Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichbegrüße Sie alle herzlich zu unserer heutigen Plenarsit-zung.Ich rufe unsere Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 csowie die Zusatzpunkte 9 bis 12 auf:21 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Sicherung von Beschäftigung undStabilität in Deutschland– Drucksache 16/11740 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitZZRedetAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung eines Nachtrags zum Bundeshaus-
– Drucksache 16/11700 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussc) Beratung des Antrags der AbgeordnetenLötzsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmweiterer Abgeordneter und der FraLINKE
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
– Ich oder die Mikrofone?
Wir werden uns sofort darum bemühen, der Stimme
der Bundesregierung jedenfalls akustisch noch mehr
Nachhall zu verschaffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut. – In dieser Dimension hat es einen solchen kon-junkturellen Impuls noch nicht gegeben. Dies ist ange-messen und problemadäquat mit Blick auf die krisen-hafte Zuspitzung, mit der wir es zu tun haben.Wir sind alle lange genug im Geschäft, um zu wissen,dass man bezogen auf die einzelnen Komponenten die-ses Konjunkturpaketes, dieses Paktes, unterschiedlicherMeinung sein kann. Man kann darüber streiten; mankann das prüfen. Aber ich mache keinen Hehl daraus,dass sich die Geschwindigkeit, mit der sich der kritischeStandpunkt von den Debatten, die wir im Oktober, No-vember, Dezember gehabt haben, auf den heutigen kriti-schen Fokus verschoben hat, so verändert hat, dass manvon einer gewissen Atemlosigkeit reden kann.Wenn es im Oktober/November aus den Reihen derMedien, der wirtschaftswissenschaftlichen Expertise,der Politik, der Gewerkschaften und der Verbände darumging, dass ein Konjunkturprogramm gar nicht groß ge-nug dimensioniert sein könnte – teilweise war die Redevon 3 Prozent des Bruttosozialproduktes pro Jahr, alsospielend eine Dimension von 75 Milliarden, teilweisevon 100 Milliarden Euro pro Jahr –, stellen wir heutefest, dass der kritische Fokus darauf gerichtet wird, dasseSnvKdbgvMddflzDietVtpwLbsEpgeDawnitwgdLmzFwdnewpNjee
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– Selbst denkt, insbesondere dann, Frau Abgeordnete,wenn wir von der wirtschaftswissenschaftlichen Exper-tise in der Tat kaum Empfehlungen bekommen. Dasläuft nach dem alten Muster des Internationalen Früh-schoppens von Werner Höfer: sieben Journalisten ausacht Ländern mit neun Meinungen. Das ist im Augen-blick die Lage, die ich mit Blick auf die wirtschaftswis-senschaftliche Expertise in Deutschland habe.Es gibt in meinen Augen fünf Grundorientierungen,die sich in dem widerspiegeln, was die Bundesregierungim Rahmen des Paktes für Beschäftigung und Stabilitätin Gang gesetzt hat. Die erste Orientierung bedeutet, ineinem solchen Konjunkturzyklus nicht einfach nur Geldzu verbrennen. Wenn wir schon die Staatsverschuldungerhöhen müssen, wenn wir einen solchen Konjunkturim-puls zwingend geben müssen, müssen wir das Geldmöglichst so einsetzen, dass wir mittelfristig zur Moder-nisierung unseres Landes, insbesondere seiner Infra-struktur, beitragen.
Das heißt, etwas zu tun, was auch für nachfolgende Ge-nerationen eine Rendite abwirft. Das bedeutet in der Tat,dem riesigen Nachholbedarf bei der Modernisierung ins-besondere der kommunalen Infrastruktur und darüber hi-naus der überregionalen Infrastruktur zu entsprechenund dort einen kräftigen Impuls zu setzen, mit dem Ef-fekt, dass das, was wir dort tun, weit über diese hoffent-lich schnell zu überwindende Konjunkturphase hinaus-reicht. Deshalb gibt es eine klare Schwerpunktsetzungmit ungefähr 17 Milliarden Euro, allein was den Bundbetrifft, ergänzt durch Maßnahmen der Länder, die da-rauf gerichtet sind, Investitionen in Deutschland zu för-dern.Die zweite Grundorientierung ist unabweisbar: eineKreditklemme zu vermeiden. Die Einschätzung ernst zunehmender Experten lautet, dass wir nach wie vor inDeutschland makroökonomisch gesehen keine Kredit-klemme haben und dass es sich mit Blick auf die Finan-zierung des deutschen Mittelstandes geradezu als vor-teilhaft herausgestellt hat, dass wir ein sehr spezifischesKreditgewerbe in Deutschland haben – anders als vieleandere Länder um uns herum –, nämlich mit privatenGlVwcdVlBdirisfwgtmsebtVßreSbvdmlHDertsÜdis4Afegastdz
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– Was gibt es da zu lachen? 60 Prozent der öffentlichenInvestitionen werden von den Kommunen vorgenom-men. Wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie dortetwas tun.
Eine gewisse Ernsthaftigkeit bei der Debatte vor demHintergrund der Krise, mit der wir es zu tun haben, wärewirklich angebracht.
Es wird sehr stark darauf ankommen, dass die Verab-redungen, die wir getroffen haben, teilweise in einer Ver-waltungsvereinbarung verankert, von den Ländern lu-penrein eingehalten werden. Die Bundesregierung istbereit gewesen, sich in dem schwierigen Abwägungs-prozess, auf der einen Seite möglichst wenig Bürokratieaufzubauen, auf der anderen Seite aber so viele Siche-rungen einzuziehen, dass das Geld auch richtig verwen-det wird, eindeutig auf die Seite derjenigen zu schlagen,die eine möglichst unkomplizierte Regelung fordern.
Dies bedeutet, dass die Länder im Rahmen dieses Inves-titionsfonds unmittelbar Zugriff auf die Mittel haben,wobei wir die klare Erwartung haben, dass dieses Geld– zu 70 Prozent – so schnell wie möglich an die kom-munalen Projekte weitergeleitet wird, damit es schnellgenau den wirtschaftsfördernden Effekt entfaltet, denwir uns in den Jahren 2009 und 2010 versprechen. Des-halb gibt es keine langen Genehmigungsverfahren, undes gibt keine Verwendungsbescheide. Es gibt vielmehreinen ex post stattfindenden Abrechnungsmodus, beidem ich allerdings erwarte, dass drei Bedingungen zwin-gend von den Ländern eingehalten werden:Erstens müssen wie verabredet 70 Prozent von den13,3 Milliarden Euro tatsächlich für kommunale Pro-jdKtIzwsnddjtnbpikdabssWeksgEd3BdzdM5gmmMIksd
m Zweifelsfall müssen die Länder selber den Kofinan-ierungsanteil übernehmen. Die andere Möglichkeit, dieir einräumen, läuft darauf hinaus, dass die Kreditan-talt für Wiederaufbau bereit ist, den Ländern den Kofi-anzierungsanteil für eine längere Zeit mit einer Stun-ung, was Zins und Tilgung betrifft, bereitzustellen. Dieritte wichtige Bedingung ist, dass es zusätzliche Pro-ekte sind; denn wir wollen nicht einfach nur eine Substi-ution.
Sie alle haben die ersten Reaktionen aus dem kommu-alpolitischen Raum genauso erfahren wie ich. Danachin ich mir ziemlich sicher, dass das in ausgesprochenositiver Weise zur Wirkung gebracht werden kann.Über die Kreditklemme – zweite Orientierung – willch jetzt keine längeren Ausführungen machen.Ich will auf die vierte Grundorientierung zu sprechenommen: den notwendigen Nachfrageimpuls. Hier ist iner Koalition ein Kompromiss erzielt worden, der sichuf die Erleichterung bei der Sozialversicherungsabga-enlast und auf eine gewisse steuerliche Komponente er-treckt. Ich weiß, dass es dazu unterschiedliche Auffas-ungen in diesem Hause gibt. Worauf will ich hinaus?enn ich zusammenzähle, was diese Regierung mit demrsten Konjunkturpaket, mit dem zweiten Konjunkturpa-et und darüber hinaus in Gang gesetzt hat – das sindehr viele einzelne Puzzleteile –, komme ich zu dem Er-ebnis, dass das durchaus zu einer bemerkenswertenntlastung der Bürgerinnen und Bürger beiträgt.Ich erinnere erstens an die nochmalige Absenkunges Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung, von,3 Prozent auf 2,8 Prozent. Allein die Absenkung deseitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung innerhalbieser Legislaturperiode, von 6,5 Prozent auf 2,8 Pro-ent, bedeutet ein Entlastungsvolumen von 30 Milliar-en Euro.
eine Mutter würde wahrscheinlich immer noch von5 Milliarden DM reden. Dann hört sich die Summeleich ganz anders an, und es gibt eine größere Auf-erksamkeit dafür. Aber stellen Sie sich auch das ein-al vor: 30 Milliarden Euro! Darüber redet kaum einensch – außer die Bundesregierung tut es selber.
ch möchte an einen zweiten Punkt erinnern: die Absen-ung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenver-icherung und zusätzlich die steuerliche Absetzbarkeiter Krankenversicherungsbeiträge ab 1. Januar dieses
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Bundesminister Peer SteinbrückJahres; eine zusätzliche Entlastung von 9 MilliardenEuro. Ich erinnere an das, was wir im Bereich der Fami-lienleistungen gemacht haben, im Blick auf die Freibe-träge, im Blick auf das Kindergeld, noch einmal unter-stützt durch einen Kinderbonus. Ich erinnere daran, dasszum 1. Juli dieses Jahres erfreulicherweise die Rentendeutlich steigen werden, weit über das Niveau hinaus,das wir in den letzten Jahren anbieten konnten.Die Effekte all dieser Maßnahmen – unterschiedlichje nach Haushaltstyp und Steuerklasse – addieren sichmit einer Reihe von anderen entlastenden Effektendurchaus auf eine Summe, von der zu erwarten ist, dassdarüber jedenfalls die inländische Nachfrage einen ge-wissen Impuls bekommt.
Von einer nicht weniger großen Bedeutung ist etwas,wofür sich zwar nicht die Politik Meriten erworben hat,aber was auch nicht unterschätzt werden sollte. Ich meinedie Entwicklung, die uns noch bis weit in das Jahr 2008hinein ausgesprochen bekümmert hat, als nämlich alleMenschen in Deutschland Benzin wahrscheinlich fürnicht unter 1,45 Euro getankt haben. Inzwischen gibt esbei den Energiepreisen insgesamt, aber insbesonderebei Heizöl sowie Benzin und Diesel, eine Entwicklung,die, wenn die Preise 2009 weiter in der momentanenBandbreite schwanken, wofür einiges spricht, ebenfallseinen entlastenden Effekt für die Konsumentinnen undKonsumenten bringt, mindestens in der Größenordnungvon 20 Milliarden, wenn nicht 25 Milliarden Euro.Mit Blick auf die gesunkene Inflation sind die Real-lohneffekte sehr viel besser einzuschätzen als noch imJahr 2008, wo mit einer Inflationsrate von teilweise über2 Prozent der Absaugeffekt bei der Kaufkraft natürlichausgesprochen negativ gewesen ist.Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren,wenn diese immerhin doch unterstützenden Maßnahmennicht völlig aus der öffentlichen Diskussion verschwän-den, sondern von uns transportiert würden,
damit die Menschen den Eindruck haben: Es gibt auchgegenläufige Entwicklungen in dieser schwierigen wirt-schaftlichen Phase.
Ich will auf einen weiteren Punkt innerhalb dieserGrundorientierungen zu sprechen kommen. Ja, wir wer-den es mit einem Nachtragshaushalt zu tun haben, derdie Nettokreditaufnahme des Bundes fast verdoppelt, aufüber 36 Milliarden Euro.
– Ja. Sie haben in Ihrer Zeit so viel gesagt, HerrLafontaine,
das ist sehr schwer zu strukturieren. Sie haben sich dabeiso häufig widersprochen, dass Sie keine große Wegwei-sung gegeben haben.SgpbdHzlDotkHdvwgBcHvpbgdohd4zedbfndtspwnkrmi
Wir gehen beim Bundeshaushalt also in eine fast dop-elt so hohe Nettoneuverschuldung hinein. Aber wir ha-en aus, wie ich finde, sehr guten Gründen entschieden,as Geld, das die Bundesregierung zusätzlich in dieand nimmt, in einen Investitions- und Tilgungsfondsu überführen, der völlig offen, transparent und zugäng-ich ist. Deshalb nehmen Sie mir den Hinweis nicht übel:ie Behauptung, dieser Fonds sei eine Art Versteckspielder ein Schattenhaushalt, ist Bestandteil einer sehr ri-ualisierten politischen Auseinandersetzung. Es ist völliglar, dass das in diesem Sonderfonds geparkte Geld inöhe von 21 Milliarden Euro, das zusätzlich über Schul-en finanziert werden muss, offenzulegen ist. Das istollkommen transparent. Ich kann nicht erkennen, durchas der Vorwurf berechtigt sein soll, wir würden ir-endetwas geheim halten oder – von hinten durch dierust ins Auge – vor jemandem zu verstecken versu-hen.Man sollte allerdings mit Aussagen in Bezug auf dieöhe der Neuverschuldung in diesem Jahr insgesamtorsichtig sein, weil wir es aufgrund des Jährlichkeits-rinzips des Bundeshaushalts mit einer Zahl zu tun ha-en. Der Abfluss der Mittel im Investitions- und Til-ungsfonds hingegen verteilt sich gegebenenfalls aufrei Jahre. Ich kann Ihnen deshalb erst ex post, nach Be-bachtung des konkreten Mittelabflusses, sagen, wieoch die Neuverschuldung im Jahre 2009 ausfällt.
Von großer Bedeutung ist für uns allerdings gewesen,ass diese Mittel – es sind 16,9 Milliarden Euro plusMilliarden Euro Zinsen bei einer Orientierung auf eineehnjährige Tilgung, also ungefähr 21 Milliarden Euro –iner spezifischen Tilgungsregelung unterworfen wer-en. Ich gebe zu, dass man eine heftige Debatte darüberetreiben kann, ob das analog dem Erblastentilgungs-onds erfolgt. Der entscheidende Punkt, auf den ich hi-aus will, ist, dass eine der verschiedenen Komponentenes Erblastentilgungsfonds ein erheblicher Tilgungsbei-rag der Bundesbank gewesen ist, konkret in der Dimen-ion von 34 Milliarden Euro. Damit haben wir einen em-irischen Beleg dafür, dass eine Tilgungsregelung, wieir sie jetzt bezogen auf diesen Fonds in der Größenord-ung von 21 Milliarden Euro haben, erfolgreich seinann. Nichts anderes ist die Aussage der Bundesregie-ung in Gestalt der Kanzlerin, des Außenministers undeiner Person gewesen.
Wenn wir über die Bundesbank 34 Milliarden Eurom Rahmen des Erblastentilgungsfonds erfolgreich ha-
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Bundesminister Peer Steinbrückben tilgen können, dann ist die Wahrscheinlichkeit ziem-lich groß, dass wir 21 Milliarden Euro im Rahmen diesesFonds ebenfalls über diese Tilgungsregelung wieder ausder Welt schaffen können. Ich vermute sogar, dass dasschneller als in zehn Jahren möglich ist. Die Durch-schnittszahlen bei den Bundesbankgewinnen in den ver-gangenen 10, 13 Jahren sprechen dafür. Damals war dieBundesregierung noch sehr viel ehrgeiziger; da ging esum Gewinne ab 3,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2010 wer-den wir die Tilgung bei einem Gewinn von 3 MilliardenEuro ansetzen, danach bei 2,5 Milliarden Euro, schließ-lich bei 2 Milliarden Euro. Das heißt, die Eskalation beider Nutzung überschüssiger Bundesbankgewinne zur Til-gung dieses Fonds wird eher zunehmen. Im Übrigen ha-ben wir festgelegt, dass, wenn das Wirtschaftswachstumoberhalb des Potenzialwachstums liegt – durchschnittlich1,5 Prozent, 1,6 Prozent –, die damit verbundenen erheb-lichen Mehreinnahmen ebenfalls zum Abtragen derSchulden dienen sollen.Ich will, meine Damen und Herren, zum Schluss da-rauf zu sprechen kommen, dass die momentane Konjunk-tursituation nach wie vor maßgeblich durch das geprägtist, was auf den Finanzmärkten stattfindet. Wenn Sie denEindruck haben, dass im Nachlauf des Finanzgipfels inWashington im November letzten Jahres die Hände inden Schoß gelegt worden sind, kann ich das nicht bestä-tigen. Vielmehr sind auf der Basis dessen, was die Bun-deskanzlerin mit den anderen Regierungschefs der G-20-Länder verabredet hat, Arbeitsstrukturen geschaffenworden. Eine der Arbeitsgruppen steht unter dem Vorsitzder Bundesrepublik Deutschland. Wir bereiten uns, auchin den jetzt anstehenden internationalen Sitzungen, sehrgezielt auf den nächsten Finanzgipfel in London am2. April dieses Jahres vor, um dort nicht nur konkreteHandlungsvorschläge einbringen, sondern auch einenBericht darüber geben zu können, was bereits umgesetztworden ist.Es wäre sehr wichtig, zu signalisieren, dass dieseBundesregierung mit Blick auf eine größere, bessere Re-gelung, auf Verkehrsregeln für die Finanzmärkte mit zuden Ländern gehört, die für sich nicht nur in Anspruchnehmen können, in diesem Sinne maßgebliche Impulsegesetzt zu haben, sondern auch, sehr ehrgeizig vorzuge-hen.Unsere Erwartung ist, dass insbesondere der anglo-amerikanische Bereich die Wegstrecke weiter mitgeht.Ich habe keine Indizien dafür, dass die neue Administra-tion unter Präsident Obama quasi das relativiert, wasnoch von der alten Administration, auch auf dem Fi-nanzgipfel in Washington, angelegt worden ist. Relativsicher macht mich da nicht etwa irgendeine moralischeLäuterung, sondern das nackte ökonomische Interessedes Landes, das den höchsten Kapitalimportbedarf aufder ganzen Welt hat, und das vor dem Hintergrund enor-mer Defizite, die finanziert werden müssen. Das heißt,dieses Land muss ein massives Interesse an der Wieder-herstellung der Integrität seiner Finanzmärkte haben,weil sonst der riesige Kapitalbedarf in Billionenhöhenicht gedeckt werden kann.DdnEsKnScwApPsmVtdmgzmdgkswmlgspduStmddSNsImdIm
ch will der guten Ordnung halber darauf aufmerksamachen, dass nicht der Eindruck entstehen sollte, als
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Präsident Dr. Norbert Lammertkönne die Öffentlichkeitsarbeit die parlamentarische Be-ratung ersetzen.
Nun hat der Kollege Brüderle das Wort für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-desregierung hat für das Boomjahr 2006 die Störungdes gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt.Sie tut es jetzt in der Rezession wieder – das zweite Malin vier Jahren. Das lässt nur den Schluss zu: Dieseschwarz-rote Regierung ist selbst eine sehr ernsthafteund nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts.
Die Große Koalition endet, wie sie begonnen hat. Sieist in das Boomjahr 2006 mit einem Ausgabenprogrammgestartet, das die Bürger mit der größten Steuererhöhungder Republik bezahlen mussten. Nun geht sie mit mehre-ren Paketen zur Konjunkturstützung zu Ende. Man kanndas konsequent nennen. Die schwarz-rote Koalition hatvier Jahre lang die Ausgaben immer weiter erhöht, denBundeshaushalt aufgebläht und Strukturen kaum verbes-sert. Sie haben Ihre Zeit nicht genutzt.
Das erinnert an den chronisch Kranken, der jahrelangmit immer neuen Aufputschmitteln über Wasser gehal-ten wird, statt ihn nach der richtigen Diagnose mit einerguten Medizin ordentlich zu kurieren.Bei Antirezessionsmaßnahmen gilt die Devise:schnell, spürbar und zielgerichtet. Konjunkturpro-gramme können überhaupt nur wirken, wenn zeitnah aufdie Krise reagiert wird, wenn die Mittel zusätzlich zurVerfügung gestellt werden, sie also nicht andere geplanteAnschaffungen und Investitionen verdrängen, und sie ei-nen kräftigen, psychologisch entscheidenden Impuls ge-ben.Die Maßnahmen von Schwarz-Rot sind zögerlich,kleinteilig und diffus.
Lobby- und Ressortinteressen stehen im Vordergrund.
Das Programm, das Schwarz-Rot heute vorgelegt hat,wird nur verzögert wirken. Das ergibt dann keinen Im-puls für die Konjunktur, sondern Verdrängungseffekteund Preissteigerungen.Wenn es stimmt, dass 50 Prozent der Wirtschaftspoli-tik Psychologie sind, dann muss man sagen, dass Ihr Pa-ket komplett durchgefallen ist.Zdps8mdojtjgtrjewpfDgvdSDdlDgIAVdKt„kdDh
wei Drittel der Bürger glauben nämlich nicht daran,ass die Wirtschaftskrise mit diesem neuen Ausgaben-rogramm bewältigt werden kann. Drei Viertel der Deut-chen erwarten keinen positiven Effekt für sich selbst.
0 Prozent der Menschen glauben, dass sie 2009 nichtehr netto im Geldbeutel haben werden. Demnach istas Programm schon verpufft.
Die Große Koalition wollte die Wahl in Hessen ganzffensichtlich auch zu einer Abstimmung über das Kon-unkturpaket machen. Anders waren die Schauveranstal-ungen der ersten Januarwochen nicht zu erklären. Kon-unkturgipfel, Regierungserklärungen – Sie haben Ihreanze Inszenierungsklaviatur eingesetzt. Das hat poli-isch nicht gewirkt. Die Abstimmung über die schwarz-ote Wirtschaftspolitik haben Sie verloren. Sie solltenetzt aufwachen.
Die deutsche Wirtschaft hat im letzten Jahr Waren mitinem Wert von 1 200 Milliarden Euro exportiert. Auchenn der Export jetzt in Teilen einbricht: Konjunktur-rogramme in Höhe von 30, 40 oder 50 Milliarden Euroühren nicht dazu, das auszugleichen.
as begreifen die Menschen draußen im Land.Dennoch ist unstrittig, dass der Staat in der derzeiti-en Krise nicht passiv bleiben kann. Unsere Auffassungon dem, was die Regierung tun sollte, ist aber eine an-ere.
eit acht Jahren dümpelt die Binnennachfrage ineutschland vor sich hin. Wer die private Nachfrageauerhaft anregen will, darf sich nicht auf Einmalzah-ungen an bestimmte Verbrauchergruppen beschränken.azu brauchen wir dauerhafte, deutliche Steuersenkun-en für alle.
m Aufschwung kann sich der Staat dann bei seinenusgaben zurückhalten und die Staatsquote sowie dieerschuldung zurückfahren.Auch wenn manche Ihrer Ansätze, zum Beispiel beier Bildungsinfrastruktur, nicht verkehrt sind: Demonjunkturprogramm, so wie es von den Koalitionsfrak-ionen vorgelegt worden ist, kann man eigentlich nur einSo nicht!“ entgegenhalten. Mit diesem Konjunkturpa-et werden viele Fehler der 70er-Jahre wiederholt. Nacher Ölkrise wurden 13 Konjunkturprogramme aufgelegt.as Ergebnis waren mehr Schulden, weniger Wachstum,öhere Arbeitslosigkeit.
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Rainer Brüderle– Herr Kauder, die FDP hat im Gegensatz zu anderen ausdiesen Fehlern gelernt. Sie wiederholen diese Fehler innoch größerer Dimension. Das ist der Unterschied, HerrKauder.
Die Erfahrungen zeigen ganz klar: Der Staat über-nimmt sich, wenn er den Konjunkturzyklus entscheidendglätten will. Das Ergebnis ist meist ein Strohfeuer undhohe Staatsverschuldung. Noch schlimmer: Der Staatwird vom Schiedsrichter zum Mitspieler. Sie verstoßenbei vielem gegen die marktwirtschaftliche Ordnung.Es ist ordnungspolitisch verfehlt, wenn man es einzelnenUnternehmen, die Fehlentscheidungen getroffen haben,ermöglichen will, diese Fehler durch Staatsgeld zu kom-pensieren. Je größer die Unternehmen sind, umso leich-ter sind Sie bereit, Geld lockerzumachen: „too big tofail“. Der Mittelstand, die Handwerker schauen in dieRöhre; aber Großkonzernen wird die Türe aufgemacht.Das ist der Unterschied.
Der Staat müsste der Wirtschaft helfen, aus den Pro-blemen herauszukommen, mit ihnen fertig zu werden. Ermüsste den Strukturwandel fördern, die Investitionsbe-dingungen dauerhaft verbessern, die Belastung durchSteuern und Abgaben verringern und Leistungsträger er-muntern. Aber das Häuflein der Marktwirtschaftler inder Union wird immer kleiner. Mindestlohn, Erbschaft-steuer, Schuldenbremse – es genügt nicht, wenn die we-nigen Wirtschaftler in der Union gelegentlich Miau ma-chen; sie müssen einmal die Krallen zeigen und sich zuder sozialen Marktwirtschaft bekennen.
Die letzten marktwirtschaftlichen Widerstandsnester inder Union sind die Haushälter, die noch kämpfen, aberwohl auf verlorenem Posten.Den Grünen rufe ich noch zu: Sie sollten Ihre Carteblanche für den Bundesrat noch einmal überdenken. An-gesichts des Paketes hier im Bundestag von einer Voo-doo-Ökonomie zu sprechen,
aber ansonsten die zur Schau gestellte Generationenge-rechtigkeit gleich zu vergessen, ist sehr zwiespältig, sowie vieles bei den Grünen.
Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
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ch bin davon überzeugt, dass bei aller Diskussion darü-er, ob die eine oder andere Maßnahme richtig ist, dieenschen danach urteilen werden, ob sie die Ernsthaf-igkeit spüren, mit der an diese Aufgabe herangegangenird.In diesen Tagen treffen sich in Davos, wohin auch ei-ige unserer Kollegen fahren werden, Wirtschaftsführernd Vertreter von Staaten aus der ganzen Welt. Analy-iert man die Diskussionen der ersten Stunden und Tagen Davos, so spürt man, dass auch diejenigen, die sich alsachleute bezeichnen, nicht wissen, in welchem Stadiumer Krise wir uns jetzt befinden, in welchem Stadiumich dieser Prozess befindet, und dass es gar nicht so ein-ach ist, richtige Konzepte zu entwickeln.Aber im Unterschied zu denen in Davos, die vor al-em darüber reden, was gemacht werden muss, habenir die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen. Wir habennsbesondere die Aufgabe, den Menschen klar zu sagen,as die ganzen Maßnahmen sollen, die wir jetzt organi-ieren. Es geht doch nicht darum, dass wir Bankern Geldeben. Es geht auch nicht darum, dass wir der einen odernderen Wirtschaftsbranche Unterstützung geben. Dientscheidende Botschaft heißt vielmehr: Wir leisten denns, den dem Staat möglichen Beitrag, um den Men-chen eine Perspektive zu geben, durch diese schwererise zu kommen. Dies ist unsere Aufgabe.
Eine Perspektive zu geben, durch diese Krise zu kom-en, hat zwei Elemente.Erstens kommen die Menschen dann gut durch dierise, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten können.eswegen ist zentrale Maßnahme dieses zweiten Pakets,as wir heute mit der ersten Lesung auf den Weg brin-en, den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Landeurch den Erhalt von Arbeitsplätzen eine Perspektiveufzuzeigen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Aktivi-äten, so die Investitionen im kommunalen Bereich.Ein Instrument wird heute auch in den Wirtschaftstei-en der großen Zeitungen besonders gelobt. Da wirdesagt: Gott sei Dank hat die Regierung, hat diese Koali-ion das Instrument der Kurzarbeit als Stabilisierungsin-trument erkannt. Dass wir das Instrument der Kurzar-
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Volker Kauderbeit als Stabilisierung in schwieriger Zeit nutzen können,liebe Kolleginnen und Kollegen, hat etwas damit zu tun,dass diese Große Koalition in den letzten drei Jahren ihreAufgaben gemacht hat und das Sozialversicherungssys-tem der Bundesagentur zum ersten Mal seit Jahrzehntenkeine Schulden hat, sondern dort eine veritable Rücklagevon 17 Milliarden Euro liegt, die jetzt eingesetzt werdenkann. Das ist nicht nur ein Erfolg der Großen Koalition,der Regierung. Das ist das Ergebnis einer großen Ge-meinschaftsleistung der Bürgerinnen und Bürger, derUnternehmer, aber eben auch der richtigen Politik.
Der zweite Punkt, an dem die Menschen festmachen,dass sie mit Perspektive durch diese schwierige Zeitkommen, ist, ob das, was sie zu ihrer Alterssicherungoder zur Finanzierung der Ausbildung ihrer Kinder ge-spart haben, erhalten bleibt. Deswegen ist die Stabilisie-rung der Banken nicht nur ein Thema für die Bankenselbst, sondern die Stabilisierung der Banken bedeutetauch einen Schutz der Spareinlagen der Bürgerinnenund Bürger in unserem Land. Deswegen machen wirdiese Maßnahmenpakete.
Ich kann nur darauf hinweisen, dass die Marktwirt-schaft auch in dieser schwierigen Zeit ihre Berechtigungund ihre Bedeutung hat. Ich muss aber auch sagen: Eswäre unverantwortlich, wenn wir eine Bank in den Kon-kurs gehen lassen würden, weil wir damit nicht nur denWert der Aktien der Banker, derjenigen, denen die Bankgehört, vernichten würden, sondern in unübersehbarerFolge auch Spareinlagen sowie Zukunfts- und Lebens-chancen der Menschen in unserem Land. Die Finanz-krise ist in unserem Land mit voller Wucht angekom-men, als in den USA Lehman Brothers in Konkurs ge-gangen ist. Eine solche Entscheidung kann ich mir inDeutschland, in unserem Land nicht vorstellen.
Herr Brüderle, ich gebe Ihnen ja völlig recht: In einerMarktwirtschaft ist es nicht die erste Aufgabe des Staa-tes, darüber zu entscheiden, welche Firma aufgrund ihrerganz konkreten Risikostruktur weitergeführt werdenkann und welche nicht, wenngleich ich auch sage, dassdies bis weit hinein in unsere Wahlkreise in der Vergan-genheit, wenn es um Bürgschaften usw. ging, immerwieder auch mit Unterstützung von Politikern gemachtworden ist. Trotzdem warne ich davor, zu glauben, dassin einem Ministerium – bei allem Respekt, Herr Bundes-finanzminister – eine Heerschar von Beamten entschei-den kann, wer Zuwendung, wer Kredit, wer was be-kommt.Auch wenn wir diese Ansicht miteinander teilen,komme ich doch zu einem ganz anderen Ergebnis, näm-lich zu dem Ergebnis, dass es jemanden geben muss, derdiese Aufgabe übernimmt: Das ist unsere Bankenstruk-tur. Deswegen, Herr Finanzminister, begrüße ich es au-ßerordentlich, dass Sie angekündigt haben, noch einmalzu überlegen und mit uns in den Bundestagsfraktionennoch einmal darüber zu sprechen, was getan werdenmuss, damit der Interbankenverkehr wieder in GangkwdgsSwRsdndsv–AdIurigtFVzgAwm–dgsDnkBdwn
Deswegen muss bei den Banken zweierlei überlegterden.Erstens. Wir wissen, dass bei den Banken noch immerisikopapiere liegen, die das Geschäft offenkundig er-chweren. Zur Lösung dieses Problems gibt es verschie-ene Vorschläge. Ich sage gleich einmal, was ich miricht vorstellen kann: Ich kann mir nicht vorstellen, dasser Bund zur bundesweiten Sondermülldeponie für toxi-che Papiere aller Banken wird. Das kann ich mir nichtorstellen.
Ich bin mit der FDP bei einem wichtigen Punkt einig.uch gut!Wenn ich sage, was ich mir nicht vorstellen kann,ann folgt die Frage: Was kann man sich vorstellen?
ch kann mir das, worüber im Bundesfinanzministeriumnd in der Bundesregierung diskutiert wird, durchaus alsichtigen Weg vorstellen, nämlich zu sagen: Jedes Bank-nstitut trägt Verantwortung für seine nicht so werthalti-en Papiere. Deswegen überlegen wir, ob wir es bilanz-echnisch ermöglichen sollen, diese Papiere in andereormen, in Zweckgesellschaften auszulagern, aber in dererantwortung der einzelnen Bank zu lassen. Dabei istu überlegen, wie dies über einen längeren Zeitraum ab-esichert werden kann.Die Österreicher haben das Modell einer gestrecktenbschreibung – mit vielen Vorteilen. In der Fachweltird darüber diskutiert, ob man eine Risikoversicherungachen muss. Man kann über alles reden. Dieses Modell die Verwaltung der Papiere in eigener Verantwortunger Banken – führt im Übrigen auch dazu, dass die Ei-entümer, die Aktionäre dieser Banken, an diesem Ri-iko mitbeteiligt werden und nicht nur der Steuerzahler.as ist genau der richtige Weg.
Herr Bundesfinanzminister, ich würde Sie bitten, ei-en zweiten Punkt im Zusammenhang mit diesen Dis-ussionen jetzt auf den Weg bringen. Dies betrifft dieankenaufsicht. Man kann ja viel behaupten, aber dassie Krise durch die Große Koalition bewirkt worden sei,ie ich das bei Zwischenrufen aus den Reihen der Grü-en gehört habe, glaubt wirklich niemand mehr.
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Volker KauderEs glaubt jedoch auch niemand, dass die Bankenauf-sicht, so wie sie jetzt aufgestellt ist, für die neuen He-rausforderungen richtig strukturiert ist.
Wir haben in der Unionsfraktion Vorschläge entwickeltund möchten, dass wir jetzt darüber diskutieren. Ichkann mir vorstellen, dass wir die Bankenaufsicht, dienoch getrennt ist, bei der Bundesbank, also in einer Be-hörde, konzentrieren; dort sollten wir alles zusammen-führen.
Ich kann mir auch vorstellen, dass wir parallel zu diesemModell, das ja offenbar breite Zustimmung in diesemHause findet,
eine europäische Bankenaufsicht bei der EuropäischenZentralbank in Frankfurt einsetzen. Die einen üben dienationale Aufsicht aus, und bei der EZB in Frankfurtwerden Produkte geprüft und zertifiziert.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehenalso: Wir sind in dieser Krise stark genug, um Orientie-rung zu geben.Jetzt will ich an die Opposition gerichtet sagen: Wirhaben auch in den eigenen Reihen Diskussionen. Wirkommen dann aber zu Entscheidungen, die wir durch-führen. Jetzt will ich angesichts der vielen Meinungen,die es gibt, gar nicht sagen, dass das eine oder anderenicht auch überlegt werden kann. Aber um eines bitte ichim Interesse unseres Landes: Es sollte keine Diskussiongeführt werden, die weit ab von der Wirklichkeit und derErfahrungswelt der Menschen in unserem Land ist. Da-rum bitte ich.Jetzt komme ich zu einem Punkt, der uns in der Koali-tion wichtig war. Wir haben in den vergangenen dreiJahren dieser Großen Koalition gezeigt, dass Haushalts-sanierung und Haushaltskonsolidierung für uns ernsteund wichtige Themen sind.
Von einem strukturellen Defizit von 60 Milliarden Euround einer Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euroim Jahr 2005 wollten wir zu einem strukturellen Defizitvon null und einer Nettokreditaufnahme von null im Jahr2011 kommen; ohne die Wirtschaftskrise hätten wir daserreicht.
Das zeigt doch, dass unser Weg der Konsolidierung undder Zurückführung der Schulden richtig war.
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hne Schuldenbremse und ohne Tilgungsplan wird die-es Konzept nicht auf den Weg gebracht.
Herr Kuhn, ich habe sehr wohl gelesen, was Sie ges-ern oder heute zu diesem Thema gesagt haben. Es istöllig richtig: Die beste Lösung wäre, wenn wir eine ge-amtstaatliche Schuldenbremse einführen könnten.
Das ist doch unbestritten; das haben wir doch immeresagt.
ir wollen, dass Bund und Länder diese Schulden-remse gemeinsam beschließen. Genau daran arbeitenoch Peter Struck und Günther Oettinger gerade.Am 5. Februar findet die wohl entscheidende Sitzunger Föderalismuskommission II statt, in der über dieseshema gesprochen wird. Ich sage nicht nur in Inter-iews, sondern auch an diesem Rednerpult: Ich habe denunsch und die Bitte, dass die Länder einen Vorschlagachen, wie es gelingen kann, zu einer gemeinsamenchuldenbremse zwischen Bund und Ländern zu kom-en.
ur gleichen Zeit sage ich aber auch: Ohne eine Schul-enbremse kommt das Paket nicht. Deswegen weiß je-er, wie im Augenblick die Bedingungen dafür sind.
