Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EAG für Verordnungen des Rats zur Regelung der Bezüge und Sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle . — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Sodann liegt Ihnen eine Liste betreffend Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor. Erhebt sich gegen die Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Damit sind folgende Vorlagen überwiesen:
Vorlage des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung betr. Bericht der Bundesregierung über Stand und Zusammenhang aller Maßnahmen des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung — Bezug: Beschluß des Bundestages vom 15. Mai 1963
an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik und an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft,
Vorlage des Bundesministers des Innern betr.: Bericht der Bundesregierung über eine einheitliche gesetzliche Grundlage für Sozialstatistiken — Bezug: Beschluß des Bundestages vom 7. Dezember 1962
an den Ausschuß für Inneres,
Vorlage des Bundesministers des Innern betr.: Öffnung des
Grenzüberganges Wahlerscheid-Rocherath — Bezug: Beschluß
des Bundestages vom 6. November 1963
an den Ausschuß für Inneres.
Wir kommen zur
Fragestunde .
Es liegt eine Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Sänger — Drucksache IV/3008 — vor:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen Präsident Nasser als Voraussetzung für seinen Besuch in Bonn, zu dem er eingeladen wurde, verlangt haben soll, daß die Bundesrepublik Deutschland zusichern müsse, Israel nicht diplomatisch anzuerkennen?
Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort ,auf diese Frage lautet: die Pressemeldungen treffen nicht zu.
Herr Abgeordneter Sanger, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich dann fragen, ob der Besuch des Herrn Staatspräsidenten Nasser in Aussicht steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Einladung zu einem solchen Besuch ist übermittelt worden. Über einen Termin gab es noch kein Einverständnis. Das ist der derzeitige Stand.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Sanger?
Haben sich außer der Tatsache, daß sich noch kein Einverständnis über den Termin ergeben hat, andere Schwierigkeiten gezeigt, die behoben werden könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, ein Blick in die Morgenzeitungen lehrt, daß inzwischen weitere Schwierigkeiten aufgetaucht sind.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist nicht die Einladung überholt und absurd, wenn Staatspräsident Nasser tatsächlich den Feind Nummer eins der deutschen Einheit offiziell nach Kairo als Gast einlädt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gerade in der Antwort auf die andere Frage darauf hingewiesen, daß hier Schwierigkeiten aufgetreten sind. Ich möchte diese Schwierigkeiten jetzt nicht weiter qualifizieren.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
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7878 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Ist sich die Bundesregierung im klaren darüber, daß der Bundestag keinen Pfennig Entwicklungshilfe an Länder genehmigen wird, die den Spalter der deutschen Nation als Gast empfangen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte vermuten, daß Sie recht haben, Herr Kollege Mommer.
Herr Abgeordneter Büttner, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, zu welchem Termin wurde oder wird der Besuch des Herrn Staatspräsidenten Nasser erwartet? Können Sie dazu etwas sagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte gerade, daß es über den Termin noch keine genaueren Vorstellungen gab. Ich würde — ohne irgendwelche anderen Vorkommnisse — gesagt haben: in den nächsten Monaten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Büttner.
Herr Bundesminister, glaubt die Bundesregierung, daß Verbindungen der ägyptischen Regierung zu anderen Mächten oder zu Gebilden, die sich als Staat anerkannt sehen möchten, die Beziehungen und auch die Besuchsabsichten Nassers in Bonn belasten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist leider zu befürchten.
Keine weitere Frage.
Dann rufe ich die Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Rasner — Drucksache IV/3010 — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob Pressemeldungen zutreffen, nach denen der Regierende Bürgermeister von Berlin seine vom SPD-Pressedienst als „Memorandum" gekennzeichneten außenpolitischen Aufzeichnungen auch den sozialdemokratischen Regierungen von Dänemark, Norwegen und Schweden zugeleitet haben soll?
Bitte, Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob die erwähnten Pressemeldungen zutreffen.
Eine Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, werden Sie sich, nachdem gestern Herr Barsig zu diesem Thema in der Öffentlichkeit Erklärungen abgegeben hat, bemühen, wirklich kompetente Auskünfte über den genauen Umfang dieser außenpolitischen Aktivität des Regierenden Bürgermeisters zu bekommen, zumal Herr Barsig offensichtlich nicht in einem irgendwie verantwortlichen Verhältnis zum Regierenden Bürgermeister oder zum Senat von Berlin steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist für die Bundesregierung nicht ganz leicht, sich hier als eine Art Untersuchungsführer zu betätigen; das ist wahrscheinlich auch nicht ihre Sache.Ich möchte aber die Gelegenheit benutzen, einiges aufzuklären, was in diesem Zusammenhang bisher vielleicht nicht klar genug gewesen ist.Es war die Frage, ob und in welchem Umfang die Bundesregierung durch Berichte des deutschen Botschafters in Washington über diese Vorschläge ins Bild gesetzt worden sei. Ich habe inzwischen einmal die Telegramme durchgesehen, die wir über den Mai-Besuch des Herrn Regierenden Bürgermeisters in Washington gehabt haben. In diesen Telegrammen wird nicht mit einem Wort auf diese Vorschläge Bezug genommen, auch nicht auf die Bitte des amerikanischen Außenministers, diese Vorschläge in Schriftform zu unterbreiten.
Das mag so und so interpretiert werden können. Ich kann hier nur die Tatsachen feststellen.Ich selbst habe das Stichwort dieser Vorschläge — das habe ich inzwischen nachgesehen — durch die „Pressemitteilungen und Informationen" der SPD kennengelernt, die am 19. Mai ausgegeben worden sind. Es ist eine in Bonn herausgegebene Information betreffend die Rede Willy Brandts in New York. Dort heißt es auf Seite 5, Absatz 3:Wir sollten den Völkern Ost-Europas gemeinsame Projekte vorschlagen und ihnen deutlich machen, daß wir die Angleichung des Lebensstandards an den unsrigen nicht fürchten, sondern erstreben. Dies entspricht auch der ursprünglichen Idee des Marshallplans.Seitdem ist mir dieses Stichwort bekannt.Dann habe ich inzwischen festgestellt, daß die „Welt" in ihren Ausgaben vom Mittwoch, dem20. Mai, und Donnerstag, dem 21. Mai, zwei Hinweise enthält, die ich der Vollständigkeit halber hier auch gern bekanntgeben möchte. In dem einen Fall handelt es sich um einen Bericht aus Washington mit dem Datum 19. Mai. Dort heißt es:Die Bemerkung Brandts in seiner New Yorker Rede— die ich gerade zitiert habe —über die Möglichkeit gemeinsamer Arbeitsprojekte mit osteuropäischen Nationen hatten so viel Interesse bei der amerikanischen Regierung erweckt, daß Rusk Brandt bat, ihm schriftlich seine Gedanken hierüber zuzuleiten.Dann heißt es in einem Bericht der „Welt" vom21. Mai unter der Überschrift „Brandt verneint ,Druck auf Bonn'" im Absatz 4:Dies schloß seine Gedanken über ostwestliche europäische Arbeitsprojekte wie Kanalsysteme, Fernstraßennetz, Elektrizitätsanlagen ein, über die Außenminister Dean Rusk, wie berichtet, sich noch schriftliche Aufzeichnungen erbeten hat.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7979
Bundesminister Dr. SchröderIch sage das nur, um diese anderen nachprüfbaren Tatsachen in Erinnerung zu rufen. Meine eigene Information darüber beruhte auf den inzwischen wieder festgestellten und von mir hier angegebenen Quellen.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Minister, halten Sie es, nachdem feststeht, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin ein vom SPD-Pressedient als „Memorandum" gekennzeichnetes Schriftstück nicht nur an die amerikanische Regierung, sondern auch, wie Herr Barsig gestern gesagt hat, an befreundete Politiker weitergeleitet hat, für bedenklich — wie meine Fraktion das tut —, wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin zirka 20 Wochen lang hinter dem Rücken der für die Außenpolitik verantwortlichen 'Bundesregierung außenpolitisch initiativ wird und die Wahrheit dann nur scheibchenweise und nur auf bohrende Frage hin offenkundig wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Rasner, mein Hinweis auf diese früheren Stellen zeigt schon, daß diese Sache nicht sehr glücklich behandelt worden ist. In dem Augenblick, in dem diese Sache konkretisiert wurde, wäre es sicherlich richtig gewesen, die Bundesregierung zu informieren und uns nicht diesem etwas mühseligen Nachforschungsprozeß zu unterwerfen.
Herr Abgeordneter Barzel, bitte!
Herr Minister, glauben Sie nicht mit mir, daß zwar die Bundesregierung nicht verpflichtet ist, als eine Art Untersuchungsführer, wie Sie eben sagten, tätig zu werden, daß sie aber doch, weil ,sie Recht und Pflicht hat, für Deutschland ,als Ganzes und auch für Berlin zu handeln, verpflichtet ist, Klarheit in diese Dinge hineinzubringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach meiner Meinung besteht dieses Problem nicht so sehr in ,dem Berlin-Bundesrepublik-Verhältnis, sondern es geht eigentlich um die richtige Art und Weise, in der deutsche Politiker — das ist eine sehr allgemeine Fassung — in Dingen dieser Art prozedieren sollten. Das ist nach meiner Meinung der Kern.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Barzel!
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß das für alle deutschen Politiker gilt, daß es ,aber eine besondere Stellung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin gibt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich unterscheiden sich ,die deutschen Politiker auch nach den von ihnen eingenommenen Positionen. Es gibt aber gewisse Regeln, die für alle deutschen Politiker gleich sind.
Herr Abgeordneter Sanger, eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, hätte die Suche nach Klarheit, um die Herr Barzel gerade bat, nicht in dem Augenblick in Ihrem Hause beginnen müssen, als die Pressenotizen über den Inhalt dieser immerhin bemerkenswerten Darlegungen bekanntgeworden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Sänger, ich habe mir, um einmal wirklich klarzustellen, was wir in der Sache gewußt haben und wissen, die Mühe gemacht, in dieser Sache nachzuforschen.
Sie können unmöglich der Bundesregierung zumuten, in einer solchen Sache sozusagen den Boden und jedes Stück Papier umzuwenden, um festzustellen, ob wir schon irgendwo irgendwann einmal einen Hinweis auf Ähnliches gehabt haben.
Das ginge über die Möglichkeiten der Bundesregierung hinaus.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Minister, bin ich sehr im Irrtum, wenn ich annehme, daß das Auswärtige Amt, wenn es solche Ausführungen zur Kenntnis nimmt, Person und Position der Person wertet, doch beim zuständigen Botschafter, wenn schon kein Bericht vorlag, hätte nachfragen müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da bin ich in der Tat anderer Meinung. Wenn der deutsche Botschafter einen so hohen Gast wie diesen — das gilt für zahlreiche andere Gäste natürlich auch — zu Besuchen begleitet — er hat ihn übrigens nicht bei dem Besuch beim amerikanischen Präsidenten begleitet, sondern nach meinem Gedächtnis zu dem Besuch bei Rusk, zu dem Besuch bei Fulbright und zu dem Besuch bei Thompson —, dann wird der deutsche Botschafter darüber das Wesentliche berichten. Diese Berichte habe ich gerade zitiert. Diese Berichte enthalten nichts darüber. Ich habe gerade offengelassen, ob es daran lag, daß er diesem Punkt keine besondere Bedeutung zumaß oder ob sich das Ganze innerhalb dieses Besuches unter Bezug auf die Presseberichte abspielte. Das
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7880 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Bundesminister Dr. Schröder)mag sein. Das können wir vielleicht noch weiter aufklären. Aber da, wo es sich um schriftliche Zusammenfassungen wie hier in etwas feierlicherer Form handelt, muß die Initiative bei dem Betreffenden selbst liegen. Da kann sie unmöglich auf unserer Seite liegen.
Herr Dr. Mommer hat sich als nächster Fragesteller gemeldet.
Herr Minister, was die Mitteilung dieser Aufzeichnung an die skandinavischen Politiker betrifft, möchte ich fragen: Ist es nicht so, daß die guten persönlichen Beziehungen führender Sozialdemokraten zu den führenden Persönlichkeiten der skandinavischen Länder ein großer Aktivposten der deutschen Außenpolitik und insbesondere auch der Deutschland- und Berlin-Politik sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mommer, ich würde gern mal klarmachen, worin nach unserer Meinung das liegt, was hier wirklich zu der Auseinandersetzung geführt hat. Zu der Auseinandersetzung haben nicht geführt die hier vorgetragenen Gedanken. Zur Auseinandersetzung hat nur geführt die Behandlung dieses Themas,
und es wäre uns alles erspart geblieben, wenn, wozu wirklich nicht sehr viel gehört, dieses Papier, als es der amerikanischen Regierung übergeben wurde, an die Bundesregierung zur gleichen Zeit übergeben worden wäre. Es wäre im übrigen durchaus auch denkbar gewesen, daß dieses Papier via Bundesregierung der amerikanischen Regierung übergeben worden wäre. Sie werden sich erinnern — ich verlasse mich jetzt nur auf die Darstellung, die ich gelesen habe —, daß das Papier in Berlin einer amerikanischen Dienststelle übergeben worden ist. Der bessere Weg wäre nach meiner Überzeugung gewesen, es nicht einer amerikanischen Dienststelle in Berlin, sondern der Bundesregierung zur Weiterleitung zu übergeben. Dann wäre uns dies alles erspart geblieben!
Herr Abgeordneter Mommer zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn ich Ihnen in dem Gedankengang folge, daß der Fehler in der Form liegt, würden Sie .dann nicht meine Meinung teilen, idaß sich hier von seiten der CDU/CSU deutlich systematische wahlpolitische Absichten abzeichnen,
daß eine Taktik betrieben wird, die ich so ausdrücken möchte — entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, er ist nicht ganz parlamentarisch —: Aus einem Furz wird ein Donnerschlag gemacht!?
Ich glaube, Herr Minister, Sie brauchen diese Frage nicht zu beantworten!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte mich nicht mit dem gewählten Bild befassen.
Ich kann nur sagen, die Verantwortung dafür trägt
derjenige, der die erste Mische Tatsache gesetzt hat.
Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, würden derartige Erörterungen auch angestellt werden, wenn der Herr Brandt Mitglied der CDU oder, um es noch mehr zu verdeutlichen, ,der CSU wäre
und solche Darlegungen in der Form, sagen wir, eines Interviews in einem 'der zahlreichen „Merkure" nicht nur hinter dem Rücken, sondern mit dem Dolch im Rücken des Außenministers geschrieben hätte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wehner, es ist wirklich eine etwas schwierige Sache, weiter in das Gelände zu gehen. Ich glaube, wir sollten uns hier damit begnügen, und Sie entnehmen .das auch der Art, in der ich die Sache behandeln möchte, daß hier tatsächlich ein bedauerlicher Fehler passiert ist, und das sollte schließlich für alle mehr oder weniger Lehre und Mahnung sein. Mehr möchte ich darüber nicht sagen.
Herr Abgeordneter Blumenfeld zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich nochmals die Frage stellen, ob Sie es nicht für sehr ungewöhnlich halten, nicht nur in der Form, sondern auch in der Sache, daß ein Memorandum oder ein Bericht, der dem amerikanischen Außenminister überreicht wird, nun gleichzeitig führenden skandinavischen Politikern überreicht wird und nicht der Bundesregierung zur Kenntnisnahme zugeleitet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, ich habe es schon gesagt, ich sehe nicht den geringsten Grund dafür, weshalb ein solches Papier eine so einseitige Verbreitung finden sollte, um so mehr .als es an einen Vortrag anknüpft, der in New York öffentlich gehalten wurde.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7881
Herr Abgeordneter Blumenfeld zu einer weiteren Zusatzfrage.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob nicht eine gewisse Zufälligkeit darin besteht, daß die skandinavischen Politiker gleichzeitig auch Regierungsmitglieder sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Blumenfeld, einstweilen bin ich gar nicht in der Lage, sicher zu wissen, welchen Mitgliedern etwa von Regierungen und welchen Politikern in Skandinavien dieses Schriftstück zugänglich gemacht worden ist. Darüber werden wir noch weitere Aufschlüsse erwarten.
Herr Abgeordneter Zoglmann!
Herr Minister, würden Sie es für nützlich halten, wenn die deutsche Außenpolitik nach parteipolitischen Gesichtspunkten gesteuert würde oder, um es anders auszudrücken, wenn jeweils die' politische Komponente hier aus dem Hause mit einer entsprechenden politischen Komponente draußen paktieren würde, das heißt konkret, wenn die Sozialdemokraten grundsätzlich mit sozialdemokratischen Regierungen und die CDU grundsätzlich mit christlich-demokratischen Regierungen zusammenarbeiteten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Zoglmann, das wäre wohl das Schlechteste, was passieren könnte, wenn man die Außenpolitik auf wechselnde Parteibeziehungen zwischen drinnen und draußen abstellen wollte. Im übrigen, wenn Sie meine Meinung hören wollen: in der deutschen Außenpolitik haben wir schon viel zu viel Köche und viel zu wenig Brei. Das ist das Problem.
Herr Zoglmann, zu einer weiteren Frage!
Herr Minister, würden Sie, nachdem Sie soeben festgestellt haben, daß das das Schlechteste wäre, was in der deutschen Außenpolitik passieren könnte, zu dem, was soeben hier im Hause festgestellt worden ist, sagen, daß der Versuch unternommen worden ist, auf ganz bestimmte Parteirichtungen hin mit bestimmten Memoranden abzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe den Vorgang als bedauerlich bezeichnet. Dabei bleibe ich.
Herr Abgeordneter Vogt!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß die Atmosphäre um die deutsche Politik allmählich gespenstisch wird, wenn hier im Hause vom Kollegen Sänger beispielsweise verlangt wird, daß die Bundesregierung Erkundigungen über eine deutsche Botschaft oder über eine deutsche Mission einziehen soll, ob und was ein deutscher Politiker zu der Frage irgendwo gesagt haben soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gerade schon gesagt: man kann die Bundesregierung hierbei sicherlich nicht überfordern. Man erschwert ihre Aufgaben, wenn man solche Forderungen an sie stellt, und wenn man mit ihr kooperativ sein will, sollte man sich so verhalten, wie ich es vorhin bezeichnet habe.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß das Vorgehen des Herrn Brandt
— des Herrn Dr. h. c. Brandt —
eher ein wahltaktisches Manöver des Pseudokanzlerkandidaten gewesen ist, als vielmehr wahltaktische Manöver hier im Hause von der CDU/CSU unternommen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann nur noch einmal auf die Entstehungsgeschichte verweisen. Die Entstehungsgeschichte, wie sie sich hier darstellt, beginnt mit der Bekanntgabe des Vortrags in New York vom 15. Mai, der hier in Bonn am 19. Mai ausgegeben worden ist. Alles andere ist ein Weiterverfolgen dieser Sache. Nur ist diese Sache nach meiner Meinung in falscher Weise weiter verfolgt worden.
Herr Abgeordneter Wehner!
Herr Minister, ließe es sich nicht denken, daß diese offensichtlich so schwerwiegende Frage einer deutschen Initiative, der Sie und wir hier kostbare Zeit zu widmen haben, ohne den Inhalt zu berühren, bei der nächsten Zusammenkunft der CDU/CSU mit den Kreisleitern der Gaulleistischen Partei, die turnusgemäß stattfindet, dort einmal zur Erörterung gestellt würde, um zu sehen, ob 'inhaltlich damit etwas zu machen wäre?
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7882 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann dazu nicht Stellung nehmen. Das ist kein Vorschlag, der sich an meine Adresse richtet.
Herr Abgeordneter Schultz!
Herr Minister, halten Sie es außenpolitisch für sehr nützlich, wenn Funktionäre einer Partei im befreundeten Ausland mit einem bei uns immerhin etwas anrüchigen Namen, nämlich Kreisleiter, bezeichnet werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, mich nicht in die Lage eines Zensors über die Äußerungen des Hohen Hauses zu bringen.
Ich habe das Empfinden, daß der Gehalt der Fragen nicht mehr substantiell ist, daß zuviel Tendenz darin liegt und daß die Form der Frage mißbraucht wird.
Bitte, Herr Dr. Schmidt .
Herr Minister, halten Sie es für im deutschen Interesse erlaubt, daß überhaupt die Partei de Gaulles mit der NSDAP in irgendeiner Weise identifiziert wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich empfinde alle solche Vergleiche als unglücklich.
Und damit stimmt wohl die Mehrheit des Hauses überein. Ich sage das, ohne jemand zu kränken.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zunächst wird die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Stecker aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen aufgerufen, die unter XII — Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — aufgeführt ist. Sie wird vom Herrn Innenminister beantwortet. Die Frage XII/1 lautet:
Wann wird die Deutsche Bundespost in der Lage sein, die Fernsehsender im Raum Osnabrück-Emsland so auszustaiten, daß diese das 3. Fernsehprogramm des Norddeutschen Rundfunks ausstrahlen können?
Herr Kollege Dr. Stecker, das 3. Programm wird nach Landesrecht ausgestrahlt. Wenn der Bund eine Kompetenz hätte, so würde ich Ihrer Frage zustimmen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Stecker,
Herr Minister, darf ich die Frage nochmals stellen? Unter der Voraussetzung, daß es ein Bildungsprogramm ist, ergibt sich die Frage, ob die Bundespost in der Lage ist, vorrangig für die ländliche Bevölkerung die Sender in den Zustand zu bringen, daß sie das 3. Programm ausstrahlen können.
Die technische Frage wird vom Bundespostministerium beantwortet. Die kulturpolitische Frage würde ich bejahen, wenn der Bund eine Kompetenz hätte.
Danke schön. Keine weitere Frage.
Dann rufe ich die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf Drucksache IV/2995 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im einzelnen festzulegen, welche Waffen nach § 2 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes zugelassen sind, um für die Vollzugsbeamten des Bundes in der Praxis eine eindeutige Klärung herbeizuführen, wie sie jetzt durch das Gesetz über die Ausübung unmittelbaren Zwangs der Freien- und Hansestadt Hamburg erfolgt ist?
Bitte, Herr Minister.
Bei dieser Novelle der Hamburger Gesetzgebung handelt es sich um eine interessante Lösung, die durchaus verdient, auch von unserer Seite daraufhin untersucht zu werden, ob sich diese Form für den Bundesgrenzschutz mit seinen besonderen Aufgaben eignet. Ob die übrigen Länder, mit denen eine solche Frage abgestimmt werden müßte, bereit wären, einer solchen Lösung zuzustimmen, muß erst untersucht werden. Ich werde diese Untersuchung anstellen und Ihnen schriftlich Bescheid geben.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, ebenfalls auf Drucksache IV/2992, auf, zuerst die Frage IV/1 — der Abgeordneten Frau Korspeter —:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung den Zuschuß fur eine Fahrpreisermäßigung, der ehemaligen politischen Häftlingen für eine begrenzte Zeit nach ihrer Wohnsitznahme in der Bundesrepublik für Verwandtenbesuche gegeben wurde, seit dem 30. Juni 1964 gestrichen hat, weil die angeblich geringe Inanspruchnahme den Verwaltungsaufwand bei der Deutschen Bundesbahn nicht mehr rechtfertigte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen, die im Zusammenhang miteinander stehen, gemeinsam beantworten?
Einverstanden! Dann rufe ich auch die Frage IV/2 — der Frau Abgeordneten Korspeter — auf:Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß in den letzten Monaten eine größere Anzahl ehemaliger politischer Häftlinge in die Bundesrepublik gekommen sind, bereit, die in Frage IV/1 genannten Mittel wieder zur Verfügung zu stellen?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7883
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Deutsche Bundesbahn gewährte seit Herbst 1953 Heimkehrern für die Dauer von zwei Monaten eine Fahrpreisermäßigung. Diese wurde später auch auf die Berechtigten nach dem Häftlingshilfegesetz ausgedehnt. In den letzten Jahren wurde die Weitergewährung der Vergünstigung durch pauschale Zuschüsse des Bundes an die Bundesbahn möglich gemacht.
Die Inanspruchnahme hat von Jahr zu Jahr abgenommen; 1962 wurden nur noch 333 und 1963 nur noch 230 Bescheinigungen ausgestellt. Die Deutsche Bundesbahn hat auf den unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand aufmerksam gemacht. Dieser besteht darin, daß an allen Bahnhöfen Vordrucke bereitgehalten und alle im Fahrkarten- und Zugdienst Beschäftigten über die Bestimmungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigung ständig unterrichtet werden müssen.
