Protokoll:
3159

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 159

  • date_rangeDatum: 5. Mai 1961

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:56 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 159. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1961 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9201 A Begrüßung der in den Kontaktausschuß delegierten Vertreter des Europäischen Parlaments und der Parlamente afrikanischer Republiken 9228 D Fragestunde (Drucksache 2712) Fragen 'des Abg. Dr. Fritz (Ludwigshafen) : Verhaftung des ehemaligen Fremdenlegionärs Karl Gilberg . . . . . . 9201 B Frage des Abg. Kreitmeyer: Maßnahmen gegen eine Bedrohung Berlins Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 9201 C Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 9201 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache 2608); in Verbindung mit dem Antrag betr. berufliche und soziale Sicherung Deutscher in Entwicklungsländern (SPD) (Drucksache 2607) ; dem Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierungshilfe für Entwicklungsländer aus Mitteln des ERP-Sondervermögens (Entwicklungshilfegesetz) (Drucksache 2288) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 2658) — Zweite und dritte Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1961 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1961) (Drucksache 2380); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2669, zu 2669) — Zweite und dritte Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Drucksache 2670) — Erste Beratung — Kalbitzer (SPD) 9202 B Kühn (Köln) (SPD) . . . . . . 9212 A Dr. von Brentano, Bundesminister 9217 A Dr. Westrick, Staatssekretär . . 9225 C Scheel (FDP) . . . . . . . . 9232 A Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 9236 C Wischnewski (SPD) 9240 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Siebenten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Senkung von Außen-Zollsätzen aus Anlaß der DM-Aufwertung) (Drucksachen 2682, 2722) . . . 9242 D Nächste Sitzung 9243 C Anlagen 9245 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 9201 159. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Dr. Arndt 5. 5. Dr. Atzenroth 5. 5. Dr. Baade 5. 5. Baier (Mosbach) 31. 5. Dr. Bärsch 5. 5. Bauer (Wasserburg) 5. 5. Bazille 5. 5. Frau Berger-Heise 6. 5. Berlin 5. 5. Frau Blohm 5. 5. Dr. Böhm 6. 5. Dr. Brecht 5. 5. Frau Dr. Brökelschen 31. 5. Dr. Burgbacher 5. 5. Caspers 5. 5. Dr. Dahlgrün 5. 5. Deringer 5. 5. Diekmann 5. 5. Dr. Dittrich 5. 5. Frau Döhring (Stuttgart) 5. 5. Dowidat 5. 5. Drachsler 5. 5. Dürr 5. 5. Eisenmann 5. 5. Faller 5. 5. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 5. 5. Dr. Furler 5. 5. Geiger (München) 5. 5. Dr. Görgen 1. 7. Dr. Götz 31. 5. Dr. Gradl 6. . Dr. Greve 5. 5. Dr. von Haniel-Niethammer 5. 5. Hauffe 1. 7. Dr. Heck (Rottweil) 1. 6. Hermsdorf 5. 5. Dr. Hesberg 5. 5. Hübner 5. 5. Hufnagel 5. 5. Dr. Jordan 5. 5. Dr. Kempfler 5. 5. Killat (Unterbach) 5. 5. Frau Kipp-Kaule 5. 5. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Königswarter 5. 5. Frau Krappe 5. 5. Lenz (Trossingen) 5. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Mattick 5. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Dr. Menzel 31. 5. Frau Nadig 5. 5. Neuburger 5. 5. Neumann 5. 5. Niederalt 3. 6. Dr. Dr. Oberländer 5. 5. 011enhauer 27. 5. Dr. h. c. Pferdmenges 5. 5. Frau Pitz-Savelsberg 31. 5. Pohle 5. 5. Pusch 5. 5. Rademacher 1. 7. Regling 5. 5. Dr. Reith 5. 5. Rhode 5. 5. Ruhnke 7. 5. Sander 4. 6. Frau Schanzenbach 27. 5. Dr. Schild 5. 5. Dr. Schmidt (Gellersen) 5. 5. Schoettle 5. 5. Schüttler 5. 5. Schütz (Berlin) 5. 5. Dr. Seffrin 15. 5. Seuffert 5. 5. Dr. Seume 5. 5. Stahl 5. 5. Dr. Starke 5. 5. Dr. Stecker 5. 5. Dr. Stoltenberg 5. 5. Sühler 5. 5. Unertl 6. 5. Dr. Vogel 10. 6. Wagner 5. 5: Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 5. 5. Frau Welter (Aachen) 5. 5. Frau Wolff 5. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Nahm auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reitz (Fragestunde der 157. Sitzung vom 3. 3. 1961, Drucksache 2712, Frage XII) : ist es richtig und entspricht es den Absichten der Bundesregierung, daß die im Bundeshaushalt bereitgestellten Sondermittel für die Räumung der Wohnlager nur dazu verwendet werden, die Altvertriebenen aus den Wohnlagern zu bringen, und müssen die Mittel nicht auch dazu verwendet werden, um auch andere Lager und allgemeine Notunterkünfte zu beseitigen? Die Auflösung und Beseitigung der Wohnlager und Notunterkünfte ist eine Angelegenheit der Länder. Der Bund stellt ihnen hierzu alljährlich Kriegs- 9246 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 folgenhilfemittel sowie Mittel des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues zur Verfügung. Ohne also verpflichtet zu sein, hat die Bundesregierung 1960 auf meinen Antrag ein zusätzliches Programm zur Auflösung von Wohnlagern aufgelegt, in denen sich seit 10 und mehr Jahren Kriegsgeschädigte befinden. Die Bundesregierung stellt in diesem Programm pro Kopf eines jeden Begünstigten 6,5 % der Mittel zur Verfügung, die im Landesdurchschnitt auf eine Wohnung des sozialen Wohnungsbaues entfallen. Ingesamt werden voraussichtlich, verteilt auf vier Haushaltsjahre, zweckgebunden schätzungsweise 225 bis 230 Mio DM Rückflußmittel nach § 20 Abs. 1 des II. WoBauG und pauschalierter Kriegsfolgenhilfemittel zur Durchführung dieses Programms von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden müssen. Hinzu treten rund 80 Mio DM Aufbaudarlehen. Durch gezielten Einsatz dieser Mittel sollen 100 000 Kriegsgeschädigte aus Wohnlagern, die überwiegend von ihnen bewohnt sind, mit angemessenem Wohnraum versorgt, die Lager für weitere wohnungsmäßige Nutzung unbrauchbar gemacht werden. Die Länder haben es übernommen, die nicht kriegsgeschädigten Insassen der zur Auflösung kommenden 2449 Lager gleichzeitig mit angemessenem Wohnraum zu versorgen.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315900000
Die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Siebenten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Senkung von Außen-Zollsätzen aus Anlaß der DM-Aufwertung) (Drucksachen 2682, 2722).
— Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Das Auswärtige Amt hat unter dein 26. April 1961 gemäß I 46 Abs. 2 dos Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. Dezember 1929 die Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über den Rechtshilfeverkehr in Strafsachen und über die Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister mit der Bille um Kenntnisnahme übersandt. Der Wortlaut der Vereinbarung ist im Bundesgesetzblatt Teil II vom 3. Mai 1961 S. 471 bekanntgemacht worden.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 3. Mai 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beschlagnahme eines Flugzeuges der Deutschen Continentalen Luftreederei am 12. April 1961 auf dem Flughafen Ndjili in Leopoldville durch die Vereinten Nationen — Drucksache 2664
— beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2724 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit. und Sozialordnung hat unter dem 4. Mai 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogt und Genossen betr. Heimarbeitsgesetz — Drucksache 2653
— beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2727 verteilt.
Der Irerr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 2. Mai 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rüstungskontrolle innerhalb der Westeuropäischen Union —Drucksache 2665 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2730 verteilt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde (Drucksache 2712).
Es handelt sich um Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe auf die Fragen I/1 und I/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Fritz (Ludwigshafen) —:
Welche Möglichkeiten sind gegeben, eine Freilassung des ehem. Fremdenlegionärs Karl Gilberg aus Lachen-Speyerdorf zu erwirken?
Handelt es Sich im Falle des Karl Gilberg um eine „widerrechtliche Verhaftung"?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage I/3 — des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer
Hat die Bundesregierung seit der unmittelbaren Bedrohung Berlins im November 1958 Maßnahmen vorbereitet, die geeignet sind, diesen Absichten angemessen und wirkungsvoll zu begegnen, auch wenn sie nur darin bestehen, daß man die Freiheit Berlins durch Verwaltungsakte zu strangulieren sucht?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315900100
Ich kann die Frage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer mit Ja beantworten.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0315900200
Darf ich vielleicht nach dieser erfreulichen Antwort fragen, Herr Staatssekretär, ob auch sichergestellt ist, daß bei unseren Partnern, erstens den Schutzmächten Berlins, zweitens der Westeuropäischen Union und der NATO, die Maßnahmen so vorbereitet sind, daß sie im Falle des Falles tatsächlich nicht durch Dritte aus den eigenen Reihen nachher wieder obsolet gemacht werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315900300
Ein Teil der in der Frage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer genannten Organisationen haben mit der Berlinfrage unmittelbar nichts zu tun. Aber bei denjenigen Organisationen, die mit der Berlinfrage befaßt sind, sind die erforderlichen Vorbereitungen getroffen worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315900400
Eine weitere Frage?

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0315900500
Herr Staatssekretär, darf ich weiter fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, wenn schon nicht den zuständigen Ausschüssen, dann, wie damals im Herbst 1958, wenigstens den Fraktionsvorsitzenden und ihren Stellvertretern die Maßnahmen in Grundzügen bekanntzugeben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315900600
Diese Frage, Herr Abgeordneter, kann ich jetzt nicht beantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315900700
Damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache 2608)

9202 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961
Vizepräsident Dr. Dehler
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betr. berufliche und soziale Sicherung Deutscher in Entwicklungsländern (Drucksache 2607)

c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierungshilfe für Entwicklungsländer aus Mitteln des ERP-Sondervermögens (Entwicklungshilfegesetz) (Drucksache 2288) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) (Drucksache 2658)

(Erste Beratung 138. Sitzung)

d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1961 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1961) (Drucksache 2380) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuß) (Drucksachen 2669, zu 2669)

(Erste Beratung 138. Sitzung)

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Drucksache 2670).
Ich schlage vor, daß zunächst die Große Anfrage und der Antrag der Fraktion der SPD — Punkt 2 a) und 2b) der Tagesordnung begründet werden und daß sich daran die Aussprache schließt. Einverständnis des Hauses? —

(Zustimmung.)

Wer begründet die Große Anfrage der Fraktion der
SPD? — Herr Abgeordneter Kalbitzer hat das Wort.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0315900800
Meine Damen und Herren! Die weltpolitischen Ereignisse der 50er Jahre sind gezeichnet durch Krisen: in Korea, Indochina, Suez, Tibet, in den letzten Jahren Kuba, Kongo, Algerien und Angola. Aus dieser Aufzählung, die Ihnen allen ja geläufig ist, wollen Sie bitte ersehen, daß diese Länder, die allesamt, so unterschiedlich sie auch im einzelnen sind, als Entwicklungsländer bezeichnet werden, heute den wesentlichen Ausschlag in der weltpolitischen Auseinandersetzung geben.
Deshalb hat sich die Fraktion der SPD erlaubt, die Große Anfrage — Drucksache 2608 — zu stellen, um von der Bundesregierung einige Aufklärung über die Entwicklungspolitik zu erhalten und eine fruchtbare Diskussion zu entwickeln, um dieses Problem voranzustoßen entsprechend seiner großen Wichtigkeit.
Die erste von uns gestellte Frage ist grundsätzlicher Art und heißt:
Von welchen Grundsätzen läßt sich die Bundesregierung bei ihrer Politik gegenüber den Entwicklungsländern leiten?
Lassen Sie mich zur Erklärung dieser ersten Frage einiges sagen.
Während die deutsche öffentliche Meinung seit Jahren verbissen über die Bedeutung der Atomrüstung für die Zukunft der Menschheit debattiert, ist die Frage ,der Beziehungen zwischen den Industrieländern einerseits und den Entwicklungsländern andererseits zur für die Zukunft beherrschenden und die Zukunft entscheidenden Frage geworden.
Die heutige für uns wichtige innerdeutsche Auseinandersetzung und die weltideologische Auseinandersetzung werden vom Ost-West-Konflikt beherrscht, wobei beide Seiten die Vorstellung nähren, die Gegenseite könnte durch einen Atomkrieg die Welt unversehens für sich gewinnen. Dieses Trauma auf beiden Seiten, daß die andere Seite plötzlich zur alleinigen Weltmacht würde, verdeckt alle anderen weltpolitischen Entwicklungslinien. Aber verdeckt durch diese bei uns vorherrschende Diskussion über den Ost-West-Konflikt wechselt in Wirklichkeit bereits die Szene, wie die anfängliche Aufzählung der Weltkrisen der letzten zehn Jahre zeigt.
Eine neue weltbewegende Kraft tritt auf, nämlich die Parias des industriellen Zeitalters, die Entwicklungsländer. Weil ein großer Krieg, der die Gewichte der Weltpolitik verschieben könnte, infolge des Gleichgewichts des atomaren Schreckens nicht möglich ist, erhalten diese neuen Kräfte, die wir noch nicht ausreichend in unser politisches Kalkül einbeziehen, ein entscheidendes neues Gewicht.
Die Forderung dieser Länder, deren Bevölkerung den größeren Teil der Menschheit darstellt, nach Gleichberechtigung sowohl in der Weltpolitik als auch in der Weltwirtschaft kann von uns nicht mehr ignoriert werden. Der Ost-West-Konflikt, der auch unsere heutige Diskussion fast monoman beherrscht, wird noch in diesem Jahrzehnt unmittelbar von einem Nord-Süd-Konflikt abgelöst werden, d. h. von einem Konflikt größten Ausmaßes zwischen den Industrieländern des nördlichen Teils der Erdkugel und ,den mehr in den Tropen liegenden Entwicklungsländern. Dabei ist die scheinbare Schwäche dieser Entwicklungsländer ihre Stärke. Diese Länder haben nämlich ihre Politik bisher noch nicht abgesteckt; sie sind, von Ausnahmen abgesehen, mit voller Absicht blockfreie Länder. Unsere Aufgabe ist es, zu klären, wie wir uns zu diesem Konflikt, der heraufzieht, stellen.
Unsere Forderung nach Selbstbestimmungsrecht für unser Volk können wir in der Welt von morgen nur glaubhaft machen, wenn wir dieses Prinzip überall in der Welt vertreten, wenn wir also auch das Unabhängigkeitsstreben der Völker, die heute noch abhängig sind, zu unserem eigenen machen. Anders scheint mir unsere Forderung auf Selbstbestimmung auf Sand gebaut.
Seit zwanzig Jahren befindet sich das deutsche Volk in diesem Rahmen der Politik gegenüber den



Kalbitzer
Entwicklungsländern zum erstenmal nicht in einer bloßen Zwangslage, sondern hat wieder die Gelegenheit politischen Handelns aus eigener Zielsetzung, aus eigenen Möglichkeiten.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

Hieraus ersehen Sie, daß es von Grund auf verkehrt ist und daß es an ,dem von uns erstrebten Ziel vorbeiführen muß, wenn wir die Entwicklungspolitik etwa als Abwehr des Kommunismus verstünden. Was in Wirklichkeit nötig ist, ist das Verständnis für ein neues Zeitalter der internationalen politischen und menschlischen Beziehungen.(Beifall bei der SPD.)

Entwicklungspolitik ist keine Reaktion, sondern muß eine Aktion sein, muß von uns gewollt und von uns ausgebaut werden.

(Erneuter Beifall ,bei der SPD.)

Die industrielle Gesellschaft im westlichen Europa und Nordamerika hat 200 Jahre gegen das Elend als eine gesellschaftliche Massenerscheinung gekämpft. Das Massenelend in ,den Industrieländern ist inzwischen überwunden. Das heißt nicht, daß wir keine individuelle Not mehr hätten, aber als gesellschaftliches Übel in der modernen Industriegesellschaft ist das Massenelend überwunden.
Da wir der kleinere Teil ,der Menschheit sind, gilt es jetzt, das Elend als Völker- und als Massenschicksal in der ganzen Welt zu lindern.

(Beifall bei der SPD.)

Was wir für die industrielle Welt erreicht haben, das gilt es nun auf die ganze Welt zu übertragen; nach Linderung des im größten Teil der Welt herrschenden nackten Hungers gilt es, zur Überwindung der Not zu kommen. Die technischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Überwindung des Elends in der ganzen Welt hat uns die moderne Zeit an die Hand gegeben. Es kommt darauf an, ob wir sie politisch beherrschen und handhaben können.

(Beifall bei der SPD.)

In ,der Welt, wie sie sich bis heute entwickelt hat, besteht nicht mehr die Alternative: entweder romantische Armut, wie sie in einem vergangenen Feudalzeitalter bestand, oder Modernisierung, sondern es geht zwangsläufig 'darum: entweder industrielle Entwicklung überall in der Welt oder Häufung wirtschaftlicher und damit auch politischer Katastrophen in diesem größeren Teil der Welt.
Daß wir als Deutsche von einer Häufung solcher Katastrophen nicht unberührt bleiben könnten, ist, glaube ich, inzwischen unser aller Überzeugung. Die Überwindung ides Massenelends in der Welt ist eine unmittelbare Frage unserer Sicherheit. Die Frage der Hilfe für ,die Entwicklungsländer ist nicht nur eine Frage der Humanität — das ist sie auch —, nicht nur eine Frage der weltwirtschaftlichen Integration — das ist sie auch —, sondern sie ist eine unmittelbare Frage für unsere zukünftige persönliche und politische Sicherheit.

(Beifall bei der SPD.)

Wir haben uns in den letzten Jahren nicht selten in einer Panikmache wegen der militärischen Gefährdung Deutschlands befunden, Aber wir tun gut daran, die Panikstimmung mit in Rechnung zu stellen, die sich in den Entwicklungsländern mit ihren rapide sich vermehrenden Volksmassen, mit ihrem nackten Existenzkampf auftut. So wie die Dinge bezüglich des Gleichgewichts der Weltmächte in der augenblicklichen Situation liegen, droht, glaube ich, nicht ein Krieg, vielmehr liegen die Gefahren in dem bis zur Verzweiflung anschwellenden Elend 'der hungernden Welt im Vergleich zu der Lage in den Industrieländern, zu denen natürlich auch die Sowjetunion von heute zählt. Bis jetzt ist alles, was wir gegen die wachsende Not in den Entwicklungsländern unternommen haben, nur das Schleppen von Sandsäcken gewesen, weil ,der Deich jeden Tag zu brechen droht. Solchen Notmaßnahmen von heute auf morgen können natürlich nicht irgendeine langfristige Konzeption aufkommen lassen. Wenn die Flut plötzlich steigt, müssen — das ist ganz klar —erst einmal die Sandsäcke geschleppt werden. Auf lange Sicht aber muß man sich natürlich um einen besseren Deich bemühen, muß man sich also um eine 'bessere Konzeption bemühen.
Die Entwicklungspolitik ist also einer der wesentlichen Schwerpunkte unserer Außenpolitik. Der Tatbestand, um ,den es sich hier handelt, ist das Erwachen 'dieser Völker, ist ihr Drängen nach politischer Selbständigkeit und nach Unabhängigkeit von den beiden Blöcken des Ostens und 'des Westens, die beide Blöcke der industriellen Welt von heute sind. Ich würde gern einmal von der Regierung eine Bestätigung dafür haben, ,daß wir alle in der Bundesrepublik den Unabhängigkeitskampf aller Völker im Norden und im Süden Afrikas, in Asien und Lateinamerika unterstützen, daß wir Verständnis dafür haben, daß diese Völker, in ein anderes Schicksal hineingestellt, sich auch in einer anderen politischen Lage befinden.
Die zweite Frage unserer Großen Anfrage lautet:
Welche organisatorischen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die entwicklungspolitischen Förderungsmaßnahmen zweckentsprechend schnell und ohne Verluste zu sichern?
Diese Frage nähert sich schon mehr der Praxis. Zur Durchführung und zur Erreichung ,der Ziele, die ich hier skizziert habe, bedarf es einer ganzen Menge Initiative, und hier — das darf ich offen sagen — setzt meine und meiner Parteifreunde Kritik ein.
Die Entwicklungshilfe in der Bundesrepublik geht
daran darf ich dieses Haus erinnern — auf die Initiative des Parlaments zurück, das im Juni 1956, vor fünf Jahren also, durch ein interfraktionelles Vorgehen — wobei sich auf seiten der Regierungspartei mein verstorbener Freund Dr. Leverkuehn hervorgetan hat — die Regierung zur Bereitstellung der ersten Finanzmittel für die Entwicklungsländer veranlaßt hat.

(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!)




Kalbitzer
In diesen fünf Jahren ist es der Bundesregierung nicht gelungen, dieser Aufgabe, die das Parlament zuerst erörtert hat, bei der das Parlament die Initiative ergriffen hat, die notwendige zentrale Bedeutung innerhalb unserer Politik und innerhalb unserer staatlichen Verwaltung zuzumessen.

(Sehr richtig! Sehr wahr! bei der SPD.)

Von 1956 bis 1960 hatte sich die Situation entscheidend verändert. Im vorigen Jahr, im Juni 1960, hat die sozialdemokratische Fraktion für die Entwicklungspolitik Mittel in einer ganz anderen Größenordnung gefordert. Wir haben damals gesagt, sie müßten in einer Größenordnung von 2 1/2 bis 3 Milliarden DM liegen. Die Regierung — auch die Regierungspartei — hat sich im vorigen Jahre nicht ablehnend gegen diese als notwendig erkannte Forderungen gestellt, sondern sie hat sich kleinmütig gezeigt. Sie hat nicht rundweg abgelehnt, sondern sie hat verzögert. Sie hat einen Eiertanz aufgeführt, um um diese politische Notwendigkeit herumzukommen, bis die amerikanische Regierung und der neue Präsident Kennedy in dieser Frage Dampf gemacht haben. In diesem Augenblick, als die Amerikaner aufgeklopft haben, konnte sich die Bundesregierung plötzlich entschließen, für 1961 3 1/2 Milliarden DM für Entwicklungshilfe zu mobilisieren, eine Summe also, die von der sozialdemokratischen Fraktion ein dreiviertel Jahr vorher nicht aus irgendeiner Marotte heraus, sondern aus der Erkenntnis der politischen Entwicklung heraus gefordert worden war.
Dieses zögerliche Verhalten der Bundesregierung, dieses Sich-nicht-Entscheiden, bis der große westliche Verbündete ein hartes Wort sprach, hat der Sache der deutschen Entwicklungshilfe in der Welt stimmungsmäßig außerordentlich geschadet.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Gerade die politisch reifsten Entwicklungsländer -und auch unter den Entwicklungsländern gibt es ja Unterschiede — sehen nun bei der deutschen Entwicklungshilfe nicht die originär deutsche Aufgabe, eine deutsche Absicht, ein deutsches Ziel, sondern empfinden sie zur Zeit nur als amerikanisch inspiriert, als nicht eigenständig. Das bedauere ich aufs tiefste. Das braucht natürlich kein Dauerzustand zu sein. Es kommt darauf an, ob wir nun beweisen, daß dieser Eindruck falsch ist, daß wir dieses zögerliche Verhalten kompensieren, aber nicht durch Voreiligkeit, wie man vielleicht sagen könnte, sondern dadurch, daß wir die zur Verfügung gestellten Mittel jetzt zügig und — das ist entscheidend; ich darf darauf zurückkommen — für die Empfänger sinnvoll und ohne vermeidbare Zeit- und Wertverluste verwenden.
Bis 1960 haben 50 bis 100 Millionen DM im Jahr zur Verfügung gestanden. Im Jahre 1961 sollen es plötzlich 31/2 Milliarden sein, also eine völlig andere Größenordnung. Zu der aus dieser neuen Größenordnung sich ergebenden Vermehrung der Aufgaben und Erweiterung des Aufgabengebiets ist die Bundesregierung zur Zeit schon organisatorisch völlig außerstande. Die Bundesregierung befindet sich in der verwaltungsmäßigen Vorbereitung dieser großen Aufgabe nur im Zustand der unproduktiven Hickhacks,

(Beifall bei der SPD)

des völligen Durcheinanders in der Frage der Kornpetenz, wer hier politisch zu führen hat und wo koordiniert werden muß.
Nun, ich gebe Ihnen gern zu: die Koordinierung ist in der Tat außerordentlich kompliziert; denn an der Entwicklungspolitik sind die Außenpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Finanzpolitik ebenso wie die Bildungsanstalten, die Universitäten, zu beteiligen, was sich ja schon aus der Größenordnung der jetzt in Frage stehenden Beträge ergibt.
Die Bundesregierung hat jetzt fünf Jahre Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten, aber sie hat nichts erkennen lassen, was eine positive Lösung dieser Aufgaben als sichergestellt ansehen läßt. Die Koordinierung zwischen den einzelnen Bundesressorts, zwischen den Ländern, zwischen den Organen privater Initiative, die wir natürlich auch nicht missen können, diese Koordinierung ist zugegebenermaßen schwierig. Ich will auch zugeben, daß in dieser Frage täglich zugelernt werden muß. Wir können in dieser Frage nichts Endgültiges haben; aber wir haben überhaupt noch nichts, womit wir diese Aufgaben wenigstens für den Moment lösen können. Für eine spätere Zeit bin ich durchaus bereit, darüber zu sprechen, wie man es anders und besser machen kann. Aber hier und heute haben wir nicht die ausreichende Koordinierung, und wir haben keine Konzentration der Verantwortung — außer auf dem Papier natürlich.
Ich kenne die Antwort, Herr Minister, die Sie darauf zu geben beabsichtigen — Sie haben sie heute morgen schon durch Rundfunk bekanntgegeben —

(Zurufe von der SPD)

und ich weiß, daß Sie einen interministeriellen Ausschuß haben. Darüber, daß das besser ist, als überhaupt nichts zu haben, brauchen wir nicht zu rechten. Der Disput geht vielmehr darum, ob das in der Sache ausreichen kann. Nun, ich will der Bundesregierung nicht in ihre eigene Organisationsverantwortung hineinreden; die Bundesregierung kann in eigener Kompetenz entscheiden, wie sie es macht. Mein Monitum ist, daß sie es mangelhaft macht.

(Beifall bei der SPD.)

Man kann es auf verschiedene Arten machen, das gebe ich Ihnen zu. Ich bin auch der Letzte, ,der einer Bundesregierung kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit nun etwa einen Entwicklungsminister aufreden wollte. Um solche Punkte geht dieser Streit nicht, sondern es geht darum, daß Sie überhaupt etwas tun müssen, denn das Gegeneinander, wie es bis jetzt besteht, ist keine Lösung.
Ich könnte aus dem Block der Erfahrungen ebenso wie mein Kollege Dr. Fritz von der CDU natürlich hundert Beispiele hier aufblättern, die zeigen, was nicht funktioniert. Das ist aber nicht in unserem und nicht im deutschen Interesse. Ich will Ihnen nur ein



Kalbitzer
Beispiel nennen und auch dabei im allgemeinen Interesse den Namen verschweigen.
Der Botschafter eines Entwicklungslandes, eines Landes, das allgemeine Sympathie auf allen Bänken dieses Hauses besitzt, ist mit einem Projekt seiner Regierung zur Entwicklung seines Landes beim Auswärtigen Amt gewesen. Nach einiger Zeit kommt er wieder, um sich eine Antwort zu holen, und das Auswärtige Amt sagt, das Projekt sei zwar interessant, aber es müsse bedauern: das sei gar nicht im Konzept der Bundesregierung vorgesehen. Der Mann ist natürlich betrübt und geht anschließend zum Bundeswirtschaftsministerium, wo er die für ihn überraschende Antwort erhält, daß das gerade das Projekt sei, auf das man schon lange gewartet habe.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich bin bereit, Ihnen den Namen zu nennen, wenn es darauf ankommt. Aber Sie werden verstehen, daß der Name hier keine Rolle spielt. Dieser Botschafter muß die Verwaltung der Bundesrepublik für „unterentwickelt" halten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, von diesem Kalauer abgesehen: die Modernisierung der Verwaltung ist für die Entwicklungsländer entscheidend wichtig. Sie müssen verwalten lernen. Aber sie können doch zu uns überhaupt kein Vertrauen haben, wenn ihnen so etwas noch in den letzten Monaten passiert.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich, wie wir aus der Presse erfahren und wie ich inzwischen im Ausschuß gehört habe, entschlossen, eine eigene Abteilung für Entwicklungspolitik zu gründen. Ich finde das lobenswert. Ich glaube, die anderen Ministerien sollten entsprechende Abteilungen gründen. Es würde mich interessieren, vom Herrn Außenminister nicht nur die vorbereitete Antwort, sondern auch eine Antwort auf diese konkrete Frage zu hören, ob denn nun seine Abteilung endgültig einschließlich des Leiters steht oder ob er sich nach diesen fünf Jahren immer noch um die Person bemüht.
Der bestehende interministerielle Ausschuß, der also jetzt eine Konzentration der Verwaltung mit sich bringen soll und in dem immer abwechselnd einer den Vorsitz führt, wobei offenbar der eine nicht genau weiß, was der andere tut, ist nebst einem ihm untergeordneten Referentenausschuß nicht in der Lage das wiederhole ich hier —, alle herangetragenen Projekte schnell, kompetent und allseitig zu prüfen und darüber zu entscheiden.
Hier muß ich Ihnen sagen: es fehlt der Verwaltung — auch bei bestem Willen, der nicht abgestritten wird — an umfassender Sachkenntnis, an umfassender Kenntnis der lokalen Bedingtheiten eines jeden solchen Projekts und natürlich auch an den technisch-fachlichen Kenntnissen über die auf uns zukommenden Projekte. Es ist von der Verwaltung nicht ohne weiteres zu erwarten, daß sie all das kennt. Wir haben in Afrika und in Asien natürlich nicht die Erfahrung wie meinetwegen die Engländer oder die Franzosen, und diesen Mangel müssen wir irgendwie ausgleichen.
Dafür könnte man hier vielleicht eine Anregung geben: Da die Verwaltung ausreichende Fachkenntnisse nicht hat und auch nicht haben kann, darf sie eben diese Sache auch nicht allein machen, sondern muß die fachlich versierte Öffentlichkeit zur Beurteilung dieser Projekte heranziehen. Wir haben in Deutschland außerhalb der Verwaltung — und vielleicht auch innerhalb —, wir haben im deutschen Volk in seiner Gesamtheit eine ganze Menge von wirklichen Fachleuten, von Forschern, die in allen Winkeln der Erde gewesen sind, von Kaufleuten, Wissenschaftlern, Menschen aus allen Bereichen, die uns helfen könnten, zu einem fundierten Urteil über diese Projekte zu kommen.
Bis jetzt ist doch im Grunde bei der Beurteilung eines Projekts eigentlich nur über den Daumen gepeilt worden. Wenn ein Projekt zur Beurteilung ansteht, pflegt ,das Auswärtige Amt in der Regel zu sagen: Dieser exotische Fürst oder Präsident aus Afrika, oder woher immer er kommt, wünscht unbedingt, daß dieses Projekt A auch wirklich durchgeführt wird. — Das ist zugegebenermaßen für das Auswärtige Amt ein Standpunkt. Aber Sie werden mir zugeben, das reicht nicht aus. Es ist eine Komponente für die Urteilsbildung, aber es sprechen noch viele andere Komponenten dabei mit.
Wenn die Beurteilung beim Bundeswirtschaftsministerium liegt, dann ist im allgemeinen das Urteil des Wirtschaftsministeriums — und das liegt wiederum in der Natur dieses Ministeriums —: Ja, das Projekt ist gut, weil die deutsche Industrie oder eine spezielle Firma in Deutschland dieses Projekt gerade aufgenommen hat, weil diese oder jene Firma sich dafür einsetzt. — Ich bin nicht dagegen; es ist ja das gute Recht jeder Firma, sich für ein solches Projekt einzusetzen.

(Zuruf des Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard.)

