Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend
zu der Unterrichtung durch die
BundesregierungVierter Bericht zur Lage der älteren Gene-ration in der Bundesrepublik Deutschland:Risiken, Lebensqualität und VersorgungHochaltriger – unter besonderer Berücksichti-gung demenzieller ErkrankungenundStellungnahme der Bundesregierung– Drucksachen 14/8822, 15/345 Nr. 62, 15/4192 –Berichterstattung:Abgeordnete Angelika Graf
Walter Link
Irmingard Schewe-GerigkKlaus HauptNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diektaeGphtssdiokrdAntebWdERedetAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parla-mentarische Staatssekretärin Riemann-Hanewinckel.Christel Riemann-Hanewinckel, Parl. Staatssekre-tärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren,Frauen und Jugend:Herr Präsident! Sehr verehrte, liebe Kolleginnen undKollegen! Wir debattieren heute den Vierten Altenbericht,einen Bericht, den die Bundesregierung Anfang 2002vorgelegt hat. Dieser Bericht ist jetzt zwar schon einpaar Jahre alt; aber sein Thema ist nach wieaktuell. An dieser Stelle möchte ich der Expmission herzlich für die Arbeit danken, die shat, um diesen Bericht vorlegen zu können. E
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Meine Damen und Herren, unser Haus hat verschie-dene Modellprogramme durchgeführt. Ich nenne nurbeispielhaft das Modellprogramm „Altenhilfestrukturender Zukunft“. Beispielsweise ist in Daaden/Herdorf inRheinland-Pfalz von 2000 bis 2003 ein Projekt durchge-führt worden, das sich vor allen Dingen an so genannteehrenamtliche Tagesmütter gerichtet hat. Dabei ist deut-lich geworden, dass in diesem Bereich häusliche Ver-sorgung ein wichtiger Punkt ist, dass aber diejenigen,die diese häusliche Versorgung anbieten, auch Ausbil-dung und Begleitung brauchen. Dieses Projekt wird wiealle anderen Projekte so aufgearbeitet, dass die gewon-nenen Erfahrungen anderen Betroffenen oder Interes-sierten zur Verfügung stehen.Ich nenne ein zweites Projekt in Stuttgart, wo einHeim während des Betriebes umgebaut worden ist.DnsbndwzongAddddwggsswpPsBtuQQsaWpdkmAlumFEiVtrDksP
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass die pfle-enden Angehörigen auf eine zum Teil sehr mühevollert und Weise mit betroffen sind. Deshalb ist es notwen-ig, auch das zu untersuchen und Projekte zu fördern,ie den Angehörigen und damit letztlich auch wiederen demenziell Erkrankten zugute kommen. Wir fördernas Projekt „Leander“, das bis zum 31. Juli 2005 laufenird. Das ist eine Längsschnittstudie zur Belastung pfle-ender Angehöriger von demenziell Erkrankten, durch-eführt von der Freien Universität Berlin.Es gibt im stationären Bereich ein Projekt, die Deut-che Expertengruppe Dementenbetreuung, die prakti-che Empfehlungen für die stationäre Betreuung gebenird. Dabei geht es nicht nur um die Ansprache und dieersönliche Begleitung der betroffenen Patientinnen undatienten, sondern auch um solche Dinge wie Brand-chutz, Küchenhygiene, Ernährung und Mobilität deretroffenen.Ein besonders wichtiges Kapitel gerade in der Beglei-ng Hochaltriger oder demenziell Erkrankter ist dieualitätssicherung. Nirgendwo ist es so notwendig,ualitätsstandards zu entwickeln und diese dann auch zuichern, wie bei den Menschen, die auf andere besondersngewiesen und somit in einer besonderen Art undeise von denen abhängig sind, die sie begleiten undflegen.
Deshalb sind die Messung und Sicherung der Qualitäter Pflege dementer Menschen besonders wichtig. Sieönnen sprachlich oft nicht mehr reagieren und nichtehr sagen, was für sie mühevoll oder auch sehr gut ist.us diesem Grund gibt es das wissenschaftlich eva-ierte Praxisprojekt „HILDE“, das „Heidelberger Instru-ent zur Lebensqualität Demenzerkrankter“, das inachkreisen große Zustimmung erfährt. Es geht um dierfassung des subjektiven Erlebens der Betroffenen überhre Mimik und um das Umsetzen von beobachtbaremerhalten und Erleben in Begleitung, Beratung und Be-euung.Die Zivilgesellschaft spielt bei der Begleitung vonemenzerkrankten eine ganz besondere Rolle. Hierommt es darauf an, dass diejenigen in der Zivilgesell-chaft, die sich ehrenamtlich engagieren, eng mit derolitik zusammenarbeiten. Eine solche sehr intensive
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Parl. Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckelund sehr gute Zusammenarbeit gibt es zum Beispiel mitder Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Neben zahlrei-chen anderen Projektträgern ist sie die wichtigste Partne-rin im Aktionsprogramm.Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft leistet Aufklä-rung, Beratung und den Aufbau von Netzwerken. AlsBeispiel möchte ich hier das Alzheimer-Telefon nennen,wodurch seit drei Jahren ganz besonders betroffenen An-gehörigen geholfen wird. Diese Beratung soll weiterausgebaut werden. In Zukunft soll sie auch online mög-lich sein. Damit wird die Zielgruppe derer, die angespro-chen werden sollen, vergrößert. Hier geht es vor allenDingen um diejenigen, bei denen sehr frühzeitig einemögliche Alzheimererkrankung diagnostiziert wurde.Die Betroffenen sollen sich selbst online beraten lassenkönnen, wodurch sie Hilfe für sich und in Zukunft auchfür ihre Angehörigen erhalten können.Das Bundesministerium hat einen Leistungsvertragmit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft abgeschlos-sen. Die Dauer dieses Leistungsvertrages ist jetzt biszum Jahre 2007 verlängert worden. Die Förderung be-trägt insgesamt über 1,9 Millionen Euro.An dieser Stelle möchte ich der Deutschen AlzheimerGesellschaft und vor allen Dingen der Vorsitzenden,Frau von Lützau-Hohlbein, ganz herzlich für ihr En-gagement – unter anderem durch die Durchführung derjährlichen Fachtagungen – nicht nur für sich und ihre Fa-milie, sondern vor allen Dingen auch für die Gesell-schaft und die Politik danken. Es ist notwendig, in die-sem Bereich eine intensive Mitarbeit der gesamtenZivilgesellschaft zu erfahren.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schlussund möchte nur noch einige Stichworte nennen, die Siebei den verschiedenen Projekten nachlesen können. Siewissen, dass es inzwischen eine Weiterentwicklung derWohnprojekte gibt, die durch den Zweiten Altenbericht„Wohnen im Alter“ angestoßen wurde. Vor allen Dingenfür Menschen mit Demenz haben wir innovative Wohn-formen – sowohl beim betreuten Wohnen als auch beider stationären Versorgung – entwickelt. Insgesamt gibtes hier 22 beispielgebende Heime quer durch die Repu-blik. Sie können sich auf der Homepage des Ministe-riums darüber informieren. Diese Beispiele wurden des-halb eingestellt, weil sie für die Zukunft wirklichwegweisend sind und zur Nachahmung dringend emp-fohlen werden.Sie wissen, dass sich auch der „Runde Tisch Pflege“dieses Themas intensiv annimmt. Wir hoffen sehr, dasswir durch die Infokampagne „Demenz“, die die Deut-sche Alzheimer Gesellschaft intensiv mit vorbereitet,dazu beitragen können, dass dieses Thema in Zukunftnicht mehr tabuisiert wird, dass die Menschen begreifenund erleben können, dass das Leben im Alter nicht nurfür gesunde Menschen Zukunft hat, weil wir immer älterwerden, sondern auch für die Menschen, die mit beson-deren Schwierigkeiten oder Einschränkungen belastetsind, und dass deshalb das Engagement von Politik undZivilgesellschaft notwendig ist.dmnddCdrbdgts–mdGAdmsddsfzpsVktkBDdJ8ed
Ich erteile das Wort Kollegen Walter Link, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitem von der Bundesregierung vorgelegten Vierten Be-icht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepu-lik Deutschland ist ein Spezialbericht verfasst worden,en der Ausschuss einvernehmlich gewürdigt hat.
Allen Fraktionen des Deutschen Bundestages ist eselungen, dazu einen gemeinsamen Entschließungsan-rag zu formulieren. Ich bedanke mich heute Morgen be-onders bei dem Kollegen Haupt von der FDP-Fraktion er kann leider nicht hier sein; Frau Lenke, bitte über-itteln Sie ihm den Dank –, der sich sehr engagiert hat,er Kollegin Graf von der SPD, der Kollegin Schewe-erigk von Bündnis 90/Die Grünen und meiner Kolleginntje Blumenfeld,
ie mehrfach zusammengesessen haben, um diesen ge-einsamen Entschließungsantrag zu formulieren. Ichage dies, weil das bei uns im Hause in einer Frage, beier es um beinahe ein Viertel der Menschen in der Bun-esrepublik Deutschland geht, die 60 Jahre und älterind, gar nicht so selbstverständlich ist.Der Vierte Altenbericht – erlauben Sie mir die Kurz-orm – befasst sich mit der Lebensqualität und den spe-ifischen Risiken sowie der sozialen, medizinischen undflegerischen Versorgung alter und hochaltriger Men-chen in Deutschland. Ein besonderer Schwerpunkt desierten Berichts sind die Auswirkungen von Hochaltrig-eit und Demenz. Aufgrund der höheren Lebenserwar-ung ist leider mit einer Zunahme von Demenzerkran-ungen zu rechnen. Hierzu wird meine Kollegin Antjelumenthal die Schwerpunkte setzen.Es ist erfreulich, dass die Menschen bei uns ineutschland immer älter werden. Die Lebenserwartunger Männer steigt von jetzt 74,4 Jahren auf 81,1 Jahre imahre 2050 und für Frauen von heute 80,5 Jahren auf6,6 Jahre. An dieser Stelle möchte ich feststellen, dasss in Zukunft nur schön sein kann, immer älter zu wer-en, wenn man gesund alt wird. Mit dem Begriff der
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Hochaltrigkeit, der in der Forschung bei 80 bis85 Jahren angesetzt wird, verbindet sich der Beginn ei-nes deutlichen Anstiegs des Auftretens von Krankheiten,die die Lebensqualität der Betroffenen einschränkenkönnen. Es entspricht den Vorstellungen meiner Frak-tion, der CDU/CSU, dass Menschen in allen Lebensab-schnitten, also auch die Hochaltrigen, ein selbstständi-ges, selbstbestimmtes und würdevolles Leben führenkönnen.Allerdings gibt es für Hochaltrige kein einheitlichesBild. Die individuellen Unterschiede nehmen in hohemAlter stark zu. Es gibt die große Gruppe der rüstigen unddie der pflegebedürftigen Menschen. Risikofaktorenkönnen bei hochaltrigen Menschen depressive Störun-gen, beginnende Demenzprozesse, schwere Erkrankun-gen oder negative wirtschaftliche Verhältnisse sein. InZukunft müssen wir viel deutlicher sagen, dass es in ho-hem Maß ein so genanntes normales Altern gibt.70 Prozent der über 85-Jährigen können ihren Alltagselbstständig bewältigen. Aus diesem Grund müssen wiruns bei Beurteilungen des Alterns davor hüten, allesüber einen Leisten zu schlagen.Von großer Bedeutung sind im Alltag die Familienan-gehörigen, die Ärzte und die Pflegekräfte. Hier habengute Generationenbeziehungen eine herausragende Be-deutung. Mehr als die Hälfte der 90-jährigen Pflegebe-dürftigen leben in privaten Haushalten. Sie werden vonFrauen, Töchtern oder Enkeln versorgt und gepflegt. Andieser Stelle muss in unserer Gesellschaft die Frage er-laubt sein:
Ist die Pflege für unsere ältere Generation weiblich?Frau Kollegin Schewe-Gerigk, ich nehme Ihren Zwi-schenruf gerne auf: Wann werden hier Männer verstärktmitarbeiten?Den großartigen Einsatz, den die Menschen in derFamilie für ihre älteren Angehörigen leisten, kann manalso gar nicht hoch genug einschätzen. Deshalb setztmeine Fraktion, die CDU/CSU, nach wie vor auf genera-tionenübergreifende familiäre Unterstützung und auchauf die häusliche Pflege.
Der CDU/CSU erscheint es wichtig, dass das Deut-sche Zentrum für Alternsforschung in Heidelberg, dasseit Jahrzehnten international anerkannte Alternsfor-schung leistet, in der jetzigen Form erhalten bleibt. Hiererinnere ich an die großartige Arbeit unserer ehemaligenBundesministerin Frau Professor Ursula Lehr.
Bei einer Delegationsreise unseres seniorenpoliti-schen Ausschusses nach Japan haben wir erkannt, dassForscher dort bereits große Fortschritte in der Alzhei-merforschung gemacht haben. Man rechnet damit, dassin wenigen Jahren Erkennungsmethoden, Therapiean-swudsgassknezMamFWsdkwSzuEvEtuDdFKrzrGKckeph„h
Ich fasse zusammen: Meine Fraktion, die CDU/CSU,ill, dass wir neue Wohnformen verwirklichen, dieelbstständigkeit, gegenseitige Hilfe, nachbarschaftsbe-ogenes, generationenübergreifendes Zusammenlebennd professionelle Hilfe besser miteinander verbinden.ine verstärkte Förderung von ehrenamtlichen Initiati-en kann pflegende Familienangehörige entlasten.benso hilft ihnen der Ausbau von Tagespflegeeinrich-ngen, Kurzzeitpflegeeinrichtungen und ambulanteniensten.Vergessen wir nicht: Familien in Deutschland leistenen Großteil der Pflege.
ast 90 Prozent aller Pflegebedürftigen und chronischranken in Privathaushalten werden von ihren Angehö-igen betreut und gepflegt. Es gilt in Zukunft die Pro-esse des Alterns noch mehr zu erforschen, um zu erfah-en, was zum gesunden und kompetenten Altern beiträgt.erade im Bereich der Prävention fehlen noch vertiefteenntnisse. Wir wollen wissen, wie man im körperli-hen, geistig-seelischen und sozialen Bereich die Fähig-eiten und Fertigkeiten der Menschen bis ins hohe Alterrhalten kann. Es gilt die Forschungsergebnisse mit derraktischen Arbeit besser zu vernetzen.Für meine Fraktion, die CDU/CSU, schlage ich des-alb vor, dass wir im Fünften Altenbericht das ThemaAlter und Kompetenz“, Frau Bundesministerin, stärkererausstellen
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– ich glaube, darin sind wir uns einig –, damit wir dieZahlen, die ich gerade genannt habe, untermauern kön-nen.Ich habe deutlich gemacht: Alter ist nicht von vorn-herein Leistungsabbau oder der Abbau körperlicher,geistiger und sozialer Fähigkeiten; Alter ist vor allemKompetenz und Erfahrung.
Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ältereEhrenamtliche sind für unsere Wirtschaft und Gesell-schaft notwendig. Wir wollen helfen, den MenschenWege zu zeigen, wie man noch besser aktiv altern kann.Zum Abschluss danke ich den Millionen Menschen inunserem Land, die in der Wissenschaft, in der prakti-schen Arbeit und im Ehrenamt Großartiges für unsere äl-tere Generation leisten, insbesondere denen, die bis inshohe Alter im Ehrenamt tätig sind.Wir müssen uns darüber Gedanken machen, liebeKolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, wie wirinsbesondere die Arbeit unserer Altenpflegerinnen undAltenpfleger besser bewerten.
Denn solange wir die Arbeit an den Menschen schlechterbezahlen als die Arbeit an der Maschine, läuft etwasfalsch.
Nochmals herzlichen Dank für den gemeinsamenEntschließungsantrag. Lassen Sie uns gemeinsam an dieArbeit gehen. Die alten Menschen in Deutschland habenes verdient.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bünd-nis 90/Die Grünen, das Wort.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Ja, Herr Kollege Kauder, jetzt kommt eine junge Alte –das ist ja ein guter Start.Guten Morgen, Herr Präsident! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Mit dem Vierten Altenbericht hatdie Sachverständigenkommission eine umfangreiche Be-standsaufnahme der Risiken, Lebensqualität und Versor-gung hochaltriger Menschen vorgelegt. Die Kommissionhat deutlich gemacht, dass die Möglichkeiten, sehr alt zuwerden, in den industrialisierten Ländern erst in aller-jüngster Zeit Wirklichkeit geworden sind. Somit ist – ichzitiere – „die Kultur der Integration alter und sehr alterMnswGKsithtSgewad2vMuedMttregstftFfdMtddndwbdwctsdkktS
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Ich kehre nun zu meiner Ausgangsfrage zurück, wel-ches die förderlichen Bedingungen sind, unter denen wirnicht nur älter werden, sondern die gewonnene Lebens-zeit auch so selbstbestimmt und autonom wie möglichverbringen können. Aufgrund des Verhaltens der Älterenwissen wir, dass die Mehrheit ein Leben in der selbst ge-wählten Häuslichkeit anderen institutionellen Lösungenvorzieht. 90 Prozent aller alten Menschen möchten nichtin ein Heim, so das Ergebnis einer Befragung. Auch des-halb liegt das Durchschnittsalter beim Einzug in einHeim bei 84 Jahren. Die in den letzten Jahren entstan-dene bunte Landschaft verschiedener Wohnprojekte,die sich als Alternative zum traditionellen Heim verste-hen, bewerten wir als Indiz für diese erfreuliche Ent-wicklung.Wir erleben vermehrt, dass sich junge Menschen undjunge Alte – Herr Kauder, so haben Sie mich ja geradegenannt – ab 50 engagieren, um ihre Wohnsituation ih-ren Wünschen und Anforderungen an das Leben in ho-hem Alter anzupassen. Bei einigen Projekten spielen dergezielte Aufbau von sozialen Netzwerken und die Suchenach Wahlverwandten eine große Rolle, um Verein-samung und Angewiesensein auf Fremdhilfe zu vermei-den. Zu der vielfältigen Landschaft neuer Wohnformenzählen Mehrgenerationenwohnen – hier leben also Jungund Alt zusammen –, Wohngemeinschaften für ältereMenschen, Haus- und Wohngemeinschaften für Demenz-erkrankte – diese gibt es ansatzweise schon in Berlin –sowie Pflegewohnungen für sechs bis acht Personen ineinem Stadtteil.Bündnis 90/Die Grünen tritt entschieden für eine Ver-besserung der Wahlmöglichkeiten von Älteren ein. Wirwollen, dass jeder und jede selbst entscheiden kann, ober oder sie im Heim oder in einer anderen Wohnform le-ben will. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile aucheine Reihe von Heimträgern, die sich mit der Frage be-fassen, wie sie diesem Trend folgen können, und die be-rpWadhmzManPtnPMpnDWBbslsatHwsädlvbHhtbswgsiedKcb
Die neuen Angebotsformen des betreuten Wohnensrofessioneller Anbieter bedürfen flankierender Maß-ahmen zur Sicherung der Qualität solcher Angebote.ie Erfahrungen mit dem Qualitätssiegel „Betreutesohnen für ältere Menschen“ in Nordrhein-Westfalen,aden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Bayern undeispielsweise die Aktivitäten des Vereins für Selbstbe-timmtes Wohnen im Alter in Berlin sind in solche Über-egungen einzubeziehen. Ergänzend zur Förderung vonelbstbestimmten Wohnformen im Alter benötigen wirber weiterhin ein ausreichendes Angebot neuer und al-er Dienstleistungen in den Bereichen Hauswirtschaft,andwerk, ambulante Pflege, Gesundheitsförderung so-ie spezielle Reiseangebote für ältere Menschen und dieie begleitenden Personen.Angesichts der Vielfalt von Wahlmöglichkeiten fürltere Menschen haben wir in dem fraktionsübergreifen-en Antrag zu diesem Thema – ich begrüße es ausdrück-ich, dass wir es geschafft haben, einen solchen Antragorzulegen – bewusst auf integrierte Beratungsange-ote gesetzt, um die Übersichtlichkeit der vorhandenenilfsangebote im Pflege- und Gesundheitsbereich zu er-öhen.Aus unserer Sicht zählt zu diesen Beratungsangebo-en auch der weitere Ausbau der Wohnberatung. Sie wirdesonders bei Wohnungsanpassungen – die ja notwendigind, wenn ältere Menschen in ihrer Wohnung bleibenollen – tätig und kann nachweislich Heimeinweisun-en vermeiden oder zumindest hinauszögern. Hier müs-en wir tätig werden.Angesichts der Reichweite dieses Themas begrüßech noch einmal das Zustandekommen dieser Beschluss-mpfehlung. Wir haben noch viel zu tun. Lassen Sie unsas gemeinsam anpacken! Ich bitte die Kolleginnen undollegen von der CDU/CSU wirklich darum, ihre Blo-kade aufzugeben, damit wir für die alten Menschenald etwas tun können.Vielen Dank.
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Ich erteile das Wort Kollegin Ina Lenke, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kollegen und Kolleginnen! Erlauben Sie mir zuAnfang ein Lob. Wir haben es gemeinsam geschafft, da-für zu sorgen, dass der Vierte Altenbericht heute Morgenin der Kernzeit diskutiert wird. Das war nicht immer so.Wenn wir uns hier so ansehen, die jungen Alten und dieetwas älteren Alten, dann stellen wir fest: Auch wir per-sönlich haben es nötig, hier darüber zu diskutieren.
Ich möchte an dieser Stelle natürlich ganz besondersHerrn Haupt danken.
Durch seine Anregungen wurde das, was heute Morgenvorliegt, überhaupt erst möglich.Wir haben in der Diskussion schon deutlich gemacht,dass sich der Vierte Altenbericht dem Thema Hochaltrig-keit – das ist das Alter jenseits des 80. Lebensjahres –widmet. Das Alter und das Altern gewinnen angesichtsder demographischen Entwicklung ständig mehr Be-deutung. Wir reden zwar immer darüber, aber wir ziehenmeines Erachtens nicht die richtigen Schlussfolgerun-gen. Da müssen wir noch besser werden. Wir müssenuns mit den Chancen und den Anforderungen einer älterwerdenden Gesellschaft intensiv auseinander setzen.Das erfordert Umdenken in der Wirtschaft, in der Politikund natürlich auch in der Gesellschaft.Wir alle wissen: Senioren und Seniorinnen verfügenüber vielfältige Kompetenzen und Erfahrungen und wol-len sich einbringen. Schauen Sie einmal vor Ort, wo dasmöglich ist: Wohin soll ein 55- oder 60-Jähriger gehen,wenn er etwas machen will? Wir wissen ebenfalls: AuchMänner wollen ehrenamtlich tätig sein. Aber in unsererGesellschaft muss der Zugang zu ehrenamtlicher Tätig-keit für Männer wirklich verbessert werden. Da mussuns auf der kommunalen Ebene, auf der Landesebeneund auf der Bundesebene noch etwas einfallen.
Der medizinische Fortschritt ist unaufhaltsam. Des-halb werden wir alle unser Alter aktiv und selbstbe-stimmt leben können. Gleichzeitig steigt natürlich dieZahl der Menschen über 80 und die der Krankheiten.Folgende Zahlen müssen wir uns vielleicht einmal ge-nauer ansehen: Deutschland hat heute 82 Millionen Ein-wohner und Einwohnerinnen. In 50 Jahren werden es,wenn die Zahl der Zuwanderer in unser Land nicht steigtund wenn nicht mehr Kinder geboren werden, statt82 Millionen Einwohnern nur noch 65 Millionen sein.Wenn Sie nur an die Infrastruktur vor Ort denken, dannwerden Sie sehen, wie dramatisch die Folgen auf allenEbenen sind:IcetSrUhlTdnMpHwbsBmFsbDhmwBSffSnhetWDtHrtAgwdd
m Jahre 2050 werden auf 100 Personen im Erwerbsalterirca 80 Rentnerinnen und Rentner kommen. Heute sinds nur die Hälfte, nämlich 40.Also: Die Lebenserwartung steigt. Das hat auf unserägliches Leben enorme Auswirkungen. Wie Frauchewe-Gerigk gesagt hat, geht es dabei auch um Bar-ierefreiheit im öffentlichen Raum und im persönlichenmfeld. Beispielsweise wird der eigenen Wohnung beiäuslicher Pflege natürlich ein wesentlich höherer Stel-enwert als heute zukommen.Wir haben uns in unserer Beschlussempfehlung vierhemenschwerpunkte gesetzt:Erstens. Stärkung der Alternsforschung. Ich meine,ie Alternsforschung besitzt in Deutschland derzeit nochicht den Stellenwert, den sie eigentlich haben sollte.it dem demographischen Wandel gehen gesellschafts-olitische, pflegerische, ökonomische und medizinischeerausforderungen einher. Da müssen wir wirklich et-as tun. Diese Probleme kann nicht allein der Bundestagewältigen; dazu gehört eine verbesserte Alternsfor-chung.
Das Anliegen der FDP ist es, die Forschung in diesemereich zu fördern und die Datenbasis zu verbessern, da-it wir hier die richtigen Beschlüsse fassen. Genau wierau Schewe-Gerigk und andere will ich darauf hinwei-en, dass die Hausärzte natürlich die Ersten sind, die dieesonderen, nicht gleich erkennbaren Symptome vonemenz und Depression erkennen könnten. Herr Parrat mir eben noch den Tipp gegeben – Herr Parr, ichöchte das gerne weitergeben –, auf Folgendes hinzu-eisen: Die FDP hat als erste Fraktion im Deutschenundestag dafür gesorgt, dass eine Anhörung über diesechwierigkeiten und diese Probleme stattfindet.
Zweitens. Wohnen und Leben im Alter. Genau wieür die SPD, für die CDU/CSU und für die Grünen ist esür uns Liberale eine Selbstverständlichkeit, dass dieelbstständigkeit und Unabhängigkeit für jeden Einzel-en in jedem Lebensalter besonders wichtig sind. Ichabe vorhin schon davon gesprochen, dass wegen deringeschränkten Mobilität die Wohnungen anders gestal-et werden müssen.Drittens. Pflegerische und medizinische Betreuung.ir möchten gern eine integrierte Beratung schaffen.iese Beratung soll den Bürgern ermöglichen, im Irrgar-en der künftig zahlenmäßig immer mehr werdendenilfsangebote im Pflege- und Gesundheitsbereich denoten Faden nicht zu verlieren. Die Beratung sollte sys-emübergreifend sein und eine enge Verknüpfung vonltenhilfe und Rehabilitation gewährleisten.Ich will noch darauf hinweisen – das ist für die FDPanz wichtig –, dass Pflege, Betreuung und Beratungesentlich individueller gestaltet werden müssen. Außer-em müssen wir auf sprachliche und kulturelle Beson-erheiten Rücksicht nehmen. Wir haben Menschen in
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Ina Lenkeunser Land geholt, für die wir natürlich auch im Alter dasein müssen. Dafür haben wir noch keine Konzepte.