Es handelt sich also — und damit komme ich zur Frage 2 — nicht um die Gewährung der Mittel durch die Bundesregierung, sondern um einen von der Bundesbahn als nicht mehr vertretbar bezeichneten Verwaltungsaufwand. Es fehlt nicht an der Bereitschaft der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Staatssekretär, finden Sie es berechtigt, daß man diesem schwerbetroffenen Personenkreis wegen angeblich zu hoher Verwaltungsarbeit diese Vergünstigungen gestrichen hat, und glauben Sie nicht, daß angesichts der Tatsache, daß eben in den letzten Monaten mehr ehemalige politische Häftlinge zu uns in die Bundesrepublik gekommen sind, die Möglichkeit, diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, größer geworden wäre?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn ich Ihnen diese Frage mit Ja beantwortete, ergäbe sich keine sachliche Änderung.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn den Wegfall dieser Vergünstigungen auch damit begründet, daß durch eine Änderung des Häftlingshilfegesetzes eine zusätzliche Eingliederungshilfe eingeführt und gegeben wurde, und stimmen Sie mir darin zu, daß in dieser Legislaturperiode für die Häftlinge keinerlei andere Eingliederungshilfen eingeführt wurden als die, die wir in der vorigen Legislaturperiode geschaffen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bejahe Ihre letzte Frage, muß aber darauf hinweisen, daß die Häftlinge aus den früheren Jahren inzwischen als eingegliedert bezeichnet werden müssen, soweit das bei ihrem körperlichen Zustand möglich ist. Ich muß weiter darauf aufmerksam machen, daß die Fahrkosten für Arbeitssuche und für Arbeitsaufnahme auf Grund bestehender Gesetze durch die Arbeitsbehörden ersetzt werden. Ich muß zum dritten darauf hinweisen, daß uns aus der letzten Entlassungswelle Beschwerden in dieser Frage bis zur Stunde nicht zugegangen sind.
Sie haben keine Fragen mehr.
Es sind vier Zusatzfragen möglich! Ich habe zwei Fragen gestellt.
Ja, Sie haben recht; Entschuldigung.
Herr Staatssekretär, muß ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, diese Vergünstigungen wieder einzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, das können Sie daraus schließen. Aber ich darf hinzufügen: Wenn Anregungen gegeben werden, die sich verwirklichen lassen, ist die Bundesregierung gern bereit, ihnen nachzugehen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus ,dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage VI/1 — der Frau Abgeordneten Herklotz — auf:
Hält die Bundesregierung das Nachprägen alter, nicht mehr im Kurs befindlicher Münzen für erlaubt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet: Nein, soweit es sich um das Nachprägen früherer Münzen des Reichs oder des Bundes handelt. Das Nachprägen der nicht mehr in Kurs befindlichen Münzen ist nach den §§ 5 und 7 der Verordnung über die Herstellung von Medaillen und Marken vom 27. Dezember 1928 verboten und als Übertretung strafbar. Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich verfolgt. Außerdem wird von den zuständigen Verwaltungsbehörden im Gewerbeaufsichtsverfahren gegen Verstöße vorgegangen. Die Gültigkeit der Medaillen-Verordnung ist vom Bundesjustizministerium überprüft und übrigens auch, soweit hier bekannt, von sämtlichen bisher damit befaßten Gerichten bestätigt worden.
Frau Abgeordnete, eine Zusatzfrage?
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7884 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
'Frau Herklotz : Hält die Bundesregierung diese Verordnung vom Jahre 1928 für eine ausreichende Rechtsgrundlage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, ich sagte eben, daß das Bundesjustizministerium die Gültigkeit dieser Rechtsverordnung überprüft hat. Wenn ihre Gültigkeit bejaht wird, dann ist die Rechtsgrundlage auch ausreichend.
Eine weitere Frage? — Bitte.
Sind Sie nicht vielleicht doch 'der Meinung, daß eine 'gesetzliche Grundlage besser wäre als diese Verordnung von 1928?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, die Medaillen-Verordnung ist vorkonstitutionelles Recht, die kraft ihrer Natur als Rechtsverordnung dieselbe Wirkung hat wie ein Gesetz.
Ich rufe auf die Fragen VI/2 und VI/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke —:
Wieviel Schadensfälle werden von der Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 16. Juni 1964 betroffen?
Wieviel Fälle sind seit Inkrafttreten der Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes abgeschlossen worden?
Dr. Rutschke ist nicht im Saal. Werden die Fragen übernommen? — Ja, von Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich darf die beiden Fragen zusammen beantworten.
Eine genaue Zahl der unter die 17. Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 16. Juni 1964 fallenden Schadensfälle — es handelt sich dabei um Schäden an bestimmten Arten von Gewerbeberechtigungen — kann nicht genannt werden, weil eine laufende Statistik hierüber nicht geführt wird. Nach einer Schätzung dürften etwa 2600 Fälle in Betracht kommen.
Wieviel Fälle hiervon durch Feststellungsbescheide der Ausgleichsämter inzwischen erledigt worden sind, kann ich gegenwärtig ebenfalls nicht sagen, auch nicht schätzungsweise. Nur die Zahl der Fälle, für die von den Vororten und den Heimatauskunftsstellen den Ausgleichsämtern bereits Gutachten zugeleitet worden sind, kann angegeben werden; diese Zahl beträgt, grob geschätzt, etwa 1600.
Genaue Zahlen, Herr Abgeordneter, könnten nur nach aufwendigen Erhebungen bei den Ausgleichsämtern mitgeteilt werden. Derartige Sondererhebungen sind aber meines Erachtens nicht vertretbar, weil die Ausgleichsämter hierdurch zum Nachteil der Geschädigten von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten würden.
Soweit sich in Einzelfällen durch Verzögerung bei der Schadensfeststellung Härten ergeben sollten, wird sich der Präsident des Bundesausgleichsamtes auf entsprechende Mitteilung gern einschalten.
Keine Zusatzfrage!
Die Frage VI/4 — des Abgeordneten Dr. Bechert —
Wie lange dauert es im Durchschnitt im Bundesgebiet, bis Manöverschäden, die durch verbündete Streitkräfte oder die Bundeswehr verursacht wurden, durch die zuständige Oberfinanzdirektion geregelt werden?
wird schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst die Frage VII/1 — des Abgeordneten Dr. Mommer —:
Teilt die Bundesregierung die Meinung des Innenministeriums von Baden-Württemberg , daß die Fragen der Verwertung ausgedienter Kraftfahrzeuge und der Beseitigung der häßlichen „Autofriedhofe" auf Bundesebene geprüft und gesetzgeberisch geregelt werden sollen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern beantworte ich die Frage wie folgt.
Das Problem der wirtschaftlichen Verwertung ausgedienter Kraftfahrzeuge wird zur Zeit durch Schrotthandelsgesellschaften und die Automobilindustrie geprüft. Die Planungen dieser Wirtschaftskreise werden voraussichtlich zur Einrichtung zentraler Verschrottungsanlagen führen. Die Bundesregierung und die beteiligten Wirtschaftskreise sind der Auffassung, daß das Verschrottungsproblem möglichst durch diese privatwirtschaftlichen Anstrengungen gelöst werden sollte. Deshalb wird zur Zeit eine bundesgesetzliche Regelung für die wirtschaftliche Verwertung ausgedienter Automobile nicht erwogen. Unabhängig davon aber prüft die Bundesregierung die Frage, ob zur Beseitigung derjenigen Autofriedhöfe, die das Orts- oder Landschaftsbild verunstalten, gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes möglich und erforderlich sind.
Dann die Frage VII/2 — des Abgeordneten Josten —:
Welche Pläne sind der Bundesregierung zur Verlegung von Erdgasleitungen dem Rhein entlang bekannt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung ist bekannt, daß mehrere Gesellschaften den Bau einer großen Erdgassammelleitung, die zu einem großen Teil etwa die Rheinlinie entlang verlaufen soll, planen. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Unterlagen hat die Deutsche Gesellschaft für Gastransport — das ist ein Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Erdgas- und Bergbaugesellschaften — die Absicht, den Nordabschnitt dieser Erdgassammelleitung zu bauen, Dieser Nordabschnitt soll von den deutschen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7885
Staatssekretär NeefErdgasfeldern im Raum Bentheim bzw. Diepholz-Rehden über Dorsten, Remscheid, Bergisch Gladbach, Siegburg, Linz, Neuwied nach Limburg führen. Für den Fall des Zustandekommens von Erdgasbezugsverträgen mit den niederländischen Gasproduzenten soll ,die Leitung einen Abzweig zur niederländischen Grenze erhalten.Der Südabschnitt der Leitung soll nach den bekanntgewordenen Planungen im Bereich des Landes Hessen von der Gas-Union GmbH und der Ruhrgas AG gemeinsam gebaut werden. Die Gasversorgung Süddeutschland hat die Absicht bekundet, den Bau des durch Baden-Württemberg verlaufenden Leitungsteils zu übernehmen. Der Südabschnitt dieser Sammelleitung soll nach den uns bekanntgewordenen Plänen etwa auf der Trasse Limburg, Rüsselsheim, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm verlaufen. Es ist daran gedacht, die Leitung von Ulm über Augsburg, München bis zur österreichischen Grenze fortzusetzen.Der Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Nordabschnitt dieser Leitung für seinen Bereich bereits zum Bau freigegeben.Daneben ist im linksrheinischen Gebiet von der Thyssenschen Gas- und Wasserwerke GmbH in Duisburg der Bau eines regionalen Erdgasleitungssystems geplant. Für die Hauptleitung ist die Trasse Emmerich, Mönchengladbach, Köln vorgesehen. Von dieser Hauptleitung sollen Abzweigleitungen nach Oberhausen, Wuppertal, Düsseldorf, Wesseling und Düren bzw. Aachen führen. Dieses Leitungssystem soll mit niederländischem Erdgas gespeist werden.
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auf welcher Rheinseite wird mit der Verlegung einer Erdgasleitung zunächst zu rechnen ,sein?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf der rechten Rheinseite!
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Josten!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß man von Rheinland-Pfalz aus sehr daran interessiert 'ist, daß auch der Bau der Leitung auf .der linksrheinischen Seite bald in Angriff genommen werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verlegung einer Erdgasleitung auf einer bestimmten Rheinseite behindert kaum die Versorgung von Anschlußunternehmungen auf der anderen Rheinseite. Es ist bei diesen vorgesehenen Leitungsnetzen möglich, durch irgendwelche Leitungen alle Gebiete, Orte oder Verbraucher angemessen zu versorgen.
Frage VII/3 — des Herrn Abgeordneten Josten —:
Wie weit sind Besprechungen mit den zuständigen Ländern in der Frage der Erdgasleitungen am Rhein zu einem positiven Abschluß gekommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über den Bau der Erdgassammelleitung, die nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes den Wirtschaftsministern der Länder angezeigt worden ist, hat im Bundeswirtschaftsministerium mit Vertretern der Bundesländer eine Besprechung stattgefunden. Diese hat zu einer vollen Einigung geführt.
Keine weitere. Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit 'und Sozialordnung auf. Zunächst .die Frage IX/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt —:
Wie hoch sind die Mittel, die die Sozialversicherungsträger in den Jahren seit 1950 zur Behandlung von Alkoholkranken aufgewandt haben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Renten- und Krankenversicherungsträger leisten Zuschüsse zur Durchführung von Alkoholentziehungskuren an Trinkerheilanstalten und andere Anstalten. Ihre Aufwendungen zur Behandlung von Alkoholkranken werden in den Rechnungsabschlüssen nicht besonders ausgewiesen. Diese Beträge buchen die Krankenkassen unter den Kosten für vorbeugende Maßnahmen und die Rentenversicherungsträger unter den Aufwendungen für Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Infolgedessen können die Mittel nicht genannt werden, die 'die Sozialversicherungsträger für diese Zwecke seit 1950 bereitgestellt haben.
Keine Zusatzfrage. Frage IX/2 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Ist in Ansehung der seit Inkrafttreten des Zweiten Neuordnungsgesetzes zum Kriegsopferrecht gestiegenen Lebenshaltungskosten die Gewährung einer Überbrückungszulage an Kriegsopfer vorgesehen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Index der Lebenshaltungskosten ist seit Inkrafttreten des Zweiten Neuordnungsgesetzes um rund zwei Punkte gestiegen. Demgegenüber hat das 2. Neuordnungsgesetz vom 1. Januar 1964 an in .der Kriegsopferversorgung Leistungsverbesserungen von 1,2 Milliarden DM pro Haushaltsjahr gebracht. Die geringfügige Steigerung der Lebenshaltungskosten rechtfertigt daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine weitere Anhebung der Leistungen für die Kriegsopfer, zumal noch nicht alle Leistungen auf die Verbesserung umgestellt worden sind, die im Zweiten Neuordnungsgesetz vorgesehen sind.
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7886 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht auch der Auffassung sein, daß die Kriegsopferrenten in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem Sozialgefüge zu stehen haben, daß sie nicht nur den gestiegenen Lebenshaltungskosten, sondern auch der Produktionssteigerung angeglichen werden müssen und daß — wenn man einen sinnvollen Zusammenhang mit dem Sozialgefüge herstellt — festzustellen ist, daß die Bemessungsgrundlage in der Sozialversicherung mittlerweile von 400 auf 606 DM erhöht wurde, während die Vollrente eines hundertprozentig Geschädigten sich in dem gleichen Zeitraum nur von 400 auf 480 DM erhöht 'hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe den Eindruck, Sie bringen hier einen Vorschlag für eine neue Verordnung; das kann ich natürlich so schnell nicht nachprüfen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der überwiegende Teil aller Kriegsopfer glücklicherweise beschäftigt ist und infolgedessen an dem allgemeinen Produktionsfortschritt, den Lohnsteigerungen und den sonstigen Verbesserungen .der Lebenshaltung seinen vollen Anteil 'hat.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Fritsch ; Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Verlautbarung der Kriegsopferverbände bekannt, die Ihre Meinung nicht teilen und die erst kürzlich die Forderung nach einer Überbrückungsleistung erhoben haben und die zum zweiten — meines Erachtens mit Recht — die laufende Anpassung auch der Grundrenten an das veränderte Preis- und Lohngefüge fordern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verlautbarungen sind uns bekannt. Die Meinung, die in ihnen zum Ausdruck kommt, teile ich nicht.
Frage IX/3 — des Herrn Abgeordneten Hammersen —; sie wird von Herrn Abgeordneten Dürr übernommen:
Welche Umstände und Hinderungsgründe sind nach Meinung der Bundesregierung dafür maßgebend, daß nach der vom Bundesarbeitsminister dem Deutschen Bundestag unter dem 24. November 1964 auf Drucksache IV12780 vorgelegten Ubersicht über die „Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen" nach dem Stand vom 1. Oktober 1964 bei einer Zahl von insgesamt 69 101 Pflichtplätzen nur 57 933 = 83,8 % Pflichtplatze besetzt und hierbei im letzten Jahr nur 940 = 1,6 % Schwerbeschädigte und ihnen Gleichgestellte eingestellt worden sind?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie sich aus den Zahlen in der Anfrage des Abgeordneten Hammersen ergibt, sind die Bundesbehörden ihrer Verpflichtung aus dem Schwerbeschädigtengesetz zur Beschäftigung von Schwerbeschädigten und den Schwerbeschädigten Gleichgestellten weitgehend nachgekommen. Nur 16 % der errechneten Pflichtplätze sind unbesetzt. Daß eine hundertprozentige Erfüllung nicht erreicht werden kann, ist auf die derzeitige allgemein gute Arbeitsmarktlage zurückzuführen. Die Zahl der arbeitslosen Schwerbeschädigten liegt seit einigen Jahren gleichbleibend bei etwa 5000. In dieser Zahl sind schätzungsweise etwa ein Drittel Fluktuationsarbeitslose enthalten, während der übrige Teil sich aus Schwerbeschädigten zusammensetzt, deren Schädigung so schwer ist, daß eine Unterbringung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist. Unter diesen Umständen sind die Arbeitsämter häufig nicht in der Lage, allen Arbeitgebern geeignete Schwerbeschädigte zur Besetzung offener Pflichtplätze vorzuschlagen.
Diese Umstände wirken sich natürlich auch bei den Bundesverwaltungen aus, die wegen der Größe ihres Personalkörpers einen laufenden Abgang und Zugang von Kräften zu verzeichnen haben, wie z. B. die Bundesbahn oder die Bundespost, oder deren Personalaufbau sich erst in den letzten Jahren vollzogen hat, wie z. B. die Bundeswehrverwaltung, und die daher einen geringeren als den für sie verbindlichen Pflichtsatz aufweisen. Dies darf bei der Betrachtung des Gesamtdurchschnitts nicht außer acht bleiben. Andere Verwaltungszweige beschäftigen, wie sich aus der Aufstellung in der Drucksache IV/2780 ergibt, zum Teil auch über den vorgeschriebenen Pflichtsatz hinaus Schwerbeschädigte.
Aus dieser Sicht erscheint mir die Tatsache, daß insgesamt etwa 17 % der Pflichtplätze bei Bundesbehörden nicht von Schwerbeschädigten oder Gleichgestellten besetzt sind, nicht beunruhigend.
Keine Zusatzfrage.
— Ich rufe die Frage IX/4 — des Herrn Abgeordneten Fritsch — auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung den Sachverhalt, daß das Land Bayern den absolut höchsten Stand aller Bundesländer an Klage- und Berufungsverfahren im Bereiche der Kriegsopferversorgung zu verzeichnen hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mußten bei Beginn ihrer Tätigkeit im Jahre 1954 in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einen hohen Rückstand an anhängigen Verfahren übernehmen. Dieser Rückstand war in Bayern, dem zweitgrößten Land der Bundesrepublik, besonders hoch. Der Ausbau der Sozialgerichtsbarkeit konnte demgegenüber in allen Ländern nur sehr langsam und allmählich vorgenommen werden.Der Abbau an rückständigen Verfahren hat gerade in Bayern in letzter Zeit gute Fortschritte gemacht. So ist der Bestand an unerledigten Verfahren in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1964 in der ersten Instanz um 30 % — etwa von 19 500 auf 13 200 — und in der zweiten Instanz sogar um über die Hälfte von 14 200 auf 6500 zurückgegangen. Der Rückgang liegt noch über dem Bundesdurchschnitt. Hierbei muß bedacht werden, daß dieser
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7887
Staatssekretär ClaussenRückgang trotz der gleichzeitigen Erledigung der laufenden Eingänge erreicht werden konnte, die in Bayern prozentual über dem Bundesdurchschnitt liegen. Sie beliefen sich in dem gesamten Zeitraum auf 22 bis 25 % der Gesamtzahl im Bundesgebiet, obwohl Bayern nur 18,3 % der Versorgungsberechtigten umfaßt. Diese Tatsache mag ihre Erklärung darin finden, daß der prozentuale Anteil der Versorgungsberechtigten in Bayern an der Gesamtzahl aller Versorgungsberechtigten im Bundesgebiet mit 18,3 % höher liegt als der Bevölkerungsanteil Bayerns an der gesamten Bevölkerungszahl der Bundesrepublik, der sich nur auf 17 % beläuft.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit Rücksicht auf die und in Anerkennung der besonderen Leistungen der Sozial- und Landessozialgerichte in Bayern nicht doch zu der Auffassung gelangen, daß in Hinsicht auf die über dem Bundesdurchschnitt liegende Zahl von unerledigten Verfahren die Erweiterung der Kammern und Senate sinnvoll wäre und insoweit Verhandlungen mit der Bayerischen Staatsregierung geführt werden sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da diese Angelegenheit eine Sache der Länder ist, sollte die Initiative, würde ich meinen, hier auch bei den Ländern verbleiben. Was das Bundessozialgericht anlangt, ist zu sagen, daß hier die Zahl der Senate erheblich erweitert werden müßte, wenn man erreichen wollte, daß die Verhandlungsdauer erheblich abgekürzt wird; da wäre es nicht damit getan, daß man einen oder zwei Senate errichtete, sondern da müßte man — ich habe neulich mit dem Herrn Präsidenten darüber gesprochen — mindestens fünf bis zehn Senate neu schaffen. Ob das aber im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung läge, ist füglich zu bezweifeln.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie aus dem uns hier gemeinsamen Anliegen, die Rechtssicherheit des Bürgers zu fördern — ich habe dieses Thema bereits vor 14 Tagen hier einmal in der Fragestunde angeschnitten —, nicht doch Ihre Kompetenz bejahen, mit dem Lande Bayern darüber zu verhandeln, wie man zu einem schnelleren Abbau der erheblichen Zahl von Klagen und Berufungsfällen kommen könnte — auch mit Rücksicht darauf, daß durch das Inkrafttreten des Zweiten Neuordnungsgesetzes und der nunmehr angelaufenen Bescheiderteilung mit erheblichen Zugängen an Klagen und Berufungen zu rechnen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei unseren guten Beziehungen zu den betreffenden Kreisen in Bayern, Herr Abgeordneter, werde ich Ihre Anregung sehr gern aufnehmen und mit der bayerischen
Landesregierung noch einmal über diesen Gegenstand verhandeln.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Die Frage X/1 — des Herrn Abgeordneten Börner —:
Ist dem Bundesverteidigungsminister bekannt, daß die bisher übliche Auszahlung von Ortszuschlägen kasernenpflichtige Soldaten gegenüber nichtkasernenpflichtigen dadurch benachteiligt, daß den zur Kasernenunterbringung Verpflichteten nur die Hälfte des Ortszuschlages ausgezahlt wird und sie dadurch für Wohnräume innerhalb der Kaserne eine wesentlich hohere Miete als nicht zur Unterbringung verpflichtete Soldaten zu zahlen haben?
wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage X/2 — der Abgeordneten Frau Schanzenbach — auf:
1st der Bundesregierung bekannt, daß unter der Bevölkerung des mittelbadischen Flugplatzdorfes Langenwinkel bei Lahr erneut große Beunruhigung entstanden ist, nachdem vor wenigen Tagen eine Militärmaschine des unmittelbar benachbarten NATO-Flugplatzes das Dach eines Hauses streifte und beschädigte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, die drei Fragen der Abgeordneten Frau Schanzenbach im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Ich rufe also noch die Fragen X/3 und X/4 — der Abgeordneten Frau Schanzenbach — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, genaue Auskunft zu geben über den augenblicklichen Stand der vom Bundesverteidigungsministerium verbindlich zugesagten Umsiedlungsaktion für das stark gefährdete Dorf Langenwinkel?
Bis wann kann mit Beginn und Abschluß der Umsiedlungsaktion des Dorfes Langenwinkel gerechnet werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dem Bundesverteidigungsministerium ist bekannt, daß unter der Bevölkerung des Dorfes Langenwinkel eine Beunruhigung entstanden ist. Nach den mir vorliegenden Informationen ist das Dach einer Scheune durch die Druckwelle französischer Düsenjäger, die das Gebäude überflogen haben, teilweise abgedeckt worden. Dagegen hatten die Flugzeuge das Gebäude nicht gestreift, wie es in der Anfrage heißt.Zu dem augenblicklichen Stand der Umsiedlungsaktion ist folgendes zu sagen:Erstens. Der Tauschvertrag zwischen dem Husterhof, auf dessen Gelände das neue Dorf Langenwinkel entstehen soll, und dem Gut Rust steht vor dem Abschluß.Zweitens. An dem Bebauungsplan für das neue Dorf Langenwinkel wird gearbeitet. Wenn keine unvorhersehbaren Schwierigkeiten eintreten, dürfte der Bebauungsplan im Sommer dieses Jahres vorliegen. Der Gemeinderat von Langenwinkel kann dann über ihn beschließen.Drittens. Einzelpersonen, die den Wunsch geäußert haben, nicht in das neue Dorf Langenwinkel
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7888 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Staatssekretär Gumbelumziehen zu müssen, ist die Möglichkeit geboten worden, sich an dritten Orten niederzulassen. Sie haben dazu bereits in erheblicher Menge Abschlagszahlungen bekommen.Die Frage, wann mit dem Abschluß der Umsiedlung zu rechnen ist, beantworte ich wie folgt: Wenn im Sommer der Bebauungsplan genehmigt wird und wenn in nicht allzuferner Zukunft mit der Herrichtung des Geländes und mit der Bebauung begonnen werden kann, dürften immerhin noch zwei bis drei Jahre vergehen, bis die ersten tatsächlichen Umzüge von Langenwinkel nach Langenwinkel (neu) erfolgen können. Das wäre also frühestens Ende 1967.
