Protokoll:
4115

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 115

  • date_rangeDatum: 19. Februar 1964

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:20 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 115. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1994 Inhalt: Vereidigung des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 5215B, 5271 B Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß 5215 A Erweiterung der Tagesordnung . 5215 B, 5229 D Fragestunde (Drucksachen IV/1935, IV/1936) Fragen des Abg. Weigl: Bundesmittel für Facharbeiter im Zonenrandgebiet Dr. Ernst, Staatssekretär 5216 A Fragen des Abg. Dr. Müller-Hermann: Aussetzung eines Teiles des KaffeeZolls Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 5216 C, D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 5216 D Frage des Abg. Dr. Gleissner: Steuerliche Vorteile für Berufsreisende Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 5217 A Frage der Abg. Frau Dr. Maxsein: Änderungsgesetz zum Atomgesetz Lenz, Bundesminister 5217 C Frage des Abg. Dr. Wuermeling: Abschnitt über Familienleistungen im Finanzbericht 1964 . . . . . . . . 5217 C Frage der Abg. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) : Personelle Besetzung der internationalen Organisationen Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5217 D, 5218 A, B, C, D Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 5218 A Schwabe (SPD) 5218B, C Frau Dr. Diemer-Nicolaus) (FDP) 5218 C, D Fragen des Abg. Dr. Kohut: Deutsche Außenpolitik 5218 D Frage des Abg. Jahn: Naturalisierung eines José Mengele in Paraguay Dr. Carstens, Staatssekretär 5219 A, B, C, D Jahn (SPD) . . . . . . . . . 5219 B Börner (SPD) . . . . . . . . 5219 C Metzger (SPD) 5219 D Dr. Bechert (SPD) 5219 D Frage des Abg. Metzger: Schrift „Das Problem der PalästinaFlüchtlinge" Dr. Bülow, Staatssekretär . . 5220 A, B Metzger (SPD) 5220 B Jahn (SPD) . .. . . . . 5220 B II Deutscher Bundestag — 4. WahLperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Vergleichende Werbung Dr. Bülow, Staatssekretär 5220 C, D, 5221 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 5220 D Frage der Abg. Frau Dr. Maxsein: Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler Dr. Bülow, Staatssekretär . . . . 5221 A Frage des Abg. Lemmrich: Verkehr ausländischer Lastkraftwagen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5221 B Lemmrich (CDU/CSU) 5221 C Frage des Abg. Ertl: Inntal-Autobahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5221 D Fragen des Abg. Biechele: Verkehr auf der Bahnstrecke Pfullendorf—Altshausen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5221 D, 5222 A, B, C Biechele (CDU/CSU) 5222 B, C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Verbesserung der Bundesstraßen im Regierungsbezirk Schwaben Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5222 D, 5223 A Schmidt (Kempten) (FDP) 5222 D, 5223 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Aufteilung der Mittel für Autobahnen und Bundesstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5223 B, C, D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 5223 C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Bundesmittel zum Straßenbau für Bayern, Niedersachsen und NordrheinWestfalen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5223 D, 5224 B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 5224 B Fragen des Abg. Josten: Umgehungsstraße der B 9 bei Sinzig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5224 C, D Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 5224 D Frage des Abg. Fritsch: Ausbau der Ortsdurchfahrt in Deggendorf Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5225 A Frage der Abg. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) : Abteile 1. Klasse in Triebwagen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5225 B, C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 5225 B, C Frage der Abg. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) : Kein Autoreisezug Hamburg—München im April Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5225 D, 5226 A Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 5225 D, 5226 A Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann: Beteiligung der deutschen Luftfahrtindustrie an der Beschaffungspolitik der Lufthansa Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5226 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Leitplanken auf der Bundesstraße 27 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5226 C Dr. Mommer (SPD) 5226 C Frage des Abg. Dr. Gleissner: Verkehrsverhältnisse südlich München Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5226 D, 5227 A, B Dr. Gleissner (SPD) 5227 A Ertl (FDP) 5227 A, B Frage des Abg. Dr. Bechert: Paraffingetränkte Verpackungen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . . . 5227 C, D Dr. Bechert (SPD) 5227 C, D Frage des Abg. Dr. Bechert: Garantiezeichen bei Bedarfsgegenstände aus Kunststoff Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundes- minister . . . . . . . . 5228 A, B Dr. Bechert (SPD) 5228 A, B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 III Frage des Abg. Dr. Bechert: Salmonellen-Infektionen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundes- minister 5228 C, 5229 A Dr. Bechert (SPD) 5229 A Frage des Abg. Dröscher: Alkohol-Restzucker-Verhältnis beim Wein Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundes- minister . . . . . . . . 5229 B, C Dröscher (SPD) . . . . . . . 5229 B, C Zur GO Dr. Mende, Bundesminister . . . . 5229 D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 5230 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 5230 B Vizepräsident Dr. Schmid 5229 D, 5230 B Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit; in Verbindung mit der Sammelübersicht 26 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über die in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1963 eingegangene Petitionen (Drucksache IV/1891); und Sammelübersicht 27 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1902) Frau Seppi (SPD) . . . . . . . 5230 D Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860) — Aussprache —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (SPD) (Drucksache IV/1947) — Erste Beratung —; dem Antrag betr. Förderung des Tabakanbaues (Abg. Stooß, Leicht, Baier [Mosbach], Dr. Artzinger, Bauknecht, Berberich, Seither, Reichmann u. Gen.) (Drucksache IV/1943); und dem Antrag betr. Struktur- und Preisenquete auf den Märkten land- und ernährungswirtschaftlicher Güter (Drucksache IV/1948) Struve (CDU/CSU) 5234 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 5238 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . 5244 D Ehnes (CDU/CSU) . . . . . . 5250 A Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . . 5252 A, 5289 C Frehsee (SPD) . . . . . . . . 5253 C Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 5260 D Logemann (FDP) . . . . . . . 5262 B Bewerunge (CDU/CSU) . . . . . 5267 C Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . 5271 D Walter (FDP) 5273 C Berberich (CDU/CSU) . . . . . 5275 C Seither (SPD) 5277 D, 5290 D Reichmann (FDP) . . . . . . 5277 D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 5278 C Bauknecht (CDU/CSU) . . . . . 5279 D Schwarz, Bundesminister . . . . 5280 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 20. Juli 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar usw. (Drucksache IV/1673); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1931) — Zweite und dritte Beratung — Wischnewski (SPD) . . . . . . 5283 A Dr. Kopf (CDU/CSU) . . . . . . 5285 A Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses über den Entwurf einer Entscheidung des Rats der EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Gemeinschaft (Drucksachen IV/1710, IV/1930) Metzger (SPD) . . . . . . . 5286 C Nächste Sitzung 5288 D Anlagen 5289 115. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 21. 2. Dr. Dr. h. c. Baade 19. 2. Bauer (Wasserburg) 21. 2. Birkelbach 22. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Böhm (Frankfurt) 21. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 21. 2. Dr. Dörinkel 22. 2. Ehren 22. 2. Even (Köln) 29. 2. Faller * 19. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 21. 2. Dr. Furler * 21. 2. Gaßmann 22. 2. Gedat 21. 2. Frau Geisendörfer 22. 2. Gibbert 21. 2. Haage (München) 21. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 21. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15. 3. Höhne 21. 2. Hörauf 1. 3. Kemmer 19. 2. Könen (Düsseldorf) 21. 2. Kraus 22. 2. Mattik 21. 2. Mauk * 21. 2. Missbach 21. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müller (Remscheid) 19. 2. Müser 21. 2. Dr.-Ing. Philipp 21. 2. Rademacher * 19. 2. Ruland 21. 3. Scheppmann 19. 2. Schlick 21. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 2. Seidl (München) 21. 2. Spitzmüller 21. 2. Dr. Starke 19. 2. Strauß 19. 2. Theis 29. 2. Verhoeven 21. 2. Dr. Vogel 22. 2. Weber (Georgenau) 21. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22. 2. Wellmann 22. 2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. Dr. Wuermeling 22. 2. Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich b) Urlaubsanträge Dr. Imle 29. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 3. Dr. Löhr 20. 3. Schulhoff 29. 2. Anlage 2 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Dr. Pannhoff zu dem Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Die Agrardebatte des Deutschen Bundestages zum Grünen Plan 1964 darf nicht vorübergehen ohne eine Berichterstattung über die Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft, ohne eine zusammenfassende Darlegung des Erfolges jener im Grünen Plan festgelegten Maßnahmen, die der Gesunderhaltung und Arbeitsentlastung unserer Bäuerinnen dienen. Als im Jahre 1961 auf Antrag der CDU/ CSU Fraktion und unter Zustimmung des gesamten Hohen Hauses diese Haushaltposition beschlossen wurde, freute ich mich über diesen Beschluß, der Zuschüsse für Warmwasserversorgungs- und zentrale Heizungsanlagen in bäuerlichen Wohnhäusern festlegte. Wir waren uns einig darüber, daß .wir die Bäuerinnen aus gesundheitlichen und sozialhygienischen Gründen von ihrer körperlich schweren und zeitlich langdauernden Arbeit entlasten mußten. Wir konnten aber damals nicht mit Sicherheit voraussagen, ob der Weg, den meine Fraktion zu gehen vorschlug, richtig ist. Heute kann ich erstmalig und mit großer Freude dem Hohen Hause mitteilen, daß der Weg richtig ist. Das beweisen die Erfolgsstatistiken des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Berichte der Landwirtschaftslehrerinnen, die als Beraterinnen für unsere Bäuerinnen zur Verfügung stehen, sowie Dankschreiben der Bäuerinnen. Das, was die Aktion 1961 ankündigte, haben Ergebnis und Resonanz des Jahres 1962 bestätigt: Die Landbevölkerung hat von diesen Hilfen weitgehend Gebrauch gemacht. Industrie und Handwerk haben sich auf die Produktion und die Installierung der Geräte eingestellt, und die ländlich-hauswirtschaftliche Beratung, unterstützt durch versierte Kräfte der Energieverbände, hat sich der ihr zukommenden Aufgabe mit größtem Einsatz und Erfolg angenommen. Nach dem zweiten Jahr der Bereitstellung von Bundesmitteln für die Einrichtung von Warmwasserversorgungs- und zentralen Heizungsanlagen kann daher mit Fug und Recht behauptet werden: Die Maßnahme hat sich nicht nur eingespielt, sondern auch bewährt! Die finanziellen Kalkulationen und die technischen Planungen wurden mit mehr Wissen, aber auch mit gründlicherer und längerer Überlegung durchgeführt, so daß gute Lösungen entstanden, die die bäuerliche Familie in 5290 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 jeder Hinsicht zufriedenstellten. Ein Rechenschaftsbericht der Bundesregierung über das Ergebnis der Aktion 1962 liegt vor und gibt sehr interessante Aufschlüsse, sowohl über die Inanspruchnahme der Mittel in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik als auch über die Zahl der Heizungsanlagen und die Heizsysteme, die in den einzelnen Ländern gewählt wurden, über die Energiearten, die Verwendung fanden in Nordrhein-Westfalen z. B. anders wie in Bayern oder Baden-Württemberg. Insgesamt haben im Jahr 1962 27 674 Betriebe mit Hilfe öffentlicher Mittel eine Warmwasserversorgungsanlage installiert. Als die Aktion 1961 anlief, waren es 17 179 bäuerliche Betriebe. Eine klare Übersicht über das Ergebnis aus dem Rechnungsjahr 1963 kann noch nicht erstellt werden. Aber aus den gegebenen Zuschußquoten läßt sich errechnen, daß weitere 27 500 Anlagen im Rechnungsjahre 1963 installiert worden sind. Insgesamt gesehen haben voraussichtlich in den drei Jahren 77 000 Betriebe die Bundesmittel zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft in Anspruch genommen. An dieser Stelle muß gesagt werden, daß diese Maßnahmen der Bundesregierung nach den Berichten der Landwirtschaftslehrerinnen und denen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Länderministerien eine Welle von Umbauten und Modernisierungen im Haushalt der bäuerlichen Wohnhäuser in Bewegung gesetzt haben. Die Durchführung dieser Umbauten wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht die Länderregierungen die Maßnahmen der Bundesregierung wirksam unterstützt hätten. Das ist nicht überall in gleichem Umfange geschehen. Aus meinem eigenen Heimatland Nordrhein-Westfalen kann ich berichten, daß die Landesregierung in Düsseldorf durch ihre gezielten Kreditmaßnahmen die Förderungsmaßnahmen des Bundes erheblich ausgeweitet und intensiviert hat. Sie hat die Zuschußmittel des Bundes, die ihr zuflossen, durch Kreditmittel des Landes für die Errichtung von Warmwasser- und zentralen Beheizungsanlagen verstärkt, darüber hinaus aber auch Mittel für die Beschaffung von hygienisch einwandfreien Fußböden, für die Schaffung von arbeitswirtschaftlich zweckmäßigen Arbeitsplätzen „Kochen" und „Spülen", für die Einrichtung von Duschen, Bädern sowie von hygienisch einwandfreien Toiletten und für die Beschaffung einer ausreichenden Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung für Betriebe in Einzelhoflage zur Verfügung gestellt. Alle diese Darlehen können von bäuerlichen Familienbetrieben in Anspruch genommen werden, deren Inhaber hauptberuflich Landwirt ist und in denen ausschließlich oder überwiegend familieneigene Arbeitskräfte tätig sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn das, was ich über Nordrhein-Westfalen berichten kann, in den übrigen Bundesländern in gleichem Maße, vielleicht sogar noch ausgeweitet und verstärkt ebenfalls durchgeführt würde. Denn alles geschieht im Interesse unserer schwerarbeitenden Bäuerinnen, deren Belastung bis an die Grenze des noch gesundheitlich und volkswirtschaftich zu Verantwortenden geht. Und jede fünfte unserer erwerbstätigen Frauen in der Bundesrepublik ist eine Bäuerin, dazu in den meisten Fällen mit Kindern unter 18 Jahren. Wenn bisher die Bundesmittel in manchen Ländern nicht ausreichend abgeflossen sind, wird das seinen Grund darin haben, daß die Finanzierung des Gesamtvorhabens nicht gesichert war. Denn es ist im allgemeinen nicht damit getan, daß die zentrale Beheizungs- oder Warmwasserversorgung gefördert werden kann. Beim Überdenken der Einbauten ergeben sich zwangsläufig weitere Ausgaben, die zu baulichen Veränderungen führen, wenn man dir Wege in Haushalt und Stallung abkürzen will oder die Fußböden in einen hygienisch einwandfreien und auch arbeitswirtschaftlich vernünftigen Zustand versetzen muß. Das Wesentliche scheint mir darin zu liegen, daß die Männer als Betriebsleiter die Arbeit der Landfrau richtig anerkennen und besser bewerten, damit auch in diesem Arbeitsbereich die Erleichterungen zum Zweck der Rationalisierung des gesamten ländlichen Betriebes geschaffen werden, die in Hof und Feld selbstverständlich geworden sind. Zinn Schluß muß ich dem Hohen Hause von einer Notwendigkeit Kenntnis geben: Nach den bis jetzt bestehenden Richtlinien des Bundesministeriums ist es den Bäuerinnen nicht möglich, in den Wintermonaten, in denen sie ausgerechnet Zeit für die Hauswirtschaft haben und in denen sie auch leichter als in den Sommermonaten Handwerker bekommen können, bauliche Maßnahmen durchzuführen. Entweder müssen die Richtlinien geändert werden, oder aber die Mittel im Bundesetat „Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft", Grüner Plan 1964 Kap. 10 02 Tit. 610, müssen übertragbar gemacht werden. Diese Möglichkeit besteht (Haushaltsgesetz 1964, § 2 Abs. 2). Wir werden bei den Beratungen im Ausschuß auf diese Notwendigkeit hinweisen, und ich hoffe, daß die Übertragbarkeit der Position einmütig beschlossen und der Beschluß als Empfehlung an den Haushaltsausschuß weitergeleitet wird. Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abg. Seither für die Fraktion der SPD zu dem von der Fraktion der SPD gestellten Antrag betr. Struktur- und Preisenquete auf den Märkten land-und ernährungswirtschaftlicher Güter (Drucksache IV/1948). In diesem Antrag wird die Bundesregierung ersucht, eine Untersuchung durchführen zu lassen über die Struktur- und Preisverhältnisse auf den landwirtschaftlichen Märkten und den Ernährungsgütermärkten. Die Preise für Lebensmittel und für Erzeugnisse der Land- und Ernährungswirtschaft sind immer wieder Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Die Verbraucherpreise für Lebensmittel spielen bei den Ausgaben der unteren und mittleren Einkommensschichten eine entscheidende Rolle. Sie machen einen erheblichen Teil der Lebens- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 5291 haltungskosten aus. Da Lebensmittel fast täglich gekauft werden, spielt ihr Preis und ihre Preisgestaltung im öffentlichen Bewußtsein eine stärkere Rolle als Preise für gewerbliche Verbrauchs- und Gebrauchsgüter, die meist in größeren Zeitabständen angeschafft werden. Auch die Landwirtschaft betrachtet aufmerksam die Entwicklung der Verbraucherpreise. Sie fragt immer wieder, ob ihr Anteil am Endverbraucherpreis nicht verbessert werden kann. Je mehr die Belieferung des Verbrauchers mit Lebensmitteln ab Hof zurückgeht, desto mehr bestimmen die Spannen für Bearbeitung, Verarbeitung und Handel den Erzeugerpreis für landwirtschaftliche Güter. Aus dieser Erkenntnis hat die Landwirtschaft im Rahmen ihrer Selbsthilfeeinrichtungen Wege für die Vermarktung ihrer Produktion gesucht. Der Grüne Bericht 1964 enthält zum ersten Mal auf Seiten 14 bis 15 Berechnungen über die Höhe des Anteils der Landwirtschaft an den Ausgaben der Verbraucher für Nahrungsmittel. Bei Anerkennung aller Vorbehalte, die bei einer derartigen Berechnung zu machen sind, zeigen die Darstellungen, daß erstens die Spannen zwischen Erzeugerpreis und Endverbraucherpreis von Produkt zu Produkt sehr verschieden sind und daß zweitens der Anteil der Landwirtschaft an den Ausgaben der Verbraucher in der Tendenz absinkt. Das ist eine Erscheinung, die auch in anderen Ländern sich feststellen läßt. Die wesentliche Begründung hierfür sind die höheren Kosten für Dienstleistungen. Weiter zeigt der Grüne Bericht, daß bei steigendem Einkommen die Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel nicht in gleichem Maße wachsen und die Verkaufserlöse der Landwirtschaft weiter zurückbleiben. Diese Feststellungen werden bei der Preispolitik für agrarische Güter in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage ist, ob es Möglichkeiten gibt, die Einkommenssituation der Landwirtschaft zu verbessern, ohne den Verbraucher zusätzlich zu belasten. Es ist zu fragen, ob der immer länger werdende Weg vom Erzeuger zum Verbraucher möglichst rationell gestaltet und die Gesamtheit der Spannen auf das notwendige Minimum verringert werden kann. Der Grüne Bericht 1964 zeigt, daß die Verkaufserlöse der Landwirtschaft 1950/1951 noch 64 % am Endpreis ausmachten. Dieser Anteil ist bereits 1962/1963 auf 54 % gesunken. 46% liegen also in Deutschland zwischen Erzeugerpreis und Endverbrauchspreis, während nach Angabe von Herrn Dr. Sonnemann, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, in Schweden beispielsweise die Differenz nur 26% beträgt. Wenn auch die Gegenüberstellung keine volle vergleichbare Aussagekraft besitzt, so bleibt doch die Frage offen, ob Möglichkeiten bestehen, im Interesse der Landwirtschaft und der Konsumenten mit den Mitteln der Wirtschaftspolitik und der Agrarpolitik in den Bereich der Dienstleistungen einzuwirken, zumal es sich hier um Größenordnungen handelt, die über 30 Milliarden DM liegen. Ziel des von uns vorgelegten Antrages ist es, die Diskussion über die Vermarktungskosten landwirtschaftlicher Produkte zu versachlichen und Grundlagen für agrarpolitische und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu gewinnen. Die im Rahmen des Grünen Planes veranschlagten Mittel für die horizontale und vertikale Verbundwirtschaft werden in diesem Jahr verstärkt zur Verfügung stehen. Bei der Wichtigkeit der Aufgabe muß bedauert werden, daß die Richtlinien besonders für die mehrstufige Verbundwirtschaft mit einer Ausnahme nach einem Jahr noch nicht bekannt sind. Wir betrachten dieses Versäumnis als einen Mangel der deutschen Agrarpolitik. Auch die Rede des Herrn Ministers Schwarz zu dieser Frage beweist, daß eine klare Konzeption nicht vorhanden ist. Wir wissen, daß Wirtschaftsinstitute auf einzelnen Gebieten an der Durchleuchtung der Agrarmärkte arbeiten und bei einzelnen Produkten auch die Preisbildung vom Erzeuger bis zum Endverbraucher untersucht haben. Mit diesem Antrag- soll die Bundesregierung veranlaßt werden, umfassende Untersuchungen über diese Probleme anzustellen und zu einem Schwerpunktprogramm zu kommen. Die Integration innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die wachsenden Kosten, die auf die deutsche Landwirtschaft im Rahmen der Entwicklung zukommen, machen eine Lösung der Probleme noch dringlicher. Ich bitte deshalb, den Antrag Drucksache IV/1948 zur Federführung dem Ernährungsausschuß und zur Mitberatung dem Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Anlage 4 Umdruck 392 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Förderung des Einsatzes von Betriebshelfern und -helferinnen im neu zu errichtenden Teil IV des Grünen Planes 1964 erstmals 1 Mio DM bereitzustellen. Bonn, den 18. Februar 1964 Erler und Fraktion Anlage 5 Umdruck 391 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß in 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Teil I des Grünen Planes „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse" einen Fonds 5292 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 zu errichten, aus dem folgende Ausgaben finanziert werden: a) Verbilligung von Darlehen zur außerlandwirtschaftlichen Existenzgründung bei Abgabe (Verkauf und/oder Verpachtung) landwirtschaftlicher Kleinbetriebe und Grundstücke zur Agrarstrukturverbesserung, b) Umschulungsbeihilfen für ausscheidende Betriebsleiter und nachgeborene Bauernsöhne, c) zusätzliches Altersgeld für ältere Landwirte, die ihre Betriebe der Agrarstrukturverbesserung zur Verfügung stellen und aus dem Erwerbsleben ausscheiden, d) Einkommensbeihilfen an Bauern, deren Anwesenheit und Arbeit in bestimmten Regionen aus landeskulturellen Gründen trotz unzureichender wirtschaftlicher Ergebnisse erforderlich ist. Bonn, den 18. Februar 1964 Erler und Fraktion Anlage 6 Umdruck 388 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, aus dem Teil I des Grünen Planes 1964 „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse" die Maßnahmen unter Nr. 8 und 9 betr. Förderung der landwirtschaftlichen Altershilfe und Unfallversicherung herauszunehmen und sie in einen neu zu schaffenden Teil IV des Grünen Planes „Sozialmaßnahmen für die landwirtschaftliche Bevölkerung" zu übertragen. Bonn, den 18. Februar 1964 Erler und Fraktion Anlage 7 Umdruck 386 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, als Investitionshilfe für landwirtschaftliche Betriebe ein Konsolidierungs- und Zinsverbilligungsprogramm vorzulegen, das alle Betriebe mit ordnungsgemäßer Betriebsführung einschließt, die bei einer 2%igen Amortisation und 3%igen Zinsleistung aller ihrer Verbindlichkeiten noch im Rahmen der „tragbaren Belastung" bleiben, wie sie bei agrarstrukturellen Maßnahmen in den Ländern festgesetzt wird. Bonn, den 14. Februar 1964 Zoglmann und Fraktion Anlage 8 Umdruck 387 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß n§,§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Bundeshaushalt, Einzelplan 10, Kapitel 10 02 bei den nachfolgenden Titeln den Klammerzusatz („Grüner Plan") zu streichen: 572 Förderung der Flurbereinigung 573 Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe sowie besondere agrarstrukturelle Maßnahmen 574 Ausbau der Wirtschaftswege 576 Ländliche Wasserversorgung, Kanalisation, Abwässerbeseitigung und -verwertung 610 Zuschüsse zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft 965 Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern, 2. alle agrarstrukturellen Maßnahmen in einem Vierjahresplan auszuweisen, der einen kontinuierlichen Ablauf dieser Vorhaben auf längere Sichtgewährleistet. Bonn, den 14. Februar 1964 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 9 Umdruck 395 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Beratung des Berichtes der Bundesregierung über ,die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im 'Haushaltsplan 1964 — Einzelplan 10 — bei Darlehen zur Aussiedlung, zur Aufstockung und zur Althofsanierung die Zinsen von 3 % auf 1 % zu senken; 2. den Gesamtansatz für Zuschüsse und Darlehen für den Wirtschaftswegebau zu erhöhen und den Zinssatz für die Darlehen auf 1 '% zu senken. Bonn, den 19. Februar 1964 Struve und Fraktion Schultz und Fraktion Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 5293 Anlage 10 Umdruck 393 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestage wolle beschließen: Der Bundestag nimmt die Erklärung der Bundesregierung und den Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß den Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis und stellt mit Befriedigung eine Verbesserung der Lage gegenüber dem vorhergehenden Wirtschaftsjahr fest, die sich im laufenden Wirtschaftsjahr fortsetzen dürfte. Er legt jedoch Wert auf die Feststellung, daß der Einkommensabstand der Landwirtschaft zur übrigen Wirtschaft am Ende des Wirtschaftsjahres infolge der schnellen Entwicklung des Einkommens in der gewerblichen Wirtschaft und der Kostensteigerung im landwirtschaftlichen Bereich noch nicht einmal wieder den Stand der Jahre 1957/58 bis 1960/61 erreicht hat und noch 29 v. H. beträgt. Der Bundestag stimmt dem Grünen Plan 1964 im Grundsatz zu und spricht die Erwartung aus, daß — die Beibehaltung des deutschen Getreidepreisniveaus in der EWG als selbstverständlich vorausgesetzt — die Bundesregierung die Fortsetzung der erfolgreich begonnenen Maßnahmen sicherstellt, damit nicht die sich anbahnende Verbesserung der Lage in der Landwirtschaft erneut beeinträchtigt wird. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, mit ihren Förderungsmaßnahmen die sich überall regende Selbsthilfe zu unterstützen, damit moderne Erfassungs- und Absatzeinrichtungen den Erfordernissen der Märkte mengen- und qualitätsmäßig gewachsen sind. Dabei wird sich eine Zusammenarbeit aller Marktbeteiligten als notwendig erweisen. Diese Einrichtungen müssen insbesondere im Gemeinsamen Markt den Einrichtungen unserer Partnerländer und außerdem denen der Drittländer ebenbürtig sein, damit die deutsche Landwirtschaft ihren Marktanteil auch in einem wachsenden Markt halten kann. In gleicher Weise muß die Bundesregierung ihre Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur im Rahmen regionaler Entwicklungsprogramme zur Hebung der Wettbewerbsfähigkeit im Gemeinsamen Markt beschleunigen und verstärken. Es ist erforderlich, die gegenwärtig geltenden Richtlinien den veränderten Bedingungen anzupassen. Entgegen diesen geltenden Richtlinien soll für diese Förderungsmaßnahmen nicht die finanzielle Lage des Eigentümers, sondern die Schaffung und Festigung lebensfähiger Betriebe entscheidend sein. Besondere Berücksichtigung haben dabei wie bisher die benachteiligten und zurückgebliebenen Gebiete zu finden. Das 1963 verstärkt angelaufene Zinsverbilligungsprogramm einschließlich der Konsolidierungsmaßnahmen ist im Hinblick auf die für die Umstellung und Anpassung notwendigen Investitionen und die dafür erforderlichen Kredite in der praktischen Anwendung zu verbessern und auszubauen, da es sich als wirksam erwiesen hat, und damit alle technischen und betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten für eine gesunde Entwicklung unserer landwirtschaftlichen Betriebe ausgeschöpft werden können. Die Beihilfen zur Qualitätsverbesserung der Milch sind in Hinsicht auf die Kostenentwicklung der Milcherzeugung und zur Erhaltung des Milchviehbestandes als Grundlage der Rindfleischversorgung aufrechtzuerhalten. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, ihre Maßnahmen auf dem Gebiet der Sozialpolitik zugunsten der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung fortzuentwickeln und an die anderen Lebensbereiche unter Beachtung der besonderen Verhältnisse in der Landwirtschaft anzupassen. Diese Maßnahmen sollten im Grünen Plan des kommenden Jahres in einem besonderen Kapitel ausgewiesen werden. Bonn, den 19. Februar 1964 Struve und Fraktion Schultz und Fraktion Anlage 11 Umdruck 389 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, f zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat den Grünen Bericht 1964 sowie die Erklärung der Bundesregierung über die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kenntnis genommen. Infolge der besseren Ernte im Wirtschaftsjahr 1962/63 ist der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft geringer geworden. Aber trotz der beachtlichen Steigerung der landwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität und der großen finanziellen Hilfen durch Bund und Länder ist es der gegenwärtigen Agrarpolitik nicht gelungen, dein Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes zu entsprechen. Der Bundestag bedauert, daß die Bundesregierung angesichts des Eintritts der EWG in die zweite Hälfte der Übergangszeit und der fortschreitenden Entwicklung des Gemeinsamen Marktes eine Überprüfung ihrer Agrarpolitik immer noch nicht für erforderlich hält. Er bedauert, daß die Bundesregierung den Notwendigkeiten der Gegenwart angepaßte Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft, insbesondere in den Bereichen der Sozial-, Kredit- und Marktstrukturpolitik, wie sie in den Entschließungen des Bundestages vom 31. Januar 1962 und 9. Mai 1963 gefordert wurden, noch nicht vorgelegt hat. In Anbetracht dieser Lage ersucht der Bundestag die Bundesregierung erneut, unverzüglich eine Be- 5294 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 standsaufnahme der dringend erforderlichen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihm entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Bonn, den 18. Februar 1964 Erler und Fraktion Anlage 12 Umdruck 390 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/ 1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Grünen Plan 1964 Teil II Nr. 1 den Ansatz für a) Gemeinschaftsmaschinen um 3 Mio DM auf 15 Mio DM, und b) technische Anlagen, insbesondere in Futterbaubetrieben, um 2 Mio DM auf 20 Mio DM zu erhöhen. Bonn, den 18. Februar 1964 Erler und Fraktion Anlage 13 Umdruck 394 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu IV/1860). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Rahmen des Grünen Plans die Richtlinien für den 3%igen Hofkredit dahingehend zu ergänzen, daß für langfristige Investitionen, vor allem für Bauten, die Zinsverbilligung für 30 Jahre gewährt wird; 2. die Richtlinien für Konsolidierungskredite dahingehend zu ändern, daß die Hektar-Belastung durch die Zins- und Tilgungsbeträge eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe gewährleistet. Bonn, den 19. Februar 1964 Struve und Fraktion Anlage 14 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 13. Februar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Leicht (Drucksache IV/1884 Fragen XI/8 und XI/9) : Wie ist der Stand der Vorarbeiten zum neuen deutschen Weingesetz? Der Referentenentwurf des neuen deutschen Weingesetzes ist fertiggestellt. Er wird in einigen Tagen den zuständigen Ressorts in Bund und Ländern und dem Weinbeirat zugeleitet werden. Wird die Bundesregierung den Entwurf des neuen deutschen Weingesetzes so rechtzeitig dem Bundestag vorlegen, daß er noch im Laufe dieser Legislaturperiode behandelt und verabschiedet werden kann? Wenn die zu beteiligenden Stellen keine grundlegenden Änderungen vorschlagen, wird der Gesetzentwurf vor den diesjährigen Parlamentsferien den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 12. Februar 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kaffka (Drucksache IV/1887 Frage I): Hat die Bundesregierung die in der Fragestunde vom 14. November 1963 von Staatssekretär Dr. Carstens zugesagte Überprüfung einer möglichen Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vorgenommen? Die Überprüfung hat folgendes ergeben: Zum Schutze der deutschen Frauen, die mit Moslems verheiratet sind und in arabischen Ländern leben, ist eine Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht erforderlich. Seit dem 1. April 1953 verliert eine deutsche Frau durch Eheschließung mit einem Ausländer nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit. Es ist dabei unerheblich, ob sie automatisch durch die Eheschließung zusätzlich die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes nach den Gesetzen seines Heimatstaates erwirbt. Nur wenn dieser Erwerb auf besonderen Antrag der im Ausland lebenden deutschen Frau erfolgt, verliert sie dadurch die deutsche Staatsangehörigkeit. Wegen dieser nachteiligen Folge raten alle dafür in Betracht kommenden deutschen Stellen den deutschen Frauen, die einen Moslem heiraten wollen, von einem solchen Antrag ab. Erweist sich aber für die Frau der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Ehemannes unter dem Druck der besonderen Verhältnisse als unvermeidlich, so besteht die Möglichkeit, der deutschen Frau vor Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit zu genehmigen. Von den deutschen Staatsangehörigkeitsbehörden wird bei der Entscheidung über solche Beibehaltungsanträge die besondere Schutzbedürftigkeit deutscher Frauen in mohammedanischen Ländern wohlwollend berücksichtigt.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich folgendes bekannt: Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll der von den Abgeordneten Müller-Hermann, Holkenbrink, Lemmrich und Genossen und Fraktion der CDU/CSU eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes - Drucksache IV/838 (neu) -, der in der 54. Sitzung am 16. Januar 1963 dem Finanzausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen - mitberatend - überwiesen wurde, jetzt auch dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO zugewiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die vorliegende Tagesordnung wird erweitert um die Vereidigung des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich schlage vor, die Vereidigung des neuen Ministers heute nachmittag um 17 Uhr vorzunehmen. - Das Haus ist damnit einverstanden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesschatzminister hat unter dem 12. Februar 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bartsch, Frau Berger-Heise, Liehr und Genossen betr. Gestaltung eines bundeseigenen Grundstücks am Lützowplatz in Berlin (West) - Drucksache IV/1848 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1923 verteilt.
Die Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen hat unter dem 14. Februar 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Margulies und Genossen betr. Ölleitungsbau im Bodenseegebiet - Drucksache IV/1687 - beantwortet. Ihr Schreiben ist als Drucksache IV/1940 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 9. Februar 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 14. Dezember 1956 seinen Bericht über die Schiffbarmachung der Mosel für das Jahr 1963 übersandt, der als Drucksache IV/1919 verteilt ist.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat am 13. Februar 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 9. Oktober 1963 darüber berichtet, wie den Schwierigkeiten des Deutschen Bundestages zur Wahrung seiner Rechte gemäß Art. 2 Satz 2 des Gesetzes zu den Verträgen begegnet werden kann. Sein Schreiben wird als Drucksache 1944 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat am 13. Februar 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 13. Dezember 1963 den Bericht der Bundesregierung über die Euratom-Forschungsstätten übersandt, der als Drucksache IV/1934 verteilt wird.
Der Herr Bundesschatzminister hat am 3. Februar 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 18. Mai 1962 einen Bericht über die Ergebnisse der Entbehrlichkeitsprüfung und der Veräußerung von Bundesgelände zum Zwecke des Wohnungsbaues und der Eigentumsbildung übersandt, der als Drucksache IV/1921 verteilt ist.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 11. Februar 1964 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7. August 1953 den Geschäftsbericht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über das Rechnungsjahr 1962 übersandt, der als Drucksache IV/1920 verteilt ist.
Der Präsident der NATO-Parlamentarier-Konferenz hat unter dem 21. Dezember 1963 die auf der 9. Jahreskonferenz der Parlamentarier der NATO gefaßten Entschließungen übersandt, die als Drucksache IV/1865 verteilt werden.
Der Präsident der Versammlung der Westeuropäischen Union hat am 5. Februar 1964 die von der Versammlung während des 2. Teils ihrer Neunten Ordentlichen Sitzungsperiode vom 2. bis 5. Dezember in Paris angenommenen Empfehlungen 98, 101 und 103 übersandt, die als Drucksache IV/1942 verteilt werden.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die Regelung für Reis und Bruchreis aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und aus den überseeischen Ländern und Gebieten - Drucksache IV/1928 -
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Februar 1964,
Verordnung des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, die Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 15. Februar bis 31. März 1964 über den in der Verordnung Nr. . . . /64/EWG des Rats vorgesehenen Rahmen hinaus zu senken
an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden,
Verordnung des Rates, durch die die Bundesrepublik Deutsch-
land ermächtigt wird, Interventionsmaßnahmen zu ergreifen,
um die Einfuhr von Rindern aus Dänemark zu ermöglichen
an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1963 (Stahlzölle) - Drucksache IV/1926 -
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964,
Fünfundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1963 (Kaschu-Nüsse usw.) - Drucksache IV/1937 -
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde (Drucksachen IV/1935, IV/1936).
Die Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ist für Donnerstag vorgesehen.
5216 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 119. Februar 1964
Vizepräsident Dr. Schmid
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Ich rufe auf die Fragen III/1 und III/2 — des Abgeordneten Weigl —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesmittel für Facharbeiter im Zonenrandgebiet den zuständigen Bewilligungsstellen immer erst im Herbst zur Verfügung stehen, so daß die Darlehensnehmer erst im darauffolgenden Frühjahr mit dem Bau beginnen können?
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß Bundesmittel für Facharbeiter im Zonenrandgebiet wegen der Verteuerung auf dem Baumarkt künftig den Ländern schon im Frühjahr gegeben werden, damit Bundes- und Landesmittel zusammen bewilligt werden können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411500100
Ich bitte um die Erlaubnis, beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen, da sie den gleichen Komplex betreffen.
Den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern, also denjenigen Ländern, in deren Bereich Zonenrandgebiete liegen, wird alljährlich, in der Regel vor Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes, im Frühjahr die Höhe der Bundesmittel für dieses Programm mitgeteilt. Die Länder werden gleichzeitig gebeten, ihre Förderungsprogramme für das Zonenrandgebiet vorzubereiten und dem Bundesministerium die listenmäßige Zusammenstellung über die in Aussicht genommenen Bauvorhaben zwecks endgültiger Bewilligung der Mittel zu übersenden. Nach Prüfung dieser Zusammenstellungen werden die zugesagten Mittel umgehend bewilligt.
So ist dem Lande Bayern am 10. Mai 1963 der Bewilligungsrahmen für die Bundesmittel mitgeteilt worden. Das Land hat die listenmäßige Zusammenstellung im Juli und im August eingereicht. Am 13. August sind dann die Mittel endgültig bewilligt worden.
Das Bereitstellungsschreiben für die Zonenrandmittel 1964 ist jetzt in Vorbereitung und wird den in Frage kommenden Ländern in Kürze zugehen. Abweichend von den bisherigen Regelungen wird in diesem Jahr auf die Vorlage listenmäßiger Zusammenstellungen der Bauvorhaben verzichtet. Die Länder können daher auf Grund der Bereitstellungsschreiben sogleich die Bundesmittel für die betreffenden Bauvorhaben einsetzen.
Ich bleibe also bemüht, eine möglichst frühzeitige Bereitstellung der Bundesmittel für diese Programme und eine Vereinfachung des Bereitstellungsverfahrens zu erreichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411500200
Die Frage ist beantwortet.
Wir kommen zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, Fragen II/1 und 2 — des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann —:
Treffen die Pressemitteilungen zu, daß im Bundesfinanzministerium bis zum 4./5. Februar 1964 noch die Meinung vertreten wurde, daß die Aussetzung eines Teiles des Rohkaffee-Zolls bei Einhaltung des normalen Gesetzesweges nicht vor dem 1. März erfolgen konnte?
Ist das Bundesfinanzministerium deshalb wegen der überraschend früher durchgeführten Zollaussetzung bereit, auf die am 10. Februar vorhanden gewesenen, verzollten Rohkaffeebestände, die sich außerhalb der Zollaufschubläger befanden, die Zolldifferenz auch aus Billigkeitserwägungen zu erstatten?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0411500300
Die Frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann beantworte ich wie folgt:
Zu 1.: Die Entscheidung des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, bereits vor Inkrafttreten der Assoziation mit afrikanischen Staaten und Madagaskar den Zollsatz für Rohkaffee für die Zeit bis zum 30. Juli 1964 bis auf 9,6 % des Wertes auszusetzen, kam überraschend auf französische Initiative. Sie wurde am 3. Februar 1964 in Brüssel getroffen. Das Bundesfinanzministerium erfuhr hiervon am 4. Februar 1964. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde in der Tat die Auffassung vertreten, daß vor dem 1. März 1964 keine Senkung des Zollsatzes zu erwarten sei. Am Nachmittag des 5. und am Morgen des 6. Februar 1964 wurden die Geschäftsführer der beteiligten Wirtschaftsverbände durch das Bundesfinanzministerium darüber unterrichtet, daß mit einer sofortigen Änderung der Zollsätze für Rohkaffee zu rechnen sei. Spätestens am 6. Februar 1964 kannten die in Betracht kommenden Verbände auch den dafür vorgesehenen Termin, nämlich den 10. Februar 1964.
Zu 2.: Der dem Hohen Hause zur Zeit vorliegende Entwurf einer 53. Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs (Kaffee) sieht vor, den Zoll für Rohkaffee rückwirkend ab 10. Februar 1964 zu senken bzw. ganz auszusetzen. Der Verordnungsgeber hätte damit — sofern die Verordnung in der vorliegenden Fassung die Zustimmung des Parlaments findet — seinen ausdrücklichen Willen bekundet, die Zolltarifänderung zu diesem und zu keinem anderen Zeitpunkt wirksam werden zu lassen. Seinem Willen würde es dann also entsprechen, wenn für vor dem 10. Februar 1964 zum freien Verkehr abgefertigten und außerhalb eines Zollaufschublagers befindlichen Rohkaffee nicht die vorgesehene Zolltarifänderung rückwirkend Platz greift. Für Erstattungen aus Billigkeitsgründen wäre dann kein Raum. Es bleibt also zunächst abzuwarten, in welcher Fassung die Verordnung in Kraft treten wird.
Ich kann dazu sagen, daß im Augenblick im Außenhandelsausschuß die Verordnung beraten wird. Den Ausgang weiß ich natürlich noch nicht. Je nachdem, welche Fassung die Verordnung erhält, bin ich bereit, im Zusammenwirken mit Ihnen die Fälle, die vorliegen sollten, wohlwollend zu prüfen.
Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, Herr Müller-Hermann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411500400
Eine Zusatzfrage.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0411500500
Herr Minister, kann ich daraus ableiten, daß Sie bereit sind, in eine wohlwollende Prüfung der Härtefälle einzutreten, in denen auf Grund nicht ganz richtiger Informationen unrichtige Dispositionen getroffen worden sind?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0411500600
Ich bin gern bereit, solche Fälle zu prüfen. Wie die



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Prüfung ausgehen wird, Herr Müller-Hermann, kann ich Ihnen selbstverständlich im Augenblick nicht sagen. Wir werden da sehr genau prüfen müssen, ob wirkliche Härtefälle vorliegen auf Grund einer Information, die nicht richtig war, aber auch nicht richtig sein konnte, weil wir es auch noch nicht gewußt haben.
Meiner Überzeugung nach drängt sich die ganze Frage auf einen Zeitraum von wenigen Stunden zusammen, und ich kann mir — das sage ich hier ganz offen, Herr Müller-Hermann — kaum vorstellen, daß innerhalb dieser wenigen Stunden etwas passiert sein soll.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411500700
Die Fragen sind beantwortet.
Ich rufe aus der Drucksache IV/1936 eine weitere Frage — des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Berufsreisenden der öffentlichen Verkehrsmittel die gleichen steuerlichen Vorteile einzuräumen wie den Benutzern von Personenkraftwagen — u. U. durch die Gewährung einer für beide Teile gleich hohen Pauschale —, so daß der durch die jetzigen Vorschriften gegebene finanzielle Anreiz zur Benutzung des privaten Personenkraftwagens entfällt?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0411500800
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner beanworte ich wie folgt. Die als Werbungskosten anzusetzenden Pauschbeträge zur Benutzung eines Kraftfahrzeuges sind so bemessen, daß sie die tatsächlichen durchschnittlichen Aufwendungen bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung abgelten. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Aufwendung der Pauschbeträge in einzelnen Fällen für den Arbeitnehmer im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten ungünstiger sein kann. Solche Auswirkungen liegen im Wesen eines jeden Pauschbetrages, der aus einem Durchschnitt errechnet ist. Von einem besonderen finanziellen Anreiz zur Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges kann deshalb meines Erachtens nicht gesprochen werden. Überdies wirken sich die Pauschbeträge bei der großen Masse der Arbeitnehmer so aus, daß die Steuerersparnis nur etwa 22 % des Betrages ausmacht, der den Werbungskostenpauschbetrag von 564 DM im Kalenderjahr übersteigt. Die Einführung eines gleich hohen Pauschbetrages für Arbeitnehmer, die ihre Fahrten zur Arbeitsstätte mit einem eigenen Kraftfahrzeug oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel ausführen, begegnet erheblichen Bedenken. Die Verwirklichung der Anregung würde bedeuten, daß entweder bei den Arbeitnehmern, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen, zu hohe Werbungskosten oder bei den Arbeitnehmern, die ein eigenes Kraftfahrzeug benutzen, zu niedrige Werbungskosten berücksichtigt würden. Schließlich könnte auch noch die Forderung erhoben werden, daß den Arbeitnehmern, die es vorziehen, den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu Fuß zurückzulegen, der gleiche Pauschbetrag gewährt werde. Eine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage kann ich deshalb nicht in Betracht ziehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411500900
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage der Frau Abgeordneten Dr. Maxsein aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung auf:
Wie weit sind die Vorarbeiten zu dem Änderungsgesetz zum Atomgesetz gediehen, das nach Auskunft von Staatssekretär Dr. Cartellieri in der Fragestunde vom 6. März 1963 gleichzeitig mit dem Ratifikationsgesetz für das Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie und dem Zusatzabkommen den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden sollte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411501000
Frau Kollegin, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Der Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Atomgesetz, durch das der Inhalt der europäischen Haftungsübereinkommen in das Atomgesetz eingearbeitet werden soll, ist in meinem Hause noch Gegenstand von Überlegungen auf der Referentenebene.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411501100
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend auf:
Bestätigt der Herr Bundesfamilienminister die in der Fragestunde vom 6. Februar 1964 gemachte Aussage des Bundesfinanzministers, er befinde sich in den Grundgedanken des im Finanzbericht 1964 enthaltenen Abschnitts über die Familienleistungen „in Übereinstimmung mit den Auffassungen des Bundesfamilienministeriums"?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage VI/1 — der Frau Abgeordneten Dr. Flitz (Wilhelmshaven) — auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bei der personellen Besetzung der internationalen Organisationen durch Deutsche den unbefriedigenden Zustand zu beheben, der darin besteht, daß die personelle deutsche Beteiligung vielfach in keinem befriedigenden Verhältnis zu dem finanziellen Beitrag der Bundesrepublik steht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411501200
Ich darf die Frage der Frau Abgeordneten Dr. Flitz wie folgt beantworten. Die angemessene Erhöhung des deutschen Personalanteils bei den internationalen Organisationen ist seit Jahren Gegenstand intensiver Bemühungen der Bundesregierung. Bei den Organisationen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Gründungsmitglied angehört — wie z. B. bei den Europäischen Gemeinschaften —, ist der deutsche Personalanteil angemessen hoch. Bei den Organisationen, deren personeller Aufbau im Zeitpunkt des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland bereits abgeschlossen war, kann eine größere Repräsentanz nur allmählich im Zuge der Besetzung freiwerdender Stellen durch Deutsche erreicht werden. Dank der Bemühungen der Bundesregierung hat sich der deutsche Personalanteil auch bei diesen Organisationen in den letzten Jahren ganz erheblich verbessert.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411501300
Eine Zusatzfrage!




Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411501400
Hat die Bundesregierung in besonders krassen Fällen schon darauf hingewiesen, daß sich das Parlament auf den Standpunkt stellen könnte, bei einer Fortdauer einer diskriminierend erscheinenden schlechten Vertretung der Bundesrepublik die bisherigen Zuwendungen bzw. Beiträge für die betreffenden internationalen Organisationen zu verweigern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411501500
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung hat mehrfach auf diese Gefahr hingewiesen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411501600
Letzte Zusatzfrage!

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411501700
Gedenkt die Bundesregierung künftig diesen Standpunkt ernsthaft zur Geltung zu bringen, um eben diese angemessene personelle Vertretung zu erreichen, die in einem Verhältnis zu den finanziellen Beiträgen stehen muß, die sie für diese Organisationen leistet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411501800
Die Bundesregierung wird wie bisher diesem Komplex ihr ganz besonderes Augenmerk zuwenden. Sie hofft auch zu erreichen, daß der Trend, der bei den meisten internationalen Organisationen festzustellen ist, nämlich der einer allmählichen Verstärkung des deutschen Personalanteils, dadurch gefördert werden kann, so daß schließlich für uns befriedigende Zustände eintreten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411501900
Herr Abgeordneter Schwabe zu einer Zusatzfrage!

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0411502000
Herr Staatssekretär, sind Sie denn der Auffassung, daß die Bundesregierung genügend tut, um geeignete Kräfte für diese Art der Tätigkeit vorzubilden und anbieten zu können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411502100
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung tut auch auf diesem Gebiet alles, was ihr möglich ist. Es werden Sprachkurse veranstaltet. Die Beamten, die für derartige Tätigkeiten in Frage kommen, werden als stagiaire, also zu ihrer Ausbildung, an internationale Organisationen abgeordnet, um ihnen entsprechende Erfahrungen zu vermitteln. Es findet ein intensiver Austausch von Verwaltungsbeamten zwischen Deutschland, Frankreich, England und Amerika statt. Dieser Austausch hat den Zweck, die deutschen Beamten mit der Verwaltungspraxis anderer Länder vertraut zu machen und ihnen die sprachlichen Fähigkeiten auf ihrem speziellen Gebiet zu vermitteln, die sie in den internationalen Organisationen brauchen werden. Alles das schafft Grundlagen, auf denen aufbauend dann die Auswahl für die verschiedenen internationalen Organisationen vorgenommen werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411502200
Zusatzfrage!

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0411502300
Besteht nicht eine weitere Schwierigkeit bei der Lösung des soeben behandelten Problems darin, daß Beamte oder Angestellte, die solche Tätigkeiten aufnehmen, in der Heimat nicht befördert werden und gegenüber ihren zu Hause gebliebenen Kollegen auf die Länge gesehen schlechtere Chancen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411502400
Das ist ein Hinderungsgrund, Herr Abgeordneter, obwohl ich nicht glaube, daß er ausschlaggebend ist. Es ist uns dennoch gelungen, eigentlich in allen Fällen geeignete Bewerber zu präsentieren. Ich sehe die größere Schwierigkeit in der ungenügenden Fähigkeit vieler Bewerber, fremde Sprachen mit der nötigen Geläufigkeit zu sprechen. Ich glaube, darauf müssen sich unsere Bemühungen konzentrieren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411502500
Eine Zusatzfrage, Frau Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0411502600
Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, damit. diese Benachteiligungen, die Sie soeben selbst dargelegt haben, beseitigt werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411502700
Die Bundesregierung stellt darüber seit einiger Zeit Erwägungen an, Frau Abgeordnete, sie sind aber noch nicht zum Abschluß gekommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411502800
Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0411502900
Berücksichtigt dabei die Bundesregierung auch die Maßnahmen, die z. B. die französische Regierung unternimmt, damit besonders qualifizierte Beamte bei den internationalen Gremien tätig sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411503000
In der Tat sind es gerade die Bemühungen der französischen Regierung, die die Bundesregierung veranlaßt haben, ihre eigene Praxis zu überprüfen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411503100
Ich rufe auf die Fragen VI/2 und VI/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut —:
Hält sich die Bundesregierung an den in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. Oktober 1958 einstimmig gefaßten und in der Sitzung vom 30. Juni 1961 erneuerten Beschluß, jede Verhandlung zu unterstützen, die einen Weg zur deutschen Wiedervereinigung eröffnet, gebunden oder teilt sie den von dem Abgeordneten Dr. Barzel in dem „Deutschland-Union-Dienst" vom 31. Januar 1964 eingenommenen Standpunkt, daß der Bundeskanzler keinen Anlaß hat, die Kontinuität der deutschen Außenpolitik zu ändern, und daß es gilt, die angeblich vom deutschen Volk bestätigte bisherige Außenpolitik konsequent fortzuführen?
Hält die Bundesregierung den von dem Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 22. Januar 1964 vertretenen Standpunkt, daß jedwede Verhandlung über die deutsche Frage unterlassen werden muß, mit der sich aus der Beteiligung der Freien Demokratischen Partei an der Regierung ergebenden Verpflichtung für vereinbar, daß die Bundesregierung versuchen muß, die Initiative für die Deutschlandpolitik für sich und den Westen zu gewinnen und die Lösung der Deutschland- und Berlinfrage anzustreben?



Vizepräsident Dr. Schmid
) Der Herr Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zur Frage des Herrn Abgeordneten Jahn — Drucksache IV/1936 —:
Ist der Bundesregierung eine Pressemeldung bekannt, wonach am 28. November 1959 ein gewisser José Mengele von der Regierung Paraguays offiziell naturalisiert worden ist und bei dem der Verdacht besteht, daß er personengleich mit dem flüchtigen KZ-Arzt Joseph Mengele ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411503200
Herr Abgeordneter, ich darf Bezug nehmen auf eine Antwort, die ich in einer der letzten Fragestunden zu demselben Komplex gegeben habe, und in Ergänzung meiner damaligen Antwort folgendes ausführen.
Der Bundesregierung ist nicht nur aus Pressemeldungen, sondern auch auf Grund eines Berichtes der deutschen Botschaft in Asunción bekannt, daß im Register für Naturalisierungen beim Obersten Gerichtshof in Asunción die Kopie eines Dekretes, ausgestellt am 27. November 1959, hinterlegt worden ist, das die Verleihung der paraguayischen Staatsangehörigkeit an einen deutschen Staatsangehörigen namens „José Mengele" anordnet. Da die Bundesregierung den Verdacht hatte, daß dieser José Mengele mit dem flüchtigen KZ-Arzt Josef Mengele personengleich sei' hat sie die paraguayische Regierung um Auskunft gebeten. Die paraguayische Regierung hat darauf mehrfach erklärt, daß kein ) deutscher Staatsangehöriger dieses Namens in Paraguay eingebürgert worden sei und daß sich kein deutscher Staatsangehöriger dieses Namens in Paraguay aufhalte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411503300
Eine Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411503400
Was hat Sie gehindert, Herr Staatssekretär, meine Frage in der vergangenen Woche so ausführlich zu beantworten, wie es offenbar jetzt erst nach meiner weiteren Frage möglich ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411503500
Mich hat daran gehindert, Herr Abgeordneter, daß mir diese Tatsachen in der letzten Fragestunde nicht bekannt waren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411503600
Eine weitere Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411503700
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Prüfung der Identität des eingebürgerten deutschen Staatsbürgers José Mengele mit dem KZ-Arzt Josef Mengele weiter zu betreiben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411503800
Die Bundesregierung wird diesen Komplex nicht aus dem Auge verlieren, Herr Abgeordneter. Die Schwierigkeit, die ich soeben bezeichnet habe, besteht darin, daß nach Darstellung der paraguayischen Regierung eine Einbürgerung nicht stattgefunden hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411503900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0411504000
Herr Staatssekretär, wann hat die deutsche Botschaft Kenntnis von einer solchen Einbürgerungsurkunde erhalten und wann ist das Auswärtige Amt von der deutschen Botschaft unterrichtet worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411504100
Der Bericht der deutschen Botschaft an das Auswärtige Amt datiert vom November 1961. Ich unterstelle — aber das weiß ich selbstverständlich nicht —, daß die Botschaft unmittelbar davor davon Kenntnis erhalten hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411504200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0411504300
Sind im Rahmen der Nachforschungen in dieser Angelegenheit auch die Vereinbarungen mit der Internationalen Polizeiorganisation — Interpol — eingehalten worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411504400
Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, Herr Abgeordneter.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411504500
Herr Abgeordneter Metzger!

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0411504600
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung von sich aus den Bundestag über das Ergebnis ihrer Nachforschungen informieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411504700
Die Bundesregierung ist dazu bereit.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411504800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert!

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411504900
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit, sich über Interpol oder dergleichen Einrichtungen eine Fotografie des eingebürgerten José Mengele zu verschaffen und diese mit früheren Aufnahmen des Dr. Josef Mengele zu vergleichen, um festzustellen, ob es sich wohl um denselben handeln könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411505000
Herr Abgeordneter, ich habe schon auf eine Frage des Abgeordneten Jahn ausgeführt: die Schwierigkeit liegt darin, daß nach der Darstellung, die uns die paraguayische Regierung inzwischen mehrfach gegeben hat, ein deutscher Staatsangehöriger dieses Namens nicht eingebürgert worden ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411505100
Keine Zusatzfragen mehr.



Vizepräsident Dr. Schmid
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage VII/1 — des Abgeordneten Metzger —:
Ist der Bundesregierung die Schrift „Das Problem der PalästinaFlüchtlinge" bekannt, die vom „Informationsdienst Kairo, Vereinigte Arabische Republik" herausgegeben und in der Bundesrepublik verbreitet worden ist und in der u. a. zu lesen ist: „Die größten Geister der Menschheit haben immer wieder den unangenehmen Charakter des jüdischen Volkes erkannt und festgestellt. Die letzte große Judenverfolgung geschah unter dem Regime Hitlers, nachdem die zionistischen Organisationen planmäßig durch ihre politischen Marionetten, den Zionisten Winston Churchill und den Zionisten Franklin Delano Roosevelt, den zweiten Weltkrieg über Deutschland gebracht haben. Es ist eine beliebte zionistische Lüge, daß damals sechs oder gar mehr Millionen Juden von den Deutschen ausgerottet worden seien."?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Professor Dr. Bülow!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411505200
Herr Abgeordneter, von der Verteilung der Broschüre „Das Problem der Palästina-Flüchtlinge" hat das Bundesjustizministerium vor mehreren Wochen erfahren. Es war jedoch trotz eifriger Bemühungen nicht möglich, die Schrift selbst zu beschaffen und einzusehen.
Im Januar dieses Jahres hat der Herr Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen den Bundesminister der Justiz davon unterrichtet, daß wegen des, dieser Broschüre ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf anhängig ist. In diesem Verfahren wird insbesondere geprüft, ob die von Ihnen zitierten Stellen der Broschüre den Tatbestand eines Vergehens der Volksverhetzung nach § 130 des Strafgesetzbuches erfüllen. Mit dem baldigen Abschluß der Ermittlungen kann gerechnet werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411505300
Eine Zusatzfrage!