Viertens. Demenzrisiko und Leben mit Demenz. DieZahl der Demenzkranken wächst. Bei den über 80-Jähri-gen ist heute jeder Dritte betroffen; das sind 900 000. ImJahr 2020 werden es statt 900 000 dann 1,4 Millionensein. Im Jahr 2050 – ich hoffe, dass viele von uns dasJahr noch erleben werden – werden es über 2 Millionensein. Diese gesellschaftliche Herausforderung ist groß.Liebe Freunde, liebe Kollegen und Kolleginnen, lassenSie das bitte nicht die letzte Diskussion sein! Die nächsteDiskussion muss mit klaren und guten Konzepten ver-bunden sein.Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dassfür die FDP eine Neuorientierung der Gesellschaftspoli-tik unumgänglich ist. Wir brauchen eine neue Generatio-nensolidarität. Damit meine ich nicht, dass zum Beispielauf dem Rücken der Zivildienstleistenden die Pflege derälteren Bevölkerung gesichert wird. Dafür müssen wirganz andere Formen finden. Das Internationale Jahr derSenioren war schon 1999. Es hat viele Erkenntnisse ge-bracht. Aber leider ist danach Ruhe eingekehrt. Die FDP,ganz besonders Herr Haupt, wollte mit diesem Anstoßdie Diskussion wieder beleben
und mit der heutigen Debatte im Bundestag erreichen,dass die Seniorenpolitik wieder ins Blickfeld gerücktwird.Vielen Dank.
Ich erteile Kollegin Angelika Graf, SPD-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Sehr alt, biblisch alt zu werden war schon immerder Traum der Menschheit, nicht nur wegen der angeb-lich damit verbundenen Weisheit. Der britische Schrift-steller und Gelehrte Tolkien, der Verfasser von „Herr derRinge“, formuliert das so:Und schließlich gibt es das älteste und tiefste Ver-langen, die große Flucht: Dem Tod zu entrinnen.Unsterblich ist freilich auch heute noch niemand.Trotzdem: Johannes Heesters tritt mit über 100 Jahrennoch auf die Bühne. Berichte über ernst zu nehmendeForschungen erwecken den Eindruck, es sei künftigmöglich, dem Menschen weit über sein 100. Lebensjahrhinaus ein Leben mit hoher Qualität zu ermöglichen.Wie hochaltrige Menschen, also Menschen, die das80. oder 85. Lebensjahr überschritten haben, heute inDJwbdwsgLdwDMklKbAzluws1g1ghüvutedgbmadwWGslecAvtiDMd
as ist, meine ich, ein gutes Beispiel dafür, dass allenedienberichten zum Trotz in diesem Parlament eineonstruktive und sachorientierte Zusammenarbeit mög-ich ist und dass wir die Chance dazu auch nutzen.Der Bericht umfasst über 400 Seiten und ist ein gutesompendium für alle, die sich mit der gestiegenen Le-enserwartung, dem kollektiven und dem individuellenltern der Menschen in Deutschland in den letzten Jahr-ehnten sowie den Folgen und Chancen dieser Entwick-ng auseinander setzen wollen.Ein weiteres plakatives Zahlenbeispiel dazu: 1965urden im Gebiet der alten Bundesrepublik 158 Men-chen 100 Jahre und älter; 1998 waren es hier bereits6-mal so viele, nämlich 2 501. Insgesamt feierten inanz Deutschland 1998 fast 3 000 Personen ihren00. Geburtstag, und das, obwohl zwei Weltkriege Un-lück und Vernichtung über diese Generation gebrachtaben, abzulesen etwa auch am Familienstand derer,ber die wir sprechen.Unter anderem wegen der in den letzten 60 Jahrenerbesserten Lebenssituation wird die Zahl der Hoch-nd Höchstaltrigen in den nächsten Jahren und Jahrzehn-n deutlich zunehmen. Professor Andreas Kruse, einerer profiliertesten Altersforscher der Bundesrepublik,eht von einem Anteil Über-60-Jähriger an der Gesamt-evölkerung im Jahre 2030 von 70,9 Prozent aus. Heuteachen sie 43,9 Prozent aus. Der Prozentsatz der Hoch-ltrigen wird dann von heute 3,9 Prozent auf 7,3 Prozenter Gesamtbevölkerung angestiegen sein. Im Jahre 2050ird jeder neunte Deutsche über 80 Jahre alt sein.Dabei muss uns bewusst sein und bewusst werden:ie jede Altersgruppe stellen auch Hochaltrige eineruppe dar, die weder bezüglich ihrer materiellen Res-ourcen noch bezüglich ihrer Ansprüche und ihrer sozia-n Integration oder ihrer geistigen, physischen und psy-hischen Lage homogen ist. Um menschenwürdigesltern zu ermöglichen, müssen wir deshalb künftig indi-iduelle Angebote für Pflege und gesellschaftliche Par-zipation entwickeln.
ie Kollegin Riemann-Hanewinckel hat bereits auf dieodellprojekte der Bundesregierung hingewiesen, die iniese Richtung gehen.
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Wer darüber nachdenkt, dem wird das Paradoxe anunserem Umgang mit dem Aspekt des hohen Alters klarwerden. Während gesellschaftliche Rahmenbedingun-gen, eine verbesserte Ernährung und der medizinischeFortschritt auf komplexe Weise Langlebigkeit und de-mographischen Wandel vorantreiben, werden das Alterund insbesondere das hohe Alter in den Diskussionennicht selten nur als Last und Bedrohung interpretiert. Icherinnere an die vielfältigen Diskussionen um die zukünf-tige Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme undan die unselige „Hüftgelenkdebatte“ in den Reihen derJungen Union, die deutlich gemacht hat, wie sehr der ge-sellschaftliche Umgang mit Menschen hohen Alters aufdem Prüfstand steht.Für die Kommission, die den Vierten Altenberichtverfasst hat, stand die Legitimität der Solidarleistungenfür Menschen hohen Alters übrigens völlig außer Frage.Dem schließe ich mich für die SPD-Bundestagsfraktionausdrücklich an.
Trotz der in dieser Debatte vorherrschenden Harmoniesei die Bemerkung erlaubt, dass das SPD-Konzept einerBürgerversicherung dafür wohl mehr Gewähr bietet alsdas Unionskonzept einer Kopfpauschale.
Eine umfassende Aufarbeitung des Themas Hoch-altrigkeit, wie sie der Vierte Altenbericht vornimmt, inwenigen Minuten zu würdigen und alle Details zu be-leuchten ist schier unmöglich. Das zeigen auch die Re-debeiträge der Vorredner. Deshalb einige kurze Ausbli-cke auf wesentliche Themen, die uns neben derangesprochenen Versicherungsproblematik, welche si-cher auch einen wichtigen Aspekt darstellt, in den nächs-ten Jahren stark beschäftigen müssen.Da ist einerseits die Wohnsituation, die schon ange-sprochen wurde. Mindestens 85 Prozent der Menschenaus der Altersgruppe jenseits der 80 leben im eigenenHaushalt oder in Privathaushalten ihnen nahe stehenderPersonen. Die Anzahl der allein lebenden hochaltrigenPersonen nimmt deutlich zu. Insbesondere alte Frauenwollen, solange es irgend geht, in den eigenen vier Wän-den leben. Ich kann das gut verstehen. Wir sollten alleunsere Ressourcen in Forschung und Entwicklung– Stichwort Gerontotechnik – nutzen, um ihnen diesesselbstbestimmte Leben so lange wie möglich zu ermögli-chen.
Dazu gehört auch eine Wohnung, die ihren Bedürfnissenentgegenkommt, eine Wohnung zum Beispiel, in derTürschwellen nicht zu Stolperfallen werden, wo das Badauch für bewegungseingeschränkte Menschen nutzbarist, eine Wohnung, die es schon allein von ihrer Lage zu-lässt, dass soziale Kontakte weiterhin gepflegt werdenkönnen. Eine Wohnung im vierten Stock ohne Lift machtdüffgNdmNvbaSdtisAwrksMrdrddezdbwwDavwtezMfkRdgbesJdtHm
Hier wird in Zukunft mehr und mehr die Tatsacheine Rolle spielen, dass sich die Lebens- und Familien-ituation von Frauen in Deutschland in den vergangenenahrzehnten stark verändert hat. Ich halte es deshalb fürringend notwendig, wissenschaftliche Forschungsini-iativen zu dieser Thematik auch im Hinblick auf dieochaltrigkeit stärker einzufordern. Nicht unerwähntöchte ich lassen – auch das ist schon angesprochen
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worden –, dass auch im Bereich der Pflege das Alter vor-wiegend weiblich ist. Viele Frauen sind oft unter Hintan-stellung eigener Bedürfnisse und bis an die Grenze ihrerKraft für ihre pflegebedürftigen Angehörigen da. Ihnengebührt Dank.
Wir haben neulich das Einstein-Jahr ausgerufen. AlsVertreterin einer Generation, die sozusagen an derSchwelle des Alters ist, möchte ich deshalb ein Zitat die-ses großen Deutschen bemühen. Einstein sagte:Mehr als die Vergangenheit interessiert mich dieZukunft. Denn in ihr gedenke ich zu leben.
Die Altenberichte der Bundesregierung beschreiben,auf welcher Grundlage ich und wir alle dies tun könnenund wo die politischen Handlungsfelder sind. Sie gebenAnleitung, wie wir ganz persönlich Vorsorge treffenkönnen und müssen. Geistige Beweglichkeit und Le-bensqualität können zum Beispiel trotz altersbedingterBeschwerden erhalten werden durch Lesen, Begegnungmit Gleichaltrigen oder der Jugend und die Teilnahmeam öffentlichen Leben.Lebenslanges Lernen wird ein Stichwort sein, mitdem wir uns im nächsten, also im Fünften, Altenberichtbeschäftigen. Er hat das aktive Altern zum Thema undzeigt die Potenziale auf, die die „geschenkten Jahre“,wie unsere Bundesministerin Renate Schmidt die Zeitzwischen Beendigung des Arbeitslebens und Hochaltrig-keit nennt, in sich bergen.Wir müssen – davon bin ich fest überzeugt – weg-kommen von der pessimistischen Diskussion über dieLast des Alterns und wir müssen, ohne Altern, Pflegeund Tod zu verharmlosen, hinkommen zu einer optimis-tischeren Wahrnehmung der Chancen, die dieser Lebens-abschnitt in sich birgt. Denn Menschen – auch das bestä-tigt der Altenbericht zur Hochaltrigkeit –, die das Lebenpositiv sehen, werden älter – biblisch alt.
Ich erteile das Wort Kollegin Antje Blumenthal,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Präsident, gestatten Sie mir eine Bemerkung vorBeginn meines Debattenbeitrages. Lieber Walter Link,es ehrt mich, dass der Name meines Hamburger Kolle-gen Erik Blumenfeld hier noch so lange nachwirkt. Aberich bin mit einem Mann namens Blumenthal verheiratet;darauf lege ich Wert.
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Heute hat Deutschland 82 Millionen Einwohner.chätzungen zufolge wird die Bevölkerung in 50 Jahrenur noch 65 Millionen stark sein.
ie Gründe liegen wie bereits in den vergangenen dreiahrzehnten in einer höheren Sterbe- als Geburtenrate –nd das nicht etwa deswegen, weil die Sterberate ineutschland so unglaublich hoch wäre. Nein, die Bri-anz der Zahlen liegt vielmehr darin begründet, dass wirine erschreckend niedrige Geburtenrate bei gleichzeitigbnehmenden Sterberaten haben.Aber heute sind nicht die niedrigen Geburtenraten dashema; heute sollen uns vielmehr die Konsequenzen der
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Antje Blumenthalgleichzeitig abnehmenden Sterberaten interessieren, dienachhaltig zu einer Zunahme des Anteils alter Menschenan der Gesamtgesellschaft und insbesondere zu einerZunahme des Anteils der Hochaltrigen führen. DieserAnteil wird sogar überproportional zunehmen und ent-sprechende Umstrukturierungen in Gesellschaft undWirtschaft unumgänglich machen. Genau diese Um-stände werden in dem Vierten Altenbericht unter demLeitbild dokumentiert, dass Menschen in allen Lebens-abschnitten, das heißt auch in der Hochaltrigkeit undbei Demenzerkrankungen, ein selbstständiges undselbstbestimmtes Leben führen können.In dem Vierten Altenbericht wird insbesondere fest-gehalten, dass die rasch anwachsende Gesellschaft derHochaltrigen keineswegs homogen ist. HochaltrigeMenschen bilden weder eine Gruppe der Rüstigen nochsind sie in der Gesamtheit als stark pflegebedürftig ein-zustufen. Im Gegenteil: Individuelle Unterschiede neh-men mit dem Alter zu.Allerdings ist ein Problem immer wieder mit dem ho-hen Alter in Verbindung zu bringen: das Problem de-menzieller Erkrankungen. Mit steigendem Alter nimmtdas Risiko einer solchen Erkrankung deutlich zu. DerVierte Altenbericht befasst sich also aus gutem Grundmit diesem zentralen Problem. Es wird ein erheblicherHandlungsbedarf in den Bereichen Forschung, Früh-erkennung, Behandlung und Pflege festgestellt.Vor allem im Hinblick auf den Bereich der Pflege de-menzkranker Menschen zeichnet die Kommission derSachverständigen ein erschreckendes Bild. Zwei Drittelder Menschen mit Demenzerkrankungen werden zuHause von ihren Angehörigen versorgt, für die die Be-treuung und Pflege nicht nur eine große Herausforde-rung, sondern auch eine Belastung darstellt. Wenn nunaber die ehrenamtliche Hilfe durch professionelle Hilfeersetzt werden muss, das familiennahe Pflegepotenzialwegen sinkender Geburtenrate, erhöhter Mobilität undzunehmender Berufstätigkeit der Frauen zurückgeht, diefamiliäre Solidarität durch hohe Scheidungsraten ab-nimmt und auch die Bereitschaft und die Fähigkeit derAngehörigen, Demenzkranke zu pflegen, abnimmt, dannrollt eine ganz gewaltige Kostenlawine auf uns zu, dieim Grunde genommen nur eine Option zulässt, nämlichjetzt zu handeln und nicht erst, wenn es zu spät ist.
Dabei sollten wir auch die Erfahrungen andererLänder berücksichtigen, zum Beispiel Japans, das welt-weit eine der höchsten Lebenserwartungen ausweist. DieJapanreise von sechs Mitgliedern unseres Ausschusseshat uns gezeigt, dass dort große Fortschritte in der De-menzforschung gemacht werden, etwa bei der Früher-kennung und der Entwicklung eines Impfstoffes. DerBlick über den Tellerrand kann uns allen hier nur nütz-lich sein. Ich denke, das sind wir den älteren Menschenschuldig.
Ich möchte auf zwei Bereiche unseres gemeinsamenEntschließungsantrags ganz besonders hinweisen: diepmmeSZodJEgpndldsähsgwmlzVhtadBdAtVikwgwbbSeDmmrBdmkhMmd
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Nennen Sie lieber Ihre Einschätzungen der Verbesserungder Pflegesituation! Meines Wissens werden die Ent-scheidungen von der SPD-Fraktion hinausgeschoben. Eswird ausgesessen. In dieser Legislaturperiode soll es hierzu keinen Entscheidungen mehr kommen.
Ich weiß jetzt nicht, wo hier bei uns eine Blockadehal-tung vorliegt.
– Von der hat sie hier nicht gesprochen, Herr Winkler.Ich glaube, Sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht hier.
Schauen Sie nachher einmal im Protokoll nach!Leider haben Sie, meine Damen und Herren von denRegierungsfraktionen, auch eine weitere wichtigeChance vertan: die Frühbehandlung von Demenz zuverbessern. Sie haben im Mai vergangenen Jahres einenAntrag zur Demenz eingebracht. Darin heißt es ledig-lich, dass die bereits ergriffenen Initiativen zur Verbesse-rung der Früherkennung und zur Therapie von Demenz-erkrankungen zügig weiterzuführen sind. Wenn Siegenau nachlesen, stellen Sie jedoch fest: Der Vierte Al-tenbericht rügt gerade diese Initiativen als nicht ausrei-chend. Diese nicht ausreichenden Initiativen wollen Siealso weiterentwickeln.Deshalb hat meine Fraktion bereits in einem Ent-schließungsantrag vom Januar des vergangenen Jahresunter anderem den Ausbau der Gerontologie gefordert.Der Ausbau der Alters- und Demenzforschung alleinwird nicht ausreichen, um den genannten Problemen ent-gegenzutreten. Die Herausforderung durch die wach-sende Zahl demenzkranker Menschen erfordert einegesellschaftlich breit angelegte Informations-, Qualifi-zierungs- und Präventionskampagne. Auch in diesen Be-reichen können wir von den Erfahrungen in anderenLändern profitieren.Zum Abschluss insbesondere wieder an die Regie-rungskoalitionen gerichtet: Der Vierte Altenbericht en-det mit 77 konkreten Handlungsempfehlungen zur Ver-besserung der Lage Demenzkranker. Wenn wir mitunserem Entschließungsantrag, der Ihnen heute vorliegt,diese 77 Handlungsempfehlungen gemeinsam auf denWeg bringen können, tun wir eine ganze Menge zur Ver-besserung der Situation demenzkranker Menschen. WirsdmeFtzcBzleAWKBrvCBiddDhukl
er Verteidigungsminister und die betroffenen Pilotenaben mit diesem Gesetz keine Rechtssicherheit. Es istnverantwortlich, dass die Koalition eine verfassungs-onforme Lösung bislang wider besseres Wissen abge-ehnt hat, weil der Koalitionsfrieden wichtiger war.
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Hartmut Koschyk
Sowohl Bundesinnenminister Schily als auch Verteidi-gungsminister Struck hatten sich am Beginn der Debatteeiner grundgesetzlichen Klarstellung nicht verschlos-sen. Dass sie sich nicht durchsetzen konnten, ist bedau-erlich; das neue Gesetzgebungsverfahren eröffnet abereine neue Chance. Bundesinnenminister Schily hatmehrmals, unter anderem vor einem Jahr, am 30. Januarletzten Jahres, in diesem Hause gesagt:Unser Gesetzentwurf sieht keine Änderungen desGrundgesetzes vor. Im weiteren Verlauf der Bera-tungen sollten wir aber vorurteilsfrei prüfen, obeine Klarstellung in Art. 35 des Grundgesetzes not-wendig erscheint oder empfehlenswert ist ...Verteidigungsminister Struck hat am 12. Januar 2003unmittelbar nach dem Frankfurter Luftzwischenfall ge-sagt:Ich habe den Eindruck, dass wir ohne eine solcheKlarstellung im Grundgesetz, auch für solche Fälle,wie wir sie gerade erlebt haben, nicht auskommen.
Der Minister fügte hinzu:Ich bin in der Lage, zu entscheiden, ob man militä-risch gegen ein solches Flugzeug vorgeht, aber ichhabe den Eindruck, dass es dafür nicht die geeig-nete Rechtsgrundlage gibt.
Im Gesetzgebungsverfahren war die verfassungs-rechtlich erforderliche Rechtsklarheit über Bundes-wehreinsätze im Innern am Widerstand der Grünengescheitert. Eine Politik, die den rot-grünen Koalitions-frieden zum Maß aller Dinge macht, nicht aber die erfor-derliche Sicherheit für unsere Bürger schafft, schadet un-serem Land.
Leider müssen wir in diesen Tagen feststellen, dass diesnicht nur für das Thema Luftsicherheit gilt, sondern auchfür die notwendige Verschärfung des Versammlungs-rechts oder die dringend erforderliche Ausweitung derDNA-Analyse.
Neben den vielfältigen auch handwerklichen Män-geln,
auf die Rot-Grün im Laufe des Gesetzgebungsverfahrenszum Luftsicherheitsgesetz hingewiesen wurde, möchteidnhcgthRukhdmdsgIfsS„s1rLrdüTkodtWwfwskdKK2sLdssUeR
issen Sie, was das für ein Land wie Deutschland heißt,o 90 Prozent des Containerverkehrs der Binnenschiff-ahrt auf dem Rhein und dem Main-Donau-Kanal abge-ickelt werden, und welche Gefahren dadurch auf deut-chen Wasserstraßen bestehen?Sicherheitsanalysen der fünf Küstenländer, die erstürzlich bei einer Veranstaltung im Auswärtigen Amtiskutiert wurden, sehen solche Gefahren für Fähren undreuzfahrtschiffe. Wenn man sich vor Augen hält, dassreuzfahrtschiffe schwimmende Kleinstädte mit bis zu000 Passagieren sind, dann weiß man, dass ein An-chlag auf solche Schiffe höchste Gefahren für Leib undeben Tausender Menschen bedeuten würde.Wir jedenfalls wollen den Koalitionsfraktionen under Bundesregierung durch die erneute Einbringung un-eres Gesetzentwurfes den Weg eröffnen, den verfas-ungsrechtlichen Bedenken des Bundespräsidenten, dernion und vieler Rechtsexperten in unserem Land durchin erneutes parlamentarisches Gesetzgebungsverfahrenechnung zu tragen.
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14492 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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Hartmut Koschyk
Auch meinen wir, dass es notwendig ist, die vom Bun-despräsidenten grundsätzlich aufgeworfenen verfas-sungsrechtlichen Fragen im Rahmen einer erneutenExpertenanhörung vertiefend zu behandeln.
Unser Ziel ist, durch ein erneutes Gesetzgebungsverfah-ren schlussendlich ein verfassungskonformes Gesetz zuverabschieden.
Auch wollen wir, dass die verfassungsrechtlicheKlärung hier im Parlament erfolgt.
Den Gang zum Bundesverfassungsgericht nach Karls-ruhe halten wir nicht für den besten Weg; denn die Bür-gerinnen und Bürger unseres Landes erwarten zu Recht,dass wir in unserem Land bestehende Sicherheitspro-bleme hier im Parlament lösen und sie nicht von vorn-herein dem Bundesverfassungsgericht überantworten.
Ich will allerdings sehr deutlich sagen: Wenn sich Rot-Grün bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes in denzentralen Sicherheitsfragen unseres Landes erneut un-einsichtig zeigt, dann werden wir den Weg der Klärungdurch das Bundesverfassungsgericht nicht scheuen.Wir jedenfalls bieten Ihnen, werte Kolleginnen undKollegen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregie-rung, an, durch ein erneutes parlamentarisches Bera-tungsverfahren hier im Deutschen Bundestag zu einergemeinsamen Lösung zu kommen. Es wäre ein gutesZeichen für unser Land, wenn in derart entscheidendenund existenziellen Sicherheitsfragen für die Zukunft un-seres Landes und seiner Bürger im Deutschen Bundestageine Konsenslösung gefunden werden könnte.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Fritz
Rudolf Körper das Wort.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor-liegende Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU istkeineswegs neu.
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Das Einzige, lieber Herr Koschyk, was nach meinemafürhalten an Ihrem jetzt dritten Vorstoß neu ist, istchlichtweg sein Etikett.
ie Antragsteller lassen nunmehr verlauten, sie wolltenurch die erneute Einbringung ihres Gesetzentwurfesen verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundespräsi-enten gegen das Luftsicherheitsgesetz Rechnung tra-en.
benfalls haben sie angekündigt, eine erneute Sachver-tändigenanhörung durchführen zu wollen. Hierzu habenie die nach meinem Dafürhalten erstaunliche Auffas-ung vertreten, die Kritik des Bundespräsidenten deckeich mit der Auffassung der Mehrheit der Sachverständi-en, die im Gesetzgebungsverfahren zum Luftsicher-eitsgesetz angehört wurden.
as sehen wir nicht so. Dies stimmt in der Tat nicht.
ie Auffassungen der Sachverständigen sind in den Pro-okollen nachzulesen.
ch sehe überhaupt keinen Anlass für eine erneuteurchführung einer Sachverständigenanhörung.Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Luft-icherheitsgesetzes sind in dem vorausgegangenen Ge-etzgebungsverfahren intensiv und, wie ich glaube, auchur Genüge diskutiert worden. Was der erneute Vorstoß
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körperder CDU/CSU-Fraktion überhaupt mit der Kritik desBundespräsidenten am Luftsicherheitsgesetz zu tun ha-ben soll, erklärt sich mir jedenfalls nicht.
Die Kritik des Bundespräsidenten betrifft, HerrBinninger, nämlich im Wesentlichen zwei Punkte: Er hatZweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes fürdie Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes über denEinsatz der Streitkräfte geäußert,
da Einsätze der Bundeswehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2und Abs. 3 des Grundgesetzes auf der Ebene des einfa-chen Rechts dem Landesrecht zu folgen hätten. Er hatzudem Bedenken zu § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsge-setzes geäußert,
jener Regelung, die häufig sehr missverständlich undpauschal als „Abschussregelung“ bezeichnet wird. DerBundespräsident hat hierzu die Frage aufgeworfen, obdie Bestimmung im Einklang mit dem Grundrecht aufLeben stehe,
da sie in schwersten Ausnahmelagen auch die Rettungdes Lebens von Menschen am Boden um den Preis desLebens Unbeteiligter an Bord eines Luftfahrzeugs zu-lasse.Den Standpunkt der Bundesregierung brauche ichhier wohl nicht im Einzelnen zu erläutern und zu wieder-holen; er ist Ihnen hoffentlich bekannt, ebenso wie dieAuffassung der Bundesregierung zu dem von Ihnen vor-gelegten Gesetzentwurf. Ich möchte mich deshalb auffolgende Bemerkungen beschränken:Erstens. Die Initiatoren des vorliegenden Gesetzent-wurfs müssen sich die Frage gefallen lassen, was der vonihnen erneut geforderte Einsatz der Bundeswehr zumSchutz ziviler Objekte in terroristischen Bedrohungsla-gen mit der Diskussion über die verfassungsrechtlichenGrundlagen des Luftsicherheitsgesetzes zu tun habensoll.
Hier wird im Gewande der Behauptung, zur Klärungverfassungsrechtlicher Fragen beitragen zu wollen, zumwiederholten Male die politische Forderung erhoben,dass die Streitkräfte polizeiliche Aufgaben der Länderübernehmen. Das ist nicht unsere Meinung.
