillzulegenden Anlagen zu bestimmen, wie es den Anschein hat und wie man glaubt daß es sein könnte, wenn der Stillegungsplan, der hier als Gesetzentwurf vorliegt, Wirklichkeit wird. Es ist keinem verborgen geblieben, daß die Bergbaugesellschaften Anlagen weiterführen, die kostenungünstig fördern, und zwar aus politischen Gründen, nämlich dort, wo — der Kollege Arendt hat es schon erwähnt — eine ganze Gemeinde den Großteil ihrer Steuereinnahmen aus dieser kostenungünstig fördernden Anlage zieht. Wir haben im nördlichen Ruhrgebiet mehr als zwei Handvoll solcher Gemeinden, in denen die Anlage trotz kostenungünstiger Förderung nicht stillgelegt werden kann, es sei denn, es gelänge, Ersatzindustrien dort hinzuschaffen. Es ist also nicht zu machen. Wir kommen aus dem Teufelskreis, wie wir uns auch drehen und wenden, nicht heraus.
Was ist zu tun? Es wurde davon gesprochen — nicht nur heute, auch in der Vergangenheit —, daß ein gewisser Anteil Primärenergie aus deutscher
Produktion erhalten bleiben müsse aus — heute wurde es erwähnt — preisregulativen Gründen. Meine Damen und Herren, wir haben erlebt, wie die Entwicklung auf dem Ölsektor aussah. Die Nahostkrise, die uns in einige Schwierigkeiten hineinbrachte, hatte als Folge, daß die Ölkonzerne, die den Markt in Deutschland beherrschen, bei ,der Hereinnahme ihrer höheren Kosten durch längere Transportwege keinesfalls bei ihren Produkten gleichmäßig vorgegangen sind. Sie haben die Kraftstoffe weit über Gebühr belastet und das Heizöl, speziell das schwere Heizöl, entschieden weniger belastet, weil dieser Markt für die Konzerne nicht nur erhalten bleiben soll, sondern zu Lasten der Steinkohle sogar vergrößert werden soll. Bei aller Liebe — das sage ich trotz der Ausführungen meines Kollegen Dr. Friderichs — kommen wir nicht daran vorbei, neben den geplanten Stillegungen einige Grundvoraussetzungen zu schaffen, damit die Kohle als Preisregulativ bei uns erhalten bleibt.
Lassen Sie mich nun zu den umstrittenen Daten — heute wurde auch „Förderrichtlinien" gesagt — kommen, Daten, die festgesetzt werden müßten und die bezeichnen könnten, wo das Sterben der Anlagen aufhört. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat hier erklärt, das sei schlechthin unmöglich und es verwundere ihn, ,daß solche Gedanken von der Opposition, von den Freien Demokraten, geäußert würden. Er hat darauf hingewiesen, daß die Chemie ohne Daten zurechtkomme, daß die Großchemie durchaus in der Lage sei, sich umzustellen. Sicherlich, die Chemie kann sich umstellen. Sie produziert nicht nur ein Produkt, sondern eine Vielzahl von Produkten, eine ganze Palette von Produkten. Der deutsche Steinkohlenbergbau hat ein Produkt, die Kohle, und er hat den Nachteil, daß sich die Investitionen erst nach langer Zeit auszahlen. Sie können von keinem Bergbauunternehmer, selbst wenn er zur Zeit noch kostenbegünstigt fördert — er weiß ja gar nicht, ob er in der günstigen Lage bleibt —, erwarten, daß er zur Aufschließung neuer Felder die notwendigen Investitionen vornimmt, weil dann, wenn sich die Investitionen nach einem Zeitraum von mindestens fünf Jahren auszahlen, die Situation sich weiter verschlechtert hat und auch die Konkurrenzfähigkeit vom Preise her für den deutschen Bergbau noch weniger gegeben ist, als es zur Zeit der Fall ist.
Ich meine also, die Bundesregierung .sollte für eine befristete Zeit, bis nämlich der Anpassungsvorgang beendet ist, bis wir hundertprozentig ausfahren können — Idas werden wir in den nächsten fünf Jahren nicht können, auch nicht nach diesem Plan —, an solche Richtlinien oder Orientierungshilfen herangehen. Das sind ja in dieser Regierung keine unbekannten Begriffe; da wird ja ständig von „Planung" gesprochen, und die CDU macht 'bei dieser Planung ja auch munter mit. Dabei dürfte es also keine Schwierigkeiten geben.
Zum anderen, meine ich, sollte es doch Vorstellungen darüber geben, welchen Platz ,die Energieträger, auf die wir zurückgreifen können, in der Zukunft einzunehmen haben. Ich stelle die Frage, ob es volkswirtschaftlich unter dem Strich gesehen