— Ich werde Ihnen genug Beispiele nennen, Herr Minister, das können Sie doch gar nicht bestreiten. Es ist auch gar nichts Ehrenrühriges, Sie brauchen sich nicht darüber aufzuregen. Es ist das gute Recht einer Firma in Deutschland, zu sagen: Ich möchte dieses oder jenes. Wenn es eine seriöse Firma ist, hat sie natürlich auch Anspruch darauf, ernsthaft gehört zu werden, und sie hat Anspruch darauf, daß ihr Angebot erwogen wird. Nur sind das keine genügenden Voraussetzungen, um zu einem kompetenten Urteil zu kommen. Deshalb rege ich an, daß man zur Beurteilung Experten aus der versierten Öffentlichkeit mitheranzieht. Vielleicht kann man auch bei dem einen oder anderen Projekt, bei dem es jeweils um viele Millionen geht, die aus deutschen Steuergeldern gezahlt werden, vorsehen, daß diese Projekte z. B. auch von ausländischen Experten mitgeprüft werden.
Die Frage der Finanzierung dieser Projekte hat in der Öffentlichkeit bisher die größte Aufmerksamkeit erregt. Natürlich kostet Entwicklungspolitik Geld, sie kostet auch viel Geld. Aber, meine Damen und Herren, wichtiger, als Geld für die Entwicklungshilfe zu haben, ist es, Menschen zu haben, die dieses Geld im Interesse der Entwicklung dieser



Kalbitzer
Länder verwenden können, die wirklich mit diesem Geld zweckmäßig umgehen können, also Menschen zu haben, die in Entwicklungsländer gehen, um dort praktische Arbeit zu leisten. Wenn wir dieser zweiten Aufgabe, der menschlichen Durcharbeitung, nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen, ist dieses Geld sehr schnell verbuttert, ohne den notwendigen Effekt zu haben. Wir sind uns doch alle klar: hier wie in Übersee warten schon Hyänen darauf, diese Entwicklungsgelder für sich abzusahnen, um dann die Magermilch zu dem einzelnen Projekt hinfließen zu lassen. Wenn ein Projekt auf diese Art mißlingt, ist es nicht nur ein Verlust an Geld, sondern es ist zugleich ein politischer Verlust. Ein Objekt, das nicht richtig durchgeführt ist, ist ein Verlust an Prestige und ein Verlust an Gesicht. Wenn wir die mangelhafte Vorbereitung und Durcharbeitung der vorgesehenen Projekte, die zusammengerechnet Milliardenbeträge ausmachen, nicht in den nächsten Monaten abstellen, so gehen wir, wage ich zu sagen, einem Panama-Skandal entgegen.
Ich sage nicht, daß wir heute schon diese Aufgabe verfehlt haben, sondern ich sage, daß wir bisher nicht genug getan haben, um die Aufgabe, die jetzt auf uns zukommt, richtig durchzuführen, daß wir keinen Apparat haben, um über 3 Milliarden DM für die Entwicklungsländer zweckmäßig zu verwenden.
Ich sage, daß viele bereits darauf hoffen, an diesen Gelder partizipieren zu können, ohne dem Zweck dieser Gelder zu dienen. Dem muß man beizeiten ins Auge sehen, und dagegen muß man beizeiten etwas unternehmen.
Deshalb stellen wir die Frage nach den organisatorischen Maßnahmen, um die Entwicklungspolitik auch praktizieren zu können, um vom Schlagwort zur Tat kommen zu können. Fünf Jahre haben Sie Vorbereitungszeit gehabt, meine Herren von der Regierung, jetzt müssen Sie die Sache durchführen.
Damit darf ich zum dritten Punkt unserer Frage kommen: In welcher Höhe, für welchen Zeitraum und in welcher Form will die Bundesregierung Mittel für die Entwicklungshilfe bereitstellen, und wie sollen diese Entwicklungsmittel aufgebracht werden? Die Frage nach der Höhe der Beträge ist in die öffentliche Diskussion Anfang dieses Jahres gekommen. Darüber kam es gleich zu Streitereien. Dieser Streit um die Höhe der Beträge für Entwicklungshilfe hat in mehrfacher Hinsicht einen unguten Ton gehabt. Der ungute Ton lag meines Erachtens darin, daß man nur mehr Geld forderte, ohne völlig klarzumachen, wofür und auf Grund welcher Notwendigkeit man dieses Geld benötigte. So hat man einfach nur um Summen gestritten, ohne klarzumachen, welche politischen Notwendigkeiten für unsere gesamte Politik dahinterstehen.
Ein anderer unguter Ton ist dadurch in die Debatte gekommen, daß gleich eine Entwicklungssondersteuer mit in die Debatte geworfen wurde. Wenn die Entwicklungspolitik eine Frage der politischen Priorität ist, eine Frage der gesamtpolitischen Konzeption, dann ist natürlich auch die Höhe des notwendigen Betrages eine Frage der politischen Priorität innerhalb unseres Gesamtetats. Wenn man dann voreilig mit Entwicklungssteuern kommt, was natürlich vom Steuerzahler nicht gern gehört wird, kommt man in eine falsche Diskussion. Diese Bemerkung möchte ich nicht ausgesprochen zur Fraktion der Regierungspartei machen, sondern die möchte ich gegenüber all denen machen, die mit solchen Vorschlägen gekommen sind und damit den Eindruck erweckt haben, es gehe um eine Sache, die man tun oder die man besser noch lassen könne.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

Es geht bei der Frage, ob man für die Entwicklungshilfe eine Sondersteuer haben müsse — das war ja ein Diskussionsbeitrag besonders der deutschen Banken —, nicht um Überlegungen der Konjunkturförderung oder Exportförderung oder Einfuhrförderung, sondern es ist eine Frage der politischen Priorität, wie ich es genannt habe, die Frage, wie wir unsere öffentlichen Mittel, die für die Sicherheit unseres Volkes und unserer Zukunft ausgegeben werden müssen, entsprechend den verschiedenen militärischen und politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten richtig verteilen.
Zum zweiten hängt die Höhe des Finanzbetrages auch davon ab, daß wir uns bemühen, mehr geeignete Menschen zu kriegen, die in die Entwicklungsländer gehen, um diese Hilfe zu praktizieren.

(Zustimmung bei der SPD.)

Darauf komme ich hier und muß ich in jedem Punkte zurückkommen, weil es sich nicht nur um ein wirtschaftliches oder ein politisches, sondern im letzten und wesentlichen um ein menschliches Problem handelt. Dabei gehöre ich keineswegs zu den Pessimisten, die sagen, daß sich die Deutschen zur Zeit des Wirtschaftswunders nicht bereit finden, unter diesen schwierigen Umständen in die Entwicklungsländer zu gehen. Jeder, der sich mit diesen Fragen befaßt, weiß aus Erfahrung, daß sich überall versierte, tüchtige Leute bereit finden, diese Aufgaben zu normalen Bedingungen zu übernehmen. Dafür braucht man kein besonderes Korps zu schaffen. Aber wir haben es bisher nicht verstanden, diese Menschen an ihre Aufgaben heranzuführen.
In der Debatte über die Höhe des Finanzbeitrages ist von der Bundesregierung die These vertreten worden: Für 1961 geben wir, ich glaube, 3,5 Milliarden DM und für 1961 und 1962 zusammen — die Zahlen variieren immer, so daß ich nicht weiß, auf welcher Grundlage die Bundesregierung im Augenblick diskutiert; aber das werden wir noch hören — zirka 5 Milliarden DM; aber man kann natürlich für die Zukunft keine ähnlichen Beträge versprechen. — Nun, es gibt etatrechtliche Gründe dafür, daß man das in der Tat nicht kann. Aber ich möchte Sie vom Politischen her warnen, zu glauben, daß Sie das einmal Gegebene später nicht wieder zu geben brauchten. Es ist eine harte Tatsache, daß wir das, was wir in einem Jahr geben, im nächsten Jahr nicht vorenthalten können. Eine gegenteilige These ernsthaft zu vertreten, dazu sind wir weder den Entwicklungsländern gegenüber noch den westlichen Verbündeten gegenüber stark ge-



Kalbitzer
nug. Die These: Wir geben einmal, und was wir später tun, wissen wir noch nicht, ist einfach Augenauswischerei kurz vor der Wahl, und nicht mehr.

(Beifall bei der SPD.)

Ich denke, wir brauchen und werden die Frage der Entwicklungspolitik nicht zum Gegenstand ,der Auseinandersetzungen im Wahljahr machen. Weil wir das nicht wollen, müssen wir auch, von allen Seiten, die Notwendigkeiten und Schwierigkeiten nennen und dürfen nicht so tun, als ob dieser Betrag 1961 nur mal aus Versehen gegeben worden wäre, als ob das nicht mehr in Frage käme. Das ist einfach nicht richtig, weil es politisch unmöglich ist.
Nun darf ich zu einem anderen Aspekt kommen. Was bei uns in der Bundesrepublik als Entwicklungshilfe bezeichnet wird, ist zu einem großen Teil privates Geschäft mit Entwicklungsländern, wobei die großen Risiken vom Bund abgedeckt werden. Privates Geschäft ist notwendig, eine gute Sache; ich habe überhaupt nichts dagegen. Aber Handel mit Afrika oder Lateinamerika z. B. ist noch keine Entwicklungshilfe. Die Hamburger handeln schon 300 Jahre mit Afrika und haben sich dabei gut entwickelt; aber die Entwicklungsländer haben sich nicht gut entwickelt.

(Beifall bei der SPD.)

Also ich sage hier kein Wort gegen den Handel und gegen den normalen wirtschaftlichen Austausch. Er muß sein und muß weiter gefördert werden. Exportförderung ist eine gute Sache, die von mir von diesem Platz aus schon mehr als einmal unterstützt worden ist. Aber Entwicklungshilfe ist eben etwas anderes und muß von anderen Grundsätzen ausgehen.
Die sogenannte Entwicklungshilfe bei Investitionen ist nicht in ihrer ganzen Summe echte Entwicklungshilfe, weil natürlich das deutsche Eigeninteresse eine gewichtige, entscheidende Rolle dabei spielt. Entwicklungshilfe ist bei einem solchen Projekt jeweils nur der Teil, bei dem ein Risiko besteht. Die entsprechenden Kredite können also nur mit einem Teilbetrag in die Entwicklungshilfe eingesetzt werden.
Die Bundesregierung hat die deutsche Industrie aufgefordert, für die Entwicklungshilfe einen Kredit von 1 1/2 Milliarden DM bereitzustellen. Man muß sich doch darüber im klaren sein, daß diese 1 1/2 Milliarden DM — die, wie ich befürchte, noch immer nicht ganz aufgebracht sind — im Interesse der deutschen Industrie selber verwendet werden. Es ist also eine Selbstverständlichkeit, daß dieser Betrag aufgebracht werden muß. Wenn die deutsche Industrie in Entwicklungsländern liefert — und daran ist sie selbst interessiert —, dann hat die Bundesregierung bereit zu sein, Garantien für das Risiko und unter Umständen Zinssubventionen zu geben. Aber man kann die Sache doch nicht so darstellen, als ob ein Kredit der deutschen Industrie an die Bundesregierung zur Verwendung für die Entwicklungshilfe bei 5 % Verzinsung eine außerordentliche Leistung wäre. Das ist eine politische und wirtschaftliche Selbstverständlichkeit. Ich kann, offen gesagt, das Geschrei um diese anderthalb Milliarden DM nicht verstehen. Ein Wirtschaftsminister, der seine Leute nicht einmal dazu bringt, diese anderthalb Milliarden DM, die nachher wieder in deren eigenen Interesse ausgegeben werden, bereitzustellen, der tut mir leid; das muß ich offen sagen, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Scheel: „Seine Leute" ist gut!)

— Na ja, das war gemeint.
Die Barleistungen an die Entwicklungsländer sind allerdings auch nur wieder ein Teilaspekt der volkswirtschaftlich notwendigen Gesamtleistung für die Entwicklungsländer. Ich meine damit folgendes Problem.
1958 z. B. sind die Preise für tropische Rohstoffe insgesamt um etwa 20 % gefallen. Durch dieses 20 %ige Absinken der Rohstoffpreise der tropischen Länder, also der Entwicklungsländer, haben diese Länder einen Milliardenausfall gehabt, dessen Größenordnung genauso hoch war wie das, was alle Industrieländer zusammen in demselben Jahr als Entwicklungskredite und Entwicklungsleistungen in diese Länder hineingesteckt haben. Das heißt also, was man 1958 an Barmitteln gegeben hat, das hat man die Länder durch eine Preissenkung ihrer eigenen Produkte wieder ausbluten lassen. Der Erfolg ist also gleich Null.
Deshalb besteht die beste Finanzhilfe, die besser als die Hilfe durch bare Mittel ist, in einer reichlichen Abnahme tropischer Produkte zu Preisen, die sich den Industriepreisen in ihrer tendenziellen Entwicklung anpassen. Das ist das, was die Amerikaner „aid by trade" nennen, also Hilfe durch einen normalen Handel. Das ist ein Gesichtspunkt, der durchaus unserer Aufmerksamkeit bedarf.
Ich kenne aus Ausschußsitzungen die generelle Ansicht der Bundesregierung dazu — aber ich bin natürlich gern bereit, Genaueres zu hören —, die dahin geht, daß eine wirtschaftliche Unterstützung durch Stabilisierung der Rohstoffpreise in der Welt zwar außerordentlich wichtig und notwendig sei, daß man aber leider dieser Frage, ich glaube, aus ideologischen Gründen — aus ideologischer Verklemmtheit, Herr Minister — nicht nähertreten könne. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie dieser Frage einfach aus politisch-praktischen Erwägungen und nicht aus irgendwelchen, wie Sie es nennen, grundsätzlichen Überlegungen nähertreten würden. Für die Entwicklungsländer selber ist eine solche Hilfe, d. h. eine Hilfe, die in der Möglichkeit besteht, daß sie ihre eigene Produktion exportieren können, von allen Hilfen weitaus am meisten erwünscht.
Zur Debatte stehen großenteils Kredite zum Aufbau von Werken, zum Aufbau von Kraftwerken, Eisenwerken usw. in den Entwicklungsländern. Aber der andere Teil der materiellen Hilfe, die gegeben werden muß, ist natürlich das, was man mit einem Fachwort „Infrastruktur" nennt und was man besser als die Aufgabe bezeichnet, die Voraussetzungen für die Modernisierung dieser Länder zu schaffen, also durch Bau von Straßen, von Schulen,



Kalbitzer
von Krankenhäusern, von Forschungslaboratorien und ähnlichem.
Für diese Aufgaben muß ebenfalls Geld bereitgestellt werden; denn eine Fabrik ist, wenn die Menschen, die in ihr arbeiten sollen, nicht lesen und schreiben können und nicht die einfachsten Begriffe der modernen Bildung kennen, natürlich zum Untergang verurteilt. Man muß also einerseits direkte wirtschaftliche und zum anderen gründlich untermauernde Maßnahmen treffen.
Da wäre es eine gute Sache, wenn überlegt würde, ob man nicht die Zinsen und die Amortisationen, die aus den Krediten zurückfließen, im Entwicklungsland selber stehenlassen sollte mit der Auflage, daraus die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, mit anderen Worten: ob man in den Entwicklungsländern nicht das tun könnte, was die Amerikaner zum Aufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Kriege getan haben, d. h. in den Entwicklungsländern einen „Marshallplan" zu praktizieren. Das würde bedeuten, daß man erst einmal Wirtschaftskredite gibt und die daraus fließenden Zinsen und Amortisationen dann nicht wieder in die Bundesrepublik zurückpumpt, sondern sie im Entwicklungsland stehenläßt und damit die weitere Entwicklung dieses Landes forciert.
Ich meine, eine solche Methode, die schon andere uns gegenüber und zu unserer Rettung, möchte ich sagen, praktiziert haben, sollte für uns nicht so ganz abseits der politischen Überlegung liegen. Ein solcher Plan, den man nach und nach, d. h. über viele Jahre verteilt, durchführen müßte, würde natürlich eine erhebliche deutsche Leistung bedeuten. Vor allem aber wäre es eine wirklich glaubwürdige, generöse und wirksame Hilfe.
Ich komme auf meine anfängliche Bemerkung zurück, daß wir durch das zögernde Verhalten Anfang dieses Jahres sehr an Glaubwürdigkeit eingebüßt. haben. Durch eine Realisierung dieses Vorschlages hätte die Bundesregierung die Möglichkeit, diese Scharte auszuwetzen. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die Bundesregierung positive Worte für diesen Vorschlag fände, der ja nicht ganz neu ist, sondern den die Amerikaner uns gegenüber schon verwirklicht haben.
Ich darf zu der finanziellen Frage noch eine kritische Bemerkung machen. Ich habe den Eindruck, daß manche finanziellen Zusagen voreilig gegeben worden sind, nur deshalb, weil sich prominente Abgeordnete oder Minister auf Blitzreisen um die Welt begeben haben und dadurch natürlich die speziellen Kenntnisse für das, was notwendig und vernünftig und für das, was leichtfertig und nur Propaganda ist, nicht haben konnten ,und dann Zusagen machten, die uns nachher belasten und 'die den wirklichen Bedürfnissen dieser Länder entweder gar nicht oder nur sehr am Rande Rechnung tragen. Ich möchte Sie herzlich bitten — das geht uns alle an, auch uns Abgeordnete —, von solchen unverantwortlichen Versprechungen in der Zukunft Abstand zu nehmen. Wenn man sich in ein Land begibt und in diesem Lande wirkliche finanzielle Leistungen investieren will, sollte man sich vorher erklären lassen, was sinnvoll und was nur Propaganda ist.
Meine Damen und Herren, ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, daß die Initiative zur Entwicklungspolitik aus diesem Hause gekommen ist. Ich meine, dieses Haus muß in einem besonderen Falle jetzt eine weitere Initiative entfalten. Wir haben als Parlament natürlich das Recht der Ausgabenkontrolle. Diese Ausgabenkontrolle wird im Haushaltsausschuß und in allen möglichen Ausschüssen für Ausgaben innerhalb unseres Landes selbst minutiös gehandhabt. Aber wir haben bisher überhaupt keine Kontrolle darüber, wohin Millionen — unter Umständen Hunderte von Millionen auf einen Schlag — fortgegeben werden, ohne daß irgendein Mensch auch nur zu prüfen versucht, ob diese großen Beträge wirklich dahin fließen, wohin sie auf dem Papier fließen sollen. Ich weiß, daß die Herren der Regierung mir jetzt sehr böse sein werden, aber dieser Punkt muß hier ausgestanden werden. Wir müssen die Ausgaben für die Entwicklungsländer genauso unter Kontrolle haben wie die Ausgaben im eigenen Lande.
Es kann nicht argumentiert werden, daß das eine oder andere Entwicklungsland nur Geld als Blankoscheck à fonds perdu haben wolle. Wer dieses Ansinnen an den deutschen Steuerzahler stellt, der stellt ein unerfüllbares Ansinnen. Ich bin bereit, die deutsche Öffentlichkeit mit darüber aufzuklären, daß diese Zahlungen notwendig sind, aber ich bin nicht bereit zuzugeben, daß diese Gelder unkontrolliert herausgegeben werden sollen. Das Parlament muß sich also sehr viel mehr als bisher um den Verbleib der Entwicklungsgelder kümmern. Was im Innern gilt, muß auch nach außen gelten, Ich gebe Ihnen zu, es kann ein bestimmter Fall eintreten, über den man nicht abrechnen kann. Das muß dann eben festgestellt werden. Das gibt es ja in unserem Etat auch. Aber man kann doch nicht 3 1/2 Milliarden DM öffentlicher Gelder ausgeben — die schließlich als Steuern eingebracht werden müssen —, ohne daß wir die Gewißheit haben, daß diese Gelder vom Parlament geprüft und vom Bundesrechnungshof auch kontrolliert werden. Vielleicht ist der Bundesrechnungshof organisatorisch zur Stunde dazu nicht in der Lage. Warum soll er prinzipiell bessere Einsichten haben als die allgemeine Verwaltung! Dann muß auch der Bundesrechnungshof in dieser Hinsicht ausgebaut werden. Aber ich kann nicht von dem Prinzip abgehen, daß der Bundesrechnungshof die einzige Barriere gegen den Mißbrauch dieser Milliardenbeträge ist.
In diesem Punkte unterscheide ich mich z. B. grundsätzlich von Herrn von Hassel, der Parlament und vor allen Dingen Bundesrechnungshof bei der Vergabe dieser Gelder ausgeschlossen wissen will.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Ja, doch, das hat Herr von Hassel gesagt. Aber wir wollen hier über Herrn von Hassel gar nicht debattieren. Er ist nicht im Hause und deshalb wäre es unfair, das zu tun. Ich möchte nur von Ihnen bestätigt haben, daß Sie meine Meinung teilen
einerlei, was Herr von Hassel gesagt hat —, daß die Kontrolle über die Ausgabe dieser Gelder gründlich und zuverlässig sein muß und daß natür-



Kalbitzer
lieh Parlament und Rechnungshof dazu Stellung nehmen müssen.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen]: In der Diskussion der DAG ist doch während der Tagung in London dasselbe gesagt worden!)

— Es hat doch keinen Zweck, hier im Plenum auf Auseinandersetzungen in Ausschüssen Bezug zu nehmen. Was da gesagt worden ist, ist ganz egal. Wenn Sie es hier bestätigen, bin ich vollauf befriedigt, und dann geht es nur noch darum, das auch durchzuführen. Das ist natürlich immer noch ein weiterer Schritt.
Zu dieser Frage noch eine letzte Bemerkung bezüglich der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, ursprünglich zum Wiederaufbau innerhalb der Bundesrepublik organisiert, soll jetzt die bankmäßigen Aufgaben bei der Transformierung der Entwicklungsgelder in die Entwicklungsländer übernehmen. Hierfür fehlt die gesetzliche Grundlage. Ich will hier nicht untersuchen, wer daran mehr oder weniger schuld ist. Das ist mir hier zur Stunde nicht interessant. Wichtig ist für mich, daß das Gesetz für die Kreditanstalt für Wiederaufbau noch in diesem Bundestag durchkommt. Mir genügt nicht die Erklärung eines Regierungsvertreters — die ich vor einigen Tagen erhalten habe —, daß ,die Kreditanstalt für Wiederaufbau auch ohne ein solches Gesetz arbeitsfähig sei. Eine Arbeit der Kreditanstalt für Wiederaufbau ohne ein entsprechendes Gesetz ist eine Muschelei, die sich auf die Dauer nicht auszahlt. Hier debattieren wir zum erstenmal darüber, daß diese Gelder sorgfältig vergeben werden müssen. Also brauchen wir in diesem Punkte auch die gesetzliche Grundlage. Ich bitte Sie daher, sich hierfür mit einzusetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mit den Ländern!)

— Natürlich auch mit den Ländern! Sie brauchen sich gar nicht angegriffen zu fühlen, ehe ich Sie angreife.

(Abg. Majonica: Tun wir doch nicht!)

Ich stelle hier nur fest, daß wir das in den nächsten paar Wochen gemeinsam machen müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Schließlich ist eine Kreditanstalt für Wiederaufbau eine Sache der Bundesregierung. Ich wäre bereit, mit Ihnen eine Kreditanstalt für Wiederaufbau auch ohne Beteiligung der Länder zu schaffen, wenn nur überhaupt eine geschaffen wird. Die Katastrophe ist doch, daß bis heute überhaupt keine gesetzliche Grundlage da ist. Ich möchte verhindern, daß mit ,dem bisherigen unzureichenden Gesetz gemuschelt wird.
Unter Punkt 4 unserer Großen Anfrage fragen wir die Bundesregierung:
In welchem Umfange und in welcher Weise gedenkt die Bundesregierung mit den einzelnen internationalen Organisationen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe zusammenzuarbeiten?
Selbstverständlich muß ein Teil der Entwicklungspolitik bilateral, zwischen der Bundesrepublik und dem Empfängerland, ausgehandelt und ausgeglichen werden. Aber wir sind außerordentlich daran interessiert, daß es in dieser Frage, weil es eine weltweite Frage ist, auch zu einer weltweiten Zusammenarbeit kommt, daß man also nach Möglichkeit internationale Organisationen an dieser Aufgabe beteiligt, weil die Aufgabe in ihrer Gesamtheit natürlich nicht von unserem Volk allein aufs Kreuz genommen werden kann. Wir haben Verbindung zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die nach dem Vertrag von 1957 einen Entwicklungsfonds hat. Dieser Entwicklungsfonds läuft bis Ende 1962 aus.
Die politische Lage Afrika hat sich seitdem von Grund auf geändert. Wir müssen nach unserer Vorstellung zu einem neuen Entwicklungsfonds kommen. Wir können nicht etwa den Standpunkt vertreten: Das Abkommen über den Entwicklungsfonds sei auf fünf Jahre geschlossen, und nun brauche nichts weiter geleistet zu werden. Hier gilt das von mir schon genannte Prinzip: Wenn man einmal gegeben hat, kann man sich nicht zurückziehen; ob einem das in allen Einzelheiten paßt oder nicht! Der Entwicklungsfonds muß also nach 1962 mindestens — ich sage „mindestens" ! — in dem Umfange wie bisher weiterlaufen.
Aber er muß von Grund auf reformiert werden. Da die Empfangsländer gleichberechtigte und souveräne Länder geworden sind, muß auch der EWG-Entwicklungsfonds künftig gleichberechtigt von Europäern und Afrikanern verwaltet werden, und der Anschluß an die Assoziierung in Afrika muß offen sein. Es darf kein exklusiver Klub der ehemaligen französischen Kolonien sein, sondern jedes Land in Afrika, das die entsprechenden Verpflichtungen übernimmt, muß bei uns aufgenommen werden können. Es kann sich nicht darum handeln, daß man ehemalige Kolonialgebiete nun in einer andereren Form und Methode zusammenschließt, um zum Schluß auf diese Weise doch den alten Einfluß zu konservieren. Das wäre verderblich, das wäre tödlich für die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit.
Ein Drittes: Neben der Zone der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Afrika, der EWG-Zone also, besteht in Afrika noch eine andere Zone, die des Commonwealth. Diese beiden Zonen haben unterschiedliche Zollvorzüge für ihre Mitglieder. Wir halten es im Interesse der europäischen Zusammenarbeit und im Interesse der Entwicklung Afrikas für notwendig, daß diese beiden Zonen koordiniert werden, daß sie zusammenarbeiten.
Ich möchte die Bundesregierung hiermit ausdrücklich fragen, ob sie den kürzlich von der englischen Regierung vorgelegten Vorschlag, sich darüber zu unterhalten, wie die EWG-Zone und die Commonwealth-Zone in Afrika künftig zusammenwirken sollen, unterstützt, ob die Bundesregierung bereit ist, in der EWG dafür einzutreten, daß diese Verhandlungen aufgenommen werden, und ob sie meine Ansicht teilt, daß es sowohl für unser europäisches Ansehen als auch für die Entwicklung Afrikas verderblich wäre, wenn die innereuropäischen Differenzen zwischen EWG und EFTA nun auch noch auf Afrika übertragen würden, wenn die innereuropäischen Wirtschaftszwistigkeiten auch auf Afrika



Kalbitzer
übergreifen sollten. Ich frage: Wozu ist die Bundesregierung bereit, um diese unmittelbar vor uns stehenden, schon in der Entwicklung begriffenen Schwierigkeiten zu überwinden?
Ich möchte noch einen weiteren Vorschlag machen, daß nämlich die Beteiligung der Bundesrepublik an dem EWG-Entwicklungsfonds für Afrika ergänzt wird: es sollte überlegt werden, ob es nicht zweckmäßigt wäre — ich sage offen: ich halte es für zweckmäßig —, daß wir uns finanziell auch beim Colombo-Plan engagieren, d. h. bei einer Gemeinschaft von Industrie- und Entwicklungsländern in Südostasien, an der auch Länder außerhalb des Commonwealth, zum Beispiel Japan, teilnehmen, um die eigene Finanz- und Wirtschaftskraft für Südostasien nutzbar zu machen. Zu dieser Anregung, die ich mir erlaube, würde ich gerne die Meinung der Bundesregierung hören.
Ich komme nun zu einer internationalen Organisation, der gegenüber nach meiner Meinung einige Bedenken angemeldet werden müssen, über deren Ausräumung man sich unterhalten kann. Auf Initiative der Nordamerikaner ist vor einigen Monaten eine Arbeitsgruppe „Development Assistance Group" — abgekürzt „DAG" — gebildet worden. Diese Arbeitsgruppe hat keine Statuten, hat keinen Vertrag, ist einfach aus ,dem Augenblick heraus geboren. Ihr gehören fast ausschließlich Industrieländer an, die ehemals kolonialen Besitz gehabt haben, mit Ausnahme von Kanada und der Bundesrepublik selber. Aber wenn man sich die Liste dieser Mitgliederländer ansieht, so stellt man fest, daß sie früher sämtlich Kolonialmächte gewesen sind — was in der damaligen Zeit eine Sache war, über die wir heute kein Wort mehr zu verlieren brauchen —, des weiteren aber, daß sich in ,der Liste dieser Mitglieder u. a. auch Portugal befindet; und nun würde ich gern einmal hören, was die Bundesregierung bewogen hat, dafür zu sein, daß Portugal — neben Spanien das einzige Land auf dieser Welt, das die alte, überholte, der Vergangenheit angehörende Kolonialpolitik auch noch für die Zukunft konservieren will — Mitglied der DAG wurde. Portugal ist kein Industrieland, das den Entwicklungsländern überhaupt helfen könnte; es ist selber rückständig, es ist selber noch in einem halbfeudalen Zustand. Aber in diesen halbfeudalen Zustand, in dieser politischen Borniertheit wird von der portugiesischen Regierung heute ein Krieg, ein Rassen- und Kolonialkrieg, in Angola geführt. Wenn wir uns mit den Portugiesen hier in ein Boot setzen, so setzen wir uns also der Gefahr aus, ,daß wir die Schläge, die Portugal bekommt, mit auf unseren Buckel herniederziehen.
Ich meine also, daß die Development Assistance Group aus Gründen ins Leben gerufen worden ist, die bis heute nicht ganz klar sind. Die Art dieser Gruppe wird von mir mit um so mehr Mißtrauen betrachtet, als ich kürzlich hörte, daß Schweden — also ein wirkliches Industrieland, das potente Entwicklungshilfe leistet — auf ,die Erklärung, es möchte bei der Development Assistance Group künftig zunächst als Beobachter mitarbeiten um sich dann zu entscheiden, ob es Vollmitglied werden könne —,die Antwort erhalten hat, daß solches unerwünscht sei. Es ist also unerwünscht, daß Schweden bei der DAG zunächst Beobachter und künftig vielleicht Vollmitglied wird. Es ist andererseits Tatsache, daß die bornierte rückständige Kolonialmacht Portugal in diesem Verein Mitglied ist. Was also soll das Ganze?
Die Sache wird dadurch noch obskurer, daß man behauptet, ,die Development Assistance Group sei nur ein Vorläufer der demnächst zu gründenden europäisch-amerikanischen Wirtschaftsorganisation, bei der natürlich Schweden zu den Signatarmächten gehört. Also die, die später dabei sein sollen, werden heute ohne Not ausgeschlossen; dafür wird aber ein Land eingeschlossen, das sich in dieser Gesellschaft schlecht ausnimmt.
Ich möchte also die Bundesregierung bitten, der Gefahr, daß sie als neokolonialistisch mißverstanden wird, beizeiten zu begegnen und klarzustellen, warum sich Portugal innerhalb der Development Assistance Group und Schweden außerhalb der Development Assistance Group befindet.
Es ist in der Öffentlichkeit wiederholt auch die Forderung aufgestellt worden, die NATO. solle künftig die Entwicklungspolitik betreiben. Ich war sehr bestürzt, als ich vor einiger Zeit hörte, daß dieser Vorschlag vom Bundesaußenminister gemacht worden sei, und ich freue mich, daß wir so schnell ein Dementi von ihm erhalten haben, die Erklärung, daß nicht daran gedacht ist, die NATO, die militärpolitische Aufgaben hat — und nur haben kann; dazu ist sie gegründet —, mit der Entwicklungspolitik zu vermischen; und ich muß Ihnen offen sagen, Herr Minister: es wäre mir beruhigend, wenn die Bundesregierung künftig keinen Anlaß mehr zu derartigen Mißverständnissen gäbe, die immerhin aus sehr seriösen amerkanischen Quellen bekannt wurden. Die NATO ist ein Bündnis zur militärischen Verteidigung Westeuropas. Sie ist kein westlicher Interessentenklub zur Sicherung irgendwelcher abendländischer Interessen in den Entwicklungsländern. Man würde die blockfreien Länder abstoßen, wenn man die NATO wieder ins Spiel brächte und militärpolitische Notwendigkeiten der Sicherung Europas mit weltpolitischen Notwendigkeiten der Entwicklungsländer verquickte.
Der Sicherheitsfaktor der Entwicklungsländer ist langfristig, weil er die Umwandlung der zusammenbrechenden Gesellschaftsform in den Entwicklungsländern in moderne Industriestaaten fördern soll. Die Bundesregierung würde also, besonders auf Grund unserer jüngsten Vergangenheit, in einer schiefen Schlachtordnung stehen, wenn sie sich voreilig an der militärischen Ausrüstung von Entwicklungsländern beteiligen würde.
Ich will hier keineswegs die Frage zur Diskussion stellen, ob nicht deshalb, weil die eine Weltmacht Entwicklungsländer militärisch unterstützt, die andere natürlicherweise das auch tun muß, sondern möchte nur sagen, daß es für uns mit unserer politischen Vergangenheit, mit unseren politischen Lasten auf dem Rücken unzweckmäßig wäre, uns an einer solchen Militärpolitik gegenüber den Entwicklungsländern zu beteiligen.