Frau Abgeordnete Schanzenbach zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind die Umsiedlungsverträge der einzelnen Bürger von Langenwinkel bereits abgeschlossen, oder wann wird es soweit sein?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Entschädigungs- oder Umsiedlungsverträge liegen, soweit mir bekannt ist, bereits vor.
Eine weitere Zusatzfrage!
Sind die Mittel für die Umsiedlung vom Bund in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt, so daß die Umsiedlung zügig vorgenommen werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bisher ist allen Mittelanforderungen entsprochen worden. Diese Anforderungen bezogen sich auf Planungsmittel für die Untersuchung des Geländes und für die Bebauungspläne. Sie bezogen sich außerdem auf Einzelabschlagszahlungen an solche Einwohner von Langenwinkel , die sich nicht in Langenwinkel (neu) ansiedeln wollten, sondern dritte Orte ausgewählt haben.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Schanzenbach!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist bereits durch Verhandlungen geklärt, was der Bund und was das Land an Kosten füll- die Umsiedlung zu zahlen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, daß das festliegt, Frau Abgeordnete.
Eine weitere Frage!
Wer trägt an dem neuen Ort die Kosten für die Aufschließung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Kosten für die Aufschließung in Langenwinkel werden vom Bund getragen. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß die Absicht besteht, den Ort zu vergrößern. Das dürfte natürlich eine Angelegenheit sein, die nicht in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Es gibt einen Dreistufenplan für den Aufbau von Langenwinkel (neu).
Noch eine Frage!
Aber die Verhandlungen zwischen Bund und Land — soweit das Land die Kosten zu tragen hat — werden wohl zügig geführt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl.
Herr Abgeordneter Rinderspacher zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, in welchem Umfang ist Ihr Haus mit der Abwicklung der Umsiedlungsaktion Langenwinkel beschäftigt, und sind Sie eventuell bereit, einen bevollmächtigten Beamten ausschließlich für diesen Zweck abzustellen und ihm an Ort und Stelle ein Büro einzurichten, damit sich die Bevölkerung des Dorfes und auch die Behörden sofort und ohne Schwierigkeiten mit dem Ministerium in Verbindung setzen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß keine Notwendigkeit zur Einrichtung eines solchen Büros besteht. Die Verpflichtung des Bundes besteht darin, die Kosten für diese Umsiedlungsaktion zu tragen und das neue Gelände zur Verfügung zu stellen. Das geschieht durch den Tauschvertrag Husterhof—Gut Rust. Die Durchführung der Bebauung selbst, die Herrichtung des Geländes und die Erstellung der Ersatzgebäude liegt in der Zuständigkeit des Landes Baden-Württemberg.
Soweit mir bekannt ist, sind die Bewohner von Langenwinkel durch die Landesregierung in einer Bürgerversammlung am 28. Februar 1964 auf das eingehendste unterrichtet und aufgeklärt worden. Mir ist nicht bekannt, daß irgendwelche Fragen offengeblieben wären.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, diese Bürgerversammlung, die doch jetzt immerhin ein Jahr zurückliegt, hat gewisse Fragen zwar geklärt; aber sind Sie nicht der Meinung, daß es notwendig wäre, angesichts der nun seit vielen Jahren anhaltenden Unruhe des Dorfes in etwas kürzeren Abständen Verhandlungen mit der Bevölkerung in Langenwinkel zu führen?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7889
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe bereits ausgeführt, Herr Abgeordneter, daß der Bebauungsplan — wie ich hoffe — im Sommer dieses Jahres vorliegen wird. Der Bebauungsplan muß dem Gemeinderat zur Beschlußfassung vorgelegt und von ihm beschlossen werden. Dann werden die Bürger über den Gemeinderat ja an der endgültigen Gestaltung des neuen Dorfes Langenwinkel beteiligt sein. Ich sehe im Augenblick keine Möglichkeit, Ihnen schon jetzt weitere Auskünfte zu erteilen, da diese Arbeiten zunächst einmal zum Abschluß gebracht werden müssen.
Frage X/5 — des Abgeordneten Welslau —:
Ist der Bundesverteidigungsminister bereit, sportlich talentierten jungen Soldaten nach der Grundausbildung die Möglichkeit zu geben, Sportlehrgänge zu besuchen mit dem Ziel, den Übungsleiterausweis zu erwerben und somit in der Truppe und nach dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst als sportlicher Übungsleiter tätig zu sein?
Die Frage wird von dem Herrn Abgeordneten Schmidt übernommen.
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist aus zwei Gründen nicht möglich, sportlich talentierte junge Soldaten nach Abschluß der Grundausbildung zu Sportleitern auszubilden. Erstens: Die Zeit des Grundwehrdienstes — das sind 18 Monate — wird für die Ausbildung zum feldverwendungsfähigen Soldaten gebraucht. Zum zweiten: Einem jungen Soldaten fehlen nach drei Monaten Grundausbildung weithin die notwendige Erfahrung und auch die Autorität, um die Sportausbildung eines Zuges zu leiten.
Die Bundeswehr beschreitet einen anderen Weg. Sie bildet alle Unteroffiziers- und Offiziersanwärter obligatorisch während ihrer Laufbahnlehrgänge zu Riegenführern bzw. zu Sportleitern aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, erfolgt die Ausbildung der Sportleiter in den Sportlehrgängen der Bundeswehr nach den Richtlinien des Sportbundes bzw. seiner Fachverbände und im Zusammenhang mit diesen Institutionen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Ausbildung ist mit dem Deutschen Sportbund vereinbart und von ihm begrüßt worden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, es ist bekannt, daß etwa 80 % aller Rekruten über die Berufsschulen zur Bundeswehr kommen, d. h. ohne jede sportliche Vorbereitung. Stehen der Truppe genügend sportlich vorgebildete Fachkräfte zur Verfügung, um die körperliche Überforderung der Rekruten während der ersten Wochen der Ausbildung zu vermeiden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gerade aus diesem Grunde, Herr Abgeordneter, ist angeordnet worden, daß alle Unteroffiziere und alle Offiziere zu Sportleitern ausgebildet werden.
Herr Abgeordneter Schwabe zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegt nicht in Ihrer vorletzten Antwort ein gewisser Widerspruch zu unserer seitherigen Auffassung zum 18-
Monate-Wehrdienst? Wir haben doch die 18 Monate u. a. auch zu dem Zweck beschlossen, eine gewisse Truppenpräsenz zu haben. Wäre es nicht denkbar, diese Ausbildung, wie Herr Kollege Schmidt sie eben ansprach, zumindest dahin gehend zu forcieren, daß mehr Sportabzeichen — ich darf gleich ergänzen: mehr Führerscheine und mehr Englischkenntnisse — in der Truppe erworben werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wäre natürlich erfreulich, wenn alles zur gleichen Zeit gemacht werden könnte, Herr Abgeordneter. Aber zur Ausbildung gehört Zeit, und im Vordergrund steht, glaube ich, zunächst einmal — und dewegen werden die Soldaten eingezogen — die militärische Ausbildung.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf, zunächst die Frage XI/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler —:
Ist dem Bundesverkehrsministerium bekannt, daß bei Ermäßigung der zuschußfähigen Kosten für Straßenbaumaßnahmen häufig auch der Bundeszuschuß reduziert und dadurch entstandene Rückforderungen des Bundes auch bei so niedrigen Summen geltend gemacht werden, daß der verursachte Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zu dem finanziellen Ergebnis für den Bund steht?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für Zuwendungen an fremde Baulastträger sind die Richtlinien der Bundesregierung vom 1. April 1953 und ein Allgemeiner Runderlaß des Bundesministers für Verkehr vom 13. Dezember 1961 maßgebend. Diese sehen im Bewilligungsschreiben an den Baulastträger u. a. vor, daß ein entsprechender Teil der Zuwendungen zurückzuzahlen ist, wenn die Ausführungskosten der bezuschußten Teile des Bauvorhabens unter den veranschlagten Kosten bleiben. Die Mittel fließen wieder dem Bundeshaushalt zu. Der obersten Straßenbaubehörde ides Landes oder der von ihr beistimmten Landesbehörde obliegt die Verwaltung rückzahlbarer Zuwendungen. Sie ist nach Ansicht meines Hauses ohne großen Verwaltungsaufwand möglich.
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7890 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Staatssekretär Dr. SeiermannNach § 105 der Reichshaushaltsordnung darf der Bundesrechnungshof von ,der Einziehung absehen, wenn es sich um geringfügige Beträge handelt. Nach § 68 der Reichswirtschaftsbestimmungen und dem Erlaß des Bundesministers ,der Finanzen vom 29. Juni 1950 sind dies Beträge bis zu 3 DM. Hiervon wurde bisher ,immer Gebrauch .gemacht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß ,der Betrag von 3 DM viel zu niedrig ist, und ließe sich nicht aus Gründen einer vernünftigen Verwaltungsvereinfachung diese Höchstgrenze etwa bis 500 oder 1000 DM erhöhen? Wäre Ihr Haus dazu bereit?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, man könnte über die Höhe des Betrages durchaus reden. Es ist aber so: Im Verhältnis zwischen Bund und Zuschußempfänger haben sich im Jahre 1964, für das ich die Erhebungen habe machen lassen, die zurückgeforderten Beträge .auf zwischen 4000. DM und 64 000 DM belaufen. Allerdings ist nicht bekannt — und konnte infolge der Kürze der Zeit auch nicht festgestellt werden —, in welcher Höhe die Länder bei der Abrechnung der von ihnen in unserem Auftrag verwalteten Zuschüsse geringfügigere Rückzahlungen verlangen. Ich will diese Frage bei der nächsten Zusammenkunft mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder ansprechen.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Deneke und Genossen betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages .
Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Deneke das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Natürlich habe ich mir überlegt, ob ich diesen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung nicht mit einem wohlvorbereiteten Manuskript ablesenderweise begründen sollte. Wenn Sie, wie ich hoffe, diesen Antrag einstimmig annehmen, würde mir das ja künftig sehr erschwert. Schließlich habe ich aber dann doch gedacht, es ist richtiger, wenn ich — im Sinne des Antrags — dem bekannten Lutherwort folge: „Tritt fest auf, tu's Maul auf, hör' bald auf!", und ich hoffe, Sie nicht zu enttäuschen, wenn ich bald aufhöre.
— Sehen Sie, so ist das. Ich muß Ihnen ja auch zugeben, daß das unter Umständen sehr viel einfacher ist. Ich habe heute vormittag in der Fragestunde gesehen, daß sogar ein parlamentarischer Geschäftsführer eine Zusatzfrage abgelesen hat.
Der § 37 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages würde, wenn Sie, wie ich hoffe, unserem Antrag folgen, künftig folgende Fassung haben:Die Redner sprechen in freiem Vortrag. Sie können hierbei Aufzeichnungen— sogenannte Spickzettel —benutzen. Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine seltene Ausnahme sein. Das Verlesen von Reden, die im Wortlaut vorbereitet sind, bedarf der Genehmigung des Präsidenten.Und nun kommt es:Die Genehmigung ist vor Eintritt in die Tagesordnung schriftlich zu beantragen.
— Aber selbstverständlich, ich kann doch wohl den Antrag ablesen!Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag auf Änderung des § 37 der Geschäftsordnung soll eine Verschärfung der Geschäftsordnung bringen. Er soll selbstverständlich aber auch nicht verhindern, daß in wohbegründeten Fällen nach wie vor im Wortlaut vorbereitete Manuskripte verlesen werden.Es ist sicher einleuchtend, wenn man als Begründung etwa sagt: Es handelt sich um ein so delikates Thema der Außenpolitik, daß es hier auf jede Formulierung ankommt. Dann ist das Lesen ganz sicher zu billigen und ganz sicher angebracht. Ich könnte mir auch vorstellen, daß jemand sagt, er müsse seine Jungfernrede halten, und er möchte nicht gern Fehler machen beim Verlieren der parlamentarischen Unschuld. Andererseits könnte man als Begründung auch angeben, daß Zurufe, wie sie beispielsweise Herr Kollege Schäfer gemacht hat, den Redner so ungeheuer verwirren, daß er sich lieber am Manuskript festhalten möchte. Ich weiß nicht, ob das schon eine Begründung wäre. Schließlich könnte mancher Redner auf die Idee kommen, daß sich eine im Wortlaut vorbereitete Rede in dem, sagen wir einmal, „Zentralorgan der Interessengemeinschaft deutscher Skatspieler" besser lesen ließe als eine frei gesprochene Rede; denn eine Rede ist ja keine Schreibe.
Selbstverständlich kann es sich auch um das „Deutsche .Ärzteblatt" handeln.
— Das habe ich gerade gesagt. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie es bemerkt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7891
DenekeVom Minister an aufwärts ist sowieso klar, daß das Ablesen damit begründet werden könnte, daß wenigstens Teile der Rede von anderer Hand vorgefertigt sind und aus diesem Grunde ein Verlesen praktischer ist.Auf jeden Fall würde eine Änderung dieses Paragraphen der Geschäftsordnung eine Erschwerung bringen. Ich bitte Sie, die beantragte Änderung als eine wesentliche Teilmaßnahme zur Belebung des Parlaments und der Arbeit hier im Plenum anzusehen. Insofern möchte ich die Änderung in die Maßnahmen einordnen, die z. B. mit der Einführung der „aktuellen Stunde" hier von Ihnen allen beschlossen worden sind.Eine Belebung des Parlaments und des Geschehens in diesem Plenarsaal scheint mir um so notwendiger zu sein, als einem der Plenarsaal allzuoft mehr wie eine Art Lee(eh)rsaal vorkommt, — wobei ich Ihnen anheimgebe, zu überlegen, ob Sie ,das Wort Lee(eh)rsaal mit „ee" oder „eh" schreiben wollen.
— Ja, im Duden. Aber Sie können es vor allen Dingen nachher im Protokoll nachlesen; denn die eigentliche 'Schwierigkeit haben jetzt die Herren Stenographen. Die müssen überlegen, ob sie das Wort mit „ee" oder „eh" schreiben sollen. Ich will es nicht erläutern. Sie können sich das eine oder das andere :dabei 'denken.Auf jeden Fall erscheint mir dieses Plenum vielfach als eine Art Lesesaal, wo der eine vorliest und l andere, wie das jetzt dort hinten ,der Fall ist, Zeitungen lesen.
Wenn wir diesen Weg weitergehen, wird der Plenarsaal, wie ich glaube, nicht mehr der Debatte dienen, also dem „Parlamentum", was im mittelalterlichen Latein ursprünglich „das Gespräch" hieß, sondern dann wird er mehr und mehr zu einer Dokumentationszentrale werden, in der vorbereitete Reden gehalten oder möglicherweise nur noch zu Protokoll gegeben werden. Das Ganze würde ja wahrscheinlich noch besser funktionieren, wenn gar kein Abgeordneter mehr im Plenarsaal ist.
Ich meine sehr wohl, daß )der Zwang, die Verpflichtung zur freien Rede dieses Parlament beleben könnte. Das Wesentliche würde mehr als bisher in Kürze gesagt werden. Natürlich gehört dazu die Kunst des Gespräches, auch in dem Sinne, daß man wieder zuhören lernt.Alles in allem, der Antrag möchte 'dieses Haus zur Selbstdisziplin ermuntern. Ich 'bitte Sie sehr herzlich, die Überweisung dieses Antrags an den zuständigen Ausschuß nicht als eine Art Fahrkarte in das Land des Vergessens aufzufassen.
Herr Dr. Mommer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Deneke verfolgt einen sehr guten Zweck. Er hat recht, daß, wenn hier immer frei geredet würde, unsere Debatten interessanter wären. Aber, Herr Kollege Deneke — ich habe einmal schnell nachgesehen —, Sie sind vor etwas mehr als einem Jahr in unser Haus gekommen und nicht so leidgeprüft wie die, die länger hier sind als Sie.Wenn wir unsere Geschäftsordnung, so wie sie ist, anwenden, dann bedarf es gar keiner Novellierung von § 37. Dort heißt es:Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag. Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen.Ich würde sogar sagen: Bei wichtigen Reden müssen sie Aufzeichnungen benutzen, Herr Kollege. Hier werden selten große, wichtige politische Reden gehalten, ohne daß Aufzeichnungen benutzt werden. Jeder Redner braucht bei längeren Sachausführungen die Stichworte, die ihn leiten, das zu sagen, alles zu sagen, was er sagen will, und nicht mehr zu sagen, als er sagen will. Wir sind hier nicht in einer öffentlichen Versammlung, in der man losreden kann. Die Redner, die das tun, laufen manchmal bei diesem Versuch auf.
Es gibt, wenn wir hier der Geschäftsordnung folgen, keinen Grund, etwas zu ändern. Wir müssen sie nur anwenden. Hier steht nämlich weiter:Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine Ausnahme sein und dürfen nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgelesen werden.Ihr Antrag müßte also eigentlich lauten: Das Haus wird aufgefordert, den Präsidenten zu bitten, die Einhaltung der Geschäftsordnung zu erzwingen.
Einer Novellierung bedarf es da absolut nicht.Aber wenn die Einhaltung dieser Bestimmung nicht erzwungen worden ist, dann ja wohl nicht aus Schwäche des Präsidenten, sondern dann aus Gründen, die im Menschlichen und allzu Menschlichen liegen, und Menschen sind wir alle, Sie auch, Herr Kollege Deneke.
Ich habe Zweifel, ob Sie in Ihrer Fraktion für Ihren Antrag die Unterstützung aller Kollegen gehabt haben. Ich habe nämlich den Eindruck, daß das Ablesen von Reden nicht etwa auf die Fraktionen außerhalb der FDP beschränkt wäre.
Das soll gelegentlich auch bei FDP-Abgeordneten vorkommen.
Darum würde ich Ihnen empfehlen, wenn Sie jetzt mit dem löblichen Reformeifer des jüngeren Kollegen hierher kommen: machen Sie erst einmal im eigenen Hause sauber. Ehe der Geschäftsordnungs-
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7892 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Dr. Mommerausschuß darüber beraten kann, können Sie Ihre Fraktionskollegen darauf verpflichten, daß sie alle ohne Manuskript antreten und in freier Rede das Haus fesseln und daß es nicht mehr so sein wird, wie es manchmal bei FDP-Reden ist, daß sich nämlich das Haus leert.
Ich schließe die Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beantragt. Bestehen Bedenken? Muß ich abstimmen lassen?
— Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Eschmann, Dröscher, Dr. Müller-Emmert, Dr. Lohmar, Schmitt-Vockenhausen, Schwabe, Bauer , Börner, Frau Korspeter, Porzner, Wellmann, Schmidt (Braunschweig) und Fraktion der SPD betr. Rechtsstellung und soziale Sicherung der bei den Alliierten Beschäftigten (Drucksache IV/2938).
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Eschmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ein Konzept; ich habe es für notwendig gehalten, weil es sich um die Begründung eines Antrages handelt, und ich denke, daß ist ein Unterschied zu einer Debattenrede. Wir sollten dabei, sei es stichwortartig oder etwas ausgefeilter, ein Konzept zugrunde legen; denn es kommt bei einem Antrag schließlich auf die Genauigkeit des Dargelegten an.Meine Damen und Herren, bevor ich zur Begründung der einzelnen Punkte des Antrages Drucksache IV/2938 unserer Fraktion komme, gestatten Sie mir ein paar Vorbemerkungen: Seit es das Problem der bei den Stationierungsmächten Beschäftigten gibt, nämlich seit 1945, haben diese Probleme in gewissen Abständen limmer wieder den Deutschen Bundestag beschäftigt. In einer ganzen Reihe von größeren und kleineren Anfragen, in Anträgen und mit Fragen in den Fragestunden dieses Hohen Hauses haben wir Sozialdemokraten die Bundesregierung um ihre Einstellung zu diesen Beschäftigten befragt und von der Bundesregierung zu wissen verlangt, was sie in der Praxis für diesen Personenkreis tut, um die Beschäftigungslage und die sozialen Verhältnisse dieser Menschen besser zu regeln. Die Antworten, meine Damen und Herren, der Bundesregierung waren bisher leider unbefriedigend, nicht umfassend genug und gingen in der Regel am Kern der Probleme vorbei. Soweit es sich um Große Anfragen oder um Anträge handelte, die ja bekanntlich hier im Hause nach der Begründung, so wie auch heute, eine Diskussion herbeiführen oder doch herbeiführen sollten, habe ich wiederholt als dazu beauftragter Begründer solcher Großen Anfragen oder Anträge von eingehender Diskussion bisher leider nicht viel bemerkt. Vielleicht, meine Damen und Herren, wird das heute bei der Behandlung dieses Antrages besser. Ich hege deshalb diese Hoffnung, weil in verschiedenen Konferenzen und Kundgebungen der Zivilbeschäftigten draußen im Lande die anwesenden Vertreter aller hier im Hause vertretenen Parteien bekundet haben, .daß auch sie die Notwendigkeit der Regelung der anstehenden Fragen der Zivilbeschäftigten anerkennen und daß das Verhalten der Bundesregierung diesen Leuten gegenüber bisher zu lasch, zu zurückhaltend gewesen sei. Alle Parteienvertreter, alle, haben auf Kundgebungen und Konferenzen draußen im Lande den Zivilbeschäftigten ihre volle Unterstützung zugesagt. Nun können Sie heute und hier unter Beweis stellen, daß es Ihnen ernst damit ist, indem Sie sich an der Diskussion nachher hier eingehend beteiligen und, wenn möglich, unserem Antrag zustimmen.Nun zu den einzelnen Punkten unseres Antrages, zunächst zu Punkt 1. Mit einem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zur dritten Lesung des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 4. Mai 1961 einstimmig der Bundesregierung in der Nr. 5 unter anderem empfohlen, sofort nach Artikel 82 des Zusatzabkommens bezüglich der arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu Artikel 56 in Verhandlungen einzutreten und bis zum 31. Dezember 1962 dem Bundestag in einem Bericht das Ergebnis darzulegen, ob eine Angleichung an das deutsche Arbeitsrecht hat erfolgen können.Trotz wiederholter Anfragen an die Bundesregierung ist diese der einstimmigen Empfehlung des Bundestages bisher nicht nachgekommen. Wir fragen heute die Bundesregierung bzw. das zuständige Ministerium — ich hoffe, daß es anwesend ist —, warum das bis heute nicht geschehen ist. Die ausweichenden Antworten, es liege kein Grund zu solchen Verhandlungen vor, genügen uns nicht. Hat die Bundesregierung den gesamten Bundestag mit seiner einstimmig gefaßten Entschließung nicht ernst genommen, und nimmt sie ihn auch jetzt nicht ernst? Glaubt die Bundesregierung, weil es sich dem Wortlaut nach nur um eine Empfehlung des Bundestages handelt, sie brauche dieser Empfehlung nicht nachzukommen?Meine Damen und Herren! Ich glaube mit Recht sagen zu können: bei feinen Leuten ist ein solches Verhalten weiß Gott kein guter Stil.Aber wie es auch sei, heute haben wir hier Gelegenheit, die Regierung zu Rede und Antwort zu nötigen — ich hoffe, es geschieht — und sie, indem das Haus die Zustimmung zu unserem Antrag gibt, endlich zum Handeln zu bringen.Die Regierung hat selbst einmal an einer bestimmten Stelle geäußert, daß gewisse Abweichungen vom deutschen Recht tatsächlich vorhanden seien, daß aber die Arbeitgeber der Zivilbeschäftigten souveräne Staaten seien und daß, von daher gesehen, eine völlige rechtliche Gleichstellung mit den nach dem.