Ollesch
sinnvoll ist, Öl zu verbrennen, oder ob es nicht
zweckmäßiger wäre, das Öl in den Kraftverkehr zur
Erzeugung der notwendigen Kraft hineinzubringen.
Meine Damen und Herren, es wird so viel von Energiekosten gesprochen und von der Benachteiligung der revierfernen Gebiete gegenüber dem Revier in ,der Vergangenheit. Die Energiekosten mögen ein wichtiger Faktor sein. Aber wir wissen, daß sie im Schnitt nur 4 % der Gesamtkosten betragen. Auch ,die Lohnkosten, meine Damen und Herren, sind ein Faktor. Wir haben die Löhne von Jahr zu Jahr erhöhen können. Ich habe das begrüßt. Ich bin gar nicht gegen Lohnerhöhungen. Wir haben sie erhöht, ohne daß die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Industriezweige so schrecklich darunter gelitten hätte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513125800
Herr Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513125900
Bitte!

Dr. Josef Stecker (CDU):
Rede ID: ID0513126000
Herr Ollesch, glauben Sie, daß einem Betrieb, der 50 oder 40 oder 30 % Energiekosten hat, sehr viel damit geholfen ist, wenn der betreffende Unternehmer weiß, daß der Durchschnitt 4 % beträgt? Ist Ihnen bekannt, daß in den revierferneren Gebieten heute schon 60 % der Wärmeenergie durch Ö1 gewonnen wird, daß also dieser Prozentsatz im Gegensatz zu Ihrer Zahl sehr viel höher ist?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513126100
Ich beklage, daß er .so hoch ist. Ich fordere Maßnahmen, daß er nicht noch höher wird. Ich will niemandem das Öl nehmen. Aber ich meine: volkswirtschaftlich gesehen wird der Frage der Energiekosten, wie wir sie zur Zeit sehen — Öl oder Kohle —, meiner Ansicht nach ein etwas übergroßes Gewicht beigemessen. Ich glaube nicht an die Vorteile, die unter dem Strich für unsere gesamte Wirtschaft dabei herausspringen. Glauben Sie denn nicht, daß die 900 Millionen DM Subventionen für den Bergbau in diesem Jahr eine Kostenbelastung für die gesamte deutsche Wirtschaft bedeuten? Glauben Sie denn, daß die Stillegungen der nächsten Zeit mit all ihren Folgemaßnahmen gezielter und abgewandelter Art über die Rentenversicherung keine Belastung für unsere Volkswirtschaft bedeuten? Das kommt doch alles aus der Ertragskraft unserer Wirtschaft heraus.
Vor kurzem wurde in der Bundesregierung ein Plan verabschiedet, der sogenannte Leber-Plan, gegen den es eine Reihe von Bedenken gibt. Ich sehe hier einen Kollegen, der seinen Bedenken sehr Ausdruck gegeben hat.

(Zuruf von der Mitte: Wir sprechen über den Bergbau!)

Da werden auch solche Rechnungen der Frachtenverteilung für dieses oder jenes Gewerbe aufgemacht. Wer bezahlt die billige Fracht unter dem Strich? Alle Verkehrsteilnehmer darunter auch wir persönlich. Nur erscheinen die Kosten nicht, weil sie stillschweigend von den Betroffenen bezahlt werden.
Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen. Wir erleben ja auch auf dem Sektor der Landwirtschaft einen solchen Vorgang: Wir produzieren Butter, Butter und nochmals Butter über den Bedarf hinaus. Niemand in diesem Hause kommt auf die Idee, die Erzeugung dem Verbrauch anzupassen und dem Verbraucher durch die Hereinnahme von Konkurrenzbutter einen marktgerechten Preis anzubieten. Ich bin dafür, daß der Landwirtschaft auch bei der Butter geholfen wird. Aber, was machen wir denn? Wir kaufen sie auf.