Kalbitzer
Ich würde es sehr gerne sehen — lassen Sie mich damit die vierte Frage abschließen —, wenn die Bundesregierung alles in ihrer Kraft Stehende täte, um die friedlichen Aktionen der Vereinten Nationen für die Entwicklungsländer möglichst effektiv zu machen.
Ich darf zur letzten, zur fünften Frage, kommen:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Zusammenarbeit mit den Ländern der Bundesrepublik, um eine wirksame Koordinierung aller entwicklungspolitischen Maßnahmen ,der öffentlichen Hand zu erreichen?
Die Frage betrifft das Verhältnis zwischen Bundesländern und Bundesregierung in der Frage der Verpflichtung in der Entwicklungspolitik. Die Bundesländer haben bereits zu erkennen gegeben, daß sie sich dieser Verpflichtung bewußt sind. Wir sollten das allesamt begrüßen. Aber wir müssen natürlich auch klarstellen, daß es unzweckmäßig wäre, wenn heute einzelne Bundesländer eigene auswärtige Beziehungen zu irgendeinem Entwicklungsland aufnehmen wollten. Die Aufgabe in der Entwicklungspolitik ist den deutschen Bundesländern durch die grundgesetzliche Regelung der Kompetenzen der Bundesländer, wie ich meine, bereits gestellt: es sind die Fragen der Kulturpolitik. In den Fragen der Kulturpolitik haben die Länder Kompetenzen, die ihnen keiner abnehmen kann. Es ist natürlich ganz selbstverständlich, daß auch das Auswärtige Amt eine Kulturpolitik betreibt. Aber der Bund kann nicht alle für die Entwicklungspolitik sich stellenden kulturellen Aufgaben übernehmen; er soll es auch nicht und braucht es nicht. Die Bundesländer haben sich vor einigen Monaten bereit erklärt, zu den etwa 3 1/2 Milliarden DM einmalig 500 Millionen DM in der ersten Finanzierungstranche zuzuschießen. Das war eine gute Leistung der Bundesländer; aber sie kann, weil sie den Bundesländern wesensfremd ist, nicht wiederholt werden. Die Bundesländer können aus dieser einmaligen Leistung natürlich keine Ansprüche auf Mitsprache von sich aus geltend machen.
Ich habe gesagt, daß sich die Bundesländer bereit erklärt haben, und zwar aus der Notwendigkeit des Augenblicks geboren, 500 Millionen DM zu geben. Das heißt, daß sie ihre Aufgabe mindestens in entsprechendem Umfang, und zwar auf dem Gebiet der Kultur, zu erfüllen haben und daß sich daraus den Ländern gegenüber, wenn sie hier ihre Aufgabe erfüllen, Pflichten ergeben.
Was die Bundesländer für die Entwicklungspolitik insbesondere tun sollten, wäre der Ausbau und die Modernisierung der Hochschulen. Es müßten Ausbildungsprogramme vorgelegt werden, Ausbildungsprogramme für Deutsche, die in die Entwicklungsländer gehen, und für überseeische Studenten, die hierherkommen. Es handelt sich aber natürlich nicht einfach um die Aufnahme von Studenten oder den Bau von Studentenwohnheimen. In diesen Fragen sind die Schwierigkeiten inzwischen überwunden; diese Dinge sind im allgemeinen angelaufen. Die Universitäten und die Hochschulen müssen auf den verschiedensten Gebieten Forschungsprobleme der Entwicklungshilfe übernehmen. Ich muß offen sagen: ich habe den Eindruck, daß in dieser Frage die Hochschulen zur Zeit ihrer Aufgabe überhaupt nicht gewachsen sind. Ich behandle das hier nicht in extenso, sondern nur in Paranthese deshalb mit, weil hier die Kompetenz natürlich bei den Ländern liegt. In den politischen Wissenschaften, in der Volkswirtschaft, der Finanzwissenschaft, der Soziologie, der Pädagogik und der Geschichte haben die deutschen Hochschulen heute keine Programme, um wirklich wissenschaftlich für diese Aufgaben tätig werden zu können. Die finanzielle Hilfe, die wirtschaftliche Hilfe und menschliche Hilfe genügen eben nicht, sondern es muß auch wissenschaftliche Hilfe in großem Maße gewährt werden. Zufriedenstellend ist, soweit ich es beobachtet habe, die Leistung der Hochschulen in dieser Beziehung eigentlich nur auf den Gebieten der Technik und der Medizin. Das ist gut und schön, aber ich habe ja darauf hingewiesen, daß das eben nicht alles ist. Ein Entwicklungsland zu modernisieren heißt nicht nur, Kapital zu geben, sondern heißt, das ganze Leben in diesem Lande zu modernisieren und es dem einer Industriegesellschaft anzupassen.
Zur Mobilisierung der deutschen Bildung auf dieses Ziel hin bedarf es der verantwortlichen Mitarbeit der Länder in Zusammenarbeit mit {dem Bund und in Zusammenarbeit mit Organisationen privater Initiative. Es ist in ,den letzten Monaten häufig darüber gelästert worden, daß sich alle möglichen privaten Entwicklungsklubs gebildet hätten. Sicher hat es manchmal mehr guten Willen gegeben als praktische Leistung, aber im Prinzip muß man feststellen, daß es für ,die privaten Organisationen, die es sich angelegen sein lassen, für die Entwicklungshilfe etwas zu tun, für die Organisationen, die den Kirchen, den Gewerkschaften oder anderen öffentlichen Einrichtungen nahestehen, eine wesentliche Aufgabe ist. Ich unterschätze auch in diesem Punkte nicht Idie Schwierigkeiten der Koordinierung der Aufgaben zwischen dem Bund, den Ländern und den freien Organisationen.
Damit möchte ich schließen. Die Bundesregierung sollte Erwägungen über eine bessere Koordinierung der Mitarbeit der Länder in den zentralen Planungsarbeiten für Entwicklungspolitik anstellen. Wenn Sie .sich, meine Damen und Herren, darüber klar sind, daß auch Wissenschaft und Bildung für die gesamte Entwicklungspolitik eine entscheidende Aufgabe haben, dann können Sie nicht übersehen, daß die Länder bei der zentralen Planung der Entwicklungspolitik eine Aufgabe haben und deshalb dabei sein müssen. Man könnte erwägen, aus diesem Grunde die Länder zu dem interministeriellen Ausschuß hinzuzuziehen; aber wie Sie aus meinen Ausführungen schon ersehen, gebe ich — im Hinblick auf seine bisherige Leistung — auf diesen interministeriellen Ausschuß nicht allzu viel. Ich glaube, daß er falsch angelegt ist. Das liegt jedoch nicht an den Persönlichkeiten, sondern daran, daß er nur eine Notlösung ist.
Wenn Sie also nicht ,dem Gedanken nähertreten, daß die Länder an dem interministeriellen Ausschuß selber beteiligt werden, dann müssen Sie eine an-



Kalbitzer
dere organisatorische Form finden, um die Länder in die Entwicklungspolitik verantwortlich mit einzuschalten. Die Länder haben für diese Aufgabe ihrerseits große Beträge zur Verfügung zu stellen. Sie haben ihre Bereitschaft dazu schon einmal bewiesen, und ich bin überzeugt, daß sie das auch weiter tun werden. Diese Bereitschaft der Länder zur Entwicklungshilfe muß honoriert werden. Wir müssen lernen, alle in Deutschland vorhandenen Kräfte, die guten Willens sind — woran ich nicht zweifle —, auch wirklich zu aktivieren.
Die Führung der Entwicklungspolitik muß bei der Bundesregierung liegen, und ich fordere die Bundesregierung deshalb auf, mehr als bisher zu tun, sich nicht in diese Politik hineindrängen zu lassen, nicht nur zögernd nachzukommen, sondern kühn zu einer neuen Politik voranzuschreiten, die dem deutschen Volk künftig eine neue und bessere Position in !der Weltpolitik geben wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315900900
Der Antrag unter 2 b der Tagesordnung wird von dem Herrn Abgeordneten Kühn (Köln) begründet. Er hat das Wort.

Heinz Kühn (SPD):
Rede ID: ID0315901000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Kalbitzer hat das Gespräch über die Entwicklungshilfe vor allen Dingen unter den politischen Gesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftshilfe für die Entwicklungsländer eröffnet. Ich habe den Antrag Drucksache 2607 zu begründen, bei dem es um die menschliche Hilfe geht, d. h. die Hilfe, die wir durch Entsendung von Menschen zu leisten haben. Das ist eine Aufgabe, die vielleicht noch wichtiger ist als die Hergabe von Krediten und die Lieferung von Maschinen.
Diese Hilfe steht arg im Schatten aller Entwicklungsdebatten, und es gibt ein bitteres Wort unter den mit diesem Problem Vertrauten, ein Wort, das besagt, es sei leichter, für ein Projekt der Wirtschaftshilfe 5 Millionen loszumachen, als für ein Projekt der Menschenhilfe 50 000 DM zu mobilisieren. Nun, ich glaube, die Erkenntnis, daß auch auf diesem Gebiete sehr viel mehr getan werden muß, schreitet sehr schnell fort. In diesen Tagen hat der beim Auswärtigen Amt geschaffene Kulturpolitische Beirat sehr stark darauf hingewiesen, daß wir viel mehr als bisher deutsche Fachkräfte in die Entwicklungsländer schicken sollten.
Ich weiß, daß wir deshalb mit unserem Antrag kein Problem ansprechen, das zwischen den Fraktionen dieses Hauses kontrovers ist. In allen Arbeitskreisen der Fraktionen sind Gruppen von Spezialisten damit beschäftigt, an diesem Problem zu arbeiten, und es ist die Aufgabe dieses Teiles der Debatte, hier auch nur einige Hinweise zu geben, Akzente zu setzen und vielleicht auch durch einiges Drängen dieses Problem nach vorn zu schieben.
Lassen Sie mich dabei eine Bemerkung vorwegschicken. Ich möchte auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der der Notwendigkeit der Entsendung deutscher Menschen, um immer wieder dies Wort zu gebrauchen: als Menschenhilfe nach draußen, ein besonderes Gewicht gibt. Die Emanzipation der asiatischen und afrikanischen Völker in den Entwicklungsländern beschränkt sich ja nicht auf das Politische, auf das Wirtschaftliche und auf das Soziale, sondern sie vollzieht sich auch auf dem Gebiet des Kulturellen. Es kommt zu einem immer stärkeren aktiven geistigen Austausch dessen, was wir in Europa, in der sich als entwickelt empfindenden Welt und die Entwicklungswelt untereinander auszutauschen haben. Es wird nicht mehr lange dauern, und diese Länder werden nicht mehr nur oder vorwiegend die Annehmenden, sondern sie werden auch die Anbietenden sein. Die historische Situation dieses partnerschaftlichen geistigen Austauschs erfordert aber eine gegenseitige Kenntnis. Heute haben wir es, wenn wir Besuche in den Entwicklungsländern machen, vor allen Dingen mit Menschen zu tun, die auf westeuropäischen, manchmal auch auf osteuropäischen Universitäten ausgebildet sind, sei es Oxford oder Paris, sei es in manchen Gegenden Moskau oder Prag. Und wenn sie auf einheimischen Schulen und Universitäten ausgebildet worden sind, dann sind es solche, die nach Ausbildung und Bildungsinhalten von den Kolonialmächten oder weißen Vormundschaftsmächten nach ihren eigenen heimatlichen, europäischen Vorbildern errichtet worden sind, ob das in Senegal die Universität in Dakar, ob es in Ghana die Universität Legon, ob es in Nigeria die Universität Ibadan ist. Aber das ist ja alles nur ein vorläufiges, ein Durchgangsstadium. Immer stärker kommen in den Bildungsprozeß und in den geistigen Formungsprozeß dieser Völker auch die eigenen Elemente ihrer Kultur und werden zur Bildungswirksamkeit gebracht. In einer Generation wahrscheinlich schon werden diese Völker nicht nur zahlenmäßig die Mehrheit unter der Weltbevölkerung haben, sondern sie werden auch ihre volle kulturelie Emanzipation vollzogen haben. Sie werden dann in den Prozeß der Mitbestimmung über den Weg der Menschheit in vollem Umfange eintreten. Sie werden sich dabei auch der modernen und der traditionellen Massenmedien bedienen. Sie werden in Zeitungen und Zeitschriften, in Büchern und Filmen, in Radio und Fernsehen genauso zu uns sprechen und ihre Lebensinhalte und Vorstellungen an uns herantragen, wie wir es umgekehrt heute tun.
Sind wir nun auf diesen Austausch, der ein gegenseitiges Sichkennen voraussetzt, auch nur annähernd vorbereitet? Ich glaube, wir sind es nicht. Es wäre falsch, wenn wir uns aus einem vielleicht manchmal unbewußten Hochmut dauernd in der Rolle der Gebenden fühlten. Wir werden sehr damit konfrontiert sein, uns auf gleichberechtigter Ebene auch mit dem auseinanderzusetzen, was man dort anbietet, und ich glaube, wir sind eben darauf nicht vorbereitet.
Eine Untersuchung des Generalsekretärs des Deutschen Kunstrates hat jüngst ermittelt, daß es zum Beispiel in der ganzen Bundesrepublik nicht mehr als 20 bis 30 Menschen gibt, die eine japanische Zeitung oder ein japanisches Buch lesen können. Der Bundestag hat dieses Problem erkannt und die Initiative ergriffen. Wir haben in den letzten



Kühn (Köln)

Haushaltsplan Mittel für das Erlernen komplizierter Sprachen eingesetzt.
Aber das ist alles nur ein geringer Anfang. Im Hinblick auf das Problem, das wir heute hier zu diskutieren haben, bedeutet die Notwendigkeit, die wir aus dieser Erkenntnis ableiten, daß wir viel mehr junge Menschen — nicht nur junge, aber vor allen Dingen junge Menschen — in die Entwicklungsländer entsenden müssen, nicht nur unter dem Gesichtspunkt: wie können sie drüben mit ihren Kenntnissen helfen?, sondern auch unter dem Gesichtspunkt: was sollen sie dort an Erkenntnissen gewinnen? Sie sollen nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten dort hinbringen, sondern auch Kenntnisse und Fähigkeiten zu uns zurückbringen. Wir brauchen auch für uns Kenner der ganzen Problematik jener Entwicklungsländer und der kulturellen, der menschlichen, der sozialen und der politischen Begegnung. Es ist also ein Doppelproblem, und hier gilt es nicht nur, einen Appell ins Volk zu schicken — „Junge Menschen, findet euch bereit, diese Aufgaben zu übernehmen!", ich glaube, dies ist gar nicht so sehr notwendig —, sondern es kommt darauf an, daß wir auch die materiellen Sicherungen für die Menschen schaffen, die diese Aufgabe übernehmen, die Sicherung ihrer Eingliederung, wenn sie später wieder in unsere Heimat zurückkommen.
Es handelt sich vor allen Dingen um ein Problem auf dem Felde der akademischen Hilfe, der Entsendung von Dozenten und Lektoren, aber es ist nicht nur ein solches Problem. Doch zunächst zu diesem! Es gibt die Denkschrift der Rektorenkonferenz, die ) einen ganzen Katalog von Berichten enthält und die zu der alarmierenden Schlußfolgerung kommt, daß man in einer ganzen Reihe von Ländern, teils als Folge des Krieges, teils aber auch einfach als Folge der Nichtbeachtung dieses Problems, den Kontakt mit der deutschen Forschung und mit den deutschen Lehrmethoden fast völlig verloren hat. Der Einfluß der deutschen Wissenschaft, insbesondere die Zahl der in den Entwicklungsländern wirkenden Wissenschaftler, ist erschreckend gering geworden. Zum Teil, sagte ich, sind das Kriegsfolgeerscheinungen. An der Technischen Hochschule in Istanbul, an der Universität in Ankara, wo einmal deutsche Lehrer und deutsche Wissenschaftler eine ganz besondere Bedeutung gehabt haben — wir wissen von zwei Männern, die in unserer Mitte gewirkt haben oder noch wirken, nämlich Ernst Reuter und Professor Baade, daß sie an diesen Hochschulen gewirkt haben und mit ihnen viele andere deutsche Wissenschaftler —, sind die deutschen Wissenschaftler fast alle verschwunden. An ihre Stelle sind Wissenschaftler anderer europäischer Nationen getreten. Wir haben, und zwar vor allem, weil wir nicht ausreichende soziale und wirtschaftliche Sicherungen gewähren können, nicht mehr genug Wissenschaftler, die bereit sind, in diese Länder zu gehen.
Demonstratives Beispiel ist vielleicht das Erlebnis eines Bundesministers, der von einer Reise nach Teheran zurückkehrte und das Angebot mitbrachte, daß 18 aus der sowjetisch besetzten Zone geflüchtete Hochschullehrer in die iranischen Fakultäten entsendet werden könnten. Es fanden sich schließlich nur 6 Wissenschaftler bereit, in engere Verhandlungen einzutreten. Zum Schluß hat sich nicht ein einziges dieser Angebote realisieren lassen. Keiner der Herren ist hingefahren, weil eben die soziale und wirtschaftliche Sicherung nicht gewährleistet war.
Professor Jahrreiß hat am 6. Mai 1960 auf der Westdeutschen Rektorenkonferenz ein Manifest vorgelegt, in dem die Schlußfolgerung steht, daß heute der Entschluß zur Lehrtätigkeit im Ausland gleichbedeutend mit dem Entschluß sei, die akademische Laufbahn in Deutschland nicht mehr fortzusetzen. Jüngere Wissenschaftler gehen nicht mehr hinaus, weil sie in der Bundesrepublik für ihre Lehrtätigkeit sehr viel attraktivere Voraussetzungen finden und weil draußen ihre Bezahlung und — noch einmal sei es gesagt — vor allen Dingen auch ihre soziale Sicherung nicht ausreichen. Lektoren der deutschen Sprache erhalten heute nach diesem Bericht der Rektorenkonferenz draußen eine Bezahlung, die der einer deutschen Sekretärin bei unseren diplomatischen Auslandsvertretungen, nämlich der Tarifgruppe TOA VI, entspricht. Das Ergebnis ist in einer einzigen Zahl wiedergegeben, daß nämlich heute nur 58 Professoren unter den Bedingungen der Entwicklungsländer im Ausland tätig sind. In all diesen Entwicklungsländern weit um den Erdball 58! Das ist ein alarmierendes Zeichen. In den Mitteilungen der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer ist gerade für das Jahr 1960 eine Statistik veröffentlicht worden, wonach 97 Anfragen von 30 Hochschulen aus Entwicklungsländern nicht erfüllt werden konnten, und der Bericht der Deutschen Ibero-Amerikanischen Stiftung kommt zu dem Ergebnis, es handele sich um einen „Rückzug der deutschen Wissenschaft aus der Welt".
Es ist aber nicht nur ein Problem der Wissenschaftler, es ist auch ein Problem, das insbesondere unter den grundsätzlichen Gesichtspunkten, die ich in den einleitenden Teil meiner Ausführungen stellte, weiter und insbesondere auf junge Menschen hin gesehen werden muß. Hier haben wir es mit einem Problem zu tun, das durch das Stichwort „Friedenskorps" aus Amerika auf uns zugekommen ist, Ich weiß nicht, ob eine sorgfältige Beratung zu dem Ergebnis kommen kann, daß ein solches Friedenskorps die geeignetste Form der Entsendung junger Menschen ist. Darüber muß sorgfältig beraten werden; manches läßt sich hier für und gegen sagen.
Aber die Grundidee scheint mir auch in unsere politischen Überlegungen eingeführt werden zu sollen. In Amerika ist sie aus einer Anregung des Vorsitzenden der amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft Walter Reuther entstanden, der zu Beginn des Jahres 1960 die Idee entwickelte, hunderttausend junge Menschen sollten auf einen besonderen Friedensdienst vorbereitet werden, den man sie auch als Ersatz für den Wehrdienst ableisten lassen könne. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat im Februar 1960 eine Enquete darüber anstellen lassen, und Kennedy hat schließlich diesen Gedanken in seine Präsidentschaftskampagne hineingetragen.



Kühn (Köln)

In Deutschland haben die Sozialdemokraten auf ihrem Kulturkongreß in Wiesbaden diesen Gedanken der Öffentlichkeit unterbreitet. Wir haben auf diesem Wiesbadener Kongreß darauf hingewiesen, wie notwendig es sei, junge Menschen wieder zu bewegen, dieses Wagnis der Entwicklungshilfe auf sich zu nehmen, eine Weile unter den annähernd gleichen Lebensumständen zu leben, wie die Völker in den Entwicklungsländern leben, nicht mit all dem Komfort entsandter Experten großer internationaler Organisationen. Ihr menschlicher Kontakt zu den Menschen dort draußen wird nur in dem Maße herzustellen sein, in dem diese jungen Menschen bereit sind, auch in erträglich angenäherten Lebensumständen zu denjenigen dieser Menschen dort zu leben.
Nun, dieser Appell an die Opferbereitschaft und an den Idealismus darf nicht nur ein belletristischer Appell sein. Wir werden einiges zur praktischen Durchführung zu tun haben. Dazu gehört auch die materielle und soziale Sicherung dieser Menschen, dazu gehört ihre Ausbildung. Wir haben gefordert, man möge besondere Ausbildungsstätten eines solchen Entwicklungsdienstes erwägen, die genauso materiell in unsere Haushalte eingebaut werden müßten wie die Ausbildungsstätten des Militärdienstes. Es ist durchaus auch hier zu überlegen — und ich bin sehr froh darüber, zu hören, daß diese Überlegung sogar im Inneren ,der Bundesregierung angestellt wird —, ob man nicht einen solchen Entwicklungsdienst, der unter diesen erschwerten Bedingungen und nach einer sorgfältigen Vorbereitung übernommen wird, als Ersatz für den Militärdienst anerkennen sollte.
Wenn man diesen Weg beschreitet, sollte man es nicht in Form eines staatlichen Korps machen, sondern man sollte sich auch hier der privaten Organisationen bedienen, die sehr viel erfolgreicher auf diesem Gebiet wirken können als behördliche Institutionen. Die Jugendorganisationen, die politischen Organisationen, die kirchlichen Einrichtungen, die gewerkschaftlichen Verbände, sie alle werden erfolgreicher wirken können, weil sie als Gesinnungsgemeinschaften stärkere geistige Mobilisationskräfte auslösen können als behördliche Einrichtungen.
Man hat dieser Idee oft entgegengehalten, es handle sich dabei um ein schwer zu lösendes Problem, weil es einen Bereitschaftsmangel in unserem Volk gebe, sich für einen solchen Entwicklungsdienst zur Verfügung zu stellen. Vor wenigen Wochen hat in Tegel im Rahmen 'der Akademie eine Konferenz der Organisationen stattgefunden, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Diese Organisationen sind zu einem völlig gegenteiligen Ergebnis gekommen. Der Vertreter der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung hat gesagt, es meldeten sich jährlich 50 000 Menschen für diese Arbeit und es sei damit zu rechnen, daß in naher Zukunft ein Ansturm auf alle zuständigen Stellen einsetzen werde, dem man durch Vorausplanung gewachsen sein müsse.
Aber auch hier geht es nicht nur um die politische und menschliche Seite des Problems, sondern darum, die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die soziale Sicherung und die Sicherung der weiteren beruflichen Aufstiegsmöglichkeit 'in der deutschen Heimat zu schaffen.
Bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit will ich hier nichts über die innen- und außenpolitische Problematik einer solchen Organisationsform sagen; sie gehört auch nicht zum heutigen Themenkreis. Wir wissen, daß die amerikanische Idee eines Friedenkorps in dein Entwicklungsländern auf einige Reserve gestoßen ist. Ich selber war in Westafrika, als die Zeitungen darüber berichteten, und kenne die Argumente, die hinter dieser Reserve stehen. Wenn wir einen solchen Weg 'beschreiten sollten, käme es natürlich darauf an, einem solchen Entwicklungsdienst nicht den Charakter einer militanten, politisch-missionarischen und geistig uniformierten Organisation zu geben. In dieser Form könnte ein solcher Jugendentwicklungsdienst keineswegs zu einem Erfolg werden.
Aber gerade junge Menschen hinauszuschicken in diese Länder, ist, glaube ich, doppelt wichtig, wenn wir uns noch eine Tatsache vor Augen führen: das ist die Alterspyramide in den Entwicklungsländern. Wir wissen, wie sehr die jungen Menschen in den Entwicklungsländern immer mehr deren äußeres Bild prägen. In den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind 40 % der Bevölkerung unter 15 Jahren.
Das Problem präsentiert sich uns aber nicht nur unter dem Stichwort „Friedenskorps". Es ist eine andere Idee aufgeworfen worden: die der Juniorexperten. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat schon vor längerer Zeit auf die Möglichkeit hingewiesen, die bereits seit langem besteht, Nachwuchskräfte, die zu späterer selbstverantwortlicher Tätigkeit in den Entwicklungsländern fähig gemacht werden sollen, den Experten der großen internationalen Organisation als Juniorexperten beizugeben.
Es gibt auch andere Überlegungen, die hier praktiziert werden könnten. Es gibt eine Organisation, die sich „International Association for the Exchange of Students for Technical Experimences" nennt, eine Organisation, die mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zusammenarbeitet und sich den Austausch von Praktikanten zur Aufgabe gesetzt hat, die an deutschen technischen Hochschulen lernen. Das Ziel ist, daß künftig jeder Bergbauingenieur und auch möglichst andere darüber hinaus sechs bis acht Wochen unter Tage im Ausland arbeiten. Der geographische Bereich dieser Organisation ist zunächst auf die EWG-Länder zu beschränken. Aber man könnte sich vorstellen, daß wir in den Beratungen des Ausschusses auch Wege finden, Ideen zu entwickeln, Variationen, Ausgestaltungen solcher Ideen auch für die Entwicklungsländer
Aber immer wieder: ein breites Feld kann diese Aktivität nur gewinnen, wenn die Probleme der sozialen und wirtschaftlichen Sicherung gelöst sind. Ein weiter Kreis von Betroffenen muß in diese Aufgabe einbezogen werden. Der Personenkreis konzentriert sich auf vier Gruppen: auf die Beamten und Angestellten des Bundes, der Länder und Ge-
Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 9215
Kühn (Köln)

meinden sowie anderer öffentlich-rechtlicher Dienstherren, auf die Angehörigen sonstiger Berufe, die im Rahmen eines normalen beruflichen Vertragsverhältnisses oder freiberuflich im Rahmen der Entwicklungsförderung hinausgehen oder bei der Errichtung von Entwicklungsprojekten tätig sind. Die dritte Gruppe würden die Entwicklungshelfer in dem Sinne sein, den ich soeben behandelt habe, also Menschen, ,die im Rahmen gemeinnütziger Entwicklungsvorhaben einen Dienst leisten. Die vierte Gruppe wären die Personen, die sich zur Ausbildung oder Weiterbildung in Entwicklungsländern aufhalten oder sich auf die Tätigkeit in Entwicklungsländern im Inland oder in anderen Industrieländern vorbereiten. Es sollte bei diesem Personenkreis, dessen soziale und wirtschaftliche Sicherung man ins Auge fast, gleichgültig sein, ob die Betreffenden im Rahmen deutscher oder internationaler amtlicher Stellen, ob sie bei Projekten der gewerblichen Wirtschaft oder im Dienst von Verbänden und freien Organisationen tätig sind oder ob sie im Vertragsverhältnis mit ausländischen Entwicklungsstellen, ausländischen Firmen oder Behörden stehen.
Voraussetzung für die Einbeziehung in dieses System von zu erarbeitenden sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen sollte allein sein, daß die Tätigkeit, die die Betreffenden draußen ausüben, einer sinnvollen Entwicklungsförderung dient und den Interessen der Bundesrepublik und einer freiheitlichen Entwicklung nach den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen nicht zuwiderläuft. Auf diesen Personenkreis, auf diesen Tätigkeitsbereich und auf diese Prinzipien sollte sich die komplexe Summe von Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Sicherung von Deutschen, die in Entwicklungsländern wirken, aufbauen. Es wird ein komplexes Werk von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsabkommen sein müssen. Das Ziel sollte sein, daß es, ähnlich wie wir es für Wirtschaftsmaßnahmen unter dem Begriff der Hermesbürgschaft haben, auch eine Hermesbürgschaft für menschlichen Einsatz gibt. Da werden sich in die Verantwortung Bund und Länder zu teilen haben. Die Kultusministerkonferenz hat sich auf ihrer Darmstädter Tagung und auf ihrer letzten Plenarsitzung im Dezember 1960 bereit erklärt, auf diesem Gebiet aktiv zu werden.
Es kommt nun darauf an, daß die Bundesregierung und wir im Ausschuß alle die Aktivitäten und Anregungen auf diesem Gebiet koordinieren. Ich will ein paar Punkte — angesichts der freitäglichen Zeitbedrängnis im Telegrammstil — anführen:
Es handelt sich zunächst um die Sicherung des Arbeitsplatzes in der Heimat für die ins Ausland gehenden Menschen. Hier sollten Vorkehrungen getroffen werden, die eine bevorzugte Vermittlung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik für diese Menschen bei ihrer Rückkehr vorsehen, wobei der Auslandsaufenthalt als qualifikationssteigernd gewertet werden sollte. Man sollte die Wiedereingliederung dieser Menschen in den normalen beruflichen Entwicklungsprozeß in der Heimat mit Darlehen, Rechtshilfen und Beratungen erleichtern.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat in seiner Denkschrift vom
Januar 1960 vorgeschlagen, daß man finanzielle Voraussetzungen dafür im Bundeshaushalt schaffen sollte. Er hat insbesondere die Anrechnung der im Ausland verbrachten Dienstjahre, die Aufrechterhaltung von Pensionsansprüchen und auch von Anciennitätsansprüchen — was ja gelegentlich im Universitätsleben eine Rolle spielt — genannt. Hier handelt es sich vor allem um entsandte Kräfte aus dem wissenschaftlichen Dienst. Aber sie sind nicht allein betroffen. Es handelt sich um alle, die hinausgehen und einen ausländischen Arbeitgeber haben.
Die Überprüfung der hier zur Diskussion stehenden Probleme hat ergeben, daß diejenigen, die von einem deutschen Arbeitgeber entsandt werden, sei es von einer Behörde, sei es von einem privaten Arbeitgeber — und darum geht es ja bei fast allen technisch-industriellen Projekten —, im Regelfall annähernd ausreichend gesichert sind. Ganz anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber ein fremder Arbeitgeber ist.
Völlig unzureichend ist 'bisher für die ins Ausland Gegangenen die Frage des Versicherungsschutzes sowie die Frage der Sicherung im Krankheitsfall geregelt. Es gibt vorläufig überhaupt noch keine ausreichende Vorsorge für den Fall der Erkrankung an Tropenkrankheiten. Da bleibt nur der private Versicherungsschutz, der meistens mit enormen Kosten verbunden ist. In die Überlegungen der Bundesregierung und des Ausschusses, der sich mit diesen Fragen zu beschäftigen haben wird, sollte einbezogen werden, ob man nicht durch Abschluß einer Gruppenversicherung gegen Unfall für diese Menschen eine Sicherung schaffen kann, die sie sich durch privaten Versicherungsschutz angesichts der hohen Prämien nicht verschaffen können.

(Zustimmung bei der SPD.)