Herr Kollege Westerwelle, ich nehme an, dass die Lan-esvertretungen ihren Regierungen schon berichten wer-en und die Ministerpräsidenten wissen, welche Forde-ungen wir haben. Im Übrigen sitzen wir am 5. Februarit den Vertretern der Länder zusammen in der Kom-ission. Dann wird darüber noch einmal gesprochen.Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir befinden unsn einer Zeit großer Herausforderungen. Ich finde, dassir mit diesem Maßnahmenpaket den Herausforderun-en gerecht werden und dass wir sehr wohl die Botschaft
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Volker Kauderformulieren können: Wir müssen nicht nur zuschauen,wir sind der Situation nicht nur ausgeliefert. Wir könnenvielmehr etwas leisten. Wir als Deutsche sind in Europastärker als jedes andere Land. Deswegen kommt es aufunsere Signalwirkung und unsere Motivation ganz ent-scheidend an.
Das Wort erhält nun der Kollege Oskar Lafontaine,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir stehen tatsächlich vor einer großen Herausfor-derung; das ist in diesem Hohen Hause bei allen Fraktio-nen sicherlich zustimmungsfähig. Die Frage ist, ob dieBundesregierung die richtigen Antworten auf diesegroße Herausforderung gibt.
Eine große Herausforderung ist die Lösung der soge-nannten Bankenkrise. Hierzu hat sich der Bundes-finanzminister eingelassen; es war sehr interessant, ihmzuzuhören. Er hat beispielsweise gesagt, es gebe keinDrehbuch. Wenn man das hier so vorträgt, dann machtman es sich etwas zu einfach. Es geht bei der Banken-krise zunächst um die Frage, die wir hier auch diskutierthaben: Gab es Staatsversagen? Das war die Meinung dereinen Seite dieses Hauses. Dann geht es um die Frage:Gab es ein großes Versagen der Vorstände der Bankenoder der Banken überhaupt? Das war der Schwerpunktder anderen Seite dieses Hauses. Die Konsequenz ausden Diskussionen der letzten Monate ist, dass es auf dereinen Seite in großem Umfang Staatsversagen und aufder anderen Seite in großem Umfang Versagen von Ban-kern durch Veruntreuung und Verschleuderung von Mil-liarden gab. Diese Konsequenzen müssen wir hier sehen.
Dann müssen wir fragen: Was können wir jetzt tun,um eine solche Krise zukünftig zu vermeiden? Auf dereinen Seite muss der Staat anders handeln als in der Ver-gangenheit. Auf der anderen Seite müssen die Bankerangehalten oder genötigt werden, anders zu handeln, alssie bisher gehandelt haben. So einfach sind im Grundegenommen die Konsequenzen, die aus den bisherigenEreignissen zu ziehen sind.Nun hat der Bundesfinanzminister hier gesagt, esgebe kein Drehbuch. Ich sage noch einmal: So einfachsollte man es sich nicht machen. Es gab hierzu den Zwi-schenruf: Wer kein Drehbuch hat, sollte jetzt zurücktre-ten, weil er keine Antworten auf die Herausforderungenhat.
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un ist diese Herausforderung nicht völlig mit der jetzi-en Situation vergleichbar, aber in vielen Dingen ist sies natürlich schon.Ich möchte Ihnen erklären, warum wir, die Fraktionie Linke, für das schwedische Modell plädieren. Wirlädieren nicht deshalb für das schwedische Modell,eil wir der Auffassung sind, der Staat sei der bessereanker – es gibt einige solcher Klischees, die ständigiedergekäut werden –, sondern weil wir der Auffas-ung sind, dass diese Regierung die verdammte Pflichtat, die Verwendung von Steuergeldermilliarden zu kon-rollieren. Das ist der Kern dieser Auseinandersetzung.
as tun Sie aber überhaupt nicht. Ich wiederhole: Dieseundesregierung veruntreut in großem Umfang Steuer-eld – in Milliardenhöhe –, indem sie Schecks verteilt,hne sicherzustellen, dass das Geld auch ordentlich ver-andt wird. Das ist der Kern des Problems.
Das bedeutet ganz konkret: Wenn man einer großeneschäftsbank, der Commerzbank, 18 Milliarden Euroinüberschiebt, dann muss man auch folgende Frageneantworten können: Erstens. Können sie solche Gelderieder außerhalb der Bilanz verwenden? Zweitens.önnen sie solche Gelder vielleicht in Steueroasen ver-chieben? Drittens. Können sie solche Gelder verwen-en, um wieder Schrottpapiere zu kaufen? Keines dieserrobleme haben Sie gelöst!
s ist unglaublich, welch katastrophales Versagen undelche Ahnungslosigkeit man immer wieder feststellenuss, wenn man Ihnen zuhört.Wir haben versucht, Ihnen auf die Sprünge zu helfen.
ir haben gesagt: Wenn Sie unseren Vorstellungen nichtolgen wollen, sollten Sie zumindest die Vorschläge deshemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt ernst neh-en. Er hat einen Katalog zur Regulierung der Finanz-ärkte vorgelegt, der weit besser ist als das, was Sie bis-er vorgetragen haben. Es ist unglaublich, dass Sie dasommentarlos abgelehnt haben.
Nun komme ich zu meinem zweiten Punkt, zum Kon-unkturprogramm. Das Konjunkturprogramm ist na-
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Oskar Lafontainetürlich in vielen Punkten richtig angelegt. Es ist aber vielzu klein bemessen, und es ist sozial unausgewogen. DerBundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, dass dieaußenwirtschaftliche Verflechtung der BundesrepublikDeutschland 40 Prozent beträgt und dass die außenwirt-schaftliche Verflechtung Deutschlands weitaus größer istals die Japans, der Vereinigten Staaten von Amerika oderChinas. Das alles ist richtig. Gleichzeitig fällt die Ant-wort, die Deutschland auf die konjunkturelle Krise gibt,ungleich zögerlicher aus als die Antwort der Staaten, dieich gerade nannte. Das muss doch zumindest einmal the-matisiert werden.
Wir lassen uns wieder einmal von den anderen ziehenund glauben, wir könnten endlos so weitermachen.Sie müssen auch einmal ein Argument anführen – ir-gendein Argument!
Sie haben wieder einmal betont, das Konjunkturpro-gramm sei angemessen dimensioniert. Ich habe Sie voreiniger Zeit darauf hingewiesen, dass der ehemaligeBundeskanzler Helmut Schmidt – es ist natürlich ein biss-chen boshaft, das hier zu sagen – erwähnt hat, dass man,um einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit um etwa2 Prozent zu kompensieren, mindestens 3 bis 4 Prozentdes Sozialprodukts aufbringen muss. Sie müssen einmalein Argument anführen, warum Sie das nicht tun. Alleindie Anwendung der Grundrechenarten müsste Sie ei-gentlich dazu bringen. Es ist an der Zeit, dass Sie IhrePolitik umstellen.
Als der Bundesfinanzminister die Verschuldungssi-tuation dargestellt hat, war von unserer Seite ein Zurufzu hören. Ich frage Sie: Ist es von der Opposition dennwirklich vermessen, Sie darauf hinzuweisen, dass Siehier noch vor dreieinhalb Monaten absoluten Unsinnvorgetragen haben?
Sie haben an dieser Stelle ausgeführt, Sie würden dieKonsolidierungsziele einhalten, und die Staatsquotewürde sinken. Angesichts dessen, dass Sie noch vor dreiMonaten solch einen Unsinn von sich gegeben haben,wundert man sich, mit welch einer Frechheit und Dreis-tigkeit Sie hier auftreten.
Herr Bundesfinanzminister, weil Sie gerade lächeln– das ist immer so schön –, nun zu Ihnen. Kürzlich hat-ten Sie die Ehre, vom Träger des Wirtschaftsnobel-preises 2008 in der New York Times erwähnt zu werden.Er hat einen wunderbaren Artikel über die ökonomi-schen Konsequenzen der Politik des Herrn Steinbrückgeschrieben und Ihre Fehler erläutert; anscheinend lesenSie solche Artikel aber nicht, oder sie gehen einfach anIhnen vorbei.shpäbgndI„krWAtlDzswwZurwetgFSdwdmdEgskz
„Boneheadedness“ – dieses Wort wird Ihnen in denächsten Jahren an der Backe kleben. Das ist ein wun-erbarer Begriff, um Ihre Arbeit zu beschreiben.
ch wiederhole: Mit den Begriffen „Dummheit“ undHolzköpfigkeit“ wurden Ihre Bemühungen, auf dieonjunkturellen Herausforderungen der Welt zu reagie-en, charakterisiert.
Es ist nun einmal so: Die größte Exportnation derelt kann in einer weltwirtschaftlichen Krise diesesusmaßes im Vergleich zu allen anderen Industriestaa-en nicht eines der kleinsten Konjunkturprogramme vor-egen.
as ist das Versagen, das man Ihnen vorwerfen muss.Mein letzter Punkt. Sie wollen einen Fonds zur Stüt-ung der Industrie auflegen. Das ist nach unserer Auffas-ung richtig. Denn wir wissen nicht, ob in nächster Zeiteitere Rettungsaktionen erforderlich sein werden bzw.elches Ausmaß sie haben werden. Es wird in diesemusammenhang, übrigens auch von den Kolleginnennd Kollegen der liberalen Fraktion, immer wieder da-auf hingewiesen, dass man Großbetriebe unterstützt,ährend man kleine Betriebe nicht unterstützt; das istin Zwiespalt, in dem sich jeder, der Verantwortungrägt, befindet. Das ist natürlich eine völlig unbefriedi-ende Situation. Aber das ist auch eine moralischerage: Wenn Großbetriebe Pleite machen, entsteht eintrudel, in den viele Kleinbetriebe hineingezogen wer-en. Deshalb kann der Staat nicht tatenlos zusehen,enn Großbetriebe Konkurs anmelden. Ich muss das inieser Klarheit einmal ansprechen.Die Bundesregierung diskutiert jetzt darüber, wiean sich im Fall Schaeffler verhalten soll. Natürlich istiese Diskussion notwendig; aber man muss zu einemrgebnis kommen. Es geht hier nicht darum, das Vermö-en von Frau Schaeffler zu retten oder sie risikofrei zutellen, es geht um 200 000 Arbeitsplätze. Der Staatann nicht tatenlos zusehen, wenn Fehlentscheidungenur Gefährdung dieser 200 000 Arbeitsplätze führen.
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Oskar Lafontaine
Deshalb ist es richtig, wenn der Staat sowohl bei Opelals auch bei Schaeffler als auch bei anderen Betriebenversucht, lenkend einzugreifen. Das vertrete ich hier fürunsere Fraktion.Auf der anderen Seite sollten wir aus den Fehlent-scheidungen der Vergangenheit endlich Lehren ziehen.Schon in den 60er-Jahren ist darüber diskutiert worden,ob es richtig ist, im Rahmen der regionalen Struktur-förderung Millionen zu geben – damals ging es nochum Millionen –, die letztlich den privaten Anteilseignernzukommen. Dies sei, so hat der sozialdemokratischeWirtschaftsminister Karl Schiller wörtlich gesagt, vertei-lungspolitisch problematisch. Seit den 60er-Jahren wirddarüber diskutiert; doch geändert hat sich überhauptnichts.Als die Mauer fiel und es darum ging, die Frage zubeantworten, was aus dem Staatsvermögen der DDRwerden soll, haben wir die Privatisierung als Antwortgegeben. Dabei hätten wir die Chance gehabt, eine an-dere Wirtschaftsstruktur anzugehen. Jetzt haben wirwieder diese Chance, weil der Staat in großem Umfangherausgefordert sein wird, Betriebe zu unterstützen.Die Linke gibt allerdings nicht die Antwort der Ver-staatlichung, wie sie ein Ministerpräsident der CDU ge-geben hat und wie die Bundeskanzlerin der Presse zu-folge vernehmbar war. Die Linke sagt vielmehr:Belegschaftsbeteiligungen sind die richtige Antwort,wenn der Staat in großem Umfang eingreifen muss.
Die Mitarbeitergesellschaft ist für uns die Gesellschaftder Zukunft. Wir müssen uns wieder der Frage stellen,wie wir die Demokratie in unserem Lande verwirklichenkönnen.Ein Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfa-len hat nach dem Kriege gesagt: Demokratie in der Poli-tik und Absolutismus in der Wirtschaft, das wird aufDauer nicht gut gehen. Wir haben jetzt die Chance,durch Belegschaftsbeteiligungen und Mitarbeitergesell-schaften den Absolutismus in der Wirtschaft abzubauen.
Das Wort erhält nun der Kollege Jürgen Trittin,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tatbefinden wir uns in der schwersten Krise seit Jahrzehn-ten. Wenn Sie die Zahlen des letzten Quartals 2008hochrechnen, sehen Sie, dass die Schätzung, dass wir indiesem Jahr einen Rückgang von 2,25 Prozent habenwerden, noch optimistisch ist, und das trotz des größtenKonjunkturprogramms.Aber ich muss mich schon wundern, Herr Lafontaine,dass in dieser ernsten Situation immer noch Leute auftre-ten, die das anscheinend für eine Gelegenheit zum Abzo-cPgdFb1wFWiwSufBgsOrsVDmSe1ikBmwlmÜadag
rau Schaeffler marschiert im Pelzmantel – echter Pelz! –ei Herrn Glos vorbei, hält die Hand auf und sagt:,5 Milliarden Euro, finanziert mir bitte eine größen-ahnsinnige Übernahme, die ich als eine der reichstenrauen dieser Republik gegen die Wand gefahren habe. –as hier praktiziert wird,
st die Folge davon, dass ein schlechtes Beispiel gegebenurde.
chlechte Beispiele verderben gute Sitten, heißt es nichtmsonst. Das schlechte Beispiel haben Sie selber gelie-ert: Das erste Paket, das CDU/CSU und SPD gegen dieankenkrise geschnürt haben – und die FDP hat dem zu-estimmt –, war ein solches schlechtes Beispiel. Heuteagt die FDP – ich habe genau zugehört, Herr Brüderle –:hne Kontrolle wurden 100 Milliarden Euro herausge-eicht, plus 400 Milliarden Euro an Bürgschaften.
Jetzt stellt sich der Bundesfinanzminister hier hin undagt: Das, was wir damit erreichen wollten, nämlich dieerhinderung einer Kreditklemme, wurde nicht erreicht.ie Kreditkonditionen für die Wirtschaft haben sich dra-atisch verschlechtert.
ie ziehen aus dieser Situation die Konsequenz, dass Sieinen Deutschlandfonds mit einem Volumen von00 Milliarden Euro auflegen. Dieser Deutschlandfondsst Ihr eigenes Eingeständnis, dass Sie bei diesem Ban-enrettungspaket falsch gehandelt und ein schlechteseispiel geliefert haben.
Sie sagten: Wenigstens das Interbankengeschäftuss angekurbelt werden. – Wenn Ihnen das gelungenäre, hätten Sie dann wirklich mittlerweile 92 Mil-iarden Euro in die Hypo Real Estate hineinpumpenüssen? – Nein! Wäre es dann nötig gewesen, für diebernahme von 25 Prozent der Commerzbank, die heuten der Börse noch 3 Milliarden Euro wert ist, bzw. fürie Teilverstaatlichung insgesamt 18,5 Milliarden Eurouszugeben? – Nein, das alles wäre nicht nötig gewesen.
Es wäre erstens richtig gewesen, dass die Bankmana-er den Schutzschirm nicht freiwillig nutzen können,
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Jürgen Trittinsondern dass sie verpflichtet werden, dies zu tun. Eswäre zweitens richtig gewesen, dies durch eine Teilver-staatlichung zu erreichen, und es wäre drittens richtiggewesen, als Anteilseigner dieser Banken das zu errei-chen, um was es bei diesem Paket, so Herr Kauder, an-geblich ging, nämlich die Wiederherstellung eines funk-tionierenden Finanzmarktes in diesem Lande. Das habenSie nicht getan. Herr Minister, Sie haben in der Tat Geldverbrannt.
Hinsichtlich des zweiten Versuchs haben Sie uns dannerzählt, dass das jetzt ein transparentes Verfahren ist unddass Sie erneut einen Schattenhaushalt aufbauen. FrauMerkel, Sie haben hier sogar gesagt, dass der Erblasten-tilgungsfonds ein Musterbeispiel dafür sei, wie man ge-tilgt habe. Die Wahrheit ist: Von den 156 MilliardenEuro sind durch den damaligen Verkauf der UMTS-Li-zenzen 34 Milliarden Euro getilgt worden. Der Rest istaus dem Schattenhaushalt herausgenommen worden.Frau Merkel, Sie haben sich hier auf die schwäbischeHausfrau berufen. Was macht man mit einer schwäbi-schen Hausfrau, die nicht rechnen kann? Führt man eineExtrakehrwoche ein?
Nein, Herr Steinbrück, ich glaube, dass Sie Grundhatten, sich hinsichtlich der Skepsis gegenüber den Wirt-schaftswissenschaftlern heute hier so bedeckt zu halten;denn es kommt ja in der Tat nicht alle Tage vor, dass einamtierender Finanzminister von einem frischgekürtenNobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften so ver-nichtend kritisiert wird, wie das hier geschehen ist. Ichglaube aber dennoch, dass Paul Krugman recht hat: Diein diesem Paket enthaltenen Maßnahmen wirken zulangsam, zu zaghaft und nicht zielgenau. Sie verfehlendamit genau das Ziel der Stärkung der Binnennachfragebei Wegbruch der Exportnachfrage.Dafür muss man investieren. Sie sagen selber, dassdas Geld, das an die Kommunen gezahlt wird, frühestensin der zweiten Hälfte dieses Jahres als Investitionsleis-tung auch in der Wirtschaft ankommen wird. Wahr-scheinlich wird das erst 2010 der Fall sein. Wenn Sie bisdahin etwas erreichen wollen, dann hätten Sie aber dieKonsumnachfrage stärken müssen.
Das ist ganz einfach. Diese einfache Wahrheit hätte aberzur Konsequenz gehabt, dass Sie gezielt Geringverdie-ner entlasten müssen und nicht mit der Schrotflinte inder Gegend herumballern dürfen.
Was machen Sie? – Sie senken die Steuern für jeneHälfte der Bevölkerung, die Einkommensteuer zahlt. Dieandere Hälfte hat nichts davon. Das sind aber die Ärme-ren und die, durch die der Konsum steigen würde. Daskostet Sie 7 Milliarden Euro. Was könnte man mit7SesstdWnB1hRShSugdegsWlikHAs2wdPsigtmDsiMdftd
Lieber Herr Steinbrück, Sie haben hier auf verschie-ene Krisen verwiesen, die sich überlagern. Vielleicht ists unter den Bedingungen der Globalisierung vernünftig,elegentlich über die eigenen Grenzen hinwegzu-chauen. Was machen Leute wie Obama?
as empfehlen Krugman oder – für die CDUler viel-eicht kompatibler – der Kollege Töpfer? Sie empfehlen,n Bereiche zu investieren, die uns nach einer Krise zu-unftsfähiger, wettbewerbsfähiger machen. Wenn Sie,err Steinbrück, zum Beispiel eine Strukturkrise in derutomobilindustrie diagnostizieren, dann müssen Sieich der Frage stellen: Was sind die Bereiche, die in0 Jahren blühen und weiter wachsen werden? Wofürollen wir in der Zukunft arbeiten? In was wollen wir iner Zukunft investieren?Diesen Fragen haben Sie sich beim Schnüren Ihresakets erkennbar nicht gestellt. Dabei sind sie gar nichto schwer zu beantworten. Wir müssen heute in all dasnvestieren, was unsere Wirtschaft nachhaltig unabhän-iger macht. Wir müssen vor allen Dingen in das inves-ieren, was dazu beiträgt, dass auf eine kohlenstoffär-ere Produktion umgestellt wird.
as ist die eigentliche Herausforderung. Da verknüpfenich Klimakrise und Finanzkrise. Das heißt, Sie müssenn Modernisierung, vor allen Dingen in ökologischeodernisierung investieren. Dafür hätten Sie Geld inie Hand nehmen müssen. Das kann man auch schulden-inanziert verantworten, weil es für kommende Genera-ionen eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen be-eutet. Aber was tun Sie? Sie investieren blind in all das,
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Jürgen Trittinwas die verschiedenen Lobbygruppen innerhalb der Re-gierungsfraktionen durchgesetzt haben.
Man muss sich das einmal vorstellen: Ein richtig gro-ßer Anteil der Investitionen fließt in den Neubau vonStraßen, und das in einer Gesellschaft, die kleiner wird.Das heißt, Sie versuchen, die Wirtschaftskrise im neuenJahrhundert mit den Rezepten der Nachkriegszeit, der50er- und 60er-Jahre, zu bewältigen.
Sie können natürlich sagen: Es ist wunderbar, wenn wirals künftiges Transitland ordentliche Straßen haben, überdie die anderen unser Land durchqueren können. Abermit Wertschöpfung hier vor Ort hat das alles überhauptnichts zu tun.Sie, Herr Steinbrück, diagnostizieren in dieser Situa-tion eine Strukturkrise der Automobilindustrie. Aberwas folgt daraus? Sorgen Sie dafür, dass unsere Automo-bilindustrie auf den Märkten von morgen wettbewerbs-fähiger wird? Nein! Sie organisieren über die Abwrack-prämie einen Ausverkauf der alten Flotte. Ich kannIhnen angesichts der Erfahrungen, die man in anderenLändern gemacht hat, heute schon sagen, was passiert,wenn dieser Boom zu Ende ist – Sie werden einen ge-waltigen Kater haben –: Heute werden in den Autohäu-sern noch Extraschichten gefahren; am Ende des Jahreswird diese Entwicklung umschlagen in Kurzarbeit undEntlassungen. Das ist die Wahrheit.
Die von Ihnen auf den Weg gebrachte Reform derKfz-Steuer bringt dem durchschnittlichen Golffahrer60 Euro. Aber Sie scheuen sich, die daraus resultieren-den Mindereinnahmen wieder hereinzuholen; Sie trauensich nämlich nicht, die Spritfresser, die SUVs und an-dere große Fahrzeuge angemessen, also stärker zu belas-ten.
Das ist Ausdruck der Zögerlichkeit der Großen Koali-tion. Das Ergebnis sind übrigens 1,8 Milliarden EuroMindereinnahmen. 1,8 Milliarden Euro werden künftigeGenerationen wegen dieses Konjunkturpakets zusätzlichzu zahlen haben, weil Ihnen der Mut zum Umsteuernfehlt.
Steuern heißt mit Steuern zu steuern. Sie machen eineKfz-Steuerreform –
– Schütteln Sie nicht so den Kopf, Herr Koppelin.
Diese Kfz-Steuerreform ist, was die Lenkungswirkungangeht, Ihrem Vorschlag sehr nahe, die Kfz-Steuer aufdie Mineralölsteuer aufzuschlagen. Das ist eine interes-svsv1tgÖbKwRPKSksddhnn1dgnAKJtF
Ich will Ihre Frage sehr präzise beantworten: Daseue Paket löst Investitionen in Höhe von ungefähr4 Milliarden Euro aus. Dem stehen Steuerausfälle, soie Regierungsvorlage, in Höhe von 7 Milliarden Euroegenüber. Das muss man also schon einmal gegenrech-en.
llein die Länder kostet das 3 Milliarden Euro und dieommunen zusätzlich 1 Milliarde Euro. Das ist so.
etzt stehen die Länder und insbesondere die Stadtstaa-en Hamburg und Bremen vor einer ganz einfachenrage: Wollen sie zulassen, dass ihre Kassen noch weiter
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Jürgen Trittingeplündert werden, oder retten sie ihre Kassen, indemsie dazu beitragen, dass dieses Paket verabschiedetwird? Das ist die ganz einfache Frage.Das, was Sie von der FDP vertreten, kann schlechter-dings im Interesse von Bremen und Hamburg sein. Siefordern nämlich noch weitere Steuersenkungen.
Diese brächten noch weitere Einnahmeausfälle für Bre-men und Hamburg mit sich.
– Sie sollten sich einmal anschauen, was Sie in Presse-mitteilungen zum Besten geben. Wenn man all das zu-sammenrechnet, was Sie an Steuersenkungen fordern,dann kommt man auf einen Betrag von ungefähr50 Milliarden Euro.
Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender hat dafür einengrandiosen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht, näm-lich Entwicklungshilfe in Höhe von 400 Millionen Eurofür China zu streichen. Das macht noch nicht einmal1 Prozent des Betrages aus. Außerdem gibt es diese indieser Form gar nicht. Ihre Leistungen, lieber HerrWesterwelle, bei den Grundrechenarten sind also auchschwach.
Das, was ich gerade gesagt habe, ist also der Grund da-für, warum Bremen und Hamburg sagen: Nein, wir las-sen uns unsere Kassen nicht von der FDP plündern.
Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung in die-sem Zusammenhang, lieber Herr Koppelin:
Insbesondere freue ich mich über die Haltung des Lan-des Berlin. Dort hat man vorletzte Woche nämlich dasGeld schon einmal prophylaktisch verteilt, was das LandBerlin aus diesem Fonds bekommen soll. Nachdem dieLandesregierung nun festgestellt hat, dass das Vorhabenauf jeden Fall den Bundesrat passieren wird, hat sie sichüberlegt, dass sie auch dagegen sein könnte. Ablehnen,weil Annahme gesichert – so sehen die Helden von heuteaus, meine Damen und Herren.
Wenn man die Krise bekämpfen will, dann muss manin die richtigen Bereiche investieren: Klima, Gerechtig-keit und Bildung. Sie hätten 3 Milliarden Euro in einenEnergiesparfonds investieren können. Sie hätten, stattneue Straßen zu bauen, zum Beispiel 1,7 Milliarden Eurofür den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stellenkönnen. Sie hätten sehr viel stärker auf die Netze vonmorgen setzen sollen. Netze von morgen sind weder Lan-debahnen noch Autobahnen, sondern das sind Wärme-nwdntLvSgwSsjSAntKAGfnndlnrdtFtHvsBss
lles richtig. Nur, meine Damen und Herren, Investitio-en in Bildung dürfen sich nicht auf Investitionen in Be-on beschränken. In Bildung investieren heißt auch, inöpfe zu investieren, verlangt also Investitionen in dieusbildung von Erziehern, Lehrern sowie Professoren.enau an dieser Stelle versagen Sie.
Das ist der Grund, warum wir dieses Konjunkturpaketür falsch halten. Wir glauben, dass Sie mit diesem Paketur eines getan haben: Statt den Herausforderungen ei-er nachhaltigen Bewältigung der Krise gerecht zu wer-en, haben Sie nur erneut nachgebessert. Wir sind ziem-ich sicher, dass Sie im Herbst dieses Jahres noch einmalachbessern werden müssen – denn der Optimismus Ih-es noch amtierenden Wirtschaftsministers wird sich iniesem Punkt nicht bestätigen –, weil Sie nicht nachhal-ig handeln. Es ist die falsche Antwort auf diese Krise.
Herr Kollege Poß ist der nächste Redner für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir durf-en eine zirzensische gedankliche Meisterleistung vonerrn Trittin bewundern. Er hat die Frage der FDP bra-ourös abgewendet,
ich dann aber, wie ich fand, argumentativ verheddert.edauert habe ich, Herr Trittin, dass Sie in Sachen Bes-erwisserei in Konkurrenz zu Oskar Lafontaine getretenind.
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Joachim PoßWenn Sie die derzeitige weltwirtschaftliche Situationbetrachten und behaupten, dass die USA unter Beglei-tung des klugen Ökonomen Paul Krugman alles richtiggemacht hätten, während wir herumstümperten, dann hatdas mit der Realität nichts zu tun. Schauen Sie sich dochan, was in den USA tatsächlich abläuft! Dort wird schonder dritte Versuch gemacht, die Finanzmarktsituation inden Griff zu bekommen. Wir sind beim ersten Versuchund müssen darüber diskutieren, wie wir das angestrebteund von uns allen geteilte Ziel erreichen, den Interban-kenverkehr zu verbessern.Es reicht nicht aus, Paul Krugman zu zitieren, der imÜbrigen fahrlässigerweise Vergleiche angestellt hat, dieman nicht anstellen kann. Wer die Situation in den USAkennt – ich bilde mir ein, etwas davon zu verstehen –,weiß, dass man ein Land, das ökologisch und industrie-politisch in weiten Bereichen auf dem Stand eines Ent-wicklungslands ist, Gott sei Dank nicht mit unseremLand vergleichen kann.
Das ist genauso abwegig wie ein Vergleich mit Eng-land, was die Industriestruktur oder die Bedeutung desDienstleistungssektors angeht. Solche Schlaumeiereienhelfen uns in Deutschland zurzeit nicht weiter. Hier undheute auch im Bundestag geht es darum, das annäherndRichtige zu tun,
um mitzuhelfen, aus der derzeitigen Krise herauszufin-den. Das gilt für Bund, Länder und Kommunen, weil eseine gesamtstaatliche Aufgabe ist, Arbeitsplätze inDeutschland zu sichern. Das ist unsere gemeinsame Ver-antwortung, der wir gerecht werden müssen.
Gestatten Sie mir noch eine Nachbemerkung. Ich findedie Haltung der Grünen dort, wo sie mitregieren, kon-struktiv, wenn es dabei bleibt, Herr Trittin. Aber Siekönnten durchaus das, was wir mit den beiden Paketen– denn es geht um zwei Pakete; eines ist bereits beschlos-sen worden, und wir diskutieren heute über das zweite –gemacht haben, positiver würdigen. Beide Pakete miteinem Volumen von insgesamt 80 Milliarden Euro ent-halten starke Impulse zur Energieeinsparung, Wärme-dämmung und für den gesamten Bildungsbereich. Dasmüssten Sie eigentlich begrüßen; es geht in die richtigeRichtung.Selbst bei einem hochstreitigen Thema wie der Kfz-Steuer ist eine Lösung gefunden worden, die eine ökolo-gische Orientierung aufweist und um die man sich– wenn man sich genauer zurückerinnert – schon seitJahrzehnten bemüht. Das ist erreicht worden.
Bei aller Kritik, die von der Opposition kommenmuss und kann – das ist unbestritten –, wird das, was wirvorgelegt haben, nicht richtig gewürdigt.Denn unser Paket ist ein richtiger Mix, der im Kernauf eine Investitionsstrategie Wert legt, von der insbe-snKwswDdnzudhaFnnhsdVdhUkmBaudbsgzfJlZDbGwDwWiSaw
as Vorhaben ist richtig, und es müssen alle mithelfen,ass es gelingt.Darüber hinaus tauchen Fragen auf – zum Beispielach dem 100-Milliarden-Euro-Fonds –, die sehr schweru beantworten sind. Wir – ich unterstelle, dass das fürns alle gilt – wollen die Arbeitsplätze sichern. Aber beier Frage, ob man dann noch Milliardären Milliardeninterherwirft, kommt man ins Grübeln. Wer will genauuseinanderhalten, ob die aufgetretenen Probleme derinanzmarktkrise zuzuordnen sind oder ob das auch ei-er falschen Unternehmensstrategie bzw. falschen unter-ehmerischen Entscheidungen geschuldet ist. Ich habeeute im Morgenmagazin einen durchaus klugen Profes-or dazu gehört. Er hat gesagt, das müsse man auseinan-erhalten. Dazu kann ich nur sagen: Good luck bei demersuch, das in der Praxis auseinanderzuhalten! Das sindoch die Schwierigkeiten, mit denen wir es hier zu tunaben.
Eine Bemerkung zum Staats- und Bundeshaushalt.nser Ziel bleibt es, nach Bewältigung der Schwierig-eiten, mit denen wir es auf absehbare Zeit zu tun haben,öglichst schnell zu einem ausgeglichenen Staats- undundeshaushalt zu kommen. Nach wie vor streben wirußerdem an, in der Föderalismuskommission für Bundnd Länder eine realitätstaugliche Verfassungsgrenze beier öffentlichen Verschuldung zu erarbeiten; das ist un-estritten. Ich betone: eine realitätstaugliche Verfas-ungsgrenze. Das gebe ich im Hinblick auf die Beratun-en in der nächsten Woche zu bedenken.
Unsere Konjunkturpakete und unsere Maßnahmenur Stabilisierung der Finanzmärkte können nur dadurchinanziert werden, dass wir in diesem und im nächstenahr viel mehr Schulden aufnehmen, als wir ursprüng-ich vorgesehen hatten. Das ist eine Hypothek für dieukunft. Das müssen wir den Menschen offen sagen.as verschweigen wir auch nicht. Selbst wenn es fastanal klingt: Vor der zukünftigen Entwicklung ist dieegenwart zu gestalten und sind die Krisen der Gegen-art zu bewältigen.
as verlangen die Menschen jetzt von uns. Dem müssenir gerecht werden. Wenn wir ausgerechnet von Herrnesterwelle als Schuldenmacher kritisiert werden, dannst das im Kern nicht ehrlich, wenn man gleichzeitig mitteuersenkungsvorschlägen und politischen Lockvogel-ngeboten operiert, die nie Realität werden können,enn man Stabilität auf Dauer erhalten will; das wissen
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Joachim Poßwir doch alle. Das ist doch Volksverdummung, was hierteilweise stattfindet.
Ich verstehe daher die Diskussion bei unserem Koali-tionspartner CDU/CSU, die darüber geführt wurde, nursehr unvollständig; denn auch ein Land wie Bayern hatnicht mehr die finanziellen Mittel und die haushalteri-schen Verhältnisse, wie das vielleicht vor ein, zwei Jah-ren der Fall war. Weitere Steuersenkungen zu finanzie-ren – unser Paket sieht sogar auch welche vor –, ist inder Tat für Länder und Kommunen gar nicht mehr soeinfach. Ich bitte, auf den Boden der Realität zu kom-men. Es ist nicht klug, den Menschen in einem WahljahrDinge in Aussicht zu stellen, die so – das weiß man – inabsehbarer Zeit nicht, jedenfalls nicht in vier Jahren, zurealisieren sind. Wir alle sind, glaube ich, gut beraten,nicht Dinge zu versprechen, die wir erkennbar – ob wires wollen oder nicht – so nicht leisten können.
Im Übrigen haben wir auch Entlastungen vorgese-hen. Der Kinderbonus und die Erhöhung des Kindergel-des stellen Entlastungen für die Familien dar. Ich könntediese Reihe beliebig fortsetzen. Ein verheirateter Allein-verdiener mit durchschnittlichem Einkommen und zweiKindern wird in diesem Jahr um 670 bzw. 680 Euro – jenach Fall – entlastet. Er hat also mehr im Portemonnaie.Angesichts dessen können Sie nicht sagen: Das ist über-haupt nichts. – Natürlich ist das ein Teil des Mixes, denwir angestrebt haben.
Der Versuch der Opposition, in den Diskussionen hiervon dem abzulenken, was unser Konjunkturpaket eigent-lich ausmacht, ist daher zu durchsichtig. Ansonstenmüssten Herr Westerwelle oder Herr Trittin und dieLinkspopulisten zugeben, dass das, was seitens der Re-gierung vorliegt, insgesamt gelungen ist und uns einengroßen Schritt weiterbringen wird. Insbesondere in denfinanzschwachen Kommunen, in denen aus Geldmangelin den letzten Jahren zu wenig passiert ist, werden in dennächsten Jahren große Schritte nach vorne gemacht wer-den. Das wird spürbar werden, und das ist auch gut so.Vielen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Jürgen Koppelin,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er-lauben Sie mir, zwei Vorbemerkungen zu bisherigen Re-debeiträgen zu machen. Herr Kollege Poß hat es leidernicht angesprochen, und ich will es ihm nicht vorwerfen.Herr Kollege Lafontaine, ich bin gern bereit, mich überdzKSShdhsmdsdPSdVlmwDwddhw–awhgndhjbkrAfmlhn
Eine andere Bemerkung zu Ihnen, Herr Trittin. Sieaben kritisiert und der FDP den Vorwurf gemacht, wasen Bankenschirm angehe, finde nicht genug oder über-aupt keine Kontrolle statt. Wir als FDP haben es ge-chafft, zusammen mit der Koalition ein Kontrollgre-ium einzurichten. Wenn Sie der Auffassung sind,ieses Kontrollgremium arbeite nicht vernünftig, dannchlage ich vor, dass Sie den Vertreter der Grünen ausiesem Gremium abziehen.
Nun zu dem, was uns heute beschäftigt. Herr Kollegeoß, wenn Sie wegen der Forderungen der FDP nachteuersenkungen von Volksverdummung sprechen,
ann frage ich mich, wieso Sie sich anmaßen, der FDPolksverdummung vorzuwerfen, da Sie doch vor deretzten Bundestagswahl eine Mehrwertsteuererhöhungassiv abgelehnt haben, um anschließend diese Mehr-ertsteuer um 3 Prozentpunkte zu erhöhen.
as war Volksverdummung, nichts anderes. Bei Ihnenürden heute 50 Abgeordnete weniger sitzen, wenn Sieas Volk nicht so verdummt hätten. Das ist die Wahrheit.