Das bleibt für uns weiterhin inakzeptabel. Im föderati-ven System des Grundgesetzes ist die Wahrnehmung ori-ginärer polizeilicher Aufgaben grundsätzlich Sache derLänder.WrAVsndgdRtkdAsIFvsdnzfäslgAzlgsBEARsfSKfwhshK
Es kann nicht angehen, dass der Bund Aufgaben über-immt, welche die Verfassung den Ländern zuweist undie diese mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mittelnrundsätzlich selbst zu erfüllen vermögen. Damit würdeen Streitkräften ohne einen zwingenden Grund eineolle zugedacht, die sie nach unserer Sicherheitsarchi-ektur nicht haben sollen. Die Entlastung von Polizei-räften ist kein genügender Grund für eine Verschiebunges Gefüges zwischen polizeilichen und militärischenufgaben.
Zweitens. Ich vermag nicht zu erkennen, dass der Ge-etzentwurf irgendetwas enthält, was die Auffassung dernitiatoren rechtfertigen könnte, er trage zur Klärung derrage bei, ob das Grundgesetz die Rettung des Lebenson Menschen um den Preis des Lebens anderer Men-chen zulässt. Das Grundrecht auf Leben konkretisiertie Unantastbarkeit der Menschenwürde und damit ei-en der Grundsätze, die Art. 79 Abs. 3 des Grundgeset-es einer Verfassungsänderung entzieht. Die sich hof-entlich nie stellende Frage, ob das Grundgesetz imußersten Fall auch die Rettung des Lebens von Men-chen um den Preis des Lebens anderer Menschen zu-ässt, kann also durch eine Ergänzung des Grundgesetzesar nicht entschieden werden, sondern nur durch eineuslegung des geltenden Verfassungsrechts. Der Pflichtu einer Entscheidung kann sich der Staat, will er hand-ungsfähig bleiben, freilich nicht entziehen, gleich übri-ens, ob und inwieweit er den denkbaren Worstcase ge-etzlich regelt oder nicht.In dem Gesetzentwurf wird auch nirgends die vomundespräsidenten aufgeworfene Frage thematisiert, obinsätze der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 undbs. 3 des Grundgesetzes auf der Ebene des einfachenechts einer Regelung durch Bundesgesetz zugänglichind. Stattdessen halten es die Initiatoren nach wie vorür erforderlich, im Grundgesetz klarzustellen, dass dietreitkräfte nicht nur zur Bewältigung der Folgen eineratastrophe oder eines besonders schweren Unglücks-alles, sondern bereits zu deren Verhinderung eingesetzterden dürfen. Der Standpunkt der Bundesregierungierzu und die Auffassung der Mehrheit der Sachver-tändigen im Gesetzgebungsverfahren zum Luftsicher-eitsgesetz sind bekannt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Binninger?
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14494 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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Nein, an dieser Stelle nicht.
– Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie müssen es
akzeptieren, wenn ich hier im Zusammenhang argumen-
tieren möchte. Das Thema ist ernst genug.
– Herr Kauder, wenn Sie nicht umblättern müssen, dann
ist das gut.
Drittens. Auch der Vorschlag, Art. 87 a Abs. 2 Grund-
gesetz um eine Regelung für Einsätze der Streitkräfte
aus der Luft und von der See her zu ergänzen, ist nicht
neu. Er erhebt originäre Polizeiaufgaben undifferenziert
zu einer neuen Hauptaufgabe der Streitkräfte neben ih-
rem Verteidigungsauftrag. Für eine derart weit gehende
Umgestaltung unserer Sicherheitsarchitektur in dieser
Allgemeinheit sehe ich jedenfalls derzeit keinen genü-
genden Anlass.
Herr Kauder, ich habe jetzt auch dieses Blatt umge-
blättert.
Meine Damen und Herren, die Sicherheitsarchitektur
des Grundgesetzes hat sich über einen langen Zeitraum
bewährt. Wir alle, glaube ich, sind gehalten, kritisch zu
prüfen, ob sie den Anforderungen genügt, die uns die
neuen terroristischen Bedrohungen aufzwingen. Ob neue
Bedrohungspotenziale einschneidende Veränderungen
erfordern, muss – das ist unsere Auffassung – in jedem
Fall sorgfältig geprüft werden. Ohne einen zwingenden
Grund gibt es jedoch keinen Anlass – ich wiederhole
dies –, bei der bewährten Trennung zwischen polizei-
lichen und militärischen Aufgaben etwas zu verändern.
Die mittlerweile zum dritten Mal eingebrachte Initia-
tive vonseiten der CDU/CSU-Fraktion ist deswegen ab-
zulehnen. Sie enthält nichts Neues;
denn Sie beschränken sich auf die Wiederholung von
Vorschlägen, die der Deutsche Bundestag mit Recht be-
reits abgelehnt und der Bundesrat nicht aufgegriffen hat.
Dem selbst erhobenen Anspruch der Antragsteller, mit
der erneuten Einbringung eine vertiefte Klärung verfas-
sungsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem
Luftsicherheitsgesetz ermöglichen zu wollen, wird der
Entwurf nicht einmal im Ansatz gerecht.
Vielen Dank.
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Ich erteile das Wort Kollegen Max Stadler, FDP-Frak-
ion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Die heutige Debatte gibt der FDP-Fraktion die Ge-egenheit, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenas Luftsicherheitsgesetz noch einmal zu präzisieren.ns geht es dabei nicht wie der CDU/CSU in erster Li-ie um Kompetenzfragen und Fragen der Ausgestaltunger Amtshilfe, sondern um den gewichtigeren Kritik-unkt der Einschränkung der Menschenwürde und desrundrechts auf Leben. Darüber muss hier noch ein-al in aller Sorgfalt beraten werden.
Die Fragen, die die CDU/CSU aufwirft, ob der Bun-estag überhaupt die Gesetzgebungskompetenz hat undb die Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist, sindbenfalls wichtig. Ich möchte Ihnen zum Inhalt Ihresntrags aber sagen: Wir als FDP sind der Meinung, dasss immer besser ist, wenn man versucht, neuen Bedro-ungen, wie etwa terroristischen Bedrohungen, mit denegeln des bestehenden Systems zu begegnen.
as heißt, es muss bei einer klaren Trennung der Auf-aben von Polizei und Militär bleiben.
as Argument von Bundesinnenminister Schily – errägt es oft vor –, dass die Grenzen zwischen polizeili-hem und militärischem Handeln verschwimmen wür-en, überzeugt jedenfalls uns nicht.
Aber der Bundespräsident hat uns aufgegeben, nochinmal die Frage aufzuwerfen, ob es wirklich richtigar, dass in § 14 des Luftsicherheitsgesetzes in einemxtremen Notfall künftig zugelassen wird, ein Passagier-lugzeug abzuschießen und damit das Leben der Besat-ung und unschuldiger Passagiere nicht nur aufs Spiel zuetzen, sondern als sichere Folge zu vernichten.Dies ist in der Tat eine außerordentlich schwierigerage; denn diejenigen, die das Gesetz mit Mehrheit imundestag beschlossen haben, nehmen für sich als mora-ische Legitimation in Anspruch, weitere Schäden in ei-em solchen Extremfall – dem 11. September 2001 ähn-ich – zu verhüten. Dennoch sind wir der Meinung, dasss besser gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber hier Zu-ückhaltung geübt hätte; denn derjenige, der in einer sol-hen Extremsituation den Abschussbefehl zu verantwor-en hat, befindet sich immer in einem unauflöslichenoralischen Dilemma. Wenn er eine solche Entschei-ung wirklich trifft, dann tut er es in guter Absicht, um
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Dr. Max StadlerLeben zu retten, aber in vollem Bewusstsein, unschuldi-ges Leben preiszugeben. Diese Abwägung von Lebengegen Leben ist nach dem bisherigen Verständnis unse-rer Verfassung mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Nun könnten Sie für sich in Anspruch nehmen, dassSie als Parlament dem Bundesverteidigungsminister, derdie Entscheidung zu treffen hat, eine Vorgabe machenwollen. Ich sage noch einmal: Das ist ehrenwert. Aberdabei wird eines verkannt: Es gibt Extremsituationen, indenen es besser ist, dass sich das Parlament einer gesetz-geberischen Regelung von vornherein entzieht. Auchdas ist keine befriedigende Position. Aber wir meinen:Das ist die angemessene. Wenn in einer Extremlage nachsorgfältiger und gewissenhafter Prüfung ein solcher Ab-schussbefehl gegeben wird, dann handelt der, der diestut, zweifellos ohne persönliche Schuld. Dies ist ihmdann nicht vorzuwerfen. Deswegen ist es die richtigerechtliche Kategorie, dass wir jemandem, der sich in ei-nem unauflösbaren moralischen Dilemma so oder so ent-scheidet, dies anschließend nicht strafrechtlich zum Vor-wurf machen.Das Luftsicherheitsgesetz, das Sie mit rot-grünerMehrheit und in diesem Punkt mit Billigung der CDU/CSU beschlossen haben, geht aber über diese Positiondeutlich hinaus;
denn es hebt einen etwaigen Abschussbefehl auf dieEbene der Rechtmäßigkeit.
Wenn der Abschussbefehl durch ein Gesetz zugelassenwird und er geradezu verlangt wird, dann gibt damit derGesetzgeber zu erkennen, er sei rechtmäßig. Dies istkeine Unterscheidung, die nur für Juristen interessant ist,sondern das ist die richtige Kategorisierung des Themas.
Ein solcher Abschussbefehl wäre ohne Schuld, aberer kann nicht von vornherein für legitim und rechtmäßigerklärt werden. Dies ist zwar eine schwierige Gratwan-derung, aber unserer Meinung nach die richtige Lösungim Geiste des Grundgesetzes.
Kollege Stadler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Wiefelspütz?
Ja.
Verstehe ich Sie richtig, Herr Kollege Stadler, dass
wir uns als Gesetzgeber in schwierigsten Grenzsituatio-
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ann nehmen Sie die Abwägung von Leben gegen Lebenor.
ie wägen das Leben, das bedroht ist, gegen das Lebenb, das sicher vernichtet wird, nämlich der Insassen deslugzeuges, also der Flugzeugbesatzung und der un-chuldigen Passagiere.
ine solche Abwägung von Leben gegen Leben ist unse-em Recht völlig fremd.
Vielmehr ist die richtige Kategorie: Wenn jemand inie Situation kommt, dass er diese fürchterliche Abwä-ung treffen muss, dann können wir ihm nicht vorwer-en, wenn er sich für den Abschuss entscheidet. Dascheint nur für Juristen von Interesse zu sein, aber es gibtus gutem Grund verschiedene Kategorien, nämlich dieategorie der Handlung, als Nächstes die Kategorie derechtmäßigkeit der Handlung und als letzte die Katego-ie der persönlichen Vorwerfbarkeit und der persönli-hen Schuld. Wir meinen, hier geht es um die Frage derchuld. Wir verneinen die Schuld dessen, der so ent-cheiden müsste. Aber dafür braucht man keine Rege-ung, die den ganzen Vorgang auf die Ebene der Recht-äßigkeit zurückführt. Genau dies sind die Bedenken,ie der Bundespräsident kraft der Autorität seines Amtes
nd kraft der Autorität seiner Argumente formuliert hat.as war mutig, erforderlich und das verdient Dank undespekt.
Deswegen sollten wir die Initiative der CDU/CSUum Anlass nehmen, diese Bestimmung über denbschussbefehl aus dem Luftsicherheitsgesetz zu strei-hen.
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14496 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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Dr. Max Stadler
– § 14 Abs. 3, Herr Kollege Ströbele, Sie wissen es ge-nau.
Tun wir das nicht in diesem Gesetzgebungsverfahren,dann wird das Bundesverfassungsgericht hierüber ent-scheiden. Der frühere Bundestagsvizepräsident BurkhardHirsch hat bereits als Anwalt von etwaig betroffenenPiloten eine Verfassungsbeschwerde in dieser Woche er-hoben, auch im eigenen Namen,
eine Verfassungsbeschwerde, die der Herr Bundespräsi-dent übrigens zur Klärung ausdrücklich angeregt hat.Ich schließe mich dem Kollegen Koschyk an: Es istbesser, wenn das Parlament in dieser schwierigen Lageselber die Entscheidung trifft. Sie kann unserer Meinungnach nur lauten, die Bestimmung über den Abschussbe-fehl zu streichen. Das ist allemal besser, als wenn wir aufNachhilfe aus Karlsruhe warten.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-ChristianStröbele, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Stadler, Sie haben Recht, die entschei-dende Frage ist: Gibt dieses Gesetz irgendjemandem,zum Beispiel dem Bundesverteidigungsminister, dasRecht, einen Befehl zum Abschuss zu geben? Ich sageIhnen – Sie haben darauf hingewiesen, dass auch andereMeinungen respektabel seien und die Gründe dafür res-pektabel sein können –: Die Auffassung, die Sie vertre-ten haben, nämlich dass Sie einen Abschuss nicht wol-len, ist nicht nur eine respektable Auffassung, sonderndas ist auch eine Auffassung, die wir teilen. Das Bünd-nis 90/Die Grünen und ich persönlich wollen auch keineLegitimation zum Abschuss eines Flugzeuges mit mög-licherweise Hunderten von unbeteiligten Menschen ge-ben.
Nur, Herr Kollege Stadler, schauen Sie einmal in dasGesetz hinein. Steht das denn so darin?
IdustsPteEdgewWFsdtabnwkigütiwgkwidsmudwmGnivIssksdw
ass militärische Kriterien oder sonstige der Bundes-ehr eigene Kriterien keine Rolle spielen dürfen und
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005 14497
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Hans-Christian Ströbeledass die Abwägung der zu ergreifenden Maßnahmennach allgemeinem Recht erfolgen muss.Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, berührtdieses Thema aber in keiner Weise. Darin geht es näm-lich um ganz andere Fragen. Zunächst einmal geht es umdie Frage, ob die Bundeswehr über die Möglichkeiten,die sich aus den Art. 35 und 87 a des Grundgesetzes hi-naus ergeben, im Inneren eingesetzt werden soll.
Dazu sage ich Ihnen eindeutig: Mit Bündnis 90/Die Grü-nen und dieser Koalition ist keine Ausweitung der Ein-satzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren machbar.
Das wollen wir nicht und das haben wir nie gewollt. Wirsehen uns damit in der Tradition der Diskussionen überdie Wiederbewaffnung in den 50er-Jahren und die Not-standsgesetze Ende der 60er-Jahre,
in denen wir immer wieder gesagt haben: Mit der Schaf-fung der Bundeswehr besteht die Gefahr, dass ihre Be-fugnisse über die vielfältigen Aufgaben hinaus, für diesie im Inneren eingesetzt werden kann, immer weiterausgedehnt werden. Damals wurde uns versichert, daswerde nie eintreten. Heute stehen wir vor der Situation,dass Sie genau das fordern. Das ist aber mit uns nicht zumachen. Das darf nicht geschehen.
Sie fordern eine Erweiterung auf die Situation einerterroristischen Bedrohung. Dem halte ich entgegen,dass Ihrer Formulierung entsprechend die Bundeswehrin den vergangenen drei Jahren seit dem 11. September2001 ständig im Inneren hätte eingesetzt werden können.
Es wird allgemein von einer aktuellen und bis heute blei-benden terroristischen Bedrohung in Deutschland ausge-gangen. Das heißt, wenn heute ein Land wie Bayern,Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg mit Hin-weis darauf, dass die eigenen polizeilichen Kräfte nichtausreichten und auch der Bundesgrenzschutz die Aufga-ben nicht bewältigen könne, den Einsatz der Bundes-wehr zum Objektschutz bzw. für alle möglichen polizei-lichen Aufgaben anfordern würde, dann wäre das miteinem Gesetz, wie Sie es wollen, schon heute möglich.Das darf nicht sein. Das wollen wir nicht und das werdenSie auch nicht durchsetzen.Sie behaupten des Weiteren – hier nehmen Sie tat-sächlich die Kritik des Bundespräsidenten auf –, dassdas Luftsicherheitsgesetz, so wie wir es beschlossen ha-ben, nicht mit Art. 35 des Grundgesetzes zu vereinba-ren sei. Aber auch hier empfehle ich Ihnen: Lesen Siedas Gesetz doch einmal genau! Art. 35 Abs. 3 desGrundgesetzes besagt, dass dann, wenn GefährdungenvezimdisgGmßMvsDSsgadUedsBzhewishhCudlGBWAus
er von Ihnen benannte Sachverständige Professorcholz hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er un-eren Gesetzentwurf in diesem Punkt durchaus alsrundgesetzkonform ansieht.
Wir sind der Meinung, dass das Grundgesetz nur sousgelegt werden kann, wie wir das tun. Es kann nichtarauf ankommen, ob bereits ein besonders schwerernglücksfall, ein Schaden oder eine Naturkatastropheingetreten ist, ob zum Beispiel das Wasser schon überie Ufer getreten ist oder ob die Deiche schon gebrochenind. Vielmehr sind Maßnahmen, die den Einsatz derundeswehr im Innern notwendig machen, auch dannulässig – nur so kann man das Grundgesetz auslegen; soaben das auch die Sachverständigen gesagt –, wennine Gefahr unmittelbar bevorsteht. Es wäre ja unsinnig,enn man abwarten müsste, bis ein Schaden eingetretent.Unser Gesetz ist grundgesetzkonform und wird des-alb auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestandaben.
Ich erteile das Wort Kollegen Clemens Binninger,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Anlasser heutigen Debatte ist das Luftsicherheitsgesetz. Esohnt sich, noch einmal einen Blick auf dieses Gesetz alsanzes zu werfen. Der Anspruch ist, dass in Zeiten deredrohung wie diesen, in denen entführte Maschinen alsaffen benutzt werden, alles getan werden muss, umnschläge aus der Luft zu verhindern. Das ist das Zielnd darin sind wir uns, glaube ich, auch einig. Die ent-cheidende Frage ist aber, ob mit dem Gesetz dieses Ziel
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Clemens Binningererreicht wird. Wenn man es sich genauer anschaut, dannstellt man fest, dass dieses Gesetz Sicherheitslückenschafft, unpraktikabel und verfassungswidrig ist. Des-halb ist es in keiner Weise geeignet, die angestrebtenZiele zu erreichen.
Die Art und Weise, wie das Gesetz zustande kam– ich glaube, das ist ein interessanter Hinweis für diedeutsche Öffentlichkeit, wie die Regierung Gesetzemacht –, ist eine Mischung aus Arroganz und Ignoranz.Sie haben das Gesetz vor der zweiten und dritten Lesungso geändert, dass es nicht mehr zustimmungspflichtigwar; denn Sie wussten, dass es in seiner ursprünglichenFassung im Bundesrat scheitern würde. Sie haben außer-dem die Ergebnisse einer Sachverständigenanhörungignoriert, bei der fünf von sechs Sachverständigen ge-sagt haben – Herr Ströbele, ich habe gestern noch einmaldas Protokoll der Sachverständigenanhörung zurate ge-zogen und es von vorne bis hinten gelesen und dabeifestgestellt, dass nur Herr Robbers, der von Ihnen be-stellte Sachverständige, eine andere Meinung vertritt;Sie haben uns das schon das letzte Mal falschvorgehalten –, eine Verfassungsänderung sei notwendigoder zumindest sinnvoll.
So viel zu dem Thema, dass die meisten Sachverständi-gen gegen unsere Bedenken waren.Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, Siehaben des Weiteren alle Hinweise des Verbandes derKampfpiloten ignoriert. Ich möchte das gern an einempraktischen Beispiel deutlich machen. § 14 des Luft-sicherheitsgesetzes regelt den Einsatz der Bundeswehrim Innern. Sie verstehen darunter fälschlicherweiseAmtshilfe. Ich komme darauf später noch zu sprechen.§ 14 regelt folgendes abgestuftes Verfahren: Eine ent-führte Maschine ist durch ein Militärflugzeug zunächstabzudrängen, bevor mit Signalschüssen, dann mit Warn-schüssen und – nur im äußersten Notfall und auf Anord-nung des Verteidigungsministers – mit Waffengewalt aufdie Maschine eingewirkt werden darf.
So weit klingt es durchaus logisch und sinnvoll.Die Kampfpiloten – sie müssen diese Maßnahmenausführen – sind ganz anderer Meinung: Der Versuch,eine entführte Linienmaschine Boeing 737 mit einem Jetabzudrängen, ist etwa so tauglich wie der Versuch, einenLKW mit einem Mofa von der Autobahn abzudrängen.Das funktioniert gar nicht.
Kollege Binninger, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Ströbele?
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Herr Kollege Binninger, geben Sie mir Recht, wenn
ch feststelle, dass die CDU/CSU während der gesamten
eratung dieses Gesetzes zu keinem Zeitpunkt die in
14 des Luftsicherheitsgesetzes enthaltene Vorschrift
ritisiert hat, dass Sie zu keinem Zeitpunkt die von
ampfpiloten geäußerten Bedenken geltend gemacht ha-
en und dass Sie zu keinem Zeitpunkt – auch heute
icht, da Ihr Gesetzentwurf behandelt wird – Ände-
ungsvorschläge gemacht haben?
Unser Kritikpunkt, Herr Ströbele, war zunächst im-er, dass die verfassungsrechtliche Grundlage fehlt undass das Gesetz damit insgesamt nachbesserungsbedürf-ig ist. Diese Kritik haben wir auch formuliert. Nur – dasabe ich vorhin mit „Ignoranz“ und „Arroganz“emeint –: Das interessiert Sie doch gar nicht. Seien Sieoch ehrlich! Was interessiert Sie die Meinung vonachverständigen? Sie wollen sie gar nicht hören. Sieind in Ihrer ideologischen Meinung festgelegt. Wasachverständige und Berufspiloten sagen, das interes-iert Sie doch nicht.
Zu den inhaltlichen Mängeln dieses Gesetzes – sieeigen, dass es am Schreibtisch und für den Schreibtisch,ber nicht für die Praxis entwickelt worden ist – kom-en die verfassungsrechtlichen Bedenken hinzu. Durchieses Gesetz wird der Einsatz der Bundeswehr imnnern geregelt. Sie beziehen sich dabei auf Art. 35rundgesetz. Der Bundespräsident sagt zu Recht:rt. 35 Grundgesetz regelt die Amtshilfe. Ein Kernele-ent der Amtshilfe besteht darin, dass nicht diejenigeinheit, die eingesetzt wird, das Sagen hat, sondern die-enige Einheit, die anfordert. Das heißt in diesem Fall,
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Clemens Binningerdass irgendein Polizeiposten in Hessen, der Unterstüt-zung braucht, darüber entscheidet, ob die Bundeswehrzum Einsatz kommt oder nicht. Es ist aber keine Amts-hilfe, weil der Bundeswehr eine eigenständige Aufgabedauerhaft übertragen wird, über die der Verteidigungs-minister zu Recht entscheidet. Damit wäre ein solcherVorgang von Art. 35 Grundgesetz nicht gedeckt. Ihr Vor-haben ist damit im Kern ganz und gar verfassungswid-rig.
Herr Ströbele, Ihre Beiträge waren in gewisser Hin-sicht entlarvend.
Sie haben heute einmal dargelegt, worum es den Grünenhier wirklich geht: nicht um die Sicherheit in unseremLand, sondern darum, alte ideologische Bedenken gegendie Bundeswehr wieder zu entfachen. Sie haben – viel-leicht aus Ihrer Jugend – immer noch das Feindbild Bun-deswehr im Kopf. Aber dieses Bild hat mit der Realitätheute nichts mehr zu tun. Wir brauchen eine Bundes-wehr, die sich mit innerer und auch äußerer Sicherheit,soweit notwendig, befasst. Sie wollen das nicht.
Herr Ströbele, erklären Sie der deutschen Bevölkerungdoch einmal,
warum Sie dafür sind, die Bundeswehr an allen Krisen-herden dieser Welt für Aufgaben wie Objektschutz, See-sicherheit und Luftsicherheit einzusetzen, obwohl Siedagegen sind, die Bundeswehr zum Schutz der Men-schen im eigenen Land einzusetzen, weil dazu die ver-fassungsrechtliche Grundlage fehlt. Das ist doch absurd.
Deshalb haben wir heute einen Gesetzentwurf zurÄnderung des Grundgesetzes eingebracht. Ich will diePunkte deutlich machen, die wir damit verbinden:Punkt 1. Wir greifen den ersten Kritikpunkt des Bun-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Art. 35 Grundgesetzreicht nicht aus. Wir schlagen eine konkrete Änderungzu Art. 35 Grundgesetz vor.
Punkt 2. Es geht um das Problem „Leben gegen Le-ben“, auf das der Kollege Stadler zu Recht schon hinge-wiesen hat. Sie können das doch nicht ernsthaft mitArt. 35 Grundgesetz abvespern. Deshalb schlagen wireine Änderung des Art. 87 a Grundgesetz vor.IgL–smGbfsIdsO„HbDkgiWsSgBabwgkdA
n Abs. 2 sollen nach den Worten „Außer zur Verteidi-ung“ die Worte „und zur Abwehr von Gefahren aus deruft und von See her ...“ eingefügt werden.
Es gilt kein Kriegsrecht. Aber wir müssen diese Be-timmung weiterentwickeln. – Staatssekretär Körper hatir nicht erlaubt, eine Frage zu stellen, aus gutemrund. Er hat genau dieses Problem „Leben gegen Le-en“ beschrieben. Da hilft die heutige Rechtslage ein-ach nicht weiter. Da müssen wir im Prinzip die Verfas-ung weiterentwickeln.
m Gegensatz zu seinem Minister hat er eingeräumt,ass es bei diesem schwierigen Fall – entführte Ma-chine mit unschuldigen Passagieren an Bord/möglichepfer am Boden – im Kern natürlich um die AbwägungLeben gegen Leben“ geht. Der Herr Minister hat denerrn Bundespräsidenten ja etwas oberlehrerhaft dahinelehrt, dass es nicht um „Leben gegen Leben“ geht.och, darum geht es leider. So bitter ist die Realität. Sieönnen das nicht klären, indem Sie einfach die Frage ne-ieren,
ndem Sie zu § 14 des Luftsicherheitsgesetzes sagen:ir wirken nur auf das Flugzeug ein; ob Menschen darinitzen, interessiert uns nicht.
ie brauchen an dieser Stelle zwei Verfassungsänderun-en, nämlich in Art. 35 und in Art. 87 a Grundgesetz.
eides schlagen wir vor.Wir schlagen außerdem vor, eine Sachverständigen-nhörung zu diesem komplizierten Fragenbereich „Le-en gegen Leben“ durchzuführen.