Mir ist von einem Fall erzählt worden, wo einer entsandten Kraft, also jemandem, der sich noch eines besonderen Schutzes sicher. fühlen konnte, nach dreimaliger Erkrankung an Amöbenruhr mitgeteilt worden ist, daß ihm eine Beihilfe nicht mehr gegeben werden könne; er müsse, sich privat weiterhelfen. Ich glaube, das geht einfach nicht. An mannigfachen Beispielen wird sichtbar, wie unzureichend der soziale Schutz hier noch ist, vor allen Dingen in Fällen der Krankheit.
Für die Sicherung der Universitätskräfte sollte man vielleicht erreichen können — und das ist nicht so sehr eine Sache des Bundes, aber die Bundesregierung könnte hier im Gespräch mit den Ländern eine Initiative auslösen —, daß die Fakultäten die Professoren und Dozenten entweder selbst entsenden oder so bewerten und sichern, als ob sie durch die Fakultät entsandt worden wären. Das gibt ein höheres Maß an moralischer Verpflichtung, sich des Schicksals dieser Menschen anzunehmen.
Die Kultusminister haben ihre Bereitschaft er- klärt, Leerstellen in den Studienplänen zu schaffen. Nun kommt es darauf an, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Wiedereingliederung — ich weiß, daß Mittel im Haushalt dafür vorhanden sind, aber in einem völlig unzureichenden Maß —, die Überbrückung in einem viel stär-



Kühn (Köln)

keren Maße garantieren, wenn die Leute von ihrem wissenschaftlichen Lehrauftrag in die Heimat zurückkommen.
In Kreisen der Universitäten ist erwogen worden, ob es nicht möglich sei, Menschen, die glauben durch ihren Auslandsaufenthalt den Anschluß an die wissenschaftliche Entwicklung in der Heimat verloren zu haben oder ihn vielleicht wirklich verloren haben, ein Lehrjahr zu ermöglichen, in dem sie von Verwaltungsarbeit völlig befreit werden und sich ausschließlich der Forschungsarbeit widmen können. Das muß mehr in den Landtagen als in diesem Hause besprochen werden. Aber, ich glaube, auch von dieser Tribüne sollte gesagt werden, daß es ebenfalls Sache der Universitäten ist, ein gewisses „binnenländisches" Denken zu überwinden, und daß wir alle vom Bund und von den Ländern her die Voraussetzungen schaffen müssen für einen, ich möchte es nennen: Entwicklungsdienst der deutschen Wissenschaft, der vor allen Dingen eine Aufgabe des jungen wissenschaftlichen Nachwuchses ist.
Zum Schluß möchte ich ganz kurz noch ein Problem erwähnen, dem ich unlängst bei einer Reise begegnet bin. Sowohl in Togo als auch in Ghana wurde von unseren diplomatischen Vertretungen und von den Regierungsstellen der Länder der dringende Wunsch ausgesprochen, ihnen Ärzte zu senden. Zufällig hatte mir bei dem letzten Gespräch, das ich auf afrikanischem Boden führte, unser diplomatischer Vertreter in Ghana noch in einem besonderen Maße diesen Wunsch mit auf den Weg gegeben. Im Flugzeug über europäischem Boden war mein erster Gesprächspartner ein junger Arzt, mit dem ich über diese Probleme ins Gespräch kam. Er sagte mir, es gebe seiner Überzeugung nach eine große Zahl von jungen Ärzten — und er war schon einer —, die bereit sein würden, einen solchen Dienst in Entwicklungsländern zu leisten, dorthin zu gehen und Arbeit als Arzt zu tun. Hier können wir helfen.
Auf dem Gebiet der Entsendung wissenschaftlicher Lehrkräfte wissen wir, wie arg es oft bei uns selbst aussieht und daß viele Lehrstühle nicht besetzt werden können, daß in unserem eigenen Universitätsleben noch manche Lücken zu schließen sind. Aber 'mit Ärzten könnten wir helfen. Bei uns entfällt, wenn ich die Zahlen richtig weiß, ein Arzt auf 600 Menschen, in sehr vielen Entwicklungsländern kommt ein Arzt ,auf nahezu 60 000 Menschen. Hier ist eine große humanitäre Aufgabe zu bewältigen.
An diesem Beispiel zeigt sich ein richtiges Problem. Wenn ein solcher Wunsch an unser Auswärtiges Amt oder eine andere Stelle der Regierung herangetragen wird — und in diesem Fall ist er herangetragen worden, und er könnte erfüllt werden, aber trotzdem hat häufiges Nachfragen nicht zu einem Ergebnis geführt —, ergibt sich doch die Frage: Wohin wendet sich das Amt, um ein solches Bedürfnis auch bekanntzumachen und zu erfüllen? Ist die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der geeignete Ort? Ist sie nicht vielleicht zu sehr ein Mammutapparat und für solche Aufgaben nicht geeignet?
Auch dies, was hier als Anregung vorgetragen wird, werden wir im Ausschuß beraten: Ist es nicht, falls die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung die zuständige Instanz dafür wird, zumindest richtig, ihr einen Beirat aus sachkundigen und in Entwicklungsprojekten erfahrenen Persönlichkeiten beizugeben?
Ich habe gesagt, daß wir glauben, die Bereitstellung des Entwicklungspersonals, seine Vorbereitung und seine Betreuung bis zu seiner Wiedereingliederung sollte in unserer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaftsordnung vor allen Dingen einer Vielzahl von Einrichtungen übertragen werden. Es werden sich in die Summe der hier behandelten Maßnahmen, in die Verantwortung für diese Maßnahmen und in die Festlegung zu teilen haben die Bundesregierung und unser Parlament, die Länderregierungen und die Ständige Konferenz der Kultusminister. Diese Arbeit werden freie Verbände und Organisationen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, Erwachsenenbildungs-Organisationen und solche des internationalen Kulturaustausches, die Kirchen und die Religionsgemeinschaften, die Universitäten und die Hochschulen und die Gemeindeverbände zu tragen haben.
Es ist zu überprüfen — auch dies als Anregung an die Adresse der Bundesregierung und an die des Ausschusses; der das Problem zu beraten hat, vorgetragen —, ob es nicht zweckmäßig ist, eine Bundesstiftung für Entwicklungspersonal zu schaffen und die Zusammenfassung der Aufgaben einem Bundesbeauftragten für Personal in Entwicklungsländern zu übertragen.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Noch ein Verein!)

Ich bitte das Haus, damit einverstanden zu sein, daß unser Antrag dem Ausschuß für Entwicklungsfragen überwiesen wird, um dort sorgfältig geprüft zu werden.
Ich möchte zum Schluß noch einmal sagen, daß wir hier nicht ein Problem zur Debatte gestellt haben, das im Streit und Widerstreit von Regierung und Opposition steht. Es war auch nicht Sinn meiner Ausführungen, eine Anklage wegen Versäumnisses gegen die Bundesregierung zu erheben, wenngleich wir die Mahnung an die damit nun einmal verantwortlich beauftragten Stellen aussprechen möchten: Es ist hohe Zeit, konkrete Lösungen zu finden. Wenngleich wir auch auf eine Reihe von wirklich beklagenswerten Versäumnissen hinweisen können, ist es nicht Sinn dieser Unterhaltung, Anklage zu erheben, sondern einen Appell an die Einsicht aller Verantwortlichen zu richten. Verantwortlich in diesem Sinne sind die Regierungen in Bund und Ländern. Die Verantwortlichen sitzen auf den Bänken dieses Parlaments und der Landtage. Sie sitzen in den Fakultäten der Universitäten und in den Selbstverwaltungen der Gemeinden. Sie alle müssen erkennen, daß wir hier eine vordringliche Aufgabe zu erfüllen haben, die uns im Drange der täglichen Geschäfte unserer Arbeit nicht in den Hintergrund geraten darf.

(Beifall bei der SPD.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315901100
Herr Kollege Kühn, wir können nur an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten überweisen, der dann von sich aus den Unterausschuß für Entwicklungsfragen betrauen kann.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0315901200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die letzten Ausführungen von Herrn Kollegen Kühn anknüpfen und auch von mir aus mit großer Befriedigung feststellen, daß es sich in der Tat nicht um ein Problem handelt, das in irgendeiner Weise zwischen Regierung und Opposition kontrovers ist. Vielleicht ist in dem einen oder anderen Falle de Frage, wie wir Pläne verwirklichen sollen, kontrovers. Das soll auch so sein. Selbstverständlich! Aber ich habe doch den Eindruck, daß wir uns im Grundsätzlichen in weitgehender Übereinstimmung befinden.
Das gilt auch für ,die Ausführungen, die Herr Kollege Kalbitzer gemacht hat. Ich möchte sagen, daß ich zu acht oder neun Zehntel mit ihm übereinstimme. Gerade deswegen habe ich nicht recht begriffen, warum ein Teil seiner Ausführungen etwas polemisch gehalten war. Er ist leider nicht da. Ich möchte ihm aber eigentlich sagen, daß, wenn ich diesen Teil seiner Ausführungen zusammenfasse, es etwa so klang: Es war einmal eine sehr böse Bundesregierung. Da kam ein sehr guter Bundestag und hat dieser bösen Bundesregierung Geld aufgezwungen, damit sie Entwicklungshilfe leisten solle. Das hat diese böse Bundesregierung auch getan. Aber sie nahm nicht genügend Geld. Da kam ein mächtiger Präsident und hat gesagt: Ihr müßt noch mehr Geld nehmen! — Das hat die böse Bundesregierung dann natürlich sofort getan. Und wie wird das Geld verwendet? Wenn ein exotischer Fürst etwas will, geht er zum Auswärtigen Amt und bekommt es. Wenn ein böser Unternehmer etwas will, geht er zum Wirtschaftsministerium und bekommt es. Wenn aber einmal ein vernünftiger Botschafter eines Entwicklungslandes mit einem guten Vorschlag kommt, dann wird er nicht verwirklicht, weil sich die beiden Ministerien nicht einigen können. Weil natürlich unter solchen Umständen eine Kontrolle unerwünscht ist, entzieht die Bundesregierung das Geld jeder Kontrolle, und am Ende ist der Panama-Skandal da.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich glaube doch, es ist nicht so, und deswegen möchte ich auch gern die Gelegenheit benutzen, um ein paargrundsätzliche Bemerkungen darüber zu machen, wie wir uns die Durchführung der Entwicklungshilfe denken. Ich wiederhole: Ich glaube, wir werden dabei feststellen, daß wir weitgehend 'übereinstimmen. Ich bin nur dankbar für jede Kritik und für jede Anregung, die aus dem Bundestag kommt. Auch ich möchte ohne jede Einschränkung feststellen, daß der Bundestag in dieser Frage tatsächlich die Bundesregierung nicht nur immer wieder unterstützt, sondern dankenswerterweise gedrängt hat. Ich kann das, wie gesagt, nur als eine Unterstützung eigener Vorstellungen betrachten.
Meine Damen und Herren, ich möchte versuchen, zuerst nur ein paar allgemeine Grundsätze aufzustellen, um Ihnen zu sagen, wie nach unserer Ansicht die Entwicklungshilfe verwirklicht werden kann und soll. Ich werde dann in diesem Zusammenhang auch auf einzelne Fragen eingehen, die die beiden Vorredner angeschnitten haben.
Zunächst möchte ich noch einmal feststellen, daß die Bundesregierung, auch wenn sie den Vereinten Nationen nicht angehört, den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu entsprechen wünscht und daß sie auch gerade im Verhältnis zu den Entwicklungsländern eindeutig davon ausgeht, daß diese Länder Anspruch auf Gleichberechtigung und auf Selbstbestimmung haben. Deswegen haben wir auch nicht den Auftrag und das Recht, uns in die inneren Angelegenheiten ,dieser Länder einzumischen, sondern wir müssen uns darauf beschränken — und das ist eine echte und schwere Aufgabe —, mitzuhelfen, daß sich die politische, die ökonomische und die soziale Entwicklung in diesen Ländern stetig und nach vorwärts vollzieht.
Art. 55 der Charta, von der ich sprach, spricht ausdrücklich von der Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Wir sind uns bewußt, 'daß sich in unseren Ländern zu einem früheren Zeitpunkt eine ähnliche Entwicklung vollzogen hat wie in diesen Ländern. Darum haben wir, glaube ich, auch das nationale Selbstbewußtsein, das in diesen Ländern nun entsteht, anzuerkennen und zu respektieren.
Aber ich glaube, daß uns gerade auch der Respekt vor dieser Entwicklung die Verpflichtung auferlegt, vor einem übersteigerten Nationalismus zu warnen und insbesondere auf die Gefahr hinzuweisen, die darin liegen kann, daß legitime nationale Aspirationen und ein elementares Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit von falschen Freunden mißbraucht werden, denen es nicht darum geht, den jungen Völkern eine echte, auf gegenseitiger Achtung beruhende freiheitliche Lebensordnung zu vermitteln, sondern die vielmehr die Ungeduld zu mißbrauchen versuchen, um diese jungen Völker in ihr eigenes totalitäres System der Unfreiheit und Unterdrückung einzugliedern.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Gerade die Achtung vor dieser Entwicklung berechtigt uns, auf diese Gefahr hinzuweisen. Das soll nicht bedeuten, daß wir unsere Entscheidungen oder unsere Aktionen in irgendeiner Weise von dem abhängig machen wollen, was andere tun. Ich würde es für falsch halten, wenn wir uns in unseren Überlegungen etwa durch Aktionen des Ostblocks bestimmen ließen. Der Ostblock mag in den Ländern, die er sich aussucht, tun, was er will. Unsere Entscheidungen sollen frei sein, und wir sollen selbst die Verantwortung für das übernehmen, was wir tun. Ich wiederhole: nicht reagieren, sondern agieren.
Wir haben volles Verständnis dafür, wenn in diesen Ländern der Drang nach einer größeren poli-



Bundesaußenminister Dr. von Brentano
tischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit entsteht. Ich denke etwa an einen Zusammenschluß wie die Arabische Liga. Ich hatte gestern Gelegenheit, mit dem Generalsekretär dieser Arabischen Liga zu sprechen, und es war interessant, zu hören, daß man sich auch dort mit dem Problem befaßt, das uns in Europa beschäftigt: Gibt es eine Möglichkeit in diesem Bereich einen größeren gemeinsamen Markt zu schaffen? Gibt es die Möglichkeit, gewisse Vorhaben auf dem Gebiete der Wirtschaft zu koordinieren? — Ich glaube, was wir in Europa tun, entspricht denselben Vorstellungen. Deswegen sollten wir solche Entwicklungen in diesen Teilen der Welt unterstützen. Wenn dort ein Zusammenschluß tatsächlich zu einer größeren Wirtschaftseinheit führt, ist das im Interesse der beteiligten Länder und ist sicherlich auch für die Zusammenarbeit mit denen, die Entwicklungshilfe geben wollen, nur von Nutzen.
Meine Damen und Herren, ich sagte vorhin, daß die Zusammenarbeit mit den uns befreundeten Völkern auf dem Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft aufgebaut werden soll und daß wir keine machtpolitischen Vorstellungen entwickeln wollen, wenn wir Entwicklungshilfe anbieten oder geben. Das bedeutet, daß wir eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit nicht von politischen Bedingungen abhängig machen dürfen. Ich glaube, dieser Standpunkt wird hier im Hause allgemein vertreten, und ich brauche ihn nicht zu begründen.
lch muß auch nicht Behauptungen widerlegen, die etwa vom Ostblock, von der Sowjetunion aufgestellt 1 werden, die immer versucht, die Entwicklungshilfe der freien Welt als eine Ausdrucksform des NATO-Kolonialismus hinzustellen. Meine Damen und Herren, wir haben, glaube ich, ein recht gutes Gewissen gegenüber solchen durchsichtigen Versuchen. Ich glaube auch, daß die Welt, auch die Entwicklungswelt, inzwischen den Unterschied in der Zielsetzung der Entwicklungshilfe zwischen dem einen und dem anderen Teil richtig erkannt hat.
Oberstes Ziel einer jeden Entwicklungshilfe ist es, zu einer Verbesserung des Lebensstandards beizutragen, d. h. den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in diesen Ländern zu unterstützen. Darum kann es auch nicht Aufgabe der Entwicklungshilfe sein — das muß klar ausgesprochen werden —, die soziale Fortentwicklung in diesen Ländern zugunsten überlebter Sozialstrukturen zu hemmen. Bei unseren Maßnahmen müssen wir das Wohl des ganzen Volkes in den befreundeten Ländern im Auge haben. Darum sollten wir auch unseren Rat und unsere Erfahrung auf dem Gebiete der sozialen Neuordnung anbieten. Wenn wir es ablehnen müssen, wie ich sagte, eine nach unserer Überzeugung überlebte Ordnung zu unterstützen, müssen wir auf der anderen Seite auch den Mut haben, vor überstürzten Maßnahmen zu warnen. Wir wollen ja die Evolution fördern und nicht unabsichtlich und guten Willens eine revolutionäre Entwicklung einleiten.
Wenn wir die Entwicklungsländer bei ihrer Eingliederung in eine arbeitsteilige Weltwirtschaft unterstützen wollen, muß unsere Hilfe in erster
Linie auf die Selbsthilfe in diesen Ländern gerichtet sein. Wir würden nicht helfen, sondern schaden, wenn wir jene aufstrebenden Länder durch eine falsche Lenkung unserer Hilfe in eine kurzfristige oder auch langfristige Verschuldung stürzten. Wir würden damit nicht die Eingliederung in die Gesamtwirtschaft herbeiführen, sondern wir würden uns an einer verhängnisvollen Fehlentscheidung mitschuldig machen. Wir würden falsche Hoffnungen wecken und nichts anderes tun, als mitzuhelfen, neue wirtschaftspolitische Katastrophen vorzubereiten und soziale Spannungen zu erzeugen. Aber ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir unsere Entwicklungshilfe im engen Einvernehmen mit den beteiligten Ländern geben sollten.
Hier ist vielleicht eine Meinungsverschiedenheit, wenn ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Kalbitzer richtig verstanden habe. Diese Meinungsverschiedenheit zwischen uns besteht vielleicht darin, daß wir glauben, eine sehr sorgfältige Prüfung vorschalten zu sollen. Wir müssen Projekte und Programme zunächst darauf untersuchen, ob sie wirtschaftlich vernünftig und ob sie auf die Bedürfnisse und Hilfsquellen der betreffenden Länder zugeschnitten sind. Das kann und muß zu Verzögerungen führen; denn wir können ja unsere eigenen Methoden und unsere eigenen Erfahrungen nicht ohne weiteres auf diese Entwicklungsländer übertragen. Also ich glaube, wir müssen eben diese Prüfung vorschalten. Wir müssen auch den Mut haben, konkrete Einzelvorhaben abzulehnen, wenn die Prüfung ergibt, daß ihre Verwirklichung den Grundsätzen wirtschaftlicher und politischer Vernunft zuwiderlaufen würde.

(Abg. Kalbitzer: Sehr wahr!)

Die Länder, die die Zusammenarbeit mit uns suchen, können mit Recht erwarten, daß wir konstruktive Vorstellungen entwickeln. Es darf uns nicht um die propagandistische Wirkung gehen. Denen, die uns die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen — das ist ,das deutsche Volk —, sind wir für einen vernünftigen Einsatz dieser Mittel ebenso Rechenschaft schuldig, wie wir den Entwicklungsländern gegenüber für das, was sie mit unserer Hilfe und auf Grund unseres Rates aufbauen, eine Verantwortung übernehmen.
Ich glaube darum auch nicht, daß hier der Satz gilt: „Wer schnell gibt, gibt doppelt." Selbstverständlich müssen wir auf diesem Gebiet alle unnötige bürokratische Belastung beseitigen. Aber eine verständige und verantwortungsbewußte Zusammenarbeit mit unseren Partnern setzt voraus, daß wir die Einzelvorhaben prüfen und dann im Rahmen des Möglichen auch die Verantwortung dafür übernehmen, daß sie sinnvoll sind, daß sie der Wirtschaft und den Menschen in diesen Ländern nützen.
Es geht hier natürlich nicht darum, nun sämtliche Grundsätze, die uns leiten sollten, erschöpfend aufzuzählen; ich wollte nur einige aussprechen und will nun zur Frage der praktischen Verwirklichung übergehen und auch zu den Fragen, die gestellt worden sind.

Bundesaußenminister Dr. von Brentano
Wir glauben ,daß alle materielle und finanzielle Hilfe, die wir gewähren, nur dann von Nutzen sein kann, wenn sie mit dem Ziel gegeben wird, die Menschen in den Entwicklungsländern heranzubilden, sie in die Selbstverwaltung hineinzuführen und den Willen zur Eigenhilfe anzusprechen. Ich kann nur unterstreichen, was sowohl in der Begründung der Anfrage wie auch in der Begründung des Antrages von meinen beiden Vorrednern gesagt worden ist: Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Wirtschaft. Wir müssen uns deshalb in erster Linie bemühen, das eigene Wissen und Können der Menschen in diesen jungen und unabhängigen Ländern zu fördern. Ich glaube, daß wir das, wovon Herr Kollege Kühn sprach, verwirklichen sollten: diese Menschenhilfe; das bessere Wort wäre vielleicht noch: Bildungshilfe. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Hilfe, die personelle Zusammenarbeit mit den Ländern zu intensivieren.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Das setzt eine geeignete Ausbildung voraus, sowohl bei uns wie in den anderen Ländern. Dabei kann das Schwergewicht vielleicht im einen Falle auf der akademischen Ausbildung, im anderen auf der praktischen Ausbildung liegen. Die Ausbildung sollte sich in erster Linie in den Ländern selbst verwirklichen lassen.
Dieser Grundsatz gilt nicht für die akademische Ausbildung, weil dort die Voraussetzungen fehlen. Das ist auch der Grund dafür, daß zur Zeit — und ich glaube, diese Zahl ist schon recht beträchtlich — etwa 14 000 Studenten aus den Entwicklungsländern in der Bundesrepublik ihre Ausbildung an den Universitäten oder Technischen Hochschulen genießen. Wir sind uns aber im klaren darüber, daß auch dieser Versuch — einen Weg gibt es im Augenblick nicht — nur dann sinnvoll und nur dann wertvoll für das betreffende Land sein kann, wenn diese jungen Akademiker nach dem Abschluß ihrer Studien in ihre Heimat zurückkehren und wenn sie dort auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür antreffen, die Kenntnisse, die sie erworben haben, im Interesse des eigenen Volkes zu verwerten.
Darum scheint mir mindestens ebenso wichtig die Ausbildung der Praktikanten zu sein, von denen wir zur Zeit in der Bundesrepublik über 10 000 haben. So wie die Studenten von den Auslandsämtern der Universitäten betreut werden, werden diese Praktikanten von anderen Organisationen betreut, so von der Carl-Duisberg-Gesellschaft und von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie bemühen sich — und das ist eine wichtige Aufgabe, meine Damen und Herren — um die Unterbringung dieser Menschen, sie helfen ihnen bei der Auswahl des Ausbildungsplatzes, sie halten Zwischenseminare ab, sie unterstützen diese Leute bei der Versorgung mit Lehr-und Ausbildungsmaterial. Ich glaube, auf diesem Gebiet ist für die private Initiative tatsächlich noch ein weiter Raum.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch sagen, daß ich die Mitwirkung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts in der Entwicklungsplanung gerade aus diesen Gründen für unerläßlich halte. In jede Organisation, die sich mit der Entwicklungsplanung auf dem Gebiet der Bildungshilfe beschäftigt, sollte eine Vertretung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts aufgenommen werden.
Wenn ich von der Ausbildung der jungen Menschen hier in Deutschland sprach, meine Damen und Herren, möchte ich aber hinzufügen, daß die Ausbildung in den Ländern selbst mindestens ebenso wichtig ist. Wir haben in den Entwicklungsländern keine deutschen Ausbildungsstätten errichtet. Ich glaube, es wäre ein falscher Weg gewesen. Wir haben vielmehr in Zusammenarbeit mit diesen Entwicklungsländern Gemeinschaftswerke errichtet, für die — und das ist eine echte Partnerschaft — von unserer Seite Ausbildungs- und Lehrkräfte, technische Einrichtungen und Lehrmaterial und von den Regierungen der Entwicklungsländer die Grundstücke und Gebäude zur Verfügung gestellt wurden. In der kurzen zurückliegenden Zeit sind insgesamt 83 solcher Ausbildungsstätten und Mustereinrichtungen in allen Teilen der Welt entstanden. Es handelt sich dabei um technische Lehranstalten, Ingenieurschulen, Gewerbeschulen, Handwerksschulen, Industrielehrwerkstätten, Musterfarmen und landwirtschaftliche Musterbezirke auf genossenschaftlicher Basis. Tausende junger Menschen aus den Entwicklungsländern haben diese Ausbildungsstätten besucht, und alle Berichte, die wir darüber haben, bestätigen uns, daß auf diesem Wege tatsächlich ein entscheidender Beitrag zu einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung, d. h. zur Heranbildung einer tragfähigen Mittelschicht in diesen Ländern, geleistet werden kann.
Selbstverständlich können und dürfen wir uns nicht darauf beschränken, Fachschüler und Studenten auszubilden. Um einen größeren Personenkreis zu erfassen, müssen wir auch die Ausbildung von Lehrkräften ins Auge fassen. Ich unterstreiche auch das, was Herr Kollege Kühn hierzu gesagt hat. Wir müssen an die Erwachsenenbildung denken; denn gerade die Erwachsenenbildung vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die zu erwerben in den Schulen dieser Länder eben nicht möglich war.
Eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit den Organisationen, die sich in der Bundesrepublik entwickelt haben, hat sich angebahnt. Ich denke an die „Stiftung für Entwicklungsländer", deren weitverzweigte Tätigkeit Ihnen bekannt sein wird. Auch Herr Kollege Kühn hat über die Tätigkeit dieser Organisation gesprochen. Diese Stiftung hat es unternommen, alle auf diesem Gebiet bestehenden Organisationen zu erfassen. Das ist eine besonders wichtige und wertvolle Arbeit.
Ich möchte die anderen Organisationen nicht aufzählen; sie sind sehr zahlreich. Vielleicht ist die eine oder andere Gründung nicht gerade lebensnotwendig gewesen. Aber wir sollten doch den Versuch machen, alle diese Organisationen zusammenzufassen, weil darin sehr viel echter und guter Wille sichtbar wird und weil die eine oder andere Erfahrung der kleineren Organisation auch für die größere Organisation nutzbar gemacht werden kann.



Bundesaußenminister Dr. von Brentano
) Wenn ich von der Zusammenarbeit mit diesen Organisationen spreche, möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß wir auch die internationale Zusammenarbeit anstreben. Wir bemühen uns z. B. um die Anerkennung deutscher Examina in den Entwicklungsländern, eine wichtige Voraussetzung dafür, daß junge Menschen mit dem deutschen Wissen in diesen Ländern aufgenommen werden. Es ist ein Schwerpunktprogramm in Aussicht genommen, um Lehraufträge deutscher Wissenschaftler an Universitäten und Hochschulen in den Entwicklungsländern erteilen zu können.
Sowohl Herr Kollege Kalbitzer als auch Herr Kollege Kühn haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es in den vergangenen Jahren leider nicht möglich war, Anforderungen aus diesen Ländern zu befriedigen, weil die Voraussetzungen in Deutschland selbst nicht geschaffen waren. Ich begrüße es, daß es jetzt gelungen ist — Sie werden es wissen, Herr Kollege Kühn —, die „Gemeinschaftsstelle der Hochschulen für deutsche Gelehrte im Ausland" zu schaffen. Sie hat am 1. April 1961 ihre Arbeit begonnen und soll am 1. Januar 1962 voll organisiert dastehen. Diese Gemeinschaftsstelle hat die Aufgabe, deutsche Gelehrte ins Ausland zu vermitteln, dann diese deutschen Gelehrten während ihres Auslandsaufenthalts zu betreuen, Hilfestellung bei der Eingliederung der zurückgekehrten Gelehrten in das akademische Leben im Einvernehmen mit den Ländern und den Universitäten zu leisten und Verhandlungen mit den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder zur materiellen Sicherstellung dieser Personen nach ihrer Rückkehr zu führen.
Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang und auch in Beantwortung dessen, was Sie ausgeführt haben, Herr Kollege Kühn, einige Zahlen nennen, um zu zeigen, daß wir uns tatsächlich bemüht haben, diese wichtige Aufgabe zu lösen. Wir haben für die Leistungen, die in Form von Beihilfen an deutsche akademische Lehrer gegeben werden, für das Jahr 1961 870 000 DM im Kultusetat eingesetzt. Damit werden bereits 70 deutsche Gelehrte im Ausland finanziell unterstützt und betreut. Darüber hinaus gewährt das Bundesministerium des Innern zurückgekehrten Hochschullehrern bis zu ihrer Wiedereingliederung in den innerdeutschen Hochschuldienst Unterhaltszuschüsse, für die ebenfalls Beträge im Haushaltsplan vorgesehen sind. Für die finanzielle Unterstützung der an den ausländischen Universitäten tätigen rund 130 deutschen Lektoren für die deutsche Sprache stehen im Kulturfonds des Auswärtigen Amts für das laufende Rechnungsjahr 1,2 Millionen DM zur Verfügung.
Maßnahmen dieser Art werden ergänzt oder auch vorbereitet durch ständige Berater, die wir den Regierungen der Entwicklungsländer zur Verfügung gestellt haben, oder auch durch Sachverständigengremien, die wir auf Wunsch der Gastregierungen sowohl zur Prüfung konkreter Einzelvorhaben wie auch in Erfüllung allgemeiner Forschungsaufgaben delegieren. Im Einzelfall handelt es sich um die Errichtung eines geologischen Dienstes, eines hydrologischen Dienstes oder um die Entsendung besonderer Berater auf dem Gebiet der Landwirtschaft oder der Währungs- und Finanzfragen. Die Entsendung solcher Berater und Sachverständiger hat ein Problem aufgeworfen, das noch keine abschließende, aber doch eine vorläufig befriedigende Lösung gefunden hat. Es besteht jetzt die Möglichkeit, daß Beamte des Bundes, der Länder oder der Gemeinden von ihren Dienstherren unter Wegfall ihrer Bezüge für eine gewisse Zeit beurlaubt werden. Diese Beamten schließen mit der „Deutschen Wirtschaftsförderungs- und Treuhandgesellschaft" eine Vereinbarung und erhalten eine ihren Heimatbezügen entsprechende Vergütung.
Selbstverständlich sind wir gerade in diesem Bereich auf eine verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Landesregierungen und mit den Behörden der Selbstverwaltungskörperschaften, aber auch mit den großen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Wichtigkeit einer solchen Zusammenarbeit habe ich bereits betont, als ich von der Entsendung beamteter Lehrkräfte in die Entwicklungsländer sprach. Ich möchte das dahin ergänzen, daß zur Zeit Verhandlungen darüber schweben, wie diesen Beamten auch für die Zeit nach ihrer Rückkehr eine gewisse Sicherung vermittelt werden kann. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, in den Haushalten der für sie zuständigen Körperschaften, etwa der Länder, aber auch der kommunalen Verbände, Leerstellen auszubringen, so wie das die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundestag für diejenigen Beamten bereits früher getan hat, die in internationale Organisationen entsandt worden sind.
Ich glaube, ich sollte darauf hinweisen — auch dieses Thema ist hier angeschnitten worden —, daß die Vorbereitung dieser zu entsendenden Kräfte auf ihre spezielle Aufgabe von besonderer Bedeutung ist. Die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer hat bereits Kurse und Seminare eingerichtet, die sich bewährt haben und die verstärkt und erweitert werden sollen. Zu dieser Vorbereitung gehört nicht nur eine Unterrichtung über die Landeskunde, über die klimatischen und die allgemeinen wirtschaftlichen und innerstaatlichen Probleme, sondern es gehört dazu auch — ich darf mich vielleicht so ausdrücken — eine geistige Vorbereitung. Gerade die jungen Menschen, die in diese Länder entsandt werden, müssen an ihre Aufgabe ohne inneren Vorbehalt herangehen. Sie dürfen nicht fixierte Wertbegriffe der eigenen Vorstellungswelt mitnehmen; denn damit verbauen sie sich den freien Blick und gefährden den Erfolg der eigenen Arbeit.
Darum gehört dazu auch die Sprachausbildung. Es wird in vielen Fällen nicht genügen — ich unterstreiche das, was hier von Herrn Kollegen Kühn gesagt worden ist —, daß die Ausbildungskräfte und Berater die englische und französische Sprache beherrschen; es wird häufig notwendig sein, daß sie auch die eigene Sprache des jeweiligen Entwicklungslandes lernen. Die Errichtung einer Sprachschule für diese Zwecke ist in Vorbereitung.
Aber, meine Damen und Herren, Sie wissen alle, wie schwierig es ist, solche Dinge von heute auf morgen zu verwirklichen, noch dazu in einer wirtschaftlichen Entwicklung, wie wir sic in der Bun-



Bundesaußenminister Dr. von Brentano
desrepublik haben, wo es ohnehin außerordentlich schwierig ist, geeignete Kräfte noch auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
Wir werden uns vielleicht auch über die Frage unterhalten müssen, ob wir nicht einen besonderen Ausbildungsgang für Entwicklungsberater schaffen sollten. Die Menschen, die jetzt in die Entwicklungsländer gehen, tun dies meist nur auf Grund eines Vertrages, der auf zwei oder drei Jahre befristet ist, und nach Ablauf dieser Zeit verlieren wir gerade diese Menschen für die spezielle Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten, weil sie in die Heimat zurückkehren, Damit verlieren wir aber auch ihre wertvolle Erfahrung für die Praxis der nächsten Zeit. Gewiß kann man aus dem Entwicklungsberater nicht einen Beruf machen; aber man kann wohl den Versuch machen, durch Verträge und Vereinbarungen einen Stamm von erfahrenen Menschen zu halten, der eingesetzt werden kann, ohne daß wir im einzelnen Fall dann erst ein lange Untersuchung durchführen müssen, wo ein Mann ist, der dieses Problem kennt, der dieses Land schon bereist hat. Das setzt natürlich auch organisatorische Vorbereitungen voraus, die noch nicht sämtlich getroffen werden konnten.
Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß die Ausbildungs- und Entwicklungshilfe gleichrangig neben all den Fragen stehen muß, die handelspolitisch zu lösen sind, und neben der Kapitalhilfe, die wir zu geben beabsichtigen. Ich möchte nicht dem vorgreifen, was Herr Kollege Erhard noch sagen wird. Aber ich glaube, die Handelspolitik der Bundesregierung, ,die auch im Innern auf eine stetige Expansion gerichtet und nach außen weitgehend liberal ist, muß auch den Wirtschafts- und insbesondere den Exportinteressen der Entwicklungsländer gerecht werden. Unsere Hilfe soll dazu beitragen, in diesen Ländern zunächst einen eigenen wachsenden Markt mit steigender Nachfrage zu schaffen. Ebenso müssen wir aber daran denken — und da kann ich auch nur unterstreichen, was Herr Kollege Kalbitzer in diesem Zusammenhang gesagt hat —daß die Entwicklung in diesen Ländern davon abhängig sein wird, ob es gelingt, den Absatz der Landesprodukte auf dem Weltmarkt zu unterstützen. Das Problem ist besonders schwierig in den Ländern, deren Wirtschaft weitgehend auf Monokulturen beruht. Wir sollten darum daran denken, unter Zurückstellung vielleicht auch grundsätzlicher Bedenken und unter Überwindung praktischer Schwierigkeiten die Wünsche dieser Monokultur-Länder nach Rohstoffabkommen auf internationaler Basis sorgfältig und wohlwollend zu prüfen. Ich weiß, daß hier Schwierigkeiten bestehen, daß Abkommen dieser Art die Gefahr in sich bergen, daß damit ein gewisser Preisstand zementiert wird. Ich will auf diese nachteiligen Überlegungen gar nicht eingehen. Ich will nur sagen: Sicherlich gehört die Überlegung, wie wir den Export idieser Länder fördern können, auch zur Entwicklungshilfe. Denn wenn wir die Länder nicht so unterstützen, daß sie auf die Dauer ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen können, dann ist die ganze Hilfe, ,die wir geben, nur von beschränkter und von zeitlich bedingter Bedeutung.
Mit der Frage der Kapitalhilfe hat sich die Londoner Tagung der DAG — Development Assistance Group — vor kurzem beschäftigt, die ja zur Zeit das Koordinierungsorgan für einen großen Teil der kapitalgebenden Länder der westlichen Welt darstellt. Auch dazu möchte ich mich auf einige Bemerkungen beschränken, möchte aber auch gleich eine Frage beantworten, die Herr Kollege Kalbitzer gestellt hat. Sie haben gefragt, warum Portugal in der DAG erschienen sei und Schweden nicht.