Die Bürger fühlen sich tatsächlich verdummt. Was istenn gewesen? Man hat von den Bürgern Steuererhö-ungen noch und noch mit der Begründung gefordert,ir müssten einen ausgeglichenen Haushalt erreichendas ist vernünftig –, und jetzt haben wir die Pleite; derusgeglichene Haushalt kommt nicht, aber die Bürgerurden noch und noch abkassiert.Herr Bundesfinanzminister, ich finde, zu Ihrer Redeeute hätte auch ein bisschen Demut gegenüber den Bür-ern und das Eingeständnis gehört, dass Sie das Zielicht erreicht und die Bürger abkassiert haben. Zumin-est das hätte in Ihrer Rede vorkommen müssen. Wasaben wir als FDP gesagt? Wir haben gesagt: Die Kon-unktur läuft gut, die Steuereinnahmen sind da, denktitte daran, dass nach guten Jahren auch schlechte Jahreommen; legt deshalb etwas für die schlechten Jahre zu-ück. Das ist immer wieder unsere Forderung gewesen.uch Sachverständige haben das gesagt. Herr Bundes-inanzminister, Sie haben sich über die FDP lustig ge-acht, und Sie haben sich über die Sachverständigenustig gemacht. Sie alleine waren derjenige, der über-aupt wusste, wie die Weltwirtschaft läuft, vielleichtoch unterstützt vom Kollegen Poß.
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Jürgen Koppelin
Aber der Rest der Welt wusste überhaupt nicht Bescheid.Jetzt sitzen Sie hier und haben das Fiasko.
Ich weiß, Sie lassen sich nicht gern Ihre Zitate vorhal-ten. Es wird Ihnen trotzdem nicht erspart bleiben. Ichwill etwas zu dem Konjunkturprogramm sagen. Siehaben noch vor kurzem, am 4. November, hier gestan-den und gesagt:Es macht keinen Sinn, mit nationalen Ausgaben-programmen ein Strohfeuer zu entfachen, wenn amEnde langwirksame Belastungen durch eine neueSchuldenaufnahme entstehen.Haben Sie das nicht gesagt? Gehen Sie doch einmal aufIhre eigenen Zitate ein und sagen Sie, dass es Ihnen leidtut, dass Sie sich geirrt haben und die Entwicklung sodramatisch war.
Ist nicht erst Ende Dezember der Bundeshaus-halt 2009 vom Bundespräsidenten und von Kabinetts-mitgliedern, von der Kanzlerin und von Ihnen unter-schrieben worden und wirksam geworden? Das warEnde Dezember. Schon jetzt müssen Sie einen Nach-tragshaushalt vorlegen. Das ist doch Ihr Problem.
Wir haben Ihnen das gesagt. Wir haben Ihnen gesagt,dass der Haushalt 2009, wie Sie ihn hier beschließen,nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er gedruckt ist.Was haben Sie sich über uns lustig gemacht!Man darf uns die Frage stellen, wo man hätte sparenkönnen. Deswegen habe ich unser Buch mit den Sparan-trägen wieder mitgebracht. Es sind über 400 Anträge miteinem Einsparvolumen von 10,5 Milliarden Euro. Wa-rum haben Sie beim Nachtragshaushalt nicht ein einzi-ges Mal auf die Ausgabenseite geschaut und sich fürKürzungen und Streichungen ausgesprochen? Um es mitKarl Schiller zu sagen – ich fand es so schön, als er inAmt und Würden war –: Da muss eben so manches Zier-pflänzchen herausgerissen werden.
Herr Bundesfinanzminister, Sie müssen auch erklä-ren, warum Sie plötzlich Sondervermögen, Sondertöpfeschaffen. War es nicht so, dass man in der rot-grünenKoalition 1999 – ich fand, zu Recht – gesagt hat, dassman keine Schattenhaushalte mehr will und alles in denBundeshaushalt hinein muss? Es waren doch Ihre Fi-nanzminister, die gefordert haben, dass Sondervermögenabgeschafft werden. Jetzt schaffen Sie wieder welche.Sie müssen doch zumindest begründen, warum es da-mals richtig war, diese abzuschaffen, und es heute falschist – oder umgekehrt, wie immer Sie das haben wollen.DSkkaSkfgtzdWWiPhUKwbvCHrwjzt
o seid ihr von der Union eigentlich?
o sind eure Wirtschaftspolitiker eigentlich? Wo seidhr Christdemokraten eigentlich? Wo habt ihr bei diesemaket darauf geachtet, dass der Export gestützt wird? Woabt ihr auf die Sachverständigen gehört? Gerade dienion wird deutlich machen müssen, ob es wirklich ihronjunkturpaket ist, ob es ihr Nachtragshaushalt ist. Daarten wir auf die Beratungen.Erlauben Sie mir, zum Schluss doch noch ein Zitat zuringen, und zwar ein Zitat des Bundesfinanzministersom 28. November 2008, also noch aktuell:… weil ich am Ende dieser Legislaturperiode nichtdort enden will, wo wir angefangen haben: bei einerstrukturellen Verschuldung des Bundes von 55 Mil-liarden Euro. Dann hätte diese Große Koalition kei-nen guten Job gemacht.Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Steffen Kampeter ist der nächste Redner für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Im Kern geht es bei dem, worüber wir hier ge-ade diskutieren, darum, dass die Bürger in diesem Landieder Vertrauen in die Zukunft gewinnen. Dazu kanneder seinen Beitrag leisten: die Unternehmen, die So-ialpartner, alle, die in gesellschaftlichen Organisationenätig sind, und auch die Politik. Wir reden heute über ei-
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21978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Steffen Kampeternen Teilbeitrag zur Wiedergewinnung des Vertrauens indie nächsten Jahre. Wir dürfen nicht den Eindruck erwe-cken, als wären wir hier im Haus allein verantwortlich.Die Wiedererlangung des Vertrauens ist für das Jahr 2009eine große Gemeinschaftsaufgabe für alle in Deutschland.
Angesichts der Beschränktheit dessen, was Politik tat-sächlich leisten kann – wir müssen den Bürgern sagen,dass wir in dieser Krise nur einen beschränkten Beitragleisten können –, geht es mir und den Kolleginnen undKollegen im Haushaltsausschuss darum, deutlich zu ma-chen, dass beim Retten und Stimulieren auch Maß undMitte wichtig sind. Vertrauen gewinnt man in der Politiknicht, wenn man nur kurzfristig erfolgreich ist; die Bür-gerinnen und Bürger in diesem Lande achten darauf,dass die politischen Handlungen auch langfristig Ver-trauen erzeugen. Das heißt, wir müssen zeigen, dass un-ser Krisenmanagement hilft, dieses Vertrauen kurzfristigwiederzuerlangen, ohne dass es die zukünftigen politi-schen Generationen langfristig, nämlich in den nächstenLegislaturperioden, vor erhebliche Probleme stellt. Des-wegen ist es wichtig, abzuwägen: Was ist an Krisenbe-wältigung nötig, und wie viel Schuldenaufnahme ist da-für möglich?In diesem Spagat bewegt sich die Bundesregierungbei dem, was sie vorgeschlagen hat. Wenn wir am Endeder Beratung das Konjunkturpaket mit einer wirkungs-vollen Schuldenbremse kombiniert haben werden, wer-den wir auch Maß und Mitte des politischen Beitrags zurWiedererlangung des Vertrauens erreichen.
Es ist in dieser Debatte deutlich geworden, dass keineder Fraktionen in diesem Haus gegen ein staatliches Ein-greifen ist, dass in der einen oder anderen Fraktion aberunterschiedliche Auffassungen dazu bestehen. Ich willmich mit zwei oder drei Argumenten auseinandersetzenund sie einmal gegen unser Programm halten.Erstens. Mehr oder weniger öffentlich hat der KollegeLafontaine gesagt, dass wir zu wenig Schulden machen.Der Kollege Trittin hat Vorschläge gemacht, die im Er-gebnis auch auf eine höhere Verschuldung hinauslaufen.
Im letzten Jahr sind weltweit ungefähr 1 000 MilliardenDollar Staatsschulden aufgenommen worden. In diesemJahr werden es 3 000 Milliarden Dollar sein, eine Ver-dreifachung. Deswegen sollten wir auch unter dem Ge-sichtspunkt von Maß und Mitte nicht allzu eilfertig denEindruck zu erwecken versuchen, als wären mehr Schul-den eine Möglichkeit, weniger Probleme zu haben. Um-gekehrt ist es richtig: Zu viele Schulden werden uns zu-künftig mehr Probleme machen. Deswegen sind Maßund Mitte bei der Verschuldung wichtig.Ich finde es nicht richtig, wenn hier ein amerikani-scher Nobelpreisträger als Kronzeuge gegen die Bundes-regierung angeführt wird. Ich möchte den Maßstab, dendie Amerikaner an ihre Verschuldung anlegen, nicht zumMndwma1VcdvtiBunKfKwEFBFeUhbbenahawZr
nd Ihre Fachpolitiker sagen: Wenn die FDP regiert, er-öhen wir die Ausgaben und helfen euch, dass es euchesser geht.Weniger Steuern, weniger Schulden und mehr Ausga-en – die gemeinsame Position innerhalb der FDP istine leere Menge. In der Krise können wir uns keine Fi-anzpolitik der leeren Menge leisten. Das wäre unver-ntwortlich gegenüber unserem Land.
Herr Kollege Trittin, auch Sie
aben nicht nur für mehr Schulden plädiert, sondernuch infrage gestellt, dass das Bankenrettungspaket,ie wir es hier konstruiert haben, gut und richtig ist.
uerst einmal will ich sagen: Es geht bei dem Banken-ettungspaket nicht um die Rettung der Banken, sondern
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Steffen Kampeterum die Rettung der Handlungsfähigkeit der Bürgerinnenund Bürger mit ihren Sparkonten und Girokonten. Vondaher ist der von uns geprägte Begriff Bankenrettungs-paket eigentlich eine Irreführung. Es ist ein Bürgerret-tungspaket. Das muss an dieser Stelle vielleicht einmalklar gesagt werden.
Das Zweite, Herr Kollege Trittin. Sie sagen, das Paketsei unzureichend. Ich will festhalten: Wir haben inDeutschland kein größeres Bankensterben zu verzeich-nen.
Das war das Ziel des Paketes unmittelbar vor der dro-henden Schließung einer großen Bank, die eine negativeAuswirkung für die Bürgerinnen und Bürger zur Folgegehabt hätte. Das Paket ist erfolgreich und wirksam.
Wir haben das, was mit Lehman geschehen ist, inDeutschland verhindert.Das Paket ist im Übrigen auch parlamentarisch kon-trolliert. Wir haben auf Wunsch der FDP und der Koali-tion ein Gremium eingerichtet, das den Leuten auf dieFinger schaut. Sie haben vorhin dazwischengerufen, dasgeschehe ex post. Ich bin allerdings der Auffassung, dasses nicht Aufgabe des Parlamentes ist, der Regierung imVorhinein das Regierungshandeln abzunehmen. Wirkontrollieren die Regierung und bringen sie durch dieseKontrolle hoffentlich zu Höchstleistungen.
Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es die Aufgabeeines einzelnen Parlamentariers ist, die Entscheidung ei-ner Bank zu treffen. Das halte ich für ein völlig falschesVerständnis.
Es mutet auch etwas lächerlich an, Herr KollegeTrittin, wenn Sie als ehemaliger Bundesumweltministerdie mangelnde ökologische Komponente unseres Pro-gramms kritisieren. Es sollte Ihnen auch bei oberflächlicherLektüre aufgefallen sein, dass die Investitionsmaßnah-men und vieles andere in diesem Investitionsprogramm
vor allen Dingen von dem Gedanken einer effizienterenEnergieversorgung, der Gebäudeenergieeinsparung undeiner effizienteren Fahrzeugtechnologie gespeist sind.Das ist ein ganz wesentlicher Impuls. Falls Ihnen dasnoch nicht aufgefallen ist, sage ich es Ihnen hiermit.Aber bitte behaupten Sie zukünftig nicht, dieses Pro-gramm habe keine umweltpolitische Komponente. Es istneben anderem auch eines der ökologischsten Im-pulsprogramme, das wir jemals in diesem Bereich hat-ten.naHmdwdHnnGSWwSdFhuDurSz–nmrsdgßdg
er eine bezeichnete Oskar Lafontaine als Schlaumeiernd der andere als Besserwisser. Ich muss Sie beide da-an erinnern, mit welch großer Mehrheit Sie diesenchlaumeier und Besserwisser zum Vorsitzenden der So-ialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt haben.
Hören Sie doch zu! – Das war in einer Zeit, als Sieoch Wahlen gewonnen haben. Das kennen Sie gar nichtehr, wenn ich daran erinnern darf.
Herr Trittin, Sie kommen um eine Tatsache nicht he-um: Wenn Hamburg und Bremen zustimmen, danntimmen Sie einem extrem unsozialen Programm zu. Anieser Wahrheit kommen Sie nicht vorbei. Sie haben einanz einfaches Motiv: Sie wollten der FDP und der Gro-en Koalition zeigen, dass Sie zur Verfügung stehen undass die Große Koalition gar nicht auf die FDP zurück-reifen muss. Deshalb ärgert sich die FDP.
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Dr. Gregor GysiIn einem Punkt haben Sie aber recht: Wenn der Kompro-miss mit der FDP gesucht worden wäre, dann wäre dasProgramm noch schlimmer geworden. Diese Feststel-lung – das ist aber die Ausnahme – stimmt.
Dann haben Sie, Herr Kauder, gesagt, die Große Ko-alition trage für die ganze Krise keine Verantwortung.Da unterliegen Sie einem schweren Irrtum. Sowohl dieRegierung aus SPD und Grünen als auch die Regierungaus Union und SPD – und nicht eine Regierung allein –tragen selbstverständlich Verantwortung für die Finanz-und Wirtschaftskrise, mit der wir es jetzt zu tun haben.
Ich möchte daran erinnern, dass die Linke von An-fang an die neoliberale Politik kritisiert hat, die Sie allebetrieben haben, was Deregulierung, Privatisierung oderSozialabbau angeht. Sie dürfen nicht vergessen, dass erstunter Schröder und Fischer die Hedgefonds zugelassenworden sind.
– Herr Poß, das ist eine wunderbare Aufsicht. – Sie ha-ben zeitgleich geregelt, dass die Investoren für alles, wassie kaufen und verkaufen, keinen einzigen Euro Steuernzahlen müssen, was sie noch unter Kohl hätten tun müs-sen. Damit haben Sie sie geradezu eingeladen, ihre Spe-kulationen und Geschäfte in Deutschland zu machen.
Sie haben bis heute auch keine Konsequenzen daraus ge-zogen.
Die Banken haben Zweckgesellschaften im Auslandgegründet, um diese Gesellschaften mit ihren faulenKrediten nicht der Finanzaufsicht zu unterstellen. Gibtes von Ihnen einen Gesetzentwurf, mit dem das geändertwird? Es gibt anscheinend keinen Anlass für Sie, auf ir-gendeine Weise zu handeln.
Mit dem Zulassen von Leerverkäufen haben Sie ausden Börsen Spielkasinos gemacht. Auch in dieser Bezie-hung ziehen Sie völlig unzureichende Schlussfolgerun-gen.Die Banken sind dankbar. Die Bürgerinnen und Bür-ger wissen jetzt, dass zum Beispiel die Deutsche Bankan die Union, die FDP und die SPD 500 000 Euro ge-spendet hat. Auf ihre Art revanchieren sich also die Ban-ken. Ich sage Ihnen: Wenn wir die Glaubwürdigkeit derPolitik wiederherstellen wollen, müssen wir Großspen-den dieser Art verbieten. Ansonsten werden Sie in al-lem, was Sie machen, unglaubwürdig.Fl4gbiksnÜ2gnnükmadDPddü–mDkesR1totrsgEjd
Jetzt zeigen sich die wirtschaftlichen und die sozialenolgen der Krise. Wir haben einen Anstieg der Arbeits-osigkeit in einem Monat um 387 000 Menschen. Es gab00 000 Anträge auf Kurzarbeit im Dezember. Im Januarab es 400 000 Anträge zusätzlich. Kleine Handwerks-etriebe und kleinere Unternehmen stehen in der Gefahr,n Insolvenz zu gehen, weil sie keine Kredite mehr be-ommen und weil ihre Auftragseingänge rückläufigind. Das alles hat Folgen.Was kommt jetzt? Was Sie Konjunkturprogrammennen, nenne ich höchstens Krisenpaket. Es umfasst imbrigen nicht 50 Milliarden Euro, sondern pro Jahr nur5 Milliarden Euro. Addieren Sie nicht immer die Aus-aben über mehrere Jahre, um ein falsches Bild zu zeich-en.
Das ist deshalb so unzureichend, weil die Investitio-en in den Bildungsbereich, die zum Teil richtig sind,berhaupt nicht ausreichen und Sie keine Kaufkraftstär-ung vornehmen. Nur weil Sie Angst haben, endlich ein-al von oben nach unten umzuverteilen, verzichten Sieuf jede Kaufkraftstärkung, die unsere Binnenwirtschaftringend benötigte.
Nehmen wir Ihren Vorschlag zur Einkommensteuer.en Grundfreibetrag zu erhöhen, ist richtig. Die kalterogression und den bei den durchschnittlich Verdienen-en bestehenden Steuerbauch müssen wir – das hat mitem Konjunkturprogramm nichts zu tun – vollständigberwinden.
Das alles machen Sie gar nicht. Wissen Sie, was Sieachen? Ich kann Ihnen genau sagen, was Sie machen:
ie Hälfte der Haushalte hat nichts davon, weil sie gareine Einkommensteuer zahlt. Von der anderen Hälfterlassen Sie den Geringverdienenden steuerlich insge-amt 150 Millionen Euro. Die Bestverdienenden, dieeichen bekommen jedoch Steuern in Höhe von500 Millionen Euro, also 1,5 Milliarden Euro, erstat-et. Es geht weiter mit der Umverteilung von unten nachben; Sie korrigieren daran nichts.
Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas zur Vermögensver-eilung in Deutschland. Auf der einen Seite besitzt daseichste 1 Prozent der Menschen in Deutschland – dasind 820 000 Personen – 23 Prozent des Gesamtvermö-ens von 6,6 Billionen Euro. Das sind 1,5 Billionenuro. Wenn Sie das ausrechnen, hat von diesen 820 000ede Person ein Vermögen von 1,83 Millionen Euro. Aufer anderen Seite haben 27 Prozent der Bürgerinnen und
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Dr. Gregor GysiBürger – das sind 22,1 Millionen Menschen – nichtsoder sind verschuldet. Daran haben Sie, als Sie mit denGrünen regierten, und jetzt, da Sie mit der Union regie-ren, nichts geändert. Das ist der Vorwurf, den wir erhe-ben.
Herr Kollege Gysi, auch Sie achten bitte ein bisschen
auf die Zeit.
Dann nenne ich Ihnen als Letztes ein Beispiel, das
mich wirklich ärgert. Sie haben ja ein leicht gestörtes
Verhältnis zum Grundgesetz.
Sie wissen, zwei Gesetze hat der Bundespräsident nicht
unterschrieben, weil sie offenkundig grundgesetzwidrig
waren. Dann hat Ihnen der Bundesfinanzhof gesagt, dass
die Kürzung der Pendlerpauschale grundgesetzwidrig
ist. Sie wollten es nicht glauben; Herr Steinbrück hat vor
dem Bundesverfassungsgericht bis zur letzten Minute
gekämpft, bis es dann gesagt hat, die Kürzung sei grund-
gesetzwidrig. Jetzt hat das Bundessozialgericht gesagt,
dass es nicht hinnehmbar ist, dass die Regelsätze für
Kinder von Hartz-IV-Beziehern geringer sind als die
ihrer Eltern, weil dies völlig willkürlich und nicht nach-
vollziehbar ist. Es hält das für grundgesetzwidrig.
Ich habe eine Bitte: Warten Sie nicht wieder ein paar
Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet,
sondern korrigieren Sie dies gleich!
Lassen Sie es mich hier als Vater sagen: Ihre naive Vor-
stellung, dass Kinder weniger benötigen als Erwachsene,
zeigt, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben. Ich kenne
hier einige Kollegen, die schon seit zehn Jahren im sel-
ben Anzug herumsitzen.
Bei Kindern geht das nicht; die wachsen ständig.
Da müssen sie neue Kleidung, neue Schuhe kaufen. Das
ist die Wahrheit. Geben Sie ihnen deshalb endlich mehr
Geld!
Nun erhält das Wort der Kollege Anton Schaaf für die
SPD-Fraktion, dem ich zu seinem heutigen Geburtstag
herzlich gratuliere.
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Nicht ganz, Herr Westerwelle.Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Ich möchte zu den Begriffen, mit denen Herrafontaine hier bezeichnet worden ist, einen hinzufügen dies bezieht sich darauf, dass er als Beispiel dafür, wiean die Finanzkrise lösen kann, Schweden genanntat –: Er ist schlicht ahnungslos. Die frühere schwedi-che Finanzkrise ist mit dem, was wir jetzt erleben, ineiner Weise vergleichbar. Sie war regional begrenzt undirkte sich nicht weltweit aus. Sie hatte keine massiveirtschaftskrise bzw. keine massiven Wirtschaftseinbrü-he zur Folge. Deswegen sind die damaligen Rezeptend Mittel auch nicht beispielgebend. Wir stehen viel-ehr vor völlig neuen Herausforderungen. Herrafontaine, Sie haben wirklich keinen Beitrag dazu ge-eistet, wie man diese Krise überwinden kann. Das mussan in aller Deutlichkeit festhalten.
on daher sollte man den Begriff „ahnungslos“ berech-igterweise hinzufügen.Nun zur FDP. Herr Brüderle hat gesagt, mit demonjunkturpaket II bediene man ein Sammelsurium vonobbyinteressen.
ch kann mich sehr gut daran erinnern, wie es in denetzten Wochen und Monaten, vor allen Dingen aber inen letzten Jahren bei Ihnen gelaufen ist, welche Lob-yinteressen da bedient worden sind. Sie waren es, dieanz massiv gegen die Regulierung der Finanzmärkteingetreten sind.
ie waren es, die gefordert haben, mehr privat vor Staat.Ich stelle mir gerade vor, in dieser Krise, in der wirns jetzt befinden, hätten wir keinen funktionsfähigen,tarken Sozialstaat. Da werde ich selbstverständlichobbyist – da gebe ich Ihnen völlig recht –, denn vonieser uns gerade ereilenden Krise sind ja nicht die Ban-er und nicht die Manager am härtesten betroffen, son-ern in erster Linie die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-ehmer. An dieser Stelle haben wir auch mit demonjunkturpaket Lobbyarbeit geleistet – das ist wohlahr; das gebe ich unumwunden zu –, indem wir zumeispiel im Bereich der Kurzarbeit deutliche Verbesse-ungen vorgenommen haben. Ja, in der Tat, das habenir getan. Jetzt können auch kleine und mittelständischenternehmen das Instrument der Kurzarbeit vernünftigutzen, um zu verhindern, dass ihre Arbeitnehmerinnennd Arbeitnehmer entlassen werden. In diesem Sinneerstehe ich mich ohne Weiteres als Lobbyist.
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Anton SchaafDiese Menschen sind die Leidtragenden dessen, was an-dere, für die Sie hier auch schon Wort gehalten haben, inden Sand gesetzt haben. Das muss man in aller Deutlich-keit so formulieren.Ich füge hinzu, dass es uns gelungen ist, mit dem Ko-alitionspartner auch an einer weiteren Stelle schützendeinzugreifen. Dies gehört nicht unmittelbar zum Kon-junkturpaket, aber es hilft den Menschen sehr; die Ge-ringschätzung der Linken dafür habe ich sowohl im Aus-schuss als auch an anderen Stellen wahrgenommen. Diessind die Mindestlöhne, die wir in sechs weiteren Bran-chen eingeführt haben. Damit schützen wir Menschen.Die Geringschätzung bestand darin, dass man einfachsagte, das sei alles viel zu wenig und reiche nicht aus. Ja,das stimmt; darin gebe ich Ihnen sogar recht. Aber wennman 1,7 Millionen Menschen zusätzlich unter einenSchutz von Mindestlöhnen stellt, dann kann man diesnicht so gering schätzen, sondern sollte es als tatsächli-che Verbesserung der Lebenssituation dieser Menschenanerkennen.
In diesem Sinne verstehe ich sowohl mich als Lobby-ist als auch Teile dieses Konjunkturpakets als Lobbyis-mus. Sie waren es, die denjenigen das Wort geredet ha-ben, die jetzt die Finanzwelt vor die Wand gefahrenhaben.Noch einmal zu der Mär von den Hedgefonds inDeutschland, die ich gern aufgreife. Bei uns sind dieseHedgefonds unter Kontrolle,
und es sind auch nur ein paar wenige, weil hier restriktivkontrolliert wird.Wir haben nicht zugelassen – auch im Widerspruch zuIhnen –, dieses Land weiter zu deindustrialisieren. Wirhaben die Industrie in diesem Land gestützt, und daskommt uns jetzt zugute, denn das, was die angelsächsi-schen Staaten gemacht haben, fällt ihnen jetzt auf dieFüße. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dassdie Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, angemessensind.
Man kann nicht absehen, ob es ausreichen und ob al-les wirken wird. Ich bin kein Prophet, ich äußere michdazu nicht. Aber in einem Punkt bin ich mir sicher: Das,was als Schutzschirm für Arbeitsplätze umschriebenworden ist, das, was Frank-Walter Steinmeier aufgelegthat, ist der richtige Weg in dieser Krise, um diejenigenzu schützen, die am wenigsten für sie verantwortlichsind: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die-sem Land.
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Ein typisches Beispiel ist die Erbschaftsteuerre-orm. Über zweieinhalb Jahre streiten Sie miteinander,eil die Erbschaftsteuer verfassungswidrig war. Danneschließen Sie ein Gesetz, das offenkundig wieder ver-assungswidrig ist. Das ist die Leistung der Großen Ko-lition.
Das gilt auch für das jetzige Konjunkturpaket: Sie le-en ein Wunschpaket vor, sodass jeder etwas bekommt.iele bekommen wenig, aber niemand bekommt wirk-ich etwas. Sie müssen sich doch Folgendes fragen: Wasill ich mit einem Konjunkturpaket? Ich will das Verhal-en der Konsumenten und Investoren ändern, damit diearktkräfte freigesetzt werden, damit ein Multiplikator-rozess in Gang gesetzt wird, damit sie wieder investie-en und konsumieren. Die paar Staatsausgaben zumeuanstrich von Schulen reichen nicht aus; damit kön-en Sie die Wirtschaft nicht retten. Genau deshalb müs-en Sie den Konsumenten und Investoren mehr Geld vonem lassen, was sie ja selbst verdient haben. Deswegenordern wir Steuersenkungen,
eil die Marktkräfte dadurch am besten freigesetzt wer-en.
Da Sie uns das nicht abnehmen, nenne ich Ihnen guteeugen. In den Vereinigten Staaten wurden zwei ganzeue empirische Studien veröffentlicht. Ich will auf eine
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Dr. Hermann Otto Solmsverweisen, auf die Untersuchung von Christina undDavid Romer. Wissen Sie, wer das ist? Wer ist ChristinaRomer? Sie ist die neue Chairwoman des Council ofEconomic Advisors, die von Präsident Obama geradeeingesetzt worden ist. Sie ist keine Spätanhängerin vonRonald Reagan, der die Steuern aufgrund genau dieserPhilosophie gesenkt hat. Sie sagt als Vertreterin einerRegierung der Demokraten in den Vereinigten Staaten:Steuersenkungen haben den größten Multiplikatoreffekt,sie lösen am ehesten die Marktkräfte aus, und – das istdas Entscheidende – sie führen am ehesten dazu, dassdie dafür gemachten Schulden wieder getilgt werdenkönnen, weil die Steuereinnahmen durch Ingangsetzungdes Wachstums steigen.
Genau das machen Sie aber nicht. Sie machen eineSteuerentlastung von 6 Milliarden Euro. Davon kommenbeim Einzelnen vielleicht 10 Euro im Monat an. Glau-ben Sie, dass sich jemand wegen 10 Euro Mehreinnah-men im Monat ein neues Auto kauft oder sein Haus re-noviert? Das ist doch lächerlich. Das spielt fürlangfristige Entscheidungen keine Rolle. Das berührt ihnnicht. Die Steuerentlastung muss so sein, dass der Kon-sument, der Arbeitnehmer sagt: Jetzt bleibt mir nicht nurin diesem Jahr, sondern auch in den nächsten Jahren soviel übrig, dass ich es mir leisten kann, ein neues Autozu kaufen.Bei all Ihren Entscheidungen greifen Sie zu den fal-schen Instrumenten. Ich will ein paar Beispiele bringen:Was erreichen Sie mit der Abwrackprämie? Im We-sentlichen, dass preiswerte Automobile aus dem Aus-land erworben werden. Was hätten Sie richtigerweise tunsollen, um der deutschen Automobilindustrie zu helfen?Sie hätten die Abschreibungen für Dienst- und Ge-schäftswagen ändern müssen. Dann wären Mittelklasse-wagen gekauft worden, die in Deutschland hergestelltwerden.
– Es geht um die Automobilindustrie. Wir haben dasnicht vorgeschlagen. Ich sage nur: Wenn Sie der Auto-mobilindustrie helfen wollen, dann müssen Sie das auchrichtig machen.
Denken Sie beispielsweise auch an die gefährlichenInstrumente der Unternehmensteuerreform: Zins-schranke, Hinzurechnung von Mieten, Zinsen und Pach-ten bei der Gewerbesteuer, Einschränkung der Verlust-verrechnung. Im Abschwung führt das prozyklisch zueiner Existenzgefährdung der mittelständischen Firmen,die wenig Eigenkapital haben. Das müssten Sie jetzt kor-rigieren, damit das im Abschwung keine fatale Wirkungentfalten kann.
Nichts dergleichen tun Sie. Wir werden Ihnen Gele-genheit dazu geben. Wir werden im FinanzausschussÄhsdeUtMtspetKkm5DsAhnmM1WsmsdRutspiDnszCg
ass der Bundesfinanzminister schon verzweifelt undicht mehr weiß, wie er seinen Haushalt sanieren soll,ehen Sie daran, dass er jetzt schon dazu übergeht, Lottou spielen. Das wird dem Haushalt aber nicht helfen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Kollege Georg Nüßlein, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ichebe zu, dass ich manchmal, wenn ein FDP-Kollege
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Dr. Georg Nüßleinspricht, auf meinen Händen sitze und aufpasse, dass ichnicht klatsche. Heute ist das ein klein wenig anders.Denn, sehr geehrter Herr Brüderle, wenn man seineRede damit beginnt, Erhard zu zitieren und zu sagen,50 Prozent der Wirtschaft seien Psychologie, und danndas, was wir im Rahmen eines ernsthaften und verant-wortungsvollen Krisenmanagements machen, in Bauschund Bogen verdammt, muss ich ganz ehrlich sagen: Dasist ein ganz schlechter Beitrag zur Psychologie der Wirt-schaft.
Ich hätte von der FDP an der Stelle etwas mehr Ver-antwortungsbewusstsein erwartet. Dann würde es mirauch leichter fallen, Herr Solms, einiges von dem, wasSie angesprochen haben, gutzuheißen. Insbesondere dasThema Steuersenkungen ist ein zentrales Anliegen derCSU,
nicht deshalb, weil wir die aktuelle Finanzkrise damit lö-sen wollen, sondern weil wir die vielen kleinen Finanz-krisen lösen müssen, die sich bei denen abspielen, diedurchschnittliche Einkommen haben und denen auf-grund der kalten Progression immer weniger bleibt.
Nun haben Sie in diesem Zusammenhang die Mineral-ölsteuer angesprochen und gesagt, dass es viel einfachergewesen wäre, statt eine Neuordnung der Kfz-Besteue-rung durchzuführen, die Mineralölsteuer anzuheben. Ichweiß nicht, ob Sie sich ausgerechnet haben, welcher Be-trag das Ergebnis wäre. Ich weiß auch nicht, ob Sie die Si-tuation in unseren Grenzlagen berücksichtigen, in denenmittlerweile ohnehin schon ein Tanktourismus stattfindet,den wir dadurch ins Unerträgliche verstärkt hätten. Des-wegen ist das, was die FDP an dieser Stelle zum Bürokra-tieabbau vorschlägt, kein Ansatz.Ich glaube, dass wir jenseits der Thematik der Steuer-senkungen – hier hätten wir als CSU uns mehr vorge-stellt – im Rahmen der parlamentarischen Beratungen,die jetzt anstehen, noch einmal darüber reden müssen, obwir hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit der Landwirt-schaft die Besteuerung von Agrardiesel ändern sollten,um so wichtige und richtige Akzente zu setzen. Die FDPkritisiert die Eingriffe in die Märkte. Aber was soll mandenn angesichts der globalen Verknüpfung der Märkte,die uns hier schmerzlich vorgeführt wird, tun? Was sollman tun, wenn wir erleben, dass in anderen Staaten dieAutomobilzulieferer und die Automobilindustrie ge-schützt und unterstützt werden? Sollen wir dann – sostellt die FDP es sich vor – auf Marktbereinigung setzenund sagen, dass es schon laufen wird? Das Ergebniswäre, dass bei uns die Zulieferer und die Automobilin-dustrie wegbrechen, während sie in anderen Ländern ge-schützt werden.DtDugMmddtkmungHvwKtdsrwedmIdnDctvzHnFDiWm
as kann doch nicht ernsthaft Ihr Anliegen sein.
Uns geht es mit diesem Programm darum, die Struk-uren, das Know-how und die Arbeitsplätze zu sichern.
eshalb ist all das, was wir im Bereich der Kurzarbeitnd der Qualifizierung machen, gut und wichtig. Eseht uns bei diesem Thema insbesondere darum, denittelstand abzusichern. Das ist ganz entscheidend. Ichöchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nicht nurie Großen sind, die geschützt werden, sondern dass wiras Augenmerk auch auf den Mittelstand richten.
Hier wurde verschiedentlich über den Haushalt disku-iert. Mir ist klar, dass, wenn man Bürgschaften für Ban-en gibt und jetzt den Bürgschaftsrahmen für Unterneh-en auf 100 Milliarden Euro ausdehnt, plötzlich Zahlennd Eventualverbindlichkeiten im Raum stehen, bei de-en den Bürgerinnen und Bürgern schwindlig wird. Ichehöre nicht zu denen, die sagen, dass das alles ohneaushaltswirkung bleiben wird. Aber die steigende Neu-erschuldung können wir uns in dieser Situation leisten,eil wir in der Großen Koalition vorher konsequent aufonsolidierung gesetzt haben und – das ist mir als Ver-reter der jüngeren Generation wichtig – weil wir mit allem, was wir tun, in Innovation, Bildung und Infra-truktur investieren. Das ist etwas, was die junge Gene-ation nicht nur etwas kostet und sie belastet, sondernas sie letztendlich auch weiterbringt.
Nun sind viele Dinge in diesem Zusammenhang nichtinfach zu regeln. Ich weise unter anderem darauf hin,ass in der Zusammenarbeit mit Ländern und Kom-unen sichergestellt werden muss, dass das, was wir annvestitionshilfen geben, zusätzlich wirken muss, undass wir verhindern müssen, dass Länder und Kommu-en ihre Haushalte mit dem Geld des Bundes sanieren.as halte ich für ganz entscheidend. Wir haben entspre-hende Regelungen getroffen. Aber über den Regelungs-eil hinaus muss man an die Vertreterinnen und Vertreteron Ländern und Kommunen appellieren, das Richtigeu tun und zusätzlich zu investieren, anstatt das Geld zuraushaltssanierung zu nutzen.Es ist nicht unerheblich, dass wir im Rahmen des In-ovationsprogramms sichergestellt haben, dass FuE,orschung und Entwicklung, nicht nur im Osteneutschlands gefördert werden, sondern dass das auchm Westen passiert. Das halte ich für ganz entscheidend.ir brauchen nach annähernd 20 Jahren Aufbau Ostittlerweile auch einen Aufbau West.
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Dr. Georg NüßleinDeshalb war es richtig, dass wir bei dem Thema Breit-band nicht auf die Gemeinschaftsaufgabe gesetzt haben,sondern diesem Thema im Rahmen dieses Programmsein besonderes Augenmerk widmen werden.Herr Trittin hat das Thema Investitionen und Ökolo-gie sehr ausführlich angesprochen. 2009 und 2010 flie-ßen insgesamt 500 Millionen Euro in die Erforschungvon Hybridantrieben, Brennstoffzellen und Speicher-technologien. Wir werden bei dem Thema energetischeSanierung ganz massiv ansetzen. Herr Trittin, ich darfIhnen empfehlen: Vergleichen Sie einmal die Politik derGroßen Koalition im Umweltbereich mit dem, was Sieselber gemacht haben, beispielsweise beim Ausbau dererneuerbaren Energien und bei der energetischen Sanie-rung. Ich glaube, da werden Sie relativ kleinlaut werden
und sich in Zukunft mit Kritik zurückhalten,
jedenfalls dann, wenn Sie es ernst meinen und das Ganzeverantwortungsbewusst angehen.
