Protokoll:
14252

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 252

  • date_rangeDatum: 12. September 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:06 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Gedenken an die Opfer der Anschläge am 11. September 2001 in den Vereinigten Staa- ten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25459 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 25459 C Begrüßung des Vorsitzenden der UNP- Fraktion in der Assemblée Nationale, Herrn Jacques Barrot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25459 D Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Detlef Parr und Volker Neumann (Bramsche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25470 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 14/9750) . . . . . . . . . . . . . 25459 D b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Finanzplan des Bundes 2002 bis 2006 (Drucksache 14/9751) . . . . . . . . . . . . . 25460 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 25460 A Tagesordnungspunkt 2: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung steuerrechtli- cher Vorschriften und zur Errich- tung eines Fonds „Aufbauhilfe“ (Flutopfersolidaritätsgesetz) (Drucksachen 14/9894, 14/9934, 14/9935, 14/9936) . . . . . . . . . . . . . 25470 C – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Aus- gleich der von der Hochwasserkata- strophe im August 2002 verursachten Eigentumsschäden (Hochwasser- schaden-Ausgleichsgesetz) (Drucksachen 14/9895, 14/9934, 14/9935, 14/9936) . . . . . . . . . . . . . 25470 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Schnelle Hilfe für die Flutopfer – zu dem Antrag der Fraktion der PDS: Stärkere Beteiligung von Großunternehmen an der Bewäl- tigung von Hochwasserschäden durch Körperschaftsteuer auf Ver- äußerungsgewinne – zu dem Antrag der Fraktion der PDS: Stärkere Beteiligung von Kapitalgesellschaften an der Be- wältigung von Hochwasserschä- den durch Erhöhung der Körper- schaftsteuersätze – zu dem Antrag der Fraktion der PDS: Bewältigung der Flutkata- strophe gerecht finanzieren – Ver- mögensabgabe erheben – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: zu der Abgabe einer Plenarprotokoll 14/252 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 252. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 I n h a l t : Regierungserklärung durch den Bundeskanzler: Den Opfern hel- fen – Gemeinsinn stärken: Maß- nahmen zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe (Drucksachen 14/9905, 14/9899, 14/9900, 14/9901, 14/9908, 14/9934) . . . . . . . . 25470 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP:Handeln fürmehrArbeit – sinn- volle Reformvorschläge der Hartz- Kommission jetzt beraten und um- setzen (Drucksache 14/9891) . . . . . . . . . . . . . 25471 A b) Antrag der Abgeordneten Klaus Brandner, Franz Thönnes, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Neue Be- schäftigung – schnelle Vermittlung – erstklassiger Service; Reformvor- schläge der Hartz-Kommission un- verzüglich umsetzen (Drucksache 14/9946) . . . . . . . . . . . . . 25471 A c) Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Peter Rauen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zeit fürTaten – Offensive fürmehrBe- schäftigung (Drucksache 14/9944) . . . . . . . . . . . . . 25471 B d) Antrag der Abgeordneten Roland Claus, Christa Luft, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Neue Arbeitsplätze statt Druck auf Ar- beitslose – Beschäftigungspolitik mit sozialem Augenmaß tut Not (Drucksache 14/9940) . . . . . . . . . . . . . 25471 B in Verbindung mit den Einzelplänen 08, 11, 09 und 12 Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25471 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25477 D Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 25480 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25482 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25485 C Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . 25487 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 25489 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25491 A Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25493 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25495 A Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 25495 C Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident (Sachsen-Anhalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25498 C Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 25501 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25504 C Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 25505 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25506 A Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . 25507 D Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25508 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Fünften Gesetz zur Änderung des Bundesfern- straßengesetzes (5. FStrÄndG) (Drucksachen 14/8448, 14/8911, 14/9535, 14/9795, 14/9888, 14/9937) . . . . . . . . . . . . . . 25509 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Telekommunika- tionsgesetzes (Drucksachen 14/9194, 14/9237, 14/9711, 14/9793, 14/9889, 14/9938) . . . . . . . . . . . . . . 