(Abg. Killat: Wir reden vom Bergbau!)

— Herr Kollege Killat, daß Ihnen das peinlich ist, daß diese Debatte hier so geführt wird, kann ich Ihnen nachfühlen. Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, Herr Kollege Killat. Sie schwören heute allem ab, was Sie draußen lauthals gefordert haben. Sie bekommen die Quittung, heute und demnächst. Da hilft auch kein Ausweichen auf ein Mehrheitswahlrecht, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der Mitte: Wir sprechen vom Bergbau!)

Mögen Sie nicht der Versuchung anheimfallen, Ihr Heil darin zu sehen.
Also, wir lagern ein, wir wälzen um, und wir verkaufen dann die Butter weit unter Preis als Butterschmalz.

(Abg Russe [Bochum] : Wir reden vom Bergbau und nicht vom Butterschmalz!)

— Herr Kollege Russe, Sie können nicht die wirtschaftliche Vernunft einer Maßnahme beweisen, wenn Sie nicht auf gleichgelagerte Tatbestände hinweisen. Auch Ihnen ist es peinlich, Herr Kollege Russe, daß Ihnen das jemand von der Opposition erzählt. Sie wollen doch gar nicht die Diskussion hier in diesem Hause. Sie wollen überhaupt nicht mehr diskutieren.

(Abg Russe [Bochum] : Wir wollen eine sachgerechte Diskussion!)

— Herr Russe, Sie sitzen auf dem Platz neben Ihrem Kollegen Barzel, und dessen Denkweise scheint abgefärbt zu haben.

(Abg. Russe [Bochum] : Ich sitze auf dem Platz des ehemaligen Bundeskanzlers!)

— Sinnvoll ist für Sie die Diskussion nur, wenn Sie sie für angebracht und zweckmäßig halten.

(Glocke des Präsidenten.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513126200
Herr Abgeordneter, kommen Sie zur Sache. Das hat mit der Sache nichts mehr zu tun.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0513126300
Herr Präsident! Ich bin bei der Sache.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Sie sehen doch, wie Sie das Haus leermachen!)

Es geht also um die Vorstellungen, welchen Platz die Energiepolitik in der Zukunft einnimmt. Wir wollen diese Vorstellungen von der Bundesregie-



Ollesch
rung hören, Herr Russe. Wir werden uns da schon
einig. Ich habe Ihnen meine Gedanken vorgetragen.
Zum anderen ist da der Vorschlag einer Steuerung der Raffinerieprodukte mit dem Ziel, mehr an leichten Produkten zu erhalten, damit auch die Rohstoffbasis der chemischen Industrie gesichert ist. Eine solche Steuerung der Raffinerieproduktion hat eine geringere Produktion von schwerem Heizöl zur Folge. Das können Sie sehr marktkonform mit steuerlichen Mitteln erreichen.
Viertens Erschließung neuer Märkte, um zu einer Absatzsteigerung zu kommen. Wir werden auf die Dauer den Bergbau nur gesund erhalten, wenn wir über die 10 Millionen t hinaus einen Absatz gewährleisten können.

(Abg. Russe [Bochum] : Wohin denn?)

— Wohin denn? Hier wurde die Hydrierung erwähnt, aber sie wurde so abgetan. Draußen im Volk geht das Gerede über die Hydrierung herum. Wir fordern Zahlen, Herr Russe, damit das aus der Welt kommt. Vielleicht ist das doch möglich unter Beachtung aller Kosten, die entstehen.

(Abg. Russe [Bochum] : Sie sind doch Fachmann. Sie wissen, daß dafür allenfalls 10 Millionen t in Frage kämen. Machen Sie nicht solche Mätzchen!)