Ich halte es für ganz entscheidend, dass wir seriös mitdem Thema umgehen und dass wir uns unserer Verant-wortung bewusst sind. Es gibt im Finanzbereich eineKrise des Vertrauens. Wir müssen alles tun, damit darausnicht eine Vertrauenskrise in die Politik wird. Da ist dieGroße Koalition auf einem sehr guten Weg.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Otto Bernhardt für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Das, was die Große Koalition bisher zur Stär-kung der Konjunktur verabschiedet hat, und die vier Ge-setzentwürfe, die wir heute in erster Lesung zusammenberaten, sind, bezogen auf unser Bruttoinlandsprodukt,der größte Beitrag einer Volkswirtschaft innerhalb derEU zur Stärkung der Konjunktur.
Wir leisten den stärksten Beitrag in Europa, obwohlwir eine der gesündesten und stärksten Volkswirtschaf-ten sind.
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nd sich ein Bild zu machen, wer was will. Ich will ver-uchen, an fünf Punkten eine Linie aufzuzeigen, die fürns als Union Maßstab für das Handeln ist, wohl wis-end, dass besondere Situationen besondere Maßnahmenrfordern. Ich schließe nicht aus, dass auch wir irgend-ann weitere Dinge beschließen müssen.Der erste Punkt, das Motto für den Bereich der Fi-anzwirtschaft, ist ganz klar: Es darf zurzeit kein Finanz-nstitut in Deutschland in die Insolvenz gehen. Hättenich die Amerikaner, als es um Lehman Brothers ging,ntsprechend verhalten, wäre der Welt und uns manchesrspart geblieben.
Als Christdemokrat hoffe ich, dass das bisherige In-trumentarium ausreicht, um auch die Bank, die jetzt iner Diskussion ist und deren Situation besonders kritischst, vor der Insolvenz zu bewahren. Ich hoffe, es reichtus, dass der Bund die 33 1/3 Prozent dieser Bank, die ereute ohne Hauptversammlungsbeschluss übernehmenann, übernimmt.Genauso deutlich sage ich mit Blick auf die Real-irtschaft – das ist Punkt zwei –: Wir sind nicht bereit,ns direkt an Firmen zu beteiligen; hier bin ich auf dereite der FDP. Würden wir anfangen, uns irgendwo zueteiligen, würden wir ein Fass öffnen und wichtigerundsätze infrage stellen. Diesen Fehler könnten wirach dem Ende der Krise nur sehr schwer rückgängigachen.Natürlich wollen wir der Realwirtschaft helfen. Zuiesem Zweck haben wir für alle Firmen, die einen Um-atz von bis zu 500 Millionen Euro machen, das 15-Mil-iarden-Euro-Programm verabschiedet. Hinzu kommtetzt das 100-Milliarden-Euro-Programm, mit dem wirns an große Unternehmen wenden. Wir legen allerdingsert darauf, festzustellen, dass diese Programme keineeteiligungen, sondern Bürgschaften und Kredite dar-tellen. Ich gehe noch weiter: Ich lege Wert darauf, fest-ustellen, dass beide Programme von Hausbanken ange-oten und von der KfW verwaltet werden.
m es klar zu sagen: Auch an dieser Stelle sollte sich dertaat nicht übernehmen.
Der dritte Punkt. Alle Experten sind sich darüber imlaren, dass man in einer Zeit wie dieser die Nachfragetärken muss. Die Meinungen, wie man das am bestenacht, gehen aber schon innerhalb der Großen Koalitionuseinander.
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Otto Bernhardt
– Ja, auch in den Reihen der Union, insbesondere aber inden Reihen der Koalition. – Ich sage sehr deutlich: Fürmich persönlich wäre es ein toller Schritt, würden wir inunserem Programm mehr Steuersenkungen vorsehen.
Wir befinden uns allerdings in einer Großen Koalition.Ich sage es einmal so: Wenn es uns nicht gegeben hätte,hätte es überhaupt keine Steuererleichterungen gegeben.
Wir haben es geschafft, zumindest einige Steuererleich-terungen durchzusetzen.
– Herr Kollege, es gibt einen grundsätzlichen Unter-schied zwischen Ihnen und uns: Wir sind der Meinung,der Bürger weiß am besten, was er mit seinem Geldmacht. Deswegen lautet unsere These: Die Bürger brau-chen mehr Netto in der Tasche. Sozialdemokraten sindaber fast immer davon überzeugt, dass der Staat das bes-ser weiß.
Herr Kollege Bernhardt, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Fricke?
Aber selbstverständlich, gerne.
Herr Kollege Bernhardt, jetzt bin ich ein wenig ver-
wirrt. Sie haben gerade ausgeführt, dass mehr Steuersen-
kungen notwendig seien. Zuvor allerdings hat der haus-
haltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion gesagt,
es sei falsch, wenn die FDP weitere Steuersenkungen
fordere.
Herr Röttgen, der Geschäftsführer der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion, hat darauf hingewiesen, dass die CDU
die Forderung nach weiteren Steuersenkungen bzw. nach
einer großen Steuerreform in ihr Wahlprogramm auf-
nehmen wird. Jetzt möchte ich gerne von Ihnen wissen
– diese Frage zielt sowohl auf ihr Wahlprogramm als
auch auf Ihre Pläne für die nächste Legislaturperiode –:
Will die CDU eine große Steuerreform, oder will sie sie
nicht?
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ie Forderung nach einer großen Steuerreform aufneh-
en.
Ich sage aber sehr deutlich, Herr Kollege: Steuerre-
orm heißt nicht nur Steuersenkung. Hier geht es um
trukturveränderungen.
ie Stichworte sind: einfacher, gerechter und auch ein
tück niedriger. Die klare Antwort auf Ihre Frage lautet
lso: Wir werden mit der Forderung, in der nächsten
egislaturperiode eine große Einkommensteuerreform
urchzuführen, in den Wahlkampf ziehen. Ich glaube,
ir haben auch eine Chance, den dafür notwendigen fi-
anziellen Freiraum zu schaffen.
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage,
nd zwar von der Kollegin Hendricks?
Mit dem größten Vergnügen.
Herr Kollege Bernhardt, können wir uns darauf ver-
tändigen, den Slogan „Einfach, niedrig und gerecht“,
ie ihn die FDP formuliert, auf „Einfach und gerecht“
bzuwandeln?
Ich sage es einmal so, Frau Kollegin: Es kommt aufie Schwerpunkte an. Klar ist: Bisher wird unter einerroßen Einkommensteuerreform in der Tat fast immerusschließlich eine Steuersenkung verstanden. Jetztommen andere Attribute hinzu. Ich habe bewusst alsrstes genannt: eine Strukturreform, als Zweites: einfa-her, als Drittes: gerechter, und dann als Viertes: niedri-
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Otto Bernhardtger. Das wird das Konzept sein, mit dem wir in dennächsten Wahlkampf eintreten werden.
Das war mein vierter Punkt. Die Aussage ist klar: Wirbleiben dabei, dass eine große Einkommensteuerreformnotwendig ist. Schauen Sie sich einmal an, was bei ei-nem Bruttolohnzuwachs von 5 Prozent zurzeit nettorauskommt! Viele werden überrascht sein, wie sie in dieProgression kommen. Den Druck, einen Teil dieser stil-len Progression zurückzugeben – das ist ja der Ansatzder CSU –, werden wir in der nächsten Legislaturperiodewieder haben. Wir werden entsprechend reagieren.Ich komme damit zu meinem fünften Punkt, der fürmeine Fraktion von erheblicher Bedeutung ist. Zurück-blickend auf die ersten drei Jahre Große Koalition darfman sagen – da wird mir jeder recht geben –, dass wirbei der Sanierung der öffentlichen Finanzen ein deut-liches Stück vorangekommen sind.
Wenn ich die Ausgangsposition, 2005, mit 2008 verglei-che, kann ich nur sagen: Wir haben in den letzten Jahrendie Freiräume geschaffen, die wir heute leider dringendbrauchen, um Programme zu machen, um gegen dieweltweite Rezession anzugehen. Wir bleiben dabei: DieSanierung der öffentlichen Finanzen ist weiterhin vongroßer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist es richtig,dass wir für einen Teil der Einmalinvestitionen einen be-sonderen Tilgungsfonds einrichten. Nach dem, worüberwir heute in erster Lesung beraten, ist vorgesehen, dassdas, was die Bundesbank über 3,5 Milliarden Euro hi-naus an Überschüssen erwirtschaftet, in diesen Tilgungs-fonds fließt, voraussichtlich schon im nächsten Jahr. Wirmeinen es ernst mit der forgesetzten Sanierung der öf-fentlichen Finanzen.Es hat an diesem Punkt kritische Stimmen in unsererFraktion gegeben. Die Vertreter der jüngeren Generationhaben gesagt: Wir stimmen dem nur zu, wenn ihr gleich-zeitig sicherstellt, dass eine Schuldenbremse ins Grund-gesetz kommt.
Eine Schuldenbremse ist allerdings nur für Bund undLänder gemeinsam sinnvoll. Ob uns dies gelingt, wissenwir nicht; aber wir hoffen es.Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Bun-desregierung und die sie tragenden Fraktionen haben aufdie aktuelle Wirtschaftskrise zum richtigen Zeitpunkt,mit den richtigen Maßnahmen und im notwendigen Um-fang reagiert. Der Bürger kann sich darauf verlassen:Wir werden auch in Zukunft alle notwendigen Entschei-dungen treffen, um diese Krise, die wir nicht verhindernkonnten, abzuschwächen und eine positive Zukunft auf-zuzeigen.Herzlichen Dank.
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gierungBericht der Bundesregierung zum Stand der Be-mühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung undNichtverbreitung sowie über die Entwicklung der
– Drucksache 16/11690 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfeb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstungund Nichtverbreitung sowie über die Entwick-
– Drucksache 16/9200 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfec) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Dr. KarlAddicks, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDP zu der Unterrichtung durch dieBundesregierungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüs-tung und Nichtverbreitung sowie über die Ent-
– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Paul Schäfer , Monika Knoche,Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKE zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüs-tung und Nichtverbreitung sowie über die Ent-
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüs-tung und Nichtverbreitung sowie über die Ent-
– Drucksachen 16/7790, 16/7791, 16/5211,16/9149 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergUta ZapfDr. Werner HoyerWolfgang GehrckeKerstin Müller
d) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenWinfried Nachtwei, Alexander Bonde, JürgenTrittin, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZur Zukunft der nuklearen Abrüstung, Nicht-verbreitung und Rüstungskontrolle– Drucksachen 16/7569, 16/9834 –e) Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedNachtwei, Jürgen Trittin, Kerstin Müller ,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENFür eine atomwaffenfreie Zukunft – Atomwaf-fen aus Deutschland abziehen– Drucksache 16/9799 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
VerteidigungsausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionf) Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedNachtwei, Kerstin Müller , Volker Beck
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEinsatzmoratorium und Ächtung von DU-Mu-nition vorantreiben– Drucksache 16/11439 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten JürgenTrittin, Winfried Nachtwei, Kerstin MüllerdhsmWASWdswAbnttesszshnDwfJW–sssPisDslwi
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
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Das ist auch eine Antwort – so wollen sie auch ver-standen werden – auf einen Vorschlag, den vier Schwer-gewichte der amerikanischen Außenpolitik – HenryKissinger und George Shultz sind darunter – bereits imletzten Jahr entwickelt haben. Sie arbeiten dafür, dassaus einer solchen Vision Wirklichkeit wird.Wir müssen das tun. Deshalb sollten wir miteinanderdafür sorgen, dass diejenigen, die auf der amerikani-schen und der deutschen Seite solche Vorschläge ge-macht haben, hier in Berlin zusammenkommen und dieVorschläge und Konzepte, die erarbeitet worden sind,bündeln. Wir sollten dabei helfen, dass aus solchen Vor-schlägen und Ideen praktische Politik wird.
Herzstück dessen, was wir dort vor uns haben, istganz sicher der Nichtverbreitungsvertrag. Wir habendeprimierende Erfahrungen hinter uns. Die letzte Re-formperiode ist ohne jedes Ergebnis zu Ende gegangen.Ganz klar ist ebenso, dass Russland und die USA, diemehr als 90 Prozent des gesamten Kernwaffenbestandesbesitzen, hier vorangehen müssen.Ich will – auch von hier aus – den Appell an die bei-den jungen Präsidenten in den USA und in Russlandrichten, sich dieser Verantwortung zu stellen und denBlick nach vorne zu richten. Solche Signale sehe ich imAugenblick vor allen Dingen von der amerikanischenSeite. Drei Signale sind es, die ich kurz erwähnen will.Erstens: die Bereitschaft der USA, den START-Ver-trag, das Abkommen über weitere nukleare Abrüstung,zu verlängern, nachdem es Ende dieses Jahres ausgelau-fen sein wird.Zweitens – für jeden, der hier im Saale sitzt und sichin den letzten acht Jahren auch mit Abrüstungspolitik be-fasst hat, fast eine Sensation –: Präsident Obama hat an-gekündigt, den Atomteststoppvertrag dem Senat jetzt zurRatifizierung zuzuleiten.
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ie Unterstützung für diesen Vorschlag wächst. Wirerden uns weiter intensiv dafür einsetzen. Ich werdeein nächstes Gespräch mit Herrn al-Baradei am kom-enden Wochenende in München führen.Die IAEO wird nur dann funktionieren, wenn dietaaten bereit sind, mit dieser wichtigen VN-Kontroll-unktion zusammenzuarbeiten. Das sage ich deshalb,eil es wichtige Staaten wie Iran und Syrien sind, dieisiken in die internationale Politik hineintragen. Wirüssen an diese Staaten appellieren, wir müssen sie auf-ordern, wir müssen sie drängen, mit der IAEO tatsäch-ich zusammenzuarbeiten. Sie haben das alles aus nächs-er Nähe verfolgt.Wir haben uns mittlerweile schon vier Jahre intensivemüht, mit dem Iran klarzukommen, dafür zu sorgen,ass das nukleare Programm, vermutlich auch ein nu-leares Waffenprogramm, nicht weiterverfolgt wird. Wiraben Angebote an den Iran ausgereicht. Wir haben aber
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierauch Sanktionen beschlossen. Wir wollen und brauchenweiterhin eine diplomatische Lösung. In diesem Sinneist es gut, dass Präsident Obama seine Hand ausgestreckthat, dass er Bereitschaft zu Direktgesprächen mit demIran gezeigt hat. Ich glaube nur, es ist an der Zeit, dasswir auch heute, auch von hier aus an den Iran und dieiranische Führung appellieren, diese Hand nicht zurück-zuweisen. Ich verweise gezielt mit Blick auf die Nach-richten von gestern, die auch Sie gesehen haben, darauf,dass der Iran, nachdem die USA ihre Gesprächsbereit-schaft betont haben, anfängt, die Hürden für Direktge-spräche zu erhöhen. Deshalb sage ich: Seid vernünftig!Geht auf dieses Angebot der USA ein – gar nicht einmalwegen der USA und des Restes der Welt – natürlichmöchten auch wir, dass es zu einer Lösung kommt –,sondern vor allen Dingen wegen der Menschen, die un-ter der Isolation und Konfrontation, die die iranische Po-litik hervorruft, leiden. Das geht sogar so weit, dass dortviele Menschen hungern.
Neue Themen stellen sich im Laufe der Zeit. Dennochbleiben manchmal über Jahre und Jahrzehnte Stichworteund Überschriften dieselben. Das deutet darauf hin, dasswir die Aufgaben noch nicht gelöst haben. Der gemein-same Raum der Sicherheit in Europa bzw. von Vancouverbis Wladiwostok ist wahrlich kein neues Stichwort. Nur,aktuell ist dieses Thema nach wie vor. Ich mag nach wievor nicht einsehen, dass wir dann, wenn wir feststellen,dass dieser Raum neuen Bedrohungen, die alle gemein-sam betreffen, ausgesetzt ist, nicht Mittel und Wege fin-den können, um uns gemeinsam vor diesen neuen Be-drohungen auch tatsächlich zu schützen. Die Zeit dafürist reif. Wir sollten sie nutzen und die Bedrohungen, diealle gemeinsam betreffen, nicht zum Anlass nehmen,noch neue überflüssige Konflikte zwischen Ost undWest zu begründen. Das ist nun wirklich nicht Sinn derSache.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auch einenNeubeginn bei der Debatte über den KSE-Vertrag. Esgibt ein Argument, das Russland dagegen zu Recht ein-wendet. So wird gesagt, der KSE-Vertrag stamme aus ei-ner Zeit, die vergangen ist, nämlich aus der Zeit vor derNATO-Osterweiterung. Ich sage: So richtig das Argu-ment ist, so falsch wäre der Schluss, dass man deswegenin Untätigkeit verfallen dürfe.
Der richtige Schluss lautet: Wir müssen den KSE-Ver-trag, weil wir ihn brauchen, an die neuen Bedingungenanpassen. Er ist nicht obsolet. Wer wie Sie die Entwick-lung und den Verlauf des Südkaukasus-Konfliktes imvergangenen Sommer erlebt hat, der weiß, dass das, wasder KSE-Vertrag inhaltlich bezweckte, nämlich mehrStabilität im europäischen Raum, wahrlich nicht obsoletgeworden ist. Wir werden deshalb die Beteiligten erneutnach Berlin einladen und versuchen, beim KSE-Vertragmehr Fortschritte als in der Vergangenheit zu erreichen.AT–gdkzsDDAmsSAbddnUdFLbddudilbnlldsnrs
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss:brüstungspolitik dauert. Das ist in der Regel keinhema für Sprücheklopfer. Ich weiß das wohl. Trotzdem das will ich Ihnen sagen – lohnt sich der Einsatz. Gele-entlich erfährt man das auch in seiner aktiven Zeit: Sourfte ich vor wenigen Wochen in Oslo das Überein-ommen über ein Verbot von Streumunition mit unter-eichnen. Das ist gut. Wir müssen aber gleichzeitig fest-tellen: Viele Staaten haben noch nicht unterschrieben.er Druck wächst zwar, aber er muss weiter wachsen.afür zu sorgen, dass er weiter wächst, das schafft derußenminister nicht allein. Deshalb braucht er ein Parla-ent und Abgeordnete, die ihn dabei unterstützen undich dieser Aufgabe annehmen.
ie können sicher sein: Ich weiß sehr wohl, dass das einerbeit ist, bei der sich der Fortschritt eher in Millimeternemisst bzw. über Jahre gar nicht eintritt. Ich weiß, dassas eine Arbeit ist, für die man nicht am nächsten Tag inen Medien gelobt wird. Es handelt sich aber um eineotwendige Arbeit. Deshalb bedanke ich mich für Ihrenterstützung in der Vergangenheit und setze auf Sie iner Zukunft.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Werner Hoyer für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieber Herr Minister Steinmeier, wir nehmen Ihr Ange-ot gerne an. Wir fühlen uns nämlich dem Ziel, das Sieargelegt haben, verpflichtet. Wir sind auch hinsichtlicher Analyse der Gefahren einer weltweiten Aufrüstungnd einer wachsenden Proliferation mit Ihnen einig, undas nicht erst seit heute. Wir beschwören das mehrfachm Jahr in jeder entsprechenden Debatte. Wir wiederho-en das ebenso wie Sie in diesem Hause seit Jahren ge-etsmühlenartig. Wir loben Sie dafür, aber dann passiertichts.Es ist für meine Fraktion und mich völlig unverständ-ich, dass Deutschland bis heute in einem abrüstungspo-itischen Tiefschlaf liegt,
ass es seit mehr als zehn Jahren keine abrüstungspoliti-chen Initiativen und international oder auch nur natio-al diskutierte Konzepte aus der Feder der Bundesregie-ung gibt. Ich nenne eine Ausnahme – Sie haben sie ebenelber erwähnt –: Den Vorschlag der Multilateralisierung
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Dr. Werner Hoyerdes Brennstoffkreislaufs finde ich sehr interessant. Daskann letztlich durchaus ein Teil des Gesamtpaketes sein.
Abrüstung und Rüstungskontrolle waren Kernelementeder Entspannungspolitik, die zum Ende des KaltenKrieges geführt haben. Kaum ein Land hat der Entspan-nungspolitik so viel zu verdanken wie Deutschland.Heute sind alle relevanten Abrüstungs- und Rüstungs-kontrollverträge entweder gekündigt, oder sie werdenunterlaufen oder liegen auf Eis.Das Schicksal des Nichtverbreitungsvertrages ausdem Jahr 1968 ist ungewiss. Der ABM-Vertrag von 1972ist gekündigt. Die INF-Verträge sind so gut wie ausge-setzt, und der Nachfolger des KSE-Vertrages wartet im-mer noch auf die Ratifizierung durch die NATO-Staaten.Hinzu kommt ein Faktor, der vielleicht noch größereAuswirkungen hat, weil wir ihn nach der Überwindungdes Kalten Krieges möglicherweise etwas aus demBlickfeld verloren haben. Seit 1967 ist die Sicherheits-politik der NATO mehr vom Harmel-Bericht inspiriertals von irgendeinem anderen Dokument. Die NATOvollzog damals einen veritablen Paradigmenwechsel, deruns befähigt hat, die Gefahren des Kalten Krieges zubannen. Militärische Abschreckung und politische Dia-logbereitschaft wurden nicht mehr als Widersprüche,sondern als sich ergänzende Prinzipien verstanden.Heute sind wir in gewisser Weise hinter die 90er-Jahre zurückgefallen. Eindämmung, unilaterales Vorge-hen und Aufrüstung bestimmen die Szene. Dieser Trendmuss umgekehrt werden, und vielleicht wird das jetztauch möglich. Die Signale – insbesondere von unseremamerikanischen Bündnispartner – sind ermutigend.Die richtige Konsequenz ist nicht weniger, sondernmehr vertragliche Bindung. Vielleicht leistet die Welt-wirtschaftskrise dabei durchaus katalytische Dienste. Eswird möglich, was sonst nicht möglich bzw. vielleichtsehr viel schwieriger oder erst später möglich gewordenwäre. Wir sollten diese Chance nutzen.In der Abrüstungspolitik kann Deutschland zu jedemZeitpunkt glaubwürdig wie sonst kaum ein Land auftre-ten. Aber wir erleben eine Abfolge von Versäumnissenund Fehlentscheidungen. Ich nenne einige Beispiele:Bis heute verweigern wir uns der Ratifizierung desAKSE-Vertrages. Die Signalwirkung ist fatal und spieltden Hardlinern in Moskau geradezu in die Hände.
Ein zweites Beispiel: Seit 2005 hat Washington mitPrag und Warschau über die Stationierung eines Rake-tenschildes verhandelt, als gehe das Europa gar nichtsan. Auch die Bundesregierung ist nicht richtig auf dasThema eingestiegen.
Schließlich, Herr Minister – damit komme ich zu demTiefpunkt der deutschen Rüstungskontrolle- und Abrüs-tsGrnoIdGAsrSAAnklaHBnWmpddledkwwiscaddhbgwdas
m Ende waren wir die nützlichen Idioten für einecheidende amerikanische Regierung. Die neue Regie-ung will davon wahrscheinlich relativ wenig wissen.
Berechenbarkeit schafft Vertrauen. Vertrauen schaffticherheit, und Sicherheit gibt die Kraft zu politischernnäherung. 2007 haben vier ehemalige amerikanischeußen- und Verteidigungsminister für die Vision eineruklearen Nulllösung geworben. Sie haben das dan-enswerterweise angesprochen.Diese Initiative hat lange auf ein Echo aus Deutsch-nd warten müssen. Jetzt haben Richard von Weizsäcker,elmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher und Egonahr ein solches Echo gegeben. Das kann man nicht ge-ug würdigen.
enn vier deutsche Staatsmänner, mit denen sich Weg-arken erfolgreicher deutscher Außen- und Friedens-olitik verbinden, sich in dieser Form zu Wort melden,ann schreit das geradezu danach, berücksichtigt zu wer-en. Das muss uns eine Verpflichtung sein.
Das dürfen wir doch nicht unseren Vorgängern über-assen. Wir – unsere Politikergeneration – müssen dasndlich angehen. Aber von der Bundesregierung ist zuieser jetzt schon seit zwei Jahren diskutierten Initiativeeine Stellungnahme in der Sache zu hören. Stattdessenird das, was in Zeiten des Kalten Krieges richtig undichtig war, häufig genug kritiklos wiederholt. Niemandm offiziellen Berlin geht auf das Argument ein, dassich das, was im Kalten Krieg qua erfolgreiche Abschre-kung Teil der wirksamen Problemlösung war, in Zeitensymmetrischer Bedrohung und kaum noch zu stoppen-er Verbreitung von Massenvernichtungswaffen als Teiles Problems selbst erweisen könnte. Präsident Obamaat sich die Vertrauensbildung auf die Fahnen geschrie-en und die Vision einer atomaren Nulllösung zu eigenemacht. Seine Mitarbeiter legen in Gesprächen immerieder Wert darauf, dass er das, was er im Wahlkampfazu gesagt hat, wirklich meint. Wir werden Fragen be-ntworten müssen, die uns die amerikanischen Freundetellen werden.
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Dr. Werner HoyerMan darf natürlich nicht nur in das Papier selberschauen, sondern muss auch die diesem Papier zugrundeliegenden sehr elaborierten Studien berücksichtigen.Dann fallen viele Argumente weg, die bei uns sehrschnell vorgetragen werden. Mancher sagt, das alles seinaiv, nicht zu Ende gedacht. Mancher ist auch der Auf-fassung, der Verzicht auf Atomwaffen bringe uns einemkonventionellen Krieg näher oder werde ihn leichterführbar machen. Das träfe nur zu, wenn man die Ver-knüpfung übersähe, die zwischen Abrüstung und Rüs-tungskontrolle in nie vorhandener Dichte hergestelltwerden muss, genauso wie zwischen nuklearer und nichtnuklearer Abrüstung.
Ich denke, wir haben eine neue Chance in der Abrüs-tungs- und Rüstungskontrollpolitik. Wir müssen sie jetztendlich beherzt nutzen.
Ich erteile das Wort Eckart von Klaeden für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nicht-verbreitungs-, Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitikhat das Ziel, die Welt für unsere Bürgerinnen und Bürgersowie die Völker dieser Welt sicherer zu machen. Ge-rade weil wir uns diesem Ziel verpflichtet fühlen, dürfenwir in einer solchen Debatte nicht nur über die Weltsprechen, wie wir sie uns wünschen, sondern müssenauch darüber sprechen, wie die Welt ist. Dazu gehört,dass es in den letzten Jahren Fortschritte in den Bemü-hungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle gegebenhat. Der Hinweis auf das Streumunitionsabkommen– mit den Einschränkungen, die der Bundesaußenminis-ter gemacht hat – gehört in diesen Zusammenhang.Wir müssen aber auch erkennen, dass es eine Reihevon Rückschlägen gegeben hat. Zu diesem Schlusskommen wir, wenn wir uns an die Proliferation von Nu-klear- und Raketentechnik erinnern und unseren Blickauf die Länder Iran, Nordkorea und Syrien richten. Ins-besondere der Iran und seine unverminderten Aktivitätenbei gleichzeitiger Verweigerung einer angemessenenKooperation mit der Internationalen Atomenergiebe-hörde erfüllen uns zunehmend mit Sorge. Es ist wichtig,dass die internationale Gemeinschaft ihren Kurs fortsetztund gegenüber dem Iran geschlossen auftritt. Es ist eineChance, dass der amerikanische Präsident Obama als ei-nen Teil seiner Verhandlungsstrategie direkte Gesprächemit dem Iran in Aussicht gestellt hat.
Das gibt die Möglichkeit, dem bisherigen Ansatz derDouble-Track-Strategie weitere Elemente hinzuzufü-gen, wie zum Beispiel Gespräche über eine Sicherheits-oIsdLsbddisbuBAnfndDJwVtlSniisrdrkbtwulmwdszSiwsüsektz
nd die Bedenken, die genannt worden sind, sind sicher-ich relevant. Ich glaube dennoch, dass dieses Abkom-en insgesamt ein Fortschritt ist, und zwar deswegen,eil es das strategische Umfeld für Indien verbessert; In-ien wird es sich künftig nicht leisten können, zum Bei-piel gegen die Zusage, in Zukunft auf Atomwaffentestsu verzichten, zu verstoßen. Das ist ein wesentlicherchritt in einem Prozess, der Indien immer näher an dasnternationale Nichtverbreitungsregime heranführenird. Darin liegt der eigentliche strategische Nutzen die-es Abkommens, der aus meiner Sicht die Nachteileberwiegt, die hier immer wieder angesprochen wordenind. Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten würdigrwiesen, dass man dieses Abkommen unterstützenann. Über 30 Jahre hat Indien seine Zusage eingehal-en, keine Proliferation von Technik oder Material vor-unehmen. Indien hat von Anfang an auf eine First-Use-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 21993
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Eckart von KlaedenStrategie von Nuklearwaffen verzichtet, und Indien hat– das ist zur Beurteilung des Falles auch wichtig – imGegensatz zu Iran oder anderen Staaten nicht den Nicht-verbreitungsvertrag unterschrieben. Deshalb ist es ange-sichts der Beurteilung dieser strategischen Lage richtiggewesen, dass die Bundesrepublik als Vorsitzende derNuclear Suppliers Group diesem Abkommen zuge-stimmt hat.Ein Wort möchte ich zur konventionellen Abrüstungverlieren. Wenn ich davon spreche, dass wir nicht nurüber die Welt sprechen dürfen, wie wir sie uns wün-schen, sondern auch über die Welt, wie sie ist, dann ge-hört es schon dazu, im Zusammenhang mit dem KSE-oder dem AKSE-Vertrag darauf hinzuweisen, dass Russ-land diesen Vertrag zweimal in gravierender Weise ge-brochen hat. Mich erstaunt, Herr Kollege Hoyer, dassdas in Ihrer Aufforderung, den Vertrag zu ratifizieren,hier keine Erwähnung gefunden hat. Russland hat zumeinen den Vertrag ausgesetzt, suspendiert. Das ist einklarer Vertragsbruch; denn eine solche Suspendierung istnicht vorgesehen. Wir sind jetzt in der paradoxen Situa-tion, dass Russland gegen seine völkerrechtliche Ver-pflichtung den Informationspflichten aus dem Vertragnicht nachkommt, während wir – auch das gehört zurWahrheit – den Vertrag nicht ratifiziert haben, aber denInformationspflichten aus dem Vertrag nach wie vornachkommen. Wir haben den Vertrag deswegen nicht ra-tifiziert, weil Russland seinen Verpflichtungen aus denVereinbarungen mit der NATO, die in Istanbul imJahre 1999 getroffen wurden, nicht nachgekommen ist.Zum anderen muss man, wenn man über den AKSE-Ver-trag spricht, auch feststellen, dass der zweite gravierendeVertragsbruch von Russland die Ankündigung ist, in denabtrünnigen Provinzen Georgiens Südossetien und Ab-chasien jeweils 3 800 Soldaten zu stationieren. Das kanndas faktische Ende des KSE- bzw. des AKSE-Vertragessein.Ich bin nicht der Ansicht, dass wir dieses VerhaltenRusslands hinnehmen dürfen und dass wir unsere Ratifi-zierungsbemühungen jetzt fortsetzen können, ohne dasanzusprechen und ohne von Russland entsprechende Re-aktionen zu erwarten. Wir brauchen von Russland einklares Bekenntnis zum rüstungskontrollpolitischen Ac-quis des Nachwende-Europa und eine Erklärung, dass essein Handeln an dessen Erhalt auszurichten bereit ist.Wir brauchen von Russland ernsthafte Bemühungen, diedarauf gerichtet sind, in die internationalen Konfliktlö-sungsmechanismen eingebunden zu bleiben und nichteine Politik der freien Hand zu betreiben, wie wir sie imGeorgien-Konflikt leider haben beobachten müssen. Wirmüssen gerade jetzt Wert auf die Einhaltung der Istan-bul-Kriterien legen, damit nicht der Eindruck entsteht,militärisches Vorgehen oder militärische Aggressionlohne sich und führe nicht zu Konsequenzen.Ich weiß, dass das den allgemein harmonischen Toneiner solchen Abrüstungsdebatte stört, aber es gehörteben dazu, die Welt nicht nur so zu sehen, wie man siesich wünscht, sondern auch so, wie sie bedauerlicher-weise ist.LKiZnmetdlWzbdsbnaefsWsVuneBaWnGd
Das Wort hat nun Paul Schäfer für die Fraktion Die
inke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Es ist sehr gut, dass wir nichtn erster Linie über die Vergangenheit, sondern über dieukunft der Abrüstung reden; schließlich ist die Hoff-ung groß, dass die bleierne Zeit der Rüstungskontrolleit der Ära Bush zu Ende geht. In der Tat, das ist dierste Frage: Wie kann die Aufrüstungsdynamik der letz-en zehn, zwölf Jahre umgekehrt und in eine Dynamiker Abrüstung verwandelt werden? Die zweite Frageautet: Was kann die Bundesregierung dazu tun?
urschtelt sie weiter vor sich hin, oder geht sie unver-agt ans Werk und versucht, eine solche Dynamik her-eizuführen?Dabei reicht es nicht, alle Hoffnung auf Obama undas Weiße Haus zu projizieren. Natürlich, was dort ge-chieht, eröffnet neue Chancen, aber wir müssen sie sel-er nutzen. Die Chancen liegen darin, dass das, wasoch gestern nur als eine schöne Utopie erschien, dietomwaffenfreie Welt, heute greifbar näher ist; selbstrzkonservative Politiker fordern sie. Nur die Unions-raktion scheint nicht gemerkt zu haben, dass die Weltich weiterdreht.
as wir gerade an altem Denken gehört haben, ist schonchwer verdaulich.
Erstens. Wenn sich der neue US-Präsident jetzt dieision einer Welt ohne Atomwaffen zu eigen machtnd zu drastischen Einschnitten in das Atomwaffenarse-al bereit ist, dann kann und muss die Bundesregierunginiges tun: Abzug der US-Atomwaffen aus der Eifel,eendigung der nuklearen Teilhabe. Das ist doch jetztngesagt!
ir erwarten von der Bundesregierung, Herr Außenmi-ister, dass sie darum kämpft, beim kommenden NATO-ipfel die Frage des Ersteinsatzes von Atomwaffen aufie Tagesordnung zu bringen,
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Paul Schäfer
und dafür eintritt, dass diese Doktrin von der Allianz un-widerruflich ad acta gelegt wird. Das wäre übrigens auchein entscheidender Beitrag dazu, die Überprüfungskon-ferenz zum Nichtverbreitungsvertrag zum Erfolg zu füh-ren.In diesem Zusammenhang: Dem Antrag der Grünenwerden wir zustimmen. Er ist zwar zahnlos, aber ansons-ten okay.Zweitens. Wenn sich der neue US-Präsident bei derAufstellung der Raketenabwehr in Polen und in Tsche-chien zumindest zögerlich zeigt, dann kann die Bundes-regierung mehr tun, als nur zustimmend zu nicken. Es istja richtig, wenn diese Aufrüstungspläne erst einmal aufEis gelegt werden, wenn es neue Gespräche mit Russ-land gibt, aber es wäre ein wichtiges Signal, wenn auchdie gleichgerichteten bzw. komplementären Programmeder NATO – daran ist die Bundesrepublik beteiligt – ersteinmal gestoppt würden.Drittens. Wenn sich die neue US-Präsidentschaft jetztfür direkte Verhandlungen mit dem Iran ausspricht– hierbei geht es um eine zentrale Abrüstungsfrage –,dann sollte die Bundesregierung im Rahmen der Euro-päischen Union darauf hinwirken, dass ein neuer diplo-matischer Ansatz entwickelt wird. Die Politik des immerschärferen Drucks auf den Iran hat nicht zum Erfolg ge-führt; sie wird nicht zum Erfolg führen. Aber man hört,gerade die Bundeskanzlerin sei besonders verbissen da-bei, immer weiter an der Sanktionsschraube zu drehen.Lassen Sie diesen Unsinn!