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0411505400
Wird die Bundesregierung sich bemühen, für die Zukunft zu verhindern, daß solche strafbaren Handlungen begangen werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411505500
Herr Abgeordneter, ich will das gern als Anregung mitnehmen. Ein Versprechen namens der Bundesregierung kann ich in dieser Stunde nicht abgeben. Ich nehme aber an, daß Ihrer Anregung ohne weiteres entsprochen wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411505600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411505700
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bereit sein, insbesondere auch diplomatische Bemühungen zu unternehmen mit dem Ziel, zu verhindern, daß derartige infame Publikationen im Namen der Arabischen Republik hier in der Bundesrepublik verbreitet werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411505800
Herr Abgeordneter, Ihre Anregung geht über den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz etwas hinaus. Ich kann Ihnen aber namens des Bundesjustizministers versprechen, daß wir eine solche Anregung an das Auswärtige Amt herantragen werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411505900
Die Frage ist beantwortet.
Ich rufe auf die Frage VII/2 — der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus —:
Hält die Bundesregierung die bisherige gesetzliche Regelung über die vergleichende Werbung für ausreichend?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411506000
Frau Abgeordnete, Ihre Frage kann ich wie folgt beantworten:
Das Wirtschaftskabinett hat sich am 10. Dezember 1963, also erst vor wenigen Wochen, mit einem Bericht des Bundesministers der Justiz vom 25. März 1963 über die Möglichkeit einer wahrheitsgemäßen vergleichenden Werbung befaßt. Auf Grund der Erörterung im Wirtschaftskabinett ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, daß es jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zweckmäßig wäre, die vergleichende Werbung durch eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb neu zu regeln. Nach Auffassung der Bundesregierung kann — vorbehaltlich einer weiteren Prülung — das Bedürfnis der Verbraucher nach einer Unterrichtung über die Marktverhältnisse schon auf der Grundlage des geltenden Rechts in dem gebotenen Umfang befriedigt werden.
Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Hohen Hause zunächst den Bericht des Bundesministers der Justiz und eine Entschließung der Bundesregierung hierzu zuzuleiten, um den Deutschen Bundestag über die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Gesichtspunkte zu unterrichten. Die Entschließung der Bundesregierung und der Bericht des Bundesministers der Justiz werden dem Hohen Hause in diesen Tagen zugehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411506100
Eine Zusatzfrage!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0411506200
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die vergleichende Werbung in der Schweiz, den Vereinigten Staaten, Österreich, Großbritannien, Italien und Schweden grundsätzlich zulässig ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411506300
Das ist mir im Augenblick nicht bekannt. Wir haben zwar Rechtsvergleichung betrieben, aber diese Frage, Frau Abgeordnete, kann ich im Augenblick nicht beantworten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411506400
Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0411506500
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß in dem Bericht Ausführungen über die sehr vielseitige Rechtsprechung enthalten sind, Ausführungen auch darüber, daß Entscheidungen 'der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs eine einheitliche Auffassung nicht erkennen lassen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411506600
Die Frage kann ich mit Ja beantworten. Der Bericht spricht gerade auch über die Rechtsprechung. Sie werden sicher daran interessiert sein, auch etwas über das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 1963 — das Ihnen, Frau Abgeordnete, sicher vorschwebt — zu hören und zu lesen; es ist die neueste Entscheidung zu dieser Frage. Einer Stellungnahme zu diesem Urteil muß ich mich aus verständlichen Gründen natürlich enthalten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411506700
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage VII/3 — der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein — auf:
Bis wann kann mit dem Abschluß des Ratifikationsverfahrens für das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, das von der Bundesregierung im Oktober 1961 unterzeichnet wurde, gerechnet werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411506800
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961 soll erst nach Inkrafttreten des neuen Urheberrechtsgesetzes ratifiziert werden, weil einige im Abkommen vorgesehene Schutzrechte durch die geltenden Urheberrechtsgesetze noch nicht gewährt werden, sondern erst im Urheberrechtsgesetzentwurf vorgesehen sind, der dem Hohen Hause zur Zeit zur Beratung vorliegt. Würde das Abkommen vor dem Inkrafttreten des neuen Urheberrechtsgesetzes ratifiziert werden, so würden ausländische Staatsangehörige diese Rechte in der Bundesrepublik Deutschland ausüben können, während sie den deutschen Staatsangehörigen in 'Deutschland noch nicht zustünden.
Damit das Abkommen unmittelbar nach Abschluß der Urheberrechtsreform ratifiziert werden kann, wird die Bundesregierung dem Hohen Hause noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu dem Abkommen vorlegen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411506900
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung werden morgen aufgerufen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Zuerst rufe ich die Frage IX/1 — des Herrn Abgeordneten Lemmrich — auf:
Liegen der Bundesregierung konkrete Zählergebnisse über die Benutzung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen durch Lastzüge dritter Staaten vor?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411507000
Herr Kollege Lemmrich, aus der letzten Internationalen Straßenverkehrszählung, die 1960 auf den Europastraßen in der Bundesrepublik durchgeführt wurde, liegen Zahlen nur über den zivilen ausländischen Verkehr insgesamt — also ohne weitere Unterteilung in Fahrzeugarten — als Prozentanteil am motorisierten Gesamtverkehr der jeweiligen Zählstellen vor. Dieser Anteil liegt zwischen 2 und 10 %. Er nimmt naturgemäß zur Grenze hin zu bis auf 20 % und erreicht an wichtigen Grenzübergängen nahezu den Umfang des deutschen Verkehrs. Erst bei der nächsten Internationalen Zählung 1965 läßt sich eine gesonderte Erfassung des ausländischen Lastkraftwagenverkehrs ermöglichen.
Darüber hinaus liegen Angaben der deutschen Zollgrenzstellen über die Zahl der ein-, aus- oder durchfahrenden ausländischen Lastkraftwagen vor, ohne daß man sie indessen bestimmten Straßenzügen als Fahrtrouten zuordnen könnte.

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0411507100
Herr Minister, haben Sie Zählungen an bestimmten Stellen, nehmen wir einmal an: an der Autobahn bei Düsseldorf, vorgenommen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411507200
Ja, die Zählungen sind damals, was die grundsätzlichen Angaben betrifft, an verschiedenen bekannten Stellen vorgenommen worden, die sich über das ganze Bundesgebiet verteilen. Aber die Lkw sind, wie gesagt, nicht gesondert gezählt worden, sondern nur die ausländischen Kraftfahrzeuge insgesamt, so daß wir also einen Anhaltspunkt mit klaren Zahlen über den Anteil des ausländischen Lkw-Verkehrs am Lkw-Verkehr auf den deutschen Straßen nicht haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411507300
Frage IX/2 — des Abgeordneten Ertl —:
Bis wann wird die Inntal-Autobahn zweispurig fertiggestellt?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411507400
Herr Kollege Ertl, als Termin für die Fertigstellung der zweiten Fahrbahn und der baulichen Maßnahmen zur Beseitigung der noch bestehenden höhengleichen Kreuzungen — letztere werden vorgezogen — im Zuge der Inntalstraße zwischen dem Autobahndreieck Inntal bei Pang und Kiefersfelden ist das Ende des Jahres 1966 vorgesehen. Die Kosten betragen etwa 30 Millionen DM. Da unter Verkehr gebaut werden muß, sind der erwünschten Beschleunigung der Arbeiten technische Grenzen gesetzt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411507500
Frage IX/3 — des Abgeordneten Biechele —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn die Bahnstrecke Pfullendorf-Altshausen nur mehr für den Güterverkehr benutzbar machen will, so daß befürchtet werden muß, daß im Zuge dieses Abbaus diese Strecke überhaupt stillgelegt werden soll?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411507600
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, darf ich die drei Fragen des Herrn Kollegen Biechele zusammen beantworten, wenn er damit einverstanden ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411507700
Bitte, wenn er damit einverstanden ist? —



Vizepräsident Dr. Schmid
Dann rufe ich auch die Fragen IX/4 und IX/5 des Abgeordneten Biechele — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Pfullendorf als Zentralort und das Gebiet um Pfullendorf als Notstandsgebiet durch Sondermaßnahmen des Landes Baden-Württemberg mit großem Erfolg gefördert wurden und weiterhin gefördert werden, jetzt aber befürchtet werden muß, daß durch die in Frage IX/3 geschilderten Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn die erfreuliche Aufwärtsentwicklung dieses Gebiets gefährdet wird?
Kann die Bundesregierung den in Frage IX/3 geschilderten Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn zustimmen, wenn man die verteidigungspolitische Bedeutung von Schienenwegen — vgl. Erfahrungen der letzten NATO-Manöver — für Transporte aller Art berücksichtigt, die gerade für einen Garnisonsort wie Pfullendorf (Standort des AR 10) von besonderer Bedeutung sind?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411507800
Ich darf vorausschicken, Herr Kollege Biechele, daß noch kein Antrag auf Einstellung des Reiseverkehrs auf dem Streckenabschnitt Altshausen—Pfullendorf von seiten der Deutschen Bundesbahn an mich herangetragen worden ist.
Wie mir jedoch die Deutsche Bundesbahn auf Anfrage mitteilt, prüft sie, db die Bedienung des Reiseverkehrs autf diesem Streckenabschnitt aufzugeben ist. Die Bundesbahndirektion Stuttgart hat sich deswegen an das Land Baden-Württemberg gewandt und gebeten, zu einer solchen Frage Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme der Landesregierung steht noch aus. Sie isst natürlich von wesentlicher Bedeutung für die endgültige Entscheidung der Organe der Deutschen Bundesbahn.
Die Bundesbahn hat bis jetzt immer noch gezögert, .die Stillegung zu beantragen, nicht zuletzt in der Erwartung, daß sich der Verkehr auf dieser Eisenbahnstrecke beleben würde. Leider haben sich die fördernden Maßnahmen des Landes auf den Eisenbahnverkehr nicht förderlich ausgewirkt. Pfullendorf und das Gebiet um Pfullendorf wird bei der Einstellung des Reiseverkehrs nach Altshausen immer noch über den Streckenabschnitt PfullendorfSchwackenreute für Bahnreisende zu erreichen sein.
Die Deutsche Bundesbahn hat das Bundesministerium der Verteidigung über ihre Absichten und Pläne auf diesem Streckenabschnitt bereits unterrichtet, so daß die in Ihrer dritten Frage angeschnittenen Probleme bei den zu treffenden Entscheidungen von der Deutschen Bundesbahn gewürdigt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411507900
Zusatzfrage!

Hermann Biechele (CDU):
Rede ID: ID0411508000
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Minister, daß für ,den Personen- wie für den Güterverkehr ein steigendes Bedürfnis besteht, vor allem wenn man berücksichtigt, daß die Ölbohrungen bei Pfullendorf erfolgreich verlaufen und in nächster Zeit damit gerechnet werden kann, daß täglich ein Tankzug mit 15 bis 30 Tankwagen Pfullendorf in Richtung Raffinerie Karlsruhe verlassen wird, ganz zuschweigen von den übrigen Verwertungsmöglichkeiten eines Erdöl- und Erdgasvorkommens?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411508100
Diese Fragen werden von der Bundesbahn eingehend geprüft. Die Überlegungen beschränken sich ja nur auf die Einstellung des Reiseverkehrs und nicht auf die Einstellung des Güterverkehrs.

Hermann Biechele (CDU):
Rede ID: ID0411508200
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß man, nachdem man erhebliche Bundes- und Landesmittel in die Garnisonsstadt Pfullendorf und in das Förderungsgebiet um Pfullendorf hat fließen lassen, erwägt, diesen Raum verkehrsmäßig abzubauen, indem man ihn von der wichtigsten Bahnlinie von ganz Oberschwaben, nämlich von der Linie Friedrichshafen-Ulm-Stuttgart bzw. Friedrichshafen-Ulm-München, abschneidet?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411508300
Herr Kollege, ich sagte Ihnen ja, daß Überlegungen darüber zur Zeit noch von der Bundesbahndirektion Stuttgart angestellt werden. Wir sind noch gar nicht aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen. Ich nehme an, daß das, was Sie hier vortragen, schon in der Stellungnahme der Landesregierung mit entsprechendem Nachdruck gegenüber der Bundesbahn vertreten werden wird und dann später in den Organen der Bundesbahn — im Verwaltungsrat usw. — zur Sprache kommt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411508400
Frage IX/6 — des Abgeordneten Schmidt (Kempten) —:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vorgesehene Zuweisung von nur 3 Mio DM für Aus- und Verbesserungsarbeiten an Bundesstraßen im Regierungsbezirk Schwaben für das Jahr 1964 im Widerspruch zu dem durch den Bundesverkehrsminister anerkannten besonderen Nachholbedarf in diesem Raume steht?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411508500
Herr Kollege Schmidt, entscheidend für die Verbesserung des Bundesfernstraßennetzes eines Gebietes sind vor allem -der große Um- und Ausbau sowie der Neubau von Straßen. Im Regierungsbezirk Schwaben sind im Jahre 1964 insgesamt 21,6 Millionen DM für den Ausbau der Bundesstraßen vorgesehen. Rechnet man die Mittel für Unterhaltung und Instandsetzung von 4,6 Millionen DM dazu, so stehen insgesamt 26,2 Millionen DM bereit.
Für den kleineren Um- und Ausbau in Gestalt des Zwischenausbaus wurden gerade in diesem Gebiet seit dem Jahre 1961 die bestehenden Bundesstraßen bis auf kleinere Zwischenstrecken nahezu durchgehend den Anforderungen des Verkehrs baulich angepaßt. Seit 1961 sind im Bereich des Straßenbauamtes Kempten bereits 170 km so ausgebaut worden.

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0411508600
Herr Minister, es ist Ihnen ja bekannt, daß wir im vergangenen Jahr in Schwaben 30 Millionen DM hatten und daß dort, wie Sie selber anläßlich Ihres Besuchs anerkannt haben, noch ein starker Nachholbedarf besteht. Wieso wurden diese 30 Millionen nun auf insgesamt 26 Millionen gekürzt und dadurch die schwäbische Wirtschaft, insbesondere die südschwäbische, in den Frostperioden mit Ausnahme einer Ausfallstraße auf Jahre hinaus einfach abgeschnürt?




Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411508700
Herr Kollege Schmidt, das ist im wesentlichen eine Angelegenheit der von der obersten Baubehörde in München vorzuschlagenden Verteilung. Wir sind bei der Aufteilung der Mittel natürlich sehr wesentlich an die Wünsche und Vorschläge der obersten Baubehörden gebunden, weil sie allein die baureifen Objekte kennen und weil sie die für die baureifen Objekte erforderlichen Mittel dann auch entsprechend anfordern und verteilen. Wir haben hier nicht etwa etwas gestrichen, was die oberste Baubehörde gewünscht hätte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411508800
Zusatzfrage!

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0411508900
Herr Minister, dürfen wir im Allgäu auf Ihre Unterstützung rechnen, wenn wir versuchen, diese 26 Millionen wieder auf 30 Millionen zu erhöhen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411509000
Ja, das müssen wir mit der obersten Baubehörde gemeinsam regeln. Denn dieses Geld muß dann natürlich von irgendeiner anderen Stelle innerhalb Bayerns weggenommen werden. Ich darf daran erinnern, daß die oberste Baubehörde durch die Schaffung der Industrieanlagen im Raum Ingolstadt gezwungen ist, in diesem Jahr allein dort 100 Millionen DM einzusetzen, mit denen sie früher bei der ursprünglichen Planung nicht gerechnet hatte. Dadurch ergeben sich solche Verteilungsschwierigkeiten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411509100
Hierzu haben Sie keine Zusatzfrage mehr, Herr Abgeordneter Schmidt.
Ich rufe die ebenfalls von dem Abgeordneten Schmidt (Kempten) gestellte Frage IX/7 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die derzeitige Aufteilung der Straßenmittel nach Mitteln für Autobahnen und für Bundesstraßen vor der Zuweisung an die Länder zu ungleichen Verteilerquoten führt?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411509200
Herr Kollege Schmidt, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die derzeitige Aufteilung der Straßenbaumittel auf die Autobahnen und die Bundesstraßen richtig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Ausbau der Bundesstraßen von den Erfordernissen der Gebiete, der Ausbau der Bundesautobahnen wesentlich von übergebietlichen und europäischen Gesichtspunkten bestimmt wird.
Maßgebend sind die im Bundesfernstraßenbau insgesamt anstehenden Aufgaben. Sie sind für die einzelnen Länder nach dem Gesetz über den Ausbauplan der Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 und den daraus entwickelten drei Vierjahresplänen bestimmt. Die auf die einzelnen Länder entfallenden Bauvorhaben der Autobahnen und der Bundesstraßen sind nach den jeweiligen, durch die Pläne berücksichtigten Verkehrsbedürfnissen unterschiedlich. Das gilt demgemäß auch für die Verteilung der Mittel, die nicht genau prozentual gleich erfolgen kann. Prozentual gleich hohe Anteile an den Gesamtmitteln nicht nur für Bundesstraßen, sondern auch für Bundesautobahnen in jedem Land würden daher den vom Bundestag durch das Ausbauplangesetz und durch die Vierjahrespläne gegebenen Richtlinien und den Investitionsplänen für den Ausbau der Europastraßen nicht gerecht werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411509300
Zusatzfrage!

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0411509400
Herr Minister, führt diese Art der Aufteilung an die Länder nicht dazu, daß Räume, die nun einmal über Autobahnen nicht verfügen, bei der Verteilung der gesamten Mittel immer schlechter wegkommen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411509500
Wenn Sie von den Gesamtmitteln ausgehen, Herr Kollege, dann ist das natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Denken Sie an Schleswig-Holstein, wo ja auch keine Autobahnen sind. Aber Sie müssen berücksichtigen, daß wir eben zwei Gruppen haben: die Mittel, die für die Autobahnen vorgesehen sind und die in einem bestimmten Verhältnis auf die Autobahnstrecken aufgeteilt werden, und den Anteil der Straßenbaumittel, der für die Bundesstraßen vorgesehen ist. Hier erfolgt die Aufteitung auf die Länder nach dem Schlüssel, der mit den Ländern selbst abgesprochen worden ist.

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0411509600
Das bedeutet also, Herr Minister, daß Räume, die Autobahnen haben, sich verkehrsmäßig immer günstiger weiterentwikkeln können, und Räume ohne Autobahnen immer weiter zurückbleiben, weil sie weniger Mittel erhalten?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411509700
Nein. Sie dürfen die Mittel für die Autobahnen nicht in die Gesamtmittel einrechnen, sondern müssen eine verschiedene Verteilung vornehmen. Das bedeutet keineswegs, daß wir nicht bei unseren Planungen versuchen, gerade diese Randgebiete besonders mit zu fördern. Aber verstehen Sie bitte auf der anderen Seite, daß ich auch ständig unter dem Druck der Vertreter der Ballungsgebiete stehe, die ihrerseits der Auffassung sind, daß für sie im Verhältnis zu den Randgebieten nicht genügend geschieht. Solange man nicht allzuviel hat, kann man nicht überall das Hinreichende geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411509800
Ich rufe die ebenfalls von dem Abgeordneten Schmidt (Kempten) gestellte Frage IX/8 auf:
In welcher Höhe sind Bundesmittel zum Straßenneu- und -ausbau seit 1949 an das Land Bayern, das Land Niedersachsen und das Land Nordrhein-Westfalen geflossen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411509900
Herr Kollege, seit dem 1. April 1950, dem Zeitpunkt des Übergangs des Eigentums der Baulast an den ehemaligen Reichsstraßen und Reichsautobahnen auf den Bund, bis zum 31. Dezember 1963 sind für die Bundesfernstraßen rund 14,4 Milliarden DM bereitgestellt worden. Der Anteil des Landes Bayern hat 2,639 Milliarden DM gleich 18,4 %, der Anteil des
5224 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den :19. Februar 1964
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
Landes Nordrhein-Westfalen 3,062 DM gleich 21,3 % und der Anteil des Landes Niedersachsen hat 2,060 DM gleich 14,3 % betragen. In den letzten Jahren sind die prozentualen Anteile von Bayern und Niedersachsen gegenüber Nordrhein-Westfalen rückläufig; das ist nach dem Verkehrsaufkommen und durch die besonderen Bedürfnisse in den Ballungsgebieten begründet.
Für die Bemessung dieser Anteile waren in erster Linie verkehrliche und wirtschaftliche Belange sowie topographische und geologische Gegebenheiten maßgebend. Darüber hinaus war der durch den letzten Krieg bedingte Nachholbedarf in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Nachdem sich die Verhältnisse durch Überwindung des Nachholbedarfs gefestigt haben, erfolgen die Mittelzuweisungen zur Zeit auf der mit den Ländern gemeinsam erarbeiteten Grundlage des 2. Vierjahresplanes. Hiernach stehen Bayern 17 %, Niedersachsen 11 % und NordrheinWestfalen 26 % der Investitionsmittel zu.
Die Bundesstraßen in der Baulast des Bundes haben jetzt eine Länge von 28 025 km erreicht. Der Anteil des Landes Bayern an dieser Länge beträgt 6463 km oder 27 %. In Nordrhein-Westfalen beträgt die Länge der Bundesstraßen 4614 km oder 16,5 %, in Niedersachsen beträgt sie 4667 km oder 16,7 %.
Bei einer Gesamtlänge von 3077 km Bundesautobahnen betragen die Längenanteile in Bayern 740 km oder 24 %, in Nordrhein-Westfalen 546 km oder 17,7 %, in Niedersachsen 563 km oder 18,3 %.
Sie ersehen daraus, daß die Längen allein nicht für eine Beurteilung entscheidend sein können, sondern daß eben die Verkehrsverhältnisse und -bedürfnisse, die anwachsen oder anschwellen, berücksichtigt werden müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411510000
Zusatzfrage.

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0411510100
Herr Minister, steht das aber nicht in einem gewissen Gegensatz zu den Notwendigkeiten, im Rahmen der Raumordnung, der Entballung und der strukturellen Besserung der Randgebiete, diese verkehrsmäßig stärker zu erschließen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411510200
Herr Kollege Schmidt, jeder Bundesverkehrsminister befindet sich zwischen den beiden „Feuern" der Randgebiete und der Ballungsgebiete und muß versuchen, zwischen Szylla und Charybdis einigermaßen durchzukommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411510300
Können die Fragen IX/9 und IX/10 zusammen beantwortet werden?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411510400
Ich bitte den Herrn Präsidenten und den Herrn Abgeordneten Josten, damit einverstanden zu sein, daß ich die beiden Fragen zusammen beantworte, da sie den gleichen Fragenkomplex betreffen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411510500
Ich rufe die beiden Fragen auf: Frage IX/9 — des Abgeordneten
Josten —:
Warum unterblieb der Bau der Umgehungsstraße der B 9 bet Sinzig trotz mehrfacher Zusage der Bundesregierung?
Frage IX/10 — des Abgeordneten Josten —:
Wann kann die Bevölkerung der Stadt Sinzig mit dem Bau der
dringend notwendigen Umgehungsstraße der B 9 rechnen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411510600
Wie so oft ist auch diese Baumaßnahme — bei Sinzig — durch das Planfeststellungsverfahren über Erwarten verzögert worden. Mit dem Bau der Umgehungsstraße Sinzig ist jedoch nunmehr endlich begonnen. Insgesamt wurden 3,2 Millionen DM für den Grunderwerb ausgegeben. Im Jahre 1964 sind weitere 1,5 Millionen DM für den Grunderwerb vorgesehen. Das Bauwerk über den Grünen Weg wurde inzwischen fertiggestellt. Erdarbeiten in Höhe von 2,2 Millionen DM sind submittiert. Mit den Arbeiten konnte jedoch wegen der fehlenden Haushaltsmittel im vorigen Jahr nicht mehr begonnen werden. Die Arbeiten sollen jetzt in Kürze anlaufen. Mit den Bauarbeiten für die rund 1 km lange Hochstraße entlang der Eisenbahn, die 6 Millionen DM kosten wird, kann erst Ende dieses Jahres begonnen werden, da vor der Vergabe der Bauarbeiten noch einige technische Probleme gelöst werden müssen und erst dann zur Ausschreibung und Vergabe geschritten werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411510700
Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0411510800
Herr Minister, kann ich Sie nach Ihrer immerhin erfreulichen Mitteilung fragen, bis wann wohl mit der Fertigstellung dieser Umgehungsstraße der B 9 bei Sinzig gerechnet werden kann?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411510900
Herr Kollege, es hängt von dem Fortschritt der Bauarbeiten ab. Wir hoffen, daß wir sie so schnell wie möglich durchführen können; aber eine Bauzeit von 2 bis 3 Jahren wird sich wegen der Schwierigkeiten, die sich in technischer Hinsicht stellen, wahrscheinlich nicht unterschreiten lassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411511000
Letzte Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0411511100
Herr Minister, ist Ihnen die Resolution des Kreistages des Landkreises Ahrweiler bekannt, die in diesem Monat mit den Stimmen aller Abgeordneten gefaßt wurde und worin man mit großer Sorge auf die gesamte Entwicklung nicht nur der B 9 hier bei Sinzig, sondern auch auf die untragbaren Verhältnisse auf den Bundesstraßen 257, 267 und 266 in Altenahr, Ahrweiler und Bad Neuenahr hingewiesen hat?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411511200
Ja, das ist mir bekannt. Die Fragen werden auch noch mit den zuständigen Baustellen des Landes in Koblenz erörtert. Aber das Bedauerliche ist, daß wir



Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm
diese Sinziger Umgehung, die ja, wie Sie wissen, schon 1962 begonnen werden sollte, infolge der Einsprüche im Planfeststellungsverfahren und wegen des folgenden Verwaltungsstreitverfahrens nicht früher durchführen konnten. So geht es uns natürlich bei vielen Straßen. Wir können manchmal nicht so schnell vorankommen, weil die Bevölkerung eben anderer Meinung ist und weil die Leute trotz der Beschlüsse des Kreistages ihre Rechte bis zum Letzten verfechten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411511300
Frage IX/11 — des Abgeordneten Fritsch —:
Ist die Bundesregierung bereit, in Anbetracht der verkehrsmäßigen Dringlichkeit und der von der Stadt Deggendorf bereits bereitgestellten Mittel den Ausbau der Ortsdurchfahrt in Deggendorf in diesem Jahre vorzunehmen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411511400
Herr Kollege Fritsch, ich nehme an, daß sich Ihre Frage auf den Ausbau der Kreuzung am Deggendorfer Stadtpark, dem sogenannten Löw-Eck, bezieht. Für diese Maßnahme liegt die Planung vor. Der Kostenanteil des Bundes liegt unterhalb der Grenze von 500 000 DM. Daher sind die erforderlichen Mittel nach der geltenden Verwaltungsübung einem dem Land zur Verfügung stehenden Globalbetrag zu entnehmen, der von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern auf die in Betracht kommenden Baumaßnahmen in der Rangfolge der dort angenommenen Dringlichkeit verplant wird. Wie mir die Oberste Baubehörde dazu mitteilt, wird es ihr voraussichtlich noch nicht möglich sein, schon in diesem Jahr die Mittel bereitzustellen. Für den Ausbau an der Friedenseiche ist die Planung noch nicht abgeschlossen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411511500
Ich rufe auf die Frage IX/12 — der Frau Abgeordneten Dr. Flitz (Wilhelmshaven) —:
Wie erklärt sich das Fehlen von Abteilen 1. Klasse in Triebwagen der Deutschen Bundesbahn auf Hauptstrecken?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411511600
Zu Ihrer Frage darf ich ausführen, daß Abteile 1. Klasse von der Deutschen Bundesbahn dann vorgesehen sind, wenn die Nachfrage entsprechend groß ist. Das wird von ihr durch Beobachtungen und Verkehrszählungen ständig überprüft. Im allgemeinen ist die Nachfrage in den von Ihnen erwähnten Triebwagen so gering, daß die Einrichtung von Abteilen 1. Klasse wirtschaftlich von der Deutschen Bundesbahn nicht für vertretbar gehalten wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411511700
Eine Zusatzfrage!

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411511800
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß man überlegen müßte, auf einer Strecke zwischen zwei Städten mit über 100 000 Einwohnern, z. B. zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven, die dort verkehrenden ältesten Triebwagen durch modernere zu ersetzen und bei dieser Gelegenheit Abteile 1. Klasse einzurichten? Es ist nicht ganz einzusehen, t` warum auf anderen Strecken, z. B. zwischen Osnabrück und Melle, die Triebwagen Abteile 1. Klasse haben, während die Triebwagen auf unserer Strecke keine Abteile 1. Klasse haben.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411511900
Ich will die Bundesbahn gern noch einmal darauf aufmerksam machen. Aber es ist nicht eine Angelegenheit des Bundesministers für Verkehr, die Abteile in den Zügen einzurichten. Das obliegt ausschließlich der Deutschen Bundesbahn.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411512000
Eine weitere Zusatzfrage!

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411512100
Herr Bundesminister, sind Sie aber nicht doch mit mir der Meinung, daß Fahrgäste verärgert sein müssen, wenn sie nach einer längeren Reise in einen Triebwagen umsteigen müssen und dann für eine Strecke von über 52 km, für die sie einen Fahrpreis für die 1. Klasse entrichtet haben, nun 2. Klasse fahren müssen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411512200
Zunächst einmal können die Herrschaften den zuviel gezahlten Fahrpreis reklamieren, wenn ihnen die
1. Klasse in einem Zug nicht angeboten wird. Außerdem steht die Bundesbahn auf dem Standpunkt, daß bereits aus dem Fahrplan ersichtlich ist, ob ein Zug auch Abteile 1. Klasse führt oder ob er nur die
2. Klasse führt. Bei den Schienenomnibussen bestimmmter Bauart z. B. gibt es ja keine 1. Klasse, und sie kann .auch aus technischen Gründen gar nicht eingerichtet werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411512300
Frage IX/13 — der Frau Abgeordneten Dr. Flitz (Wilhelmshaven) —:
Welche Gründe haben dafür gesprochen, daß im Monat April
kein Autozug von Hamburg nach München verkehren soll?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411512400
Zu Ihrer Frage, Frau Kollegin, hat mir die Deutsche Bundesbahn folgendes mitgeteilt: Die Autoreisezüge unterliegen in allen Relationen den 'saisonbedingten Verkehrsschwankungen. Außerhalb der Hauptreisezeiten ist das Verkehrsbedürfnis so gering, daß sich das Fahren eines Autoreisezuges nicht lohnt. Die Deutsche Bundesbahn muß ihre Verkehre grundsätzlich nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichten. In der Relation Hamburg—Basel z. B. ist auch im April bei dem Zug Komet die Automitnahme möglich.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411512500
Eine Zusatzfrage!

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411512600
Herr Minister, wie verträgt sich die Tatsache, daß der Autoreisezug von Hamburg nach München im April gestrichen ist, mit der Erklärung Ihres Ministeriums



Vizepräsident Dr. Schmid
in der Fragestunde vom 11. Dezember 1963, daß zur Entlastung ,der Straße die öffentlichen Verkehrsmittel besser ausgestaltet werden müßten, und zwar durch Verstärkung des Behälterverkehrs und ganz besonders des Huckepackverkehrs?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411512700
Die Autoreisezüge haben mit dem Behälterverkehr und dem Huckepackverkehr nichts zu tun. Die Autoreisezüge dienen der Beförderung von Personenautos in Verbindung mit der gleichzeitigen Beförderung der Personen. Die Entlastung der Straße sehen wir aber mehr in der Entlastung vom Güterverkehr als vom Personenverkehr.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411512800
Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Hedi Flitz (FDP):
Rede ID: ID0411512900
Herr Minister, wenn diese Züge Hamburg—München sowieso für den allgemeinen Verkehr freigegeben sind, wie sich aus dem Fahrplan ergibt, ist es 'dann so schwierig, wenigstens für einige Wochentage im Monat April den Transport von Personenkraftfahrzeugen zu ermöglichen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411513000
Die Bundesbahn ist in dieser Beziehung völlig unabhängig, gnädige Frau. Ob das möglich ist, kann nur die 'Direktion in Hamburg entscheiden. Ich würde empfehlen, bei der Direktion in Hamburg einen begründeten Antrag zu stellen. Die Hauptverwaltung der Bundesbahn hat mir mitgeteilt, die Antworten bei der Untersuchung hätten ergeben, daß dies im Monat April ein unwirtschaftlicher Verkehr ist und daß sie deshalb davon absieht, diesen Zug fahren zu lassen. Wenn ich der Bundesbahn eine Auflage mache, muß ich die von ihr als unwirtschaftlich angegebenen Beträge aus dem Bundessäckel erstatten, und dazu stehen Mittel nicht zur Verfügung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411513100
Frage IX/14 — Abgeordneter Dr. Müller-Hermann —:
Kann die Bundesregierung eine Zusage geben, daß sie auf den Vorstand der Deutschen Lufthansa AG einwirken wird, bei der langfristigen Beschaffungspolitik der Lufthansa eine Beteiligung der deutschen Luftfahrtindustrie — gegebenenfalls im Rahmen einer europäischen Gemeinschaftsproduktion — ins Auge zu fassen?
Bitte, Herr Minister.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411513200
Herr Kollege Müller-Hermann, die Frage wird mit Ja beantwortet. 1

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411513300
Frage IX/15 — Abgeordneter Dr. Mommer —:
Werden nach den schweren Verkehrsunfällen mit drei Toten auf der Bundesstraße 27 zwischen Ludwigsburg und Kornwestheim nun endlich die Leitplanken auf dem Mittelstreifen eingebaut?
Bitte, Herr Minister.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411513400
Herr Kollege Mommer, die Untersuchungen über die Anbringung von Leitplanken im Mittelstreifen der Bundesstraße 27 zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Ludwigsburg konnten vor kurzem endlich abgeschlossen werden, so daß jetzt über die Art der Ausführung Klarheit besteht. Die Arbeiten selbst wurden inzwischen so weit vorbereitet, daß sie unmittelbar nach Frostaufgang, wahrscheinlich etwa Mitte März, anlaufen können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411513500
Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411513600
Herr Minister, ist nicht durch das Zaudern der Landesstraßenbauverwaltung in Zusammenhang mit dem Problem der Anbringung der Leitplanken eine Verzögerung eingetreten, die jetzt Opfer kostet, Menschenleben kostet?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411513700
Herr Kollege Mommer, Sie wissen, daß wir uns über diese Frage schon wiederholt unterhalten haben und die Landesstraßenbauverwaltung der Auffassung war, daß sie die für die Leitplanken nötigen Pfosten nicht setzen könne wegen der dort verlegten Leitungen. Nun mußte inzwischen von der Landesstraßenbauverwaltung erst erreicht werden, daß sie eine Sonderkonstruktion bekommt, um diese Pfosten trotz der vorhandenen Leitungen ohne diese zu zerstören — einzubauen. Dadurch hat sich die Sache aus technischen Gründen so lange verzögert. Ich bedaure das mit Ihnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411513800
Ich rufe auf aus der Drucksache IV/1936 die Frage des Abgeordneten Dr. Gleissner:
Sind bereits ausreichende konkrete Einzelplanungen vorhanden, um zur wirksamen Entlastung der überfüllten Straßen den Ausbau der Bahnstrecken und eine umfassende Verbesserung der Bundesbahnverhältnisse im Raum südlich von München, insbesondere im Bereich der Ausflugsgebiete und der Fremdenverkehrszone, bald beginnen zu können?
Bitte, Herr Minister.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411513900
Herr Kollege Dr. Gleissner, bereits in der Fragestunde vom 11. Dezember 1963 habe ich Ihnen über die Verkehrsverhältnisse im Raum südlich München, insbesondere im Bereich der Ausflugsgebiete und der Fremdenverkehrszone Ausführungen machen dürfen. Über die bereits damals mitgeteilten und in Aussicht genommenen Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn hinaus sind für die nahe Zukunft, wie mir mitgeteilt worden ist, keine weiteren Einzelplanungen bei der Deutschen Bundesbahn in Bearbeitung. An langfristigen Planungen sind der Bau der Verbindungsbahn in München — und damit eine erhebliche Verkürzung der Reisezeiten durch Zusammenfassung aller Münchener Vorortstrecken —sowie die Traktionsumstellung von Dampf- auf Diesel- bzw. elektrischen Betrieb zu nennen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411514000
Zusatzfrage?




Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0411514100
Herr Minister, teilen Sie nicht die Auffassung, daß die Bundesbahn 'im Raum München und besonders südlich davon einen erheblichen Nachholbedarf hat und daß die Verkehrssituation im Raum München — vor allem im Raum südlich von München —durch die im Straßenbau gegebenen Möglichkeiten niemals ausreichend gemildert werden kann?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411514200
Herr Kollege, die Bundesbahn ist nicht dieser Auffassung. Ich habe ja auf Grund Ihrer damaligen Frage noch einmal ausdrücklich die Bundesbahn veranlaßt, sich dazu zu äußern. Sie hat mitgeteilt, daß sie nach eingehenden Überlegungen keine weiteren Planungen für diesen Raum vorsieht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411514300
Herr Abgeordneter Ertl zu einer Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0411514400
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die Straßenverhältnisse im Süden Münchens, insbesondere am Tegernsee und in Schliersee, jedes Wochenende zu stundenlangen Stauungen führen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411514500
Das ist mir bekannt. Auch auf der Olympiastraße treten diese stundenlangen Stauungen ein. Wir haben überall bei diesen Ausflugsgebieten die große Schwierigkeit, daß bei dem sehr massierten Verkehr, der dann eintritt, natürlich diese Stauungen zu bestimmten Stunden immer eintreten. Das ist aber nicht eine Erscheinung von heute, sondern das ist bei solchen Ausflugsgebieten von Großstädten in der ganzen Welt üblich.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411514600
Eine zweite Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0411514700
Wird bei den zukünftigen Planungen ein Schwerpunkt dahingehend gebildet, daß womöglich der Verkehr in diesen Gebieten flüssiger gestaltet werden kann?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0411514800
Ja, sicher. Sie kennen ja die Planungen. Wir sind jetzt dabei, zunächst von München aus durch den Ausbau der Olympiastraße nach Starnberg und dann durch die Fortführung der Straße bis nach Spatzenhausen eine Erleichterung für diesen ganzen Raum zu bringen, die sich dann erst später in die Verästelungen hinein erstrecken kann. •

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411514900
Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, Frage X/1 — des Abgeordneten Dr. Bechert —:
Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung aus der wissenschaftlich erwiesenen Tatsache zu ziehen, daß aus paraffingetränkten Verpackungen krebserzeugende Stolle — wie Benzpyren — in die so verpackten Lebensmittel, z. B. Milch, eindringen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411515000
Es ist schon jetzt geltendes Bundesrecht, daß nur solche Umhüllungen von Lebensmitteln verwendet werden dürfen, von denen keine gesundheitlich bedenklichen Teile auf die Lebensmittel übergehen. Das ist in § 4 b Nr. 5 des Lebensmittelgesetzes enthalten. Es muß also heute schon wissenschaftlich erwiesen sein, daß übergehende Teile unbedenklich sind. Sonst ist die Verwendung der Umhüllungen verboten. Die Überwachungsbeamten der Länder haben darauf zu achten. Als Maßstab für die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Paraffin können für sie dabei die Reinheitsanforderungen gewertet werden, die in einigen Lebensmittelfremdstoffverordnungen an diesen Stoff gestellt werden. Diese Reinheitsanforderungen sollen in Kürze durch eine Änderungsverordnung noch verschärft werden.
Im übrigen geht heute die Entwicklung dahin, Paraffin bei Verpackungen durch andere festigende Überzugstoffe zu ersetzen. Diese sind nach Mitteilung der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel bereits im Handel und werden in zunehmendem Maße verwendet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411515100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411515200
Frau Ministerin, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß immerhin noch für einen großen Teil des Verpackungsmaterials, z. B. für Milch, Paraffin verwendet wird?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411515300
Für einen kleinen Teil wird es verwendet. Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß nicht alles Paraffin gesundheitsgefährlich ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411515400
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411515500
Frau Ministerin, darf ich darauf aufmerksam machen, daß es wissenschaftliche Ergebnisse sind, von denen ich in meiner ersten Frage sprach, und in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in der Fruchtbehandlungsverordnung vom Ende Dezember 1959 der Überzug mit Paraffin für getrocknete Weinbeeren mit Ausnahme von Korinthen ausdrücklich erlaubt ist?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411515600
Auch diese Bestimmung wird auslaufen; das ist in der Verordnung vorgesehen. Ich sagte Ihnen, daß die Entwicklung dahin geht —und von uns gefördert wird und von den Überwachungsbeamten der Länder durchgesetzt werden muß —, daß Paraffin, soweit es gesundheitlich schädlich oder gefährlich ist, ausgeschaltet wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411515700
Frage X/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert —:
Wie weit sind die Vorbereitungen für ein Garantiezeichen gediehen, welches dem Verbraucher anzeigt, daß ein aus Kunststoff ganz oder teilweise bestehender Bedarfsgegenstand als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden kann?
5228 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode —115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411515800
Ich habe bereits vor einem Jahr angeregt, gesundheitlich unbedenkliche Bedarfsgegenstände aus Kunststoff durch ein leicht verständliches, für den Verbraucher erkennbares Gütezeichen zu kennzeichnen. Diese Anregung ist in den von meinem Hause herausgegebenen Mitteilungen für das Gesundheitswesen vom 16. April 1963 veröffentlicht worden. Es wird zur Zeit darüber verhandelt, daß das Gütezeichen all denjenigen Kunststoffen zugeteilt wird, die vom Bundesgesundheitsamt nach Prüfung in seinen Veröffentlichungen als amtlich empfohlen erklärt werden. Über die technische Durchführung dieser Kennzeichnung unbedenklicher und als gut empfohlener Kunststoffe sind Verhandlungen im Gange. Gerade morgen findet wieder eine Sitzung mit dem Fachnormenausschuß der Kunststoffindustrie statt, an der auch das Bundesgesundheitsamt beteiligt ist. Ich hoffe, daß wir Ihnen bald ein Ergebnis vorlegen können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411515900
Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411516000
Frau Ministerin, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß über das hinaus, was Ihr Ministerium vor kurzem bekanntgegeben hat — daß nämlich die Industrie aufgefordert werden soll oder daß von ihr erwartet wird, daß sie freiwillig das Garantiezeichen anbringt —, eine Vorschrift erwogen und hoffentlich eingeführt wird, daß Garantiezeichen angebracht sein müssen und nur an den Stoffen angebracht sein dürfen, die von der Kommission, von der Sie eben sprachen, für unbedenklich erklärt worden sind?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411516100
Die Unbedenklichkeitserklärung für die Kunststoffe geht vom Bundesgesundheitsamt als einer amtlichen Stelle aus.
Ein gesetzlicher Zwang erscheint mir nicht nötig, wenn sich in den Verhandlungen, die im Augenblick schweben, durchsetzen läßt, daß dieses Gütezeichen freiwillig angebracht wird. In jedem Fall wäre die Anbringung des Gütezeichens, von dem Sie sprechen, an solchen Kunststoffen, die nicht vom Bundesgesundheitsamt empfohlen sind, auch jetzt schon, ohne daß wir ein neues Gesetz machen, verboten und als unlauterer Wettbewerb zu verfolgen.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411516200
Erwägt die Bundesregierung eine Aufklärung der Verbraucher darüber, daß es Gebrauchsgegenstände aus Kunstoff gibt, die den Empfehlungen der Kommission des Bundesgesundheitsamtes nicht entsprechen, die also nicht als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden können, und daß es deshalb im Interesse der Verbraucher liegt, solche Gegenstände, die das Garantiezeichen nicht tragen, nicht zu kaufen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411516300
Wir haben durchaus eine Aufklärung vor, vor allem in der positiven Richtung, indem wir darüber aufklären, daß diejenigen Kunststoffe, die das Gütezeichen tragen, unbedenklich sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411516400
Ich rufe auf die Frage X/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert —:
Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher der wachsenden Gefahr von Salmonellen-Infektionen durch Geflügel, Eier und Eiprodukte Rechnung trägt, etwa durch die zwingende Vorschrift einer tierärztlichen Kontrolle von Schlachtgeflügel und Eiern?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411516500
In einer Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sollen die gesundheitlichen Gesichtspunkte, die beim Handelsverkehr mit frischem Geflügelfleisch zu beachten sind, geregelt werden. Diese Richtlinie wird neben allgemeinen Hygienevorschriften auch eingehende Bestimmungen über die tierärztliche Untersuchung des Schlachtgeflügels und des Geflügelfleisches enthalten. Über die vorgesehene Regelung ist der Bundestag in der Drucksache IV/1808 vom 6. Januar 1964 unterrichtet worden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen kann damit gerechnet werden, daß diese Richtlinie vom Ministerrat noch im ersten Halbjahr 1964 verabschiedet wird.
Darüber hinaus wird in meinem Hause noch im Laufe dieses Monats eine Besprechung mit Verwaltungsbeamten des Bundes und der Länder sowie mit Sachverständigen der Wissenschaft und der Lebensmittelüberwachung unter Hinzuziehung des Bundesgesundheitsamtes stattfinden, um zu klären, ob es richtig ist, weitere lebensmittelrechtliche Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vor salmonellainfiziertem inländischem und ausländischem Geflügelfleisch zu treffen. Hierbei wird insbesondere auch geprüft werden müssen, ob zusätzlich tierseuchenrechtliche Maßnahmen in den deutschen Geflügelbeständen erforderlich sind, um den Gefahren für die menschliche Gesundheit durch salmonellainfiziertes Geflügelfleisch zu begegnen.
Der Gefährdung durch Salmonellen in Eiprodukten wird nach Auffassung der Bundesregierung durch die Verordnung vom Dezember 1956 zum Schutze gegen Infektion durch Erreger der Salmonellagruppe in Eiprodukten ausreichend begegnet. Die zuständigen obersten Landesbehörden haben die Beachtung der Vorschriften dieser Verordnung im Handelsverkehr sicherzustellen. Im norddeutschen Raum sind kürzlich fünf Betriebe wegen des Inverkehrbringens nichtvorbehandelter inländischer Eiprodukte angezeigt worden.
Bei Enteneiern besteht eine ähnliche Gefahr wie bei Eiprodukten. Für sie besteht eine Verordnung seit dem Jahre 1936.
Die von Hühnereiern ausgehende Gefährdung kann demgegenüber nach Auffassung des Bundesgesundheitsamtes nicht als schwerwiegend angesehen werden. Hühnereier sind sehr selten mit Salmonellen behaftet. Maßnahmen gesetzlicher Art sind hier nicht erforderlich, weil durch eine tierärztliche Untersuchung im Rahmen der Lebensmittelüberwachung diese infizierten Eier doch nicht ermittelt werden können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411516600
Zusatzfrage.




Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411516700
Ist es richtig, Frau Ministerin, daß im Raum Weser—Ems von nahezu 3800 untersuchten Hühnerküken fast 15 % mit Salmonellen infiziert waren?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411516800
Ich kann Ihnen Einzelheiten über die Ergebnisse der Überwachung in ganz bestimmten Gebieten natürlich nicht sagen. Ich will der Sache aber gern nachgehen und Ihnen darüber schriftlich Auskunft geben.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0411516900
Trifft es zu — ich stelle diese Frage mit der Bitte, das nachzuprüfen —, daß bei Kontrolluntersuchungen an Entenbeständen über 55 % der Tiere als Salmonellenträger festgestellt wurden und daß bei Kontrollen in Fleischverkaufsstellen, die auch Geflügel feilhielten, in erheblichem Maße Salmonellen gefunden wurden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411517000
Herr Kollege, es ist ja gerade der Sinn der Überprüfung, derartige Schäden festzustellen. Ich will aber den Ursachen der Infektionen, von denen Sie sprechen, gern nachgehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411517100
Ich rufe auf die Frage X/4 — des Herrn Abgeordneten Dröscher —:
Glaubt die Bundesregierung an der Siebenten Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes vom 17. Januar 1958, wonach das Alkohol-Restzucker-Verhältnis auf 4 :1 beschränkt ist, auch weiterhin festhalten zu müssen, obwohl angesichts der Geschmacksentwicklung bei den deutschen Weinverbrauchern und der auf den deutschen Markt gelangenden ausländischen Weine diese Bestimmung vom deutschen Weinbau als benachteiligend empfunden werden muß?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411517200
Die in der Siebenten Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes vorgenommene Festlegung der Alkohol-Zucker-Relation ist zur Erhaltung der Eigenart deutscher Weine erfolgt. Sie wird weder von dem deutschen Weinbau in seiner Gesamtheit noch von den Verbrauchern als Benachteiligung empfunden. Mir ist aber bekannt, daß es innerhalb der deutschen Weinwirtschaft bestimmter Gegenden Bestrebungen gibt, eine Erhöhung des zulässigen Zuckergehaltes zu erreichen. Durch die Vorlage eines Entwurfs zur Neufassung des Weingesetzes erhält der Gesetzgeber demnächst Gelegenheit, die Alkohol-Zucker-Relation im Gesetz selbst festzulegen.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0411517300
Unter der Voraussetzung, Frau Ministerin, daß wir alle wissen, daß es sich hier nicht um gezuckerte Weine, sondern um Restsüße, also um etwas ganz anderes, um etwas Naturreines handelt, möchte ich die Frage an Sie richten, ob Ihnen bekannt ist, daß z. B. von zwanzig, von objektiven Sachverständigen prämiierten Weinen etwa zehn nach den Bestimmungen der Siebenten Verordnung eigentlich nicht zum Verbrauch hätten zugelassen werden können?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411517400
Herr Kollege, diese Bestimmungen bedürfen einer Nachprüfung. Der Referentenentwurf zu dem Weingesetz geht in diesen Tagen an die Beteiligten und die Sachverständigen heraus. Sie werden verstehen, daß ich im Augenblick zu diesen Regelungen für die Bundesregierung nicht abschließend Stellung nehmen kann, da wir ja noch dabei sind, die an der Frage beteiligten und interessierten Kreise zu befragen.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0411517500
Darf ich Ihren Ausführungen die grundsätzliche Meinung entnehmen, daß es erstens notwendig ist, eine Reform vorzunehmen, und daß zweitens der Weinbau und die Weinerzeuger sich natürlich auch nach der Geschmacksentwicklung der Verbraucherschaft richten müssen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0411517600
Sie können mich dahin verstehen, daß für mich die bestehende Relation kein Dogma ist, und Sie können mich weiter dahin verstehen, daß es uns darauf ankommen wird, die Eigenart des deutschen Weines zu wahren.

(Abg. Wehner: Prost!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411517700
Ich weiß nicht, ob der Abgeordnete Dröscher uns noch mehr Geheimnisse der deutschen Weinerzeugung

(Heiterkeit)

enthüllen will, als er schon getan hat; ich möchte fast sagen — nach den Ausführungen, die er gemacht hat —: der deutschen Weinfabrikation.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist damit erledigt.
Ich teile mit, daß eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen worden ist, Punkt 3 der Tagesordnung zu ergänzen durch eine Litera c) : „Förderung des Tabakanbaues" und eine Litera d) : „Struktur- und Preisenquete auf den Märkten land- und ernährungswirtschaftlicher Güter". Das Haus ist wohl einverstanden.
Um das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Minister Dr. Mende gebeten. — Ich nehme an, Sie wollen eine Erklärung für die Regierung abgeben; einen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen, steht nur den Mitgliedern dieses Hauses zu.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0411517800
Ein Wunsch zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat sich in letzter Zeit die Gewohnheit herausgebildet, daß wichtige Tagesordnungspunkte dieses Hauses am Mittwochvormittag behandelt werden, zu einer Zeit, da einem alten Brauch folgend, um 10 Uhr die Bundesregierung zu der ordentlichen Kabinettssitzung zusammentritt. Das hat dazu geführt, daß wichtige Fragen der deutschen, aber auch der internationalen Politik in Abwesenheit der Bundesregierung, allenfalls in Anwesenheit des zuständigen Ressortministers, behandelt wurden.
Hier sind Mißverständnisse nicht nur in der deutschen, sondern auch in der internationalen Öffentlichkeit zu beklagen gewesen, beispielsweise bei der



Bundesminister Dr. Mende
Vorlage des Atomteststoppabkommens in Abwesenheit der Bundesregierung und bei alleiniger Anwesenheit des Bundesministers des Auswärtigen. Auch die jetzt zu verhandelnde Frage, nämlich die Lage der deutschen Landwirtschaft, kann nicht nur eine Angelegenheit des zuständigen Ressortministers sein; sie ist ja wohl eine Sache, die die gesamte Bundesregierung betrifft.

(Beifall bei der FDP.)

Ich glaube daher, Herr Präsident, die Anregung an den Präsidenten, an den Ältestenrat und an das Hohe Haus richten zu sollen, wieder zu der früheren Übung zurückzukehren, entweder die Plenarsitzung erst am Mittwoch nachmittag beginnen zu lassen oder eine andere Lösung zwischen Bundestag und Bundesregierung zu finden, die in Zukunft Mißdeutungen ausschließt.

(Beifall rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411517900
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411518000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß die Bundesregierung sich Gedanken darüber macht, wie man es einrichten kann, daß die Regierungsbank bei wichtigen Beratungen besser besetzt ist. Es ist, so viel ich im Gedächtnis habe, eine Tradition des Hauses seit 1949, daß wir Mittwoch morgens Plenarsitzung haben. Ich weiß nicht, wie alt die Tradition des Kabinetts ist, am Mittwochmorgen Kabinettssitzung abzuhalten. Wir sind uns also einig darüber, daß wir, die Bundesregierung und das Haus, bei wichtigen Beratungen gern beieinander sind. Das ist erfreulich. Ich würde vorschlagen, daß sich der Herr Bundeskanzler mit dem Herrn Präsidenten darüber unterhält, wie man dieses Ziel erreichen kann. Unter vernünftigen Menschen muß es eigentlich möglich sein, sich zu verständigen, obschon bei vielbeschäftigten Leuten manchmal nichts so schwierig ist, wie einen gemeinsamen Termin zu finden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411518100
Das Wort hat der Abgeordnete Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0411518200
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Auch wir begrüßen diese Anregung des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, die soeben — wohl im Auftrag der Bundesregierung — vorgetragen worden ist. Auch wir meinen, daß es das beste wäre, diese Anregung mit dem Präsidium des Hauses und den Vorsitzenden der Fraktionen in einem internen Gespräch zu erörtern. Wir sind von dieser Mitteilung etwas überrascht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411518300
Ich glaube, daß der Ältestenrat es sehr begrüßt hätte, wenn man von diesen Dingen

(Zuruf von der SPD: Vorher!)

zu nützlicher Zeit gesprochen hätte.

(Beifall bei der SPD.)

Man hätte vielleicht schon vor Monaten darüber sprechen können. Dann wären einige Bilder, die durch die Presse gegangen sind, vielleicht nicht so ausgefallen, wie sie ausgefallen sind. Ich bin überzeugt, daß der Ältestenrat sich freuen würde, wenn der Herr Bundeskanzler ihm einmal die Ehre antäte, bei seinen Beratungen zu erscheinen.

(Beifall bei der SPD.)

Dieser Punkt ist wohl damit erledigt, und der Bundestag wartet nun auf die Schritte der Regierung, um hier eine Gemeinsamkeit herbeizuführen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung
b) Beratung der Sammelübersicht 26 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/1891)
c) Beratung der Sammelübersicht 27 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache IV/1902).
Das Wort als Berichterstatterin hat die Frau Abgeordnete Seppi.

Elfriede Seppi (SPD):
Rede ID: ID0411518400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Tätigkeitsbericht des Ausschusses für Petitionen, den ich Ihnen gemäß § 113 Abs. 1 der Bundestagsgeschäftsordnung abzugeben habe, möchte ich an den letzten, in der 97. Sitzung am 15. November 1963 von Herrn Kollegen Böhme (Hildesheim) erstatteten Bericht und die anschließende Aussprache anknüpfen. Aus dieser Debatte könnte der falsche Eindruck entstanden sein, daß die Fachausschüsse des Bundestages bei der Behandlung von Petitionen nicht beteiligt worden seien. Daher möchte ich zunächst ein Wort zur Klarstellung sagen.
Der Petitionsausschuß prüft die Eingaben in erster Linie darauf hin, ob die Verwaltung richtig gehandelt hat. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, die aus der Bevölkerung kommenden Anregungen und die bei der Bearbeitung der Petitionen gewonnenen Erkenntnisse in bezug auf Lücken, Mängel und Härten in den Gesetzen für die Gesetzgebung auszuwerten. Das geschieht in ständiger Übung in der Form, daß Petitionen, welche die laufende Gesetzgebung betreffen, die sich also auf die dem Bundestag zur Beratung vorliegenden Gesetzentwürfe beziehen, den zuständigen Fachausschüssen als Material überwiesen werden, sobald die erste Lesung im Plenum stattgefunden hat.