25509 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Einrichtung eines Registers über unzuver- lässige Unternehmen (Drucksachen 14/9356, 14/9710, 14/9794, 14/9798, 14/9939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25509 D Tagesordnungspunkt 7: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Reform durch Verfas- sung: Für eine demokratische, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002II solidarische und handlungsfähige Europäische Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Not- wendige Reformen für die zukünftige EU: Forderungen an den Konvent – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ina Albowitz, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Die Zukunft Europas liegt in den Händen des Konvents – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Hiksch, Dr. Klaus Grehn, Roland Claus und der Fraktion der PDS:Ein anderes Europa ist mög- lich – Im Konvent die Weichen für eine demokratische, solida- rische und zivile Europäische Union stellen (Drucksachen 14/9047, 14/8489, 14/9044, 14/9046, 14/9500) . . . . . . . . . . . . . . . 25509 D b) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses:Übersicht 13 a über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 14/9932) . . . . . . . . . . . . 25510 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 7) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 412 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9915) . . . . . . . . . . . . . . . 25510 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Klarheit über finanzielle Situation in der gesetz- lichen Renten- und Krankenversiche- rung vor der Bundestagswahl schaffen (Drucksache 14/9945) . . . . . . . . . . . . . . . 25510 D in Verbindung mit den Einzelplänen 16, 10 und 15 Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 25511 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 25513 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 25514 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 25514 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 25515 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 25517 D Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . 25518 A Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25519 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 25521 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25523 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 25523 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25524 B Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25527 A Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25527 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 25528 C Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 25531 C Einzelpläne 30 und 17 Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 25533 B Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25536 D Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25539 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25541 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25542 A Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25545 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25545 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 25546 B Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25548 B Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25548 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25549 A Einzelpläne 06 und 33 sowie 07 und 19 Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 25550 A Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 25552 B Dr. Günther Beckstein, Staatsminister (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25553 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 25556 A Dr. Dietmar Bartsch PDS . . . . . . . . . . . . . . . 25557 C Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25558 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25561 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 III Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Ab- geordneten Christian Lange (Backnang), Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages – Ver- haltensregeln für Mitglieder des Deut- schen Bundestages (Drucksachen 14/9100, 14/9933) . . . . . . . 25562 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25563 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25565 A Anlage 2 Vollständiger Abdruck der Liste der entschul- digten Abgeordneten (250. Sitzung) . . . . . . . . 25565 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Änderung der Geschäftsordnung: Verhaltens- regeln (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . 25568 C Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 25568 D Christian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . 25569 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25570 D Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25572 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25572 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25573 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 Vizepräsidentin Petra Bläss 25563 (C)(A) 1) Anlage 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 25565 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 12.09.2002 Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 12.09.2002 Dietert-Scheuer, Amke BÜNDNIS 90/ 12.09.2002 DIE GRÜNEN Dr. Doss, Hansjürgen CDU/CSU 12.09.2002 Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 12.09.2002 Andrea DIE GRÜNEN Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 12.09.2002 Joseph DIE GRÜNEN Frick, Gisela FDP 12.09.2002 Dr. Jens, Uwe SPD 12.09.2002 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 12.09.2002 Kubatschka, Horst SPD 12.09.2002 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2002 Jürgen Ohl, Eckhard SPD 12.09.2002 Ostrowski, Christine PDS 12.09.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 12.09.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 12.09.