(Abg. Kalbitzer: Weshalb Schweden ausgeschlossen ist!)

— Nein!

(Abg. Kalbitzer: Ja!)

— Es ist nicht richtig, meine Damen und Herren. Nach meinen Informationen — aber ich werde sie noch einmal überprüfen, nachdem Sie das so fest behaupten — ist es so, daß Portugal Mitglied ist, weil es sich um die Mitgliedschaft beworben hat, und daß Schweden nicht Mitglied ist, weil es bisher noch keinen Antrag gestellt hat; nicht mehr und nichts anderes. Wir haben keinen Grund, Schweden von der Mitgliedschaft auszuschließen. Ich wüßte nicht, wer irgendeinen Anlaß haben sollte, an einer so törichten Entscheidung mitzuwirken.
Ich glaube, daß der größte Teil unserer Entwicklungshilfe in Zukunft aus langfristigen Krediten bestehen muß, die nicht zu kommerziellen Bedingungen gegeben werden dürfen. Hier stimme ich weitgehend mit den Überlegungen des Herrn Kollegen Kalbitzer überein. In den vergangenen Jahren bestand unser Beitrag zur Entwicklungshilfe vorwiegend darin, daß der Bund aus öffentlichen Mitteln die Lieferkredite deutscher Exporteure nach den Entwicklungsländern absicherte. Es war dies — und das möchte ich heute auch gegenüber jeder Kritik ausdrücklich betonen — nach unserer Überzeugung ein vernünftiger Gedanke, denn diese Art hat auch der Tatsache Rechnung getragen, daß wir dabei das legitime Interesse an der Aufrechterhaltung und Steigerung unserer Ausfuhr berücksichtigen konnten.
Meine Damen und Herren, die Ausfuhrziffern, die wir heute haben, waren vor wenigen Jahren noch nicht so selbstverständlich, wie sie es heute zu sein scheinen. Wenn es damals gelungen ist, auch auf diesem Wege den Ländern zu helfen und gleichzeitig dem deutschen Export einen Auftrieb zu geben, haben wir, glaube ich, keinen Anlaß, diese Maßnahmen zu bedauern oder nachträglich zu kritisieren. Es kommt hinzu, daß alles, was auf diesem Gebiet geschehen ist, den Vorstellungen und den Wünschen unserer Partner durchaus entsprochen hat. Wir denken darum auch nicht daran, diese Praxis etwa aufzugeben. Aber es sollen künftig langfristige und ungebundene Finanzkredite hinzutreten; denn es hat sich immer wieder erwiesen, daß rein kommerzielle Kredite keine ausreichende Hilfe für die Entwicklungsländer sind, vor allem bei dem notwendigen Aufbau der Infrastruktur ihres Landes.
Ich bin mir darüber klar, meine Damen und Herren — ich möchte auch hier das aufgreifen, was Herr Kollege Kalbitzer gesagt hat —, daß wir die



Bundesaußenminister Dr. von Brentano
Bedingungen dieser Kredite den Möglichkeiten der Länder anpassen müssen, weit mehr, als wir es bisher getan haben. Wir müssen von der kurzfristigen Kreditierung zumindest zur mittelfristigen und, wenn möglich, sogar zur langfristigen übergehen. Denn ich glaube nicht, daß es sehr sinnvoll ist, den Geldbetrag auf drei oder fünf Jahre zu geben, wenn wir wissen, daß der Kreditnehmer in fünf Jahren doch nicht zurückzahlen kann. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, Zinsen in einer Höhe zu vereinbaren, von der man weiß, daß sie die Leistungsfähigkeit des Nehmers übersteigt. Man bekommt die Zinsen dann doch nicht und muß prolongieren. Dann hat man lediglich eine unerfreuliche Diskussion, und ein Teil des psychologischen Effekts der Entwicklungshilfe geht dabei verloren.
Ich möchte ganz klar sagen: Wir müssen, glaube ich, auch von den Überlegungen abkommen, die seinerzeit zu der Berner Union geführt haben. In den Beratungen mit der DAG in London waren es gerade die Vereinigten Staaten, die ganz besonders darauf hingewiesen haben, daß diese langfristige Kreditierung nach ihrer Meinung zweckmäßig und begrüßenswert sei. Allerdings glaube ich, daß wir die Vorschläge, die die Vereinigten Staaten dort gemacht haben, in dieser Form auch nicht annehmen können, weil sie unserer Meinung nach etwas zu weit gehen.
Ich habe gesagt, daß wir bei allen Förderungsmaßnahmen auch der Entwicklung der Sozialstruktur besondere Beachtung schenken müssen. Das bedeutet, daß es meines Erachtens sinnlos wäre, wenn wir uns dazu entschließen würden, irgendwo eine größere Produktionsstätte zu errichten, wenn wir dadurch nichts anderes ,erreichten als die Schaffung eines sogenannten Industrieproletariats. Unsere Aufgabe muß es sein, an der Entstehung einer leistungsfähigen und selbstverantwortlichen Schicht von Menschen mitzuwirken. Vom Erfolg oder Mißerfolg dieser Bemühungen hängt es ab, ob wir wirklich die menschlichen Beziehungen zu den Partnerländern ausbauen können. In vielen dieser. Länder sind die Gewerkschaften erst im Entstehen. Wir begrüßen es, daß der DGB hier aktiv und intensiv mitarbeitet. Auch der Internationale Bund freier Gewerkschaften hat vor einigen Monaten einen erheb- lichen Betrag für die Gewerkschaftsarbeit und gleichzeitig für 'die Bekämpfung der Aktivierung des kommunistischen Weltgewerkschaftsbundes in Afrika zur Verfügung gestellt. Der Internationale Bund freier Gewerkschaften hat auch beschlossen, neben der bereits 'bestehenden Gewerkschaftsschule für den englischsprachigen Teil Afrikas eine gleiche Schule auch für den französischsprachigen Teil zu errichten. Zahlreiche afrikanische Gewerkschaftler waren schon in Europa, auch in Deutschland, und haben hier und in anderen Ländern Kontakte mit den gewerkschaftlichen Organisationen, mit .dem DGB, mit dem Internationalen Bund freier Gewerkschaften und mit der Christlichen Internationale aufgenommen.
Ebenso müssen wir natürlich auch die Offentlichkeitsarbeit verstärken. Ziel dieser Arbeit muß es sein, die öffentliche Meinung in diesen Ländern, übrigens auch bei uns selbst, über den Sinn und Zweck der getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Das ist um so wichtiger, als — ich habe es schon erwähnt — der Ostblock jeden Versuch unternimmt, die Hilfe der freien Welt als getarnten Neokolonialismus unglaubwürdig zu machen.
Ziel unserer Öffentlichkeitsarbeit muß es sein, nicht nur diese Behauptung zu widerlegen. Ich glaube, wir sollten auch auf das Mißverhältnis hinweisen, das zwischen den Worten und den Taten auch gerade des Ostblocks immer wieder sichtbar wird. Nach den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen können wir davon ausgehen, daß die effektive Entwicklungshilfe — wenn ich dieses Wort in diesem Zusammenhang gebrauchen darf —des Ostblocks in den Jahren 1956 bis 1959 jährlich etwa 300 Millionen Dollar betrug, während der Westen im gleichen Zeitraum jährlich 6 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat, also zwanzigmal so viel. Was 'der Ostblock darüber hinaus an diese Länder gegeben hat, war zum großen Teil „Militärhilfe", die er nicht gewährt, um die Entwicklung dieser Länder in Richtung auf Freiheit und Unabhängigkeit zu sichern, sondern um systematisch Unruhe und Unordnung zu schüren.