Frau Seppi
Bei der Verabschiedung des einschlägigen Gesetzentwurfs werden die hierzu eingegangenen Petitionen auf Vorschlag des zuständigen Fachausschusses in der Regel für erledigt erklärt. So wurden die zahlreichen Petitionen zur Verbesserung der Kriegsopferversorgung und zur Rentenerhöhung behandelt. Das gleiche Verfahren wird zur Zeit bei den Petitionen zum Bundesentschädigungsgesetz, zum 17. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz, zum Bundeskindergeldgesetz und zum Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz angewandt.
Auf diese Weise haben 4,3 v. H. aller in dieser Wahlperiode bis zum 31. Dezember 1963 abschließend bearbeiteten Petitionen ihre Erledigung gefunden. Wenn man nur auf diese Eingaben abstellt, für deren Behandlung der Bundestag sachlich zuständig war, ergibt sich sogar ein Satz von 10 %. Das bedeutet eine Fülle von Material für die Beratung der Gesetzentwürfe. Wenngleich auch nicht alle Anregungen und Hinweise berücksichtigt werden können, so haben sie doch zumindest dem Parlament die Meinung des Volkes zu den anstehenden Gesetzen gezeigt. Der Bürger hat auf diese Weise eine echte Möglichkeit, unmittelbar auf die Gesetzgebung einzuwirken. Hierin zeigt sich einmal mehr der demokratische Charakter des Petitionsrechts, wie er in Artikel 17 des Grundgesetzes verankert ist.
Petitionen mit Anregungen zu solchen Gesetzentwürfen, die sich bei der Bundesregierung in Vorbereitung befinden, überweist der Ausschuß in der Regel der Bundesregierung als Material gemäß § 113 Abs. 2 a der Geschäftsordnung.
Die Frage, in welcher Form Petitionen für künftige Gesetzesänderungen und -ergänzungen ausgewertet werden sollen, wenn ein entsprechender Gesetzentwurf weder bei der Bundesregierung noch beim Bundestag vorliegt oder noch nicht bearbeitet wird, hat den Ausschuß wiederholt beschäftigt. Wir sind grundsätzlich der Meinung, daß solche als brauchbar befundene Gesetzesvorschläge nicht der Bundesregierung überwiesen werden, sondern vornehmlich dazu dienen sollten, die Gesetzesinitiative des Bundestags anzuregen, weil er viel eher eine in der Petition vorgeschlagene und für gut befundene Änderung oder Ergänzung des Gesetzes veranlassen kann. Außerdem würde dadurch auch dem Gedanken der Petition an die Volksvertretung besser Rechnung getragen werden.
Die Debatte in der Bundestagssitzung vom 15. November vorigen Jahres hat gezeigt, daß derartige Gesetzesanregungen durch Einbringung interfraktioneller Gesetzesanträge aus dem Petitionsausschuß und vor allem durch die Überweisung an die Bundestagsfraktionen für den Bundestag nutzbar gemacht werden könnten.
Mit Recht ist in der Aussprache vom 15. November vorigen Jahres darauf hingewiesen worden, daß die Ausschüsse kein Recht zur Gesetzesinitiative hätten, daß dieses Recht vielmehr bei den Abgeordneten und bei den Fraktionen liege. Einer solchen Möglichkeit, Petitionen an die Bundestagsfraktionen als Material zu überweisen, steht unseres Erachtens die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht entgegen. Die in § 113 Abs. 2 Buchstaben a bis e enthaltenen Formulierungen zur Erledigung einer Petition sind — wie sich aus den-Worten „in der Regel" ergibt --- nicht zwingend, sondern lediglich beispielhaft; sie lassen daher Raum für andere Erledigungsarten und Formulierungen.
Darüber hinaus sollten beachtenswerte, schwerpunktmäßige grundsätzliche Anliegen auch den zuständigen Fachausschüssen zugeleitet werden; um einem möglichst großen Kreis von Abgeordneten Kenntnis und die Möglichkeit zur Ausübung des Gesetzinitiativrechts zu geben.
Von der Möglichkeit, den Fraktionen Petitionen als Material zu überweisen, sollte unseres Erachtens auch in den Fällen Gebrauch gemacht werden, in denen die Petitionen bereits beim Bundestag eingebrachte, aber noch nicht an die Fachausschüsse überwiesene Gesetzentwürfe betreffen und in denen es den Einsendern vornehmlich um eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens geht. Ich denke hier beispielsweise an die mehr als 200 000 Eingaben der Mitglieder des Deutschen Tonjäger-Verbandes zur Urheberrechtsreform und an die zahlreichen Eingaben zum Reparationsschäden- und zum Beweissicherungsgesetz. Die Fraktionen können am besten darüber entscheiden, welcher Gesetzentwurf besonders eilbedürftig ist. Sie haben dann über ihre Vertreter im Ältestenrat die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, daß der Gesetzentwurf auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Die Ausschüsse des Bundestages sind in den geschilderten Fällen nicht die Adressaten für solche Petitionen. Sie können nicht eher tätig werden, als es ihnen nach der Geschäftsordnung möglich ist.
Zum Abschluß dieser Klarstellung, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen mitteilen, daß der Ausschuß auf Grund dieser Überlegungen entsprechend der Anregung des Herrn amtierenden Präsidenten und den Ausführungen der Fraktionssprecher die im letzten Tätigkeitsbericht genannten Petitionen, soweit sie für den Gesetzgeber erwägenswert sind, den drei Fraktionen zur weiteren Veranlassung und darüber hinaus den zuständigen Fachausschüssen überwiesen hat. Der Ausschuß wird auch künftig bei den ihm wichtig erscheinenden Petitionen entsprechend verfahren.
Ich möchte mich nunmehr dem Berichtszeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1963 zuwenden und bitte Sie, statistische Einzelheiten in der Ihnen als Drucksache IV/1891 vorliegenden Systematischen Übersicht nachzulesen. Das Schwergewicht der Eingaben liegt nach wie vor bei den Sachgebieten Sozialversicherung, Lastenausgleich, allgemeine innere Verwaltung und Kriegsopferversorgung; sie umfassen 46 °/o aller Eingaben, während sich der Rest auf etwa 20 weitere Sachgebiete verteilt.
Im letzten Mündlichen Bericht waren vorzugsweise Anliegen aus dem sozialen Bereich geschildert worden. Heute möchte ich ,deshalb hauptsächlich über Petitionen aus den Sachgebieten Recht und Verwaltung berichten.



Frau Seppi
Auffallend waren mehrere Eingaben von Erzeugern unehelicher Kinder. Im Gegensatz zu dem Verhalten, das bei dem als Kindesvater in Anspruch Genommenen erfahrungsgemäß anzutreffen ist, bekannten sich die Einsender nicht nur zu ihrer Erzeugerschaft und zahlten den Unterhalt regelmäßig, sondern sie waren auch gewillt, eine wirkliche Vater-Kind-Beziehung zu schaffen. Ihre Bemühungen um ein Mitspracherecht bei der Erziehung oder auch nur ein Besuchsrecht scheiterten jedoch an der derzeitigen Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches in den §§ 1705 bis 1718 und insbesondere in § 1598 Abs. 2, der die Anwendung der Verwandtschaftsvorschriften auf uneheliche Kinder ausschließt. Nach den geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches hat der Kindesvater gegenüber dem Kinde nur eine Unterhaltszahlungspflicht, aber keinerlei Rechte.
Der Ausschuß beabsichtigt, diese Eingaben der Bundesregierung, und zwar dem Herrn Bundesjustizministers, als Material zu überweisen, weil das Hauptmotiv der Einsender für die begehrte Gesetzesänderung — Liebe zum Kind und Sorge um dessen spätere Entwicklung — im Hinblick auf den mitunter schlechten Lebenswandel der Mutter durchaus beachtenswert ist und weil die Bundesregierung eine Gesamtreform des Rechtes des unehelichen Kindes vorbereitet.
Mit einer anderen Frage, nämlich der Frage, ob die Zahl der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte nicht zu gering und das entsprechende Zulassungsverfahren nicht reformbedürftig sei, beschäftigte sich der Ausschuß auf Grund einer Eingabe einer Kölner Firma. Nach einer Sitzung im Beisein von Regierungsvertretern, des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Rechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe vertrat der Ausschuß die Meinung, daß das Prinzip des geltenden Zulassungsverfahrens nicht angetastet werden sollte, befürwortete aber im Rahmen des ohne Grundsatzverletzung verbleibenden Spielraums eine großzügigere Handhabung der Zulassungen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Petition mit einer entsprechenden Empfehlung dem Rechtsausschuß als Material überwiesen.
Von anderer Bedeutung sind die Eingaben, bei denen Beamte dienstliche Nachteile für den Fall befürchten, daß der Dienstherr von ihrer Eingabe an das Parlament erfährt. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß auch die Beamten trotz der Besonderheiten ihres Dienst- und Treuverhältnisses gegenüber dem Staat — wie Beachtung der allgemeinen Dienstpflichten, z. B. Einhaltung des Dienstweges, § 171 des Bundesbeamtengesetzes usw. — vom Petitionsrecht des Art. 17 des Grundgesetzes dem Bundestag gegenüber unbeschränkt Gebrauch machen dürfen. Bei reinen dienstlichen Angelegenheiten wird der Einsender jedoch in der Regel zunächst auf den Dienstweg verwiesen, wenn er noch nichtbetreten oder nicht erschöpft ist und wenn hieraus Nachteile für den Einsender nicht zu befürchten sind.
Die Zahl der Eingaben zum öffentlichen Dienstrecht — es waren 1443 in dieser Wahlperiode — spricht dafür, daß den Einsendern das Petitionsrecht vertraut ist. Dennoch bestand Veranlassung, darauf hinzuweisen.
In diesem Zusammenhang sei mir die Anmerkung gestattet, daß auch Soldaten das Petitionsrecht gegenüber dem Bundestag bis auf eine Einschränkung zusteht, die sich aus Art. 17 a Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 4 der Wehrbeschwerdeordnung ergibt. Hiernach sind lediglich gemeinschaftliche Petitionen von Soldaten unzulässig. Dagegen ist das Petitionsrecht des einzelnen Soldaten nicht eingeschränkt. Der Nagold-Komplex wäre möglicherweise im Keime erstickt worden, wenn sich jeder Soldat über die ihm zustehenden Rechte besser im klaren gewesen wäre.
Dennoch haben sich trotz der bestehenden Einrichtungen des Wehrbeauftragten auch in der 4. Wahlperiode Soldaten, und zwar 279, mit Petitionen, die die Bundeswehr betrafen, unmittelbar an den Ausschuß oder an den Bundestag gewandt.
Bei dieser Gelegenheit scheint mir die Eingabe eines Petenten von Bedeutung zu sein, der fordert, daß in allen Unterkünften der Bundeswehr der Text des Art. 1 des Grundgesetzes über den Schutz der Menschenwürde gut sichtbar angebracht wird. Der Ausschuß wird diese Eingabe dem Bundesminister für Verteidigung zur Kenntnis bringen.
Kürzlich schloß sich das Hohe Haus auf Vorschlag des Ausschusses dem Vorbringen einer Petentin an und machte von der stärksten Form Gebrauch, die ihm bei der Erledigung von Petitionen zusteht, indem er die Petition „zur Berücksichtigung" an die Bundesregierung überwies. Hier lag folgender Sachverhalt vor:
Ein Ruhestandsbeamter war während des 2. Weltkrieges wiederum in das Beamtenverhältnis berufen worden, so daß sein Ruhegehalt nach seiner erneuten Zurruhesetzung höher war als zuvor. Die Wiederbeschäftigung durfte bei der Bemessung der Versorgungsbezüge auf Grund der 2. Verordnung zur Sicherung der Währung und der öffentlichen Finanzen vom 20. Oktober 1948 zunächst nicht mehr, sondern erst wieder nach Aufhebung dieser Verordnung durch das Bundesbeamtengesetz und der 2. Novelle zum Gesetz des Art. 131 des Grundgesetzes ab 1. September 1957 berücksichtigt werden, dies allerdings nur auf Antrag und gemäß Art. III Abs. 3 der 2. Novelle zum Gesetz zu Art. 131 vom ersten Tag des Antragsmonats an.
Die über 30jährige gebrechliche Petentin und Beamtenwitwe erfuhr erst vier Jahre später, im Herbst 1961, von dieser Rechtsänderung, weil sie ihr Haus nur selten verlassen konnte und ihre Versorgungsbezüge auf eine Privatbank überwiesen wurden. Sie erhielt die erhöhte Versorgung demnach erst ab 1. Oktober 1961 und begehrt sie nun rückwirkend ab 1. September 1957.
Die Erörterungen im Ausschuß ergaben, daß die zuständige Verwaltung korrekt gehandelt hatte. Sie hatte durch Aushang bei allen Betreuungsstellen auf die Gesetzesänderung hingewiesen und damit



Frau Seppi
ihrer Fürsorgepflicht genügt. Eine Verpflichtung, die Versorgungsempfänger einzeln anzuschreiben, bestand nicht.
Dennoch war der Ausschuß der Meinung, daß es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nur schwer vereinbar sei, wenn auf der einen Seite Versorgungsbezüge generell durch eine Verordnung für alle Betroffenen gekürzt werden und auf der anderen Seite die Aufhebung der Vorschriften nur demjenigen, der sich meldet, und von dem Zeitpunkt ab, zu dem er sich meldet, zugute kommen soll.
Zweifellos ist es sinnvoll und bei der Komplizierung aller Lebenstatbestände auch notwendig, Fristen und Termine in Gesetzen zu bestimmen, deren Außerachtlassung zum Rechtsverlust führt. Andernfalls würde die Arbeit der Verwaltung in einem nicht zu verantwortenden Maße erschwert werden. Im Rahmen aber der bevorstehenden Neuregelungen des öffentlichen Dienstrechtes — etwa bei der Beratung des Schlußgesetzes zu Art. 131 oder bei der Beratung des Dritten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften — sollte nach Ansicht des Ausschusses die Möglichkeit vorgesehen werden, solche offensichtlichen Härtefälle wie die eben geschilderten aus der Welt zu schaffen. Dies könnte beispielsweise durch eine Bestimmung über Nachsichtgewährung geschehen.
Aus mehreren Eingaben, in denen der Deutsche Bundestag ersucht wurde, Befreiungen vom Wehrdienst auszusprechen, ergab sich, daß die Wehrpflichtigen ungenügend über ihre Rechte unterrichtet waren. Er erscheint uns daher angebracht, die Wehrpflichtigen in entsprechender Weise auf ihre Rechte — eventuell schon bei der Erfassung — hinzuweisen. Wir halten es außerdem für zweckmäßig, daß die in Frage kommenden Wehrpflichtigen über den Zeitpunkt informiert werden, zu dem sie als sogenannte letzte Söhne nach § 11 des Wehrpflichtgesetzes auf das Recht zur Befreiung vom Wehrdienst verzichten können.
Wiederholt wird in Eingaben bemängelt, daß nur ein Teil aller Wehrpflichtigen zum Wehrdienst einberufen werde. Zum Ausgleich wird die Einführung einer Wehrsteuer angeregt.
Der Ausschuß konnte sich den Bedenken der Regierung gegen eine solche Steuer auf Grund ungünstiger Erfahrungen in der Vergangenheit nicht anschließen und befürwortet den Plan der Regierung, denjenigen Wehrpflichtigen, die ihren 18monatigen Grundwehrdienst abgeleistet haben, nach ihrer Entlassung und mit Beginn der Steuerpflicht einen Freibetrag im Rahmen der Einkommen- und Lohnsteuervorschriften zu gewähren, etwa analog den Freibeträgen für Vertriebene.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen zum Abschluß noch einen Fall schildere, mit dem sich der Ausschuß zur Zeit beschäftigt.
Die über 70jährige Petentin, die während des „Dritten Reiches" jüdische, durch Verfolgungsmaßnahmen in Not geratene Mitbürger finanziell unterstützte, befindet sich durch den Krieg und seine Folgen nun selbst in Not. Sie erwartet vom Bundestag Hilfe, nachdem ihre Versuche, von den durch sie
Unterstützten oder deren Erben zurückzuverlangen, was sie damals zur Rettung oder Unterstützung ihrer jüdischen Mitbürger gegeben hatte, gescheitert sind. Ein gesetzlicher Ersatzanspruch gegen den Bund steht der Petentin zwar nicht zu. Dennoch wird der Ausschuß in diesem besonders tragischen Fall im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespräsidenten — wie in einem ähnlich gelagerten früheren Fall — nach einer Möglichkeit suchen, einen kleinen Teil dieser unseres Erachtens moralischen Schuld auszugleichen.
Zum Schluß meines Berichts möchte ich Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, nochmals auf die systematische Übersicht in der Ihnen vorliegenden Drucksache IV/1891 über die positive Erledigung von Petitionen unter Abschnitt C Ziffer 1 lenken. Angesichts der schweren Schicksale, der Verbitterung und Hoffnungslosigkeit, die aus manchen Petitionen sprechen, stimmt es zuversichtlich, wenn in fast 10 °/o der zur Beratung im Bundestag geeigneten und sachlich behandelten Petitionen um Abhilfe persönlicher Beschwerden den Anliegen der Einsender entsprochen werden konnte. Deshalb darf ich Sie bitten, den Ihnen als Drucksachen IV/1891 und IV/1902 vorliegenden Sammelübersichten 26 und 27 des Ausschusses für Petitionen Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411518500
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über den Bericht. — Keine Wortmeldungen.
Es liegen zwei Anträge auf den Drucksachen IV/1891 und IV/1902 vor. Wer diesen beiden Anträgen des Ausschusses zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung. Ich nehme an, daß die Punkte a, b, c und d getrennt behandelt werden sollen. Oder wünscht das Haus, daß diese vier Punkte verbunden werden sollen?

(Zuruf.)

— Dann rufe ich auf:
a) Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/1860, zu 1860)

b) Erste Beratung des von der Fraktion der {SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (Drucksache 'IV/1947)

c) Beratung des Antrages der Abgeordneten Stooß, Leicht, Baier (Mosbach), Dr. Artzinger, Bauknecht, Berberich, Seither, Reichmann und Genossen betr. Förderung des Tabakanbaues (Drucksache IV/1943)
d) Beratung des Antrages der Fraktion der SPD
betr. -Struktur- und Preisenquete auf den
Märkten land- und ernährungswirtschaftlicher
Güter (Drucksache IV/1948).
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.




Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0411518600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr als in allen früheren Jahren müssen wir heute die deutsche Agrarpolitik unter europäischen Gesichtspunkten diskutieren. Die Geschichte des Importstopps für Eier hat uns eindringlich vor Augen geführt, wie sehr wir heute bereits der Hoheit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterworfen sind. Schon aus diesem Grunde besteht kein Anlaß, die Ergebnisse des Grünen Berichts zu überschätzen. Ich bin Ihnen, Herr Bundesminister Schwarz, deshalb auch ganz besonders dankbar dafür, daß sie am vergangenen Mittwoch vor diesem Hohen Hause in Ihrem objektiven Bericht und der Wertung der Ergebnisse auch auf diese Zusammenhänge hingewiesen haben. Es wäre in der Tat verhängnisvoll, wenn die weiteren agrarpolitischen Entscheidungen von dem verhältnismäßig günstigen Bild ausgehen würden, das sich im Wirtschaftsjahr 1962/63 geboten hat und das sich im laufenden Jahre fortzusetzen scheint.
Die Ergebnisse des Grünen Berichts sollen gewiß nicht verkleinert werden. Wir dürfen sie sogar guten Gewissens als eine Bestätigung für die Richtigkeit der bisherigen Agrarpolitik zur Kenntnis nehmen. Die Förderungsmaßnahmen des Bundes, die im Laufe der Jahre vor allem im Rahmen der Grünen Pläne getroffen worden sind, beginnen nachweisbar ihre Früchte zu tragen. Das gilt sowohl für die Strukturverbesserung als auch für die Einkommenshilfen, durch die die umfangreichen Investitionen in der Landwirtschaft erst möglich wurden. Ich darf daher der Bundesregierung den Dank der CDU/CSU-Fraktion dafür aussprechen, daß sie dem Hohen Haus im Rahmen des Haushaltsvoranschlages 2,5 Milliarden DM für den Grünen Plan vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dieser Einsatz öffentlicher Mittel ändert jedoch nichts daran, daß das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes noch nicht erreicht ist. Gewiß ist es eine erfreuliche Tatsache, daß der Einkommensabstand zu den gewerblichen Vergleichslöhnen sich 1962/63 gegenüber dem besonders schlechten vorhergehenden Jahr von 38 auf 29 % verringert hat. Gleichzeitig dürfen wir nicht übersehen, daß mit diesem Ergebnis der Durchschnitt der Jahre 1957/58 bis 1960/61 noch nicht wieder erreicht wurde. Während der Einkommensabstand im letzten Berichtsjahr in absoluten Zahlen rund 1850 DM betrug, belief er sich im Durchschnitt der Jahre 1958 bis 1961 auf rund 1450 DM pro Jahr und Arbeitskraft der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung.
Aber im Grunde ist das Bild leider noch etwas ungünstiger. Der Abstand wird nämlich größer, wenn wir die Tatsache berücksichtigen, daß der Investitionsbedarf groß, der Investitionsaufwand demgegenüber 1962/63 wesentlich niedriger war als in den drei vorhergehenden Jahren. Er blieb im Vorjahr um 350 Millionen DM zurück. Nach den Feststellungen unseres Landwirtschaftsministeriums hält diese Entwicklung im laufenden Jahre an. Man schätzt, daß die diesjährigen Investitionen um weitere 200 Millionen DM zurückbleiben werden.
Bei der Bewertung der verbesserten Erträge darf man diese bedenkliche Tatsache sicherlich nicht übersehen. Denn niemand wird bestreiten wollen, daß der landwirtschaftliche Investitionsbedarf unvermindert anhält und sehr groß ist. Der Rückgang muß als ein weiteres Symptom dafür gewertet werden, daß die landwirtschaftliche Ertragslage immer noch nicht im richtigen Verhältnis zu den notwendigen Betriebsausgaben steht. Auch diese Auffassung wird durch den Grünen Bericht belegt.
Selbst die verringerten Investitionsaufwendungen konnten im Durchschnitt der Betriebe nur durch eine entsprechend zunehmende Verschuldung finanziert werden. Die Zunahme des landwirtschaftlichen Fremdkapitals in Höhe rund 1140 Millionen DM unterscheidet sich nur wenig von den Nettoinvestitionen; sie beliefen sich nämlich auf 1180 Millionen DM.
Dabei ist ein Weiteres zu beachten. Wir würden das Opfer eines gefährlichen Trugschlusses, wenn wir bei der Bewertung der verbesserten Ertragslage, vor allem soweit sich die Aussagen darüber auf das laufende Jahr beziehen, nicht den großen Anteil der höheren Preise auf den Viehmärkten berücksichtigen würden. Diese Steigerung der Preise auf den Schweine- und Rindviehmärkten ist nämlich keine Folge der deutschen Agrarpolitik, sie ist auch keine Folge der Agrarpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist allenfalls eine Bestätigung dafür, daß sich innerhalb der Gemeinschaft die allgemeine Wirtschaftskraft zu erhöhen beginnt.
Dennoch ist es vorläufig eine offene Frage, ob sich dieses Preisniveau nachhaltig als stabil erweisen wird. Bei den Schweinen, wo wir die größten Preissteigerungen zu verzeichnen haben, sprechen die letzten Zählungsergebnisse sogar eindeutig dafür, daß man bereits in absehbarer Zeit mit wachsenden Angeboten rechnen kann. Aber auch in der Beurteilung der Rindermärkte scheint äußerste Vorsicht geboten zu sein. Die gegenwärtige Verknappung des Angebots ist zu einem Teil zurückzuführen auf die Verringerung von Aufzucht und Mast infolge der völlig unzureichenden Ertragslage auf diesem Gebiet im zweiten Halbjahr 1962. Außerdem finden die qualitativen Verbesserungen im Angebot durch die anhaltenden Bemühungen unserer Züchter in den besseren Preisen ihren gerechten Lohn.
Die gewichtigste Preisstütze aber dürfte von der steigenden Nachfrage ausgegangen sein. Sie ist besonders stark in Italien, aber auch in Frankreich und der Bundesrepublik ist die Nachfrage gestiegen. Niemand vermag die zukünftige Entwicklung zu beurteilen. Das gilt vor allen Dingen für die Nachbarländer. Wir wissen, wie schwierig die Währungsverhältnisse hier zum Teil sind. Wir werden also den agrarpolitischen Folgerungen aus der gegenwärtigen Lage gerechter, wenn wir die in Zukunft erzielbaren Preise nicht überschätzen.
Dazu kommt der Mansholt-Vorschlag. Seine Verwirklichung würde die Preis- und damit die Ertragsverhältnisse bei uns von Grund auf verschlech-



Struve
tern. Die CDU/CSU-Fraktion ist nicht bereit, diesen gefährlichen Weg zu beschreiten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dieser Vorschlag zu diesem Zeitpunkt war ein schlechter Dienst an Europa. Er bedroht ernsthaft die verheißungsvolle Entwicklung der langsamen organischen und sinnvollen Anpassung in der vom Römischen Vertrag sicher nicht ohne gute Gründe festgelegten Übergangszeit.
Wir freuen uns deshalb, daß Sie, Herr Bundesminister Schwarz, den klaren deutschen Standpunkt in dieser Frage in Brüssel so nachhaltig vertreten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben es auch mit dankbarer Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der Herr Bundeskanzler für 1964/65 eine Senkung des deutschen Getreidepreises ablehnt.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Die CDU/CSU-Fraktion ist gegen eine Angleichung der Getreidepreise, die mit einer Senkung des deutschen Preisniveaus verbunden ist. Sie erwartet, daß die Regierung auch in Zukunft diesen Standpunkt vertritt. Die Kommission in Brüssel läßt allerdings nicht locker, das Getreidepreisniveau anzugleichen. Sie benutzt jede sich bietende Gelegenheit, um für ihren Standpunkt zu werben. Wir meinen dagegen, daß es von den deutschen Verhältnissen her keine einzige zwingende Voraussetzung für die geforderte Beschleunigung gibt. Es ist gegen alle wirtschaftliche Vernunft, einen Preis angleichen zu wollen, solange die Kosten noch so unterschiedlich sind.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Auch die verschiedenen, ja zum Teil sogar gegensätzlichen agrarpolitischen Systeme in den Partnerländern sind ein entscheidendes Hemmnis. Das sollte eigentlich auch Herr Mansholt wissen. Eine Getreidepreissenkung, die gegen diese wirtschaftlichen Tatsachen der Landwirtschaft aufgezwungen wird, kann doch nur Unheil anrichten.
Ich brauche nicht noch einmal darzulegen, daß dieser Schlüsselpreis für die Ertragslage der ganzen landwirtschaftlichen Erzeugung entscheidend ist. Auch das berechtigte amerikanische Bemühen um eine Verminderung der Behinderungen im Welthandel kann diese entscheidenden Bedenken nicht entkräften. Wichtiger als die Höhe der Zollsätze ist unseren amerikanischen Freunden doch zweifellos die verbesserte Absatzchance.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es spricht nichts dagegen, daß sich die günstige Entwicklung, die sich mit größeren Futtermittelimporten aus den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren angebahnt hat, fortsetzt. Die Sicherung dieser Möglichkeiten bietet nach unserer Auffassung größere Chancen für eine Venständigung in der Kennedy-Runde als !der Streit um eine ,schematische Angleichung der Preise.
Ich darf bei dieser 'Gelegenheit dem Herrn Bundeskanzler versichern, daß seine Bemerkungen in dieser Richtung draußen im Lande als außerordentlich beruhigend empfunden worden sind. Unter diesen Umständen halte ich es auch nicht für zweckmäßig, mich in 'diesem Augenblick mit den Brüsseler Berechnungen über die Höhe der Einnahmenausfälle durch einen niedrigen Getreidepreis 'zu beschäftigen. Wir wissen, daß diese Berechnungen umstritten sind. Die Experten unseres Bundesernährungsministers kommen sogar zu dem Ergebnis, daß .die Ausfälle beinahe doppelt so hoch sein würden, wie sie die Brüsseler Zahlen ausweisen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


(die gerechte Verteilung dieser Ausgleichssummen noch nicht einmal die Andeutung eines überzeugendes Rezeptes gilbt, will 'ich nicht weiter eingehen. Diese Unzulänglichkeiten sind für meine Fraktion nur noch ein Grund mehr für die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Mansholt-Vorschläge noch weiter zu 'diskutieren. Dabei sei auch in diesem Zusammenhang ein Wort der Besorgnis darüber erlaubt, daß 'das wichtige Werk der Angleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sich bisher praktisch so einseitig auf die Agrarpolitik beschränkte. In den Verträgen von Rom steht es ganz anders geschrieben. Ich habe mit Genugtuung vermerkt, daß unser Bundeswirtschaftsminister Schmücker diese Unzulänglichkeiten unlängst in Brüssel so deutlich angesprochen hat. Auch in den Pariser Gesprächen unseres Herrn Bundeskanzlers ist in der letzten Woche die Rede davon gewesen. Es ist in der Tat widersinnig, auf dem Teilgebiet der Landwirtschaft die Angleichung vorantreiben zu wollen, solange nichts geschehen ist, um die vom Staate her bedingten Kosten auf einen Nenner zu bringen. Ich denke dabei ebenso an die Steuern wie an die Sozialleistungen oder an die Verkehrstarife. Nehmen Sie bitte als besonders aufschlußreiches Beispiel die sozialen Aufwendungen, die von der französischen Regierung zugunsten der französischen Landwirtschaft gewährt werden. Sie übersteigen die entsprechenden deutschen Zahlen um nicht weniger als 1,6 Milliarden DM. Niemand wird bestreiten können, daß das ein ganz außerordentlicher Kostenvorsprung ist. Auch im Hinblick auf diese Verhältnisse wurde der Mansholt-Plan viel zu früh auf den Tisch gelegt. Schließlich dürfen wir in diesem Zusammenhang auch eine andere außerordentlich wichtige Tatsache nicht aus dem Auge verlieren. Sie alle, meine Damen und Herren, bekunden bei der jährlichen Diskussion des Grünen Planes mit erfreulicher Übereinstimmung immer aufs neue die große Bedeutung der Strukturmaßnahmen. Auf zerstreuten Fluren kann auch der tüchtigste Bauer im Zeitalter des technischen Fortschritts und der noch immer anhaltenden Verringerung der Arbeitskräfte und des ständigen Kostendrucks nicht rentabel wirtschaften. Gesunde strukturelle Verhältnisse sind darum die erste Voraussetzung für eine gesicherte Konkurrenzfähigkeit. Um so nachdenklicher muß es stimmen, daß in einzelnen Gebieten der Bundesrepublik der zügige Struve Fortgang der Strukturverbesserung ins Stocken geraten ist. Die Gefahr droht, daß die Chance der Übergangszeit nicht mehr restlos genutzt werden kann. Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, fällt meines Erachtens nicht schwer. Sie liegt in der engen Wechselwirkung zwischen der Strukturentscheidung des einzelnen Bauern und seinem erzielbaren Einkommen. Dabei legt er nicht nur zugrunde, was er gegenwärtig hat, sondern mehr noch das, was sich für ihn in der Zukunft abzeichnet. Denn jede Strukturentscheidung und damit Investition kostet auf Jahre hinaus, richtiger: auf Jahrzehnte hinaus sehr viel Geld für die Verzinsung und für die Tilgung des aufgenommenen Darlehens. Diese Bürde wird aber niemand auf sich nehmen, der mit rückläufigen Erträgen rechnen muß. Gerade darum aber ist die dauernde und einseitige Diskussion um den zukünftigen Getreidepreis so gefährlich. Dafür, daß gegenwärtig so viel von der Unsicherheit auf dem Lande die Rede ist, sehen Sie bitte auch hierin einen Hauptgrund. Jeder Bauer weiß, daß er erhebliche Anstrengungen unternehmen muß, um in der Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Aber die Unsicherheit infolge der Brüsseler Vorschläge hat eine Unklarheit entstehen lassen, die jede Unternehmenslust zu lähmen droht und auf diese Weise die verheißungsvollen Ansätze auf das gefährlichste durchkreuzt. Man geht sogar im Lande mit dem Vorwurf hausieren, der Landwirtschaft werde nicht die Wahrheit gesagt; im Grunde sei die Entscheidung über diese Verminderung der Getreidepreise in Brüssel schon längst gefallen. Wenn wir uns, meine Damen und Herren, diese durch nichts begründete Auffassung nicht aufzwingen lassen und wenn wir uns nach wie vor mit nur immer größerer Entschlossenheit gegen diese Möglichkeit wehren, dann tun wir das in der festen Überzeugung, daß sich bei einer Verminderung der Getreidepreise die schwerwiegendsten Auswirkungen gerade im 'Hinblick auf die Strukturverbesserung ergeben würden; das aber heißt: genau an der Stelle, an der die Entscheidung über die Lebensfähigkeit zahlreicher Familienbetriebe in der Zukunft fällt. Denn die Strukturverbesserung dient nicht zum wenigsten dem Ziel, die Gesundung der kleineren Betriebe zu fördern. Die Unsicherheit wirkt sich damit also gerade dort schädlich aus, wo — sicher nach unser aller Überzeugung — die ermunternde Hilfe am dringlichsten nötig ist. Statt dessen sollten wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, der entstandenen Unsicherheit mit Maßnahmen zu begegnen, die noch rechtzeitig die negativen Auswirkungen neutralisieren. Das aber kann nur bedeuten, daß wir 'die staatlichen Hilfen für die Strukturverbesserung noch attraktiver machen. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich erlaubt, dem Hohen Hause dazu konkrete Vorschläge zu unterbreiten, und wir 'danken der FDP-Fraktion, daß sie sich hier unseren Ansichten anschließt. Wir halten es für richtig, daß die Richtlinien für die Aussiedlung, 'die Aufstockung und für die Althofsanierung geändert werden, daß der Zinssatz erheblich gesenkt wird und daß wir für den Wirtschaftswegebau mehr tun. Übrigens sind 'dafür im Grünen Plan 20 Millionen DM zusätzlich .ausgewiesen. Das ist sehr zu begrüßen. Aber auch hier müßten wir den Zinssatz eigentlich völlig beseitigen. Auf dieses Problem wird ein Kollege unserer Fraktion noch näher eingehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Wort über den Hofkredit sagen. Der dreiprozentige Hofkredit hat sich ohne Zweifel sehr gut bewährt. Wir werden in unseren Ausschußberatungen auch an Hand von Anträgen auf diese Dinge näher eingehen müssen. .Auf alle Fälle wird es für manchen nicht zu umgehen sein, daß er neben den erheblichen, auf Jahrzehnte laufenden Strukturmaßnahmen und deren Darlehen auch noch auf den zusätzlichen Hofkredit zurückgreifen muß. In vielen Fällen sind schon in .der zurückliegenden Zeit große Verbindlichkeiten entstanden, und das Hohe Haus hat im vergangenen Jahr zum erstenmal im Rahmen des Grünen Plans für diese Kredite Zinsverbilligungsmittel bewilligt. Die ersten Erfahrungen bestätigen unsere Auffassung, daß wir auch diese Richtlinien überprüfen müssen. Wir meinen, daß wir sehr schnell und sehr zügig mit diesem Konsolidierungsprogramm vorankommen müssen; denn ein solcher Entschluß ist die Voraussetzung dafür, daß ,die nachlassende Bereitschaft zur Investition — das bezieht sich vor allem auf die Strukturverbesserung, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften getragen wird — behoben wird. Neben diesen Strukturmaßnahmen kommt den einkommensfördernden Maßnahmen, die allen landwirtschaftlichen Betrieben zugute kommen, die größte Bedeutung zu. Die gewichtigste von ihnen ist neben der Zinsverbilligung die Milchprämie. Um die Auslegung des Brüsseler Beschlusses zu dieser Frage hat es einen unerfreulichen Streit gegeben, und 'unsere Fraktion gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sich hier die Dinge sehr schnell im Sinne der deutschen Vorstellung klären lassen, damit wir auch eine hier entstandene Unsicherheit in der Öffentlichkeit isehr schnell bereinigen. Die Folgen einer Umwandlung insbesondere in die von Mansholt empfohlenen Sozialhilfen wären nämlich nicht auszudenken. Die Bundesregierung darf sich in dieser Frage zu keiner Konzession bereit erklären. Die große Masse der Kuhhalter stellen unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Die Milchwirtschaft ist und bleibt für sie das wirtschaftlich tragende Fundament. Sie würden besonders nachhaltig und nachteilig betroffen, wenn die hier vorgeschlagenen Änderungen eintreten müßten. Eine andere globale Hilfe ist die Dieselölverbilligung. Auch sie bietet noch Möglichkeiten zur weiteren Kostensenkung. Erst wenn der deutsche Preis voll dem der Partnerländer entspricht, wird es Ruhe um diese Frage geben. Die vorgesehene bessere Regelung der Auszahlung, die von der Bundesregierung im letzten Jahr vorgenommen wurde, ist von der Praxis gut aufgenommen worden. In den Nachbarländern färbt man zum Teil den Kraftstoff. Auch wir sollten prüfen, ob wir das ganze Verfahren nicht entsprechend umstellen können. Struve Aber wir dürfen bei diesen globalen Möglichkeiten nicht stehenbleiben. Der immer noch wirksame Mißklang in der Preisund Lohnentwicklung lastet nach wie vor auf der Landwirtschaft. Mit dem dadurch bedingten anhaltenden Kostendruck möchte sie auch aus eigener Kraft fertig werden. Sie tut es, indem sie im großen Durchschnitt der Betriebe jede Chance der verbesserten Wirtschaftlichkeit nutzt. Aber, meine Damen und Herren, die Grenzen sind hier eng gezogen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Landwirtschaft zeigt, daß sich die Preis-KostenSchere immer noch weiter öffnet. Die Unbeständigkeit des Marktes steht in der Landwirtschaft jeder noch so ausgewogenen Kalkulation gegenüber. Darum bleibt es die Aufgabe der Agrarpolitik, hier vor allem immer wieder anzusetzen. Jede Kostenminderung durch den Staat verbessert die ökonomischen Gegebenheiten. Hier ist an erster Stelle der Lastenausgleich zu nennen. Wir kennen die Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang. Aber ohne Zweifel ist der Lastenausgleich eine Benachteiligung für die deutsche Landwirtschaft gegenüber den konkurrierenden Partnerländern in der EWG. Die zweite Möglichkeit ist die Entlastung bei der Grundsteuer. Auch darüber ist in diesem Hohen Hause wiederholt gesprochen worden. Wir sind hier leider noch nicht weitergekommen. Die neue Einheitsbewertung droht vielmehr die Steuerlast der Landwirtschaft zu vergrößern. Ein Blick in die verschiedenen kommunalen Zeitungen läßt erkennen, welche Erwartungen man an die Neubewertung knüpft. Man rechnet mit höheren Erträgen der Grundsteuer, der Einkommensteuer, der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer. Es muß auf alle Fälle vermieden werden, daß zusätzliche steuerliche Lasten entstehen und gleichzeitig die erheblichen Zinsund Tilgungslasten, die infolge der hohen Investitionen bestehen, weiter anwachsen. Das zu vermeiden, ist, wie ich ausführte, unumgänglich. Wir können also nicht auf der einen Seite die Ertragslage unter Preisdruck stagnieren lassen und auf der anderen Seite zusehen und als Hohes Haus dulden, daß die Steuerlasten noch zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft bringen. In diesem Zusammenhang wäre noch einiges über den sozialen Bereich zu sagen. Wir sind übereingekommen, daß zu diesen Dingen — zu denen ja von der SPD-Fraktion ein Gesetzesantrag eingebracht worden ist und begründet werden wird — noch von einem anderen Kollegen speziell Stellung genommen wird. Wir wissen allzugenau, daß alles, was sich heute in der europäischen Agrarpolitik abspielt, auf den deutschen Markt gerichtet ist. Hier bieten sich unseren Partnern die größten Chancen für den Absatz ihrer landwirtschaftlichen Überproduktion. Das bedeutet für die Zukunft mit Sicherheit einen Konkurrenzkampf von wachsender Härte. Wir würden unserer Aufgabe nicht gerecht werden, wenn wir der Landwirtschaft dabei nicht auf jede mögliche Weise unmittelbar helfen würden. Eine solche Hilfe wird übrigens nicht nur der Landwirtschaft zugute kommen. Sie dient ebenso der standortgebundenen Ernährungswirtschaft in der Bundesrepublik, die auf eine ausreichende Rohstoffversorgung zu günstigen Preisen angewiesen ist und sie dient nicht minder dem Verbraucher. Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben es mehr als einmal bewiesen, daß unsere Verbraucher die Zeche bezahlen müssen, wenn das ausländische Angebot die Preise bestimmt. Eine ausreichende deutsche Erzeugung war in der Vergangenheit immer noch auch für unsere Verbraucher der vorteilhafteste Preisregulator. Darum dürfen wir auch das heute so übliche Standortdenken nicht übertreiben. Insbesondere die marktfernen Gebiete brauchen unsere sorgfältige Beobachtung und unsere sorgfältige Pflege um so mehr, als die Landwirtschaft unserer Partner auf dem Gemeinsamen Markt, z. B. die französische und die holländische Landwirtschaft, mit staatlicher Hilfe so schlagkräftig organisiert sind oder noch organisiert werden, daß es bei uns aller Anstrengung bedarf, um gegenüber diesem massiven Druck die deutschen Marktanteile zu behaupten. Die Agrarpolitik hat daraus erfreulicherweise bereits erste Konsequenzen gezogen, indem Starthilfen für die horizontale und vertikale Verbundwirtschaft auf dem landwirtschaftlichen Gebiet gegeben wurden; die Mittel für diese Zwecke sind in dem Vorschlag der Bundesregierung für das laufende Jahr weiter erhöht worden. Wir müssen aber noch einiges mehr tun. Einmal bedürfen die Richtlinien einer noch wirksameren Abstimmung auf die Aufgabe abseits gelegener Erzeugungsräume, damit diese die Möglichkeit haben, in den Zentren der Verbrauchergebiete im ganzen EWG-Raum marktgerecht auftreten zu können. Diese Hilfe muß sowohl bei den Kapitalzuschüssen wie bei den Zinserleichterungen spürbar werden. Man wird sich dabei aber nicht auf reine landwirtschaftliche Unternehmen beschränken dürfen; vielmehr scheint es sich bereits jetzt abzuzeichnen, daß diese landwirtschaftliche Selbsthilfe im Bereiche der Vermarktung und Verarbeitung ihrer Erzeugnisse die Nahtstelle ist, an der sich die landwirtschaftlichen Interessen mit denen des Ernährungshandwerks, des -Handels und der Ernährungsindustrie begegnen. Es scheint, daß das Verständnis dafür wächst, daß auch in diesen Bereichen eine vertrauensvolle Gemeinsamkeit doch zu einem Erfolg führt. Für die Agrarpolitik des Bundes wird es eine sehr dankenswerte Aufgabe sein, diese verheißungsvolle Entwicklung aufzugreifen und sie durch erweiterte Möglichkeiten zu fördern. Ich komme zum Schluß. Die Agrarpolitik war in der Vergangenheit richtig; der Grüne Bericht 1964 hat es erneut bestätigt. Die Grünen Pläne mit einer sinnvollen Abstimmung von Strukturund Einkommenshilfen haben sich bewährt. Es besteht kein Anlaß, aus optischen Gründen den Grünen Plan umzubauen. Die bisherigen Ergebnisse geben uns den Mut, den eingeschlagenen Weg konsequent und zielstrebig weiterzuverfolgen und zu verhindern, daß er durch überstürzte europäische Entscheidungen beeinträchtigt wird. Struve Das Landwirtschaftsgesetz hat weiterhin seine Gültigkeit. Der § 1 verpflichtet uns dazu, auch weiterhin alle Chancen der Wirtschaftspolitik im weitesten Sinne zu nutzen, um dem festgelegten Ziel der Angleichung zwischen den landwirtschaftlichen und den gewerblichen Einkommen so nahe wie möglich zu kommen. Daneben wird die Bundesregierung konsequent alle Chancen ausnutzen müssen, die der Vertrag von Rom ihr in der Übergangszeit läßt. Der Grüne Bericht ist eine unbestrittene Aussage darüber, daß die Agrarpolitik der Vergangenheit eine volkswirtschaftliche Investition war, die sich lohnte; er ist es in diesem Jahr noch mehr als zuvor. Ich möchte nicht unterlassen, an dieser Stelle und in diesem Augenblick allen, die daran mitgewirkt haben, den Dank meiner Fraktion zu sagen. Die CDU/CSU-Fraktion berücksichtigt bei ihrer Agrarpolitik neben den wirtschaftlichen nicht minder die menschlichen Bereiche. Beide hängen unlösbar zusammen. Deshalb wollen wir auch in Zukunft nichts unterlassen, was den bäuerlichen Familienbetrieb ohne Rücksicht auf seine Größe, die je nach den natürlichen Gegebenheiten sehr verschieden sein kann, lebenskräftig erhält. Er ist auch in der Zukunft ein unentbehrlicher Bestandteil unserer freiheitlichen Ordnung. Das Wort hat der 1 Abgeordnete Dr. Schmidt Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht, den uns Bundesminister Schwarz am Aschermittwoch vorgetragen hat, zeigt, daß sich die Lage der Landwirtschaft im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 1961/62 inzwischen wieder verbessert hat. Diese Entwicklung hat vor allem drei Ursachen: erstens zwei gute Ernten — 1962 und 1963 —, zweitens ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Markt, aber auch auf den übrigen westeuropäischen Märkten, und drittens die zunächst durchaus positiven Auswirkungen der ersten Serie der EWG-Marktordnungen, die der deutschen Veredlungswirtschaft einen wesentlich besseren Schutz gegeben haben, als er vorher bestanden hat. Die Verbesserung der Ertragslage ist natürlich erfreulich. Aber es dürfte — um ein inzwischen geflügeltes Wort abzuwandeln — doch etwas außerhalb der Realität liegen, das auf das Wirken der Bundesregierung zurückzuführen; es sei denn, man würde annehmen, daß der Einfluß des Kabinetts sich auch auf das Wetter erstreckt und auf die Kaufkraft in den Nachbarländern. Was das EWG-Abschöpfungssystem betrifft, das zumindest im Prinzip seine Bewährungsprobe bestanden hat, so ist daran zu erinnern, daß die deutsche Delegation in Brüssel und die CDU/CSU mit ihrer Agrarpolitik seinerzeit regelrecht gezwungen wurden, dieses System anzunehmen. Das Konzept, mit dem die deutsche Delegation damals nach Brüssel gereist war, sah ganz anders und für die deutsche Landwirtschaft zweifellos gefährlicher aus. fast in jeder Ausgabe kommt der Verdacht zum Ausdruck, daß hier ein Spiel mit gezinkten Karten im Gange ist. Der Verdacht mag vielleicht in einigen Punkten übertrieben sein, aber die Tatsache, daß die Bundesregierung selbst auf die massivsten Vorwürfe und die vielen Fragen bisher geschwiegen hat, gibt doch zu denken. Das Gefühl des Unbehagens, das allenthalben festzustellen ist, hat aber nicht etwa allein in der landwirtschaftlichen Presse seinen Niederschlag gefunden, sondern sogar in einer Großen Anfrage zweier Fraktionen dieses Hauses, die — und das ist das eigentlich Pikante an der Sache — gemeinsam die Regierungskoalition bilden. Diese Anfrage bezieht sich im wesentlichen auf die jüngsten Brüsseler Beschlüsse, die bekanntlich vor einigen Wochen schon einmal Gegenstand einer Fragestunde waren. Die Auskünfte, die meinen Parteifreunden und mir damals gegeben wurden, waren offenbar auch nach dem Geschmack der übrigen Fraktionen etwas zu dürftig, so daß sich die Koalition entschlossen hat, noch einmal kräftig nachzustoßen. Genauer gesagt gebührt das Verdienst der FDP, die sich — auch das ist nicht ganz uninteressant zu wissen — der Formulierungshilfe von Staatssekretär Hüttebräuker bedient hat. Nun wird wohl niemand, meine Damen und Herren, behaupten können, die Große Anfrage zur EWG-Agrarpolitik sei ein eindeutiges Vertrauensvotum für die Bundesregierung. Was hier in Form von Suggestivfragen gefordert wird, läßt verschiedene Deutungen zu. Entweder man will die Öffentlichkeit wieder einmal darüber täuschen, daß die Dinge nicht sind, wie sie sind — und das wäre verantwortungslos —, oder man will aus tiefer Sorge heraus einen letzten und verzweifelten Versuch unternehmen, den von maßgeblichen Mitgliedern des Kabinetts eingeschlagenen Kurs zu ändern. Ich möchte den Vertretern der Koalition unterstellen, daß die zweite Annahme die richtige ist. Aber das Dr. Schmidt kommt einem Mißtrauensvotum ,gegen die eigene Regierung gleich. Im übrigen dürfte es in Anbetracht der Tatsache, daß ein großer Teil der Fragen in den Fragestunden der letzten drei Wochen behandelt worden ist, nicht schwerfallen, die Große Anfrage hier und heute zu behandeln, es sei denn, daß ich annehmen müßte, die dabei gegebenen Antworten sind nicht Ausdruck der Meinung der Bundesregierung. Ob Ihre Initiative, meine Damen und Herren von der Koalition, freilich den gewünschten Erfolg haben wird, ist zu bezweifeln. Hier wird nämlich im buchstäblichsten Sinne der Versuch unternommen, am Rad der Geschichte zu drehen, d. h. das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Da es sich um ein Thema handelt, das in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan steht, möchte ich mir erlauben, dazu ebenso wie Herr Kollege Struve einige Ausführungen zu machen. Das ganze Unbehagen in der Landwirtschaft, das, wie gesagt, auch in der Anfrage der Koalitionsparteien zum Ausdruck kommt, rührt doch daher, daß sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel in keiner Weise an das von ihr bei jeder Gelegenheit verkündete Konzept gehalten hat, daß sie andererseits nicht bereit gewesen ist, aus der veränderten Lage die Konsequenzen zu ziehen. Was Ihre Hauptsorge, den Getreidepreis, betrifft, so haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, natürlich allen Anlaß, beunruhigt zu sein; denn in den letzten Monaten ist einiges geschehen, was wohl kaum dem Sinn Ihrer Entschließungen zur Selbstberuhigung entspricht, die Sie hier im Hause und in den Ausschüssen am laufenden Band gefaßt haben. Sie fragen natürlich mit Recht, weshalb die Vertreter der Bundesregierung in Brüssel erklärt haben, die Bundesregierung sei zu einer Angleichung der Getreidepreise in einem Zuge bereit. Sie fragen mit Recht, weshalb daran keine Bedingungen geknüpft worden sind, so etwa eine vorherige Kostenharmonisierung oder die Annahme der Preiskriterien oder die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen. Sie müssen auch mit Recht besorgt sein über die Ausführungen von Staatssekretär Lahr, der in Brüssel und in Bonn frank und frei betont hat, die Preisangleichung werde 1966 oder 1967, auf jeden Fall aber vor 1970 kommen. War Herr Lahr vielleicht nicht berechtigt, das zu erklären? Wenn das der Fall sein sollte, warum hat sich die Bundesregierung, Herr Struve, eigentlich nicht davon distanziert? Herr Lahr steht übrigens nicht allein. Die Erklärungen, die der Vertreter des Bundeswirtschaftsministers Schmücker vor einigen Wochen im Wirtschaftsausschuß dieses Hauses abgegeben hat, lagen genau auf der gleichen Linie. Warum, so wird von. der Koalition gefragt, hat die deutsche Delegation in Brüssel in voller Kenntnis der möglichen Folgen und ohne jede Bedingung dem Verhandlungsmandat zur Kennedy-Runde zugestimmt, wonach der Preis künftig zum Steuerungselement der Einfuhr gemacht werden soll? Glauben Sie denn, es nimmt Ihnen noch ein Mensch die Behauptung ab, dieser Grundsatzbeschluß sei kein Angebot einer Senkung der Getreidepreise? Ein weiteres Beispiel: die Milchbeihilfen, von denen Herr Bundesminister Schwarz am Aschermittwoch behauptet hat, sie blieben weiter unangetastet. Ist Ihnen etwa unbekannt, daß sich die Bundesregierung mit ihrer Zustimmung zur Milchmarktordnung ausdrücklich verpflichtet hat, die derzeitigen Milchprämien des Bundes und der Länder schon ab 1966/67 zu senken? Wollen Sie etwa behaupten, die nächste Bundesregierung, die 1966 am Ruder ist, könne es sich leisten, die Empfehlungen, die die Kommission in zwei Jahren zu diesem Punkt geben muß, einfach zu ignorieren? Ist Ihnen etwa unbekannt geblieben, daß der EWG-Milchrichtpreis ab 1. April 1965 als Preisziel auch für uns gilt? Ist Ihnen etwa unbekannt geblieben, daß die lebensmittelrechilichen Vorschriften für Butter bis zum 31. Dezember 1966 verwirklicht sein müssen, und wissen Sie, was das überhaupt bedeutet? Ich darf mir erlauben, den Hintergrund dieser Angelegenheit für die Kollegen, die nicht ganz so sachverständig sind, kurz zu schildern. Nach der Milchmarktordnung müssen bis zum Ende der Übergangszeit die Milcherzeugerpreise ab Hof einander angeglichen werden, ganz gleich, ob sie aus Markterlösen oder aus Subventionen erzielt werden. Der Ministerrat hat nun am 23. Dezember beschlossen, daß die Bundesrepublik und das Großherzogtum Luxemburg ihre Subventionen von 1966/67 an in der Weise umwandeln müssen — ich zitiere jetzt wörtlich —, „daß sich der Übergang zu der Regelung für die Endphase ohne Schwierigkeiten vollzieht". Das heißt mit anderen Worten: Ab 1966 muß Jahr für Jahr ein Stück abgebaut werden, bis schließlich 1969 nur noch ein kleiner Rest übrigbleibt, der eben keine Schwierigkeiten mehr bereitet. Welche Beträge im einzelnen abgebaut werden müssen, ist bis jetzt offengeblieben. Der Ministerrat hat jedoch die Kommission beauftragt, an die Bundesrepublik Deutschland und das Großherzogturn Luxemburg entsprechende Empfehlungen zu richten. Kaum war dieser Beschluß gefaßt — ohne Widerspruch der deutschen Delegation, meine Damen und Herren —, da erklärten Herr Struve und Herr Schwarz, die EWG-Kommission könne so viel empfehlen, wie sie wolle, die Bundesregierung sei nicht gewillt, diesen Empfehlungen nachzukommen. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren von der Koalition, daß das natürlich weder die übrigen Partnerländer noch unsere Bauern abnehmen. Wir sind hier doch schließlich nicht in Czernowitz, wo Kontrakte mit der stillschweigenden Klausel abgeschlossen wurden: Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Vereinbarung auch eingehalten wird. 5240 Deutscher Bundestag — 4. WahLperiode — .115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 Dr. Schmidt Meine Damen und Herren, ein drittes Beispiel. Am 15. Oktober 1963 hat Herr Staatssekretär Hüttebräuker im Auftrage des ganzen Kabinetts in Brüssel erklärt — er hat diese Erklärung sogar schriftlich gegeben —, die deutsche Delegation werde ihre weitere Beteiligung an den Beratungen neuer Marktordnungen davon abhängig machen, daß die Agrarexportländer auf bestimmte Ausfuhrförderungen verzichten. Herr Staatssekretär Hüttebräuker hat hinzugefügt, die Bundesregierung werde der Verabschiedung der Marktordnungen nicht zustimmen — und jetzt wieder ein wörtliches Zitat —, „bevor nicht diese Wettbewerbsverzerrungen nachweisbar beseitigt sind". Inzwischen hat sich herausgestellt, daß alles nur Theaterdonner war. Die deutsche Delegation hat sich an den Beratungen weiterhin beteiligt und hat schließlich Anfang Februar den neuen Marktordnungen zugestimmt und die Durchführungsverordnungen zum Agrarfonds endgültig gebilligt, ohne daß von den Wettbewerbsverzerrungen auch nur mit einem Wort noch die Rede war. Natürlich wird dieses Thema in Kürze in Brüssel wieder aufgegriffen. Aber das Entscheidende ist, daß die deutschen Vertreter dann nicht mehr über ein Druckmittel verfügen, um die Partnerländer zu zwingen, mit gewissen vertragswidrigen Praktiken aufzuhören. Dabei ist die Liste der Wettbewerbsverzerrungen, die die Bundesregierung vordringlich beseitigt wissen wollte, wirklich mehr als bescheiden ausgefallen. Unter anderem hatte sie verlangt, Frankreich und Italien sollten ihre Frachtsubventionen bei Obst und Gemüse aufgeben. Wenn wir in diesen beiden Produktionszweigen im laufenden Jahr 1964 wieder eine gute Ernte haben sollten, werden wir es erleben, daß die Agrarexportländer zu den gleichen Praktiken greifen wie 1963, was um so schlimmer ist, als für eine ganze Reihe von Erzeugnissen der Handelsklasse I nicht mehr auf die Mindestpreise zurückgegriffen werden kann. Wenn der Bundesregierung also an der Beseitigung solcher Verzerrungen nichts liegt, warum hat sie dann durch den Staatssekretär Hüttebräuker solche finsteren Drohungen in Brüssel ausstoßen lassen, frage ich. Ein weiterer Punkt, der ebenfalls auf der Liste des Herrn Hüttebräuker gestanden hat und nachzulesen ist, Herr Struve, war der innergemeinschaftliche Einschleusungspreis für Eier. Wenn wir den Einschleusungspreis in den letzten Wochen gehabt hätten, dann hätte dies zwar den Rückgang der Erzeugerpreise nicht aufgehalten; aber der vom Import ausgehende Druck wäre bei weitem nicht so stark gewesen wie jetzt. Vor allem aber — und das gehört angeblich auch zu den -Hauptanliegen ,der Bundesregierung — wäre den dritten Ländern nicht in dieser Weise der Zugang zu den deutschen Märkten versperrt gewesen, wie es heute der Fall ist. Nach dem Wortlaut der Eiermarktordnung muß die Präferenz der EWG-Länder gegenüber den Drittländern gegenwärtig einige wenige Prozent ausnachen. iStatt dessen beträgt sie 300 bis 500 %. Die Belastung für Eier aus Dänemark und Schweden ist im Augenblick so groß, daß diese beiden Länder ihre Ware gratis abgeben müßten, um mit den EWG-Ländern auf dem deutschen Markt konkurrieren zu können. Meine Damen und Herren, wenn ,das kein Protektionismus ist, möchte ich gern wissen, was die Bundesregierung eigentlich darunter versteht. (Abg. Bauknecht: Wollen Sie noch mehr Eier importieren?)


(Abg. Dr. Barzel: Sehr wichtig!)








(Abg. Bauknecht: Sehr wahr!)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411518700
Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411518800

(Heiterkeit)

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0411518900

(Sehr richtig! bei der SPD)





(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sehr gut!)


(Beifall bei der SPD.)


(Hört! Hört! bei der SPD.)


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


(Hört! Hört! bei der SPD.)

Daß es dazu gekommen ist — jetzt hören Sie gut zu —, ist einzig und allein auf die mangelnde Voraussicht der deutschen Delegationsleitung zurückzuführen, die es seinerzeit, vor ,dem 14. Januar 1962, zweifellos 'in der Hand gehabt hätte, den Einschleusungspreis in die Marktordnung hineinzubringen. Es ist kein Geheimnis, ,daß die zuständigen Beamten aus dem Bundesernährungsministerium auf diesen Mangel hingewiesen haben; aber ihre Warnungen wurden nicht beachtet.

(Hört! Hört bei der SPD.)

Als die Bundesregierung im vergangenen Jahr versuchte, ,den Schaden zu reparieren — es war ein guter Versuch —, war es natürlich zu spät, und die letzte Ratssitzung am 12. Februar 1964 hat gezeigt, daß keine Aussicht mehr besteht, zu Verhältnissen zu kommen, die für die ideutsche Landwirtschaft und die Drittländer tragbar sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411519000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411519100
Bitte sehr!

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0411519200
Herr Kollege Schmidt, wollen Sie und Ihre Fraktion auf eine Beteiligung an der Aussprache über die Große Anfrage verzichten? Ich frage danach, weil es so lange dauert, bis Sie zum Thema kommen.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411519300
Keineswegs, ich spreche zum Thema; das gleiche hatte Herr Struve getan. Heute früh, Herr Kollege Effertz, habe ich gerade erfahren, daß der Bundeskanzler außerordentlich ungehalten über die Große Anfrage sei und daß die Aussprache hier im Bundestag auf Ende April verschoben werden soll.

(Hört! Hört! bei der SPD.) Was sagen Sie dazu?


(Beifall bei der SPD. — Abg. Struve: Woher stammt diese Information? Sie wissen mehr als alle anderen!)

— Herr Struve, ich weiß oft mehr; Sie müssen mehr
hören und mehr lesen, dann wissen Sie auch mehr!