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Eschmanndeutschen Recht Beschäftigten nicht durchzusetzen gewesen sei.Es wäre sehr interessant, einmal von der Regierung zu erfahren, wie Zivilbeschäftigte unserer Truppen im Ausland, die dort angeworben werden, gestellt sind, nach welchem Recht diese Arbeitskräfte betrieblich, tariflich, überhaupt in personeller Hinsicht behandelt werden. Ich glaube, ein solcher Vergleich wäre sehr interessant.Abschließend möchte ich zu Punkt 1 bemerken: die Regierung müßte nach unserer Meinung — aber auch nach ihrer eigenen Auffassung, wie eben dargelegt, auch wenn ihr angeblich, ich zitiere wörtlich, keine Unzuträglichkeiten bekanntgeworden sind — erstens zu dem Zwecke, den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, zweitens, den Kündigungsschutz nach deutschem Recht, drittens, den echten Abschluß von Tarifverträgen, und viertens, die uneingeschränkten Rechte der Personalvertretungen sicherzustellen, viel mehr, als es bisher der Fall war, den alliierten Partnern gegenüber als souveräner Hoheitsträger auftreten. Eine unterwürfige Kompromißbereitschaft ist hier jedenfalls fehl am Platze.
Es wäre auch einer Überprüfung wert, ob das Finanzministerium das richtige Ministerium dafür ist, die Interessen der Zivilbeschäftigten wahrzunehmen, oder ob nicht der Sache nach das Verteidigungsministerium oder das Innenministerium geeigneter wäre. Denn, meine Damen und Herren, um einen Verteidigungsbeitrag hat es sich bei der Tätigkeit der Zivilbeschäftigten schon immer gehandelt, längst 'bevor wir einen bundesrepublikanischen Beitrag zu leisten hatten.Sicher ist, daß das ungerechte Maß, mit dem den Zivilbeschäftigten gegenüber gemessen wird, beseitigt werden muß und beseitigt werden kann. Die Regierung muß nach den Bestimmungen des Vertragswerkes in Verhandlungen eintreten. Von selbst tut sie es bis zur Stunde nicht. Daher soll unser Antrag sie dazu bringen, den Artikel 56 des Zusatzabkommens zum Gegenstand von Verhandlungen mit den Vertragspartnern zu machen.Nun zu Punkt 2 unseres Antrages. Der Bundesregierung ist nicht unbekannt geblieben, daß bei den alliierten Streitkräften Entlassungen vorgenommen worden sind und daß neue Entlassungen bevorstehen. Besonders hart betroffen sind hiervon ältere Leute mit 10, 15 und mehr Dienstjahren, und besonders hart betroffen sind sie dann, wenn sie in Grenzgebieten in der Nähe von alliierten Flugplätzen, Depots usw. wohnen, also meist in solchen Gebieten, in denen man mit Absicht keine Industrie angesiedelt hat. Hier einen neuen Arbeitsplatz zu finden, ist schon ein Kunststück, das so leicht nicht fertigzubringen ist. Und hier genügt es nicht, mit den Landesarbeitsämtern, örtlichen Arbeitsämtern oder sonstigen Behörden zu reden. Hier muß sich die Regierung in Erfüllung der Fürsorgepflicht für diese Leute schon etwas Besseres einfallen lassen.
Wir erinnern daran, daß viele gerade der älteren Leute für Deutschland und Europa schon einen Verteidigungsbeitrag gemeinsam mit den Besatzungsmächten — so hießen sie damals noch — erbracht haben, z. B. bei der Berliner Luftbrücke oder beim Minenräumen im Hürtgenwald oder beim Minenräumen auf hoher See usw., an dem man nicht vorbeigehen darf.
Wir bitten hierzu die Bundesregierung um einen Bericht, wie sie diese Vorleistungen wenigstens den älteren Leuten gegenüber honorieren will.Es ist nicht zu leugnen, daß der Dienst der Zivilbeschäftigten dem Dienst der bei der Bundeswehr beschäftigten zivilen Kräfte ähnlich und daher vergleichbar ist. Bei der Bundeswehr ist dieser Dienst öffentlicher Dienst; bei den Zivilbeschäftigten der Stationierungskräfte ist das nicht der Fall. Warum strebt man nicht danach, den Zivilbeschäftigten einen Status zu geben, der dem des öffentlichen Dienstes angeglichen ist? Dies muß um so mehr angestrebt werden, als jeder Angestellte im öffentlichen Dienst Anspruch auf Zusatzversorgung hat und nach § 53 Abs. 3 BAT nach 15 Jahren unkündbar ist. Die Leistungen gerade der älteren Zivilbeschäftigten sind sehr verdienstvoll; sie sind am Aufbau unseres demokratischen Rechtsstaates und an der Sicherung unserer Freiheit erheblich beteiligt.Wir fordern die Bundesregierung in der Nr. 2 unseres Antrags zur Berichterstattung auch über diese Frage auf. Es geht nach unserer Meinung um eine Dankesabstattung gegenüber diesem Personenkreis sowie darum, diesen Menschen ein dringend notwendiges Sicherheitsgefühl zu geben. Die Bundesregierung allein hat das in der Hand, indem sie in energische Verhandlungen mit den 'alliierten Partnern eintritt, um für diesen Personenkreis Besserung der ungerechten Verhältnisse und Sicherheit für die Zukunft zu schaffen. Es waren einmal rund 500 000 Beschäftigte; heute sind es nur noch rund 150 000 mit ihren Angehörigen, nach meiner Meinung immerhin noch so viele, daß das Interesse der Bundesregierung groß genug sein sollte, diesen Menschen gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen.Wir bitten um Überweisung unseres Antrags an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Ausschuß für Verteidigung zur Mitberatung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dröscher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, nachdem die Aussprache offensichtlich nicht von der Koalition wahrgenommen wird, der Begründung meines Freundes Eschmann einige Bemerkungen zufügen, die in erster Linie aus der Sicht eines Abgeordneten kommen, dem 5000fach das Schicksal dieser Menschen in seinem eigenen Wahlkreis begegnet. In dem Raum Kreuznach—Birkenfeld, den zu ver-
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7894 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Dröschertreten ich die Ehre habe, ebenso wie in den Räumen, die meine Freunde Dr. Müller-Emmert aus Kaiserslautern und Schwabe aus Hessen hier zu vertreten haben, massiert sich eine Zahl von Menschen, die in der Nachkriegszeit in diesen Beruf hineingekommen sind. Sie kommen aus den verschiedensten Existenzen und haben dort eine Beschäftigung gefunden, in der sie treue Dienste geleistet haben.Durch unsere Heimatgebiete geht von Zeit zu Zeit wie ein Gespenst die Angst, daß in den Räumen, in denen es an der Möglichkeit industrieller Arbeit fehlt, Tausende von Menschen plötzlich auf der Straße stehen und keine Chance der weiteren arbeitsmäßigen Unterbringung haben. Immerhin haben diese Menschen seit 1945 Arbeit und Brot in einer Beschäftigung gefunden, deren Bedingungen zwar jetzt in internationalen Verträgen geklärt, aber nicht befriedigend geregelt sind und deren soziale Sicherheit, wie wir erkennen müssen, nicht ausreichend gewährleistet ist.Was haben diese Menschen getan? 150 000 sind es jetzt, sagte mein Kollege Eschmann. Sie haben als Botschafter des deutschen Fleißes und der deutschen Zuverlässigkeit in vieltausendfacher Zahl ein psychologisches Verhältnis zwischen den alliierten Soldaten und unserer deutschen Bevölkerung geschaffen, das eine beispielhafte Entwicklung genommen hat, was der Gesamtheit zugute gekommen ist. Wenn in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Großbritannien und in unseren europäischen Nachbarländern, die alliierte Soldaten in den Raum der Bundesrepublik entsandt haben, das Gefühl da ist, daß diese Deutschen zuverlässige Menschen sind, kommt es nicht zuletzt daher, daß diese früher 500 000 und jetzt 150 000 Beschäftigten dazu ihren individuellen Beitrag geleistet haben. Aber auch ihre Gemeinschaftsleistung als Beitrag zur Sicherheit des gesamten militärischen Gefüges der NATO darf nicht unterschätzt werden.Wenn man die soziale Sicherheit dieser unserer Mitbürger betrachtet, fällt auf, daß es sich um eine ganz bestimmte Altersschichtung handelt, die die besondere individuelle Sorge verständlich erscheinen läßt. Denn von diesen 150 000 Mitarbeitern bei den alliierten Streitkräften sind nur 19 % unter 30 Jahren und nur 23 % zwischen 30 und 40 Jahren, während fast 60 % über 40 Jahre und davon allein 35,7 % über 51 Jahre alt sind.Das bedeutet, daß diese Menschen, wenn sie morgen ihren Arbeitsplatz verlören, den sie zum großen Teil über 10 Jahre innehaben, sehr große Schwierigkeiten haben würden — gerade in diesen Grenzräumen —, an geeigneten Arbeitsplätzen unterzukommen. Es ist selbstverständlich, daß gerade in den Räumen mit großer Verteidigungsbemühung die strukturelle Situation schlecht ist, weil eine Industrialisierung dieses Raums wegen der ungünstigen Standortbedingungen, die mit den starken Verteidigungsbemühungen zusammenhängen, weitgehend unterblieben ist.Aus diesem Grunde meinen wir, daß eine besondere Fürsorgepflicht des Bundes gegeben ist. DieAngst vor der Entlassung, die Angst, im Alter später ohne Beschäftigung oder ohne angemessene Beschäftigung zu sein muß, diesen Menschen ,genommen werden. Mein Kollege Eschmann hat vorhin von der notwendigen Angleichung —
— Mein sehr verehrter Herr Kollege, kommen Sie einmal zu uns, sprechen Sie mit diesen Leuten und sehen Sie sich ihre arbeitsmäßige Situation an! Dann werden Sie sehen, daß sie nicht ohne weiteres austauschbar sind mit dieser Million ausländischer Arbeitskräfte, die unter ganz anderen Bedingungen und vor allen Dingen an ganz anderen Plätzen arbeiten als diese 150 000 Menschen, denen Sie offenbar ihre Existenz nehmen wollen.
Wir haben eine besondere Fürsorgepflicht für diese Menschen, und deshalb dürfen wir .sie nicht im Stich lassen. Die Trierer Kollegen haben einmal ausgedrückt, um was es dabei individuell geht. Sie haben gesagt: Wir möchten darüber hinaus nur eines, 'das Gefühl einer Würdigung unserer Arbeit, die uns 'im Glauben an eine gerechte Behandlung bestärkt und uns einen berechtigten Stolz auf unsere Arbeit gibt. Man kann nicht gut . arbeiten, sagten die Trierer Beschäftigten, wenn man weiß, daß man minderberechtigt, also Arbeitnehmer zweiter Klasse ist. Gerade das haben diese Leute, die seit 15 Jahren der europäischen Sicherheit dienen, nicht verdient. Die Konsequenz ist, daß wir — vielleicht auf Grund der Beratung unseres Antrages in den Ausschüssen — Lösungen schaffen müssen, die die Bundesregierung veranlassen, Zusagen zu machen, die diesen Mitbürgern die Angleichung an den öffentlichen Dienst und die Sicherheit der Beschäftigung geben.Denn die subjektive Einstellung dieser Leute ist doch berechtigt — daß sie sagen: Wir haben gedient, und als Gegengabe für diesen Dienst beanspruchen wir Fürsorge. — Wir haben auch objektiv die Pflicht, anzuerkennen, daß die Leistungen für die Sicherheit, die bei den alliierten Truppen erbracht werden, den entsprechenden Leistungen, wenn sie bei der Bundeswehr erbracht werden, gleichgestellt werden müssen. Das ist die Aufgabe, die sich auf Grund unseres Antrages stellt, und wir möchten Sie sehr herzlich bitten, mit dafür zu sorgen, daß dem berechtigten Anliegen entsprochen wird.
Herr Abgeordneter Dröscher, Sie haben eingangs Ihrer Ausführungen gesagt, Sie erhielten das Wort, weil die Koalition schweige. An sich ist nach einer Vereinbarung im Ältestenrat eine Aussprache über diesen Punkt nicht vorgesehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch eine Aussprache nicht vorgesehen ist, so heißt
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Müller
das doch nicht, daß wir von seiten der CDU/CSU zu diesem Problem nichts zu sagen hätten. Meine Freunde und ich haben schon in den vergangenen Monaten sehr intensive Gespräche mit den betroffenen Beschäftigten bei den alliierten Streitkräften geführt, wir haben an entsprechenden Versammlungen teilgenommen, und das, was hier mit dem Antrag der SPD-Fraktion gefordert wird, entspricht im Grunde auch unserer Auffassung.Ich darf aber zunächst den Antrag stellen, Herr Präsident, zusätzlich- zu den Ausschüssen, die Herr Kollege Eschmann vorgeschlagen hat, als mitberatend auch den Ausschuß für Arbeit zu bestimmen. Hier werden doch Fragen angesprochen, die sehr stark mit dem deutschen Arbeitsrecht zu tun haben. Das geht aus der Ziffer 1 des Antrages hervor, der die Angleichung des Rechts der bei den alliierten Streitkräften Beschäftigten an das deutsche Arbeitsrecht fordert. Auch was die Ziffer 2 des Antrages betrifft, scheint uns der Ausschuß für Arbeit zuständig zu sein, weil ja auch hier eine Frage der Arbeitsverwaltung angesprochen ist. Wir glauben also, daß diese Fragen auch im Ausschuß für Arbeit besprochen werden müssen.Wir sind der Meinung, das überprüft werden sollte, ob nicht die Zuständigkeit der Ministerien für die bei den alliierten Streitkräften Beschäftigten geändert werden sollte. Auch wir meinen, daß es nicht so sehr eine Angelegenheit des Finanzministeriums als vielmehr eine Angelegenheit des Innenministers ist, wobei bestimmte Fragen sicherlich auch im Verteidigungsministerium mitbehandelt werden könnten.Wir meinen also, alle diese Fragen sollten von der Regierung geprüft werden. Man kann es allerdings nicht so darstellen, als hätten sich die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen mit dieser Angelegenheit bisher gar nicht beschäftigt. Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, und wir würden uns sehr freuen, wenn nunmehr durch einen solchen konkreten Antrag — den wir unterstützen — die Voraussetzungen besser würden, in Verhandlungen mit den Alliierten die Abkommen, die bisher die Grundlage gebildet haben, zu ändern.
— Herr Kollege, es gibt Dinge, die man nicht von heute auf morgen lösen kann. Dazu gehört sicherlich auch das Problem des Beschäftigungsverhältnisses der bei den alliierten Streitkräften Beschäftigten. Das kann man nicht mit einem Zwischenruf klären, sondern das muß man durch sehr intensive Verhandlungen erreichen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Börner?
Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß dieses Problem schon längst im Geiste der Partnerschaft, wie er im NATO-
Vertrag zum Ausdruck kommt, hätte geregelt werden können und daß bei einigem Nachdruck der Bundesregierung in dieser Frage die Erfolge besser gewesen wären, als sie heute sind?
Herr Kollege, ich gebe Ihnen zu, daß es sicherlich besser wäre, wenn das Problem schon gelöst wäre. Ich bin im Besitz eines Schreibens des Herrn Bundesverteidigungsministers, aus dem hervorgeht, daß auch er sich sehr intensiv um die Frage der Rechtsstellung der bei den alliierten Streitkräften beschäftigten deutschen Arbeitnehmer bemüht hat. Es ist also nicht so, daß in dieser Frage nichts getan worden ist.
Wir unterstützen diesen Antrag, mit dem erreicht werden soll, daß eine Gleichstellung dieser Beschäftigungsverhältnisse mit den Beschäftigungsverhältnissen nach deutschem Arbeitsrecht eintritt. Wir bitten, daß neben dem federführenden Ausschuß für Inneres und dem mitberatenden Ausschuß für Verteidigung auch der Ausschuß für Arbeit damit befaßt wird.
Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat hatte vorgesehen, daß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein soll. An sich ist das auch eine Angelegenheit, die dem Außenpolitischen Ausschuß zusteht. Es ist aber dann beantragt worden, daß der Ausschuß für Inneres federführend sein soll.
— Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheitensoll also federführend sein. — Keine Einwendungen.Dann haben die Antragsteller beantragt, daß der Ausschuß für Verteidigung mitberatend sein soll. — Hierüber besteht Einverständnis.Weiterhin hat der Herr Abgeordnete Müller beantragt, daß der Ausschuß für Arbeit mitberatend sein soll.
— Wir können nach der Regel nicht drei mitberatende Ausschüsse haben. Ich möchte meinen, daß der Ausschuß für Arbeit eingeschaltet werden sollte.
Ich darf das Einverständnis feststellen, so daß eine Mitberatung durch den Ausschuß für Inneres entfällt.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, Ihr Ausschuß soll sich gutachtlich äußern.Ich darf also feststellen, daß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend ist und daß .die Ausschüsse für Arbeit und Verteidigung mitberatend tätig werden.
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7896 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Vizepräsident Dr. Dehler) Ich rufe den Punkt 30 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über 'die Anzeige der Kapazitäten von Erdöl-Raffinerien und von Erdöl-Rohrleitungen .Eine Begründung und eine Aussprache sind nicht "vorgesehen. Zuständig soll der Wirtschaftsausschuß sein. — Die Vorlage ist ihm überwiesen.Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags 'des Bundesschatzministers betr. Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Teilprivatisierung der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-Aktiengesellschaft gemäß § 47 Abs. 3 und 4 der Reichshaushaltsordnung (Drucks ache IV/2861).Zur Begründung hat der Herr Bundesschatzminister das Wort.Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Mit der Drucksache IV/2861, die Ihnen vorliegt, bitte ich gemäß § 47 Abs. 3 und 4 der Reichshaushaltsordnung um Ihre Zustimmung zu einer Teilprivatisierung der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-Aktiengesellschaft — VEBA —. Da die Vorlage eine ausführliche Begründung enthält und .das Wort „soziale Privatisierung" im Parlament und in der Öffentlichkeit bereits ein Begriff geworden ist, kann ich mich jetzt auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränken.Die Bundesregierung hat in ihren Regierungserklärungen seit dem Jahre 1957 — zuletzt am 18. Oktober 1963 — immer wieder auf die Notwendigkeit der Förderung der Vermögensbildung hingewiesen und deshalb auch die Fortsetzung der sozialen Privatisierung gefordert und angekündigt. Dies ist .der Grund für meine Vorlage.Mit einer weiteren Privatisierung von industriellem Bundesvermögen sollen die Bemühungen der Bundesregierung fortgesetzt werden, breiteste Schichten unseres Volkes über die Volksaktie zu Eigentümern an wirtschaftlichen Unternehmen zu machen. Dies ist in einem wachsenden Industriestaat nicht nur gesellschaftspolitisch notwendig, sondern auch wirtschaftspolitisch von großer Bedeutung. Ohne persönliches, frei verfügbares Eigentum ist auch die Bewahrung unserer persönlichen Freiheit gegenüber dem Kollektivismus auf die Dauer nicht möglich. Die bereits durchgeführten Privatisierungen der Preußag im Jahre 1959, des Volkswagenwerks im Jahre 1961 und — ebenfalls im Jahre 1961 — der VTG — der Vereinigten Tanklager- und Transportmittel-Gesellschaft — waren, das dürfen wir mit Fug und Recht behaupten, ein eigentumspolitischer Erfolg der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien.
Ich darf daran erinnern, daß sowohl die Preußag-, als auch die VW-Aktien erheblich überzeichnet wurden. 1,5 Millionen Bundesbürger zeichneten damals Volkswagenaktien. Hinter dieser Nachfrage, die weit über das hinausging, was wir bedienen konnten, stand die Bereitschaft, etwa 2 Milliarden DM aufzubringen. In diesem Zusammenhang wird vielfach behauptet, die soziale Privatisierung führe nur zu einer Umwandlung von bereits bestehenden Sparguthaben auf die zumindest im Anfang erfolgversprechende Volksaktie. Die Statistik der Spareinlagen beweist jedoch, daß dies nicht der Fall ist. Im Sommer 1961, als der überwiegende Teil der Volkswagenaktien bezahlt wurde, hatte sich der steigende Trend der Spareinlagen kaum abgeschwächt. Selbst wenn eine derartige Umwandlung erfolgt wäre, könnte sie keineswegs negativ beurteilt werden. Auch ein Blick auf den Kurszettel von Preußag und VW zeigt, daß man beide Papiere — wenn wir auch über die anfänglich starken Kursschwankungen bei VW nicht glücklich waren — als eine sehr gute Kapitalanlage des sogenannten kleinen Mannes bezeichnen kann.So brachte die Preußag-Aktie, deren Kurs heute mit 280 fast doppelt so hoch ist wie der damalige Ausgabekurs, neben einer Dividende von jährlich 9 % weitere Gewinne durch Gewährung der Bezugsrechte anläßlich der beiden Kapitalerhöhungen von 1961 und 1964. Ein Urteil darüber bringt der Börsenteil einer der größten deutschen Zeitungen vom letzten Samstag mit der Überschrift „Die Preußag-Volksaktie gehörte zu den erfolgreichsten Papieren des vergangenen Jahres".