(den Film, das Fernsehen und den Rundfunk, Fachausstellungen und Vorträge in diese Arbeit eingebaut. Besondere Bedeutung kommt 'der Einladung von maßgebenden Persönlichkeiten 'des öffentlichen Lebens aus diesen Ländern zu: von Politikern, ,von Gewerkschaftsangehörigen, von Wissenschaftlern, Lehrern und Journalisten. Bei den deutschen Vertretungen in den Entwicklungsländern sind zur Zeit über 40 Pressereferenten für diese Aufgaben tätig. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Bundespresseamt auch technische Hilfe auf dem Gebiete des Informationswesens angeboten und geleistet. Gerade für diejenigen Länder, die erst in jüngster Zeit 'ihre Unabhängigkeit erlangt haben, ist der Ausbau dieser für die geistige Entwicklung und Erziehung der Völker so entscheidend wichtigen Medien der öffentlichen Meinungsbildung wie Rundfunk, Film und Druckerei eine Lebensfrage. Die Tatsache, daß eine steigende Zahl von Regierungen aus diesen Ländern bei uns um Hilfe auf diesem Gebiet nachsucht, können wir, glaube ich, als einen besonderen Ausdruck des Vertrauens bezeichnen. Eine weitere Frage, die hier anklang, ist die, oh bilaterale Förderungsmaßnahmen den Vorzug vor den multilateralen haben sollen oder umgekehrt. Es gibt, glaube ich, darauf keine generelle Antwort. Die multilaterale Entwicklungshilfe wird immer dann nötig 'sein, wenn es sich um die Finanzierung oder Errichtung von kostspieligen größeren ProjekBundesaußenminister Dr. von Brentano ten handelt, z. B. auf dem Gebiet der Infrastruktur. Als Beispiel kann ich auf das Indus-Projekt hinweisen, dieses große Wasserprojekt, das selbstverständlich nur durch multilaterale internationale Zusammenarbeit ,errichtet werden kann, weil die Finanzierung dieses Projektes die Kraft eines einzelnen Landes bei weitem übersteigen würde. Die bestehenden Organisationen, die sich solcher Aufgaben annehmen, werden von uns gefördert. Ich nenne die Weltbank, die Internationale Finanzkorporation, die Internationale Entwicklungsorganisation, Sonderorganisationen der Vereinigten Nationen, aber auch den Europäischen Entwicklungsfonds. Wir haben die Arbeit in diesen Organisationen durch erhebliche Beiträge unterstützt und werden es auch in Zukunft tun. Auf der anderen Seite verspricht die bilaterale Entwicklungshilfe dort einen besseren Erfolg als die multilaterale, wo es um die Vermittlung spezifisch deutscher Erfahrungen geht und wo es mehr noch auf den unmittelbaren menschlichen Kontakt ankommt. Das ist bei der technischen Hilfe der Fall, und das ist erst recht bei der Bildungshilfe, von der ich schon sprach, gültig. Die Zahl der Entwicklungsländer ist so groß und ihre Wünsche sind so reichhaltig, daß wir uns der Grenzen unserer Möglichkeiten bewußt sein müssen. Wir werden darum auch die Frage beantworten müssen, ob es nicht notwendig sein wird, regionale Schwerpunkte zu bilden. Das bedeutet nicht, daß Länder außerhalb dieser Regionen von der Entwicklungshilfe ausgeschlossen sein sollen, sondern das bedeutet lediglich, daß die Förderungsmaßnahmen in diesem Bereich besonders konzentriert sein sollen. Darum ist es vielleicht auch richtiger, nicht von einer Schwerpunktbildung zu reden, sondern von der Festlegung gewisser Prioritäten. Ich weiß, daß eine solche Feststellung auch Kritik wachrufen wird. Aber ich glaube auf der anderen Seite, wir müssen realistisch sein. Wir dürfen nicht glauben, daß wir mit den Mitteln, die heute bewilligt sind, die ganze Welt berieseln könnten. Wir müssen sehen, daß wir solche Prioritäten schaffen, die ja nicht für die Ewigkeit Gültigkeit besitzen, die vielmehr morgen abgelöst werden auf Grund neuer Untersuchungen und durch andere Überlegungen. Es kommt darauf an, daß wir die Mittel so vergeben, daß sie wirksam sind. Das setzt in den einzelnen Fällen erhebliche Beträge voraus, die dann eben für andere Länder nicht zur Verfügung stehen. Selbstverständlich sind wir uns darüber im klaren, Herr Kollege Kalbitzer, daß wir nicht eine einmalige Zahlung leisten können, daß wir damit, daß wir in die Entwicklungshilfe hineingehen, laufende Verpflichtungen übernehmen. Ich glaube, es hat auch kein Sprecher der Bundesregierung jemals etwas anderes gesagt. Wir haben darauf hingewiesen — ich glaube, mit Recht; und Sie haben es auch anerkannt —, daß die Bundesregierung heute nicht verpflichtende Erklärungen darüber abgeben kann, was der Bundestag im nächsten Jahre beschließen wird. Unsere Leistung wird immer davon abhängen, wieviel wir in den laufenden Haushalt einsetzen können. Aber ich glaube, es besteht. keine Meinungsverschiedenheit zwischen Bundesregierung und Bundestag darüber, daß wir selbstverständlich in den nächsten Jahren bei 'der Beratung eines jeden Haushalts uns auch mit der Frage zu beschäftigen haben werden, wieviel wir aufbringen und einsetzen können, um die laufenden Entwicklungsverpflichtungen zu erfüllen, die wir ja übernehmen und die wir nicht nur für kurze Frist übernehmen. Ich kann mit aller Klarheit feststellen, daß die Entscheidungen über Art, Ausmaß und Ort unserer Entwicklungshilfe weitgehend von politischen Erwägungen bestimmt werden müssen. Einmal sind die bestehenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zu dem jeweiligen Entwicklungsland von großer Bedeutung. Ich habe schon betont, daß wir Hilfe ohne politische Bedingungen geben. Aber das bedeutet natürlich nicht, daß wir nicht die politische Haltung und Entwicklung der Länder beobachten, die sich um unsere Hilfe bemühen. Unser Interesse an Ländern, in denen sich eine stetige freiheitliche Entwicklung vollzieht, in denen wir beobachten, daß ihr Verhältnis zu uns von einer übereinstimmenden Beurteilung der weltpolitischen Vorgänge bestimmt wird, ist größer als bei den anderen, die den entgegengesetzten Weg nehmen. Es ist 'darum auch unsere Aufgabe, den Einfluß des Ostblocks in diesen Ländern sorgfältig zu beobachten. Es ist besonders wichtig, alle Förderungsmaßnahmen in einer freundschaftlichen Zusammenarbeit mit den freien Ländern der westlichen Welt abzustimmen. Ich habe schon auf die Besprechungen hingewiesen, die in der DAG stattgefunden haben. Sie wissen, daß diese Besprechungen in der OECD fortgeführt werden sollen. Die DAG soll ja in die OECD übergeführt werden. Das Interesse, das gerade auch die Vereinigten Staaten an 'dieser Entwicklung haben, zeigt sich auch darin, daß man sich dort bemüht, eine ganz besonders hervorragende Persönlichkeit in Paris mit diesen Fragen zu betrauen, eine Persönlichkeit, zu der wir, wenn sie bestellt werden wird, volles Vertrauen haben können und haben werden. Wir sind also mit; unseren Freunden der Meinung, daß wir die Zusammenarbeit in der OECD fortsetzen müssen. Denn die Organisation sollte nach unserer Vorstellung zu einer Art Clearingstelle für Entwicklungsvorhaben werden. Wir sollten alles tun, um im Rahmen der OECD im Wege einer ständigen Konsultation und Information solche Prioritäten zu ermitteln, von denen ich sprach, die bilateralen Einzelmaßnahmen aufeinander abzustimmen und multilaterale Leistungen zu vereinbaren. Damit schaffen wir eine gesunde Voraussetzung dafür, daß Doppelarbeit vermieden wird, daß wir uns nicht an Fehlinvestitionen beteiligen und daß wir auch die politische Entwicklung im Bereich 'der Entwicklungsländer bei unseren Entscheidungen gebührend berücksichtigen. Der Kollege Kalbitzer hat auf jene Meldung hingewiesen, die Sie gelesen haben werden. Ich habe mit Interesse festgestellt — UPI hat es berichtet —, daß die amerikanische Regierung einen Vorschlag Bundesaußenminister Dr. von Brentano von mir abgelehnt hat, den ich nie gemacht habe. Ich weiß nicht, wie es zu dieser sensationellen Dummheit kam. Ich darf hier nur eines feststellen: Der Artikel in der amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs", der in dieser Meldung genannt war, steht jedem aufmerksamen Leser zur Verfügung, und jeder, der eine Meldung zu bringen wünscht, kann diesen Artikel bei mir einsehen. Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen, den Amerikanern vorzuschlagen, etwa die NATO als Vorprüfungsstelle für die Entwicklungshilfe einzuschalten. Was ich gesagt habe, ist, ich wiederhole es, in diesem Artikel zu lesen. Was ich dazu gesagt habe, steht übrigens in voller Übereinstimmung mit den amerikanischen Vorstellungen, wie ich bei meinem Besuch in Washington feststellen konnte. Ich habe nur bedauert, daß solche törichten Meldungen entstehen, denn sie sind geeignet, das Geschwätz, wenn ich so sagen darf, des Ostblocks zu unterstützen, daß die Entwicklungshilfe bei uns oder in anderen westlichen Ländern durch machtpolitische Erwägungen bestimmt werde. Vielleicht könnte man, wenn man der Quelle dieser Meldung nachginge, auch ganz interessante Feststellungen machen. Aber wir haben anderes zu tun. Es genügt, wenn ich wiederhole, daß diese Meldung von Anfang bis Ende erlogen ist. Was nun die Organisation angebt, nach der wir gefragt werden und zu der sich auch der Herr Kollege Kalbitzer etwas kritisch geäußert hat, so möchte ich ganz offen sagen: Die Vielgestaltigkeit der Aufgaben und die Mitwirkung zahlreicher Ressorts wie auch die internationale Zusammenarbeit haben die Organisation nicht gerade erleichtert. Zur Zeit werden die Förderungsmaßnahmen durch einen interministeriellen Ausschuß gesteuert, dem, wie Sie wissen, zwei Unterausschüsse angehören, ein Ausschuß für technische Hilfeleistung und ein Ausschuß für Kapitalhilfe. Es wäre verfrüht, schon jetzt ein endgültiges Urteil über diese organisatorischen Vorbereitungen und den Erfolg ihrer .Arbeit abzugeben. Dafür ist der Erfahrungszeitraum zu kurz. Außerdem 'befindet sich der Verwaltungsapparat in den einzelnen Ressorts noch im Stadium des Aufbaus. Das gilt auch für das Auswärtige Amt. Sie wissen, daß im Auswärtigen Amt eine neue Abteilung für diese Fragen errichtet werden soll. Das entspricht ja auch dem Wunsch des Bundestages. Wenn diese Abteilung bisher in der Spitze noch nicht besetzt ist, so ist das nicht ein Ausdruck der Gleichgültigkeit. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich mich sehr intensiv bemühe, eine Persönlichkeit zu finden, die dieser besonderen Aufgabe tatsächlich gerecht wird. Dabei denke ich durchaus nicht nur daran, in meinem eigenen Amt nachzusehen, ob sich geeignete Persönlichkeiten finden. Ich habe vielmehr auch Fühlung mit Persönlichkeiten außerhalb des Amtes aufgenommen. Sie werden verstehen, daß das eine gewisse Zeit kostet. Aber ich glaube diese Verzögerung verantworten zu können. Es ist natürlich sehr leicht, einen Abteilungsleiter zu ernennen, wenn man nicht die sorgfältige Auswahl vorangehen läßt. Aber Sie und ich wären wenig damit zufrieden, wenn wir den Eindruck hätten, daß die Eile die Auswahl negativ beeinflußt hat. Ich lege auf diese Tätigkeit einen so großen Wert, weil ich die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern in erster Linie als eine außenpolitische Aufgabe ansehe und weil die Koordinierung der deutschen Anstrengungen mit den Absichten und Vorstellungen der befreundeten Länder logischerweise über das Auswärtige Amt erfolgen muß. Darum wird die künftige Abteilung auch die besondere Aufgabe haben, die einheitliche politische Stellung der Entwicklungshilfe sicherzustellen. Ich unterstreiche hier noch einmal, daß ich auch die organisatorische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in diesem Rahmen sehe. Das war auch der Grund, weswegen ich an anderer Stelle schon auf die Notwendigkeit hinwies, die kulturpolitische Abteilung des Auswärtigen Amts in die Arbeit einzubeziehen. Den großen Bereich der Betreuung der Menschen, der Ausbildung von Jugendlichen und von Erwachsenen, den wissenschaftlichen Austausch, — alles dies werden wir nur leisten können, wenn wir mit den zuständigen Stellen innerhalb der Bundesrepublik in einem engen Kontakt bleiben. Zusammenfassend kann ich feststellen, daß uns die Entwicklungspolitik vor Aufgaben gestellt hat, zu deren Verwirklichung wir auf fast allen Gebieten neue Wege beschreiten müssen und die auf Grund ihrer Komplexität in alle Lebensbereiche hineinreichen. Dazu müssen wir Erfahrungen sammeln. Schwierigkeiten in der Anlaufzeit werden ganz gewiß nicht ausbleiben. Aber wir sollten diese Schwierigkeiten nicht überbewerten und dramatisieren. Wir können heute schon feststellen, daß wir gerade im Bereich der Entwicklungspolitik beachtliche Erfolge erzielt haben. Ich glaube, ich zitiere einèn unverdächtigen Zeugen, wenn ich auf einen Aufsatz verweise, der vor wenigen Wochen in einer russischen Fachzeitschrift unter der Überschrift „Die Expansion der Bundesrepublik unter dem Deckmantel der technischen Hilfe" erschienen ist. Meine Damen und Herren, ich kann diesen Aufsatz zu Ihrer Lektüre nur empfehlen. Auch in einem anderen Beitrag, der unter der Überschrift „Bonn drängt nach Afrika" in der Zeitschrift des Zentralen Komitees der KP der Sowjetunion erschienen ist, finden wir eine vollständige Übersicht über die Anstrengungen der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe in Asien und Afrika. Natürlich werden uns dort eigennützige Ziele unterschoben. Aber gleichzeitig enthalten diese kritischen Darstellungen eine sicherlich unbeabsichtigte Anerkennung der deutschen Leistungen. Meine Damen und Herren, es ist nicht nötig, sich auf diese Darstellung zu berufen, um zu zeigen, daß die planmäßige und erfolgreiche Entwicklungspolitik der Bundesregierung mit Mißbehagen verfolgt wird. Wir können in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß unsere Beitragsleistungen zum Fonds der Vereinten Nationen für technische Hilfeleistung hinter denjenigen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens an dritter Stelle stehen. Die Sowjetunion folgt an zehnter Stelle. Wir können weiter darauf verweisen, daß unsere Entwicklungshilfe die politischen und kulturellen Bundesaußenminister Dr. von Brentano Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Partnerländer entscheidend gefördert hat. So wie wir Verständnis für die Probleme dieser Länder bewiesen haben, so bringen uns diese jungen Völker auch ihrerseits Verständnis für unsere Probleme entgegen. Ich verweise nur auf die Tatsache, daß ungeachtet der hektischen und kostspieligen Bemühungen der sowjetzonalen Stellen keines dieser Länder bisher die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur sowjetischen Besatzungszone und damit die Anerkennung dieses Gebildes als eines souveränen Staatswesens vollzogen hat. Das gilt für alle diese Länder auf dem afrikanischen und asiatischen, natürlich auch auf dem südamerikanischen Kontinent. Ich glaube, diese Feststellung allein zeigt, daß unsere Entwicklungshilfe in diesen Bereichen nicht schlecht gewesen sein kann. Auch die Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit unseren Bündnispartnern auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe haben uns die Bestätigung erbracht, daß man unsere Anstregungen voll und ganz würdigt. Der ständige freundschaftliche Meinungsaustausch hat auch dazu geführt, daß Interessenkollisionen bisher nicht sichtbar wurden. Das gilt insbesondere auch für den Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und für die bilateralen Vereinbarungen, die wir mit Ländern geschlossen haben, die vor ihrer Unabhängigkeit der Souveränität einzelner unserer Bündnispartner unterstanden. Auch Sie haben das Thema angeschnitten, Herr Kollege Kalbitzer. Sie wissen, daß wir mit einer Zahl der jungen Völker des afrikanischen Kontinents im Rahmen der EWG Assoziationsverhandlungen führen. Selbstverständlich darf das nicht auf diese Völker beschränkt bleiben. Selbstverständlich wollen wir auch die Länder, die aus dem Commonwealth hervorgehen, in die Entwicklungshilfe einbeziehen. Es gibt gar keine Meinungsverschiedenheiten über diese Selbstverständlichkeit, wobei nur die Formen verschieden sein mögen; denn diese Form der Assoziation in einzelnen Teilen ist uns ja durch den EWG-Vertrag vorgeschrieben, während wir für andere Teile andere Mittel und Wege finden müssen, die aber in ihrer Wirkung den gleichen Erfolg versprechen. Ich möchte ein letztes zu einer Frage sagen, die Herr Kollege Kühn angeschnitten hat. Wir werden unsere Aufgabe auf diesem Gebiet nur lösen und wir werden nur dann wirkliche Erfolge erzielen, wenn wir dem deutschen Volk selbst die Überzeugung vermitteln, daß die Entwicklungshilfe eine politische und moralische Verpflichtung ist, die uns alle angeht. Das Schicksal von Hunderten von Millionen Menschen in anderen Teilen der Welt kann uns nicht gleichgültig lassen. Wenn wir nicht im Rahmen unserer Leistungsfähigkeit das Mögliche tun, um die wirtschaftliche Not und die soziale Unordnung in diesen Ländern zu bekämpfen, wenn wir nicht dazu beitragen, diese Völker als gleichberechtigte Partner in die weltwirtschaftliche und die weltpolitische Verantwortung einzubeziehen, dann werden wir selbst die Folgen dieser Unterlassung mit zu tragen haben. Natürlich sind uns Grenzen gesetzt, die wir nicht überschreiten können, Grenzen, deren Überschreitung unsere eigene finanzielle und soziale Ordnung gefährden würde. Aber innerhalb dieser Grenzen haben wir ein sehr weites Feld der Betätigung. Wenn wir es ausfüllen, leisten wir — davon bin ich überzeugt — einen entscheidenden Beitrag für die Erhaltung und Sicherung des Friedens und der Freiheit in der Welt und damit auch des Friedens und der Freiheit für unser deutsches Volk. Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen zunächst die Entschuldigung von Herrn Professor Erhard unterbreiten. Er bedauert es sehr, daß er nicht länger an Ihrer Debatte teilnehmen kann. Er hatte eine seit längerer Zeit festgelegte Vereinbarung mit dem amerikanischen Handelsminister beim Nordamerika-Tag in Hannover und mußte daher leider abfliegen. Herr Minister von Brentano hat Ihnen die politischen Grundgedanken vorgetragen, von denen sich die Bundesregierung bei ihrer Entwicklungspolitik leiten läßt. Wir sind uns in diesen Gedanken völlig einig. Lassen Sie mich aus der Sicht unserer Wirtschaftspolitik und des wirksamsten Einsatzes des Instrumentariums und der Mittel auf die Probleme der Entwicklungshilfe eingehen. Gestatten Sie mir zunächst einige Vorbemerkungen. Herr Minister von Brentano hat Ihnen bereits ausgeführt, welche großen Aufgaben die Not und der Hunger in den Entwicklungsländern uns allen stellen. Ein dauerhafter Erfolg wird sich nur dann einstellen, wenn sich die politisch begründeten Maßnahmen langfristig auch als wirtschaftlich vernünftig erweisen. Hilfen, die gegeben werden, ohne wirtschaftlich durchdacht zu sein, haben ihren Zweck verfehlt. Je schneller und je nachhaltiger es uns gelingt, den Menschen in den Entwicklungsländern zu einem angemessenen Wohlstand und zu einem Mindestmaß an sozialer Sicherheit und Freiheit zu verhelfen, desto mehr werden sie auch für die menschlichen Werte ansprechbar sein, zu denen wir uns bekennen. Ich ,denke hier besonders an den Wert der Freiheit, die in weiten Teilen der Welt noch keineswegs gesichert ist. Wir dürfen die Probleme der Entwicklungshilfe auch nicht nur in der engen Zielsetzung des Aufbaus der nationalen Volkswirtschaften in den Entwicklungsländern betrachten, sondern müssen die Aufgabe in weltwirtschaftlichen Zusammenhängen sehen. Die weltwirtschaftliche Lage ist seit einiger Zeit in einem grundsätzlichen Strukturwandel begriffen. Die bisherige Arbeitsteilung zwischen den Staatssekretär Dr. Westrick Industrieländern einerseits und den Rohstoffländern andererseits wird noch einen gewissen Zeitraum fortdauern. Dieses Verhältnis wird aber in der nächsten Zukunft einer grundlegenden Wandlung unterworfen sein. Nachdem zahlreiche Entwicklungsländer ihre politische Selbständigkeit erlangt haben und nunmehr auch zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit drängen, geht ,es nach unserer Überzeugung darum, eine neue Gestaltung der Weltwirtschaft zu suchen. Gewiß werden die Länder, die in der Vergangenheit ihre Rohstoffe in den Industrieländern absetzten, auch in Zukunft hier ihren Markt finden. Die Bundesregierung wird, um das zu erleichtern, ihre liberale Einfuhrpolitik gegenüber den Entwicklungsländern auch in der Zukunft fortsetzen. Sie wird hierbei mit Rücksicht auf ,die eigene Wirtschaft zwar behutsam vorgehen; durch ,die steigende Einfuhr von Produkten aus den Entwicklungsländern wird trotzdem möglicherweise die eigene Wirtschaft zu gewissen Anpassungen genötigt werden. Hierdurch werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Erzeugnisse der Entwicklungsländer in steigendem Umfang Zugang zum deutschen Markt finden. Ich möchte eine Bemerkung hinsichtlich der Stabilisierung der Rohstoffpreise an ,den Herrn Abgeordneten Kalbitzer richten. Das ist ein sehr ernstes, aber sehr kompliziertes Problem, das international geprüft wird, und zwar wahrscheinlich bei einer besonderen Gruppe in der OECD. Die Stabilisierung der Rohstoffpreise hätte ja nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn eine Absatzgarantie für die Mengen der Rohstoffe gegeben würde. Eine Garantie des Absatzes zu hohen Preisen würde ganz gewiß nicht im Interesse der Entwicklungsländer liegen, weil dann der Absatz selber wahrscheinlich sinkende Tendenz zeigen würde. Dagegen entspräche eine Garantie ,des Absatzes zu niedrigen Preisen noch weniger ,den Wünschen ,der Industrieländer. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Kalbitzer, versichert zu sein, daß wir diese Angelegenheit auch international mit der Sorgfalt, ,die ihr gebührt, studieren werden. Über den Wunsch, den Absatz der Produkte der Entwicklungsländer in den Industrieländern zu sichern, hinaus muß angestrebt werden, daß sich in den Entwicklungsländern selbst auch eine gesunde verarbeitende Wirtschaft entfaltet, die diese Völker in den Stand versetzt, sich selbst zu helfen und für die dort lebenden Menschen möglichst bald einen menschenwürdigen Lebensstandard zu erreichen. Die entwickelten Industriestaaten der freien Welt tragen eine gemeinsame Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern. Die Hilfe ist daher eine gemeinsam zu erfüllende Aufgabe, und nur durch gemeinsame Bemühungen wird es auch gelingen, diesen Ländern die Überzeugung zu vermitteln, daß ihre Probleme mit Unterstützung der Länder der freien Welt gelöst werden können. Auf der jüngsten Londoner Tagung der Development Assistance Group wurde dieser Grundsatz allgemein anerkannt. Die Mitglieder dieses Koordinierungsgremiums haben beschlossen, es sich zum gemeinsamen Ziel zu machen, eine Ausweitung des Gesamtvolumens der Entwicklungshilfe zu sichern und die Wirksamkeit der Hilfe zu verbessern. Die Probleme der Entwicklungsländer werden uns noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte vor die Aufgabe stellen, nach besten Kräften zu helfen. Schnelle, vor allen Dingen aber spektakuläre Erfolge werden nicht zu erwarten sein. Es bedarf vielmehr einer gesicherten Grundlage für die Aufbringung der erforderlichen Mittel auf längere Zeit und unserer kontinuierlichen emsigen Bemühungen, um dieser großen Aufgabe gerecht zu werden. Die Hilfe muß dort eingesetzt werden, wo der nachhaltigste Effekt für die Gesamtentwicklung eines Empfängerlandes erzielt werden kann. Es sollen also nicht Nationaldenkmäler — wie Professor Erhard es mehrfach genannt hat — in Form von Mammutunternehmen entstehen, für die wirtschaftliche Basis in den betreffenden Ländern fehlt und bei denen von vornherein feststeht, daß sie im weltweiten Rahmen nicht konkurrenzfähig sein können. Sicher mag es in manchen Fällen notwendig und unvermeidlich sein, einem Volk den Glauben an seine Kraft und an ein fruchtbares Beginnen des Aufbaus zu vermitteln. Aus diesem Grunde mag es sich in einzelnen Fällen nicht vermeiden lassen, Vorhaben in Angriff zu nehmen, ,die nach den Grundsätzen einer rationalen Wirtschaft vielleicht zu mancher berechtigten Kritik Anlaß geben könnten. Der psychologische Effekt auf die Bevölkerung eines Entwicklungslandes aber ist nun einmal auch ein Faktor, dem eine gewisse Bedeutung zukommt. Im allgemeinen ist jedoch nur eine Hilfe sinnvoll, die auf einer möglichst breiten Basis ansetzt und organisch auf dem Vorhandenen aufbaut. Die Wirtschaft muß von unten nach oben entwickelt werden. Kein Volk kann von den einfachsten Formen der Technik gleich zu den kompliziertesten Anwendungsbereichen von Atomkraft, Elektronik usw, übergehen, auch aus psychologischen und aus soziologischen Gründen nicht. Es würde nicht nur die Kenntnisse und rationalen Fähigkeiten eines Volkes überfordern, es würde auch die Herzen und die Seelen überfordern, wenn es sozusagen aus dem Nichts in die modernste Technik gesetzt würde. Unsere Hilfe soll dazu dienen, die eigene Kraft der Entwicklungsländer zu mobilisieren. Die Empfängerländer verfügen vielfach über ein großes Reservoire an Menschen, deren Ausbildungsstand häufig den Erfordernissen unserer modernen Zeit nicht genügt. Sie verfügen auch zum Teil über ein immenses Potential an Rohstoffen. Die Grundvoraussetzungen für ein wirtschaftliches Wachstum sind also in vielen Fällen durchaus gegeben. Es kommt darauf an, die vorhandenen Quellen zu erschließen. Hierzu sind die Entwicklungsländer im allgemeinen aus eigener Kraft nicht imstande. Es bedarf vielmehr des Einsatzes erfahrener Berater und Fachkräfte sowie erheblichen Kapitals von seiten der Industrieländer. Staatssekretär Dr. Westrick Herr Minister von Brentano hat in seinen Ausführungen die Grundsätze und Methoden der Technischen Hilfe eingehend dargestellt. Ich möchte Ihnen nunmehr eine Übersicht geben über die wichtigsten Grundsätze und Methoden der Kapitalhilfe. Hierbei verstehe ich unter Kapitalhilfe die Gewährung langfristiger Kredite und verlorener Zuschüsse zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten und programmen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die zum Aufbau der Entwicklungsländer benötigte Hilfe soweit wie möglich durch die private Wirtschaft geleistet werden soll, weil die private Initiative, verbunden mit der Vermittlung technischen Wissens und Könnens sowie der Herstellung menschlicher Kontakte zur Bevölkerung in den Entwicklungsländern, Leistungen erwarten läßt, die den wirtschaftlichen und technischen Bedingungen des einzelnen Falles in besonderem Maße gerecht werden. Die Bundesregierung ist deshalb bemüht, der privaten Initiative in den Entwicklungsländern jede nur mögliche Förderung angedeihen zu lassen. Für den Bereich der privaten Direktinvestitionen hat sie erhebliche steuerliche Anreize vorgeschlagen, die in dem Steueränderungsgesetz 1961, das vorgestern in diesem Hause verabschiedet wurde, ihren Niederschlag gefunden haben. Die Bundesregierung fördert bereits durch Gewährung von Krediten aus Mitteln des ERP-Sondervermögens, durch Übernahme staatlicher Garantien zur Deckung des politischen Risikos und durch den Abschluß von Kapitalförderungsabkommen die private Unternehmertätigkeit in den Entwicklungsländern. Ich darf hier meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß die staatlichen Förderungsmaßnahmen in verstärktem Umfang deutsche Unternehmer veranlassen werden, ihre Kenntnisse und Erfahrungen sowie auch ihr Kapital für den Aufbau in den Entwicklungsländern einzusetzen. Dabei ist es mir ein besonderes Anliegen, daß sich gerade auch kleinere und mittlere Unternehmer in den Entwicklungsländern betätigen. Die Bundesregierung überlegt zur Zeit, welche Wege am besten geeignet sind, um den in Entwicklungsländern investierenden Unternehmern über die bestehenden Förderungsmaßnahmen hinaus durch Rat und Tat zu helfen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine vom Wirtschaftsministerium verbreitete Broschüre über Informationen hinweisen, Informationen, die die privaten Investitionen in Entwicklungsländern betreffen. Ferner habe ich vor wenigen Tagen die Bundesstelle für Außenhandelsinformation beauftragt, den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Beschaffung von Informationen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und Förderungsmöglichkeiten der Entwicklungsländer zu legen. Öffentliche Mittel sollen dann eingesetzt werden, wenn mit einer ausreichenden Beteiligung privaten Kapitals nicht gerechnet werden kann, sei es, daß die betreffenden Projekte im privatwirtschaftlichen Sinn nicht rentabel sind, die Größe der Projekte und deren Risiken die Möglichkeit der privaten Wirtschaft übersteigen oder daß spezielle Aufgaben zu lösen sind, für die die private Wirtschaft nicht als der geeignete Träger der Hilfe angesehen werden kann. Das gilt vor allem für die Finanzierung von Vorhaben der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, wie z. B. für den Bau von Krankenhäusern, Straßen, Wasserwegen, Staudämmen usw. Hier sind an Stelle von kurzund mittelfristigen Krediten vielfach langfristige Kredite zu besonders günstigen Bedingungen erforderlich, die nicht auf dem privaten Kapitalmarkt beschafft werden können. Über ,die Laufzeit und die Höhe des Zinssatzes derartiger langfristiger Kredite aus öffentlichen Mitteln kann keine allgemeine Aussage gemacht werden. Die Bedingungen müssen vielmehr jeweils dem Charakter des Projektes und der Gesamtlage des Empfängerlandes angepaßt werden. Die Kapitalhilfe soll im Grundsatz für die Finanzierung von Einzelprojekten eingesetzt werden, da so am besten die sinnvolle Verwendung der Mittel gesichert ist. Diese Art der Finanzierung gibt auch die Möglichkeit, rechtzeitig ergänzende Maßnahmen, wie etwa die Heranbildung von technischen Fachkräften, einzuleiten. Daneben können auch konkrete Entwicklungsprogramme finanziert werden, wenn und soweit diese nach dem Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung wirtschaftlich vernünftig sind. Es wird sich hierbei regelmäßig um Finanzierungen handeln, die — wie z. B. im Falle Indien und Pakistan — im Rahmen internationaler Zusammenarbeit zustande kommen. Eine Finanzierung zur Deckung von Haushaltsdefiziten scheidet grundsätzlich aus. Eine Bindung an den Bezug deutscher Waren oder an die Inanspruchnahme deutscher Dienstleistungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Den Entwicklungsländern ist 'damit die Möglichkeit gegeben, dort einzukaufen, wo ihnen die günstigsten Angebote unterbreitet werden. Damit müßte eigentlich den Bedenken des Herrn Abgeordneten Kalbitzer, wir verwechselten etwa die Entwicklungshilfe mit der Exportförderung, entsprochen sein. Die auf diese Weise den Entwicklungsländern eingeräumte Dispositionsfreiheit gilt nur gegenüber solchen Staaten ,die das Prinzip des freien Wettbewerbs anerkennen. Mit anderen Worten: Einkäufe im Ostblock sind ausgeschlossen. Die langfristige Kapitalhilfe wird in der Regel in Form von Krediten gewährt werden. Die Bundesregierung hat sich den Grundsatz zu eigen gemacht, daß Geschenke, abgesehen von den Maßnahmen der Technischen Hilfe, nur in besonderen Ausnahmefällen und nur dann gegeben werden, wenn es sich um multilaterale Aktionen handelt. Hierfür war in erster Linie ausschlaggebend, daß die Entwicklungsländer nicht als Almosenempfänger anzusehen sind, sondern als Partner, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach Kräften mithelfen sollen, den Aufbau ihrer Volkswirtschaften voranzutreiben. Wir sollten uns jedoch 'darüber im klaren sein, daß in stärkerem Umfange als bisher Laufzeit und Zinshöhe der Kredite den Bedürfnissen und vor allen Dingen den Möglichkeiten der Empfängerländer Rechnung zu tragen haben. Über die Kapitalhilfe entscheidet der vom Entwicklungsausschuß eingesetzte Referentenausschuß Staatssekretär Dr. Westrick für Kapitalhilfe, der sich aus Vertretern der beteiligten Ressorts zusammensetzt. Die Bundesbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau nehmen an den Sitzungen dieses Ausschusses beratend teil. In Grundsatzund wichtigen Einzelfragen aber entscheidet der Entwicklungsausschuß selbst, dem es vorbehalten bleibt, seinerseits die Entscheidung des Kabinetts oder in geeigneten Fällen des Kabinettsausschusses für Wirtschaft herbeizuführen. Die Kapitalhilfe wird grundsätzlich nur für eingehend geprüfte Vorhaben gewährt. Die Prüfung umfaßt Untersuchungen über die wirtschaftliche und soziale Struktur des Empfängerlandes, die Zahlungsbilanz, die Marktlage usw. Die Vorhaben müssen außerdem technisch ausgereift sein und sich in ein ausgewogenes Entwicklungsprogramm einfügen lassen. Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang die Frage der Projektprüfung und den damit zusammenhängenden Verfahrensweg etwas eingehender behandle. Anträge auf Gewährung einer langfristigen Finanzhilfe sind an die Bundesregierung zu richten. In der Regel werden die ausländischen Regierungen ihre Anträge unmittelbar oder über die deutschen Auslandsmissionen an die Bundesregierung herantragen. Das schließt aber nicht aus, daß die Bundesregierung eine eigene Initiative zur Inangriffnahme von ihr besonders wichtig erscheinenden Vorhaben entfaltet. Die Anträge werden vom Bundesministerium für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und den am Projekt fachlich beteiligten Ressorts vorgeprüft und mit einer Stellungnahme dem Referentenausschuß für Kapitalhilfe vorgelegt. Dieser entscheidet, ob der Antrag insbesondere nach politischen, volkswirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Gesichtspunkten für eine Finanzierung grundsätzlich in Betracht kommt. Wird dies bejaht, so schließt sich eine eingehende Untersuchung an, die je nach Sachlage des Einzelfalles die nachstehenden Gesichtspunkte umfaßt: 1. die Prüfung des Landes: gesamtwirtschaftlicher Überblick über das Land einschließlich der sozialen Struktur, Zahlungsbilanzlage, volkswirtschaftliche Prüfung, insbesondere Einfügung des Vorhabens in die Entwicklungsplanung des Empfängerlandes, 2. die Prüfung des Projektes: technische Prüfung, Betriebsführung und Organisation, kaufmännische Prüfung und finanzielle Prüfung. In dieser Prüfung wird auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau eingeschaltet, die gegebenenfalls Sachverständige in das Entwicklungsland entsendet. Nach Abschluß der Untersuchungen wird ein Gesamtbericht erarbeitet, der die Grundlage für die Entscheidung über den Kapitalhilfeantrag bildet. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß zur Zeit Gespräche mit den Organisationen der Wirtschaft geführt werden, um eine fachkundige und neutrale Beratung durch die Wirtschaft bei der Projektprüfung zu gewährleisten. Wenn ich Ihnen soeben den Gang der Projektprüfung im einzelnen dargestellt habe, so bin ich mir bewußt, daß den Außenstehenden die Vielfalt der Aufgaben verwirren kann. Angesichts aber der großen Verantwortung, die die Bundesregierung mit der Verfügung über so erhebliche öffentliche Mittel für Zwecke der Entwicklungshilfe auf sich genommen hat, glaubt sie, daß nicht so sehr dem Zeitmoment, sondern vielmehr der sorgfältigen Auswahl sinnvoller Projekte der Vorrang gebührt. Erfreulicherweise hat sich bereits eine ausgezeichnete Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen entwickelt. Das gilt nicht nur für die technischen Einzelfragen, sondern auch für grundsätzliche Entscheidungen. Minister von Brentano hat Ihnen bereits den Aufgabenbereich des Entwicklungsausschusses dargestellt. Vielleicht darf ich in wenigen Worten auf die bisherige Tätigkeit dieses Ausschusses eingehen. Der Ausschuß hat während der kurzen Zeit seines Bestehens bereits eine große Reihe grundsätzlicher Fragen unserer Entwicklungspolitik behandelt. Hierunter nahmen die Grundsätze über die Vergabe der bilateralen langfristigen Kapitalhilfe, die ich Ihnen soeben in rohen Umrissen vortragen durfte, den größten Raum ein. Außerdem erörterte der Ausschuß — um Ihnen nur einige Beispiele zu nennen — folgende Fragen allgemeinen Charakters: die sehr wichtige Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und der Wissenschaft, die Ausbildung und Vorbereitung deutscher Experten und Lehrer, die in die Entwicklungsländern gehen, ferner die Fragen der Entwicklungshilfe nichtstaatlicher Organisationen. Bislang machte der Ausschuß feste Zusagen über langfristige Kredite für Entwicklungsprojekte und -programme in Höhe von 1,6 Milliarden DM. Diese Zusagen betreffen 18 Entwicklungsprojekte oder -programme. Zu ihnen zählen die Beiträge zu den indischen und pakistanischen Fünf-Jahres-Plänen, die Gewährung von Finanzkrediten an Afghanistan, Ceylon, Indonesien, Iran, die Türkei und mehrere afrikanische Staaten. Ohne mich hier in die Einzelheiten der Arbeit des Entwicklungsausschusses vertiefen zu wollen, möchte ich Ihnen, bevor ich dieses Gebiet verlasse, an Hand eines Beispiels verdeutlichen, wie die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen geordnet 'ist. Einen Augenblick, Herr Staatssekretär. — Meine Damen und Herren, ich unterbreche für einen Augenblick die Darlegungen des Herrn Staatssekretärs des Wirtschaftsministeriums zur Entwicklungshilfe, um den Kontaktausschuß, den das Parlament der Europäischen Gemeinschaft mit den Parlamenten eines großen Teils der freien Staaten Afrikas gebildet hat, zu begrüßen. Es ist mir eine Freude, in diesem Augenblick im Deutschen Bundestag zu begrüßen den Präsidenten des Europäischen Parlaments, das Mitglied dieses Hauses, Herrn Professor Dr. Fuder, und die Herren Präsidenten und Vizepräsidenten der Nationalversammlung und Parlamente der Republik Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, Präsident D. Dr. Gerstenmaier 1 der Republik Kongo-Brazzaville, der Republik Kongo-Leopoldville, der Republik Côte d'Ivoire, der Elfenbeinküste, der Republik Dahomey, der Republik Gabun, der Republik Haute Volta, der Republik Madagaskar, der Republik Mali, der Republik Mauretanien, der Republik Niger, der Republik Senegal, der Republik Somalia und der Republik Tschad. Ich begrüße ferner in unserer Mitte die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die in den Kontaktausschuß delegiert wurden und zu denen zwei Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gehören und denen sich die Herren Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen, der Liberalen und der Sozialistischen Fraktion sowie die Herren Vorsitzenden verschiedener Ausschüsse des Europäischen Parlaments, ,die Herren Berichterstatter für Probleme der Assoziation sowie eine Anzahl ihrer Mitarbeiter angeschlossen haben. Meine Damen und Herren, seien Sie uns hier in diesem Hause herzlich willkommen. Wir wünschen Ihrer Arbeit und Ihren Bemühungen aufrichtig Erfolg. Ich bitte fortzufahren, Herr Staatssekretär. Meine Damen und Herren! Im Frühjahr dieses Jahres reiste Minister von Merkatz in verschiedene Länder Südostasiens. Auf dem Reiseprogramm standen Gespräche über die Möglichkeiten einer deutschen Entwicklungshilfe an die in Frage kommenden Länder. Vor Antritt der Reise befaßte sich deshalb ,der Entwicklungsausschuß mit den von der Bundesregierung gegebenenfalls zu erteilenden Zusagen. Es wurde festgelegt, daß für Ceylon ein langfristiger Finanzkredit bis zu 40 Millionen DM zugesagt werden könne. Diese Rahmenzusage sollte später durch gemeinsam festzulegende Einzelprojekte ausgefüllt werden. Auf Grund dieser Vereinbarung besuchte uns vor wenigen Wochen der ceylonesische Finanzminister Bandaranaike, ein Neffe der amtierenden Ministerpräsidentin, um über die Inanspruchnahme des 40-Millionen-Kredits durch Festlegung konkreter Einzelprojekte zu verhandeln. Der Entwicklungsausschuß wählte aus den ceylonesischen Vorschlägen das Projekt einer Zementfabrik und eines Hafenausbaus aus und beschloß die Entsendung von Sachverständigen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, um diese Projekte nach betriebswirtschaftlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen zu prüfen. Zweifellos wird der Entwicklungsausschuß noch weitere Erfahrungen sammeln müssen; ich glaube aber, und darin bin ich mir mit Herrn von Brentano einig, daß sich die gefundene Konstruktion als eine gute Lösung erweisen wird. Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch ein Wort über die Ausgestaltung 'der Kreditanstalt zur Entwicklungsbank sage. Im Zuge der Verstärkung der Entwicklungshilfe beabsichtigt die Bundesregierung, die Kreditanstalt unter Beibehaltung ihrer bisherigen Aufgaben zur Entwicklungsbank des Bundes auszugestalten. Hierzu ist insbesondere erforderlich, den Aufgabenbereich der Anstalt entsprechend zu erweitern. Diesem Ziel dient der dem Hohen Hause vorliegende Gesetzentwurf zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, insbesondere zu den Entwicklungsländern, in dessen § 4 die Erweiterung des Aufgabenbereichs der Anstalt vorgesehen ist. Wenn die Kreditanstalt auch schon zur Zeit wesentlich in die Aufgaben der Entwicklungshilfe eingeschaltet ist und dort mitarbeitet, so werden durch den vorliegenden Gesetzentwurf die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Kapitalhilfen auf breitester Grundlage geschaffen. Ich komme nun zu Ziffer 3 der Anfrage. Sie betrifft Höhe, Zeitraum und Form der aufzubringenden Mittel. Die Bundesregierung hat vorbehaltlich der Genehmigung durch den Bundestag Vorkehrungen getroffen für die Bereitstellung von Mitteln bis zu 5 Milliarden DM, die ibis Ende 1962 für langfristige öffentliche Kredite und unentgeltliche Zuwendungen zur Auszahlung gelangen können. In diesem Betrag sind weder private Kapitalausfuhren noch die 1961 zu zahlenden Teile der langfristigen Anleihe der Deutschen Bundesbank an die Weltbank eingerechnet. Zu diesem Programm tragen die verschiedenen Quellen etwa wie folgt bei: Bundeshaushalt einschließlich Industrieanleihe 3000 Millionen DM ERP-Wirtschaftsplan 900 Millionen DM Haushalte der Bundesländer 500 Millionen DM Kreditanstalt für Wiederaufbau 600 Millionen DM. Das sind zusammen etwa 5 Milliarden. In den vergangenen Monaten ist, wie Sie alle wissen, in der inund ausländischen Presse viel davon die Rede gewesen, daß die Bundesregierung Dr. Westrick 1961 rund 4 Milliarden DM für die Zwecke der Entwicklungshilfe bereitstellt. Hierzu einige klarstellende Bemerkungen: In der Tat ist dem Kap. 60 07 Tit. 570 des Haushaltsplans 1961 eine Übersicht der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen angefügt, die mit einem Betrag von 4,135 Milliarden DM abschließt. Diese Ubersicht enthält aber nicht nur die im Jahre 1961 bar aufkommenden Mittel, sondern zusätzlich auch Bindungsermächtigungen über 615 Millionen DM. Diese Bindungsermächtigungen sind in ,dem neuen Aufbringungsplan, den ich Ihnen soeben vorgetragen habe, nicht enthalten, weil sie, jedenfalls im Jahre 1961, zu keiner Aufbringung in bar führen. Außerdem war es erforderlich, einigen inzwischen eingetretenen tatsächlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. So ist die Entwicklungsanleihe der deutschen Wirtschaft bisher nicht — wie ursprünglich vorgesehen — in Höhe von 1,5 Milliarden, sondern nur in Höhe von ungefähr 1,2 Milliarden gezeichnet worden. Die Bundesländer werden von den zugesagten 500 Millionen DM Entwicklungshilfebeitrag im Jahre 1961 nur 250 Millionen und die restlichen 250 Millionen erst im Jahre 1962 zur Verfügung stellen. Von dem alten Aufbringungsplan über 4,135 Milliarden sind daher die 615 Millionen DM Bindungsermächtigungen und die 550 Millionen DM zu hoch veranschlagte Einnahmen abzusetzen, woraus sich für 1961 ein Betrag von 3 Milliarden aus öffentlichen Mitteln ergibt. Zur Form der Mittelverwendung ist folgendes zu sagen. Der überwiegende Teil der bereitgestellten Gesamtsumme von rund 5 Milliarden wird für bilaterale Entwicklungshilfe verwendet, und zwar insgesamt 4 1/4 Milliarden. Hiervon sind 300 Millionen für Ausbildung und Beratung und 3,950 Milliarden für langfristige Finanzierungen in Entwicklungsländern bestimmt. Die restlichen 750 Millionen DM werden für die multilaterale Entwicklungshilfe der Bundesregierung verwendet, also für die Beiträge zum erweiterten Technischen Hilfsprogramm der Vereinten Nationen und zu deren Sonderfonds, für Beiträge zu Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, für Beiträge zum EWG-Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete sowie für die Leistungen der Bundesrepublik auf ihren erhöhten Kapitalanteil an der Weltbank. Nachdem die Grundsätze für die Vergabe von Entwicklungskrediten aufgestellt und auch die Voraussetzungen für eine Projektprüfung gegeben sind, rechnet die Bundesregierung damit, daß die bereit-. gestellten rund 5 Milliarden DM in den Jahren 1961 und 1962 zum überwiegenden Teil auch tatsächlich verausgabt werden. Natürlich kann die endgültige Höhe ,der Auszahlungen nicht genau vorhergesagt werden, weil hier eine Reihe von verschiedenen Faktoren, wie die Darbietung von Projekten durch die Entwicklungsländer selbst und anderes mehr, zu berücksichtigen sind. Dieses Zweijahresprogramm der Bundesregierung stellt natürlich nur einen Teil der gesamten Entwicklungshilfe der Bundesrepublik dar. Denn zu diesen Mitteln werden auch weiterhin bundesverbürgte Kredite der privaten Wirtschaft an Entwicklungsländer in einer erheblichen Größenordnung treten. Außerdem rechnet die Bundesregierung mit einem weiteren Ansteigen der privaten Kapitalinvestitionen in diesen Ländern. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Weltbank von der Deutschen Bundesbank im Jahre 1961 ein weiterer namhafter Betrag, nämlich 900 Millionen DM, aus dem im Sommer 1960 zugesagten Betrag von 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt wird. Zu der Entwicklungshilfe von 5 Milliarden DM treten also erhebliche weitere Leistungen an Entwicklungsländer, die nach vorsichtiger Schätzung allein im Jahre 1961 einen Betrag von rund 2 Milliarden ausmachen dürften, hinzu. Diese Leistungen müssen hinzugerechnet werden, wenn man die Gesamtleistung der deutschen Volkswirtschaft für den Aufbau der Entwicklungsländer zutreffend würdigen will. Nun zur Frage der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Ich halte diese Seite der Entwicklungspolitik für eines der wesentlichen Probleme unserer Hilfe. Die großen Aufgaben, die die Entwicklungsländer den Industrieländern stellen, können nur durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden. Angesichts des ungeheuren Bedarfs der Entwicklungsländer auf allen Gebieten, d. h. sowohl an ausgebildeten Fachkräften wie an Kapital, muß jede Möglichkeit ergriffen werden, um durch gemeinsame Anstrengungen der freien Welt höchstmögliche Wirkungen zu erzielen. Im Bereich der internationalen Hilfe möchte ich zwei Formen unterscheiden, nämlich die multilaterale Hilfe und die internationale Zusammenarbeit Unter multilateraler Hilfe ist die Hilfe über internationale Organisationen zu verstehen. Die Bundesrepublik ist an solchen Organisationen maßgeblich beteiligt. Ich darf erwähnen: die Weltbank, die Internationale Entwicklungsorganisation — kurz IDA genannt —, die Internationale Finanzkorporation, das erweiterte Technische Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, den Sonderfonds der Vereinten Nationen sowie den EWG-Entwicklungsfonds, um nur die wichtigsten zu nennen. Diese multilaterale Hilfe bietet ihrem Wesen entsprechend verhältnismäßig weniger schwerwiegende Koordinierungsprobleme als die bilaterale Hilfe der einzelnen Geberländer der freien Welt. Ich möchte nicht die Frage vertiefen, ob eine bilaterale Hilfe wirksamer als eine multilaterale ist. Die Fülle der in den Entwicklungsländern zu lösenden Probleme und nicht zuletzt die unterschiedliche Lage dieser Länder lassen je nach den Umständen des Einzelfalls hier die multilaterale, dort die bilaterale, in einem anderen Fall die Verbindung beider als besten Weg erscheinen. Beide Formen der Hilfe ergänzen sich gegenseitig. Im vergangenen Jahr haben sich besonders nützliche Formen einer internationalen Zusammenarbeit herausgebildet, die die Bundesregierung nach Kräften unterstützt. Ich denke hierbei in erster Linie an die Development Assistance Group, die DAG, die im Januar 1960 errichtet wurde und der die meisten entwickelten Industrieländer der freien Welt angehören. Die Bundesregierung hat aktiven Anteil an Staatssekretär Dr. Westrick den Arbeiten dieser Organisation genommen. Die letzte Tagung hat in London stattgefunden, die nächste Tagung wird im Juli 1961 in Tokio stattfinden. Die Gruppe hat auf ihren wenigen Tagungen bereits wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet der internationalen Koordinierung gemacht. Auf Grund der Arbeiten der Gruppe war ,es erstmalig möglich, auf einer vergleichbaren Basis eine Zusammenstellung über die Leistungen der Geberländer an Entwicklungsländer zu erstellen. Der begonnene Erfahrungsaustausch wird erweitert und vertieft. Die Londoner Tagung, die die Bestellung eines ständigen Vorsitzers beschloß, befaßte sich mit der Wirksamkeit der verschiedenen Arten und Bedingungen der finanziellen Entwicklungshilfe. Es ist interessant, daß die nächste Tagung sich rin erster Linie mit den Anreizen für private Kapitalinvestitionen in Entwicklungsländern beschäftigen soll. Die deutsche Delegation hat an der Ausweitung des Aufgabenbereichs und der Stärkung ,der Organisation tatkräftig mitgewirkt. Es war erfreulich, festzustellen, welche gute Resonanz die Haltung der Bundesrepublik im Rahmen dieser internationalen Konferenz gefunden hat. Nach Inkrafttreten der OECD im Herbst dieses Jahres wird die DAG als besonderer Ausschuß in die neue Organisation überführt und damit eine der Hauptstützen der OECD bei der atlantischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sein. Im regionalen Bereich der EWG wird ebenfalls eine enge Koordinierung der Entwicklungspolitik der Mitgliedstaaten angestrebt. Besonders auf dem Gebiet der Kreditversicherungen, der Bürgschaften und der Finanzkredite wurden eingehende Vorarbeiten für enge Zusammenarbeit geleistet. Daneben wird versucht, auf dem Gebiet ,der Technischen Hilfe zu einer möglichst weitgehenden Harmonisierung zu gelangen. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen um das Zustandekommen von internationalen Konsortien zur Finanzierung von umfassenden Entwicklungsprogrammen und Großprojekten. Auf diesem Gebiet ist besonders die Weltbank tätig geworden. Die Bundesregierung begrüßt das sehr, weil die Weltbank auf Grund ihrer großen Erfahrungen zu einer solchen Koordinierung in besonderem Maße berufen erscheint. So hat sich die Bundesregierung an der Finanzierung des von der Weltbank in Angriff genommenen InduswasserProjekts, an .der Finanzierung der letzten zwei indischen Fünfjahrespläne und des letzten pakistanischen Fünfjahresplanes beteiligt. Ich hoffe, Ihnen damit einen allgemeinen Einblick in die zahlreichen Ansatzpunkte ,der internationalen Zusammenarbeit gegeben zu haben. Es ist selbstverständlich, daß auch hier erst Erfahrungen gesammelt werden müssen, um ,eine gemeinsame Sprache zu finden und die erstrebte Harmonisierung zu erreichen. Die bisherigen Fortschritte sind aber, ermutigend. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Entwicklungspolitik eine Aufgabe des Bundes. Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf ihrer Konferenz vom 26. Januar dieses Jahres über ihre Mitwirkung an der Entwicklungshilfe ausdrücklich zu diesem Grundsatz bekannt. Die Bundesregierung begrüßt herzlich die Bereitschaft der Bundesländer, ihre großen Erfahrungen für die Lösung der vielfältigen Fragen der Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Die Mitwirkung der Länder muß jedoch je nach der Aufgabenstellung unterschiedlich geartet sein. Für das Gebiet der Kapitalhilfe und der Handelspolitik ist die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes unbestritten. Die Bundesregierung unterrichtet aber die zuständigen Länderorgane laufend über die grundsätzlichen Maßnahmen auf diesen Gebieten. Anders liegen die Dinge im Bereich der technischen Hilfe. Hier verfügen die Länder über die Möglichkeiten, an den spezifischen Aufgaben erfolgreich mitzuwirken: Bereitstellung von Lehrund Fachkräften für Schulen, Betreuung von Delegationen und Besuchern aus den Entwicklungsländern, Bereitstellung von Experten und Fachkräften, Betreuung ausländischer Studenten und viele Aufgaben mehr. Es ist klar, daß bei der Vielzahl dieser Aufgaben Überschneidungen und Doppelarbeit leicht möglich sind. Es muß alles geschehen, um hier zu einer klaren Lösung zu kommen. Ich gestehe auch offen ,ein, daß noch nicht alle diese Probleme ganz zufriedenstellend gelöst werden konnten. Nach Auffassung der Bundesregierung sollen die Bundesländer in weitem Umfange an allen Bund und Länder gemeinsam interessierenden Fragen beteiligt werden. Zur Zeit wird geprüft, wie eine möglichst enge Koordinierung der Entscheidungen und auch der durchzuführenden Arbeiten sichergestellt werden kann. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten bieten sich an, etwa die Schaffung einer zentralen Stelle für den Austausch von Informationen über geplante und durchgeführte Vorhaben, die Errichtung einer ständigen Konferenz, die Beteiligung in den zuständigen Ausschüssen, die Schaffung eines Beirates und ähnliches mehr. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß die Verhandlungen auf diesem Gebiete nicht ganz einfach sind. Sie dürfen aber überzeugt sein, daß die Bundesregierung nichts unversucht läßt, um zu vernünftigen und praktikablen Lösungen zu gelangen. Auf dem Gebiet der technischen Hilfe, insbesondere der Bildungshilfe, muß eine Koordinierung der vielfältigen und sich überschneidenden Aufgaben zwischen Bund und Ländern erst noch bewerkstelligt werden. Dies verführt, wie die Erfahrung lehrt, allzu leicht zu einer herben, aber nach unserer Meinung nicht berechtigten Kritik an den für die Entwicklungshilfe insgesamt getroffenen Maßnahmen, die, wie vorhin gesagt, ausschließlich in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen. Die Zusammenarbeit der Ressorts in dem Bereich der Kaptialhilfe hat sich gut, ich könnte sagen, sehr gut eingespielt. Mit ,der Wirtschaft ist eine Abmachung über ihre Hinzuziehung in beratender Funktion in Vorbereitung. Natürlich aber werden schon jetzt Sachverständige aus der Wirtschaft zur Beratung hinzugezogen. Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr der Bundesregierung bei der Durchführung der EntwickStaatssekretär Dr. Westrick lungshilfe wegen ihrer zentralen und umfassenden Bedeutung an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Parlament gelegen ist, dessen politischer Wille für Konzeption und Gestaltung dieser entscheidenden Aufgabe selbstverständlich voll zur Geltung kommen muß. Die Bundesregierung steht in ständigem Kontakt zu den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages und unterrichtet sie laufend über ihre Arbeit. Im Interesse einer möglichst engen Zusammenarbeit mit dem Parlament sollen diese Kontakte erweitert und vertieft werden. Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob in die Beratung eingetreten werden soll. Verlangen 30 Mitglieder des Hauses die Aussprache? — Wenn ich noch zwei Hände sehe, kann es gerade gelingen, — 30! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich ein außerordentliches Wagnis, jetzt eine Aussprache über diesen Stoff zu führen. Ich möchte zunächst einmal bitten, daß diejenigen Kollegen, die nicht mit Ja gestimmt haben, ,das nicht etwa zur Grundlage eines Entschlusses nehmen, das Haus jetzt zu verlassen; dann würden wir uns ausrechnen können, daß nur noch wir 30 hier zusammenblieben. Die Bundesregierung hat ihr Recht wahrgenommen, auf eine Große Anfrage der Sozialdemokratischen Partei ausführlich zu antworten. Wir sind in der Tat mit einer Fülle von Antworten eingedeckt worden, die zu verarbeiten außerordentlich schwer sein wird. In der kurzen Zeit, die uns zur Aussprache zur Verfügung steht, bleibt gar keine andere Wahl, als einige Schwerpunkte herauszuheben. Ich möchte den Punkt 1 der Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei noch einmal unter die Lupe nehmen, nämlich die Frage, von welchen Grundsätzen sich die Bundesregierung leiten läßt. In Iden vielen einzelnen Antworten, unendlich vielen Besprechungen und Versammlungen, in den Beschlüssen nationaler und internationaler Gremien habe ich mit großer Mühe eine Grundkonzeption zu finden gesucht. Das ist mir bisher noch nicht gelungen. Ich müßte erst einmal die schriftlichen Texte zuziehen. Ich glaube, das ist Anlaß, noch einmal auf die Ausgangsposition zurückzukommen, die wir bei der Frage „warum treiben wir Entwicklungspolitik?" einnehmen müssen. Es ist die Frage zu klären: Ist das eine humanitäre Angelegenheit oder gar, wie man heute häufig hört, eine karitative Angelegenheit oder ist das eine militärpolitische Angelegenheit oder ist es — und das schien mir heute morgen bei der Beantwortung an einer Stelle in der Tat so auszusehen — eine ideologische Frage? Wir müssen uns zunächst einmal darüber klar sein: das alles ist es nicht oder, wenn überhaupt, nur zum Teil. Im Kern ist es nichts anderes als das Problem: Wie können wir die Gegensätze zwischen arm und reich auf dieser Welt lösen, nachdem es uns in den westlichen Industrieländern gelungen ist, die soziale Frage, die uns durch die Industrialisierung des vorigen Jahrhunderts gestellt wurde, weitgehend einer Lösung entgegenzuführen? Jetzt also hat sich diese Frage erneut, und zwar im weltweiten Rahmen gestellt, und wir müssen nunmehr beweisen, daß unser Ordnungssystem, ,daß unsere Gesellschaftsordnung in der Lage ist, auch diese neue, viel größere Aufgabe zu meistern. Es ist keine ideologische Frage. Vor einigen Jahren hat einmal Professor Roepke in einem Artikel über Entwicklungspolitik den Verdacht geäußert, das Ganze sei ein Komplott ,der Kollektivisten und Dirigisten der ganzen Welt, um am Ende doch noch die so schön in Gang gekommene Liberalisierung des Welthandels zu verhindern, zu bremsen, um ein kollektivistisches System aufzurichten. Aber wer häufig mit politischen Führern aus Entwicklungsländern spricht, der stellt sehr bald fest, daß sie nahezu alle eines gemeinsam haben: Sie sind allen Ideologien abhold, sie denken sehr pragmatisch über ihre Aufgabe, nämlich den Lebensstandard ihrer Völker zu verbessern. In dem Bestreben, daß ihnen diese Aufgabe gelingen möge, nehmen sie natürlich Leitbilder, woher immer sie sie bekommen. Sie sind auch bereit, vorurteilslos kommunistische Leitbilder zu prüfen. Wir Europäer sind gewohnt, immer und an allen Stellen hinter dem Handeln die ideologischen Wurzeln zu suchen, aus denen man konsequent die Entscheidungen herleiten kann, und alle Politiker, die ideologiefreie Politik treiben, sind uns möglicherweise verdächtigt. Ich erinnere nur daran, wie schwer es gewesen ist, hier in der Bundesrepublik für den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten Sympathie zu erwecken. Aber die politischen Führer der Entwicklungsländer wollen nicht in unsere ideologischen Konflikte hineingezogen werden. Sie wollen vor allem nicht in den Ost-West-Konflikt hineingezogen werden, der uns ja alle beherrscht. Sie haben eine große Aufgabe für ihre Völker zu erfüllen, und sie möchten nicht, daß wir sie mit unseren eigenen ideologischen Konflikten identifizieren. Es gibt einige Beispiele dafür, z. B. die Haltung der afrikanischen Staaten in der UNO. Es ist nämlich nicht nur so, .daß die jungen Völker sich nicht auf unsere Seite mit dem Ost-West-Konflikt identifizieren wollen; sie wollen es vor allen Dingen und erst recht nicht auf der anderen Seite, nämlich auf der Seite der Bolschewisten. Die jungen afrikanischen Völker haben bei den Abstimmungen in der UNO gerade das Gegenteil von dem getan, was die Bolschewisten von ihnen erwartet hatten. Darin liegt ein beachtliches Maß an politischer Reife. Ich erinnere mich auch noch, daß die afrikanischen Besucher, die an den Afrika-Wochen teilgenommen haben, die wir vor einiger Zeit in Deutschland veranstaltet haben, sehr angetan von den Möglichkeiten gewesen sind, die wir ihnen boten, daß Scheel sie aber etwas enttäuscht darüber waren, allzu oft aufgefordert zu werden, sich mit den Ost-West-Problemen zu befassen. Mir ist jetzt noch eine Meldung über den Besuch des pakistanischen Staatspräsidenten General Ajub Khan in der Bundesrepublik in Erinnerung, die in feinem Humor wiedergibt, wir die Problematik eigentlich gelagert ist. Am Tage nach seinem Eintreffen in der Bundesrepublik war in dieser Zeitungsmeldung etwa folgendes zu lesen: Gestern landete auf dem Flughafen Köln-Wahn der Staatspräsident Pakistans, der General Ajub Khan — ich wiederhole jetzt etwas frei —, ein Eckpfeiler der Verteidigung der freien Welt gegen den Bolschewismus. — Der nächste Satz hieß dann: Pünktlich um 9.40 Uhr setzte auf der Piste die Privatmaschine des Staatspräsidenten Tito auf, die ihn nach Bonn gebracht hatte. — In dieser Aufeinanderfolge liegt das Problem irgendwie begraben. Ich habe den Eindruck, daß der Journalist, der diese Meldung verfaßt hat, über einen sehr feinen Humor verfügt. Ich will Ihnen damit sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß sich die politischen Führer dieser Länder nicht mit unserer Konfliktsituation identifizieren wollen. Es liegt auch gar kein Anlaß dafür vor. Sehr pragmatisch wollen sie naturgemäß Honig aus allen Blüten saugen. Wer könnte ihnen das verdenken angesichts der Aufgaben, die sie sich gestellt haben! Aber solange wir das nicht akzeptieren, werden wir im Umgang mit diesen Völkern häufig Überraschungen erleben, wie wir sie in der vergangenen Zeit ja schon einmal erlebt haben. Gerade hat hier der Herr Staatssekretär uns erläutert, welche riesigen Summen die Bundesrepublik schon aufgebracht hat, vor allem welche Summen sie in der allernächsten Zeit aufzubringen gedenkt. Man muß sich natürlich die Frage stellen: Ist jetzt nicht der letzte Augenblick, sich zu überlegen, welches denn die wirkungsvollste Methode ist, die wir in der Entwicklungspolitik anwenden müssen? Seit die Amerikaner nach dem letzten Krieg begonnen haben die wirtschaftliche Entwicklung asiatischer und südamerikanischer unabhängiger Staaten durch Finanzhilfen zu fördern, sucht man nach der wirkungsvollsten Methode für diese Hilfsmaßnahmen. Dabei muß man, so glaube ich, davon ausgehen, daß Entwicklungspolitik eine Kombination von aufeinander abgestimmten Maßnahmen ist, die sich gegenseitig in den verschiedenen Sachgebieten bedingen und ermöglichen, daß die Stetigkeit der Maßnahmen und ebenso die Stetigkeit der Partner als Basis zur Vertrauensbildung Voraussetzung einer wirklichen Entwicklung sind und daß die Entwicklungspläne der einzelnen Entwicklungsländer nicht isoliert voneinander aufgestellt und durchgeführt werden können, wenn es nicht zu Spannungen und Marktstörungen führen soll, und daß der Einsatz der Hilfsmittel und Maßnahmen der Industriestaaten koordiniert werden muß, um eine möglichst gleichmäßige Entwicklung der verschiedenen Regionen zu erreichen. Die Erfahrungen, die die westliche Welt, insbesondere die Vereinigten Staaten mit ihren bisherigen Unterstützungen für die Entwicklungsländer gemacht haben, sind nicht gerade positiv gewesen. Die westlichen Aufwendungen waren in den vergangenen sieben Jahren zwar fast 15mal größer als die des Ostens. Der sichtbare Erfolg entsprach aber bei weitem nicht dieser Relation. Die Ursachen sind sicher vielfältig. Die Vereinigten Staaten haben sich bei ihrer Hilfepolitik zum Beispiel darauf beschränkt, technischen Beistand zu leisten und Finanzkredite zu gewähren. Sie haben keinerlei handelspolitische Abmachungen von Dauer mit Entwicklungsländern vereinbart. Das Problem ist aber in Wirklichkeit, den Entwicklungsländern eine gewisse Sicherheit ihres Absatzes und ihrer Erlöse zu geben. Die Produktionsstruktur dieser Länder beruht heute zum größten Teil auf einem bis drei oder vier Hauptprodukten. Es sind dies neben mineralischen Rohstoffen besonders landwirtschaftliche und tropische Erzeugnisse. Das hat zur Folge, daß diese Volkswirtschaften bei einer Störung des Weltmarkts auf dem Gebiet eines ihrer Hauptprodukte in ihren Grundfesten erschüttert werden. Die Ursachen für diese Marktstörungen sind aber nicht primär handelspolitischer Art, sondern sie liegen auf dem Produktionssektor. Die Verbreiterung der Produktionsskala der Entwicklungsländer als Regulativ ist aber eine erst durch langwierige, aufeinander abgestimmte Entwicklungsvorgänge realisierbare Maßnahme. Im Augenblick sind diese Länder sogar gezwungen, ihre bestehenden Produktionen aufrechtzuerhalten und sogar zu forcieren. Es ist u. a. aber dieser Zwang zur Produktionsausweitung auch in den Ländern mit Monokulturen, der die Pression, vor allem die Preispression, auf dem Weltmarkt schafft. Die Sowjets tun sich hier natürlich leichter. Ihr Außenhandelssystem erlaubt es ihnen, langfristige Abnahmeverträge zu festen Preisen mit den einzelnen Entwicklungsländern abzuschließen. Der Propagandaeffekt der sowjetischen Entwicklungspolitik beruht offenbar darauf, daß ein kombiniertes Programm von Maßnahmen auf dem Gebiete der Handelspolitik, von finanziellen Beihilfen und dem Einsatz von Technikern von den Sowjets angeboten wird. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die ihre Hilfen an über 50 Länder, auf der ganzen Welt verstreut, gegeben haben, konzentrieren sich darüber hinaus die Sowjets in ihren Maßnahmen schwerpunktmäßig auf wenige, allerdings politisch besonders interessante Länder. Natürlich werden sich für diese Entwicklungsländer daraus Schwierigkeiten von nicht geringer Tragweite ergeben können. Einseitige Handelsbindungen auf längere Zeit bedeuten nämlich für sie, wenn sie sich darauf einlassen, aus der Vielfalt der Wirtschaftsbeziehungen des Weltmarktes auszuscheren und sich in Abhängigkeit von einem einzigen Partner zu begeben. Die natürliche Folge wird sein, daß die so gebundenen Länder je länger je mehr auf den guten Wilihres Abnahmepartners angewiesen sind. Es besteht die Gefahr, daß dem Rohstoffe erzeugenden Land, wenn es einmal von anderen Handelspartnern isoliert ist, im Zweifelsfalle eben keine andere Wahl bleibt, als die Bedingungen des Abnehmerlandes zu akzeptieren. Zu welchen Auswirkungen wirtschaftScheel licher und vor allem politischer Art das führen kann, haben einige Beispiele der jüngsten Vergangenheit vor Augen geführt. Freiheit ist nun einmal abhängig von der Möglichkeit, zu entscheiden und zu wählen, d. h. vom Vorhandensein einer Alternative. Das gilt nicht nur für die Innenpolitik. Welches wäre denn nun die wirkungsvollste Methode einer gemeinsamen Entwicklungspolitik der Industriestaaten gegenüber den wirtschaftlich armen Ländern? Es kommt in der Tat darauf an, daß diese Politik gemeinsam betrieben wird. Die Chance der Entwicklungsländer liegt in der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Industrienationen. Vielfältig aufeinander abgestimmte, wirksame, dabei aber schnell realisierbare Lösungen sind nur in überschaubaren Regionen durchzuführen, einfach deshalb, weil es nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist, sich auf die von Region zu Region völlig verändernden Gegebenheiten der Entwicklungsländer einzustellen. Das Regionalprinzip als Alternative zur Global-und Schwerpunkthilfe hat sich in der Vergangenheit, wie das Beispiel des Colombo-Plans zeigt, bewährt. Worum es geht, ist die Herstellung einer Dauerverbindung von Volkswirtschaften von Entwicklungsländern mit Volkswirtschaften mehrerer Industrieländer, nicht etwa eines Industrielandes, sondern mehrerer Industrieländer! Die Multilateralität eines solchen Regionalsystems verhindert durch den Pluralismus der dabei im Spiele befindlichen Interessen außerdem die Gefahr einer einseitigen Beherrschung. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kann jedenfalls als eines der Positiva der Assoziation mit den afrikanischen Ländern das ist ja ein Regionalsystem — buchen, daß während des ersten Abschnittes dieses Regionalsystems nicht etwa eine Verstärkung der Abhängigkeitsverhältnisse eingetreten ist, sondern praktisch sind fast alle bis dahin abhängigen Gebiete in der Zwischenzeit selbständig geworden. Nebenan tagen ja die Vertreter von 16 Parlamenten — wir haben sie vorhin als Gäste in unserem Hause gehabt —, um sich darüber zu unterhalten, ob man die Konvention, die die Modalitäten der Assoziation dieser Länder festlegt, verlängern soll, ob man die Assoziierung unter neuen Bedingungen fortsetzen soll. In diesem Zusammenhang muß geklärt werden — und ich glaube, es ist eine wesentliche Frage, die hier zu klären ist, weil sie sich sehr schnell auch für idle Bundesregierung stellen wird —, wie wir uns zu der wichtigsten Frage verhalten, die von ganz allgemeiner politischer Bedeutung nicht nur den assoziierten Ländern gegenüber ist, nämlich zu der Frage der Präferenzen in Afrika. Sicher ist es politisch außerordentlich wichtig, daß 16 afrikanische Länder bereit sind — und sie haben diese Bereitschaft schon ausgesprochen —, mit europäischen Ländern, die im Gemeinsamen Markt vereinigt sind, langfristig freundschaftlich zusammenzuarbeiten. Ich glaube, niemanden von uns würde es in den Sinn kommen, ein solches Angebot abzulehnen oder nicht den Versuch zu unternehmen, diese Zusammenarbeit zustande zu bringen. Aber es entsteht eben die Frage: Was machen wir mit den in Afrika sich möglicherweise gegeneinander bildenden Präferenzräumen? Wollen wir sie bestehenlassen oder wollen wir uns nicht selber Mühe geben, hier gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern eine Verbesserung durchzuführen? Ich sage: gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern, weil es naturgemäß zunächst deren eigene Interessen berührt. Denn am Vorabend des Ingangkommens innerafrikanischer Wirtschaftsbeziehungen, die ja in der Vergangenheit gar nicht bestanden haben, die erst jetzt beginnen, überlegen sie sich natürlich selbst, welche Bedeutung es hat, daß es ein Präferenzgebiet der Commenwealth-Länder, daß es eine andere Präferenzzone der assoziierten Länder gibt, und sie sind selbst daran interessiert, alle Hindernisse für die von ihnen gewünschte inner-afrikanische politische Zusammenarbeit so schnell wie möglich zu beseitigen. Wir können ihnen vermutlich dabei helfen, wenn wir diese Fragen gemeinsam mit ihnen diskutieren. Ich meine, man wird sicherlich weiterkommen, wenn man sich überlegt, ob es nicht nützlich wäre, sich die in den einzelnen Räumen gewährten Präferenzen überlappend gegenseitig zuzugestehen. Ich möchte heute diese handelspolitische Frage nicht detailliert vortragen, vor allem, weil darüber in jüngster Zeit der Deutsche Industrieund Handelstag im Rahmen von Überlegungen, wie man die Schwierigkeiten in Afrika bereinigen könnte, ganz hervorragende Bemerkungen gemacht hat. Ich glaube, das ist schon der Weg, auf dem wir uns bewegen müssen. Ich betone noch einmal: Das können wir nur in einer Zusammenarbeit mit unseren afrikanischen Partnern tun; das können wir nicht etwa von uns aus beschließen und, ohne sie zu konsultieren, angreifen. Denn durch die Verträge von Rom haben die assoziierten Länder ein Recht darauf, daß der europäische Markt ihnen bestimmte Präferenzen gewährt. Das ist auch nötig. Ich glaube, man muß es noch einmal erläutern, weil es nicht immer verstanden wird. Es ist ja nicht die Schaffung eines neuen Präferenzraumes, sondern es ist nur die Ablösung eines bestehenden Präferenzraumes durch neue Partner. Bisher sind diesen Ländern vom französischen Mutterland handelspolitische Vorteile gewährt worden. Die römischen Verträge lassen es nicht zu, daß Frankreich nach Ablauf der Übergangszeit diese handelspolitischen Vorteile bilateral mit diesen Ländern weiter gewährt. Wenn man sie aber wegfallen ließe, würden die empfindlichen Volkswirtschaften dieser Länder sicherlich erhebliche Schwierigkeiten haben. Das geht einfach gar nicht. Wir müssen zunächst diese Verpflichtungen auf den Gemeinsamen Markt übernehmen und dann sehen, wie wir gemeinsam zu besseren Lösungen kommen werden. Es ist eben von der Bundesregierung gesagt worden, daß die Koordinierung aller Maßnahmen in der OECD ein großer Fortschritt sei. Ich stimme dem zu. Aber die Koordinierung innerhalb der OECD genügt natürlich nicht, weil in der OECD nur die Geber-Länder und nicht etwa die EntwicklungslänScheel der selbst vertreten sind. Die OECD ist so ein Instrument für nützliche Absprachen zwischen den Industrieländern .darüber, wie sie ihre Hilfe am wirkungsvollsten gestalten wollen. Aber sie ist kein ausreichendes Instrument, sich über die besten Methoden des Einsatzes dieser Mittel insgesamt zu unterhalten. Dazu kann man auch die größere Organisation, nämlich GATT, nicht gebrauchen, weil GATT ausschließlich über handelspolitische Fragen diskutieren kann. Aber es geht doch darum, daß man sich über die Kombination von Handelspolitik und Investitionspolitik in diesen Entwicklungsländern unterhält, mit anderen Worten, darüber unterhält: Wie können wir die handelspolitische Situation der Entwicklungsländer stärken durch sinnvolle Verbesserung und Veränderung ihrer Wirtschaftsstruktur? Dazu brauche ich ein Instrument, in dem beide Teile sitzen und in dem man sprechen kann über Handelspolitik, über Investitionsfragen, über Produktionsabsprachen — darüber muß man sich hier einmal klar werden — und auch über technischen Beistand, möglicherweise auch über die Öffentlichkeitsarbeit, die mit solchen politischen Maßnahmen verbunden sein muß. Diese Überlegung, glaube ich, führt automatisch dazu, daß man neben den bestehenden Organisationen eine neue für verschiedene Gebiete braucht — denn für den südostasiatischen Raum hat man eine solche Organisation —, eine neue Organisation, die dem Colombo-Plan in etwa angeglichen ist. Das ist nicht ein großer Wasserkopf, sondern das ist eine Minimalinstitution zur Zusammenarbeit von Entwicklungsländern mit Industrieländern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe jetzt wegen der Kürze der Zeit davon ab, über die schwierigen Fragen zu sprechen, die mit der Kapitalhergabe und mit der Aufbringung des Kapitals bei uns zu tun haben, weil darüber von beiden Seiten des Hauses, aus dem Parlament selbst und von der Regierung, beachtliche und vernünftige Argumente vorgetragen worden sind. Ich möchte jetzt nur einige Einzelfragen berühren, die in der Aussprache aufgetaucht sind. Entwicklungspolitik ist Bundessache. Das ist völlig klar. Wünschenwert wäre eine Zusammenarbeit mit den Ländern auf den Gebieten, auf denen die Länder dem Bunde dabei erheblich helfen können. Das sind die Fragen der Ausbildungshilfen und der technischen Hilfen. Aber ich möchte vor allem davor warnen, daß die Länder sich — was in der jüngsten Vergangenheit leider häufig der Fall gewesen ist — mit Investitionsfragen in Entwicklungsländern, überhaupt mit wirtschaftsund handelspolitischen Fragen befassen. Ich meine, es darf nicht vorkommen, daß der Staatssekretär X aus dem Lande Y im Entwicklungsland Z für die Firma A möglicherweise etwas zu tun sich bemüßigt. Wenn das nicht reicht, darf es nicht vorkommen, daß der Minister O aus dem gleichen Lande hinterherreist und ,ebenfalls glaubt, vermöge seiner unerhörten Fähigkeiten auf dem Spezialgebiete der Wirtschaft das weiter unterstützen zu sollen. Das, meine ich, müssen wir ein für allemal abstellen. Auf diesem Sektor sollen sich die Länder nicht beteiligen. Sie haben genügend Möglichkeiten, sich auf anderen Sektoren zu betätigen. Ich begrüße es ,deswegen, daß zum Beispiel in anderen Ländern oder vielleicht sogar ;in demselben Land Freiplätze für afrikanische Studierende und Praktikanten geschaffen worden sind. Da liegt eine große Aufgabe, und hier sollte eine vernünftige Zusammenarbeit gefunden werden. Ein zweites Wort zu einer Einzelfrage, der Tätigkeit privater Verbände, Vereine — meist mit dem Signum der Gemeinnützigkeit versehen — auf diesem Sektor. Ich stimme Herrn Kalbitzer zu, daß viele dieser privaten Institutionen nützliche Arbeit leisten. Wenn ich sage „viele", dann ist das eigentlich schon eine sehr entgegenkommende Formulierung. Ich fürchte aber, daß eine ganze Anzahl dieser Organisationen völlig überflüssig sind und daß auch eine ganze Anzahl privatwirtschaftlicher Einrichtungen auf diesem Sektor nur mit außerordentlich kritischen Augen betrachtet werden können, und ich will nicht verheimlichen: vor allem, wenn solche Institutionen ihren Sitz in Bonn haben. Denn es gibt so eine Manie hier in Bonn, sich den ungewöhnlich dicken Bundeshaushaltsplan zu kaufen, die Erläuterungen zu den Titeln der vielfältigen Fonds, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, genauestens durchzustudieren, auf der Basis des Textes dieser Erläuterungen eine Vereinssatzung zu konstruieren und dann mit dieser Vereinssatzung in der Hand zur Bundesregierung zu gehen und zu sagen: „Na, jetzt möchte ich aber 500 000 Mark haben; denn ich diene doch genau dem Zweck, den ihr mit dem Titel soundso unterstützen wollt". Ich glaube, auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik sollte man diesem Ausnützen der Fondswirtschaft der Bundesregierung von vornherein einen Riegel vorschieben; und das hängt mit der Organisationsform zusammen. Nun möchte ich noch ein Wort zu den Finanzkrediten sagen, die ja jetzt von der Bundesrepublik gegeben werden. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür — und hier möchte ich meinen Kollegen Kalbitzer, ich glaube, mit seinem Einverständnis sogar, etwas abschwächen —, wenn die Aktivität der Bundesregierung sich verhältnismäßig zäh entfaltet. Denn wir haben ja speziell auch in Brüssel erfahren, wie lange es dauert, bis ein solcher Apparat einmal läuft. Aber nun müßten wir eigentlich an dem Punkt angekommen sein, wo wir eine etwas schnellere Fahrt aufnehmen könnten und wo allzu kleinliche Bedenken in einzelnen Punkten und Fragen notwendige Maßnahmen nicht mehr behindern dürften. Wir haben uns z. B. — um das herauszugreifen — seit Wochen schon, seitdem wir damit begonnen haben, Finanzkredite zu gewähren, über die Frage unterhalten: Sollen wir diese Kredite nur für solche 9236 Deutscher Bundestag --3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 Scheel Projekte und Teile von Projekten gewähren, die in Devisen zu bezahlen sind, oder sollen wir auch diejenigen Teile finanzieren, die im Lande selbst ausgegeben werden? Ich glaube, hier muß man die Dinge politisch sehen. Es hat einmal eine Abrede dahin bestanden, daß man nur Devisenausgaben finanzieren soll. Aber mit den Augen der Entwicklungsländer sieht das etwas merkwürdig aus; sie sagen: „Diese Industrieländer geben uns nur dann einen Kredit, wenn sie gleichzeitig wieder ein Geschäft damit machen, das heißt, wenn wir für diese Anleihe in einem Industrieland etwas kaufen müssen." Diese Meinung ist, glaube ich, durchaus berechtigt, und wir müssen uns wirklich überlegen, solche einschränkenden Bestimmungen nicht mehr zuzulassen und zu sagen: Unsere Finanzkredite können dann gewährt werden, wenn das Projekt — daran allerdings müssen sie meiner Auffassung nach gebunden sein —, das vorgelegt wird, förderungswürdig ist, auch wenn es im eigenen Lande finanziert werden kann. Eine letzte Bemerkung zu den Organisationsfragen. Wir haben hier im Bundestag kein Recht, Beschlüsse in Organisationsfragen zu fassen; wir können hier nur Erwägungen anstellen, vielleicht unsere Ratschläge geben. Man muß einmal davon ausgehen, daß Entwicklungspolitik nicht etwa nur Finanzhilfe oder technische Hilfe ist, sondern eine Kombination von handelspolitischen Maßnahmen, Finanzhilfen, technischem Beistand, auch von kultureller Arbeit und von Öffentlichkeitsarbeit, die mit all diesen Maßnahmen verbunden sein muß. Es liegt, glaube ich, nahe, sehr ernsthaft den Gedanken zu diskutieren, das Ganze zu konzentrieren, zumindest mehr als bisher zu konzentrieren. Ich möchte sagen: Zumindest beim technischen Beistand und bei der Finanzhilfe sollte die Kompetenz in einer Hand, in einer politisch verantwortlichen Hand konzentriert sein. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum man bei Finanzhilfen, bei Investitionshilfen 9 Ressorts braucht. Das halte ich für baren Unsinn. So gut es die Fachleute aus 9 Ressorts können, genauso gut können das die gleichen Fachleute, die in einem Ressort zusammengefaßt sind. Anders sieht es natürlich in handelspolitischen Fragen aus. Die handelspolitischen Grundsatzfragen, die sich bei der Aufgabe stellen, sollte man selbstverständlich im gleichen Bereich haben. Man sollte dort auch kulturelle Fragen und Fragen der Offentlichkeitsarbeit behandeln. Aber das können nur Grundsatzreferate sein, die keine Kompetenzen darin haben. Denn niemand von uns wird daran denken, die handelspolitischen Kompetenzen den Ministerien zu nehmen, in denen sie jetzt liegen. Das wäre eine unrealistische Vorstellung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklungspolitik wird eine gewaltige Veränderung der Wirtschaftsstruktur in der ganzen Welt im Gefolge haben und wird auch auf unsere eigene Wirtschaftsstruktur Rückwirkungen haben. Die Bundesrepublik steht erst am Anfang, und es gilt, jetzt die Weichen richtig zu stellen, auch die Weichen in der Wirtschaftspolitik, die als Reaktion auf die Rückwirkung notwendig sein wird. Der Bundestag wünscht, ,daß in der Zukunft über dieses wichtige Problem mehr Diskussionen stattfinden, als wir sie bisher gehabt haben, und daß wir mehr Zeit haben, solche Diskussionen zu führen. Denn der Bundestag glaubt, insgesamt der Bundesregierung bei dieser schweren Aufgabe helfen und hier und da manche erwägenswerte Anregung geben zu können. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fritz. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es die Geschäftsordnung zuließe, daß derjenige Redner, der Sätze aus den Bemerkungen, die er machen wollte, streicht, für jedes Wort eine Mark bekäme, so könnte ich heute an dieser Debatte über die Entwicklungshilfe verdienen. Ich hoffe, daß ich in einer kürzeren Zeit als mein Vorredner wenigstens einige Bemerkungen zu dem machen kann, was gesagt worden ist. Wir hatten ja auch abgesprochen, uns so kurz zu fassen, daß wir bis 14 Uhr zum Ende kommen. Meines Erachtens hat die Regierung in einer ausgezeichneten Erklärung recht befriedigende Antworten auf die Fragen nach dem Stand der Entwicklungshilfe gegeben. Angesichts einer so kurzen Zeit, die uns bis jetzt zur Verfügung stand, um die Entwicklungshilfe in der Bundesrepublik aufzubauen, kann man sagen, daß auch die Leistung der Administration durchaus beachtenswert war. Natürlich bleiben Probleme übrig; es kann nicht jede Frage beantwortet werden. Die Entwicklungshilfe ist auch für uns ein völlig neues Gebiet. Wir müssen sie zuerst in ihrer gesamten Problematik durchdenken. Man kann von der Regierung nicht verlangen, daß sie in so kurzer Zeit mit einer fertigen Konzeption auftritt. — Vor fünf Jahren, Herr Kollege Kalbitzer, begann die Regierung auf Initiative des Parlaments mit einem Betrag von 3,5 Millionen DM für technische Hilfe. Jetzt haben wir einen Betrag von etwa 5 Milliarden DM bis zum Ende des Jahres 1962 angesetzt, Mittel in einer Größenordnung, an die wir in der damaligen Zeit noch gar nicht gedacht hätten. — Nicht alle gedacht hätten, vor allen Dingen diejenigen nicht, die sich jeweils für die Gestaltung des Haushaltes verantwortlich fühlen müssen. Herr Kollege Scheel, eine Regierungspartei kann nicht so leichtfertig Verpflichtungen eingehen wie eine Partei, die sich in der Opposition befindet. Uns fallen Zusagen, die den Steuerzahler verpflichten, viel schwerer als Ihnen. (Abg. Scheel: Aber Sie haben doch gerade gesagt, daß Sie zugestimmt haben!)