(Heiterkeit.)

Als die Bundesregierung im vergangenen Jahr versuchte, den Schaden zu reparieren, war es natürlich zu spät, und in der letzten Ratssitzung war daran nichts mehr zu ändern. Bei dieser deutschen Verhandlungsführung darf man gespannt sein, was



Dr. Schmidt (Gellersen)

bei den neuen Marktordnungen herauskommen wird.

(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

Inzwischen sind zur Rindermarktordnung, Herr Kollege Effertz, gewisse Bedenken laut geworden — lesen Sie es mal genau nach —, die alles andere als beruhigend für die deutsche Rinderproduktion sind.
Diese Beispiele ließen sich beliebig erweitern. Warum hat die Bundesregierung nicht darauf gedrungen, .daß mit den neun Marktordnungen auch gleichzeitig die sogenannten Preiskriterien verabschiedet würden, jene Kriterien, die nicht nur bei Getreide, sondern auch bei Milch und Rindfleisch eine wesentliche Rolle spielen? Warum hat sie so großen Wert auf die sogenannte Formel 39/110 gelegt? Im Ausschuß haben die Kollegen der CDU und FDP sich sehr darüber erregt, weil ihnen anscheinend entgangen war, was der Bundeskanzler vor einiger Zeit in diesem Hause dazu gesagt hat und worauf die Bundesregierung besonders stolz war und ist.

(Zuruf des Abg. Bauknecht.)

— Wenn die Bundesregierung, wie sie vorgibt, das deutsche Preisniveau mit allen Mitteln verteidigen will, Herr Bauknecht, warum hat sie dann nicht verlangt, daß in allen Marktordnungen ein Hinweis auf Art. 43 Abs. 3 a des EWG-Vertrages eingefügt wird, um den deutschen Erzeugern gleichwertige Sicherungen für die Lebenshaltung zu geben? Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich dabei betonen, daß es sich hier nicht um eine Forderung der Sozialdemokraten handelt, sondern um eine Forderung des Deutschen Bauernverbandes, vorgetragen von Präsident Rehwinkel auf dem Deutschen Bauerntag in Hamburg.
Eine weitere Frage: Warum hat die Bundesregierung nicht darauf bestanden, daß die übrigen Partnerländer verpflichtet werden, vor dem Inkrafttreten neuer Agrarverordnungen zunächst einmal die bestehenden Marktordnungen buchstabengetreu anzuwenden? Wenn sie das getan hätte, wäre Frankreich wahrscheinlich schon in diesem Jahr gezwungen gewesen, seine Getreidepreise zu regionalisieren und das derzeitige System der permanenten Intervention aufzugeben. Das wiederum hätte zur Folge gehabt, daß der französische Richtpreis um 30 DM je Tonne hätte angehoben werden müssen, und damit hätte sich die Basis für den Mansholtplan ganz erheblich geändert. Denn der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Richtpreis wäre damit erheblich zusammengeschrumpft.
Was ist eigentlich aus dem ganzen Verhandlungspaket geworden, mit dem die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres in Brüssel operieren wollte, — ein Paket, das nicht einmal als Päckchen bezeichnet werden konnte? Die Reste sind ein kümmerlicher Fetzen Papier. Da konnte in der Tat de Gaulle seinen Dank an die Bundesregierung aussprechen, was sogar die hartnäckigsten Festhalter und Vernebler aufgeschreckt hat.
Mit diesen vorhin angeführten Beispielen soll keineswegs gesagt werden, daß die Bundesregierung auf allen diesen Forderungen, die in den verschiedenen Stadien der Verhandlung aufgestellt worden sind, bis zur äußersten Konsequenz hätte bestehen sollen. Wir alle wissen, daß bei internationalen Verhandlungen und erst recht bei den Verhandlungen in Brüssel Kompromisse notwendig sind. Auch die Landwirtschaft weiß das, und sie ist bereit, das in !Rechnung zu stellen. Aber sie hat kein Verständnis dafür, daß solche Kompromisse von der Bundesregierung und von der Koalition post festum entweder abgestritten oder ignoriert werden. Jeder, der die Entwicklung verfolgt hat, wird bestätigen können, daß wir in der Frage der Wettbewerbsverzerrungen keinen Schritt weitergekommen sind, und für jeden, der die Zusammenhänge kennt, kann kein Zweifel mehr bestehen, daß die Bundesregierung in der Frage der Getreidepreise und der Milcherlöse in den letzten Monaten freigiebig eine ganze Reihe von Wechseln ausgestellt hat, die spätestens nach den nächsten Wahlen eingelöst werden müssen. Wenn es dem kommenden Kabinett gelingt, noch eine Verlängerung um ein bis zwei Jahre durchzusetzen, dann ist schon sehr viel erreicht.
Ich möchte es mir im Augenblick versagen, auf die Gründe einzugehen, die die Bundesregierung veranlaßt haben, so und nicht anders zu handeln. Im Augenblick geht es nur um die Tatsache, daß der Abstand — die Disparität, wenn Sie so wollen — zwischen dem, was von der Bundesregierung und von der Koalition als agrarpolitisches Konzept ausgegeben wird, und der Realität mittlerweile so groß geworden ist, daß es einfach länger nicht mehr zu übersehen ist.
Sie müssen sich vor Augen halten, was am 14. Januar 1962 und am 4./5. Februar 1963 geschehen ist: Der Ministerrat hat insgesamt neun Marktordnungen verabschiedet, die mit Ausnahme von Zucker, Kartoffeln und Gartenbauprodukten die gesamte landwirtschaftliche Produktion umfassen. Diese Marktordnungen sorgen dafür, daß sich der Wettbewerb von Jahr zu Jahr verschärft. Denken Sie beispielsweise bei Obst und Gemüse an die stufenweise Liberalisierung, denken Sie an den schrittweisen Abbau des sogenannten Nichtfutterteils der Abschöpfungen für Veredelungserzeugnisse und an die Angleichung des Veredelungskoeffizienten! Denken Sie an die fortlaufende Erhöhung der Weinkontingente, an den Wegfall der Mengensteuerung bei Milchprodukten und Rindfleisch und an all die zahlreichen Automatismen, die in den neuen Regelungen enthalten sind! Das geht alles im vorgesehenen Rhythmus weiter, ganz unabhängig von der Preisangleichung. Der europäische Zug ist abgefahren und wird nicht von Herrn Struve aufzuhalten sein, der hier vor einigen Monaten erklärt hat, er wolle notfalls den EWG-Vertrag ändern.
Wir Abgeordneten müssen uns doch nun wirklich darüber im klaren sein, welche Einflußmöglichkeiten wir noch besitzen. Wir haben beispielsweise die Bundesregierung im vergangenen Jahre aufgefordert, sie solle die Senkung des Nichtfutterteils der Abschöpfung bei Veredlungsprodukten so lange nicht mitmachen, bis die Partnerländer auf gewisse Wettbewerbsverfälschungen verzichtet haben. Als



Dr. Schmidt (Gellersen)

über diese Sache abgestimmt wurde, war ich mir völlig bewußt, daß sich die Bundesregierung nicht daran halten wird, nicht nur, weil sie nicht dazu bereit gewesen wäre, sondern weil wir von ihr etwas verlangt haben, was sie im Grunde genommen gar nicht erfüllen konnte. Und bei unseren Wünschen für die Braugerste, meine Damen und Herren von der CSU, ist es das gleiche. Wenn man auf diese Weise weitermacht und so tut, als seien wir in den Fragen der Agrarpolitik noch souverän, geraten wir zwangsläufig immer mehr in eine Sackgasse.
Diesem Parlament — und damit möchte ich nicht nur, aber doch in erster Linie die Koalition ansprechen - bleiben nur zwei Möglichkeiten übrig, erstens: die Bundesregierung zu veranlassen, in Brüssel eine andere Taktik einzuschlagen, und zweitens, die ihr noch verbleibenden agrarpolitischen Instrumente mit aller Energie und allen Konsequenzen zu nutzen.
Sie dürfen nicht vergessen, meine Damen und Herren, daß wir bereits die Hälfte der Übergangszeit hinter uns haben und daß die zweite Hälfte noch rascher vorbei sein wird, vor allem dann, wenn sich der Ministerrat zu einer erneuten Verkürzung entschließt; und das halte ich auf Grund der politischen Entwicklung in Europa keineswegs für ausgeschlossen.
Herr Bundesminister Schwarz hat am Aschermittwoch ziemlich ausführlich davon gesprochen, die Bundesregierung brauche keine neue Leitidee der Agrarpolitik, die alte reiche völlig aus. Als ob es uns hier um neue Leitideen, also um Grundsatzformeln ginge, die von jedermann unterschrieben werden können! Das, was not tut, sind nicht Leitideen, sondern neue Ideen für neue Maßnahmen. Aber genau das ist es, was nicht in das Konzept der Bundesregierung paßt. Denn der Entschluß, auf einen neuen Kurs zu gehen, würde das Eingeständnis voraussetzen, daß sich durch die EWG inzwischen allerlei geändert hat und daß sich in Zukunft noch sehr viel mehr ändern wird. Aber eben das will man nicht zugeben, sondern man tut so, als säße man auf einer Insel und könne idem Strom der Ereignisse beschaulich zusehen. In Wirklichkeit steckt die deutsche Agrarpolitik bis zum Halse im Wasser und muß sich nun endlich und wirklich auf das Schwimmen besinnen.
Es bestehe keine Veranlassung, von der derzeitigen agrarpolitischen Grundkonzeption abzuweichen, hat der Bundesminister Schwarz in seiner Neujahrsansprache an die deutsche Landwirtschaft erklärt. Eine Woche später hat Staatspräsident de Gaulle der Bundesregierung dafür gedankt, daß sie als Beweis der europäischen Solidarität von allen sechs Partnerländern die größten Opfer und die größten Umstellungen des Wirtschaftssystems auf sich genommen habe.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wer bezahlt denn diese Opfer und diese Umstellungen, wenn nicht die deutsche Landwirtschaft? Verlassen Sie sich darauf: die Landwirtschaft wird das
teuer bezahlen, wenn es bei diesem gegenwärtigen Kurse bleibt!
Der Grüne Plan und die Aschermittwochrede des Herrn Bundesernährungsministers haben in keiner Weise erkennen lassen, daß man bereit ist, sich auf die Gegebenheiten einzustellen. Das ist um so erstaunlicher, als der Grüne Bericht an vielen Stellen sehr wertvolle Hinweise darauf gibt, wo der Hebel mit Erfolg angesetzt werden könnte. Das ist schon aus dem ersten Kapitel zu entnehmen, wo in sehr eindrucksvoller Weise gezeigt wird, daß sich der strukturelle Wandlungsprozeß in den letzten Jahren erheblich beschleunigt hat. In einem Jahr ist die Zahl der Betriebseinheiten um 49 000 zurückgegangen, und zwar ausschließlich durch die Auflösung von Kleinbetrieben unter 10 ha. Diese Entwicklung wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen; denn die sehr ungünstige Alterspyramide läßt darauf schließen, daß die Zahl der auslaufenden Betriebe weiter zunimmt.
Es ist mir nicht ganz klargeworden, weshalb Bundesminister Schwarz in diesem Zusammenhang jetzt schon — ich unterstreiche: jetzt schon — von einer alarmierenden Entwicklung gesprochen hat. Nicht nur Beobachtungen der Praxis, sondern auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen nämlich, daß im Gegensatz zu den ersten Nachkriegsjahren eine ausgesprochene Landflucht nicht mehr stattfindet. Nicht mehr die aktiven Kräfte wandern ab — ich meine die Landarbeiter und die mithelfenden Familienangehörigen, die in der gewerblichen Wirtschaft nur als Hilfsarbeiter unterkommen können —, sondern die überzählige Jugend. Die Statistiken lassen den Schluß zu, daß in der Landwirtschaft heute viele Eltern auf eine Beschäftigung ihrer Kinder auf dem Hof verzichten und ihnen stattdessen eine Berufsausbildung ermöglichen, die ihnen später ein ausreichendes Einkommen sichert. Das ist alles andere als alarmierend. Das ist sogar begrüßenswert, vernünftig und von den Eltern verantwortungsbewußt, und es fragt sich, ob diese Entwicklung nicht dort, wo es angebracht ist, besonders zu fördern wäre, z. B. durch Ausbildungsbeihilfen und andere soziale Maßnahmen zugunsten der älteren Landwirte. Solche Hilfen wären nicht nur ein Gebot der sozialen Verpflichtung des Staates, sondern sie könnten auch sehr zur Verbesserung der Verhältnisse in unseren Dörfern beitragen.
Es gehört zu den Binsenwahrheiten, meine Damen und Herren, die bisher von der Bundesregierung ignoriert worden sind, daß dort, wo aufgestockt werden soll, auch abgestockt werden kann und muß. Das legt die Frage nahe, ob man nicht durch eine zusätzliche Altersrente eine große Zahl von älteren Kleinbauern, die ohne Erben sind, veranlassen könnte, sich schon zu Lebzeiten von ihrem Lande zu trennen, sei es durch Verkauf an Nachbarn oder an Siedlungsgesellschaften, sei es durch eine langfristige Verpachtung. In diesem Zusammenhang wäre noch an eine ganze Reihe von weiteren Steuerungsmöglichkeiten zu denken, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Tatsache ist jedenfalls, daß eine bessere soziale Sicherung in der Landwirtschaft in sehr entscheidendem Maße dazu beitragen könnte,



Dr. Schmidt (Gellersen)

die Strukturverbesserung zu beschleunigen. Ich bedauere es deshalb außerordentlich, daß ausgerechnet der Herr Bundeskanzler gegen den Vorschlag Einspruch erhoben hat, daß die sozialen Maßnahmen in einem besonderen Teil des Grünen Plans zusammengefaßt werden.
Von einer phantasievollen, geschlossenen Agrarpolitik, von der in der Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 die Rede war, ist in dem vorliegenden Grünen Plan nichts zu spüren,

(Beifall bei der SPD)

am allerwenigsten im agrarstrukturellen Teil. Nach den neuesten Unterlagen ist die Zahl der Aussiedlungen im Jahre 1963 gegenüber 1962 um 37 % auf 1600 zurückgegangen, und die Kosten der Aussiedlung sind in der gleichen Zeit um fast 9 % auf mehr als 193 000 DM angestiegen. Wenn Sie sich vor Augen halten, daß wir nach vorsichtigen Schätzungen noch etwa 150 000 bis 200 000 Betriebe aussiedeln müssen, kommen Sie bei den heutigen Preisverhältnissen auf einen Gesamtbetrag von 300 bis 400 Milliarden DM. Das sind Größenordnungen, die schon utopisch anmuten. Aber selbst wenn es sich nur um 50 000 Betriebe handeln sollte, ist die Aufgabe, die vor uns steht, immer noch groß genug.
Angesichts der Preisentwicklung auf dem Baumarkt ist die Frage angebracht, weshalb es die Bundesregierung nicht für notwendig gehalten hat, die Fertigbauweise in der Landwirtschaft so zu unterstützen, daß Wirtschaftsgebäude gewissermaßen am Fließband erzeugt werden können. Abgesehen von den Verbilligungsmöglichkeiten wäre es mit der Serienfabrikation von Wirtschaftsgebäuden möglich, das Aussiedlungsergebnis bedeutend zu erhöhen.
Nicht anders ist es bei den Wohngebäuden. Die Siedlungsgesellschaften werden Ihnen bestätigen, daß eine Landarbeiterstelle um 17 % billiger errichtet werden könnte, wenn sich die Bundesregierung dazu bereit fände, die Einfuhren von Fertigbauteilen aus Skandinavien von der Belastung durch Zoll und Umsatzausgleichsteuer zu befreien. Sie werden die Landwirtschaft kaum davon überzeugen können, daß diese Einfuhrbelastung gerechtfertigt ist.
Schließlich ist nicht einzusehen, warum der Zoll immer nur für Schweine und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse gesenkt werden muß, nicht dagegen für landwirtschaftliche Betriebsmittel. Aber ganz unabhängig von der Aussiedlung ist der Investitionsbedarf der Landwirtschaft auf dem Bausektor jetzt und in Zukunft außerordentlich hoch. Das weiß natürlich auch die Bundesregierung. Und was hat sie bisher dafür getan? Im Grünen Plan werden Sie vergeblich danach suchen. Im Grünen Bericht wird an einer Stelle darauf hingewiesen, daß die Flurbereinigung, Aufstockungen und Aussiedlung — ich zitiere jetzt wörtlich — „noch über längere Zeit fortgeführt werden müssen, um die wichtigsten Aufgaben auf diesem Gebiet abzuschließen". Das ist zweifellos richtig, besagt aber im Grunde gar nichts.
Denn um die Dinge in den Griff zu bekommen, um abschätzen zu können, wo nun eigentlich die Schwerpunkte liegen, wo zuerst der Hebel angesetzt werden muß, um sich eine Vorstellung davon zu machen, welche Zeit und welche Mittel benötigt werden, müßte ein langfristiger Strukturplan entwickelt werden. Einen solchen Plan hat die Bundesregierung aber nicht, und es scheint fast so, als ob sie darauf auch gar keinen Wert lege. Daß sie über geringere Möglichkeiten verfügt, sich die notwendigen Unterlagen zu beschaffen, als beispielsweise die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wird sie doch kaum behaupten wollen.
In seiner Aschermittwochrede hat der Bundesernährungsminister mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die stärkste Erhöhung einzelner Positionen des Grünen Plans bei der Förderung der horizontalen und der vertikalen Verbundwirtschaft zu verzeichnen sei. So begrüßenswert die leider sehr verspätete Aktivität der Bundesregierung ist, sosehr muß bezweifelt werden, daß die finanziellen Hilfen auf diesem Gebiet ausreichen, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gegenüber den übrigen EWG-Ländern zu sichern.
Der Bundesregierung ist das natürlich nicht unbekannt. In dem Kapitel „Betriebswirtschaftliche Probleme des Grünen Berichts" wird beispielsweise darauf aufmerksam gemacht, daß die Agrarexportländer — ich zitiere wieder - „über gut ausgebaute Absatzorganisationen verfügen, die neben einer besseren Technik in der Veredelungswirtschaft einen Vorsprung vor den deutschen Betrieben darstellen". Diese Feststellung kann man in vollem Umfang unterstreichen. Leider haben es aber die Verfasser des Grünen Berichts — offensichtlich auf politische Weisungen hin — unterlassen, darauf hinzuweisen, worauf denn eigentlich dieser Vorsprung beruht. Er beruht nämlich auf entsprechenden Gesetzen und Verordnungen, die es den Erzeugern in den Nachbarländern ermöglichen, sich zu schlagkräftigen Marktverbänden zusammenzuschließen.
Auf die Frage eines Journalisten auf einer Pressekonferenz, weshalb man diese Voraussetzungen nicht auch in der Bundesrepublik schaffen könne, hat der Herr Ernährungsminister Schwarz im vergangenen Jahre erklärt, das sei nicht möglich, das verbiete die Verfassung. Diese Auskunft ist erstens falsch und zweitens unlogisch. Der Herr Bundesminister wird doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß das, was in anderen Ländern möglich ist, bei uns mit den Prinzipien der Demokratie nicht zu vereinbaren sei. Ist etwa Holland kein demokratischer Staat, weil es dort Produktschaften gibt? Ist die Errichtung des englischen Eiermarktamts vielleicht ein Verstoß gegen die demokratischen Grundsätze? Und ist der Zusammenschluß der dänischen Molkereien zu einem genossenschaftlichen Kartell der erste Schritt zur Diktatur?
Aber selbst wenn die Auskunft des Herrn Bundesernährungsministers richtig sein sollte — meiner Ansicht nach war sie nichts anderes als eine bequeme Ausrede —, wäre das noch immer kein



Dr. Schmidt (Gellersen)

Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Schließlich hat die Bundesregierung auch nicht gezögert, bei der Durchführung des EWG-Vertrages gewisse Verfassungsprinzipien über Bord zu werfen. Wenn sie es beispielsweise mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung ernst nähme, dürfte sie sich nicht in der Weise über die Begründungen des Bundestages in Fragen der europäischen Agrarpolitik hinwegsetzen, wie sie es laufend tut.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411519400
Wenn die Absatzeinrichtungen, die in einigen EWG-Ländern schon bestehen und in anderen aufgebaut werden, mit dem EWG-Vertrag vereinbar sind, dann muß man der deutschen Landwirtschaft die gleichen Möglichkeiten geben, oder man mutet ihr eine auf die Dauer untragbare Wettbewerbsverzerrung zu.

(Beifall bei der SPD.)

Sind diese ausländischen Einrichtungen nicht mit dem EWG-Vertrag vereinbar, dann muß die Bundesregierung für ihre Abschaffung sorgen. Das eine oder das andere muß sie aber tun.
Im letzten Teil seiner Aschermittwochrede hat der Herr Bundesernährungsminister erklärt, wir — da meinte er offensichtlich die Bundesregierung — müßten uns in verstärkter Weise um die Kostenangleichung in der EWG bemühen. Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Die EWG-Kommission hat dieser Tage ein Memorandum vorgelegt — meine Damen und Herren von der Koalition, bitte lesen Sie auch das einmal —, aus dern hervorgeht, daß die Betriebsmittelpreise in der Bundesrepublik fast durchweg an erster Stelle stehen. Das gilt beispielsweise für Dieselkraftstoff, für Schlepper in den höheren Leistungsklassen und auch für eine ganze Reihe von Düngemitteln, wenn man dabei den Wegfall der Düngemittelprämien berücksichtigt. Absolut am höchsten sind auch die Kreditkosten, und zwar einschließlich der staatlichen Zinsverbilligungsmittel. Was gedenkt die Bundesregierung auf diesem Gebiet zu tun? Wenn sie abwarten will, bis sich die übrigen Länder unserem Niveau angepaßt haben, wird sie wahrscheinlich mehr Geduld aufbringen müssen, als die deutsche Landwirtschaft aufzubringen bereit ist.
Die wohl bedeutendste Wettbewerbsverzerrung aber besteht auf dem Gebiet der sozialen Hilfen. Das schon erwähnte Memorandum der Kommission weist nämlich nach, daß die Bundesrepublik bei den Sozialleistungen zugunsten der Betriebsinhaber und der mithelfenden Familienangehörigen an letzter Stelle steht. Leider ist die Aufstellung nicht ganz vollständig und entspricht auch nicht dem letzten Stand. Aber in der Größenordnung ist es sicherlich richtig, daß bei den sozialen Leistungen je landwirtschaftlichen Erwerbstätigen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik ein Verhältnis von 5 zu 1 besteht. Als ich Herrn Bundesminister Schwarz vor einigen Wochen in der Fragestunde darauf ansprach,
erklärte er, es unterliege wohl keinem Zweifel, daß die bisher getroffenen Maßnahmen — die er überraschenderweise als Fortschritte bezeichnete — in Zukunft weiter ausgebaut werden müßten. In dem vorliegenden Grünen Plan findet man allerdings auch nicht die Spur eines Hinweises, was sich die Bundesregierung darunter eigentlich vorstellt. Wir dürfen also sicher sein: bis auf weiteres wird auf diesem Gebiet von der Bundesregierung nichts geschehen.
Selbstverständlich wäre die derzeitige Bundesregierung überfordert, wenn man ihr zumuten wollte, sich den landwirtschaftlichen Sozialplan meiner Partei einmal genauer anzusehen. Aber vielleicht bringt der Herr Minister gelegentlich einmal die Zeit auf, sich das Sozialprogramm des Deutschen Bauernverbandes anzusehen, das unserem Programm zumindest nahekommt und das, wie ich weiß, unter Mitwirkung von bekannten landwirtschaftlichen Abgeordneten der Koalitionsparteien zustande gekommen ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zusammenfassen. Herr Bundesminister Schwarz hat am 26. Juni vergangenen Jahres das agrarpolitische Konzept der Bundesregierung mit folgenden Worten umrissen. Wir wollen
... an dem festhalten, was wir haben, und ... nicht ... daran rütteln lassen, bevor wir nicht ... die Gewähr haben, daß unserer Landwirtschaft dadurch kein Schaden entsteht.
Ich glaube, es bedarf nicht noch besonderer Hinweise, daß das, was in Brüssel bereits entschieden worden ist, mehr als ein Rütteln ist. Auch die letzte große Entscheidung, die Entscheidung über die Agrarpreise, wird auf uns zukommen, und die Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß dies schneller der Fall sein wird, als es die Koalition wahrhaben will. In dieser Situation einfach die Augen zu schließen und so zu tun, als hätte man noch unbeschränkte Zeit, um sich auf die neue Entwicklung einzustellen, ist schlechthin unverantwortlich. Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht noch mehr an Boden verlieren, als wir bereits verloren haben.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411519500
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0411519600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser Fasten- und Bußpredigt nehme ich an, daß unser Herr Bundesminister eingehende Gewissenserforschung betreibt. Wir werden bei der Beantwortung der Großen Anfragen der Koalitionsfraktionen Gelegenheit haben, den Dialog auf diesem Gebiet fortzusetzen, und wir wünschen es auch.

(Zurufe von der SPD: Hoffentlich!)

Insoweit fassen wir den Beitrag des Kollegen Schmidt als einen ausgesprochen konstruktiven Beitrag auf. Ich selbst werde mich an das Thema halten: an die Aussprache über den Grünen Bericht und den Grünen Plan.



Ertl
Der Grüne Bericht 1964 beinhaltet eine ausgezeichnete Dokumentation. Namens meiner Fraktion möchte ich all denen danken, die an diesem großen Werk beteiligt sind in den Behörden, aber auch draußen in den 8000 Testbetrieben. Wir möchten auch dem Herrn Minister und seinem Staatssekretär für die Arbeit danken. Wir hoffen, daß in guter, loyaler Zusammenarbeit auch in der Zukunft erfolgreich und konstruktiv Agrarpolitik getrieben wird zum Wohle unserer Landwirtschaft und unseres gesamten Volkes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft befindet sich inmitten eines Wandlungsprozesses, einer großen Wende. Diese Wende ist bedingt durch die rapide Industrialisierung in der Bundesrepublik mit all ihren Folgen auf allen Bereichen, in der Wirtschaft, im Sozialen, nicht zuletzt im Politischen. Sie ist weiterhin bedingt durch die Veränderung auf den internationalen Märkten und leider Gottes — wir beklagen es immer wieder — auch durch die besondere politische Situation und die daraus resultierenden Rücksichtnahmen, sei es gegenüber EWG-Partnern, sei es gegenüber anderen Handelspartnern.
Aus dieser Situation ergibt sich immer wieder die Frage: Welchen Platz hat die deutsche Landwirtschaft im Rahmen unseres gesamten Volkes, im Rahmen unserer gesamten Wirtschaft? Dabei stellt sich in neuester Zeit ein sehr bemerkenswertes Ergebnis heraus. Die Bundesregierung ist verpflichtet, 60 Millionen DM zur Ermäßigung des Weltzuckerpreises auf den Inlandszuckerpreis und einen noch viel höheren Betrag als Verbrauchersubvention zur Verbilligung von importiertem Mehl zu zahlen. Daraus ergibt sich eine sehr beachtliche Tatsache auch im Hinblick auf die Versorgung unserer Verbraucher. Ich meine, daraus muß die Folgerung gezogen werden, daß wir die Produktion unserer Landwirtschaft für die Zukunft erhalten und sichern müssen. Wir können es uns aus politischen Gründen und im Hinblick auf eine laufende und gesicherte Versorgung unserer Verbraucher gar nicht leisten, eine weitgehende Einschränkung der heimischen Produktion zu betreiben.
Lassen Sie mich noch einmal darauf hinweisen, daß wir aus den dargelegten Gründen und auch wegen der gesellschaftspolitischen Bedeutung und der sozialen Aufgabe des freien Bauerntums die deutsche Landwirtschaft nicht nur um ihrer selbst willen, sondern für unser ganzes Volk brauchen.

(Beifall bei der FDP.)

Der Grüne Bericht 1964 steht natürlich im Schatten der Verhandlungen über den Gemeinsamen Markt. Ich habe auch für meine Fraktion dem Herrn Minister und insbesondere auch Herrn Staatssekretär Hüttebräuker für ihren Einsatz in Brüssel zu danken. Wir wissen, es ist nicht leicht, dort zu verhandeln. Vielleicht ist in der Vergangenheit manchmal zu oft ja gesagt worden. Nun gilt es eben, die deutsche Position zu verteidigen. Wir haben aber das Gefühl, daß zumindest in den letzten Jahren versucht worden ist — und auch mit Erfolg versucht worden ist —, dort das Bestmögliche herauszuhandeln. Ich freue mich, daß auch auf diesem Sektor allmählich anscheinend eine Gemeinsamkeit in den Fraktionen zutage tritt, ich möchte sagen: im Sinne der alten FDP-Agrarpolitik. Wir haben ein reines Gewissen, wenn wir an die Unterzeichnung der Verträge denken. Dort hinten sitzt mein Kollege Margulies. Ich würde so manchem Kollegen von den anderen Fraktionen raten, seine Rede zur Unterzeichnung des Vertrages einmal nachzulesen. Wir haben darauf hingewiesen, was alles mit diesem Vertrag, mit all seiner Problematik und all seinen Gefahren auf uns zukommt. Wir begrüßen deshalb die Annäherung der Auffassungen, und wir hoffen, daß wir sogar gemeinsam mit der Opposition die Regierung noch mehr in ihrem Willen stärken können, in Brüssel die deutsche Position im Sinne einer gesicherten Erhaltung unserer heimischen Landwirtschaft im Höchstmaß zu verteidigen.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben eine gewisse Sorge. Ich zitiere, Herr Minister, die letzte Ausgabe des VWD, wo es u. a. heißt:
Die Bundesrepublik hat bereits im Dezember erklärt, daß sie dem Mansholt-Plan sehr aufgeschlossen gegenüberstehe und an der baldigen Einführung eines gemeinsamen Getreidepreises interessiert sei. Gleichzeitig wurde aber im Sonderausschuß die Möglichkeit, für 1964/65 zu einer Preisangleichung zu kommen, in Frage gestellt.
Ich frage Sie, ob diese Meldung zutrifft. Ich nehme an, Sie werden uns am Schluß der Debatte darüber Auskunft geben.
Wir werden auch bei der Behandlung der Großen Anfrage auf diese Dinge zurückkommen. Wir sind in diesen Fragen ganz ehrlich. Natürlich würde das Ernährungsressort unseren Standpunkt noch viel härter vertreten; aber es fehlt eben leider Gottes immer noch etwas an der Koordinierung, an einer Gesamtlinie. Hier widersprechen sich vielleicht die Interessenlagen der einzelnen Ressorts, vielleicht auch aus der Situation der Verbände heraus — ich möchte nicht wissen, was heute im Deutschen Industrie- und Handelstag beschlossen wird — und so weiter und so fort; und da kommen einfach die verschiedenen Spekulationen.
Für uns Freie Demokraten ist das Wesentliche einer konstruktiven Agrarpolitik die Einordnung in eine dynamische Volkswirtschaft, wobei wir voraussetzen, daß dem durchschnittlichen Betrieb auf lange Sicht das Einkommen über kostendeckende Preise ermöglicht wird. Mit der Steigerung von Erträgen und dem daraus resultierenden Einkommenszuwachs läßt sich bei den naturbedingten Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft das Disparitätsproblem nicht lösen.
Um so erfreulicher ist es, daß insbesondere auf dem Veredelungssektor seit einem Dreivierteljahr infolge der guten Absatzverhältnisse in Europa eine merkbare Verbesserung der Erzeugerpreise eingetreten ist. Diese Entwicklung sollten wir auf alle Fälle beibehalten und festigen. Dabei wird immer



Ertl
wieder der Versuch gemacht, der Landwirtschaft die Schuld für die allgemein nach oben treibende LohnPreis-Spirale zuzuschieben. Der Grüne Bericht 1964 gibt in seiner ausführlichen Darstellung über den Anteil der Verkaufserlöse der Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel sehr klar Auskunft darüber, daß die Erzeugerpreise der Landwirtschaft in keiner Weise identisch mit den Ausgaben für Lebensmittel sind. So ist in den letzten zehn Jahren der prozentuale Anteil der Erzeugerpreise an den Lebensmittelpreisen laufend zurückgegangen. Er beträgt z. B. bei Getreide heute nur noch 30%, bei Schlachtvieh und Fleischwaren 56%. Der geringe Anteil des Erzeugerpreises bei Brotgetreideerzeugnissen widerlegt von selber den irrtümlichen Glauben, daß eine Senkung des deutschen Getreidepreises im Zuge der Harmonisierung des europäischen Agrarmarktes in irgendeiner Form den Verbrauchern zugute kommen würde.
Im übrigen liegt gerade in dem Problem des Anteils der Erzeugerpreise an den Nahrungsmittelpreisen einer der Herde der ständigen Fehldiagnosen über die Gestaltung der Erzeugerpreise in der Landwirtschaft. So konnte das Ifo-Institut in einer Veröffentlichung vom 14. Februar 1964 feststellen, daß in den sechs Jahren vor der ersten EWG-Marktordnung die Agrarpreise recht stabil blieben, aber die Nahrungsmittelpreise laufend stiegen. Das IfoInstitut begründet diese Tendenz damit, daß im Zuge der Arbeitsteilung die Landwirtschaft ständig Handels- und Verarbeitungsstufen an andere Wirtschaftszweige abgibt, der Verbraucher immer höhere Ansprüche in Richtung auf bearbeitete Nahrungsmittel stellt und somit selber nach immer neuen Vermarktungsstufen verlangt. Es ist nicht richtig, der Landwirtschaft einen Vorwurf — dieser Versuch wird immer wieder gemacht — wegen der Erhöhung der Lebenshaltungskosten zu machen. Trotz der gestiegenen Nahrungsmittelpreise und der wesentlich gesteigerten Ansprüche hinsichtlich hochwertiger und teurer Lebensmittel — siehe Kotelett, Südfrüchte und dergleichen — ist der prozentuale Anteil für Lebensmittelausgaben, die eine Normalfamilie zu leisten hat, von 50% vor zehn Jahren auf zirka 37 % im Jahre 1964 zurückgegangen.
Nachdem gerade in dieser Frage ständig Mißverständnisse auftauchen — ich erinnere insbesondere an die Problematik der Erhöhung des Trinkmilchpreises mit den ganzen, leider Gottes zum Teil immer wieder bewußt aufgeputschten falschen Darstellungen —, erscheint es uns dringend notwendig, alles zu tun, um die gesamte Bevölkerung über die Lage unserer Landwirtschaft und auch über die Probleme der Gestaltung der Erzeugerpreise wie der Lebensmittelpreise sachkundig aufzuklären. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Deutschen Anstalt für Agrarwerbung, den meine Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode eingebracht hatte. Wir sind der Auffassung, daß in dieser Frage baldmöglichst konstruktive Vorschläge auch seitens der Bundesregierung vorgelegt werden sollten. Wir werden von uns aus auf den früheren Antrag zu gegebener Zeit zurückkommen.
Eine große Besorgnis überkommt einen, wenn man die graphische Darstellung im Grünen Bericht über die Zusammensetzung der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft nach Altersgruppen sieht und sie mit der Zusammensetzung in den anderen Wirtschaftsbereichen vergleicht. Hier erkennt man ganz deutlich die Überalterung in der Landwirtschaft und insbesondere den Rückgang des Nachwuchses, auch bei den Frauen. Der Wandlungsprozeß in der Landwirtschaft ist natürlich eng mit dem Generationenproblem verbunden. Die wirtschaftliche Situation in den vergangenen Jahren hat in weiten Kreisen der Landwirtschaft das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und damit auch der Resignation hochkommen lassen. Daß daraus viele junge Menschen die Konsequenzen ziehen, ist selbstverständlich. Wir müssen uns daher gerade der Jugend auf dem Lande wie auch der Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse in den bäuerlichen Betrieben in besonderem Maße annehmen.
Die Situation der Jugend auf dem Lande sollte einmal besonders geprüft werden. Kollegen aus meiner Fraktion werden diesbezüglich in Kürze eine Kleine Anfrage einreichen. Wir sind der Meinung, daß gerade das Bildungswesen auf dem Lande noch sehr reformbedürftig ist. Man wird mir sagen: Das ist nicht Angelegenheit des Bundes. Aber sehr viele Dinge tangieren auch die Förderungsmaßnahmen des Bundes, und der Bund kann sich bei dem Kernanliegen, nämlich dort. wo es um den Nachwuchs geht, nicht unter Berufung auf reine Verfassungsgrundsätze zurückziehen. Auf diesem Sektor ist keine Zeit mehr zu verlieren. Die geistige Aufrüstung des Dorfes ist notwendiger denn je.
Die von mir eingangs dargestellte veränderte Situation, bedingt durch die allgemeine Entwicklung in der Wirtschaft und im Welthandel, aber auch durch die Umgestaltung der sozialen Situation in der Bundesrepublik, fordert gleichzeitig die Fortentwicklung der Agrarpolitik und der landwirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen. Wir Freien Demokraten befürworten daher, gerade angesichts der Schwierigkeiten, die zweifelsohne auf die deutsche Landwirtschaft im Zuge der EWG, aber auch auf Grund der veränderten Weltmarktsituation auf uns zukommen, eine Fortentwicklung des Landwirtschaftsgesetzes. Wir werden auch in dieser Beziehung zu gegebener Zeit eigene Vorschläge unterbreiten, wobei wir nach wie vor den verpflichtenden Charakter des Landwirtschaftsgesetzes, die Verpflichtung zur Verbesserung der Einkommenslage und zur Beseitigung der Disparität, als wichtigstes Anliegen betrachten. In dieser Frage bedarf es keiner Diskussion darüber, in welcher Form der Einkommensausgleich durchgeführt werden soll, in welcher Form und in welchem Zusammenhang und Umfang die Förderungsmaßnahmen getroffen werden sollen. Als das Landwirtschaftsgesetz in die Diskussion kam, war man ganz klar bestrebt, eine Einkommensparität bzw. eine Preisparität zu erzielen.
Ich möchte deshalb noch einmal das Memorandum in Erinnerung rufen, das einer Besprechung der Bundesregierung mit dem Deutschen Bauernverband im Februar 1951 zugrunde lag. Gestatten Sie mir,



Ertl
sehr verehrter Herr Präsident, daß ich daraus zitiere. Es hieß dort zu dem Problem der Parität:
Schaffung eines rentablen Agrarpreisniveaus mit Hilfe eines Paritätspreissystems.
Das Preisniveau muß in einem angemessenen Verhältnis zu demjenigen der übrigen Wirtschaft stehen. Es muß die Produktionskosten durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betriebe decken. Die Preise der landwirtschaftlichen Produkte sollen dem Landvolk einen Lebensstandard sichern, der dem der gewerblichen Wirtschaft entspricht.
Unter den „Sofortmaßnahmen", die das Memorandum fordert, wird u. a. genannt:
Heraufsetzung des Lohnes für die in der Landwirtschaft tätigen familieneigenen und fremden Arbeitskräfte. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Erhöhung der Einnahmen der Landwirtschaft; darum Schaffung eines dem Ausmaß dieser Lohnerhöhung entsprechenden Preisniveaus.
Weiterhin möchte ich die damalige bekannte Rhöndorfer Zusage des verehrten Altbundeskanzlers Konrad Adenauer in Erinnerung rufen. Er sagte damals wörtlich:
Das landwirtschaftliche Preisniveau, das weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden, insbesondere auch zu den Löhnen und hier wiederum in erster Linie zu den landwirtschaftlichen Löhnen. Die Bundesregierung wird alle geeigneten Maßnahmen treffen, um eine Preisentwicklung zu sichern, die den tatsächlichen Erzeugungskosten entspricht.
So wurde damals die Frage der Parität und damit auch die Ausgangsbasis des Landwirtschaftsgesetzes besprochen. Wir haben dem nichts mehr hinzuzufügen. Wir sind der Meinung, .daß naturgemäß im Vordergrund der Maßnahmen, die das Landwirtschaftsgesetzverpflichtend nach sich zieht, die Sicherung des Einkommens, und zwar des Vergleichseinkommens stehen muß.
Der Strukturwandel auf lange Sicht zur Verbesserung der Produktivität im allgemeinen und der Rationalisierung unserer Landwirtschaft im Betrieb stellt eine der bedeutendsten Förderungsmaßnahmen des Bundes dar. Dabei ergibt sich von selbst die Frage: War der bisherige Weg in allem richtig? Das sei nicht als eine böswillige Kritik gemeint, sondern als Frage, ob es nicht notwendig ist, neue, vielleicht bessere, erfolgversprechendere, konstruktivere Wege zu suchen. Das ist das Wesen einer neuen Diskussion. Wer nicht den Mut hat, neue Wege zu beschreiten, hat auch nicht den Mut zur Besserung, hat auch nicht den Mut zum Fortschritt. Er bleibt letzten Endes hinter der Entwicklung zurück.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sehr gut!)

Die neue Entwicklung erfordert neue Maßnahmen, und so meinen wir, daß wir hier eine gewisse Bilanz ziehen müssen. Diese Bilanz lautet: Trotz erheblicher Aufwendungen im Rahmen der jährlichen Grünen Pläne konnte das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes bis heute nicht erfüllt werden.
Zweitens. Finanzielle Aufwendungen für die Grünen Pläne führen in der Öffentlichkeit häufig zu Mißverständnissen, vor allem auch deshalb, weil die Maßnahmen für die Verbesserung der Agrarstruktur immer wieder fälschlich als einkommenverbessernde Maßnahmen, oft sogar als echte Einkommenssubventionen aufgefaßt werden.
Drittens. Das Problem der kleinbäuerlichen Betriebe ist bisher nicht gelöst. Insbesondere ist die Einbeziehung der Betriebe unter 10 ha in die allgemeine Marktstruktur bis heute nicht gelungen. Dieser Tatbestand, ergänzt durch die Notwendigkeiten infolge der rapiden Industrialisierung in der Bundesrepublik, aber auch durch die veränderten Marktsituationen — bedingt durch das Entstehen des europäischen Agrarmarktes — und darüber hinaus durch die Veränderung am Weltmarkt, erfordert stets neue Überlegungen, wie man zu besseren und erfolgversprechenderen Methoden kommen kann. Im Neuen soll dabei die Wirksamkeit besonders zur Geltung kommen. Auch in dieser Beziehung kann ich, glaube ich, aus den Referaten der Vorredner den Schluß ziehen, daß sich alle Fraktionen in dieser Frage im wesentlichen einig sind. Wenn gesagt worden ist, daß man nicht mit allem zufrieden sei, so ist nicht gesagt, daß dies nicht gut gemeint gewesen ist. Die bisherige Handhabung hat aber nun einmal Schwierigkeiten nach sich gezogen, und daher muß man versuchen, neue, bessere Wege zu finden.
Betrachten wir die Bilanz des Grünen Berichts 1964, so können wir folgendes sagen. Bei einer nur oberflächlichen Auswertung des Vergleichseinkommens ließe sich der Schluß ziehen, wir litten unter einem Nord-Süd-Gefälle und auch unter einem Gefälle zwischen Klein- und Großbetrieben. Oder noch deutlicher gesagt: Lassen wir ruhig die Landwirtschaft in den marktfernen Gebieten langsam auslaufen! Beseitigen wir die Kleinbetriebe! Dann löst sich das Einkommensproblem von selbst.
Weit gefehlt! Der aufmerksame Beobachter und aufmerksame Leser des Grünen Berichts wird feststellen können, daß gerade auch in den Kleinbetrieben erhebliche Reserven liegen und daß — wenn man die Flächenproduktivität betrachtet — diese Betriebe Großartiges geleistet haben, ja, daß sie sogar Spitzenleistungen erbringen.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Förderung unserer kleinbäuerlichen Betriebe. Da das Problem der kleinbäuerlichen Betriebe immer wieder angesprochen wird, möchte ich hier einmal eine ganz klare Stellungnahme meiner Fraktion dazu wiedergeben. Diese Stellungnahme wurde am 22./23. Juli 1963 auf einer Tagung des Arbeitskreises V in Rottach-Egern ausgearbeitet. Meine Fraktion hat sich dabei auf folgende Formulierung festgelegt:
5248 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 115. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 119. Februar 1964
Ertl
Die Agrarstruktur Westdeutschlands ist sowohl für die Entwicklung der Landwirtschaft als auch für die allgemeine volkswirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung. Die damit zusammenhängenden Probleme verlangen daher eine klare Stellungnahme. Die entscheidende Bedeutung der Agrarpreise für die Lage der Landwirtschaft wird durch vorstehende Feststellungen nicht eingeschränkt.

(Vollerwerbs-betrieb ist das Leitbild der westdeutschen Agrarpolitik. Seine unterste Grenze ist entsprechend den Standortbedingungen und der Produktionsrichtung hinsichtlich der Flächen unterschiedlich. Maßgebend ist die mögliche Produktionsleistung des Betriebes. Der landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb muß zwei Vollarbeitskräften ein angemessenes Einkommen gewährleisten. Unter gleichen Voraussetzungen muß die landwirtschaftliche Siedlung für Heimatvertriebene durchgeführt werden. Die vorhandenen großen und großbäuerlichen Betriebe haben eine Aufgabe für die agrartechnische Entwicklung und sollen im allgemeinen daher nicht mehr verkleinert und zahlenmäßig verringert werden. Aufgabe der agrarpolitischen Förderung der Betriebe, die dem Leitbild noch nicht entsprechen, ist deren Entwicklung zu Vollerwerbsbetrieben durch flächenmäßige oder innerbetriebliche Aufstockung. Soweit eine solche Entwicklung nicht möglich oder vom Betriebsinhaber nicht gewollt ist, ist das Ziel, durch besondere finanzielle Hilfen eine Umstellung der Betriebsinhaber auf einen anderen Erwerb unter Erhaltung des ländlichen Wohneigentums mit Garten und Acker für eine teilweise Selbstversorgung zu erreichen. Das hierbei frei werdende Land kann dann auf dem Wege der langfristigen vorfinanzierten Verpachtung, des Verkaufs oder der Verrentung zur Aufstockung anderer Betriebe und für Selbstversorgerstellen für Heimatvertriebene dienen. Die Flurbereinigung, Aussiedlung und Althofsanierung muß dieser dargelegten Zielsetzung für eine Agrarstrukturverbesserung entsprechen. Für die Erhaltung des Bauerntums in wirtschaftlich schwachen Gebieten, in denen eine Umstellung auf einen anderen Beruf nicht möglich ist, müssen regional besondere Maßnahmen durchgeführt werden. Eine besondere Rolle spielt das Arbeiter-Bauerntum in einzelnen Gebieten; seine Erhaltung und Förderung ist notwendig. Damit haben wir einen Rahmen abgesteckt, der eine konstruktive Behandlung in dem Komplex „Strukturverbesserung" ermöglicht. Ich möchte hier hinzufügen: Es wird in erster Linie darauf ankommen, den Ausbau der Verkehrswege auf dem Lande in Ergänzung der Strukturverbesserung zu forcieren. Zweitens möchte ich noch einmal die Förderung der Landabgabe, die Förderung des Baus von ländlichem Wohneigentum und die Verbesserung des ländlichen Bildungswesens, wie bereits betont, erwähnen. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich noch einmal darauf hinweisen, daß im Rahmen der Strukturmaßnahmen die benachteiligten Gebiete, sei es in den Mittelgebirgslagen Schwarzwald, Odenwald oder im Bayerischen Wald oder in den reinen Gebirgsregionen, in den Bergbauerngebieten, einer speziellen Förderung bedürfen. Unter „spezieller Förderung" verstehe ich dabei nicht nur die Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur und zur Bekämpfung der von der Natur bedingten Nachteile, sondern vorwiegend auch Maßnahmen zur Erhaltung und Sicherung der Produktion dieser Betriebe. Das betrifft vor allen Dingen diejenigen Betriebe, die naturbedingt auf eine einseitige Produktion angewiesen sind. Es erscheint dringend notwendig, auch durch eine gewisse Marktteilung in Zukunft dafür Sorge zu tragen, daß jene Gebiete insbesondere die Veredelungswirtschaft erhalten können und andere Gebiete, seien es unsere hochintensiven Zuckerrübenbetriebe, seien es die Hackfruchtbaubetriebe, vielleicht die Mast übernehmen. Das sind Maßnahmen, die in anderen Ländern bereits in Angriff genommen worden sind. Ich denke z. B. an die gesetzliche Regelung für die Fleischmast, wie sie in Osterreich schon durch ein Gesetz über die Mastverträge eingeleitet wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade das Problem der Gliederung des ländlichen Raums muß besonders unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß wir in unserem Land künftig nicht eine Struktur einleiten wollen, die neben den Großstädten vernachlässigte ländliche Gebiete hat. — Ja, Herr Kollege Balkenhol! Ich bedanke mich. Gerade das Raumordnungsgesetz sollte den Rahmen für eine 'konstruktive Gliederung unseres Raums insgesamt schaffen. Der Arbeiter in der Industrie soll seinen Arbeitsplatz mit seinem Wohnsitz auf dem Lande in Zukunftbehalten können und nicht gezwungen werden, in die Ballungszentren abzuwandern. Politisch ist die Erhaltung einer gesunden und leistungsfähigen Landwirtschaft im Bereich der Zonengrenze von besonderer Bedeutung. Regionale Entwicklungsprogramme sind die Erfordernisse 'der Zeit, und wir hoffen, daß es der Bundesregierung gelingt, auf diesem Gebiet baldmöglichst zu einer konstruktiven Lösung in Verbindung mit den Ländern zu kommen. Der Agrarkredit ist unser Sorgenkind; meine beiden Vorredner haben schon darauf hingewiesen. Ich möchte es mir ersparen, hierzu in Einzelheiten Stellung zu nehmen. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung — und unser Kollege Walter wird sie begründen —, daß die Maßnahmen auf dem Sektor des Agrarkredits in einem einheitlichen Investitionsprogramm zusammengefaßt werden müssen. Ertl — Das ist für uns nicht neu, aber für Sie neu, Herr Kollege Marquardt; denn wir haben einen ähnlichen Antrag bereits in der letzten Legislaturperiode in Form eines Investitionshilfegesetzes eingebracht. Wir freuen uns, wenn Sie einsichtig sind und sich der Begründung, die wir gegeben haben, anschließen. (Zuruf von der SPD: Eingebracht ja, wieso nicht verabschiedet?)


(Abg. Balkenhol: Raumordnungsgesetz!)


(Abg. Marquardt: Das ist neu!)





(Lachen bei der SPD)

— Das lag an den Mehrheiten, Herr Kollege, und ich wäre dankbar, wenn die Opposition in Zukunft den Anträgen der FDP zustimmte. Dann würden wir sehr bald zu einer konstruktiven Agrarpolitik kommen.

(Zuruf von der SPD: Ich dachte, Sie haben eine Koalition in diesem Hause!)

— Sie wollen wohl auch mit in die Koalition? Darüber läßt sich eines Tages mal reden.

(Zuruf von der SPD: Ich dachte, Sie wären in der Koalition!)

— Sie sollten aufmerksamer zuhören.
Ich komme zum Schluß. Lassen Sie mich daher noch einmal auf das Problem der Agrarpreise eingehen, nachdem ja meine beiden Vorredner so ausführlich zu dem Problem der EWG und des Getreidepreises — einschließlich des Vorschlages, den Herr Mansholt gemacht hat — Stellung genommen haben. Herr Kollege Schmidt, die Freien Demokraten haben sich diese Frage nicht von Ihnen geholt. Ich möchte
eher sagen, daß Sie die Frage aus unserem Agrarbrief genommen haben; denn wir hatten sie bereits im Agrarbrief und im VWG veröffentlicht, bevor Sie Ihre Anfrage einbrachten. Das Urheberrecht lassen wir uns nicht nehmen. Wir freuen uns aber, daß Sie so positiv in die Sache einsteigen. Unser Kollege Effertz wird die Gelegenheit wahrnehmen, unsere Auffassung zu begründen.
Wir möchten aber grundsätzlich etwas dazu sagen; wir haben es auch vor Monaten bereits getan. Für uns ist der Mansholt-Plan in der jetzigen Form nicht annehmbar. Was die Frage des Getreidepreises und die Harmonisierung des Getreidepreises betrifft — ich will es kurz machen, denn es ist bereits betont worden —, so kann dies nicht isoliert betrachtet werden, sondern es muß im Zusammenhang einer Gesamtharmonisierung der europäischen Wirtschaft betrachtet werden. Was würde beispielsweise der deutsche Arbeiter sagen, wenn man auf Grund einer europäischen Wirtschaftsordnung von ihm verlangte: gleichen wir die Löhne in der Mitte an!? Wir wollen das ebensowenig. Ich glaube, genau so wenig kann man den deutschen Bauern einseitig Preiseinbußen zumuten.

(Beifall bei der FPD.)

Diesen Weg zu gehen wäre ungerecht; das verbietet sich von selbst.
Wir haben immer wieder betont, daß die Kostenharmonisierung auf allen Sektoren gleich laufen muß, und ich möchte noch einmal auf die Bedeutung einer gemeinsamen Währung hinweisen. Was nützen gemeinsame Preise, wenn sie durch Währungsmanipulationen in Kürze verändert werden können! All das sind doch ungelöste Probleme. Wir meinen daher, daß diese Frage im jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht zur Diskussion steht. Ich freue mich, daß auch Kollege Struve sich so außerordentlich hart hier geäußert hat. Ich meine, an dieser Meinungsbildung des Parlaments kann die Regierung nicht vorübergehen, auch dann nicht, wenn der eine oder andere vielleicht eine andere Auffassung hat. Hier liegt eine Aufgabe des Parlaments. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß wir als Parlamentarier das Recht und die Pflicht haben — ob Opposition oder Koalition —, dafür zu sorgen, daß die Bundesregierung zumindest weitgehend die Willensbildung des Parlaments berücksichtigt, und sie wird ihr Verhalten sicherlich auch danach ausrichten. Aber, Herr Kollege Schmidt, nachdem Sie vorhin manches so betont haben — und ich meine, es ist sehr konstruktiv, was Sie hier gesagt haben —, möchte ich doch darauf hinweisen, daß wir von Ihren Kollegen in Straßburg in bezug auf den Mansholt-Plan etwas anderes vernommen haben.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Schmidt [Gelsenkirchen] : Vom Mansholt-Plan ist gar nicht die Rede, das kommt erst noch!)

