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ID0315901100

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    Deutscher Bundestag 159. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1961 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9201 A Begrüßung der in den Kontaktausschuß delegierten Vertreter des Europäischen Parlaments und der Parlamente afrikanischer Republiken 9228 D Fragestunde (Drucksache 2712) Fragen 'des Abg. Dr. Fritz (Ludwigshafen) : Verhaftung des ehemaligen Fremdenlegionärs Karl Gilberg . . . . . . 9201 B Frage des Abg. Kreitmeyer: Maßnahmen gegen eine Bedrohung Berlins Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 9201 C Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 9201 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache 2608); in Verbindung mit dem Antrag betr. berufliche und soziale Sicherung Deutscher in Entwicklungsländern (SPD) (Drucksache 2607) ; dem Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierungshilfe für Entwicklungsländer aus Mitteln des ERP-Sondervermögens (Entwicklungshilfegesetz) (Drucksache 2288) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 2658) — Zweite und dritte Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1961 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1961) (Drucksache 2380); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen 2669, zu 2669) — Zweite und dritte Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 14. Dezember 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) (Drucksache 2670) — Erste Beratung — Kalbitzer (SPD) 9202 B Kühn (Köln) (SPD) . . . . . . 9212 A Dr. von Brentano, Bundesminister 9217 A Dr. Westrick, Staatssekretär . . 9225 C Scheel (FDP) . . . . . . . . 9232 A Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 9236 C Wischnewski (SPD) 9240 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Siebenten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Senkung von Außen-Zollsätzen aus Anlaß der DM-Aufwertung) (Drucksachen 2682, 2722) . . . 9242 D Nächste Sitzung 9243 C Anlagen 9245 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 9201 159. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Dr. Arndt 5. 5. Dr. Atzenroth 5. 5. Dr. Baade 5. 5. Baier (Mosbach) 31. 5. Dr. Bärsch 5. 5. Bauer (Wasserburg) 5. 5. Bazille 5. 5. Frau Berger-Heise 6. 5. Berlin 5. 5. Frau Blohm 5. 5. Dr. Böhm 6. 5. Dr. Brecht 5. 5. Frau Dr. Brökelschen 31. 5. Dr. Burgbacher 5. 5. Caspers 5. 5. Dr. Dahlgrün 5. 5. Deringer 5. 5. Diekmann 5. 5. Dr. Dittrich 5. 5. Frau Döhring (Stuttgart) 5. 5. Dowidat 5. 5. Drachsler 5. 5. Dürr 5. 5. Eisenmann 5. 5. Faller 5. 5. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 5. 5. Dr. Furler 5. 5. Geiger (München) 5. 5. Dr. Görgen 1. 7. Dr. Götz 31. 5. Dr. Gradl 6. . Dr. Greve 5. 5. Dr. von Haniel-Niethammer 5. 5. Hauffe 1. 7. Dr. Heck (Rottweil) 1. 6. Hermsdorf 5. 5. Dr. Hesberg 5. 5. Hübner 5. 5. Hufnagel 5. 5. Dr. Jordan 5. 5. Dr. Kempfler 5. 5. Killat (Unterbach) 5. 5. Frau Kipp-Kaule 5. 5. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Königswarter 5. 5. Frau Krappe 5. 5. Lenz (Trossingen) 5. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Mattick 5. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Dr. Menzel 31. 5. Frau Nadig 5. 5. Neuburger 5. 5. Neumann 5. 5. Niederalt 3. 6. Dr. Dr. Oberländer 5. 5. 011enhauer 27. 5. Dr. h. c. Pferdmenges 5. 5. Frau Pitz-Savelsberg 31. 5. Pohle 5. 5. Pusch 5. 5. Rademacher 1. 7. Regling 5. 5. Dr. Reith 5. 5. Rhode 5. 5. Ruhnke 7. 5. Sander 4. 6. Frau Schanzenbach 27. 5. Dr. Schild 5. 5. Dr. Schmidt (Gellersen) 5. 5. Schoettle 5. 5. Schüttler 5. 5. Schütz (Berlin) 5. 5. Dr. Seffrin 15. 5. Seuffert 5. 5. Dr. Seume 5. 5. Stahl 5. 5. Dr. Starke 5. 5. Dr. Stecker 5. 5. Dr. Stoltenberg 5. 5. Sühler 5. 5. Unertl 6. 5. Dr. Vogel 10. 6. Wagner 5. 5: Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 5. 5. Frau Welter (Aachen) 5. 5. Frau Wolff 5. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Nahm auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reitz (Fragestunde der 157. Sitzung vom 3. 3. 1961, Drucksache 2712, Frage XII) : ist es richtig und entspricht es den Absichten der Bundesregierung, daß die im Bundeshaushalt bereitgestellten Sondermittel für die Räumung der Wohnlager nur dazu verwendet werden, die Altvertriebenen aus den Wohnlagern zu bringen, und müssen die Mittel nicht auch dazu verwendet werden, um auch andere Lager und allgemeine Notunterkünfte zu beseitigen? Die Auflösung und Beseitigung der Wohnlager und Notunterkünfte ist eine Angelegenheit der Länder. Der Bund stellt ihnen hierzu alljährlich Kriegs- 9246 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 folgenhilfemittel sowie Mittel des allgemeinen sozialen Wohnungsbaues zur Verfügung. Ohne also verpflichtet zu sein, hat die Bundesregierung 1960 auf meinen Antrag ein zusätzliches Programm zur Auflösung von Wohnlagern aufgelegt, in denen sich seit 10 und mehr Jahren Kriegsgeschädigte befinden. Die Bundesregierung stellt in diesem Programm pro Kopf eines jeden Begünstigten 6,5 % der Mittel zur Verfügung, die im Landesdurchschnitt auf eine Wohnung des sozialen Wohnungsbaues entfallen. Ingesamt werden voraussichtlich, verteilt auf vier Haushaltsjahre, zweckgebunden schätzungsweise 225 bis 230 Mio DM Rückflußmittel nach § 20 Abs. 1 des II. WoBauG und pauschalierter Kriegsfolgenhilfemittel zur Durchführung dieses Programms von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden müssen. Hinzu treten rund 80 Mio DM Aufbaudarlehen. Durch gezielten Einsatz dieser Mittel sollen 100 000 Kriegsgeschädigte aus Wohnlagern, die überwiegend von ihnen bewohnt sind, mit angemessenem Wohnraum versorgt, die Lager für weitere wohnungsmäßige Nutzung unbrauchbar gemacht werden. Die Länder haben es übernommen, die nicht kriegsgeschädigten Insassen der zur Auflösung kommenden 2449 Lager gleichzeitig mit angemessenem Wohnraum zu versorgen.
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    Rede von Heinz Kühn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Kalbitzer hat das Gespräch über die Entwicklungshilfe vor allen Dingen unter den politischen Gesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftshilfe für die Entwicklungsländer eröffnet. Ich habe den Antrag Drucksache 2607 zu begründen, bei dem es um die menschliche Hilfe geht, d. h. die Hilfe, die wir durch Entsendung von Menschen zu leisten haben. Das ist eine Aufgabe, die vielleicht noch wichtiger ist als die Hergabe von Krediten und die Lieferung von Maschinen.
    Diese Hilfe steht arg im Schatten aller Entwicklungsdebatten, und es gibt ein bitteres Wort unter den mit diesem Problem Vertrauten, ein Wort, das besagt, es sei leichter, für ein Projekt der Wirtschaftshilfe 5 Millionen loszumachen, als für ein Projekt der Menschenhilfe 50 000 DM zu mobilisieren. Nun, ich glaube, die Erkenntnis, daß auch auf diesem Gebiete sehr viel mehr getan werden muß, schreitet sehr schnell fort. In diesen Tagen hat der beim Auswärtigen Amt geschaffene Kulturpolitische Beirat sehr stark darauf hingewiesen, daß wir viel mehr als bisher deutsche Fachkräfte in die Entwicklungsländer schicken sollten.
    Ich weiß, daß wir deshalb mit unserem Antrag kein Problem ansprechen, das zwischen den Fraktionen dieses Hauses kontrovers ist. In allen Arbeitskreisen der Fraktionen sind Gruppen von Spezialisten damit beschäftigt, an diesem Problem zu arbeiten, und es ist die Aufgabe dieses Teiles der Debatte, hier auch nur einige Hinweise zu geben, Akzente zu setzen und vielleicht auch durch einiges Drängen dieses Problem nach vorn zu schieben.
    Lassen Sie mich dabei eine Bemerkung vorwegschicken. Ich möchte auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der der Notwendigkeit der Entsendung deutscher Menschen, um immer wieder dies Wort zu gebrauchen: als Menschenhilfe nach draußen, ein besonderes Gewicht gibt. Die Emanzipation der asiatischen und afrikanischen Völker in den Entwicklungsländern beschränkt sich ja nicht auf das Politische, auf das Wirtschaftliche und auf das Soziale, sondern sie vollzieht sich auch auf dem Gebiet des Kulturellen. Es kommt zu einem immer stärkeren aktiven geistigen Austausch dessen, was wir in Europa, in der sich als entwickelt empfindenden Welt und die Entwicklungswelt untereinander auszutauschen haben. Es wird nicht mehr lange dauern, und diese Länder werden nicht mehr nur oder vorwiegend die Annehmenden, sondern sie werden auch die Anbietenden sein. Die historische Situation dieses partnerschaftlichen geistigen Austauschs erfordert aber eine gegenseitige Kenntnis. Heute haben wir es, wenn wir Besuche in den Entwicklungsländern machen, vor allen Dingen mit Menschen zu tun, die auf westeuropäischen, manchmal auch auf osteuropäischen Universitäten ausgebildet sind, sei es Oxford oder Paris, sei es in manchen Gegenden Moskau oder Prag. Und wenn sie auf einheimischen Schulen und Universitäten ausgebildet worden sind, dann sind es solche, die nach Ausbildung und Bildungsinhalten von den Kolonialmächten oder weißen Vormundschaftsmächten nach ihren eigenen heimatlichen, europäischen Vorbildern errichtet worden sind, ob das in Senegal die Universität in Dakar, ob es in Ghana die Universität Legon, ob es in Nigeria die Universität Ibadan ist. Aber das ist ja alles nur ein vorläufiges, ein Durchgangsstadium. Immer stärker kommen in den Bildungsprozeß und in den geistigen Formungsprozeß dieser Völker auch die eigenen Elemente ihrer Kultur und werden zur Bildungswirksamkeit gebracht. In einer Generation wahrscheinlich schon werden diese Völker nicht nur zahlenmäßig die Mehrheit unter der Weltbevölkerung haben, sondern sie werden auch ihre volle kulturelie Emanzipation vollzogen haben. Sie werden dann in den Prozeß der Mitbestimmung über den Weg der Menschheit in vollem Umfange eintreten. Sie werden sich dabei auch der modernen und der traditionellen Massenmedien bedienen. Sie werden in Zeitungen und Zeitschriften, in Büchern und Filmen, in Radio und Fernsehen genauso zu uns sprechen und ihre Lebensinhalte und Vorstellungen an uns herantragen, wie wir es umgekehrt heute tun.
    Sind wir nun auf diesen Austausch, der ein gegenseitiges Sichkennen voraussetzt, auch nur annähernd vorbereitet? Ich glaube, wir sind es nicht. Es wäre falsch, wenn wir uns aus einem vielleicht manchmal unbewußten Hochmut dauernd in der Rolle der Gebenden fühlten. Wir werden sehr damit konfrontiert sein, uns auf gleichberechtigter Ebene auch mit dem auseinanderzusetzen, was man dort anbietet, und ich glaube, wir sind eben darauf nicht vorbereitet.
    Eine Untersuchung des Generalsekretärs des Deutschen Kunstrates hat jüngst ermittelt, daß es zum Beispiel in der ganzen Bundesrepublik nicht mehr als 20 bis 30 Menschen gibt, die eine japanische Zeitung oder ein japanisches Buch lesen können. Der Bundestag hat dieses Problem erkannt und die Initiative ergriffen. Wir haben in den letzten



    Kühn (Köln)

    Haushaltsplan Mittel für das Erlernen komplizierter Sprachen eingesetzt.
    Aber das ist alles nur ein geringer Anfang. Im Hinblick auf das Problem, das wir heute hier zu diskutieren haben, bedeutet die Notwendigkeit, die wir aus dieser Erkenntnis ableiten, daß wir viel mehr junge Menschen — nicht nur junge, aber vor allen Dingen junge Menschen — in die Entwicklungsländer entsenden müssen, nicht nur unter dem Gesichtspunkt: wie können sie drüben mit ihren Kenntnissen helfen?, sondern auch unter dem Gesichtspunkt: was sollen sie dort an Erkenntnissen gewinnen? Sie sollen nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten dort hinbringen, sondern auch Kenntnisse und Fähigkeiten zu uns zurückbringen. Wir brauchen auch für uns Kenner der ganzen Problematik jener Entwicklungsländer und der kulturellen, der menschlichen, der sozialen und der politischen Begegnung. Es ist also ein Doppelproblem, und hier gilt es nicht nur, einen Appell ins Volk zu schicken — „Junge Menschen, findet euch bereit, diese Aufgaben zu übernehmen!", ich glaube, dies ist gar nicht so sehr notwendig —, sondern es kommt darauf an, daß wir auch die materiellen Sicherungen für die Menschen schaffen, die diese Aufgabe übernehmen, die Sicherung ihrer Eingliederung, wenn sie später wieder in unsere Heimat zurückkommen.
    Es handelt sich vor allen Dingen um ein Problem auf dem Felde der akademischen Hilfe, der Entsendung von Dozenten und Lektoren, aber es ist nicht nur ein solches Problem. Doch zunächst zu diesem! Es gibt die Denkschrift der Rektorenkonferenz, die ) einen ganzen Katalog von Berichten enthält und die zu der alarmierenden Schlußfolgerung kommt, daß man in einer ganzen Reihe von Ländern, teils als Folge des Krieges, teils aber auch einfach als Folge der Nichtbeachtung dieses Problems, den Kontakt mit der deutschen Forschung und mit den deutschen Lehrmethoden fast völlig verloren hat. Der Einfluß der deutschen Wissenschaft, insbesondere die Zahl der in den Entwicklungsländern wirkenden Wissenschaftler, ist erschreckend gering geworden. Zum Teil, sagte ich, sind das Kriegsfolgeerscheinungen. An der Technischen Hochschule in Istanbul, an der Universität in Ankara, wo einmal deutsche Lehrer und deutsche Wissenschaftler eine ganz besondere Bedeutung gehabt haben — wir wissen von zwei Männern, die in unserer Mitte gewirkt haben oder noch wirken, nämlich Ernst Reuter und Professor Baade, daß sie an diesen Hochschulen gewirkt haben und mit ihnen viele andere deutsche Wissenschaftler —, sind die deutschen Wissenschaftler fast alle verschwunden. An ihre Stelle sind Wissenschaftler anderer europäischer Nationen getreten. Wir haben, und zwar vor allem, weil wir nicht ausreichende soziale und wirtschaftliche Sicherungen gewähren können, nicht mehr genug Wissenschaftler, die bereit sind, in diese Länder zu gehen.
    Demonstratives Beispiel ist vielleicht das Erlebnis eines Bundesministers, der von einer Reise nach Teheran zurückkehrte und das Angebot mitbrachte, daß 18 aus der sowjetisch besetzten Zone geflüchtete Hochschullehrer in die iranischen Fakultäten entsendet werden könnten. Es fanden sich schließlich nur 6 Wissenschaftler bereit, in engere Verhandlungen einzutreten. Zum Schluß hat sich nicht ein einziges dieser Angebote realisieren lassen. Keiner der Herren ist hingefahren, weil eben die soziale und wirtschaftliche Sicherung nicht gewährleistet war.
    Professor Jahrreiß hat am 6. Mai 1960 auf der Westdeutschen Rektorenkonferenz ein Manifest vorgelegt, in dem die Schlußfolgerung steht, daß heute der Entschluß zur Lehrtätigkeit im Ausland gleichbedeutend mit dem Entschluß sei, die akademische Laufbahn in Deutschland nicht mehr fortzusetzen. Jüngere Wissenschaftler gehen nicht mehr hinaus, weil sie in der Bundesrepublik für ihre Lehrtätigkeit sehr viel attraktivere Voraussetzungen finden und weil draußen ihre Bezahlung und — noch einmal sei es gesagt — vor allen Dingen auch ihre soziale Sicherung nicht ausreichen. Lektoren der deutschen Sprache erhalten heute nach diesem Bericht der Rektorenkonferenz draußen eine Bezahlung, die der einer deutschen Sekretärin bei unseren diplomatischen Auslandsvertretungen, nämlich der Tarifgruppe TOA VI, entspricht. Das Ergebnis ist in einer einzigen Zahl wiedergegeben, daß nämlich heute nur 58 Professoren unter den Bedingungen der Entwicklungsländer im Ausland tätig sind. In all diesen Entwicklungsländern weit um den Erdball 58! Das ist ein alarmierendes Zeichen. In den Mitteilungen der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer ist gerade für das Jahr 1960 eine Statistik veröffentlicht worden, wonach 97 Anfragen von 30 Hochschulen aus Entwicklungsländern nicht erfüllt werden konnten, und der Bericht der Deutschen Ibero-Amerikanischen Stiftung kommt zu dem Ergebnis, es handele sich um einen „Rückzug der deutschen Wissenschaft aus der Welt".
    Es ist aber nicht nur ein Problem der Wissenschaftler, es ist auch ein Problem, das insbesondere unter den grundsätzlichen Gesichtspunkten, die ich in den einleitenden Teil meiner Ausführungen stellte, weiter und insbesondere auf junge Menschen hin gesehen werden muß. Hier haben wir es mit einem Problem zu tun, das durch das Stichwort „Friedenskorps" aus Amerika auf uns zugekommen ist, Ich weiß nicht, ob eine sorgfältige Beratung zu dem Ergebnis kommen kann, daß ein solches Friedenskorps die geeignetste Form der Entsendung junger Menschen ist. Darüber muß sorgfältig beraten werden; manches läßt sich hier für und gegen sagen.
    Aber die Grundidee scheint mir auch in unsere politischen Überlegungen eingeführt werden zu sollen. In Amerika ist sie aus einer Anregung des Vorsitzenden der amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft Walter Reuther entstanden, der zu Beginn des Jahres 1960 die Idee entwickelte, hunderttausend junge Menschen sollten auf einen besonderen Friedensdienst vorbereitet werden, den man sie auch als Ersatz für den Wehrdienst ableisten lassen könne. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat im Februar 1960 eine Enquete darüber anstellen lassen, und Kennedy hat schließlich diesen Gedanken in seine Präsidentschaftskampagne hineingetragen.