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei VW. Auch diese Aktie steht heute, wenn man berücksichtigt, daß sämtliche Erwerber an Stelle des Ausgabekurses von 350 auf Grund des Sozialrabattes nur 265 bis 318 DM für einen Anteil bezahlten, doppelt so hoch wie der niedrigste Ausgabekurs. In den drei Jahren seit der Ausgabe kassierte der Aktionär je Papier 42 DM Dividende zu steigenden Sätzen von 12, 14 und 16 %. Das entspricht einer durchschnittlichen Verzinsung des damals vom Volksaktionär aufgewendeten Kapitals von jährlich mehr als 4 %; die heutige Rendite der VW-Aktie liegt bei 3,2 %.Die Tatsache, daß sich der überwiegende Teil der ausgegebenen Volksaktien noch im Besitz der Ersterwerber befindet, zeigt, daß Dauerbesitz in den Händen breiter Bevölkerungskreise geschaffen worden ist. Die Ersterwerber haben die gebotenen Möglichkeiten verstanden und genutzt. Sie bestätigen damit die Richtigkeit des von der Bundesregierung eingeschlagenen eigentumspolitischen Weges. Nicht die öffentliche Hand, sondern der Bürger soll am wachsenden Volksvermögen teilhaben.Wenn ich jetzt zur VEBA komme, muß ich zunächst daran erinnern, daß in der Vergangenheit Versuche unternommen wurden, um dieser Gesellschaft die dringend benötigten Mittel zu verschaffen. Daß der Bundeshaushalt hierfür keine Mittel hat, wissen Sie, meine Damen und Herren, alle selbst. Eine Entnahme dieser Mittel aus dem öffentlichen Haushalt würde auch nicht meiner Auffassung entsprechen; ja, ich wende mich mit aller Entschiedenheit gegen die Anhänger einer Staatswirtschaft,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7897
Bundesminister Dr. Dollingerdie bei der VEBA den Kapitalbedarf mit öffentlichen Geldern decken möchten. Öffentliche Gelder, mögen sie aus dem Etat des Bundes, der Länder oder der Gemeinden stammen, sind immer Steuergelder. Steuergelder für den Kapitalbedarf eines bundeseigenen Unternehmens zu verwenden, bedeutet jedoch nichts anderes als den Bürger ärmer, den Staat aber reicher und mächtiger zu machen. Die Bundesregierung ist gegen eine solche Lösung. Der Staat soll seinen industriellen Besitz nicht vergrößern und damit reicher werden; vielmehr soll er nur dort wirtschaften, wo die private Wirtschaft hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist.Mit aller Sorgfalt haben wir die Erfahrungen aus der bisherigen Privatisierung der Preußag und des Volkswagenwerks ausgewertet und uns bemüht, diese Erfahrungen zu berücksichtigen. Um nicht nur eine Kapitalbeschaffung durchzuführen und um einer möglichen Überzeichnung mit nicht wünschenswerten Kursentwicklungen entgegenzuwirken, wird das Hohe Haus um die Ermächtigung gebeten, VEBA-Aktien aus dem Altbesitz des Bundes bis zu einem Gesamtnennwert von 100 Millionen DM zur Deckung einer Übernachfrage veräußern zu dürfen.Warum kommt nun die Bundesregierung erst jetzt mit dieser Vorlage, obwohl doch die Fortsetzung der sozialen Privatisierung bereits seit langem immer wieder gefordert wurde? — Meine Damen und Herren, es liegt einfach daran, daß ich es als Bundesschatzminister nicht verantworten kann, ohne genügende Vorbereitung einfach „drauflos" zu privatisieren. Mir geht ,es vielmehr darum, daß die Aktien, die in breiter Streuung, insbesondere den Bevölkerungskreisen mit mittlerem und kleinem Einkommen angeboten werden sollen, preiswert, sicher und rentabel sind. Ohne diese drei Erfordernisse zu erfüllen, kann man nicht von Volksaktien oder gar von einer sozialen Privatisierung sprechen.Ich glaube, daß es nach all dein Vorarbeiten gelungen ist, bei unserem jetzt anstehenden Privatisierungsobjekt, der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerksgesellschaft, diese Voraussetzungen zu schaffen. Darüber hinaus steht zu erwarten, daß die VEBA .durch die Einbeziehung der Hugo Stinnes AG sinnvoll abgerundet werden kann, was auf längere Sicht gesehen zu einer Stärkung der Ertragskraft des Konzerns führen wird.Ich darf Ihnen hier einen kurzen Hinweis auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns geben. Der Umsatz der VEBA erhöhte sich von 1961 auf 1962 um' rund 12 °/o auf rund 3,08 Milliarden DM und von 1962 auf 1963 um rund 14 % auf 3,52 Milliarden DM. In den Jahren 1960/61 und 1961/62 wurden je 40,5 Millionen DM und 1962/63 47,25 Millionen DM als Dividenden ausgeschüttet. Die Dividende des letzten Geschäftsjahres wird 10 % betragen. Die unternehmensmäßige Vielschichtigkeit des VEBA-Konzerns verspricht auch für die Zukunft eine angemessene Dividende.Hierzu einige wenige Angaben. So gehört zur VEBA der Preußenelektra-Konzern, der als zweitgrößter Stromerzeuger 11 % der deutschen Stromerzeugung auf sich vereint, sowie die Hibernia, die mit einem Anteil von 7 % der drittgrößte deutsche Kohlenproduzent ist. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß sich die Hibernia in den letzten Jahren sehr erfolgreich der wirtschaftlichen Entwicklung 'angepaßt hat. Der Anteil des Kohlesektors am Umsatz ist beim Hibernia-Konzern zurückgegangen; er betrug 1963 nur noch 23 %. Dagegen hat der Anteil des Chemiesektors, worunter u. a. Öl und Düngemittel fallen, laufend zugenommen; er betrug 1963 rund 40 %. Außerdem hat die Hibernia mit einem Anteil von 25 % ihrer Außenumsätze einen recht erheblichen Handelssektor. Schließlich möchte ich Sie- noch 'auf den wertvollen Schachtelbesitz der Hibernia hinweisen, u. a. auf die Chemischen Werke Hüls AG und die ARAL-AG.In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Hugo Stinnes AG. Rund 87 % der Unternehmensanteile wurden im Jahre 1957 durch ein deutsches Bankenkonsortium aus amerikanischem Besitz mit dem Ziel der Privatisierung zurückgekauft. Drei Viertel der erforderlichen Mittel wurden vom Bund zur Verfügung gestellt. Damit hat der Bund eine Interessenquote von 65 % am Hugo-Stinnes-Konzern, der nicht mit den beiden Stinnes-Gesellschaften zu verwechseln ist, die vor nicht allzu langer Zeit von sich reden machten. Durch eine Einbeziehung des Hugo-Stinnes-Konzerns streben wir eine Abrundung der VEBA an. Damit eröffnen sich weitere Möglichkeiten für Rationalisierungen im Steinkohlenbergbau sowie auf zahlreichen anderen Gebieten, auf denen diese Unternehmen tätig sind. Allerdings ist die Einbeziehung der Hugo Stinnes AG in die VEBA zur Zeit noch nicht vollzogen; die entsprechenden Verhandlungen sind noch im Gange. Sollten diese Verhandlungen nicht rechtzeitig zum Abschluß kommen, so wird die Teilprivatisierung der VEBA auch ohne diese Einbeziehung erfolgen.Den Ausgabekurs für die VEBA-Aktie kann ich Ihnen leider noch nicht nennen. Bei den derzeitigen Überlegungen ist sowohl dem Kapitalbedarf der VEBA in Höhe von 750 Millionen DM als auch dem Anliegen des Bundes, die soziale Privatisierung fortzusetzen, Rechnung zu tragen. Bei der Berechnung des Ausgabekurses werden der innere Wert des Unternehmens, die Renditen von Aktien vergleichbarer Gesellschaften, das allgemeine Börsenklima und die künftigen Aussichten auf Dividende Berücksichtigung finden.Wie bereits bei den bisherigen Privatisierungen legen wir auch jetzt wieder einen besonderen Wert auf den breiten sozialen, eigentumspolitischen Effekt.
Sozialpolitisch ist von Bedeutung, daß gerade die einkommenschwachen Bevölkerungsschichten vorrangig in den Genuß der angebotenen Papiere gelangen.Wie Sie aus der gestaffelten Einkommensbegrenzung in meiner Vorlage sehen, wurde der Bezieherkreis gegenüber den vorherigen Privatisierungen wesentlich erweitert. Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, daß sich die Einkommenslage in breiten
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7898 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Bundesminister Dr. DollingerSchichten unseres Volkes in den letzten Jahren dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung weiter verbessert hat. Von Bedeutung ist auch, daß der Familienstand, so wie er im Steuerrecht berücksichtigt wird, Eingang in unser Zuteilungsverfahren gefunden hat. Damit erhält unsere Maßnahme auch einen familienpolitischen Akzent.
Als ein weiterer wichtiger Punkt erscheint mir die Regelung des Stimmrechtes. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, geht es uns nicht um die Bildung von Eigentum schlechthin. Vielmehr soll das persönliche Eigentum, das wir unseren Bürgern vermitteln wollen, frei verfügbar sein. Freie Verfügbarkeit erschöpft sich aber nicht allein darin, daß man sein Eigentum jederzeit veräußern kann. Vielmehr gehört hierzu auch ein Mitspracherecht, das den Volksaktionär gleichsam zum Mitunternehmer macht. Die einzelne VEBA-Aktie ist daher grundsätzlich mit dem vollen Stimmrecht ausgestattet. Um aber zu verhindern, daß unternehmensfremde Interessentengruppen durch den Ankauf von VEBA-Aktien einen größeren Einfluß auf die Hauptversammlung der Gesellschaft gewinnen, soll das Stimmrecht der privatisierten VEBA-Aktien je Aktionär auf ein Zehntausendstel des Grundkapitals beschränkt werden, wie es im Falle des Volkswagenwerks bereits geschehen ist. Damit — das möchte ich hier betonen — werden den Kleinaktionären keine Rechte genommen. Diese Regelung dürfte unserer Meinung nach ein wirksames Mittel dagegen sein, daß die Volksaktionäre künftig von irgendwelchen Machtgruppen in der Hauptversammlung überspielt werden.Meine Damen, meine Herren! Unser Ziel ist es, breiteste Schichten unseres Volkes zu Eigentümern zu machen. Voraussetzung hierfür sind gute Einkommenverhältnisse in einer gesunden Wirtschaft, Bedingungen, an deren Vorliegen bei uns wohl niemand zweifeln kann. Die durch unsere Wirtschafts- und Steuerpolitik geschaffene und ständig steigende Sparfähigkeit wird ergänzt durch den Sparwillen weitester Teile unserer Bevölkerung im Vertrauen auf stabile Verhältnisse. Es ist deshalb möglich, unserer Bevölkerung einen ganzen Fächer von Sparmöglichkeiten anzubieten, deren Förderung sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht hat.
Nicht zuletzt sollte aber auch der Vermögenszuwachs in unserer Volkswirtschaft stärker dem einzelnen Bürger zukommen. Der Staat als Eigentümer eines großen Pruduktivvermögens hat, soweit es zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft dient, auf einen Teil seines Besitzes zugunsten seiner Bürger zu verzichten. Denn erst die Bürger machen den Staat zu einem lebendigen Ganzen. Soll der Bürger wirkliches Eigentum erhalten, so gehört dazu auch die uneingeschränkte Verfügbarkeit. Ein kollektivistisch eingeschränktes Eigentum ist mit unserer Auffassung von der Mitverantwortung und der Mitbestimmung am wirtschaftlichen Geschehen nicht zu vereinbaren.
Frei verfügbares, breit gestreutes Eigentum gerade in Arbeitnehmerhand sollte ein Anliegen von uns allen sein.Ich bitte das Hohe Haus, meiner Vorlage zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die der Herr Bundesminister soeben eingebracht hat, ist ein Glied in der in der Vergangenheit konsequent entwickelten und in der Zukunft weiter zu entwickelnden Politik meiner Freunde zur Förderung des personenbezogenen Eigentums in privater Hand.Bereits im Juli 1949 war in den Düsseldorfer Leitsätzen zu lesen:Die soziale Marktwirtschaft verschafft möglichst vielen Tüchtigen Eigentum.Ebenfalls dort:Persönliche Freiheit wird durch wirtschaftliche Unabhängigkeit gefördert. Wirtschaftliche Unabhängigkeit beruht auf dem privaten Eigentum.Das Programm der CDU für den 2. Deutschen Bundestag enthält:Menschliche Würde und Existenz sind schwer bedroht durch die kollektivistischen Tendenzen unserer Zeit. Deshalb verlangen wir Eigentum für alle Schichten unseres Volkes. Persönliches Eigentum fördert eine verantwortungsvolle Lebensführung des Menschen und seiner Familie.Karl Arnold auf dem Hamburger Parteitag, 1957:Die Gleichberechtigung zwischen Kapital und Arbeit muß auch in tatsächlicher Hinsicht ins rechte Gleichgewicht gebracht werden. Würde man diesen Zustand nicht herbeiführen, so würden die Wirtschafts- wie auch die Gesellschaftsordnung die Balance verlieren. Die technische Zeit würde sogar die Entwicklung in diese Richtung treiben, wenn man sie einfach lassen würde.Unser Kollege Häussler, 1957:Die Volksaktie ist ein erster Schritt zum Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit.Professor Erhard, 1957:Gerade wenn ein Konzentrationsprozeß Platz greift — und das mag .aus manchen Gründen, auch aus technischen Gründen, der Fall sein —, muß uns um so mehr daran gelegen sein, daß dieser Konzentration gegenüber eine Dekonzentration der Besitz- und Eigentumsverteilung stattfindet.Karl Arnold, 1957:Deshalb brauchen wir für die Gründung undStabilisierung unserer Gesellschaft Eigentum in
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Dr. Burgbacherbreiter Hand. Die Frage der Eigentumsbildung gehört in den Zusammenhang der gesellschaftspolitischen Situation unserer Zeit.Blank, 1957:Ich möchte in aller Klarheit sagen, daß die Frage der Eigentumsbildung in privater Hand durch keine Sozialisierung gelöst werden kann, ganz gleich in welchem Reformschema sie auftritt; denn das damit begründete Eigentum bliebe, weil nicht mobilisierbar und realisierbar, eine Fiktion.Der Bundesschatzminister Dr. Lindrath, 1958:Diese gesellschaftspolitische Zielsetzung fußt auch auf den Erfahrungen in der Vergangenheit, in denen private Vermögensbildung, Streben nach eigenem Besitz, nach persönlichem Eigentum, Drang nach selbständigen Existenzen sich als die Haupttriebfedern für den Aufstieg der deutschen Volkswirtschaft erwiesen haben.Ebenfalls Lindrath:Zu diesem besonderen Anliegen, eine soziale Eigentumsbildung zu fördern, kann die Privatisierung des Bundesvermögens einen Beitrag leisten.Arnold, 1958:Das wirtschaftliche Bundesvermögen muß dafür eingesetzt werden, dem einzelnen minderbemittelten Staatsbürger wieder zum persönlichen Eigentum zu verhelfen.Und bei der Einbringung des VW-Privatisierungsgesetzes:Mit dieser Einbringung soll eine gesellschaftspolitische Initiative ergriffen werden.Adenauer in seiner Regierungserklärung vor dem 3. Bundestag:Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht.Professor Erhard in „Wohlstand für alle" :Ein Blick auf die Kapitalstruktur und Kapitalbildung nach dem Kriege bestätigt, 'daß die Produktivitätskraft unserer Volkswirtschaft zu regenerieren erfolgreich war und auch erfolgreich sein mußte. Wir registrieren dabei allerdings eine relativ starke Konzentration der Kapitalbildung in der Hand des Staates und der privaten Unternehmerschaft!So könnte ich noch eine Reihe von Dingen anführen. Warum habe ich es getan? Nun, inzwischen hat es sich herumgesprochen, daß Eigentumspolitik eine politisch nützliche Sache ist. Es ist geradezu festzustellen, daß man sich danach drängt, unter Verwischung der Tatsachen zu sagen, wer sie in die deutsche Politik eingeführt hat.
Nach napoleonischem Recht ist zwar die recherche de la paternité interdite, also die Suche nach derVaterschaft verboten, aber in der politischen Usance ist es gelegentlich nützlich, diesem Hohen Hause und damit dem deutschen Volk klarzumachen, wer zuerst — und das ist in der Politik immer entscheidend — politische Leitlinien, politische Grundsätze auf das Feld der Politik geführt hat. In der Eigentumspolitik sind das ,die CDU/CSU und die FDP gewesen.
Das hat sich auch auf dem SPD-Parteitag in Karlsruhe herumgesprochen. „Neugestaltung der Privatisierung öffentlicher Unternehmen", — heißt es dort — „soweit dies volkswirtschaftlich zweckmäßig ist". Der erste Halbsatz ist Neuland, der zweite Halbsatz erlaubt die Rückkehr in alte Gefilde. Was heißt „soweit dies volkswirtschaftlich zweckmäßig ist" ?
— Ich bin davon überzeugt, Herr Kollege Kurlbaum. Ich 'glaube sogar zu ahnen, was Sie darunter verstehen. Sie meinen damit nämlich, man sollte mit öffentlichen Unternehmen Wirtschaftspolitik machen. Und genau das wollen wir nicht! Die Wirtschaftspolitik hat natürlich dieses Hohe Haus zusammen mit der Bundesregierung zu machen. Das Wirtschaften selbst ist der Wirtschaft zu überlassen. Nach unserer Auffassung 'hat der Staat nicht das Recht, in den Gebieten der allgemeinen Wirtschaft als Wettbewerber aufzutreten. Für 'die Gebiete monopolistischer Wirtschaft mag darüber gesprochen werden, wie groß der Einfluß sein kann.In Karlsruhe ist Tauch gesagt worden, daß die Aktien, wenn privatisiert wird, einer gemeinnützigen Investmentgesellschaft, einer Stiftung des öffentlichen Rechts, zugeführt werden sollten. Auch hierin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Wir können als Eigentum nur anerkennen, was in der Form der Bildung dem freien Entschluß 'des Bürgers unterliegt und was in der Form der Verwendung wiederum dem freien Entschluß des Bürgers unterliegt und keiner dritten Macht, keiner kollektiven Macht.Wenn wir Sperrfristen vorschlagen, deren Einhaltung wir mit Prämien honorieren, dann geschieht das einmal aus Kapitalmarktgründen, vor allem aber, um unsere Bürger, soweit sie bisher kein Eigentum hatten, an das Eigentum psychologisch heranzuführen und die Hürde, die jeder überwinden muß, wenn er anfängt, Eigentum zu bilden, überspringen zu helfen. Am Prinzip der Freiheit in der Form der Bildung und der Form der Verfügung rüttelt dies nicht.Die gemeinnützigen Investmentfonds, wie sie Karlsruhe offenbar vorgeschwebt haben, sind eine neue Form kollektiven Eigentums und verhindern personenbezogenes Eigentum, vor allem die freie Verfügung darüber.
— Nein, ich habe nur das Karlsruher Protokoll gesehen.
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Dr. Burgbacher— Ich kann nur sehen, was da ist.
— Ich kann aber Vermutungen Ausdruck geben, die Sie in Ihrer Geschicklichkeit nachher zu widerlegen versuchen werden, und dann wird einer von uns versuchen, es wieder umgekehrt klarzumachen.
— Nein, Herr Kollege Kurlbaum, das muß ich widerlegen. Ich kann doch nicht annehmen, daß Sie die Protokolle Ihres Karlsruher Parteitages als unbegründetes Material ansehen.
— Ich darf an einen Satz unseres Kollegen Möller in Karlsruhe erinnern:Wer mit den alten konservativen Vorstellungen dieser Regierung Finanzpolitik machen will, kann natürlich nicht Gemeinschaftsaufgaben und auch kein sozialdemokratisches Regierungsprogramm realisieren.Vielleicht werden wir dann darüber von Ihnen auch noch Näheres hören.Bei der VEBA-Privatisierung ist nun die Frage aufgeworfen worden: Was ist das eigentlich in erster Linie? Ist das Kapitalbeschaffung oder ist das Eigentumsbildung?
Das erinnert mich an die Frage: Was ist das für eine Vorlage, ist sie wirtschaftspolitisch oder sozialpolitisch?
Nun, Gott gebe es, daß in diesem Hause keine Vorlage zum Gesetz erhoben wird, die nicht beides ist.
Für uns sind Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik die Kennzeichnung einer Sache aus verschiedenen Gesichtspunkten, aber mit dem Ergebnis, daß Gesetze sowohl volkswirtschaftlich berechtigt wie sozialpolitisch richtig sind.Daß die VEBA Kapital braucht, ist in der Tat der akute Anlaß dafür, daß die Kapitalerhöhung in private Hand überführt werden soll und sie damit zur Eigentumsbildung beiträgt. Es ist auch die besorgte Frage geäußert worden, ob die angesprochenen Bevölkerungskreise mit kleinerem Einkommen in der Lage seien, diesen Betrag von — ich weiß es nicht —750 Millionen DM bis zu einer Milliarde DM aufzubringen. Der Herr Bundesminister hat bereits an die Vorgänge bei der VW-Privatisierung erinnert, bei der 2 Milliarden DM aufgebracht wurden, wobei es zu einer vorübergehenden Zäsur, einer vorübergehenden Einbuchtung in der Höhe der Spareinlagen kam, die sich aber sehr schnell wieder nach der VW-Privatisierung auf der normalen Höhe weiter entwickelt hat. Wir glauben deshalb, daß dieser Betrag in übergroßem Umfang zusätzlich gespart wird und daß sich im übrigen der Sparprozeß, der so erfreulich die 10 %-Grenze überschritten hat, wie die Einlagen bei den Sparkassen ebenso erfreulich die 100-Milliarden-DM-Grenze überschritten haben, trotz dieser Belastung bis zu einer Milliarde DM in diesem Jahr ungestört fortsetzt.Wieweit die Aktien risikobehaftet sind, kann natürlich niemand mit absoluter Sicherheit sagen. Ich kann aber auf die Debatten anläßlich der Preußag- und der VW-Privatisierung hinweisen, wo auf diese Risiken von der Opposition sehr betont hingewiesen wurde. Wir können nunmehr belegen, daß sich in beiden Fällen keinerlei erkennbares Risiko gezeigt hat und sich auch keines erkennbar abzeichnet. Die Anlagen in Preußag- und VW-Aktien sind für die Menschen, die Mitbürger, die sich erstmals für eine Aktie interessiert haben, eine sehr gute, eine ausgezeichnete Vermögensanlage. Etwa zwei Drittel der Erstzeichner haben auch damit reagiert, daß sie noch alle Aktien besitzen.Die weitere Frage: Wie ist das mit der Stimmrechtsbeschränkung ? Warum Stimmrechtsbeschränkung? Warum nicht z. B. stimmrechtslose Vorzugsaktien? Nun, die mit einem Zehntausendstel des Stimmrechts vorgesehene Stimmrechtsbeschränkung ist für die Zeichner, die wir meinen, überhaupt keine Stimmrechtsbeschränkung, sondern ist im Gegenteil der Schutz des vollen Stimmrechts der Volksaktionäre. Es ist eine Sperre gegen Interessenten aus Wettbewerbskreisen, die, wenn sie Aktien kaufen, dann eben kein Stimmrecht haben. Es müßte nicht Stimmrechtsbeschränkung heißen, denn politisch gesprochen ist es Stimmrechtsschutz des Kleinaktionärs.
Welchen Einfluß die Volksaktionäre auf das Unternehmen haben, das ist eine Frage der Entwicklung. Wir bekennen, daß wir in diesem Punkt sozusagen noch in den Kinderschuhen stecken. Aber alle Dinge entwickeln sich, und die Kleinaktionäre haben eine große Macht, das ist das Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Schicksal. Dieses öffentliche Interesse am Schutz der Kleinaktionäre wird ihnen eine starke Stütze sein, wenn notwendig, Einfluß effektiv zu machen. Dazu kommt, daß im vorliegenden Fall der Bund die Mehrheit behält. Ich bin der Auffassung — und viele meiner Freunde auch —, daß es Aufgabe der Bundesregierung und damit auch dieses Hauses ist, diese Mehrheit, abgesehen von den notwendigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen, auch so einzusetzen, daß sie die berechtigten Interessen der Kleinaktionäre mit in ihre Obhut nimmt.
Die Frage der Verschleuderung von Volksvermögen wird sicher auch von irgendeiner Seite gestellt werden. Davon kann natürlich keine Rede sein. Aber eines soll auch klar gesagt werden: Jeder, der in der Wirtschaft tätig ist, weiß, daß die Bewertung eines Unternehmens eine außerordentlich schwierige Sache ist und daß kein Bewertungsgutachten mit einer apodiktischen Zahl endet, sondern daß immer ein Mindestwert und ein Maximalwert angegeben werden. Wir wollen uns allerdings
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Dr. Burgbacherdafür einsetzen, daß die Kursfestsetzung an der unteren erlaubten Grenze im Sinne der Haushaltsordnung vor sich geht, wie das bei Preußag und VW ebenfalls geschehen ist.
— Geschenke, das ist so ein Wort, wissen Sie.
Der eine nennt es Geschenke, der andere nennt es Privatisierung, ein anderer nennt es Selbstfinanzierung und was weiß ich, welche Namen es dafür noch gibt, je nachdem, ob man positiv oder negativ dazu steht, ob man es für ein schönes Mädchen oder ein häßliches Mädchen hält.
Die weitere Frage ist, ob Energieversorgungsunternehmen zur Privatisierung geeignet sind. Hier mache ich eine persönliche Bemerkung, die nicht Fraktionsbeschluß ist. Ich persönlich bin der Meinung, daß Energieversorgungsunternehmen privatisierungsfähig sind, aber daß die Mehrheit in der öffentlichen Hand irgendeiner Stufe bleiben soll, weil sie keine Unternehmen der hundertprozentig freien Wirtschaft sind. Ich bin aber der Auffassung, daß solche Unternehmen, auch die auf kommunaler oder Landesebene, besonders geeignete Objekte sind, um bei Kapitalerhöhungen den Kapitalbedarf der öffentlichen Hand zu entlasten, durch Zeichnung der Bürger das notwendige Kapital zu beschaffen und auf diese sinnvolle Weise ein sehr respektables und relativ krisenfestes Privateigentum zu schaffen.
Wir hoffen, daß die beschlossene, von der Opposition abgelehnte Umsatzsteuergleichheit und Vermögensteuergleichheit in der Energiewirtschaft nunmehr allen Unternehmen, auch den kommunalen Unternehmen, den Weg frei macht, teilweise zu privatisieren und ihren Bürgern, die sie versorgen, Eigentum an Versorgungsunternehmen zu geben. Wir halten das für eine sinnvolle Ergänzung der öffentlichen Wirtschaft, die außerdem den Interessen der versorgten Personen mehr entspricht als der jeztige Zustand.
Daß der Kapitalmarkt nicht überfordert wird, habe ich schon ausgeführt.Der DGB hat sich in einer sehr interessanten Stellungnahme zu der Vorlage in dieser gelben Schrift geäußert. Wir wollen gern anerkennen, daß der DGB sich, gemessen an früheren Einstellungen zur Privatisierung und zur persönlichen Eigentumsbeschaffung, offenbar, sagen wir, in einer Art Mauserung, in einer inneren Umstellung befindet. Und dann findet man natürlich wie auch in Karlsruhe Passagen, die den vergangenen Programmen entsprechen, und den Passagen, die den neuen oder vielleicht kommenden Programmen entsprechen.