Ich habe die Protokolle der Beratungen über die Annäherung, die Harmonisierung der Getreidepreisvorschläge gelesen. Ich will das hier nicht vertiefen. Immerhin, auch diese Frage muß man einmal diskutieren. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu sagen. Wir freuen uns, wenn die Opposition eingesehen hat, daß der Weg von Brüssel im Prinzip nicht immer gangbar ist. So wird es vielleicht noch leichter sein, deutschen Vorschlägen zum Durchbruch zu verhelfen.
Es besteht weithin die Illusion, bei Verwirklichung des Mansholt-Plans komme die Aurora für den Verbraucher. Aber wer ist sich darüber im klaren, daß wir dann auch die großen Handelsspannen übernehmen? Wollen Sie die im Zuge der EWG vielleicht auch übernehmen? Ich glaube, da würde es ein bitteres Erwachen geben. Ich habe schon im Ausschuß gesagt: Eine Agrarpolitik, die letzten Endes das Einkommen des Bauern verringert, die die Steuerlast infolge von Subventionen nicht nur für die einheimische Landwirtschaft, sondern sogar auch für die europäische Landwirtschaft erhöht und dem Verbraucher höhere Preise bringt, kann man doch nicht mit gutem Gewissen einfach weiterlaufen lassen. Aber wir werden uns über diese Frage ja in Kürze zu unterhalten haben.
Ich fasse noch einmal zusammen: Es geht zunächst darum, neue Einkommensverluste zu verhindern und die Landwirtschaft in ihrer Produktivität und Rationalisierung zu stützen. Aber auch die Landwirtschaft selber muß von sich aus alles unternehmen, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Arbeitsproduktivität für die Zukunft zu sichern. So hoffen wir, daß es im Zusammenklang einer konstruktiven Agrarpolitik, einer gerechten Preispolitik und einer abgestimmten Strukturpolitik möglich ist, unserer Landwirtschaft auch für die Zukunft Sicherheit und



Ertl
die Hoffnung auf die Erhaltung eines freiheitlichen Bauerntums zu geben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411519700
Das Wort hat der Abgeordnete Ehnes.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0411519800
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Meine Ausführungen werden sich mehr auf das konzentrieren, was unsere heutige Aufgabe darstellt, nämlich Stellung zu beziehen zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Bericht und daraus das Resümee zu ziehen, das notwendig ist, um unseren bäuerlichen Betrieben Hilfestellung zu leisten und ihren Belangen Rechnung zu tragen.
Für manche Hinweise, die hier gegeben worden sind, bin ich dankbar. Insbesondere darf ich mich mit den Ausführungen meines Freundes Struve identifizieren, die ich namens meiner Freunde aus der CSU vollinhaltlich unterstütze und unterstreiche. Mir ist aber nicht bekannt, daß wir irgendwo bei unserem Koalitionspartner eine Schulung in der Form bekommen hätten, daß die neue Agrarpolitik, von der der verehrte Kollege Ertl gesprochen hat, mehr und mehr Platz greift. Ich darf in aller Freundschaft erwidern, lieber Freund Ertl, daß das, was wir heute hier debattieren, die Grundlage der Agrarpolitik der Bundesregierung, von den Koalitionsparteien getragen ist und auch bleiben soll.
Der Grüne Bericht, der uns vorgelegt worden ist, zeigt eindeutig, daß der von der Bundesregierung beschrittene Weg zum Erfolg führt. Deswegen wäre es im gegenwärtigen Zeitpunkt sehr schwer und sehr riskant, auf neue Wege überzugehen, solange sich die alten Wege bewährt haben. Hier gilt unser ganz besonderer Dank unserem verehrten Herrn Minister, seinem Ministerium und all denen, die seine Politik hinausgetragen haben, sei es als Abgeordnete, sei es als Berater draußen in unseren Behörden und Ämtern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Denn wenn wir auf diesem Gebiet nicht diese Erfolgsmannschaft hinter uns hätten, dann würden die Maßnahmen, die wir hier beschließen, nicht in dem Tempo in die Tat umgesetzt, wie es beispielsweise in den letzten 6 Wochen des Jahres 1963 notwendig geworden ist.
Hier muß auch gesagt werden, daß unser Bundesminister durch sein Aushalten in Brüssel ein großes Werk für die deutsche Landwirtschaft getan hat. Ich glaube, das muß, wenn wir uns über den Grünen Plan unterhalten, von jedem Redner anerkannt werden.
Wenn man sich über die Disparitäten unterhält, dann muß man erkennen, daß in erster Linie dafür gesorgt werden muß, daß diese Disparitäten nicht durch Beschlüsse, die nicht gerechtfertigt sind, noch vergrößert werden. Hier haben wir allen Grund, unserer Bundesregierung Dank zu sagen und sie — auch im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen in Brüssel — zu bitten, dafür zu sorgen,
daß weitere Preisverschlechterungen nicht eintreten, und ganz besonders dafür zu sorgen, daß der Vorschlag der Kommission auf keinen Fall angenommen wird, weil er unter den gegebenen Verhältnissen für die Landwirtschaft untragbar ist.
Es muß im besonderen darauf hingewiesen werden, daß die Vorschläge zur Milchmarktordnung in Europa von uns für sehr bedenklich gehalten werden, weil nämlich zu befürchten ist, daß die Ordnung, die wir in der Bundesrepublik durch das bei uns mit viel Mühe geschaffene Milch- und Fettgesetz haben, durch welches der Trink- und Werkmilchausgleich garantiert ist, in Gefahr kommt. Herr Bundesminister, wir sehen diese Gefahr und bitten Sie inbrünstig: sorgen Sie dafür, daß das, was wir an Ordnung in Deutschland geschaffen haben, nicht durch diesen Vorschlag Mansholts gefährdet wird.
Die Situation, auf ,die im Grünen Bericht hingewiesen wird, bezog sich auch sehr deutlich auf die innerdeutsche Disparität, auf die Disparität bei allen Betriebsgrößen und in allen Bereichen unserer einzelnen Länder der Bundesrepublik. Ich muß hier darauf hinweisen: Schon allein das stellt uns die große Problematik der Landwirtschaftspolitik vor Augen. Es liegt eben daran, daß in unserem Vaterland die Voraussetzungen verschieden sind. Auch dieser Gesichtspunkt darf bei den Betrachtungen in Brüssel nicht außer acht gelassen werden. Der Zug, von dem der Kollege Schmidt gesprochen hat, darf nicht als Schnellzug nach Brüssel fahren, sondern nur als Personenzug,

(Zurufe von der SPD)

wo jederzeit Zusteigen möglich ist. Wir dürfen für die Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden, nicht von den Voraussetzungen in der Kölner Bucht und von den Gebieten mit guten Ertragslagen in der Bundesrepublik ausgehen, sondern müssen von den marktfernen Gebieten ausgehen, bei denen durch den Eisernen Vorhang die Verkaufsmöglichkeiten eingeschränkt sind und die auch den Anschluß an den europäischen Markt wünschen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus einem Gebiet, das hier berücksichtigt werden will. Wir sind in meiner Heimat abgeschnürt durch den Eisernen Vorhang. Wir haben im europäischen Raume den weitesten Transportweg für unsere Früchte, die wir verkaufen wollen. Unser Land muß heute schon auf manchen Gebieten bis zu 50, 60% exportieren. Für uns ist es sehr entscheidend, daß das berücksichtigt wird und daß wir dem europäischen Raum angeschlossen bleiben und nicht abgehängt werden.
Der Grüne Bericht zeigt ganz deutlich, daß hier eine sehr große Disparität gegenüber den Grünlandbetrieben besteht. Auch Grünlandbetriebe sind in meiner Heimat sehr stark vertreten. Hier haben wir unsere besonderen Vorstellungen und Wünsche. Wir haben die Vorstellung, daß nicht nur auf der Erzeugungs- und Verkaufsstufe, sondern in der Produktionsstufe angefangen werden muß auf die Weise, wie Sie, Herr Bundesminister, das bisher vertreten



Ehnes
haben: daß man dort erstens die Veredlungsproduktion beibehalten kann und zweitens diese Veredlungsproduktion in der Form honoriert, daß die Verkaufserlöse gehalten und die Produktionskosten gesenkt werden. Die Senkung der Produktionskosten im milchwirtschaftlichen Bereich setzt bei uns in erster Linie voraus, daß nicht gerüttelt wird an den Beihilfen für Silobau, an den Beihilfen für Unterdachtrocknungsanlagen, an den Beihilfen für Gülleanlagen und auch an Beihilfen für Trocknungsanlagen für Getreide, Tabak und Hopfen. Auch diese Betriebszweige möchte ich nennen; denn wir wollen keinen Betriebszweig aufgeben, sondern jeden Betriebszweig so, wie er bisher in unserem Vaterlande gewirtschaftet hat, in die europäische Zusammenarbeit, in die europäische Integration hineinführen.
Es war immer unser Wunsch, daß diese benachteiligten Gebiete besonders bei der Vergabe von Krediten berücksichtigt werden. Man sollte von den jetzt geltenden Zinssätzen abgehen und für benachteiligte Gebiete Kredite mit einem Zinssatz von 2 % zur Verfügung stellen; die Verbilligung sollte also nicht 3 1/2 %, sondern 4 1/2 % betragen.
Ich habe von der Milch gesprochen. Herr Bundesminister, ich glaube, ganz besonders Ihnen Dank sagen zu müssen, weil Sie erkannt haben, daß, obwohl bisher 12 Millionen cbm Siloraum gebaut wurden und zur Verfügung stehen, noch 40 Millionen cbm gebraucht werden. Sie haben unsere volle Unterstützung in der Forderung, daß auf diesem Gebiet weiter gebaut und bezuschußt wird, um den Grünlandbetrieben und den benachteiligten Gebieten eine möglichst billige Milchproduktion und, daraus resultierend, Fleischproduktion zu ermöglichen.
Man unterhält sich sehr oft über die Übererzeugung von Milch. Ich möchte ganz nüchtern auf eine Tatsache hinweisen. Bei dem steigenden Arbeitskräftemangel in Deutschland und Europa und angesichts der Tatsache, daß man nicht mehr „unter die Kuh gehen", also nicht mehr melken will, werden wir in den allernächsten Jahren eine Milchschwemme nicht erleben. Wir werden vielmehr alles unternehmen müssen, um die Milchproduktion zu erhalten, wenn die Fleischproduktion nicht automatisch zurückgehen soll. Nur auf der Grundlage einer Milchproduktion ist ja die Aufzucht von Kälbern und damit die Rindfleischerzeugung gewährleistet.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Nur auf diesem Wege werden wir nicht in Schwierigkeiten kommen.
Das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes steht auch heute wieder im Mittelpunkt unserer Aussprache. Nur meine ich, daß die Ausführungen über dieses Leitbild, über das wir uns hier unterhalten, kein Lippenbekenntnis sein sollte, sondern daß dieses Leitbild tatsächlich bald verwirklicht werden sollte. Hier scheiden sich unsere Wege in manchen Punkten. Die Verwirklichung des Leitbildes des Familienbetriebes kann nicht über Strukturmaßnahmen und soziale Maßnahmen erreicht werden. Sie kann nur erreicht werden erstens über das Preissystem, zweitens über vernünftige strukturpolitische Maßnahmen und drittens über ein sozia-
les Programm. Ich bin aber nicht bereit, dabei die Preispolitik zugunsten einer Sozialpolitik aufzugeben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn wir uns vom Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes leiten lassen, müssen wir uns doch auch in unserer näheren und weiteren Umgebung in der Welt umsehen. Dann können wir den Beweis antreten, daß die Bevölkerung in unseren bäuerlichen Betrieben erstens die höchste Produktion in der Welt hervorbringt und daß zweitens kein Land der freien Welt heute in der Lage ist, uns in der Produktion zu überbieten; denn deutsche Bauern und bäuerliche Arbeitnehmer ernähren die höchste Zahl anderer Menschen im Volke. Wir haben es in den vergangenen Jahren auch fertiggebracht, uns neben Amerika zu stellen, wo ganz andere Voraussetzungen bestehen. Wir haben unsere Partnerstaaten in unserem Leistungswillen und unserer Leistungskraft übertroffen. Vergleicht man unsere durch den bäuerlichen Familienbetrieb gekennzeichnete Agrarstruktur mit den Verhältnissen in England und Amerika, so kann man heute doch feststellen, daß der in England vorherrschende Großbetrieb und die Farm in Amerika nicht das Einkommen beeinflußt haben; denn sonst würden in Amerika und in England nicht weit höhere Subventionsbeträge gezahlt werden müssen. Deswegen meine Forderung: eine Agrarpolitik über Preispolitik, Strukturpolitik und Sozialpolitik. Dabei muß die Preispolitik der Mittelpunkt der Agrarpolitik sein und bleiben.
Die Schaffung neuen Eigentums steht auf sämtlichen Programmen unserer Parteien, die hier vertreten sind. Wenn die Schaffung neuen Eigentums auf dem Programm steht, dann müssen wir, glaube ich, das bisher vorhandene Eigentum erhalten, indem wir auch für kleine Betriebsgrößen und diejenigen eintreten, die nur kleine Flächen zu bearbeiten haben. Soweit es um den bäuerlichen Familienbetrieb geht, darf man auch nicht auf eine Hektarbegrenzung abstellen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Für den bäuerlichen Familienbetrieb darf es keine Hektarbegrenzung geben, weil nicht die Hektar ausschlaggebend sind, sondern das Arbeitseinkommen. Das Arbeitseinkommen kann heute auch in der Veredelungswirtschaft sehr gut sein, wenn sie vernünftig betrieben wird.

(Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU.)

In diesem Punkte, Herr Kollege Ertl, meine volle Zustimmung zu Ihrem Referat, verbunden mit der Bitte, daß das Unbehagen, das durch die Erklärungen des Herrn Staatssekretärs in der Öffentlichkeit hervorgerufen worden ist, sehr bald beseitigt wird.

(Zuruf.)

— Bitte!

Heinrich Sander (FDP):
Rede ID: ID0411519900
Herr Kollege Ehnes, sind Sie nicht der Meinung, daß die Ausführungen des soeben von Ihnen zitierten Staatssekretärs doch in voller Übereinstimmung mit den Äußerungen unseres Herrn Ministers stehen? Ich würde großen Wert auf eine Antwort legen.




Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0411520000
Diese Bestätigung kann der Herr Minister abgeben, nicht ich, Herr Kollege Sander. Mir stehen leider nur die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs zur Verfügung, und deswegen spreche ich ihn an.
In meinem Bereich ist Mißtrauen dadurch entstanden, daß man — nach den bekanntgewordenen Subventionsüberlegungen — im Grünen Plan eine gewisse Schicht von bäuerlichen Betrieben ausklammern will. Das kann nicht die Zielsetzung unserer Politik sein und nicht unsere Auffassung als bäuerliche Menschen in diesem Hause.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411520100
Noch eine Zwischenfrage?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0411520200
Bitte!

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0411520300
Herr Kollege Ehnes, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Ausführungen des Staatssekretärs Hüttebräuker, seine Auffassung zu den landwirtschaftlichen Kleinbetrieben, sich mit einer Entschließung des Deutschen Bauernverbandes in Freiburg decken?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0411520400
Ich entscheide hier nicht über den Deutschen Bauernverband, Herr Kollege Logemann, sondern ich sage meine Meinung als Politiker der Fraktion der CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun möchte ich einen Hinweis geben. In unserem Bereich spielt die Frage eine ganz besondere Rolle, wie man die bäuerliche Veredelungsproduktion auch in Zukunft zu erhalten gedenkt. Hier haben wir einige Sorgen, weil man auf der einen Seite bereits sieht, wie sehr sich in die Erzeugung landwirtschaftlicher Veredelungsproduktion Kapital hineinschleust und wie sehr bereits das Kapital in unserem Bereich Fuß gefaßt hat. Man gibt die Zahl von 12 % in der Schweineerzeugung an. Wir bitten die Bundesregierung, neben dem Strukturplan und neben dem Strukturprogramm in der Landwirtschaft auch dafür zu sorgen, daß das Großkapital aus der Erzeugung ausgeschlossen wird und daß die Veredelungsproduktion in den landwirtschaftlichen Betrieben erhalten bleibt.

(Beifall in der Mitte.)

Wir wollen ferner, daß die Flurbereinigung unvermindert fortgesetzt wird. Ohne Flurbereinigung, ohne Aufstockung, ohne Althofsanierung kann heute nicht gewirtschaftet werden.
Eines muß aber noch gesagt werden: es darf nicht so weit kommen, daß die Bürokratie uns Richtlinien gibt, die draußen unanwendbar sind.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die Aussiedlung und die Althofsanierung sind sehr schwer davon betroffen, daß man die sogenannte Bedürftigkeitsprüfung verlangt. Diese Bedürftigkeitsprüfung führt nicht zu einem Fortgang der Maßnahmen draußen, sondern zu einem Stillstand.
Herr Bundesminister, wir bitten Sie deshalb, dafür zu sorgen, daß durch das Bundesfinanzministerium oder den Bundesrechnungshof diese Maßnahmen erleichtert werden, weil das ein Kernpunkt unserer Agrarpolitik für die Zukunft ist, die wir so notwendig brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Auch die Kostensenkung ist hier angesprochen worden. Bei der Kostensenkung — das möchte ich ganz offen sagen — wird es darauf ankommen, ob wir in Zukunft wieder Arbeitszeitverkürzungen einführen oder ob wir bereit sind, bei der jetzigen Arbeitszeit zu bleiben. Denn jede Arbeitszeitverkürzung in den anderen Bereichen bedeutet indirekt eine weitere Disparität für die Landwirtschaft, die dieser Verkürzung nicht folgen kann. Man sollte auf diesem Gebiet auch dafür sorgen, daß nicht eine weitere Disparität entsteht, sondern daß hier haltgemacht wird.
Auf dem sozialpolitischen Sektor haben wir Möglichkeiten bei der Altersversorgung und bei der Unfallversicherung. Wir werden uns diesen Dingen nicht verschließen. Unsere Bevölkerung hat es sehr dankbar hingenommen, daß wir im vergangenen Jahr hier zu einem Erfolg gekommen sind und daß wir in diesem Bereich die Erhöhung durchsetzen konnten. Eines aber möchte ich hier sagen. Wir denken in bezug auf diese sozialen Maßnahmen anders als manche Kollegen in diesem Hause. Wir werden in einem fairen Wettbewerb dieser parteipolitischen Interessen versuchen, die Sozialpolitik so neben die Agrarpolitik zu setzen, daß sie dem bäuerlichen Familienbetrieb echt zu Hilfe kommt und in Zukunft ein Bestandteil des Schutzes des bäuerlichen Familienbetriebes wird.
Nun verargen Sie es mir bitte nicht, daß ich sage: Hinsichtlich der Kostensenkung erwarten wir als deutsche Bauern von der Industrie etwas mehr Verständnis. Wir glauben, daß die Industrie in der Lage ist, der deutschen Landwirtschaft in den Preisen der Ware, die wir kaufen müssen, etwas entgegenzukommen. Manchmal hat man, wenn man große Wirtschaftszeitungen und Reden von maßgeblichen Industriellen liest, den Eindruck, daß die Sonne des Wirtschaftswunders manchem wie eine Blende vor den Augen steht, die nicht abgenommen werden kann. Diese Sonne des Wirtschaftswunders scheint aber erst seit dem Tag, an dem unser verehrter Herr Bundeskanzler die freie Marktwirtschaft verkündet hat. Man sollte sich auch daran erinnern, daß die Sonne des Wirtschaftswunders eines Tages nicht mehr weiter scheinen wird, weil auch hier die Tag- und Nachtgleiche nach dem Gesetz der Erschaffung der Welt Platz greifen könnte.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Zum Schluß, meine verehrten Damen und Herren, möchte ich auf die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Schmidt hinweisen, der hier in einer sehr drastischen Weise erklärt hat, eine weitere Abwanderung müsse gewünscht und gefördert werden.

(Widerspruch bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Das hat er gar nicht gesagt!)




Ehnes
Dazu möchte ich Ihnen sagen: dafür gebe ich meine Stimme nicht, weil ich weiß, daß bereits 42 % aller Menschen aus der Landwirtschaft abgewandert sind. — Herr Kollege Schmidt, wenn man diese Abwanderung begrüßt und wenn man dafür sorgen will, daß noch mehr junge Leute aus der Landwirtschaft hinausgehen, denn werden wir in zehn Jahren nicht über den Nachwuchs verfügen, der notwendig ist, um erstens der deutschen Landwirtschaft die Betriebsleiter zu geben und zweitens den deutschen Verbrauchern eine ordentliche Ernährung zu sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Hier müssen wir die Bremsen anlegen, wenn wir nicht die Gefahr in Kauf nehmen wollen, daß es zu einem Ausverkauf der Landwirtschaft kommt.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich zum Schluß und darf zusammenfassen. Die Fraktion der CDU/CSU dankt allen, die den guten Willen bekunden, in der landwirtschaftlichen Situation einen Weg aufzuzeigen. Sie wird sich aber gegen jeden wenden, der das Landwirtschaftsprogramm unserer Regierung kritisiert, ohne neue Wege aufzuzeigen. Neue Wege nehmen wir gern an, Kollege Ertl, weil neue Wege zum alten Ziel immer zum Erfolg führen. Ich darf für meine Fraktion aussprechen, daß wir in der Tat und in unserer Arbeit die Bestrebungen unseres Ministers gern weiter unterstützen und gemeinsam wünschen, daß er in Brüssel weiterhin so erfolgreich ist, wie er es bisher gewesen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411520500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff.

Dr. Maria Pannhoff (CDU):
Rede ID: ID0411520600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich Ihre an sich schon kurze Mittagspause noch verkürzen will. Ich halte es für notwendig, zur Position „Förderung der ländlichen Hauswirtschaft" einige Ausführungen zu machen. Im wesentlichen will ich mich darauf beschränken, nachprüfbare Zahlen vorzulegen, um Ihnen deutlich zu machen, daß diese Position nützlich ist und in der ländlichen Bevölkerung sehr gut angekommen ist. Die Zahlen sind nachprüfbar. Ich habe aber festgestellt, daß die Position im Haushalt übertragbar gemacht werden muß. Was dazu zu sagen ist, wird im Ausschuß vorgebracht werden. Dort werden wir dann gemeinsam die notwendigen Beschlüsse fassen und sie als Empfehlungen an den Haushaltsausschuß weitergeben.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, mir zu gestatten, meine Ausführungen, die an sich umfangreicher sind und etwas ins Detail gehen, zu Protokoll zu geben, und bitte um Ihre Genehmigung *).

(Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411520700
Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Abweichung vom normalen Verfahren in der Aussprache einverstanden ist. — Das ist der Fall.
*) Siehe Anlage 2
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen jetzt die Beratungen. Fortsetzung um 15 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.02 Uhr bis 15.00 Uhr.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411520800
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir stehen in der Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft:
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411520900
Herr Präsident! Ich habe die Absicht, im Rahmen dieses Beitrages zur Aussprache die Anträge Umdrucke 388 und 392 sowie den Gesetzentwurf Drucksache IV/1947 zu begründen.
Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht 1964 gibt auf den Seiten 38 bis 47 einen im Vergleich zu seinen Vorläufern wieder sehr erfreulich ausgeweiteten allgemeinen Überblick über die Sozialverfassung unserer Landwirtschaft. Insbesondere wird dort die Arbeitskräftestruktur und ihre Entwicklung, das Thema Tariflöhne und Arbeitsverdienste, der Stand der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft Tätigen dargestellt. An diesem Überblick ist nur wenig zu kritisieren. Den letzten Absatz werde ich nachher in einem anderen Zusammenhang ein wenig der Kritik unterziehen müssen. Aber kn. allgemeinen enthält dieser Überblick im Grünen Bericht die Daten, die wir hier für die Beurteilung der Lage der Landwirtschaft und für die Entscheidung über die Maßnahmen im Sinne des § 5 des Landwirtschaftsgesetzes benötigen. Er gibt auch die notwendigen Daten, die die Sozialpartner für ihre Tarif-und Lohnverhandlungen brauchen. Ich würde sagen, daß dieser Überblick über die Arbeitskräfte, die Löhne und die soziale Sicherung in der Landwirtschaft sicherlich auch Material für die Versachlichung der Lohn- und Tarifpolitik gibt, für die Versachlichung, von der so viel die Rede ist, die so sehr erwünscht ist.
In diesem Zusammenhang darf ich gleich auf Seite 88 des Grünen Berichts hinweisen. Dort wird nachgewiesen, daß die 2,3 Milliarden DM, um die die Verkaufserlöse in diesem Wirtschaftsjahr angestiegen sind, gewissermaßen bedeuten, daß nachgeholt worden ist, was nach dem vorigen Grünen Bericht wegen der schlechten Ernte 1962 bei den Einkommen und bei der Entwicklung der landwirtschaftlichen Einkommen im Rückstand geblieben ist. Im Grünen Bericht heißt es sehr richtig, daß nunmehr der Anstieg der landwirtschaftlichen Einkommen wieder auf der Linie der langfristigen Entwicklung liegt. Daraus kann man eine ganze Reihe von Schlußfolgerungen ziehen, beispielsweise in bezug auf die Lohn- und Tarifpolitik für die landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte. Wenn also in diesem Jahr in bezug auf die Einkommen in den landwirtschaftlichen Betrieben nachgeholt worden ist, was im vorigen Jahr im Rückstand geblieben ist, dann I können die Sozialpartner nachholen, was sie bei den



Frehsee
landwirtschaftlichen Löhnen im vorigen Frühjahr im Rückstand gelassen haben. Das erscheint mir nicht nur im Interesse der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, sondern auch im Interesse ,der Landwirtschaft und der Erhaltung eines Mindestbesatzes an Lohnarbeitskräften in den landwirtschaftlichen Lohnarbeitsbetrieben, angesichts des Rückgangs der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte um erneut 7 % in dem Berichtsjahr erforderlich. Während die Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte, von denen es nur noch etwa ein Drittel der Zahl gibt, .die es noch 1951 gegeben hat, in dem Berichtsjahr um 7% zurückgegangen ist, waren ,es bei den Familienarbeitskräften nur 2 %. Diese Entwicklung bei den Lohnarbeitskräften ist bedrohlich. Wenn diese Betriebe — es handelt sich um 150 000 von den 1,5 Millionen insgesamt — sich mit der Angleichung an die gewerblichen Vergleichslöhne nicht sehr beeilen, wird es eine Entblößung der landwirtschaftlichen Lohnarbeitsbetriebe von den Lohnarbeitskräften geben. Das kann nicht im Sinne dessen sein, was wir hier wollen und was wir mit den Maßnahmen des Landwirtschaftsgesetzes erstreben. Wir haben jetzt nur noch in jedem vierten Betrieb der Betriebsgrößenklasse über 20 ha eine Lohnarbeitskraft, und nur in 10 % der Gesamtzahl der Betriebe gibt es überhaupt landwirtschaftliche Lohnarbeitskräfte. Das ist ganz sicher ausschließlich eine Folge des großen Lohnrückstandes.
Sie können in dem Grünen Bericht 1964 wiederum lesen, daß die Löhne der Landarbeiter in der Stunde 2,20 DM betragen haben, während die Vergleichslöhne in der Stunde 3,26 DM betragen haben. Die Landarbeiterlöhne liegen also um 1,06 DM pro Stunde zurück. Das sind 48 %. Bei den Spezialarbeitern sind es 35%. Die Löhne der landwirtschaftlichen Spezialarbeiter betrugen 2,41 DM und die Löhne der gewerblichen Arbeitnehmer, die zum Vergleich dienen, 2,86 DM, und zwar ohne Berücksichtigung der Pendelkosten. Unter Berücksichtigung der Pendelkosten ergeben sich 31 % Lohnrückstand bei den Landarbeitern und 191/2 % Lohnrückstand bei den Spezialarbeitern.
Auch in Anbetracht dessen, daß die Löhne, die an die Spezialarbeiter und an die landwirtschaftlichen Facharbeiter ausweislich der Effektivlohn- und Verdienststatistiken gezahlt werden, um etwa 7 bis 8 % — wie im Grünen Bericht zu lesen ist — über den Tariflöhnen liegen, sollte es mit einem etwas stärkeren Schritt auf dem Wege zur Lohnangleichung in diesem Jahr nicht sehr schwer fallen, schon deswegen nicht, weil die 12% Lohnerhöhung im Jahre 1962 nicht 300 Millionen DM gekostet hat — wie ein Kollege, der heute unter uns sitzt, erklärt hat —, sondern nur 63 Millionen DM. Im vorigen Jahr hat die Lohnerhöhung von 9% 85 Millionen DM gekostet. Sie werden selber die Erklärung dafür haben, warum eine geringfügigere Lohnerhöhung mehr gekostet hat als eine größere. Das liegt eben an der stärkeren Abwanderung im Jahre 1962 im Vergleich zu 1963.
Ich bitte Sie, Ihr Augenmerk auf die Seite 87 des Grünen Berichts zu wenden. Dort ist zum erstenmal ein Unterschied zwischen den verschiedenen Betriebsgrößenklassen gemacht worden. Es wird der Einkommensabstand zwischen dem gewerblichen Vergleichslohn und dem erzielten Lohn der Landwirtschaft in den Betrieben mit 5 und mehr ha festgestellt. Er beträgt 29 %. Dann wird differenziert: Betriebe mit 5 bis 10 ha weisen einen Lohnabstand von 38 % auf; bei Betrieben über 10 ha beträgt der Lohnabstand 25%. Nun, in dieser zweiten Gruppe liegen die Betriebe, die Lohnarbeitskräfte beschäftigen. Aber nicht viele Betriebe in der Größenklasse zwischen 20 und 50 ha beschäftigen heute noch Lohnarbeitskräfte, mit Ausnahme von Spezialarbeitern. In der Regel wird in solchen Betrieben ein Alleinmelker beschäftigt. Die Lohnarbeitskräfte werden wohl weitgehend in der Betriebsgrößenklasse über 50 ha beschäftigt.
Auf Seite 89 des Grünen Berichts finden Sie sehr übersichtliche und eindrucksvolle Diagramme. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang den Verfassern des Grünen Berichts und den Zeichnern dieser sehr wertvollen Diagramme ein Wort der Anerkennung sagen. Sie werden auf dieser Seite 89 feststellen, daß in den süddeutschen Betrieben der erzielte Lohn der Landwirtschaft in Betrieben von 20 bis 50 ha den gewerblichen Vergleichslohn annähernd erreicht und in den Betrieben über 50 ha, auch allgemein in der ganzen Bundesrepublik, den gewerblichen Vergleichslohn überschritten hat. In den süddeutschen Betrieben der Größenklasse über 50 ha haben die erzielten Löhne den gewerblichen Vergleichslohn weit überschritten. Der erzielte Lohn liegt in den Betrieben über 50 ha in Süddeutschland im Durchschnitt bei 8110 DM je Vollarbeitskraft gegenüber 6506 DM Jahresverdienst des vergleichbaren gewerblichen Arbeitnehmers. Diese Betriebe können also zweifellos den Industriearbeiterlohn an den Landarbeiter zahlen.
Ich würde in diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Herren auf der Regierungsbank, anregen, daß Sie die Ergebnisse dieser Darstellung auf Seite 89 — in den Diagrammen — auch in die Übersicht auf Seite 87 übernehmen, die ich zuerst zitiert habe. Es wäre für die Aussprache über die Lohn- und Tarifpolitik sehr nützlich, diese Differenzierung noch zusätzlich zu bekommen.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Gesamtzahl der in der Landwirtschaft vorhandenen Familienarbeitskräfte, im Zusammenhang mit der Kritik an der Alterspyramide, die Sie hier im Grünen Bericht vorfinden, möchte ich auf die Alterspyramide der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte hinweisen. Ich möchte mich jetzt nicht in diese Auseinandersetzung zwischen meinem Kollegen Schmidt und dem Kollegen Ehnes einmischen. Ich habe das Gefühl, Herr Kollege Ehnes, daß Sie meinen Kollegen Schmidt nicht richtig verstanden haben. Bei solchen Fragen, meine Damen und Herren, kommt es allerdings auf eine Art agrarpolitischer Weltanschauung an. Von dieser Weltanschauung hängt es ab, ob man sagt, diese Alterspyramide sei alarmierend oder, wie der Kollege Schmidt gesagt hat, sie sei eigentlich auch positiv zu beurteilen. Es handelt sich eben um den Blickwinkel, von dem aus man daran herangeht. Aber vielleicht haben Sie wegen



Frehsee
dieser doch eben agrarpolitischen Weltanschauung, mit der man an solche Dinge herangehen muß, die kritischen Bemerkungen meines Kollegen Schmidt in dieser Beziehung nicht richtig verstanden. Vielleicht stellt er das in einem Schlußwort noch selber richtig.
Ich wollte aber eine Bemerkung zu der Alterspyramide der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte machen, weil diese ja doch im Gesamtzusammenhang immer noch eine wesentliche Rolle für die agrarpolitischen Entscheidungen spielen, die wir hier zu treffen haben. Von 100 landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräften waren in der Altersklasse 14 bis 21 Jahre — das hat die Lohn- und Gehaltsstrukturerhebung von 1962 ergeben — nur 0,2, in der Altersgruppe 65 Jahre und älter 3,6, in der Altersgruppe 21 bis 25 Jahre 4,8 und in der Altersgruppe 55 bis 65 Jahre 32,3. Das heißt, meine Damen und Herren, die Landarbeiter sterben aus. Es ist die Frage, ob man das will oder nicht will. Ich bin der Meinung, daß der Landwirtschaft ein schlechter Dienst geleistet würde, wenn man sehenden Auges dieses Aussterben der Landarbeiter und damit die Gefährdung der landwirtschaftlichen Lohnarbeitsbetriebe passieren ließe.
Man muß dabei auch bedenken, daß an anderer Stelle im Grünen Bericht ausgewiesen wird, daß landwirtschaftliche Lohnarbeitskräfte ausschließlich in nicht überbesetzten Betrieben sind. Wenn noch von einem Überbesatz an landwirtschaftlichen Arbeitskräften gesprochen wird, bezieht sich das immer auf die Familienbetriebe und auf die niedrigeren Betriebsgrößenklassen der Familienbetriebe, ganz sicher nicht — darüber sind wir uns vermutlich alle einig — auf die landwirtschaftlichen Lohnarbeitsbetriebe. Wir müssen von uns aus auf diesem Gebiet auch mehr tun, als bisher geschehen ist.
Mein erster Appell richtete sich an die Sozialpartner. Mein zweiter Appell gilt uns allen. Wir müssen uns überlegen, was wir über das hinaus, was wir bisher schon getan haben, noch mehr tun können. Wir müssen beispielsweise die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung etwas stärker fördern, als wir es bisher getan haben. Dabei denke ich nicht nur an die finanzielle Förderung, sondern auch daran, daß sich jeder von uns verpflichtet fühlen müßte, dafür — ich darf es so sagen — Reklame zu machen. Vielleicht sollte man den materiellen Anreiz, der aus dem Grünen Plan für die Beteiligung an der landwirtschaftlichen Facharbeiterausbildung gegeben wird, etwas verstärken.
Insgesamt liegt in diesem Bereich noch sehr viel im argen. In Süddeutschland gibt es diese landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung leider überhaupt nicht, obwohl sie seit vier oder fünf Jahren über den Grünen Plan gefördert wird. Wir haben sie in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NordrheinWestfalen und Hessen. Dann ist es aber auch schon aus.
Auf dem Gebiete des Wohnungswesen der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte sollten wir vielleicht mehr tun, als wir bisher getan haben. Wir sollten etwas für die hygienische und technische
Modernisierung der Landarbeiterwohnungen tun und uns da etwas mehr, als dort bisher praktiziert worden ist, einfallen lassen.
Das schafft auch Anreiz, wenngleich ich bei dieser Gelegenheit sagen möchte — und diese Mitteilung können Sie gewissermaßen aus erster Hand entgegennehmen —, daß es immer zunehmend Spaß an der Landarbeit gibt. Je mehr sie sich technisiert, je interessanter sie wird, desto weniger Sorgen werden wir an sich haben, Arbeitskräfte dort zu bekommen, wo sie benötigt werden. Man muß nur diese materiellen Unterschiede beseitigen. Ich habe gar keine Sorge, daß die Landwirtschaft in bezug auf die Eigenart der Arbeit und auf die Witterungsbedingungen mit der gewerblichen Wirtschaft nicht konkurrieren könnte.

(Zuruf des Abg. Richarts.)

— Herr Kollege Richarts, ich sagte eben — und ich wiederhole es für Sie —: Nehmen Sie es aus erster Hand! Es ist die Meinung der Betroffenen selber. Wir sind an und für sich gern in der Landwirtschaft. Wir lieben diese Arbeit, und wir scheuen die Witterungsbedingungen nicht. Was uns stört, ist lediglich dieser Lohnrückstand und sind die ungünstigen tariflichen und die Arbeitsbedingungen. Wenn da gleichgezogen wird, gibt es in der Beziehung keine Sorgen.
Wir sollten, was die Arbeitswirtschaft insgesamt betrifft, auch noch ein übriges tun, meine Damen und Herren. Zu diesem Zweck haben wir den Entschließungsantrag Umdruck 392 *) vorgelegt. Ich darf ihn jetzt begründen und Sie bitten, ihn zur Hand zu nehmen.
Darin wird von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gefordert, erstmalig und gewissermaßen versuchsweise in den Grünen Plan den Betrag von 1 Million DM zur Förderung der gemeinschaftlichen Landarbeiterhaltung einzustellen. Bei dieser ständig steigenden Arbeitsproduktivität der Landwirtschaft bleibt es nicht aus, daß bestimmte landwirtschaftliche Betriebe in bestimmten Größenordnungen in Zukunft nicht in der Lage sein werden — bestimmt dann nicht, wenn der Industriearbeiterlohn gezahlt werden muß —, einen eigenen ständigen Landarbeiter zu halten. In anderen Ländern gibt es die gemeinschaftliche Landarbeiterhaltung schon längst. In Dänemark und Holland gibt es sie in zunehmendem Maße, so wie es die bei uns durch den Grünen Plan geförderte ,gemeinschaftliche Maschinenhaltung gibt.
Ich kann verstehen, meine Damen und Herren, daß der Gedanke für den einen oder anderen von Ihnen neu ist. Es ist natürlich etwas Neues. Aber andere machen es schon. Wir müssen es erproben. Ich glaube beinahe, daß es sich auch auf die deutschen Verhältnisse anwenden läßt.
Übrigens gibt es dieses Verfahren versuchsweise z. B. schon bei Ihnen in der Nachbarschaft, Herr Kollege Dr. Reinhard. Im Kreis Hofgeismar gibt es eine Art landwirtschaftlicher Betriebshelfer. Einzelne niedersächsische Berufsgenossenschaften haben solche landwirtschaftlichen Facharbeiter angestellt, um
*) Siehe Anlage 4



Frehsee
sie bei Ausfall ides Landwirts — z. B. wegen Arbeitsunfalls — im landwirtschaftlichen Betrieb einzusetzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard.)

Es gibt drei Wege, erstens die gemeinschaftliche Landarbeiterhaltung, zweitens den Einsatz des Betriebshelfers in Notfällen bei Ausfall des Bauern und den Einsatz der Familienpflegerin bei Ausfall der Bäuerin. Das gibt es. Man kann diese Leute auch gemeinschaftlich anstellen. Wie man das technisch organisiert, ist eine andere Frage. Man kann sie bei den Berufsgenossenschaften anstellen, so wie das in Niedersachsen — wie ich eben schon sagte — getan wurde, und man kann sie bei den Landkrankenkassen anstellen; wie man will. Es gibt diese Idee des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Kubel, solche Betriebshelfer auch als Urlaubsvertretungen einzusetzen, damit Bauern und Landwirte mit ihren Frauen auch einmal ihre Gesundheit in einem ausreichenden Urlaub wiederherstellen können.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das sind also drei Wege, ,die zu idem gleichen Ziel führen, oder drei Ziele, die man auf ein und demselben Weg erreichen kann, wie Sie wollen, Herr Dr. Reinhard; ich will mich nicht im einzelnen darüber auslassen. Wir stellen diesen Antrag und bitten um Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Dort werden wir über das Problem reden. Wir meinen es gut und halten unseren Vorschlag wirklich für einen konstruktiven Beitrag auf dem Gebiet der Arbeitswirtschaft, auch von der Seite her ein wenig aus dem Grünen Plan zu helfen.
Nun darf ich mich mit der Sozialstruktur und der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft Tätigen befassen. Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß ich noch einmal — wie im vergangenen Jahr — lang und breit über den landwirtschaftlichen Sozialplan der SPD spreche; der ist damals beschlossen worden und der gilt, und was darinsteht, wissen die Interessierten und wissen die Fachleute. Also nichts vom landwirtschaftlichen Sozialplan. Ich werde einige kritische Bemerkungen zum Grünen Bericht und zum Grünen Plan machen und mich dann auf die Begründung des Gesetzentwurfs auf Drucksache IV/1947 beschränken. Um es hier auch öffentlich zu sagen, meine Damen und Herren: Ich bin vorhin angesprochen worden wegen dieser Drucksachennummer, ob das irgendwie mit der „Gruppe 47" zusammenhänge. Haben Sie keine Sorge; das ist zu wenig literarisch, als daß man es mit der „Gruppe 47" in Verbindung bringen könnte. Die Drucksache hat rein zufällig die Nr. 1947.
Ich sagte vorhin, daß ich auch ein wenig Kritik an dem Teil der Sozialverfassung usw. im Grünen Bericht zu äußern hätte. Diese Kritik bezieht sich auf den letzten Absatz dieser Übersicht, den Sie auf Seite 47 finden. Dort wird gesagt, daß es den Verfassern nicht möglich gewesen sei, einen Überblick über die 'Sozialstrukturen der Landwirtschaften der sechs EWG-Mitgliedsländer zu geben, und daß es ihnen auch nicht möglich gewesen sei, einen Überblick über den Stand der sozialen Sicherung in den sechs EWG-Ländern zu geben. Das ist bedauerlich. Ich weiß, daß richtig ist, was hier steht, daß also die Übersicht, die bisher von der Kommission erstellt worden ist, nur wenig praktischen Wert hat. Auf der anderen Seite wissen wir aber alle, daß es bereits eine ganze Fülle von Zahlen und Daten gibt, und sie sind auch publiziert worden. Denken Sie an den Aufsatz vor wenigen Monaten in „Agri Forum", wo die Systeme der sozialen Sicherung in den EWG-Ländern einander gegenübergestellt worden sind. So etwas brauchen wir hier im Grünen Bericht. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses Kapitel — das ist ja bei allen Rednern heute morgen hier deutlich geworden — wichtig ist, ohne daß es in der Agrarpolitik unter Nr. 1 rangiert. Ich habe es vor einem Jahr schon deutlich zu machen versucht, daß wir landwirtschaftliche Sozialpolitik treiben müssen in Ergänzung der anderen Zweige der Agrarpolitik, nicht aber als Ersatz, nicht Sozialpolitik als Ersatz von Agrarpolitik; das wäre lächerlich. Zweifellos wird die landwirtschaftliche Sozialpolitik in der .EWG eine immer größere Rolle spielen, auch aus den Gründen, die heute Herr Kollege Struve deutlich gemacht hat. Er hat gesagt, wegen der hohen Aufwendungen der öffentlichen Hand für die soziale Sicherung der in der französischen Landwirtschaft tätigen Bauern und Landwirte und ihrer Mithelfenden sei ein Kostenvorsprung der Franzosen gegeben. Sicher, das ist richtig, und wir haben uns natürlich auch von diesem Gesichtspunkt leiten lassen, als wir vor mehr als einem Jahr diesen landwirtschaftlichen Sozialplan erarbeitet haben, und zweifellos läßt sich auch der Bauernverband von diesem Gesichtspunkt leiten. Wir lassen uns naturgemäß noch von anderen Gesichtspunkten leiten. Jedenfalls wäre es nicht nur erwünscht, sondern dringend notwendig, meine Herren auf der Regierungsbank — die Dame, die, wie ich weiß, an diesen Dingen besonderen Anteil nimmt, sehe ich im Augenblick nicht —, daß .Sie uns im nächsten Grünen Bericht das Material, das Sie haben, zur Kenntnis bringen. Ich habe davon gesprochen, daß die Daten sehr gut verwendbar und nützlich sind, und zwar für die verschiedensten Zwecke. Diese Daten brauchen wir. Sie können ja, wenn das eine oder andere nicht ganz hieb- und stichfest ist, dazuschreiben, daß diese Angaben mit Vorbehalt hinzunehmen sind, daß sie aus diesen oder jenen Gründen schwer vergleichbar sind. Wertvoll wäre es jedenfalls, wenn Sie die Zahlen, die schon allenthalben genannt werden, in den Grünen Bericht aufnähmen.
Nun einige Bemerkungen zum beruflichen Strukturwandel! Fast zwei Millionen Menschen haben im letzten Jahrzehnt ihren landwirtschaftlichen Beruf aufgegeben und zweieinhalb Millionen seit der Betriebszählung von 1949. 470 000 Kleinlandwirte sind ausgeschieden. Hinter diesen Zahlen und dem darin zum Ausdruck kommenden gewaltigen Wandel verbergen sich große wirtschaftliche und soziale Belastungen für den einzelnen und seine Familie. Was sich in der Statistik so als eine erfolgreiche Entwicklung abzeichnet, ist im Einzelfall mit großen menschlichen Belastungen erkauft worden. Es ist eigentlich sehr wenig geschehen, um den Betroffenen diesen Strukturwandel, diese Belastungen verständ-



Frehsee
lieh zu machen. Vielleicht könnten wir das vorzeitige Altersgeld, das wir im vorigen Jahr eingeführt haben, als eines dieser Mittel ansehen. Aber das betrifft nur sehr wenige Fälle. Wissen Sie, wieviel vorzeitige Altersgelder es zur Zeit gibt? 618! Und nicht 60 Millionen DM hat das im Jahre 1963 gekostet, sondern, Herr Kollege Struve, 400 000 DM!

(Abg. Struve: Aller Anfang ist schwer!)

— Ich komme darauf noch zu sprechen. Über diese Zahlen muß ich selber ein wenig lachen.
Praktisch fehlt es vollständig an Hilfen für den Berufswechsel, der mit dem Strukturwandel verbunden ist. Die für solche Dinge bei den Arbeitnehmern zuständige Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ist eben für die Familienarbeitskräfte nicht zuständig, sondern ausschließlich für die Arbeitnehmer. Es gibt also noch keine Institution, die für diese Eingliederung der aus der Landwirtschaft Ausscheidenden in die industrielle Arbeitswelt zuständig wäre. Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Es muß eine Institution geben, die sich dieser Dinge annimmt. Es muß auch prophylaktische Maßnahmen für den Berufswechsel oder für die Berufsaufgabe in den kleinbäuerlichen Gebieten geben. Für die Berufsaufgabe von alten Landwirten gibt es bisher keine generellen Hilfen. Auf dem Gebiet der Arbeitsbeschaffung und der Berufsförderung gibt es noch sehr viel für die aus der Landwirtschaft Ausscheidenden zu tun. Wir schlagen einiges dazu auf Umdruck 391 *) vor; mein Kollege Schmidt (Würgendorf) wird das noch begründen. Ich will das in diesem Zusammenhang und bei diesem Kapitel nur andeuten und nun zum nächsten Kapitel übergehen.
Es handelt sich um das Kapitel, mit dem sich kurz vor der Mittagspause die verehrte Kollegin Frau Pannhoff befaßt hat: die Förderung der Hauswirtschaft. Frau Pannhoff hat ihren Beitrag zu Protokoll gegeben. Ich habe ihn noch nicht gelesen, aber sie hat mir einiges von dem gesagt, was in ihrem zu Protokoll gegebenen Beitrag steht. Ich bin weitgehend einverstanden mit dem, was sie darin sagt. Zu kritisieren ist, daß die von Ihnen allen, meine Damen und Herren, verfolgte löbliche Absicht, der Bäuerin auf dem Weg über die Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft und der Haushaltseinrichtungen der landwirtschaftlichen Betriebe zu helfen, nicht oder nur teilweise verwirklicht wurde. Die gute Absicht hatten wir. Aber 1962 wurden von den 50 Millionen nur 25 und 1963 von den 50 Millionen nur knapp 30 Millionen ausgegeben. 1962 wurden 25 Millionen, 1963 über 20 Millionen DM für andere Zwecke verwendet.
Das ist ärgerlich. Aber Sie können sich alle darauf verlassen — auch diejenigen von Ihnen, die nun vielleicht einwenden möchten, wir hätten diesen Titel zu hoch dotiert —: es ist ganz gewiß nicht so, daß in unseren landwirtschaftlichen Haushalten kein Bedarf an Verbesserungen der hauswirtschaftlichen Einrichtungen bestehe oder daß die Bäuerinnen eine solche zusätzliche Hilfe nicht benötigten. Weit ge*) Siehe Anlage 5
fehlt! Die Ursachen für die unbefriedigende, so ,geringe Inanspruchnahme dieser öffentlichen Mittel liegen meines Erachtens erstens darin, daß die landwirtschaftliche Beratung sich nicht genügend um diese Position kümmert, und zweitens darin, daß ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe von dieser Beratung ,gar nicht erfaßt wird, daß die Wirtschaftsberatung einen Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe nicht zu einer Inanspruchnahme dieser Mittel zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft auffordert; sie liegen schließlich drittens auch darin, daß die Herren Berufskollegen von der bäuerlichen Seite doch andere Dinge als die Haushaltungen ihrer Ehefrauen im Vordergrund sehen, nämlich eben die Ausstattung der Wirtschaftsgebäude und die Neuinvestierungen bei 'Maschinen usw. Daran liegt es sicher auch. Ich habe versucht, das mit der hier gebotenen Courtoisie so vornehm wie möglich zu sagen; aber ganz zweifellos liegt auch hier ein wenig die Ursache.
Es ist nun an der Zeit, daß hier im Bundestag nicht allein so viel und wirklich Wahres von der überlasteten und geplagten Bäuerin gesagt wird, sondern daß nun auch etwas mehr unternommen wird, als bisher unternommen wurde, damit .die Bäuerin wenigstens das erhält, was ihr nach unseren Beschlüssen gegeben werden soll.
Das Ministerium hat schon resigniert und hat im Grünen Plan einen Betrag angesetzt, der gegenüber dem für 1963 um 5 Millionen DM gekürzt ist. Das ist Resignation, nichts anderes. Es ist schlimm, wenn wir in dieser Beziehung resignieren. Das sollten wir nicht tun. Wir waren alle mit Ihnen einig, Herr Minister Schwarz, als Sie vor drei Jahren sagten, es sei nicht mehr als recht und billig, daß wir wirklich auch einmal an die Bäuerin dächten und ihr etwas in die Schürze steckten. Wirklich, das haben Sie gesagt! Wir waren damals mit Ihnen einig. Aber Sie sehen, diese Schürze der Bäuerin hat leider ein sehr großes Loch. Durch dieses Loch ist die Hälfte ,des Geschenks, das wir ihr machen wollten, hindurchgefallen.
Ein anderes Kapitel! Ich habe mich gerade damit beschäftigt, daß die Beratung und Aufklärung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in bezug auf die Förderungsmaßnahmen für die bäuerliche Hauswirtschaft nicht ausreichen. Ich will gleich daran die Bemerkung anknüpfen, daß auch keine ausreichende Beratung und Aufklärung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in bezug auf soziale Fragen erfolgt. Da haben wir bei den Wirtschaftsberatern und bei den Geschäftsführern der Bauern- und Landvolkverbände eben dieses böse tabu, von dem ich vor einem Jahr gesprochen habe, gegen alles Soziale. Dieses tabu muß gebrochen werden. Die Aufklärung über soziale Fragen beispielsweise könnte es ohne Verwirklichung des Sozialplanes ermöglichen, die schon jetzt bestehenden sozialen Einrichtungen sinnvoll auszunutzen und in Anspruch zu nehmen. Die meisten Bauern nehmen doch beispielsweise nicht ihr Recht wahr, sich freiwillig in der Landkrankenkasse gegen Krankheit und ihre Folgen zu versichern, dieses Recht, das es zur Zeit gibt, das es noch geben wird, solange wir die Krankenversicherungsreform



Frehsee
im Sinne des Herrn Ministers Blank nicht haben, bei der dieses Recht sehr, sehr stark eingeschränkt werden soll. Aber solange wir die Krankenversicherungsreform noch nicht haben, gibt es das noch. Es fehlt offensichtlich an Aufklärung und Beratung. Ganz selten und wirklich nur ausnahmsweise einmal wird in einer landwirtschaftlichen Versammlung über solche Fragen gesprochen. Das ist bedauerlich; denn heute ist — das wird von Tag zu Tag deutlicher — eine ausreichende soziale Sicherheit einfach ein Bestandteil des bäuerlichen Vermögens.

(Beifall bei der SPD.)

Weil ich den Herrn Staatssekretär des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung dort sehe, in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Sozialenquete, die von Herrn Bundeskanzler Erhard in seiner Regierungserklärung angekündigt wurde. Es wäre sehr sehr wertvoll und notwendig — ich würde Sie herzlich bitten, das gleich so von hier mitzunehmen, weil wir dazu keinen Antrag gestellt haben —, in die Sozialenquete Erhebungen über die soziale Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Familienarbeitskräfte, der Bauern und Landwirte, aufzunehmen, beispielsweise über das Ausmaß des Krankheitsschutzes, das es jetzt schon gibt, über die Bedeutung der Zahl der dort noch tätigen mithelfenden Familienangehörigen. Im vorigen Jahr haben wir bei der Beratung der Zweiten Novelle zum Altershilfegesetz völlig im Dustern getappt. Die Sozialenquete sollte uns die für diese Zwecke erforderlichen Daten geben, auch schon deswegen, um
B) unsere Landwirtschaft mit den Landwirtschaften in
anderen Ländern wettbewerbsfähig zu machen.
Nun zum letzten Kapitel im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht. Der Grüne Plan 1964 sieht für die Verbesserung der sozialen Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung auch diesmal wieder Zuschüsse für die Altershilfe für Landwirte in Höhe von 250 Millionen DM und für die Unfallversicherung den Betrag von 100 Millionen DM vor. Diese Zuschüsse sollen es ermöglichen, die im vorigen Jahr beschlossenen Verbesserungen zu finanzieren. Sie tun noch mehr, meine Damen und Herren, und wieder an die Regierungsbank gerichtet: Mit diesen Zuschüssen finanzieren wir ausgezeichnet die in Drucksache IV/1947 beantragten Maßnahmen. Es bleibt dann immer noch etwas übrig, selbst wenn wir die Dritte Novelle, die die Sozialdemokraten jetzt zum Gesetz über die Altershilfe für Landwirte beantragen, so verabschieden. Das kostet also zusätzlich nichts. Im Jahre 1963 sind davon 95 Millionen DM übrig geblieben. Auf Grund der Novelle von 1962 müssen 1964 gegenüber 1963, weil wir jetzt für 12 Monate die höheren Leistungen zu bezahlen haben, 35 Millionen DM mehr aufgebracht werden. Von den übriggebliebenen 95 Millionen DM werden also 35 Millionen DM jetzt verbraucht werden, aber 60 Millionen DM bleiben wieder übrig, und damit kann man die Forderung, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, finanzieren, gut finanzieren.
Ich habe vor einem Jahr gesagt: ich nenne Zahlen, die kommen ins Protokoll, und in einem Jahr
können Sie mir die Zahlen entgegenhalten. Sie könnten es tun; denn selbst ich war pessimistischer, als die guten Sitten es erlauben. Sie, Herr Kollege Struve, haben gesagt, das koste 150 Millionen DM. Das Arbeitsministerium hat im Sozialpolitischen Ausschuß den Betrag von 190 Millionen DM, ich habe 110 Millionen DM genannt. Gekostet hat die Sache alles in allem 55 Millionen DM.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das kann man kaum glauben, Herr Kollege!)

Ein Wort zu der Eingruppierung dieser Zuschüsse. Sie haben sie wieder in die Gruppe genommen. Herr Kollege Schmidt hat sich schon dazu geäußert, deshalb kann ich mich ganz kurz fassen. Gruppe ist benannt „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse". Dabei haben wir uns doch 1963 geeinigt, und in der endgültigen Fassung des Grünen Plans 1963 hat es wörtlich geheißen — ich darf zitieren —:
Bei einer Ubersicht über die Aufwendungen nach Maßnahmengruppen bietet sich an, die 1963 erstmals veranschlagten Aufwendungen des Bundes zur Senkung der Beiträge für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften mit den Zuschüssen zur Förderung der Altershilfe für Landwirte in einer Maßnahmengruppe IV — Verbesserung der sozialen Lage in der Landwirtschaft — zusammenzufassen.
Diese Maßnahmengruppe IV ist im Grünen Plan 1964 wieder in der Maßnahmengruppe I aufgegangen. Erste Ansätze mindestens zu einer spezifischen Behandlung von Leistungen :des Bundes im Rahmen der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft Tätigen sind damit wieder auf Eis gelegt.
Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, welche Motive es wohl dafür gegeben haben mag. Auch Herr Kollege Schmidt wunderte sich sehr, daß nun der Herr Bundeskanzler persönlich schuld daran sein solle. Er soll — wie man hört, wie es heißt; Herr Kollege Schmidt hat das auch gesagt — persönlich veranlaßt haben, daß die Maßnahmengruppe IV beseitigt und daß alles in die Maßnahmengruppe I des Grünen Plans eingebaut wird. Das ist mir unerfindlich. Leidet er auch unter dem Tabu-Komplex, von dem ich gesprochen habe? Oder fürchtet er, wie die Sozialdemokraten verdächtigt zu werden, Agrarpolitik mit Sozialpolitik machen zu wollen oder statt Agrarpolitik Sozialpolitik? Er wäre schlecht beraten. Er hätte im vorigen Jahr dabei sein sollen oder sich das jetzt hier anhören sollen, wenn das das Motiv für diese Entscheidung gewesen sein sollte.
Mit diesen Ausführungen, Herr Präsident, habe ich den Antrag Umdruck 388 *) begründet, der sich inhaltlich genau mit dem letzten Absatz des Entschließungsantrages der Fraktion der CDU/CSU deckt. Wir sind also im Bundestag offensichtlich alle übereinstimmend der Meinung, daß eine besondere Maßnahmengruppe geschaffen werden soll.
Nun komme ich zum letzten Punkt, zur Begründung des Gesetzentwurfs. Ich mache das kurz. Bei
*) Siehe Anlage 6



Frehsee
diesem Gesetzentwurf handelt es sich um nichts Neues. Das ist die Erinnerung an den Antrag der Fraktion der SPD, der vor einem Jahr hier vorgelegt worden ist, und zwar auf der Drucksache IV/904. Wir haben also in einem Jahr mehr als tausend Drucksachen gehabt; das merkt man bei der Gelegenheit. Auf Drucksache 904 ist das gleiche beantragt worden wie auf Drucksache 1947, in etwas modifizierter Form.
Wir sind Ihnen entgegengekommen. Wir haben alles berücksichtigt, was Sie uns an Einwänden in den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß und bei der zweiten und dritten Beratung der Zweiten Novelle hier im Plenum des Bundestages entgegengehalten haben. Beispielsweise haben wir bei den Witwen uns auf die Linie des Ernährungsausschusses begeben und nicht mehr gefordert, daß sie das vorzeitige Altersgeld ohne Rücksicht auf ihr Alter bekommen — das stand in dem Antrag vor einem Jahr —, sondern nach Vollendung des 40. Lebensjahres sollen Witwen, wenn sie wieder heiraten und den Hof abgeben, das Altersgeld vorzeitig erhalten.
Im Sozialpolitischen Ausschuß hat der Vertreter des Bundesjustizministeriums verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Wir wollten diese Regelung für die Witwer nicht haben. Er hat gesagt, das verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Deswegen haben wir dann die Witwer einbezogen. Wir haben uns vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen sagen lassen, daß nur ganz wenige Witwer davon betroffen würden. Wegen des Gleichheitsgrundsatzes also diese Regelung! Witwen sollen Altersgeld vorzeitig haben nach Vollendung des 40., Witwer nach Vollendung des 45. Lebensjahres. Das Ganze hat natürlich in erster Linie agrarstrukturpolitische Bedeutung. Mit dieser Hilfe von 100 DM im Monat werden manche Witwen in Betrieben bestimmter Größenklassen veranlaßt werden, den Betrieb abzugeben, und das Land kann dann benutzt werden, um einen anderen Betrieb aufzustocken und ihn lebensfähig zu machen. Ich hoffe, nachdem der Ernährungsausschuß im vorigen Jahr dieser Regelung schon zugestimmt hat — im Sozialpolitischen Ausschuß gab es Bedenken —, daß diese Regelung jetzt ohne Beanstandung durchgeht.
Nicht so große Hoffnungen habe ich in bezug auf die wiederholte Forderung nach der Einbeziehung der mithelfenden Familienangehörigen. Das ist eine böse Angelegenheit. Nun hat das Hohe Haus am 28. März 1963 einstimmig beschlossen, die Regierung aufzufordern, zu prüfen — und über das Ergebnis der Prüfung zu berichten —, ob und in welcher Weise die Gewährung von Altersgeld an mithelfende Familienangehörige ermöglicht werden kann. Nichts ist geschehen. So ernst sind wir genommen worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ganz zuverlässig weiß ich es nicht, aber soweit ich
weiß, ist in dieser Beziehung im Bundesministerium
für Arbeit und Sozialordnung nicht das geringste geschehen.

(Erneutes Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Unerhört!)

Es ist leider auch nichts geschehen in bezug auf Punkt 1 dieser Entschließung, die das Hohe Haus einstimmig angenommen hat. In Punkt 1 heißt es:
Die Bundesregierung wird ersucht,
einen Gesetzentwurf vorzubereiten und den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten, der unter Berücksichtigung der Erfahrungen in anderen Sozialleistungszweigen Art und Umfang sowie die Finanzierung von Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich der Altershilfe für die Landwirte regelt.
Einstimmig angenommen, und nichts liegt vor, kein Gesetzentwurf.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es liegt auch nichts anderes vor, es liegt auch keine Andeutung einer Aktivität der Bundesregierung in dieser Richtung vor.
Aber, meine Damen und Herren, wir waren uns einig, daß man nicht vorzeitig Altersgeld an erwerbsunfähige Landwirte gewähren kann. Die Sozialpolitiker schütteln sich allein bei dem Gedanken, daß man Erwerbsunfähigkeitsrenten gewährt, ohne zunächst zu versuchen, die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen. wiederherzustellen. Das ist ein sozialpolitisches Unding. Damals ist eingewendet worden im Sozialpolitischen Ausschuß: „Das sehen wir ein" - nicht wahr, Herr Kollege Horn, das haben Sie erklärt? —, „Sie haben recht, das ist so; aber das ist eine völlig unbekannte Größe. Was haben wir da zu erwarten? Wir können das deswegen nicht machen, wir müssen erst die Zahlen, wir müssen erst Daten haben. Dazu ist die Bundesregierung mit ihrem Apparat da. Wir fordern sie auf" — einstimmig haben wir das getan —, „uns die Unterlagen zu geben und den Gesetzentwurf vorzulegen." — Nichts ist geschehen.
Deswegen unterbreiten wir diesen Gesetzentwurf wieder. Etwas mehr als im vorigen Jahr wissen wir schon. Wir wissen beispielsweise, daß seit dem Inkrafttreten des Altershilfegesetzes in der Fassung von 1963, also der zweiten Novelle, 13 111 Anträge auf vorzeitiges Altersgeld gestellt worden sind. Davon sind bis zu diesem Zeitpunkt 3221 abgelehnt worden. 612 Antragstellern ist das vorzeitige Altersgeld bewilligt worden; deswegen übrigens die Summe von 400 000 DM und nicht die von 60 Millionen DM, die ich vorhin genannt habe. Aber ich will daran keine Kritik üben. Das war natürlich auch für uns eine unbekanntne Größe, und deswegen war ich auch pessimistisch hinsichtlich der Summe, die ich genannt habe. Aber die Herren von dem landwirtschaftlichen Alterskassen sind der Meinung, daß die Schätzungen in dieser Beziehung weit zu hoch gegriffen waren. Wir wissen auch, warum sie so hoch gegriffen waren: weil wir uns bei der ersten Schätzung 1957 alle miteinander ganz gewaltig nach unten verschätzt hatten. Nun hat man weit darüber hinaus nach oben gegriffen.