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 12.09.2002 Hans Peter Schösser, Fritz SPD 12.09.2002 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 12.09.2002 Simm, Erika SPD 12.09.2002 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 12.09.2002 Dr. Thomae, Dieter FDP 12.09.2002 Vaatz, Arnold CDU/CSU 12.09.2002 Weißgerber, Gunter SPD 12.09.2002 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 12.09.2002 Dr. Wolf, Winfried PDS 12.09.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Vollständiger Ausdruck der Liste der entschuldigten Abgeordneten (250. Sitzung) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Adler, Brigitte SPD 25.07.2002 Andres, Gerd SPD 25.07.2002 Austermann, Dietrich CDU/CSU 25.07.2002 Barnett, Doris SPD 25.07.2002 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 Marieluise DIE GRÜNEN Dr. Berg, Axel SPD 25.07.2002 Dr. Bergmann-Pohl, CDU/CSU 25.07.2002 Sabine Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 25.07.2002 Bodewig, Kurt SPD 25.07.2002 Bohl, Friedrich CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 25.07.2002 Bonitz, Sylvia CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 25.07.2002 Brähmig, Klaus CDU/CSU 25.07.2002 Brüderle, Rainer FDP 25.07.2002 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 25.07.2002 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 25.07.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 25.07.2002 Klaus Bulling-Schröter, Eva PDS 25.07.2002 Burgbacher, Ernst FDP 25.07.2002 Buwitt, Dankward CDU/CSU 25.07.2002 Caesar, Cajus CDU/CSU 25.07.2002 Caspers-Merk, Marion SPD 25.07.2002 Catenhusen, SPD 25.07.2002 Wolf-Michael Dautzenberg, Leo CDU/CSU 25.07.2002 Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 25.07.2002 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 25.07.2002 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 200225566 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 25.07.2002 Falk, Ilse CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Fink, Ulf CDU/CSU 25.07.2002 Flach, Ulrike FDP 25.07.2002 Forster, Hans SPD 25.07.2002 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 25.07.2002 Friedrich (Bayreuth), FDP 25.07.2002 Horst Dr. Friedrich (Hof), CDU/CSU 25.07.2002 Hans-Peter Dr. Fuchs, Ruth PDS 25.07.2002 Funke, Rainer FDP 25.07.2002 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25.07.2002 Gilges, Konrad SPD 25.07.2002 Girisch, Georg CDU/CSU 25.07.2002 Götz, Peter CDU/CSU 25.07.2002 Graf (Friesoythe), SPD 25.07.2002 Günter Griefahn, Monika SPD 25.07.2002 Dr. Grygier, Bärbel PDS 25.07.2002 Günther (Duisburg), CDU/CSU 25.07.2002 Horst Günther (Plauen), FDP 25.07.2002 Joachim Hacker, Hans-Joachim SPD 25.07.2002 Freiherr von Hammerstein, CDU/CSU 25.07.2002 Carl-Detlev Hartnagel, Anke SPD 25.07.2002 Haupt, Klaus FDP 25.07.2002 Dr. Haussmann, Helmut FDP 25.07.2002 Heinen, Ursula CDU/CSU 25.07.2002 Heise, Manfred CDU/CSU 25.07.2002 Helling, Detlef CDU/CSU 25.07.2002 Hemker, Reinhold SPD 25.07.2002 Hilsberg, Stephan SPD 25.07.2002 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 25.07.2002 Hoffmann (Chemnitz), SPD 25.07.2002 Jelena Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Hohmann, Martin CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Höll, Barbara PDS 25.07.2002 Hollerith, Josef CDU/CSU 25.07.2002 Holzhüter, Ingrid SPD 25.07.2002 Homburger, Birgit FDP 25.07.2002 Dr. Hornhues, CDU/CSU 25.07.2002 Karl-Heinz Hörster, Joachim CDU/CSU 25.07.2002 Hüppe, Hubert CDU/CSU 25.07.2002 Janssen, Jann-Peter SPD 25.07.2002 Jelpke, Ulla PDS 25.07.2002 Dr. Jens, Uwe SPD 25.07.2002 Jünger, Sabine PDS 25.07.2002 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 25.07.2002 Kampeter, Steffen CDU/CSU 25.07.2002 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 25.07.2002 Kauder, Volker CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 25.07.2002 Kopp, Gudrun FDP 25.07.2002 Körper, Fritz Rudolf SPD 25.07.2002 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 25.07.2002 Kortmann, Karin SPD 25.07.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 25.07.2002 Kramme, Anette SPD 25.07.2002 Kraus, Rudolf CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Kues, Hermann CDU/CSU 25.07.2002 Kumpf, Ute SPD 25.07.2002 Dr. Küster, Uwe SPD 25.07.2002 Kutzmutz, Rolf PDS 25.07.2002 Lambrecht, Christine SPD 25.07.2002 Laumann, Karl-Josef CDU/CSU 25.07.2002 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 25567 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Leidinger, Robert SPD 25.07.2002 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 25.07.2002 Letzgus, Peter CDU/CSU 25.07.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 25.07.2002 Klaus W. Louven, Julius CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 25.07.2002 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25.07.2002 Erich Maier, Pia PDS 25.07.2002 Marquardt, Angela PDS 25.07.2002 Marschewski (Reckling- CDU/CSU 25.07.2002 hausen), Erwin Dr. Meister, Michael CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 25.07.2002 Mertens, Angelika SPD 25.07.2002 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 25.07.2002 Michelbach, Hans CDU/CSU 25.07.2002 Mosdorf, Siegmar SPD 25.07.2002 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 25.07.2002 Müller (Berlin), PDS 25.07.2002 Manfred Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Naumann, Kersten PDS 25.07.2002 Neuhäuser, Rosel PDS 25.07.2002 Neumann (Bramsche), SPD 25.07.2002 Volker Neumann (Bremen), CDU/CSU 25.07.2002 Bernd Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Niebel, Dirk FDP 25.07.2002 Nolte, Claudia CDU/CSU 25.07.2002 Ostrowski, Christine PDS 25.07.2002 Otto (Frankfurt), FDP 25.07.2002 Hans-Joachim Palis, Kurt SPD 25.07.2002 Parr, Detlef FDP 25.07.2002 Pau, Petra PDS 25.07.2002 Pfeifer, Anton CDU/CSU 25.07.2002 Philipp, Beatrix CDU/CSU 25.07.