e3








(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Abg. Majonica: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0315901300
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315901400




(Abg. Kalbitzer: Sehr wahr!)







Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0315901500

(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)





(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall.)


(Beifall.)


(Beifall.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315901600










(Beifall.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0315901700

(Heiterkeit.)

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0315901800









Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0315901900

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)


(Beifall bei der FDP.)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315902000
Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315902100

(Abg. Kalbitzer: Fünf Jahre!)


(Abg. Scheel: Nicht alle gedacht hätten!)

— Wir haben zugestimmt.



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

Die Leistung, die bis jetzt erbracht worden ist, nötigt auch dem Osten Respekt ab. Das hat der Hen Bundesaußenminister ganz deutlich erklärt. Das geht aus Erklärungen, die in sowjetrussischen Zeitungen erschienen sind und die vor allem den Bereich der technischen Hilfe betreffen, hervor. Vielleicht darf ich eine Zahl nennen. Die Mittel für die multilaterale und bilaterale technische Hilfe bis zum Haushaltsplan 1961 sowie die Bindungsermächtigungen betragen 600 Millionen DM. Was hier geleistet worden ist und geleistet wird, läßt sich aber mit diesem Zahlenwert gar nicht ausdrücken. Wir haben bisher in vielen Ländern der Welt über 80 Lehrwerkstätten, Mustereinrichtungen usw. errichtet, in denen etwa 10 000 Leute aus überseeischen Gebieten ihre Bildung und Ausbildung erfahren, Weitere 160 Werkstätten, Schulen usw. sind gegenwärtig im Bau, so daß wir am Ende der Planung wahrscheinlich in der Lage sein werden, etwa 30 000 Wissensdurstige, die diese Einrichtungen besuchen wollen, unterzubringen.
Ich gebe aber zu, daß es notwendig wäre, gerade die technische Hilfe wesentlich zu verbessern und die Mittel dafür — in möglichst kurzer Zeit sogar — zu verdoppeln. Wir sollten uns das Ziel setzen, die Möglichkeiten dafür zu schaffen, daß etwa 100 000 Angehörige der Entwicklungsländer in wenigen Jahren in überseeischen Einrichtungen der technischen Hilfe ihre Ausbildung erfahren können. Dieses Ziel ist nicht utopisch; die Grundlagen dafür kann man durch geeignete finanzielle Maßnahmen durchaus heute schaffen.
Es ist natürlich schlecht möglich, in einer Debatte den Wahrheitsgehalt von Beispielen zu untersuchen. Aber es wäre sicherlich ein Fehlschluß, zu sagen, weil da und dort die Entwicklungshilfe im Einzelfall nicht richtig gelaufen ist, weil da und dort Fehler unterlaufen sind, sei die ganze Konstruktion der deutschen Entwicklungshilfe falsch. Man muß zugeben, daß es problematisch ist, bei internationalen Zuständigkeiten, nationalen Pflichten des Bundes und Länderhoheiten auch auf diesem Gebiet — gewissermaßen beim Betreten eines Neulandes — schon befriedigende organisatorische Formen zu finden.
Herr Kollege Kalbitzer sagte, er wolle sich heute nicht auf ein Ministerium festlegen. Ich war etwas überrascht, obwohl natürlich in der Regierungserklärung der Sozialdemokratischen Partei auch nichts von einem Ministerium zu finden ist. Zuvor wurde aber schon auf dem Parteitag in Hannover sogar sehr energisch ein Ministerium gefordert. Wenn ich Presseerklärungen nachlese, die Herr Kollege Dr. Deist abgegeben hat, muß ich feststellen, daß er dort sagte, als einzig mögliche Organisationsform müsse ein Ministerium geschaffen werden. Ich freue mich aber, Herr Kollege Kalbitzer, daß man auf Ihrer Seite doch bereit ist, die Probleme recht vernünftig zu betrachten, und daß man in Ihrem Regierungsprogramm wesentlich vorsichtiger geworden ist als in den Erklärungen, die Ihre Partei vorher — gewissermaßen amtlich — abgegeben hat. Es ist auch zu bezweifeln, daß andere Organisationsformen negative Einzelfälle in der Entwicklungshilfe verhindern würden. Ein Entwicklungsministerium, wie es die Sozialdemokratische Partei gefordert hat, aber heute offenbar nicht mehr fordert, würde meines Erachtens diese negativen Beispiele nur noch vermehren. Dazu sind überhaupt einige Fragen zu stellen — es ist eigentlich schade, daß wir die Debatte nicht länger fortführen können —, z. B. die Frage, wie Ihre Haltung heute zu den Ministerien ist, ob Sie z. B. Sonderministerien anerkennen oder nicht anerkennen. Auch hierzu sind, glaube ich, in der letzten Zeit sehr widersprüchliche Erklärungen abgegeben worden.
Ich möchte damit lediglich sagen: die Vorstellungen über die Organisation der Entwicklungshilfe sind meines Erachtens auf Ihrer Seite bis jetzt recht unklar geblieben. Wenn wir einmal sagen würden, ein Ministerium sollte gebildet werden, könnte ich Herrn Ritzel ansprechen, das personifizierte ,,Gewissen für Verwaltungsvereinfachungen", und ihn fragen, ob dieses Ministerium nicht ein neues Beispiel wäre, das Herrn Professor Parkinson veranlassen könnte, ein neues Kapitel über die Ausweitung der Verwaltung, über eine zusätzliche Zuständigkeit, die hier im organisatorischen Bereich gebildet wird, zu schreiben. Ich glaube, man sollte deshalb diese Fragen zurückstellen. Parkinson versteht auch etwas davon; er ist ja Professor für Geschichte an der malaischen Universität in Singapur. Er muß also auch die Entwicklungshilfe ganz gut kennen. Im Grunde genommen sollte uns aber auch im Parlament diese Organisationsfrage innerhalb der Regierung weniger interessieren. Wir sind hier Legislative und nicht Exekutive; Organisation ist aber Sache der Bundesregierung.
Es scheint mir auch richtig zu sein, dem Lenkungsausschuß zunächst eine Chance zu geben. Bis zum Oktober 1961 sollte man die jetzt bestehende Organisationsform sich bewähren lassen. Dann hat eine neue Bundesregierung immer noch die Möglichkeit, auf Grund der Erfahrungen, ,die inzwischen gesammelt worden sind, eventuell andere Organisationsformen, wenn es notwendig sein sollte, an die Stelle des jetzigen Lenkungsausschusses zu setzen.
Betrachten wir aber einmal die Leitsätze der SPD zur Entwicklungshilfe, die in Hannover auf dem Parteitag aufgestellt worden sind! Bis auf zwei meines Erachtens doch etwas fragwürdige Punkte werden hier offene Türen eingerannt. Im Grunde genommen besteht zwischen dem, was Sie an Leitsätzen aufgestellt haben, und dem, was die Regierung nicht nur heute, sondern auch schon vorher gesagt hat, kein wesentlicher Unterschied. Der eine fragwürdige Punkt, den ich erwähnte, betrifft das Sonderministerium und der zweite den Nationalfonds. Mir ist nicht ganz klar, was Sie aus dem Nationalfonds nun eigentlich alles finanzieren wollen. Ich habe den Eindruck, es war auch den Delegierten des Parteitages nicht ganz klar, ob daraus eine vollkommenere Sozialpolitik oder sogar die Entwicklungshilfe finanziert werden soll.