Wenn Sie es nicht tun, werden wir einen Gesetzent-urf zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes einbrin-en, mit dem die praktischen Mängel dieses Gesetzesorrigiert werden.Eines muss ich zum Abschluss schon noch sagen: Beiiesem schwierigen Thema „terroristische Bedrohung,nschläge weltweit mit ungeheurem Ausmaß“ hilft es
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Clemens Binningernicht, wenn man auf halbem Wege stehen bleibt. Sicher-heit macht man ganz oder gar nicht. Rot-Grün hat sichfür „gar nicht“ entschieden.Herzlichen Dank.
Ich erteile Kollegen Dieter Wiefelspütz, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Hören Sie jetzt einmal zu, Frau Stokar!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Ich finde, dass wir heute Morgeneine etwas krause Debatte führen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Luftsicherheits-gesetz seit einigen Tagen in Kraft ist und angewendetwird.
– Es ist in Kraft. Der Bundesverteidigungsminister wen-det es an. Das ist seine Pflicht.
Es ist unterschrieben und wird angewendet. In den kom-menden Monaten wird es ein Verfahren in Karlsruhe ge-ben.Aber das Parlament hat entschieden. Das Parlamenthat sich an dieser Stelle mit großer Sorgfalt entschieden.Wir haben uns die nötige Zeit genommen. Wir habeneine sehr qualifizierte Anhörung veranstaltet, an die ichmich gern erinnere. Jetzt liegt uns ein Gesetzentwurf vonIhnen vor, Herr Koschyk, den ich als Altpapier be-trachte.
Ich weiß gar nicht, was Sie damit wirklich wollen. Wol-len Sie eine verlorene Abstimmung korrigieren? WollenSiWhDmennvdWiwdWzcna1bigmWeLDALcdvm–STEw
ielleicht auch, wenn wir noch etwas Kraft haben, fürie Sicherheit von Menschen außerhalb unseres Landes.ofür haben wir den Staat? Eine der Grundfunktionenst, die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu ge-ährleisten. Wir haben die Aufgabe, eigentlich täglichie Sicherheitslage zu analysieren und uns zu fragen:ie sieht es mit den Herausforderungen aus, denen wiru begegnen haben? Ist unser Normenbestand ausrei-hend? Sind wir faktisch gut aufgestellt? Haben wir ge-ug Polizei- und Bundeswehreinsatzszenarien? Ist daslles so in Ordnung?
Es ist doch völlig klar, dass wir nicht erst seit dem1. September, aber insbesondere nach dem 11. Septem-er Veranlassung haben, hinzuschauen, ob das, was wirn Deutschland zum Schutz der Sicherheit unserer Bür-erinnen und Bürger anzubieten haben, in Ordnung ist.Schauen wir uns einmal die Verfassung an und neh-en Sie dann, darum bitte ich, Folgendes zur Kenntnis:enn ein Angriff von außen auf Deutschland droht, seir militärischer oder terroristischer Natur, wird unserand verteidigt.
ann wird die Bundeswehr nach Maßgabe von Art. 87 abs. 1 Satz 1 eingesetzt; denn hierbei handelt es sich umandesverteidigung. Für einen solchen Einsatz brau-hen Sie übrigens die Zustimmung des Deutschen Bun-estages; bezüglich einer Entscheidung über den Einsatzon Streitkräften gilt nämlich der konstitutive Parla-entsvorbehalt.
In eiligen Fällen, Herr Binninger, wird das nachgeholt.o war es beispielsweise bei der Evakuierungsaktion inirana.
s ist seit Jahr und Tag geltendes Verfassungsrecht, dass,enn ein Angriff von außen kommt, die Bundeswehr)
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Dr. Dieter Wiefelspützeingesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob der An-griff aus der Luft oder von See her erfolgt. Da kommenSie jetzt und wollen etwas klarstellen, was schon längstim Grundgesetz enthalten ist.
Unsere Verfassung wäre doch völlig verfehlt konzipiert,wenn wir nicht längst für solche Fälle entsprechend auf-gestellt wären.Bei einem Angriff von außen spielt es auch keineRolle, ob er von Militärs oder vonTerroristenkomman-dos, die den gleichen Schaden wie eine militärische Ak-tion anrichten können, durchgeführt wird. Für solcheFälle müssen wir doch aufgestellt sein. Wenn Sie dasnoch nicht begriffen haben, bin ich gerne bereit, Ihnendas an anderer Stelle noch einmal etwas genauer zu er-klären, Herr Binninger.
– Herr Schäuble, da ich mir sowieso einen Beitrag vonIhnen gewünscht habe,
gebe ich Ihnen jetzt gerne das Wort zu einer Frage.
Herr Kollege Wiefelspütz, ich kann und will jetzt Ih-
rer Bitte nicht entsprechen, sondern möchte Sie nur fra-
gen, wie Sie in Zeiten der Bedrohung durch internatio-
nalen Terrorismus und asymmetrischer Kriegsführung
– damit erreicht die Bedrohung ja eine neue Qualität –
unterscheiden wollen, ob ein Angriff von außen oder
von innen kommt. Sie argumentieren ja mit großer Em-
phase, dass wir dann, wenn ein Angriff von außen
kommt, unsere Bürger verteidigen können, wofür wir
auch gut aufgestellt sind. Aber woher wissen wir, ob ein
Angriff von außen oder von innen kommt? Beim ersten
Anschlag auf das World Trade Center in New York war
das nicht klar und beim zweiten war es auch nicht klar
zu entscheiden. Genau hier tut sich die Lücke auf. Sie
müssen die Antwort darauf geben, wie Sie sich da ver-
halten wollen.
Wir haben hier in Form eines Gesetzentwurfes eine Ant-
wort gegeben.
Schönen Dank für diese Frage. Herr Dr. Schäuble, dieAntwort auf die Frage, ob ein Angriff von außen odervon innen kommt, kann sehr schwer fallen.
Eines darf nicht passieren: Wir dürfen nicht tatenlos zu-sehen. Das ist doch wohl klar.
–BnDiugdWndlIsgnugewhnTAlheDG–giEwUisbi
ch bitte Sie darum, Herr Kollege Binninger, mit dem In-trument unserer Verfassung durchaus intelligent umzu-ehen. Dann kann man auch zu entsprechenden Ergeb-issen kommen
nd muss nicht tatenlos an der Seite stehen.
Die Völkergemeinschaft, Herr Dr. Schäuble, hat übri-ens nach dem 11. September einmütig festgestellt, dasss sich hierbei um einen Angriff von außen handelte,eil die Urheber dieser Tat von außen kamen. Deshalbat ja auch die NATO gesagt, dass es sich im Grunde ge-ommen um einen Verteidigungsfall handelt.
ypisch für das Eintreten des Verteidigungsfalls ist derngriff von außen. Das ist jetzt geklärt. Trotzdem wol-en Sie § 87 a Abs. 2 verändern. Diese Veränderungalte ich für völlig überflüssig.Wie ist der Sachverhalt, wenn der Angriff im Innernrfolgt?
arauf antworte ich, dass in diesem Fall Art. 35 desrundgesetzes gilt.
Hören Sie doch bitte zu! – Sie schlagen nun eine Er-änzung vor. Herr Binninger, diese Ergänzung wird auchn der Rechtswissenschaft diskutiert.
ine Meinung in der Wissenschaft besagt, die Bundes-ehr dürfe nur dann eingesetzt werden, wenn dernglücksfall schon eingetreten sei. Herr Ströbele undch sagen: Die Bundeswehr darf auch schon dann einge-etzt werden, wenn beispielsweise der Angriff unmittel-ar bevorsteht, wenn also die Gefahr noch abwendbarst.
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Dr. Dieter WiefelspützIm Zweifel, lieber Herr Koschyk, ist die Verfassung alsovernünftiger als mancher ihrer Interpreten.Die Staatspraxis sieht folgendermaßen aus: HerrStruck wartet nicht, bis beispielsweise ein Damm gebro-chen ist, bevor er seine Soldaten einsetzt. Er befiehlt denEinsatz bereits dann, wenn der Damm noch nicht gebro-chen, sondern nur gefährdet ist.
Wenn der Schaden noch abwendbar ist, warten wir dochnicht so lange, bis er eingetreten ist. Es handelt sich umeine absurde Auslegung unseres Grundgesetzes, wennman hineinliest, dass man erst auf den Eintritt des Scha-dens warten muss, bevor man handelt, obwohl er nochabwendbar ist.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Verfassungvernünftiger ist als mancher ihrer Katastropheninterpre-ten, Herr Binninger. Ich rate sehr davon ab, das Grund-gesetz zu ändern, da es schon entsprechende Regelungenenthält.
Herr Binninger möchte eine Zwischenfrage stellen.
Ich möchte meinen Gedanken kurz zu Ende führen.
Zur Semantik. Selbst Verfassungsrichter sprechen
häufig von „Klarstellungen“.
Entweder enthält die Verfassung Regelungen zu einem
bestimmten Sachverhalt oder nicht. „Klarstellungen“ be-
deuten offenbar etwas ganz anderes.
Sie wollen eine Verfassungsänderung. Wenn es nur um
eine Klarstellung ginge, dann würde ich sagen, dass sie
überflüssig ist. Denn wenn in der Verfassung etwas
schon geregelt ist, dann bedarf es keiner Klarstellung.
Sie müssen jetzt beweisen, warum eine Verfassungsän-
derung nötig ist. Ich sage Ihnen aber: Sie ist völlig über-
flüssig, weil in der Verfassung längst steht, dass die Bun-
deswehr schon eingesetzt werden kann, wenn der
Schaden noch abwendbar ist. Es wäre völlig unsinnig,
wenn uns unser Grundgesetz zwingen würde, so lange
zu warten, bis der Schaden eingetreten ist, statt schon
vorher tätig zu werden. Unsinnig ist unser Grundgesetz
aber zum Glück nicht.
Ich rate Ihnen dringend: Geben Sie Ihren Antrag zum
Altpapier oder recyceln Sie ihn! Aber bitte führen Sie
keine ernsthafte Debatte über dieses Thema! Es gehört
sich nun wirklich nicht,
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s geht heute um einen Wiederholungsantrag. CDU undSU stellen ihn mit verlässlicher Regelmäßigkeit, wohlissend, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzesus gutem Grund anderes wollten.Die Opposition zur Rechten will die Bundeswehr imnnern als Ersatzpolizei einsetzen. Weil das aus histo-ischen, fachlichen und rechtlichen Gründen nicht zuläs-ig ist, will sie das Grundgesetz ändern. Die PDS imundestag wird dem nicht zustimmen. Mehr noch: Wiraben das bisher abgelehnt und wir lehnen das auch wei-erhin ab.Es gibt bereits Sonderfälle – darüber ist heute schonesprochen worden –, bei denen ein Bundeswehrein-atz im Inneren möglich ist. Jetzt aber geht es um Ver-uche, die Sonderfälle zu normalisieren und auszuwei-en.Nun ist allerdings seit einigen Tagen das Luftsicher-eitsgesetz in Kraft; auch darüber wurde heute schonesprochen. Es soll ermöglichen, dass entführte Passa-ierflugzeuge durch die Luftwaffe der Bundeswehr ab-eschossen werden können. Dieses Gesetz birgt einechtliches und ein ethisches Problem. Auf das recht-iche Problem hat der Bundespräsident verwiesen. Aberas ethische Problem bleibt uns erhalten, liebe Kollegin-en und Kollegen von Rot-Grün und von der CDU/CSU.enn wer entführte Passagiere zum Abschuss freigibt,er erteilt eine Lizenz zum Töten. Ich finde, das gehteiter als die gefährliche Debatte über das Pro und Kon-ra von Folterpraktiken. Das rechtliche Problem könntenie – vielleicht – durch eine Änderung des Grundgeset-es formal beseitigen. Das ethische Problem aber besei-igen Sie nicht, auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheitm Bundestag.Hinzu kommt der Generalverdacht, den Sie mit sol-hen Gesetzesinitiativen immer wieder nähren. Damiteine ich nicht nur die CDU/CSU, sondern auch die Re-ierungskoalition, also SPD und Grüne. Wir erleben eine
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Petra Pauzunehmende Militarisierung der Außenpolitik und wirerleben, dass innenpolitisch aufgerüstet wird, Stichwort:Otto-Pakete. Werden nun beide Tendenzen miteinandervermischt, dann geht es tatsächlich an die Substanz derBundesrepublik. Das alles will die PDS im Bundestagaus guten Gründen nicht.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU undder CSU, Sie sind immer vorneweg, wenn es darumgeht, das Grundgesetz zu verschlechtern. Das war beimAsylrecht und in der Militärpolitik so, in der Innen- undSozialpolitik sowieso. Wenn es aber um Verbesserungen,um mehr Demokratie, zum Beispiel um Volksabstim-mungen auch zur EU-Verfassung, geht, dann spielen diebeiden Parteien die drei Affen, die nichts sehen, nichtshören und nichts sagen wollen, jedenfalls nichts Positi-ves.Kurzum, die PDS will etwas anderes, etwas Besseres.Deshalb werden wir Nein sagen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jürgen Herrmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beratenheute erneut die Änderung des Grundgesetzes, die einenerweiterten Einsatz der Bundeswehr im Inneren un-seres Landes ermöglichen und zugleich Rechtsklarheitund Rechtssicherheit für die Anwender bringen soll.Der Bundespräsident hat das mit der Mehrheit diesesHauses verabschiedete Luftsicherheitsgesetz trotz er-heblicher verfassungsrechtlicher Bedenken inzwischenausgefertigt. Diese Bedenken wurden auch in den vo-rausgegangenen Debatten von der CDU/CSU-Fraktionund den unionsregierten Ländern vorgebracht. KollegeKoschyk hat es eben schon angedeutet: Uns ist daran ge-legen, eine Lösung dieses Problems hier im Bundestagzu finden, nicht vor dem Bundesverfassungsgericht. Dasist die vorrangige Aufgabe. Deshalb bringen wir heutenoch einmal diesen Gesetzentwurf ein. Es sei noch ein-mal darauf hingewiesen: Es geht hier zwar um verfas-sungsrechtliche Fragen, aber im Nachklang auch um in-haltliche Einzelheiten des Luftsicherheitsgesetzes,
die wir entsprechend nachbessern müssen, um Rechts-sicherheit zu erlangen.
Wir alle hoffen, dass es niemals erforderlich seinwird, ein durch Terroristen gekapertes und mit Zivilistenbesetztes Passagierflugzeug abschießen zu müssen, umzum Beispiel einen Anschlag wie auf das World TradeCenter zu verhindern. Wir dürfen jedoch nicht außerAcht lassen, dass unsere Soldaten, die das Luftsicher-heitsgesetz in der Zwischenzeit anwenden sollen – derVerteidigungsminister hat dies bereits angekündigt –,jetzt und heute Rechtssicherheit brauchen. Dies wirdumso deutlicher, da es immer wieder zu Einsätzen derLtdhaVtmAe–dedwvrdgsSntssshgddkrgCddSwVsdlnleaatbDdua
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14504 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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a sich die Verfassungsrechtler hierüber aber streiten,ann ich nur empfehlen, im Interesse der Rechtssicher-eit einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegenzw. unseren Gesetzentwurf anzunehmen. Wir habeniese Problematik aufgenommen und sehen in unseremesetzentwurf eine Regelung im Vorfeld vor.Meine Damen und Herren, wir erwarten im Interesseer Sicherheit der Menschen in unserem Land zukunfts-eisende Lösungen, die weiter gehende Möglichkeitenicht von vornherein ausschließen. Wir Verteidigungs-olitiker haben uns im letzten Jahr bereits Modelle über-egt, wie wir die Sicherheit der Menschen in unseremand erhöhen können. Wir haben Ihnen ein Regional-asenmodell mit Wehrpflichtigen und Reservisten vor-estellt, die für den Heimatschutz eingesetzt werdenönnen. Wir könnten auf diese Ressourcen ohne Pro-leme zugreifen, wenn es denn nötig wäre, aber natür-ich nur in diesem Fall.Die Menschen in unserem Land haben einen An-pruch darauf, bestmöglich geschützt zu werden. Esacht in diesem Fall keinen Sinn, ideologische Lösun-en nach vorn zu schieben, wie Sie von Rot-Grün es tun.ir müssen alles tun, um die Menschen in Deutschlandu schützen. Ich denke, mit unserem Gesetzentwurf sindir hier auf dem richtigen Weg.
Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/4658 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.ann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf:a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sieb-zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-wahlgesetzes– Drucksache 15/4492 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 15/4733 –Berichterstattung:Abgeordnete Barbara WittigHartmut KoschykThomas Strobl
Silke Stokar von NeufornDr. Max Stadler
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005 14505
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmerb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zu derUnterrichtung durch die BundesregierungBericht der Wahlkreiskommission für die15. Wahlperiode des Deutschen Bundestagesgemäß § 3 Bundeswahlgesetz– Drucksachen 15/2375, 15/2499 Nr. 1, 15/4733 –Berichterstattung:Abgeordnete Barbara WittigHartmut KoschykThomas Strobl
Silke Stokar von NeufornDr. Max StadlerZu dem Gesetzentwurf liegt ein Änderungsantrag desAbgeordneten Jürgen Koppelin vor.Die Abgeordneten Wittig, Grund, Stokar vonNeuforn, Stadler und Mantel haben gebeten, ihre Redenzu Protokoll geben zu dürfen1). Sind Sie damit einver-standen? – Das ist der Fall.
Es liegen Erklärungen der Abgeordneten KlausBarthel , Angelika Graf (Rosenheim),Dr. Bärbel Kofler, Horst Schmidbauer , ErikaSimm, Jella Teuchner, Fritz Schösser und GabrieleFograscher2) sowie der Abgeordneten Otto Fricke3) undEduard Oswald4) gemäß § 31 der Geschäftsordnung vor,die wir mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll nehmen.Damit kommen wir zur Abstimmung über die ebengenannten Punkte. Der Innenausschuss empfiehlt in sei-ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4733, inKenntnis des genannten Berichts der Wahlkreiskommis-sion auf Drucksache 15/2375 den Gesetzentwurf in derAusschussfassung anzunehmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordne-ten Jürgen Koppelin auf Drucksache 15/4756? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ände-rungsantrag ist mit den Stimmen von SPD undBündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der CDU/CSUund Zustimmung aller Abgeordneten der FDP abgelehnt.dzGSAEwuGGimpZsddgdzbSDEskl1) Anlage 52) Anlage 23) Anlage 34) Anlage 4
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14506 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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Es geht bei der Immobilienwirtschaft um einen be-deutenden Bereich, in dem 2,15 Millionen Menschen un-mittelbar und 3,4 Millionen Menschen insgesamt be-schäftigt sind. Fürwahr sehr wagemutig, HerrStaatssekretär, auf unsere Große Anfrage eine Antwortlight vorzulegen! Es geht um einen Wirtschaftszweig,der – einschließlich der Bauinvestitionen – mit über500 Milliarden Euro jährlich zur Wertschöpfung in un-serem Land beiträgt, der allein durch Immobilientrans-aktionen Jahr für Jahr dem Staat circa 5 Milliarden EuroGrundsteuereinnahmen garantiert, dessen Produktions-wert allein im Grundstücks- und Wohnungswesen imJahr 2002 250 Milliarden Euro und im Baugewerbe circa200 Milliarden Euro betrug, dessen Bruttowertschöp-fung für die beiden genannten beispielhaften Bereichejährlich circa 385 Milliarden Euro umfasst, eine Bran-che, die die Städtebauförderung vonseiten des Bundesund der Länder um das 18fache im Produktionswert ver-bessert und dadurch Wirtschaftswachstum und Steuer-einnahmen in erheblichem Maße sichert. Die wenigengenannten Zahlen belegen die große volkswirtschaftli-che, aber auch steuerpolitische und arbeitsmarktbezo-gene Bedeutung der deutschen Immobilienwirtschaft.Umso enttäuschender sind die teilweise nichts sagen-den und oberflächlichen Antworten der Bundesregierungauf unsere Fragen. Hier hat der Wirtschaftsminister einegroße Chance verpasst, sich eines Wirtschaftszweigesanzunehmen, in dem über 300 000 überwiegend mittel-ständische Unternehmen aktiv engagiert sind und mitSachkunde zum Funktionieren unserer Wirtschaft beitra-gen. Aber bei Clements Wirtschaftspolitik ist es wie beieinem Konzert: Ungeübte Ohren halten das Stimmen derInstrumente bereits für Musik. An den zahlreichenNicht- oder Halbantworten ist ohne viel Fantasie ables-bar, dass es nicht an den Mitarbeitern in den Ministerienlag, dass auf unsere Fragen keine Flagge gezeigt wurde,dass vielmehr offensichtlich die politischen Vorgaben zudiesem Stückwerk geführt haben. Mehr Weitsicht, mehrVerständnis und mehr Toleranz für eine Branche, die un-ter anderem auch ganz entscheidend zur Eigentumsbil-dung in Deutschland beiträgt – das hätte dem Anliegendurchaus gedient. Aber leider gibt es bei Rot-Grün im-mer noch ideologische Scheuklappen, was das Eigen-tum und die Privatisierung des Immobilienhandels unddessen Bewirtschaftung angeht. Im Hinblick auf die Li-beralisierung des europäischen Marktes empfehlen wirdBvDdzmbvgpsvlvtUss3siBlwmngbdzlklDdwPSddwnti
Die Debatte über die Große Anfrage der Union findetor folgendem Hintergrund statt: Die Bundesrepublikeutschland liegt mit 42 Prozent Eigentumsanteil aufem vorletzten Platz im europäischen Vergleich. Spit-enreiter in Europa ist Italien mit 77 Prozent und daüssen wir langfristig auch hin. Während unsere Nach-arstaaten eine offensive Eigentumspolitik betreiben,erhält sich die Bundesregierung merkwürdig passiv. Sieibt so gut wie keine wirtschaftlichen Anreize, hier zuunkten. So ist die Immobilie im Bereich der Altersvor-orge noch völlig außen vor. Das ist, Herr Staatssekretär,olkswirtschaftlich und sozialpolitisch unverantwort-ich; hier herrscht Handlungsbedarf.Die Debatte über die Große Anfrage der Union findetor dem Hintergrund deutlich zurückgehender Investi-ionen im Immobilienbereich statt. So schrumpfte dermsatz im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr um Be-orgnis erregende 16,3 Prozent. Dieser Prozess setzteich im Jahr 2001 mit 4,4 Prozent und im Jahr 2002 mit,5 Prozent fort. Auch der Auftragseingang beim Bau isteit fünf Jahren rückläufig.
Vor dem Hintergrund von – wie heute zu lesenst – aktuell 4,9 Millionen Arbeitslosen sollte sich dieundesregierung – unabhängig davon, dass sich 2,3 Mil-ionen Menschen in einer Warteschleife befinden – be-usst sein, dass sie mehr Wachstumsimpulse gebenuss. Denn es ist für eine Demokratie mehr als besorg-iserregend und mehr als problematisch, wenn in ihr ins-esamt 7,2 Millionen Menschen ohne Beschäftigung le-en. Statt aber beispielsweise Investitionen in den Bau,en Ausbau und die Renovierung von Wohnimmobilienu fördern, beabsichtigt man, die Eigenheimzulage gänz-ich aufzugeben, ohne neue Anreize zu schaffen. Das isteine verantwortungsbewusste und auch keine kluge Po-itik.
urch die dümmliche Parole „Bildung statt Beton“, miter man die Abschaffung der Eigenheimzulage betreibt,ird außer Acht gelassen, dass verantwortungsvolleolitik beides forcieren muss; denn ohne Wachstum undteuern gibt es keine Investitionen in die Bildung.
Die Debatte über unsere Große Anfrage findet vorem Hintergrund nicht ausreichender Bedingungen fürie Ausbildung zum Immobilienmakler und zu ver-andten Berufen statt. Noch immer benötigt man nur ei-en Gewerbeschein, um diese verantwortungsvolle Tä-igkeit auszuüben. Eine Fachkundeprüfung ist nochmmer nicht Pflicht; das halte ich für nicht vertretbar.
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Wolfgang Börnsen
Für viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger istder Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses die um-fangreichste und größte Investition, die sie in ihrem Le-ben tätigen. Sie sollte durch umfassende Beratung undviel Sachkunde begleitet werden. Dazu gehört eine qua-lifizierte und zertifizierte Ausbildung, wie sie in andereneuropäischen Ländern gang und gäbe ist. Wer vernünfti-gen Verbraucherschutz will, der muss entsprechend han-deln. Auch bei uns muss Europa zum Maßstab und Stan-dard werden.
Das heißt, ein weiteres wesentliches Ziel dieser De-batte muss es sein, auf die bestehende Wettbewerbver-zerrung innerhalb Europas zum Nachteil der deutschenImmobilienwirtschaft hinzuweisen; denn unser unzurei-chendes und spezifisches Ausbildungssystem wird aufeuropäischer Ebene nicht anerkannt. Das führt dazu,dass Makler aus Mitgliedstaaten der EU zwar bei uns tä-tig werden dürfen, dass deutsche Makler jedoch auf er-hebliche Hindernisse stoßen, wenn sie außerhalb unseresLandes aktiv werden wollen. Um mit den übrigen Mit-gliedstaaten der EU auf gleicher Augenhöhe zu sein, be-nötigen wir eine spezialisierte, allseits anerkannte undhoch qualifizierte Berufsausbildung. Dabei geht es umChancengerechtigkeit für unsere Mitbürger.Wir erwarten von der Bundesregierung die Vorlage ei-ner Ausbildungsordnung für immobilienwirtschaftlicheBerufe, die mit anderen Berufsqualifikationen vergleich-bar ist. Darüber hinaus erwarten wir, dass sich der Staatbeim Management bundeseigener Immobilien zurück-nimmt und der Privatisierung Vorrang gibt. Wir erwar-ten, dass die Wohnimmobilie, aber auch andere Formendes Immobilienbesitzes in die geförderte Altersvorsorgevoll integriert und alle Angebote gleich behandelt wer-den. Und wir erwarten mehr Transparenz. ÖffentlicheRegister müssen für jedermann, zumindest aber für dieentsprechenden Berufsgruppen leichter einsehbar wer-den, wie es auch in unseren Nachbarstaaten praktiziertwird.Dazu gehört auch der Einsatz der Bundesregierungfür die Europafähigkeit offener Immobilienfonds, umdiesem deutschen Produkt, wenn die Kriterien de-ckungsgleich sind, zum Eingang in die UCIT-Richtliniezu verhelfen. Schließlich ist die Bündelung der übermehrere Ministerien verteilten Zuständigkeiten für dieImmobilienwirtschaft ebenso notwendig wie eine in Zu-kunft in zweijährigen Abständen stattfindende Berichter-stattung der Bundesregierung zur Lage dieses Wirt-schaftszweiges. Fast all diese Forderungen gelten auchfür Versicherungsmakler. Hier ist mehr Dynamik durchdie Bundesregierung notwendig.Aufgrund unserer gemeinsamen Verantwortung fürdie Zukunft der Immobilienwirtschaft in Deutschland er-warten wir zudem Anmerkungen über ernst zu neh-mende Belastungen für die gesamte Branche. Neben derAltersentwicklung in unserer Gesellschaft, die auch fürdie Immobilienwirtschaft Herausforderungen und Chan-cen gleichzeitig bedeutet, sehe ich besonders im anste-henden Antidiskriminierungsgesetz eine folgenreiche,äbiAVERldDsPutkAdksAGlbHMwhsmDfAbedkwtEDsüdGlf„
r stellt durch die Umkehrung der Beweislast dasechtsverständnis unserer Bürger infrage. Er öffnet Ver-eumdung und Denunziantentum Tür und Tor. Er nötigter Wohnungswirtschaft jährlich Hunderttausende vonokumentationen ab. Ein Berg neuer Bürokratie ent-teht. Er führt zu einer Welle Tausender konfliktreicherrozesse.Dabei bleibt unberücksichtigt, dass bereits die Art. 1nd 3 unseres Grundgesetzes gemeinsam mit dem gel-enden Zivil- und Arbeitsrecht einen umfassenden Dis-riminierungsschutz gewährleisten. Dieses unmöglichentidiskriminierungsgesetz lässt die Verbandsklage miter Ergänzung zu, dass Ansprüche abgetreten werdenönnen, zum Beispiel an den Mieterbund, die Gewerk-chaft und andere Institutionen. Das heißt, unter demspekt des Diskriminierungsschutzes lassen sich künftigeschäfte machen.Es muss doch wohl zu denken geben, dass die eigent-ich zuständige Bundesjustizministerin diese Initiativeis zum heutigen Tag ablehnt. Mit Recht kritisiert deraus- und Grundbesitzerverband, der immerhin eineillion Mitglieder umfasst, vehement diesen Entwurf,eil er nicht dazu beiträgt, zu schützenden Personen zuelfen, sondern im Gegenteil deren Integration er-chwert. Vermieter in Deutschland werden sich nichtehr aussuchen können, wen sie gerne als Mieter hätten.as ist tatsächlich ein massiver Angriff auf die Vertrags-reiheit. Dieser Entwurf darf nicht Wirklichkeit werden.