    Kühn (Köln)

    In Deutschland haben die Sozialdemokraten auf ihrem Kulturkongreß in Wiesbaden diesen Gedanken der Öffentlichkeit unterbreitet. Wir haben auf diesem Wiesbadener Kongreß darauf hingewiesen, wie notwendig es sei, junge Menschen wieder zu bewegen, dieses Wagnis der Entwicklungshilfe auf sich zu nehmen, eine Weile unter den annähernd gleichen Lebensumständen zu leben, wie die Völker in den Entwicklungsländern leben, nicht mit all dem Komfort entsandter Experten großer internationaler Organisationen. Ihr menschlicher Kontakt zu den Menschen dort draußen wird nur in dem Maße herzustellen sein, in dem diese jungen Menschen bereit sind, auch in erträglich angenäherten Lebensumständen zu denjenigen dieser Menschen dort zu leben.
    Nun, dieser Appell an die Opferbereitschaft und an den Idealismus darf nicht nur ein belletristischer Appell sein. Wir werden einiges zur praktischen Durchführung zu tun haben. Dazu gehört auch die materielle und soziale Sicherung dieser Menschen, dazu gehört ihre Ausbildung. Wir haben gefordert, man möge besondere Ausbildungsstätten eines solchen Entwicklungsdienstes erwägen, die genauso materiell in unsere Haushalte eingebaut werden müßten wie die Ausbildungsstätten des Militärdienstes. Es ist durchaus auch hier zu überlegen — und ich bin sehr froh darüber, zu hören, daß diese Überlegung sogar im Inneren ,der Bundesregierung angestellt wird —, ob man nicht einen solchen Entwicklungsdienst, der unter diesen erschwerten Bedingungen und nach einer sorgfältigen Vorbereitung übernommen wird, als Ersatz für den Militärdienst anerkennen sollte.
    Wenn man diesen Weg beschreitet, sollte man es nicht in Form eines staatlichen Korps machen, sondern man sollte sich auch hier der privaten Organisationen bedienen, die sehr viel erfolgreicher auf diesem Gebiet wirken können als behördliche Institutionen. Die Jugendorganisationen, die politischen Organisationen, die kirchlichen Einrichtungen, die gewerkschaftlichen Verbände, sie alle werden erfolgreicher wirken können, weil sie als Gesinnungsgemeinschaften stärkere geistige Mobilisationskräfte auslösen können als behördliche Einrichtungen.
    Man hat dieser Idee oft entgegengehalten, es handle sich dabei um ein schwer zu lösendes Problem, weil es einen Bereitschaftsmangel in unserem Volk gebe, sich für einen solchen Entwicklungsdienst zur Verfügung zu stellen. Vor wenigen Wochen hat in Tegel im Rahmen 'der Akademie eine Konferenz der Organisationen stattgefunden, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Diese Organisationen sind zu einem völlig gegenteiligen Ergebnis gekommen. Der Vertreter der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung hat gesagt, es meldeten sich jährlich 50 000 Menschen für diese Arbeit und es sei damit zu rechnen, daß in naher Zukunft ein Ansturm auf alle zuständigen Stellen einsetzen werde, dem man durch Vorausplanung gewachsen sein müsse.
    Aber auch hier geht es nicht nur um die politische und menschliche Seite des Problems, sondern darum, die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die soziale Sicherung und die Sicherung der weiteren beruflichen Aufstiegsmöglichkeit 'in der deutschen Heimat zu schaffen.
    Bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit will ich hier nichts über die innen- und außenpolitische Problematik einer solchen Organisationsform sagen; sie gehört auch nicht zum heutigen Themenkreis. Wir wissen, daß die amerikanische Idee eines Friedenkorps in dein Entwicklungsländern auf einige Reserve gestoßen ist. Ich selber war in Westafrika, als die Zeitungen darüber berichteten, und kenne die Argumente, die hinter dieser Reserve stehen. Wenn wir einen solchen Weg 'beschreiten sollten, käme es natürlich darauf an, einem solchen Entwicklungsdienst nicht den Charakter einer militanten, politisch-missionarischen und geistig uniformierten Organisation zu geben. In dieser Form könnte ein solcher Jugendentwicklungsdienst keineswegs zu einem Erfolg werden.
    Aber gerade junge Menschen hinauszuschicken in diese Länder, ist, glaube ich, doppelt wichtig, wenn wir uns noch eine Tatsache vor Augen führen: das ist die Alterspyramide in den Entwicklungsländern. Wir wissen, wie sehr die jungen Menschen in den Entwicklungsländern immer mehr deren äußeres Bild prägen. In den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind 40 % der Bevölkerung unter 15 Jahren.
    Das Problem präsentiert sich uns aber nicht nur unter dem Stichwort „Friedenskorps". Es ist eine andere Idee aufgeworfen worden: die der Juniorexperten. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat schon vor längerer Zeit auf die Möglichkeit hingewiesen, die bereits seit langem besteht, Nachwuchskräfte, die zu späterer selbstverantwortlicher Tätigkeit in den Entwicklungsländern fähig gemacht werden sollen, den Experten der großen internationalen Organisation als Juniorexperten beizugeben.
    Es gibt auch andere Überlegungen, die hier praktiziert werden könnten. Es gibt eine Organisation, die sich „International Association for the Exchange of Students for Technical Experimences" nennt, eine Organisation, die mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zusammenarbeitet und sich den Austausch von Praktikanten zur Aufgabe gesetzt hat, die an deutschen technischen Hochschulen lernen. Das Ziel ist, daß künftig jeder Bergbauingenieur und auch möglichst andere darüber hinaus sechs bis acht Wochen unter Tage im Ausland arbeiten. Der geographische Bereich dieser Organisation ist zunächst auf die EWG-Länder zu beschränken. Aber man könnte sich vorstellen, daß wir in den Beratungen des Ausschusses auch Wege finden, Ideen zu entwickeln, Variationen, Ausgestaltungen solcher Ideen auch für die Entwicklungsländer
    Aber immer wieder: ein breites Feld kann diese Aktivität nur gewinnen, wenn die Probleme der sozialen und wirtschaftlichen Sicherung gelöst sind. Ein weiter Kreis von Betroffenen muß in diese Aufgabe einbezogen werden. Der Personenkreis konzentriert sich auf vier Gruppen: auf die Beamten und Angestellten des Bundes, der Länder und Ge-
    Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 9215
    Kühn (Köln)

    meinden sowie anderer öffentlich-rechtlicher Dienstherren, auf die Angehörigen sonstiger Berufe, die im Rahmen eines normalen beruflichen Vertragsverhältnisses oder freiberuflich im Rahmen der Entwicklungsförderung hinausgehen oder bei der Errichtung von Entwicklungsprojekten tätig sind. Die dritte Gruppe würden die Entwicklungshelfer in dem Sinne sein, den ich soeben behandelt habe, also Menschen, ,die im Rahmen gemeinnütziger Entwicklungsvorhaben einen Dienst leisten. Die vierte Gruppe wären die Personen, die sich zur Ausbildung oder Weiterbildung in Entwicklungsländern aufhalten oder sich auf die Tätigkeit in Entwicklungsländern im Inland oder in anderen Industrieländern vorbereiten. Es sollte bei diesem Personenkreis, dessen soziale und wirtschaftliche Sicherung man ins Auge fast, gleichgültig sein, ob die Betreffenden im Rahmen deutscher oder internationaler amtlicher Stellen, ob sie bei Projekten der gewerblichen Wirtschaft oder im Dienst von Verbänden und freien Organisationen tätig sind oder ob sie im Vertragsverhältnis mit ausländischen Entwicklungsstellen, ausländischen Firmen oder Behörden stehen.
    Voraussetzung für die Einbeziehung in dieses System von zu erarbeitenden sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen sollte allein sein, daß die Tätigkeit, die die Betreffenden draußen ausüben, einer sinnvollen Entwicklungsförderung dient und den Interessen der Bundesrepublik und einer freiheitlichen Entwicklung nach den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen nicht zuwiderläuft. Auf diesen Personenkreis, auf diesen Tätigkeitsbereich und auf diese Prinzipien sollte sich die komplexe Summe von Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Sicherung von Deutschen, die in Entwicklungsländern wirken, aufbauen. Es wird ein komplexes Werk von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsabkommen sein müssen. Das Ziel sollte sein, daß es, ähnlich wie wir es für Wirtschaftsmaßnahmen unter dem Begriff der Hermesbürgschaft haben, auch eine Hermesbürgschaft für menschlichen Einsatz gibt. Da werden sich in die Verantwortung Bund und Länder zu teilen haben. Die Kultusministerkonferenz hat sich auf ihrer Darmstädter Tagung und auf ihrer letzten Plenarsitzung im Dezember 1960 bereit erklärt, auf diesem Gebiet aktiv zu werden.
    Es kommt nun darauf an, daß die Bundesregierung und wir im Ausschuß alle die Aktivitäten und Anregungen auf diesem Gebiet koordinieren. Ich will ein paar Punkte — angesichts der freitäglichen Zeitbedrängnis im Telegrammstil — anführen:
    Es handelt sich zunächst um die Sicherung des Arbeitsplatzes in der Heimat für die ins Ausland gehenden Menschen. Hier sollten Vorkehrungen getroffen werden, die eine bevorzugte Vermittlung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik für diese Menschen bei ihrer Rückkehr vorsehen, wobei der Auslandsaufenthalt als qualifikationssteigernd gewertet werden sollte. Man sollte die Wiedereingliederung dieser Menschen in den normalen beruflichen Entwicklungsprozeß in der Heimat mit Darlehen, Rechtshilfen und Beratungen erleichtern.
    Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat in seiner Denkschrift vom
    Januar 1960 vorgeschlagen, daß man finanzielle Voraussetzungen dafür im Bundeshaushalt schaffen sollte. Er hat insbesondere die Anrechnung der im Ausland verbrachten Dienstjahre, die Aufrechterhaltung von Pensionsansprüchen und auch von Anciennitätsansprüchen — was ja gelegentlich im Universitätsleben eine Rolle spielt — genannt. Hier handelt es sich vor allem um entsandte Kräfte aus dem wissenschaftlichen Dienst. Aber sie sind nicht allein betroffen. Es handelt sich um alle, die hinausgehen und einen ausländischen Arbeitgeber haben.
    Die Überprüfung der hier zur Diskussion stehenden Probleme hat ergeben, daß diejenigen, die von einem deutschen Arbeitgeber entsandt werden, sei es von einer Behörde, sei es von einem privaten Arbeitgeber — und darum geht es ja bei fast allen technisch-industriellen Projekten —, im Regelfall annähernd ausreichend gesichert sind. Ganz anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber ein fremder Arbeitgeber ist.
    Völlig unzureichend ist 'bisher für die ins Ausland Gegangenen die Frage des Versicherungsschutzes sowie die Frage der Sicherung im Krankheitsfall geregelt. Es gibt vorläufig überhaupt noch keine ausreichende Vorsorge für den Fall der Erkrankung an Tropenkrankheiten. Da bleibt nur der private Versicherungsschutz, der meistens mit enormen Kosten verbunden ist. In die Überlegungen der Bundesregierung und des Ausschusses, der sich mit diesen Fragen zu beschäftigen haben wird, sollte einbezogen werden, ob man nicht durch Abschluß einer Gruppenversicherung gegen Unfall für diese Menschen eine Sicherung schaffen kann, die sie sich durch privaten Versicherungsschutz angesichts der hohen Prämien nicht verschaffen können.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Mir ist von einem Fall erzählt worden, wo einer entsandten Kraft, also jemandem, der sich noch eines besonderen Schutzes sicher. fühlen konnte, nach dreimaliger Erkrankung an Amöbenruhr mitgeteilt worden ist, daß ihm eine Beihilfe nicht mehr gegeben werden könne; er müsse, sich privat weiterhelfen. Ich glaube, das geht einfach nicht. An mannigfachen Beispielen wird sichtbar, wie unzureichend der soziale Schutz hier noch ist, vor allen Dingen in Fällen der Krankheit.
    Für die Sicherung der Universitätskräfte sollte man vielleicht erreichen können — und das ist nicht so sehr eine Sache des Bundes, aber die Bundesregierung könnte hier im Gespräch mit den Ländern eine Initiative auslösen —, daß die Fakultäten die Professoren und Dozenten entweder selbst entsenden oder so bewerten und sichern, als ob sie durch die Fakultät entsandt worden wären. Das gibt ein höheres Maß an moralischer Verpflichtung, sich des Schicksals dieser Menschen anzunehmen.
    Die Kultusminister haben ihre Bereitschaft er- klärt, Leerstellen in den Studienplänen zu schaffen. Nun kommt es darauf an, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Wiedereingliederung — ich weiß, daß Mittel im Haushalt dafür vorhanden sind, aber in einem völlig unzureichenden Maß —, die Überbrückung in einem viel stär-



    Kühn (Köln)

    keren Maße garantieren, wenn die Leute von ihrem wissenschaftlichen Lehrauftrag in die Heimat zurückkommen.
    In Kreisen der Universitäten ist erwogen worden, ob es nicht möglich sei, Menschen, die glauben durch ihren Auslandsaufenthalt den Anschluß an die wissenschaftliche Entwicklung in der Heimat verloren zu haben oder ihn vielleicht wirklich verloren haben, ein Lehrjahr zu ermöglichen, in dem sie von Verwaltungsarbeit völlig befreit werden und sich ausschließlich der Forschungsarbeit widmen können. Das muß mehr in den Landtagen als in diesem Hause besprochen werden. Aber, ich glaube, auch von dieser Tribüne sollte gesagt werden, daß es ebenfalls Sache der Universitäten ist, ein gewisses „binnenländisches" Denken zu überwinden, und daß wir alle vom Bund und von den Ländern her die Voraussetzungen schaffen müssen für einen, ich möchte es nennen: Entwicklungsdienst der deutschen Wissenschaft, der vor allen Dingen eine Aufgabe des jungen wissenschaftlichen Nachwuchses ist.
    Zum Schluß möchte ich ganz kurz noch ein Problem erwähnen, dem ich unlängst bei einer Reise begegnet bin. Sowohl in Togo als auch in Ghana wurde von unseren diplomatischen Vertretungen und von den Regierungsstellen der Länder der dringende Wunsch ausgesprochen, ihnen Ärzte zu senden. Zufällig hatte mir bei dem letzten Gespräch, das ich auf afrikanischem Boden führte, unser diplomatischer Vertreter in Ghana noch in einem besonderen Maße diesen Wunsch mit auf den Weg gegeben. Im Flugzeug über europäischem Boden war mein erster Gesprächspartner ein junger Arzt, mit dem ich über diese Probleme ins Gespräch kam. Er sagte mir, es gebe seiner Überzeugung nach eine große Zahl von jungen Ärzten — und er war schon einer —, die bereit sein würden, einen solchen Dienst in Entwicklungsländern zu leisten, dorthin zu gehen und Arbeit als Arzt zu tun. Hier können wir helfen.
    Auf dem Gebiet der Entsendung wissenschaftlicher Lehrkräfte wissen wir, wie arg es oft bei uns selbst aussieht und daß viele Lehrstühle nicht besetzt werden können, daß in unserem eigenen Universitätsleben noch manche Lücken zu schließen sind. Aber 'mit Ärzten könnten wir helfen. Bei uns entfällt, wenn ich die Zahlen richtig weiß, ein Arzt auf 600 Menschen, in sehr vielen Entwicklungsländern kommt ein Arzt ,auf nahezu 60 000 Menschen. Hier ist eine große humanitäre Aufgabe zu bewältigen.
    An diesem Beispiel zeigt sich ein richtiges Problem. Wenn ein solcher Wunsch an unser Auswärtiges Amt oder eine andere Stelle der Regierung herangetragen wird — und in diesem Fall ist er herangetragen worden, und er könnte erfüllt werden, aber trotzdem hat häufiges Nachfragen nicht zu einem Ergebnis geführt —, ergibt sich doch die Frage: Wohin wendet sich das Amt, um ein solches Bedürfnis auch bekanntzumachen und zu erfüllen? Ist die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der geeignete Ort? Ist sie nicht vielleicht zu sehr ein Mammutapparat und für solche Aufgaben nicht geeignet?
    Auch dies, was hier als Anregung vorgetragen wird, werden wir im Ausschuß beraten: Ist es nicht, falls die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung die zuständige Instanz dafür wird, zumindest richtig, ihr einen Beirat aus sachkundigen und in Entwicklungsprojekten erfahrenen Persönlichkeiten beizugeben?
    Ich habe gesagt, daß wir glauben, die Bereitstellung des Entwicklungspersonals, seine Vorbereitung und seine Betreuung bis zu seiner Wiedereingliederung sollte in unserer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaftsordnung vor allen Dingen einer Vielzahl von Einrichtungen übertragen werden. Es werden sich in die Summe der hier behandelten Maßnahmen, in die Verantwortung für diese Maßnahmen und in die Festlegung zu teilen haben die Bundesregierung und unser Parlament, die Länderregierungen und die Ständige Konferenz der Kultusminister. Diese Arbeit werden freie Verbände und Organisationen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, Erwachsenenbildungs-Organisationen und solche des internationalen Kulturaustausches, die Kirchen und die Religionsgemeinschaften, die Universitäten und die Hochschulen und die Gemeindeverbände zu tragen haben.
    Es ist zu überprüfen — auch dies als Anregung an die Adresse der Bundesregierung und an die des Ausschusses; der das Problem zu beraten hat, vorgetragen —, ob es nicht zweckmäßig ist, eine Bundesstiftung für Entwicklungspersonal zu schaffen und die Zusammenfassung der Aufgaben einem Bundesbeauftragten für Personal in Entwicklungsländern zu übertragen.

    (Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Noch ein Verein!)

    Ich bitte das Haus, damit einverstanden zu sein, daß unser Antrag dem Ausschuß für Entwicklungsfragen überwiesen wird, um dort sorgfältig geprüft zu werden.
    Ich möchte zum Schluß noch einmal sagen, daß wir hier nicht ein Problem zur Debatte gestellt haben, das im Streit und Widerstreit von Regierung und Opposition steht. Es war auch nicht Sinn meiner Ausführungen, eine Anklage wegen Versäumnisses gegen die Bundesregierung zu erheben, wenngleich wir die Mahnung an die damit nun einmal verantwortlich beauftragten Stellen aussprechen möchten: Es ist hohe Zeit, konkrete Lösungen zu finden. Wenngleich wir auch auf eine Reihe von wirklich beklagenswerten Versäumnissen hinweisen können, ist es nicht Sinn dieser Unterhaltung, Anklage zu erheben, sondern einen Appell an die Einsicht aller Verantwortlichen zu richten. Verantwortlich in diesem Sinne sind die Regierungen in Bund und Ländern. Die Verantwortlichen sitzen auf den Bänken dieses Parlaments und der Landtage. Sie sitzen in den Fakultäten der Universitäten und in den Selbstverwaltungen der Gemeinden. Sie alle müssen erkennen, daß wir hier eine vordringliche Aufgabe zu erfüllen haben, die uns im Drange der täglichen Geschäfte unserer Arbeit nicht in den Hintergrund geraten darf.

    (Beifall bei der SPD.)






Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Kühn, wir können nur an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten überweisen, der dann von sich aus den Unterausschuß für Entwicklungsfragen betrauen kann.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die letzten Ausführungen von Herrn Kollegen Kühn anknüpfen und auch von mir aus mit großer Befriedigung feststellen, daß es sich in der Tat nicht um ein Problem handelt, das in irgendeiner Weise zwischen Regierung und Opposition kontrovers ist. Vielleicht ist in dem einen oder anderen Falle de Frage, wie wir Pläne verwirklichen sollen, kontrovers. Das soll auch so sein. Selbstverständlich! Aber ich habe doch den Eindruck, daß wir uns im Grundsätzlichen in weitgehender Übereinstimmung befinden.
    Das gilt auch für ,die Ausführungen, die Herr Kollege Kalbitzer gemacht hat. Ich möchte sagen, daß ich zu acht oder neun Zehntel mit ihm übereinstimme. Gerade deswegen habe ich nicht recht begriffen, warum ein Teil seiner Ausführungen etwas polemisch gehalten war. Er ist leider nicht da. Ich möchte ihm aber eigentlich sagen, daß, wenn ich diesen Teil seiner Ausführungen zusammenfasse, es etwa so klang: Es war einmal eine sehr böse Bundesregierung. Da kam ein sehr guter Bundestag und hat dieser bösen Bundesregierung Geld aufgezwungen, damit sie Entwicklungshilfe leisten solle. Das hat diese böse Bundesregierung auch getan. Aber sie nahm nicht genügend Geld. Da kam ein mächtiger Präsident und hat gesagt: Ihr müßt noch mehr Geld nehmen! — Das hat die böse Bundesregierung dann natürlich sofort getan. Und wie wird das Geld verwendet? Wenn ein exotischer Fürst etwas will, geht er zum Auswärtigen Amt und bekommt es. Wenn ein böser Unternehmer etwas will, geht er zum Wirtschaftsministerium und bekommt es. Wenn aber einmal ein vernünftiger Botschafter eines Entwicklungslandes mit einem guten Vorschlag kommt, dann wird er nicht verwirklicht, weil sich die beiden Ministerien nicht einigen können. Weil natürlich unter solchen Umständen eine Kontrolle unerwünscht ist, entzieht die Bundesregierung das Geld jeder Kontrolle, und am Ende ist der Panama-Skandal da.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube doch, es ist nicht so, und deswegen möchte ich auch gern die Gelegenheit benutzen, um ein paargrundsätzliche Bemerkungen darüber zu machen, wie wir uns die Durchführung der Entwicklungshilfe denken. Ich wiederhole: Ich glaube, wir werden dabei feststellen, daß wir weitgehend 'übereinstimmen. Ich bin nur dankbar für jede Kritik und für jede Anregung, die aus dem Bundestag kommt. Auch ich möchte ohne jede Einschränkung feststellen, daß der Bundestag in dieser Frage tatsächlich die Bundesregierung nicht nur immer wieder unterstützt, sondern dankenswerterweise gedrängt hat. Ich kann das, wie gesagt, nur als eine Unterstützung eigener Vorstellungen betrachten.
    Meine Damen und Herren, ich möchte versuchen, zuerst nur ein paar allgemeine Grundsätze aufzustellen, um Ihnen zu sagen, wie nach unserer Ansicht die Entwicklungshilfe verwirklicht werden kann und soll. Ich werde dann in diesem Zusammenhang auch auf einzelne Fragen eingehen, die die beiden Vorredner angeschnitten haben.
    Zunächst möchte ich noch einmal feststellen, daß die Bundesregierung, auch wenn sie den Vereinten Nationen nicht angehört, den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu entsprechen wünscht und daß sie auch gerade im Verhältnis zu den Entwicklungsländern eindeutig davon ausgeht, daß diese Länder Anspruch auf Gleichberechtigung und auf Selbstbestimmung haben. Deswegen haben wir auch nicht den Auftrag und das Recht, uns in die inneren Angelegenheiten ,dieser Länder einzumischen, sondern wir müssen uns darauf beschränken — und das ist eine echte und schwere Aufgabe —, mitzuhelfen, daß sich die politische, die ökonomische und die soziale Entwicklung in diesen Ländern stetig und nach vorwärts vollzieht.
    Art. 55 der Charta, von der ich sprach, spricht ausdrücklich von der Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Wir sind uns bewußt, 'daß sich in unseren Ländern zu einem früheren Zeitpunkt eine ähnliche Entwicklung vollzogen hat wie in diesen Ländern. Darum haben wir, glaube ich, auch das nationale Selbstbewußtsein, das in diesen Ländern nun entsteht, anzuerkennen und zu respektieren.
    Aber ich glaube, daß uns gerade auch der Respekt vor dieser Entwicklung die Verpflichtung auferlegt, vor einem übersteigerten Nationalismus zu warnen und insbesondere auf die Gefahr hinzuweisen, die darin liegen kann, daß legitime nationale Aspirationen und ein elementares Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit von falschen Freunden mißbraucht werden, denen es nicht darum geht, den jungen Völkern eine echte, auf gegenseitiger Achtung beruhende freiheitliche Lebensordnung zu vermitteln, sondern die vielmehr die Ungeduld zu mißbrauchen versuchen, um diese jungen Völker in ihr eigenes totalitäres System der Unfreiheit und Unterdrückung einzugliedern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Gerade die Achtung vor dieser Entwicklung berechtigt uns, auf diese Gefahr hinzuweisen. Das soll nicht bedeuten, daß wir unsere Entscheidungen oder unsere Aktionen in irgendeiner Weise von dem abhängig machen wollen, was andere tun. Ich würde es für falsch halten, wenn wir uns in unseren Überlegungen etwa durch Aktionen des Ostblocks bestimmen ließen. Der Ostblock mag in den Ländern, die er sich aussucht, tun, was er will. Unsere Entscheidungen sollen frei sein, und wir sollen selbst die Verantwortung für das übernehmen, was wir tun. Ich wiederhole: nicht reagieren, sondern agieren.
    Wir haben volles Verständnis dafür, wenn in diesen Ländern der Drang nach einer größeren poli-



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    tischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit entsteht. Ich denke etwa an einen Zusammenschluß wie die Arabische Liga. Ich hatte gestern Gelegenheit, mit dem Generalsekretär dieser Arabischen Liga zu sprechen, und es war interessant, zu hören, daß man sich auch dort mit dem Problem befaßt, das uns in Europa beschäftigt: Gibt es eine Möglichkeit in diesem Bereich einen größeren gemeinsamen Markt zu schaffen? Gibt es die Möglichkeit, gewisse Vorhaben auf dem Gebiete der Wirtschaft zu koordinieren? — Ich glaube, was wir in Europa tun, entspricht denselben Vorstellungen. Deswegen sollten wir solche Entwicklungen in diesen Teilen der Welt unterstützen. Wenn dort ein Zusammenschluß tatsächlich zu einer größeren Wirtschaftseinheit führt, ist das im Interesse der beteiligten Länder und ist sicherlich auch für die Zusammenarbeit mit denen, die Entwicklungshilfe geben wollen, nur von Nutzen.
    Meine Damen und Herren, ich sagte vorhin, daß die Zusammenarbeit mit den uns befreundeten Völkern auf dem Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft aufgebaut werden soll und daß wir keine machtpolitischen Vorstellungen entwickeln wollen, wenn wir Entwicklungshilfe anbieten oder geben. Das bedeutet, daß wir eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit nicht von politischen Bedingungen abhängig machen dürfen. Ich glaube, dieser Standpunkt wird hier im Hause allgemein vertreten, und ich brauche ihn nicht zu begründen.
    lch muß auch nicht Behauptungen widerlegen, die etwa vom Ostblock, von der Sowjetunion aufgestellt 1 werden, die immer versucht, die Entwicklungshilfe der freien Welt als eine Ausdrucksform des NATO-Kolonialismus hinzustellen. Meine Damen und Herren, wir haben, glaube ich, ein recht gutes Gewissen gegenüber solchen durchsichtigen Versuchen. Ich glaube auch, daß die Welt, auch die Entwicklungswelt, inzwischen den Unterschied in der Zielsetzung der Entwicklungshilfe zwischen dem einen und dem anderen Teil richtig erkannt hat.
    Oberstes Ziel einer jeden Entwicklungshilfe ist es, zu einer Verbesserung des Lebensstandards beizutragen, d. h. den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in diesen Ländern zu unterstützen. Darum kann es auch nicht Aufgabe der Entwicklungshilfe sein — das muß klar ausgesprochen werden —, die soziale Fortentwicklung in diesen Ländern zugunsten überlebter Sozialstrukturen zu hemmen. Bei unseren Maßnahmen müssen wir das Wohl des ganzen Volkes in den befreundeten Ländern im Auge haben. Darum sollten wir auch unseren Rat und unsere Erfahrung auf dem Gebiete der sozialen Neuordnung anbieten. Wenn wir es ablehnen müssen, wie ich sagte, eine nach unserer Überzeugung überlebte Ordnung zu unterstützen, müssen wir auf der anderen Seite auch den Mut haben, vor überstürzten Maßnahmen zu warnen. Wir wollen ja die Evolution fördern und nicht unabsichtlich und guten Willens eine revolutionäre Entwicklung einleiten.
    Wenn wir die Entwicklungsländer bei ihrer Eingliederung in eine arbeitsteilige Weltwirtschaft unterstützen wollen, muß unsere Hilfe in erster
    Linie auf die Selbsthilfe in diesen Ländern gerichtet sein. Wir würden nicht helfen, sondern schaden, wenn wir jene aufstrebenden Länder durch eine falsche Lenkung unserer Hilfe in eine kurzfristige oder auch langfristige Verschuldung stürzten. Wir würden damit nicht die Eingliederung in die Gesamtwirtschaft herbeiführen, sondern wir würden uns an einer verhängnisvollen Fehlentscheidung mitschuldig machen. Wir würden falsche Hoffnungen wecken und nichts anderes tun, als mitzuhelfen, neue wirtschaftspolitische Katastrophen vorzubereiten und soziale Spannungen zu erzeugen. Aber ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir unsere Entwicklungshilfe im engen Einvernehmen mit den beteiligten Ländern geben sollten.
    Hier ist vielleicht eine Meinungsverschiedenheit, wenn ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Kalbitzer richtig verstanden habe. Diese Meinungsverschiedenheit zwischen uns besteht vielleicht darin, daß wir glauben, eine sehr sorgfältige Prüfung vorschalten zu sollen. Wir müssen Projekte und Programme zunächst darauf untersuchen, ob sie wirtschaftlich vernünftig und ob sie auf die Bedürfnisse und Hilfsquellen der betreffenden Länder zugeschnitten sind. Das kann und muß zu Verzögerungen führen; denn wir können ja unsere eigenen Methoden und unsere eigenen Erfahrungen nicht ohne weiteres auf diese Entwicklungsländer übertragen. Also ich glaube, wir müssen eben diese Prüfung vorschalten. Wir müssen auch den Mut haben, konkrete Einzelvorhaben abzulehnen, wenn die Prüfung ergibt, daß ihre Verwirklichung den Grundsätzen wirtschaftlicher und politischer Vernunft zuwiderlaufen würde.

    (Abg. Kalbitzer: Sehr wahr!)

    Die Länder, die die Zusammenarbeit mit uns suchen, können mit Recht erwarten, daß wir konstruktive Vorstellungen entwickeln. Es darf uns nicht um die propagandistische Wirkung gehen. Denen, die uns die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen — das ist ,das deutsche Volk —, sind wir für einen vernünftigen Einsatz dieser Mittel ebenso Rechenschaft schuldig, wie wir den Entwicklungsländern gegenüber für das, was sie mit unserer Hilfe und auf Grund unseres Rates aufbauen, eine Verantwortung übernehmen.
    Ich glaube darum auch nicht, daß hier der Satz gilt: „Wer schnell gibt, gibt doppelt." Selbstverständlich müssen wir auf diesem Gebiet alle unnötige bürokratische Belastung beseitigen. Aber eine verständige und verantwortungsbewußte Zusammenarbeit mit unseren Partnern setzt voraus, daß wir die Einzelvorhaben prüfen und dann im Rahmen des Möglichen auch die Verantwortung dafür übernehmen, daß sie sinnvoll sind, daß sie der Wirtschaft und den Menschen in diesen Ländern nützen.
    Es geht hier natürlich nicht darum, nun sämtliche Grundsätze, die uns leiten sollten, erschöpfend aufzuzählen; ich wollte nur einige aussprechen und will nun zur Frage der praktischen Verwirklichung übergehen und auch zu den Fragen, die gestellt worden sind.

    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Wir glauben ,daß alle materielle und finanzielle Hilfe, die wir gewähren, nur dann von Nutzen sein kann, wenn sie mit dem Ziel gegeben wird, die Menschen in den Entwicklungsländern heranzubilden, sie in die Selbstverwaltung hineinzuführen und den Willen zur Eigenhilfe anzusprechen. Ich kann nur unterstreichen, was sowohl in der Begründung der Anfrage wie auch in der Begründung des Antrages von meinen beiden Vorrednern gesagt worden ist: Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Wirtschaft. Wir müssen uns deshalb in erster Linie bemühen, das eigene Wissen und Können der Menschen in diesen jungen und unabhängigen Ländern zu fördern. Ich glaube, daß wir das, wovon Herr Kollege Kühn sprach, verwirklichen sollten: diese Menschenhilfe; das bessere Wort wäre vielleicht noch: Bildungshilfe. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Hilfe, die personelle Zusammenarbeit mit den Ländern zu intensivieren.

    (Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

    Das setzt eine geeignete Ausbildung voraus, sowohl bei uns wie in den anderen Ländern. Dabei kann das Schwergewicht vielleicht im einen Falle auf der akademischen Ausbildung, im anderen auf der praktischen Ausbildung liegen. Die Ausbildung sollte sich in erster Linie in den Ländern selbst verwirklichen lassen.
    Dieser Grundsatz gilt nicht für die akademische Ausbildung, weil dort die Voraussetzungen fehlen. Das ist auch der Grund dafür, daß zur Zeit — und ich glaube, diese Zahl ist schon recht beträchtlich — etwa 14 000 Studenten aus den Entwicklungsländern in der Bundesrepublik ihre Ausbildung an den Universitäten oder Technischen Hochschulen genießen. Wir sind uns aber im klaren darüber, daß auch dieser Versuch — einen Weg gibt es im Augenblick nicht — nur dann sinnvoll und nur dann wertvoll für das betreffende Land sein kann, wenn diese jungen Akademiker nach dem Abschluß ihrer Studien in ihre Heimat zurückkehren und wenn sie dort auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür antreffen, die Kenntnisse, die sie erworben haben, im Interesse des eigenen Volkes zu verwerten.
    Darum scheint mir mindestens ebenso wichtig die Ausbildung der Praktikanten zu sein, von denen wir zur Zeit in der Bundesrepublik über 10 000 haben. So wie die Studenten von den Auslandsämtern der Universitäten betreut werden, werden diese Praktikanten von anderen Organisationen betreut, so von der Carl-Duisberg-Gesellschaft und von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie bemühen sich — und das ist eine wichtige Aufgabe, meine Damen und Herren — um die Unterbringung dieser Menschen, sie helfen ihnen bei der Auswahl des Ausbildungsplatzes, sie halten Zwischenseminare ab, sie unterstützen diese Leute bei der Versorgung mit Lehr-und Ausbildungsmaterial. Ich glaube, auf diesem Gebiet ist für die private Initiative tatsächlich noch ein weiter Raum.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auch sagen, daß ich die Mitwirkung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts in der Entwicklungsplanung gerade aus diesen Gründen für unerläßlich halte. In jede Organisation, die sich mit der Entwicklungsplanung auf dem Gebiet der Bildungshilfe beschäftigt, sollte eine Vertretung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts aufgenommen werden.
    Wenn ich von der Ausbildung der jungen Menschen hier in Deutschland sprach, meine Damen und Herren, möchte ich aber hinzufügen, daß die Ausbildung in den Ländern selbst mindestens ebenso wichtig ist. Wir haben in den Entwicklungsländern keine deutschen Ausbildungsstätten errichtet. Ich glaube, es wäre ein falscher Weg gewesen. Wir haben vielmehr in Zusammenarbeit mit diesen Entwicklungsländern Gemeinschaftswerke errichtet, für die — und das ist eine echte Partnerschaft — von unserer Seite Ausbildungs- und Lehrkräfte, technische Einrichtungen und Lehrmaterial und von den Regierungen der Entwicklungsländer die Grundstücke und Gebäude zur Verfügung gestellt wurden. In der kurzen zurückliegenden Zeit sind insgesamt 83 solcher Ausbildungsstätten und Mustereinrichtungen in allen Teilen der Welt entstanden. Es handelt sich dabei um technische Lehranstalten, Ingenieurschulen, Gewerbeschulen, Handwerksschulen, Industrielehrwerkstätten, Musterfarmen und landwirtschaftliche Musterbezirke auf genossenschaftlicher Basis. Tausende junger Menschen aus den Entwicklungsländern haben diese Ausbildungsstätten besucht, und alle Berichte, die wir darüber haben, bestätigen uns, daß auf diesem Wege tatsächlich ein entscheidender Beitrag zu einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung, d. h. zur Heranbildung einer tragfähigen Mittelschicht in diesen Ländern, geleistet werden kann.
    Selbstverständlich können und dürfen wir uns nicht darauf beschränken, Fachschüler und Studenten auszubilden. Um einen größeren Personenkreis zu erfassen, müssen wir auch die Ausbildung von Lehrkräften ins Auge fassen. Ich unterstreiche auch das, was Herr Kollege Kühn hierzu gesagt hat. Wir müssen an die Erwachsenenbildung denken; denn gerade die Erwachsenenbildung vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die zu erwerben in den Schulen dieser Länder eben nicht möglich war.
    Eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit den Organisationen, die sich in der Bundesrepublik entwickelt haben, hat sich angebahnt. Ich denke an die „Stiftung für Entwicklungsländer", deren weitverzweigte Tätigkeit Ihnen bekannt sein wird. Auch Herr Kollege Kühn hat über die Tätigkeit dieser Organisation gesprochen. Diese Stiftung hat es unternommen, alle auf diesem Gebiet bestehenden Organisationen zu erfassen. Das ist eine besonders wichtige und wertvolle Arbeit.
    Ich möchte die anderen Organisationen nicht aufzählen; sie sind sehr zahlreich. Vielleicht ist die eine oder andere Gründung nicht gerade lebensnotwendig gewesen. Aber wir sollten doch den Versuch machen, alle diese Organisationen zusammenzufassen, weil darin sehr viel echter und guter Wille sichtbar wird und weil die eine oder andere Erfahrung der kleineren Organisation auch für die größere Organisation nutzbar gemacht werden kann.



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    ) Wenn ich von der Zusammenarbeit mit diesen Organisationen spreche, möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß wir auch die internationale Zusammenarbeit anstreben. Wir bemühen uns z. B. um die Anerkennung deutscher Examina in den Entwicklungsländern, eine wichtige Voraussetzung dafür, daß junge Menschen mit dem deutschen Wissen in diesen Ländern aufgenommen werden. Es ist ein Schwerpunktprogramm in Aussicht genommen, um Lehraufträge deutscher Wissenschaftler an Universitäten und Hochschulen in den Entwicklungsländern erteilen zu können.
    Sowohl Herr Kollege Kalbitzer als auch Herr Kollege Kühn haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es in den vergangenen Jahren leider nicht möglich war, Anforderungen aus diesen Ländern zu befriedigen, weil die Voraussetzungen in Deutschland selbst nicht geschaffen waren. Ich begrüße es, daß es jetzt gelungen ist — Sie werden es wissen, Herr Kollege Kühn —, die „Gemeinschaftsstelle der Hochschulen für deutsche Gelehrte im Ausland" zu schaffen. Sie hat am 1. April 1961 ihre Arbeit begonnen und soll am 1. Januar 1962 voll organisiert dastehen. Diese Gemeinschaftsstelle hat die Aufgabe, deutsche Gelehrte ins Ausland zu vermitteln, dann diese deutschen Gelehrten während ihres Auslandsaufenthalts zu betreuen, Hilfestellung bei der Eingliederung der zurückgekehrten Gelehrten in das akademische Leben im Einvernehmen mit den Ländern und den Universitäten zu leisten und Verhandlungen mit den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder zur materiellen Sicherstellung dieser Personen nach ihrer Rückkehr zu führen.
    Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang und auch in Beantwortung dessen, was Sie ausgeführt haben, Herr Kollege Kühn, einige Zahlen nennen, um zu zeigen, daß wir uns tatsächlich bemüht haben, diese wichtige Aufgabe zu lösen. Wir haben für die Leistungen, die in Form von Beihilfen an deutsche akademische Lehrer gegeben werden, für das Jahr 1961 870 000 DM im Kultusetat eingesetzt. Damit werden bereits 70 deutsche Gelehrte im Ausland finanziell unterstützt und betreut. Darüber hinaus gewährt das Bundesministerium des Innern zurückgekehrten Hochschullehrern bis zu ihrer Wiedereingliederung in den innerdeutschen Hochschuldienst Unterhaltszuschüsse, für die ebenfalls Beträge im Haushaltsplan vorgesehen sind. Für die finanzielle Unterstützung der an den ausländischen Universitäten tätigen rund 130 deutschen Lektoren für die deutsche Sprache stehen im Kulturfonds des Auswärtigen Amts für das laufende Rechnungsjahr 1,2 Millionen DM zur Verfügung.
    Maßnahmen dieser Art werden ergänzt oder auch vorbereitet durch ständige Berater, die wir den Regierungen der Entwicklungsländer zur Verfügung gestellt haben, oder auch durch Sachverständigengremien, die wir auf Wunsch der Gastregierungen sowohl zur Prüfung konkreter Einzelvorhaben wie auch in Erfüllung allgemeiner Forschungsaufgaben delegieren. Im Einzelfall handelt es sich um die Errichtung eines geologischen Dienstes, eines hydrologischen Dienstes oder um die Entsendung besonderer Berater auf dem Gebiet der Landwirtschaft oder der Währungs- und Finanzfragen. Die Entsendung solcher Berater und Sachverständiger hat ein Problem aufgeworfen, das noch keine abschließende, aber doch eine vorläufig befriedigende Lösung gefunden hat. Es besteht jetzt die Möglichkeit, daß Beamte des Bundes, der Länder oder der Gemeinden von ihren Dienstherren unter Wegfall ihrer Bezüge für eine gewisse Zeit beurlaubt werden. Diese Beamten schließen mit der „Deutschen Wirtschaftsförderungs- und Treuhandgesellschaft" eine Vereinbarung und erhalten eine ihren Heimatbezügen entsprechende Vergütung.
    Selbstverständlich sind wir gerade in diesem Bereich auf eine verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Landesregierungen und mit den Behörden der Selbstverwaltungskörperschaften, aber auch mit den großen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Wichtigkeit einer solchen Zusammenarbeit habe ich bereits betont, als ich von der Entsendung beamteter Lehrkräfte in die Entwicklungsländer sprach. Ich möchte das dahin ergänzen, daß zur Zeit Verhandlungen darüber schweben, wie diesen Beamten auch für die Zeit nach ihrer Rückkehr eine gewisse Sicherung vermittelt werden kann. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, in den Haushalten der für sie zuständigen Körperschaften, etwa der Länder, aber auch der kommunalen Verbände, Leerstellen auszubringen, so wie das die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundestag für diejenigen Beamten bereits früher getan hat, die in internationale Organisationen entsandt worden sind.
    Ich glaube, ich sollte darauf hinweisen — auch dieses Thema ist hier angeschnitten worden —, daß die Vorbereitung dieser zu entsendenden Kräfte auf ihre spezielle Aufgabe von besonderer Bedeutung ist. Die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer hat bereits Kurse und Seminare eingerichtet, die sich bewährt haben und die verstärkt und erweitert werden sollen. Zu dieser Vorbereitung gehört nicht nur eine Unterrichtung über die Landeskunde, über die klimatischen und die allgemeinen wirtschaftlichen und innerstaatlichen Probleme, sondern es gehört dazu auch — ich darf mich vielleicht so ausdrücken — eine geistige Vorbereitung. Gerade die jungen Menschen, die in diese Länder entsandt werden, müssen an ihre Aufgabe ohne inneren Vorbehalt herangehen. Sie dürfen nicht fixierte Wertbegriffe der eigenen Vorstellungswelt mitnehmen; denn damit verbauen sie sich den freien Blick und gefährden den Erfolg der eigenen Arbeit.
    Darum gehört dazu auch die Sprachausbildung. Es wird in vielen Fällen nicht genügen — ich unterstreiche das, was hier von Herrn Kollegen Kühn gesagt worden ist —, daß die Ausbildungskräfte und Berater die englische und französische Sprache beherrschen; es wird häufig notwendig sein, daß sie auch die eigene Sprache des jeweiligen Entwicklungslandes lernen. Die Errichtung einer Sprachschule für diese Zwecke ist in Vorbereitung.
    Aber, meine Damen und Herren, Sie wissen alle, wie schwierig es ist, solche Dinge von heute auf morgen zu verwirklichen, noch dazu in einer wirtschaftlichen Entwicklung, wie wir sic in der Bun-