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 25.07.2002 Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 25.07.2002 Rachel, Thomas CDU/CSU 25.07.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 25.07.2002 Rennebach, Renate SPD 25.07.2002 Dr. Rexrodt, Günter FDP 25.07.2002 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 25.07.2002 Romer, Franz CDU/CSU 25.07.2002 Roos, Gudrun SPD 25.07.2002 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 25.07.2002 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 25.07.2002 Rübenkönig, Gerhard SPD 25.07.2002 Rühe, Volker CDU/CSU 25.07.2002 Schäfer, Anita CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 25.07.2002 Scharping, Rudolf SPD 25.07.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 25.07.2002 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 25.07.2002 Schindler, Norbert CDU/CSU 25.07.2002 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 25.07.2002 Andreas Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 25.07.2002* Hans Peter Schneider, Carsten SPD 25.07.2002 Freiherr von CDU/CSU 25.07.2002 Schorlemer, Reinhard Schösser, Fritz SPD 25.07.2002 Schröter, Gisela SPD 25.07.2002 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 25.07.2002 Schultz (Everswinkel), SPD 25.07.2002 Reinhard Schulz, Gerhard CDU/CSU 25.07.2002 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 200225568 Schur, Gustav-Adolf PDS 25.07.2002 Schwanitz, Rolf SPD 25.07.2002 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 25.07.2002 Christian Seehofer, Horst CDU/CSU 25.07.2002 Seib, Marion CDU/CSU 25.07.2002 Seiffert, Heinz CDU/CSU 25.07.2002 Dr. h. c. Seiters, Rudolf CDU/CSU 25.07.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 25.07.2002 Singhammer, Johannes CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Solms, Hermann FDP 25.07.2002 Otto Späte, Margarete CDU/CSU 25.07.2002 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Stadler, Max FDP 25.07.2002 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 25.07.2002 Steinbach, Erika CDU/CSU 25.07.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 25.07.2002 Stetten, Wolfgang Storm, Andreas CDU/CSU 25.07.2002 Störr-Ritter, Dorothea CDU/CSU 25.07.2002 Straubinger, Max CDU/CSU 25.07.2002 Streb-Hesse, Rita SPD 25.07.2002 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 25.07.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 25.07.2002 Dr. Thomae, Dieter FDP 25.07.2002 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 25.07.2002 Titze-Stecher, Uta SPD 25.07.2002 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 25.07.2002 DIE GRÜNEN Wegener, Hedi SPD 25.07.2002 Weis (Stendal), SPD 25.07.2002 Reinhard Weiß (Groß-Gerau), CDU/CSU 25.07.2002 Gerald Weiß (Emmendingen), CDU/CSU 25.07.2002 Peter Wettig-Danielmeier, SPD 25.07.2002 Inge Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25.07.2002 Wieczorek (Böhlen), SPD 25.07.2002 Jürgen Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 25.07.2002 Wissmann, Matthias CDU/CSU 25.07.2002 Wittlich, Werner CDU/CSU 25.07.2002 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 25.07.2002 Wülfing, Elke CDU/CSU 25.07.2002 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Änderung der Geschäftsord- nung: Verhaltensregeln (Tagesordnungspunkt 5) Anni Brandt-Elsweier (SPD):Machen wir uns nichts vor! Es ist leider so: Der Berufsstand des Politikers glänzt nicht gerade durch ein gutes Image. Der schlechte Ruf lässt sich durch Umfragen belegen: Wir gelten als nicht ehrlich, machtversessen und nur an unserem eigenen Vor- teil interessiert. Im Nachgang zu Spendenaffären, Bestechungsskan- dalen und Miles-and-More-Desaster gibt ein beachtlicher Teil der Bürgerinnen und Bürger die Schuld für Poli- tikverdrossenheit den Politikern, und zwar mit dem Vor- wurf moralischer Defizite – wir seien halt keine Vorbil- der. Und angesichts der genannten Affären fällt es schwer, auf Einzelfälle hinzuweisen und vehement zu wi- dersprechen. Das schlechte Image unseres Berufsstandes verdanken wir jedoch nicht nur diversen Affären, sondern auch der immer wieder aufkeimenden Diskussion über Neben- tätigkeiten und Einkünfte der Abgeordneten, über die in der Bevölkerung diffuse Vorstellungen existieren. Viele E-Mails, die ich im Zusammenhang mit der furchtbaren Flutkatastrophe bekommen habe, zeugen davon, dass die Bürgerinnen und Bürger eine unrealistische Vorstel- lung über die Einkommensverhältnisse von Abgeordneten haben. So wurde zum Beispiel des Öfteren der Vorschlag ge- macht, die Parlamentarier sollten angesichts der Not doch einfach auf ein oder zwei Monatseinkommen verzichten, dann kämen die erforderlichen Milliarden für den Wie- deraufbau ja wohl recht schnell zusammen. Dabei wird mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass alle Politiker nicht nur ihre Diäten beziehen, sondern auch über erhebliche sonstige Einkünfte verfügen. Dies mag bei einigen von uns durchaus so sein, jedoch noch lange nicht bei allen. Deshalb wollen wir mehr Transparenz erreichen. Nur wenn für jeden ersichtlich ist, in welchen Interessen- beziehungen ihre Vertreter im Bundestag stehen, wird ein Teil des Misstrauens, das uns entgegengebracht wird, ab- gebaut werden können. Dabei geht es nicht um die Schaffung des so genannten „gläsernen Abgeordneten“, der seine gesamten privaten, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu le- gen hat. Auch der Abgeordnete hat Anspruch auf Wahrung seiner Grundrechte. Jedoch