Man vergisst, dass wir in unserem Land bereits einentidiskriminierungskultur haben, ein verantwortungs-ewusstes Verständnis für Minderheiten. Wenn es zu un-rträglichen Ausreißern kommt, wenn intolerant gehan-elt wird, dann schweigt unsere Gesellschaft nicht, dannlagt sie an und leistet Widerstand; und das begrüßenir. Einen großen Anteil an der Beachtung von Benach-eiligten in unserer Gesellschaft haben unsere Medien.s ist anerkennenswert, mit welcher Sensibilität undeutlichkeit sie auf Diskriminierungsfälle reagieren undie nicht dulden.Zusammenfassend stelle ich fest: Hier wird einerberzogenen Antidiskriminierungspolitik das Wort gere-et. Die Folgen: Es wird zu mehr Konflikten in unsereresellschaft kommen, zu weniger Investitionen, zu deut-ich mehr Bürokratie und zu einem Weniger an Freiheitür alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.Nein, so nicht!“, ist unsere Antwort auf dieses Gesetz.
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Wolfgang Börnsen
Kritisch haben wir uns aber auch eines Sachverhaltsanzunehmen, der die Branche Immobilienwirtschaft ak-tuell und direkt betrifft: Die Korruption in der Immobi-lienwirtschaft ist ein skandalträchtiges, oft verdrängtesThema. Sie schadet dem Image des gesamten Wirt-schaftszweiges, sie schadet dem Image des Wirtschafts-standortes Deutschland. Die aktuellen Frankfurter Vor-gänge decken auf: Es gibt zu viele schwarze Schafe indiesem Bereich. Gängige Vorurteile über Bestechungund Bestechlichkeit werden bestätigt, ebenso das wie-derkehrende Ritual: Wenn die Skandale aus den Schlag-zeilen heraus sind, geht man zur Tagesordnung über. Da-mit muss Schluss sein!
Diese Erkenntnis hat sich in einigen Bereichen dieserBranche anerkennenswerterweise durchgesetzt. So er-stellt der Immobilienverband Deutschland derzeit einenEhrenkodex, andere suchen den Dialog mit Trans-parency International, die sich mit der Bekämpfung vonKorruption in über 100 Ländern befassen. Die RoyalInstitution of Chartered Surveyors weist mit Recht aufden eigenen, funktionierenden Verhaltenskodex hin, des-sen Einhaltung streng überwacht wird. Bemerkenswertist auch die „Initiative Corporate Governance der deut-schen Immobilienwirtschaft“.Aber auch wenn es solche Maßnahmen gibt, guteWorte allein genügen nicht in einem Wirtschaftszweig,in dem es oft um hohe Geldsummen geht. SchwarzeSchafe gehören gebrandmarkt und ausgeschlossen. Ein-sicht, dass die Einhaltung moralischer Kriterien und einanständiges, ehrliches Verhalten notwendig sind, istwichtig; das gilt nicht nur für die Immobilienwirtschaft.Worauf es ankommt, ist in der Geschichte der Versiche-rungsmakler zu finden. Bereits vor 200 Jahren galten füreinen qualifizierten Makler die Kriterien Zuverlässig-keit, Ehrlichkeit, Bonität, Eignung und Sachkunde. Ver-trauenswürdigkeit war damals das oberste Gebot. Durchein strenges Ausleseverfahren wurden nur die berufen,die diese Tugenden nachweislich vertraten.Die mit der Gesetzgebung von 1918 begonnene Libe-ralisierung, die zum heutigen Zustand geführt hat – imPrinzip kann sich jeder selbst zum Makler ernennen –,hat dem gesamten Gewerbe nicht gut getan und demMissbrauch Tür und Tor geöffnet. Es ist zwar anerken-nenswert, dass es bereits Ansätze für eine qualifizierteAusbildung gibt, sie muss aber in Form gegossen und zueinem europäischen Standard werden.Ich erwarte, dass der Wirtschaftsminister dem Parla-ment bis zum Ende dieses Jahres ein umfassendes Zah-lenmaterial vorlegt; denn die Immobilie ist offenkundigein Stiefkind in der Statistik. Das darf sie nicht bleiben.Über jedes Kalb, das in unserer Republik geboren wird,muss Buch geführt werden, jedes gelegte Ei wird regis-triert und über Tod und Teufel gibt es Statistiken, dochweder über die Anzahl der Beschäftigten in bestimmtenBereichen der Immobilienwirtschaft noch über jährlicheKauf- und Mietverträge gibt es genaue Zahlen. Nur mitbelegbaren Zahlen lassen sich Fehlentscheidungen ver-meiden.ltEeedDlhbDDdsuegUhBWwlWmDkGmlGmcibsgdQuwZ
eshalb legen wir von der Union einen Antrag vor, mitem gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der deut-chen Immobilienwirtschaft sichergestellt werden sollnd die Immobilien- und Versicherungsmakler durchine größere Kompetenz gestärkt werden sollen.Mit unseren Erwartungen, Anregungen und Forderun-en verfolgen wir die Ziele, die Marktchancen deutschernternehmen in der EU zu optimieren, Bürokratie-emmnisse abzubauen, den Verbraucherschutz in diesemereich zu verbessern und die Eigenständigkeit diesesirtschaftszweiges im europäischen Wettbewerb zu ge-ährleisten, um damit den Wirtschaftsstandort Deutsch-and insgesamt zu festigen, zu fördern und in seinemachstum zu forcieren.Der notwendige Beitrag der Branche dazu könnte inehr Bonität, in der Bündelung aller Interessen in einemachverband und in der Erarbeitung eines eigenen Zu-unftskonzepts für die Immobilienwirtschaft bestehen.Ich bedanke mich bei Ihnen.
Wir bedanken uns auch.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
erd Andres.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Die Bundesregierung hat in der Antwort auf dieroße Anfrage zur Immobilienwirtschaft deutlich ge-acht, welcher wirtschaftspolitische Wert dieser Bran-he zukommt. Hierzu gehören eine Vielzahl von Berufenm Bereich der Transaktionen und der Pflege von Immo-ilien. Wir erkennen insbesondere auch den Beitrag die-er Berufe – vor allem den der Makler – an, der zur Stei-erung der Wohneigentumsquote geführt hat. Diese fürie Altersvorsorge und die Vermögensbildung wichtigeuote hat sich in Deutschland zwischen 1998 und 2002m fast 2 Prozent erhöht. Bei Haushalten mit Kindernar erfreulicherweise sogar ein überdurchschnittlicheruwachs um fast 3,5 Prozent zu verzeichnen.
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Parl. Staatssekretär Gerd AndresIn Richtung der Fragesteller möchte ich trotz derwichtigen Beiträge einzelner Berufe kritisch anmerken,dass ich es nicht für sinnvoll halte, mit dem sehr unpräzi-sen Begriff Immobilienwirtschaft eine einheitlicheBranche von besonderer Größe zu kreieren. Ich möchtedamit die in diesem Bereich tätigen Gewerbetreibenden,zum Beispiel die Immobilienmakler oder die Bauträger,nicht kleinreden. Dennoch sollte man die Kirche im Dorflassen. So mögen zum Beispiel die vielen Hunderttau-send Versicherungsmakler ab und an etwas mit Immobi-lien zu tun haben. Damit gehören sie aber noch nicht zurImmobilienwirtschaft, sondern zur Versicherungswirt-schaft. Das ist auch in Abgrenzung unserer statistischenRegelungen so.Auch eine Studie – so Ihre Forderung – über finan-zielle Rückflüsse an den Staat während der Dauer einesTeilimmobilienzyklus, also Erwerb, Planung, Errich-tung, Verkauf etc., über circa 30 Jahre wird zwangsläufigmit so vielen Imponderabilien belastet sein, dass sie alsGrundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungenwohl kaum zu gebrauchen wäre. Es wurde weiterhinnach dem Grund gefragt, weswegen für die Gewerbe derImmobilienwirtschaft relativ wenige Berufszulassungs-schranken existieren. Wir haben solche Schranken der-zeit zum Beispiel für Makler, Finanzdienstleister undNotare.Die Fragestellung suggeriert, dass diese Schranken inähnlicher Form auch für Hausverwalter und weitere Ge-werbe erlassen werden könnten. Ich frage mich, wie diesmit der von der CDU/CSU-Fraktion immer wieder erho-benen Forderung nach Bürokratieabbau und -vermei-dung zu vereinbaren ist.
Diese Forderung ist erstaunlich. Dazu muss man hier nurden Debatten zuhören. Diejenigen, die immer über über-bordende Bürokratie, Vorschriften, Behinderung desWettbewerbs und Zwang klagen, fordern in der nächstenDebatte, bei der sie irgendwelche Interessen zu vertretenhaben, genau das. Daher haben wir zu dieser Forderungablehnend Stellung genommen und ich halte das für ver-nünftig.Wir können unsere Haltung mit den guten Erfahrun-gen einer Branche gerade aus der Immobilienwirtschaftbegründen, den Immobilienmaklern. Hier haben derRDM und der VDM, also der Ring Deutscher Maklerund der Verband Deutscher Makler, die sich inzwischenzusammengeschlossen haben, in jahrelanger mühevollerArbeit ein brancheninternes Qualifikationssystem aufge-baut, das nicht nur von den Maklern selbst gerne genutzt,sondern auch von ihren Kunden honoriert wird.Dies zeigt, dass eine Branche durchaus in der Lageist, mit eigenen Anstrengungen ihre Qualifikation zu or-ganisieren und ihre Reputation beim Kunden zu erhö-hen. Es kann nicht in allen Fällen Aufgabe des Staatessein, mit Gesetzen und Verordnungen die Unterschei-dung zwischen guten und schlechten Gewerbetreibendenvorzunehmen.dmmddggMSRtnfgsswllbudwDwsnnEsCOrfAD
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Hettlich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!ines fiel mir als Sprecher der AG Ost unserer Fraktionchon beim ersten Lesen der Großen Anfrage der CDU/SU auf: Die Probleme der Immobilienwirtschaft instdeutschland scheinen die Fragesteller nicht zu inte-essieren und es wird noch nicht einmal nach ihnen ge-ragt.
uch der Antrag der CDU/CSU ist da nicht ergiebiger.abei zeigt die Entwicklung der Immobilienwirtschaft
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Peter Hettlichin Ostdeutschland seit 1990 sehr genau auf, was passiert,wenn Fehleinschätzungen und Fehlallokationen auf-einander treffen.
Als ich 1990 als Projekt- und Bauleiter nach Leipzigkam, gab es wohl keinen der größeren deutschen und in-ternationalen Immobilienmakler, der nicht seine Depen-dance in dieser Stadt aufgeschlagen hatte. Es herrschteeine Goldgräberstimmung im wilden Osten und mit Pro-gnosen über sagenhafte Zuwachsraten im Gewerbe- undBürobau versuchte man, sich gegenseitig zu übertrump-fen. Nicht zuletzt wegen dieser gravierenden Fehl-einschätzungen wurde ein in dieser Größenordnunghistorisch einmaliges Förder- und Sonderabschreibungs-programm seitens der Bundesregierung aufgelegt undauf Drängen der Immobilien- und Bauwirtschaft nochverlängert,
obwohl bereits seit 1994 deutliche Überhitzungserschei-nungen am Immobilienmarkt sichtbar wurden.Der Hype, noch schnell zum Jahresende 1995 Steuernsparen zu müssen, führte zu den absurdesten Fällen.Viele Westdeutsche erwarben Immobilien, die sie vorhergar nicht gesehen hatten. Ich selbst kenne in meinemweiteren Bekanntenkreis Fälle, in denen sich die Erwer-ber ihre Immobilien erst dann angeschaut hatten bzw.durch mich bewerten ließen, als der letzte Mieter ausge-zogen war und die Einnahmen ausblieben, auf deren Ba-sis die Finanzierungen – sie standen meist auf wackligenBeinen – gestrickt worden waren.Und nun? Die meisten Experten von damals habenLeipzig und die anderen ostdeutschen Städte schon langeverlassen. Zurück blieben kleinere Maklerbüros, häufigvon Ostdeutschen in der Hoffnung auf eine strahlendeZukunft gegründet, und eine aufgeblähte Bauwirtschaft.Deren schmerzhaften Schrumpfungsprozess begleitenwir heute. Er belastet nicht nur den Arbeitsmarkt, son-dern auch das Wirtschaftswachstum in den neuen Bun-desländern nach wie vor sehr stark.
Wir müssen uns von den Westdeutschen sagen lassen,dass Ostdeutschland beim Wachstum den Anschluss ver-liert. Das ist auch deswegen der Fall, weil wir heutenoch mit dieser Fehlentwicklung zu kämpfen haben.Der aktuelle Leerstand bei Wohnungen, Büro- undGewerbebauten lässt sich übrigens nicht nur mit demdemographischen Wandel erklären; denn seit 1990 hatsich die Wohnfläche je Bewohner beinahe dem westli-chen Wert angenähert, wodurch zum Beispiel der nega-tive Wanderungssaldo zwischen Ost und West zum Teilausgeglichen wurde. Aber der demographische Wandel,den wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erlebenwerden, wird uns und auch die Immobilienwirtschaft vorvöllig neue Herausforderungen stellen.eOaanaBdmOrzaGScsdm–dvDdQEVraksNdEtmdbsokt
as ist angesichts der prekären Haushaltslage des Bun-es, der Länder und der Kommunen der Wahnsinn imuadrat.
s darf nicht sein, dass wir Gewinne privatisieren underluste vergesellschaften.
Wir brauchen intelligente Lösungen, die viel stärkeregionalspezifisch wirken. Wir müssen uns viel stärkerls bisher auch im Westen auf das Bauen im Bestandonzentrieren. Vor allen Dingen müssen wir uns inten-iver auf die Bestandsmodernisierung gerade unterachhaltigkeitsgesichtspunkten konzentrieren. Die Re-uzierung des Flächenverbrauchs, die Reduzierung dermissionen und eine stärkere Ausrichtung von Neubau-en an bereits vorhandener öffentlicher Infrastrukturüssen und werden stärker in den Vordergrund rücken.Angesichts des demographischen Wandels haben wirie Verpflichtung, schon jetzt die Lösungen für die Pro-leme von morgen zu erarbeiten. Das, was wir zum Bei-piel schon heute an öffentlicher Infrastruktur bauender gebaut haben, werden unsere Kinder und Kindes-inder in der Zukunft trotz Bevölkerungsrückgang erhal-en müssen. Die Immobilienwirtschaft ist gefordert, sich
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Peter Hettlichin diesen Prozess aktiv einzubringen. Ihre volkswirt-schaftliche Bedeutung wird auch weiterhin hoch bleiben,aber ihr Stellenwert wird sich wandeln.Tempora mutantur, nos et mutamur in illis – die Zei-ten ändern sich und wir uns mit ihnen.
Diesen weisen Spruch hat Kaiser Lothar I. vor über Tau-send Jahren gesagt. Dem kann ich mich nur anschließen.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Günther.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Antwort der Bundesregierung auf die Große An-frage macht deutlich, dass die Bundesregierung die Be-deutung der Immobilienwertschöpfung im Prinzip er-kannt hat. Was aber fehlt – das hat mein KollegeBörnsen vorhin sehr ausführlich dargelegt –, sind kon-krete Antworten auf viele Einzelfragen.Des Weiteren fehlt eine Antwort darauf, ob die Bun-desregierung bereit ist, Rahmenbedingungen zu schaf-fen, um den stetigen Rückgang der Immobilienwirt-schaft seit Mitte der 90er-Jahre endlich zu stoppen. Ichverweise in diesem Zusammenhang insbesondere auf dieVorschläge der FDP zur Steuerreform; denn ich bin si-cher, dass die Baubranche gerade durch eine Steuerre-form neue Impulse erhalten würde.Die Unionsparteien weisen in ihrem Antrag, dem ichweitestgehend zustimme, zu Recht darauf hin, dass diebislang ausgewerteten Statistiken für die Immobilien-wirtschaft unzureichend sind. Hierbei wirkt sich meinesErachtens insbesondere das Fehlen einer eindeutigenZuständigkeitsregelung innerhalb der Ressorts derBundesregierung aus.
Dass es in erster Linie um Fragen der Wettbewerbsfä-higkeit von für Deutschland wichtigen Branchen geht,ist richtig. Deshalb sollte die Zuständigkeit in einem Mi-nisterium konzentriert werden.Die Zukunft der Immobilienwirtschaft ist nicht vonder allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung im Landezu trennen. Über Zuordnungen und Statistiken hinausstellen die konjunkturelle Stabilität der Baubranche, dieBevölkerungsentwicklung und Bevölkerungswanderun-gen sowie die Voraussetzungen zur Schaffung vonWohneigentum die wichtigsten Faktoren auf dem Immo-bilienmarkt dar.Wenn die Immobilienbranche funktionieren soll, dannmuss man einen realistischen Blick auf die Situationder Bauwirtschaft richten und diese auch offen undehrlich ansprechen. Die Bauwirtschaft wird voraussicht-lsDbdlWKvsShrhkepgfeBhcKhmtArkdtBdzossmsvdlaa
Die FDP wird sich deshalb so lange für die Eigen-eimzulage einsetzen, bis die Bürger durch eine wirkli-he Steuerreform deutlich entlastet werden.
einesfalls wollen wir uns darauf einlassen, die Eigen-eimzulage abzuschaffen, ohne zu wissen, welche Rah-enbedingungen dann für die Bildung von Wohneigen-um bestehen werden.Die große Bedeutung von Wohneigentum für dieltersvorsorge findet sich in der Antwort der Bundes-egierung in der aus meiner Sicht sehr knappen Bemer-ung wieder, dass Wohneigentum eine wichtige Säuleer privaten Altersvorsorge ist. Aber, Herr Staatssekre-är, die entscheidende Frage, ob und inwieweit sich dieundesregierung dafür einsetzen wird, die Immobilie inie staatlich geförderte private Altersvorsorge einzube-iehen, lässt die Bundesregierung in ihrer Antwort völligffen.
Die Stabilisierung der Immobilienwirtschaft als wirt-chaftlicher Faktor hängt in großen Teilen mit der ge-amtwirtschaftlichen Situation in Deutschland zusam-en. Wir müssen also die wirtschaftliche Situationtärken und dafür sorgen, dass der Mittelstand wiedererstärkt Investitionen tätigen kann. Wir müssen auchafür sorgen, dass die Wohneigentumsquote in Deutsch-nd steigt.Zu all diesen Themen liegen genügend Vorschlägeus den verschiedenen Fachbereichen vor. Jetzt kommt
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Joachim Günther
es darauf an, einige Vorschläge endlich umzusetzen.Dann wird sich auch die Situation dieser Branche wiederverbessern.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Wend.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten und tapferenKolleginnen und Kollegen! Es ist ein Verdienst derUnion, diese Große Anfrage gestellt zu haben; denn esist wichtig, dass wir uns mit dem Thema Immobilien-wirtschaft auseinander setzen. Über die Bedeutung die-ser Branche ist bereits viel gesagt worden, auch vomStaatssekretär. Es ist ebenfalls schon über die Problemeder Branche gesprochen worden. Ich möchte mich aufein Thema konzentrieren und versuchen, dazu einigesauszuführen.Das Statistische Bundesamt hat am vergangenenMontag mitgeteilt, dass in den ersten elf Monaten desletzten Jahres das Auftragsminus beim Bauhaupt-gewerbe im Vergleich zum Vorjahr auf rund 7 Prozentgestiegen ist. Die Nachfrage im Hochbau ist nach Anga-ben des Statistischen Bundesamtes im November letztenJahres um 15,1 Prozent und im Tiefbau um 6,4 Prozentgesunken. Die Bauwirtschaft selber geht davon aus, dassim laufenden Jahr etwa 30 000 Stellen abgebaut werdenmüssen. Das ist eine bedrückende Situation. Wir müssenüber die Ursachen reden und darüber, was wir als Politi-ker leisten können, um dies zu verändern.Zu den Ursachen: Natürlich ist es richtig, dass in ei-nem Teilbereich schlichtweg ein Anpassungsprozessstattfindet. Wir alle wissen, dass in den 90er-Jahren dieBauwirtschaft überhitzt wurde und dass es klüger gewe-sen wäre – das möchte ich nicht als einfache, primitiveKritik verstanden wissen –, Neubauten, die heute leerstehen, etwas weniger mit steuerlichen Subventionen zufördern und stattdessen etwas mehr für den Bestand zutun. Das leisten wir nun mit dem Programm „Stadtum-bau Ost“.
Das ist der erste Grund, über den man ruhig so offensprechen sollte.Der zweite Grund ist natürlich in der konjunkturellenLage insgesamt zu suchen. Darauf möchte ich nicht nä-her eingehen; denn darüber tauschen wir uns hier regel-mäßig aus.Der dritte Grund ist: Wir wissen, dass es inzwischenim Industriehochbau wieder aufwärts geht. Das großeProblem sind aber die fehlenden öffentlichen Investitio-nen, vor allen Dingen die fehlenden kommunalen Inves-titionen, die etwa zwei Drittel aller öffentlichen Investi-tionen ausmachen. Es stellt sich die Frage, was wir tunknipOgwSdimsdngdm2DcdndnknPswncFkzvbnghdVEdjdöIsb
Wir haben einen anderen Weg beschritten, der nacheiner Meinung vernünftig ist. Wir haben die Gewerbe-teuer so reformiert, dass die Einnahmen verstetigt wer-en, dass die ständige Berg-und-Tal-Fahrt bei den Ein-ahmen, unter der die Kommunen in der Vergangenheitelitten haben, beendet ist. Wir haben darüber hinausen Kommunen im Zuge des Prozesses der Sozialrefor-en, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben,,5 Milliarden Euro zugesichert.
ennoch werden wir letztendlich weder durch steuerli-he Regelungen noch durch sonstige Transaktionen iner Lage sein, die finanzielle Situation der Kommunenachhaltig und entscheidend zu verbessern. Ich glaube,ass sich diejenigen, die anderer Meinung sind, Illusio-en machen. Wir müssen uns vielmehr auf andere Wegeonzentrieren, um die Investitionstätigkeit auf kommu-aler Ebene zu stärken.In diesem Zusammenhang ist das Thema Öffentlich-rivate Partnerschaften bzw. Public Private Partner-hip, PPP, enorm wichtig. Warum? Natürlich hat das et-as mit der Finanzierung zu tun. Wenn die Kommunenicht mehr in der Lage sind, Geld aufzubringen, brau-hen wir Partner aus dem privaten Bereich, die bei derinanzierung öffentlicher Projekte helfen. Es wäre aberurzsichtig, Public Private Partnership nur auf die Finan-ierung von Projekten zu beschränken. Wir brauchenielmehr auch einen marktwirtschaftlichen Wettbewerbeim Betrieb von Einrichtungen. Also nicht nur die Fi-anzierung, sondern auch das Betreiben von Einrichtun-en gehört zum Thema Public Private Partnership.Wir haben in Deutschland in diesem Bereich Nach-olbedarf; daran besteht überhaupt kein Zweifel. Wir lei-en vor allen Dingen sowohl im Steuerrecht als auch imergaberecht unter Regelungen, die einen effektiveninsatz von Öffentlich-Privaten Partnerschaften behin-ern. Deswegen wird die Koalition im Laufe des Früh-ahrs gesetzgeberisch initiativ werden, um Hemmnisse,ie Public Private Partnership behindern und damit auchffentliche Investitionen verhindern, zu beseitigen.
ch glaube, mehr Investitionen auf kommunaler Ebeneind ein vernünftiger und kluger Weg, mit diesem Pro-lem umzugehen.
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Dr. Rainer WendDie Immobilienmakler fordern – ich kann mir nichtersparen, auch dazu etwas zu sagen – ein neues Standes-recht. Wenn man zwischen den Zeilen liest, dann kannman erkennen, dass Sie sich damit zumindest angefreun-det haben. Die FDP war da deutlicher. Der Staatssekretärhat dazu einiges gesagt, was ich gerne unterstreichenmöchte. Wir in diesem Haus müssen uns schon entschei-den, was wir wollen: Wollen wir Bürokratieabbau undwollen wir Deregulierung? Wenn ja, dann können wires nicht dabei belassen, uns auf im Arbeitsrecht veran-kerte Deregulierung bei den Arbeitnehmern zu konzen-trieren, während Sie neue Regulierungen anderer berufs-ständischer Bereiche, die zu Ihrer vermeintlichenInteressenssphäre gehören, fordern. Wir Politiker ma-chen uns damit unglaubwürdig. Es wäre unvernünftig,abstrakt Bürokratieabbau zu fordern und konkret neueBürokratie zu schaffen.Besonders witzig ist es – das sage ich in Ihre Rich-tung, Herr Kollege Börnsen, und in Richtung des Kolle-gen von der FDP –, dass Sie jetzt auch noch neue Statis-tiken fordern. Das ist wirklich fast zum Schießen.