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    desrepublik haben, wo es ohnehin außerordentlich schwierig ist, geeignete Kräfte noch auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
    Wir werden uns vielleicht auch über die Frage unterhalten müssen, ob wir nicht einen besonderen Ausbildungsgang für Entwicklungsberater schaffen sollten. Die Menschen, die jetzt in die Entwicklungsländer gehen, tun dies meist nur auf Grund eines Vertrages, der auf zwei oder drei Jahre befristet ist, und nach Ablauf dieser Zeit verlieren wir gerade diese Menschen für die spezielle Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten, weil sie in die Heimat zurückkehren, Damit verlieren wir aber auch ihre wertvolle Erfahrung für die Praxis der nächsten Zeit. Gewiß kann man aus dem Entwicklungsberater nicht einen Beruf machen; aber man kann wohl den Versuch machen, durch Verträge und Vereinbarungen einen Stamm von erfahrenen Menschen zu halten, der eingesetzt werden kann, ohne daß wir im einzelnen Fall dann erst ein lange Untersuchung durchführen müssen, wo ein Mann ist, der dieses Problem kennt, der dieses Land schon bereist hat. Das setzt natürlich auch organisatorische Vorbereitungen voraus, die noch nicht sämtlich getroffen werden konnten.
    Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß die Ausbildungs- und Entwicklungshilfe gleichrangig neben all den Fragen stehen muß, die handelspolitisch zu lösen sind, und neben der Kapitalhilfe, die wir zu geben beabsichtigen. Ich möchte nicht dem vorgreifen, was Herr Kollege Erhard noch sagen wird. Aber ich glaube, die Handelspolitik der Bundesregierung, ,die auch im Innern auf eine stetige Expansion gerichtet und nach außen weitgehend liberal ist, muß auch den Wirtschafts- und insbesondere den Exportinteressen der Entwicklungsländer gerecht werden. Unsere Hilfe soll dazu beitragen, in diesen Ländern zunächst einen eigenen wachsenden Markt mit steigender Nachfrage zu schaffen. Ebenso müssen wir aber daran denken — und da kann ich auch nur unterstreichen, was Herr Kollege Kalbitzer in diesem Zusammenhang gesagt hat —daß die Entwicklung in diesen Ländern davon abhängig sein wird, ob es gelingt, den Absatz der Landesprodukte auf dem Weltmarkt zu unterstützen. Das Problem ist besonders schwierig in den Ländern, deren Wirtschaft weitgehend auf Monokulturen beruht. Wir sollten darum daran denken, unter Zurückstellung vielleicht auch grundsätzlicher Bedenken und unter Überwindung praktischer Schwierigkeiten die Wünsche dieser Monokultur-Länder nach Rohstoffabkommen auf internationaler Basis sorgfältig und wohlwollend zu prüfen. Ich weiß, daß hier Schwierigkeiten bestehen, daß Abkommen dieser Art die Gefahr in sich bergen, daß damit ein gewisser Preisstand zementiert wird. Ich will auf diese nachteiligen Überlegungen gar nicht eingehen. Ich will nur sagen: Sicherlich gehört die Überlegung, wie wir den Export idieser Länder fördern können, auch zur Entwicklungshilfe. Denn wenn wir die Länder nicht so unterstützen, daß sie auf die Dauer ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen können, dann ist die ganze Hilfe, ,die wir geben, nur von beschränkter und von zeitlich bedingter Bedeutung.
    Mit der Frage der Kapitalhilfe hat sich die Londoner Tagung der DAG — Development Assistance Group — vor kurzem beschäftigt, die ja zur Zeit das Koordinierungsorgan für einen großen Teil der kapitalgebenden Länder der westlichen Welt darstellt. Auch dazu möchte ich mich auf einige Bemerkungen beschränken, möchte aber auch gleich eine Frage beantworten, die Herr Kollege Kalbitzer gestellt hat. Sie haben gefragt, warum Portugal in der DAG erschienen sei und Schweden nicht.

    (Abg. Kalbitzer: Weshalb Schweden ausgeschlossen ist!)

    — Nein!

    (Abg. Kalbitzer: Ja!)

    — Es ist nicht richtig, meine Damen und Herren. Nach meinen Informationen — aber ich werde sie noch einmal überprüfen, nachdem Sie das so fest behaupten — ist es so, daß Portugal Mitglied ist, weil es sich um die Mitgliedschaft beworben hat, und daß Schweden nicht Mitglied ist, weil es bisher noch keinen Antrag gestellt hat; nicht mehr und nichts anderes. Wir haben keinen Grund, Schweden von der Mitgliedschaft auszuschließen. Ich wüßte nicht, wer irgendeinen Anlaß haben sollte, an einer so törichten Entscheidung mitzuwirken.
    Ich glaube, daß der größte Teil unserer Entwicklungshilfe in Zukunft aus langfristigen Krediten bestehen muß, die nicht zu kommerziellen Bedingungen gegeben werden dürfen. Hier stimme ich weitgehend mit den Überlegungen des Herrn Kollegen Kalbitzer überein. In den vergangenen Jahren bestand unser Beitrag zur Entwicklungshilfe vorwiegend darin, daß der Bund aus öffentlichen Mitteln die Lieferkredite deutscher Exporteure nach den Entwicklungsländern absicherte. Es war dies — und das möchte ich heute auch gegenüber jeder Kritik ausdrücklich betonen — nach unserer Überzeugung ein vernünftiger Gedanke, denn diese Art hat auch der Tatsache Rechnung getragen, daß wir dabei das legitime Interesse an der Aufrechterhaltung und Steigerung unserer Ausfuhr berücksichtigen konnten.
    Meine Damen und Herren, die Ausfuhrziffern, die wir heute haben, waren vor wenigen Jahren noch nicht so selbstverständlich, wie sie es heute zu sein scheinen. Wenn es damals gelungen ist, auch auf diesem Wege den Ländern zu helfen und gleichzeitig dem deutschen Export einen Auftrieb zu geben, haben wir, glaube ich, keinen Anlaß, diese Maßnahmen zu bedauern oder nachträglich zu kritisieren. Es kommt hinzu, daß alles, was auf diesem Gebiet geschehen ist, den Vorstellungen und den Wünschen unserer Partner durchaus entsprochen hat. Wir denken darum auch nicht daran, diese Praxis etwa aufzugeben. Aber es sollen künftig langfristige und ungebundene Finanzkredite hinzutreten; denn es hat sich immer wieder erwiesen, daß rein kommerzielle Kredite keine ausreichende Hilfe für die Entwicklungsländer sind, vor allem bei dem notwendigen Aufbau der Infrastruktur ihres Landes.
    Ich bin mir darüber klar, meine Damen und Herren — ich möchte auch hier das aufgreifen, was Herr Kollege Kalbitzer gesagt hat —, daß wir die



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Bedingungen dieser Kredite den Möglichkeiten der Länder anpassen müssen, weit mehr, als wir es bisher getan haben. Wir müssen von der kurzfristigen Kreditierung zumindest zur mittelfristigen und, wenn möglich, sogar zur langfristigen übergehen. Denn ich glaube nicht, daß es sehr sinnvoll ist, den Geldbetrag auf drei oder fünf Jahre zu geben, wenn wir wissen, daß der Kreditnehmer in fünf Jahren doch nicht zurückzahlen kann. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, Zinsen in einer Höhe zu vereinbaren, von der man weiß, daß sie die Leistungsfähigkeit des Nehmers übersteigt. Man bekommt die Zinsen dann doch nicht und muß prolongieren. Dann hat man lediglich eine unerfreuliche Diskussion, und ein Teil des psychologischen Effekts der Entwicklungshilfe geht dabei verloren.
    Ich möchte ganz klar sagen: Wir müssen, glaube ich, auch von den Überlegungen abkommen, die seinerzeit zu der Berner Union geführt haben. In den Beratungen mit der DAG in London waren es gerade die Vereinigten Staaten, die ganz besonders darauf hingewiesen haben, daß diese langfristige Kreditierung nach ihrer Meinung zweckmäßig und begrüßenswert sei. Allerdings glaube ich, daß wir die Vorschläge, die die Vereinigten Staaten dort gemacht haben, in dieser Form auch nicht annehmen können, weil sie unserer Meinung nach etwas zu weit gehen.
    Ich habe gesagt, daß wir bei allen Förderungsmaßnahmen auch der Entwicklung der Sozialstruktur besondere Beachtung schenken müssen. Das bedeutet, daß es meines Erachtens sinnlos wäre, wenn wir uns dazu entschließen würden, irgendwo eine größere Produktionsstätte zu errichten, wenn wir dadurch nichts anderes ,erreichten als die Schaffung eines sogenannten Industrieproletariats. Unsere Aufgabe muß es sein, an der Entstehung einer leistungsfähigen und selbstverantwortlichen Schicht von Menschen mitzuwirken. Vom Erfolg oder Mißerfolg dieser Bemühungen hängt es ab, ob wir wirklich die menschlichen Beziehungen zu den Partnerländern ausbauen können. In vielen dieser. Länder sind die Gewerkschaften erst im Entstehen. Wir begrüßen es, daß der DGB hier aktiv und intensiv mitarbeitet. Auch der Internationale Bund freier Gewerkschaften hat vor einigen Monaten einen erheb- lichen Betrag für die Gewerkschaftsarbeit und gleichzeitig für 'die Bekämpfung der Aktivierung des kommunistischen Weltgewerkschaftsbundes in Afrika zur Verfügung gestellt. Der Internationale Bund freier Gewerkschaften hat auch beschlossen, neben der bereits 'bestehenden Gewerkschaftsschule für den englischsprachigen Teil Afrikas eine gleiche Schule auch für den französischsprachigen Teil zu errichten. Zahlreiche afrikanische Gewerkschaftler waren schon in Europa, auch in Deutschland, und haben hier und in anderen Ländern Kontakte mit den gewerkschaftlichen Organisationen, mit .dem DGB, mit dem Internationalen Bund freier Gewerkschaften und mit der Christlichen Internationale aufgenommen.
    Ebenso müssen wir natürlich auch die Offentlichkeitsarbeit verstärken. Ziel dieser Arbeit muß es sein, die öffentliche Meinung in diesen Ländern, übrigens auch bei uns selbst, über den Sinn und Zweck der getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Das ist um so wichtiger, als — ich habe es schon erwähnt — der Ostblock jeden Versuch unternimmt, die Hilfe der freien Welt als getarnten Neokolonialismus unglaubwürdig zu machen.
    Ziel unserer Öffentlichkeitsarbeit muß es sein, nicht nur diese Behauptung zu widerlegen. Ich glaube, wir sollten auch auf das Mißverhältnis hinweisen, das zwischen den Worten und den Taten auch gerade des Ostblocks immer wieder sichtbar wird. Nach den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen können wir davon ausgehen, daß die effektive Entwicklungshilfe — wenn ich dieses Wort in diesem Zusammenhang gebrauchen darf —des Ostblocks in den Jahren 1956 bis 1959 jährlich etwa 300 Millionen Dollar betrug, während der Westen im gleichen Zeitraum jährlich 6 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat, also zwanzigmal so viel. Was 'der Ostblock darüber hinaus an diese Länder gegeben hat, war zum großen Teil „Militärhilfe", die er nicht gewährt, um die Entwicklung dieser Länder in Richtung auf Freiheit und Unabhängigkeit zu sichern, sondern um systematisch Unruhe und Unordnung zu schüren.