Frehsee
Hoffentlich folgen Sie nun diesem Vorschlag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1247, und zwar deswegen vielleicht besonders bereitwillig, weil wir in dem die medizinische Rehabilitation betreffenden § 6 b in dieser Drucksache alles das berücksichtigt haben, was an Einwänden innerhalb und außerhalb des Parlaments damals gegen die Heilkuren für Bauern und Bäuerinnen erhoben worden ist. Alles ist berücksichtigt, und der Kollege Weber — wenn er hier wäre; ich sehe ihn nicht — würde begeistert sein. In der zweiten und dritten Lesung der zweiten Novelle hat er sich auch besonders für die Betriebshelfer eingesetzt. Auch das steht nun hier drin.
In diesem Zusammenhang bitte ich, zur Kenntnis zu nehmen, daß infolge eines technischen Versehens leider die endgültige Fassung des Entwurfs der SPD nicht gedruckt worden ist. Auf Seite 2 ist etwas zu ändern. Es kommt nun ins Protokoll, und damit ist es authentisch. In der dritten Zeile muß hinter dem Wort „Betriebshelfer" eingefügt werden: „und Familienpflegerinnen", in der vierten Zeile hinter den Worten „Geldleistung in Höhe von" das Wort „täglich".
Das bedeutet folgendes: Bei Verschickung des Landwirts in ein Heilverfahren sollen die landwirtschaftlichen Alterskassen einen Betriebshelfer in diesen Betrieb schicken können und bei Verschicken der Bäuerin zu einer solchen Kur eine Familienpflegerin. Wenn das nicht geschieht oder sich nicht empfiehlt, soll es dafür täglich den Betrag von 20 DM von den landwirtschaftlichen Alterskassen geben.
Sie sehen an diesen beiden Beispielen, daß wir versucht haben, auf alle Einwände einzugehen und sie zu berücksichtigen. Insgesamt haben wir uns mit den Formulierungen in diesem Paragraphen von den Formulierungen der Rentenversicherung entfernt. Der Vertreter der Regierung hat wegen mancher negativer Erfahrungen mit der medizinischen Rehabilitation und auch mit der beruflichen Rehabilitation in der Rentenversicherung gemeint, wir könnten das nicht kopieren. Nun kopieren wir es nicht, sondern haben einen Maßanzug geschneidert. Wir haben in diesem § 6 b Formulierungen vorgeschlagen, die gerade auf diese besonderen Verhältnisse in der Landwirtschaft zugeschnitten sind, die also keine Parallele mehr zu der medizinischen und beruflichen Rehabilitation in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten darstellen.
Neben der Forderung, die medizinische Rehabilitation einzuführen und das vorzeitige Altersgeld den Witwen und Witwern zu gewähren, haben wir wieder die Forderung gestellt, die mithelfenden Familienangehörigen mit einzubeziehen, und wir haben die Forderung wiederholt, eine Pflegezulage zu gewähren. So heißt es unter Ziffer 4 des Antrags Drucksache IV/1947:
Das Altersgeld erhöht sich um die Hälfte des Altersgeldes für einen verheirateten Berechtigten, wenn er so hilflos ist, daß er nicht ohne Wartung und Pflege sein kann.
Das ist also auch wieder auf die besonderen Notwendigkeiten zugeschnitten.
Meine Damen und Herren, sehen Sie es bitte auch unter dem Gesichtspunkt, den ich vorhin angedeutet habe, als ich sagte: Soziale Sicherheit bedeutet bäuerliches Vermögen. Es liegt auf der Hand, daß ein hilfloser, nicht mehr bewegungsfähiger, im Rollstuhl sitzender oder siech und gelähmt im Bett liegender landwirtschaftlicher Altenteiler den kleinen und mittleren bäuerlichen Betrieb wirtschaftlich belastet. Helfen Sie diesem Betrieb durch die Gewährung der Pflegezulage in Höhe von einheitlich 50 DM! Ich hoffe, daß Sie diesmal dafür mehr Verständnis haben als vor einem Jahr.
Über ,die Finanzierung habe ich schon gesprochen. Die Gesamtaufwendung der landwirtschaftlichen Alterskassen werden sich nach sachverständiger Berechnung im Jahre 1964 .auf der Grundlage der Novelle von 1962 auf 305 Millionen DM belaufen. Davon werden 115 Millionen DM durch Beiträge aufkommen. Das bedeutet, daß wir vom Bund einen Zuschuß in Höhe von 190 Millionen DM brauchen. Wir Sozialdemokraten sind bereit, dem Ansatz von 250 Millionen DM zuzustimmen. Mit der Differenz wollen wir den Antrag Drucksache IV/1947 und den Umdruck die Betriebshelfer betreffend finanzieren. Wir hoffen, ,daß wir mit diesen sehr konstruktiven Absichten diesmal mehr Gehör finden als im vorigen Jahr und daß Sie sich alle davon überzeugen lassen, daß diese Vorschläge wirklich der Verbesserung der sozialen Verhältnisse dienen. Das ist noch kein Optimum, aber es liegt im Interesse einer verhältnismäßig geringfügigen, aber doch einer Verbesserung der sozialen Verhältnisse in unseren landwirtschaflichen Betrieben. Die Vorschläge dienen damit auch dem Sinn des Landwirschaftsgesetzes und stellen in dieser immer noch sehr schwierigen Zeit, in dieser für die in der Landwirtschaft Tätigen schwierigen Situation eine echte Hilfe dar.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411521000
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Claussen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411521100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur zu einigen wenigen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Frehsee Stellung nehmen, um klarzustellen, daß das Arbeitsministerium sofort nach der Verabschiedung des Änderungsgesetzes vom 23. Mai 1963 begonnen hat, die nötigen Erhebungen anzustellen, die die Voraussetzung dafür sind, daß wir dem Hohen Hause ein sinnvolles Gesetz vorlegen können. Wir haben veranlaßt, daß sämtliche Fälle von Erwerbsunfähigkeit selbständiger Landwirte statistisch erfaßt und nach den Ursachen der Erwerbsunfähigkeit aufgegliedert werden. Sie haben selbst, Herr Abgeordneter, hier bekanntgegeben, daß bisher erst 612 Fälle von vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit und Gewährung von vorgezogenem Altersgeld gezählt worden sind. Sie werden zugeben, daß das keine hinreichende Grundlage ist, um ein Gesetz darauf aufzubauen.
Die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit sind uns erst in acht Fällen mitgeteilt worden.



Staatssekretär Dr. Claussen
Insgesamt — ich darf an das anknüpfen, was Sie gesagt haben — liegen etwa 15 000 Anträge vor, in denen ein vorzeitiges Altersgeld verlangt wird. Daraus werden sich auch eine ganze Reihe von Erfahrungen ableiten lassen, die für die Ausarbeitung des Gesetzes unbedingt erforderlich sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411521200
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Frehsee?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411521300
Sehr gern!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411521400
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß diese 3000 Anträge abgelehnt werden mußten, weil andere Voraussetzungen nicht erfüllt waren, jedenfalls nicht solche nicht erfüllt waren, die mit der Erwerbsunfähigkeit und ihren Ursachen zusammenhängen? Ist Ihnen bekannt, daß die geringe Zahl von bisher nur 612 bewilligten vorzeitigen Altersgeldern darauf zurückzuführen ist, daß die Bewilligung mit der Bedingung .der Hofabgabe verknüpft ist, daß Sie also die Heilkuren und Heilverfahren durchaus gewähren könnten, ohne Rücksicht darauf, daß das vorzeitige Altersgeld zu gewähren ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411521500
Sicher ist mir das bekannt, Herr Abgeordneter. Ich wollte auch nicht darauf eingehen; ich wollte nur den Versuch machen, darzustellen, daß die Unterlagen, die wir bisher haben, nicht ausreichen, um ein Gesetz zu machen, wie das bisher vom Bundestag hier von uns verlangt worden ist. Sie selber scheinen mir das genau begründet zu haben. Denn die verschiedenen Tatbestände sind nicht hinreichend aufgehellt. Das wird möglicherweise erst dann der Fall sein, wenn die 15 000 Fälle, die nunmehr als Anträge vorliegen, aufgeklärt sind. Dann wird sich auch ergeben, daß der hierfür erforderliche Betrag, den Sie auf 55 Millionen DM beziffert haben, wahrscheinlich erheblich höher ist und daß das Arbeitsministerium gar nicht so ungenau berechnet hat, wie es vielleicht den Anschein haben könnte. Denn das ist erst die Anlaufzeit, und dieser' Betrag ist ausgegeben worden für ein Dreivierteljahr.
Aber parallel zu den Untersuchungen, die wir eingeleitet haben, läuft auch eine Untersuchung bei den anderen Sozialversicherungsträgern darüber, in welcher Weise sie für die Rehabilitationsmaßnahmen bei der Landwirtschaft eingesetzt werden können oder ob wir etwa Rehabilitationseinrichtungen für die Alterskassen der Landwirtschaft als selbständige Einrichtungen schaffen sollen.
Schließlich haben wir in Aussicht genommen, auch die österreichischen Maßnahmen zu untersuchen. Aber auch das können wir sinnvoll natürlich erst dann, wenn wir selber wissen, auf welche Bedürfnisse unsere Maßnahmen zugeschnitten werden sollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411521600
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dröscher?
Dr. Claussen, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und .Sozialordnung: Bitte sehr!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0411521700
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß 70 bis 80 Prozent der Anträge — wenigstens aus meinem Übersichtsbereich — daran scheitern, daß die fünf Jahre Beitragszahlung, die ja vorausgesetzt werden, nicht erfüllt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411521800
Sicherlich. Wenn das Gesetz Voraussetzungen für ,die Gewährung des Altersgeldes schafft, müssen dieselben erfüllt sein. Wenn Anträge gestellt werden, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, müssen sie ,abgelehnt werden; das ist doch ganz selbstverständlich. Daß sich dadurch die Zahl verschiebt, ist nach meiner Meinung nicht das Problem, das wir hier behandeln müssen, sondern das ist wieder ein Beweis dafür; daß die Unterlagen, die wir jetzt haben, eben nicht dafür ausreichen, einen Gesetzentwurf vorzubereiten.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411521900
Herr Staatssekretär, sind Sie so zu verstehen, daß Sie hier für die Regierung die Erklärung abgeben, daß Sie die medizinische Rehabilitation für die Bauern und Landwirte und ihre mithelfenden Familienangehörigen einführen wollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411522000
Es kommt darauf an, was sich aus den Erhebungen ergibt. Ich kann das, was das Hohe Haus hier beschließen wird, und das, was die Regierung vorschlagen wird, natürlich nicht vorwegnehmen. Ich hatte vielmehr nur die Absicht, zu sagen, daß die Voraussetzungen, von denen Sie, Herr Abgeordneter, vorhin ausgegangen sind, offensichtlich nicht zutreffen. Der Vorwurf, :der :dem Arbeitsministerium gemacht wird, daß es nichts getan habe, trifft nicht zu. Wir sind unmittelbar in der Arbeit.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411522100
Noch eine Frage bitte. Herr Staatssekretär, können Sie denn eine Frist nennen, innerhalb derer Sie Vorschläge für die Einführung von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen bzw. den geforderten Gesetzentwurf vorlegen werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411522200
Sicher kann ich eine Frist nennen, Herr Abgeordneter. Ich würde meinen, daß, wenn die Anträge, die im Laufe dieses Jahres gestellt worden sind, aufgearbeitet sind und wir eine Ubersicht über die Zeit von April vorigen Jahres bis Ende dieses Jahres haben, durchaus die Möglichkeit besteht, einen Gesetzentwurf fertigzustellen.



Staatssekretär Dr. Claussen
Wir müssen für ein solches Gesetz eine genügend breite Basis haben. Dasselbe gilt für die Gewährung des Altersgeldes für die mithelfenden Familienangehörigen, das Probleme aufwirft, die sich nicht auf die Landwirtschaft beschränken. Denn die anderen Gruppen, z. B. der Einzelhandel oder das Handwerk, haben keine berufsständischen Alterssicherungseinrichtungen, sondern sind im Rahmen der allgemeinen Rentenversicherung versichert. Wenn daher in irgendeiner Einrichtung Vorzeiten angerechnet werden sollen, die nicht durch Beiträge belegt sind, ergibt sich ein völlig neues Problem. Wegen dieser grundsätzlichen Auswirkungen müssen für die Landwirtschaft spezifische Lösungen gefunden werden. Dabei ist zu prüfen, ob Ansprüche gegenüber anderen Versicherungsträgern bestehen, insbesondere auch, ob Ansprüche gegen den elterlichen Betrieb bestehen. Aber darüber ist — das werden Sie als Kenner dieser Tatbestände zugeben — verhältnismäßig wenig bekannt. Wir haben uns auf Dorferhebungen gestützt und versucht, Statistiken oder Spezialuntersuchungen auszuwerten. Aber die Ergebnisse sind bisher nicht so, daß sie für die Vorlegung der von dem Hohen Hause geforderten Gesetzentwürfe ausreichen. Daher nehmen wir sehr dankbar auch Ihre Anregung auf, diese Fragen im Rahmen der Sozialenquete mitzuprüfen. Dasselbe gilt zweifellos auch für die Gewährung einer besonderen Krankenhilfe an die Bezieher von Altersgeld, weil es bisher nach Auffassung der Bundesregierung so gewesen ist, daß Selbständige nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen sollen. Aus dieser Sicht wäre es natürlich schwer verständlich, wenn Altersgeldempfänger, die während des Erwerbslebens nicht der Krankenversicherungspflicht unterlegen haben, nach Abschluß des Erwerbslebens eine Krankenhilfe erhalten sollen. Es wird eben darauf ankommen, welche politischen Grundsatzentscheidungen das Hohe Haus auch hinsichtlich der Krankenversicherung fällt, um dann entscheiden zu können, wie diese Frage nun für die Altersgeldempfänger in der Landwirtschaft gelöst werden kann.

(Abg. Dr. Schellenberg: Das wird noch sehr lange dauern!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411522300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0411522400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem sozialpolitischen Zwischenspiel zurück zur Agrarpolitik. Bevor ich zu meinem alljährlichen Auftrag komme, zum Grünen Bericht Stellung zu nehmen, möchte ich doch noch etwas zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Schmidt von heute morgen sagen.
Herr Dr. Schmidt, Sie haben eine gute Oppositionsrede gehalten. Es ist immer gut, wenn die Opposition ganz klar herausstellt, was sie will. Ich darf aber ebenso deutlich sagen, daß ich trotz allem Ihre EWG-Agrarpolitik für sehr gefährlich halte und auch innenpolitisch, nationalpolitisch viele Ihrer Gedankengänge zur Agrarpolitik nicht teile. Es würde zu weit führen, jetzt auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß Ihre heutige
Rede im Widerspruch steht zu der Haltung, die Sie gelegentlich im Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages einnahmen. Herr Kollege Dr. Schmidt, ich habe immer so .das Gefühl gehabt, daß Sie sich im Ernährungsausschuß manchmal ganz gern in einen Beiwagen setzen, den die Regierungsmaschine steuert. Ich habe oftmals erleben können, daß gerade Sie Regierungsvorlagen im Ernährungsausschuß mit aller Tapferkeit verteidigt haben.

(Zuruf von der SPD: Manchmal macht auch .die Regierung etwas Vernünftiges!)

— Natürlich, das wollte ich ja noch einmal herausstellen.

(Zurufe von der SPD. Gegenrufe von der Mitte.)

Also ich sehe darin einen gewissen Widerspruch. Aber das nur als Vorbemerkung.
Jetzt zu meinem eigentlichen Auftrag. Ich will heute versuchen, die Auswirkung des Grünen Berichts von der Praxis aus zu beleuchten, und mich bemühen, aus der Praxis für die Bearbeitung des nächsten Grünen Berichts schon einige Anregungen zu geben.
Dabei muß ich sagen, daß der jetzige Grüne Bericht im Ergebnis und in seinen eigentlichen Auswirkungen bei uns draußen auf den Höfen anders ankommt, als es schriftlich in dem Bericht festgelegt ist.
Die Regierung sollte sich bemühen, den Grünen Bericht möglichst praxisnah zu gestalten, und sich nicht von den Auswirkungen in der Praxis entfernen. Ich komme noch auf einige Einzelheiten zurück.
Wir haben uns — wie in allen Jahren zuvor — bemüht, den Grünen Bericht 1964 sehr gründlich zu prüfen. Ich bin zu der Auffassung gekommen, daß es notwendig ist, zusätzliche Fragen an den Minister zu stellen und auch einige kritische Anmerkungen zu machen. Sie haben gelegentlich einmal gesagt, Herr Minister, daß Sie für jede Kritik dankbar seien. Ich möchte meine heutige Rede nicht als Kritik aufgefaßt wissen, aber doch sagen, daß wir uns in diesem Hause — auch innerhalb der Koalition — über strittige Probleme ganz offen aussprechen müssen.
Die deutsche Landwirtschaft wird durch die Entwicklung in der EWG vor allen Wirtschaftsbereichen zuerst getroffen. Deshalb ist es auch richtig, wenn wir heute einmal etwas länger und gründlicher, als es manchmal der Fall gewesen ist, die Probleme der Landwirtschaft im Rahmen dieser Entwicklung behandeln.
Zur Vorlage des Grünen Berichts gehört auch, Herr Minister — und hier bin ich mit dem Kollegen Dr. Schmidt einig —, daß die Regierung jeweils ihre Karten ganz offen auf den Tisch legt. Ich bin wirklich enttäuscht, auch über die Haltung und die Äußerungen einiger Abgeordneter von heute morgen, z. B. des Kollegen Struve und des Kollegen Ehnes. Meine Kollegen von der CDU/CSU, ich habe allmählich das Gefühl, daß die CDU/CSU allergisch ist gegenüber allem Neuen. Das können wir uns in



Logemann
dieser Situation in der Agrarpolitik keineswegs leisten. War die alte Agrarpolitik denn wirklich so gut, daß man davon für die Zukunft keinen Fingerbreit abweichen darf? Ich möchte als Beweis dafür, daß das Gegenteil richtig ist — und ich weiß, daß auch einige Kollegen von Ihnen durchaus so denken —, folgendes anführen. Wenn die Agrarpolitik der Vergangenheit so gut gewesen wäre, so wäre heute keine Differenz zwischen dem Vergleichslohn und dem in der Landwirtschaft erzielten Lohn mehr vorhanden. Dann könnten wir wirklich alles beim alten lassen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Was heißt überhaupt „alte" oder „neue" Agrarpolitik? Wir haben doch eine Agrarpolitik zu entwickeln, die den Gegebenheiten, der Entwicklung, die durch die EWG auf uns zukommt, und den Verhältnissen, die sich aus unserer Umwelt einer modernen Industriegesellschaft ergeben, Rechnung trägt. Hier geht es also um eine kontinuierliche Fortsetzung bewährter agrarpolitischer Methoden auf allen Gebieten, und man sollte das nicht einfach als etwas Neues von vornherein ablehnen.
Genauso offen muß ich sagen: ich bin enttäuscht darüber, daß der Grüne Bericht, vor allem auch Ihre Rede, Herr Minister, keine konkreten Aussagen über den künftigen agrarpolitischen Kurs enthält.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es fehlen die erforderlichen neuen agrarpolitischen Impulse. Ich möchte eigentlich feststellen: das alles spricht doch für eine gewisse Resignation, und die ist durchaus nicht geeignet, die Unruhe, die draußen im Landvolk vorhanden ist, zu besänftigen und zu beseitigen. Dazu gehört vielmehr, daß wir uns auch tasächlich bemühen, zur heutigen Lage ohne jede Verschleierung Stellung zu nehmen.
Nun aber zum Berichtsergebnis selbst! Es ist hier heute morgen festgestellt worden: Das Ergebnis ist besser als im Vorjahr. Zugegeben! Im Vorjahr hatten wir eine sehr schlechte Ernte. Gott sei Dank war das letzte Jahr, das der Bericht auswertet, besser. Aber die Frage „Können wir optimistischer in die Zukunft sehen?" möchte ich nur dann mit Ja beantworten, wenn es uns gelingt, bestimmte agrarpolitische Forderungen, die wir in der Großen Anfrage herausgestellt haben, in der EWG und in der nationalen Agrarpolitik durchzusetzen. Das wäre die Voraussetzung.
Zu beachten ist bei dem Berichtsergebnis, daß sich der Abstand zwischen den Einkommen der Landwirtschaft und denen vergleichbarer Berufe zwar verkleinert hat, aber doch noch sehr groß ist. Der Bericht selbst stellt dazu fest: Der Einkommensabstand ist relativ und absolut größer als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das besagt über die bisherige Agrarpolitik eigentlich alles. Besorgniserregend ist aber nach unserer Auffassung besonders die Tatsache, daß trotz größter Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft — Herr Minister, Sie haben diese Steigerung auf 152% beziffert —, die hier größer war als in allen anderen Wirtschaftsbereichen, die Bauern doch insgesamt gesehen in der wirtschaftlichen Entwicklung
weiter zurückgefallen sind. Der Grüne Bericht weist aus, daß der Anteil der Landwirtschaft am BruttoInlandsprodukt in den letzten zehn Jahren von 9 auf 5 % zurückgegangen ist.
Die Einkommensverbesserung gegenüber dem Vorjahr ist vor allen Dingen auf ein besseres Ernteergebnis zurückzuführen. Bessere Preise haben dabei nur sehr wenig mitgewirkt. Wir wollen dieses günstigere Ergebnis durchaus dankbar anerkennen. Aber es wäre eine Gefahr, wenn wir es überbewerteten. Der Grüne Bericht zeigt, daß seit 1956/57 der Abstand zum Vergleichslohn etwa konstant geblieben ist. Er pendelte in all den Jahren zwischen 39 und 24%. Im Berichtsjahr sind wir jetzt bei 29 % angekommen. Dabei gilt es zu erkennen, daß die heutige Situation, selbst wenn sie jetzt günstiger erscheint, sich durch schlechtere Ernten sehr schnell einmal wieder ändern kann. Schon geringfügige Rückgänge in den Erzeugerpreisen oder Kostensteigerungen bei landwirtschaftlichen Betriebsmitteln gefährden diese günstige Bilanz, und alles ist wieder dahin.
Ich darf dazu aber von der Praxis aus abschlieBend sagen, daß wir durchaus anerkennen, daß die Lage sich verbessert hat. Der Bauer hat im laufenden Jahre, durch eine günstigere Preisentwicklung finanzielle Aufbesserungen erhalten. Wenn ich „günstigere Preisentwicklung" sage — ich denke dabei an die günstige Entwicklung der Erzeugerpreise —, so gilt das nur mit Ausnahmen. Es ist bekannt, daß im letzten Herbst die Kartoffelpreise heruntergingen, und daß wir jetzt in großer Sorge um die Eierpreise sind.
Die 'Regierung war im letzten Jahr nicht gut beraten, als sie den Zuckerrübenpreis für den deutschen Erzeuger nicht erhöhte.

(Beifall bei der FDP.)

Dieser Antrag ist aber noch keineswegs vom Tisch, sondern wir werden ihn erneut hier im Hohen Hause vertreten.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Für 1963 oder für 1964?)

— Für beide Jahre, Herr Kollege Dr. Schmidt! Wir sind also großzügig in dieser Beziehung. Denn wir haben hier ja ausgezeichnete Argumente. Sie kennen den einstimmigen Beschluß ides Wirtschaftsausschusses, in dem anerkannt worden ist, daß dann, wenn in der Landwirtschaft echte Kostensteigerungen nachgewiesen werden, selbstverständlich auch Preiserhöhungen zu genehmigen sind, wie das bisher — Sie wissen das ja — schon bei der Kohle immer üblich ist und wie es bei anderen Erzeugnissen von der Regierung aus gemacht wird. Hier sind wir wirklich gut gerüstet. Wir werden uns also bemühen, den Zuckerrübenpreis für beide Jahre noch zu verbessern. Außerdem dazu der Hinweis, daß ja auch die Situation im Ausland wieder zu Zuckerpreissteigerungen geführt hat, wir also mit gutem Recht die Forderung vertreten können, den Preis für die Inlandserzeugung zu verbessern.
Nun, meine Damen und Herren, zu einem anderen Problem, zu der Berechnung des Vergleichslohns. Sie könnten dazu sagen: Hier vertritt die FDP in



Logemann
jedem Jahr mit Sturheit ein Anliegen, das die Regierung doch einfach nicht erfüllen will. Trotz alledem sind wir der Auffassung, daß es berechtigt ist, eine Kritik .am Jahreslohnvergleich auch in diesem Jahr wieder vorzunehmen. Sie erinnern sich wohl noch, daß vor einigen Jahren der 3. Bundestag die Bundesregierung ,aufforderte, neben dem Jahreslohnvergleich auch einen Stundenlohnvergleich zu bringen. Die Regierung hat sich bisher immer wieder geweigert, es zu tun. Gerade im letzten Jahr bin ich hier vom Minister mit meiner Forderung, doch diesen Stundenlohnvergleich zu bringen, sehr hart abgefertigt worden.
Trotz alledem stelle ich fest, daß ,gerade dieser Abschnitt des Grünen 'Berichts völlig abseits von der Praxis, am grünen Tisch erarbeitet worden ist. Wir sollten überlegen, ob wir es immer noch zulassen sollten, daß durch einen Jahreslohnvergleich die wirklichen Arbeitszeitunterschiede zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Wirtschaft, die Überstunden der Bauern und Bäuerinnen und die Sonntagsarbeit nicht berücksichtigt werden. Gerade dieser Jahreslohnvergleich verschleiert doch den wirklichen Lohnabstand der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr dadurch mehr — was ja bekannt ist —, daß sich die gewerbliche Wirtschaft auf die 40-Stunden-Woche zubewegt.
Und wie sieht es in der Landwirtschaft aus? Gelegentlich wurde als Entgegnung gegen einen Stundenlohnvergleich von unserem Herrn Minister in den letzten Jahren gesagt, es gebe kein Material für ,die dazu .notwendige Untersuchung. Herr Minister, in diesem Jahr kann ich damit dienen. Ich habe hier einen Bericht, in dem es heißt — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen —: 64,4 Stunden arbeitet wöchentlich der Bauer im Landkreis Moers, die Bäuerin sogar 72,7 Stunden,

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Im Durchschnitt?)

im Kreis Schleiden der Bauer durchschnittlich 69,4 und die Bäuerin 70,6 Stunden. Diese durchschnittlichen Arbeitszeiten ermittelte das Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität in Bonn.
Herr Minister, das wäre die Quelle. Diese Zahlen zeigen, wie ungerecht ein Jahreslohnvergleich auf der Basis ides Grünen Berichts ist, der von 50 Stunden ausgeht!

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ist das wirklich eine amtliche Untersuchung, Herr Kollege?)

— Es ist eine Untersuchung des Instituts der Universität in Bonn, Herr Dr. Schmidt. Es wird möglich sein, auch noch weitere Unterlagen darüber zu beschaffen.
Die Regierung hat sogar ein Institut für bäuerliche Familienforschung.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Die Bundesregierung?)

— Sie unterstützt ein Forschungsinstitut für bäuerliche Familienbetriebe. — Es müßte also durchaus möglich sein, Forschungsaufträge ausführen zu lassen. Die Bundesregierung könnte mit Sicherheit das notwendige Material zusammenbekommen.
Meine Damen und Herren, ich vertrete diese Forderung so mit Nachdruck, weil gerade die Unterschiede zwischen der Arbeitszeit in der Landwirtschaft und der Arbeitszeit in vergleichbaren Berufen zu ganz besonderen Problemen führt. Das freie, lange Wochenende in anderen Berufen bedeutet einen besonderen Anreiz für die Abwanderung aus der Landwirtschaft. Hier folge ich Herrn Kollegen Frehsee nicht ganz. Es ist in der Tat so, daß uns die lange Freizeit in anderen Berufen die Menschen von den Höfen abzieht. Ich bin mit dem Herrn Minister durchaus einverstanden, wenn er in seiner Rede sagt, die Landwirtschaft habe keine Arbeitskraftreserven mehr, sondern es gebe schon eine Gefahr der Überalterung im landwirtschaftlichen Berufsaufbau. Deshalb ist es notwendig, daß diese Arbeitszeitdisparität künftig in den Grünen Berichten ihren Niederschlag findet.
Mein Vorschlag geht dahin, die Bundesregierung aufzufordern, dem nächsten Grünen Bericht neueste Unterlagen über die Entwicklung der Arbeitszeiten im Gewerbe, in der Industrie und in der Landwirtschaft für die Bundesrepublik und die Partnerländer beizufügen.
Ein zweites Problem, das uns nach Erstattung dieses Grünen Berichts in der FDP-Fraktion beschäftigt hat, ist die Einkommenssituation der Betriebe in den Größenordnungen von 5 bis 10 ha. Der Kollege Ertl hat heute morgen schon auf eine FDP-Entschließung von Rottach Egern hingewiesen. Über die Einkommenssituation in diesen Betrieben ist in der Öffentlichkeit anscheinend manchmal der Eindruck entstanden — so konnte ich es Pressemeldungen entnehmen —, als wenn durch die Einbeziehung dieser Betriebe mit größerem Einkommensabstand das Berichtsergebnis verschlechtert worden wäre. Darüber sagt der Grüne Bericht auf Seite 87, daß der Einkommensabstand in den Betrieben über 10 ha sich um 25% bewegt, in den Betrieben von 5 bis 10 ha dagegen um 38 %. Das könnte in der Öffentlichkeit Anlaß zu der Folgerung sein: nehmt doch die Kleinen heraus, dann habt ihr einen viel günstigeren Bericht. Man könnte sogar so weit gehen, daß man sagt: ihr könnt doch der Parität am besten durch eine Vergrößerung der Betriebe näherkommen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns hier an sich in einem Nein an den Herrn Minister völlig einig. Ich brauche ja nur einen Hinweis auf die USA zu geben. Gerade in dieser Woche wurde in der neuesten Nummer der „Agrarwirtschaft" ein sehr guter Bericht vorgelegt, der wieder einmal beweist, daß dieses Rezept, nämlich der Versuch, der Parität durch eine Vergrößerung der Betriebe näherzukommen, in den USA zu keinem Erfolg geführt hat, sondern daß im Gegenteil mit den größeren Farmen in den Vereinigten Staaten die Disparität zwischen Landwirtschaft und industrieller Wirtschaft noch größer geworden ist. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, daß



Logemann
sich ,der Bericht auch über 5-10 ha-Betriebe durchaus positiv äußert. Er stellt z. B. fest, daß der Betriebsertrag in diesen Betriebsgrößen am allerhöchsten sei. Gerade deshalb sollten wir auch hinzufügen, daß eine gewisse Kritik, die oftmals wegen eines zu hohen Arbeitskräftebesatzes in den kleineren Betrieben kommt, nicht berechtigt ist. Besondere Kulturen, Spezialkulturen aus kleineren Höfen oder Veredlungswirtschaft in kleineren Betrieben bereiten ja zusätzliche Arbeit und rechtfertigen durchaus einen höheren Arbeitskräftebesatz in den eben genannten und kleineren Betrieben.
Es ist einfach billig zu sagen, der Arbeitskräftebesatz in diesen Betrieben sei doppelt so hoch wie in den großen Wirtschaften; das sei völlig unberechtigt, das könne man nicht zulassen. Dazu gleich eine Anregung. Wenn die Einkommenssituation in diesen Betriebsgrößen eine schlechtere ist, sollten wir uns doch überlegen, wie wir sie verbessern könnten. Wir behaupten, daß das durchaus möglich ist; darüber ist heute morgen schon gesprochen worden. Wir sollten den Betrieben in der landwirtschaftlichen Veredelung eine besondere Chance geben. Aber dazu gehört, Herr Minister, daß wir nun auch entsprechende Maßnahmen, die seit Jahren anstehen, wirklich einmal durchziehen. Zum Beispiel sollten wir uns zunächst einmal bemühen, steuerliche Benachteiligungen kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe bei stärkerer Veredelung endlich zu beseitigen. Wir können diese kleinen Betriebe nicht der Willkür der Finanzämter ausliefern. Wir hatten dazu schon eine Vorlage zum Bewertungsgesetz. Ich halte es für vordringlich, daß hier etwas geschieht.
Das zweite wäre, daß wir uns bemühen müssen, gerade diese bäuerlichen Betriebe in der Veredelungswirtschaft zu fördern und zu verhindern, daß die Veredelung immer mehr in sogenannte Veredelungsfabriken hineinkommt, die zur praktischen Landwirtschaft, zum Grund und Boden keine Beziehungen mehr haben.
Drittens halten wir es für erforderlich, daß Überlegungen angestellt werden über eine Abgrenzung zwischen gewerblicher und bäuerlicher Veredelung, und zwar, Herr Minister, in Absprache selbstverständlich mit anderen Partnerländern. Ihnen wird bekannt sein, daß gerade Frankreich in den neuen Agrargesetzen eine Lizenzierung vorsieht. Ich frage also: Wie steht es hier mit einer Regierungsvorlage, Herr Minister? Wir haben im Ernährungsausschuß einmal eine Vorlage der Regierung beraten, aber sie ist dann anscheinend wieder in der Versenkung verschwunden. Es ist auch hier vordringlich, eine Vorlage zu machen.

(Zuruf von der SPD: Das liegt am Finanzminister!)

— Auch der Finanzminister wird sich mit diesen Dingen zu befassen haben; auch mit ihm werden wir zu verhandeln haben. Darüber habe ich zu Beginn schon gesprochen.
Wir halten es für nötig, daß gerade die kleinen bäuerlichen Betriebe eine besondere Unterstützung durch Beihilfen für die Einführung rationeller Wirtschaftsmethoden erfahren. Ich halte es für gut, Herr
Minister, daß Sie in Ihrem Grünen Plan die Einrichtung von sogenannten Schweinemastkontrollen so positiv beurteilen. Hier ist ein Schritt getan, aber man könnte diese Maßnahme in anderer Richtung erweitern.
Nun kommt noch eine Bitte: doch auch für alle anderen Betriebe in der Landwirtschaft in der Vermittlung modernster landwirtschaftlicher Erkenntnisse vom Bund aus mehr zu tun als bisher, selbst wenn das über Ländergrenzen hinaus manchmal schwierig sein sollte. Wir sind der Auffassung, daß wir uns gerade dem Problem der geistigen Aufrüstung der Landwirtschaft im Tempo der EWG-Entwicklung zuwenden müssen. Hier muß eine Verstärkung verlangt werden. Es wäre wirklich gut, Herr Minister, vom Bund aus neue Leitlinien dafür anzustreben. Ich habe das Gefühl — wenn ich an unsere Schulentwicklung denke —, die Länder werden es nicht allein schaffen.
Bitte, überlegen wir von der Praxis her, wo wir heute schon stehen. Mir wurde kürzlich von einem Landwirtschaftsschuldirektor in einer guten landwirtschaftlichen Gegend gesagt: Auch bei uns ist es jetzt so, daß unsere Klassen in den Berufs- und Fachschulen leerer werden. — Und gleichzeitig der Hinweis: Sie als Bauer werden es erleben, daß Sie ihren Lehrhof in Zukunft mit zwei E schreiben müssen! — Hier haben wir also Sorgen, und eis ist wirklich an der Zeit, etwas zu tun.
Aber ich möchte noch einen Schritt weiter ,gehen, Herr Minister. Wir sind künftig bei dem Bemühen, unsere landwirtschaftlichen Kenntnisse zu modernisieren und zu verbessern, sehr stark auf die Mithilfe der Wissenschaft und der Forschung angewiesen. Auch dafür sollte der Bund besonderes Verständnis zeigen. Ich habe überhaupt .das Gefühl, daß es mit der Vermittlung von Auslandserfahrungen in der deutschen Landwirtschaft in den letzten Jahren schlecht bestellt war. Ich nenne als Beispiel die Tatsache, daß wir nur zögernd aus dem benachbarten Ausland neueste Futtermethoden über die Wissenschaft und Forschung vermittelt bekamen. Ich muß mit Dank anerkennen, daß einige private Industriebetriebe diese Lücke in weiten Bereichen, z. B. in der Schweinemast, durch eigenen Rat ausgefüllt haben. Ich halte es auch für notwendig, bei der Technisierung mehr als bisher Auslandserfahrungen zu nutzen. Es ist doch ein sehr unglückliches Bild, wenn man heute noch einen ausgewachsenen, voll arbeitsfähigen Bauern auf einem 12-PS-Schlepper sieht. Gerade bei der Schlepperanschaffung sind von der Landwirtschaft viele Mittel kalt investiert worden.
Heute morgen haben Sie, Herr Kollege Schmidt, über das zweckmäßige Bauen für die Landwirtschaft gesprochen. Ich Meile durchaus Ihre Auffassung. Auch hier sollte der Bund noch mehr einwirken, damit im Bauwesen wirkliche Zweckmäßigkeit erreicht wird. Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, in den nächsten zehn Jahren würden in der Landwirtschaft 22 Milliarden DM investiert werden. Es list also besonders wichtig, auf den Sektor landwirtschaftliches Bauen noch mehr Einfluß zu nehmen als bisher.



Logemann
Nun hören wir immer wieder, die Landwirtschaft müsse auch versuchen, durch Selbsthilfe ihre Situabion zu verbessern. Dazu nur eine kurze Bemerkung. Der beste Beweis dafür, daß die Landwirtschaft zur Selbsthilfe bereit ist, ist die Tatsache, daß sie in den letzten zehn Jahren etwa 29 Milliarden DM investiert hat. Diese Investitionsfreudigkeit der Landwirtschaft beweist, daß der Bauer bereit ist, sich selbst zu helfen. Aber es muß eine entsprechende Agrarpolitik hinzukommen, damit das alles zu einem Erfolg führt.
Nun abschließend noch ein paar Worte zu den kleineren Betrieben! Ich darf zusammenfassend sagen: die FDP-Fraktion ist nicht der Meinung, daß diese kleinen Betriebe zu teuer produzieren. Wir sind auch nicht der Meinung, daß der Verbraucher durch die Entwicklung zu größeren landwirtschaftlichen Einheiten zu einer billigeren Nahrungsmittelversorgung käme.
Wir sind der Ansicht, daß sehr beschleunigt versucht werden muß, eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Vermarktungswege zu erreichen. Wenn wir hier wirklich ansetzen, Herr Minister, dann ist es möglich, auch ein Angebot aus einer Vielzahl von kleineren Betrieben auch qualitätsmäßig zu einem Großangebot zu machen. Hier liegt es mit an der Initiative der Bundesregierung. Es muß etwas geschehen.
Ich finde überhaupt, Herr Minister, man sollte über die anstehenden Fragen nicht nur sprechen. Es nützt uns gar nichts, wenn ein Arzt eine bestimmte Krankheit lediglich feststellt. Das allein ist nicht das Entscheidende, sondern entscheidend ist doch, daß man dann die entsprechende Medizin für die Gesundung bekommt. Darum möchte ich Sie im Hinblick auf die Landwirtschaft und gerade im Zusammenhang mit der EWG-Entwicklung bitten.
Nun aber zu einem weiteren Vorschlag der Freien Demokraten. Wir wünschen, daß der nächste Grüne Bericht einen Sonderbericht enthält, einen Sonderbericht auf Grund der Ergebnisse aus 8000 Testbetrieben — entsprechend § 4 des Landwirtschaftsgesetzes —, über ordnungsgemäß geführte bäuerliche Familienbetriebe unter durchschnittlichen Produktionsbedingungen. Ich glaube, daß ein Sonderbericht darüber ein gerechtes Urteil über die Situation der bäuerlichen Betriebe bei uns ermöglichen würde.
Herr Minister, ich habe noch eine weitere Bitte. Sie haben sich zu den kleineren Betrieben nicht konkret geäußert, sondern in Ihrer Rede nur davon gesprochen, daß sich die untere Grenze lebensfähiger Betriebe weiter nach oben entwickele. Ich möchte aus den Äußerungen europäischer Minister in diesem Zusammenhang die des belgischen Landwirtschaftsministers anführen, der kürzlich in Berlin eine sehr konkrete Aussage gerade zum bäuerlichen Familienbetrieb gemacht hat. Nach Auffassung des belgischen Landwirtschaftsministers Heger sind die bäuerlichen Familienbetriebe den Großbetrieben nicht unterlegen. Wie Heger in einem Vortrag erklärte, zu dem die Deutsche Weltwirtschaftliche Gesellschaft im Rahmen der Grünen Woche eingeladen hatte, konnte der durchschnittliche Familienbetrieb
in der EWG von 7,5 ha im Jahre 1961 ein Flächeneinkommen von 800 DM erwirtschaften, während in den Vereinigten Staaten bei einer mittleren Betriebsgröße von 110 ha nur 320 DM erzielt wurden. Dieser Vortrag enthält noch weitere gute Sätze über den landwirtschaftlichen Familienbetrieb und seine Bedeutung. — Der französische Landwirtschaftsminister Pisani hat sich recht unverbindlich geäußert; er hat gesagt: Ich glaube an den landwirtschaftlichen Familienbetrieb, aber nicht an den kleinen. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie gerade über diese Betriebe eine konkrete Aussage machen könnten.
Nun zum EWG-Bericht! Gestatten Sie mir bitte noch zu einem Teil eine gewisse Nachlese. Zunächst sei aber hier noch ein Dank an das Ministerium eingefügt für die Aufnahme eines Berichts über die Entwicklung landwirtschaftlicher Erzeuger- und Verbraucherpreise. Diesen Bericht hatte die FDP im vorigen Jahr von diesem Pult aus angeregt. Ich hoffe, daß gerade dieser Bericht alljährlich eine gute Informationsquelle für die Öffentlichkeit darstellt und zur Klarheit über den Unterschied zwischen Erzeuger- und Schaufensterpreisen beiträgt.
Aber nun zur EWG-Situation! Ich will hier nur auf einige Einzelerzeugnisse eingehen, auf die wir in der EWG mit besonderer Sorge sehen. Ich darf dabei gleich mit dem Roggen- und Kartoffelanbau anfangen. Herr Minister, gerade bei Roggen und Kartoffeln sind wir in Sorge, und zwar einmal von der Preisseite her. Es besteht die Gefahr, daß der Roggen in der EWG zu Futtergetreide degradiert wird, auch preislich. Das sollten Sie, soweit wie möglich, in Brüssel verhindern. Daß diese Erzeugnisse für uns von besonderer Bedeutung sind, beweist die Tatsache, daß wir die größten Roggen- und Kartoffelanbauer in der EWG sind. Bei Speisekartoffeln sollten wir uns endlich bemühen, von einem Improvisieren, das im letzten Herbst notwendig war, abzukommen, und sollten uns überlegen, wie wir einem zurückgehenden Speisekartoffelverbrauch durch eine Anpassung der Anbauflächen steuern können. Herr Minister, wir haben schon im letzten Herbst im Ernährungsausschuß die Frage gestellt, welche Vorstellungen, welche langfristigen Planungen die Bundesregierung für den Kartoffelanbau hat. Wir sind leider bis heute ohne Antwort. Sie müßte schnellstens kommen.
Eine andere Frage ist, was aus dem deutschen Frühkartoffelanbau wird. Belgien will sich, soweit ich informiert bin, bemühen, sich gegen Importe von Frühkartoffeln aus Frankreich mit Mindestpreisen zu sichern. Herr Minister, haben auch Sie deutsche Mindestpreise vorgesehen, wenn dieser Überfluß an Kartoffeln in die Bundesrepublik kommen könnte?
Ein anderes Problem, das uns gerade in dieser Zeit große Sorge macht, ist der Anteil der deutschen Landwirtschaft am Nahrungsmittelverbrauch. Wir versorgen unser Volk zu 70 % aus eigener Produktion mit Nahrungsmitteln. Von Bundeskanzler Adenauer haben wir damals, sogar schriftlich, die Zusage bekommen, daß bei einem Anteil von 30 % ein Vorrang der deutschen Erzeugung bei der Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrung sicher-



Logemann
gestellt werden soll. Heute bekommen wir, durch die Lage auf dem Eiermarkt, das Gefühl, daß dieser Vorrang nicht mehr besteht, daß er durch die EWG-Agrarmarktordnung überholt ist. Herr Minister, Sie gaben uns den Rat, die deutsche Landwirtschaft müsse sich bemühen, am Markt zu bleiben. Auch daraus gilt es jetzt, die Folgerungen zu ziehen, und zwar durch Ergänzung entsprechender Marktorganisationen bei uns, wie sie in anderen Ländern jetzt mehr und mehr aufgebaut werden. Auch hier, bei der Situation auf dem Eiermarkt zeigt sich, daß Eile geboten ist.
Die Situation auf dem Eiermarkt wäre für uns Erzeuger weniger besorgniserregend, wenn es sich nur um einen kurzfristigen Preisrückgang handelte. Dann könnte man durchaus sagen: „Winterschlußverkauf", der Preis wird sich wieder erholen. Aber hier besteht doch tatsächlich die Gefahr für unsere Geflügelhalter, daß ein kostenentsprechender Jahresdurchschnittspreis nicht mehr erreicht werden kann.
Im Vergleich zu Holland muß ich feststellen, daß die deutsche Eiererzeugung nur in sehr bescheidenem Maße erhöht worden ist. Wir haben sie wohl in den letzten neun Jahren verdoppelt, die Holländer haben sie gleich verdreifacht. Wir hatten noch eine Lücke in der Nahrungsmittelversorgung mit Eiern, die Holländer hatten keine, haben also die Erzeugung für einen verstärkten Export erhöht. Dazu noch eine Bemerkung. Die Bauern haben immer wieder von allen Seiten den Rat bekommen, doch Chancen in der Veredlung zu nutzen. Ich denke gerade an den holländischen Vizepräsidenten der EWG-Kommission, Mansholt, der immer wieder gesagt hat: ein Rückgang der Getreidepreise wird nicht stören, ihr könnt auf die Erzeugung von Veredlungsprodukten ausweichen. — Wie sieht es aber mit diesem Rat heute aus? Heute empfielt man von seiten Hollands, in der Bundesrepublik 7 Millionen Hühner ans Schlachtmesser zu liefern. Statt „Chancen" heißt es in diesem Falle „Hühnermord"!

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das hat der Minister abgestritten!)

Ich habe in diesem Zusammenhang noch eine Frage an die Regierung. Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in Holland zur Zeit zeitweilig die dem holländischen Bauern gezahlten Erzeugerpreise fast die gleiche Höhe haben wie die Importpreise, zu denen hier die Eier angeboten werden? Können Sie sich erklären, wer etwas dazwischen bezahlt? Hier geht es um die Kosten für Knickeier, um die Eiersortierung und die Fracht; das muß verkraftet werden. Es wäre gut, wenn Sie dazu einige Bemerkungen machten.
Damit komme ich aber wirklich zum Schluß. Ich will noch einmal wiederholen: Die Agrarpolitik verlangt nach Auffassung der Freien Demokraten eine ganz klare Ausrichtung. Diese klare Ausrichtung wollen wir mit der Beantwortung der Großen Anfrage erreichen, die die FDP und CDU/CSU zur EWG-Agrarpolitik eingebracht haben. Die Antworten werden zeigen, wie die Bundesregierung agrarpolitisch die Weichen zu stellen gedenkt. Der vorliegende Grüne Bericht zeigt die Lage der Landwirtschaft zwar auf, über die künftigen agrarpolitischen Vorstellungen der Bundesregierung gibt er leider keine Auskunft.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411522500
Das Wort hat der Abgeordnete Bewerunge.

Karl Bewerunge (CDU):
Rede ID: ID0411522600
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, daß ich auf eine Zwischenfrage von heute morgen zurückkomme, die gestellt wurde, als es um die Subventionen für Kleinbetriebe ging, die unser Kollege Ehnes ansprach. Herr Logemann tat diese Subventionen für Kleinbetriebe damit ab, daß er auf die Leitsätze für die Agrarstruktur hinwies, in denen der Deutsche Bauernverband etwas Ähnliches gesagt habe. Da ich selber Vorsitzender des Strukturausschusses des Deutschen Bauernverbandes bin und mich — das darf ich in aller Bescheidenheit sagen — persönlich recht engagiert habe, um zu diesen Leitsätzen zu kommen, muß ich sagen: niemals hat der Gedanke bei uns mitgespielt, hierbei von einer Subventionspolitik für Kleinbetriebe zu sprechen.
Es wäre gar nicht uninteressant, über diese Leitsätze zu sprechen. Der Bauernverband mußte, weil das Faktum vorhanden ist, daß fast eine halbe Million Klein- und Kleinstbetriebe abgewandert sind, sicher etwas zu diesem Problem sagen. Ich weiß auch, daß diese Leitsätze in weitesten Kreisen der Mitglieder des Deutschen Bauernverbandes gut angekommen sind. Ich muß also im Interesse meiner Tätigkeit und auch der Herren Präsidenten der Bauernverbände sagen: solche Vorstellungen haben uns nicht bewegt.
Damit komme ich zu meinem Auftrag, hier etwas über die Strukturpolitik zu sagen. Ich weiß, daß gerade die Strukturpolitik eine recht sachliche Abhandlung voraussetzt. An diesem Thema kann man sich nicht begeistern. Aber ich habe mich in der Praxis und auch durch meine sonstige Tätigkeit sehr stark mit strukturpolitischen Fragen befaßt. Ich meine, man tut gut daran, die Grenzen und die Möglichkeiten einmal aufzuzählen, weil ich selber manchmal die Sorge habe, daß unter dem Wort „Strukturpolitik" ein Zauberwort verstanden wird, das man nur anzusetzen braucht, um spontan die Lösungen für alle Agrarprobleme zu finden.
Unser Herr Bundesminister sagte am vergangenen Mittwoch, daß sich die Landwirtschaft in der westlichen Welt, in Westeuropa — in den hochindustrialisierten Ländern also — in einem Anpassungsprozeß befinde, den man als betriebs- und marktwirtschaftliche Revolution bezeichnen könne. Wir alle sind uns darüber im klaren, daß dieser Anpassungsprozeß der Landwirtschaft weitergehen wird, und die Landwirtschaft bekennt sich auch dazu, ein integrierter Bestandteil der Volkswirtschaft zu sein. Diese Abwanderung hat vor 150 Jahren begonnen, und sie wird sicher, wenn auch langsam weitergehen. Die Grenzen, können wir alle noch



Bewerunge
nicht absehen. Der technische Fortschritt in der Landwirtschaft ist sicher die Hauptursache mit für die Wohlstandssteigerung der gesamten Bevölkerung im letzten Jahrzehnt. Auch das sollte man einmal in diesem Hohen Hause sagen.
Daß dieser Umwandlungsprozeß zwangsweise mit schweren sozialen Härten verbunden ist, sei nur festgestellt. Es gehört nach unserer Auffassung auch zu den Aufgaben des Staates, für eine harmonische Abwicklung dieses Prozesses zu sorgen. Mit dem technischen Fortschritt muß auch ein wirtschaftlicher Fortschritt in der Landwirtschaft verbunden sein. Wir alle erlebten, daß das Landwirtschaftsgesetz in diesem Hause einstimmig beschlossen wurde. Es ist also einstimmig die Meinung vorhanden, daß man der Landwirtschaft helfen solle.
Aber bei diesem durch den Staat zu harmonisierenden Anpassungsprozeß muß nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Eine Agrarstrukturpolitik unter Zwang, auch unter wirtschaftlichem Zwang, lehnt die CDU/CSU ab. Die Freiheit und die Entfaltungsmöglichkeit der Persönlichkeit müssen bei allen Maßnahmen der Agrarstrukturpolitik respektiert werden. Mit Verboten in diesen Prozeß einzugreifen, lehnen wir ab. Es gibt die einzige Möglichkeit, Anreize zu schaffen. Es fehlt der Landwirtschaft sicher nicht an Rezepten, ich möchte schon fast sagen: an Patentrezepten, wie man die Probleme zu lösen hat. Gerade die Unsicherheit in der Landwirtschaft beruht im wesentlichen darauf, daß diese Rezepte über Presse, Funk und Fernsehen dem einzelnen immer wieder nahegebracht werden. Die Menschen in den klein- und mittelbäuerlichen Betrieben fragen immer wieder: „Hat man uns abgeschrieben?" Der Wille, weiterzumachen, und der Optimismus, der gerade zum bäuerlichen Berufsstand gehört, sind weitestgehend verschwunden.
Es lassen sich also bei Meinungsverschiedenheiten über die zweckmäßigste Agrarstrukturpolitik zwei Richtungen unterscheiden. Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Nur-Strukturpolitik, die mit der Struktur alles lösen wollen, und auf der anderen Seite stehen solche, die die Strukturpolitik verwerfen und sagen: Nur die Preispolitik ist das Mittel, das hier helfen kann.
Strukturmaßnahmen sind immer gleichzusetzen — so sagte auch Herr Kollege Struve heute morgen — mit langfristigen Investitionen. Wer solche Investitionen vornimmt, wer aussiedelt, wer sich ein neues Wirtschaftsgebäude erstellt, der muß klare Vorstellungen von der Zukunft haben, vor allen Dingen klare Vorstellungen von der Preisentwicklung. Er übernimmt eine Belastung des Betriebs bis auf 40 Jahre hinaus und mehr und muß eindeutig den Glauben an die Zukunft haben. Deshalb sollte man sich grundsätzlich merken, daß es keine wirksame Strukturpolitik ohne klare preispolitische Vorstellungen gibt. Auch der tüchtigste Wirtschaftsberater kann ohne eine solche Vorstellung keinen Rat erteilen. Der Preis ist in der Landwirtschaft wie in anderen Wirtschaftsbereichen ebenso ein ökonomisches Mittel, und zwar ein wesentliches.
Ein Teil der Unsicherheit rührt daher, daß der Landwirtschaft immer wieder empfohlen wird, den Mansholt-Plan mit seinen Preissenkungen zu akzeptieren. Es ist eigentlich gar nicht die Unsicherheit der Landwirtschaft über den Preis, welchen sie in der EWG erhält, sondern die Unsicherheit kommt daher, daß man ihr immer wieder sagt, daß sie wegen der EWG den Preis absenken müsse und daß das für sie eigentlich günstiger sei.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, glaubt uns keiner, daß- ein gesunkener Preis eine bessere Rendite für den Betrieb gibt. Das gibt es auch in keiner anderen Wirtschaftsgruppe.
Die Strukturpolitik kann sich also nur in dem Rahmen vollziehen, der ihr von der Preispolitik gezogen ist. Wir müssen dafür sorgen, daß eine Preispolitik verfolgt wird, die idem gesunden, ordnungsgemäß geführten, d. h. rationell bewirtschafteten bäuerlichen Familienbetrieb ein ausreichendes Einkommen sichert. Das ist eine fundamentale Forderung, die wir als überzeugte Anhänger einer sinnvollen Agrarstrukturpolitik die Preis-, Markfund Handelspolitik stellen. Die Regierung ist durch das Landwirtschaftsgesetz verpflichtet, hier den Landwirten ausreichende Sicherheit zu geben. Nur auf dem festen Fundament dieser preis- und handelspolitischen Zusicherungen kann eine planmäßige, wirkungsvolle und phantasiereiche Strukturpolitik betrieben werden.