Denn in fast jeder Debatte, in der es um den Wirtschafts-standort Deutschland geht, wird uns gesagt: Baut Büro-kratie ab! Hört mit den Statistiken auf! Verlangt von denUnternehmern doch nicht, dass sie dieses und jenes tun!Macht das doch alles einfacher! – Kaum wird es wiedereinmal konkret, fordern Sie die nächste Statistik.Das ist typisch für diese Diskussion. Für eine solcheForderung mag es sogar rationale Gründe geben. Aberfast jede bürokratische Regelung, die es inzwischenüberflüssigerweise gibt, war bei der Einführung plausi-bel. Daher sage ich Ihnen: Sie müssen damit selbstkriti-scher umgehen. Sie dürfen die allgemeinen politischenPhrasen nicht herunterbeten und einen Tag später, wennes konkret wird, neue Regulierungen fordern. Dass Siedas bisher so praktiziert haben, ist ein Widerspruch, mitdem Sie klarkommen müssen. Wir widmen uns demThema Immobilienwirtschaft mit großem Ernst.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Börnsen?
Ja, das verlängert meine Redezeit –
Genau.
– und strapaziert Ihre Geduld.
Herr Kollege, das muss aber sein. – Sie haben sich
dieser Thematik mit großer Umsicht und Sachkunde an-
genommen. Wollen Sie den Eindruck erwecken, eine
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige An-erkungen aus der Sicht der Wohnungs- und Stadtent-icklungspolitik machen. Wenn man sich mit der Situa-ion der Immobilienwirtschaft auseinander setzt, dannrkennt man – das ist heute, unter anderem von Herrnettlich, schon angesprochen worden –, dass man natür-ich auch die Entwicklung der Wohnungsmärkte in unse-em Land betrachten muss. Die Wohnungsmärkte ineutschland differenzieren sich immer weiter. Vor alleningen in den neuen Bundesländern sind die Leer-tandsquoten hoch. Herr Günther, es stört mich einenig, wenn Sie das hier sozusagen mit einem vorwurfs-ollen Unterton in Richtung Bundesregierung anspre-hen. Es ist einfach eine Tatsache, dass wir in den neuenundesländern einen deutlichen Bevölkerungsrückgangaben, dass die Immobilienwirtschaft, die Wohnungs-irtschaft, die Kommunen, alle miteinander mit dereerstandsproblematik zu kämpfen haben. Stärker, alsie das in den Fragen in Ihrer Großen Anfrage erkennenassen, müssen wir uns gerade in der Städtebau- undohnungspolitik mit der demographischen Entwicklunguseinander setzen, viel stärker noch, glaube ich, als
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Wolfgang Spanieretwa beim Umbau der sozialen Sicherungssysteme, weiles in unserem Bereich um langfristige Investitionengeht, die 50, 80 Jahre Bestand haben sollen.Demographische Entwicklung und Binnenwande-rung, das ist die zentrale Herausforderung für die Bau-wirtschaft, für die Wohnungswirtschaft, für die Kommu-nen und natürlich auch für die Immobilienwirtschaft. Beiallen Argumenten des Inhalts, dass sich zum Beispiel inden nächsten Jahren die Zahl der Haushalte noch spürbarerhöhen wird – die jüngste Bevölkerungsprognose hatdas noch einmal bestätigt –, muss berücksichtigt werden,dass sich der Zuwachs bei der Zahl der Haushalte in ers-ter Linie auf die ältere Generation bezieht. Die Zahl derHaushalte von Älteren wird wachsen. Das ist eine Situa-tion, auf die sich die Immobilienwirtschaft künftig sehrviel stärker einstellen wird.Es wird auf mittlere Sicht natürlich nicht nur eine ra-sante Veränderung im Altersaufbau geben – das ist schonim Gange –, sondern auch einen Bevölkerungsrückgang.Darauf müssen wir alle uns einstellen. Deshalb stört esmich, dass ich Sie in vielen Bereichen sozusagen alsVertreter der Tonnenpolitik erlebe, die glauben, eine guteBau- und Stadtentwicklungspolitik bestehe darin, wiederdie Fertigungszahlen aus den frühen 90er-Jahren zu er-reichen.
Das ist eine völlige Illusion. Das geht völlig am Marktvorbei. Die Wohnungswirtschaft hat sich längst auf eineganz andere Entwicklung eingestellt.
Wir diskutieren häufiger, auch in unserem Ausschussfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, das Thema Ei-genheimzulage. Sie haben auf die Anhörung hingewie-sen. In der Tat, einhellige Meinung ist, dass es auch zu-künftig eine Wohneigentumsförderung geben soll, aberganz gezielt, ganz eng verknüpft mit der Stadtentwick-lung. Niemand – bis auf eine Ausnahme – hat der jetzi-gen Eigenheimzulage das Wort geredet. – Das war dasErgebnis der Anhörung.Es wurde wieder einmal die Wohneigentumsquotein unserem Land beschworen. Es ist richtig: Sie hat sichin den letzten Jahren verbessert. Für völlig abwegig halteich es aber, die Höhe der Wohneigentumsquote in unse-rem Land zum entscheidenden Maßstab für die Lebens-qualität in unserem Land zu machen. Herr Börnsen,wenn es wirklich ernst gemeint war, dass das politischeZiel der Union ist, bei uns eine Quote von 77 Prozentwie in Italien zu erreichen, dann müssen Sie darüberdoch noch einmal nachdenken. Hier zeigt sich ein diffe-renziertes Bild. Es gibt große regionale Unterschiede.Bei uns in Ostwestfalen, Herr Wächter, haben wir einehöhere Eigentumsquote als etwa in Berlin, wo die Quote13 Prozent beträgt. Jetzt überlegen Sie sich einmal, wasin dieser Stadt passieren würde, wenn man sich derQuote von 77 Prozent auch nur ein Stück weit nähernwnisIinAsSdsaddSminslWwuDelghrDfvs
ch muss Ihnen ganz offen sagen: Den Stein der Weisenn der Frage, wie das denn zu praktizieren ist, hat bisheriemand gefunden. Es wird sicherlich eine gemeinsameufgabe der nächsten Monate, vielleicht Jahre sein, einchlüssiges vernünftiges Konzept dafür zu finden. In derache sind wir uns darüber einig. Ich habe das Gefühl,ass man im Grunde genommen nur Überschriften vorich her trägt und der entscheidende Durchbruch nochussteht.Noch zwei wichtige Anmerkungen, wenn ich dasenn darf, Frau Präsidentin.
Das hängt von der Kürze ab.
In aller Kürze.
Die erste Anmerkung. Aus Ihren Fragen wird wieder
eutlich, dass Sie einen grundsätzlichen Fehler machen.
ie sehen nur die Wohnung, nur die Immobilie. Wir
üssen aber Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik
m Zusammenhang sehen.
Die zweite Anmerkung; sie betrifft das Antidiskrimi-
ierungsgesetz. Herr Börnsen, Sie haben es sich mit der
ehr vehementen pauschalen Ablehnung heute etwas zu
eicht gemacht, glaube ich.
ir sind jetzt in der parlamentarischen Beratung. Wir
erden eine Anhörung durchführen. Ich glaube, dass wir
ns mit diesem Gesetz, über dessen Ziel es ja wohl keine
ifferenzen zwischen uns gibt, noch differenziert aus-
inander setzen müssen. Dass wir dabei auch die Be-
ange der Wohnungswirtschaft, gerade weil wir an aus-
ewogenen Mieterstrukturen interessiert sind, im Auge
aben, werden Sie in den kommenden gemeinsamen Be-
atungen sicherlich merken.
Herzlichen Dank.
Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufrucksache 15/4714 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerIch rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltauschusses zudem Antrag der Abgeordneten DietrichAustermann, Steffen Kampeter, Bernhard Kaster,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUAusweitung der Öffentlichkeitsarbeit der Bun-desregierung in Zeiten knapper Kassen– Drucksachen 15/3311, 15/3557 –Berichterstattung:Abgeordnete Walter SchölerBernhard KasterAnja HajdukOtto FrickeNach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aus-sprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist auch so beschlossen.Das Wort hat zunächst der Abgeordnete GerhardRübenkönig.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vorhin hat einer von den tapferen Abgeordneten gespro-chen, die noch hier sind. Ich denke, sie sind nicht nurtapfer, sondern auch daran interessiert, was in punctoÖffentlichkeitsarbeit geschieht.Wir haben vor gut einem halben Jahr, nämlich am17. Juni 2004, bereits Gelegenheit gehabt, die Große An-frage der CDU/CSU zu diesem Thema intensiv zu bera-ten und zu besprechen. Deshalb bin ich Ihnen, liebe Kol-leginnen und Kollegen von der CDU/CSU, wirklichdankbar, dass Sie mir erneut die Gelegenheit geben, IhrWissen zu vervollständigen und Ihre unhaltbaren Ver-dächtigungen richtig zu stellen.
Auch heute, ein halbes Jahr später, sprechen die Faktenfür sich.
Der Kollege Kaster hat freundlicherweise die Titel fürÖffentlichkeitsarbeit im Haushalt 2005 in einer Liste zu-sammengestellt und einer genauen Analyse unterzogen.Als Mittel für Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Bun-desregierung sind rund 84 Millionen Euro ausgewiesen.
Er hat diese Liste vor wenigen Tagen ganz offiziell denMedien präsentiert und dabei bekannt gegeben, dass erjetzt 39 Millionen Euro für die Flutopferhilfe einsparenwill. Allein bei den Ausgaben für Fachinformationen,die er auf rund 81 Millionen Euro beziffert, will der Kol-lege 28 Millionen Euro einsparen.Il„nlBEdgsKrwsuzMglerKrltHganAtdsaiFsesgnsSvf
ch erspare mir hier, Ihnen die detaillierte Aufschlüsse-ung darzulegen. Sie können sie in der TageszeitungDie Welt“ vom 22. Januar 2005 nachlesen. Ich möchteur ein Beispiel daraus zitieren.Es wird dort vorgeschlagen, die Mittel für die Öffent-ichkeitsarbeit des Presse- und Informationsamtes derundesregierung von 19 Millionen auf 9,5 Millionenuro zu kürzen. Als formale Begründung hierfür wirdie Aufbringung von Mitteln für die Flutopferhilfe ange-eben. Vor dem Hintergrund dieses tragischen Ereignis-es sollten Sie aber, wie ich denke, auf diese Art vonampagnen verzichten.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregie-ung hat seine Pflicht getan und genauso wie das Aus-ärtige Amt die Bevölkerung über alle mit der Flut zu-ammenhängenden Fragen informiert, und zwar genaunter Verwendung der Mittel, die Herr Kaster nun kür-en möchte.
it diesen Mitteln wurde unter anderem eine Sonderaus-abe der Onlinezeitung „e.velop“, also des entwick-ungspolitischen Internetmagazins der Bundesregierungrstellt. Als Autoren dieser Ausgabe konnten unter ande-em Rudolf Seiters, der Präsident des Deutschen Rotenreuzes, und der Sekretär der Deutschen Bischofskonfe-enz, Pater Hans Langendörfer, gewonnen werden.Vor gut einer Woche hat der Bundespräsident anläss-ich des Staatsaktes für die Opfer der Flutkatastrophe un-erstrichen, dass die Menschen in Deutschland vollerilfsbereitschaft sind und Solidarität mit den Opfern zei-en. Die 500 Millionen Euro, die die Bundesregierungus öffentlichen Mitteln bereitgestellt hat, hat er als ei-en angemessenen Betrag bezeichnet. Ob der jetzigentrag des Abgeordneten Kaster ein angemessener Bei-rag in der Diskussion um konkrete Flutopferhilfe ist,
arf man zu Recht bezweifeln. Ich für meinen Teil findeeine Art, die Flutkatastrophe zu nutzen, um auf sichufmerksam zu machen, nicht angemessen und – wennch das so sagen darf – beschämend.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass es nicht um dieinanzierung von 500 Millionen Euro geht, die – gemes-en an dem Gesamtetat von 251 Milliarden Euro – überinen Zeitraum von fünf Jahren nur 0,44 Prozent des Ge-amthaushaltes betragen. Wäre es wirklich darum ge-angen, dann hätte unser Kollege nach eigener Berech-ung beispielsweise den Etat des Bundespresseamtestatt um 9,5 Millionen um 83 600 Euro gekürzt. Wennie nachrechnen, stellen Sie fest, dass dies dem Anteilon 0,44 Prozent an den Ausgaben für Presse- und Öf-entlichkeitsarbeit entspricht.
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Gerhard RübenkönigBegrüßenswert an diesem Vorschlag ist allein die Tat-sache, dass sich die Union endlich zur Höhe der Flutop-ferhilfe bekennt. Dies war nicht immer so. Der KollegeAustermann, der heute sicherlich schon auf großer Wahl-kampftour in Schleswig-Holstein ist, hatte den Betragam 29. Dezember 2004 noch als „Hochstapelei ohneSchadensbilanz“ bezeichnet.
Wie wir alle wissen, hat unser Kollege, Finanzministerin spe,
auch sonst zu Zahlen ein recht eigenwilliges Verhältnis.So hat er doch in seiner Pressemitteilung vom29. Dezember 2004 der Bundesregierung vorgehalten,allein im Jahr 2004 250 Millionen Euro für Öffentlich-keitsarbeit ausgegeben zu haben.
Hiervon seien lediglich knapp 100 Millionen Euro offi-ziell im Etat ausgewiesen.
Herr Austermann wird nicht müde, wider besseres Wis-sen – das hätte ich auch gesagt, wenn er heute anwesendwäre – falsche Zahlen zu verbreiten.
– Die Sache wird nicht dadurch besser, Herr Kampeter,dass Sie laufend dazwischenrufen.Tatsache ist: Im Jahr 2004 sind für Öffentlichkeitsar-beit 86,8 Millionen Euro veranschlagt gewesen. UnserKollege hat diese Zahl auf knapp 100 Millionen Euroaufgerundet, indem er die Mittel für Öffentlichkeitsar-beit anderer Verfassungsorgane dazugezählt hat. DerKollege Kaster hatte gemeinsam mit dem KollegenAustermann die vermeintliche Gesamtsumme von200 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit im Jahr2004 ermittelt.In Anbetracht des Durcheinanders, welches Sie, Kol-leginnen und Kollegen der Opposition, in diese Debatteimmer wieder hineinbringen, können die Menschen inSchleswig-Holstein froh sein, dass Sie, lieber Herr Kol-lege, dort nicht die Chance bekommen, Minister zu wer-den.Ich möchte Ihnen einen weiteren Beleg Ihrer unver-antwortlichen Kampagne gegen die Öffentlichkeitsarbeitder Bundesregierung vorhalten. In einer gemeinsamenPressemitteilung zählen die angeblichen Experten fürÖffentlichkeitsarbeit der CDU/CSU-Fraktion auch die inBerlin geplante Veranstaltung zur Fußballweltmeister-schaft 2006 dazu, um „die Bundesregierung rechtzeitigvor der Bundestagswahl in Szene zu setzen“. Auch hierlsuazufWgsr&sKwsIhKr–igmvJkdkzggVgii
Dies wird im Übrigen auch Ziel der Imagekampagneür den Standort Deutschland anlässlich der Fußball-M 2006 sein. Wir sind gespannt, ob die Herren Kolle-en Kaster und Austermann immer noch der Meinungind, bei dieser Kampagne handele es sich um Regie-ungs-PR. Der Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz Friends, Ihr Parteifreund Herr Heilmann – er ist Ihnenicherlich bekannt –, der wie viele andere auch an dieserampagne mitwirken wird,
ürde Ihnen gerne Nachhilfeunterricht geben.Die SPD-Bundestagsfraktion ist jedenfalls zuver-ichtlich, dass eine übergreifende und überparteilichemagekampagne unserem Land und den Menschen, dieier leben und arbeiten, nur helfen kann.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
aster?
Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende füh-en.
Herr Koppelin, schön, dass es hier am Freitag so lustigst. Damit können wir weitermachen. Aufgrund der fort-eschrittenen Zeit – viele schauen schon auf die Uhr –öchte ich aber die Debatte nicht durch das Zulassenon Zwischenfragen verlängern.Der Kollege Kaster hat sich bereits zu Beginn diesesahres mit dem Thema „Flut und Regierungsöffentlich-eitsarbeit“ beschäftigt. Er war damals der Auffassung,ass es angesichts der Flutkatastrophe nicht angehenönne, die Bevölkerung der Bundesrepublik über dieum Jahresanfang anstehenden vielfältigen Veränderun-en zu informieren. Ich sage Ihnen, dass die Bundesre-ierung mit ihrer Information zum Jahreswechsel ihrererpflichtung Rechnung trägt, die Bürgerinnen und Bür-er über aktuelle Schwerpunkte der Regierungspolitik zunformieren. Allein der Umfang der zum Jahreswechseln Kraft gesetzten Reformen, darunter die letzte Stufe
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Gerhard Rübenkönigder Steuerreform, Hartz IV, die LKW-Maut, das Alters-einkünftegesetz und das Kinderbetreuungsgesetz, recht-fertigt das Erscheinen solcher Informationsbeilagen.Im Übrigen ist es paradox – das will ich an dieserStelle feststellen –, dass Sie noch im Sommer monierthaben, dass die Bundesregierung zu wenig tue, um dieÖffentlichkeit über Hartz IV zu informieren, und sichjetzt darüber aufregen, dass sie darüber informiert hat.Findet Information statt, ist sie falsch oder verfassungs-widrig; nimmt sich die Bundesregierung zurück, wirdInformation umso heftiger angemahnt.Lassen Sie mich zum Antrag auf Drucksache 15/3311zurückkommen. Der Haushaltsausschuss hat bereits Ab-lehnung empfohlen. Er hat gut daran getan; denn im An-trag heißt es – ich zitiere –:Insgesamt gibt die Bundesregierung … 2004 über200 Mio. Euro für öffentlichkeitswirksame Maß-nahmen aus.Sie alle wissen, dass das falsch ist, behaupten es aber im-mer wieder. Es ist sogar mehrfach nachgewiesen wor-den, dass das falsch ist. Dies hat die Antragsteller abernicht beeindruckt. Stattdessen erhöhen Sie von Mal zuMal die Summe. Dieses geheimnisvolle Zahlenspielsollten Sie einmal dem Hohen Hause erläutern. Ich binmir nicht einmal sicher, ob Sie es selbst können.
– Ich lasse keine Zwischenfrage zu, Herr Kollege Kaster.Tatsache ist – bitte hören Sie zu! –, dass Sie einenMonat vor Heiligabend, am 24. November 2004, in IhrerHaushaltsrede davon gesprochen haben, dass die Bun-desregierung fast 250 Millionen Euro für Werbung undÖffentlichkeitsarbeit „verprasst“. Das ist eine viertelMilliarde nur für Anzeigen und Plakate. Die Summewäre in der Tat ein großzügiges Weihnachtsgeschenk derOpposition. Ein Antrag der Opposition, die Mittel aufdiese Summe anzuheben, ist mir jedoch nicht bekannt.Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Frak-tion hat seinerseits nochmals diese Summe genannt.Aber wer es schon bei 200 Millionen Euro nicht so ge-nau nimmt, der kommt dann auch leicht auf250 Millionen Euro.Noch nie zuvor hat eine Regierung dermaßen vielenotwendige Reformen – diese wurden unter Ihrer Re-gierung versäumt – durchgeführt. Häufig waren dies Re-formen, die den Bürgerinnen und Bürgern etliches ab-verlangt haben. Medienexperten würden in dieserSituation immer dazu raten, die Mittel für die Öffentlich-keitsarbeit massiv zu erhöhen. Sie wissen genau: Das istnicht der Fall gewesen. Die Bundesregierung hat sichgerade im vergangenen Jahr diesbezüglich sehr zurück-genommen.Die PR-Fachzeitschrift „Horizont“ hat in ihrer Aus-gabe vom 20. Januar 2005 den Bruttowerbeaufwand inklassischen Medien zusammengestellt und dabei die30 werbeintensivsten Branchen des Jahres 2004 vorge-stellt. Unter diesen 30 werbeintensivsten Branchen wer-den Sie die Bundesregierung nicht finden.sEsaduWthPdÖpRNclbbkdke–Agr2sdstHhgtesdjeRDMted
Wir haben mehrfach darüber gesprochen.Dies war übrigens auch bei der so heftig kritisiertennzeige zum Jahresende der Fall, für die die Bundesre-ierung rund 520 000 Euro aufgewendet hat. Sie hat da-in über die Maßnahmen informiert, die zum 1. Januar005 wirksam geworden sind. Wer sich über diese sechs-eitige Anzeige hinaus noch informieren wollte, dem hatas Bundespresseamt knapp 40 Seiten zur Verfügung ge-tellt – die hätten Sie mal lesen sollen –, auf denen de-ailliert über die Gesetzesänderungen berichtet wird.
ätte die Bundesregierung nicht darüber informiert,ätte man ihr zu Recht den Vorwurf gemacht, pflichtver-essen zu sein.Im Jahr 2004 hat das Bundespresseamt aus den Mit-ln seines Haushalts für Öffentlichkeitsarbeit auch ver-chiedene Maßnahmen unterstützt, um insbesondere inen neuen Ländern im Rahmen von bezuschussten Pro-kten junge Menschen zur Auseinandersetzung mit demechtsextremismus anzuregen.
ie Bundesregierung hat hier eine Vielzahl staatlicheraßnahmen ergriffen. Viele Ministerien wirken mit, un-r anderem das Wirtschafts- und Arbeitsministerium,as Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
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Gerhard Rübenkönigund Jugend und das Innenministerium sowie das Bun-despresseamt.
Zum Teil werden hierfür auch Mittel für die Öffentlich-keitsarbeit verwendet. Insbesondere vor dem Hinter-grund der entsetzlichen Ereignisse im SächsischenLandtag, die wir alle in den letzten Tagen diskutiert ha-ben, ist zu fragen, ob der Abgeordnete Kaster diese Mit-tel wirklich um 50 Prozent kürzen will. Aber dazu wirder uns gleich sicherlich etwas sagen.Jenseits des Wahlkampfgetöses bitte ich darum, dasswir uns in Erinnerung rufen, was das Bundesverfas-sungsgericht über die Regierung und ihre Öffentlich-keitsarbeit gesagt hat – ich zitiere –:Jede verantwortliche Politik kann zu unpopulärenMaßnahmen gezwungen sein. Insbesondere könnenim Bereich der staatlichen Wirtschafts- und Sozial-politik Maßnahmen zulasten der Bürgerinnen undBürger oder einzelner Gruppen von ihnen im Ge-samtinteresse geboten sein, ohne dass deren Not-wendigkeit der Aktivbürgerschaft unmittelbar ein-sichtig ist. Auch hier ist es Aufgabe staatlicherÖffentlichkeitsarbeit, die Zusammenhänge offen zulegen, Verständnis für erforderliche Maßnahmen zuwecken oder um ein konjunkturgerechtes Verhaltenzu werben.Ich denke, dies ist richtig.
Genau das, Herr Kaster, macht die Bundesregierungim Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Dies ist im Übri-gen auch von den Vorgängerregierungen jenseits allerstrittigen Sachentscheidungen im Kern nie anders gewe-sen.Ich komme zum Schluss und ziehe folgendes Fazit:Ich habe Verständnis für das Wahlkampfgetöse, das Siein diesem Hause immer wieder veranstalten. Haben Sieaber bitte auch Verständnis dafür, dass wir als SPD-Bun-destagsfraktion diesem Gepolter, diesem durchsichtigenManöver nicht folgen. Es ist Ihnen nicht gelungen – undes wird Ihnen auch nicht gelingen –, die Presse- und Öf-fentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in ein schiefesLicht zu rücken, auch wenn Sie immer wieder andereBehauptungen aufstellen.In diesem Sinne darf ich mich ganz herzlich für IhreAufmerksamkeit bedanken.
Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Bernhard Kaster.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich angesichts
der nicht sehr starken Präsenz der sozialdemokratischen
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Unser bereits im vergangenen Jahr eingebrachter An-
rag zur Begrenzung der Öffentlichkeitsarbeit auf die der
undesregierung obliegenden Informationspflichten hat
erade in dieser Woche eine beschämende Aktualität be-
ommen. Seit dem vergangenen Montag steht fest, dass
ich die Bundesregierung mit ihrem Regierungssprecher
on seriöser Informationspolitik endgültig verabschiedet
at. Man glaubt, nicht richtig zu hören, aber der Prozess-
ertreter der Bundesregierung ließ in einem Landge-
ichtsprozess gegen die Bundesregierung erklären, der
egierungssprecher habe hinsichtlich des Verschwin-
ens einer mittlerweile schon berühmt gewordenen Fo-
odiskette gelogen.
it dieser Erklärung aber nicht genug: Die Bundesregie-
ung lässt in öffentlicher Verhandlung weiter erklären,
er Regierungssprecher dürfe auch lügen.
Dass Regierungssprecher Béla Anda auch verschie-
ene Medien zur Verbreitung von Unwahrheiten ange-
tachelt hat, interessiert in dieser Bundesregierung nie-
and. Herr Anda hat nicht nur seine ganze Funktion
nfrage gestellt,
ondern er hat jegliches Vertrauen in der Öffentlichkeit,
n der Bevölkerung und in der Presse verspielt.
Herr Kollege, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage
es Kollegen Rübenkönig?
Gerne.
ch führe diesen Gedanken nur zu Ende. – Dieser Regie-ungssprecher – das müsste die Meinung Ihrer Fraktion,ber auch die Meinung des Kanzlers sein – ist so nichtehr tragbar.
Ich lasse die Zwischenfrage jetzt gerne zu.
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Herr Kollege Kaster, in Ihrem Beitrag haben Sie er-
neut den Rechtsstreit zwischen einem Fotojournalisten
und der Bundesrepublik Deutschland angesprochen, in
dem es um eine verschwundene Fotodiskette geht. Wie
bereits in der Fragestunde am vergangenen Mittwoch
arbeiten Sie mit Unterstellungen und Vermutungen. Dies
ist einfach unfair, um es einmal vorsichtig und höflich
auszudrücken.
Nehmen Sie doch schlicht und ergreifend die Tatsa-
che zur Kenntnis,
dass ein Fotojournalist die Bundesrepublik Deutschland
wegen angeblicher Amtspflichtverletzung durch den Re-
gierungssprecher Béla Anda verklagt hat und dass diese
Klage durch das Landgericht Berlin abgewiesen wurde.