muss der Wähler die Mög- lichkeit haben, zu erkennen, in welchen Interessenbezie- hungen ein Abgeordneter steht, und selbst beurteilen, ob er diese für dessen politische Entscheidung für erheblich betrachtet oder nicht. In diesem Sinne nehmen wir mit un- seren Änderungsvorschlägen eine systemgerechte Aus- weitung der Veröffentlichungspflicht im Rahmen der bis- herigen Anzeigepflichten vor. Der zur Abstimmung vorliegende Antrag der Koalition vom 15. Mai 2002 wurde am 27. Juni 2002 in erster Le- sung beraten und dem Geschäftsordnungsausschuss zur Federführung überwiesen. Auf der Sitzung am 25. Juli hat der 1. Ausschuss eine öffentliche Anhörung mit fünf Sach- verständigen beschlossen, die am 10. September 2002 stattgefunden hat. Der mitberatende Rechtsausschuss hat dem Antrag mit Mehrheit zugestimmt, ebenso der feder- führende 1. Ausschuss – allerdings mit der Maßgabe, dass die Regelung auf die laufende Legislaturperiode keine Anwendung findet. Durch die Änderung der Verhaltensregeln gewinnen die Bürgerinnen und Bürger zukünftig einen Überblick, ob der Abgeordnete während seines Mandates durch Verträge über Beratung, Vertretung oder ähnliche Tätigkeiten gebunden ist oder welche Tätigkeiten er neben Mandat und Beruf aus- übt. Dies bedeutet, dass zukünftig veröffentlichungspflich- tig sind: Verträge über Beratungen, Vertretungen oder ähn- liche Tätigkeiten, soweit diese nicht in Ausübung eines bereits angezeigten Berufes erfolgen; Tätigkeiten, die neben dem Beruf und dem Mandat ausgeübt werden, insbesondere die Erstattung von Gutachten, sowie publizistische und Vor- tragstätigkeiten; das Halten und die Aufnahme von Beteili- gungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn da- durch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf das Unternehmen begründet wird. Durch diese Neuregelung ist sichergestellt, dass Bür- gerinnen und Bürger in Zukunft über wirtschaftliche Ein- flussmöglichkeiten von dritter Seite auf einen Abgeord- neten informiert sind. Ich möchte hier jedoch noch einmal ausdrücklich be- tonen, dass diese Veröffentlichungspflicht nur gilt, wenn zum Beispiel ein Beratungsvertrag nicht in Ausübung ei- nes bereits angezeigten Berufes abgeschlossen worden ist. Damit sind alle Tätigkeiten bzw. Verträge, die im Rah- men der Berufsausübung anfallen, weder anzeige- noch veröffentlichungspflichtig – so, wie bereits jetzt geregelt. Es ist somit den Freiberuflern wie zum Beispiel Rechts- anwälten, Notaren, Ärzten und Wirtschaftsprüfern weiter- hin unbenommen, für den Bundestag zu kandidieren, ohne dass Nachteile zu befürchten sind. Darüber hinaus enthält der Antrag auch keine neue Regelung bezüglich der Einkünfte aus beruflichen oder sonstigen Tätigkeiten. Die Höhe der Einkünfte ist bei be- stimmten Tätigkeiten dem Bundestagspräsidenten anzu- zeigen; jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich erwähne dies ausdrücklich noch einmal, da dies in den Me- dien wiederholt falsch wiedergegeben worden ist. Ich bin der Auffassung, dass wir damit die gegenwär- tigen Verhaltensregeln öffentlichkeitswirksamer gestaltet haben. So hat denn auch die Sachverständigenanhörung ergeben, dass diese Regelung überwiegend begrüßt wird, wobei § 44 a Abgeordnetengesetz als ausreichende Ge- setzesgrundlage angesehen wurde. Damit haben wir mit der vorliegenden Regelung auch einen guten Ausgleich zwischen dem Recht auf Datenschutz, das auch jedem Mitglied des Bundestags zusteht, den Rechten Dritter und dem Recht der Bürgerinnen und Bürger auf angemessene Information über die wirtschaftlichen Verflechtungen ih- rer Volksvertreter gefunden. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen. Christian Lange (Backnang) (SPD): Vier Jahre Ar- beit und Kampf haben sich gelohnt. Seit meiner Wahl in den Bundestag 1998 ist es mir ein ganz besonderes Anlie- gen, dass Abgeordnete die Tätigkeiten, die sie neben Man- dat und Beruf ausüben, auch der Öffentlichkeit und den interessierten Bürgerinnen und Bürgern anzuzeigen ha- ben. Bisher waren Nebentätigkeiten lediglich gegenüber dem Bundestagspräsidenten offen zu legen. Neu ist nun die Pflicht zur Veröffentlichung auch im amtlichen Hand- buch des Bundestages und damit auch im Internet. Durch die Ausweitung der Offenlegungspflichten für Mitglieder des Deutschen Bundestages werden wir außer- parlamentarische Interessenbeziehungen des einzelnen Ab- geordneten parlamentsintern und für die Öffentlichkeit transparenter als bisher machen. Somit werden diese Infor- mationen für jedermann zugänglich und jeder Bürger bzw. Wähler kann sich umfassend über wirtschaftliche Ein- flüsse Dritter, zum Beispiel von Firmen oder Verbänden, auf Parlamentarier informieren. Bei der Ausgestaltung der Verhaltensregeln werden die verfassungsrechtliche Stellung des Abgeordneten – Art. 38 des Grundgesetztes – und die Grundrechte, die auch für die Mitglieder des Deutschen Bundestages gelten, berück- sichtigt. Diesbezügliche Sorgen sind völlig unbegründet. Das hat auch die Anhörung vorgestern eindeutig bestätigt. Die formelle Verfassungsmäßigkeit wie auch die materi- elle Verfassungsmäßigkeit sind gegeben. Der gläserne Abgeordnete, der seine Einkommensteuerbescheide vor- legt, ist nicht das Ziel – auch aufgrund verfassungsrecht- licher Bedenken nicht. Ich betone nochmals, dass die Änderungen nicht auf die Schaffung des „gläsernen Abgeordneten“ zielen, der seine gesamten persönlichen, beruflichen und wirtschaft- lichen Verhältnisse offen zu legen hat. Es geht vielmehr darum, dass es für den Bürger in Zukunft transparenter ist, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 25569 (C) (D) (A) (B) ob ein Abgeordneter