(der Bundesrepublik mit dem Ziel, überwiegend Familienbetriebe von 25 bis 30 ha Größe zu schaffen, zwei Drittel des Bodenkapitals und zwei Drittel des Viehkapitals in Bewegung bringen und enorme Umbauten notwendig machen würde; die Kosten insgesamt schätzt er auf über 60 Milliarden DM. Von dieser Seite her sehen wir schon die Grenzen des Möglichen, und das sollte man immer wieder zum Ausdruck bringen. Der zweite Grund liegt in ,dem geringen Effekt strukturpolitischer Maßnahmen auf die ProduktionsBewerunge kosten der gesamten Landwirtschaft. Hierzu ein Wort von Herrn Professor Horring, des langjährigen Leiters des landbauökonomischen Instituts in den Niederlanden, des wissenschaftlichen Instituts also, das die Unterlagen für die agrarpolitischen Entscheidungen der niederländischen Regierung erarbeitet. Er sagte in einem Vortrag im Dezember 1963 in Groningen, daß die Möglichkeiten, über strukturpolitische Maßnahmen zu einer Senkung der Produktionskosten und damit zu einer Einkommensverbesserung zu kommen, sehr gering sind. Die Ursache liegt vor allem in der geringen Rentabilität landeskultureller Maßnahmen, die meistens die Voraussetzung sind. Darüber hinaus sind durch strukturpolitische Maßnahmen Produktionskostensenkungen ohne Steigerung der Produktion nur in wenigen Fällen zu erwarten. Der dritte Grund — von ihm ist hier schon die Rede gewesen — liegt in der Altersschichtung der landwirtschaftlichen Betriebsleiter; auch deshalb ist keine Beschleunigung zu erwarten. Verstehen Sie mich bitte richtig; ich bin der letzte, der einer Beschleunigung der Abwanderung das Wort redet. Aber, ich glaube, diese alarmierenden Zahlen sollte man sich vor Augen führen. Zwei Drittel unserer Betriebsleiter sind älter als 45 Jahre, 56,7 % der vollbeschäftigten Betriebsleiter sind zwischen 45 und 65 Jahre alt, 12,7 % sind älter als 65 Jahre. Insgesamt sind somit 67,4 % aller vollbeschäftigten landwirtschaftlichen Betriebsleiter älter als 45 Jahre. Ich brauche nur noch auf den Fachschulbesuch hinzuweisen, den der Kollege gerade angesprochen hat. Unsere Sorge ist, daß unsere Fachschulen ohne Schüler sind. Diese Schüler sollten die Betriebsleiter von morgen sein. Ich kann nur wiederholen, was heute morgen gesagt wurde: Wir sollten uns um die Substanz des Nachwuchses sorgen, damit wir die Landwirtschaft auch für die Zukunft erhalten können. Obwohl wir in den letzten 15 Jahren einen erheblichen Teil des Einkommenszuwachses mit einer unbekannten Abwanderung erreicht haben, ist die Disparität nicht beseitigt worden. Meine Kolleginnen und Kollegen, diese Ausführungen sollen die Grenzen der Strukturpolitik aufzeigen. Es soll nicht heißen, daß ich die Möglichkeiten der Strukturpolitik nicht anerkenne. Im Gegenteil, auf diese Möglichkeiten möchte ich nun eingehend zu sprechen kommen. Seit mehr als 10 Jahren hat die Bundesregierung strukturpolitische Maßnahmen mit ständig steigenden Ausgaben gefördert. Es dürfte niemanden in diesem Hohen Hause geben, der der Meinung ist, daß diese Politik in Zukunft nicht fortgesetzt werden muß. Aber innerhalb der letzten 10 Jahre sind Ereignisse eingetreten, die die Strukturpolitik vor völlig neue Aufgaben stellten. Während noch vor 10 Jahren die Landwirtschaft des Bundesgebietes mehr oder weniger losgelöst von den Landwirtschaften unserer Nachbarländer betrachtet werden konnte, ist heute unsere deutsche Landwirtschaft in den Mittelpunkt der westlichen Handelsund Agrarpolitik gerückt. Der Kampf um den Absatzmarkt in Westdeutschland hat in den letzten Jahren immer schärfere Formen angenommen. Deutschland als einer der größten Absatzmärkte für Agrarprodukte im Welthandel soll in noch stärkerem Maße als bisher Absatzmarkt werden. Auf unseren Märkten drängen sich die industrialisierten Agrarexportländer, die Entwicklungsländer und auch die Partnerländer in der EWG. Alle Länder stehen aber bei der Beurteilung der eigenen Landwirtschaft vor den gleichen Anpassungsschwierigkeiten, und alle sind sie bestrebt, durch Absatz ihrer Agrarüberschüsse in der Bundesrepublik ihre eigenen Agrarprobleme zu lösen. Deshalb muß die Handelsund Preispolitik die Interessen der deutschen Landwirtschaft wahren. Die Strukturpolitik wird unter ganz anderen Aspekten als bisher gesehen werden müssen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Strukturpolitik beim Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse ansetzen muß. Insofern muß sich auch in unseren strukturpolitischen Maßnahmen eine Gewichtsverlagerung vollziehen. Die Bodenpolitik, die Flurbereinigung, auf der vor etwa 10 Jahren das Schwergewicht der Strukturpolitik lag, ist heute nur noch eine Teilmaßnahme der Agrarstruktur. Zur Strukturpolitik gehört neben der Bodenpolitik in ebenso starkem Maße die Betriebsstruktur, d. h. die Ausstattung der Betriebe mit zweckmäßigen Gebäuden, mit Vieh und mit den notwendigen Maschinen. Neben der Absatzstruktur und Betriebsstruktur sind in enger Verbindung die Ordnung des ländlichen Raumes, die Verbesserung der Lebensbedingungen in unseren Dörfern zu lösen. Die Entwicklung des ländlichen Raumes ist eine Gesamtaufgabe, und wir kommen immer mehr zu der Überzeugung, daß Regionalprogramme insgesamt notwendig sind, um dem ländlichen Raum zu helfen. Gerade bei der Untersuchung des ländlichen Raumes — wie ich sie in meinem Kreis Altena vorgenommen habe — stellt sich heraus, daß es eine losgelöste Agrarstrukturpolitik nicht gibt. Es wird nötig sein, daß zwischen Wirtschaftsminister, Ernährungsminister, Wohnungsbauminister, Verkehrsminister und den Ländern eine harmonische Abstimmung erfolgt. Das Ziel der CDU/ CSU ist, das Dorf und den ländlichen Raum attraktiver zu machen. Eine weitere Ballung können wir nicht verbieten. Wir müssen also das Dorf in seiner Ganzheit in der Wirtschaftskraft stärken, um damit den ländlichen Raum in sich erhaltungswürdig zu machen. Wir werden heute und hier sofort dort ansetzen müssen, wo wirksam geholfen werden kann. Alle Einzelmaßnahmen sollten aber den Gesamtbetrieb und die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten im Auge behalten. Erstes Ziel muß immer die Verbesserung der Einkommensund Lebensbedingungen sein. Folgende Grundsätze sollten beim Einsatz staatlicher Hilfen beachtet werden. Erstens. Je wirksamer eine Maßnahme ist, um so mehr sollte sie eine staatliche Förderung verdienen. Dieser Grundsatz ist vor allen Dingen im Hinblick auf den sich verschärfenden Wettbewerb in der EWG unabdingbar, 5270 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 1,15. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Februar 1964 Bewerunge Zweitens. Es kommt vor allen Dingen auch bei der Strukturpolitik darauf an, daß möglichst vielen Betrieben geholfen wird. Der Gegensatz zwischen den Verfechtern der Preispolitik und der Strukturpolitik liegt nicht zuletzt daran, daß die strukturpolitischen Maßnahmen leider immer nur relativ wenigen Betrieben pro Jahr zugute kommen können. Wenn wir die Verbesserung der Arbeitseinkommen in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt unserer strukturpolitischen Bemühungen stellen, dann müssen wir von vornherein klar herausstellen, daß es keine schematische Beurteilung für die Zweckmäßigkeit bestimmter Betriebsgrößen gibt. Natürlich geht die allgemeine wirtschaftliche Tendenz dahin — das beweist auch der Grüne Plan —, daß bei sonst gleichen Voraussetzungen Betriebe mit einer größeren Fläche und einem größeren Produktionsvolumen ein höheres Einkommen erzielen. Die Abweichungen von dieser generellen Betrachtung sind jedoch in der Praxis sehr erheblich, und es ist erstaunlich, wie wenig der Mensch sich in diese Programme, die immer wieder aufgestellt werden, einfügt; es ist erstaunlich — und Gott sei Dank so —, daß er sich absolut nicht in diese Zahlenkolonnen einordnet. Es wurde heute morgen schon von Herrn Ehnes gesagt: Wer Betriebswirtschaftler ist, weiß, daß das notwendige Arbeitseinkommen immer die Grundlage ist und die schematische Feststellung der Betriebsgröße in keiner Weise den Dingen näherkommt. Dieser Prozeß sollte harmonisch vom Staat gefördert werden, und man sollte alle sich bietenden Möglichkeiten des Anreizes ausnutzen, um hier Lösungen zu finden, die in der Gesamtentwicklung politisch und menschlich vertretbar sind. Wir haben in meinem Kreise Versuche gemacht, durch zwölfjährige Pachtvorauszahlungen denen, die ihre geringen Flächen aufgeben wollten, zu helfen. Wir haben zu dem verkauften Grund und Boden zusätzlich ein zinsverbilligtes Darlehen gegeben. Alle diese Maßnahmen sind hervorragend angekommen und haben geholfen, in diesen schwachstrukturierten Räumen bessere Voraussetzungen zu schaffen. Ich bin eigentlich dankbar, daß dieses Beispiel in weiten Teilen unserer Bundesländer Anklang gefunden hat, und ich kann nur sagen, daß, wenn man diese Maßnahmen einmal bis zu Ende verfolgt, gerade dadurch, daß man den Menschen die Möglichkeit gibt, diese Einkünfte wieder im ländlichen Raum zu investieren, die Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes gestärkt wird. Die flurbereinigten Flächen haben seit etwa drei Jahren nicht mehr zugenommen. Man kann sagen: das liegt an der geringen Zahl der Beamten. Ich glaube aber, wir sollten alles tun, um auch dem beschleunigten Verfahren das Wort zu reden, obwohl ich leider feststellen muß, daß auch die im beschleunigten Verfahren flurbereinigten Flächen rückläufig sind. Man sollte das klassische Verfahren durch Aussparung von schwierigen Bereinigungen erheblich beschleunigen. Man kann in weiten Teilen unseres Vaterlandes, in den Problemgebieten, auch nach dem Flurbereinigungsgesetz fordern, daß zunächst der Ausbau des Wegeund Gewässernetzes erfolgt und daß eine weitere Umlegung mit genauen Vermessungen einstweilen unterbleibt. Von den besonderen Schwierigkeiten nach dem Erlaß der neuen Richtlinien ist hier so oft gesprochen worden, daß ich es mir ersparen kann, noch einmal darauf einzugehen. Ich möchte nur folgendes sagen. Wenn die Leistungsfähigkeit der Betriebe weitgehend für die Einzelmaßnahmen, die Aussiedlung, die Althofsanierung und Aufstockung, die nur Teilmaßnahmen darstellen, zum Maßstab genommen wird, dann müssen wir fordern, daß hier nicht in jedem Falle bei der Bedürftigkeitsprüfung solche Schwierigkeiten gemacht werden. In der Praxis sieht das so aus, daß nur dann, wenn die Betriebe so hoch verschuldet sind, wie es ein Bankmann noch eben verantworten kann, Bundesmittel gegeben werden. Hier zeichnet sich eine Entwicklung ab, die im Hinblick auf die Wettbewerbslage in der EWG als falsch zu bezeichnen ist. Diese Mittel — so wollten wir es alle in diesem Hohen Hause — sollten agrarpolitischen Zielen dienen. Wir wollten wettbewerbsfähige Höfe schaffen. Wir haben uns seitens der CDU/CSU-Fraktion erlaubt, auf diese Schwierigkeiten hinzuweisen. In einer der nächsten Sitzungen des Ernährungsausschusses werden wir uns mit diesen Richtlinien beschäftigen müssen. Als eine integrale Maßnahme dient die Zinsverbilligungsaktion. Ihr wird als Hofkredit immer weitere Bedeutung zukommen. Wir hoffen, auf Grund unseres Antrags Umdruck 395 *)





(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß weite Teile der deutschen Landwirtschaft durch landeskulturelle Hypotheken — Wasser-, Deichlasten usw. — stark belastet sind. Die CDU/CSU setzt sich dafür ein, daß diese Belastungen weitestgehend gesenkt werden, da dadurch erst die Voraussetzungen für weitere Investitionen geschaffen werden.
Die einkommenfördernden Maßnahmen sind vor allem in den Futterbaugebieten hervorragend angekommen. Ich muß sagen, gerade durch die einkommenfördernden Maßnahmen haben wir überhaupt erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, auch bei umstrukturierten Betrieben die finanzielle Grundlage zu finden. Wir sollten uns auch dazu bekennen, daß die gezielten Maßnahmen für Futterbaubetriebe — Silobau, Unterdachtrocknung und Gülleanlagen — weitergeführt werden.
Ich sagte schon, daß die gesamte Agrarstruktur vom Absatz her gesehen werden muß. Eine moderne Landwirtschaft wird sich immer mehr zu einer schwerpunktmäßigen Erzeugung bekennen müssen. auch gebietlich, trotz der eindeutig darin vorhan-
*) Siehe Anlage 9



Bewerunge
denen größeren Risiken. Eine solche schwerpunktmäßige Produktion setzt aber geeignete Absatzeinrichtungen voraus. Sie sind eine Grundvoraussetzung. Diese müssen aber nicht ausschließlich in bäuerlicher Hand sein. Hier bieten sich alle Chancen der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen, bisher schon auf diesem Gebiet tätigen Berufsgruppen. Es liegt sogar im ureigensten Interesse dieser Berufsgruppen, sich an diesen Absatzorganisationen zu beteiligen; denn der europäische Wettbewerb wird auch den kleinen und mittleren Unternehmen dieser Bereiche größte Gefahren bringen. Deshalb dürfen wir es uns nicht leisten, daß wir in einem Gegensatz zwischen Genossenschaften, Handel und Mittelstand unsere besten Kräfte und unsere Zeit vergeuden.
Die Mittel im Bundeshaushalt zur Verbesserung der Markt- und Absatzeinrichtungen müssen daher durch praktikable Richtlinien auch wirklich zu einer Verbesserung der Absatz- und Vermarktungseinrichtungen beitragen. Das strukturpolitische Ziel der Bundesregierung kann nur dann erreicht werden, wenn alle Maßnahmen der Preis-, Handels- und Steuerpolitik auf dieses Ziel abgestimmt werden. Wir haben mit Dankbarkeit festgestellt, daß sich auch der Deutsche Bauernverband mit seinen „Freiburger Beschlüssen" zu den umfassenden Aufgaben der Agrarstruktur bekannt hat.
Abschließend möchte ich noch einmal sagen: die CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Strukturmittel weiterhin wie bisher in verstärktem Maße im Grünen Plan zur Verfügung gestellt werden sollten. Sie ist dankbar dafür, daß auf diesem Gebiet manche Hilfe geleistet werden konnte. Sie weiß um die Grenzen der Strukturpolitik und sie weiß, daß bei sinnvoller Anwendung der Strukturpolitik unserer Landwirtschaft in weitesten Teilen geholfen werden kann. Wir bitten auch weiterhin um wohlwollende Unterstützung, gerade bei diesen Maßnahmen, die bei Iden Klein- und Mittelbetrieben größten Anklang finden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411522700
Ich unterbreche für einen Augenblick die Aussprache, um vereinbarungsgemäß den Punkt aufzurufen, um den die Tagesordnung heute erweitert worden ist:
Vereidigung des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
Der ,Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 19. Februar mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers am 18. Februar 1964 Herrn Ernst Lemmer zum Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ernannt hat. Ich bitte den Herrn Bundesminister Lemmer, zur Eidesleistung heranzutreten und den nach Art. 56 des Grundgesetzes für die Übernahme des Amtes vorgeschriebenen Eid zu leisten.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Herr Bundesminister, ich spreche den Eid vor und bitte Sie, ihn mit den Worten „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" zu bekräftigen.
Der Eid lautet:
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.
Sind Sie bereit, Herr Bundesminister, diesen Eid zu leisten?

Ernst Lemmer (CDU):
Rede ID: ID0411522800
Ja. — Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411522900
Meine Damen und Herren, ich_ stelle fest, daß der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte damit den im Grundgesetz für die Übernahme seines Amtes vorgeschriebenen Eid vor dem Deutschen Bundestag geleistet hat.
Ich spreche Ihnen, Herr Bundesminister, die herzlichen Glückwünsche des Hauses für Ihre Arbeit aus.

(Allgemeiner Beifall. — Abg. Dr. Adenauer und weitere Abgeordnete beglückwünschen Bundesminister Lemmer unter erneutem Beifall des Hauses.)

Meine Damen und Herren, wir kehren zur Aussprache zurück. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt (Würgendorf).

Hermann Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411523000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat am 12. Februar 1963 mit Umdruck 178 folgenden Antrag in diesem Hohen Hause eingebracht:
Die Bundesregierung wird ersucht,
der ländlichen Siedlung — Einzelpan 10 Kap. 10 02 Tit. 571 b — aus Mitteln des Grünen Planes 1963 einen Betrag von 30 Millionen DM bereitzustellen, aus dem besondere Hilfen bei vorzeitiger Abgabe landwirtschaftlicher Kleinbetriebe zu Zwecken der Agrarstrukturverbesserung gewährt werden.
Seinerzeit wurde uns auf diesen Antrag hin zunächst versichert, daß die Mittel im Rahmen der ländlichen Siedlung zur Erfüllung der Aufgaben, die wir herausgestellt hatten, gegeben würden, im übrigen aber — üblicherweise — unserem Antrag nicht zugestimmt.
Was ist nun inzwischen geschehen? Bis zum Herbst 1963 zunächst einmal überhaupt nichts. Es stellte sich dann heraus, daß im Rahmen des Agrarhaushalts etwa 300 Millionen DM nicht mehr verplant werden konnten. Nunmehr wurden die 30 Millionen DM für den von uns beantragten Zweck zur Verfügung gestellt. Die Richtlinien für die Vergabe sind sogar erst in diesem Jahr — auch das ist immerhin staunenswert — verabschiedet worden.



Schmidt (Würgendorf)

Um für die Zukunft eine ganz klare Richtung zu haben, legt Ihnen die Fraktion der SPD mit Umdruck 391 folgenden Entschließungsantrag vor:
Die Bundesregierung wird ersucht,
im Rahmen des Teil I des Grünen Plans „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse" einen Fonds zu errichten, aus dem folgende Ausgaben finanziert werden:
a) Verbilligung von Darlehen zur außerlandwirtschaftlichen Existenzgründung bei Abgabe (Verkauf und/oder Verpachtung)

landwirtschaftlicher Kleinbetriebe und
Grundstücke zur Agrarstrukturverbesserung,
b) Umschulungsbeihilfen für ausscheidende Betriebsleiter und nachgeborene Bauernsöhne,
c) zusätzliches Altersgeld für ältere Landwirte, die ihre Betriebe der Agrarstrukturverbesserung zur Verfügung stellen und aus dem Erwerbsleben ausscheiden,
d) Einkommensbeihilfen an Bauern, deren Anwesenheit und Arbeit in bestimmten Regionen aus landeskulturellen Gründen trotz unzureichender wirtschaftlicher Ergebnisse erforderlich ist.
Wir wünschen die Zusammenfassung im Teil I des Grünen Planes — Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse — einfach deshalb, weil wir dann den klareren Überblick und einen Fonds für die Berücksichtigung dieser besonderen Aufgaben haben.
Wir haben auch ganz gewisse Vorstellungen über den Umfang der finanziellen Mittel für diese Maßnahmen, halten es jedoch für zweckmäßig, erst im Fachausschuß hierüber zu diskutieren. Wir bitten deswegen um Überweisung dieses Entschließungsantrages an den Fachausschuß.
Die Richtlinien vor allen Dingen für die Verbilligung von Darlehen bei Abgabe landwirtschaftlicher Kleinbetriebe und Grundstücke — darauf bezieht sich der Buchstabe a unseres Entschließungsantrages — müßten sehr flexibel gestaltet werden, weil die Situation gerade hier von Fall zu Fall verschieden liegt und die Notwendigkeiten natürlich besonders variable Richtlinien verlangen. Die Mittel- und Hochgebirgsbauern könnten als Beispiel für solche Bauern angeführt werden, denen aus landeskulturellen Gründen Einkommensbeihilfen zukommen sollten. Aber all das sind Fragen, die wir dann im Ausschuß behandeln werden.
Wir halten eine baldige Beratung im Ausschuß — auch mit konkreten Vorschlägen für die zu erlassenden Richtlinien — für notwendig. Damit, meine verehrten Damen und Herren, bin ich wieder bei den Richtlinien, die hier heute morgen schon einmal erwähnt worden sind. Unser verehrter Kollege Ehnes hat ich heute morgen — um mit seinen Worten zu sprechen — in den Dankesbezeugungen für die „Erfolgsmannschaft" mit unserem und um unseren Landwirtschaftsminister Schwarz von niemandem überbieten lassen.

(Zuruf von der Mitte: Erfolgsmannschaft?)

— Erfolgsmannschaft!

(Zuruf von der Mitte: Er gehört ja dazu!)

— Ja.

(Zuruf von der Mitte: Gehören Sie nicht dazu, Herr Schmidt?)

— Nein, in diesem Fall hat Herr Ehnes mit der „Erfolgsmannschaft" ganz klar das Ministerium und die Herren um Minister Schwarz gemeint.
Nun, es ist natürlich klar, daß man sich, wenn so etwas gesagt wird, seine Gedanken machen muß, und gerade dazu darf ich sagen, daß wir die Richtlinien, die ja im vergangenen Jahr sehr spät herausgekommen sind — was die kontinuierliche Fortführung der Agrarstrukturmaßnahmen des Grünen Plans des vergangenen Jahres sehr stark gehemmt hat —, immer wieder herausstellen müssen. Wenn man sich in der Praxis umsieht und hört, welches Ärgernis gerade durch die verspätete Verabschiedung der Richtlinien entstanden ist, muß man sich fragen, ob es nicht gerade umgekehrt ist, ob nicht der Erfolg dieser uns hier gepriesenen Mannschaft auch etwas anders gesehen werden muß. Ich habe immer das Gefühl, daß die Mannschaft des Landwirtschaftsministers und seiner Umgebung gegenüber der Mannschaft des Finanzministers den kürzeren zieht, und zwar permanent den kürzeren. Angesichts der Tatsache, daß sich in anderen Ministerien hier und da landwirtschaftliche Beratungskreise und Ressorts bilden, muß man sich ernstlich fragen, ob diese Mannschaft nicht eines Tages wirklich den kürzeren zieht und sogar absteigen muß.
Herr Struve und auch Herr Bewerunge haben heute morgen Anträge angekündigt und auch begründet, die auf die Herabsetzung der Zinsen z. B. bei Aussiedlung, Althofsanierung, Aufstockung, Wirtschaftswegebau usw. hinweisen. Natürlich, auch wir haben in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen und sind immer dafür gewesen, daß diese Lasten so gering wie möglich gehalten werden. Selbstverständlich drängen sich uns in gleichem Maße einige Fragen auf, die ich Ihnen deswegen stellen möchte.
Erstens. Alle Einzeletats sind durchgeforstet worden, weil gespart werden muß. Das große Wort unseres Bundeskanzlers vom Maßhalten sollte ja bis zum letzten Etat verwirklicht werden. Die Ministerien versichern, daß sie bis an die Grenze des Möglichen gegangen sind. Ich muß daher unterstellen, daß in den Anträgen der Koalitionsparteien mit voller Absicht keine Zahlen über die finanziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen ausgebracht worden sind.

(Abg. Struve: Im Rahmen des Haushalts!)

— Im Rahmen des Haushalts? Aber sagen Sie uns dann, aus welchen Mitteln Sie diese Millionen nehmen wollen. Das ist für mich keine Antwort.

(Abg. Struve: Im Rahmen der jeweiligen Ansätze!)




Schmidt (Würgendorf)

— In den vergangenen Jahren sind alle Vorschläge meiner politischen Freunde mit den Bemühungen, im Rahmen der jeweiligen Ansätze etwas zu verschieben, immer wieder auf Ablehnung gestoßen. Ich bin erstaunt, daß es bei Ihnen ohne weiteres möglich ist.
Jedenfalls möchten wir wissen, wie Sie zu diesen Millionen kommen, wie Sie die Mehrfinanzierung aufbringen wollen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das wird interessant sein! — Zuruf des Abg. Bauknecht.)

— Herr Bauknecht, wir haben uns doch in den vergangenen Jahren um jede Mark schlagen müssen und haben sie nicht bekommen. Sie legen MillionenAnträge auf den Tisch und sagen zwar: Wir finanzieren es über die Etats, wir werden schon die Lösung finden. Aber das ist eben die Frage: Sind nicht bereits die Zahlen, die Sie in den Etats angegeben haben, so manipuliert, daß Sie ohne weiteres die Möglichkeit haben, die Millionen in den einzelnen Etats unterzubringen?
Ich erinnere mich, Herr Struve, noch sehr gut an eine Ausschußsitzung im vergangenen Jahr. Wir haben damals über die bestimmten Dinge gesprochen, die hier erwähnt worden sind. Wir waren uns einig. Sowohl Sie als auch ich haben damals gesagt: Die tragbaren Belastungen etwa der Aussiedlungshöfe sind zu hoch. Sie haben von den Boden- und Wasserverbänden gesprochen und gesagt, wir müßten dort die Zinssätze auf Null setzen, wir müßten die tragbare Belastung der Aussiedlungshöfe in den von der Natur benachteiligten Gebieten auf etwa 2400 DM und in den von der Natur nicht benachteiligten Gebieten auf 3000 bis 3500 DM im Jahr setzen.
Der Ausschuß ist dem gefolgt. Wir haben von diesen Wünschen im übrigen aber nichts mehr gehört. Der Ausschuß ist noch nicht einmal über die Richtlinien, die dann erlassen worden sind und die das nicht beinhaltet haben, orientiert worden. Ich möchte darüber weiter nichts sagen.
Die Frage des Getreidepreises ist für uns besonders wichtig. Ein Kollege hat hier heute morgen von sich aus den Getreidepreis so weit strapaziert, daß er ihm den Rückgang der Zahl der Aussiedlungen angelastet hat. Ich möchte dazu sagen, daß die Schwerfälligkeit der Bürokratie in der Praxis draußen die Aussiedlungswilligen manchmal verzweifeln läßt. Ein Labyrinth von zirka 50 Seiten an Richtlinien des Bundes und der Länder sind zu bewältigen. Dabei sind, wie mein Kollege Schmidt (Gellersen) heute morgen schon ausführte, die Erstellungskosten inzwischen längst weggelaufen. Man bewegt sich auf einer Basis, die hinter uns liegt. Es bleiben Lücken, die durch Selbstfinanzierung geschlossen werden müssen und die mit ihren Belastungen die Existenz einfach nicht mehr möglich machen. Das sind die wichtigsten Gründe für den Rückgang der Zahl der Aussiedlungen, nicht etwa, weil von jedem einzelnen errechnet wird, daß mit einer Veränderung des Getreidepreises gegebenenfalls seine Existenz nicht mehr gewährleistet ist.
Wenn wir diese Entwicklung aber ins Gegenteil verändern wollen, müssen wir uns noch manches einfallen lassen. Daß dabei auch die Regionalplanung mit den Ländern und mit der großen übergeordneten landwirtschaftlichen Planung koordiniert werden muß, ist selbstverständlich, leider aber noch nicht Bestandteil unserer Praxis.
Wer sich in wichtigen Agrarfragen wem angepaßt hat — worüber zwischen den Koalitionsparteien Streit aufkam — und wer das Erstgeburtsrecht in dem neuen Kurs einer Agrarpolitik hat, das soll innerhalb der Koalitionsparteien ausdiskutiert werden; das mag uns nur am Rande interessieren. Wir werden jedenfalls unbeeinflußt davon unsere Vorschläge auf den Tisch dieses Hohen Hauses legen, wenn wir, wie mit dem von mir begründeten Antrag bewiesen, davon überzeugt sind, daß wir in der Zukunft unserer Landwirtschaft mehr dienen, als mit dem, was bisher an Gedanken entwickelt worden ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411523100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walter.

Fritz Walter (FDP):
Rede ID: ID0411523200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei, zwei Anträge zu IV/1860 zu 'begründen. Es handelt sich um die Ihnen vorliegenden Umdrucke 386 und 387. *)
Von dieser Stelle aus hat meine Fraktion schon wiederholt die Frage der Zinsverbilligung aufgeworfen. Die Bundesregierung hat auch Maßnahmen getroffen und Zinsverbilligungen für eine Reihe von Krediten gewährt, so insbesondere für agrarstrukturelle Maßnahmen, für Inventarisierungskredite, Baukredite usw. Wir vermissen jedoch noch eine wirklich befriedigende Einbeziehung der sogenannten Altschulden, die vielen landwirtschaftlichen Betrieben große Sorgen bereiten. Die Summe der Verschuldungen in Höhe von 14 Milliarden DM besteht zu einem Großteil aus den sogenannten Altschulden. Sie sind in diesem Ausmaß letzten Endes durch die rasante Entwicklung in den übrigen wirtschaftlichen Bereichen des letzten Jahrzehnts entstanden.
Durch diese Entwicklung wirtschaftlicher Art ist eine große Zahl von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft abgezogen worden, Familienkräfte sowohl wie Fremdarbeitskräfte. Die Arbeit blieb; sie mußte aber bewältigt werden, und es mußte in großem Ausmaß als Ersatz für entgangene Arbeitskraft die Technik eingeschaltet und zu Hilfe genommen werden. Kurzum, die Technisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft begann, und mit ihr kam eben die hohe Verschuldung. Ein großer Teil dieser Schulden ist bis zum heutigen Tage noch hoch verzinslich; 6 1/2 % Zinsen und die notwendige Amortisation sind keine Seltenheit. Die Einnahmen aber haben es vielen Betrieben nicht gestattet, von diesen Schulden auch nur einigermaßen herunterzukommen.
*) Siehe Anlagen 7 und 8



Walter
Die schlimmste Auswirkung aber ist, daß die junge Generation, die Jungbauern auf Grund dieser Lage vielfach nicht mehr bereit sind, den väterlichen Betrieb zu übernehmen, weil sie keinen Ausweg sehen, angesichts dieser Schulden zu einer soliden Existenz zu kommen. Deshalb ist es notwendig, ein Konsolidierungs- und Zinsverbilligungsprogramm zu schaffen des Inhalts, daß alle Betriebe mit ordnungsmäßiger Betriebsführung bei einer 3 %igen Verzinsung und 2 %iger Amortisation allmählich von dieser Last befreit werden und daß die Belastungen mit diesen Maßnahmen tragbar bleiben, wie sie bei agrarstrukturellen Maßnahmen in den verschiedenen Ländern festgesetzt sind. Man sollte weitgehend davon absehen, einen Abverkauf von landwirtschaftlichen Flächen in Erwägung zu ziehen. Der bisher geforderte Betriebsentwicklungsplan erscheint uns sehr problematisch, weil er in der Regel Neuinvestitionen erfordert, und zwar als Voraussetzung für die Verbilligung der Altschulden. Gerade vor Neuaufgaben warnen wir, solange nicht für die alten Verpflichtungen eine für die Betriebe tragbare Regelung gefunden ist.
Der Herr Bundesminister meinte in seinem Bericht, daß die Zinsverbilligung kein Allheilmittel sei. Das ist richtig; Subventionen sind überhaupt kein Allheilmittel. Aber die Zinsverbilligung ist unserer Meinung nach eine zwingend notwendige Maßnahme, um der Landwirtschaft eine ihrer schwersten Sorgen zu nehmen, solange es nicht möglich ist, der Landwirtschaft einen ordentlichen Aufwandsertragsausgleich auf andere Weise zu verschaffen.
Ich komme nun zum Umdruck 387. Bei diesem Antrag geht es darum, eine Reihe von Titeln des Agrarhaushalts nicht mehr dem Grünen Plan zuzuordnen. Die Fraktion der Freien Demokraten ist der Auffassung, daß verschiedene Titel — es handelt sich um Tit. 572, 573, 574, 576, 610 und 965 — ihrer Zielsetzung nach zwar wichtige Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft darstellen, daß es sich bei ihnen aber nicht um Maßnahmen handelt, die der direkten Verbesserung der Einnahmen der Landwirtschaft dienen, sondern um Aufgaben, die erst langfristig wirksam werden. Jedes Jahr, und zwar seit 1957, wenn vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Hause der Grüne Bericht vorgelegt wurde und im Anschluß daran die Haushaltsansätze auf Grund ,des Landwirtschaftsgesetzes in ihrer Höhe im Einzelplan 10 bekannt wurden, erfuhren diese Maßnahmen in der Öffentlichkeit zwar ungerechtfertigt, aber eben darum um so heftigere Kritik. Sattsam bekannt ist das irreführende Schlagwort von den „Grünen Milliarden". Ich habe von dieser Stelle aus schon vor Jahren von dieser schlechten Optik gesprochen, die immer wieder, und zwar jedes Jahr, festzustellen ist. Es ging so weit, daß man praktisch die Landwirte als Almosenempfänger bezeichnete, das um so mehr, als auf Grund des dauernden Ansteigens der Produktionsunkosten in der Landwirtschaft die Beträge der Förderungsmaßnahmen sich erhöhen mußten. Das Landwirtschaftsgesetz soll ja die Disparität, die zwischen den Einnahmen der in der Landwirtschaft Beschäftigten und denen vergleichbarer Berufe besteht, abbauen. Deshalb mußten diese Erhöhungen kommen. Man sollte, um eine bessere Optik und ,damit ein besseres Verhältnis von Verbrauchern und Produzenten landwirtschaftlicher Erzeugnisse herbeizuführen, die obengenannten Förderungsmaßnahmen aus dem Grünen Plan herauslassen und sie als normale Aufgaben des landwirtschaftlichen Haushalts führen.
Der Tit. 572, Förderung der Flurbereinigung: Über die Notwendigkeit der Förderung der Flurbereinigung gibt es keinen Zweifel; wir sind uns alle darin einig. Aber das ist keine Maßnahme, die die Einkommensverhältnisse direkt verbessert. Ihre positiven Auswirkungen können sich im Regelfall frühestens nach einem halben Jahrzehnt oder sogar noch später ergeben.
Tit. 573, Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe sowie besondere agrarstrukturelle Maßnahmen: Diese Maßnahmen sind zwar sehr wichtig, und man sollte die Mittel dafür, wenn es die Haushaltslage zuließe, sogar erhöhen. Aber direkt und sofort einnahmeverbessernd wirken auch sie nicht. Das geht schon daraus hervor, daß die Siedlungsgesellschaften nach durchgeführter Aussiedlung den Leuten sogenannte Ruhejahre, nämlich Freijahre, lassen, weil sie nicht in der Lage sind, unmittelbar den Verpflichtungen nachzukommen.
Wir kämen zum Tit. 574, Verbesserung der Wirtschaftswege. Auch hier kann man von einer direkten Verbesserung der Einnahmeverhältnisse der Landwirtschaft noch nicht sprechen. Es geht vielmehr um eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse.
Lassen Sie mich zu diesem Punkt noch ein paar besondere Bemerkungen machen, und zwar als ein Mann, der mit diesen Dingen sehr viel zu tun hat. Man sollte die Verwendung dieser Mittel doch einmal einer besseren Kontrolle unterstellen. Ich bin nicht etwa der Meinung, diese Mittel seien zu hoch oder würden nicht gebraucht; da bin ich genau der gegenteiligen Ansicht. Sie müßten meiner Ansicht nach erhöht werden, und zwar ziemlich, sonst haben wir wahrscheinlich in den nächsten vier Jahrzehnten noch kein brauchbares Wirtschaftswegenetz in der Bundesrepublik. Was ich hierbei zu beanstanden habe, ist, daß die gebauten Wirtschaftswege meistens Ausfallwege, um nicht zu sagen, Ausfallstraßen nach der Feldmark sind, die, wenn ausgebaut, zum Teil dazu dienen, Baugebiete aufzuschließen, und dann Gemeindestraßen werden. Die Richtlinien für diese Maßnahmen sollten klarer und deutlicher gefaßt werden, damit das verhindert wird.
Zu Tit. 576, Ländliche Wasserversorgung, Kanalisation, Abwässerbeseitigung und -verwertung: Von dieser Förderungsmaßnahme kann man wirklich nicht behaupten, sie sei eine ausgesprochene Maßnahme für die Landwirtschaft und gehöre in den Grünen Plan. Ein großer Teil unserer Dorfgemeinden sind längst keine Bauerndörfer mehr. Tatsache ist doch wohl, daß Wasserversorgung, Kanalisation und Abwasserbeseitigung nicht nur für die paar Landwirte im Dorf, sondern für alle geschaffen werden. Das ist gut und das ist richtig. Aber richtig ist auch, daß es sich hier um keine einnahmeverbessernden Maßnah-



Walter
men der Landwirtschaft handelt; sie gehören also
nach unserer Auffassung nicht in den Grünen Plan.
Nun komme ich zu dem Tit. 610, der die Zuschüsse zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft ausweist. Er ist sehr wichtig. Meine Freunde und ich sind der Meinung, es sei dringend notwendig, daß man nicht nur die Arbeit auf dem Acker und im Hof technisiert und rationalisiert und damit die Arbeitsbedingungen der Männer wesentlich erleichtert, sondern daß man auch die Bäuerinnen entlastet. Die Entlastung der Bäuerin ist mindestens ebenso wichtig, sogar noch viel wichtiger, denn auf ihr, die ja auch Mutter ist und der die Erziehung der Kinder obliegt, lastet zusätzlich der Haushalt, und das ist ein breites Arbeitsfeld; dazu kommt in vielen mittel-und kleinbäuerlichen Betrieben die Wartung und Pflege des Viehs. Die Bäuerin ist vordringlich zu entlasten. Es handelt sich hier um eine ganz selbstverständliche Maßnahme, die nicht direkt als einnahmeverbessernd gewertet werden kann. Es ist aber eine notwendige Verbesserung der Lebensverhältnisse der bäuerlichen Familien. Wir bitten auch hier um Herausnahme aus dem Grünen Plan und Überführung in den normalen Haushalt.
Nun komme ich zum letzten Punkt des Antrages, zu dem Tit. 965, Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern. Daß die Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern eine wichtige Maßnahme, aber auch Aufgabe in der Landwirtschaft darstellt, darüber sind wir wohl alle einer Meinung. Ebenso gibt es keine Zweifel darüber, daß wir die verhältnismäßig wenigen Arbeitskräfte, die wir noch in der Landwirtschaft haben, der Landwirtschaft erhalten müssen. Denn die gesamte Technisierung erfüllt nicht ihren Zweck, wenn die Maschinen und Geräte nicht von Menschenhand gelenkt werden. Dabei kann man nicht auf diese Mithelfer in der Landwirtschaft verzichten. Man muß ihnen als Arbeitnehmer die gleichen Chancen und den gleichen Anreiz, vielleicht sogar noch einen größeren als in den übrigen Bereichen geben. Auch diese Förderung muß zu den Zuständigkeiten des landwirtschaftlichen Haushalts gehören. Sie ist nicht direkt einnahmeverbessernd für die landwirtschaftlichen Betriebe und müßte nach unserer Meinung in den normalen Haushalt.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag, den wir dem zuständigen Ausschuß zu überweisen bitten, zustimmen würden, so würde die bisherige Gesamtsumme des Grünen Plans erheblich schrumpfen, aber die Wirkung dieser Mittel ohne Bindung an den Grünen Plan im normalen Haushalt wäre die gleiche. Die Zielsetzung wäre ebenfalls keineswegs verändert. Darum geht es uns: die Legende von den „grünen Milliarden" verblassen zu lassen; eine verhältnismäßig kleine, aber für die breite Masse verständlichere Summe für Subventionen würde übrig bleiben, eine bessere Optik würde sich ergeben; das Verhältnis zwischen den Verbrauchern von Nahrungsgütern und den Landwirten als den Produzenten würde sich bessern.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch folgenden Vorschlag, um eine Reihe dieser Förderungsmaßnahmen wirksamer zu gestalten. Ich spreche dabei die beiden Punkte Förderung und Flurbereinigung und Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe, ja sogar den Ausbau der Wirtschaftswege an. Man sollte diese Maßnahmen in einem besonderen Zeitplan zusammenfassen. Wir halten das für notwendig, um die angesetzten Mittel von den Zufälligkeiten der jährlichen Haushaltsmöglichkeiten auszunehmen und eine gezielte langfristige Planung auch in Verbindung mit der Raumordnung Gestalt werden zu lassen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411523300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berberich.

August Berberich (CDU):
Rede ID: ID0411523400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der fortgeschrittenen Zeit und der Länge der Debatte ist es einigermaßen schwierig, noch die nötige Aufmerksamkeit im Haus zu finden, wenn man zu den sozialpolitischen Fragen Stellung nehmen will.
Herr Kollege Dr. Schmidt hat heute vormittag bei seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik mit ihren sozialen Leistungen am Schluß der Skala innerhalb der EWG steht. Ich meine, Herr Dr. Schmidt, daß das nicht ganz stimmt. Wenn man den Durchschnitt der sozialen Leistungen in der EWG zieht, dann mag das zutreffen. Wir stehen zu Frankreich sicherlich im Verhältnis 5 : 1, wie Sie ganz richtig ausgeführt haben. Ich bin allerdings der Meinung, daß man französische sozialpolitische Leistungen nicht unbedingt auf deutsche Verhältnisse übertragen kann, sondern daß wir gemeinsam in diesem Hause eine sozialpolitische Konzeption fortentwickeln müssen, die auch auf die deutschen landwirtschaftlichen Verhältnisse paßt. Ich glaube auch nicht, daß man das Aufbringungssystem Frankreichs für diese sozialpolitischen Leistungen in Deutschland anwenden könnte. Hier besteht ja nicht die Möglichkeit, in der Handelsspanne so viel Mittel aufzufangen, wie das in Frankreich bisher der Fall war.
Aber, Herr Kollege Dr. Schmidt, über eines können Sie sich sicher sein: den Sozialplan der SPD habe ich mindestens so gut studiert wie Sie auch.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das glaube ich Ihnen! Aber der Herr Minister! Darauf kommt es an!)

— Ich glaube, daß sich auch der Herr Minister den Sozialplan der SPD angesehen hat. Er wird sich ja immer wieder mit den verschiedenn Sozialplänen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, auseinandersetzen müssen, ob es sich um den Sozialplan der SPD oder den des Deutschen Bauernverbandes handelt oder ob weitere Sozialpläne im Laufe der nächsten Zeit auf uns zukommen. Alle haben eines gemeinsam: daß sie sich darum bemühen, dem Patienten Landwirtschaft in etwa Medizin zuzuführen.
Im letzten Jahr haben wir uns bei der Debatte über den Grünen Plan auch mit einer Novelle zum Altershilfegesetz beschäftigt. Es waren damals



Berberich
eigentlich zwei Novellen, die wir dann verhältnismäßig schnell verabschieden konnten und deren Auswirkungen in der Landwirtschaft — das kann man wohl eindeutig feststellen — positiv beurteilt werden. Selbstverständlich ist damals eine ganze Reihe von Problemen offengeblieben, nicht nur weil wir uns über die Finanzierung und die Auswirkungen nicht im klaren waren, sondern weil uns alle gemeinsam das Ziel beseelt hat, diese Novelle zum Altershilfegesetz möglichst rasch zu verabschieden, um die Erhöhung des Altersgeldes zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzusetzen.
Weiter darf man immerhin feststellen: wenn sich das vorzeitige Altersgeld bis jetzt noch in sehr bescheidenem Umfange ausgewirkt hat, so ist das doch darauf zurückzuführen, daß bis zur Verkündung des Gesetzes und zur Ausarbeitung der notwendigen Richtlinien viel Zeit vergangen ist. Bisher sind über 3000 Anträge abgelehnt, meistens deshalb, weil die notwendigen Beitragszeiten nicht erfüllt waren. Ich bin überzeugt davon, daß die zur Zeit noch vorliegenden 15 000 Anträge in der nächsten Zeit sehr zügig beschieden werden können, sobald die Richtlinien für die Gewährung des Altersgeldes überarbeitet worden sind und wirksam werden.
Daß dieses vorzeitige Altersgeld sich nicht in dem Umfang ausgewirkt hat, wie wir ursprünglich annahmen, ist sicherlich darauf zurückzuführen, daß sich sehr viele Landwirte erhebliche Gedanken darüber machen, ob es für sie zweckmäßig ist, den Antrag auf vorzeitiges Altersgeld zu stellen, weil damit die Betriebsabgabe verbunden ist. Aber wir waren uns gemeinsam darüber im klaren, daß es keinen anderen Weg in dieser Frage geben kann.
Etwas anderes ist die Frage der Einbeziehung der mithelfenden Familienangehörigen, über die wir uns damals aus verschiedenen Gründen nicht restlos einigen konnten. Herr Kollege Frehsee hat auf verschiedene dieser Probleme hingewiesen. Ich darf aber noch einmal in Erinnerung zurückrufen, daß es insbesondere ein Problem der Abgrenzung überhaupt und ein Problem der Beitragsleistung ist, wenn man es als ein Dauerproblem und nicht nur als ein Auslaufproblem betrachtet.
Ich möchte diese Frage nicht vertiefen. Denn dazu ist Zeit und Ort in den Ausschüssen. Wir sind selbstverständlich bereit, den Gesetzentwurf in den Ausschußberatungen mit zu bearbeiten. Wir werden dort zu den einzelnen Problemen unsere Meinung darlegen und entsprechende Änderungswünsche vorbringen. Ich bin überzeugt, daß auch unser Bundesarbeitsministerium bis zur Ausschußberatung in der Lage sein wird, eigene Gedanken und entsprechende Vorschläge zu entwickeln, um in der Beratung des Altershilfegesetzes voranzukommen.
Bei der Verabschiedung der vorjährigen Novelle zum Altershilfegesetz haben wir ein Problem gemeinsam gelöst, das uns allen als Abgeordnete jahrelang Kummer bereitet hat, nämlich das Problem derjenigen, die am 1. Oktober 1957 Rentenbezieher waren und ihren Betrieb noch nicht übergeben hatten. Ich glaube, daß wir uns mit dem damaligen Entschluß, diese Sache endgültig zu
bereinigen, manchen Ärger draußen gemeinsam vom Hals geschafft haben.
Die Frage der Rehabilitation, die der Antrag der SPD wieder aufwirft, ist meiner Überzeugung nach im heutigen Zeitpunkt nicht ganz so schwierig zu lösen, wie es der Herr Staatssekretär Dr. Claussen hier gesagt hat. Der damalige Auftrag, den wir erteilt haben, hat sich nicht darauf bezogen, Erfahrungen im Rahmen der Altershilfe zu sammeln, bevor ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden kann, sondern der Antrag lautete ganz klar, daß die Erfahrungen der übrigen Träger der Sozialversicherung zur Beurteilung dieser Maßnahme herangezogen werden sollten. Auch von dort her kann man eine ganze Reihe von Erfahrungen im Gebiet der Rehabilitation auf die Altershilfe übertragen, wenn es auch nicht möglich sein wird, einen Abklatsch der Sozialversicherung in die Altershilfe zu übernehmen.
Wir beschäftigen uns aber in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik nicht nur mit der Altershilfe. Darüber hinaus haben wir durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz erhebliche Mehrbelastungen in der Landwirtschaft bekommen, die Gott sei Dank durch die Bereitstellung der 100 Millionen DM aufgefangen werden konnten und darüber hinaus noch zu einer Beitragssenkung verwendet werden. Aber es kann nicht Sinn und Zweck der Zurverfügungstellung weiterer 100 Millionen DM im Grünen Plan sein, zur Beitragssenkung allein diese Mittel zu verwenden. Vielmehr glaube ich, daß in diesem Hause Einigkeit darüber besteht, daß gerade die Leistungen der Unfallversicherung für den selbständigen Betriebsinhaber und seinen Ehegatten angehoben werden müssen, nachdem durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz sämtliche übrigen Leistungen angehoben wurden. Überschlägliche Berechnungen haben ergeben, daß mit diesen 100 Millionen DM die Erhöhungen, die für den übrigen Sektor der Unfallversicherung auf die Berufsgenossenschaften zukommen, aufgefangen werden können und darüber hinaus trotzdem noch Mittel zur Verfügung stehen, um eine namhafte Erhöhung der durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienste vornehmen zu können. Dazu ist es allerdings nicht unbedingt notwendig, daß wir eine Novelle zum Gesetz verabschieden, wenn auch manches dafür sprechen würde. Das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz beinhaltet ja die Ermächtigung an das Bundesarbeitsministerium, eine Zwischenfestsetzung der Jahresarbeitsverdienste anzuordnen und auf diesem Wege die Angleichung durchzuführen. Wir sind uns dabei innerhalb unserer Fraktion darüber im klaren, daß die Erhöhung der Jahresarbeitsverdienste und damit die Erhöhung der Leistungen eine Dauerbelastung für die Unfallversicherung bedeuten wird und daß es deshalb auch in den kommenden Jahren notwendig sein wird, im Rahmen des Grünen Plans entsprechende Mittel zum Ausgleich dieser Belastung bereitzustellen.
Neben der Altershilfe und der Unfallversicherung spielt die Frage der Krankenversicherung und der Krankenversicherungsneuregelung in der Diskussion der Landwirtschaft eine hervorragende Rolle. Ich



Berberich
gehe dabei nicht so weit wie Sie, Herr Kollege, daß ich die Pflichtversicherung für die gesamte Landwirtschaft fordere. Aber ich bin der Meinung, daß die Versicherungspflicht im bisherigen Umfang aufrechterhalten bleiben muß und daß die Versicherungsberechtigung für den bäuerlichen Betriebsinhaber nach wie vor gewährleistet sein muß. Ich bin nicht dafür, daß man diese Versicherungsmöglichkeit ausweitet. Ich bin aber ein absoluter Gegner einer Einschränkung der heutigen Versicherungsmöglichkeit. Wir wollen nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe unbedingt in die Pflichtversicherung hineinnehmen. Wenn wir einmal gemeinsam der Meinung sein sollten, daß die Krankenversicherung für alle bäuerlichen Betriebe notwendig ist, so gibt es sehr wohl die Möglichkeit, zu einer Versicherungspflicht zu kommen, die man für die größeren Betriebe genauso gut auch auf dem Wege einer freiwilligen Mindestversicherung vorsehen kann, wie wir ja auch eine Versicherungspflicht in der Haftpflichtversicherung der Kraftfahrt haben, ohne daß man eine staatliche oder eine halbstaatliche Zwangsversicherung an die Stelle der privaten Versicherungsunternehmen setzt. Insoweit unterscheidet sich unsere Auffassung erheblich von den verschiedenen Sozialplänen. Wir sind der Meinung, daß eine gegliederte Sozialversicherung nach wie vor der Lösung vorzuziehen ist, bei der man alles in einem einzigen gemeinsamen Versicherungsträger auf Bundesebene zusammenfaßt. Aber ich glaube, das sind Unterschiede in der Auffassung von der Zweckmäßigkeit, über die man sich sehr wohl unterhalten kann. Hier kann man sehr wohl geteilter Meinung sein, ohne sich deshalb streitig auseinandersetzen zu müssen.
Im vorigen Jahr waren sowohl die Mittel für die Unfallversicherung als auch die für die Alterskasse in einem eigenen Abschnitt des Grünen Plans untergebracht. Wir waren einigermaßen erstaunt darüber, daß diese Mittel in diesem Jahr unter „Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse" rangieren. Ich bin nicht der Meinung, daß sie unbedingt in diese Kategorie hineingehören. Wir würden es dankbar begrüßen, wenn im kommenden Jahr im Interesse der Klarheit wieder ein eigener Abschnitt IV für diese Maßnahmen vorhanden wäre.
Es ist heute früh zu einer Reihe von anderen Problemen auf sozialpolitischem Gebiet Stellung genommen worden und insbesondere auch die Frage der Hilfe für die Bäuerin angesprochen worden. Ich glaube, Herr Kollege Frehsee, Sie haben darüber gesprochen, und Sie haben gemeint, es handele sich hier um ein Beratungsproblem. Ich glaube nicht, daß es sich nur um ein Beratungsproblem handelt; denn die Bereitstellung von Mitteln für diesen Zuschuß von 1000 DM pro Betrieb macht oft einen Bauaufwand erforderlich, der um ein Vielfaches höher liegt. Das ist die Voraussetzung dafür, diese Mittel in Anspruch zu nehmen. Sicherlich ist es richtig, wie einer der Kollegen hier ausgeführt hat — ich weiß nicht mehr, wer es war —, daß man sich sehr viel leichter dazu entschließen würde, einen neuen Schlepper zu kaufen, als für die Hauswirtschaft etwas zu tun. Aber ich glaube, in sehr vielen Fällen liegt das Hindernis doch darin, daß der Zuschuß im Verhältnis zu den heute notwendigen Aufwendungen sehr bescheiden ist, so daß der Betriebsinhaber sich in vielen Fällen scheut, solche Maßnahmen zu treffen, weil er 8000 bis 10 000 DM Kredite aufnehmen muß. Denn nur in den seltensten Fällen sind diese Beträge auf dem Sparkonto oder dem Bankkonto vorhanden.
Herr Kollege Frehsee, Sie haben auch die Geschäftsstellen der Bauernverbände angesprochen und gesagt, dort sei heute noch ein soziales Tabu zu überwinden, damit man sich überhaupt mit Sozialberatung beschäftigt. Ich kann mindestens für meinen Landesverband in Anspruch nehmen, daß das nicht der Fall ist. Das Land Baden-Württemberg hat gerade den Bauernverbänden — wir haben ja drei Bauernverbände innerhalb unseres Landes — im Rahmen des Haushalts Mittel für die Sozialberatung zur Verfügung gestellt, um die finanziellen Voraussetzungen innerhalb der Kreisbauernverbände für die Anstellung von Personen zu schaffen, die in der Lage sind, die Sozialberatung für die bäuerlichen Betriebe durchzuführen. Wir stellen fest, daß gerade von dieser Beratung in sehr großem Umfang Gebrauch gemacht wird. Unsere Kreisgeschäftsstellen sind etwa zu einem Drittel bis zur Hälfte ihrer Arbeit nur mit sozialen Fragen beschäftigt. Ich glaube, daß gerade bei uns die sozialen Fragen keineswegs ein Tabu sind. Die Landwirtschaft hat vielmehr sehr wohl erkannt, daß wir in einer gewandelten Welt nicht in alten Vorstellungen befangen bleiben können, sondern daß die gewandelte Welt auch neue Vorstellungen von uns fordert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411523500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seither.

Max Seither (SPD):
Rede ID: ID0411523600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen meiner Fraktion den Antrag Drucksache IV/1948 zu begründen. In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Untersuchung über die Struktur und die Preisverhältnisse auf den landwirtschaftlichen Märkten und bei ernährungswirtschaftlichen Gütern durchführen zu lassen. Ich habe dazu eine schriftliche Unterlage geschaffen und würde sie in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit, wenn das Haus damit einverstanden ist und der Herr Präsident es erlaubt, zu Protokoll geben.*)

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411523700
Bitte sehr! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0411523800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich zu dem vorliegenden Gesetzesantrag der SPD Drucksache IV/1947 wie folgt Stellung nehmen.
*) Siehe Anlage 3



Reichmann
Eine gesunde Landwirtschaft, die wir alle bejahen, ist nur durch ihre gleichberechtigte Einordnung in unseren sozialen Rechtsstaat möglich. Daraus ergibt sich, daß eine moderne Agrarpolitik durch eine zeitgemäße ländliche Sozialordnung nicht ersetzt, aber ergänzt wird. In der 70. Sitzung dieser Legislaturperiode stellte mein Freund Kollege Weber zu diesem Problem fest, daß sich alle Fraktionen im Grundsätzlichen weitgehend einig sind. Das gilt heute ebenso wie vor einem Jahr. Die mithelfenden Familienangehörigen sind Mitarbeiter, Mitglieder der betrieblichen Arbeitsgemeinschaft. Daraus ergibt sich wiederum, daß sie in dieselbe ländliche Sozialordnung einbezogen werden müssen und nicht der wesensfremden Sozialhilfe ausgeliefert werden dürfen.
Während in den anderen Bereichen die Arbeitszeit immer mehr verkürzt und der Urlaub verlängert wird, ist es in der Landwirtschaft leider umgekehrt. Infolge der zu großen Arbeits- und Einkommensdisparität wandern immer mehr Menschen vom Land ab, so daß für die Zurückbleibenden immer mehr Arbeit anfällt. Jeder Kenner weiß, daß die Maschine bei weitem nicht alle Arbeit zu übernehmen vermag. Die fortschreitende bedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Landbevölkerung infolge dieser bedauerlichen Entwicklung ist eine Warnung. Die Arbeitsüberlastung, die Überanstrengungen ohne ausreichende Entspannungs- und Erholungsmöglichkeiten dürfen nicht weiter betrieben werden; dies wäre ein verderblicher Raubbau an der Leistungskraft und der Gesundheit der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung. Die festgestellten Gesundheitsschäden, besonders bei der überarbeiteten Landfrau und schon bei der Landjugend — wie sich insbesondere bei den Musterungen für die Bundeswehr herausgestellt hat —, sind eine Mahnung, die gesetzten Grenzen auch hier nicht weiter zu überschreiten. Die Situation erfordert die Einleitung von Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit und von Heilmaßnahmen für bereits vorhandene Schäden, um das Absinken der Arbeitskraft und die vorzeitige Erwerbsunfähigkeit zu verhüten. Deshalb unterstützen wir im Grundsätzlichen den Antrag der SPD.
Die praktische Durchführung von Gesundheitshilfe- und Rehabilitationsmaßnahmen kann allerdings nicht nur durch Gesetz und geldliche Unterstützung bewerkstelligt werden, weil die erforderlichen Aushilfs- und Ersatzkräfte, auch die in Aussicht genommenen Betriebshelfer und Betriebshelferinnen, leider nicht ohne weiteres gestellt werden können, Kollege Frehsee. Hier, meine Damen und Herren, muß noch mehr geschehen als nur Gesetzeshilfe. Nach unserer Auffassung muß die bereits eingeführte mehr betriebstechnische Nachbarschaftshilfe erweitert und auf den Bereich der menschlichen, der gesundheitlichen Nachbarschaftshilfe ausgedehnt werden.
Die so begrüßenswerte Institution der Dorfhelferin ist unzureichend. Hier haben die berufsständischen Organisationen eine große Aufgabe zu erfüllen, die solidarische menschliche Nachbarschaftshilfe zu organisieren und zu praktizieren, damit die notwendigen Gesundheitshilfen und Heilmaßnahmen nach dem Gesetz, wenn es sie bestimmt, überhaupt durchgeführt werden können.
Bei der letztjährigen Debatte zur Änderung des Altershilfegesetzes haben wir in dem Entschließungsantrag in Drucksache IV/1092 die Bundesregierung aufgefordert, entsprechende Vorschläge zur Durchführung dieser Aufgabe zu machen. Wir bedauern, daß diese Vorschläge nicht vorgelegt worden sind.
Wir begrüßen den vorliegenden SPD-Antrag zur Ergänzung und Änderung des Altershilfegesetzes, weil er in seiner Zielsetzung auch unserer grundsätzlichen Auffassung entspricht.

(Beifall bei der SPD.)

In der vorliegenden Form ist er jedoch nach unserer Meinung noch nicht entscheidungsreif. Infolgedessen möchte ich mich im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei dafür aussprechen, daß der Antrag zur weiteren Bearbeitung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411523900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ramminger.