(Zuruf von der SPD: Herr Kollege Dr. Fritz, lassen Sie sich mal bei uns zum Parteitag delegieren!)




Dr. Fritz (Ludwigshafen)

— Ich könnte jetzt, wenn nicht )die Zeit drängte, den Herrn Radtke zitieren, der dazu Stellung genommen hat.
Ich möchte damit lediglich sagen: Wenn man hier Kritik an der Entwicklungshilfe der Bundesregierung üben will, dann muß man auch selbst sehr konkrete Vorstellungen über die Gestaltung der Entwicklungshilfe für den Fall besitzen, daß man eines Tages die Verantwortung trägt. Herr Bürgermeister Brandt äußerte in Köln letzthin Bedenken gegenüber der Hergabe von Milliarden für die Entwicklungshilfe, während in der Bundesrepublik Schulen und Straßenbau noch zurückgeblieben seien. Es liegen allerdings auch andere, sehr positive Aussagen von Herrn Bürgermeister Brandt zur Entwicklungshilfe vor; das möchte ich der Objektivität wegen hier sagen. — Aber solange Sie sich nicht entschiedener und konkreter ausdrücken, weiß ich eigentlich nicht, woher Herr Alex Möller den Mut nimmt, in den Vereinigten Staaten zu erklären, daß eine SPD-Regierung mehr und wirkungsvollere Entwicklungshilfe zu leisten bereit sei, als durch die jetzige Regierung gegeben werde.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315902200
Herr Kollege Kalbitzer will eine Frage an Sie stellen.

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315902300
Bitte schön!

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0315902400
Herr Kollege, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß wir hier die Bundesregierung nach der Politik der Bundesregierung fragen? Hier ist ja keine Parteiveranstaltung. Ich will mich mit Ihnen gern über Parteifragen boxen. Aber dazu ist hier doch nicht der Ort.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315902500
Das war keine Frage, Herr Kollege Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0315902600
Ich hatte gefragt, ob der Redner das vielleicht nicht begriffen hatte!

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315902700
Verzeihen Sie, Herr Kollege Kalbitzer, Sie haben doch die Politik der Regierung angegriffen, die von uns getragen wird und deren politische Grundsätze wir mit zu vertreten haben. Sie haben demgegenüber andere politische Grundsätze für die Zeit entwickelt, in der Sie die politische Verantwortung tragen. Diese Grundsätze darf ich doch in der Aussprache hier aufgreifen und zur Diskussion stellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315902800
Gestatten Sie eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Fritz?

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315902900
Bitte schön!

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0315903000
Herr Kollege Dr. Fritz, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß der Herr Bundesaußenminister, wie er sagte, neun Zehnteln aller Punkte meiner Ausführungen zugestimmt hat?

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315903100
Verzeihung, Herr Kollege Kalbitzer, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich erklärte, die Leitsätze der SPD, die in Hannover aufgestellt worden seien, stimmten bis auf zwei Punkte, die ich erwähnt habe, mit dem überein, was die Regierung gesagt hat?

(Zuruf von der SPD: Schimpfen Sie doch nicht so!)

— Ich muß doch das bißchen, was uns bei der Entwicklungshilfe trennt, hier klar und deutlich darlegen. Das ist unsere politische Aufgabe.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht aus einem bißchen so viel machen!)

— Ich bin damit schon am Ende.
Eine Bemerkung müssen Sie mir aber doch über das Zusammenspiel in Sachen „Entwicklungshilfe" im Bundestag erlauben. Da klappt es ja auch nicht immer. Obwohl der Unterausschuß „Wirtschaftsentwicklung fremder Völker" unter dem Vorsitz von Herrn Majonica bis jetzt eine ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, obwohl Sie, Herr Kollege Kalbitzer, in Ihrer Fraktion sich um eine Koordination bemühen und obwohl wir in der CDU-Fraktion einen Diskussionskreis haben, können wir doch feststellen, daß die Kluft in Fragen, die zur Abstimmung kommen, oft mitten durch die Fraktionen hindurchgeht und daß wir eher geneigt sind, geschlossen abzustimmen: hier Haushaltsausschuß, hier Wirtschaftsausschuß und hier Außenpolitischer Ausschuß. Ich möchte damit nur sagen, daß wir, allein vom Sachproblem her gesehen, auch hier unterschiedliche Meinungen vertreten. Wir können daher nicht ohne weiteres von der Regierung verlangen, sie müsse nun ein festgefügtes Konzept besitzen. Das ist kein Vorwurf; das Beispiel sollte eben nur zeigen, daß das Problem der Entwicklungshilfe bei uns nur allmählich gelöst werden kann.
Das Organisationsproblem wird aber noch schwieriger, wenn wir die internationale Koordination beachten, wenn wir disse immer mehr herbeiführen müssen und wenn wir uns zur gemeinsamen westlichen Hilfe bekennen. Der DAG-Bericht aus London ist so gesehen als großartiger Fortschritt zu bezeichnen. Aber jeder internationale Fortschritt zwingt uns auf der anderen Seite, nationale Vorstellungen zu revidieren. Ich erinnere an die Kreditbedingungen, die Sie vorhin erwähnten, wo die Frage entsteht: sollen wir Programmfinanzierung oder Projektfinanzierungen durchführen? Ich erinnere an die internationale Schwerpunktbildung, an die Zurechnung der Leistungen, an die Leistungshöhe, an den äußeren organisatorischen Rahmen, an die abzustimmenden Planungsgrundsätze, an die Zusammenarbeit mit den Nehmerländern, auf die Kollege Scheel hingewiesen hat.
Grenzen sind uns in der Zuständigkeit auch gegenüber den Ländern gesetzt. Auch das wurde vorhin betont. Wir können mit den Ländern nur mehr oder weniger freiwillige Absprachen herbeiführen. Kollege Dr. Vogel hat einmal den Vorschlag gemacht — ich weiß nicht, ob das realisierbar ist —, in Form von Verwaltungsabkommen mit den Län-



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

dern vielleicht auch Fragen der Entwicklungshilfe zu regeln. Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern — da sind wir uns wieder einmal alle einig — bedarf einer sehr engen Koordination. Es scheint aber natürlich sinnvoll zu sein, daß die Länder in erster Linie dort Entwicklungshilfe treiben, wo ihre Zuständigkeit, ihre Hoheit liegt. Vielleicht könnte man einige Leitsätze zur Frage der Entwicklungshilfe in Zusammenarbeit mit den Ländern aufstellen. Wir sollten die Bundesregierung auffordern, eine ständige Unterrichtung der Länder zu gewährleisten; davon haben Sie heute ebenfalls gesprochen. Wir sollten die Länder bitten, die Bundesregierung ständig und ausreichend zu unterrichten. Wir sollten auch in unseren Fraktionen auf dem Gebiete der Entwicklungshilfe eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern anstreben. Wir sollten die Länderregierungen auffordern, untereinander eine Abstimmung zu erreichen, so wie sie gegenwärtig in einem kleinen Gremium der Ministerpräsidenten angestrebt wird. Die Länder sollten aber auch gemeinsam mit dem Bund einen Katalog für Gebiete aufstellen, auf denen sie, eingeordnet in die Entwicklungshilfe des Bundes, ihre Leistungen vollbringen können. Die einzelnen Themen dieses Katalogs möchte ich hier der kurzen Zeit wegen aussparen. Sie sind zum großen Teil in der Aussprache schon genannt worden.
Herr Minister von Brentano sagte mit Recht, daß es notwendig sei, die Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern. Ich bin darüber sehr erfreut. Wenn es nämlich einen Mangel in der Entwicklungshilfe gibt, 1 dann in erster Linie den, daß wir bisher nicht in der Lage waren, die Entwicklungshilfe in geeignetem Rahmen „darzubieten". Hier müssen wesentliche Verbesserungen erfolgen.
Dabei scheint es notwendig zu sein, unter dem sogenannten Darbieten der Entwicklungshilfe nicht nur das Darbieten der staatlichen Entwicklungshilfe zu verstehen, sondern auch das der privatwirtschaftlichen Entwicklungshilfe. Entwicklungshilfe ist für mich als Begriff eben die Mithilfe zur Verbesserung der Struktur eines Landes — gleichgültig, woher die Mittel nun fließen —, die Mithilfe, um den Hunger zu beseitigen und um die Freiheit des Menschen zu fördern. In gewissem Sinne gehören auch privatwirtschaftliche Investitionen zur Entwicklungshilfe. Dann muß aber auch die privatwirtschafliche Investition in das Darbieten der Entwicklungshilfe durch die Bundesregierung oder den Bund mit hineingebaut werden.
Vielleicht wird hier eine Kritik sichtbar, wenn ich sage, daß der Staat dann eben auch in stärkerem Maße die Verpflichtung hätte, diese privatwirtschaftliche Leistung als Politikum anzuerkennen. Wenn in einem Staate X von privatwirtschaftlicher Seite ein Düngemittelwerk erstellt wird, dann ist diese Investition schon der Größenordnung wegen eine hochpolitische Angelegenheit. Sie kann zeitweise sogar den Mittelpunkt der Erörterung in jenem Lande über das gesamte deutsche Leistungsvermögen darstellen, der Erörterung über die deutsche Hilfe oder über die Leistung des eigenen
Staates, nämlich den Aufbau im jungen Staat durchzuführen.
Wenn ich unsere oft sehr mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit betrachte, dann weiß ich, daß wir es heute vielfach versäumen, deutsche Leistungen insgesamt als politische Leistungen richtig darzubieten. Beim Osten ist es in dieser Beziehung einfacher. Dort gibt es die Trennung zwischen Privatwirtschaft und Staat nicht. Ein östliches Stahlwerk gilt eben als Staatshilfe, ein westliches leider nur als private Leistung, von uns, nämlich von der Darbietung her gesehen. Wir müssen hier offenbar umdenken, und ich kann in diesem Falle positiv Herbert Wehner zitieren, der kürzlich von der „politischen Präsenz in den Entwicklungsländern" sprach, ebenfalls auf dem Parteitag in Hannover. Ich finde dieses Wort „politische Präsenz in den Entwicklungsländern" sehr gut. Ich hoffe allerdings, daß Sie unter diesem Begriff auch die privatwirtschafliche Hilfe in den Entwicklungsländern mitverstehen.
Das richtige Darbieten ist ja, das wurde vorhin gesagt, ein Problem der gesamten westlichen Welt. Und deshalb ist es zu begrüßen, ,daß bei der nächsten Tagung der DAG dieses Thema gemeinsam von den Geberländern behandelt werden soll.
Dem Darbieten aber der Entwicklungshilfe nach außen steht auf der anderen Seite die Erziehung nach innen gegenüber. Auch diese Frage wurde vorhin von allen Seiten gestreift. Ich darf eine ganz einfache Formel vielleicht noch einmal bringen, aber ich bitte den Berufsstand, den ich jetzt nenne, sich nicht als diskriminiert zu fühlen: Was nützen Millionen für materielle Investitionen, wenn beispielsweise ein deutscher Monteur im Ausland alle Landessitten mißachtend dort, stellvertretend in seinem Benehmen für Deutschland gesehen, sich gewissermaßen wie ein Fremdenlegionär fühlt? Ich will damit sagen: Hinter jeder materieller Leistung muß eine geistige Grundhaltung sichtbar sein, die Anerkennung, Achtung des anderen erheischt. Das gilt nicht nur für den Deutschen draußen, sondern auch für den Deutschen bei uns hier. Überlegen wir uns, daß Deutschland heute zum Gastland für viele Menschen aus den Entwicklungsländern wird. Ich brauche nur den Fall der Zimmerwirtin zu erwähnen — er ist ja bekannt —, die, schon wenn sie einen andersfarbigen Untermieter sieht, entweder die Tür zuschlägt oder einen sogenannten Farbigenzuschlag zu der Miete verlangt, um die Unterscheidung zu dokumentieren. Die geistige Mißachtung des anderen bei vielen Angehörigen unseres Volkes steht im Widerspruch zu dem, was wir als Zielsetzung der Entwicklungshilfe verkünden. Wenn wir nicht unwahrhaftig draußen wirken wollen, müssen wir unser Volk in manchem Punkt umerziehen. Ich glaube, da besteht auch gar keine Differenz in unseren Anschauungen.
Ein anderes Problem sei noch kurz angeschnitten, auf das Herr Kollege Kalbitzer und sehr ausführlich Herr Kollege Scheel eingegangen sind, nämlich das Problem des Standes der Ausfuhr der Entwicklungsländer, der Rohstoffländer, das Problem der Einfuhren von uns her gesehen, das Problem der Währungsreserven und der Investitionen in Ent-



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

wicklungsländern. Ich möchte nur eine Zahl nennen über die Privatinvestitionen in den Entwicklungsländern, aus der Sie erkennen, welch verheerender Trend augenblicklich sichtbar ist. Die privaten Kapitalinvestitionen in Indien gingen von 18,5 Millionen Pfund im Jahre 1956 auf 12,6 Millionen Pfund im Jahre 1957 und auf 7,5 Millionen Pfund im Jahre 1958 zurück. Wir sehen an diesen Zahlen, welche Bedeutung die europäische Kapitalinvestition für die Entwicklungsländer hat, und ich kann eigentlich zunächst einmal nur begrüßen, daß wir im Steueränderungsgesetz 1961 nun eine Erleichterung für die private Kapitalinvestition geschaffen haben. Ich hoffe, daß wir uns nach der Erfahrung dieses ersten Jahres entschließen werden, diese Erleichterung im Steueränderungsgesetz 1962 noch auszudehnen.
Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten, Privatinvestitionen zu fördern, Möglichkeiten, die die Regierung allein nützen könnte. Wenn ich an § 85 des AKG denke — wo offenbar vom Finanzministerium so viele Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung gemacht werden —, komme ich zum Ergebnis, daß eine wirkungsvolle Entwicklungshilfe trotz der gesetzgeberischen Möglichkeit gegenwärtig nicht erfolgt. Wir haben im ERP-Wirtschaftsplan versucht, eine Hilfeleistung für die Privatinvestitionen zu geben. Neben den 10 Millionen DM für Kredite an Firmen, die in die Entwicklungsländer hinaus wollen, sind nunmehr — das haben wir im Wirtschaftsausschuß beschlossen, und ich hoffe, daß das Plenum unseren Beschlüssen folgt — Beteiligungskredite in Höhe von 10 Millionen DM vorgesehen, nämlich der Berlin-Hilfe im Rahmen des ERP-Vermögens, gewissermaßen als Modellfall. In einem Jahr werden wir sehen, ob wir auf diesem Wege weiterkommen, den Entwicklungsländern bei Privatinvestitionen wirksam zu helfen.
In der Welt — auch das wurde vorhin ganz deutlich gesagt — sterben jährlich so viele Menschen an den Folgen des offenen Hungers, wie unser Nachbarland Frankreich Einwohner besitzt. Wir aber haben hier in der Bundesrepublik Nahrungsmittelberge. Wir leiden an einer Überproduktion. Trotz aller wirtschaftssystematischen Bedenken sollten wir deshalb umgehend darangehen, Nahrungsmittel im Rahmen der Entwicklungshilfe nach draußen zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Vereinten Nationen haben einen derartigen Aufruf erlassen, und auch wir in der Bundesrepublik haben Mittel bereitgestellt. Aber wollen wir uns vielleicht hinter Verfahrensvorschriften der FAO verschanzen, um solche Hilfen hinauszuzögern, obwohl mit überschüssigen Nahrungsmitteln im Werte von 20 bis 50 Millionen DM Tausende heute sofort vor dem Hungertod bewahrt werden können? Hier hört meiner Ansicht nach das wirtschaftliche Denken auf. Hier sollten wir alles unternehmen, um schnell, unbürokratisch, undogmatisch wirksame Hilfe für Katastrophenfälle zu leisten.
An die Bundesregierung habe ich aber zum Schluß noch eine besondere Bitte. Sie sollte jährlich durch einen umfassenden schriftlichen Bericht die Bevölkerung unterrichten: erstens über den Stand der internationalen Entwicklungshilfe und zweitens über die Leistung der Bundesrepublik einschließlich der Länder und vielleicht sogar der wirtschaftlichen und der freien Organisationen, soweit sie im Rahmen einer deutschen Entwicklungspolitik wirksam sind. Das Bundesschatzministerium gibt einen solchen Bericht über das Bundeserwerbsvermögen jährlich heraus. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gibt in ähnlicher Form den Grünen Bericht heraus. Seit das Bundesschatzministerium seinen Bericht herausgibt, ist die Kritik über mangelnde Publizität auf diesem Gebiet der staatlichen Unternehmen fast völlig verstummt. Ein anschaulich gegebener ausführlicher Bericht über die Entwicklungshilfe hätte eine noch viel weitergehende Wirkung. Ein Entwicklungsbericht, der auch Probleme aufzeigt und Mängel aufzeigt, würde im Ausland, vor allem in den Entwicklungsländern, Beachtung finden und die Kritik an deutschen Leistungen wesentlich dämpfen. Dieser Bericht müßte eventuell in mehreren Sprachen erscheinen.
Zum Schluß darf ich folgendes betonen. Die Regierung ist in ihrer Entwicklungspolitik vom Vertrauen unserer Fraktion getragen. Wir fühlen uns verpflichtet, entsprechend der Zusage der Bundesregierung eine ständige langfristige größere Leistung für die Notstandgebiete der Welt zu erbringen. Wir wissen, daß von der Lösung dieser uns in der zweiten Hälfte ,des 20. Jahrhunderts gestellten gewaltigen Aufgabe die Gestaltung unserer eigenen Zukunft abhängt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315903200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0315903300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur noch einige ganz wenige abschließende Bemerkungen! Herr Kollege Dr. Fritz, ich bitte vielmals urn Entschuldigung: ich habe gar nicht recht verstehen können, warum Sie uns in zwei Punkten so besonders attackieren wollten. Der Herr Bundesaußenminister hat zum Ausdruck gebracht, daß er zu 80 bis 90 % mit der Meinung meines Kollegen Kalbitzer übereinstimme. Ich möchte von mir aus sagen: Nach Ihren Ausführungen fühle ich mich fast veranlaßt, die Bundesregierung vor Ihren Parteifreunden in Schutz zu nehmen. Ich darf wörtlich zitieren:
In den zuständigen Bundesstellen sei in den Fragen der Entwicklungspolitik so gut wie nichts geklärt. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt stünden in diesen Fragen hart gegeneinander. — Dies erklärte Kultusminister Schütz, der zugleich Referent für die Entwicklungshilfe in der Kultusministerkonferenz ist, vor etwa hundert Teilnehmern des evangelisch-katholischen Publizistentreffens in Bensberg bei Köln.
Herr Kultusminister Schütz gehört ja zu Ihren Parteifreunden. Ich muß ehrlich sagen, ich hatte nicht
den Eindruck, daß mein Kollege Kalbitzer bei sei-



Wischnewski
nen kritischen Bemerkungen zur Haltung der Bundesregierung in Entwicklungsfragen so weit gegangen ist wie Ihr Parteifreund Schütz.
Vielleicht darf ich ein grundsätzliches Wort dazu sagen. Wir sollten alle darum bemüht sein, in dieser so wichtigen Frage, bei diesem entscheidenden Faktor der Weltpolitik kleinen Parteienstreit weitestgehend herauszulassen. Wir sollten uns bemühen, eine möglichst breite Basis für die Entwicklungspolitik zu finden. Der heutige Tag hat eigentlich den Beweis dafür erbracht, daß in den wesentlichen Grundsätzen sehr viel Übereinstimmung besteht. Ich glaube, den weitaus größten Teil der hier genannten politischen Grundsätze können wir durchaus unterschreiben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315903400
Herr Abgeordneter Wischnewski, der Abgeordnete Dr. Fritz möchte eine Frage an Sie stellen.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0315903500
Bitte sehr!

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0315903600
Herr Kollege Wischnewski, ich stimme mit dem, was Sie sagen, völlig überein. Aber ich darf doch die Frage stellen, warum dann Ihr Kollege Dr. Deist vor der Debatte im SPD-Pressedienst, also in einer offiziellen Veröffentlichung der SPD, so scharfe und unsachliche Angriffe gegen die Bundesregierung und die Organisation der Entwicklungshilfe geführt hat. Das wäre doch unnötig gewesen.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0315903700
Herr Kollege Dr. Fritz, ich werde gleich darauf zu sprechen kommen. Ich habe jetzt eben zu ,den Grundsatzerklärungen gesprochen, die die Bundesregierung heute abgegeben hat. Das ändert nichts daran, daß eine Kritik an einer Reihe von Dingen erforderlich ist, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Ich darf gleich, um Ihnen zu antworten, ein Beispiel nennen.
Wir haben im Juni vergangenen Jahres hier schon einmal über die Entwicklungshilfe diskutiert. Mein Kollege Kalbitzer hat damals davon gesprochen, daß ein Betrag von etwa 2,5 bis 3 Milliarden DM jährlich notwendig sein werde. Wir haben das zur Diskussion gestellt. Es hat leider kein dementsprechendes Echo gegeben. In der Zwischenzeit ist bedauerlicherweise der Eindruck entstanden, als würden wir unsere Leistungen nicht freiwillig, nicht aus eigener Überzeugung erbringen, sondern unter dem Druck der amerikanischen Freunde. Ein so seriöses Blatt wie die wohl bekannteste afrikanische Zeitung „L'Action", hat vor einigen Tagen zu diesen Dingen Stellung genommen und geschrieben, erst seit dem Regierungswechsel in Amerika, erst nach einem sehr erheblichen Druck der Amerikaner sei die Bundesrepublik bereit, in stärkerem Maße etwas für die Entwicklungshilfe zu tun.
Das, Herr Dr. Fritz, wertet unseren Beitrag bedauerlicherweise etwas ab, und dagegen wehren wir uns. Wir wollen ganz eindeutig und klar festgestellt wissen, daß kein Druck von irgendeiner Seite notwendig ist, sondern daß wir freiwillig und aus innerer Überzeugung das leisten, was möglich ist.
An diesen Dingen mußte Kritik geübt werden, das war gerechtfertigt. Im Grundsatz möchte ich sagen: Es besteht gar kein Streit zwischen den Fraktionen über ,die Höhe dessen, was wir zu leisten haben. Wir wissen alle, daß uns bestimmte Grenzen gesetzt sind. Aber wir müssen verlangen, daß alles Menschenmögliche getan wird, damit unsere Entwicklungshilfe draußen auch ankommt. Hier sind eine Reihe von Voraussetzungen zu schaffen. Die Opfer, die ja im Grunde genommen von der gesamten Bevölkerung gebracht werden, sind erheblich. Deshalb muß entscheidender Wert darauf gelegt werden, alle Voraussetzungen zu schaffen, daß unsere Hilfe auch dementsprechende Anerkennung findet.
Ich darf hier nur am Rande daran erinnern, daß sich die letzte panamerikanische Konferenz mit der Bundesrepublik beschäftigt hat und daß wir in die Reihe der neokolonialistischen Länder eingruppiert worden sind. Ich möchte dieses ganz scharf zurückweisen. Ich habe nicht den Eindruck, daß irgend jemand hier im Hause oder in der Bundesregierung die Absicht hat, neokolonialistische Methoden einzuführen. Ich möchte das in aller Schärfe hier zurückweisen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

Durch eine Reihe von Umständen können aber vielleicht falsche Eindrücke entstehen, und wir sollten uns von Anfang an immer in sehr starkem Maße darum bemühen, daß solche falschen Eindrücke überhaupt nicht entstehen können.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur OECD. Wir begrüßen die Möglichkeiten, die uns jetzt im Rahmen der OECD gegeben sind. Aber die Bundesregierung hat kein einziges Wort zu den Bedenken gesagt, die mein Freund Kalbitzer hier geäußert hat. Die westliche Hilfe wird moralisch leiden, wenn in der OECD Mitglieder sind, die nach wie vor auf brutale Art und Weise Kolonialpolitik betreiben.
Wir müssen deshalb von der Bundesregierung verlangen, daß sie alles tut, was überhaupt möglich ist, daß die Mitglieder der OECD, zu denen dann ja auch wir zählen, einer solchen Politik ihre Absage geben. Dadurch können die Leistungen der westlichen Welt nur weit stärker in das rechte Licht gerückt werden.
Wir möchten auch zu einer Reihe von anderen Fragen — vielleicht in den nächsten Ausschußsitzungen unseres Unterausschusses — noch konkrete Antworten haben. Ich denke insbesondere daran, daß wir hier ja die Frage der deutschen Beteiligung am Colombo-Plan angeschnitten haben. Ich glaube, daß das eine sehr wesentliche Frage ist. Ihre Lösung könnte vielleicht etwas dazu beitragen, den Brückenschlag zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Freihandelszone zu erleichtern, wenn man auf diesem Gebiet ebenfalls zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit käme. Ich glaube, es ist zwingend notwendig, sich sehr bald konkret über diese Frage zu unterhalten.



Wischnewski
Auch ein anderes Problem muß wahrscheinlich noch deutlicher diskutiert werden. Ich meine die Verbindung von Finanzhilfe — insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Zinsen — und technischer Hilfe. Sie kennen aus den Ausschußberatungen unsere Vorstellungen zu diesem Problem. Wir legen Wert darauf, daß beide Dinge in sehr engem Zusammenhang stehen, daß dort, wo wir Finanzhilfe gewähren, wo Zinsen gezahlt werden, ein möglichst hoher Prozentsatz dieser Zinsen im Land selbst bleibt und im Rahmen der technischen Hilfe praktisch zurückgegeben wird, so daß niemand behaupten kann, wir wollten uns an diesen Zinsen der Entwicklungsländer bereichern.
Wir haben auf der anderen Seite Verständnis dafür, daß Zinsen gezahlt werden, weil so eher die Voraussetzungen gegeben sind, daß nur wirtschaftlich tragbare Projekte finanziert werden. Es scheint uns notwendig zu sein, daß das noch genauer diskutiert wird und daß die Bundesregierung zu diesen Fragen ganz eindeutig ihre Meinung sagt.
Der Herr Bundesaußenminister und, wie ich glaube, auch der Herr Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums haben hier zur Frage der Zinsen Stellung genommen und gesagt, daß kommerzielle Zinsen für die meisten Entwicklungsländer nicht tragbar sind. Um so mehr muß ich bedauern, daß heute die Presse darüber berichtet, daß wegen der Hilfe für Indien angeblich wieder erhebliche Differenzen entstanden sind, weil die Bundesrepublik nur bereit sei, zu kommerziellen Bedingungen Kredite zu gewähren. Ich hoffe, daß das, was hier aus den Vereinigten Staaten berichtet wird — es kommt wohl aus einer amerikanischen Zeitung, ich glaube, aus der „Washington Post" —, nicht den Tatsachen entspricht und daß sich hier keine neuen Streitpunkte für die Zukunft ergeben.
Die Debatte hat, glaube ich, den Beweis dafür erbracht, daß es in den Grundsätzen viele Gemeinsamkeiten gibt. Ich meine, das ist ein positives Zeichen, weil wir nach wie vor von der Voraussetzung ausgehen müssen, daß die Entwicklungspolitik möglichst von allen Parteien getragen wird. Das ist eine so große Aufgabe, eine Aufgabe auf so weite Sicht, daß wir uns möglichst alle darum bemühen sollten, diese Politik zu tragen.
Wir haben eine große gemeinsame Aufgabe, die darin besteht, unserer Bevölkerung insgesamt klarzumachen, daß eine solche Politik notwendig ist. Die Bevölkerung muß erhebliche Opfer dafür bringen. Ich habe manchmal den Eindruck: überall ist das noch nicht in dem notwendigen Maße verstanden worden. Wir müssen den Menschen in der Bundesrepublik sagen, daß uns die Entwicklungspolitik noch viele Jahre beschäftigen wird, daß wir notwendigerweise Opfer bringen müssen, daß wir aber damit für den Frieden in der Welt und die Freiheit einen entscheidenden, positiven Beitrag leisten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0315903800
Ich schließe die Beratung zu den Tagesordnungspunkten 2 a und b.
Der unter Punkt 2 b beratene Antrag auf Drucksache 2607 soll an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir behandeln dann das Entwicklungshilfegesetz, Punkt 2 c der Tagesordnung. Der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Majonica liegt vor, eine mündliche Ergänzung ist nicht vorgesehen. Wir können in der zweiten Beratung in die Abstimmung eintreten. Ich rufe auf §§ 1 bis 7, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich kann die zweite Beratung schließen und die
dritte Beratung
eröffnen. Wir können sofort in die Schlußabstimmung eintreten. Wer zuzustimmen wünscht, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich komme zu dem Punkt d — ERP-Wirtschaftsplangesetz 1961 —. Hier liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Lange (Essen) vor. Auch er erachtet eine Ergänzung nicht für notwendig.
Ich kann daher in die Abstimmung eintreten. Ich rufe auf die §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift, wobei ich bemerke, daß in die Abstimmung über § 1 gleichzeitig die Abstimmung über den Wirtschaftsplan in der Fassung des Ausschußantrages auf Drucksache 2669 eingeschlossen ist. — Einverständnis! Ich bitte diejenigen, die einverstanden sind, ein Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Nunmehr kommen wir zu dem Punkt e, also zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die OECD. Erste Beratung! — Aussprache ist nicht gewünscht. Der Entwurf soll an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung überwiesen werden. — Darüber besteht Einverständnis; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann noch auf die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Siebenten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Senkung von Außen-Zollsätzen aus Anlaß der DM-Aufwertung) (Drucksachen 2682, 2722).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Werner. Der Antrag des Ausschusses geht dahin. dem Verordnungsentwurf unverändert zuzustimmen. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer



Vizepräsident Dr. Dehler
zuzustimmen wünscht, den bitte ich, bin Zeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende ,der Tagesordnung. Zunächst darf ich noch bekanntgeben, daß der Atom-ausschuß eine Viertelstunde nach Schluß der Sitzung zu einer bedeutsamen Sitzung zusammentritt.
Ich berufe ,die nächste Sitzung auf Dienstag, den
30. Mai 1961, 15 Uhr, ein. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß Sie bis dahin frohe, vor allem auch sonnige Pfingsttage verbringen können.
Die Sitzung ist geschlossen.