— Herr Russe, was meinen Sie, was uns das zweite Verstromungsgesetz, dem auch Sie zugestimmt haben, an zusätzlichem Verbrauch von Steinkohle bringt in einer Größenordnung, die unter den 10 Millionen t liegt! Wir haben es als eine bedeutsame Leistung und als flankierende Maßnahme gefeiert.
Meine Damen und Herren, wäre es nicht an der Zeit, daß dieses Kohleland Kohleforschung mit dem Ziel betriebe, neue Verwendungsmöglichkeiten der Kohle zu suchen und Gutachten erstellen zu lassen, in denen neue Verwendungsmöglichkeiten aufgezeigt werden? Können wir uns nicht dazu entschließen, vom Bund her ein entsprechendes Institut ins Leben zu rufen? Stünde und das in dieser Zeit nicht gut zu Gesicht? Die Amerikaner haben eine Vielzahl von Forschungsstätten. Was wir, Herr Kollege, hier an Forschung betreiben, ist mir, der ich im Bergbau bin, bekannt. Ich weiß, wie unsere Bergbauforschung aussieht. Wir können sie in eine bestimmte Richtung hineindrängen, wenn wir sie vom Bund aus betreiben.
Der Bundesfinanzminister Strauß hat erklärt — ich glaube, es war gestern —, das Kohleproblem werde in seiner Bedeutung weit überschätzt, es seien ja nur 300 000 Arbeitnehmer. Es ist hier schon einige Male erwähnt worden, daß es über die 300 000 Arbeitnehmer hinausgeht. Es sind die Aufträge in Höhe von 3 Milliarden DM genannt worden, die vom Bergbau an die Industrie vergeben werden. Wenn es nur um 300 000 Bergleute ginge, würden im Ruhrgebiet nicht die verantwortlichen Behörden, die Vertreter der Städte, die Vertreter der Geistlichkeit, der Einzelhandel, die Kleinindustrie gemeinsam mit den Bergleuten gegen jede Stillegung protestieren. Es ist ein Problem — Sie haben es in. Huckarde erlebt, und die Verantwortlichen der
Kohleländer haben es an diesem Platz aufgezeigt —, das über die zuerst Betroffenen an der Ruhr hinausgeht. Das Problem trifft die ganze Ruhr, trifft das Land Nordrhein-Westfalen und die ganze Bundesrepublik.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der Mitte: Das ist auch bei den Landwirten so!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513126400
Auf meiner Liste steht jetzt noch ein Name: Abgeordneter Schmidhuber. Beabsichtigen Sie, Ihre Rede zu Protokoll zu gehen, oder wollen Sie sie halten?

Peter M. Schmidhuber (CSU):
Rede ID: ID0513126500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgerückte Stunde und auf die nicht mehr ganz zufriedenstellende Präsenz auf allen Seiten des Hauses möchte ich meine Ausführungen zu Protokoll geben *). Ich glaube, daß man auch auf diese Weise in dieser wichtigen Diskussion einen sachlichen Beitrag leisten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513126600
Damit, meine Damen und Herren, ist die Debatte geschlossen. Wir kommen zur Erledigung der Überweisungsvorschläge. 2 a soll nach dem Vorschlag des Ältestenrates an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend —, an den Finanzausschuß -mitberatend —, an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung und nach einer interfraktionellen Absprache auch an die Ausschüsse für Sozialpolitik und für Arbeit überwiesen werden. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
2 b soll überwiesen werden an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — ferderführend —, an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Es wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
2 c soll überwiesen werden an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist die Überweisung so beschlossen.
2 d soll überwiesen werden an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. — Der Überweisung wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie noch um einige Minuten Geduld, damit wir noch einige Punkte der Tagesordnung erledigen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG)

— Drucksache V/352 — *) Siehe Anlage 3



Vizepräsident Schoettle
Schriftliche Berichte des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) und des Verkehrsausschusses (20. Ausschuß)
— Drucksachen V/1469, V/2215 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schmidt

(Braunschweig)

Berichterstatter: Abgeordeter Dr. Süsterhenn (Erste Beratung 30. Sitzung)