— Also, lieber Herr Matthöfer, seien wir mit Programmen vorsichtig!
—Seien wir mit Programmen vorsichtig! Herr Matthöfer, Sie provozieren mich wieder zu der Berner-kung, daß unsere praktische Politik dem Ahlener Programm um ein Hundertfaches nähersteht als Ihr neues Programm Ihren verflossenen Programmen.
Aber der DGB — und das ist ein sachliches Argument — verlangt die Stimmenmehrheit des Bundes. Das ist in der Vorlage ja auch vorgesehen. Er verlangt, daß der Kurs keine Verschleuderung des Volksvermögens ist. Auch das ist in der Vorlage vorgesehen. Allerdings kann dass Hohe Haus darüber erst entscheiden, wenn die Kursfestsetzung vorliegt. Die kann ihrer Natur nach nur ganz kurz vor der Zeichnung bekanntgegeben werden, weil sich sonst irgendwelche Überlegungen breitmachen könnten, die wir alle nicht haben wollen.Interessant ist bei den Zeichnungen und Erfahrungen mit Preußag und VW folgendes. Als wir mit der Preußag anfingen, konnten wir nur behaupten, versprechen, vermuten, daß es gut gehen würde. Es ist gut gegangen. Das können wir jetzt beweisen. Dann folgte die VW-Privatisierung. Da war die Vermutung schon stärker auf Grund der Preußag-Erfahrungen, und nun haben wir einige Jahre VW-Erfahrung.
— Ja, natürlich haben wir die Wiederwahl.
— Ich bestreite gar nicht, daß wir alle eine Politik machen, um die Wahl zu gewinnen. Oder würden Sie es anders machen?
— Ja, mein lieber Herr Kollege, diese anderen Gesichtspunkte kennen wir schon etwas länger als Sie. Denn Sie haben sich unseren Gesichtpunkten der Politik angepaßt, wir aber nicht Ihren.
Bei der Preußag — das war interessant — waren 216 000 Zeichner. Aber nur 43 % der Belegschaft hatten Preußag-Aktien gezeichnet. Bei der VW-Privatisierung zwei Jahre später haben von 65 000 Belegschaftsmitgliedern 63 500 VW-Aktien gezeichnet, also 97 %.Alles hat seine Ursachen. Warum haben von der Belegschaft der Preußag am Jahre 1959 nur 43 % und von der VW-Belegschaft im Jahre 1961 97 % gezeichnet? — Nun, wir wollen zunächst, wie sich das gehört, der Einsicht des Bürgers als erstes unsere Reverenz erweisen und wollen feststellen, daß sich die gute Entwicklung in den zwei Jahren bei der Preußag dann auf das Verhalten der VW-Belegschaft ausgewirkt hat. Aber erlauben Sie mir bitte, auch zu sagen, daß ich 'den Eindruck habe, Herr Kollege Kurlbaum, den man allerdings auch ein bißchen belegen könnte, daß bei der Preußag,
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Dr. Burgbachersagen wir einmal: Ihre politischen Freunde und die Ihnen Nahestehenden bei den Gewerkschaften einen Einfluß in Richtung auf stärkste Zurückhaltung — um mich vorsichtig auszudrücken — ausgeübt haben. Bei VW ist es diesem Einfluß nicht mehr gelungen, sich durchzusetzen.Inzwischen hat die VW-Belegschaft — und das ist durchaus in unserem Sinne — vor allem durch ihre Zeichnung demonstriert, daß sie an der Politik und an der Sache interessiert ist und Vertrauen hat. Wir haben bei VW 1 547 000 Aktionäre oder aus diesen beiden Privatisierungen fast 2 Millionen Aktionäre. Die Wirtschaftlichkeit bei beiden ist für die Zeichner bis heute gegeben, bei der Preußag mit 6 %, bei VW mit 4 % im Durchschnitt, mit im Augenblick einer leichten Senkung, die aber mehr als kompensiert ist durch den Zuwachs im Vermögenswert.Wir glauben deshalb, meine Damen und Herren, eine gute Sache zu vertreten. Wir haben spätestens 1949 diese Politik begonnen. Wir haben sie selbstverständlich nicht revolutionär, sondern evolutionär durchgeführt, und wir werden auch aus sehr naheliegenden Gründen nicht eine Privatisierung die andere jagen lassen. Wir denken nicht daran, mit der Eigentumspolitik, die wir von diesem Hause aus machen, den gesunden, stabilen Ablauf des Wirtschafts- und des Kapitalmarkts zu stören, sondern wir müssen sie, wie man so schön sagt, einfädeln in die allgemeine volkswirtschaftliche Entwicklung. Es ist die Politik für diese und die kommende Generation, und wir hoffen, sie noch viele Jahre in diesem Hause fortsetzen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem beide Vorredner, der Herr Bundesschatzminister und Herr Professor Burgbacher, ihre Ausführungen sozusagen mit Verlesungen aus weit zurückliegenden Programmen begonnen haben, lassen Sie mich wenigstens eine Bemerkung dazu 'machen, insbesondere an Herrn Burgbacher. Herr Burgbacher, ich würde Ihnen empfehlen, einmal das Dortmunder Aktionsprogramm unserer Partei von 1952 zu lesen. Darin finden Sie die Förderung des freien Leistungswettbewerbs, die Verbesserung der Vermögensverteilung, die Förderung des privaten Eigentums; das finden Sie darin alles schon.
Und mindestens seit dieser Zeit, Herr Professor Burgbacher, haben wir eine ganz klare, konsequente Wirtschaftspolitik in diesem Hause verfolgt.
Das lassen Sie mich zu Anfang sagen.Nun noch eine Bemerkung über die Gewerkschaften im Zusammenhang mit dem Problem der breiten Vermögensstreuung. Herr Professor Burgbacher, ich glaube, ,die zweite und die dritte Lesung des Gesetzes über die Vermögensbildung bei Arbeitnehmern wird wahrscheinlich erweisen — und beinahe ist das heute schon klar —, daß der DGB unserem Entwurf zum 312-DM-Gesetz wesentlich nähersteht als die Arbeitgeberverbände dem Entwurf Ihres Bundesministers Blank. Ich glaube, es ist auch schon klargeworden, daß heute die Arbeitgeberverbände gerade auf diesem Gebiet der größte Hemmschuh sind, und ich bitte Sie dringend, sich gerade mit diesen hinter Ihrer Fraktion stehenden Kräften über diesen Punkt näher auseinanderzusetzen.
Wer ihre heutigen Reden hörte, konnte das Gefühl bekommen, von diesem Antrag auf Teilprivatisierung der VEBA aus könnte das Problem der breiten Vermögensstreuung wirklich maßgeblich beeinflußt werden.
— Ichsage doch nur, wie sich der Tenor anhörte. Ich möchte vermeiden, daß dieser Eindruck dann auch in der Öffentlichkeit entsteht.
— Ich will ja nur eine Zahl nennen. Werden Sie doch nicht so nervös, wenn ich versuche, Ihre Ausführungen zu versachlichen!
Ich wollte für die Debatte hier in diesem Hause nur eine Zahl nennen: Das industrielle Bundesvermögen beträgt weniger als 4 % des gesamten industriellen Vermögens in der Bundesrepublik,
und so müssen Sie auch die Möglichkeiten der EinWirkung auf die Vermögensstreuung im ganzen beurteilen.Wir 'sollten uns nun nicht so ausführlich, wie das die Vorredner getan haben, über Programme unterhalten, die zehn oder fünfzehn Jahre alt sind, sondern wir sollten uns jetzt mit den aktuellen Dingen beschäftigen. Da scheint es mir notwendig zu sein, einmal auf die mannigfachen Mängel einzugehen, die bei den bisher durchgeführten Teilprivatisierungen, bei der Preußag und beim Volkswagenwerk, nach unserer Auffassung zutage getreten sind, und uns auch mit dein Mängeln zu befassen, die wir leider in den Vorschlägen der Bundesregierung hier feststellen müssen.Wir messen alle Maßnahmen zur breiten Streuung des Vermögens oder, wie man klarer und deutlicher sagen sollte, zur Vermögensbildung insbesondere bei den bisher Vermögenslosen an folgenden Gesichtspunkten. Der erste Gesichtspunkt ist der: Inwieweit haben die Maßnahmen der bisherigen Teilprivatisierungen und inwieweit werden die
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Kurlbaumneuen Vorschläge effektiv dazu beigetragen, daß in großem Umfang Vermögen bei denen gebildet wird, die das bisher noch nicht tun konnten? Leider ist unsere Statistik so unvollkommen — die Bundesregierung und die hinter ihr stehenden Parteien sind leider mit daran schuld —, daß wir in die Vermögensverteilung in Abhängigkeit von den Einkommensgruppen keinen Einblick haben.
Deshalb sind wir hier auf Vermutungen angewiesen.Aber lassen wir einmal die verschiedenen Privatisierungsaktionen an uns vorübergehen. Bei der Preußag hatte man als obere Grenze ein Jahreseinkommen von 16 000 DM sowohl für Ledige als auch für Verheiratete gesetzt, mindestens für Ledige zu diesem Zeitpunkt ein sehr hoher Betrag. Man muß sich daher fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, die Vergünstigung, die durch den sehr günstigen Kurs den Beziehern gegeben wurde, auf die Bezieher kleinerer Einkommen zu konzentrieren.Wir geben zu, daß dann beim Volkswagenwerk etwas getan worden ist, was auch uns gefallen hat. Man hat einen Sozialbonus gegeben, 25 % für die Bezieher relativ kleiner Einkommen — 6000 DM für Ledige und 12 000 DM für Verheiratete mit drei Kindern —, 20 % für dieselben Einkommensbezieher mit weniger Kindern und schließlich 10 % bei einem Einkommen von 8000 DM für Ledige und 16 000 DM für Verheiratete. Das war zweifellos etwas Gutes an dieser Aktion. Ich geniere mich gar nicht, das hier festzustellen.Aber nun stellen wir mit größtem Bedauern fest, daß gerade das jetzt bei der VEBA nicht wieder geschehen soll. Bei der VEBA will man wieder eine Art Windhundverfahren anwenden. Da kommen zuerst die mit kleinerem Einkommen dran. Wenn die sich davon überzeugen lassen, dann ist es gut. Wenn die es aber nicht tun, haben dieselben Vergünstigungen nachher auch die Bezieher höherer Einkommen. Eine eindeutige Konzentration auf die wirklich Spar-förderungsbedürftigen vermögen wir hier nicht zu finden.Wir halten dieses Verfahren auch insbesondere deshalb für einen sozialen Rückschritt, weil auch im Sparprämiengesetz noch kein Sozialbonus für Bezieher kleinerer Einkommen vorgesehen ist. Ich erinnere daran, daß ein Gesetzentwurf der SPD, der eine solche verstärkte Sparförderung für Bezieher kleiner Einkommen — 7200 DM für die Ledigen und 14 400 DM für die Verheirateten — vorsieht, seit dem Jahre 1962 unbeachtet in den dafür zuständigen Ausschüssen schmort und bisher keine Unterstützung der Koalitionsfraktionen gefunden hat. Es wäre sehr viel besser, wir hätten heute ein Sparprämiensystem, das eine solche Tendenz beinhaltet, nämlich endlich dafür zu sorgen, daß die relativ großen Aufwendungen, die für die Sparförderung zu Lasten der öffentlichen Haushalte gemacht werden müssen, auch wirklich auf die Kreise konzentriert werden, deren Sparfähigkeit gehoben werden muß, und nicht an solche vergeudet werden, die angesichts ihrer relativ hohen Einkommen einer solcher Sparförderung überhaupt nicht bedürfen.Wir haben uns zu diesem Prinzip, das wir schon vor beinahe drei Jahren mit unserem Antrag an den Bundestag dokumentiert haben, noch einmal auf unserem Karlsruher Parteitag bekannt. Er hat das bestätigt, hat allerdings die Zusatzprämie von 5 % auf 10 % erhöht.Wir werden also in den Ausschußberatungen sehr energisch darauf dringen, daß auch bei dieser neuen Teilprivatisierung wiederum von einem Sozialbonus mit entsprechenden Einkommensgrenzen — auch unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse, also der Kinderzahl — Gebrauch gemacht wird; denn was hier vorgeschlagen ist, halten wir für einen Rückschritt.Der zweite Gesichtspunkt, nach dem wir alle Privatisierungsbestrebungen glauben messen zu müssen, ist der Komplex der notwendigen Wahrung des öffentlichen Einflusses auf die Bundesunternehmen. Herr Professor Burgbacher hat hierzu die Bemerkung gemacht — ich habe sie mir wörtlich notiert —: Wir wollen mit den Bundesunternehmen keine Wirtschaftspolitik betreiben. Das steht meiner Ansicht nach in krassem Gegensatz zu der uns vorliegenden Begründung der Bundesregierung, in der zu lesen steht, daß aus energiepolitischen Erwägungen die Mehrheit der VEBA beim Bunde verbleiben müsse.
Das soll also nicht aus eigentumspolitischen Gründen, sondern aus energiepolitischen, d. h. wirtschaftspolitischen Gründen geschehen. Das heißt doch, Herr Professor Burgbacher, daß man jetzt auch bei Ihnen endlich eingesehen hat, daß ein solches großes Unternehmen ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument sein kann, insbesondere nachdem sich jetzt gezeigt hat — auch nachträglich und von Ihnen in keiner Weise vorausgesehen —, daß es für eine bessere Bewältigung .der energiepolitischen Probleme dringend notwendig ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Burgbacher?
Bitte sehr!
Herr Kollege Kurlbaum, ist Ihnen entgangen, daß ich einmal von der allgemeinen Wirtschaft, z. B. der Automobilindustrie — ich könnte auch alle anderen Wirtschaftszweige nennen —, gesprochen habe und ein anderes Mal von der Energiewirtschaft und daß ich dort die Mehrheit der öffentlichen Hand empfohlen habe?
Herr Professor Burgbacher, Sie haben das in einer sehr allgemeinen Form getan. Ich werde gleich noch einige Ausführungen dazu machen. Ich werde z. B. auch darauf 'hinweisen, daß, wenn auch der Einfluß der VEBA bezüglich des Anteils an der Stromerzeugung größer ist als die Beteiligung der Preußag an gewissen volkswirtschaftlich wichtigen Produktionen, trotzdem dasselbe
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Kurlbaum) Argument auch für die Preußag gilt. Die Preußag hat nach meinen Informationen mindestens einen Anteil von 10 % an ,der Erdölverarbeitung. Das ist also ein wichtiges Faktum gerade auch für die dringend notwendige Verstärkung des öffentlichen Einflusses auf dem Energiemarkt. Die Preußag hat allerdings nur einen Anteil von 1,5 % an der Steinkohlenförderung; aber wenn man den Anteil der Hibernia dazu nimmt, sind es 9 %, und das fällt doch schon ins Gewicht. Wenn Sie also heute im nachhinein erkannt haben, ,daß Sie bei der VEBA wegen der Sicherung des öffentlichen Einflusses etwas anderes tun müssen, dann kann man nur mit Bedauern feststellen, daß Sie trotz unserer Warnungen diese Einsicht bei der Privatisierung der Preußag im Jahre 1959 noch nicht gehabt haben.
Entschuldigen Sie, ich werde Sie nicht mehr stören. Aber darf ich Sie fragen, ob Ihnen nicht der Unterschied in der Energiewirtschaft zwischen leitungsgebundenen und damit monopoliten Energieunternehmen und nicht leitungsgebundenen bekannt ist?
Natürlich, da ich Diplomingenieur der Elektrotechnik 'bin, habe ich eine gewisse Vorstellung von elektrischen Leitungen.
— Wir wollen versuchen, die Frage auf sachlicherBasis weiter auszutragen, Herr Professor Burgbacher.Es ist also zu bemerken, daß ihre Feststellungen zur allgemeinen Wirtschaftspolitik von Ihnen für die VEBA als nicht zutreffend angesehen werden. Wir sind der Meinung, daß dieser Gesichtspunkt schon bei der Privatisierung der Preußag vernachlässigt worden ist. Herr Professor Burgbacher, warten Sie doch erst einmal lab, was sich im Laufe der Jahre auf dem Automobilmarkt noch alles entwickelt. Diese Dinge müssen langfristig betrachtet werden. Vielleicht werden wir uns auch noch einmal über das unterhalten müssen, was beim Volkswagenwerk gemacht worden ist.Aus diesem Grunde stehen wir — das will ich hier klar und deutlich sagen — sehr argwöhnisch dem gegenüber, was in der Vorlage der Bundesregierung über den Umfang der Privatisierung gesagt wird. Der Herr Bundesschatzminister hat es vermieden, für die erste Aktion überhaupt eine Zahl zu nennen. Er spricht von einem größeren Teil. Ich hoffe, daß, bevor man dem Hohen Hause eine Beschlußfassung über ein so großes Projekt zumutet, der Herr Bundesschatzminister aus seiner Reserve herausgeht und etwas Zusätzliches zu der vagen Angabe sagt, das VEBA-Kapital solle um einen größeren Teil erhöht werden und dieser solle an die Volksaktionäre ausgegeben werden.Ein zweiter Punkt in der Vorlage der Bundesregierung stimmt uns noch bedenklicher. Darin wird gesagt, daß man um die Ermächtigung bitte, wenn sich eine sogenannte Übernachfrage herausstelle, aus dem Aktienbestand der VEBA noch weitere Aktien an die Volksaktionäre auszugeben. Damit würde mit Sicherheit die 75-%-Grenze des Bundesbesitzes unterschritten werden.
— 75 %, wenn Sie es ausrechnen.
— Wir sagen etwas von 75 %.
Herr Professor Burgbacher, wir halten es nicht für gut, wenn in Zukunft der Bund bei einer Kapitalerhöhung für diese bedeutende Gesellschaft auf die Zustimmung der Volksaktionäre — oder sprich: der Großbanken über ihr Depotstimmrecht — angewiesen sein sollte.
— Es geht darum, ob man sich hier auf dem Energiemarkt derartige Fesseln anlegen sollte. Wir werden uns wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich Ihre Vorstellungen durchsetzen sollten, darüber unterhalten müssen, was die Folgen davon sind. — Das zunächst einmal zum öffentlichen Einfluß.Nun ist in diesem Zusammenhang auf das Aktienrecht hingewiesen worden. Wir haben uns gerade gestern im Wirtschaftsausschuß des Bundestages über das Depotstimmrecht unterhalten. Da zeichnet sich eine gewisse Lösung ab. Ich halte diese Lösung für gar nicht so schlecht. Aber sie betrifft nicht den Punkt, ob wir die Verantwortung für diese Unternehmen in der Zukunft in der Hand des Bundes lassen wollen oder ob wir die Verantwortung für Unternehmen von so großer volkswirtschaftlicher Bedeutung weitgehend auf die Großbanken übertragen wollen; das ist die Kardinalfrage, vor die sich das Haus gestellt sieht.
In den Beratungen des Wirtschaftsausschusses ist gestern von vielen Seiten mit Recht darauf hingewiesen worden, daß kein Mensch etwas darüber aussagen kann, inwieweit der Volksaktionär willens und in der Lage ist oder sich in der Lage fühlt, den Großbanken Weisungen zu geben; sie werden dann ihr Stimmrecht nach eigenen Vorstellungen ausüben, die für den Kleinaktionär sehr oft gar nicht durchsichtig sind. Hier handelt es sich um die Frage: Wen halten wir in unserer Demokratie für kompetenter, die volkswirtschaftlichen Belange und die Belange des kleinen Sparers zu vertreten, die von diesem Parlament kontrollierten Vertreter des Bundes oder die Vertreter der Großbanken? Das ist die Frage, die hier zu entscheiden ist.
Nun, -es ist ja sehr interessant, was sich in den letzten Tagen hier noch weiter abgespielt hat. Ich weiß nicht, inwieweit diese Mitteilung schon durchgesickert ist: Noch bevor die VEBA-Aktien auf den Markt kommen, ist ein Streit entbrannt zwischen dem Bundesschatzministerium und dem Bundeswirt-
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Kurlbaumschaftsministerium über eine eventuelle Strompreiserhöhung der PREAG, der Haupttochtergesellschaft der zu privatisierenden VEBA. Hier müssen wir den Herrn Bundeswirtschaftsminister unterstützen; er stellt sich auf den Standpunkt, daß eine Strompreiserhöhung gerade mit Rücksicht auf die Währungsstabilität heute untunlich ist. Eine solche Stellungnahme werden wir unterstützen. Aber das Bundesschatzministerium stellt sich auf den Standpunkt: Nein, um die VEBA-Aktien attraktiver zu machen, darf man der PREAG die Preis-Erhöhung nicht verwehren.Sie sehen also, Herr Burgbacher, in welche Schwierigkeiten Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik kommen, die Sie aus dem Bundesunternehmen-Komplex ganz ausklammern zu können glauben.
Nun wird der Herr Bundeskanzler diesen Streit zwischen Bundesschatzministerium und Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz entscheiden müssen. Ich bin auf das salomonische Urteil des Herrn Bundeskanzlers sehr gespannt. Wahrscheinlich wird er den Rat geben, im Augenblick nichts zu tun, sondern die Strompreiserhöhung nachzuholen, wenn die Öffentlichkeit mit dein Problem nicht mehr so beschäftigt ist.
So stelle ich mir seinen Ratschlag vor. Das würde jedenfalls in Ihre Wahlkampfstrategie besser hineinpassen.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein weiterer Gesichtspunkt zur Beurteilung Ihrer bisherigen Privatisierungsbemühungen und der jetzt vor uns stehenden Teilprivatisierungsaktion der VEBA. Herr Burgbacher, Sie haben sicherlich mit Recht darauf hingewiesen, daß sich der Kauf der Aktien für die Volksaktionäre als ein günstiges Geschäft erwiesen hat.
Wir sind auch gar nicht dagegen daß solche Vorteile in die Hände von Beziehern kleiner Einkommen gelangen. Aber wir sind dagegen, daß Geschenke dieses Ausmaßes, wenn die Grenzen so weit gezogen werden, in die Hände von Menschen kommen, die solcher Geschenke einfach nicht bedürfen. Bei der Preußag war das Geschenk noch verhältnismäßig klein — gemessen an dem beim Volkswagenwerk. Bei den Preußag-Aktien war im Jahre 1959 — da standen wir noch nicht vor Bundestagswahlen, da konnte man noch etwas zurückhaltender sein — der Ausgabekurs 145 %, die erste Notierung 169 %, etwa drei Monate später stand der Kurs auf 220 %. Der Erwerber der Preußag-Aktie hatte also in wenigen Monaten ein Geschäft von 50 % in bezug auf seine Aufwendungen gemacht. Dabei ist noch nicht die Sparprämie berücksichtigt, die wir ihm natürlich von Herzen gern gönnen.Bei der Volkswagenaktie unmittelbar vor der Bundestagswahl 1961 waren Ihre Hemmungen geringer. Man hat einen Ausgabekurs ohne Abzug des Sozialrabatts von 350 festgesetzt. Die erste Notierung der Volkswagenaktie betrug bereits 700; sie lag also um 100 % über dem Ausgabekurs.
— Sie wissen sehr genau, Herr Burgbacher — ich unterstelle, daß Sie die Marktgesetze kennen —: die Materialknappheit resultiert aus dem zu niedrigen Preis. Sie wissen ja, daß sich die Nachfrage nach dem Preis richtet — das wissen Sie sicher genauso gut wie ich —, und die Materialknappheit war das Resultat des Kurses von 350 %. Wir werden mit allein Nachdruck darauf dringen, daß sich eine solche Kursfestsetzung, wie sie damals praktiziert worden ist, die einen klaren Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen der Haushaltsordnung darstellt, nicht wiederholt. Wir hoffen, daß der Haushaltsausschuß nach den Vorgängen, die sich vor vier Jahren abgespielt haben, diese Frage sehr eingehend prüfen wird.
— Wenn Sie den Kurs genügend niedrig ansetzen, wird die Übernachfrage, von der Herr Dollinger spricht, natürlich spielend leicht zu erreichen sein. Sie brauchen den Kurs nur genügend niedrig anzusetzen, dann haben Sie die Übernachfrage geschaffen.