Wenn man den Druck auf die Staaten, die einen Appetitauf Atombomben entwickelt haben, erhöhen will, dannmuss man den Pfad der allgemeinen, vollständigen undverifizierbaren Abrüstung der Atomwaffen beschreiten.Außerdem muss man die Anreize erhöhen, von derBombe zu lassen, indem man weitreichende Angebotezur Kooperation bei der wirtschaftlichen Entwicklungmacht. Das wäre vernünftige Politik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Atomrüstung istein zentrales Thema, aber nicht das einzige. Russland hatdas Nukleare aufgewertet, weil man sich gegenüber derNATO im konventionellen Bereich im Hintertreffen unddurch den bestehenden KSE-Vertrag benachteiligt sieht.Das kann uns nicht gefallen, aber es ist nachvollziehbar.Daher müssen wir auch darüber sprechen, wie wir beider konventionellen Abrüstung vorankommen. Ob esjetzt zweckmäßig und sinnvoll ist, im Rahmen – derHerr Außenminister hat es angesprochen – von Verhand-lungen über einen neuen KSE-Vertrag über neue Flan-ken- und Stationierungsregeln sowie über neue Ober-grenzen, die längst obsolet sind, zu sprechen, ist sehrgenau zu hinterfragen.Die Linke hat vor einem Jahr hier vorgeschlagen – dasist ein einfacher, transparenter und guter Vorschlag –,alle KSE-Teilnehmer sollten ihre Waffen und Streitkräftepz–dSHVttdnDmdmEAfsauppbdAsmamvisgGmrAthvwliWdjEwganls
ich als eine Ordnungsmacht zu verstehen, die globalilitärisch intervenieren will? Wenn in diesem Kontextuch noch formuliert wird, dass die Allianz notfalls auchilitärisch „unsere“ strategische Rohstoff- und Energie-ersorgung sichern müsse, dann werden wir – das sagech Ihnen voraus – keinen Ausweg aus der Rüstungs-pirale finden.Auch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es darumeht, über neue Philosophien, neues Denken, neuerundlagen zu sprechen. Ein Hinweis auf Gorbatschowuss hier genügen. Das war eine kurze Phase, in der Ab-üstungspolitik stattgefunden hat. Damals war man deruffassung, Sicherheit sei nur gemeinsam und koopera-iv zwischen Ost und West zu erreichen und die Mensch-eit müsse sich, statt Mittel sinnlos im Wettrüsten zuergeuden, den eigentlichen Aufgaben zuwenden: Über-indung von Armut und Hunger, Bewahrung der natür-chen Grundlagen unseres Planeten, Schaffung gerechtereltwirtschaftsbeziehungen. Diese Aufgaben sind heuteringender denn je. Darauf muss sich die Außenpolitiketzt konzentrieren.Es ist gut, dass Hillary Clinton jetzt formuliert hat,ntwicklungszusammenarbeit und Diplomatie seien dieichtigsten Mittel, um die amerikanische Sicherheit zuewährleisten. Das ist ein guter Denkansatz. Er mussber zu praktischer Politik werden. Das wird er abericht, wenn wir nur auf Heilsbringer in den USA schie-en; vielmehr müssen dazu Menschen aktiv werden undich engagieren, was ja viele nächste Woche in München
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Paul Schäfer
oder im April anlässlich des NATO-Gipfels tun wollen.Wir unterstützen sie dabei, und das ist gut so.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Winfried Nachtwei für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieheutige Debatte über den Jahresabrüstungsbericht derBundesregierung ist für mich zuerst Anlass, den Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtesfür ihre vorzügliche Arbeit auf diesem mühsamen Feldzu danken. Unter Botschafter Gottwald wird hier einesehr kompetente, sehr geduldige und differenzierte Ar-beit geleistet.
Im vorigen Jahrzehnt erlebte die Welt eine Abrüstungim Frieden, wie es sie in der Geschichte noch nie gege-ben hat. Dieser Trend verkehrte sich ungefähr seit derJahrtausendwende ins Gegenteil. Im Jahr 2007 erreich-ten die weltweiten Rüstungsausgaben die extreme Höhevon 1,34 Billionen Dollar. Wir wissen, wo die Steige-rungsraten am höchsten waren: in den USA mit über50 Prozent, aber auch in Südasien, im Nahen Osten undin Nordafrika.Seit der letzten Debatte über den Jahresabrüstungs-bericht vor ungefähr einem Jahr hat es materielle Verbes-serungen auf diesem Feld nahezu nicht gegeben. Ichnenne Beispiele dafür: Es ist ein Skandal, dass die Gen-fer Abrüstungskonferenz – sie ist das einzige ständigeglobale Forum für Fragen von Rüstungskontrolle undAbrüstung – nicht vom Fleck kommt. Das Nichtverbrei-tungsregime ist in seiner Glaubwürdigkeit schwer ge-schädigt durch die Billigung des amerikanisch-indischenNuklearabkommens durch die Nuclear Suppliers Group.Hier ist von Vorrednern zu Recht darauf hingewiesenworden, dass die Bundesregierung leider und im Wider-spruch zu ihren sonstigen Beteuerungen für dieses Ver-sagen mitverantwortlich ist.
Allein der Vertrag zum umfassenden Verbot vonStreumunition war im letzten Jahr ein Lichtblick. Wirmüssen dennoch feststellen: Auch hier waren der Druckaus der Zivilgesellschaft und das Verhalten einsichtigerRegierungen ausschlaggebend. Die Bundesregierung tratldgwtgdNElfWgcpraGUvBdmdvuAMddwAsdotmZdvsBdlkr
Wenn so erfahrene Realpolitiker wie Henry Kissinger,eorge Shultz, William Perry und Sam Nunn in denSA zu einer atomwaffenfreien Welt aufrufen und darinon Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egonahr und Hans-Dietrich Genscher voll unterstützt wer-en – Helmut Schmidt redet jetzt nicht mehr davon, dassan zum Arzt gehen müsse, wenn man Visionen hat –,ann muss das unsere Gesellschaft aufwühlen.
Die Bundesregierung bekennt sich immer wieder zuertraglich abgesicherter Nichtverbreitung, Abrüstungnd Rüstungskontrolle und dem Ziel der vollständigenbschaffung von Massenvernichtungswaffen. Sie, Herrinister, setzen sich bei verschiedenen Gelegenheitenafür ein; das nehme ich Ihnen auch ab. Aber wie sindiese Bekenntnisse mit dem vereinbar, was Sie noch vorenigen Monaten in Ihrer Antwort auf unsere Großenfrage zu Aspekten der nuklearen Abrüstung ge-chrieben haben? Die Bundesregierung gesteht da ein,ass die Fähigkeit zur nuklearen Abschreckung keineperative Rolle bei friedenssichernden und friedensstif-enden Einsätzen und beim Kampf gegen den Terroris-us spiele. Zugleich aber begründen Sie den politischenweck der Nuklearstrategie der NATO mit „Wahrunges Friedens, Verhinderung von Zwang und jeder Arton Krieg“.Dies sind übrigens genau die Worte, die im strategi-chen Konzept der NATO von 1991 stehen. Dies ist eineegründung – so muss ich sagen –, die von jeder Verän-erung der Bedrohungslage losgelöst ist. Dieser Wort-aut ist schlichtweg eine Ewigkeitserklärung für die nu-leare Abschreckung.
Wie ist es mit Ihren Bekenntnissen zur nuklearen Ab-üstung vereinbar, dass die Bundesregierung einerseits
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Winfried Nachtweidie von der Blix-Kommission geforderten demokrati-schen Kontrollmöglichkeiten vonseiten des Parlaments,der Nichtregierungsorganisationen und der Öffentlich-keit befürwortet, andererseits an derselben Stelle jedekonkrete Antwort auf die Modernisierung von Nuklear-waffen in verschiedenen Staaten, auf die diesbezüglicheDiskussion in der NATO oder auf die Diskussion überAtomwaffen in Deutschland einfach ablehnt? Das isteine notorische Verhinderung einer öffentlichen Diskus-sion über diese Punkte.
Die zentralen Schritte zur nuklearen Abrüstung undNichtverbreitung sind bekannt und liegen seit langemauf dem Tisch; Herr Minister, Sie haben diese Kern-punkte vorhin deutlich hervorgehoben.In den nächsten Wochen werden sich auf der Münch-ner Sicherheitskonferenz und dann vor allem auf demNATO-Gipfel Gelegenheiten für deutsche Impulse erge-ben. Sie selbst haben die Erklärung von Helmut Schmidtund anderen zitiert; sie ist auf der Website des Auswärti-gen Amtes nachzulesen. Lesen Sie bitte die Erklärungund das, was der Bundesregierung vorgeschlagen wird,nämlich sich dafür einzusetzen, dass die Möglichkeit ei-nes Ersteinsatzes von Atomwaffen aus der Nuklear-strategie der NATO herausgenommen wird. JoschkaFischer hat vor zehn Jahren einen solchen Versuch unter-nommen. Damals ist er unter anderem von der FDP kräf-tig gerügt worden. Das wäre ein wichtiger Schritt. Derandere wichtige Schritt, den Helmut Schmidt und anderevorschlagen, ist der Abzug der letzten amerikanischenAtomwaffen von deutschem Boden.
Selbstverständlich dürfen wir über die brennendenFragen der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitungdie bei der konventionellen Abrüstung und Rüstungs-kontrolle bestehende Herausforderung nicht vergessen.Mit dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Eu-ropa, also dem angepassten KSE-Vertrag, ist es nachdem Georgien-Krieg erheblich schwieriger geworden.Daher muss es verstärkte Bemühungen zur Weiterent-wicklung geben. Dazu gehört zunächst die zügige Ratifi-zierung, damit wir auf dieser Basis fortfahren können.
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Bereich ist aufUN-Ebene die energische Förderung des Prozesses zumAbschluss eines Vertrages über den Waffenhandel, wasimmerhin inzwischen von mehr als 130 Abgeordnetendieses Hauses unterstützt wird. Schließlich sollten diesehr guten Ansätze zur Demilitarisierung, Demobilisie-rung und Reintegration vor Ort, die auch von der Bun-desrepublik, zum Beispiel vom BICC in Bonn, unter-stützt werden, mit deutlich größerer Intensität gefördertwerden.
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Es ist gut, dass Abrüstung wieder ein Thema ist. Ab-üstung braucht aber Bewegung in Positionen, in der Di-lomatie, in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung.eute sind die Chancen, die bisherige Rüstungsdynamikn eine Abrüstungsdynamik umzukehren, so groß wieoch niemals in diesem Jahrhundert. Aber warten wiritte nicht nur auf Obama, sondern setzen wir dazu ei-ene Impulse! Ich habe dazu Vorschläge gemacht.Danke schön.
Das Wort hat nun Kollege Rolf Mützenich für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ichöchte am Anfang den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ern des Auswärtigen Amtes ganz herzlich danken, undwar auch deswegen, weil wir sie zeitlich ein bisschenberfordert haben. Wir wollten diese Debatte etwas frü-er durchführen. Botschafter Gottwald ist schon genanntorden, aber auch den ehemaligen Botschafter Gröning
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Dr. Rolf Mützenichsollten wir hier lobend erwähnen; denn meines Erach-tens ist hier von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterneine Menge bewegt worden. Wir sollten uns vonseitendes Deutschen Bundestages überlegen, ob wir diese De-batte nicht immer am Anfang eines Jahres führen wol-len; denn damit könnten wir der Abrüstung und der Rüs-tungskontrolle größere Aufmerksamkeit zuteil werdenlassen.
An Appellen zu Abrüstung und Rüstungskontrolleherrscht kein Mangel. Das haben wir in den letzten Jah-ren immer wieder gelesen. Ich sage es ganz offen: Fürmich ist es ein bisschen ein Problem, dass alle diese Po-litiker und Generäle außer Dienst sind. Sie hätten eineMenge bewegen können, als sie damals im aktivenDienst waren.
Deswegen, Herr Minister, interessieren mich eigent-lich mehr diejenigen, die jetzt in Verantwortung sind. In-sofern bin ich sehr dankbar, dass Sie von Anfang an,zum Beispiel am 26. Juni 2005, damals gemeinsam mitKurt Beck, Abrüstung und Rüstungskontrolle bei derSPD wieder zum Thema gemacht haben,
dass Sie im letzten Jahr auf der Münchner Sicherheits-konferenz als erster Politiker wieder über Abrüstung ge-sprochen haben und dass Sie versucht haben, denAKSE-Vertrag zu retten. Das sind doch genügend Bei-spiele für die Leistungen des Auswärtigen Amtes, aberauch des Ministers, diesem Thema wieder genügendAufmerksamkeit gewidmet zu haben.
Herr Kollege Steinmeier, ich freue mich darauf, was Siealles bei diesem Thema bewegen werden, wenn Sie erstmal Kanzler sind.
Meine Damen und Herren, Abrüstung und Rüstungs-kontrolle sind gut und wichtig. Aber ebenso muss dasDenken über die Rolle und den Status von Waffen verän-dert werden. Anfang des Jahres haben ehemalige briti-sche Generäle darauf hingewiesen, dass Großbritannienauf die Kernwaffen verzichten könne. Das war einwichtiges Signal, ohne Zweifel. Aber wir sollten eben-falls zur Kenntnis nehmen, dass der konservative Vorsit-zende des Verteidigungsausschusses im Unterhaus da-rauf geantwortet hat, nur die Nuklearkapazität garantiereGroßbritannien einen Platz als ständiges Mitglied imUN-Sicherheitsrat. Welch verheerendes Zeichen an denIran, an Pakistan, an Indien ist es,
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Das sind genau die falschen Schritte.Wir sollten uns auch bei der Fortschreibung der euro-äischen Sicherheitsstrategie überlegen, nicht nur überie Nichtverbreitung von Kernwaffen zu diskutieren,ondern gleichzeitig auch an die Abrüstungsverpflich-ungen der Länder zu erinnern, die in Europa über Kern-affen verfügen. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeituropäischer Sicherheitspolitik.
Abrüstung und Rüstungskontrolle ist mehr alsaffen zählen; das ist gar keine Frage. In diesem Zu-ammenhang möchte ich daran erinnern, dass dadurchicht nur die Kosten im Verteidigungsetat reduziert wer-en, sondern auch das Sicherheitsdilemma zwischen dentaaten verringert wird, und auch das ist ganz wichtig.ir haben in unserer Nachbarschaft im Zusammenhangit dem Vertrag von Dayton erlebt, dass Abrüstung undüstungskontrolle ein wichtiges Instrument zur Befrie-ung von Bürgerkriegsgesellschaften ist. Ich finde, esohnt sich, auch darüber zu diskutieren, wenn es um Ent-icklungspolitik und viele andere Dinge geht.Abrüstung und Rüstungskontrolle ist aber auch fürndere Regionen ein Thema. Ich erinnere daran, dass dieüdostasiatischen Staaten in den 90er-Jahren eine kern-affenfreie Zone beschlossen haben. Das war bei unsur ein Randthema. Vietnam, Laos und Kambodschaind damals über die kernwaffenfreie Zone – das waruasi der Türöffner – zu dem regionalen Sicherheitssys-em hinzugekommen. Deswegen begrüße ich nachdrück-ich, dass der Golfkooperationsrat für den Persischenolf eine kernwaffenfreie Zone vorgeschlagen hat.
as ist eine Möglichkeit, das Thema Abrüstung undüstungskontrolle angesichts der verheerenden Sicher-eitssituation in diese Region einzubringen und dem Iranngebote zu machen, den Weg der Abrüstung und Rüs-ungskontrolle zu gehen.Wir haben gehört – diese Forderung unterstützen wirachdrücklich –, dass die Überprüfungskonferenz010 ein Erfolg werden muss. Sie muss gerettet werden.s war gut, dass die Europäische Union damals mit eineremeinsamen Initiative nach New York gegangen ist.ch würde mich freuen, wenn vonseiten des Auswärtigenmtes auch jetzt eine Menge dafür getan würde. Ichürde es auch begrüßen, wenn die verantwortlichentaaten beim NATO-Gipfel im April dieses Jahres imusammenhang mit der NATO-Doktrin auch über denuklearen Ersteinsatz sprechen würden; denn auch dasehört zur Glaubwürdigkeit. Ich glaube, dies ist das rich-ige Forum dafür.
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Dr. Rolf Mützenich
Ich glaube, wir stehen vor neuen Möglichkeiten derRüstungskontrolle. Die Außenministerin der USA,Hillary Clinton, hat in einer Anhörung des Senats sehrdeutlich gemacht, in welche Richtung sie gehen will. Siewill den START-Vertrag entweder verlängern, ihn neuverhandeln oder den Verhandlungen mit Russland Zeitgeben. Sie hat den Atomteststoppvertrag angesprochen,was ein sehr wichtiges Signal an Indien ist.Ich bin der Meinung – ich habe das hier schon beiverschiedenen Gelegenheiten deutlich gemacht –, dassdie Gefechtsfeldwaffen, die in Deutschland lagern, voll-kommen überflüssig sind. Sie spielen für Deutschland insicherheitspolitischer Hinsicht keine Rolle. Wir müssenaber gleichzeitig darauf hinweisen, dass die anderen tak-tischen Atomwaffen, die Tausende von Waffen, die inRussland lagern, genauso verschrottet werden müssen.Beide Aspekte müssen aus Gründen der Glaubwürdig-keit zusammen betrachtet werden.
Ich möchte betonen, dass auch ich der festen Über-zeugung bin, dass mit Präsident Obama die Möglichkei-ten der Diplomatie eine größere Bedeutung erhaltenwerden. Wir brauchen mehr Diplomatie und weniger Ra-keten. Ich glaube, dass dies das Motto der nächsten Jahresein wird. Das bedeutet aber auch – das hat hier nochkeine Rolle gespielt –, dass man auf die Raketenabwehrhinweisen muss. Ich glaube, dass das ein ganz wichtigerAspekt ist. Ich bin mir nicht sicher, ob die Obama-Admi-nistration auf die amerikanische Raketenabwehr ver-zichten wird. Das wird sich in den nächsten Monatenzeigen.Aber warum starten wir in Europa nicht eine Initiativefür einen neuen ABM-Vertrag? Warum fordern wir einensolchen Vertrag nicht von den USA, von Russland undallen Staaten, die sich möglicherweise eine Raketenab-wehr zulegen? Wenn es gelingen würde, die Offensivka-pazitäten mit einem neuen START-Abkommen herunter-zufahren, dann würde es sich doch lohnen, auch übereine Begrenzung bei der Raketenabwehr zu diskutieren.Der ABM-Vertrag hat in den 80er- und 90er-Jahren, alsovor seiner Kündigung, bewiesen, dass er zur Stabilitätbeitragen kann. Ich glaube, ein neuer ABM-Vertragwürde auch Europa mehr Sicherheit bieten, zumindestfür mehr Gelassenheit bei diesem Thema sorgen. Ichfinde, dies ist ein dankbares Thema, und es wäre gut,wenn sich insbesondere die europäischen Staaten, diesich zur Stationierung einer Raketenabwehr bereiterklärthaben, zusammen mit den skandinavischen Partnernoder Deutschland dieses Themas annehmen würden.
Der letzte Punkt. Sie haben zu Recht die konventio-nelle Rüstungskontrolle angesprochen. Ich bin dankbar,dass Sie die betroffenen Staaten dieses Jahr wieder ein-laden werden, um über die Zukunft des AKSE-Vertrageszu sprechen. Aufgrund der Ankündigungen vonMbldWsscdtrrtdAwSusggtKIladr–dgAHnrwna
Ich erteile das Wort Kollegin Elke Hoff, FDP-Frak-
ion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Lieber Rolf Mützenich, warum so verzagt?ch meine, Herr Steinmeier muss nicht unbedingt Kanz-er werden;
ls Außenminister und Vizekanzler hat er bereits heuteie Möglichkeit, im Bereich der Abrüstung sehr segens-eich zu wirken.
Ja, ja, er tut es sogar. Schauen wir mal.Wir alle in diesem Haus – das hat die Debatte sehreutlich gezeigt – teilen die Einschätzung, dass die ver-angenen Jahre schwarze Jahre für die internationalebrüstung und Nichtverbreitung waren. Gerade vor demintergrund der neuen Entwicklungen brauchen wireue und kraftvolle Initiativen. Das Risiko der nuklea-en Proliferation wird weiter steigen, auch deshalb,eil der Bedarf an Energie in den verschiedenen Regio-en dieser Welt wächst und daher immer mehr Staatenuf die zivile Nukleartechnologie zurückgreifen wollen.
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Elke HoffWeltweit nähern sich immer mehr Staaten, beispiels-weise Ägypten und Algerien, der Schwelle zur nuklea-ren Anreicherungskapazität. Deshalb, sehr geehrter HerrMinister, steht hinter Ihrer Initiative zur Multilateralisie-rung des nuklearen Brennstoffkreislaufes grundsätzlichein richtiger Gedanke. Aber es reicht nicht, diese Einzel-initiative immer wieder stolz vorzuzeigen und zu versu-chen, damit die Abrüstungspolitik der Bundesregierunginsgesamt schönzureden, vor allem dann nicht, wenndiese Bundesregierung bei der entscheidenden Nagel-probe für die Glaubwürdigkeit deutscher Abrüstungs-und Nichtverbreitungspolitik unlängst – ich muss es andieser Stelle wiederholen – auf der ganzen Linie einge-brochen ist.
Unter deutschem Vorsitz hat die Gruppe der nuklea-ren Lieferländer mit Indien erstmals einem Kernwaffen-staat außerhalb des Atomwaffensperrvertrages kostbareHandelsrechte für Nukleartechnologie eingeräumt, diesonst ausschließlich den Vertragsstaaten zur Verfügungstehen, und das, ohne im Gegenzug von Indien die ent-sprechenden und dringend notwendigen Abrüstungsver-pflichtungen einzufordern. Kollege von Klaeden, ichteile nicht Ihre Meinung, dass Indien damit näher an denAtomwaffensperrvertrag herangeführt worden ist. ImGegenteil: Eine Chance ist vertan worden. Jetzt ist esSpekulation, wie sich Indien möglicherweise verhaltenwird. Durch eine klare vertragliche Fixierung hätte auchvon indischer Seite das Signal ausgesendet werden kön-nen, dass es sich in dem Konzert und im Rahmen desAtomwaffensperrvertrages beheimatet fühlt und bereitist, die entsprechenden Regularien anzuerkennen.So sieht aus unserer Sicht keine verantwortungsvolledeutsche Abrüstungspolitik aus. Diese Politik bereitetden Weg in nukleare Doppelstandards. Sie befördert dieUnterscheidung zwischen guter und schlechter Prolifera-tion. Sie ist daher aus unserer Sicht ein abrüstungspoliti-scher Irrweg. Denn in letzter Konsequenz bedeutet dasauch eine Aufweichung und ein Ende des Atomwaffen-sperrvertrages, das Ende des internationalen Nichtver-breitungskonsenses und den Beginn einer Phase unkon-trollierter nuklearer Aufrüstung.Natürlich ist es genauso wichtig, endlich eine diplo-matische und tragfähige Lösung im Streit um das irani-sche Nuklearprogramm zu finden. Wenn die Sanktio-nen Wirkung entfalten würden, wären wir sicherlich dieLetzten, die sagen: Damit kann man nicht operieren. –Angesichts dessen, dass viel Energie allein dafür ver-schwendet werden muss, unter den Staaten, die sich fürden Weg der Sanktionen entschieden haben, überhauptEinvernehmen darüber zu erzielen, dass die Reaktionendarauf zu einer Solidarisierung innerhalb Irans mit mo-deraten Kräften führen, und außerdem eines der wesent-lichen Themen nicht besprochen wird, nämlich wie zu-künftige Sicherheitsgarantien in der Region – auch fürden Iran – aussehen können, wird auch eine Verschär-fung der Sanktionen nach unserer Auffassung ein stump-fes Schwert bleiben. Herr von Klaeden, Sie haben überdie Tatsachen der Politik geredet. Hier geht es darum,endwtdIhfgkduKEIftrRtiDFdumgzSPAttSiwtdNvsgrnC
Die ausgestreckte Hand der Obama-Administration,ie angekündigt hat, direkte Gespräche aufnehmen zuollen, ist der einzig vernünftige Weg. Wir müssen na-ürlich abwarten, wo in dieser neuen Gesprächsstrategieie Schwerpunkte liegen werden. Man kann in der Tat anran nur appellieren, hier die Messlatte nicht zu hoch zuängen und die Gespräche, die auf einen richtigen Wegühren könnten, nicht durch unsinnige Forderungen zuefährden.Es laufen eine Reihe von fundamentalen Rüstungs-ontrollverträgen wie START I und SORT aus, ohneass belastbare Nachfolgeverträge zwischen Washingtonnd Moskau in Sicht wären. Parallel dazu siecht derSE-Vertrag dahin, der einst einer der bedeutendstenckpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur war.n gut einem Jahr, im Frühjahr 2010, wird die Überprü-ungskonferenz des erodierenden Atomwaffensperrver-rages zum Testfall für die Zukunftsfähigkeit der nuklea-en Nichtverbreitung und damit der multilateralenüstungskontrolle insgesamt.Wir brauchen eine neue und ehrliche Abrüstungsini-iative. Deutschland muss dabei – darüber sind wir unsm Parlament einig – eine Vorreiterrolle einnehmen.eshalb ist es natürlich erfreulich, dass die Grünen-raktion in ihrem Antrag den gemeinsamen Aufruf dereutschen Staatsmänner Genscher, Schmidt, Weizsäckernd Bahr zur Abrüstung unterstützt. Allerdings vermisstan einen Namen: Wo ist Joseph Fischer, liebe Kolle-innen und Kollegen? Wir werden diesem Antrag aberustimmen.Herr Bundesaußenminister, auf der letzten Münchnericherheitskonferenz haben Sie an den ehemaligen US-räsidenten Eisenhower, den Begründer der nuklearenbrüstung, erinnert und drei Punkte aus seiner berühm-en „Atoms for Peace“-Rede beschworen: Führung, Ver-rauen und Glaubwürdigkeit. Dieser Dreiklang, so habenie zu Recht gesagt, bilde das Fundament für den Erfolgnternationaler Abrüstung. Beweisen Sie diese Glaub-ürdigkeit, indem Sie eine umfassende Abrüstungsini-iative auf den Weg bringen. Zeigen Sie Führung! For-ern Sie unsere Verbündeten dazu auf, rasch belastbareachfolgeregelungen für die auslaufenden Abrüstungs-erträge zu finden. Bilden Sie hiermit Vertrauen zwi-chen den weltweiten Nichtkernwaffenstaaten, dass wiremeinsam und geschlossen bei der Überprüfungskonfe-enz des Atomwaffensperrvertrages 2010 für das Ziel ei-er Welt ohne Kernwaffen einstehen.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Kollege Eduard Lintner, CDU/SU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie so oft – daskam schon mehrfach zum Ausdruck – gab es beimThema Abrüstung auch in den vergangenen MonatenLicht und Schatten. Der uns heute vorliegende Berichtzeigt aber auch, dass sich die Bundesregierung im zu-rückliegenden Jahr wieder nach Kräften bemüht hat, fürmöglichst viele Fortschritte zu sorgen. Dafür gebührt ihrzunächst einmal Dank und Anerkennung. Vor allemmöchte ich dabei die prominente Rolle der Regierungbei den Verhandlungen zur Streumunitionskonventionhervorheben.
Das im vergangenen Monat in Oslo unterzeichnete Ab-kommen stellt eine wichtige Weiterentwicklung auf demGebiet der konventionellen Rüstungsbegrenzung dar. Ichhoffe, dass uns dieses Abkommen nach dem Kabinetts-beschluss in der vergangenen Woche rasch zur Ratifika-tion zugeleitet wird.Natürlich endet unser Engagement für das Verbot vonStreumunition damit nicht. Sie wird nämlich nach wievor eingesetzt – zum Beispiel erst kürzlich im Georgien-Krieg –, und wichtige Staaten wie die USA, Russlandund China haben die Konvention bislang nicht unter-zeichnet. Wir müssen nun geduldig und nachhaltig allesdaransetzen, auch diese Staaten zu überzeugen, damitdas Verbot von Streumunition nach und nach weltweitwirksam werden kann. Auch bei der Reise nach Moskau,die der Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolleund Nichtverbreitung in der kommenden Woche unter-nimmt, wird dies sicherlich ein prominentes Gesprächs-thema sein.Ebenfalls zu loben ist die Entscheidung der Bundes-regierung – sie hat sie gemeinsam mit den anderen Mit-gliedern der Nuclear Suppliers Group getroffen –, Indienden Bezug von Nukleartechnologie zu gestatten. Ichweiß, es gab an dieser Entscheidung viel Kritik. Es bleibtaber positiv festzuhalten, dass sich Indien als Gegenleis-tung für dieses Entgegenkommen verpflichtet hat, mehrKontrollen seiner Nuklearanlagen durch die IAEO zuzu-lassen und nicht zur Weiterverbreitung von Nukleartech-nologie zu militärischen Zwecken beizutragen. Das ist,wie ich glaube, ein wichtiger Beitrag zum weltweitenBemühen, die Proliferation militärischer Nukleartech-nik einzudämmen, und ein Beitrag zur Heranführung In-diens an den Atomwaffensperrvertrag.
Einige prominente ehemalige Mitglieder dieses Hau-ses, unter ihnen Richard von Weizsäcker und HelmutSchmidt – sie sind schon erwähnt worden –, sind Anfangdieses Jahres einem Beispiel aus den USA gefolgt undhaben öffentlich dazu aufgerufen, Schritte in Richtungeiner atomwaffenfreien Welt zu unternehmen. Die Bun-desregierung hat diesen Aufruf wohlwollend zur Kennt-nis genommen. Ich fordere die gesamte Bundesregie-rung, insbesondere Sie, Herr Außenminister, auf, nunentsprechende Schritte einzuleiten. Die Überprüfungs-konferenz zum Atomwaffensperrvertrag im kommen-dtSzTdNswudeDvmtsfORbrlAdwtaHdadridJbvRrSgaAclSA
Die Tatsache, dass der neue amerikanische Präsidentbama über den Plan, in Polen und in der Tschechischenepublik Raketenabwehranlagen zu installieren, offen-ar neu nachdenken will und Russland auf die Stationie-ung taktischer Abwehrraketen verzichtet, schafft viel-eicht neue Bewegungsspielräume. Das könnte derbrüstung zugutekommen.
Der Konflikt im Hinblick auf das Nuklearprogrammes Iran ist nach wie vor ungelöst. Auch hier ist esichtig, dass die Bundesregierung und unsere Verbünde-en an ihren grundlegenden Positionen festhalten undlles tun, um zu verhindern, dass Nuklearwaffen in dieände eines sich radikal-fundamentalistisch gebärden-en und deshalb unberechenbaren Regimes geraten. Dasusdrückliche Angebot des neuen amerikanischen Präsi-enten, in einen direkten Dialog mit der iranischen Füh-ung zu treten, und die Wahlen, die in diesem Sommerm Iran stattfinden, nähren die Hoffnung – ich hoffe,ass ich nicht zu positiv gestimmt bin –, dass dasahr 2009 eine entscheidende Wende in diesem Konfliktringen kann und das Ziel der Nichtweiterverbreitungon Massenvernichtungswaffen erreicht wird.Angesichts der internationalen Konflikte beim Themaüstung ist es wichtig, auch nach den Gründen für Auf-üstung zu fragen und zu verstehen, warum sich manchetaaten gegen Abrüstung wehren. Abrüstung kann ei-entlich nur in Staaten funktionieren, die sich sicher,lso nicht bedroht fühlen. Wir müssen uns in unsererußenpolitik daher weiter für Systeme kollektiver Si-herheit einsetzen und das Prinzip der friedlichen Bei-egung von Streitigkeiten fördern. Es sollen sich alletaaten sicher fühlen können; niemand soll Bedarf fürufrüstung sehen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22001
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Eduard LintnerZum Schluss bleibt mir, festzuhalten, dass Maximal-forderungen, wie wir sie in diesem Haus immer wiederhören, auf dem Gebiet der Abrüstung zu nichts führen.Es mag wünschenswert erscheinen, dieses oder jenesWaffensystem ersatzlos abzuschaffen; doch realistischist es meistens nicht. Eine kompromissbereite Abrüs-tungspolitik verspricht mehr Erfolg. So hat die Bundes-regierung mit ihrer Konzeption einige Erfolge erzielt. Si-cher lassen sich weitere Erfolge erzielen.Die heute zum Thema Abrüstung vorliegenden An-träge der Oppositionsfraktionen sind leider nicht hilf-reich. Deshalb werden wir sie ablehnen. Zudem möchteich anmerken, dass die Anträge der FDP und der Linkenbereits älteren Datums sind. Das ist nicht unbedingt IhrVersäumnis; aber die Anträge sind deshalb inhaltlichnicht mehr auf dem neuesten Stand. Wir bleiben also beiunserem Antrag.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollegin Inge Höger, Fraktion Die
Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Weniger
Waffen bringen mehr Sicherheit“, diese einfache Ein-
sicht ist in Deutschland und in der Welt leider immer
noch nicht verbreitet. Die Abrüstungsberichte, die wir
heute diskutieren, enthalten zwar viele unterstützens-
werte Ziele, aber internationale Rüstungskontrolle und
Abrüstung braucht mehr als Bemühungen, braucht mehr
als Ankündigungen.
Das Abkommen über das Verbot von Streumunition
wurde schon von einigen Vorrednern angesprochen. Ja,
das ist ein Erfolg. Dieser Erfolg hat aber einen faden
Beigeschmack. Die Bundesregierung hat dazu beigetra-
gen, dass das Verbotsabkommen Lücken hat. Gemein-
same Übungen und Kriegseinsätze mit NATO-Partnern,
die Streumunition einsetzen, sind weiter möglich. Aus-
nahmen für angeblich fortschrittliche Streumunition ma-
chen es möglich, dass deutsche Unternehmen auch künf-
tig Geschäfte damit machen. Bündniserwägungen und
Exportinteressen dürfen keinen Vorrang vor humanitären
Erwägungen haben!
In den Kriegen und Konflikten dieser Welt sterben
mehr Menschen an den Folgen des Einsatzes von Klein-
waffen als durch alle anderen Waffensysteme. Kleinwaf-
fen sind faktisch Massenvernichtungswaffen. Deutsche
Unternehmen verdienen an der Produktion von Klein-
waffen und dem Handel damit.
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affen töten, egal ob sie legal oder ob sie illegal erwor-
en wurden. Die Linke begrüßt, dass die Bundesregie-
ung an der internationalen Konferenz zur Kontrolle des
ransfers konventioneller Waffen teilnimmt. Ein interna-
ionales Waffenhandelsabkommen ist dringend nötig.
Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht und
ällt jedoch mit der Praxis ihrer Rüstungspolitik. In den
etzten Jahren sind die Ausgaben für Rüstung deutlich
estiegen. Auch der Rüstungsexport hat zugenommen.
eutschland ist der drittgrößte Rüstungsexporteur der
elt. Von 2005 auf 2006 sind die Einnahmen aus dem
affenexport um 1,5 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden
uro gestiegen; die Genehmigungen wurden erteilt.
affen für 1 Milliarde Euro gehen an Länder, die gleich-
eitig Entwicklungshilfe erhalten; mehr als 50 Millio-
en Euro davon betreffen den Export von Kleinwaffen
nd Munition. Hinzu kommt die Lieferung von Rüs-
ungsbestandteilen, die erst außerhalb Deutschlands zu
ertigen Waffen montiert werden.
Es scheint wenig Interesse an der Exportkontrolle zu
eben. Wie sonst konnten G-36-Gewehre der deutschen
irma Heckler & Koch in die Hände der georgischen Ar-
ee gelangen? Wie steht es mit der Kontrolle von beste-
enden Exportgrundsätzen? Fehlanzeige!
Die Bundesregierung bekennt sich beim Export von
leinwaffen zu dem Prinzip „alt für neu“. Damit ist ge-
eint, dass die Empfänger neuer Kleinwaffen ihre alten
ernichten. Eine Anfrage der Linksfraktion ergab, dass
s keine Hinweise gibt, dass dieses Prinzip umgesetzt
ird. Die Bundesregierung verkauft ihre Altwaffen ja
uch lieber, als diese zu vernichten. 2007 wurden Alt-
affen im Wert von 113 Millionen Euro verkauft. Woher
immt die Bundesregierung deshalb den Optimismus,
ass andere Staaten ihre alten Waffen verschrotten – ins-
esondere, wenn dies nicht überprüft wird?
Die Linke steht für eine konsequente Abrüstungspoli-
ik. Wir brauchen ein Ende der Rüstungsexporte und ein
nde der Rüstungsexportförderung. Abrüstung beginnt
m eigenen Land.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollegin Uta Zapf für die SPD-raktion.
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22002 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichfinde es etwas bedauerlich, dass hier noch so viel De-pression wie vor einem Jahr oder vor zwei Jahrenherrscht, als wir dafür in der Tat noch Anlass hatten. Ichhabe im Moment ein positives Gefühl, da wir, Herr vonKlaeden, nicht darüber diskutieren, wie die Welt seinkönnte, sondern in der Tat ganz handfest darüber disku-tieren können, wie die Welt in Zukunft aussehen kann,weil nach den vielen bedauerlichen Rückschritten unterder Bush-Administration durch die neue Regierung unterObama die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Wennich an die sehr konkreten Aussagen Obamas zu den Auf-gaben im Bereich der Abrüstung denke – ich beziehemich hier insbesondere auf die nukleare Abrüstung, zurkonventionellen Abrüstung gibt es keine belastbarenAussagen –, dann wird mir ganz leicht ums Herz. Ichglaube, dass einiges sehr schnell in die Tat umgesetztwerden kann, zunächst einmal auf der Ebene zwischenRussland und den USA, zum Beispiel Neuverhandlun-gen im Rahmen von START.Bei den Russen gibt es eine genauso große Bereit-schaft, diese Verhandlungen fortzusetzen. Schon Putinhat in seiner Zeit als Präsident gesagt, er sei bereit, dieZahl der Nuklearwaffen auf 1 500 zu senken und eventu-ell noch weiter herunterzugehen. Dasselbe hören wirdazu von Obama. In diesem Zusammenhang finde ich esbesonders erfreulich, dass Obama vorgeschlagen hat, so-wohl die stationierten als auch die eingemotteten Sys-teme einzubeziehen und entsprechend zu zerstören. Dassoll auch die Trägersysteme betreffen. Das ist ein weite-rer Fortschritt in diesem Bereich.