– Jetzt kommt die Frage:
Wieso stellen Sie das unter diesen Prämissen heute er-
neut dar? Das zeigt einfach, dass Sie immer wieder wi-
der besseres Wissen
falsche Tatsachen hier in den Raum stellen. Ich möchte
wissen, warum Sie das tun.
Es wäre schön – um die Frage zu beantworten –,
wenn diese Tatsache falsch wäre. Das müssen wir uns ei-
gentlich wünschen. Aber wenn ich von Teilnehmern ei-
ner öffentlichen Gerichtsverhandlung höre und der ent-
sprechenden Berichterstattung dazu entnehme, dass die
Bundesregierung durch ihren Prozessvertreter eine Aus-
sage zum Regierungssprecher zu einem Vorgang macht,
der sich während eines Staatsbesuchs abgespielt hat,
kann man das hier durchaus anbringen; denn das, was
dort gesagt worden ist, ist schon bemerkenswert.
Schließlich geht es um einen Staatssekretär, der Regie-
rungssprecher ist, bei dem es besonders auf den
Wahrheitsgehalt der Informationen und seine Glaubwür-
digkeit ankommt. Der Prozessvertreter der Bundes-
regierung hat im Prozess gesagt, der Regierungsspre-
cher habe gelogen und er dürfe das auch.
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eitungen, Medien angerufen und darum gebeten hat,
enau diesen unwahren Punkt zu verbreiten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
ampeter?
Ja, die lasse ich gerne zu.
Herr Kollege Kaster, darf ich Ihre Einlassungen so
erstehen, dass der Regierungssprecher zwar erst-
nstanzlich – –
Sie haben, Herr Kollege, die Verhandlungsführung
icht zu kritisieren.
Jetzt hat der Kollege Kampeter das Wort.
Herr Kollege Kaster, darf ich Ihre Einlassung dahin
ehend interpretieren oder so verstehen, dass erstin-
tanzlich – und noch nicht rechtskräftig – der Regie-
ungssprecher zwar von dem Vorwurf der Amtspflicht-
erletzung freigesprochen worden ist, dass aber der
rozessvertreter der Bundesregierung allen Ernstes ge-
agt hat, es sei zulässig, dass ein Regierungssprecher pri-
at lügt, und dass es nur dann sanktionsfähig ist, wenn er
ienstlich gelogen hat?
Diese Frage kann ich bestätigend beantworten. Ichill noch hinzufügen, dass die Frage „Privat oder imienst?“ in der Weise in den Mittelpunkt gestellt wordenst, dass künftig Medienvertreter, die einen Anruf desegierungssprechers bekommen, scheinbar die Frage
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Bernhard Kasterstellen müssen, ob es ein dienstlicher Anruf oder ein pri-vater Anruf von Herrn Anda ist.
Die aktuellen Ereignisse dieser Woche haben dazu ge-führt, dass ich mich so eingehend mit diesem Sachver-halt beschäftigt habe. Ich will in meiner Rede aber auchzu anderen Dingen kommen, weil ich meine, dass dieserVorgang hoffentlich nicht ein vorläufiger, sondern derletzte Höhepunkt einer unrühmlichen Entwicklung seitdem Amtsantritt von Herrn Anda ist. Dieser Regierungs-sprecher hat zudem in seiner zweijährigen Amtszeit öfterErwähnung in Rechnungshofberichten gefunden als inden Medien.
Ich erinnere an zahlreiche Beanstandungen des Bundes-rechnungshofes;
ich erinnere an zahlreiche Verstöße gegen das Haushalts-und Vergaberecht im Bundespresseamt und ich erinneredaran, dass die Kernaufgaben des Bundespresseamteszwischenzeitlich bei Werbeagenturen liegen. Hier gibtes inzwischen nicht einen, zwei oder drei, nein, hier gibtes inzwischen zwölf Rahmenverträge, die der offensicht-lich allein vollkommen überforderte Regierungssprecherabgeschlossen hat. Dazu werden allein im Bundespres-seamt – und das mit immer neuen Begründungen – dieHaushaltsmittel auf Rekordniveau gehalten oder sogarweiter erhöht. Letztes Jahr gab es einen Anstieg von12 Prozent; als Begründung musste die europäische Ost-erweiterung herhalten.
Dieses Jahr – Herr Rübenkönig hat es angesprochen –hat man natürlich wieder einen neuen Grund gefunden,den PR-Etat auf Rekordniveau zu belassen: Wegen derFußballweltmeisterschaft im Jahr 2006
müssen Millionenbeträge schon im Jahr 2005 zur Verfü-gung gestellt werden.
Das ist ganz unabhängig davon, dass die deutsche Indus-trie und andere Mittel für diesen Zweck für 2006 vorge-sehen haben.
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eld für Anzeigen und Plakate fließt und sich untererücksichtigung von Fachinformationstiteln und Zu-chussprogrammen die PR-Ausgaben nicht nur verdop-eln, sondern fast verdreifachen.
ie Zahlen könnte man hier alle ausbreiten. Widerstandnd Kritik sind drittens angebracht, wenn mit steuer-inanzierter, die Stimmung beeinflussender Imagewer-ung auf Landtagswahlen eingewirkt werden soll
nd sich die Bundesregierung für die Bundestagswahl006 bereits heute einen PR-Vorteil verschaffen will.
Es geht hier um etwas Grundsätzliches. Wenn inzwi-chen eine viertel Milliarde Euro für die Regierungs-PRusgegeben wird, die zudem überwiegend nicht der In-ormation, sondern der Beeinflussung politischer Stim-ungen dienen soll, muss die Frage nach der Gewähr-eistung eines fairen politischen Wettbewerbs zwischenegierung und Opposition hier im Hause gestellt wer-en.Das Bundesverfassungsgericht hat das auf den Punktebracht. Die obersten Verfassungsrichter haben in ih-em Urteilsleitsatz schon 1977 festgestellt: Den Staatsor-anen, also vor allem der Bundesregierung, ist esvon Verfassungs wegen versagt, … insbesonderedurch Werbung die Entscheidung des Wählers zubeeinflussen.
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Bernhard KasterDas heißt, dass auf stimmungsverbessernde Effektezielende Werbeplakate nicht mit Steuergeldern finanziertwerden dürfen.
Ich sage Ihnen: Wenn Ihr Medienkanzler durch Plakateund Anzeigen Imageverbesserung betreiben will, dannmuss er sich an seinen Parteichef wenden, damit der dasbezahlt.
Meine Damen und Herren, je dramatischer unsereHaushaltslage wird, desto ungehemmter verprassen SieWerbemillionen – ich will Ihnen gerne belegen, dass die-ses Wort angebracht ist –: Der sich selbst als Sparminis-ter lobende Herr Eichel hat seinen PR-Etat in denJahren 2004 und 2005 gegenüber den Vorjahren um125 Prozent erhöht.
Ich sage Ihnen, was dabei herauskommt: Es sind Anzei-gen und Plakate, auf denen „42 Prozent Spitzensteuer-satz“ geschrieben steht und auf denen ein Chinese eineParkuhr bedient.
Ich habe die Botschaft dieses Plakates bzw. dieserAnzeige bisher nicht verstanden; vielleicht verstehen Siesie. Daher habe ich sehr viele gefragt und nach einerAntwort gesucht. Die eine Hälfte derer, die ich gefragthabe, hat nur den Kopf geschüttelt, konnte dazu aber garnichts sagen.
Die andere Hälfte hat beim Anblick der veralteten Park-uhr an Abzocke, Knöllchen und Ähnliches gedacht.
Aber die Lösung, welche Botschaft dieses Plakat be-inhaltet, weiß jemand in der Bundesregierung. Aufgrundmeiner Frage hat mir die Staatssekretärin im Bundes-finanzministerium folgende Antwort gegeben – ich zi-tiere –:
Im gewählten Bildmotiv „Spitzensteuersatz von42 Prozent“ engagiert sich ein ausländischer Inves-tor in Deutschland.
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf den Internet-eiten des Bundespresseamtes findet sich der richtigeinweis, dass jeder Bundesbürger das Recht auf Infor-ation hat – aber nicht zur Duldung solch eines Un-inns,
er inzwischen in einer Größenordnung von 200 Mil-ionen Euro pro Jahr betrieben wird.
Das Bundespresseamt nimmt mittlerweile selbst inen einzelnen Ministerien niemand mehr ernst.
irtschaftsminister Clement hat angesichts des vomundespresseamt im vergangenen Sommer – damalsam die Kritik insbesondere aus Ihren eigenen Reihen –erursachten Kommunikationsdesasters zu Hartz IVanikartig selbst die Initiative ergriffen. Neben seinemegulären Etat für Öffentlichkeitsarbeit stehen dem Wirt-chaftsminister im Haushalt zusätzlich 14 Millio-en Euro für die Kommunikation des Hartz-Konzeptesur Verfügung.
Man glaubt es nicht: Diese 14 Millionen Euro habenm vergangenen Jahr nicht ausgereicht.
taatssekretär Andres schrieb mir vor wenigen Tagen,as Wirtschaftsministerium – jetzt höre man genau hin –abe im September 2004 entschieden, die notwendigend umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durch außer-lanmäßig beantragte Haushaltsmittel zu verstärken.iese Liste ließe sich weiter fortsetzen.Zwischendurch will ich anmerken: In Großbritan-ien wird im Moment eine Diskussion darüber geführt,ie Mittel, die Regierungschef Tony Blair für seine Öf-entlichkeitsarbeit einsetzt – es handelt sich um 2,3 Mil-ionen Euro –,
ieber für Schulen und Krankenhäuser zu verwenden.ber solche Beträge kann man in Deutschland nurachen. Mittlerweile sind wir, was den Umfang der
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Bernhard Kastersteuerfinanzierten PR für die Bundesregierung anbe-langt, Europameister.
Die Verpackung wird für die Bundesregierung wichti-ger als die Inhalte, und die Arbeitslosenzahlen steigen inneue Rekordhöhen.
Aber die Bundesregierung hat nichts Wichtigeres zu tun,als sich beispielsweise am 30. Dezember letzten Jahresin deutschen Tageszeitungen, unter anderem in der„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, mit sechs farbigenAnzeigenseiten selbst zu feiern.
Im Übrigen geschah das fast zeitgleich mit Spendenauf-rufen anlässlich der Flutkatastrophe.
Herr Kollege Rübenkönig, Sie haben die Flutkata-strophe angesprochen, diese Menschheitstragödie, diesich in Südasien ereignet hat. Damit hier keine Unklar-heiten bestehen – Sie haben ja einige Behauptungen inden Raum gestellt; dabei wissen Sie genau, wie wir unsim Haushaltsausschuss dazu geäußert haben –:
Wir stehen zu dieser Hilfe, zu den 500 Millionen Euro,die zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber, meineDamen und Herren, dann muss schon die Frage erlaubtsein, wie wir dieses Geld angesichts der Dramatik in un-serem Haushalt aufbringen wollen.
Wir sind der Auffassung, das ist zu finanzieren: Wennman sich, wie ich Ihnen hier aufgezeigt habe, einen PR-Etat von jährlich 200 Millionen Euro leisten kann, dannliegt es meines Erachtens auf der Hand, wo Sparpoten-ziale zu finden sind. Das kann man sehr seriös in dieDiskussion einbringen. Wir können da sparen, wo diePolitik nicht direkt berührt wird, wo aber Übermaß vor-handen ist. Diese Sparpotenziale sind in jedem Fall aus-zuschöpfen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Alexander Bonde.
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er mit großem Trara der Öffentlichkeit vorgestellt wor-en ist. Alleine das Geschrei des Kollegen Austermannann aber noch nicht „öffentliche Aufregung“ genannterden.
Es läuft immer genau so ab: Mit großem Geschreiird ein Antrag vorgestellt, der später still und leise wie-er kassiert wird, wenn der angebliche Skandal nicht ge-ogen hat. Gewisse Ähnlichkeiten gibt es ja mit dem,as wir diese Woche in Sachen Steuerreformkonzepter Opposition erlebt haben: Es wird gerade still undeise in den Ausschüssen verabschiedet. Vom Bierdeckelon Friedrich Merz ist nichts mehr zu erkennen. Es stehtlso ein gewisses System dahinter, Anträge einzubrin-en, die es nicht schaffen werden, in die Parlaments-eschichte einzugehen. Der heutige gehört gewiss dazu.
Ich bin froh, dass Sie in Ihrem Antrag wenigstens ei-en positiven Hinweis geben: den Hinweis auf das Urteiles Bundesverfassungsgerichts zum Thema „staatlicheffentlichkeitsarbeit“. Bedauerlicherweise wurde diesesrteil offensichtlich nicht vollständig gelesen; sonst wä-en Sie auch auf den interessanten Satz gestoßen:Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der po-litischen Willensbildung des Volkes setzt voraus,dass der einzelne von den zu entscheidenden Sach-fragen genügend weiß, um sie beurteilen, billigenoder verwerfen zu können.as hat Ihr Antrag damit zu tun? Reichlich wenig. Sieetzen sich mit vermeintlich oder tatsächlich gestiegenenudgets für Öffentlichkeitsarbeit auseinander. Mal un-erstellt, die Zahlen wären so, wie Sie behaupten: Warumetzen Sie sich überhaupt nicht damit auseinander, dassas einen Hintergrund haben könnte?Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun habech großes Verständnis dafür, dass man in 16 Jahrenichtstun nichts zu kommunizieren hatte.
enn ich mir dagegen anschaue, was Rot-Grün in denetzten Jahren angegangen ist, muss ich Sie ernsthaft fra-en: Hätten wir das etwa nicht kommunizieren sollen?
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Alexander BondeHätten wir den Bürgerinnen und Bürgern etwa nicht er-klären sollen, was passiert? Nehmen wir doch dieAgenda 2010, die der Kollege Kaster schon als Beispielin den Raum gestellt hat: Wir haben in einem schmerz-haften Prozess ein hartes Reformpaket verabschiedet,das fast jede Bürgerin und jeden Bürger betrifft; undzwar ganz persönlich. Wir mussten erleben, wie die Op-position gleichzeitig gezielt Desinformationen verbreitethat. An dieser Stelle schreien Sie nicht – zu Recht.
Herr Kollege Austermann, die Hälfte Ihrer Fraktionhat in der Öffentlichkeit verkündet, dass die Regierungihre Vorhaben besser kommunizieren müsse, dass siemehr kommunizieren müsse und wie sie das tun solle.
Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie uns eigent-lich vorwerfen wollen! War es richtig, dass die Bundes-regierung dieses harte Reformkonzept mit großem finan-ziellen Einsatz kommuniziert hat? Hat das entscheidenddazu beigetragen, dass die Akzeptanz der Bürgerinnenund Bürger in dieser Frage inzwischen da ist? Natürlichhat es damit etwas zu tun!
Dass Sie sich an dieser Stelle so aufplustern, hat na-türlich einen Grund. Sie sprechen von der Chancen-gleichheit zwischen der Regierung und der Opposition.Ich sage Ihnen ganz genau, wo über die Chancengleich-heit entschieden wird. Das entscheidet sich nämlich andieser Stelle hier. Sind Sie in der Lage – dass Sie dazubereit sind, gestehe ich Ihnen ja vielleicht noch zu –, sichinnerhalb Ihrer eigenen Reihen bei irgendeinem Reform-projekt auf eine tragfähige Konzeption zu einigen?
Genau hier stellt sich nämlich die Frage der Chancen-gleichheit zwischen der Regierung und der Opposition.Es geht dabei also nicht um die Frage, ob es richtig ist,dass die Regierung viel tut, und auch nicht darum, dasssie dies durch ihre Öffentlichkeitsarbeit entsprechendkommuniziert.Herr Kollege Kaster, ich kann verstehen, dass SieAngst davor haben, dass Informationen über die be-schlossenen Reformen nach draußen getragen werden.BSSüKmadfAdidddhseIbDesmadWGdDivdawÖggt
ass die Bundesbürger, die nicht in diesem Hause sitzen,in gutes Recht darauf haben, mitzubekommen, dassich in Sachen Steuerreform etwas bewegt hat, und dassan darauf hinweist, dass es in Deutschland natürlichuch bei den Auslandsinvestitionen Impulse gibt, istoch völlig richtig.
enn Sie an dieser Stelle fachlich oder aufgrund Ihreseschmacks nicht in der Lage sind, das zu erkennen,ann ist das das eine.
as sagt aber überhaupt nichts darüber aus, ob es richtigst, Informationen über das, was hier getan wurde, zuerbreiten.Möglicherweise haben Sie etwas gegen Parkuhren;as gestehe ich Ihnen zu. Diese Diskussion kenne ichus der Kommunalpolitik. Ich sage Ihnen aber eines: Sieerden es mit Ihren fadenscheinigen Ausführungen zurffentlichkeitsarbeit und mit Ihrem ständigen Hinein-rätschen nicht schaffen, die Reformpolitik dieser Re-ierung in den Schmutz zu ziehen.
Kollegen Kaster und Austermann, Sie wären gut bera-en, sich einmal in die konzeptionelle Diskussion Ihrer
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Alexander BondePartei einzuklinken. Stellen Sie den politischen Wettbe-werb an der Stelle her, um die es geht! Legen Sie Kon-zepte auf den Tisch und hören Sie auf, kurz vor Feier-abend, wenn sich im Parlament eigentlich niemand mehrwirklich dafür interessiert, diese Spielchen zu spielen!Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jürgen Koppelin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich denke, es ist das gute Recht einer Opposition, nach
der Öffentlichkeitsarbeit einer Bundesregierung zu fra-
gen. Das haben Sie früher getan, als Sie in der Opposi-
tion waren, und das tun wir jetzt natürlich auch.
Ich will vorwegschicken: Grundsätzlich ist gegen die
Öffentlichkeitsarbeit einer Bundesregierung nichts ein-
zuwenden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Kampeter?
Gerne.
Kollege Kampeter.
Herr Kollege Koppelin, Sie haben gerade festgestellt,
dass gegen die Öffentlichkeitsarbeit einer Bundesregie-
rung nichts einzuwenden ist.
Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund dieser Aus-
sage die Tatsachen, dass es der für die Öffentlichkeitsar-
beit der Bundesregierung zuständige Leiter des Presse-
und Informationsamtes, Béla Anda, nicht für nötig be-
funden hat, an dieser Sitzung teilzunehmen, und dass die
Staatssekretärin Hendricks in Abweichung von den
Usancen im Parlament aufgeregt hin und her marschiert
ist, um zu verhindern, dass wir den Staatssekretär mit
unserer Mehrheit herzitieren?
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Kollege Bonde, nehmen wir einmal den Titel „Ökolo-ischer Landbau“ – Sie wissen, dass ich das ansprechenuss; wir haben das hier schon einmal diskutiert –: Ihreinisterin Künast suggeriert, dass den Landwirten mitiesen Mitteln geholfen wird, auf den ökologischenandbau umzusteigen. Aber weit gefehlt; diese0 Millionen Euro sind für Propaganda bereitgestelltorden.
Natürlich. Sie hätten nur die Kritik des Rechnungsho-es lesen müssen. Auch Kollege Bonde kennt diesen Be-icht und ist schon ganz bescheiden. Ich sehe schon, wier vorne in der ersten Reihe zusammenzuckt, weil ereiß, dass das trifft.
Das Problem, dass die Opposition unsere Öffentlich-eitsarbeit kritisiert hat, hatten wir zwar auch. Aber beihrer Regierung ist es so, dass die Öffentlichkeitsarbeiticht nur von der Opposition, sondern auch vom Bun-esrechnungshof ständig kritisiert wird. Darum scherenie sich einen Dreck.
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Jürgen KoppelinIch nenne Beispiele. Der Bundesrechnungshof hatden Verzicht auf eine europaweite Ausschreibung bei ei-ner Anzeigenkampagne kritisiert. Dann war da noch diezweifelhafte Auftragsvergabe – so der Rechnungshof –an Odeon Zwo. Rein zufällig war das die Agentur derSozialdemokraten.
Dann hat man die Agentur schnell gewechselt. Jetzt istes der „Goldene Hirsch“, der rein zufällig die Propa-ganda für die Grünen gemacht hat.
Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof die Vergabevon Kinospots kritisiert.
All das rührt Sie gar nicht. Aber der Bundesrech-nungshof ist dafür da, um darauf zu achten, dass dasGeld der Steuerzahler vernünftig eingesetzt wird. Er hatnie kritisiert, dass Sie Öffentlichkeitsarbeit betreiben.Ich könnte hier noch viele solcher Beispiele anführen.
Entscheidend ist: Hans Eichel muss jedes Jahr mehrSchulden aufnehmen. Das bedauern wir alle, selbst Sie,wenn Sie mit uns sprechen. Zur gleichen Zeit wird derEtat für Propagandazwecke erhöht. Man gewinnt dochden Eindruck: Je schlechter die Politik, desto mehr Geldfür die Propaganda! Das ist der Punkt.
Ich nenne noch ein Beispiel, damit die Bürgerinnenund Bürger sehen, wie Sie Ihre Öffentlichkeitsarbeit ma-chen. Kollege Rübenkönig, Kollege Bonde, ich zeigedem Plenum jetzt das Ergebnis einer Ihrer Anzeigen-kampagnen – die anderen Seiten erspare ich mir wegenmeiner kurzen Redezeit –: Wollen Sie mir sagen, dassauf dieser Seite, deren eine Hälfte allein der Bundesadlerfüllt, Information zu finden ist? Muss der Steuerzahlerso etwas bezahlen? Den Adler kann er sich auch imFernsehen anschauen. So etwas brauchen Sie nicht aufsechs Seiten zu drucken. 520 000 Euro haben Sie fürdiese Anzeigenkampagne bezahlt.
Gleichzeitig belasten Sie den Steuerzahler immer mehr.Das ist herausgeschmissenes Geld. Daran führt kein Wegvorbei.
Ich kann nur das wiederholen, was wir als Freie De-mokraten in den Haushaltsberatungen beantragt haben:Lösen Sie das Bundespresseamt auf! Öffentlichkeits-arbeit billige ich Ihnen zu, aber das kann das Kanzleramtübernehmen. Lösen Sie die Propagandazentrale vonHwdDKhsdDJdgaswsFDssbeTHSmWKaE
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
ie Kollegin Ilse Aigner, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrteamen und Herren! Ich möchte mich dem Kollegenoppelin anschließen, der zu Recht darauf hingewiesenat, dass gegen Öffentlichkeitsarbeit an sich nichts zuagen ist; dazu möchte auch ich mich bekennen. Aberas Ausmaß der Mittelsteigerungen ist eklatant.as ist das eine: Die Gelder steigen innerhalb von zweiahren um 11 Prozent – und das in einer Zeit stagnieren-er Haushalte. Der Gipfel dabei ist, dass gerade Sie, sehreehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushalts-usschuss, dabei vollkommen blind sind, wo wir dochonst jede einzelne Position daraufhin untersuchen, obir dort eventuell sparen könnten. Das ist unglaublich.
Daneben stellt sich die Frage der Qualität. Es sindchon einige Beispiele genannt worden. Ich möchte zweiälle herausgreifen, die für mich beispielgebend sind.ie grünen Minister Trittin und Künast werben immero sehr für Nachhaltigkeit. Bei den Finanzen vergessenie die Nachhaltigkeit vollkommen. Wir sind momentanei 40 Milliarden Euro Schulden jährlich und haben einrhebliches Strukturdefizit.
Es gibt eine Anzeige, auf der steht: Was macht Jürgenrittin heute? Abschalten. – Der geneigte Leser kannerrn Trittin in einem Liegestuhl vor dem AKW intade sehen. Was sagt mir das Ganze? Was ist der Infor-ationsgehalt?
as wir Ihnen dabei besonders ankreiden, ist: Dieseampagne wird nicht aus dem Titel „Öffentlichkeits-rbeit“ finanziert, sondern aus dem Titel „Erneuerbarenergien“.
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Ilse AignerEs handelt sich aber um reine Öffentlichkeitsarbeit.
Der Herr Minister begründet das damit, dass die reiz-überflutete Gesellschaft durch vorgelagerte Werbemaß-nahmen für die rot-grüne Politik sensibilisiert werdenmüsse. Das ist doch reine Öffentlichkeitsarbeit, bezahltaus einem anderen Titel.
Ich möchte ein zweites Beispiel nennen: Im Öko-landbauprogramm, welches einen Mittelansatz inHöhe von 20 Millionen Euro hat – das ist schon ange-sprochen worden –, ist die Presse- und Öffentlichkeitsar-beit explizit ausgewiesen, mit einem Soll für das Jahr2004 in Höhe von 800 000 Euro. Das ist eine stattlicheSumme.
Der Witz ist Folgender: Ich habe nachgefragt, was tat-sächlich für diesen Bereich ausgegeben wurde:2,4 Millionen Euro – nur für Presse- und Öffentlichkeits-arbeit in diesem einen Titel!
So sehen die Relationen aus. Für Öffentlichkeitsarbeitim Ressort Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft sind 1,35 Millionen Euro ausgewiesen. Die Stei-gerung allein in diesem Titel ist höher als das, was offi-ziell ausgewiesen ist. Das ist wirklich unglaublich.
Frau Kollegin Aigner, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Koppelin?
Selbstverständlich, gern.
Da Sie gerade so schön in Fahrt sind, Frau Kollegin
Aigner, hätte ich eine Bitte. Vielleicht sind Sie in der
Lage, diese zu erfüllen. Können Sie uns etwas über „Ka-
ter Krümels Bauernhof“ sagen? Sie wissen, um welches
Propagandamaterial es sich dabei handelt.
Lieber Herr Kollege Koppelin, selbstverständlich be-
antworte ich Ihnen sehr gern diese Frage. Sie sprechen
ein Kindergartenspiel an, welches 1,8 Millionen Euro
gekostet hat. Ich habe mir diese Kiste, die an die Kinder-
gärten verteilt wurde, einmal angeschaut, weiß aber bis
heute nicht, was die Kinder dabei genau lernen sollten.
Das Ganze wurde aus Zuschüssen für Ökolandbaupro-
dukte finanziert.
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ie Mittel stammen aus einem wohlklingenden Pro-
ramm, dienten letztendlich aber zu nichts anderem, als
ine Wahlkampfkampagne für Rot-Grün zu führen.