— Das sind die Gesetze des Marktes, die Sie ebenso gut kennen wie ich.Nun noch eine weitere Frage, die auch in der Drucksache angesprochen worden ist. Man spricht dort von weiteren nominell 100 Millionen DM VEBA-Aktien, die aus dem Besitz des Bundes gegeben werden sollen, wenn es gelungen ist, durch einen ganz besonders niedrigen Kurs eine solche Übernachfrage künstlich zu schaffen,
wie Sie es seinerzeit auch gemacht haben. Nun stellen wir hierzu eine berechtigte Frage, über die sich der Herr Bundesschatzminister in der Drucksache ausschweigt. Es wird sich um einen Betrag in der Größenordnung von mindestens 1/4 Milliarde handeln. Der Herr Bundesschatzminister hat bis jetzt hier keinerlei Kursvorstellungen bekanntgegeben.
Ich bin also darauf angewiesen, mein eigenes Urteilsvermögen zu gebrauchen. Ich wage die Schätzung, daß es ein Betrag von über 1/4 Milliarde DM sein wird.
Nun stellen wir die Frage: Was will der Bundesschatzminister mit diesem Betrag machen? Will er damit die Haushaltsdefizite decken? Das ist eine der Fragen, die bis heute unbeantwortet geblieben sind.7906 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januai 1965KurlbaumMeine Damen und Herren, es ist klar — und das möchte ich hier auch ganz eindeutig sagen, damit nicht nachher unsere Stellungnahme entstellt wird —: auch die Sozialdemokratische Partei, eine sozialdemokratische Mehrheit in diesem Hause, eine sozialdemokratische Bundesregierung würden selbstverständlich gern bereit und sehr daran interessiert sein, daß für den Kleinsparer ein Spartitel geschaffen wird, der ihm einen Sachwert gibt, ihn also vor der schleichenden Geldentwertung schützt.
- Ich werde gleich genau sagen, was unsere Vorstellungen sind und wo wir die Grenzen 'setzen, Herr Katzer. Darum handelt es sich nämlich. Ich werde mich hier ganz präzise ausdrücken.Wir sind also sehr dafür, daß der Kleinsparer einen Titel bekommt, der ihn vor den Auswirkungen der schleichenden Inflation schützt. Wir sind zweitens dafür, daß er einen Spartitel bekommt, der ihn auch an dem durch Selbstfinanzierung laufend entstehenden Vermögenszuwachs teilnehmen läßt. Das halten wir ebenfalls für einen wichtigen Gesichtspunkt. Auch hier muß den Realitäten Rechnung getragen werden.Wir sind weiter der Meinung, daß das eine sichere Anlage sein muß, die nicht allzu großen Kursschwankungen ausgesetzt ist und bei der der Kurswert nicht so stark von 'spekulativen Interessenten 'beeinflußt wird, wie das bei der Volkswagenaktie bekanntlich der Fall war.
— Herr Burgbacher, lassen Sie mich doch hier erst einmal zu Ende sprechen. Wir sprechen uns also dafür aus — um gerade den Gesichtspunkt der Sicherheit mehr in den Vordergrund zu stellen — und haben uns bereits in den Ausschußverhandlungen dafür ausgesprochen — es ist auch in Karlsruhe nochmals unterstrichen worden —, daß stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben werden. Nun kommen Sie wieder mit Ihrer wunderbaren „Aktionärsromantik". Tatsächlich wird das Stimmrecht nur in ganz minimalen Fällen nach den Vorstellungen der Volksaktionäre ausgeübt werden, in der überwiegenden Mehrheit jedoch nach den Vorstellungen der das Depotstimmrecht ausübenden Großbanken. Sie werden das sehen, Herr Burgbacher; das werden wir alle sehen.Wir wären allerdings auch bereit, eine solche stimmrechtslose Vorzugsaktie unter Umständen mit weiteren Garantien zu versehen. Bitte, das ist die genaue Antwort. Wir wissen, daß insbesondere der kleine Einkommensbezieher auf die Sicherheit den größten Wert legt; denn er besitzt wenig und braucht mehr Sicherheit als der, der viel 'besitzt. Das ist, glaube ich, auch verständlich.Lassen Sie mich nun zum Schluß kommen und noch einmal die Grundsätze formulieren, die unserer Ansicht nach auf das Gesamtgebiet der breiten Vermögensstreuung und der Förderung der Vermögensbildung bei den bisher Vermögenslosen angewendet werden sollten. Der öffentliche Haushalt wird für die Sparförderung auch dann in Anspruch genommen, wenn eine Aktie nur zu einem Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes abgegeben wird.Das ist auch eine Inanspruchnahme der öffentlichen Haushalte, obwohl dies mangels einer Vermögensrechnung des Bundeshaushalts nicht so klar und deutlich für die Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt. Aber gerade weil das in der Haushaltsrechnung, die der Öffentlichkeit vorliegt, nicht zum Ausdruck kommt, bedienen Sie sich ja mit Fleiß dieses Weges einer Verdunkelung der Verhältnisse.Wir stehen also auf dem Standpunkt: Wenn — und wir sind dafür — der Kleinsparer aus öffentlichen Mitteln gefördert wird, dann soll das eine gesetzliche Grundlage haben. Diese Grundlage soll langfristig gelten, und diese Grundlage soll auf eine Vielfalt von Anlagemöglichkeiten anwendbar sein. Sie soll also nicht nur je nach der politischen Wetterlage, insbesondere nicht nur für einen begrenzten Zeitraum unmittelbar vor einer Wahl sozusagen als Bonbon gegeben werden, und der Kleinsparer, der zu dem Zeitpunkt gerade kein Geld hat, der kann dann 4 Jahre lang „in den Ofen gucken". Dieses Verfahren halten wir für schlecht.
— Jawohl, aber dann bezahlt er einen anderen Kurs dafür, das wissen Sie ja. Sie wissen ganz genau, wie es bei der Volkswagenaktie gegangen ist.Wir beharren weiter darauf, daß bei solchen Privatisierungsaktionen Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Aufgaben genommen wird. Wir glauben, daß richtig verwendete Bundesunternehmen einen Beitrag zum Ausgleich von Konjunkturschwankungen, zur Hemmung einer Preisaufwärtsentwicklung und zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse liefern können. Da gibt es einen ganzen Katalog, und wir wollen darauf nicht verzichten, weil wir glauben, daß die Marktwirtschaft, um sozial zu werden, einer solchen Ergänzung durch eine aktive Wirtschaftspolitik bedarf.
— Sie gehen mit Großbanken, wir vertrauen aufdie demokratischen Institutionen unseres Staates.Nun der Ausgabekurs! Wir wollen, daß solche Vergünstigungen, wie sie in Form von unterdimensionierten Ausgabekursen gegeben werden, auch tatsächlich gezielt und eindeutig begrenzt werden auf die Bezieher kleiner Einkommen. Wir halten also das Abgehen von dem Verfahren beim Volkswagenwerk für einen Rückschritt.Abschließend lassen Sie mich folgendes sagen. Wenn man das Verhalten der Bundesregierung und der hinter ihr stehenden Parteien nach ihrem Verhalten zuerst bei der Preußag, dann bei VW und jetzt nach den Vorschlägen zur VEBA beurteilt, dann stellt man einen bedauerlichen Zickzackkurs fest. Das ist das eine. Die Bundesregierung und die hinter ihr stehenden Parteien sollten sich dazu entschließen,
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Kurlbaumauch diese Dinge einmal langfristig zu sehen und sich nicht auf Einzelaktionen zu konzentrieren, von denen wir genau wissen, daß sie das Problem im ganzen nicht entscheidend ändern können.
— Initialzündung, ja schön. Aber dann brauchen Sie eine bessere Initialzündung, als Sie sie hier anwenden.
— Ich hoffe, Herr Burgbacher, auf eine eingehende sachliche Diskussion in den Ausschüssen, für die wir zur Verfügung stehen. Herr Burgbacher, wir haben uns ja manchmal im Wirtschaftsausschuß einigen können. Sie sind ja gar nicht so unsachlich, wie Sie hier im Augenblick erscheinen. Sie sind ja besser, Herr Burgbacher.
Lassen Sie mich eines sagen — und daran liegt uns besonders —: das Problem der breiten Vermögensstreuung sollte nicht unter dem Blickwinkel von Wahlen angepackt werden, sondern auf einer soliden Grundlage und mit einer Grundsatztreue, die der Größe dieses Problems entspricht, das hier vor ein paar Tagen sehr richtig gewertet worden ist und das unter Umständen das Problem sein wird, an dessen Lösung die zukünftigen Generationen unsere Demokratie messen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mälzig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute sind von dieser Stelle aus schon sehr tiefschürfende und weit zurückreichende Ausführungen gemacht worden. Ich möchte es mir daher versagen, noch einmal in die Historie der Privatisierungsvorgänge zurückzugreifen.Ich möchte nur ganz kurz und knapp sachlich feststellen, daß meine Fraktion und meine Partei wohl auch mit Recht für sich in Anspruch nehmen kann, schon seit langem sich darum zu bemühen, Privatisierungsvorgänge in Bewegung zu bringen.
— Jawohl, ich danke Ihnen, Herr Kollege Burgbacher.Deswegen begrüßen auch wir es, daß mit dem VEBA-Konzern wieder etwas in dieser Richtung geschehen soll. Aber ich möchte, daran anknüpfend, sagen, daß wir eigentlich mit der Größenordnung, die uns hier vorgeschlagen wird, nicht einverstanden sind. Wir meinen, daß der Begriff „Privatisierung" — man sagt allerdings glücklicherweise in der Vorlage nur „Teilprivatisierung" — nicht ganz dem gerecht wird, was wir uns unter Privatisierungsvorgängen vorstellen. Wir meinten, es ist nicht unbedingt nötig, daß der Bund seine 51 % — oder jedenfalls mehr als 50 %; die Größenordnung ist ja noch nicht bekannt — für sich behält. Wir könnten uns ,durchaus 'denken, daß man den VEBA-Konzern oder überhaupt ein bundeseigenes wirtschaftliches Vermögensobjekt echt privatisiert. Warum sollte das nicht möglich sein? Die Begründung, die für diese Privatisierung angeführt wird — tim wesentlichen die, daß man breit gestreutes Eigentum wieder zur Verfügung stellen will, und zwar Eigentum an einem Wirtschaftsbesitz, der vor Entwertung besser geschützt ist als meinetwegen Sparkassenguthaben —, liegt uns durchaus, und wir lassen ihr unsere volle Unterstützung zuteil werden. Aber es wird weiterhin besonders darauf hingewiesen, daß diese Privatisierung gleichzeitig einen Kapitalbedarf decken soll und decken muß, der im VEBA-Konzern nun einmal gegeben ist.Sie, sehr verehrter Herr Minister Dr. Dollinger, haben vorhin in Ihren Ausführungen — sehr mit meiner und der Zustimmung meiner Fraktion — gesagt: Der Staat soll seinen industriellen Besitz nicht vergrößern, er soll nur dort wirtschaften, wo die private Wirtschaft nicht willens oder nicht in der Lage ist, zu wirtschaften. Ich glaube, ich habe ungefähr richtig zitiert. Meine volle Unterstützung für diese 'Formulierung! Ich glaube sicher, daß meine Fraktion, die diese Ausführungen noch nicht kannte — sie ist heute ja leider nur zu einem kleinen Teil da —, Ihnen ebenso zustimmen wird, wenn wir diese Formulierung bei uns besprechen. Wir danken Ihnen dafür, daß Sie sich in 'diesem Sinne einsetzen.Aber ich möchte dazu doch 'feststellen, daß die Praxis, die die Regierungsvorlage für die weitere Entwicklung aufzeigt, nicht ganz dem entspricht, was Sie damit zum Ausdruck gebracht haben. Denn die 750 Millionen DM, von denen da immer die Rede ist, die bei der Ausgabe der neuen Aktien als Kapitalerlös aus der Privatisierung herauskommen sollen, sollen ja wieder in dem VEBA-Konzern Anlage finden. Das ist ein Vorgang, dessen Richtigkeit an sich nicht bestritten werden kann. Denn wenn man junge Aktien ausgibt, hat das Unternehmen selber natürlich Anspruch darauf, den Erlös daraus bei sich einzusetzen. Aber wenn mit diesen 750 Millionen DM neue Investitionen durchgeführt werden, die über das hinausgehen, was z. B. bei der Preußenelektra an wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen sicher dringend nötig ist, um die technische Ausgestaltung des Unternehmens weiter voranzutreiben, dann ist das doch ein Vorgang, der — um wieder Ihre Ausführungen, Herr Minister, zu zitieren — das Wirtschaften des Staates ausweitet. Ich glaube, das sollten wir sehen und sollten uns anknüpfend daran ein Programm machen, wie wir das demnächst wieder auszugleichen versuchen.Es geht weiter darum, daß aus den 750 Millionen DM natürlich die Zahlung der gestundeten Dividenden, die die VEBA dem Bund schuldig ist, durchgeführt werden muß. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Das muß so sein. Das ist die Abtragung einer Schuld, die endlich einmal in Ordnung gebracht
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Dr. Mälzigwerden muß. Der Bund hat Anspruch auf Dividenden, ich glaube, aus den Jahren 1960, 1961, 1962. Das sind die 84 Millionen DM, die dem Bund nach der Kapitalerhöhung und dem Verkauf der Aktien natürlich überwiesen werden können.Nicht ganz sehe ich ein, warum die Hibernia, die bekanntlich auf den Wirtschaftssektoren Kohle, Öl und Chemie tätig ist, die Preußenelektra und die sonstigen Interessenten im Sinne der Maßnahmen, die sich aus der Vorlage ergeben, ungefähr zu gleichen Teilen gefördert werden müssen. Wir müssen sehr darüber wachen, daß sich bei dieser Gelegenheit die Tochter Hibernia innerhalb des VEBA-Komplexes nicht neu aufbläht und ausweitet. Das ist in den letzten Jahren meines Erachtens leider schon in größerem Umfange geschehen, als es zweckmäßig und nötig ist. Wenn jetzt die Hugo Stinnes AG der Hibernia angegliedert wird — so wird es in der Praxis doch sicher durchgeführt werden müssen —, könnte es zu einer Ausweitung kommen. Diese würde mir bedenklich erscheinen.Wir werden uns über die Zusammenhänge, die sich in dieser Richtung abzeichnen, im Ausschuß sehr eingehend unterhalten müssen. Ich hoffe, daß wir dafür eine Linie finden, die allen Interessenten gerecht wird und wiederum auch Ihrer eigenen Forderung, Herr Minister Dr. Dollinger, Rechnung trägt, daß der Staat seinen industriellen Besitz nicht vergrößern soll.Wir werden auch darüber wachen müssen, daß die starke Kapitalspritze, die der Hibernia jetzt unter Umständen zugute kommt, nicht etwa zu Erscheinungen führt, die sich leider gelegentlich schon abgezeichnet haben und über die wir uns im Ausschuß schon Sorgen gemacht haben, nämlich dazu, daß sich zwischen den bundeseigenen Konzernen und verschieden gelagerten Unternehmungen ein Konkurrenzkampf entwickelt. Es wäre schade, wenn z. B. die Hibernia-Chemie zu den anderen Chemie-Gesellschaften, die der Bund noch besitzt, in Konkurrenz träte und so mit dem neuen Geld, das hier zugeführt wird, letzten Endes dem gesamten Vermögensbesitz des Bundes Schaden zugefügt werden würde. Die Lösung dieser Aufgabe wird sicher nicht ganz leicht sein, denn damit dringt man schon sehr tief in die Wirtschaftspolitik der Unternehmungen ein. Aber es ist immerhin in diesem Zusammenhang eine Aufgabe, die wir nicht übersehen und der wir uns annehmen sollten.Begrüßenswert ist natürlich, daß durch diese 750 Millionen DM die gesamte Konstruktion der VEBA. in ihrer inneren Struktur so gefestigt und ausgeweitet werden kann, daß man mit Fug und Recht bei den neuen VEBA-Volksaktien von einem geringen Risiko wird sprechen können. Sicher wäre es sehr bedenklich, wenn wir Volksaktien, die eines Tages irgendwie in einen Verfall geraten, unter Leute brächten, die sonst wenig von Aktien verstehen und wenig Erfahrung damit haben. Damit würde der Begriff Volksaktie überhaupt in Gefahr gebracht werden. Das dürfen wir uns auf keinen Fall leisten. Es dürfte aber auch gewährleistet sein, daß das im Falle der VEBA-Volksaktie nicht geschieht, wenn wir die Investitionen durchgeführt haben werden, die nötig sind, um eine gesicherte Wirtschaftsführung zu gewährleisten.Von meinem Herrn Vorredner wurde bereits über den Komplex der eventuell in Aussicht genommenen Aktien für 100 Millionen DM gesprochen, die der Bund heute in seinem Portefeuille hat, also über den Aktienkomplex, den man vielleicht — ,,wahrscheinlich" hoffe ich sagen zu dürfen — wird einsetzen müssen, um die Anforderungen in bezug auf VEBA-Volksaktien erfüllen zu können. Wenn dieses Aktienkapital von 100 Millionen DM aus dein jetzigen Vermögen des Bundes in Privathand überführt, also liquide gemacht wird, dann darf dieser Erlös nicht im allgemeinen Haushalt des Bundes untergehen. Das wäre eine unglückliche und nicht erwünschte Maßnahme. Ich möchte dazu vorschlagen — wir werden uns im Ausschuß darüber noch sehr eingehend zu unterhalten haben —, diesen Erlös, wenn er eines Tages angefallen sein sollte, erst einmal auf einem Sonderkonto zurückzuhalten und zu versuchen, mit dem Finanzministerium eine Vereinbarung dahin zu treffen, daß aus diesem Sonderkonto andere wirtschaftsfördernde Maßnahmen im Rahmen der Industrieobjekte des Bundes durchgeführt werden, um zu prüfen, ob dann bei diesen Industrieobjekten wieder Möglichkeiten für eine Privatisierung bestehen.Wir sind uns ja wohl darüber im klaren, daß es leider im bundeseigenen Wirtschaftsbesitz noch das eine oder andere Objekt gibt, bei dem hinsichtlich des Eigenkapitals und der inneren Wirtschaftlichkeit nicht alles ganz in Ordnung ist. Wir brauchen durchaus Möglichkeiten, solche Beträge, solche Eingänge — außerordentliche Erträge nennen wir sie in der privaten Wirtschaft — so einsetzen zu können, daß man damit zukünftigen Privatisierungsvorgängen schon wieder Vorschub leistet. Ich hoffe, daß wir uns auch auf diesem Gebiet verstehen werden und bei der Zusammenarbeit im Ausschuß eine gute Regelung für die VEBA-Privatisierung im Sinne der heute gemachten Ausführungen speziell unter Berücksichtigung dessen, was ich eben zu sagen die Ehre hatte, erzielen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, daß Sie fürchten, ich würde sehr lange sprechen, ich würde mich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Kurlbaum gern auseinandersetzen. Aber ein gütiges Geschick gibt den Eigentumspolitikern immer freitags vormittags Gelegenheit, zu diesem „vollbesetzten Hause" zu sprechen. Ich werde deshalb meine Ausführungen entsprechend der Fülle des Saales auf wenige Bemerkungen beschränken.Herr Kollege Kurlbaum, ich möchte die Widersprüchlichkeiten Ihrer Darlegungen hier nicht im einzelnen aufzählen. Dazu werden wir bei den
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7909
KatzerAusschußberatungen noch genügend Zeit haben. Aber Sie haben da etwas hochtrabend von Grundsatztreue vor Wahlen etc. gesprochen. Das ist einfach nicht möglich! Es handelt sich bei der sozialen Privatisierung doch nur um einen Teilbereich der Eigentumspolitik. Wir haben nie etwas anderes behauptet, als daß die soziale Privatisierung ein Teilbereich der Eigentumspolitik ist und nicht die Eigentumspolitik schlechthin. Das hat niemand von uns zu irgendeinem Zeitpunkt behauptet.
— Mit Zwischenrufen dauert es länger; dafür bin ich nicht verantwortlich.Auf der einen Seite, Herr Kollege Kurlbaum, sagen Sie, das Objekt sei gar nicht der Rede wert. da doch das industrielle Bundesvermögen nur 4 % des industriellen Gesamtvermögens beträgt.
— Aber den Eindruck haben Sie erweckt, und auf der anderen Seite wird der gegenteilige Eindruck erweckt. Auf der einen Seite hört man, die Gewinnchance sei riesengroß, und auf der anderen Seite, das Risiko sei außerordentlich gewaltig. Das sind doch alles Widersprüche, die wir klären müßten.Was die Wahlen angeht, Herr Kurlbaum — ich bin in diesem Punkt nicht besonders empfindlich, und der Kollege Burgbacher hat schon gesagt, weshalb nicht —, so weiß doch jeder, der im Ausschuß an diesen Dingen mitgearbeitet hat, daß die Vorbereitung eines solchen Projektes Jahre erfordert. Wir haben uns im Ausschuß damit befaßt. Es ist ja nicht so, daß wir einfach sagen könnten: „Dann sind die Wahlen und jetzt wird privatisiert!" Da sind doch sorgsamste Überlegungen notwendig. Man kann auch nicht einfach sagen: „Jetzt wird VEBA privatisiert." Dazu gehört vielmehr, daß man sämtliche Bundesunternehmen überprüft und sich nach sachverständiger Prüfung auf ein solches Projekt einigt. Das ist keine Sache, die vor den Wahlen entstanden ist.
— Gar nicht zufällig. Wir sagen ja auch heute schon, daß wir nach den Wahlen weiter privatisieren werden. Das ist doch kein Zufall!
— Wir könnten auch 1968 sagen. Gewählt wird in Deutschland immer irgendwo; Landtagswahlen sind in jedem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland.
Das ist kein Argument für uns!
Das ist aber eine große Widersprüchlichkeit. Aufder einen Seite glauben Sie, es sei furchtbar schlecht,auf der anderen Seite fürchten Sie, wir machteneinen Wahlschlager daraus. Wenn ich das, was Herr Kurlbaum ausgeführt hat, auf einen Nenner zu bringen versuche, möchte ich sagen: Im Grunde ist auch hier der Wandlungsprozeß der Sozialdemokraten sehr weit vorangekommen. Aus dem bisherigen strikten Nein der Sozialdemokraten zu allen bisherigen sozialen Privatisierungsmaßnahmen ist heute, wenn ich richtig gehört habe, Herr Kollege Kurlbaum, ein ein geworden. Immerhin, es ist nicht mehr so ablehnend, wie das bisher der Fall war.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bitte sehr.
Herr Katzer, ist Ihnen entgangen, daß ich auch anerkannt habe, daß in einem Punkte ein Fortschritt in Ihren Erkenntnissen erzielt worden ist, daß Sie nicht mehr wie beim VW-Werk die Mehrheit aus der Hand geben, sondern Wert darauf legen, die Mehrheit in der Hand zu behalten?
Das ist mir gar nicht entgangen, Herr Kollege Kurlbaum, aber Ihnen ist offenbar die besondere Begründung für diesen Vorgang entgangen, die energiepolitische Begründung, und das Volkswagenwerk ist meines Wissens kein Energieunternehmen.Was Ihren Zwischenruf über das Ahlener Programm angeht, so weiß ich nicht, ob Sie es kennen und gelesen haben. Ich bin jedenfalls auf diese Sache geeicht, denn Sie schicken in meine Versammlungen ja immer Leute, ,die diese Frage an mich zu stellen haben.
— Das ist nicht neu, das war schon 1957 so. Ich wundere mich nur, woher Sie den Mut nehmen, nachdem Ihre Wandlung weiß Gott eine größere gewesen ist als die unsrige von Ahlen bis hier.
— Nein, ich setze nicht den Maßstab! Ich frage mich nur, ob Sie das Programm kennen.
— Ich weiß nicht, welchen Passus Sie meinen. Meinen Sie etwa den Passus des Ahlener Programms:Es muß aber ebenso vermieden werden, daß der private Kapitalismus durch den Staatskapitalismus ersetzt wird, der noch gefährlicher für .die politische und wirtschaftliche Freiheit des einzelnen sein würde.Meinen Sie diesen Satz des Ahlener Programms?
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7910 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Katzer— Nein, der steht nicht auf Seite 13, sondern in der Präambel. Ich wollte Ihnen nur sagen: mit diesen wirklich billigen Zwischenrufen sollten Sie eine sachliche Diskussion nicht führen.