– Ja, da kann man wirklich einmal klatschen. – Ichglaube, dass auf russischer Seite Bereitschaft dazu be-steht; dies ist von dem damaligen VerhandlungsführerSergej Kisljak, der jetzt in Washington Botschafter ist, inInterviews kürzlich noch einmal bekräftigt worden. Mo-mentan läuft noch das Forum zu Art. VI des Atomwaf-fensperrvertrages, auf dem es auch um die nukleare Ab-rüstung geht und auf dem wir verschiedene Expertengehört haben, unter anderem auch einen Russen, der diesebenfalls bestätigt hat. An dieser Stelle wird mir alsoganz leicht ums Herz.Ich schlage vor und erhoffe mir, dass auch alles, wasunter SORT fällt, mit einbezogen wird, sodass es einneues Bündel gibt. Wir haben daneben immer gefordert– das wurde hier auch noch einmal erwähnt –, dass auchdie taktischen Nuklearwaffen einbezogen werden.
Aufgrund des russischen Verhaltens bin ich in diesemPunkt allerdings skeptisch. Hier könnte für uns natürlichein Ansatzpunkt liegen; das wurde schon erwähnt. Ichunterstütze dies ausdrücklich. Wir können dort ansetzen,wo in Europa noch taktische Nuklearwaffen der USAstationiert sind. Ich komme darauf später vielleicht nocheinmal zu sprechen.An einem bestimmten Punkt, der schon erwähnt wor-den ist, haben wir eine gewisse Verantwortung – das ha-blwwslmpiirRSdidNWWzeMwsfk–FDuOWtnnhkAksnsfaFeunuAdbJsD
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Das Wort hat nun Kollege Ernst-Reinhard Beck für
die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bericht derBundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüs-tungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung nenntfür das Jahr 2009 eine umfangreiche rüstungskontroll-politische Agenda, die meiner Einschätzung nach geeig-net ist, den in vielen Feldern stagnierenden Abrüstungs-prozess voranzubringen. Die 24 Punkte umfassendeAufzählung reicht von Nichtverbreitung von Massenver-nichtungswaffen über Raketenabwehr bis hin zumSchutz vor Streumunition. Es sind im Wesentlichen na-türlich dieselben Themen, die in unterschiedlicher Weisein der Bilanz der Jahre 2006 bis 2008 erscheinen. Nunkönnte man sagen: Auch in diesem Bereich ist der Fort-schritt eine Schnecke. Ein langer Atem ist sicherlich ge-fragt.Nach meiner Einschätzung ist die Entwicklung imrüstungskontrollpolitischen Bereich durch zwei Faktorengekennzeichnet: durch neue Bedrohungsszenarien einer-seits und die Wiederbelebung alter Konfliktmuster undalter Konfliktherde andererseits; man spricht auch vonsogenannten eingefrorenen Konfliktherden. Dies machtdarmdtdfmdakzbdImudhdAndizrzWWtlJAbBDtdnBSZzitSurs
ch bin sehr froh, dass dieser Vertrag zustande gekom-en ist, durch den Druck von außen, Kollege Nachtwei,nd auch durch die Zustimmung weiterer Parteien nebenen Sozialdemokraten, was ich sehr positiv empfand undier auch festhalten möchte.Ich möchte an der Stelle auch an den Beitrag der Bun-esrepublik Deutschland für die Rüstungskontrolle undbrüstung erinnern. Es sollte erlaubt sein, im 20. Jahrach dem Mauerfall daran zu erinnern, dass seit dereutschen Wiedervereinigung die Bundeswehr die Zahlhrer Soldaten von 585 000 auf 250 000 Soldaten redu-iert hat. Damit einher ging eine beispiellose Reduzie-ung von Kampf- und Schützenpanzern, von Geschüt-en, von Schiffen, von Luftfahrzeugen aller Art. Die imiener Dokument festgeschriebenen Höchstgrenzen fürehrmaterial wurden von uns sehr deutlich unterschrit-en. Der Bundesrepublik Deutschland kam ferner bei al-en entscheidenden Verbesserungen der vergangenenahre eine Vorreiterrolle zu, so etwa bei der Ächtung derntipersonenminen oder auch beim Verbot von Streu-omben. Ich möchte den Beitrag, den insbesondere dieundeswehr erbringt, an einigen Beispielen aufzeigen.ie Bundeswehr taucht im Jahresabrüstungsbericht na-urgemäß nur ganz am Rande auf. Dennoch glaube ich,ass es in diesem Hause wichtig ist, auch daran zu erin-ern.Ich nenne das Zentrum für Verifikationsaufgaben derundeswehr. Noch in der Amtszeit der Ministertoltenberg und Genscher fiel die Entscheidung, einentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr ein-urichten. Seit 1991 sind die Soldaten und Angestelltenn diesem Zentrum aktiv und passiv an der Rüstungskon-rolle beteiligt.
ie stellen nach den Vorgaben des Auswärtigen Amtsnd unter fachlicher Leitung des Verteidigungsministe-iums sicher, dass Rüstungskontrollverträge auch umge-etzt werden.
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22004 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Ernst-Reinhard Beck
Gleichzeitig beteiligt sich das Zentrum selbst an In-spektionen und ist mit der ständigen Weiterentwicklungvon Kontrollmaßnahmen im In- und Ausland befasst.Spätestens innerhalb eines Tages vor Beginn einer In-spektion wird die Kontrolle angekündigt. Aber erst nachEinreise in das jeweilige Land benennt das Team den In-spektionsort und darf innerhalb von neun Stunden vorOrt sein. Die eigentliche Inspektion entspricht dann imEndeffekt einer kaufmännischen Inventur, bei der Ist undSoll miteinander verglichen werden. Dank dieser Verfah-ren ist es gelungen, wie ich meine, Manipulationen indiesem Bereich weitgehend zu vermeiden.
Für die Rolle des Zentrums für Verifikationsaufgabender Bundeswehr im Rahmen der Kleinwaffenkontrollemöchte ich noch ein sehr anschauliches Beispiel anfüh-ren. Derzeit vermitteln deutsche Soldaten auf Bitten derkambodschanischen Regierung vor Ort Fähigkeiten imBereich der Kleinwaffenkontrolle sowie der Lagerungund Vernichtung von Munition und Explosivstoffen. DieBundeswehr orientiert sich in der Ausbildung der kam-bodschanischen Kräfte streng an den deutschen Vor-schriften und hält internationale Standards ein. Hier ar-beiten Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium undEntwicklungsministerium Hand in Hand. Die bisher inKambodscha durchgeführte Ausbildung trägt nach ein-helliger Meinung bereits erkennbar Früchte. An dieserStelle ein herzliches Dankeschön an unsere Soldaten.
Zukünftig wird der Ausbildungsschwerpunkt nachDeutschland verlagert, wo mit der eigentlich technischenWissensvermittlung ein neunmonatiger Sprachlehrgangbeim Bundessprachenamt einhergeht.Besonders wichtig ist die Ausbildung zur Verbesse-rung der Munitionslagersicherheit gegenüber unberech-tigten Zugriffen. Wenn man bedenkt, dass für die Her-stellung von IEDs – also selbst gebauten Sprengfallen –überwiegend aus großkalibriger Munition gewonneneSprengstoffe verwendet werden, bekommt dieser Aspektauch eine wichtige Bedeutung für die Terrorismusab-wehr.Ich nenne das Stichwort „Verbot von Antipersonen-minen“. Sie sind eine besonders heimtückische Waffe,da sie auch noch nach Jahrzehnten ihre verheerende Wir-kung nicht verlieren. Opfer sind Zivilisten, zumeist Kin-der. Seit fast zehn Jahren gilt das Ottawa-Abkommen,ein umfassendes und unbedingtes Verbot von Herstel-lung, Einsatz und Weitergabe dieser besonders grausa-men Waffen. Die Bundeswehr hat ihre gesamten Be-stände verschrottet und ist damit dem Anspruch desAbkommens gerecht geworden.Darüber hinaus beteiligt sich die Bundesrepublik seitJahren weltweit an der Auffindung und Zerstörung vonnoch im Boden liegenden Minen. Allein im vergangenenJEadptwVwRgWgkBdetddSelKwsrbriWeAnBvtMizmu
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22005
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Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zunächst zu den Überweisungen. Inter-raktionell wird Überweisung der Vorlagen auf denrucksachen 16/11690, 16/9200, 16/9799 und 16/11439n die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsseorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ister Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-ache 16/9149.Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung empfiehlter Ausschuss, in Kenntnis des Jahresabrüstungsberichts006 der Bundesregierung auf Drucksache 16/5211 denntschließungsantrag der Fraktion der FDP aufrucksache 16/7790 zu dem genannten Bericht abzuleh-en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wertimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-mpfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, derPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke gegen die Stim-en der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionündnis 90/Die Grünen angenommen.Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlter Ausschuss die Ablehnung des Entschließungsantragser Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7791 zu demenannten Bericht. Wer stimmt für diese Beschlussemp-ehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –ie Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen dernionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion ge-en die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltunger Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11757it dem Titel „Zeit für Abrüstung und Rüstungskon-rolle ist reif – Deutschland muss einen führenden Bei-rag dazu leisten“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wertimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nichter Fall. Der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 c auf:a) Erste Beratung des von den Abgeordneten PatrickMeinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weiterenAbgeordneten und der Fraktion der FDP einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderungdes Grundgesetzes
– Drucksache 16/10235 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungb) Beratung des Antrags der Abgeordneten PatrickMeinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDP
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22007
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Vizepräsidentin Petra PauFreie Schulen zum Gegenstand deutscher Bil-dungsforschung machen– Drucksache 16/6793 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten CorneliaHirsch, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEKommerzialisierungstendenzen im Schulwe-sen stoppen – Bildungsteilhabe für alle Kinderund Jugendlichen sichern– Drucksachen 16/5139, 16/11733 –Berichterstattung:Abgeordnete Marcus WeinbergGesine MulthauptPatrick MeinhardtCornelia HirschPriska Hinz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegePatrick Meinhardt für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Schule ist Ländersache. Aber gerade beiSchulen in freier Trägerschaft können wir auf der Bun-desebene klare Rahmenbedingungen setzen, die das Le-ben für Privatschulen entweder erschweren oder verein-fachen. Das haben wir gerade erst bei der Frage dersteuerlichen Absetzbarkeit von Schulbesuchen an Privat-schulen gesehen. Durch den Erhalt dieser Absetzbarkeitund durch die Ausdehnung der Grenze auf 5 000 Euro istein wichtiger Schritt hin zu ein bisschen mehr Fairnessin der Behandlung von Schulen in freier Trägerschaftfortgeschrieben worden. Wenn wir in Deutschland einBildungssystem wollen, das auf der Vielfalt der Ange-bote beruht, müssen wir für die Schulen in freier Träger-schaft Hürden abbauen. Sie sind in ihrem Bildungsauf-trag gleichrangig mit jeder staatlichen Schule.
Die Entwicklung ist beachtlich. 43 Prozent Steige-rung der Schülerzahlen von 1992 bis 2006 machen dochdeutlich, dass es einen Bedarf, ja noch mehr: ein Bedürf-nis gibt. 4 500 Schulen in freier Trägerschaft mit einerSchülerzahl, die stark auf die Millionengrenze zuläuft,sind beeindruckende Zahlen. Wenn wir von Schulen infreier Trägerschaft sprechen, dann meinen wir doch alledie evangelischen und die katholischen Schulen, dieWsddimeSezsHdcgEggdtfhsmüBisNsgpsUfgJdwA
nser Antrag hat ein ganz klares Ziel: kein Sonderrechtür Grundschulen. Es soll ein Recht für Privatschuleneben, sonst nichts.
Die Bundesregierung gibt uns recht. Wir haben imahr 2007 eine Anfrage eingereicht, und die Antwortarauf hat uns motiviert, hier aktiv zu werden. Die Fragear:Welche voraussichtlichen Konsequenzen hätte dieAufhebung des Artikels 7 Abs. 5 GG für die Ent-wicklungen im föderalen Bildungsraum Deutsch-lands?ntwort der Bundesregierung:Im Falle der Aufhebung des Artikels 7 Abs. 5 GGwürde sich die Zulassung von Grund- und Haupt-
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22008 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Patrick Meinhardtschulen in privater Trägerschaft durch die hierfürzuständigen Länderbehörden nach den Vorausset-zungen richten, die für alle privaten Schulen … be-stimmt sind.
Die Aufhebung würde die unterschiedliche Ent-wicklung in den Ländern bei der Zulassung FreierErsatzschulen befördern.
So weit die Antwort der Bundesregierung. Dem istrechtlich nichts hinzuzufügen.Ich möchte an dieser Stelle auf einen für uns bedeut-samen Zahlenzusammenhang hinweisen. Im Bereich derfrühkindlichen Bildung und Betreuung sind in der Bun-desrepublik Deutschland 61,3 Prozent der Einrichtungenin der Hand privater Träger. Zwei Drittel aller Einrich-tungen sind also nicht staatlich. Dies zeigt: Die privatenTräger haben ein Angebot, das sich großer Beliebtheiterfreut. Politisch wollen wir das ja auch. Es zeigt aberauch: In den privaten Trägern haben wir einen verläss-lichen Partner, einen Partner, dem wir offensichtlich gro-ßes Vertrauen bei der Erziehung, bei der Sprachstands-diagnose und bei der Entwicklung sozialer Kompetenzenentgegenbringen. Diese wichtigen ersten drei Jahre derfrühkindlichen Bildung werden in der BundesrepublikDeutschland zu zwei Dritteln von freien Trägern inklu-sive der Kirchen gestaltet.Schaut man sich aber den Anteil der privaten Trägeran den Grundschulen an, dann stellt man fest, dass der inder Bundesrepublik Deutschland nur bei 3,1 Prozentliegt. Hieran wird deutlich: Art. 7 Abs. 5 des Grundge-setzes verhindert massiv ein Engagement der privatenTräger im Primarbereich. Das ist schon deswegen bil-dungspolitisch falsch, weil wir Kindergarten und Grund-schule als Bildungsphase aus einer Hand begreifen müs-sen. Jede andere Denke ist nicht im 21. Jahrhundertangekommen.
Um genau das alles aufzubereiten, brauchen wir einebreite Bildungsberichterstattung und eine regelmäßigeBildungsforschung über den Bereich der privaten Schu-len. Bei 850 000 betroffenen Schülern bietet sich dasauch an.Schulen in freier Trägerschaft sind – ich zitiere hiernoch einmal die EKD-Denkschrift – ein „wichtiger Be-standteil zur Pluralität des öffentlichen Bildungswesensund zu einem vielfältigen Bildungsangebot“. Dem istnichts mehr hinzuzufügen. Wir bitten darum, dass dieGrundgesetzänderung in diesem Hohen Haus eine Mehr-heit finden wird. Denn sie ist dringend notwendig, umeine faire Behandlung von Grundschulen in freier Trä-gerschaft zu erreichen.Vielen Dank.
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Aus meiner Sicht ist klar: Wir brauchen für unsereesellschaft und deshalb auch für die Schule die richtigeischung. Das Schulsystem muss einerseits Individuali-ät und Pluralität, neidfreie Entfaltungsmöglichkeitennd Fördermöglichkeiten für den Einzelnen sowie Viel-alt der Bekenntnisse, der Konzepte und der Weltan-chauungen gewährleisten. Andererseits muss es einerundlage für eine solidarische Gesellschaft legen, iner sich die Schichten mischen können. Wir brauchenin System, das niemanden zurücklässt, das durchlässigst und das gute und gleiche Bildungschancen bietet. Vorllen Dingen darf es keinen Unterschied in Abhängigkeitom familiären oder sozialen Hintergrund des Einzelnenachen.
Das sind ganz wichtige Ziele. Aber keines dieseriele darf absolut gesetzt werden auf Kosten der andereniele. Vor diesem Hintergrund sind die vorliegenden An-räge nicht zu rechtfertigen.Zunächst zu den Privatschulen. Es ist richtig, dass dierivatschulen in unserem pluralen System – zugegebe-ermaßen: oft mit guten Ergebnissen – einen wichtigeneitrag leisten. Trotzdem ist es aus christdemokratischericht kein Selbstzweck, möglichst viele Kinder in dierivatschulen zu schicken und den öffentlichen Schulenen Rücken zu kehren.
luralität und Vielfalt sind wichtige Kategorien. Es gehtber nicht darum, um jeden Preis möglichst viele Schul-ypen, möglichst viele Träger und möglichst viele Kon-epte zu haben.
Wir erwarten von allen öffentlichen Schulen, dass sientern Pluralität, Vielfalt der Meinungen und Konzepteerwirklichen und dass sie – das ist das Entscheidende –en Schülern Fähigkeiten vermitteln, sich in einer mo-ernen und offenen Gesellschaft einzubringen. Ich kenneiele öffentliche Schulen, die solche besonderen Kon-epte übernommen haben und damit eine sehr gute Ar-eit leisten.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22009
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Elisabeth Winkelmeier-Becker
– Genau, unter häufig schwierigen Bedingungen.Eine Ergänzung dieses Systems durch gute privateAnsätze ist natürlich immer willkommen. Dies ist festim Grundgesetz verankert und soll gewiss nicht ange-rührt werden. Aber dies ist für den Staat kein Zielschlechthin. Im Gegenteil – dies galt nicht nur zu Zeitender Weimarer Reichsverfassung –: Im Jahre 1992 hat dasBundesverfassungsgericht zum Recht auf die Gründungvon Privatschulen ausgeführt:Bleiben gesellschaftliche Gruppen einander fremd,kann dies zu sozialen Reibungen führen, die zu ver-meiden legitimes Ziel auch staatlicher Schulpolitikist.Auch das ist sicherlich ein Ansatz, den wir mit staatli-cher Schulpolitik verfolgen müssen.
Vor allem: Ich kann nicht erkennen, dass hier eineÄnderung des Grundgesetzes erforderlich wäre. Sieschildern keine Fälle und legen keine Zahlen vor, dieGründe erkennen ließen, weshalb im Einzelfall die Ge-nehmigung einer privaten Grundschule nicht erfolgt ist.Sie nennen nur Schülerzahlen im Vergleich zu denen an-derer Länder. Unsere Zahlen sind in der Tat geringer;aber das kann nun wirklich viele Ursachen haben. Es istnicht immer die böse Unterrichtsverwaltung, die aussachfremden Erwägungen solche Gründungen verhin-dern will.Ein wichtiger Grund ist aus meiner Sicht, dass wir inDeutschland die Religionsgemeinschaften in die Schuleeinbeziehen. In vielen Schulen findet konfessionellerReligionsunterricht statt. In den Ländern, in denen dasnicht der Fall ist, ist die Gründung konfessionsgebunde-ner Schulen naturgemäß mit einem anderen Stellenwertzu bewerten. Dies führt zu höheren Zahlen. Es ist viel-leicht ein guter Hinweis an die Berliner Schulpolitik,dass man dadurch, dass man den Religionsunterricht ausden Schulen hinausdrängt, dazu beiträgt, dass es mehrprivate Schulen gibt.
Dass wir weniger Schüler in Privatschulen haben,könnte vielleicht daran liegen, dass die Eltern öffentlicheSchulen unter dem Strich gut finden, dass sie, wenn siesich engagieren wollen und Verbesserungsvorschlägehaben, diese in die bestehenden öffentlichen Schuleneinbringen können. Wir wissen, dass sich viele Eltern anöffentlichen Schulen im Rahmen von Elternpflegschaf-ten und Schulkonferenzen engagieren
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ass wir an dieser Stelle den Handlungsspielraum deränder erweitern sollten. Sie kommen mit dem, wie esetzt geregelt ist, sehr gut zurecht.Ich habe den Eindruck, Sie versuchen hier ein Pro-lem zu lösen, das keiner hat.
afür ist mir unsere Verfassung, insbesondere derrundrechtekatalog, zu schade. Ich denke, es gibt in deretzten Zeit eine Inflation von Änderungsanträgen, bezo-en auf das Grundgesetz. Das tut der Sache nicht gut undenkt die Hemmschwelle, mit der man an Änderungenes Grundgesetzes herangeht. Dem sollten wir eineniegel vorschieben.
Für Forschungsanstrengungen des Bundes sehe ichberhaupt keinen Bedarf. Wenn überhaupt, dann sollenas die Länder machen, wenn sie daraus Erkenntnisseür ihre Schulpolitik erwarten.Lassen Sie mich noch kurz auf den Antrag der Linkeningehen. Auch ein gutes öffentliches Schulsystem bie-et natürlich Raum für Verbesserungen. Lernmittelfrei-eit würde auch mir gefallen; aber das ist Sache der Län-er. Sie haben das zu entscheiden und dann auch zuezahlen.Wenn man die Tatsache, dass Eltern ihre Kinder in dieachhilfe schicken, und Sponsoring misstrauisch be-ugt, dann hat das mit der Forderung nach besserer För-erung und dem Anliegen einer Schule für alle nichts zuun. Das führt dazu, dass alle etwas weiter zurückblei-en, als es nötig wäre. Es macht wirklich keinen Sinn,ie Nachhilfe zu verteuern, weil man sie für ein Privilegält. Wenn man sie verteuert, ist sie nur noch für wenigechüler aus noch reicheren Familien bezahlbar. Sie wäre
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22010 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Elisabeth Winkelmeier-Beckeralso erst recht ein Privileg. Wenn der gesponserte PC,meinetwegen von Microsoft, dazu führt, dass ein Kindaus einer ärmeren Familie erstmals einen Internetzuganghat oder einen besseren Zugang zum Internet bekommt,dann ist das ein wichtiger Beitrag zur Chancengleich-heit. Kinder aus sozial schwächeren Familien sind stär-ker darauf angewiesen als Kinder aus Mittelstandsfami-lien, in denen alle Medien vorhanden und zugänglichsind.Deshalb sollten wir uns freuen, wenn Sponsoren inBildung investieren, und sollten das nicht immer miss-trauisch beäugen. Wir sollten uns nicht so große Sorgenum die Urteilsfähigkeit der Schüler machen. Natürlichsehen sie, dass da ein Name draufsteht. Sie können sichvielleicht auch denken, dass damit ein Werbeanliegenverbunden ist. Vielleicht ist das aber auch ein Anlass,das Ganze kritisch zu sehen, darüber zu diskutieren undrichtig einzuordnen. Ich denke, an dieser Stelle überwie-gen die Vorteile deutlich gegenüber den wenigen Nach-teilen. Deshalb, in der Conclusio, lehnen wir alle IhreAnträge ab.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege
Volker Schneider das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Lieber Patrick Meinhardt, die Worte hör ichwohl, allein mir fehlt der Glaube.
Bezüglich der freien gemeinnützigen Träger könntenwir uns schnell einigen. Aber es gibt nun einmal auchprivate Träger, die ein Profitinteresse haben, und auchdie sind unzweifelhaft Gegenstand dieses Antrags. Da-her sage ich: Dieser Antrag ist ein Schlag ins Gesicht derChancengleichheit. Einmal mehr wird von der FDP ge-fordert: Weniger Staat und mehr privat.Das hieß im ersten Schritt: Entlastung der Unterneh-men, der Vermögenden, der Besser- und Bestverdienen-den. De facto bedeutet dies weniger Einnahmen für dieöffentlichen Haushalte, die dafür bei Arbeitslosen, Rent-nern, Sozialleistungsbeziehern und Geringverdienernkräftig sparen. Sicher, da hat sich die FDP die Fingerüberhaupt nicht schmutzig machen müssen. Das habenRot-Grün und Schwarz-Rot schon in hervorragenderWeise geleistet. Ich erinnere mich, dass GuidoWesterwelle schon 1999 einmal gesagt hat: Hätten wirdiese Politik umgesetzt, wären wir als Partei des Turbo-kapitalismus beschimpft worden. Wo er recht hat, hat errecht.
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ieber Patrick Meinhardt, konsequenterweise müsstestu eigentlich gegen Privatschulen argumentieren; dennie Privatschulquote bei den Spitzenreitern Schwedennd Finnland ist niedriger als bei uns.
Wir Linke sagen klar und deutlich: Schulen sind nichtazu da, um mit ihnen Geld zu verdienen. Schulen sindazu da, das Recht auf Bildung zu verwirklichen, undwar völlig unabhängig von der sozialen Herkunft. Je-em ein Optimum an Bildung zukommen zu lassen und
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22011
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Volker Schneider
nicht nur einer kleinen privilegierten Schicht, ist nichtnur ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, sondern aucheine zwingende Notwendigkeit für ein Land, dessen we-sentliche Ressource das Leistungsvermögen seiner Men-schen ist.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Carl-
Christian Dressel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
erste Abschnitt des Grundgesetzes trägt die Überschrift
„Grundrechte“ und beinhaltet die Art. 1 bis 19. Im
Grundrechtsteil des Grundgesetzes hat der Deutsche
Bundestag seit 1949 nur in Ausnahmefällen und nur,
wenn es als dringend notwendig angesehen wurde, Än-
derungen vorgenommen. Sie von der FDP schlagen jetzt
vor, Art. 7 Abs. 5 des Grundgesetzes aufzuheben, der
das Nebeneinander von staatlichen Grundschulen und
Schulen in privater Trägerschaft ausbalanciert.
Zu Beginn möchte ich feststellen: Wir Sozialdemo-
kraten wollen keine Aussonderung nach sozialen oder
materiellen Gesichtspunkten an Schulen. Die Aufhebung
des Abs. 5 in Art. 7 des Grundgesetzes würde Chan-
cenungleichheit im Bildungswesen weiter verschärfen.
Der Sinn dieser Vorschrift liegt gerade darin, dass die
gesellschaftliche Integration von Kindern in den ersten
Lebensjahren gewährleistet und dass einer Aussonde-
rung vorgebeugt wird.
Abs. 5 muss man im Zusammenhang mit Abs. 6 le-
sen, den heutzutage kaum jemand versteht: „Vorschulen
bleiben aufgehoben.“ Vorschulen waren bis 1918 den
Gymnasien vorgeschaltete besondere Schulen für die hö-
heren Stände. Aus dieser Erfahrung bis 1918 resultiert
der Schulkompromiss der Verfassung für das Deutsche
Reich von 1919 mit der Zielrichtung, eine gemeinsame
Grundschule für alle ohne Rücksicht auf den Geldbeutel
und ohne Rücksicht auf die Herkunft zu schaffen.
Diese Forderung ist entgegen der Ansicht der FDP
auch heute noch aktuell. Das sage nicht nur ich als
Sozialdemokrat und unser Koalitionspartner, das sagt
auch das Bundesverfassungsgericht. Wenn jemand von
Ihnen es nachlesen möchte: Sie finden die Entscheidung
von 1992, die die Kollegin Winkelmeier-Becker schon
angesprochen hat, im 88. Band auf Seite 40 ff. Ich darf
mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, zitieren:
Nach wie vor verfolgen die in Rede stehenden Ver-
fassungsbestimmungen mithin den Zweck, die Kin-
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Das Grundgesetz sieht die Errichtung und den Betrieb
on Schulen in freier Trägerschaft explizit vor. Dennoch
der gerade deshalb gibt es längst eine Vielzahl von
taatlichen Grundschulen, die die Reformideen von
chulen in freier Trägerschaft aufgenommen und im
rganisatorischen wie im pädagogischen Bereich umge-
etzt haben. Im Zusammenhang mit dem Thema Ganz-
agsbetreuung, das gerade in der 15. Wahlperiode be-
onders aktuell war, wurden auch hier Meilensteine ge-
etzt.
Die Symbiose zwischen dem öffentlichen und dem
rivaten Schulwesen ist das Ergebnis des Pluralismus in
er offenen Gesellschaft. Überlegungen, wie sich diese
ymbiose optimieren lässt, sind auch verfassungspoli-
isch grundsätzlich immer zu begrüßen. Ihre Äußerun-
en aber, Herr Kollege Meinhardt, sind entlarvend und
eigen, dass Sie den dafür von der Verfassung gesetzten
ahmen außer Acht lassen wollen. Wenn Sie sagen, Sie
ollen eine andere Art der Bildung, sage ich nur: Nein,
erade in diesem Bereich wollen wir das keinesfalls.
Danke schön.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nunie Kollegin Priska Hinz.)
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22012 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Herr Kollege Meinhardt, ich glaube, Sie haben heute
mit Ihrem Antrag kein Glück. Sie werden keine Mehr-
heit dafür finden; denn auch wir sind der Meinung, dass
die Schwelle im Grundgesetz für die Genehmigung von
Grundschulen aus gutem Grunde höher als bei der Ge-
nehmigung von Schulen für den Sekundarstufenbereich
liegt.
Der Artikel ist so ausgestaltet, dass in Grundschulen
eben möglichst wenig Sonderung nach Einkommen und
sozialem Status stattfinden soll.
Seien wir doch einmal ehrlich: Die Grundschulen im
öffentlichen Schulwesen sind das Erfolgsmodell über-
haupt in der Bundesrepublik Deutschland, die beste
Schulform, die wir haben.
Schauen Sie sich die internationalen Vergleichsstudien
an. Dabei liegen wir mit unseren Grundschulen im
obersten Drittel.
Gerade in den öffentlichen Grundschulen finden so viele
pädagogische Innovationen statt, dass ich mir wünsche,
dass sich so manches traditionelle Gymnasium, auch Pri-
vatgymnasium, davon einmal eine Scheibe abschneidet.
Nicht alles, was privat heißt, ist gleichermaßen gut.
Das Drama beginnt nach der vierten Klasse mit der
Sortierung nach den angeblichen Begabungen in die un-
terschiedlichen Schulformen. Daran haben, grundsätz-
lich jedenfalls, die Ersatzschulen ihren Anteil. Auch bei
den Privatschulen wird sehr oft, außer wenn sie Gemein-
schaftsschulen auch im Sekundarstufenbereich haben,
nach der vierten Klasse sortiert. Das halten wir im Prin-
zip für nicht richtig. Hinter die Behauptung, dass die Pri-
vatschulen grundsätzlich besser seien, wie Sie in Ihrer
Begründung anführen, kann man ein großes Fragezei-
chen setzen.
Dazu gibt es völlig unterschiedliche Meinungen. Die
einen sagen: Der Bildungserfolg bei privaten Trägern ist
grundsätzlich größer. – Die anderen sagen: Sie sind ge-
nauso gemischt wie alle anderen und deshalb nicht er-
folgreicher. – Ich glaube, dass es durchaus Faktoren gibt,
die dazu führen, dass in manchen Privatschulen die Zahl
der erfolgreichen Schüler höher ist, weil nämlich die so-
ziale Zusammensetzung der Schülerschaft eine andere
als bei öffentlichen Schulen ist. Die Bildungsforschung
sollte einmal untersuchen, ob Privatschulen tatsächlich
besser sind und aufgrund welcher Faktoren sie besser als
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Früher waren Waldorfschulen und Montessorischulen
n der bundesrepublikanischen Wirklichkeit Ausnahmen.
nzwischen gibt es viele öffentliche Schulen, die diesen
odellen nacheifern oder andere gute pädagogische
onzepte umsetzen.
uch diese gilt es zu fördern.
Warum Sie, Herr Meinhardt, meinen, dass Gemein-
chaftsschulen und Grundschulen eher eine polarisie-
ende statt eine integrierende Wirkung gehabt hätten, das
leibt mir auch nach Ihrem Redebeitrag verborgen. Die
nsicht, dass eine gemeinschaftliche Beschulung soziale
elektivität nicht verhindert, haben unsere öffentlichen
rundschulen bislang widerlegt.
Wir brauchen eine bessere Bildungsforschung. Ich
enke, es ist sinnvoll, dass private und öffentliche Schu-
en voneinander lernen. Wenn wir das Grundgesetz än-
ern, dann tun wir das nur an einer Stelle. Wir müssen
ämlich das Kooperationsverbot aufheben,
amit der Bund die Schulen in den Ländern wieder för-
ern kann. Davon hätten auch die Privatschulen etwas.
Danke schön.
Der Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann hat nun für
ie SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich kann aus Überzeugung nahtlos an das an-nüpfen, was Frau Hinz gesagt hat. Das Gute ist, dassch auch an Frau Winkelmeier-Beckers Rede anknüpfenann. Ich finde, auch vonseiten der Linken sind wichtigergumente genannt worden, was die Balance desrundgesetzes, die Priorität öffentlicher Bildung, die
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Dr. Ernst Dieter RossmannAnerkennung von freier Bildung und das Verhältnis die-ser Aspekte zueinander, auch im Hinblick auf denGrundrechtscharakter, angeht.
So gibt es zum Beispiel ein Elternrecht und ein Rechtdarauf, in der Schule auch religiöse Freiheit zu erlebenbzw. zu leben.Herr Meinhardt, eine grundsätzliche Frage an IhreAdresse: Nehmen Sie eigentlich die wichtigste Aufgabe,die wir im Zusammenhang mit dem Schulwesen inDeutschland haben, zur Kenntnis: zusammenzuführenund zu verhindern, dass in unserer Gesellschaft desinte-grierende Tendenzen gestärkt werden? Dieses Zusam-menführen wird in Deutschland im Rahmen des gutenöffentlichen Bildungswesens gewährleistet. Deshalb istes gut, dass CDU/CSU, SPD, Grüne und andere das öf-fentliche Bildungswesen stärken, gleichzeitig aber auchdafür sorgen wollen, dass es noch genug Freiraum gibt,um über freie Schulen neue bzw. andere pädagogischeImpulse einfließen lassen zu können. Das ist unsereGrundposition. Die FDP allerdings stellt sich in dieserFrage gegen den Geist des Grundgesetzes.
Sie sind in Ihrem klassischen separierenden Denken ge-fangen.
Außerdem müssen wir feststellen, dass Sie sich nichtfair auf Quellen berufen.
Sie haben den Bildungsforscher Fend angeführt. Daswar nicht ehrlich. Durch den Zusammenhang, in dem Sieden Bildungsforscher Fend erwähnten, erweckten Sieden Eindruck, als habe das Sonderungsverbot in derWeimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutsch-land dazu beigetragen, dass man sich erst recht abson-dern würde. Genau dies sagt Fend aber nicht.
Fend sagt – das gilt für seine Analyse der PISA-Stu-die bis hin zu seinen Bildungsstudien –: Es ist so, dassgemeinsames Lernen die soziale Integration befördert.Er macht aber auch deutlich, dass das nicht alles ist, undweist darauf hin, dass es dahinter auch familiäre Prägun-gen, soziale Unterschiede und ein berufliches Umfeldgibt.
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as wäre ein Zeichen, das wir gemeinsam setzen könn-en. Wir waren schon einmal sehr dicht dran. Lassen Siens noch einmal versuchen, diesen Schritt zu gehen.
Dazu braucht man, um auf den letzten Punkt der FDPinzugehen, keine Bildungsforschung. Sie ignorieren,ass es schon jetzt in Bezug auf alle Schülerinnen undchüler Bildungsforschungsanstrengungen gibt. Dasildungspanel wird in diesen Tagen gestartet. Selbstver-tändlich geht es um alle Schülerinnen und Schüler. Esibt aber auch spezielle Bildungsforschungsaufträge,twa PERLE, wo es mit um bildungskulturelle Frageneht. Frau Hinz hat den Vorschlag gemacht, dies zu ver-iefen. Das kann man gerne überlegen. Wichtiger istber, dass wir die Balance und die Priorität für gute öf-entliche Bildung halten. Deshalb sage ich noch einmal:eute ist kein guter Tag für die FDP, aber ein guter Tagür die Bildung in Deutschland.Danke.
Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsidentin Petra PauInterfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufden Drucksachen 16/10235 und 16/6793 an die in derTagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.Die Vorlage auf Drucksache 16/10235 soll federführendbeim Rechtsausschuss beraten werden. Gibt es dazu an-derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dannsind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Frak-tion Die Linke mit dem Titel „Kommerzialisierungsten-denzen im Schulwesen stoppen – Bildungsteilhabe füralle Kinder und Jugendlichen sichern“. Der Ausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-sache 16/11733, den Antrag der Fraktion Die Linke aufDrucksache 16/5139 abzulehnen. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt esEnthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Die Beschluss-empfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, derSPD-Fraktion, der FDP-Fraktion, der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion DieLinke angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines ZehntenGesetzes zur Änderung des Atomgesetzes– Drucksache 16/11609 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit
– Drucksache 16/11782 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Georg NüßleinChristoph PriesAngelika BrunkhorstHans-Kurt HillSylvia Kotting-UhlHierzu liegt ein Änderungsantrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache.Das Wort hat der Parlamentarische StaatssekretärMichael Müller.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-raten heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf ei-nes Zehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes.Nachdem wir den Entwurf in den Ausschüssen intensivberaten haben, bleibt mir, auf die wichtigsten Punkteeinzugehen.WdtwssttdzZhdhiNhbsazdgmFsdmbridlvdamenAkzsztztwsFt
Die Aussage ist klar: Das Ergebnis der gebirgsmecha-ischen Bewertung der Einlagerungskammer 4 lautet imugenblick, dass der Stopfen hält, dass derzeit alsoeine Gefahr vorliegt. Es gibt aber auch dort eine Viel-ahl unbeantworteter Fragen. Wir bemühen uns, diese sochnell wie möglich zu beantworten.Insgesamt kommen wir nach dem derzeitigen Standu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich bis Herbst – even-uell auch bis zum Ende dieses Jahres – ein Gesamtkon-ept für die Asse vorliegen wird. Wir möchten dann na-ürlich intensiv über die entscheidende Frage reden, wieir eine dauerhafte Lösung finden können, in die bei-pielsweise auch der Punkt einbezogen wird, den dieraktion der Grünen angesprochen hat, nämlich die Op-ion der Rückholbarkeit. Dies alles werden wir tun.