    (den Film, das Fernsehen und den Rundfunk, Fachausstellungen und Vorträge in diese Arbeit eingebaut. Besondere Bedeutung kommt 'der Einladung von maßgebenden Persönlichkeiten 'des öffentlichen Lebens aus diesen Ländern zu: von Politikern, ,von Gewerkschaftsangehörigen, von Wissenschaftlern, Lehrern und Journalisten. Bei den deutschen Vertretungen in den Entwicklungsländern sind zur Zeit über 40 Pressereferenten für diese Aufgaben tätig. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Bundespresseamt auch technische Hilfe auf dem Gebiete des Informationswesens angeboten und geleistet. Gerade für diejenigen Länder, die erst in jüngster Zeit 'ihre Unabhängigkeit erlangt haben, ist der Ausbau dieser für die geistige Entwicklung und Erziehung der Völker so entscheidend wichtigen Medien der öffentlichen Meinungsbildung wie Rundfunk, Film und Druckerei eine Lebensfrage. Die Tatsache, daß eine steigende Zahl von Regierungen aus diesen Ländern bei uns um Hilfe auf diesem Gebiet nachsucht, können wir, glaube ich, als einen besonderen Ausdruck des Vertrauens bezeichnen. Eine weitere Frage, die hier anklang, ist die, oh bilaterale Förderungsmaßnahmen den Vorzug vor den multilateralen haben sollen oder umgekehrt. Es gibt, glaube ich, darauf keine generelle Antwort. Die multilaterale Entwicklungshilfe wird immer dann nötig 'sein, wenn es sich um die Finanzierung oder Errichtung von kostspieligen größeren ProjekBundesaußenminister Dr. von Brentano ten handelt, z. B. auf dem Gebiet der Infrastruktur. Als Beispiel kann ich auf das Indus-Projekt hinweisen, dieses große Wasserprojekt, das selbstverständlich nur durch multilaterale internationale Zusammenarbeit ,errichtet werden kann, weil die Finanzierung dieses Projektes die Kraft eines einzelnen Landes bei weitem übersteigen würde. Die bestehenden Organisationen, die sich solcher Aufgaben annehmen, werden von uns gefördert. Ich nenne die Weltbank, die Internationale Finanzkorporation, die Internationale Entwicklungsorganisation, Sonderorganisationen der Vereinigten Nationen, aber auch den Europäischen Entwicklungsfonds. Wir haben die Arbeit in diesen Organisationen durch erhebliche Beiträge unterstützt und werden es auch in Zukunft tun. Auf der anderen Seite verspricht die bilaterale Entwicklungshilfe dort einen besseren Erfolg als die multilaterale, wo es um die Vermittlung spezifisch deutscher Erfahrungen geht und wo es mehr noch auf den unmittelbaren menschlichen Kontakt ankommt. Das ist bei der technischen Hilfe der Fall, und das ist erst recht bei der Bildungshilfe, von der ich schon sprach, gültig. Die Zahl der Entwicklungsländer ist so groß und ihre Wünsche sind so reichhaltig, daß wir uns der Grenzen unserer Möglichkeiten bewußt sein müssen. Wir werden darum auch die Frage beantworten müssen, ob es nicht notwendig sein wird, regionale Schwerpunkte zu bilden. Das bedeutet nicht, daß Länder außerhalb dieser Regionen von der Entwicklungshilfe ausgeschlossen sein sollen, sondern das bedeutet lediglich, daß die Förderungsmaßnahmen in diesem Bereich besonders konzentriert sein sollen. Darum ist es vielleicht auch richtiger, nicht von einer Schwerpunktbildung zu reden, sondern von der Festlegung gewisser Prioritäten. Ich weiß, daß eine solche Feststellung auch Kritik wachrufen wird. Aber ich glaube auf der anderen Seite, wir müssen realistisch sein. Wir dürfen nicht glauben, daß wir mit den Mitteln, die heute bewilligt sind, die ganze Welt berieseln könnten. Wir müssen sehen, daß wir solche Prioritäten schaffen, die ja nicht für die Ewigkeit Gültigkeit besitzen, die vielmehr morgen abgelöst werden auf Grund neuer Untersuchungen und durch andere Überlegungen. Es kommt darauf an, daß wir die Mittel so vergeben, daß sie wirksam sind. Das setzt in den einzelnen Fällen erhebliche Beträge voraus, die dann eben für andere Länder nicht zur Verfügung stehen. Selbstverständlich sind wir uns darüber im klaren, Herr Kollege Kalbitzer, daß wir nicht eine einmalige Zahlung leisten können, daß wir damit, daß wir in die Entwicklungshilfe hineingehen, laufende Verpflichtungen übernehmen. Ich glaube, es hat auch kein Sprecher der Bundesregierung jemals etwas anderes gesagt. Wir haben darauf hingewiesen — ich glaube, mit Recht; und Sie haben es auch anerkannt —, daß die Bundesregierung heute nicht verpflichtende Erklärungen darüber abgeben kann, was der Bundestag im nächsten Jahre beschließen wird. Unsere Leistung wird immer davon abhängen, wieviel wir in den laufenden Haushalt einsetzen können. Aber ich glaube, es besteht. keine Meinungsverschiedenheit zwischen Bundesregierung und Bundestag darüber, daß wir selbstverständlich in den nächsten Jahren bei 'der Beratung eines jeden Haushalts uns auch mit der Frage zu beschäftigen haben werden, wieviel wir aufbringen und einsetzen können, um die laufenden Entwicklungsverpflichtungen zu erfüllen, die wir ja übernehmen und die wir nicht nur für kurze Frist übernehmen. Ich kann mit aller Klarheit feststellen, daß die Entscheidungen über Art, Ausmaß und Ort unserer Entwicklungshilfe weitgehend von politischen Erwägungen bestimmt werden müssen. Einmal sind die bestehenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zu dem jeweiligen Entwicklungsland von großer Bedeutung. Ich habe schon betont, daß wir Hilfe ohne politische Bedingungen geben. Aber das bedeutet natürlich nicht, daß wir nicht die politische Haltung und Entwicklung der Länder beobachten, die sich um unsere Hilfe bemühen. Unser Interesse an Ländern, in denen sich eine stetige freiheitliche Entwicklung vollzieht, in denen wir beobachten, daß ihr Verhältnis zu uns von einer übereinstimmenden Beurteilung der weltpolitischen Vorgänge bestimmt wird, ist größer als bei den anderen, die den entgegengesetzten Weg nehmen. Es ist 'darum auch unsere Aufgabe, den Einfluß des Ostblocks in diesen Ländern sorgfältig zu beobachten. Es ist besonders wichtig, alle Förderungsmaßnahmen in einer freundschaftlichen Zusammenarbeit mit den freien Ländern der westlichen Welt abzustimmen. Ich habe schon auf die Besprechungen hingewiesen, die in der DAG stattgefunden haben. Sie wissen, daß diese Besprechungen in der OECD fortgeführt werden sollen. Die DAG soll ja in die OECD übergeführt werden. Das Interesse, das gerade auch die Vereinigten Staaten an 'dieser Entwicklung haben, zeigt sich auch darin, daß man sich dort bemüht, eine ganz besonders hervorragende Persönlichkeit in Paris mit diesen Fragen zu betrauen, eine Persönlichkeit, zu der wir, wenn sie bestellt werden wird, volles Vertrauen haben können und haben werden. Wir sind also mit; unseren Freunden der Meinung, daß wir die Zusammenarbeit in der OECD fortsetzen müssen. Denn die Organisation sollte nach unserer Vorstellung zu einer Art Clearingstelle für Entwicklungsvorhaben werden. Wir sollten alles tun, um im Rahmen der OECD im Wege einer ständigen Konsultation und Information solche Prioritäten zu ermitteln, von denen ich sprach, die bilateralen Einzelmaßnahmen aufeinander abzustimmen und multilaterale Leistungen zu vereinbaren. Damit schaffen wir eine gesunde Voraussetzung dafür, daß Doppelarbeit vermieden wird, daß wir uns nicht an Fehlinvestitionen beteiligen und daß wir auch die politische Entwicklung im Bereich 'der Entwicklungsländer bei unseren Entscheidungen gebührend berücksichtigen. Der Kollege Kalbitzer hat auf jene Meldung hingewiesen, die Sie gelesen haben werden. Ich habe mit Interesse festgestellt — UPI hat es berichtet —, daß die amerikanische Regierung einen Vorschlag Bundesaußenminister Dr. von Brentano von mir abgelehnt hat, den ich nie gemacht habe. Ich weiß nicht, wie es zu dieser sensationellen Dummheit kam. Ich darf hier nur eines feststellen: Der Artikel in der amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs", der in dieser Meldung genannt war, steht jedem aufmerksamen Leser zur Verfügung, und jeder, der eine Meldung zu bringen wünscht, kann diesen Artikel bei mir einsehen. Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen, den Amerikanern vorzuschlagen, etwa die NATO als Vorprüfungsstelle für die Entwicklungshilfe einzuschalten. Was ich gesagt habe, ist, ich wiederhole es, in diesem Artikel zu lesen. Was ich dazu gesagt habe, steht übrigens in voller Übereinstimmung mit den amerikanischen Vorstellungen, wie ich bei meinem Besuch in Washington feststellen konnte. Ich habe nur bedauert, daß solche törichten Meldungen entstehen, denn sie sind geeignet, das Geschwätz, wenn ich so sagen darf, des Ostblocks zu unterstützen, daß die Entwicklungshilfe bei uns oder in anderen westlichen Ländern durch machtpolitische Erwägungen bestimmt werde. Vielleicht könnte man, wenn man der Quelle dieser Meldung nachginge, auch ganz interessante Feststellungen machen. Aber wir haben anderes zu tun. Es genügt, wenn ich wiederhole, daß diese Meldung von Anfang bis Ende erlogen ist. Was nun die Organisation angebt, nach der wir gefragt werden und zu der sich auch der Herr Kollege Kalbitzer etwas kritisch geäußert hat, so möchte ich ganz offen sagen: Die Vielgestaltigkeit der Aufgaben und die Mitwirkung zahlreicher Ressorts wie auch die internationale Zusammenarbeit haben die Organisation nicht gerade erleichtert. Zur Zeit werden die Förderungsmaßnahmen durch einen interministeriellen Ausschuß gesteuert, dem, wie Sie wissen, zwei Unterausschüsse angehören, ein Ausschuß für technische Hilfeleistung und ein Ausschuß für Kapitalhilfe. Es wäre verfrüht, schon jetzt ein endgültiges Urteil über diese organisatorischen Vorbereitungen und den Erfolg ihrer .Arbeit abzugeben. Dafür ist der Erfahrungszeitraum zu kurz. Außerdem 'befindet sich der Verwaltungsapparat in den einzelnen Ressorts noch im Stadium des Aufbaus. Das gilt auch für das Auswärtige Amt. Sie wissen, daß im Auswärtigen Amt eine neue Abteilung für diese Fragen errichtet werden soll. Das entspricht ja auch dem Wunsch des Bundestages. Wenn diese Abteilung bisher in der Spitze noch nicht besetzt ist, so ist das nicht ein Ausdruck der Gleichgültigkeit. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich mich sehr intensiv bemühe, eine Persönlichkeit zu finden, die dieser besonderen Aufgabe tatsächlich gerecht wird. Dabei denke ich durchaus nicht nur daran, in meinem eigenen Amt nachzusehen, ob sich geeignete Persönlichkeiten finden. Ich habe vielmehr auch Fühlung mit Persönlichkeiten außerhalb des Amtes aufgenommen. Sie werden verstehen, daß das eine gewisse Zeit kostet. Aber ich glaube diese Verzögerung verantworten zu können. Es ist natürlich sehr leicht, einen Abteilungsleiter zu ernennen, wenn man nicht die sorgfältige Auswahl vorangehen läßt. Aber Sie und ich wären wenig damit zufrieden, wenn wir den Eindruck hätten, daß die Eile die Auswahl negativ beeinflußt hat. Ich lege auf diese Tätigkeit einen so großen Wert, weil ich die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern in erster Linie als eine außenpolitische Aufgabe ansehe und weil die Koordinierung der deutschen Anstrengungen mit den Absichten und Vorstellungen der befreundeten Länder logischerweise über das Auswärtige Amt erfolgen muß. Darum wird die künftige Abteilung auch die besondere Aufgabe haben, die einheitliche politische Stellung der Entwicklungshilfe sicherzustellen. Ich unterstreiche hier noch einmal, daß ich auch die organisatorische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in diesem Rahmen sehe. Das war auch der Grund, weswegen ich an anderer Stelle schon auf die Notwendigkeit hinwies, die kulturpolitische Abteilung des Auswärtigen Amts in die Arbeit einzubeziehen. Den großen Bereich der Betreuung der Menschen, der Ausbildung von Jugendlichen und von Erwachsenen, den wissenschaftlichen Austausch, — alles dies werden wir nur leisten können, wenn wir mit den zuständigen Stellen innerhalb der Bundesrepublik in einem engen Kontakt bleiben. Zusammenfassend kann ich feststellen, daß uns die Entwicklungspolitik vor Aufgaben gestellt hat, zu deren Verwirklichung wir auf fast allen Gebieten neue Wege beschreiten müssen und die auf Grund ihrer Komplexität in alle Lebensbereiche hineinreichen. Dazu müssen wir Erfahrungen sammeln. Schwierigkeiten in der Anlaufzeit werden ganz gewiß nicht ausbleiben. Aber wir sollten diese Schwierigkeiten nicht überbewerten und dramatisieren. Wir können heute schon feststellen, daß wir gerade im Bereich der Entwicklungspolitik beachtliche Erfolge erzielt haben. Ich glaube, ich zitiere einèn unverdächtigen Zeugen, wenn ich auf einen Aufsatz verweise, der vor wenigen Wochen in einer russischen Fachzeitschrift unter der Überschrift „Die Expansion der Bundesrepublik unter dem Deckmantel der technischen Hilfe" erschienen ist. Meine Damen und Herren, ich kann diesen Aufsatz zu Ihrer Lektüre nur empfehlen. Auch in einem anderen Beitrag, der unter der Überschrift „Bonn drängt nach Afrika" in der Zeitschrift des Zentralen Komitees der KP der Sowjetunion erschienen ist, finden wir eine vollständige Übersicht über die Anstrengungen der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe in Asien und Afrika. Natürlich werden uns dort eigennützige Ziele unterschoben. Aber gleichzeitig enthalten diese kritischen Darstellungen eine sicherlich unbeabsichtigte Anerkennung der deutschen Leistungen. Meine Damen und Herren, es ist nicht nötig, sich auf diese Darstellung zu berufen, um zu zeigen, daß die planmäßige und erfolgreiche Entwicklungspolitik der Bundesregierung mit Mißbehagen verfolgt wird. Wir können in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß unsere Beitragsleistungen zum Fonds der Vereinten Nationen für technische Hilfeleistung hinter denjenigen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens an dritter Stelle stehen. Die Sowjetunion folgt an zehnter Stelle. Wir können weiter darauf verweisen, daß unsere Entwicklungshilfe die politischen und kulturellen Bundesaußenminister Dr. von Brentano Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Partnerländer entscheidend gefördert hat. So wie wir Verständnis für die Probleme dieser Länder bewiesen haben, so bringen uns diese jungen Völker auch ihrerseits Verständnis für unsere Probleme entgegen. Ich verweise nur auf die Tatsache, daß ungeachtet der hektischen und kostspieligen Bemühungen der sowjetzonalen Stellen keines dieser Länder bisher die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur sowjetischen Besatzungszone und damit die Anerkennung dieses Gebildes als eines souveränen Staatswesens vollzogen hat. Das gilt für alle diese Länder auf dem afrikanischen und asiatischen, natürlich auch auf dem südamerikanischen Kontinent. Ich glaube, diese Feststellung allein zeigt, daß unsere Entwicklungshilfe in diesen Bereichen nicht schlecht gewesen sein kann. Auch die Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit unseren Bündnispartnern auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe haben uns die Bestätigung erbracht, daß man unsere Anstregungen voll und ganz würdigt. Der ständige freundschaftliche Meinungsaustausch hat auch dazu geführt, daß Interessenkollisionen bisher nicht sichtbar wurden. Das gilt insbesondere auch für den Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und für die bilateralen Vereinbarungen, die wir mit Ländern geschlossen haben, die vor ihrer Unabhängigkeit der Souveränität einzelner unserer Bündnispartner unterstanden. Auch Sie haben das Thema angeschnitten, Herr Kollege Kalbitzer. Sie wissen, daß wir mit einer Zahl der jungen Völker des afrikanischen Kontinents im Rahmen der EWG Assoziationsverhandlungen führen. Selbstverständlich darf das nicht auf diese Völker beschränkt bleiben. Selbstverständlich wollen wir auch die Länder, die aus dem Commonwealth hervorgehen, in die Entwicklungshilfe einbeziehen. Es gibt gar keine Meinungsverschiedenheiten über diese Selbstverständlichkeit, wobei nur die Formen verschieden sein mögen; denn diese Form der Assoziation in einzelnen Teilen ist uns ja durch den EWG-Vertrag vorgeschrieben, während wir für andere Teile andere Mittel und Wege finden müssen, die aber in ihrer Wirkung den gleichen Erfolg versprechen. Ich möchte ein letztes zu einer Frage sagen, die Herr Kollege Kühn angeschnitten hat. Wir werden unsere Aufgabe auf diesem Gebiet nur lösen und wir werden nur dann wirkliche Erfolge erzielen, wenn wir dem deutschen Volk selbst die Überzeugung vermitteln, daß die Entwicklungshilfe eine politische und moralische Verpflichtung ist, die uns alle angeht. Das Schicksal von Hunderten von Millionen Menschen in anderen Teilen der Welt kann uns nicht gleichgültig lassen. Wenn wir nicht im Rahmen unserer Leistungsfähigkeit das Mögliche tun, um die wirtschaftliche Not und die soziale Unordnung in diesen Ländern zu bekämpfen, wenn wir nicht dazu beitragen, diese Völker als gleichberechtigte Partner in die weltwirtschaftliche und die weltpolitische Verantwortung einzubeziehen, dann werden wir selbst die Folgen dieser Unterlassung mit zu tragen haben. Natürlich sind uns Grenzen gesetzt, die wir nicht überschreiten können, Grenzen, deren Überschreitung unsere eigene finanzielle und soziale Ordnung gefährden würde. Aber innerhalb dieser Grenzen haben wir ein sehr weites Feld der Betätigung. Wenn wir es ausfüllen, leisten wir — davon bin ich überzeugt — einen entscheidenden Beitrag für die Erhaltung und Sicherung des Friedens und der Freiheit in der Welt und damit auch des Friedens und der Freiheit für unser deutsches Volk. Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen zunächst die Entschuldigung von Herrn Professor Erhard unterbreiten. Er bedauert es sehr, daß er nicht länger an Ihrer Debatte teilnehmen kann. Er hatte eine seit längerer Zeit festgelegte Vereinbarung mit dem amerikanischen Handelsminister beim Nordamerika-Tag in Hannover und mußte daher leider abfliegen. Herr Minister von Brentano hat Ihnen die politischen Grundgedanken vorgetragen, von denen sich die Bundesregierung bei ihrer Entwicklungspolitik leiten läßt. Wir sind uns in diesen Gedanken völlig einig. Lassen Sie mich aus der Sicht unserer Wirtschaftspolitik und des wirksamsten Einsatzes des Instrumentariums und der Mittel auf die Probleme der Entwicklungshilfe eingehen. Gestatten Sie mir zunächst einige Vorbemerkungen. Herr Minister von Brentano hat Ihnen bereits ausgeführt, welche großen Aufgaben die Not und der Hunger in den Entwicklungsländern uns allen stellen. Ein dauerhafter Erfolg wird sich nur dann einstellen, wenn sich die politisch begründeten Maßnahmen langfristig auch als wirtschaftlich vernünftig erweisen. Hilfen, die gegeben werden, ohne wirtschaftlich durchdacht zu sein, haben ihren Zweck verfehlt. Je schneller und je nachhaltiger es uns gelingt, den Menschen in den Entwicklungsländern zu einem angemessenen Wohlstand und zu einem Mindestmaß an sozialer Sicherheit und Freiheit zu verhelfen, desto mehr werden sie auch für die menschlichen Werte ansprechbar sein, zu denen wir uns bekennen. Ich ,denke hier besonders an den Wert der Freiheit, die in weiten Teilen der Welt noch keineswegs gesichert ist. Wir dürfen die Probleme der Entwicklungshilfe auch nicht nur in der engen Zielsetzung des Aufbaus der nationalen Volkswirtschaften in den Entwicklungsländern betrachten, sondern müssen die Aufgabe in weltwirtschaftlichen Zusammenhängen sehen. Die weltwirtschaftliche Lage ist seit einiger Zeit in einem grundsätzlichen Strukturwandel begriffen. Die bisherige Arbeitsteilung zwischen den Staatssekretär Dr. Westrick Industrieländern einerseits und den Rohstoffländern andererseits wird noch einen gewissen Zeitraum fortdauern. Dieses Verhältnis wird aber in der nächsten Zukunft einer grundlegenden Wandlung unterworfen sein. Nachdem zahlreiche Entwicklungsländer ihre politische Selbständigkeit erlangt haben und nunmehr auch zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit drängen, geht ,es nach unserer Überzeugung darum, eine neue Gestaltung der Weltwirtschaft zu suchen. Gewiß werden die Länder, die in der Vergangenheit ihre Rohstoffe in den Industrieländern absetzten, auch in Zukunft hier ihren Markt finden. Die Bundesregierung wird, um das zu erleichtern, ihre liberale Einfuhrpolitik gegenüber den Entwicklungsländern auch in der Zukunft fortsetzen. Sie wird hierbei mit Rücksicht auf ,die eigene Wirtschaft zwar behutsam vorgehen; durch ,die steigende Einfuhr von Produkten aus den Entwicklungsländern wird trotzdem möglicherweise die eigene Wirtschaft zu gewissen Anpassungen genötigt werden. Hierdurch werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Erzeugnisse der Entwicklungsländer in steigendem Umfang Zugang zum deutschen Markt finden. Ich möchte eine Bemerkung hinsichtlich der Stabilisierung der Rohstoffpreise an ,den Herrn Abgeordneten Kalbitzer richten. Das ist ein sehr ernstes, aber sehr kompliziertes Problem, das international geprüft wird, und zwar wahrscheinlich bei einer besonderen Gruppe in der OECD. Die Stabilisierung der Rohstoffpreise hätte ja nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn eine Absatzgarantie für die Mengen der Rohstoffe gegeben würde. Eine Garantie des Absatzes zu hohen Preisen würde ganz gewiß nicht im Interesse der Entwicklungsländer liegen, weil dann der Absatz selber wahrscheinlich sinkende Tendenz zeigen würde. Dagegen entspräche eine Garantie ,des Absatzes zu niedrigen Preisen noch weniger ,den Wünschen ,der Industrieländer. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Kalbitzer, versichert zu sein, daß wir diese Angelegenheit auch international mit der Sorgfalt, ,die ihr gebührt, studieren werden. Über den Wunsch, den Absatz der Produkte der Entwicklungsländer in den Industrieländern zu sichern, hinaus muß angestrebt werden, daß sich in den Entwicklungsländern selbst auch eine gesunde verarbeitende Wirtschaft entfaltet, die diese Völker in den Stand versetzt, sich selbst zu helfen und für die dort lebenden Menschen möglichst bald einen menschenwürdigen Lebensstandard zu erreichen. Die entwickelten Industriestaaten der freien Welt tragen eine gemeinsame Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern. Die Hilfe ist daher eine gemeinsam zu erfüllende Aufgabe, und nur durch gemeinsame Bemühungen wird es auch gelingen, diesen Ländern die Überzeugung zu vermitteln, daß ihre Probleme mit Unterstützung der Länder der freien Welt gelöst werden können. Auf der jüngsten Londoner Tagung der Development Assistance Group wurde dieser Grundsatz allgemein anerkannt. Die Mitglieder dieses Koordinierungsgremiums haben beschlossen, es sich zum gemeinsamen Ziel zu machen, eine Ausweitung des Gesamtvolumens der Entwicklungshilfe zu sichern und die Wirksamkeit der Hilfe zu verbessern. Die Probleme der Entwicklungsländer werden uns noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte vor die Aufgabe stellen, nach besten Kräften zu helfen. Schnelle, vor allen Dingen aber spektakuläre Erfolge werden nicht zu erwarten sein. Es bedarf vielmehr einer gesicherten Grundlage für die Aufbringung der erforderlichen Mittel auf längere Zeit und unserer kontinuierlichen emsigen Bemühungen, um dieser großen Aufgabe gerecht zu werden. Die Hilfe muß dort eingesetzt werden, wo der nachhaltigste Effekt für die Gesamtentwicklung eines Empfängerlandes erzielt werden kann. Es sollen also nicht Nationaldenkmäler — wie Professor Erhard es mehrfach genannt hat — in Form von Mammutunternehmen entstehen, für die wirtschaftliche Basis in den betreffenden Ländern fehlt und bei denen von vornherein feststeht, daß sie im weltweiten Rahmen nicht konkurrenzfähig sein können. Sicher mag es in manchen Fällen notwendig und unvermeidlich sein, einem Volk den Glauben an seine Kraft und an ein fruchtbares Beginnen des Aufbaus zu vermitteln. Aus diesem Grunde mag es sich in einzelnen Fällen nicht vermeiden lassen, Vorhaben in Angriff zu nehmen, ,die nach den Grundsätzen einer rationalen Wirtschaft vielleicht zu mancher berechtigten Kritik Anlaß geben könnten. Der psychologische Effekt auf die Bevölkerung eines Entwicklungslandes aber ist nun einmal auch ein Faktor, dem eine gewisse Bedeutung zukommt. Im allgemeinen ist jedoch nur eine Hilfe sinnvoll, die auf einer möglichst breiten Basis ansetzt und organisch auf dem Vorhandenen aufbaut. Die Wirtschaft muß von unten nach oben entwickelt werden. Kein Volk kann von den einfachsten Formen der Technik gleich zu den kompliziertesten Anwendungsbereichen von Atomkraft, Elektronik usw, übergehen, auch aus psychologischen und aus soziologischen Gründen nicht. Es würde nicht nur die Kenntnisse und rationalen Fähigkeiten eines Volkes überfordern, es würde auch die Herzen und die Seelen überfordern, wenn es sozusagen aus dem Nichts in die modernste Technik gesetzt würde. Unsere Hilfe soll dazu dienen, die eigene Kraft der Entwicklungsländer zu mobilisieren. Die Empfängerländer verfügen vielfach über ein großes Reservoire an Menschen, deren Ausbildungsstand häufig den Erfordernissen unserer modernen Zeit nicht genügt. Sie verfügen auch zum Teil über ein immenses Potential an Rohstoffen. Die Grundvoraussetzungen für ein wirtschaftliches Wachstum sind also in vielen Fällen durchaus gegeben. Es kommt darauf an, die vorhandenen Quellen zu erschließen. Hierzu sind die Entwicklungsländer im allgemeinen aus eigener Kraft nicht imstande. Es bedarf vielmehr des Einsatzes erfahrener Berater und Fachkräfte sowie erheblichen Kapitals von seiten der Industrieländer. Staatssekretär Dr. Westrick Herr Minister von Brentano hat in seinen Ausführungen die Grundsätze und Methoden der Technischen Hilfe eingehend dargestellt. Ich möchte Ihnen nunmehr eine Übersicht geben über die wichtigsten Grundsätze und Methoden der Kapitalhilfe. Hierbei verstehe ich unter Kapitalhilfe die Gewährung langfristiger Kredite und verlorener Zuschüsse zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten und programmen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die zum Aufbau der Entwicklungsländer benötigte Hilfe soweit wie möglich durch die private Wirtschaft geleistet werden soll, weil die private Initiative, verbunden mit der Vermittlung technischen Wissens und Könnens sowie der Herstellung menschlicher Kontakte zur Bevölkerung in den Entwicklungsländern, Leistungen erwarten läßt, die den wirtschaftlichen und technischen Bedingungen des einzelnen Falles in besonderem Maße gerecht werden. Die Bundesregierung ist deshalb bemüht, der privaten Initiative in den Entwicklungsländern jede nur mögliche Förderung angedeihen zu lassen. Für den Bereich der privaten Direktinvestitionen hat sie erhebliche steuerliche Anreize vorgeschlagen, die in dem Steueränderungsgesetz 1961, das vorgestern in diesem Hause verabschiedet wurde, ihren Niederschlag gefunden haben. Die Bundesregierung fördert bereits durch Gewährung von Krediten aus Mitteln des ERP-Sondervermögens, durch Übernahme staatlicher Garantien zur Deckung des politischen Risikos und durch den Abschluß von Kapitalförderungsabkommen die private Unternehmertätigkeit in den Entwicklungsländern. Ich darf hier meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß die staatlichen Förderungsmaßnahmen in verstärktem Umfang deutsche Unternehmer veranlassen werden, ihre Kenntnisse und Erfahrungen sowie auch ihr Kapital für den Aufbau in den Entwicklungsländern einzusetzen. Dabei ist es mir ein besonderes Anliegen, daß sich gerade auch kleinere und mittlere Unternehmer in den Entwicklungsländern betätigen. Die Bundesregierung überlegt zur Zeit, welche Wege am besten geeignet sind, um den in Entwicklungsländern investierenden Unternehmern über die bestehenden Förderungsmaßnahmen hinaus durch Rat und Tat zu helfen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine vom Wirtschaftsministerium verbreitete Broschüre über Informationen hinweisen, Informationen, die die privaten Investitionen in Entwicklungsländern betreffen. Ferner habe ich vor wenigen Tagen die Bundesstelle für Außenhandelsinformation beauftragt, den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Beschaffung von Informationen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und Förderungsmöglichkeiten der Entwicklungsländer zu legen. Öffentliche Mittel sollen dann eingesetzt werden, wenn mit einer ausreichenden Beteiligung privaten Kapitals nicht gerechnet werden kann, sei es, daß die betreffenden Projekte im privatwirtschaftlichen Sinn nicht rentabel sind, die Größe der Projekte und deren Risiken die Möglichkeit der privaten Wirtschaft übersteigen oder daß spezielle Aufgaben zu lösen sind, für die die private Wirtschaft nicht als der geeignete Träger der Hilfe angesehen werden kann. Das gilt vor allem für die Finanzierung von Vorhaben der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, wie z. B. für den Bau von Krankenhäusern, Straßen, Wasserwegen, Staudämmen usw. Hier sind an Stelle von kurzund mittelfristigen Krediten vielfach langfristige Kredite zu besonders günstigen Bedingungen erforderlich, die nicht auf dem privaten Kapitalmarkt beschafft werden können. Über ,die Laufzeit und die Höhe des Zinssatzes derartiger langfristiger Kredite aus öffentlichen Mitteln kann keine allgemeine Aussage gemacht werden. Die Bedingungen müssen vielmehr jeweils dem Charakter des Projektes und der Gesamtlage des Empfängerlandes angepaßt werden. Die Kapitalhilfe soll im Grundsatz für die Finanzierung von Einzelprojekten eingesetzt werden, da so am besten die sinnvolle Verwendung der Mittel gesichert ist. Diese Art der Finanzierung gibt auch die Möglichkeit, rechtzeitig ergänzende Maßnahmen, wie etwa die Heranbildung von technischen Fachkräften, einzuleiten. Daneben können auch konkrete Entwicklungsprogramme finanziert werden, wenn und soweit diese nach dem Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung wirtschaftlich vernünftig sind. Es wird sich hierbei regelmäßig um Finanzierungen handeln, die — wie z. B. im Falle Indien und Pakistan — im Rahmen internationaler Zusammenarbeit zustande kommen. Eine Finanzierung zur Deckung von Haushaltsdefiziten scheidet grundsätzlich aus. Eine Bindung an den Bezug deutscher Waren oder an die Inanspruchnahme deutscher Dienstleistungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Den Entwicklungsländern ist 'damit die Möglichkeit gegeben, dort einzukaufen, wo ihnen die günstigsten Angebote unterbreitet werden. Damit müßte eigentlich den Bedenken des Herrn Abgeordneten Kalbitzer, wir verwechselten etwa die Entwicklungshilfe mit der Exportförderung, entsprochen sein. Die auf diese Weise den Entwicklungsländern eingeräumte Dispositionsfreiheit gilt nur gegenüber solchen Staaten ,die das Prinzip des freien Wettbewerbs anerkennen. Mit anderen Worten: Einkäufe im Ostblock sind ausgeschlossen. Die langfristige Kapitalhilfe wird in der Regel in Form von Krediten gewährt werden. Die Bundesregierung hat sich den Grundsatz zu eigen gemacht, daß Geschenke, abgesehen von den Maßnahmen der Technischen Hilfe, nur in besonderen Ausnahmefällen und nur dann gegeben werden, wenn es sich um multilaterale Aktionen handelt. Hierfür war in erster Linie ausschlaggebend, daß die Entwicklungsländer nicht als Almosenempfänger anzusehen sind, sondern als Partner, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach Kräften mithelfen sollen, den Aufbau ihrer Volkswirtschaften voranzutreiben. Wir sollten uns jedoch 'darüber im klaren sein, daß in stärkerem Umfange als bisher Laufzeit und Zinshöhe der Kredite den Bedürfnissen und vor allen Dingen den Möglichkeiten der Empfängerländer Rechnung zu tragen haben. Über die Kapitalhilfe entscheidet der vom Entwicklungsausschuß eingesetzte Referentenausschuß Staatssekretär Dr. Westrick für Kapitalhilfe, der sich aus Vertretern der beteiligten Ressorts zusammensetzt. Die Bundesbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau nehmen an den Sitzungen dieses Ausschusses beratend teil. In Grundsatzund wichtigen Einzelfragen aber entscheidet der Entwicklungsausschuß selbst, dem es vorbehalten bleibt, seinerseits die Entscheidung des Kabinetts oder in geeigneten Fällen des Kabinettsausschusses für Wirtschaft herbeizuführen. Die Kapitalhilfe wird grundsätzlich nur für eingehend geprüfte Vorhaben gewährt. Die Prüfung umfaßt Untersuchungen über die wirtschaftliche und soziale Struktur des Empfängerlandes, die Zahlungsbilanz, die Marktlage usw. Die Vorhaben müssen außerdem technisch ausgereift sein und sich in ein ausgewogenes Entwicklungsprogramm einfügen lassen. Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang die Frage der Projektprüfung und den damit zusammenhängenden Verfahrensweg etwas eingehender behandle. Anträge auf Gewährung einer langfristigen Finanzhilfe sind an die Bundesregierung zu richten. In der Regel werden die ausländischen Regierungen ihre Anträge unmittelbar oder über die deutschen Auslandsmissionen an die Bundesregierung herantragen. Das schließt aber nicht aus, daß die Bundesregierung eine eigene Initiative zur Inangriffnahme von ihr besonders wichtig erscheinenden Vorhaben entfaltet. Die Anträge werden vom Bundesministerium für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und den am Projekt fachlich beteiligten Ressorts vorgeprüft und mit einer Stellungnahme dem Referentenausschuß für Kapitalhilfe vorgelegt. Dieser entscheidet, ob der Antrag insbesondere nach politischen, volkswirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Gesichtspunkten für eine Finanzierung grundsätzlich in Betracht kommt. Wird dies bejaht, so schließt sich eine eingehende Untersuchung an, die je nach Sachlage des Einzelfalles die nachstehenden Gesichtspunkte umfaßt: 1. die Prüfung des Landes: gesamtwirtschaftlicher Überblick über das Land einschließlich der sozialen Struktur, Zahlungsbilanzlage, volkswirtschaftliche Prüfung, insbesondere Einfügung des Vorhabens in die Entwicklungsplanung des Empfängerlandes, 2. die Prüfung des Projektes: technische Prüfung, Betriebsführung und Organisation, kaufmännische Prüfung und finanzielle Prüfung. In dieser Prüfung wird auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau eingeschaltet, die gegebenenfalls Sachverständige in das Entwicklungsland entsendet. Nach Abschluß der Untersuchungen wird ein Gesamtbericht erarbeitet, der die Grundlage für die Entscheidung über den Kapitalhilfeantrag bildet. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß zur Zeit Gespräche mit den Organisationen der Wirtschaft geführt werden, um eine fachkundige und neutrale Beratung durch die Wirtschaft bei der Projektprüfung zu gewährleisten. Wenn ich Ihnen soeben den Gang der Projektprüfung im einzelnen dargestellt habe, so bin ich mir bewußt, daß den Außenstehenden die Vielfalt der Aufgaben verwirren kann. Angesichts aber der großen Verantwortung, die die Bundesregierung mit der Verfügung über so erhebliche öffentliche Mittel für Zwecke der Entwicklungshilfe auf sich genommen hat, glaubt sie, daß nicht so sehr dem Zeitmoment, sondern vielmehr der sorgfältigen Auswahl sinnvoller Projekte der Vorrang gebührt. Erfreulicherweise hat sich bereits eine ausgezeichnete Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen entwickelt. Das gilt nicht nur für die technischen Einzelfragen, sondern auch für grundsätzliche Entscheidungen. Minister von Brentano hat Ihnen bereits den Aufgabenbereich des Entwicklungsausschusses dargestellt. Vielleicht darf ich in wenigen Worten auf die bisherige Tätigkeit dieses Ausschusses eingehen. Der Ausschuß hat während der kurzen Zeit seines Bestehens bereits eine große Reihe grundsätzlicher Fragen unserer Entwicklungspolitik behandelt. Hierunter nahmen die Grundsätze über die Vergabe der bilateralen langfristigen Kapitalhilfe, die ich Ihnen soeben in rohen Umrissen vortragen durfte, den größten Raum ein. Außerdem erörterte der Ausschuß — um Ihnen nur einige Beispiele zu nennen — folgende Fragen allgemeinen Charakters: die sehr wichtige Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und der Wissenschaft, die Ausbildung und Vorbereitung deutscher Experten und Lehrer, die in die Entwicklungsländern gehen, ferner die Fragen der Entwicklungshilfe nichtstaatlicher Organisationen. Bislang machte der Ausschuß feste Zusagen über langfristige Kredite für Entwicklungsprojekte und -programme in Höhe von 1,6 Milliarden DM. Diese Zusagen betreffen 18 Entwicklungsprojekte oder -programme. Zu ihnen zählen die Beiträge zu den indischen und pakistanischen Fünf-Jahres-Plänen, die Gewährung von Finanzkrediten an Afghanistan, Ceylon, Indonesien, Iran, die Türkei und mehrere afrikanische Staaten. Ohne mich hier in die Einzelheiten der Arbeit des Entwicklungsausschusses vertiefen zu wollen, möchte ich Ihnen, bevor ich dieses Gebiet verlasse, an Hand eines Beispiels verdeutlichen, wie die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen geordnet 'ist. Einen Augenblick, Herr Staatssekretär. — Meine Damen und Herren, ich unterbreche für einen Augenblick die Darlegungen des Herrn Staatssekretärs des Wirtschaftsministeriums zur Entwicklungshilfe, um den Kontaktausschuß, den das Parlament der Europäischen Gemeinschaft mit den Parlamenten eines großen Teils der freien Staaten Afrikas gebildet hat, zu begrüßen. Es ist mir eine Freude, in diesem Augenblick im Deutschen Bundestag zu begrüßen den Präsidenten des Europäischen Parlaments, das Mitglied dieses Hauses, Herrn Professor Dr. Fuder, und die Herren Präsidenten und Vizepräsidenten der Nationalversammlung und Parlamente der Republik Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, Präsident D. Dr. Gerstenmaier 1 der Republik Kongo-Brazzaville, der Republik Kongo-Leopoldville, der Republik Côte d'Ivoire, der Elfenbeinküste, der Republik Dahomey, der Republik Gabun, der Republik Haute Volta, der Republik Madagaskar, der Republik Mali, der Republik Mauretanien, der Republik Niger, der Republik Senegal, der Republik Somalia und der Republik Tschad. Ich begrüße ferner in unserer Mitte die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die in den Kontaktausschuß delegiert wurden und zu denen zwei Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gehören und denen sich die Herren Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen, der Liberalen und der Sozialistischen Fraktion sowie die Herren Vorsitzenden verschiedener Ausschüsse des Europäischen Parlaments, ,die Herren Berichterstatter für Probleme der Assoziation sowie eine Anzahl ihrer Mitarbeiter angeschlossen haben. Meine Damen und Herren, seien Sie uns hier in diesem Hause herzlich willkommen. Wir wünschen Ihrer Arbeit und Ihren Bemühungen aufrichtig Erfolg. Ich bitte fortzufahren, Herr Staatssekretär. Meine Damen und Herren! Im Frühjahr dieses Jahres reiste Minister von Merkatz in verschiedene Länder Südostasiens. Auf dem Reiseprogramm standen Gespräche über die Möglichkeiten einer deutschen Entwicklungshilfe an die in Frage kommenden Länder. Vor Antritt der Reise befaßte sich deshalb ,der Entwicklungsausschuß mit den von der Bundesregierung gegebenenfalls zu erteilenden Zusagen. Es wurde festgelegt, daß für Ceylon ein langfristiger Finanzkredit bis zu 40 Millionen DM zugesagt werden könne. Diese Rahmenzusage sollte später durch gemeinsam festzulegende Einzelprojekte ausgefüllt werden. Auf Grund dieser Vereinbarung besuchte uns vor wenigen Wochen der ceylonesische Finanzminister Bandaranaike, ein Neffe der amtierenden Ministerpräsidentin, um über die Inanspruchnahme des 40-Millionen-Kredits durch Festlegung konkreter Einzelprojekte zu verhandeln. Der Entwicklungsausschuß wählte aus den ceylonesischen Vorschlägen das Projekt einer Zementfabrik und eines Hafenausbaus aus und beschloß die Entsendung von Sachverständigen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, um diese Projekte nach betriebswirtschaftlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen zu prüfen. Zweifellos wird der Entwicklungsausschuß noch weitere Erfahrungen sammeln müssen; ich glaube aber, und darin bin ich mir mit Herrn von Brentano einig, daß sich die gefundene Konstruktion als eine gute Lösung erweisen wird. Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch ein Wort über die Ausgestaltung 'der Kreditanstalt zur Entwicklungsbank sage. Im Zuge der Verstärkung der Entwicklungshilfe beabsichtigt die Bundesregierung, die Kreditanstalt unter Beibehaltung ihrer bisherigen Aufgaben zur Entwicklungsbank des Bundes auszugestalten. Hierzu ist insbesondere erforderlich, den Aufgabenbereich der Anstalt entsprechend zu erweitern. Diesem Ziel dient der dem Hohen Hause vorliegende Gesetzentwurf zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, insbesondere zu den Entwicklungsländern, in dessen § 4 die Erweiterung des Aufgabenbereichs der Anstalt vorgesehen ist. Wenn die Kreditanstalt auch schon zur Zeit wesentlich in die Aufgaben der Entwicklungshilfe eingeschaltet ist und dort mitarbeitet, so werden durch den vorliegenden Gesetzentwurf die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Kapitalhilfen auf breitester Grundlage geschaffen. Ich komme nun zu Ziffer 3 der Anfrage. Sie betrifft Höhe, Zeitraum und Form der aufzubringenden Mittel. Die Bundesregierung hat vorbehaltlich der Genehmigung durch den Bundestag Vorkehrungen getroffen für die Bereitstellung von Mitteln bis zu 5 Milliarden DM, die ibis Ende 1962 für langfristige öffentliche Kredite und unentgeltliche Zuwendungen zur Auszahlung gelangen können. In diesem Betrag sind weder private Kapitalausfuhren noch die 1961 zu zahlenden Teile der langfristigen Anleihe der Deutschen Bundesbank an die Weltbank eingerechnet. Zu diesem Programm tragen die verschiedenen Quellen etwa wie folgt bei: Bundeshaushalt einschließlich Industrieanleihe 3000 Millionen DM ERP-Wirtschaftsplan 900 Millionen DM Haushalte der Bundesländer 500 Millionen DM Kreditanstalt für Wiederaufbau 600 Millionen DM. Das sind zusammen etwa 5 Milliarden. In den vergangenen Monaten ist, wie Sie alle wissen, in der inund ausländischen Presse viel davon die Rede gewesen, daß die Bundesregierung Dr. Westrick 1961 rund 4 Milliarden DM für die Zwecke der Entwicklungshilfe bereitstellt. Hierzu einige klarstellende Bemerkungen: In der Tat ist dem Kap. 60 07 Tit. 570 des Haushaltsplans 1961 eine Übersicht der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen angefügt, die mit einem Betrag von 4,135 Milliarden DM abschließt. Diese Ubersicht enthält aber nicht nur die im Jahre 1961 bar aufkommenden Mittel, sondern zusätzlich auch Bindungsermächtigungen über 615 Millionen DM. Diese Bindungsermächtigungen sind in ,dem neuen Aufbringungsplan, den ich Ihnen soeben vorgetragen habe, nicht enthalten, weil sie, jedenfalls im Jahre 1961, zu keiner Aufbringung in bar führen. Außerdem war es erforderlich, einigen inzwischen eingetretenen tatsächlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. So ist die Entwicklungsanleihe der deutschen Wirtschaft bisher nicht — wie ursprünglich vorgesehen — in Höhe von 1,5 Milliarden, sondern nur in Höhe von ungefähr 1,2 Milliarden gezeichnet worden. Die Bundesländer werden von den zugesagten 500 Millionen DM Entwicklungshilfebeitrag im Jahre 1961 nur 250 Millionen und die restlichen 250 Millionen erst im Jahre 1962 zur Verfügung stellen. Von dem alten Aufbringungsplan über 4,135 Milliarden sind daher die 615 Millionen DM Bindungsermächtigungen und die 550 Millionen DM zu hoch veranschlagte Einnahmen abzusetzen, woraus sich für 1961 ein Betrag von 3 Milliarden aus öffentlichen Mitteln ergibt. Zur Form der Mittelverwendung ist folgendes zu sagen. Der überwiegende Teil der bereitgestellten Gesamtsumme von rund 5 Milliarden wird für bilaterale Entwicklungshilfe verwendet, und zwar insgesamt 4 1/4 Milliarden. Hiervon sind 300 Millionen für Ausbildung und Beratung und 3,950 Milliarden für langfristige Finanzierungen in Entwicklungsländern bestimmt. Die restlichen 750 Millionen DM werden für die multilaterale Entwicklungshilfe der Bundesregierung verwendet, also für die Beiträge zum erweiterten Technischen Hilfsprogramm der Vereinten Nationen und zu deren Sonderfonds, für Beiträge zu Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, für Beiträge zum EWG-Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete sowie für die Leistungen der Bundesrepublik auf ihren erhöhten Kapitalanteil an der Weltbank. Nachdem die Grundsätze für die Vergabe von Entwicklungskrediten aufgestellt und auch die Voraussetzungen für eine Projektprüfung gegeben sind, rechnet die Bundesregierung damit, daß die bereit-. gestellten rund 5 Milliarden DM in den Jahren 1961 und 1962 zum überwiegenden Teil auch tatsächlich verausgabt werden. Natürlich kann die endgültige Höhe ,der Auszahlungen nicht genau vorhergesagt werden, weil hier eine Reihe von verschiedenen Faktoren, wie die Darbietung von Projekten durch die Entwicklungsländer selbst und anderes mehr, zu berücksichtigen sind. Dieses Zweijahresprogramm der Bundesregierung stellt natürlich nur einen Teil der gesamten Entwicklungshilfe der Bundesrepublik dar. Denn zu diesen Mitteln werden auch weiterhin bundesverbürgte Kredite der privaten Wirtschaft an Entwicklungsländer in einer erheblichen Größenordnung treten. Außerdem rechnet die Bundesregierung mit einem weiteren Ansteigen der privaten Kapitalinvestitionen in diesen Ländern. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Weltbank von der Deutschen Bundesbank im Jahre 1961 ein weiterer namhafter Betrag, nämlich 900 Millionen DM, aus dem im Sommer 1960 zugesagten Betrag von 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt wird. Zu der Entwicklungshilfe von 5 Milliarden DM treten also erhebliche weitere Leistungen an Entwicklungsländer, die nach vorsichtiger Schätzung allein im Jahre 1961 einen Betrag von rund 2 Milliarden ausmachen dürften, hinzu. Diese Leistungen müssen hinzugerechnet werden, wenn man die Gesamtleistung der deutschen Volkswirtschaft für den Aufbau der Entwicklungsländer zutreffend würdigen will. Nun zur Frage der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Ich halte diese Seite der Entwicklungspolitik für eines der wesentlichen Probleme unserer Hilfe. Die großen Aufgaben, die die Entwicklungsländer den Industrieländern stellen, können nur durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden. Angesichts des ungeheuren Bedarfs der Entwicklungsländer auf allen Gebieten, d. h. sowohl an ausgebildeten Fachkräften wie an Kapital, muß jede Möglichkeit ergriffen werden, um durch gemeinsame Anstrengungen der freien Welt höchstmögliche Wirkungen zu erzielen. Im Bereich der internationalen Hilfe möchte ich zwei Formen unterscheiden, nämlich die multilaterale Hilfe und die internationale Zusammenarbeit Unter multilateraler Hilfe ist die Hilfe über internationale Organisationen zu verstehen. Die Bundesrepublik ist an solchen Organisationen maßgeblich beteiligt. Ich darf erwähnen: die Weltbank, die Internationale Entwicklungsorganisation — kurz IDA genannt —, die Internationale Finanzkorporation, das erweiterte Technische Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, den Sonderfonds der Vereinten Nationen sowie den EWG-Entwicklungsfonds, um nur die wichtigsten zu nennen. Diese multilaterale Hilfe bietet ihrem Wesen entsprechend verhältnismäßig weniger schwerwiegende Koordinierungsprobleme als die bilaterale Hilfe der einzelnen Geberländer der freien Welt. Ich möchte nicht die Frage vertiefen, ob eine bilaterale Hilfe wirksamer als eine multilaterale ist. Die Fülle der in den Entwicklungsländern zu lösenden Probleme und nicht zuletzt die unterschiedliche Lage dieser Länder lassen je nach den Umständen des Einzelfalls hier die multilaterale, dort die bilaterale, in einem anderen Fall die Verbindung beider als besten Weg erscheinen. Beide Formen der Hilfe ergänzen sich gegenseitig. Im vergangenen Jahr haben sich besonders nützliche Formen einer internationalen Zusammenarbeit herausgebildet, die die Bundesregierung nach Kräften unterstützt. Ich denke hierbei in erster Linie an die Development Assistance Group, die DAG, die im Januar 1960 errichtet wurde und der die meisten entwickelten Industrieländer der freien Welt angehören. Die Bundesregierung hat aktiven Anteil an Staatssekretär Dr. Westrick den Arbeiten dieser Organisation genommen. Die letzte Tagung hat in London stattgefunden, die nächste Tagung wird im Juli 1961 in Tokio stattfinden. Die Gruppe hat auf ihren wenigen Tagungen bereits wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet der internationalen Koordinierung gemacht. Auf Grund der Arbeiten der Gruppe war ,es erstmalig möglich, auf einer vergleichbaren Basis eine Zusammenstellung über die Leistungen der Geberländer an Entwicklungsländer zu erstellen. Der begonnene Erfahrungsaustausch wird erweitert und vertieft. Die Londoner Tagung, die die Bestellung eines ständigen Vorsitzers beschloß, befaßte sich mit der Wirksamkeit der verschiedenen Arten und Bedingungen der finanziellen Entwicklungshilfe. Es ist interessant, daß die nächste Tagung sich rin erster Linie mit den Anreizen für private Kapitalinvestitionen in Entwicklungsländern beschäftigen soll. Die deutsche Delegation hat an der Ausweitung des Aufgabenbereichs und der Stärkung ,der Organisation tatkräftig mitgewirkt. Es war erfreulich, festzustellen, welche gute Resonanz die Haltung der Bundesrepublik im Rahmen dieser internationalen Konferenz gefunden hat. Nach Inkrafttreten der OECD im Herbst dieses Jahres wird die DAG als besonderer Ausschuß in die neue Organisation überführt und damit eine der Hauptstützen der OECD bei der atlantischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sein. Im regionalen Bereich der EWG wird ebenfalls eine enge Koordinierung der Entwicklungspolitik der Mitgliedstaaten angestrebt. Besonders auf dem Gebiet der Kreditversicherungen, der Bürgschaften und der Finanzkredite wurden eingehende Vorarbeiten für enge Zusammenarbeit geleistet. Daneben wird versucht, auf dem Gebiet ,der Technischen Hilfe zu einer möglichst weitgehenden Harmonisierung zu gelangen. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen um das Zustandekommen von internationalen Konsortien zur Finanzierung von umfassenden Entwicklungsprogrammen und Großprojekten. Auf diesem Gebiet ist besonders die Weltbank tätig geworden. Die Bundesregierung begrüßt das sehr, weil die Weltbank auf Grund ihrer großen Erfahrungen zu einer solchen Koordinierung in besonderem Maße berufen erscheint. So hat sich die Bundesregierung an der Finanzierung des von der Weltbank in Angriff genommenen InduswasserProjekts, an .der Finanzierung der letzten zwei indischen Fünfjahrespläne und des letzten pakistanischen Fünfjahresplanes beteiligt. Ich hoffe, Ihnen damit einen allgemeinen Einblick in die zahlreichen Ansatzpunkte ,der internationalen Zusammenarbeit gegeben zu haben. Es ist selbstverständlich, daß auch hier erst Erfahrungen gesammelt werden müssen, um ,eine gemeinsame Sprache zu finden und die erstrebte Harmonisierung zu erreichen. Die bisherigen Fortschritte sind aber, ermutigend. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Entwicklungspolitik eine Aufgabe des Bundes. Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf ihrer Konferenz vom 26. Januar dieses Jahres über ihre Mitwirkung an der Entwicklungshilfe ausdrücklich zu diesem Grundsatz bekannt. Die Bundesregierung begrüßt herzlich die Bereitschaft der Bundesländer, ihre großen Erfahrungen für die Lösung der vielfältigen Fragen der Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Die Mitwirkung der Länder muß jedoch je nach der Aufgabenstellung unterschiedlich geartet sein. Für das Gebiet der Kapitalhilfe und der Handelspolitik ist die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes unbestritten. Die Bundesregierung unterrichtet aber die zuständigen Länderorgane laufend über die grundsätzlichen Maßnahmen auf diesen Gebieten. Anders liegen die Dinge im Bereich der technischen Hilfe. Hier verfügen die Länder über die Möglichkeiten, an den spezifischen Aufgaben erfolgreich mitzuwirken: Bereitstellung von Lehrund Fachkräften für Schulen, Betreuung von Delegationen und Besuchern aus den Entwicklungsländern, Bereitstellung von Experten und Fachkräften, Betreuung ausländischer Studenten und viele Aufgaben mehr. Es ist klar, daß bei der Vielzahl dieser Aufgaben Überschneidungen und Doppelarbeit leicht möglich sind. Es muß alles geschehen, um hier zu einer klaren Lösung zu kommen. Ich gestehe auch offen ,ein, daß noch nicht alle diese Probleme ganz zufriedenstellend gelöst werden konnten. Nach Auffassung der Bundesregierung sollen die Bundesländer in weitem Umfange an allen Bund und Länder gemeinsam interessierenden Fragen beteiligt werden. Zur Zeit wird geprüft, wie eine möglichst enge Koordinierung der Entscheidungen und auch der durchzuführenden Arbeiten sichergestellt werden kann. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten bieten sich an, etwa die Schaffung einer zentralen Stelle für den Austausch von Informationen über geplante und durchgeführte Vorhaben, die Errichtung einer ständigen Konferenz, die Beteiligung in den zuständigen Ausschüssen, die Schaffung eines Beirates und ähnliches mehr. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß die Verhandlungen auf diesem Gebiete nicht ganz einfach sind. Sie dürfen aber überzeugt sein, daß die Bundesregierung nichts unversucht läßt, um zu vernünftigen und praktikablen Lösungen zu gelangen. Auf dem Gebiet der technischen Hilfe, insbesondere der Bildungshilfe, muß eine Koordinierung der vielfältigen und sich überschneidenden Aufgaben zwischen Bund und Ländern erst noch bewerkstelligt werden. Dies verführt, wie die Erfahrung lehrt, allzu leicht zu einer herben, aber nach unserer Meinung nicht berechtigten Kritik an den für die Entwicklungshilfe insgesamt getroffenen Maßnahmen, die, wie vorhin gesagt, ausschließlich in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen. Die Zusammenarbeit der Ressorts in dem Bereich der Kaptialhilfe hat sich gut, ich könnte sagen, sehr gut eingespielt. Mit ,der Wirtschaft ist eine Abmachung über ihre Hinzuziehung in beratender Funktion in Vorbereitung. Natürlich aber werden schon jetzt Sachverständige aus der Wirtschaft zur Beratung hinzugezogen. Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr der Bundesregierung bei der Durchführung der EntwickStaatssekretär Dr. Westrick lungshilfe wegen ihrer zentralen und umfassenden Bedeutung an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Parlament gelegen ist, dessen politischer Wille für Konzeption und Gestaltung dieser entscheidenden Aufgabe selbstverständlich voll zur Geltung kommen muß. Die Bundesregierung steht in ständigem Kontakt zu den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages und unterrichtet sie laufend über ihre Arbeit. Im Interesse einer möglichst engen Zusammenarbeit mit dem Parlament sollen diese Kontakte erweitert und vertieft werden. Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob in die Beratung eingetreten werden soll. Verlangen 30 Mitglieder des Hauses die Aussprache? — Wenn ich noch zwei Hände sehe, kann es gerade gelingen, — 30! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich ein außerordentliches Wagnis, jetzt eine Aussprache über diesen Stoff zu führen. Ich möchte zunächst einmal bitten, daß diejenigen Kollegen, die nicht mit Ja gestimmt haben, ,das nicht etwa zur Grundlage eines Entschlusses nehmen, das Haus jetzt zu verlassen; dann würden wir uns ausrechnen können, daß nur noch wir 30 hier zusammenblieben. Die Bundesregierung hat ihr Recht wahrgenommen, auf eine Große Anfrage der Sozialdemokratischen Partei ausführlich zu antworten. Wir sind in der Tat mit einer Fülle von Antworten eingedeckt worden, die zu verarbeiten außerordentlich schwer sein wird. In der kurzen Zeit, die uns zur Aussprache zur Verfügung steht, bleibt gar keine andere Wahl, als einige Schwerpunkte herauszuheben. Ich möchte den Punkt 1 der Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei noch einmal unter die Lupe nehmen, nämlich die Frage, von welchen Grundsätzen sich die Bundesregierung leiten läßt. In Iden vielen einzelnen Antworten, unendlich vielen Besprechungen und Versammlungen, in den Beschlüssen nationaler und internationaler Gremien habe ich mit großer Mühe eine Grundkonzeption zu finden gesucht. Das ist mir bisher noch nicht gelungen. Ich müßte erst einmal die schriftlichen Texte zuziehen. Ich glaube, das ist Anlaß, noch einmal auf die Ausgangsposition zurückzukommen, die wir bei der Frage „warum treiben wir Entwicklungspolitik?" einnehmen müssen. Es ist die Frage zu klären: Ist das eine humanitäre Angelegenheit oder gar, wie man heute häufig hört, eine karitative Angelegenheit oder ist das eine militärpolitische Angelegenheit oder ist es — und das schien mir heute morgen bei der Beantwortung an einer Stelle in der Tat so auszusehen — eine ideologische Frage? Wir müssen uns zunächst einmal darüber klar sein: das alles ist es nicht oder, wenn überhaupt, nur zum Teil. Im Kern ist es nichts anderes als das Problem: Wie können wir die Gegensätze zwischen arm und reich auf dieser Welt lösen, nachdem es uns in den westlichen Industrieländern gelungen ist, die soziale Frage, die uns durch die Industrialisierung des vorigen Jahrhunderts gestellt wurde, weitgehend einer Lösung entgegenzuführen? Jetzt also hat sich diese Frage erneut, und zwar im weltweiten Rahmen gestellt, und wir müssen nunmehr beweisen, daß unser Ordnungssystem, ,daß unsere Gesellschaftsordnung in der Lage ist, auch diese neue, viel größere Aufgabe zu meistern. Es ist keine ideologische Frage. Vor einigen Jahren hat einmal Professor Roepke in einem Artikel über Entwicklungspolitik den Verdacht geäußert, das Ganze sei ein Komplott ,der Kollektivisten und Dirigisten der ganzen Welt, um am Ende doch noch die so schön in Gang gekommene Liberalisierung des Welthandels zu verhindern, zu bremsen, um ein kollektivistisches System aufzurichten. Aber wer häufig mit politischen Führern aus Entwicklungsländern spricht, der stellt sehr bald fest, daß sie nahezu alle eines gemeinsam haben: Sie sind allen Ideologien abhold, sie denken sehr pragmatisch über ihre Aufgabe, nämlich den Lebensstandard ihrer Völker zu verbessern. In dem Bestreben, daß ihnen diese Aufgabe gelingen möge, nehmen sie natürlich Leitbilder, woher immer sie sie bekommen. Sie sind auch bereit, vorurteilslos kommunistische Leitbilder zu prüfen. Wir Europäer sind gewohnt, immer und an allen Stellen hinter dem Handeln die ideologischen Wurzeln zu suchen, aus denen man konsequent die Entscheidungen herleiten kann, und alle Politiker, die ideologiefreie Politik treiben, sind uns möglicherweise verdächtigt. Ich erinnere nur daran, wie schwer es gewesen ist, hier in der Bundesrepublik für den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten Sympathie zu erwecken. Aber die politischen Führer der Entwicklungsländer wollen nicht in unsere ideologischen Konflikte hineingezogen werden. Sie wollen vor allem nicht in den Ost-West-Konflikt hineingezogen werden, der uns ja alle beherrscht. Sie haben eine große Aufgabe für ihre Völker zu erfüllen, und sie möchten nicht, daß wir sie mit unseren eigenen ideologischen Konflikten identifizieren. Es gibt einige Beispiele dafür, z. B. die Haltung der afrikanischen Staaten in der UNO. Es ist nämlich nicht nur so, .daß die jungen Völker sich nicht auf unsere Seite mit dem Ost-West-Konflikt identifizieren wollen; sie wollen es vor allen Dingen und erst recht nicht auf der anderen Seite, nämlich auf der Seite der Bolschewisten. Die jungen afrikanischen Völker haben bei den Abstimmungen in der UNO gerade das Gegenteil von dem getan, was die Bolschewisten von ihnen erwartet hatten. Darin liegt ein beachtliches Maß an politischer Reife. Ich erinnere mich auch noch, daß die afrikanischen Besucher, die an den Afrika-Wochen teilgenommen haben, die wir vor einiger Zeit in Deutschland veranstaltet haben, sehr angetan von den Möglichkeiten gewesen sind, die wir ihnen boten, daß Scheel sie aber etwas enttäuscht darüber waren, allzu oft aufgefordert zu werden, sich mit den Ost-West-Problemen zu befassen. Mir ist jetzt noch eine Meldung über den Besuch des pakistanischen Staatspräsidenten General Ajub Khan in der Bundesrepublik in Erinnerung, die in feinem Humor wiedergibt, wir die Problematik eigentlich gelagert ist. Am Tage nach seinem Eintreffen in der Bundesrepublik war in dieser Zeitungsmeldung etwa folgendes zu lesen: Gestern landete auf dem Flughafen Köln-Wahn der Staatspräsident Pakistans, der General Ajub Khan — ich wiederhole jetzt etwas frei —, ein Eckpfeiler der Verteidigung der freien Welt gegen den Bolschewismus. — Der nächste Satz hieß dann: Pünktlich um 9.40 Uhr setzte auf der Piste die Privatmaschine des Staatspräsidenten Tito auf, die ihn nach Bonn gebracht hatte. — In dieser Aufeinanderfolge liegt das Problem irgendwie begraben. Ich habe den Eindruck, daß der Journalist, der diese Meldung verfaßt hat, über einen sehr feinen Humor verfügt. Ich will Ihnen damit sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß sich die politischen Führer dieser Länder nicht mit unserer Konfliktsituation identifizieren wollen. Es liegt auch gar kein Anlaß dafür vor. Sehr pragmatisch wollen sie naturgemäß Honig aus allen Blüten saugen. Wer könnte ihnen das verdenken angesichts der Aufgaben, die sie sich gestellt haben! Aber solange wir das nicht akzeptieren, werden wir im Umgang mit diesen Völkern häufig Überraschungen erleben, wie wir sie in der vergangenen Zeit ja schon einmal erlebt haben. Gerade hat hier der Herr Staatssekretär uns erläutert, welche riesigen Summen die Bundesrepublik schon aufgebracht hat, vor allem welche Summen sie in der allernächsten Zeit aufzubringen gedenkt. Man muß sich natürlich die Frage stellen: Ist jetzt nicht der letzte Augenblick, sich zu überlegen, welches denn die wirkungsvollste Methode ist, die wir in der Entwicklungspolitik anwenden müssen? Seit die Amerikaner nach dem letzten Krieg begonnen haben die wirtschaftliche Entwicklung asiatischer und südamerikanischer unabhängiger Staaten durch Finanzhilfen zu fördern, sucht man nach der wirkungsvollsten Methode für diese Hilfsmaßnahmen. Dabei muß man, so glaube ich, davon ausgehen, daß Entwicklungspolitik eine Kombination von aufeinander abgestimmten Maßnahmen ist, die sich gegenseitig in den verschiedenen Sachgebieten bedingen und ermöglichen, daß die Stetigkeit der Maßnahmen und ebenso die Stetigkeit der Partner als Basis zur Vertrauensbildung Voraussetzung einer wirklichen Entwicklung sind und daß die Entwicklungspläne der einzelnen Entwicklungsländer nicht isoliert voneinander aufgestellt und durchgeführt werden können, wenn es nicht zu Spannungen und Marktstörungen führen soll, und daß der Einsatz der Hilfsmittel und Maßnahmen der Industriestaaten koordiniert werden muß, um eine möglichst gleichmäßige Entwicklung der verschiedenen Regionen zu erreichen. Die Erfahrungen, die die westliche Welt, insbesondere die Vereinigten Staaten mit ihren bisherigen Unterstützungen für die Entwicklungsländer gemacht haben, sind nicht gerade positiv gewesen. Die westlichen Aufwendungen waren in den vergangenen sieben Jahren zwar fast 15mal größer als die des Ostens. Der sichtbare Erfolg entsprach aber bei weitem nicht dieser Relation. Die Ursachen sind sicher vielfältig. Die Vereinigten Staaten haben sich bei ihrer Hilfepolitik zum Beispiel darauf beschränkt, technischen Beistand zu leisten und Finanzkredite zu gewähren. Sie haben keinerlei handelspolitische Abmachungen von Dauer mit Entwicklungsländern vereinbart. Das Problem ist aber in Wirklichkeit, den Entwicklungsländern eine gewisse Sicherheit ihres Absatzes und ihrer Erlöse zu geben. Die Produktionsstruktur dieser Länder beruht heute zum größten Teil auf einem bis drei oder vier Hauptprodukten. Es sind dies neben mineralischen Rohstoffen besonders landwirtschaftliche und tropische Erzeugnisse. Das hat zur Folge, daß diese Volkswirtschaften bei einer Störung des Weltmarkts auf dem Gebiet eines ihrer Hauptprodukte in ihren Grundfesten erschüttert werden. Die Ursachen für diese Marktstörungen sind aber nicht primär handelspolitischer Art, sondern sie liegen auf dem Produktionssektor. Die Verbreiterung der Produktionsskala der Entwicklungsländer als Regulativ ist aber eine erst durch langwierige, aufeinander abgestimmte Entwicklungsvorgänge realisierbare Maßnahme. Im Augenblick sind diese Länder sogar gezwungen, ihre bestehenden Produktionen aufrechtzuerhalten und sogar zu forcieren. Es ist u. a. aber dieser Zwang zur Produktionsausweitung auch in den Ländern mit Monokulturen, der die Pression, vor allem die Preispression, auf dem Weltmarkt schafft. Die Sowjets tun sich hier natürlich leichter. Ihr Außenhandelssystem erlaubt es ihnen, langfristige Abnahmeverträge zu festen Preisen mit den einzelnen Entwicklungsländern abzuschließen. Der Propagandaeffekt der sowjetischen Entwicklungspolitik beruht offenbar darauf, daß ein kombiniertes Programm von Maßnahmen auf dem Gebiete der Handelspolitik, von finanziellen Beihilfen und dem Einsatz von Technikern von den Sowjets angeboten wird. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die ihre Hilfen an über 50 Länder, auf der ganzen Welt verstreut, gegeben haben, konzentrieren sich darüber hinaus die Sowjets in ihren Maßnahmen schwerpunktmäßig auf wenige, allerdings politisch besonders interessante Länder. Natürlich werden sich für diese Entwicklungsländer daraus Schwierigkeiten von nicht geringer Tragweite ergeben können. Einseitige Handelsbindungen auf längere Zeit bedeuten nämlich für sie, wenn sie sich darauf einlassen, aus der Vielfalt der Wirtschaftsbeziehungen des Weltmarktes auszuscheren und sich in Abhängigkeit von einem einzigen Partner zu begeben. Die natürliche Folge wird sein, daß die so gebundenen Länder je länger je mehr auf den guten Wilihres Abnahmepartners angewiesen sind. Es besteht die Gefahr, daß dem Rohstoffe erzeugenden Land, wenn es einmal von anderen Handelspartnern isoliert ist, im Zweifelsfalle eben keine andere Wahl bleibt, als die Bedingungen des Abnehmerlandes zu akzeptieren. Zu welchen Auswirkungen wirtschaftScheel licher und vor allem politischer Art das führen kann, haben einige Beispiele der jüngsten Vergangenheit vor Augen geführt. Freiheit ist nun einmal abhängig von der Möglichkeit, zu entscheiden und zu wählen, d. h. vom Vorhandensein einer Alternative. Das gilt nicht nur für die Innenpolitik. Welches wäre denn nun die wirkungsvollste Methode einer gemeinsamen Entwicklungspolitik der Industriestaaten gegenüber den wirtschaftlich armen Ländern? Es kommt in der Tat darauf an, daß diese Politik gemeinsam betrieben wird. Die Chance der Entwicklungsländer liegt in der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Industrienationen. Vielfältig aufeinander abgestimmte, wirksame, dabei aber schnell realisierbare Lösungen sind nur in überschaubaren Regionen durchzuführen, einfach deshalb, weil es nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist, sich auf die von Region zu Region völlig verändernden Gegebenheiten der Entwicklungsländer einzustellen. Das Regionalprinzip als Alternative zur Global-und Schwerpunkthilfe hat sich in der Vergangenheit, wie das Beispiel des Colombo-Plans zeigt, bewährt. Worum es geht, ist die Herstellung einer Dauerverbindung von Volkswirtschaften von Entwicklungsländern mit Volkswirtschaften mehrerer Industrieländer, nicht etwa eines Industrielandes, sondern mehrerer Industrieländer! Die Multilateralität eines solchen Regionalsystems verhindert durch den Pluralismus der dabei im Spiele befindlichen Interessen außerdem die Gefahr einer einseitigen Beherrschung. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kann jedenfalls als eines der Positiva der Assoziation mit den afrikanischen Ländern das ist ja ein Regionalsystem — buchen, daß während des ersten Abschnittes dieses Regionalsystems nicht etwa eine Verstärkung der Abhängigkeitsverhältnisse eingetreten ist, sondern praktisch sind fast alle bis dahin abhängigen Gebiete in der Zwischenzeit selbständig geworden. Nebenan tagen ja die Vertreter von 16 Parlamenten — wir haben sie vorhin als Gäste in unserem Hause gehabt —, um sich darüber zu unterhalten, ob man die Konvention, die die Modalitäten der Assoziation dieser Länder festlegt, verlängern soll, ob man die Assoziierung unter neuen Bedingungen fortsetzen soll. In diesem Zusammenhang muß geklärt werden — und ich glaube, es ist eine wesentliche Frage, die hier zu klären ist, weil sie sich sehr schnell auch für idle Bundesregierung stellen wird —, wie wir uns zu der wichtigsten Frage verhalten, die von ganz allgemeiner politischer Bedeutung nicht nur den assoziierten Ländern gegenüber ist, nämlich zu der Frage der Präferenzen in Afrika. Sicher ist es politisch außerordentlich wichtig, daß 16 afrikanische Länder bereit sind — und sie haben diese Bereitschaft schon ausgesprochen —, mit europäischen Ländern, die im Gemeinsamen Markt vereinigt sind, langfristig freundschaftlich zusammenzuarbeiten. Ich glaube, niemanden von uns würde es in den Sinn kommen, ein solches Angebot abzulehnen oder nicht den Versuch zu unternehmen, diese Zusammenarbeit zustande zu bringen. Aber es entsteht eben die Frage: Was machen wir mit den in Afrika sich möglicherweise gegeneinander bildenden Präferenzräumen? Wollen wir sie bestehenlassen oder wollen wir uns nicht selber Mühe geben, hier gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern eine Verbesserung durchzuführen? Ich sage: gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern, weil es naturgemäß zunächst deren eigene Interessen berührt. Denn am Vorabend des Ingangkommens innerafrikanischer Wirtschaftsbeziehungen, die ja in der Vergangenheit gar nicht bestanden haben, die erst jetzt beginnen, überlegen sie sich natürlich selbst, welche Bedeutung es hat, daß es ein Präferenzgebiet der Commenwealth-Länder, daß es eine andere Präferenzzone der assoziierten Länder gibt, und sie sind selbst daran interessiert, alle Hindernisse für die von ihnen gewünschte inner-afrikanische politische Zusammenarbeit so schnell wie möglich zu beseitigen. Wir können ihnen vermutlich dabei helfen, wenn wir diese Fragen gemeinsam mit ihnen diskutieren. Ich meine, man wird sicherlich weiterkommen, wenn man sich überlegt, ob es nicht nützlich wäre, sich die in den einzelnen Räumen gewährten Präferenzen überlappend gegenseitig zuzugestehen. Ich möchte heute diese handelspolitische Frage nicht detailliert vortragen, vor allem, weil darüber in jüngster Zeit der Deutsche Industrieund Handelstag im Rahmen von Überlegungen, wie man die Schwierigkeiten in Afrika bereinigen könnte, ganz hervorragende Bemerkungen gemacht hat. Ich glaube, das ist schon der Weg, auf dem wir uns bewegen müssen. Ich betone noch einmal: Das können wir nur in einer Zusammenarbeit mit unseren afrikanischen Partnern tun; das können wir nicht etwa von uns aus beschließen und, ohne sie zu konsultieren, angreifen. Denn durch die Verträge von Rom haben die assoziierten Länder ein Recht darauf, daß der europäische Markt ihnen bestimmte Präferenzen gewährt. Das ist auch nötig. Ich glaube, man muß es noch einmal erläutern, weil es nicht immer verstanden wird. Es ist ja nicht die Schaffung eines neuen Präferenzraumes, sondern es ist nur die Ablösung eines bestehenden Präferenzraumes durch neue Partner. Bisher sind diesen Ländern vom französischen Mutterland handelspolitische Vorteile gewährt worden. Die römischen Verträge lassen es nicht zu, daß Frankreich nach Ablauf der Übergangszeit diese handelspolitischen Vorteile bilateral mit diesen Ländern weiter gewährt. Wenn man sie aber wegfallen ließe, würden die empfindlichen Volkswirtschaften dieser Länder sicherlich erhebliche Schwierigkeiten haben. Das geht einfach gar nicht. Wir müssen zunächst diese Verpflichtungen auf den Gemeinsamen Markt übernehmen und dann sehen, wie wir gemeinsam zu besseren Lösungen kommen werden. Es ist eben von der Bundesregierung gesagt worden, daß die Koordinierung aller Maßnahmen in der OECD ein großer Fortschritt sei. Ich stimme dem zu. Aber die Koordinierung innerhalb der OECD genügt natürlich nicht, weil in der OECD nur die Geber-Länder und nicht etwa die EntwicklungslänScheel der selbst vertreten sind. Die OECD ist so ein Instrument für nützliche Absprachen zwischen den Industrieländern .darüber, wie sie ihre Hilfe am wirkungsvollsten gestalten wollen. Aber sie ist kein ausreichendes Instrument, sich über die besten Methoden des Einsatzes dieser Mittel insgesamt zu unterhalten. Dazu kann man auch die größere Organisation, nämlich GATT, nicht gebrauchen, weil GATT ausschließlich über handelspolitische Fragen diskutieren kann. Aber es geht doch darum, daß man sich über die Kombination von Handelspolitik und Investitionspolitik in diesen Entwicklungsländern unterhält, mit anderen Worten, darüber unterhält: Wie können wir die handelspolitische Situation der Entwicklungsländer stärken durch sinnvolle Verbesserung und Veränderung ihrer Wirtschaftsstruktur? Dazu brauche ich ein Instrument, in dem beide Teile sitzen und in dem man sprechen kann über Handelspolitik, über Investitionsfragen, über Produktionsabsprachen — darüber muß man sich hier einmal klar werden — und auch über technischen Beistand, möglicherweise auch über die Öffentlichkeitsarbeit, die mit solchen politischen Maßnahmen verbunden sein muß. Diese Überlegung, glaube ich, führt automatisch dazu, daß man neben den bestehenden Organisationen eine neue für verschiedene Gebiete braucht — denn für den südostasiatischen Raum hat man eine solche Organisation —, eine neue Organisation, die dem Colombo-Plan in etwa angeglichen ist. Das ist nicht ein großer Wasserkopf, sondern das ist eine Minimalinstitution zur Zusammenarbeit von Entwicklungsländern mit Industrieländern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe jetzt wegen der Kürze der Zeit davon ab, über die schwierigen Fragen zu sprechen, die mit der Kapitalhergabe und mit der Aufbringung des Kapitals bei uns zu tun haben, weil darüber von beiden Seiten des Hauses, aus dem Parlament selbst und von der Regierung, beachtliche und vernünftige Argumente vorgetragen worden sind. Ich möchte jetzt nur einige Einzelfragen berühren, die in der Aussprache aufgetaucht sind. Entwicklungspolitik ist Bundessache. Das ist völlig klar. Wünschenwert wäre eine Zusammenarbeit mit den Ländern auf den Gebieten, auf denen die Länder dem Bunde dabei erheblich helfen können. Das sind die Fragen der Ausbildungshilfen und der technischen Hilfen. Aber ich möchte vor allem davor warnen, daß die Länder sich — was in der jüngsten Vergangenheit leider häufig der Fall gewesen ist — mit Investitionsfragen in Entwicklungsländern, überhaupt mit wirtschaftsund handelspolitischen Fragen befassen. Ich meine, es darf nicht vorkommen, daß der Staatssekretär X aus dem Lande Y im Entwicklungsland Z für die Firma A möglicherweise etwas zu tun sich bemüßigt. Wenn das nicht reicht, darf es nicht vorkommen, daß der Minister O aus dem gleichen Lande hinterherreist und ,ebenfalls glaubt, vermöge seiner unerhörten Fähigkeiten auf dem Spezialgebiete der Wirtschaft das weiter unterstützen zu sollen. Das, meine ich, müssen wir ein für allemal abstellen. Auf diesem Sektor sollen sich die Länder nicht beteiligen. Sie haben genügend Möglichkeiten, sich auf anderen Sektoren zu betätigen. Ich begrüße es ,deswegen, daß zum Beispiel in anderen Ländern oder vielleicht sogar ;in demselben Land Freiplätze für afrikanische Studierende und Praktikanten geschaffen worden sind. Da liegt eine große Aufgabe, und hier sollte eine vernünftige Zusammenarbeit gefunden werden. Ein zweites Wort zu einer Einzelfrage, der Tätigkeit privater Verbände, Vereine — meist mit dem Signum der Gemeinnützigkeit versehen — auf diesem Sektor. Ich stimme Herrn Kalbitzer zu, daß viele dieser privaten Institutionen nützliche Arbeit leisten. Wenn ich sage „viele", dann ist das eigentlich schon eine sehr entgegenkommende Formulierung. Ich fürchte aber, daß eine ganze Anzahl dieser Organisationen völlig überflüssig sind und daß auch eine ganze Anzahl privatwirtschaftlicher Einrichtungen auf diesem Sektor nur mit außerordentlich kritischen Augen betrachtet werden können, und ich will nicht verheimlichen: vor allem, wenn solche Institutionen ihren Sitz in Bonn haben. Denn es gibt so eine Manie hier in Bonn, sich den ungewöhnlich dicken Bundeshaushaltsplan zu kaufen, die Erläuterungen zu den Titeln der vielfältigen Fonds, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, genauestens durchzustudieren, auf der Basis des Textes dieser Erläuterungen eine Vereinssatzung zu konstruieren und dann mit dieser Vereinssatzung in der Hand zur Bundesregierung zu gehen und zu sagen: „Na, jetzt möchte ich aber 500 000 Mark haben; denn ich diene doch genau dem Zweck, den ihr mit dem Titel soundso unterstützen wollt". Ich glaube, auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik sollte man diesem Ausnützen der Fondswirtschaft der Bundesregierung von vornherein einen Riegel vorschieben; und das hängt mit der Organisationsform zusammen. Nun möchte ich noch ein Wort zu den Finanzkrediten sagen, die ja jetzt von der Bundesrepublik gegeben werden. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür — und hier möchte ich meinen Kollegen Kalbitzer, ich glaube, mit seinem Einverständnis sogar, etwas abschwächen —, wenn die Aktivität der Bundesregierung sich verhältnismäßig zäh entfaltet. Denn wir haben ja speziell auch in Brüssel erfahren, wie lange es dauert, bis ein solcher Apparat einmal läuft. Aber nun müßten wir eigentlich an dem Punkt angekommen sein, wo wir eine etwas schnellere Fahrt aufnehmen könnten und wo allzu kleinliche Bedenken in einzelnen Punkten und Fragen notwendige Maßnahmen nicht mehr behindern dürften. Wir haben uns z. B. — um das herauszugreifen — seit Wochen schon, seitdem wir damit begonnen haben, Finanzkredite zu gewähren, über die Frage unterhalten: Sollen wir diese Kredite nur für solche 9236 Deutscher Bundestag --3. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1961 Scheel Projekte und Teile von Projekten gewähren, die in Devisen zu bezahlen sind, oder sollen wir auch diejenigen Teile finanzieren, die im Lande selbst ausgegeben werden? Ich glaube, hier muß man die Dinge politisch sehen. Es hat einmal eine Abrede dahin bestanden, daß man nur Devisenausgaben finanzieren soll. Aber mit den Augen der Entwicklungsländer sieht das etwas merkwürdig aus; sie sagen: „Diese Industrieländer geben uns nur dann einen Kredit, wenn sie gleichzeitig wieder ein Geschäft damit machen, das heißt, wenn wir für diese Anleihe in einem Industrieland etwas kaufen müssen." Diese Meinung ist, glaube ich, durchaus berechtigt, und wir müssen uns wirklich überlegen, solche einschränkenden Bestimmungen nicht mehr zuzulassen und zu sagen: Unsere Finanzkredite können dann gewährt werden, wenn das Projekt — daran allerdings müssen sie meiner Auffassung nach gebunden sein —, das vorgelegt wird, förderungswürdig ist, auch wenn es im eigenen Lande finanziert werden kann. Eine letzte Bemerkung zu den Organisationsfragen. Wir haben hier im Bundestag kein Recht, Beschlüsse in Organisationsfragen zu fassen; wir können hier nur Erwägungen anstellen, vielleicht unsere Ratschläge geben. Man muß einmal davon ausgehen, daß Entwicklungspolitik nicht etwa nur Finanzhilfe oder technische Hilfe ist, sondern eine Kombination von handelspolitischen Maßnahmen, Finanzhilfen, technischem Beistand, auch von kultureller Arbeit und von Öffentlichkeitsarbeit, die mit all diesen Maßnahmen verbunden sein muß. Es liegt, glaube ich, nahe, sehr ernsthaft den Gedanken zu diskutieren, das Ganze zu konzentrieren, zumindest mehr als bisher zu konzentrieren. Ich möchte sagen: Zumindest beim technischen Beistand und bei der Finanzhilfe sollte die Kompetenz in einer Hand, in einer politisch verantwortlichen Hand konzentriert sein. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum man bei Finanzhilfen, bei Investitionshilfen 9 Ressorts braucht. Das halte ich für baren Unsinn. So gut es die Fachleute aus 9 Ressorts können, genauso gut können das die gleichen Fachleute, die in einem Ressort zusammengefaßt sind. Anders sieht es natürlich in handelspolitischen Fragen aus. Die handelspolitischen Grundsatzfragen, die sich bei der Aufgabe stellen, sollte man selbstverständlich im gleichen Bereich haben. Man sollte dort auch kulturelle Fragen und Fragen der Offentlichkeitsarbeit behandeln. Aber das können nur Grundsatzreferate sein, die keine Kompetenzen darin haben. Denn niemand von uns wird daran denken, die handelspolitischen Kompetenzen den Ministerien zu nehmen, in denen sie jetzt liegen. Das wäre eine unrealistische Vorstellung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklungspolitik wird eine gewaltige Veränderung der Wirtschaftsstruktur in der ganzen Welt im Gefolge haben und wird auch auf unsere eigene Wirtschaftsstruktur Rückwirkungen haben. Die Bundesrepublik steht erst am Anfang, und es gilt, jetzt die Weichen richtig zu stellen, auch die Weichen in der Wirtschaftspolitik, die als Reaktion auf die Rückwirkung notwendig sein wird. Der Bundestag wünscht, ,daß in der Zukunft über dieses wichtige Problem mehr Diskussionen stattfinden, als wir sie bisher gehabt haben, und daß wir mehr Zeit haben, solche Diskussionen zu führen. Denn der Bundestag glaubt, insgesamt der Bundesregierung bei dieser schweren Aufgabe helfen und hier und da manche erwägenswerte Anregung geben zu können. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fritz. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es die Geschäftsordnung zuließe, daß derjenige Redner, der Sätze aus den Bemerkungen, die er machen wollte, streicht, für jedes Wort eine Mark bekäme, so könnte ich heute an dieser Debatte über die Entwicklungshilfe verdienen. Ich hoffe, daß ich in einer kürzeren Zeit als mein Vorredner wenigstens einige Bemerkungen zu dem machen kann, was gesagt worden ist. Wir hatten ja auch abgesprochen, uns so kurz zu fassen, daß wir bis 14 Uhr zum Ende kommen. Meines Erachtens hat die Regierung in einer ausgezeichneten Erklärung recht befriedigende Antworten auf die Fragen nach dem Stand der Entwicklungshilfe gegeben. Angesichts einer so kurzen Zeit, die uns bis jetzt zur Verfügung stand, um die Entwicklungshilfe in der Bundesrepublik aufzubauen, kann man sagen, daß auch die Leistung der Administration durchaus beachtenswert war. Natürlich bleiben Probleme übrig; es kann nicht jede Frage beantwortet werden. Die Entwicklungshilfe ist auch für uns ein völlig neues Gebiet. Wir müssen sie zuerst in ihrer gesamten Problematik durchdenken. Man kann von der Regierung nicht verlangen, daß sie in so kurzer Zeit mit einer fertigen Konzeption auftritt. — Vor fünf Jahren, Herr Kollege Kalbitzer, begann die Regierung auf Initiative des Parlaments mit einem Betrag von 3,5 Millionen DM für technische Hilfe. Jetzt haben wir einen Betrag von etwa 5 Milliarden DM bis zum Ende des Jahres 1962 angesetzt, Mittel in einer Größenordnung, an die wir in der damaligen Zeit noch gar nicht gedacht hätten. — Nicht alle gedacht hätten, vor allen Dingen diejenigen nicht, die sich jeweils für die Gestaltung des Haushaltes verantwortlich fühlen müssen. Herr Kollege Scheel, eine Regierungspartei kann nicht so leichtfertig Verpflichtungen eingehen wie eine Partei, die sich in der Opposition befindet. Uns fallen Zusagen, die den Steuerzahler verpflichten, viel schwerer als Ihnen. (Abg. Scheel: Aber Sie haben doch gerade gesagt, daß Sie zugestimmt haben!)


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    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Abg. Majonica: Sehr richtig!)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)