während seines Mandats durch Ver- träge über Beratung, Vertretung oder ähnliche Tätigkeiten gebunden ist. Damit ist kein Selbstständiger, ob Rechtsan- walt oder Bäckermeister, verpflichtet, seine Einkünfte oder seine Geschäftspartner zu offenbaren. Über Tätigkeiten, die ein Abgeordneter neben dem Beruf und dem Mandat ausübt, insbesondere über gutachterliche, publizistische und Vortragstätigkeiten, wird die Öffentlich- keit zukünftig eingehend informiert. Ebenso werden die Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften dann veröffentlicht, wenn sie einen wesentlichen wirt- schaftlichen Einfluss auf das Unternehmen begründen. Diejenigen, die, wie CDU/CSU und FDP, Bedenken formulieren, wollten noch nie Transparenz, weder in den letzten Legislaturperioden, als Norbert Gansel und Peter Conradi sich dafür einsetzten, noch heute und schon gar nicht in Zukunft. Deshalb ist auch vorgeschoben, dass die Abgrenzung zwischen beruflicher Tätigkeit und Ne- bentätigkeit schwer falle. Alle, die hier ein Problem sehen, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich be- reits heute nicht an Recht und Gesetz halten. Denn dieses Abgrenzungsproblem besteht bereits heute. Bereits heute müssen wir unsere Nebentätigkeiten gegenüber dem Prä- sidenten angeben. Neu ist nur, dass der Präsident in Zu- kunft nicht seinen Tresor verschließt, sondern veröffent- licht. Und genau das wollen Sie nicht, meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP. Deshalb lehnen Sie diese Regelung ab. Dann sagen Sie auch, dass Sie die Bürger weiterhin über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ab- geordneten im Dunkeln lassen wollen. Mit den Änderungen der Verhaltensregeln wird endlich ein angemessener Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit auf Offenlegung von Ne- bentätigkeiten der Mitglieder des Deutschen Bundestages und dem Schutz der individuellen Grundrechte des einzel- nen Abgeordneten – unter besonderer Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – erreicht. Die bis- herige Systematik der Verhaltensregeln wird dabei beibe- halten. Bisher scheiterte die gute Idee immer wieder an den Wi- derständen und Bedenken insbesondere bei der Union und der FDP, deren Einwände aber altbekannt sind und schon in früheren Debatten gebetsmühlenartig geltend gemacht wurden. Unsere Initiative enthält ja eben nicht die Offenle- gung der Einkommensteuererklärung. Denn auch wir wol- len, dass weiterhin Bäcker, Ärzte oder Rechtsanwälte für den Bundestag kandidieren. Diesbezügliche Kritik zeigt doch nur, dass unser Antrag nicht genau gelesen wurde. Dass der Eurobetrag nicht genannt wird, sondern nur die Vertragsbeziehung, liegt daran, dass – das hat die Anhörung ergeben – dies eine gesetzliche Regelung notwendig ma- chen würde. Das Abgeordnetengesetz müsste geändert wer- den. Das ist jedoch zustimmungspflichtig und im Bundesrat könnten Sie es blockieren. Deshalb behalten wir uns nach der gewonnenen Bundestagswahl und weiteren gewonne- nen Landtagswahlen vor, die Verhaltensregeln durch die ge- setzliche Regelung zu komplettieren. Bei der Bevölkerung dürfte dieser Antrag breite Zu- stimmung auslösen: Man kann endlich sehen, ob und in welcher Weise der zuständige Abgeordnete äußeren Ein- flüssen ausgesetzt ist. Ist er etwa ein verkappter Lobbyist? Vertritt er die Interessen eines Verbandes oder einer Firma? Hier wird endlich offen gelegt, was Parteienkritiker seit langem verlangen und was den Bürger interessiert und bei seiner Entscheidungsfindung bei Bundestagswahlen be- einflussen wird. Die Bedeutung des Antrags zeigt sich beispielswei- se am Fall des CSU-Abgeordneten Hollerith, wie am 24. Juni 2002 in der „Süddeutschen Zeitung“ nachzulesen war. Dem CSU-Bundestagsabgeordneten wird teuer be- zahlter Lobbyismus vorgeworfen, weil er gleichzeitig als Aufsichtsrat und Berater bei dem Unternehmen MWG Biotech tätig war. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat er neben seinen Einkünften als Aufsichtsratsmitglied zusätz- lich 204 517 Euro netto dafür erhalten, dass er dem in sei- nem Wahlkreis ansässigen Unternehmen staatliche För- dermittel und Kredite vermittelt hat. Dass dieser Antrag freilich im Zusammenhang mit der Hunzinger-Affäre plötzlich großes Aufsehen erregt hat, liegt mehr an der Prominenz der Betroffenen denn am Sinngehalt des Antrags. Aber das ist ein Problem unserer Mediengesellschaft. Dass sich Union und FDP gegen eine solche Regelung wehren, ist ein Trauerspiel. Der Vorschlag der Koalition schützt Selbstständige mit Blick auf das Grundgesetz vor unziemlicher Einsicht in interne Geschäftsabläufe. Insofern drängt sich der Verdacht auf, dass die Opposition mit ihrer Geheimniskrämerei allein parteipolitische Klientelinteres- sen vertritt. Die Wähler werden daraus ihre Schlüsse zu zie- hen haben. Ich bin der Ansicht, dass sich Offenheit letztlich für alle Beteiligten auszahlen wird, ganz bestimmt aber für ei- nen demokratischen Parlamentarismus, der von Glaub- würdigkeit lebt. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Zum ersten Mal in der Geschichte des Deutschen Bundestages sollen heute Verhaltensrichtlinien verabschiedet werden, die nicht im Konsens zwischen den Fraktionen erarbeitet worden sind, sondern gegen die bürgerliche Opposition in diesem Haus durchgesetzt werden. Einen besonders schalen Eindruck macht dabei der Umstand, dass die Regie der derzeitigen Parlamentsmehrheit von SPD und Grünen dafür gesorgt hat, dass durch die späte Einbringung die Zeit für ein ge- regeltes Gesetzgebungsverfahren gefehlt hat. Das ist deswegen besonders bemerkenswert, weil so- wohl FDP als auch CDU/CSU der Ansicht sind, dass es zur Erweiterung der hier in Rede stehenden Publizitäts- pflichten eines Gesetzes bedurft hätte. Die Folge der schon formellen Verfassungswidrigkeit der neuen Verhal- tensregeln ist ihre Unverbindlichkeit. Dafür tragen SPD und Grüne die politische Verantwortung, die ohne Not dieses Verfahren so arrangiert haben. Die Folge wird der Ansehensverlust des gesamten Parlaments sein. Um die unterschiedlichen Ansichten verstehen zu kön- nen, müssen wir uns klar machen, dass den Verhaltens- regeln unterschiedliche idealtypische Abgeordnetenbilder zugrunde liegen. Es gibt ein eher sozialdemokratisch-grün geprägtes Abgeordnetenbild und ein eher von bürgerlichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 200225570 (C) (D) (A) (B) Vorstellungen geprägtes. Deswegen war bisher die Praxis, zwischen den Fraktionen einen Kompromiss zu finden, nicht nur für die Akzeptanz der Regeln nötig, sondern auch von der Sache her geboten. Bei den Sozialdemokraten und den Grünen ist eher die Vorstellung verbreitet, dass Abgeordnete neben ihrem Mandat keinen weiteren Tätigkeiten nachgehen sollten. Insbesondere die Sozialdemokraten rekrutieren ihre Abge- ordneten zu einem deutlich höheren Maße als die bürger- lichen Parteien aus dem öffentlichen Dienst und der Ge- werkschaftsbewegung. Und für die Grünen sind politische Karrieren, die in dem Protest gegen den demokratischen Staat und die bürgerliche Gesellschaft begonnen haben – man sehe die beachtliche Karriere von Bundesminister Joschka Fischer – und bei denen die demokratische Sozia- lisierung in den Parlamenten stattgefunden hat, nicht un- typisch. Das Selbstverständnis der Grünen ist vielleicht nicht mehr von der Vorstellung geprägt, dass es besonders de- mokratisch sei, die freie Entscheidung des Abgeordneten durch ein imperatives Mandat der Partei auszuschließen. Insbesondere bei ihnen will man aber doch die Abhängig- keit der Abgeordneten von Entscheidungen der Partei auf Vollversammlungen besonders stark halten. Man denke nur an das früher bei den Grünen obligatorische Rota- tionsprinzip. Ähnliche Vorstellungen über das prinzipielle Verhältnis von Partei und Mandat gibt es auch bei den So- zialdemokraten. Nach bürgerlichen Vorstellungen steht die Unabhängig- keit des Abgeordneten im Vordergrund. Diese Unabhän- gigkeit kann sich jedoch nur dann politisch einigermaßen auswirken, wenn auch noch eine materielle Unabhängig- keit des Abgeordneten vorhanden ist. Diese materielle Un- abhängigkeit kann entweder durch Vermögen oder durch eine bürgerliche, berufliche Existenz gesichert werden. Nun haben wir nichts gegen Personen, die vermögend sind und sich für ein Mandat im Deutschen Bundestag bewer- ben. Wichtig sind uns aber insbesondere Kolleginnen und Kollegen, die als Freiberufler und Selbstständige mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem öffentlichen Dienst zu- sammenarbeiten und dabei ihre Erfahrungen und Vorstel- lungen einbringen. Dabei wollen wir insbesondere dieje- nigen für die Mitarbeit im Parlament gewinnen, die in ihrem Beruf besonders erfolgreich sind. Auf der anderen Seite ist selbstverständlich der Wunsch von SPD und Grünen richtig, die Öffentlichkeit über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Abgeordneten jedenfalls so weit zu informieren oder die Information der Öffent- lichkeit möglich zu machen, dass verdeckte Einflussnah- men eingeschränkt und nach Möglichkeit vermieden wer- den. Mit der vorgeschlagenen Veröffentlichung von gutach- terlichen, publizistischen und Vortragstätigkeiten, die ne- ben dem Beruf oder Mandat ausgeübt werden, und insbe- sondere mit dem Vorhaben, über Anteile an Kapital- und Personengesellschaften öffentlich zu informieren, wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf das Unternehmen begründet wird, wird nicht nur die Rechts- stellung des Abgeordneten verändert, sondern unmittelbar in Rechte Dritter, also von Nichtabgeordneten, eingegrif- fen. Insbesondere die Publizitätspflichten hinsichtlich der Anteile an Personengesellschaften gehen über die bisher bestehenden Publizitätspflichten des Wirtschafts- und Unternehmensrechts hinaus. Es hätte deshalb jedenfalls eines Gesetzes bedurft. Ich zitiere dazu Professor Dr. Martin Morlock, der in der Anhörung vor wenigen Tagen als Sachverständiger der Sozialdemokraten aufgetreten ist, sich aber bereits 1996 als Sachverständiger geäußert hat, als es um die Überprü- fung der derzeit noch geltenden Regelung ging. Er sagte in dieser Anhörung: Deutlich gesagt, die jetzige Rechtslage ist glatt ver- fassungswidrig, weil keine hinreichende gesetzliche Grundlage besteht. § 44 a des Abgeordnetengesetzes sagt nur, dass es Ver- haltensregeln gibt. Der wesentliche Gehalt von Rege- lungen, die in ein Grundrecht eingreifen, muss aber im Gesetz selbst festgelegt werden. Was bei den Abge- ordneten schon höchst bedenklich ist, wird auf alle Fälle nicht mehr tolerabel im Hinblick auf berührte Dritte. ... Das stellt für diese Dritten eine grundrecht- liche Belastung dar, die jedenfalls einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Es ist außerordentlich bedauerlich, dass die Sozialde- mokraten nicht nur im Inhalt, sondern auch im Verfahren dieser grundlegenden und richtigen Ansicht ihres eigenen Berichterstatters nicht gefolgt sind. Auch vom Regelungsinhalt her gilt für die hier vorge- schlagene Änderung, dass in der Politik häufig das Gegen- teil von „gut“ nicht „schlecht“ ist, sondern „gut gemeint“. Denn die Regelungen tragen die Missbrauchsmöglichkei- ten auf der Stirn. So sollen nur diejenigen gutachterlichen, beratenden oder publizistischen Tätigkeiten