Herr Berichterstatter, Sie wollten einige Bemerkungen machen.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0513126700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte als Berichterstatter des Verkehrsausschusses nur wenige Bemerkungen zu dem vorliegenden Bericht. Die Notwendigkeit eines Bunndeswasserstraßengesetzes ergibt sich aus der Tatsache, daß der die Ländergrenzen oft mehrfach überschreitende Schiffsverkehr zwingend eine einheitliche Regelung erfordert. Während für zwei der großen Verkehrsträger — das möchte ich noch kurz sagen —, nämlich die Bundesbahn und die Bundesfernstraßen, einwandfreie gesetzliche Grundlagen bestehen, fehlt es für den dritten Verkehrsträger, nämlich die Bundeswasserstraßen, an einem eigenen Verwaltungsgesetz. Ein solches Gesetz konnte bislang nicht zustande kommen. Erst nachdem 1961 das Bundesverfassungsgericht mit dem Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen befaßt war, konnte eine Verordnung erlassen werden und war es möglich, hier wirksam zu werden.
Dieser Entwurf und die dazu vom Verkehrsausschuß und vom Rechtsausschuß erarbeiteten Änderungsvorschläge sind ohne Zweifel geeignet, eine umfassende Verwaltung der Wasserstraßen sicherzustellen und gleichzeitig den großen berechtigten Interessen der Länder an den Bundeswasserstraßen gerecht zu werden. Beide Ausschüsse empfehlen daher die Annahme dieses wichtigen und dringenden Gesetzes.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513126800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Der Rechtsausschuß hat — das muß ich in diesem Zusammenhang noch einmal bemerken — an den Beratungen mitgewirkt. Seine Vorschläge sind eingearbeitet und vom federführenden Ausschuß akzeptiert worden. Ich rufe also auf die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8. Ich sehe, daß überhaupt keine Änderungsanträge vorliegen, so daß ich alle Paragraphen des Gesetzes bis zum § 57, Einleitung und Überschrift des Gesetzes aufrufen kann. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die 'Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. In zweiter Beratung ist das Gesetz in allen seinen Teilen mit übergroßer Mehrheit, Herr Abgeordneter Erhard, angenommen worden.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Doch, Herr Präsident! Ich hatte mich zu Wort gemeldet!)

— Ich habe das nicht so verstanden, Herr Erhard.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0513126900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe nur eine ganz kurze Erklärung ab.
Ich werde mich auch bei der dritten Lesung der Stimme enthalten, weil ich das Gesetz in wesentlichen Punkten für gut, in etwa ebenso vielen Punkten für wenig gut und in einigen Punkten für schlecht halte und als einen Nachteil für manche Bürger ansehe.

(Zurufe von der SPD: Das ist Ihr gutes Recht!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513127000
Es ist das Recht eines jeden Mitglieds des Hauses, seinem Gewissen zu folgen und seine Abstimmung dementsprechend zu begründen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe? — Enthaltungen? — Gegen eine Enthaltung ist das Gesetz in der dritten Beratung angenommen.
Wir kommen zu Punkt 5:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sambia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache V/2006 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksache V/2204, zu V/2204 —
Berichterstatter: Abgeordneter Stein (Hon-rath)


(Erste Beratung 121. Sitzung)

Berichterstatter ist der Abgeordnete Stein (Hon-rath). — Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht.
Ich eröffne die zweite Beratung. — Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht. Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Einhaltungen? —In diesem Fall gibt es keine Enthaltungen. Das Gesetz ist in der zweite Beratung angenommen.



Vizepräsident Schoettle Wir kommen zur •
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Elfenbeinküste über
die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache V/2028 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksachen V/2205, zu V/2205 —
Berichterstatter: Abgeordneter Stein (Honrath) (Erste Beratung 121. Sitzung)
Berichterstatter ist der Abgeordnete Stein (Honrath). Er begehrt das Wort nicht.
Ich eröffne die zweite Beratung. — In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Ich rufe Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in der zweiten Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich nehme an, daß auch die stehenden Damen und Herren dem Gesetz zugestimmt haben, daß sie also nur vergessen haben, sich zu setzen.