Ich setze noch eines drauf, Herr Kollege Koppelin. Es
ab auch eine Postkartenaktion, die ebenfalls aus dem
kolandbauprogramm finanziert wurde. Auf einer
arte, auf der Erdbeeren im Hintergrund zu sehen wa-
en, stand: Vernasch mich! – Daneben war ein kleines
üppchen abgebildet. Weil das hätte missverstanden
erden können, sind die Karten mit diesem Motiv einge-
tampft worden. Die Kosten betrugen 30 000 Euro.
s gibt viele Familien in diesem Land, die sich freuen
ürden, wenn sie 30 000 Euro im Jahr zur Verfügung
ätten.
ie 30 000 Euro wurden einfach vergeudet, ohne einen
weck erfüllt zu haben.
Bitte schön.
Der Beifall geht schon von der Redezeit ab! Jetzt bitte
ch um ein bisschen Konzentration.
Diese Aufzählung könnte man beliebig fortsetzen.och einmal: Es geht nicht darum, Öffentlichkeitsarbeitomplett zu verbieten. Das ist nicht möglich; jede Bun-esregierung ist darauf angewiesen. Aber die Kampa-nen müssen erstens einen Informationsgehalt aufweisennd zweitens realistisch ausgewiesen sein.Lesen Sie einmal die Bemerkungen des Bundesrech-ungshofs. Ich zitiere daraus, um sie Ihnen in Erinne-ung zu rufen:Nicht die Fachinformationen, sondern die Werbungfür die politischen Ziele der Bundesregierung stehtdabei im Vordergrund. Die Maßnahmen hätten da-her nicht aus dem Bundesprogramm finanziert wer-den dürfen.
amit ist das Ökolandbauprogramm gemeint. Was ist anieser Feststellung undeutlich? Klarer lässt es sich nichtarstellen.
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Ilse Aigner
Seien Sie als Haushälter doch so ehrlich, solche Aus-gaben unter den dafür vorgesehenen Titeln zu veran-schlagen. Dann können wir gegenüber der Öffentlichkeitdeutlich machen, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht.
Aber seien Sie nicht so scheinheilig, diese Ausgaben ir-gendwo im Haushalt zu verstecken, wo sie keiner findenkann. Dieses Tricksen, Täuschen und Tarnen auf derganzen Linie werden wir uns nicht gefallen lassen. Des-halb teile ich die Auffassung des Kollegen Kaster, dieauch im Antrag unserer Fraktion zum Ausdruck kommt.In dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Veröffentli-chungen und Ähnliches gibt es noch so viel Luft, dassSie aus den dafür vorgesehenen Mitteln locker die Flut-hilfe für Südostasien aufbringen können, ohne in ande-ren Bereichen Kürzungen vorzunehmen. Sie könnten so-gar noch weitere Aktionen daraus bestreiten.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Haushaltsausschusses auf Druck-
sache 15/3557 zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion
mit dem Titel „Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit der
Bundesregierung in Zeiten knapper Kassen“. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3311
abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das
erste war offenkundig die Mehrheit. Damit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Sportausschusses zu
dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Daniel
Bahr , Ernst Burgbacher, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP
Initiative des Europäischen Parlaments, des
Europäischen Rates und der UNO zur Förde-
rung des Sports nachhaltig unterstützen
– Drucksachen 15/2418, 15/4690 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dagmar Freitag
Klaus Riegert
Winfried Hermann
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– Das mache ich doch immer, Detlef.Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!er das Europäische Jahr der Erziehung durchport 2004 aufmerksam verfolgt und sich auf den Kon-erenzen mit den Projekten befasst hat, der weiß, dassie im FDP-Antrag angesprochenen Ministerien sehr guteteiligt gewesen sind. Ob es daran gelegen hat, dass derntrag von 2003 stammt und von daher schon etwas äl-er ist, dass insbesondere Detlef Parr und die Kollegin-en und Kollegen von der FDP trotzdem die Beteiligunger Ministerien angemahnt haben, will ich dahingestelltein lassen. Ich habe jedenfalls bei einigen wichtigen in-ernationalen Konferenzen wie der bekannten Konferenzer Evangelischen Kirche in Deutschland mit weitereneteiligten aus anderen europäischen Ländern in Sülzrfahren, dass die Zuständigkeiten bereits innerhalb dererschiedenen Ministerien verteilt sind.Was die einzelnen Ressorts wie Forschung, Gesund-eit und Familie angeht, haben wir festgestellt, dass dieerzahnung des Gesamtthemas „Erziehung durch Sport“ut funktioniert hat. Aus dem Programm der großen in-ernationalen Konferenz, dem Internationalen Forum inad Boll, geht hervor, dass die Akteure, die bereits iner UNO-Resolution Ende 2003 erwähnt wurden, erneuteteiligt sind und wichtige Beiträge leisten. Dies wäreicht möglich gewesen, wenn wir im letzten Jahr nichtine entsprechende Akzentsetzung vorgenommen hättennd wenn sich nicht auch außerhalb der formalen Struk-uren des Sports sehr viele beteiligt hätten. Ich habe zumeispiel junge Unternehmer kennen gelernt, die ein Bil-ungsunternehmen unter dem Namen „Young College“egründet haben, das es sich zur Aufgabe gemacht hat,ositive Erfahrungen mit dem Sport über das Internetnd andere neue Medien zu vermitteln und so – um eseutlich zu sagen – kleine dicke Kinder, die ständig vorem PC sitzen, dazu zu bewegen, Sport und damit auchesundheitsprävention zu betreiben. Lieber Detlefarr, es ist ganz wichtig, dass wir die positiven Erfahrun-en mit dem Sport auch vermitteln.Eine Chance dafür bietet in der Tat das UNO-Jahr fürport und – nun wird es schwierig – „physical educa-ion“. Ich habe mir einmal angeschaut, welche deutschenbersetzungen es für diesen Begriff gibt. Detlef Parr,
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Reinhold Hemkerallein in eurem Antrag gibt es verschiedene Übersetzun-gen. Einmal ist von „Körperkultur“, ein anderes Mal von„Körpererziehung“ oder von „Leibesertüchtigung“ dieRede. Vielleicht sollten wir im Sportausschuss einmaldarüber nachdenken, welchen schönen Begriff es inunserer deutschen Sprache gibt, um „physical educa-tion“ adäquat zu übersetzen.Wichtig ist nun, die Dinge zu berücksichtigen, dieAdolf Ogi, den Beauftragten für das UNO-Jahr desSports, veranlasst haben, zu sagen: Deutschland hat be-reits eine Vorreiterrolle im Hinblick auf die Ausweitungder sportlichen Aktivitäten eingenommen. Es wird na-türlich erwartet, dass Deutschland seine Vorreiterrolleweiter wahrnimmt. Das geht selbstverständlich nur,wenn die inhaltlichen Voraussetzungen, die in den letz-ten Jahren, insbesondere im letzten Jahr, geschaffen wor-den sind, auch Eingang in die Projekte und Programmedieses Jahres finden.Ich möchte auf zwei Dinge zu sprechen kommen, diemir im letzten Jahr aufgefallen sind. Für mich ist es einewichtige und positive Erfahrung, dass bei der Gesund-heitsreform, die unsere Gesundheitspolitiker gemein-sam mit der Bundesregierung auf den Weg gebracht ha-ben, der Aspekt der Prävention durch eine bessereAusgestaltung des § 20 SGB V stärker zum Tragenkommt. Es ist gelungen, das Thema Prävention durch dieAnregungen des Sportausschusses – es gab eine Anhö-rung und einen fraktionsübergreifenden Antrag – in denVordergrund zu rücken, und zwar in Verbindung mit demSport. Wir haben es offensichtlich geschafft, dass nunauch die Akteure draußen – die Krankenkassen, dieSportverbände, die Verbraucherberatungsstellen und allediejenigen, die sich mit Weiterbildung befassen, wie dieVolkshochschulen – den sich daraus ergebenden Auftragsehr ernst nehmen.Dass wir uns schon im Herbst letzten Jahres mit denEckpunkten eines Präventionsgesetzes befassen konntenund dass wir die Präventionsempfehlungen des Forumsernst nehmen, zeigt, dass wir Schritt für Schritt Fort-schritte erzielen. Wenn wir im laufenden Jahr ein Prä-ventionsgesetz, an dessen Erarbeitung der Sportaus-schuss sicherlich beteiligt sein wird, verabschieden – ichhoffe, dass das schon in der ersten Jahreshälfte möglichsein wird –, dann sind wir wieder ein Stück vorange-kommen.Wenn ich mir die entsprechende UNO-Resolutionanschaue, dann stelle ich fest, dass es in einem Teil umErziehung zu mehr Lebenstüchtigkeit durch Sport geht.Sport wird darin als Mittel der Gesundheitserziehungverstanden, als Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung– „Sports against Crime“ steht für eine große Kampagneim südlichen Afrika, die ich vor zwei Jahren kennen ge-lernt habe –, als Mittel zur Aidsprävention und als Mittelzur Verbesserung der Grundbildung mit dem Ziel, welt-weit die Lebensqualität der Menschen, die sich nicht soviel leisten können wie wir, durch sportliche Aktivitätenzu verbessern.All das haben wir als diejenigen, die sich in diesemParlament besonders um den Sport kümmern, bereits inden letzten zwei Jahren diskutiert und vorangebracht. SogeÜmzWdmDgm–t„mawlslPsnundsNlASWhuSuluwgtdbugdltbbhhBdP
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005 14529
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Nächster Redner ist der Kollege Bernd Heynemann,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! DieGeneralversammlung der VN hat am 17. November2003 beschlossen, das Jahr 2005 zum InternationalenJahr des Sports und der Leibeserziehung als Mittel zurFörderung der Bildung, der Gesundheit, der Entwick-lung und des Friedens zu erklären, und bittet die Regie-rungen, Veranstaltungen zu organisieren, die ihr Engage-ment deutlich machen, und Persönlichkeiten des Sportsfür eine diesbezügliche Unterstützung zu gewinnen.Das Jahr 2005 hat bereits begonnen und es folgt – wiebereits von meinem Vorredner erwähnt – auf das Jahr derErziehung durch Sport in 2004. 104 Initiativen sind ausDeutschland auch international bekannt. Zeitlich be-trachtet befinden wir uns in diesem Jahr zwischen zweigroßen sportlichen Ereignissen: 2004 fanden die Olym-pischen Spiele statt und nächstes Jahr, 2006, findet dieWeltmeisterschaft im Fußball statt. In diesem Jahr habenwir die World Games in Duisburg, die die gesamte Pa-lette des Sportes dokumentieren und komplettieren.Wenn ich sage, das Jahr 2005 habe bereits begonnen,so meine ich damit: Von den UN und auch vom Europäi-schen Parlament sind die Staaten und Regierungen auf-gefordert worden, dieses Jahr mit Leben zu erfüllen. Bis-her gibt es aber für Deutschland kein Konzept, keineProjekte oder Absichten dazu, wie dieses Jahr auf natio-naler und internationaler Ebene mit Leben erfüllt werdensoll.
Das müssen wir Ihnen, werte Kollegen von Rot-Grün,vorwerfen.
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Mit einem solchen Jahr des Sportes können wir Si-nale setzen: für den Sportstättenbau und die Sportstätten-nterhaltung, für die steuerliche Entlastung der Vereine,ür die Förderung des Behindertensports, für die Initiati-en „Frauen und Sport“ und, was nicht zu vergessen ist,ufgrund unserer demographischen Entwicklung für dieorrangigkeit des Seniorensports.Der Deutsche Sportbund hat bereits vor einiger Zeiteine sportpolitische Konzeption vorgestellt. Darin be-ont er, dass unsere Gesellschaft unter anderem auf Netz-erke bürgerschaftlicher Beteiligung angewiesen ist.abei spielt der Sport eine äußerst wichtige Rolle für dientegration und ist ein weites Feld für Ehrenamtliche.port ist damit das Elixier des Humankapitals unsereresellschaft.
Dies unterstreicht nochmals, dass der Sport in allenolitikfeldern mehr Gewicht erhalten muss. Dazu reichts nicht, meine Damen und Herren von Rot-Grün, imundesministerium des Innern die Zahl der Planstellenu erhöhen und die Abteilungen zu erweitern.Wenn wir dieses Jahr nutzen wollen, muss ein Kon-ept auf den Tisch, das nicht nur die Bedeutung desports in sozialer Hinsicht stärkt. Es müssen auch wie-er Werte vermittelt werden, unter anderem Fairplay.ch betone an dieser Stelle: Schade, dass der Sportstand-rt Deutschland jetzt mit einer Sportwettenmafia in denchlagzeilen steht!
Darüber sollten wir reden, Kollege Danckert.
eitere Werte sind: die Erziehung zur Körperkultur, dereistungswille, die Integration und das Sozialverhalten,ber auch Teamgeist, Gemeinschaftssinn und Solidaritätowie Disziplin und Toleranz.
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14530 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005
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Bernd HeynemannDiese Werte sind nicht nur für das Verhalten im Sport,sondern auch für das Verhalten in der Gesellschaft wich-tig. Deshalb ist es notwendig, dem Doping und derGewalt konsequent den Kampf anzusagen. Doping gibtes nicht nur im Hochleistungssport. Auch im Breiten-und Freizeitsport hat es immer mehr Einfluss. Da gilt es,mit Aufklärungskampagnen zu überzeugen – da wäredas Geld gut angelegt – und dem Doping den Boden zuentziehen.
Gewalt, besonders unter Jugendlichen, die sich nichtnur auf immer brutalere Weise auf dem Schulhof, son-dern auch in Graffitiaktivitäten äußert – Sie wollen die janicht zum Bereich der Straftaten zählen –,
ist ein weites Feld. Im Jahr des Sports besteht die Mög-lichkeit, diese Randerscheinungen in den Mittelpunkt zurücken und den Wert des Sports für eine friedliche Ge-sellschaft zu unterstreichen. Partnerschaften im Sportsollten aufgebaut werden, und zwar auf verschiedenenEbenen: Der Starke hilft dem Schwachen, er unterstütztihn in seiner Entwicklung und fördert durch den Sportverschiedenste Aktivitäten.Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist nicht nur der ak-tive Sport, sondern auch das Ehrenamt, was in 2004auch seine Würdigung fand. Jetzt aber gilt es, das Ehren-amt weiterhin zu fördern, zu unterstützen, zu entbürokra-tisieren und die Vereine auf solide, praxisnahe Füße zustellen und sie nicht durch die Administration zu behin-dern oder gar zu bestrafen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stim-men dem FDP-Antrag zu, weil er etwas von Ihnen, vonder Koalition, einfordert, was für ein so wichtiges undinternational bedeutsames Jahr 2005 normal ist. StartenSie mit uns eine gemeinsame Initiative zum Jahr desSports und lassen Sie uns gemeinsam den Sport in dengesellschaftlichen Fokus stellen, damit alle aktiv wer-den! Der Sport hat gemeinsame Aktivitäten verdient,weil er ein zu wertvolles Gut ist, als nur separat für par-teibezogene Zwecke benutzt zu werden.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Detlef Parr für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sport istlängst keine Privatsache mehr, sondern zu einem zentra-len gesellschaftspolitischen Thema geworden. So ist eszu begrüßen, dass sowohl die EU durch das „Europäi-sJe–slsRtwDrbdBBblVWvwaeWHdkGoAuzssbEanzrzaiwztm
Der frühere Bundespräsident der Schweiz, Adolf Ogi,etont als UN-Sonderberater für Sport im Dienst vonntwicklung und Frieden die besondere Rolle des Sportsls Vorbereiter politischer Entscheidungsprozesse. Erin-ern wir uns nur an die vielen sportlichen Begegnungenwischen Ost und West vor der Wiedervereinigung unse-es Landes! Diese menschlichen Kontakte haben vielur Entspannung beigetragen und manche Grenze, vorllem in den Köpfen, bereits vorher fallen lassen. Geraden Krisengebieten kann der Sport integrativ wirken, auchenn die Politik noch nicht so weit ist. Ich denke dabeium Beispiel an die koreanische Halbinsel. Als stellver-retender Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parla-entariergruppe habe ich erfahren, dass Deutschland
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Detlef Parrdort im Norden wie im Süden eine enorme Wertschät-zung entgegengebracht wird. Karl-Heinz Rummeniggeund Franz Beckenbauer zum Beispiel sind selbst im ab-geschotteten Norden ein Begriff. Ich glaube, wir tätengut daran, den Vereinigungsprozess in Korea auch imUN-Jahr des Sports ein bisschen stärker zu unterstützen.
So wichtig die Förderung der Integration von Migran-ten und die Gleichstellung von Mann und Frau auchsind, wie vom BMI herausgestellt, sollten wir dennochunseren Fokus auf Projekte der Erziehung und derGesundheitsförderung richten. Die in unserem Hausegerade anlaufende Debatte über ein Präventionsgesetzfordert das geradezu heraus. Wir sollten auch laufendeKampagnen für das UN-Jahr nutzen, zum Beispiel dieKampagnen „Sport tut Deutschland gut“ oder „Deutsch-land bewegt sich“. Auch der Behindertensport muss sei-nen Platz finden, vor allem nach dem eindrucksvollenAbschneiden bei den Paralympics in Athen im Jahr2004.Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Wollen wirauch in Deutschland das UN-Jahr des Sports zum Erfolgführen, dann, Herr Staatssekretär, sollten Sie IhreÖffentlichkeitsarbeit schnellstens auf den Prüfstandstellen. Auf der Homepage des BMI findet man die ver-schiedensten Projekte, aber nichts über das UN-Jahr desSports. Man erfährt beispielsweise nicht, wie und beiwem man sich bewirbt. Herr Staatssekretär, schauen Sieeinmal in die Schweiz! Dort wurde unter„www.sport2005.ch“ eine gute Seite geschaltet.Unser Antrag hat diese Debatte bewirkt. Er hat An-stöße gegeben – bereits erledigte und noch zu realisie-rende. Er ist der Zustimmung wert, liebe Kolleginnenund Kollegen auf der linken Seite.Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat nun die Kollegin Ursula Sowa, Bündnis
90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den starkenPlädoyers der anderen Fraktionen nur anschließen.
– Ja, das sind große Gemeinsamkeiten. Das ist sehr er-freulich.Aktuell erleben wir eine große Solidarität des Sportsmit den Betroffenen der Flutkatastrophe in Asien. DerSport hat hier genauso schnell reagiert wie sehr vieleHilfsorganisationen. Auch die Sportbeteiligten haben fi-nanzielle Mittel für die humanitäre Hilfe bereitgestelltund engagieren sich beim Wiederaufbau. Viele kleineVereine und Verbände haben ein wirklich großartigesEghtwlPutzrdlZiFKlt–slnsEVgidLnseSstu–sml
Ich würde mir wünschen, dass aus der Fluthilfe dauer-afte Partnerschaften zwischen verschiedenen Organisa-ionen entstehen, was auf politischer Ebene natürlich ge-ünscht wird. Wenn der Sport hierzu einen Beitrageisten kann, dann ist das nur zu begrüßen. Denn dieseartnerschaften werden durch das Prinzip der Solidaritätnd der gemeinsamen Verantwortung getragen.Diesen Weltgedanken des Sports bringen die Verein-en Nationen in ihrer Resolution vom November 2003um Ausdruck. Die Vereinten Nationen nennen die Be-eiche Bildung, Gesundheit, Entwicklung und Frieden,ie durch Sport gefördert und vorangebracht werden sol-en. Für das Kulturgut Sport ist diese Resolution ohneweifel ein wichtiger Schritt. Als Kulturpolitikerin kannch das hier nur unterstreichen.Die regionalen und nationalen Möglichkeiten undunktionen des Sports werden in einem internationalenodex verankert. Damit werden natürlich weitere Mög-ichkeiten des Sports vorgezeichnet. Sport wird als wich-iger Baustein für zentrale gesellschaftliche Bereicheich nenne hier ganz besonders Frieden und Völkerver-tändigung – anerkannt. Die Förderung von internationa-en Sportprojekten ist also zugleich – dieses Wort isticht zu hoch gegriffen – Friedensförderung. Es war be-onders die deutsche Seite, die in den Verhandlungen zurU-Verfassung darauf gedrängt hat, den Sport in einemerfassungsartikel zu verankern. Für dieses Anliegenab es hier eine parteiübergreifende Einigkeit.Das Auswärtige Amt finanziert zahlreiche Projektem Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik. Wir fördernie im Ausland bekannten Trainerlehrgänge an der Unieipzig und – was sehr wichtig ist und was hier nochicht genannt wurde – wir stellen im Bundeshaushalt zu-ätzliche Gelder in Höhe von immerhin 700 00 Euro fürine gezielte Umsetzung des internationalen Jahres desports bereit.
Noch eine weitere gute Nachricht. Viele Projekte sindchon eingereicht worden. Die entsprechende Konzep-ion ergibt sich aus der UNO-Resolution. Wer setzt siem? Diese Regierung.
Herr Kollege, ich habe gesagt: zusätzlich.Auch andere Ministerien sind aufgerufen. Zum Bei-piel könnte das Ministerium für wirtschaftliche Zusam-enarbeit aus unserer Sicht in Zukunft selbstverständ-ich wieder mehr Sportprojekte fördern.
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Ursula SowaSportprojekte können helfen, die Zivilgesellschaft weiteraufzubauen. Es wurde schon genannt – auch wir sehendas so –: Diese Sportprojekte fördern Fairness, Sozial-verhalten, Gesundheit und Konfliktprävention.Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, dass der Deut-sche Sportbund und das Nationale Olympische Komiteebei ihren derzeitigen Fusionsgesprächen die internatio-nale Ausrichtung des Sportes immer wieder betonen.Dies ist aus meiner Sicht ein Anliegen, das keine sport-politische Eintagsfliege bleiben soll. Darauf drängenauch Sie immer wieder; ich denke, die Sportpolitikersind da einer Meinung. Es sollte natürlich weiterhin imHaushalt darauf geachtet werden, dass Projekte, die be-gonnen worden sind, auch zu Ende geführt werden kön-nen. Dass das ohne finanzielle Mittel nicht geht, ist unsallen klar.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesemSinne hoffe ich, dass wir das Internationale Jahr desSports 2005 als Auftrag verstehen. Bei den kommendenSportereignissen wird es eine tolle Gelegenheit geben,Deutschland als guten Gastgeber vorzustellen. Die Besu-cherinnen und Besucher sowie die zahlreichen Sportfanssollen sich im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft2006 schon in diesem Jahr davon überzeugen können:Deutschland ist ein tolerantes, sympathisches und gast-freundliches Land. Alle hier Anwesenden, die Sportver-anstaltungen besuchen werden, können dazu einen Bei-trag leisten. Vielleicht sehen wir uns und vielleicht trägtjeder zum Bereich Friedensstiftung etwas bei.Danke schön.
Frau Kollegin Sowa, es besteht sogar eine gewisse
Chance, dass wir uns auf solchen sportlichen Großveran-
staltungen in einer noch größeren Anzahl treffen werden,
als das zu diesem Zeitpunkt im Deutschen Bundestag der
Fall ist.
Nun erhält zum Schluss dieser Debatte das Wort der
Kollege Klaus Riegert, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wie die Debatte bisher gezeigt hat, verfügt derSport wie kein anderes Medium über ein weltweitesNetzwerk im Sinne der Völkerverständigung, der Kör-perkultur und der Wertevermittlung. Die Initiativen desEuropäischen Parlaments und der UNO wollen bewusstmachen, welche ureigenste Bedeutung Sport hat: Freudean der Bewegung, um Körper und Geist in Einklang zubringen.Sport ist in unserem Land in der öffentlichen Wahr-nehmung so präsent wie kaum ein anderer gesellschaftli-cher Bereich. Wir haben im Sport einen hohen Organisa-tionsgrad. Der Deutsche Sportbund ist mit 27 MillionenMeBmndsiMsFBujbbSskvddFtnvtuWDseQwdvatWzlitsdKR
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Januar 2005 14533
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Diese Spaßbäder sind in der Regel für Schulklassennicht zugänglich und für das Erlernen des Schwimmensungeeignet. Trotz dieser Erkenntnis schließen wir weiterSchwimmbäder.Wir haben in den Ballungsgebieten die Bewegungs-räume eng und Spielen und Sporttreiben in unmittelbarerdes Sports in das Bewusstsein der Menschen bringenund sie zum aktiven Sporttreiben bewegen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Sportausschusses auf Druck-
sache 15/4690 zum Antrag der FDP-Fraktion mit dem
Titel „Initiative des Europäischen Parlaments, des Euro-
päischen Rates und der UNO zur Förderung des Sports
Wohnnähe fast unmöglich gemacht. Lärm von spielen-
den Kindern und Jugendlichen wird als unzumutbar
empfunden. Wir tolerieren eher den Lärm des Straßen-
und Flugverkehrs als lärmende Kinder. Hier muss sich
unser Bewusstsein ändern.
Meine Damen und Herren, wir wissen aus wissen-
schaftlichen Untersuchungen: Wer sich regelmäßig be-
wegt, wer regelmäßig Sport treibt, ist nicht nur gesünder,
sondern auch leistungsfähiger. Diese Erkenntnis liegt
weltweit vor. Wir nehmen sie zur Kenntnis, setzen sie
aber nicht entsprechend um. Die Popularität des Sports
in der täglichen Wahrnehmung findet keinen entspre-
chenden Niederschlag in der Praxis.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es unver-
ständlich, warum die Sportpolitiker von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen den Antrag der FDP abgelehnt haben.
Wollen sie nicht, dass der Sport eine besondere Berück-
sichtigung im Präventionsgesetz erfährt? Sind SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen eine Stärkung der Kom-
petenzen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung, gegen eine Koordination der Ministerien, gegen
den Abbau von Bürokratie auf europäischer Ebene?
Oder bestreiten die Koalitionsfraktionen den Wert des
Sports für Erziehung und Integration etc.? Bei aller Par-
teidisziplin hätte ich mir etwas mehr Souveränität in der
Sache seitens der Sportpolitiker gewünscht.
Wir begrüßen die Programme und Initiativen des
Europäischen Parlaments und der UNO für den Sport.
Sie allein schaffen jedoch keine Abhilfe. Wir hoffen,
dass möglichst viele Aktionen und Events die Bedeutung
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Das habe ich diesmal aus nahe liegenden Gründen un-
erlassen, Herr Kollege Winkler. Das können wir zwei-
elsfrei im Protokoll festhalten.
Wir sind damit am Schluss unser heutigen Tagesord-
ung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 16. Februar 2005, 13 Uhr,
in.
Für die in der Zwischenzeit anfallenden Veranstaltun-
en, vor allem in den zahlreichen Wahlkreisen, in denen
arneval bzw. Fastnacht zu den Hochzeiten des Jahres
ehören, wünsche ich allen beteiligten Kollegen einige
nteressante, stimmungsvolle und vor allen Dingen un-
allfreie Tage. Schönes Wochenende!
Ich schließe die Sitzung.