Dr. August Ramminger (CSU):
Rede ID: ID0411524000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich noch kurz zu einem Problem Stellung nehme, das in dieser langen Debatte nur am Rande angesprochen worden ist. Ausgehend von dem Vorwurf, man sage den Bauern nicht die Wahrheit über ihre Zukunft in der EWG, möchte ich besonders hervorheben, daß man hier unter Wahrheit unter vielem anderen sehr dft auch die Behauptung versteht, man würde den Bauern die Tatsache vorenthalten, landwirtschaftliche Betriebe unter einer bestimmten Größe seien nicht mehr konkurrenzfähig, also auch nicht mehr existenzfähig und nicht förderungswürdig, und sollten am besten verschwinden. Diese immer wieder aufgestellte Behauptung, aber auch alle jene Bestrebungen, die die Notwendigkeit einer Umstrukturierung der Landwirtschaft zu beweisen suchen mit dem Ziel, überwiegend Betriebe in der Größe von 20 bis 30 ha zu schaffen, sind ein so ernstes Problem für unser ,ganzes Volk, daß es mir an der Zeit zu sein scheint, anläßlich dieser Debatte wenigstens kurz etwas darüber zu sagen.
Ich 'brauche Ihnen nicht auseinanderzusetzen, welche Beunruhigung solche Pläne in bäuerlichen Kreisen verursachen, insbesondere in den von der Natur benachteiligten Gebieten, z. B. in meinem Wahlkreis Passau, der zu 53 % aus Betrieben bis zu 5 ha und zu 40 % aus Betrieben bis 20 ha besteht. Hier würden insgesamt also 93 % der Betriebe nach jener Behauptung eigentlich nicht mehr lebensfähig sein. Aber auch in vielen anderen Gebieten der Bundesrepublik würde das weitergehende und eventuell angestrebte Absterben der Kleinbauern zu einem sozialen, wirtschaftspolitischen und auch kulturellen Schaden von säkularem Ausmaß führen, abgesehen von den Tragödien in menschlichen Bereichen. Eine wie auch immer geartete Entwicklung zur Großraum-



Dr. Ramminger
landwirtschaft würde die an sich gesunde deutsche bäuerliche Struktur zerstören. Daher sollte man den Anfängen wehren und alle eventuellen Zwangsmaßnahmen zur Erreichung eines solchen Zieles, die bei einer Betriebsgröße von 7 bis 10 ha beginnen sollen, rundweg ablehnen.
Dabei versucht man keineswegs das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Denn der natürliche Ausleseprozeß und die Hinneigung zu größeren Betrieben vollziehen sich schon seit vielen Jahrzehnten und müssen auf der Grundlage einer völligen Freiwilligkeit und einer organischen Entwicklung bleiben. Man wird sich auch niemals darüber einigen können, welche Betriebsgröße als existenzfähig oder auch als krisenfest anzusehen sein wird. Das liegt nun einmal in der Natur des landwirtschaftlichen Betriebes. Der eine Bauer wird aus 10 ha genausoviel oder noch mehr herauswirtschaften als der andere aus 20 ha. Es gibt hier keine schematische Grenze für die Lebensfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Entscheidend für die Existenzfähigkeit und auch für die Förderungswürdigkeit eines Betriebes im Einzelfall ist der Bauer selbst; entscheidend sind sein Können, sein Fleiß, aber auch seine bisherige Genügsamkeit und besonders sein Selbstbehauptungswille, sein Wille, Bauer zu bleiben.
Freilich wird den Kleinbauern oft vorgeworfen, sie seien nur Selbstversorger und spielten auf dem Agrarmarkt keine Rolle. Aber auch das stimmt nicht. Die Herren Dr. Padberg und Dr. Scholz vom Bundesernährungsministerium haben nachgewiesen, daß die Kleinbauern bis zu 5 ha mit 15,3 % an dem Gesamterlös von 20 Milliarden DM in den Jahren 1959/62, also in drei Jahren, beteiligt waren, die Bauern von 5 bis 10 ha sogar mit 20,1 %. Insgesamt sind also die Betriebe bis zu 10 ha mit 35,4 % an einem Verkaufserlös von 20 Milliarden DM beteiligt. Ferner sind nach diesen Berechnungen die Betriebe bis zu 20 ha mit 54 % am Gesamtmilcherlös und mit 53 % am Erlös von Schlachtvieh beteiligt.
Kann man angesichts solcher Tatsachen — die Beispiele ließen sich beliebig vermehren — noch behaupten, solche Kleinbetriebe seien nicht lebensfähig, seien nicht förderungswürdig und bedeuteten für den Agrarmarkt nichts? Man sollte daher an der Lebensfähigkeit dieser Kleinbetriebe nicht zweifeln, sondern sie im Gegenteil vermehrt in das Förderungsprogramm des Grünen Plans einbeziehen. Denn wie soll man schließlich diese Kleinstruktur der landwirtschaftlichen Betriebe in manchen Gebieten verbessern? Selbstverständlich werden immer einige Kleinbauern aufgeben. Deren landwirtschaftliche Nutzfläche können die anderen Kleinbauern aber nur erwerben, wenn sie Aufstockungskredite erhalten. Sie können ferner ihre zum Teil veralteten Höfe nur verbessern, wenn sie Kredite zur Althofsanierung bekommen. Daß der Zinssatz nach dem Entschließungsantrag der Koalitionsparteien auf Umdruck 395 nun auf 1% gesenkt werden soll, ist eine Notwendigkeit und daher sehr zu begrüßen. Die. Kleinbauern brauchen aber auch Hilfe für Silobauten, Gülleanlagen usw. wie die größeren Bauern. Diese Kredite aus dem Grünen Plan können die Bauern jedoch nur erhalten, wenn sie beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse sind oder wenn auch Beitragspflichtige kein Einkommen aus einem Nebenerwerb beziehen, das höher liegt als der Ertrag aus der kleinen Landwirtschaft. Hier sollte eine Änderung der Richtlinien vorgenommen werden, um auch Härten zu beseitigen.
Das Land Bayern hat für solche Fälle in diesem Jahr wenigstens 4 Millionen DM bereitgestellt. Das ist ein Anfang. Aber auch der Bund sollte hier etwas Zusätzliches tun. Denn schließlich ist es eine enorm wichtige Aufgabe, den Selbstbehauptungswillen der Kleinbauern zu stärken, damit die von der Natur benachteiligten Gebiete nicht von Menschen entvölkert werden und weiterhin ein Arbeitskräftereservoir bleiben können. Man kann nicht auf der einen Seite eine Politik der Eigentumsbildung befürworten und auf der anderen Seite Besitzer jahrhundertealten Eigentums wie diese Kleinbauern im Stich lassen oder gar, wie manche meinen, ihre Liquidierung beabsichtigen.
Ich komme nun am Schluß zu meinem Herzensanliegen. Wir müssen Schluß machen mit der Unsicherheit in den bäuerlichen Kreisen, die durch solche Umstrukturierungspläne, wenn sie auch nur in der Diskussion oder in der Propaganda stehen, verursacht wird. Wir müssen klar sagen, daß die CDU/CSU mit ihrer Agrarpolitik die kleinbäuerlichen Betriebe fördern und erhalten will, daß wir mit unserer Politik ferner auch für die Erhaltung der Nebenerwerbsbetriebe eintreten; denn sie sind in Krisenzeiten — wie in Zeiten der Arbeitslosigkeit — ein notwendiger stabilisierender Faktor in unserem Lande. Darauf zielt ja auch die Politik der Eigentumsbildung schließlich ab.
Es ist nur zu begrüßen, daß die Koalitionsparteien in ihrem Entschließungsantrag die Schaffung und Festigung lebensfähiger Betriebe als entscheidend bezeichnen und zum Ausdruck bringen, daß man hierbei besonders die von der Natur benachteiligten Gebiete berücksichtigen müsse. Daraus darf man schließen, daß der Bundesregierung die Erhaltung und Förderung der gesunden Kleinbetriebe am Herzen liegt und daß man diesen in ihrem Existenzkampf helfen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411524100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0411524200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß im Einvernehmen mit allen drei Fraktionen des Hohen Hauses nur noch den Vorschlag für die Überweisung und die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der zahlreichen Sach- und Entschließungsanträge vortragen.
Zunächst möchte ich beantragen, daß über die beiden Entschließungsanträge der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion auf den Umdrucken 393 und 389 *) hier im Hause ,direkt abgestimmt wird.
*) Siehe Anlagen 10 und 11



Bauknecht
Des weiteren möchte ich beantragen, daß der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache IV/1947 an den Sozialpolitischen Ausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung überwiesen wird, der Antrag Drucksache IV/1943, der sich mit der Hilfe für den Tabakbau beschäftigt, dem Haushaltsausschuß — federführend — und dem Ernährungsausschuß zur Mitberatung, den Antrag Drucksache IV/1948 — —

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411524300
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Das ist alles längst beantragt bzw. im Ältestenrat so vereinbart. Ich wollte es dem Hause vorschlagen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Sie .es mir abnehmen.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0411524400
Ich glaube es nicht, Herr Präsident. Nur für die ersten beiden Vorlagen ist es beantragt, für die Sache mit der Preis-Enquete noch nicht und für sämtliche Umdrucke, zu denen ich jetzt komme, auch nicht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411524500
Ich kann Ihnen bloß versichern, daß auf meinem Fahrplan folgendes steht: Drucksache IV/1947 Sozialpolitik federführend, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend; Drucksache IV/1943 Haushalt federführend, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend; Drucksache IV/1948 Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend, Wirtschaft mitberatend; Umdrucke 386, 387, 388, 390 *), 391, 392, 394 *), 395 Haushalt federführend, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend; Entschließungsanträge Umdrucke 389, 393; Abstimmungen. — Alles klar?

(Zustimmung.)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0411524600
Alles klar. Trotzdem, Herr Präsident, eine Bemerkung: Sie konnten das nur vortragen, weil ich es Ihnen vorher hinaufgegeben hatte.

(Heiterkeit.)

Das geht also nicht auf den Ältestenrat zurück, sondern auf eine Übereinkunft der drei Fraktionen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411524700
Herr Kollege Bauknecht, da sehen Sie den Weitblick, sozusagen den Tiefblick des Ältestenrats, er befindet sich mit Ihnen schon zum voraus in Übereinstimmung.
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411524800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Dank beginnen, einem Dank an Sie, die Sie sich von heute vormittag 10 Uhr bis jetzt die Zeit genommen haben, so ausgiebig über die Fragen unserer Landwirtschaft zu diskutieren, Beiträge zu leisten und uns qua Regierung dabei auch manche Anregung zu
*) Siehe Anlagen 12 und 13
geben. Mein Dank wäre unvollständig, wenn ich ihn nicht gleichzeitig auf meine Mitarbeiter ausdehnen würde, die den Grünen Bericht wie in jedem Jahr mit so viel Sorgfalt erstellt haben, daß er allgemein geachtet und als eine völlig objektive Grundlage für alle agrarpolitischen Diskussionen anerkannt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meinen Dank darf ich ebenfalls für die Arbeit all jener meiner Mitarbeiter aussprechen, die unentwegt in Brüssel tätig sind, ohne auf Sonnabende, Sonntage oder Feiertage zu achten, und denen wirklich vieles weit über Gebühr zugemutet wird. Ich bedauere, meine Damen und Herren, daß genau diese Herren und dabei natürlich auch meine Person durch unseren Herrn Kollegen Dr. Schmidt reichlich schlecht belohnt wurden, der die Arbeit all dieser Delegationsmitglieder keineswegs so gewürdigt hat, wie sie nach meiner Meinung gerechterweise doch wohl hätte gewürdigt werden müssen.

(Beifall in der Mitte.)

Herr Kollege Dr. Schmidt legte statt auf den Grünen Bericht weitaus mehr Nachdruck auf eine Vorwegnahme der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der CDU/CSU und der FDP. Er beliebte meine Rede insonderheit mit „Aschermittwochrede" zu bezeichnen. Ich überlasse es dem Hohen Hause, darüber zu urteilen, ob es stilgerecht ist oder nicht, den Bericht eines Mitgliedes der Bundesregierung so zu apostrophieren.

(Zuruf von der SPD: Oh! Wie empfindlich!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Schmidt hat zunächst einmal, wie ich schon sagte, sehr ausgiebig eine Angelegenheit vorweggenommen, die wir wohl in einigen Wochen zu erledigen haben werden; zwei, drei Wochen mögen darüber ins Land gehen. Es mag sich um eine Panne handeln, daß diese Rede bereits fertig war, ehe die Botschaft durchdrang, daß wir heute nicht zu einer Beantwortung kommen würden. Aber das ist nicht die einzige Panne. Es ist auch eine andere passiert, nämlich die, daß Herr Kollege Dr. Schmidt wieder einmal glaubte, sehr ausgiebig darauf hinweisen zu müssen, daß mein Staatssekretär, Herr Hüttebräuker, an diesem Zustandekommen der Großen Anfrage mitgewirkt habe. Damit wird versucht, einen irgendwie gearteten Keil in die Dinge hineinzutreiben, sei es zwischen meine Person und die meines Staatssekretärs oder vielleicht in diesem Fall zwischen den Herrn Staatssekretär und die Koalition. Ich darf feststellen, daß eine solche Mitwirkung keineswegs erfolgt ist, sondern daß der Herr Staatssekretär im Gegenteil vor diesem Schritt warnte, weil er glaubte, dieser Schritt könne Rückwirkungen haben, die vielleicht nicht ganz ersprießlich für unsere künftigen Verhandlungen wären. Das nur zur Richtigstellung.
Ich darf aber noch etwas anderes sagen, Herr Kollege Dr. Schmidt. Sie sprachen von dem immer weiter um sich greifenden Pessimismus in unserer Landwirtschaft. Glauben Sie wirklich, daß Ausführungen wie jene, die Sie heute machten, dazu beitragen, daß die Landwirtschaft fröhlicher in die Zukunft schaut?



Bundesminister Schwarz
Das systematische Aneinanderreihen von allerhand negativen Momenten so, wie Sie sie sehen, ist ganz bestimmt nicht das richtige Mittel, sondern man sollte hier völlig objektiv und meinetwegen mit jeglicher Kritik, die wir gern hinnehmen, die Dinge darstellen, und nicht so einseitig, wie Sie es gemacht haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Um wieder einmal auf die Milchmarktordnung zurückzukommen, über die wir ja schon wiederholt gesprochen haben: da erklären Sie, der Ministerrat habe am 23. Dezember beschlossen, daß die Bundesrepublik und das Großherzogtum Luxemburg ihre Subventionen von 1966/67 an in der Weise umwandeln müßten, daß sich der Übergang zu der Regelung für die Endphase ohne Schwierigkeiten vollziehe. Natürlich müssen unsere Bauern draußen nun glauben, daß sie von diesem Jahr an verraten und verkauft werden. Ich darf noch einmal feststellen, daß es sich hier um einen Beschluß des Ministerrats handelt, die EWG-Kommission nunmehr zu beauftragen, im Jahre 1967 an uns eine Empfehlung zu richten, und zwar in der Weise, daß wir uns mit den Preisen an die Gegebenheiten angleichen, die dann vorherrschend sind. Wir wissen aber gar nicht, wie sie sein werden; wir wissen auch gar nicht, welchen Weg die Kommission hier als Empfehlung beschreiten wird. Deswegen, glaube ich, haben wir völlig recht, zunächst einmal grundsätzlich festzustellen, daß diese Frage offen ist und daß wir uns diese Empfehlung zu gegebener Zeit anhören.
) Sie sagen, Herr Kollege Schmidt, ich hätte eine Behauptung in der Richtung aufgestellt, die EWG-Kommission könne so viel empfehlen wie sie wolle, die Bundesregierung sei nicht gewillt, diesen Empfehlungen nachzukommen. Dazu kann ich nur feststellen, daß dies einfach nicht den Tatsachen entspricht. Nie und nirgends habe ich so etwas gesagt. Immer habe ich lediglich darauf hingewiesen: es wird eine Empfehlung sein, und wir werden zur gegebenen Zeit die Dinge betrachten. Das nur zur Richtigstellung, damit hier nicht zweierlei Meinungen auftreten. Aber wenn wir die Arbeitskraft und die Arbeitsfreude unserer Bauern erhalten wollen, sollten wir derartige Dinge doch nun wirklich nicht so einseitig darstellen.
Sie haben dann auch auf die lebensmittelrechtlichen Vorschriften hingewiesen. Ich möchte hierzu noch einige Bemerkungen machen, und zwar aus folgendem Grunde. Sicher, lebensmittelrechtliche Vorschriften sind schwieriger Natur; aber immerhin haben wir in unserer Bundesrepublik ein Lebensmittelrecht, das im Sinne der Verbraucher durchaus vorbildlich ist. Unsere Partner werden sich also hier weitestgehend anzupassen haben, bzw. wir werden hier eine Koordinierung vorzunehmen haben, die unsere Landwirtschaft ganz bestimmt nicht in weitere Schwierigkeiten bringt, sondern den Gegebenheiten nachkommt, die von uns nun einmal bereits gesetzlich festgelegt sind.
Ich darf daran erinnern, daß wir zwar den Wassergehalt der Butter bis — wenn ich es recht im Kopfe habe — 1966 senken müssen, daß auf der anderen Seite aber unsere Partner pasteurisierte Milch zu verwenden haben, was sie heute nicht tun, bzw. daß diese Butter dann nicht eingeführt werden kann. Es ist z. B. gelungen, zu erreichen, daß wir nur die erste Sorte Butter zum Import zuzulassen brauchen. Das alles sind positive Momente, die wir, wenn wir schon von diesem oder jenem Negativen sprechen, in einem Atemzuge mit nennen müssen.
Worum dreht es sich bei der ganzen Sache? Doch darum, daß man zwischen den sechs Partnern einen großen Kompromiß findet und daß wir hier eine möglichst erträgliche Lösung herbeiführen wollen. Wir alle geben uns Mühe, diese Lösung im Interesse unserer Erzeuger und Verbraucher so günstig wie möglich zu gestalten. Genau dasselbe Bestreben haben unsere Partner auch. Wenn schließlich letzten Endes in Form eines Paketes zu irgendeiner mitternächtlichen Stunde alles durchgehauen wird und man sich dann von der jeweiligen Sicht die Ernte ansieht, die jeder heimzutragen verpflichtet ist, dann wird man überall neben Pluspunkten auch Minuspunkte finden. Die Bundesregierung hat niemals übertrieben optimistische Töne angeschlagen, aber ganz bestimmt auch keine pessimistischen, wozu wir nämlich keine Ursache haben.
Ich möchte auf die anderen Dinge nicht eingehen. Ich würde mich sonst in die Gefahr begeben, die Bemerkung, die ich eben machte — daß wir nicht bei einer Großen Anfrage und deren Beantwortung sind —, in irgendeiner Form mir selbst entgegenhalten lassen zu müssen. Ich bin jedenfalls völlig der Meinung, daß wir hier gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen haben, um das, was an Schwierigkeiten vorliegt, zu vermindern und diese nicht durch irgendwelche Reden zu vergrößern, die, wenn sie nach außen dringen, unsere Situation wahrhaftig nicht erleichtern.
Zu den Ausführungen bezüglich der Sozialleistungen darf ich folgendes bemerken. Ich habe in meiner Rede vom 12. Februar auf die Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage der Landwirtschaft hingewiesen und dabei bemerkt, daß diese Position noch keineswegs den Anfang einer Gleichstellung des deutschen Bauern bezüglich der Sozialmaßnahmen anderer Staaten der EWG darstellt. Ebensosehr, wie wir eine Harmonisierung der Sozialpolitik in der EWG ablehnen — zumal dafür die Römischen Verträge keine Grundlage bilden —, ebensosehr sind wir auch davon überzeugt, daß wir auf dem Gebiet der Verbesserung der sozialen Lage der Landwirtschaft noch mehr tun müssen und auch mehr tun werden.
Einige Worte noch zu den Agrarstrukturfragen. Ich gehe hier mit meinen Herren Kollegen, soweit sie darüber gesprochen haben, völlig einig, daß auf dem Gebiet der Agrarstruktur noch viel, viel Arbeit vor uns liegt. Ich bin aber nicht davon überzeugt, daß hier ein Vier- oder Fünfjahresplan wesentliche Erfolge bringen könnte. Ich habe bereits in meinen Ausführungen bei der Einbringung des Grünen Plans darauf hingewiesen, daß die beliebige Ausweitung agrarstruktureller Maßnahmen, etwa durch mechanische Aufstockung der Ansätze ohne Rücksicht auf die technische Infrastruktur, nicht möglich



Bundesminister Schwarz
ist. Wir sind in den letzten Jahren in der Lage gewesen, den Anforderungen, die auf diesem Gebiet auf uns zugekommen sind, zu entsprechen. Diese Anforderungen kommen nicht auf Grund eines Plans auf uns zu, sondern auf Grund der wachsenden Erkenntnis bei dem einzelnen Bauern über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit derartiger Maßnahmen.
Die Hinderungsgründe, die in der letzten Zeit einem weiteren Anwachsen der Erfolgszahlen auf diesem Gebiet entgegenstehen, sind in der heutigen Debatte bereits erwähnt worden. Nicht zuletzt spielen hier die stark gestiegenen und leider auch noch steigenden Baukosten eine Rolle. Ich kann nur versichern, daß wir diesen Baukosten nicht etwa durch Erhöhung der Mittel nachlaufen, sondern daß wir ernstlich und auch schon mit Erfolg die Frage einer verstärkten Anwendung von Fertigbauweisen sowohl für die Wohn- wie auch für die Wirtschaftsgebäude in der Landwirtschaft in Angriff genommen haben. Bei den kommenden Beratungen über den Grünen Plan im Ernährungsausschuß werden nähere Einzelheiten mitgeteilt werden können. Im Zuge dieser Erörterungen werden wir dort auch weitgehende Diskussionen über weitere Maßnahmen, sei es der Kredithergabe, sei es der Zinsverbilligung, zu pflegen haben.
Der Herr Kollege Ertl hatte eine Frage an mich gestellt; sie beruht offenbar auf einer Nachricht des VWD, in der es heißt, daß die deutsche Delegation dem Mansholt-Plan sehr aufgeschlossen gegenüberstehe und an einer baldigen Einführung eines gemeinsamen Getreidepreises interessiert sei. Ich darf nur sagen, daß über den Mansholt-Plan, über den Vorschlag der Kommission zur Angleichung der Getreidepreise bisher nur ein allgemeines Gespräch gepflogen wurde und daß wir unsere Meinung zu den ganzen Dingen selbstverständlich gesagt und zunächst einmal festgestellt haben, daß uns eine schrittweise Anpassung nicht tunlich erscheine, sondern daß wir einem einmaligen Schritt den Vorzug gäben. Wir haben aber weder über das Tempo, das anzuschlagen sei, ein Wort verloren, noch haben wir darüber gesprochen, wie hoch der endgültige Preis sei. Wir haben lediglich zum Ausdruck gebracht — das allerdings sehr klar und als einzige Delegation —, daß für 1964/1965 eine Herabsetzung der Getreidepreise für uns nicht in Frage kommen könne.
Herr Kollege Logemann hat einige Ausführungen gemacht, auf die ich aber angesichts der späten Stunde nicht im einzelnen eingehen möchte. Ich darf nur eines sagen, meine Damen und Herren: auch hier hörten wir wieder von neuen Impulsen, die notwendig seien, von einer neuen Leitidee oder einer neuen Agrarpolitik, kurz, von all den Dingen, die wir in den letzten Jahren sehr reichlich gehört haben. Ich darf nur das eine immer wieder herausstellen: die kontinuierliche Fortführung dessen, was seinerzeit begonnen wurde, unter Berücksichtigung neuer vor uns stehender Tatsachen scheint uns noch immer der richtige Weg zu sein. Ich glaube nicht, daß es ein Wunderrezept gibt, und kann nur immer wieder darauf hinweisen, daß mit jedem „Wunder" letzten Endes auch das Geldvolumen zunehmen
würde und daß dieses Geldvolumen angesichts der Haushaltslage des Bundes nun einmal beschränkt ist.
Es wäre zu Einzelheiten noch manches zu sagen. Ich glaube, daß wir gut tun, die Diskussion in den Ernährungsausschuß zu verlegen. Dabei bitte ich alle, die dort tätig sind, um ihre 'Mitarbeit.
Ich darf mit der Bemerkung schließen, daß ich glücklich darüber bin, daß ich dem Hohen Hause einen Bericht über die Lage der Landwirtschaft erstatten konnte, der sich wohltuend von dem letztjährigen unterscheidet, und daß ich noch glücklicher wäre, wenn die Bundesregierung im nächsten Jahre, wie zu hoffen steht, in der Lage wäre, einen noch besseren Bericht vorzulegen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411524900
Meine Damen und Herren, Schluß der Debatte.
Zunächst die Ausschußüberweisungen, wie vorgetragen. Das Haus hat das zur Kenntnis genommen. Wiederholung ist langweilig. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Jetzt die Abstimmung über die Entschließungsanträge; zunächst über den Entschließungsantrag Umdruck 389 der Fraktion der SPD. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Danke vielmals; es tut mir leid, meine Damen und 'Herren, wir müssen die Abstimmung durch Aufstehen wiederholen. Wer gegen diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. Das letzte ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag auf Umdruck 389 ist abgelehnt.
Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 393 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das sind wieder genau die gleichen Mehrheitsverhältnisse; dieser Entschließungsantrag ist angenommen.
Damit verlassen wir den Tagesordnungspunkt 3. Zunächst zur Geschäftslage! Ich möchte heute noch die Tagesordnungspunkte 5 und 6 erledigen, aber auf die für heute vorgesehene Behandlung der Tagesordnungspunkte 7 und 8 verzichten, weil wir morgen nachmittag Zeit genug dafür haben und beide Tagesordnungspunkte voraussichtlich mit längeren Aussprachen verknüpft sind. Heute behandeln wir also noch die Tagesordnungspunkte 5 und 6, dann wird bis morgen nachmittag vertagt, damit morgen vormittag die Ausschüsse zusammentreten können.
Zunächst Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 20. Juli 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1673);



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) (Drucksache IV/1931).

(Erste Beratung 101. Sitzung)

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Wischnewski.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0411525000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat heute ein überaus bedeutungsvolles internationales Abkommen zu ratifizieren, das Assoziierungsabkommen mit 17 afrikanischen Ländern und Madagaskar, ein Abkommen, das zwischen den sechs Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und 18 afrikanischen Ländern enge und freundschaftliche Beziehungen auf der Basis völliger Gleichberechtigung herstellt. Eis handelt sich um folgende Länder: die Republik Dahome, die Elfenbeinküste, Gabun, Kamerun, Kongo (Brazzaville), Kongo (Leopoldville), Madagaskar, Mali, die Islamitische Republik Mauretanien, Niger, die Republik Obervolta, das Königreich Burundi, die Republik Rwanda, die Republik Senegal, Somalia, Togo, Tschad und die Zentralafrikanische Republik. Das entspricht etwa einem Drittel der afrikanischen Landfläche und etwa 25 % der gesamten afrikanischen Bevölkerung. Von 33 unabhängigen afrikanischen Ländern treten somit 18 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in besondere Beziehungen.
Der EWG-Vertrag vom 25. März 1957 sah im Anhang IV vor, ,daß die Länder, die zu Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden in besonderen Beziehungen standen, für fünf Jahre in einbesonderes Assoziierungsverhältnis aufgenommen werden sollten. Im Laufe dieser fünf Jahre ist aber der weitaus größte Teil der Länder, die damals noch Kolonien waren, zu unabhängigen, freien Ländern geworden. Damit ergab sich für die Assoziierung eine völlig neue und veränderte Situation.
Im Oktober 1960 hat sich der EWG-Ministerrat mit der völlig veränderten Situation beschäftigt und hat Wert darauf gelegt, daß man zu einer neuen Assoziierung für die freien und unabhängigen Länder kommen sollte, ,die daran interessiert waren. In sehr starkem Maße hat daran besonders die Parlamentarierkonferenz im Juni 1961 in Straßburg mitgewirkt, in der europäische und afrikanische Parlamentarier gemeinsam über die künftige Zusammenarbeit beraten haben. Am 6. und 7. Dezember 1961 sind in Paris die Verhandlungen aufgenommen worden. Am 20. Dezember 1962 kam es zur Paraphierung dieses Abkommens. Bedauerlicherweise ist die Unterzeichnung verzögert worden, aber am 20. Juli 1963 wurde das neue Assoziierungsabkommen von den sechs Ländern der EWG und den 18 afrikanischen Ländern in Jaunde unterzeichnet, und heute hat der Deutsche Bundestag die Ratifizierung vorzunehmen.
Gegenüber der früheren Assoziierung ergibt sich eine entscheidende und grundlegende Veränderung. Das neue Assoziierungsabkommen beruht auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung der sechs EWG-Länder und der siebzehn afrikanischen Länder und Madagaskars. In der Präambel werden die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern der Gemeinschaft und den afrikanischen Ländern klar und eindeutig herausgestellt. Auch für die fünf Jahre, die dieses Assoziierungsabkommen laufen wird, gilt der Grundsatz der völligen Gleichberechtigung. Auch während der Laufzeit der fünf Jahre werden also die achtzehn afrikanischen Länder in völliger Gleichberechtigung an allen Entscheidungen im Rahmen dieser Assoziierung mitwirken.
Das Ziel der Assoziierung ist, daß nach Herstellung der politischen Unabhängigkeit der afrikanischen Länder diesen dabei geholfen wird, nun auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen. Da-bed kommt es besonders darauf an, eine Diversifizierung ,der Wirtschaft in den assoziierten Ländern zu erreichen, den Abbau der Monokulturen, und darum bemüht zu sein, eine Anpassung in den assoziierten Ländern an die Weltmarktsituation zu erreichen.
Nachdem wirtschaftliche Fragen eine so entscheidende Rolle spielen, hat natürlich der Warenverkehr zwischen den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den achtzehn Ländern eine besondere Bedeutung. Beide Seiten verpflichten sich zu einem schrittweisen Abbau der Zölle und der Kontingente. Der Warenfluß sowohl von Afrika nach Europa als auch umgekehrt soll in sehr starkem Maße gefördert werden. Für gewisse tropische Erzeugnisse der assoziierten Länder werden die Zölle mit Inkrafttreten dieses Abkommens bereits auf Null heruntergesetzt.
Um andere, dritte Entwicklungsländer nicht zu schädigen, ist gleichzeitig vereinbart worden, daß die Zölle für diese Produkte dritten Ländern gegenüber um etwa 15 bis 25 % gesenkt werden. Die assoziierten Länder verpflichten sich, ihre Zölle gegenüber der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft um jährlich 15 % zu senken. Selbstverständlich muß Rücksicht genommen werden auf die besondere Lage in diesen Ländern. Ausnahmen sind also möglich. Auch bei den Agrarerzeugnissen sind Ausnahmemöglichkeiten gegeben. Die Gemeinschaft hat sich allerdings ausdrücklich verpflichtet, auf die Agrarerzeugnisse in den Entwicklungsländern bei ihrer Agrarpolitik Rücksicht zu nehmen.
Von besonderer Bedeutung ist die zukünftige finanizelle und technische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und diesen achtzehn afrikanischen Ländern. Von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft werden insgesamt 800 Millionen Rechnungseinheiten, d. h. 800 Millionen Dollar für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung gestellt. Davon sind 730 Millionen Dollar für die unabhängigen assoziierten Gebiete bestimmt und 70 Millionen Dollar für die noch abhängigen Gebiete. Auch im ersten Assoziierungsabkommen gab es einen Entwicklungsfonds. Der Entwicklungsfonds ist in erheblichem Maße gesteigert worden, und zwar um etwa 26 %. Die Bundesrepublik hatte vom ersten Entwicklungsfonds 33,8 % aufzubringen, das waren 246,5 Millionen Rechnungseinheiten.
Hier muß in aller Deutlichkeit — das ist vom Ausschuß ausdrücklich gewünscht worden — auf ein



Wischnewski
schlechtes Verhältnis hingewiesen werden. Die Bundesrepublik hat für den ersten Entwicklungsfonds, wie gesagt, 33,8 % der Mittel zur Verfügung gestellt. Von den Aufträgen, die nach Europa gegangen sind und die aus diesem europäischen Entwicklungsfonds vergeben worden sind, sind keine 4 % an die deutsche Wirtschaft gegangen. Wir halten das für ein absolutes Mißverhältnis und müssen entscheidenden Wert darauf legen, daß in Zukunft bei Iden Aufträgen, die vergeben werden, die Wirtschaft in der Bundesrepublik in weit stärkerem Maße berücksichtigt wird als bisher. Der Auswärtige Ausschuß legt dem Hohen Haus eine Resolution vor, in der ausdrücklich darauf Bezug genommen wird.
Ein zweites Problem spielt für uns eine wesentliche Rolle. Es kommt auch darauf an, daß in Afrika klar und eindeutig bekannt ist, daß es sich um eine europäische Gemeinschaftsleistung handelt, d. h. daß sechs europäische Länder gemeinsam darum bemüht sind, diese nicht unerheblichen Mittel aufzubringen. Wir erwarten, !daß sich die Bundesregierung dieser beiden Probleme in Zukunft sehr deutlich annimmt und dafür Sorge trägt, daß unsere Wirtschaft stärker berücksichtigt wird als bisher und daß mehr als bisher bekannt wird, daß es sich wirklich um eine europäische Gemeinschaftsleistung handelt.
Von diesem europäischen Entwicklungsfonds sind folgende Maßnahmen zu finanzieren: die wirtschaftliche und soziale Investition, allgemeine technische Zusammenarbeit, Diversifizierungs- und Produktionshilfe und Hilfe 'beim Ausgleich zeitweiliger Preisschwankungen. Es handelt sich aber nicht nur etwa um ein reines Abkommen der Entwicklungshilfe, sondern um ein Abkommen tatsächlicher Zusammenarbeit. Deshalb sind auch einige gemeinsame Organe der Assoziierung im Assoziierungsabkommen vorgesehen.
Es wird ein Assoziationsrat geschaffen, der aus dem Rat der europäischen Gemeinschaft, aus Mitgliedern der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und je einem Regierungsmitglied der 18 ,afrikanischen Länder besteht. Entscheidungen in diesem Assoziationsrat können nur im gegenseitigen Einvernehmen getroffen werden. Das heißt, es ist keine Möglichkeit gegeben, daß die eine Seite die andere Seite überstimmt. Man muß sich um ein gegenseitiges Einvernehmen, um Einstimmigkeit bemühen.
Diesem Assoziationsrat wird ein Assoziationsausschuß, d. h. ein Botschafterausschuß, zur Seite stehen.
Eine parlamentarische Konferenz wird aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern von Parlamentariern aus den afrikanischen Parlamenten bestehen. Diese parlamentarische Konferenz, die einmal im Jahr zusammentreten wird, wird in jedem Jahr einen Bericht des Assoziationsrates zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus wird eingemeinsames Schiedsgericht gebildet, das eventuelle Streitigkeiten zu regeln und zu klären hat.
Für uns ist von entscheidender Bedeutung, daß der offene Charakter der Assoziierung klar und eindeutig herausgestellt wurde, d. h. daß auch andere
afrikanische Länder die Möglichkeit haben, dem Assoziierungsabkommen beizutreten, und daß die Möglichkeit besteht, ein anderes Assoziierungsabkommen abzuschließen oder zumindest einen besonderen Handelsvertrag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und einem anderen afrikanischen Land abzuschließen. Wir freuen uns darüber, daß sich insbesondere in den letzten Tagen klar und eindeutig zeigt, daß einige andere afrikanische Länder, die noch nicht zu den Assoziierten gehören, wie z. B. Nigeria, Uganda, Kenia und Tanganjika, aber auch Tunesien und Marokko ihr ganz besonderes Interesse an der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zeigen und offensichtlich auch bereit sind in ein besonderes Verhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu treten.
Die Belastungen, die sich für die Bundesrepublik ergeben, sind erhebliche Belastungen. Wenn wir heute dieses Gesetz ratifizieren, wie es der federführende Ausschuß, der Außenpolitische Ausschuß, und die beiden mitberatenden Ausschüsse vorschlagen, müssen wir uns darüber im klaren sein, daß erhebliche finanzielle Belastungen auf die Bundesrepublik zukommen. Die Bundesrepublik hat für die nächsten fünf Jahre für den Europäischen Entwicklungsfonds 986 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, davon 919 Millionen DM für verlorene Zuschüsse und 67 Millionen DM für Kredite zu besonders günstigen Bedingungen. Normalerweise gewährt die Bundesrepublik im Rahmen ihrer bilateralen Kapitalhilfe nur Kredite. Diejenigen, die in ein besonders enges Verhältnis zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft getreten sind, erhalten keine Kredite, sondern diese erheblichen Beträge als Schenkungen.
Hinzu kommen weitere Ausgaben dadurch, daß Zollsenkungen von jährlich etwa 168,2 Millionen DM und Verwaltungskosten von jährlich 400 000 DM entstehen, so daß die Belastung, die für die Bundesrepublik entsteht, in den nächsten fünf Jahren etwa 1,8 Milliarden DM betragen wird.
Ich habe darauf hingewiesen, daß es sich um eine ganz erhebliche finanzielle Belastung handelt, daß wir aber damit zu einem großen Teil der afrikanischen Länder in besonders enge und besonders freundschaftliche Beziehung treten. Im Auswärtigen Ausschuß ist auch darüber gesprochen worden, daß die Bundesrepublik sich im Laufe der nächsten fünf Jahre darum bemühen sollte, zum afrikanischen Kontinent in seiner Gesamtheit zu einer möglichst einheitlichen Politik zu kommen. Wir haben zur Zeit vier Gruppen von afrikanischen Ländern: 1. solche, die assoziiert sind, 2. solche, für die nach den Römischen Verträgen eine Absichtserklärung abgegeben worden ist, sie unter Umständen zu assoziieren, 3. die Commonwealth-Länder und 4. die Länder, die weder assoziiert sind noch dem Commonwealth angehören. Es liegt im Interesse der deutschen Politik, wenn man es im Laufe der nächsten fünf Jahre erreichen könnte, zu einer möglichst einheitlichen Politik diesen Ländern gegenüber zu kommen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zum Schluß darum bitten, so zu verfahren,



Wischnewski
wie der Auswärtige Ausschuß es im Schriftlichen Bericht Drucksache IV/1931 vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411525100
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. —

(Zurufe von der CDU/CSU: Das Wort wird gewünscht!)

— Entschuldigen Sie, ich habe Sie übersehen. Aber Sie bekommen das Wort sofort in der dritten Lesung. Die zweite Lesung ist abgeschlossen; der Gesetzentwurf ist angenommen.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kopf.

Dr. Hermann Kopf (CDU):
Rede ID: ID0411525200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat mit vollem Recht auf die große Bedeutung dieses Assoziierungsabkommens mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar hingewiesen. Es ist der
Zweck und der Sinn dieses Abkommens, den afrikanischen Staaten und Madagaskar eine wirtschaftliche, eine finanzielle und auch eine technische Hilfestellung in der Form einer engen Zusammenarbeit zu gewähren. Diese Zusammenarbeit soll erfolgen auf dem Boden der Gleichberechtigung und in der Form einer Partnerschaft.
In den letzten Jahren ist gelegentlich von interessierter Seite, die unserer deutschen und europäischen Politik sehr fremd und ablehnend gegenübersteht, die Behauptung aufgestellt worden, durch diese Assoziierung der afrikanischen Staaten an den Gemeinsamen Markt werde eine Art von neokolonialistischer Politik betrieben. Es ist wohl überflüssig, in diesem Hause darauf hinzuweisen, wie unrichtig und wie unbegründet und wie unsachlich dieser Vorwurf ist. Inzwischen haben auch die afrikanischen Länder, die sich bisher dieser Assoziierung noch nicht angeschlossen haben, sehr wohl erkannt, wie unbegründet in jeder Hinsicht diese Behauptung des Neokolonialismus ist, und gewisse Länder — Herr Wischnewski hat sie ja genannt —, die noch vor wenigen Jahren, ja vor wenigen Monaten sich außerordentlich reserviert gezeigt haben, die Bedenken gehabt haben, sich der Assoziierung anzuschließen, haben jetzt bereits ihre Geneigtheit zum Ausdruck gebracht, eventuell dieser Assoziierung beizutreten; sie haben dadurch zu erkennen gegeben, daß auch sie an diese rein fiktive Erfindung eines sogenannten Neokolonialismus in keiner Weise glauben.
Die Hilfeleistung, die im Wege der Gesamtarbeit den afrikanischen Staaten und Madagaskar gewährt
wird, erfolgt ohne politische Bedingung. Das ist sehr wesentlich. Niemand kann erwarten, daß die Staaten Afrikas, die jetzt ihre Unabhängigkeit angetreten haben, sich einem Block — wenn man von Blöcken sprechen will — oder einem Lager anschließen. Sie wollen ja ihre Unabhängigkeit in voller Freiheit der Selbstentscheidung verwirklichen. Aber ebensosehr kann die Erwartung ausgesprochen werden, daß diese afrikanischen Staaten — auch wenn die Assoziierung ohne jede politische Bedingung erfolgt — nicht das Opfer subversiver Bestrebungen werden.
Die Assoziierungsgemeinschaft soll eine offene Gemeinschaft sein. Das ist auch vom Herrn Berichterstatter gesagt worden, das drückt auch der Vertrag aus, und es besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß die Zahl der Teilnehmer an der Assoziierung später noch erweitert wird, immer unter Berücksichtigung dieser drei Grundsätze: der Gleichberechtigung, der Partnerschaft und der Hilfeleistung ohne politische Bedingung.
Wenn wir die finanziellen Leistungen überblicken, die an die Bundesrepublik in Ausführung dieses Assoziierungsabkommens herantreten werden, stellen wir fest: es sind sehr erhebliche Beträge. Wir haben es mit einer Größenordnung von über einer Milliarde D-Mark in fünf Jahren zu tun. Das zeigt, daß hier in einem sehr starken Maße Opfer gebracht werden müssen für die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern, die nunmehr ihre politische Unabhängigkeit angetreten haben.
Es sind nun vom Herrn Berichterstatter auch gewisse Wünsche aufgezeigt worden, die wir von deutscher Seite aus anmelden wollen. Da es sich um eine gemeinsame Entschließung des Auswärtigen Ausschusses handelt, wie dankenswerterweise vom Herrn Berichterstatter mit voller Klarheit dargelegt worden ist, erscheint es mir doch nützlich zu sein, diese Wünsche noch einmal zu akzentuieren.
Es ist einmal der Wunsch, daß der Gemeinsame Markt, soweit er als Partner der assoziierten Staaten tätig wird und im Wege der Zusammenarbeit Hilfe leistet, auch in erkennbarer Weise als der Partner der afrikanischen Staaten in Erscheinung tritt, in stärkerem Maße, als das bisher der Fall gewesen ist. Es soll dabei zum Ausdruck kommen, daß unter den Mitgliedstaaten dieses Gemeinsamen Marktes auch die Bundesrepublik ist, die ihre aktive Mitarbeit zur Verfügung stellt.
Es ist zweitens mit Recht hingewiesen worden auf das bestehende Mißverhältnis zwischen den Leistungen der Bundesrepublik bei der prozentualen Aufbringung der Beträge auf der einen Seite und der außerordentlich bescheidenen Beteiligung von Firmen und Unternehmen der Bundesrepublik an Arbeiten und Unternehmungen, die in den assoziierten Ländern auf Kosten des Gemeinsamen Marktes ausgeführt werden, auf der anderen Seite. Es ist daher wohl berechtigt, daß dieses Haus den Wunsch zum Ausdruck bringt, daß Bedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden, die in stärkerem Maße als bisher auch eine Beteiligung von Stellen und Unternehmen der Bundesrepublik an



Dr. Kopf
den Investitionsvorhaben des Gemeinsamen Marktes ermöglichen.
Der dritte Wunsch: Dieses Haus soll sich solidarisch erklären mit einem Wunsch, der schon zu wiederholten Malen im Europäischen Parlament geäußert worden ist. Nach den bestehenden Römischen Verträgen ist die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verpflichtet, im Falle der Assoziierung von anderen Staaten gemeinsam mit dem Ministerrat eine Anhörung des Europäischen Parlaments vorzunehmen. Diese Anhörung ist erfolgt, aber sie ist in einem Zeitpunkt erfolgt, als dieser recht komplizierte Vertrag bereits signiert war. Die Erfahrung auch in unserem Hause lehrt uns ja immer wieder, daß es nahezu unmöglich ist, Änderungen eines Vertragswerks, vor allem eines so umfangreichen Vertragswerks, dann zu erreichen, wenn der Vertragstext bereits fertig vorliegt. Es kommt hinzu, daß das Europäische Parlament bis heute kein Zustimmungsrecht, sondern nur ein Anhörungsrecht hat. Eine Körperschaft, die ein Zustimmungsrecht hat, kann zu einem Vertrag ja oder nein sagen. Eine Körperschaft, die nur ein Anhörungsrecht hat, kann nicht ja oder nein sagen; sie kann eine Meinung äußern, und es ist dann Sache der Exekutive, diese Meinung zu berücksichtigen oder nicht zu berücksichtigen. Auch diese Verschiedenheit der Gewichte spricht dafür, daß dem Europäischen Parlament zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Anhörung ermöglicht werden muß. Es wäre zu begrüßen, wenn es darüber hinaus in Zukunft gelänge, dieses Anhörungsrecht des Europäischen Parlaments im Falle der Assoziierung zu einem Mitentscheidungsrecht, zu einem Entscheidungsrecht umzugestalten. Es liegt hier einer der Fälle vor, der durchaus geeignet ist, eine Ausgestaltung der Befugnisse des Europäischen Parlaments zu erreichen.
Der Auswärtige Ausschuß macht dem Hohen Hause den Vorschlag, diesem Gesetzentwurf, der die Ratifikation des Assoziationsabkommens vorsieht, die Zustimmung zu erteilen, im Bewußtsein unserer gesamteuropäischen Verantwortung, unserer Verantwortung als Deutsche, aber auch als Europäer dafür, daß die Völker der afrikanischen Staaten, die in den letzten Jahren ihre Unabhängigkeit auf politischem Gebiete erworben haben, auch in die Lage versetzt werden, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen als gleichberechtigte Partner unserer europäischer Staaten und auch als Mitglieder der freien Welt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411525300
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache in dritter Lesung ist geschlossen.
Wer dem Ratifizierungsgesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist der Bedeutung der Sache nach einstimmig vom Deutschen Bundestag angenommen.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/1931 im übrigen zuzustimmen wünscht, den bitte
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Entwurf einer Entscheidung des Rats der EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Gemeinschaft (Drucksachen IV/1710, IV/1930).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Metzger hat das Wort als Berichterstatter.

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0411525400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abkommen von Jaunde, das wir soeben behandelt haben, und die Entscheidung des Ministerrates, um die es sich jetzt handelt, stehen in einem engen Zusammenhang. Mit dem Abkommen von Jaunde ist ein Vertrag zwischen dem Völkerrechtssubjekt Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und den afrikanischen Staaten und Madagaskar geschlossen worden. Es handelt sich dabei um Staaten, die im Laufe der Jahre souverän geworden sind. Hier dagegen handelt es sich um Gebiete, die nicht selbständig sind oder die, wie z. B. die niederländischen Gebiete, autonome Staaten, aber keine sich völkerrechtlich vertretenden Staaten sind.
Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es richtig sei, daß man diese Gebiete weiterhin assoziiert. Ich will dazu ganz kurz Stellung nehmen. Als die afrikanischen Staaten souverän wurden, ging im Europäischen Parlament und im Ministerrat der Kampf darum, ob mit der Souveränität automatisch die Assoziierung aufgehoben werde. Denn im Art. 131 des Römischen Vertrages steht, daß Gebiete assoziiert worden sind, die besondere Beziehungen zu Mitgliedstaaten haben, und diese besonderen Beziehungen bedeuteten nichts anderes als koloniale Beziehungen.
Es gab nun genügend Kräfte, die der Meinung waren: Wenn die kolonialen Beziehungen aufgehoben sind, ist damit auch die Assoziierung erledigt. Die Verwirklichung dieses Standpunktes hätte politisch verheerende Folgen gehabt. Das hätte nämlich bedeutet, daß alle die Staaten, die im Sinne von „unselbständig" assoziiert worden sind, dafür bestraft worden wären, daß sie ihre Souveränität angestrebt und erreicht haben.
Es hat dann auch vor allem das Europäische Parlament darum gekämpft, daß sich die Auffassung durchsetzt, daß die Souveränität kein Hindernis für das Weiterbestehen der Assoziierung ist. Die Fortsetzung der Assoziierung hing lediglich von dem Willen der Selbständiggewordenen ab.
Heute steht also nach einhelliger Auffassung fest, daß erstens einmal die Assoziierung für die Dauer des Vertrages geschlossen worden ist. „Dauer des Vertrages" bedeutet unkündbar; denn der Vertrag



Metzger
ist unkündbar, so daß schon aus juristischen Gründen die Gebiete, die bis jetzt selbständig geworden sind, weiterhin assoziiert bleiben.
Es wäre aber auch aus politischen Gründen schlecht, wenn man sie jetzt aus der Assoziierung herausnehmen würde, falls das juristisch möglich wäre. Denn die Gebiete, die assoziiert worden sind, haben einen gewissen Rechtsstatus erlangt. Das zeigt sich vor allem auch darin, daß sie die Möglichkeit haben, aus dem Entwicklungsfonds Gelder zu bekommen. Sie haben aber auch andere Vorteile.
Wenn die Assoziierung nicht fortgesetzt würde — es dreht sich ja nur um eine neue Fassung des Abkommens —, würden diese Gebiete eine erhebliche rechtliche Einbuße erleiden. Auch aus diesem Grunde wäre es politisch schlecht, wenn die Assoziierung nicht erfolgte.
Der Ministerrat hat durch eine Entscheidung diese neue Bestimmung in bezug auf die Assoziierung dieser Gebiete getroffen. Der Art. 136 des Römischen Vertrages sieht vor, daß nach Ablauf der Fünfjahresfrist, während derer das erste Abkommen lief, ein neues Abkommen geschaffen wird und die Bestimmungen vom Ministerrat selbst getroffen werden können. Nach dem dürren Wortlaut des Abkommens hätte der Ministerrat sogar dieses Abkommen treffen können, ohne die Kommission und ohne das Europäische Parlament anzuhören. Das hat der Ministerrat nicht getan in der klaren Erkenntnis, daß eben das Abkommen von Jaunde und diese Entscheidung in einem engen sachlichen und damit auch rechtlichen Zusammenhang stehen. Was für das Abkommen richtig war, mußte auch für diese Entscheidung richtig sein. Also die Kommission hat die Vorschläge ausgearbeitet, das Europäische Parlament ist gehört worden, wenn auch nicht so, wie das den Bestimmungen des Vertrages entspricht. Darüber ist schon gesprochen worden, und dazu hat der Bundestag ja jetzt gerade Stellung genommen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Entscheidung des Ministerrates sich in vielen Bestimmungen an das Abkommen von Jaunde anlehnt, ja, daß eine ganze Reihe von Bestimmungen sogar wörtlich übernommen worden sind. Das gilt insbesondere für den Titel „Handelspolitik", wo die meisten Bestimmungen dem Abkommen von Jaunde gleich sind.
Mit diesem Abkommen sind Gebiete assoziiert worden, die in Beziehung zu den Niederlanden stehen, nämlich die Niederländischen Antillen und Surinam. Diese Gebiete sind zwar durch den Art. 131 bei Abschluß des Römischen Vertrages noch nicht assoziiert worden. Sie wurden erst später assoziiert — das hat ja auch bereits dem Bundestag vorgelegen —, und zwar auf Grund einer Absichtserklärung, die dem Vertrag beigefügt war.
Es sind weiterhin assoziiert die überseeischen französischen Gebiete Saint-Pierre und Miquelon, Komoren-Archipel, Französisch-Somaliland, Neukaledonien und zugehörige Gebiete, die französischen Niederlassungen in Ozeanien und die australen und antarktischen Gebiete.
Nun kommt noch eine Besonderheit: Frankreich hat außerdem überseeische Departements, nämlich Guyana, Martinique, Gouadeloupe und Réunion. Diese überseeischen Departements werden nach französischem Recht als Bestandteile des Mutterlandes angesehen. Sie sind also weder Kolonien noch autonome Gebiete, sondern sie sind Teile Frankreichs. An sich können diese Gebiete natürlich nicht assoziiert werden. Aber nach dem Römischen Vertrag und nach dem ersten Abkommen war es so, daß gewisse Bestimmungen des ,Abkommens, vor allen Dingen die über den Entwicklungsfonds, für diese überseeischen Departements Anwendung fanden.
Das, was da festgelegt worden ist, ist jetzt auch wieder in der Entscheidung entsprechend geregelt worden. Es besteht — darüber muß man sich im klaren sein — keine juristische Verpflichtung, diese Regelung zu wiederholen. Diese Regelung ist ohne juristische Verpflichtung wiederholt worden, und ich glaube, es ist doch ganz .gut, daß man bei Gelegenheit auch einmal darauf hinweist, daß der Römische Vertrag und der Gemeinsame Markt nicht dazu führen, daß ganz allgemein gewisse Vorteile erzielt werden, sondern daß unter Umständen auch individuell Wohltaten geleistet werden. Und diese individuelle Wohltat wird jetzt gegenüber Frankreich geleistet. Denn an ,sich — das ist ja klar — wäre Frankreich verpflichtet, für seine Departements, die Teile des Mutterlandes sind, so zu sorgen wie für die anderen Departements auch. Wenn also die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft — und damit auch die Bundesrepublik durch ihren Beitrag — hier hilft, dann bedeutet das, daß etwas Zusätzliches getan wird und daß, wie gesagt, Frankreich durch die Existenz der EWG eine Wohltat erwiesen bekommt.
Ich glaube, es wäre auch bei gelegentlichen Verhandlungen gar kein Schade, wenn einmal an diese oder jene Tatsache erinnert würde. Denn es gibt noch andere Tatsachen, wo es sich zeigt, daß es nicht so einfach ist, zu sagen: Wir kehren dem Gemeinsamen Markt und dem, was im Römischen Vertrag geregelt ist, den Rücken. Denn das würde bedeuten, daß man auch einer ganzen Reihe von Wohltaten den Rücken kehren würde.

(Beifall bei der SPD.)

Ich bedauere, daß die Bundesregierung so schlecht vertreten ist und daß ich nicht die Möglichkeit habe, das auch in das Ohr der Bundesregierung zu sagen. Das sind zwar Dinge, die im allgemeinen nicht so sehr beachtet werden,

(Zuruf von der SPD: Die Bundesregierung ist gar nicht da!)

die auch von der Bundesregierung nicht so deutlich gesehen werden, wie es eigentlich notwendig wäre. Aber wir als Parlament haben Veranlassung, auf diese Tatsachen hinzuweisen.

(Abg. Blachstein: Vor allem, wenn keine Regierung da ist!)




Metzger
—Das habe ich eben ja gerade gesagt, daß sie leider schlecht vertreten ist. — Ach, der eine Vertreter der Regierung ist auch noch verschwunden. Es ist also in der Tat überhaupt keiner mehr da.
Ich habe darauf hingewiesen, daß sich der Titel I mit dem Warenverkehr befaßt. Er ist mit dem Abkommen von Jaunde beinahe identisch. Der Titel II bezieht sich auf die Finanzhilfe und die technische Zusammenarbeit. Es ist schon vorgetragen worden, daß insgesamt 800 Millionen Dollar vorgesehen sind. Davon sind 70 Millionen für diese Gebiete vorgesehen, und zwar 35 Millionen für die niederländischen und 35 Millionen für die französischen Gebiete. Das bedeutet also, daß die Bundesrepublik dazu ihren entsprechenden Anteil leistet.
Dann kommen die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht usw. und allgemeine Bestimmungen. Ich will darüber nicht mehr viele Ausführungen machen. Ich will nur darauf hinweisen, daß durch diese Bestimmungen auch eine engere Verbindung hergestellt wird.
Auf einen Artikel will ich aber noch ganz kurz eingehen, der wie mir scheint, doch nicht ganz unwesentlich ist. Der Art. 33 der uns in der Drucksache IV/1710 vorliegenden Entscheidung sieht etwas vor, was nicht geregelt worden ist. Der Art. 33 spricht davon, daß der Rat mit qualifizierter Mehrheit — das betrifft den Titel über das Niederlassungsrecht usw. — auf Vorschlag der Kommission alle Entscheidungen trifft und alle Richtlinien erläßt. Diese Regelung, daß mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, ist leider rückgängig gemacht worden. Offenbar in einer späteren Verhandlung hat man die Regelung so getroffen: Der Rat trifft die zur Durchführung dieses Titels erforderlichen Maßnahmen nach denselben Abstimmungsregeln, die im Vertrag auf den entsprechenden Gebieten vorgesehen sind. Das heißt also, in den meisten Fällen wird nicht mit qualifizierter Mehrheit entschieden. Die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit wäre natürlich ein Fortschritt im Sinne der supranationalen Entwicklung der EWG, im Sinne einer stärkeren Integration gewesen. Man kann sich leicht vorstellen, weshalb und durch wen diese Bestimmung, die stärker zur Integration hingeführt hätte, verhindert worden ist. Wir können das, glaube ich, nur bedauern.
Die Regelungen werden allerdings auf Vorschlag der Kommission getroffen, die ja das am stärksten supranationale Element in der EWG ist. Das bedeutet, daß nach Art. 149 des EWG-Vertrages der Ministerrat — auch das will ich ausdrücklich feststellen — nur einstimmig von dem Vorschlag der Kommission abweichen kann. Insofern hat die Kommission eine gewisse starke Stellung erlangt.
Auch hier wäre vielleicht eine Möglichkeit gewesen, etwas zu tun, was der Ministerrat längst hätte tun können. Er hätte nämlich dafür sorgen
können, daß er die Verordnungen, die ja europäische Gesetze im Sinne unserer staatsrechtlichen Gesetze sind, erläßt, daß er aber den Erlaß der Durchführbestimmungen, der Ausführungsgesetze, der Kommission übertragen hätte. Der Ministerrat klagt immer — und mit Recht — darüber, daß er so stark überlastet sei, daß er von Material erdrückt werde. Er hat aber nicht die Fähigkeit, über seinen eigenen Schatten zu springen und Aufgaben abzugeben. Er könnte eine ganze Reihe von Aufgaben z. B. dadurch abgeben, daß er Ausführungsverordnungen von der Kommission, die viel mehr Sachkenntnis hat, verabschieden läßt, statt diese Aufgabe weiterhin selber wahrzunehmen.
Auch das Europäische Parlament hat zum Ausdruck gebracht, daß es wünschenswert ist, daß in dieser Weise verfahren wird. Es muß immer wieder die Gelegenheit benutzt werden, bei konkreten Anlässen - und das hier ist ein konkreter Anlaß — darauf hinzuweisen, daß man die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der EWG anders vornehmen muß, als sie jetzt ist, das heißt, daß die Kommission gestärkt wird. Es bedeutet zugleich eine Stärkung des Parlaments, das ja der Kommission gegenüber ein Kontrollrecht hat, nicht gegenüber dem Ministerrat, und eine Erweiterung der Zuständigkeit des Parlaments. Aber das ist ein anderes Feld, über das hier nicht gesprochen werden soll. Ich wollte das bei dieser Gelegenheit nur erwähnen.
Wir haben von der Entscheidung des Ministerrats nur Kenntnis zu nehmen. Der Auswärtige Ausschuß beantragt, daß das Plenum des Bundestages von dieser Entscheidung zustimmend Kenntnis nimmt. Ich wiederhole hier diesen Antrag.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0411525500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, wer dem Antrag des Ausschusses, lediglich zustimmend zur Kenntnis nehmen, zustimmen will, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen; der Bericht ist zustimmend zur Kenntnis genommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Für morgen haben wir noch wenige Fragen und könnnen uns deshalb gestatten, den Ausschüssen vormittags etwas mehr Zeit zu lassen. Ich berufe deshalb die nächste Sitzung des Bundestages auf Donnerstag, den 20. Februar 1964, nicht 14.30 Uhr, sondern 15 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.