(Heiterkeit.)

Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen
— Drucksache V/1782 — Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß)

— Drucksache V/2213 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Koch (Erste Beratung 116. Sitzung)

Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Koch. Er wünscht das Wort nicht.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen! — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen ist das Gesetz in der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
— Drucksache V/2076 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß)

— Drucksache V/2216 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dittrich (Erste Beratung 121. Sitzung)

Es ist vorgeschlagen worden, die Vorlage an den Ausschuß für Gesundheitswesen zurückzuverweisen. — Das Haus stimmt der Rücküberweisung zu. Damit ist auch dieser Punkt erledigt.
Ich rufe den Punkt 10 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die ertragsteuerlichen und vermögensteuerlichen Auswirkungen des Umsatzsteuergesetzes vom 29. Mai 1967 und zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Drittes Steueränderungsgesetz 1967)

— Drucksache V/2185 —
Es handelt sich um eine erste Beratung. Es wird keine Begründung durch die Bundesregierung gegeben. In der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Die Vorlage soll an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden; es ist so beschlossen.



Vizepräsident Schoettle
Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes
Drucksache V/2237 —
Auch hier wird eine Begründung nicht gegeben. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht.
Das Gesetz soll an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Mitberatung überwiesen werden. — Das Haus stimmt diesen Überweisungsvorschlägen zu.
Punkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kleingartenrechtlicher Vorschriften
— Drucksache V/2221 —
Auch hier erfolgt keine Begründung. In der Aussprache zur ersten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Vorlage soll an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen überwiesen werden. — Diesem Überweisungsvorschlag stimmt das Haus zu.
Ich rufe jetzt noch den Punkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer Eherechtskommission — Drucksache V/2162 —
Hier sollen Erklärungen abgegeben werden. Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0513127100

(steckt, indem er lediglich den Rechtszustand vor 1961 wiederherstellen will. Jeder Fachmann weiß, daß sich durch die Änderung deis Textes des Ehegesetzes an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit dem Jahre 1955 in concreto nichts geändert hat. Wir haben uns sehr ernsthaft mit dem Antrag der FDP befaßt und haben versucht — das sei offen bekannt —, in unserer Fraktion einen eigenen Initiativantrag zur Lösung der Probleme, die uns am Herzen liegen, zu entwickeln. Es hat sich herausgestellt, daß das die Kräfte einer Fraktion übersteigt. Denn das sind Probleme, Idie nicht nur die Juristen, sondern auch die Soziologen, die Fürsorger und die Fachleute auf dem Gebiet der Sozialversicherung, des Besoldungsrechts usw. angehen. Mit anderen Worten, es geht um sehr komplexe Probleme. Die Komplexität dieser Probleme erfordert es ganz einfach, daß die Materie von allen in Betracht kommenden Fachleuten aller Art so sorgfältig vorgeprüft wird, mit anderen Worten, von einer Kornmission, die nicht nur aus Juristen zu bestehen hat, sondern aus Vertretern aller möglichen Bereiche, die sich mit dem Problem der Ehe und dem Problem, wann eine Ehe krank ist und wann eine staatliche Ehe von Staats wegen leider aufgelöst werden muß, zu befassen haben. Darüber hinaus hat die Kommission aber endlich einmal all die Konsequenzen zu klären, die sich aus einer Scheidung ergeben, einmal für die Ehepartner an sich, aber insbesondere auch für die Kinder, vor allem hinsichtlich der Fragen der Versorgung. Unser Recht klärt in etwa — und auch das nicht sehr gut — die Unterhaltsverpflichtung der Ehepartner untereinander. Aber unser Recht ist völlig schief hinsichtlich der Möglichkeiten, die sich für einen geschiedenen Ehepartner aus dem Sozialversicherungsrecht, aus dem Beamtenbesoldungsrecht usw. ergeben. Da gibt es, wenn man sich das anschaut, die merkwürdigsten Konsequenzen, die also, wie ich meine, mit Gerechtigkeit kaum noch etwas zu tun haben. Daher hat der Antrag in seinem zweiten Teil auch auf dieses Problem der Konsequenzen der Scheidung in jeder Hinsicht sehr deutlich abgestellt. Ich glaube, das genügt als Begründung für den Antrag. Ich möchte Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen. Denn nur durch eine sehr sorgfältige Prüfung aller dieser Probleme wird es uns gelingen, eine Lösung zu entwickeln, die tatsächlich von der großen Mehrheit nicht nur dieses Parlaments, sondern auch des Volkes getragen werden kann. Ein Flickwerk an einem gesellschaftspolitisch und menschlich so wichtigen Gebiet wie dem des Eherechts — indem man mal den einen Paragraphen ändert und dann wieder einen anderen — führt uns nicht weiter. Diese Zeit .des Flickwerks in unserer gesetzgeberischen Arbeit sollte vorbei sein. Das ist ein Gesetz, das, wenn wir es richtig machen, Jahrzehnte halten sollte. Es sollte ein Gesetz sein, das eine sehr breite Mehrheit in diesem Hause findet. Denn nur dann kann es ein Gesetz sein, ,das wirklich den Menschen dient. Das ist unsere Aufgabe hier. Ich bitte also um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag ,auf Einsetzung einer Eherechtskommission. (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513127200
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0513127300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Die