— Verzeihen Sie, ich kenne nicht die einzelnen Programme. Ich habe es auch gar nicht •zitiert. Ich habe mich auf die Bemerkung beschränkt, nachdem sie es vorhin zitiert haben. Ich habe es nicht mehr bekommen können; sonst hätte ich Ihnen darauf geantwortet. Ich habe darauf verzichtet, denn ich halte es für unfair, daß ich mich hier mit Ihnen über etwas auseinandersetzen soll, was ich im Augenblick nicht präsent habe. Sie kennen auch nicht alle 13 Programme auswendig, ,die die Union mittlerweile verabschiedet hat. Ich weiß sehr wohl, Herr Kollege Kurlbaum, daß der Herr Kollege Deist hier eine ganz andere Sprache zu allen Privatisierungsvorschlägen der Regierung gesprochen hat, und ich weiß sehr wohl, daß Sie noch auf dem Dortmunder Parteitag eine deutsche Nationalstiftung gegründet wissen wollten.
— Entschuldigen Sie, auf dem Parteitag in Hannover. Ich weiß sehr wohl, daß Sie eine Abschöpfung von den Großvermögen bringen wollten, daß Sie aber alle diese Pläne aufgegeben haben. Ich weiß, daß Sie immer große Pläne zur Eigentumspolitik ange- kündigt haben, aber 'bisher nichts haben vorlegen können.
— Nein, verzeihen Sie, das, was Sie am Freitag vergangener Woche hier vorgelegt haben, war doch keine neue Initiative zur Eigentumspolitik, sondern das war die schlecht abgeschriebene Regierungsvorlage, wo Sie den Betrag von 312 durch 624 ersetzt haben.
Das war Ihre ganze Kunst in dieser Vorlage.
Herr Kollege Kurlbaum, wollen Sie den Wettstreit um die Programme fortsetzen? — Bitte!
Herr Katzer, sind Sie sich bewußt, daß Sie mit der Behauptung, daß unsere Vorlage zum 312-Mark-Gesetz ein Abklatsch Ihrer Vorlage sei, ein Märchen verkünden, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil unsere 312-Mark-Novelle sich im wesentlichen auf die Änderungsvorschläge gründet, die wir bei der ersten Verabschiedung Ihres Gesetzes gemacht haben?
Wenn einer abgeschrieben hat, dann hat Herr Blank
von unseren Änderungsvorschlägen bei der ersten
Verabschiedung des 312-Mark-Gesetzes abgeschrieben. Da war bereits die Tariffähigkeit drin. Das hat er von uns.
Das ist doch keine Frage zur Sache mehr. Wir wollen bei dem Gegenstand bleiben, den wir verhandeln. Der ist wichtig genug.
Abgesehen davon, Herr Kollege Kurlbaum, daß das keine Frage ist. Ich habe mich über die Bemerkung sehr gefreut, muß aber feststellen, daß Sie in der Sache leider nicht genügend unterrichtet sind.
-- Verzeihen Sie, das würde wirklich zu weit führen. Die Regierungsvorlage zum ersten Vermögensbildungsgesetz, zur Förderung des Vermögens der Arbeitnehmer hat den Tarifvertrag vorgesehen. Das ist doch kein Änderungsantrag von Ihnen gewesen.
Ich bitte doch, bei dem Gegenstand zu bleiben!
In der Regierungsvorlage 1961 steht der Tarifvertrag.
— Er steht drin. Wir haben es in der Ausschußberatung geändert. Aber selbst das würde nicht viel heißen. Das heißt doch nur, daß Sie eine Ergänzung zu einer Vorlage gegeben haben, die die Regierung erarbeitet hat. Mehr doch nicht. Die Ausgangsposition war doch ganz zweifelsfrei die Regierungsvorlage.
Wir wollen bei dem Thema bleiben!
Ich möchte aber in der Tat mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit nur noch — —
— Jawohl, genau. Sie wissen, die erste liegt noch im Ausschuß, die haben wir noch nicht beraten.
— Die liegt im Ausschuß. Wir können sie gern beraten. Sie haben bisher noch keinen Antrag auf Beratung im Ausschuß gestellt, Herr Kollege Junghans. Ich bin gern bereit, in einer der nächsten Sitzungen auf Ihren Wunsch diese Frage zur Erörterung zu stellen.Ich möchte nur noch auf zwei Bemerkungen eingehen, die Herr Kollege Kurlbaum hier gemacht hat, und zwar zur Frage des Sozialbonus und des Sozialrabatts, eine Frage, die uns lange und oft beschäftigt hat.
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KatzerMeine Damen und Herren, unser Optimismus ist so groß, daß wir glauben, wir können im ersten Anlauf die Aktien an jenen Personenkreis bringen, der zuerst in den Genuß kommt, nämlich an die Bezieher von Einkommen bis zu 6000 bzw. 12 000 DM. Aus diesem Grunde, Herr Kollege Kurlbaum, sind Ihre Überlegungen hinfällig. Im übrigen möchte ich dazu noch eins sagen: Sie haben so etwas von Sozialromantik gesprochen, von Aktionärsromantik und all den Dingen. Unsere ganze Eigentumspolitik haben Sie schon einmal als Romantik verschrien; jetzt nähern Sie sich unseren Vorstellungen weithin. Ich wundere mich eigentlich, weshalb Sie den Kleinaktionär so gering einschätzen, warum Sie dem Kleinaktionär aber auch gar keine Entscheidungsfreiheit geben möchten, warum Sie von dem Kleinaktionär sagen, er sei überfordert, in wirtschaftlichen Fragen eine große Entscheidung zu treffen. Nun, das ist derselbe Mann, der als Wähler doch weit größere politische Entscheidungen treffen muß.
— Verzeihen Sie, ich glaube, Herr Kollege Kurlbaum, auf Ihrer Seite sollten Sie den Kleinaktionär nicht so abwertend behandeln, wie Sie es getan haben. Unsere Partei wird das jedenfalls nicht tun. Wir werden alles tun, um die Rechte des Kleinaktionärs zu stärken. Ich freue mich, daß sich in der Frage des Depotstimmrechts einige Verbesserungsmöglichkeiten abzeichnen, Verbesserungsmöglichkeiten, über die wir immer gesprochen haben. Und was Ihre Ressentiments gegen die Banken und Großbanken angeht, die Sie immer so sorgsam gepflegt haben, so darf ich nur daran erinnern, daß dazu auch die Bank für Gemeinwirtschaft gehört und daß ich da gar keine Ressentiments dagegen habe. Im Gegenteil, ich freue mich über den wirtschaftlichen Aufschwung all dieser Institutionen.Ich halte nicht viel von Ihrem Vorschlag der stimmrechtlosen Vorzugsaktie, sondern sehe den Regierungsvorschlag als eine bessere Lösung an, verbunden mit einer Höchststimmrechtsbegrenzung.Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den wir in den Ausschußberatungen sicher sorgsam werden erörtern müssen, nämlich die Frage: Was wird geschehen, wenn bis zu 100 Millionen DM Aktien aus Bundesbesitz weiterhin veräußert werden? Sie haben die Frage aufgeworfen: Werden diese Mittel zur Deckung des Haushalts benutzt werden, oder was soll damit passieren? Nun, Herr Kollege Kurlbaum, wir haben aus dem Erlös der Volkswagenprivatisierung 560 Millionen DM als Fonds für die Leistungsförderung eingesetzt, und ich kann mir gut vorstellen, daß die Erlöse aus einer solchen Veräußerung entweder für solche und ähnliche Zwecke eingesetzt werden sollten oder aber — und das ist ein weiterer Wunsch meiner Freunde der CDU/CSU-Fraktion — daß man diese Gelder benutzt, um den Gedanken der Eigentumspolitik zu vertiefen und weitere Möglichkeiten zu schaffen.Ich darf mich auf diese wenigen Bemerkungen beschränken und darf vorschlagen, daß wir dieVorlage entsprechend dem Beschluß des Ältestenrates an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes — federführend — und selbstverständlich an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überweisen.
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich für die Aufmerksamkeit, die Sie meiner Vorlage durch Rede und Anwesenheit gewidmet haben, sehr herzlich bedanken. Ich will versuchen, mich kurz zu fassen.
Herr Kollege Kurlbaum, Sie haben gesagt, das industrielle Bundesvermögen sei zu gering, um damit Eigentumspolitik treiben zu können.
— Ich will Ihnen die Zahlen nennen. Wir haben ein industrielles Bundesvermögen von nominell 1,7 Milliarden DM, wenn wir die Unternehmen ansetzen, bei denen der Bund mit mehr als 25% beteiligt ist. Also das Volkswagenwerk ist hierin nicht enthalten, weil wir nur noch 20 % haben. Es ist richtig, daß der Nennwert mit 1,7 Milliarden nicht allzu hoch ist, und wenn Sie davon ausgehen, daß das vielleicht ein Verkehrswert von 5 oder 6 Milliarden ist, so ist das auch nicht allzu heftig. Aber wenn Sie meinen, man könne mit diesem Vermögen nicht schon genügend Eigentumspolitik treiben, dann wundere ich mich, daß Sie auf der anderen Seite der Auffassung sind, daß man damit große Wirtschaftspolitik treiben könne. Das ist dann auch nicht möglich. Ich komme darauf zurück.
Zunächst darf ich sagen: Im Jahre 1960 hatten 3 % der Haushaltungen in Deutschland Aktien. Immerhin sind es laut „Wirtschaft und Statistik" vom April 1964 in den Jahren 1962/63 bereits 7 % gewesen, und ich meine, es ist doch ein sehr beachtlicher Fortschritt, wenn von 3 auf 7 % steigend unsere Bevölkerung am industriellen Vermögen in Deutschland Anteil hat.
Interessanterweise haben Sie heute den Sozialbonus verteidigt. Es ist Ihnen dabei offenbar nicht der Gedanke gekommen, die Gewährung eines Sozialbonus als Verschleuderung zu betrachten. Man ist sehr schnell geneigt, zu sagen: Der Verkauf von Bundesunternehmen ist eine Verschleuderung von Volksvermögen. Man fordert aber dann, daß von dem ermittelten Wert noch Abschläge gegeben werden, ohne das als Verschleuderung anzusehen. Ich glaube, das ist ein gewisser Widerspruch.
Nun haben Sie gesagt, daß wir mit unseren Unternehmen Wirtschaftspolitik betreiben sollten.
Herr Minister, Herr Kollege Kurlbaum hat eine Frage an Sie.
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7912 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Bitte schön.
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß ich gesagt halbe, ,daß ich den Sozialbonus begrüße, solange sich die Mehrheit dieses Hauses nicht dazu entschließen kann, in das Sparprämiengesetz eine allgemeine Lösung einzubauen, die einen erhöhten Bonus für die Bezieher kleiner Einkommen vorsieht?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Kollege Kurlbaum, ich möchte eines noch mal klar sagen. Es wird behauptet, wenn wir an eine untere Grenze der Bewertung gingen, sei das Verschleuderung von Volksvermögen. Sie sagen also, wir verschleudern, weil wir so weit heruntergehen. Auf der anderen Seite wollen Sie haben, daß wir noch einen Abschlag geben. Das ist nach meiner Auffassung ein Widerspruch.
Nun zu dem Thema der Wirtschaftspolitik, Herr Kollege Kurlbaum.
Gestatten Sie noch eine Frage?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Bitte.
Herr Minister, sind Sie nicht in der Lage, zu erkennen oder zu würdigen, daß ich darauf hinaus wollte, daß von einer Verschleuderung natürlich nur im Zusammenhang mit solchen Beziehern geredet werden kann, deren Einkommen verhältnismäßig hoch ist, daß es mir also auf die differenzierte Behandlung der Anleger ankommt?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Verzeihen Sie, Herr Kollege Kurlbaum, da komme ich nicht ganz mit. Das liegt jetzt aber sicher an mir; das haben Sie schon angedeutet. Wenn ein Grundstück 1000 DM wert ist, dann ist es letzten Endes für alle 1000 DM wert, und wenn ich es aus sozialen Gründen jemandem für 900 DM gebe und 100 DM nachlasse, dann können Sie sagen, ich hätte dem ein Geschenk gemacht oder ich hätte vom Vermögen etwas verschleudert.' Das sollte man ganz nüchtern sehen. Im übrigen — —
Bitte schön.
Herr Kollege Junghans.
Herr Minister, um diesen Streit hier zu beenden: Sind Sie bereit, dem Ausschuß oder einem kleinen Kreis die Bewertungsgutachten — es sind nämlich mehrere — vorzulegen, was nämlich beim VW-Werk nicht geschah?Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Was die VW-Aktien angeht, darf ich darauf hinweisen, daß der Kurs, der von meinen Vorgängern festgelegt worden ist, von .dem Bankenkonsortium seinerzeitnicht als zu niedrig, sondern sogar als zu hoch betrachtet worden ist.
— Ja, ich darf das auch mal feststellen, Herr Schmitt-Vockenhausen.
— Freilich dürfen .Sie das.Aber vielleicht darf ich jetzt zu dem Thema Bundesunternehmen und Wirtschaftspolitik eines sagen.
— Ihre Frage? — Darüber wollen wir zu gegebener Zeit reden. Wir werden schon zurechtkommen, Herr Junghans.Nun zu dem Thema Wirtschaftspolitik mit bundeseigenen Unternehmen. Ich sage eine ganz einfache Formulierung: Auch Staatsbetriebe können nicht zaubern. Wer glaubt, daß er bei den bundeseigenen Unternehmen die Grundlagen der Kalkulation außer Kraft setzen kann, was tut denn der in Wirklichkeit? Er wird bei dem Anteil des Bundes in den meisten Sektoren, in denen es bundeseigene Unternehmen gibt, die erwartete Wirkung gar nicht erzielen können. Im Elektrizitätsbereich z. B. haben wir 11 % der Produktion. Damit können wir keine Preisbrecher sein. Aber das Ganze, meine Damen und Herren, ist doch letzten Endes eine Selbsttäuschung und für die Öffentlichkeit eine Art Betrug. Denn wenn in einem solchen Unternehmen ein Defizit entsteht, weil ich die Kalkulation vernachlässige, dann muß das Defizit eines Tages beseitigt werden, und wenn es nicht über den Preis geht, dann muß es über Steuergelder geschehen. Das haben wir erlebt.Ich darf hier vielleicht einmal anführen, daß schon in früheren Zeiten, in der 30. Sitzung des Bundestages 1958, Sprecher der SPD den Einsatz des Bundesvermögens für eine ,aktive Wirtschaftspolitik gefordert haben. Da wurde von den Preisen von Salzgitter gesprochen, 'und da hat man erklärt — ich darf zitieren, Herr Präsident; das war am 12. Juni 1958—:Hier hat das Hüttenwerk Salzgitter zweifellos zweierlei erreicht, daß ein Teil der Preise gesenkt wird und daß in dem anderen Fall auch eine Preisreduzierung, zwar nicht ein voller Höhe, aber doch 'in ,einem bestimmten Ausmaß, durchgesetzt werden kann.Es heißt dann, das sei besser als Seelenmassagen. Was war aber das Ende dieser empfohlenen Politik? Sie wissen doch 'alle, was in Salzgitter gewesen ist.Meine Damen und Herren, das Thema: Wirtschaftspolitik und Preispolitik mit bundeseigenen Unternehmen ist nicht real; denn die Kalkulation kann man auch bei bundeseigenen Unternehmen nicht außer Kraft setzen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 160. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Januar 1965 7913
Bundesminister Dr. Dollinger— Herr Kurlbaum, ich habe mir Ihre Punkte notiert, sie kommen alle nach und nach dran, haben Sie bitte etwas Geduld.Sie haben nun von dem Kapitalbedarf gesprochen. In der Vorlage steht — ich bitte, das gegebenenfalls noch einmal nachzulesen —, daß wir den Kapitalbedarf für die VEBA mit 750 Millionen DM angesetzt haben. Es steht auch darin, daß der Bund die Mehrheit behalten soll, daß also 51 % beim Bund bleiben sollen. Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Sie der Meinung, daß der Bund 75 % behalten solle. Das ist eine Denkweise, der ich nicht beipflichten kann.Dann haben Sie erneut vor den Großbanken gewarnt. Auch das ist eine alte Linie der Sozialdemokratie; denn schon in früheren Auseinandersetzungen wurde von den Großbanken gesprochen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren, was in der 8. Sitzung am 22. Januar 1958 von einem Sprecher der SPD gesagt wurde:Wenn Sie das Volkswagenwerk der Verfügungsgewalt einiger Großbanken ausliefern —das ist zwangsläufig die Folge Ihres heutigen Gesetzentwurfs —, stärken Sie die wirtschaftliche Macht und die Verbandsmacht, die bei uns in Deutschland schon eine entscheidende Rolle spielt.
— Herr Kollege Kurlbaum, wenn man das liest I und daran denkt, wie sich alles entwickelt hat, dann meine ich, man kann nicht sagen, daß damit die Macht der Großbanken gestärkt worden sei.Nun zu dem Thema des Strompreises! Herr Kollege Kurlbaum, Sie müssen sich hier einmal die Situation der bundeseigenen Unternehmen auch in rechtlicher Hinsicht vor Augen halten. Der Bundesschatzminister ist nicht in der Lage, einem bundeseigenen Unternehmen einen Befehl zu erteilen. Die bundeseigenen Unternehmen werden entsprechend dem Aktienrecht geführt, und danach haben bei den bundeseigenen Unternehmen genau wie bei anderen Aktiengesellschaften der Vorstand und der Aufsichtsrat ihre bestimmten Positionen.
— Herr Kollege Kurlbaum, Sie wissen ganz genau, daß man das nicht ohne weiteres ändern kann. Man soll aber nicht ohne weiteres sagen: das kann man so und so machen. Ich wollte nur klarstellen; wie es ist. Bei der PreußenElektra kommt, was den Aufsichtsrat betrifft, noch hinzu, daß seine Zusammensetzung so aussieht: ein Drittel der Bund, ein Drittel die Arbeitnehmer und ein Drittel die Vertreter der Kommunen, die 17 % des Kapitals haben. Ob man in einem solchen Aufsichtsrat überhaupt zu einem Beschluß in dem Sinne käme, wie Sie ihn sich vorstellen, wage ich einigermaßen zu bezweifeln.Über die Verwendung des Erlöses wird es sicher noch eine Diskussion geben. Ich weiß, daß eine Anzahl Herren der Meinung ist, das Geld könne man für andere bundeseigene Unternehmen gebrauchen.Auch Post und Bahn wurden in diesem Zusammenhang schon wiederholt genannt.
— Post und Bahn — dem stimme ich nicht zu, das möchte ich gleich sagen.Sodann haben Sie, Herr Kurlbaum, wieder von der stimmrechtslosen Vorzugsaktie gesprochen. Wir sind der Meinung, daß die stimmrechtslose Vorzugsaktie nicht das an Eigentum darstellt, was wir meinen, weil praktisch, vor allem wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse stabil bleiben oder sich weiter nach oben entwickeln — und das hoffen wir —, die stimmrechtslose Vorzugsaktie ein Anlagepapier ist, ohne daß der Eigentümer irgendein Mitspracherecht besitzt, und das halten wir nicht für richtig.Sie haben weiter von dem Zickzackkurs gesprochen, den wir beschritten hätten.
Ich glaube nicht, daß in unserer Privatisierung so viel Zickzackkurs zu finden ist wie bei den Wirtschaftsprogrammen Ihrer Partei. Wir wollen aber diese Frage nicht vertiefen.Zu dem Sozialrabatt muß ich noch etwas sagen. Wir haben ihn beim Volkswagenwerk gehabt, das ist richtig. Ich darf aber daran erinnern, in welcher Situation wir bei der VEBA sind. Bei der VEBA gehen wir doch zunächst davon aus, daß wir einen Kapitalbedarf zu decken haben, und wenn ich einen Kapitalbedarf decken will, kann ich, weil ich hier ja nur neues Kapital schaffe, nicht ohne weiteres sagen, ich gebe einen Bonus. Beim Volkswagenwerk war das ganz anders; dort haben wir Aktien aus dem Bestand verkauft und auf einen Teil des Erlöses verzichtet. Im Falle der VEBA will ich das Geld hereinnehmen. Ich nehme es also in diesem Sinne nicht für den Bund ein, weil ich ja nicht ver-kaute, sondern ich beschaffe Kapital. Die 100 Millionen DM werden in Reserve gehalten, damit der Kurs einigermaßen in Ordnung bleibt. Das ist ein anderer Punkt; für diesen Teil können Sie das sagen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, hier keinen Sozialrabatt zu geben.Nun sagen Sie wieder, das sei ein Wahlbonbon. Ich verstehe, was Sie erregt. Im Ergebnis halten Sie diese Teilprivatisierung doch für eine attraktive Sache; sonst würden Sie diesen Vorwurf nicht machen.Wir vertreten auch bei der VEBA grundsätzlich den Standpunkt, daß der Staat nicht wirtschaften soll, wo es nicht unbedingt notwendig ist. Wir haben jetzt bei der VEBA die Lage, daß das Unternehmen Geld braucht. Eine Kreditaufnahme in dem notwendigen Umfange ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Wir haben uns also zu entscheiden, ob wir das Unternehmen auf diesem Stande lassen wollen; damit wäre eine weitere Expansion nicht mehr möglich. Das wäre ein Stillstand, und Stillstand bedeutet in der Wirtschaft Rückschritt. Die andere Möglichkeit ist, das Unternehmen kapitalmäßig so auszustatten, daß es auch in der Zukunft seine Aufgaben erfüllen kann. Das wollen wir mit der Kapitalaufstockung, die durch eine Teilpri-
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Bundesminister Dr. Dollingervatisierung erfolgt, erreichen. Ich meine, daß es besser ist, wenn wir dazu nicht Steuergelder nehmen. Ich wiederhole, was ich sagte: im letzten Falle würden wir den Bürger ärmer und den Staat mächtiger machen. Wir wollen hier dem Bürger Gelegenheit geben, in freier Entscheidung Aktien zu kaufen. Wir bemühen uns, ein gutes und sicheres Papier — das sagten Sie ja auch, Herr Kollege Kurlbaum, da stimmen wir völlig überein — anzubieten. Wir dürfen den Bürger nicht enttäuschen.Schließlich wird gesagt, die Sache liege in den Zeiten der Wahl. Ich bin erst seit Dezember 1962 Bundesschatzminister. Es stand oft in der Presse, es werde gar nicht gelingen, eine Teilprivatisierung durchzuführen. Nun, wir haben es trotzdem geschafft. Das fällt zwar in den Wahlzeitraum hinein. Aber seien wir doch einmal ganz nüchtern, und, Herr Kollege Kurlbaum, denken Sie einmal an Ihre Schulzeit zurück: im letzten Vierteljahr hat man sich oft angestrengt, um eine gute Note zu bekommen. Das sollten Sie eigentlich auch der Koalition und der Bundesregierung hier zugestehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Projekts, diese Drucksache zur Mitberatung auch dem Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wir bitten Sie, unseren Antrag zu unterstützen.
Ich schließe die Aussprache. Es besteht Einigkeit darüber, daß der Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes federführend und der Haushaltsausschuß mitberatend ist. Herr Kollege Kurlbaum beantragt, daß auch der Wirtschaftsausschuß mitberatend sein soll.
— Sie widersprechen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Herrn Abgeordneten Kurlbaum zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Zusatzpunkt auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über die von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Vorschläge der Kommission der EAG für Verordnungen des Rats zur Regelung der Bezüge und sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der gemeinsamen Kernforschungsstelle .
Der Bericht des Berichterstatters, des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, liegt vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird dazu das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3009 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich habe noch eine amtliche Mitteilung zu machen. In der 159. Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 27. Januar 1965, ist der Entwurf eines Konsulargesetzes an den Ausschuß für Inneres — federführend — und den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — überwiesen worden. Zwischen den beiden Ausschüssen besteht Einverständnis darüber, daß die Federführung beim Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten liegen soll. Ist das Haus damit einverstanden, daß die am Mittwoch vorgenommene Überweisung entsprechend geändert wird? — Kein Widerspruch. Dann ist also der Entwurf eines Konsulargesetzes überwiesen an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Ausschuß für Inneres zur Mitberatung.
Damit ,sind wir am Ende der Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 10. Februar, 15 Uhr.