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Parl. Staatssekretär Michael MüllerAus unserer Sicht gibt es im Übrigen auch gar keineAlternative dazu, auch die Option der Rückholbarkeitauf der Grundlage des Gesetzes mit einzubeziehen. Wirsind uns ziemlich klar darüber, dass das sein muss. Wirwerden dies einfach auch deshalb erreichen, weil wir da-durch, dass die Behandlung dieses Themas jetzt demBundesamt für Strahlenschutz übertragen wurde, in derTat in der Lage sind, zu einem viel geordneteren, recht-lich sehr viel besser nachvollziehbaren und insgesamttransparenten Verfahren zu kommen.Es ist der große Vorteil der Entscheidung der Bundes-regierung, dass es jetzt eine Behörde gibt, die aufgrundihrer Erfahrungen mit der Schließung des ehemaligenDDR-Endlagers in Morsleben, mit der Errichtung desEndlagers Konrad und der Überwachung des Offenhal-tungsbetriebs in Gorleben so viel Know-how bietet, umzu einem wirklich vernünftigen Verfahren zu kommen.Sie kann die entsprechenden Planfeststellungsverfahrenund die Verfahren für die Öffentlichkeitsbeteiligung na-türlich so vorbereiten, dass wir auch den Anforderungeneiner kritischen Öffentlichkeit gerecht werden können.Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurfwird durch die Verpflichtung zur Anwendung der fürBundesendlager geltenden Vorschriften gesichert, dassfür den Betrieb und die Stilllegung die nach dem Standder Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge ge-gen Schäden getroffen werden muss. Das heißt, um dasauf den Antrag der Fraktion der Grünen zu beziehen:Um bei der Stilllegung den bestmöglichen Schutz vorschädlichen Auswirkungen radioaktiver Strahlung zuverwirklichen, sind auch eine umfassende Prüfung undein Vergleich aller zur Verfügung stehenden Optionenerforderlich. Das bedeutet in der Konsequenz, dass aus-drücklich auch die Option geprüft werden muss, die ra-dioaktiven Abfälle ganz oder teilweise zurückzuholen.
Das ist der entscheidende Punkt. Dieser ist aus unsererSicht gesetzlich entsprechend geregelt.
Es gab zwischen uns noch Meinungsunterschiede hin-sichtlich der Verteilung der Kosten. In der Zwischenzeitsind wir der Bitte des Bundesrates nachgekommen, indemwir eine ausdrückliche Klarstellung im Gesetzentwurfvorgenommen haben. Über 90 Prozent der eingelagertenradioaktiven Materialien stammen aus öffentlichen Ein-richtungen, insbesondere aus Forschungseinrichtungen.Daraus ergibt sich auch die Verteilung der Kosten.
Kollege Müller, Sie können selbstverständlich weiter-
reden, dann aber auf Kosten Ihres Kollegen.
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Ja, natürlich. Ich komme sofort zum letzten Satz. –
Wir hätten es natürlich gerne gesehen, wenn auch private
Einlagerer mit zur Kasse gebeten worden wären, aber
nach all unseren Prüfungen kamen wir zu dem Ergebnis,
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Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Angelika
runkhorst das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!undesminister Gabriel hat bereits Ende 2008 angeord-et, dass die Atomaufsicht für die Asse II auf das BMUbertragen wird. Die Verantwortung für den Betrieb dersse ist auf das Bundesamt für Strahlenschutz übertra-en worden. Die notwendige gesetzliche Grundlage da-ür haben wir heute auf dem Tisch.Die Vorlage der Bundesregierung ist sachgerecht,eil sie den Realitäten nach dem aktuellen Stand deringe Rechnung trägt. Die Atomgesetznovelle gibt so-it allen Beteiligten die notwendige Rechtssicherheit.ie FDP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zur Ände-ung des Atomgesetzes zustimmen, weil die darin vorge-ehenen Regelungen – abgesehen von den aktuellen Pro-lemen mit der Asse II – sachgerecht sind.Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass es na-ürlich darauf ankommt, dass man den Menschen, die iner Region um die Asse leben und arbeiten, Angeboteacht, dass man ihnen zeigt, dass wir in dieser ernstenituation Abhilfe schaffen wollen, und zwar seriös undrofessionell.Bundesminister Gabriel hat bezüglich des Betreiber-echsels unheimlich Gas gegeben. Die FDP erwartetetzt natürlich, dass eine tragfähige Lösungsstrategie ent-ickelt und dass die offenen Fragen, die von Herrntaatssekretär Müller eben angesprochen worden sind,orgfältig und möglichst zügig abgearbeitet werden.Minister Gabriel steht in der Pflicht, umgehend ge-ielte und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um dierößtmögliche Sicherheit für Mensch und Umwelt in deregion zu gewährleisten.
nsere Zustimmung ist auch für das BMU ein Vertrau-nsvorschuss.Professionalität ist gefragt. Nichts brauchen die Men-chen im Moment dringender als tatkräftiges, professio-elles und verantwortungsvolles Handeln von Leuten,ie von der Sache etwas verstehen; darauf lege ich Wert.amit kein Missverständnis entsteht: Damit meine ichicht, dass alle, die für die Asse bisher Verantwortungetragen und die Entscheidungen gefällt haben, inkom-etent sind oder unverantwortlich gehandelt haben –itnichten. Aber wir alle wissen mittlerweile, dass in dersse entscheidende Dinge offenbar in erheblichemaße schiefgelaufen sind und dass wir nun Vernunft und
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22016 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Angelika Brunkhorstein professionelles Krisenmanagement brauchen. DieFDP wird sich daran auf jeden Fall konstruktiv beteili-gen; das kann ich Ihnen versichern.Nun zu den Kolleginnen und Kollegen der grünenFraktion. Die Menschen brauchen im Moment wirklichSicherheit. Es kann nicht sein, dass wir jetzt politischeGrabenkämpfe austragen. Bitte, lassen Sie uns der Ver-suchung widerstehen, die alten Lieder wieder zu singen:Auf der einen Seite stehen diejenigen, die es schon im-mer gewusst haben, die schon immer gegen die Kern-energie gewesen sind und die auch immer alles besserals die anderen wissen werden, und auf der anderen Seitegibt es diejenigen, die immer von allem gar nichts wis-sen wollten. Damit folgt man zu sehr einemSchwarz-Weiß-Schema, und das hilft uns an dieser Stellenicht weiter. Was den Menschen hilft, ist – das ist meinPetitum an Sie –, dieses Schema aufzugeben. Darumbitte ich Sie an dieser Stelle.
Es stimmt: Die FDP hat eine grundlegend andere po-litische Einstellung zur Frage des Umgangs mit der End-lagerung. Eine andere Sache hat aber damit nichts zu tun– das sage ich hier ganz klar und deutlich –: Das deut-sche Bundesumweltministerium genießt auf der fachli-chen Ebene deutschlandweit und auch international einsehr hohes Ansehen und Respekt, und dies zu Recht.Von grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten undvon einer unterschiedlichen Bewertung des Verhaltenseinzelner Personen einmal abgesehen, steht eines fest:Die fachliche Kompetenz unserer obersten Fachbehör-den können wir hier wirklich ausdrücklich loben. Wirvon der FDP wollen diese Fachkompetenz erhalten undunter Umständen stärken. Ich möchte an dieser Stelleden Fachleuten für die bereits geleistete Arbeit danken.Sie haben noch viel vor sich. Das, was da zu tun ist, istsicherlich nicht einfach. Ich wünsche den Personen, diedort eingebunden sind, die Lösungen finden müssen, eingutes Stück Durchhaltevermögen.Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich die Skepsisder Grünen hier nicht teile. Wir können rundum zuver-sichtlich sein. Die Verantwortung für die Asse II ist inguten Händen. Alles ist auf einem guten Weg. Das giltauch für das, was Sie sich immer gewünscht haben: DieAsse wird jetzt nach Atomrecht behandelt; das Bundes-amt für Strahlenschutz, inklusive Herrn König, ist Be-treiberin der Asse; die AG Optionenvergleich erarbeitetein Gutachten, in dem verschiedene Schließungskon-zepte für die Asse geprüft werden.Also alles bestens.
– Da handelt es sich aber nur um die von Ihnen gefühlteSkepsis, Frau Kotting-Uhl.Die FDP stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, meine Damenund Herren, und ein schönes Wochenende!NüewwnsusSnMiaasrgdtlwgHWhdbrdTmaacetgd
ich hat noch mehr geärgert, dass bei derselben Debattem Umweltausschuss die Linke die Diskussion darüberm liebsten auf eine Diskussion über die Terrorgefahrenn sich und überhaupt ausweiten wollte. Das ist nichtachgerecht.Wir wollen hier sehr sachlich über die Dinge diskutie-en, die notwendigerweise getan werden müssen. Dazuehört der personelle Sabotageschutz, und dazu gehörter Wechsel vom Bergrecht zum Atomrecht. Diese juris-ische Notwendigkeit vollziehen wir im Gesetz eigent-ich nur nach.
Bei Diskussionen über das Thema Asse ist es schonichtig zu betonen, dass es der Politik insgesamt darumehen muss, Vertrauen zu sichern und zu schaffen. Dererr Staatssekretär hat das in vorbildlicher Art undeise getan, indem er zum einen auf das hingewiesenat, was momentan Stand der Wissenschaft ist, nämlichie Standsicherheit bis zum Jahr 2020 – das trägt ja dazuei, die zu Recht beunruhigten Menschen vor Ort zu be-uhigen –, und indem er zum anderen klargestellt hat,ass es ihm um die Herstellung eines hohen Maßes anransparenz geht. Das ist auch ein Anliegen der Union.Ganz bewusst und ganz gezielt richte ich meine Be-erkung, dass es notwendig ist, Vertrauen zu schaffen,n die Adresse der Grünen und der Linken. Wer nämlichn dieser Stelle versucht, zu überzeichnen, zu verunsi-hern oder zu verängstigen, der macht aus meiner Sichtinen entscheidenden Fehler. Gerade die Grünen müss-en ja Erfahrung damit gesammelt haben. Bis zum Be-inn der rot-grünen Koalition haben sie ja die Risikener Atomkraft immer überzeichnet
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009 22017
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Dr. Georg Nüßleinund als Konsequenz daraus den sofortigen Ausstieg ge-fordert. Dieser war ihrer Meinung nach unabdingbar.Kaum waren sie aber Mitglied einer Bundesregierungund nicht mehr in der Opposition, haben sie gesagt,Atomkraft sei doch noch 20 Jahre verantwortbar. Dasmüssen Sie sich vorhalten lassen.
Machen Sie jetzt nicht wieder denselben Fehler! ZeigenSie Verantwortung und entsprechende Zurückhaltung!Lassen Sie uns sachlich und ohne die Leute zu verunsi-chern die nicht zu leugnenden Probleme an der Asse lö-sen.
Nachdem ich vernommen habe, dass es manchemGrünen nicht schnell und transparent genug geht,möchte ich wiederum unter Hinweis auf die Zeit IhrerRegierungsbeteiligung ganz deutlich sagen: Stellen Siesich bitte selber im Rahmen einer allenthalben fälligenGewissenserforschung die Frage, was Ihr Umweltminis-ter Trittin in den sieben Jahren, in denen er Regierungs-verantwortung trug, hier tatsächlich getan hat. Nichts,meine Damen und Herren! Das halte ich doch durchausfür bemerkenswert.Sie versuchen nun, auch dieses Gesetz in Misskreditzu ziehen. Ich verstehe das nicht – das sage ich ganz of-fen –, weil ich der Meinung bin, dass es hier um Formsa-chen und nicht um die Frage „pro oder kontra Kernener-gie“ geht.
Sie tun das, indem Sie kritisieren, im Gesetzentwurf seikeine Option einer Rückholung vorgesehen. Aber das istnicht wahr.Wir schaffen nicht die technologischen Rahmenbe-dingungen – das können wir gar nicht –, sondern diepolitischen. Bei den politischen Rahmenbedingungen istein voller Optionenvergleich inklusive der Rückholungvorgesehen. Das haben Sie von der Bundesregierungschriftlich bekommen, und der Staatssekretär hat esheute noch einmal betont. Im Übrigen lässt sich auch aus§ 9 b Abs. 4 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Atomgesetzherauslesen, dass es uns darum geht, nach dem Standvon Wissenschaft und Technik die erforderliche Vor-sorge gegen Schäden zu treffen. Dazu gehört auch dieOption einer Rückholung, sofern sie technisch machbarist.Im selben Atemzug stimmen dann etliche Damen undHerren eine Kostendebatte an. Auch davor kann ich nurwarnen. Wie kann man denn, bevor man die Optionenkennt, schon wissen, welche Kosten letztlich anfallenwerden? Wer kann das wissen? Offenbar ist jemand da-ran interessiert, irgendwelche Zahlen in den Raum zustellen, so wie Sie. Sie haben von 2,5 Milliarden Eurogesprochen.ddTruMWkwMzsrbfhddddbsvrsblw
Zum einen meine ich, dass Sie nicht wissen, wie hochie Kosten sind. Zum anderen weise ich für die Unionarauf hin, dass das kein Kostenthema ist. Bei diesemhema geht es nicht um Betriebswirtschaft, sondern da-um, Vertrauen zu bilden und das zu tun, was notwendignd sinnvoll ist, um Schaden von der Umwelt und denenschen abzuwenden.
ir werden alles Notwendige tun, aber keine Kostendis-ussion führen. Das wäre in höchstem Maße unseriös.
Ich weiß, dass es Ihnen um etwas anderes geht. Sieollen über die Kostendiskussion die Kernenergie inisskredit bringen, wenn Sie fordern, die Kosten andersu verteilen, als es seinerzeit vor mehr als 30 Jahren ge-chehen ist. Ihr Anliegen ist auch, darüber zu diskutie-en, ob der Bund die Kosten tragen muss.Fakt ist – das hat auch das Bundesumweltministeriumestätigt –, dass über 90 Prozent der radioaktiven Ab-älle von öffentlichen Verursachern stammen. Zudemandelt es sich bei der Asse um ein Forschungsbergwerkes Bundes. Deshalb ist aus meiner Sicht auch klar, werie Kosten trägt. Das halte ich für absolut klar, ohne dassarüber diskutiert werden kann.
Kollege Nüßlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage
er Kollegin Kotting-Uhl?
Herzlich gerne. Es ist zwar schon spät am Tag, aber
itte schön.
Das muss uns die Asse schon Wert sein.
Ja, darum habe ich die Zwischenfrage auch zugelas-
en.
Lieber verehrter Kollege Nüßlein, helfen Sie mir und
ielleicht auch sich selber auf die Sprünge. Sie haben ge-
ade festgestellt, wir hätten eine Kostendebatte ange-
timmt. Würden Sie mir bitte sagen, wer die Kostende-
atte in das parlamentarische Verfahren eingebracht hat?
Ich habe mich auf eine Diskussion bezogen, die fried-ich, aber trotzdem etwas erregt am Mittwoch im Um-eltausschuss stattgefunden hat und in der Sie, liebe
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Dr. Georg NüßleinKollegin, über die Frage philosophiert haben, wer dieKosten letztendlich trägt und wie es zu begründen ist,dass dies durch die öffentliche Hand erfolgen muss. Siemeinten, dass in diesem Zusammenhang die Energiever-sorger sehr viel stärker belastet werden müssten. Dazuhaben meine Kollegen im Ausschuss bereits darauf hin-gewiesen, dass es sich um ein Forschungsbergwerk desBundes handelt. Damit ist klar, wer die Kosten trägt.Wir nehmen selbstverständlich auch zur Kenntnis,dass von Privaten, die damals Material eingelagert ha-ben, Gebühren verlangt worden sind. Es mag sein, dasssie aus heutiger Sicht zu niedrig waren.
Aber damals ist anders damit umgegangen worden.Unter dem Gesichtspunkt werden wir nicht umhin-kommen, dass der Bund die Kosten zu tragen hat. Es istunsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen undBürgern, auch mit Geld dafür zu sorgen, dass Gefahrenvon ihnen abgewendet werden. Das ist die Realität.
– Genau. Jetzt ist die Beantwortung fertig, nicht dann,wenn die Kollegin sich hinsetzt. Aber gut.Aus meiner Sicht ist es erforderlich, das Thema Assein gebotener Ruhe weiterzuverfolgen. Wir sollten nichtversuchen, grundsätzliche Debatten über diese Thematikzu führen, und den Gesetzentwurf wie vorgesehen verab-schieden.Abschließend sage ich Ihnen: Jeder Versuch, einenZusammenhang zwischen Asse auf der einen Seite undGorleben auf der anderen Seite herzustellen, ist aus mei-ner Sicht untauglich, weil es sich zum einen um ein aus-gebeutetes Bergwerk handelt, in dem vor mehreren Jahr-zehnten nach anderen Maßstäben eingelagert wurde, undweil wir zum anderen viele Jahre erkundet haben– nichts sonst –, ob sich der Salzstock in Gorleben alsEndlager eignet. Man muss das bestehende Moratorium– das ist an dieser Stelle ein ceterum censeo – aufheben,um bei diesem Thema endlich weiterzukommen. – FrauKotting-Uhl, Sie schütteln den Kopf. Selbst wenn Ihnendas nicht gefällt: Wir sind nicht nur verpflichtet, bei derAsse etwas zu tun. Vielmehr müssen wir irgendwann derVerpflichtung nachkommen, ein nationales Endlager be-reitzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob manpro oder kontra Kernenergie ist. Fakt ist: RadioaktiveAbfälle fallen in Kernkraftwerken und anderen Berei-chen an. Wir werden sie national endlagern müssen.Deshalb müssen wir das Notwendige tun. Ich finde esbedauerlich, dass die Große Koalition an dieser Stellenicht, wie von uns, der Union, erwartet, weitergekom-men ist.DFKwHhBzdhztsüeldeVriDwndmktGnSuuSdM
as liegt mit Verlaub am Bundesumweltminister.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!ollege Nüßlein, Sie haben auf die Kostenfrage hinge-iesen. Damit befassen sich Menschen nicht nur hier imaus, sondern auch draußen. Nicht nur ich habe massen-aft E-Mails bekommen, in denen uns Bürgerinnen undürger auffordern, dem vorliegenden Gesetzestext nichtuzustimmen, unter anderem mit der Begründung, dassie Konzerne, die mit Atomenergie Gewinne gemachtaben und nach wie vor machen, stärker an den Kostenu beteiligen seien.
Das Umweltministerium hat uns wiederholt mitge-eilt, an der Finanzierung im Zusammenhang mit Asseei nichts zu ändern, weil man aus der schon vor Jahrenbernommenen Verpflichtung nicht herauskomme. Abers stellt sich sehr wohl die Frage, warum das in dem vor-iegenden Gesetzestext so explizit formuliert ist. Aufiese Frage habe ich keine Antwort. Dass die Menschenin ungutes Gefühl haben, wenn RWE, Eon, EnBW undattenfall seit Jahrzehnten hohe Gewinne machen, wäh-end der Steuerzahler, der Bürger, die Kosten trägt, isthnen nicht zu verübeln.
as ist wieder eine Umverteilung von unten nach oben,ie wir sie aus vielen Bereichen dieser Gesellschaft ken-en. Nebenbei: Jeder kleine Gewerbetreibende muss fürie Kosten seiner Abfallentsorgung selber geradestehen.
Mit dem Gesetz wird das Forschungsbergwerk Asseit einem Federstrich zu einem Endlager erklärt. Hierann und hier wird die Linke ebenfalls nicht zustimmen.
Die Subventionierung der Atomindustrie hat Tradi-ion; das ist nicht erst bei dieser Regierung so. Dass dieegenwehr der Konzerne entsprechend ist, verwunderticht. Die Gegenwehr und die Subventionierung dertromkonzerne waren häufig genug Thema. Ich möchtenseren Blick heute auf einen anderen Konzern lenken,nd zwar auf den DAX-Konzern K+S, auch als Kali undalz bekannt. Es handelt sich um einen Konzern, der aner Asse und der atomaren Endlagerung nicht geringeittel verdient hat. Es beginnt damit, dass das Vorgän-
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Dorothée Menznergerunternehmen dem Bund seinerzeit das alte Bergwerkverkauft hat. Der Konzern hat immer wieder Geld mitder Lieferung von Abraum zur Verfüllung der oberenSohlen verdient und die abgepumpten Laugen in seinegeschlossenen Bergwerke überführt. Des Weiteren hatder Konzern Forschungsaufträge rund um die Asse er-halten. Nicht zuletzt handelt es sich hierbei um einen derzwei Konzerne, die weltweit das Magnesiumchlorid pro-duzieren und anbieten können, mit dem die Asse einstgeflutet werden sollte.Dieser Zusammenhang macht deutlich,
dass wir neben den bergtechnischen Vorgängen, die wirklären müssen, auch insgesamt in die Vorgänge, die mitder Asse zusammenhängen, noch viel Licht bringenmüssen und dass wir dort sehr genau hinsehen müssen.Das vorliegende Atomgesetz wird uns dabei nicht hel-fen; vielmehr sät es weiter Misstrauen und schürt Ängsteund die Wut bei den Menschen in der Region. Das kannnicht das sein, was wir hier gemeinsam wollen.
Aus diesem Grunde stimmen wir gegen das vorlie-gende Gesetz. Weil Licht in das Dunkel um die Asse ge-bracht werden muss, rufen wir als Linke auf, sich am26. Februar an der Lichterkette zu beteiligen, die vonBraunschweig über Wolfenbüttel bis zur Asse gehensoll. Diese Lichterkette steht unter dem Motto: „Auf-pASSEn! Wir bringen Licht ins Dunkel.“
Ich glaube, wir alle sind gut beraten, das Engagementder Bürgerinnen und Bürger in der Region sehr ernst zunehmen und es als Hilfe und Unterstützung für unseregemeinsamen Bemühungen zu betrachten.Ich danke Ihnen.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Sylvia Kotting-Uhl das Wort.
Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Herr Staatssekretär Müller, Ihnen erst ein-mal herzlichen Dank für die versprochene Offenheit,aber Sie sehen es mir nach, wenn ich in diesen vierMinuten nur zu dem rede, worauf sich unser Änderungs-antrag begründet. Ich will ganz kurz auf die missver-ständlichen Formulierungen eingehen. Frau Menzner hatdarauf schon Bezug genommen. Ich kann wirklich nichtverstehen, mit welcher Beratungsresistenz Sie vorgehen.Es wäre ein Leichtes gewesen, mit zwei Federstrichen anzwei Stellen die missverständlichen Formulierungenauszuräumen. Sie hätten damit der Bevölkerung vor Ortbeweisen können, dass sie Vertrauen haben kann.SrtSfWndZhBecwDmVJfbndmbhunV–dddFHIWgKmWI
en haben die Koalitionsfraktionen eingebracht, und da-it haben sie die Kostenfrage in die Debatte geworfen.orher hat nämlich niemand von den Kosten geredet.etzt wird darüber durchaus debattiert.Die Frage, die die Kollegin Menzner eben aufgewor-en hat, warum bei all den guten Argumenten, die Sie ha-en, nämlich dass man die Atomkraftwerksbetreiber garicht an den Kosten beteiligen könne, das eigentlich inie Novelle musste, kann ich Ihnen beantworten. Esusste in die Novelle, weil die Argumente, die vorge-racht werden, zumindest in der öffentlichen Sicht über-aupt nicht berechtigt sind. Es ist eine vollkommennberechtigte Argumentation, zumindest in der Wahr-ehmung der Menschen vor Ort und derjenigen, die daserursacherprinzip ernst nehmen.
Wir brauchen den Menschen vor Ort nichts einzure-en. Die sind kompetent, die leben seit Jahrzehnten miter Asse und wissen, worum es geht.
Ihr Hauptargument ist, dass 90 Prozent des Inventarser Asse aus der WAK kommen. Das ist eine öffentlicheorschungseinrichtung, und deshalb muss die öffentlicheand die Kosten tragen. Ja, 90 Prozent des radioaktivennventars kommen aus der WAK. Und wie kam es in dieAK? Ist es dort geboren worden? Ist es vom Himmelefallen? Hat es der Klapperstorch gebracht? Nein, dieraftwerksbetreiber haben es gebracht, es war Atom-üll aus den Kraftwerken.
ir haben den Inventurbericht von 2002, den jeder vonhnen nachlesen kann. Da ist genau aufgelistet, was in
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Sylvia Kotting-Uhldie WAK eingeliefert wurde und von da aus in die Assekam.
60 Prozent des radioaktiven Inventars der Asse – daslässt sich leicht errechnen – stammen allein aus demKernkraftwerk Obrigheim. Gilt das Verursacherprinzipnicht mehr, wenn das Material einmal in einer Versuchs-anlage war, oder wollen wir das Verursacherprinzip gel-ten lassen? Ich kann Sie an dieser Stelle wirklich nichtverstehen. Ich glaube, Sie sind in diesen ganzen Krisen,in denen Sie ständig Schutzschirme aufspannen, schonso an Schutzschirme gewöhnt, dass Sie gar nicht anderskönnen, als jetzt in der Asse-Krise einen Schutzschirmauch über die Atomkonzerne zu spannen, damit dieseihre Milliardengewinne behalten können.
Diese wiederum nutzen das Geld für ihre Kampagnen,sie nutzen es, um die Mär vom billigen Atomstrom zuerzählen. Das ist die Kette, die Sie damit unterstützen.
– Das ist wahrscheinlich die ehrlichste Rede der Woche,und das stört Sie vielleicht; das kann ich gut verstehen.
– Nein, die Redezeit ist noch nicht um. Ich habe noch einbisschen.
Ich will noch etwas zu dem Optionenvergleich sagen.W
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Stabilität bis 2020. Das
heißt, die Realisierbarkeit der Option, den Müll heraus-
zuholen, rückt deutlich näher; die Zeitschiene wird bes-
ser.
Wenn wir die Sicherheit der Anwohner im Sinn ha-
ben,
dann müssen wir die beste Option wählen. Wenn wir das
tun, dann wird es wirklich richtig teuer. Ich kann nicht
verstehen, warum die Verursacher des Atommülls, die
mit der Gefährlichkeit des Atommülls letztlich ursäch-
lich zu dieser Sachlage beigetragen haben, bei der Frage,
wie wir vor Ort Sicherheit schaffen, völlig herausgehal-
ten werden. Da finde ich Sie absolut inkonsequent.
Ich finde auch Umweltminister Gabriel absolut in-
konsequent. In der gemeinsamen Sitzung von For-
schungs- und Umweltausschuss hat er uns noch gesagt,
es sei richtig, die Atommüllverursacher zu beteiligen, er
wisse aber, dass es keine rechtliche Handhabe gebe und
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ie machen sich damit bei den Menschen vor Ort dop-
elt unglaubwürdig. Sie machen die gute Arbeit, die dort
eleistet wird, ein Stück weit wieder kaputt. Das ist das
edauerlichste an der ganzen Geschichte.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Christoph Pries für die
PD-Fraktion.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Pries.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Die zehnte Novelle zum Atomgesetztand schon seit längerem auf unserer Agenda. Durchine Ausweitung wird die atomrechtliche Zuverlässig-eitsprüfung an die veränderte Sicherheitslage nach dem1. September 2001 angepasst. Dass wir dies tun, istichtig. Dass es notwendig ist, macht wieder einmaleutlich: Atomenergie ist und bleibt eine Hochrisiko-echnologie. Deshalb gilt: Die SPD-Bundestagsfraktionteht zum Atomausstieg.
Im Zentrum des öffentlichen Interesses steht derweite Teil der vorliegenden Novelle: die Regelungenur Schachtanlage Asse II. Mit unserer heutigen Ent-cheidung schaffen wir die Rechtsgrundlage für den Be-reiberwechsel.
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Christoph PriesSeit nunmehr 30 Tagen ist das Bundesamt für Strah-lenschutz und damit das Bundesumweltministerium fürdie Schachtanlage Asse II zuständig. Sie haben den Auf-trag, die Anlage im Rahmen eines atomrechtlichen Plan-feststellungsverfahrens stillzulegen. Wir ziehen damitdie Konsequenzen aus den Missständen in der Einrich-tung, die im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit ge-langt sind. Gleichzeitig erfüllen wir die Forderungenvieler Bürgerinitiativen vor Ort.Ich möchte aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion aufzwei Aspekte eingehen, die die öffentliche Debatte derletzten Wochen bestimmt haben: erstens auf den Optio-nenvergleich und die Möglichkeit einer vollständigenoder teilweisen Rückholung der eingelagerten radio-aktiven Abfälle. Von 1967 bis 1978 wurden in derSchachtanlage Asse II 46 930 Kubikmeter schwach- undmittelradioaktiver Abfall eingelagert. Laugenzuflüsse,Einsturzgefahr oder radioaktive Kontaminierung, mitdenen wir heute zu kämpfen haben, wurden damals vonallen Experten ausgeschlossen. Wir müssen feststellen:Die sogenannten Experten haben sich geirrt.Unsere Aufgabe ist jetzt, unter den gegebenen Um-ständen die bestmögliche Lösung für Menschen undUmwelt zu finden. Deshalb ermöglicht das vorliegendeGesetz im Rahmen der Stilllegung der SchachtanlageAsse II einen ergebnisoffenen Optionenvergleich. DieserOptionenvergleich umfasst auch die vollständige oderteilweise Rückholung der eingelagerten Abfälle.Der Bundesumweltminister und alle Fraktionen habensich sowohl hier im Plenum als auch bei der Beratung imAusschuss zur Durchführung des Optionenvergleichs be-kannt. Das begrüßt die SPD-Bundestagsfraktion aus-drücklich.
Welche Lösung am Ende die größte Sicherheit bietet undrealisierbar ist, bleibt abzuwarten.Entscheidend sind die Antworten auf folgende Fra-gen: Ist es möglich, das Grubengebäude so zu stabilisie-ren, dass eine Rückholung ohne Gefahr für Mensch undUmwelt durchgeführt werden kann? Sind die Risiken fürdie Beschäftigten bei einer möglichen Rückholung derAbfälle vertretbar? Bis Ende des Jahres wird das Bun-desamt für Strahlenschutz einen Abschlussbericht zumOptionenvergleich vorlegen. Auf dieser Grundlage wirddann eine Entscheidung über das Stilllegungskonzept fürdie Schachtanlage Asse II zu fällen sein.Der zweite Aspekt der Diskussion, den ich kurz be-leuchten möchte, ist die Kostenfrage. Liebe Kolleginnenund Kollegen von den Grünen und den Linken, Sie ha-ben gefordert, die Atomindustrie an den Kosten der Still-legung der Asse zu beteiligen. Solche Forderungen sindganz klar populistisches Wahlkampfgeklingel.
Es gibt 30 Jahre nach der Einlagerung keinerlei rechtli-che Handhabe mehr, die Atomindustrie an den Kosten zubeteiligen.DenKdbKmlnaddssednW1DfShdzDSFLnuGWsSdG
ie Schachtanlage Asse II war und ist eine bundes-igene Einrichtung. Daher steht der Bund auch in der fi-anziellen Verantwortung. Es ist unredlich, Frauotting-Uhl, den Eindruck zu vermitteln, als würden wiren Bürgerinnen und Bürgern leichtfertig Kosten auf-ürden. Dem ist nicht so.Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotzdem hat dieostendebatte auch einen positiven Nebeneffekt. Sieacht wieder einmal deutlich, dass das Gerede vom bil-igen Atomstrom ein Märchen ist. Die dicke Atomrech-ung für die Bürgerinnen und Bürger kommt oft spät,ber, Herr Nüßlein, sie kommt immer.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderunges Atomgesetzes. Der Ausschuss für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Be-chlussempfehlung auf Drucksache 16/11782, den Gesetz-ntwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/11609 iner Ausschussfassung anzunehmen.Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-is 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen.er stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache6/11783? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –er Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Unions-raktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion gegen dietimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-altung der Fraktion Die Linke abgelehnt.Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf iner Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-eichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? –er Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit dentimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und derDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Dieinke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-ommen.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –er stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Ge-etzentwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, derPD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmener Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Dierünen angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
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Vizepräsidentin Petra Pauzum Schengener Informationssystem der zwei-ten Generation
– Drucksache 16/10816 –Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 16/11763 –Berichterstattung:Abgeordnete Ralf GöbelMichael Hartmann
Gisela PiltzUlla JelpkeWolfgang WielandHierzu liegt ein Entschließungsantrag der FraktionDie Linke vor.Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden dieReden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um dieReden folgender Kolleginnen und Kollegen: Ralf Göbelfür die Unionsfraktion, Frank Hofmann für die SPD-Fraktion, die Kollegin Gisela Piltz für die FDP, der Kol-lege Jan Korte für die Fraktion Die Linke und der Kol-lege Manuel Sarrazin für die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen.
Der Beschluss des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung
des Schengener Informationssystems der zweiten Gene-
ration, SIS II, entwickelt den durch SIS I geschaffenen
Ausgleich für den Wegfall der europäischen Binnengren-
zen zeitgemäß weiter. Die EU reagiert damit im Schen-
gen-Raum auf neue Herausforderungen und eröffnet der
notwendigen Sicherung der Außengrenzen neue Perspek-
tiven
Wir bedauern sehr, dass bis heute im Bereich der tech-
nischen Realisierung erhebliche Probleme aufgetreten
sind. Die Ursachen hierfür sollten schnellstmöglich be-
seitigt werden, um das Projekt zu einem erfolgreichen
Ende zu bringen. Der EU selbst müsste daran gelegen
sein, ihre Fähigkeit zur Schaffung komplexer Systeme un-
ter Beweis zu stellen. Wegen der Hemmnisse im Bereich
der technischen Entwicklung von SIS II musste 2001 das
als Zwischenlösung von den Schengen-Staaten konzi-
pierte „SISone4all“ in Betrieb genommen werden. Damit
konnten zunächst Teile der notwendigen Erweiterung um-
gesetzt werden.
Entgegen ersten Erwartungen ist es glücklicherweise
möglich, das „SISone4all“ sowohl qualitativ als auch
quantitativ mit den erforderlichen Aufrüstungen und Er-
weiterungen zu versehen. Dennoch muss die Entwicklung
von SIS II von der Kommission zügig zum Abschluss ge-
bracht werden
Trotz dieser prozessualen Schwierigkeiten bei SIS II ist
die bereits angesprochene Umsetzung in nationales Recht
dringend geboten, um rechtzeitig die Legitimation für die
Nutzung und Verwendung von Daten zu schaffen. Die we-
sentlichen nationalen Rechtsvorschriften, die angepasst
werden, betreffen folgende Bereiche: Im Bundeskrimi-
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Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/11683 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerBeck , Marieluise Beck (Bremen),Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAufnahme von Gefangenen aus GuantánamoBay ermöglichen– Drucksache 16/11759 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussInnenausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höreeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-in Marieluise Beck für die Fraktion Bündnis 90/Dierünen.Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIERÜNEN):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Bundesinnenminister Schäuble hat kürzlichrklärt, wer fünf Jahre in Guantánamo inhaftiert gewe-en sei, sei wahrscheinlich noch gefährlicher als ohneine solche Leidenszeit. Der bayerische Innenministerat hinzugefügt, dass die Gefangenen dort gewiss nichtöllig grundlos einsäßen. Damit erklärt also ein deut-cher Innenminister die Unschuldsvermutung für erle-igt.
it solchen Äußerungen stellen sich deutsche Ministerußerhalb des so überaus wertvollen Prinzips der Un-chuldsvermutung, das ein Rechtsstaatsprinzip ist.Wir alle hier kritisieren das Lager Guantánamo Bayeit Jahren. Darin sitzen – das wissen wir nicht erst seitestern – seit vielen Jahren Menschen ohne Aussicht aufin freies und faires Verfahren. Da ich aus Bremenomme, das mit dem Namen Murat Kurnaz verbundenst, weiß ich, wovon ich rede. Es gab in Guantánamo Er-ignisse, die unter dem Begriff Folter subsumiert werdenüssen. Denn sind Elektroschocks, sexuelle Demütigun-en, die Androhung der Erschießung und die Simulationes Ertränkens, das schreckliche Water-Boarding, andersls Folter zu bezeichnen?Anlage 2
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Marieluise Beck
Guantánamo war und ist ein Schandmal der USA unddamit auch ein Schandmal des Westens. Mit Guantánamoist auf dramatische Weise menschenrechtliche Glaub-würdigkeit verspielt worden. Gestärkt worden sind da-mit extremistische Kräfte in muslimischen Ländern, diesicherlich oft gar nicht so böse über die Bilder waren, dieaus Guantánamo kamen.