Busse (Herford)

FDP-Fraktion stimmt dem Vorschlag der SPD-Fraktion zu.

(Bravo, links.)

Ich meine, wir sollten heute auch noch zu einer abschließenden Abstimmung kommen, da eine weitere Beratung über den vorliegenden Antrag nicht nötig ist.
Freilich zwingt mich gerade die Begründung, die der Kollege Hirsch gegeben hat, hier bereits zu einer Klarstellung. Herr Kollege Hirsch, so dankenswert Ihr Vorschlag ist, er wird uns — nach den Erfahrungen, die wir mit der Einsetzung solcher Kommissionen und mit den zeitlichen Ergebnissen haben — nicht von der Notwendigkeit freistellen, inzwischen akut gewordene und noch werdende Probleme zu lösen, ehe dieser Bericht mit seinen Auswirkungen und seinen Konsequenzen vorliegt. Wir werden auf einige Probleme z. B. bereits bei der Lösung der Frage des Unehelichenrechts kommen. Wer sich das in dem Entwurf der Regierung angesehen hat, der findet eine Fülle von Stellen, wo sich Fragen etwa des Eherechts, des Unterhaltsrechts von unehelichen und ehelichen Kindern und derartige Dinge überschneiden. Wollen wir wirklich warten, bis ,dieser Bericht vorliegt, ehe wir an diese dringend zu lösenden Aufgaben herangehen? Ich glaube, wir sind darüber einig, .daß wir die Dinge nicht zurückstellen können. Auch da wollen Sie wirklich von Flickwerk sprechen, wenn wir das machen? Wollen Sie wirklich sagen, Idas lasse sich nicht unabhängig von diesen Regelungen machen? Wir müssen es ganz einfach tun. Ich meine, daß die Dinge bei dem Antrag, den wir eingebracht haben — betreffend den § 48 des Ehegesetzes —, nicht entscheidend anders liegen. Im Gegenteil, hier haben gerade wieder in jüngster Zeit einige Entscheidungen, die selbst bis in die Presse gedrungen sind, klar und deutlich gezeigt, daß wir das Problem der zerrütteten Ehe lösen müssen. Ich kann hier nur wiederholen, was ich seinerzeit schon bei der Beratung gesagt habe: wir sehen unseren Vorschlag nicht als der Weisheit letzten Schluß an, aber als eine mögliche Lösung. Weiteres mag man zurückstellen, bis diese Dinge vorliegen. Wenn Sie bessere Lösungen haben, —à la bonheur, Sie werden uns dann als Ihre Gefährten finden. Denn uns liegt nicht daran, in der Form recht zu bekommen, sondern ein Problem zu lösen, das ebenso dringend zur Lösung ansteht.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0513127400
Keine weiteren Wortmeldungen mehr. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache V/2162 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 9. November, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.