Kollegin Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Grindel?
Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ja.
Frau Kollegin, würden Sie mir vor dem Hintergrund,
dass Sie die Lage in Guantánamo sehr eindrucksvoll
schildern, Sie als Bremer Abgeordnete auf den Fall
Murat Kurnaz hinweisen und Sie ein Mitglied der Frak-
tion der Grünen sind, einmal schildern, ob Sie mit dem,
was der frühere Außenminister Fischer getan oder viel-
leicht auch nicht getan hat, um Herrn Kurnaz dieses Leid
zu ersparen, einverstanden sind. Oder sagen Sie, dass es
auch in Ihren Reihen das eine oder andere Defizit gibt,
wenn es darum geht, Menschen ein solches Schicksal zu
ersparen?
Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Sie sind im Untersuchungsausschuss bis ins Einzelne
der Frage nachgegangen, wer an welcher Stelle nicht
korrekt gehandelt hat. Wenn ich es richtig sehe, sind
keine Vorwürfe gegenüber dem früheren Bundesaußen-
minister Fischer im Raum geblieben.
Der neue amerikanische Präsident hat nun endlich
entschieden, dass das Lager geschlossen wird. Für die
Insassen soll es endlich rechtsstaatliche Verfahren ge-
ben, und all diejenigen, die nicht mehr tatverdächtig
sind, sollen freigelassen werden. Schon unter der Bush-
Administration ist davon gesprochen worden, dass mehr
als 60 Insassen nicht tatverdächtig sind.
Nun tut sich ein neues Problem auf: Wohin mit den
Menschen, die freigelassen werden sollen, aber nicht
mehr in ihre Heimatländer zurückkehren können, weil
ihnen dort Folter und Verfolgung drohen? Wir Grünen
halten es für richtig, dass die Bundesregierung als Part-
ner der demokratischen Allianz zur Lösung dieses Pro-
blems beiträgt. Wir sollten mit unseren europäischen
Partnern darüber beraten, wie wir die Aufnahme ge-
meinsam bewerkstelligen können, damit dieses men-
schenrechtliche Schandmal so zügig wie möglich besei-
tigt werden kann. Das allerdings würde die deutsche
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Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Erika
teinbach das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Es gibt eine wirklich gute Botschaft. Der neueräsident der Vereinigten Staaten von Amerika, einemand, dem wir uns sehr verbunden fühlen, hat erklärt:as Lager Guantánamo wird innerhalb eines Jahres ge-chlossen werden. Das ist eine gute Botschaft für dieenschenrechte und für die seit vielen Jahren dort ein-itzenden Gefangenen, die lange Zeit ohne die Möglich-eit einer Rechtsvertretung und ohne Aussicht auf einenairen Prozesses inhaftiert waren und zum Teil tatsäch-ich, wie uns die Bilder vor Augen geführt haben, derolter ausgesetzt waren.
Barack Obama, der Präsident, der das verkündet hat,ann damit eines erreichen: Er kann die verlorene Ehre
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Erika Steinbachder Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Fragewiederherstellen. Das begrüße ich nachdrücklich.Die USA haben dieses Lager eingerichtet. Die USAhaben die Menschen eingesperrt, und sie haben ihnenden Rechtsweg versperrt. Natürlich ist es Aufgabe desVerursachers, wenn das Lager aufgelöst werden soll,selbst alles daranzusetzen, damit das auch geschieht. Ichtraue – das muss ich sagen – den Vereinigten Staaten vonAmerika, dem mächtigsten Land der Welt, zu, dass siedas Lager, wo es noch nicht einmal um 500 Menschengeht, auflösen können und werden, und zwar aus eigenenKräften. Dazu brauchen sie nicht die Unterstützung ei-nes anderen Landes auf diesem Erdball. Das schaffen siealleine. Sie haben schließlich noch ganz andere Aufga-ben vor sich, die sie lösen wollen.Ich bin davon überzeugt: Nur wenn die USA das al-leine schaffen, werden sie ihre Würde wiederherstellenkönnen. Sie müssen deutlich machen: Wir wollen wirk-lich alles tun, um das wieder in Ordnung zu bringen, waswir verursacht haben. Dazu gehört auch eine Entschädi-gung der Insassen. Man kann nicht Menschen vielerJahre ihres Lebens berauben und sie am Ende einfachnur entlassen und vielleicht auch noch in andere Gegen-den abschieben. Es ist also nötig, dass Barack Obama,dass die Vereinigten Staaten von Amerika in dieserFrage sagen: Yes, we can! Das ist, glaube ich, ganz we-sentlich.Mich irritiert ein wenig, dass man hier in Deutschlandund manch anderem Nachbarland in Europa das Gefühlhat, dass gesagt wird: Bitte, bitte, gebt uns doch auch ei-nen Guantánamo-Häftling. Ich finde das bemerkenswertvor dem Hintergrund, dass bis heute noch keine Anfrageaus den USA vorliegt, wir mögen bitte Häftlinge aufneh-men. Ich glaube, es dauert noch eine ganze Weile, bis al-les in die Wege geleitet ist, um das Lager aufzulösen.Wir haben ja gesehen: Die Forderung, die Strafverfahrenum 120 Tage auszusetzen, ist im Moment in dem einenoder anderen Fall gescheitert. Es wird noch mehr Pro-bleme geben. Aber diese Probleme – davon bin ich festüberzeugt – werden unsere Freunde in den VereinigtenStaaten mit eigenen Kräften wunderbar selber lösen kön-nen.Danke schön.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Werner
Hoyer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Präsident Obama setzt zu Beginn seiner Amtszeit so-
gleich deutliche Signale in der Außen- wie in der Innen-
politik. Das ist gut so. Die Schließung des Gefängnisses
in Guantánamo Bay ist überfällig; es hätte nie entstehen
dürfen.
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Es ist mir als Freund der Vereinigten Staaten von
merika unbegreiflich, dass die letzte US-Administra-
ion die Augen davor verschlossen hat, welch unermess-
ichen Glaubwürdigkeitsverlust ihr Eintreten für Demo-
ratie, Rechtsstaat und den Antiterrorkampf erlitten hat.
as zeigt mir auch, dass die Werte des Westens, die Er-
ungenschaften der Aufklärung und unseres modernen
echtsstaates, auch nach innen immer wieder verteidigt
nd erneuert werden müssen.
Es ist vollkommen klar, dass Präsident Obama alles
aransetzen wird, das Gefängnis als Symbol des Un-
echts und der Demütigungen so schnell wie möglich aus
er Welt zu schaffen. Er muss schnellstens diesen Schat-
en, der über der Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staa-
en liegt, loswerden, insbesondere dann, wenn sein sehr
egrüßenswerter neuer Ansatz in der muslimischen Welt
elingen soll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Zurückgewinnunger Glaubwürdigkeit gehört, dass die USA selbst dieerantwortung für das Unrecht übernehmen, das sie dennsassen von Guantánamo Bay angetan haben. Sie müs-en und wollen zeigen, dass sie zu einer Kurskorrektur iner Lage sind, dass sie Fehler eingestehen können undierfür die Verantwortung übernehmen. Ich finde übri-ens: Das, was wir von der Entwicklung der letztenwölf Monate in den Vereinigten Staaten lernen können,st die Fähigkeit unserer amerikanischen Freunde zurelbstkorrektur und zur Wiederbesinnung auf die bestenmerikanischen Tugenden und Traditionen.
Das schließt die Möglichkeit eines Aufenthalts derntlassenen Gefangenen in den Vereinigten Staaten undntsprechende Entschädigungen ein. Verantwortung ab-uwälzen wäre nur ein Teilerfolg. Das entspricht nichtem Geist, in dem Präsident Obama seine Präsident-chaft begonnen hat. Deswegen finde ich eine pauschalengebotspolitik oder eine Übernahmeangebotsüberbie-ungspolitik daneben.Für uns Liberale ist klar: Die Vereinigten Staaten sindier selber in der Pflicht. Ich füge hinzu: Sie sind für allensassen des Gefängnisses in Guantánamo Bay in derflicht. Ich bin nicht bereit, eine weitere Kategorie vonnsassen zu schaffen, denen man zwar nichts nachweisenonnte, bei denen man aber ein ungutes Gefühl hat; daschwingt ja in den Diskussionen hierzulande manchmalin bisschen mit. Es wäre geradezu grotesk, wenn dierundlose Inhaftierung in Guantánamo jetzt auch nochls neues Verdachtsmoment gesehen würde. Das stelltas Legalitätsprinzip auf den Kopf.
Wenn es am Ende des Tages tatsächlich noch Einzel-älle geben sollte, für die ein Aufenthalt in den USA
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Dr. Werner Hoyernicht möglich sein sollte, dann sind gegebenenfalls dieEuropäische Union und auch Deutschland gefragt. Eswird auf jeden Einzelfall ankommen und geprüft wer-den, welche Person in welchem europäischen Land auf-genommen werden kann. Deutschland sollte und wirdsich nicht sperren, wenn es einen Beitrag dazu leistenkann, eines der düstersten Kapitel des Antiterrorkampfeszu beenden und unserem amerikanischen Partner zu hel-fen.Ich habe zum Schluss, Herr Staatsminister – Sie spre-chen gleich nach mir –, noch eine Frage: Können Sie unseinen Überblick geben, welche Probleme noch auf unszukommen, die nicht mit Guantánamo Bay zu tun haben,sondern mit Bagram, mit anderen Gefängnissen in Afgha-nistan, im Irak und around the world? Bei diesen sind wirmöglicherweise direkter betroffen, weil es sich um In-sassen handeln könnte – ich behaupte das nicht; aber ichkönnte es mir vorstellen –, deren Einweisung in dieseStrafanstalten mit aktivem Zutun deutscher Staatsbürgergeschehen ist. Darüber würde ich gern eine Informationhaben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Staatsminister Gernot Erler.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!US-Präsident Obama hat in einer seiner ersten Amts-handlungen die Schließung des Gefangenenlagers inGuantánamo binnen Jahresfrist angeordnet. Damit löster nicht nur sein eigenes Wahlkampfversprechen ein. Erkommt damit dem Wunsch zahlreicher befreundeterStaaten nach, darunter auch Deutschland, die schon seitlangem die Schließung von Guantánamo gefordert hat-ten. Die Bundesregierung begrüßt daher die von Präsi-dent Obama angeordnete Schließung des Gefangenenla-gers; denn aus unserer Sicht – das haben andereKollegen auch schon zum Ausdruck gebracht – hatGuantánamo nicht nur den USA, sondern auch der west-lichen Wertegemeinschaft insgesamt erheblichen Scha-den zugefügt.
Die Frage eventueller Beiträge europäischer Staatenzur Schließung des Lagers wird derzeit nicht nur bei uns,sondern auch in den USA selbst und in vielen anderenLändern kontrovers diskutiert. Die tschechische Ratsprä-sidentschaft hat das Thema auf die Tagesordnung desEU-Außenministerrats Anfang dieser Woche gesetzt.Die Außenminister waren sich einig, dass die EU hierabgestimmt vorgehen sollte. Javier Solana wird gemein-sam mit der EU-Kommission Vorschläge für die weitereDiskussion erarbeiten. Auch die EU-Innenminister ha-ben sich zu dieser Frage bereits ausgetauscht. Sie sehen,das Thema ist nicht vom Himmel gefallen, sondernlsmsedvsmnnef–mwwDbnkznEwmdsmddeBdRzgfsDmassww
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Innen-inister Wolfgang Schäuble haben am Dienstag zu die-em Thema miteinander gesprochen. Beide waren sichinig, dass die Bundesregierung ein konkretes Anliegener US-Regierung an Deutschland, wenn es vorliegt,erantwortungsvoll und konstruktiv prüfen wird. Daschließt selbstverständlich ein, dass eventuelle Maßnah-en der Bundesregierung sowohl im Kreis der EU-Part-er als auch mit den Bundesländern abgestimmt werden.Um es ganz klar zu sagen: Es geht nicht um die Auf-ahme von Terroristen, sondern darum, zu prüfen, obinzelnen Personen, die nach gründlicher Einzelfallprü-ung offensichtlich unschuldig sind und denen zugleich das ist das Entscheidende – die Rückkehr in ihr Hei-atland versperrt bleibt,
eil ihnen dort Repressalien drohen, Aufnahme gewährterden kann.
ass es sich dabei zahlenmäßig um eine sehr überschau-are Anzahl von Personen handelt, sollte an dieser Stelleoch einmal betont werden. Bislang gibt es jedoch nocheine bilateralen Verhandlungen mit der US-Regierungu diesem Thema, auch nicht seitens der EU.Die Schließung des Lagers Guantánamo entspricht ei-er langjährigen Forderung von Bundesregierung unduropäischer Union. Wir haben immer wieder betont,ie wichtig es ist, zwischen EU und USA zu einem ge-einsamen Verständnis von anwendbarem Völkerrecht,er Wahrung der Menschenrechte und unseren rechts-taatlichen wie humanitären Standards bei der Terroris-usbekämpfung zu gelangen.Vor diesem Hintergrund stellen die jüngsten Entschei-ungen Präsident Obamas einen bedeutenden Fortschrittar. Sie sind im europäischen Interesse und im Interesseiner intensiven transatlantischen Partnerschaft. Für dieundesregierung ist es daher eine Frage der Glaubwür-igkeit, dass wir die politische Initiative der neuen US-egierung, die einen möglichen Beitrag dritter Staatenur Schließung des Lagers umfasst, unterstützen. Eineeringe Zahl von Personen – das sind konkrete Einzel-älle – wurde der Bundesregierung von einer amerikani-chen Anwaltsvereinigung zur Aufnahme empfohlen.as New Yorker Center for Constitutional Rights hateines Wissens im November des vergangenen Jahresuch mit Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses Ge-präche geführt.Selbstverständlich ist, abgesehen von den Herkunfts-taaten, zunächst die amerikanische Regierung für daseitere Schicksal der Häftlinge verantwortlich. Dochir wissen auch, dass nicht alle Häftlinge – ich sagte es
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Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erlerschon – in ihre Herkunftsstaaten zurückkehren bzw. inden USA verbleiben können.Es ist unser gemeinsames transatlantisches Interesse,das Vertrauen in die rechtsstaatliche und menschen-rechtsstaatliche Substanz des Westens wiederherzustel-len. Hierzu ist die rasche Schließung Guantánamos er-forderlich. Deshalb sollten wir auch bereit sein, einenBeitrag zu leisten, wenn dieser Wunsch an uns herange-tragen wird.Herr Kollege Hoyer, weil ich nicht in der Lage bin, inmeinen vier Minuten Redezeit auch noch Ihre Frage zubeantworten, schlage ich vor, dass wir das im Ausschussnachholen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege
Michael Leutert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Linke hat das US-Gefangenenlager von Anfang anals das bezeichnet, was es ist: als einen rechtsfreienRaum, einen Ort der Folter, einen Ort, den es eigentlichüberhaupt nicht geben dürfte.Die Grünen haben heute einen Antrag vorgelegt. Wirunterstützen die darin erhobenen Forderungen. Im We-sentlichen geht es um die Aufnahme von erwiesenerma-ßen unschuldigen Inhaftierten, die nicht in ihre Heimatzurückkehren können. Es geht darum, einen deutschenBeitrag zu leisten, um den rechtsfreien Raum inGuantánamo möglichst schnell zu schließen. Dabei gehtes um gerade einmal 50 unschuldige Menschen.
Die Linke sieht aufgrund dieser humanitären und politi-schen Erwägungen keinen akzeptablen Grund, diesemAntrag nicht zuzustimmen.Dennoch ein paar Anmerkungen, zunächst zur Hal-tung des Bundesinnenministers bzw. der Union. Auf denersten Blick ist das Argument von Herrn Schäuble ein-leuchtend: Die US-Regierung hat das ProblemGuantánamo geschaffen, also soll sie sich bitte schönauch um die Folgen kümmern.Erstens haben wir es aber mit zwei ziemlich unter-schiedlich agierenden US-Regierungen zu tun. Zweitensstößt dieses Verursacherprinzip schnell an seine Gren-zen, weil es in dieser Debatte nicht um eine rechtlichePflicht zur Aufnahme geht, Frau Kollegin Steinbach,sondern lediglich um eine humanitäre Geste.
Außerdem können Sie nicht so tun, als hätte die Bun-desregierung mit dem System Guantánamo, also mit derVerweigerung rechtsstaatlicher Normen und der Anwen-dRkrsgdnPaDdwSsaddnssGttnVogsVgDvlndmmAadstHsA
Ich erinnere nur an den Fall Murat Kurnaz und an dieeheimen CIA-Überflüge mit Gefangenen, die der Bun-esregierung sehr wohl bekannt gewesen sind. Aus ge-au diesen Vorkommnissen erwächst eine moralischeflicht, in Guantánamo Inhaftierte auch in Deutschlandufzunehmen.
as alles wissen Sie, Frau Steinbach, und das weiß aucher Bundesinnenminister. Ich vermute aber, dass Sie sichieder einmal als innenpolitische Hardliner für dasuperwahljahr 2009 profilieren wollen.Im Gegensatz zu Herrn Schäuble inszeniert sich nunein Kabinettskollege Bundesaußenminister Steinmeierls sein humanitär gesinnter Gegenspieler. Das ist inoppelter Hinsicht bemerkenswert: Bemerkenswert ist,ass die Regierung in dieser humanitären Frage zu kei-er klaren Entscheidung fähig ist; dabei geht es, wie ge-agt, um lediglich 50 unschuldige Menschen, und dieollen noch nicht einmal alle nach Deutschland.Bemerkenswert ist aber noch etwas anderes: Imrunde ist es nämlich so, dass gerade die damalige Hal-ung des Bundesaußenministers im Fall Kurnaz – die ak-ive Weigerung, dem Deutschtürken die Wiederauf-ahme in Deutschland zu ermöglichen – jetzt dasorbild für die Haltung des Innenministers und der Uni-nsfraktion ist.
Bereits im Jahre 2005 hätte Steinmeier die Chanceehabt, die Weichen für diese Debatte so zu stellen, dassie heute im Bundestag überflüssig gewesen wäre. Dasersagen der Bundesregierung im Fall Guantánamo be-ann allerdings bereits vor 2005, noch unter Rot-Grün.er Fall Murat Kurnaz und die CIA-Überflüge fandenor dem Regierungswechsel 2005 statt.Das wird von dem einen oder anderen heute sicher-ich gerne vergessen. Doch auch die Grünen könnenicht leugnen, dass sie diese Form des Kampfes gegenen Terrorismus in der Regierungskoalition bejaht, zu-indest aber geduldet haben. Wahrscheinlich war da-als nicht nur der Guantánamo-Häftling Kurnaz von derußenwelt abgeschnitten, sondern – bei allem Respekt –uch die einstige Menschenrechtsbeauftragte der Bun-esregierung, Frau Claudia Roth. Insofern werte ich die-en Antrag der Grünen auch als eine Form der Selbstkri-ik.Liebe Kolleginnen und Kollegen, betrachten wir dasandeln der Bundesregierung in Sachen Guantánamo ineiner Gesamtheit, so ist festzustellen: Im vorliegendenntrag geht es um eine dringend notwendige Korrektur.
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Michael LeutertAuch aus diesem Grund werden wir diesem Antrag zu-stimmen.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Hans-
Peter Uhl das Wort.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Alle Rednerinnen und Redner haben festge-
stellt – ich möchte mich dem anschließen –, dass wir uns
einig sind in der Begrüßung des Umstands, dass das La-
ger Guantánamo geschlossen wird. Das ist gut so.
Nicht gut ist allerdings die öffentliche Debatte, die
Außenminister Steinmeier im Vorfeld einer Anfrage der
Amerikaner losgetreten hat: ob Deutschland Gefangene
aus Guantánamo aufnehmen soll. Diese Debatte war in
der Form und im Inhalt völlig verfehlt.
Die Errichtung des Lagers ist eine Angelegenheit der
USA gewesen, eine Verirrung der Regierung Bush, wie
man aus rechtsstaatlicher Sicht sagen muss. Entspre-
chend ist die Abwicklung des Lagers ebenfalls Angele-
genheit der USA. Die USA sind derartig groß und die
Möglichkeiten sind derartig vielfältig, dass ich mir
durchaus vorstellen kann, dass die USA diese Probleme
im eigenen Lande lösen können.
Wenn man dem Gedanken der Aufnahme einiger we-
niger Häftlinge überhaupt näher treten will, ist ein Ver-
fahren einzuhalten. Im Gesetz steht, dass die Innenmi-
nister der Länder entscheiden und sich mit dem
Innenminister des Bundes abstimmen. Es ist gut, dass
das so im Gesetz steht; denn die Länder müssen für die
Sicherheit der Bürger einstehen, sie müssen die Gefähr-
lichkeit desjenigen, der reingelassen werden soll, pro-
gnostizieren, eine Bewertung vornehmen und die Ver-
antwortung übernehmen – nicht der Außenminister, der
bei irgendeinem Gespräch in welchem Land auch immer
von der Aufnahme schwadroniert.
Nun zu der Gefahr, die von diesen Menschen ausgeht,
und damit komme ich zur Naivität des Antrags der Grü-
nen. Die Grünen schreiben, man soll die nicht mehr tat-
verdächtigen Gefangenen aufnehmen. Wenn es straf-
rechtlich so einfach wäre! „Nicht mehr tatverdächtig“
klingt so, als wäre die Tat abgeschlossen, und es hätte
sich herausgestellt, dass die Person mit der Tat zu Un-
recht in Verbindung gebracht worden ist. So liegt der
Fall ja nicht.
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Lieber Kollege Uhl, sind Sie bereit, Ihre Wahl der
orte, die Sie im Hinblick auf unseren Außenminister
ebraucht haben, zu überprüfen angesichts der Tatsache,
ass gestern im Bayerischen Landtag eine Mehrheitsent-
cheidung – von SPD, Grünen, Freien Wählern und
reien Demokraten – gefallen ist, 17 Uiguren – dann ist
it einem Änderungsantrag die „17“ gestrichen worden;
ch nehme an, auf Initiative der CSU – im Freistaat Bay-
rn aufzunehmen? Sehen Sie hier nicht einen Zusam-
enhang von Humanität, der auch im Freistaat geprägt
ird, der Ihrer Wortwahl im Zusammenhang mit den
orwürfen an den Außenminister zutiefst widerspricht?
Wenn Sie so lange stehen bleiben, erkläre ich dasanze Thema mit den Uiguren zuerst und komme dannuf den Vorgang im Bayerischen Landtag zu sprechen.Die Uiguren sind ein Turkvolk, das in einem Randbe-eich Chinas, in der Provinz Xinjiang, die an Afghanis-an grenzt, wohnt.
an weiß, dass sich die Uiguren von China lossagenollen.
ies führt dazu, dass sie von China mehr oder wenigerauschal als potenzielle Terroristen angesehen werden;as ist sicher übertrieben.In Deutschland leben 268 Uiguren, die als Asylbe-erber anerkannt sind. Die meisten von ihnen lebenerkwürdigerweise in München.
Das muss man wissen, wenn man darüber schwadro-iert – um dieses Wort noch einmal zu gebrauchen.
iese Uiguren sind natürlich keine Terroristen.
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Dr. Hans-Peter Uhl
Doch einige der Uiguren, die sich in München aufhalten,werden aus guten Gründen verdächtigt, Terroristen zusein. Deswegen müssen sie mit großem Aufwand rundum die Uhr vom Verfassungsschutz und von der Polizeibewacht werden. Das ist der Sachverhalt bei den Uigu-ren in Deutschland, wie er sich derzeit darstellt.Jetzt komme ich zum Landtag. Der Bayerische Land-tag hat in der Tat einen Beschluss gefasst. Deswegensind wir wieder beim Wort „schwadronieren“.
– Der Ausschuss hat den Beschluss gefasst, jetzt kommtder Vorgang ins Plenum des Landtages; das ist richtig.Das war ein Beschluss derer, die keine Verantwortungübernehmen müssen. Das sind all diejenigen – inklusiveder FDP, die den Innenminister dort nicht stellt –, diekeine Verantwortung hinsichtlich der Sicherheitslage inBayern übernehmen müssen.
Das heißt: Erst dann, wenn der bayerische Innenministernach gehöriger Prüfung im Einzelfall feststellt, dass mandiese oder jene Uiguren aufnehmen kann – ich warne da-vor, das leichtfertig zu tun –, kann man dem Gedankennähertreten. Deswegen halte ich den Beschluss im Baye-rischen Landtag für völlig deplatziert, völlig verfehlt undeigentlich unverantwortlich.
Ich verstehe Ihre Sorge darüber, dass das Wort„schwadronieren“ bei Ihrem Kanzlerkandidaten natür-lich nicht gerne gehört wird; das gebe ich zu. Ich meineaber, Außenminister Steinmeier müsste wissen, was imGesetz steht, dass er so etwas nämlich nicht zusagendarf, sondern dass er den Innenministern der Länder unddem Innenminister des Bundes das Feld überlassenmuss. Wenn diese zu einer abschließenden Gefährdungs-analyse gekommen sind, dann kann er den Ball überneh-men und seinem Geschäft im Ausland nachgehen, indemer signalisiert, dass wir unter Umständen bereit seinkönnten, diesen oder jenen zu übernehmen.
Kollege Uhl, ich frage Sie, ob Sie eine weitere Zwi-
schenfrage des Kollegen Kolbow zulassen.
Ich weiß nicht, wer alles nach Hause will, da dies die
vorletzte Rede ist, aber bitte schön.
Herr Kollege Uhl, angesichts der Menschenrechte
und rechtswidrig behandelter Häftlinge in Guantánamo
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Dieser Meinung werde ich mich natürlich nicht an-chließen, und zwar aus folgendem Grunde nicht: Ichabe vorhin etwas ausführlicher die Lage der Uiguren imerhältnis zu China dargestellt. Sie können nicht auto-atisch, per se und pauschal sagen, dass alle Uiguren,ie sich in Guantánamo befinden, völlig unverdächtigind.
erwechseln Sie bitte nicht den Terrorverdacht einerseitsit der menschenrechtswidrigen Behandlung anderer-eits. Darin sind wir uns alle ja einig: Das darf nicht fort-esetzt werden.
och einmal: Wir werden im Einzelfall eine Gefahren-rognose abgeben müssen. Dann wird man sehen, wasan tun kann.Nehmen Sie bitte noch eines zur Kenntnis: Es wurdena bereits Häftlinge aus Guantánamo entlassen. Man hatchon Erfahrungen mit den entlassenen Häftlingen ausuantánamo gemacht. Amerikanische Sicherheitsbehör-en melden uns, dass von den entlassenen Häftlingenindestens 18, vielleicht sogar 61, in das Lager vonl-Qaida zurückgekehrt sind und den Kampf gegen dieSA wieder aufgenommen haben. Von den entlassenenuantánamo-Häftlingen! Nehmen Sie das bitte zurenntnis! Das heißt, die Dinge sind etwas komplizierter,ls sie hier dargestellt werden.Deswegen sagte ein Fachmann aus Ihrer Partei, Herrollege Kolbow, nämlich der Innensenator von Berlin,err Körting, laut Spiegel – ich nehme an, dass das Zitattimmt –: Ich – Körting – habe jedenfalls keine Lust, voniesen Leuten auch nur einen einzigen nach Deutschlandu holen.
r begründet das auch, und zwar damit, dass er sagt:uantánamo-Häftlinge sind keine Trekking-Touristen,ie irgendwo aufgegriffen und widerrechtlich in ein Ge-angenenlager transportiert wurden.
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Dr. Hans-Peter UhlDas alles ist der Originalton von Körting, SPD. Ich bittealso Herrn Steinmeier, einmal ein Gespräch mit demBerliner Innensenator zu führen.
Ich komme zum Schluss. Dieses Thema ist tragischund sehr kompliziert; schließlich haben wir selber Pro-bleme mit den Gefährdern, die in Deutschland leben. DieGefährder, die wir als solche erkannt haben, müssen wirrund um die Uhr bewachen. Deswegen sind wir nicht gutberaten, die Zahl der Gefährder in Deutschland mutwil-lig zu erhöhen. Das ist der Punkt.Es darf auch nicht darum gehen, den Kanzlerkandida-ten der SPD als Menschenrechtler herauszustellen, umdamit zu punkten, oder darum, tätige Reue üben zu wol-len, etwa im Fall Murat Kurnaz. Das ist nämlich das ei-gentliche Gebiet von Herrn Steinmeier. Da hätte er han-deln können; er war aber untätig. Das wissen wir ganzgenau. Wer die Bücher kennt und wer die Akten gelesenhat, weiß das. Steinmeier hätte Murat Kurnaz ausGuantánamo befreien können. Es war Frau Merkel alsKanzlerin dieser Regierung, die ein Machtwort gespro-chen und dafür gesorgt hat, dass er zu uns gekommen ist.Dafür verantwortlich war nicht KanzleramtsministerSteinmeier unter Schröder. Das wissen wir und das wis-sen Sie ganz genau.
Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich will den letzten Beitrag
nicht kommentieren, Herr Kollege Uhl, ich will Ihnen
nur sagen: An vielen deutschen Stammtischen wird dif-
ferenzierter argumentiert, als Sie es hier im Deutschen
Bundestag tun.
Ich möchte mit dem „Schwadronieren“ fortfahren.
Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich den Be-
auftragten der Bundesregierung für Menschrechte und
Humanitäre Hilfe, Günter Nooke – in Klammern: CDU –,
zitieren.
Das Handelsblatt schrieb:
„Wir können nicht einerseits die Schließung des La-
gers lautstark fordern und uns dann wegducken,
wenn es darum geht, hierbei Unterstützung zu leis-
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ieser Aussage von Herrn Nooke ist in dieser Debatte
ichts mehr hinzuzufügen.
Ich will die Lehrstunde über die Uiguren nicht fortset-
en. Ich erlaube mir nur, zu sagen, dass Sie darüber
chwadronieren, dass am Terrorverdacht bezüglich Men-
chen sicher etwas dran ist, die in der Nähe irgendeines
amps, etwa eines Terrorcamps, aufgegriffen werden.
hr bayerischer Kollege Herrmann hat sich in treffender
rt und Weise in diese Richtung geäußert. Ein Innenmi-
ister, der so mit der Unschuldsvermutung umgeht, ist
abei, den Rechtsstaat abzuschaffen.
ie Unschuldsvermutung ist die tragende Säule unseres
echtsstaats. Wer als Innenminister so damit umgeht,
er muss eigentlich zurücktreten.
as ist meine ganz klare Position an dieser Stelle.
Ich komme nun auf die Uiguren zu sprechen, die in
uantánamo einsitzen. Eine Überschrift in der Süddeut-
chen Zeitung lautet: „Zur falschen Zeit am falschen Ort.
in Beispiel für viele: Warum ein längst freigesproche-
er Uigure noch immer in Guantánamo einsitzt“. Wenn
s hier in entsprechenden Diskussionen um die Men-
chenrechtssituation in China geht, dann sind Sie immer
ie Ersten, die Forderungen erheben. Es kann doch wohl
icht wahr sein, dass Uiguren, die als Wanderarbeiter
nterwegs waren und verhaftet worden sind, als Terro-
isten bezeichnet werden, obwohl selbst die amerikani-
che Militärgerichtsbarkeit sie freigesprochen hat. Man
at festgestellt, dass es noch nicht einmal den Anschein
ines Beweises gibt. Dennoch sagen Sie: Das interessiert
ns nicht; wir lehnen uns bequem zurück und lassen
errn Obama mal machen. – Ich sage Ihnen ganz deut-
ich: Ich finde das schäbig. So kann man mit dieser
rage nicht umgehen.
Kollege Strässer, gestatten Sie eine Frage der Kolle-
in Steinbach?
Ja, sicher.
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Herr Kollege Strässer, da wir bei dem Spezialthema
Uiguren sind: Ist Ihnen bekannt, dass – das wissen wir
aus Gesprächen – Uiguren, die zurzeit inhaftiert sind,
liebend gern in den Vereinigten Staaten leben würden?
Ist es daher nicht die Aufgabe der Vereinigten Staaten,
diesem Wunsche nachzukommen? Denn diese Men-
schen wurden von diesem Staat eingesperrt. Diese un-
schuldigen Menschen möchten dort leben; Schuldige
können wir sowieso nicht aufnehmen.
Das behauptet hier auch niemand.
Schuldige aufzunehmen, ist vollkommen ausge-
schlossen. Diese Menschen möchten dort leben; aber die
für ihre Inhaftierung Verantwortlichen sagen: Nein, wir
nehmen sie nicht. Können Sie verstehen, dass ich sage,
dass die Vereinigten Staaten ihre Ehre so nicht wieder-
herstellen?
Frau Kollegin Steinbach, mir geht es im Moment garnicht um Ehre, sondern darum, ob wir in der Lage sindund ob wir wollen, auf der Grundlage unseres Wertesys-tems Menschen zu helfen, die in Not sind.
– Ich komme noch zu Ihrer Frage. Ich will sie ganz klarbeantworten. Dieser Mensch, um den es hier geht, einHerr Parhat, Uigure aus China – lesen Sie bitte einmaldiesen Artikel durch; er ist vom 23. Januar –, der be-hauptet das Gegenteil von dem, was Sie sagen, und zwarinsbesondere aufgrund der Erfahrung mit der amerikani-schen Administration in dem Lager. Er ist als Gefange-ner dorthin gekommen – er ist nicht freiwillig dorthingegangen – und wird einen Deiwel tun, freiwillig in die-ses Land, von dem er gepeinigt worden ist, auszuwan-dern. Das sagt er auch so. Das sollten Sie bitte schön zurKenntnis nehmen. Das ist nämlich die Realität.
Wir haben da im Moment aus meiner Sicht eine völligverquere Situation zu beklagen.
Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, was mir am Her-zen liegt: Es wird immer wieder gesagt, es handle sichum ein Problem der Vereinigten Staaten, das wir nun lö-sen sollten. Wenn man die Debatte, die im Moment läuft,rational verfolgt, dann erkennt man, dass es jedenfallsmir und vielen anderen, die sich dafür einsetzen, dassUiguren und andere unschuldige Menschen eine Chanceerhalten, wieder in ein vernünftiges Leben zurückzukeh-ren, um diese Menschen geht und nicht darum, ein Pro-blem der USA zu lösen.Natürlich ist Guantánamo ein Problem der USA. Aberes ist doch unsere Aufgabe, zu sagen, wie wir mit demPweiaWuEWHWWMFimrIrEbUhisddDBedmliAcwPVz
ollen Sie den Menschen in Guantánamo vor diesemintergrund wirklich sagen: Ihr müsst dort bleiben? –ir haben eine klare Position und eine klare Botschaft:ir haben gesagt: Uns geht es an erster Stelle darum,enschen zu helfen, die in Not sind.Ihnen, Frau Steinbach, die Sie immer so schön dierage der Verantwortung und der Verantwortlichkeitenn den Raum stellen, möchte ich sagen: Sie haben ge-einsam mit uns dafür gesorgt – ich bin sehr stolz da-auf, dass das gelungen ist –, 2 500 Flüchtlingen aus demrak Zugang nach Deutschland im Rahmen eines größe-en Abkommens zu verschaffen. Nun frage ich Sie allenrnstes auf der Basis der Argumentation, die Sie nun ge-rauchen, nämlich dass es darum gehe, ein Problem derSA zu lösen, da ja die USA den Irakkrieg begonnenaben und dafür verantwortlich sind, dass Menschen inhrem Land nicht weiter leben können und fliehen müs-en: Wieso nehmen wir denn dann 2 500 Flüchtlinge ausem Irak auf? Die Logik Ihrer Argumentation wäreoch: Die müssen in die USA.
as kann nicht wahr sein, und das wollen wir auch nicht.Deshalb, Herr Staatsminister, können Sie die klareotschaft mitnehmen, dass Sie, wenn diese Situationintritt – nur dann müssen wir ja noch einmal darüber re-en –, jede Unterstützung von der SPD-Fraktion bekom-en, die Sie brauchen, um dieses Problem in der Art zuösen, wie wir es gerne möchten.Frau Steinbach, Ihre Empathie für „Yes, we can“ ist jan Ordnung.
ber wenn Sie gleich beim ersten Mal, wo Sie „Yes, wean“ sagen könnten, sagen,
ir helfen nicht, dann bleibt mir nur übrig, zu sagen: Mrresident, yes, we help. Wir werden dem Präsidenten derereinigten Staaten helfen, das Problem in dem Umfangu lösen, wie wir selbst dazu beitragen können.
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22036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2009
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Christoph SträsserHerzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11759 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federfüh-
rung beim Ausschuss für Menschenrechte und Humani-
täre Hilfe liegen soll. Sind Sie damit einverstanden? – Das
ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Bevor ich die Sitzung schließe, kommen wir noch zu
einer nachträglichen Ausschussüberweisung.
Interfraktionell ist vereinbart, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Strukturreform des Versorgungs-
ausgleichs auf Drucksache 16/10144 nachträglich auch
an den Innenausschuss und an den Verteidigungsaus-
schuss zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
sen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 11. Februar 2009, 13 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.