veröffentlichungspflich- tig sein, die neben dem Mandat oder dem Beruf ausgeübt werden. Es ist daher ein Leichtes, einen nicht gesetzlich geschützten Beruf wie den des Unternehmensberaters oder Journalisten anzugeben, um gerade die Tätigkeit, über die die Öffentlichkeit nach dem Regelungszweck der Vor- schläge Auskunft erhalten soll, nicht angeben zu müssen. Diesem Problem wird man auch nicht durch eine noch so ausgeklügelte Sophistik von Haupt- und Nebentätigkeiten gerecht werden können. Denn solange die Verfassung mit gutem Grund die Möglichkeit vorsieht, neben dem Man- dat beruflich tätig zu sein, wird man den Abgeordneten auch nicht durch Parlamentsbinnenrecht das Recht neh- men können, ihre Berufstätigkeit während der Mandats- ausübung oder jedenfalls kurz vor einer erneuten Kandi- datur zu wechseln. Die Publizitätspflichten beziehen sich zudem insbe- sondere auf die Einkünfte, die aus freiberuflicher oder selbstständiger Tätigkeit erlangt werden. Andere Ein- kunftsarten oder Vermögensverhältnisse, die in anderer Weise viel mehr die Abhängigkeit von Abgeordneten be- gründen können, bleiben in dem Antrag von SPD und Grünen bewusst ausgeklammert. Wie steht es zum Bei- spiel mit Geschenken, die Abgeordnete erhalten, zum Beispiel Kleidungsstücke im Wert von erheblichen fünf- stelligen Eurobeträgen? Oder lehrt uns nicht ein anderes Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 25571 (C) (D) (A) (B) Beispiel der jüngsten Vergangenheit – ich bedauere, dies hier erwähnen zu müssen, weil ich mich dem betroffenen Kollegen freundschaftlich verbunden fühle –, dass die Frage, bei wem, in welcher Höhe und zu welchem Zins- satz ein Abgeordneter verschuldet ist, wesentlich mehr Einfluss auf die Unabhängigkeit seiner Mandatsausübung haben kann? Es ist sicherlich nicht gemutmaßt, wenn man angesichts dieser jüngsten Ereignisse annehmen muss, dass der Antrag von SPD und Grünen zu diesen Umstän- den bewusst schweigt. Ich will hier auch ganz persönlich sagen: Ich teile das Anliegen, die Vorschriften zur Transparenz der Einkünfte und Vermögensverhältnisse der Abgeordneten auch im Lichte der jüngsten Erfahrungen zu betrachten, zu untersu- chen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Wir wollen aber insbesondere Abgeordnete, die neben ihrem Mandat ihre berufliche, bürgerliche Existenz nicht nur erhalten, sondern auch aus- oder aufbauen können. Nur so kann gewährleis- tet sein, dass die ohnehin schon negative Tendenz hin zu ei- nem Parlament, das sich zu immer größer werdenden Teilen aus dem öffentlichen Dienst und aus Verbandsfunktionären, namentlich der Gewerkschaften, zusammensetzt, Einhalt geboten wird. Ich will auch Abgeordnete, die sich mit der Mentalität eines Unternehmers den öffentlichen Angele- genheiten widmen. Die hier vorgelegten Vorschläge sind in Form und In- halt nicht geeignet, ihren selbstgesteckten Zielen zu die- nen. CDU und CSU lehnen sie daher ab. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der An- trag der Koalitionsfraktionen verschärft die Offenlegungs- pflichten der Abgeordneten in Bezug auf Nebentätigkeiten bzw. finanzielles Engagement. Dies betrifft Tätigkeiten als Beraterin oder Berater, Gutachterin oder Gutachter, Auto- rin oder Autor oder Ähnliches sowie wesentliche Beteili- gungen an Kapital- und Personengesellschaften. Diese Sachverhalte mussten bisher lediglich dem Präsidenten des Bundestages mitgeteilt werden. In Zukunft werden sie – wie zuvor bereits die Angaben über Hauptberuf, Funk- tionen in Verbänden, Vorständen etc. – auch im Amtlichen Handbuch sowie auf der Internet-Homepage des Bundes- tages veröffentlicht werden. Einkünfte aus der hauptberuflichen Tätigkeit sind auch weiterhin weder dem Bundestagspräsidenten mitzuteilen noch zu veröffentlichen. Auch Einzelheiten zu Auftragge- bern, Vertragsinhalten etc. werden hier weder erfasst noch publiziert. Eine Benachteiligung von Freiberuflern wird es daher nicht geben. FDPund CDU behaupten wider bes- seres Wissen das Gegenteil. Sie können nicht an einer Stelle unseres Antrages belegen, wo diese Benachteili- gung entstehen sollte. Schon in der letzten Wahlperiode haben sie unsere Initiativen in diesem Bereich blockiert. Wenn Sie gegen mehr Transparenz und Information der Öffentlichkeit bezüglich der Nebeneinkünfte von Ab- geordneten sind, sollten Sie das aber wenigstens als tatsächlichen Grund für ihre Ablehnung angeben. Offen- sichtlich scheint in Ihren Fraktionen eine existenzielle Furcht vor den geplanten Änderungen zu bestehen. Die vorliegenden Änderungen der Verhaltensregeln stellen mehr Transparenz über die Art und Weise von Nebentätigkeiten von Abgeordneten her. Sie sind ein sinn- voller erster Schritt. Wir wollen in der nächsten Legislatur- periode eine umfassende Überprüfung der Verhaltens- regeln. Dabei wäre auch zu untersuchen, ob nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Regelung im Gesetz – statt, wie bisher, in einem Anhang der Geschäfts- ordnung und in den Ausführungsbestimmungen – anzu- streben wäre. Eine solche Neufassung würde zugleich eine verfassungsrechtlich stabile Grundlage für eine weitere Ausdehnung der Veröffentlichungspflichten darstellen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und insbesondere der Kollege Gerald Häfner haben sich bereits in der letzten Legislaturperiode für noch weiter gehende Veröffentli- chungspflichten eingesetzt, von der auch die durch die Nebentätigkeiten erzielten Einkünfte erfasst sein sollen. Hierfür spricht vor allem, dass die Nennung von Beträgen ein wichtiges Kriterium für eine angemessene Bewertung und für Vergleichbarkeit von wirtschaftlichen Interessen- verknüpfungen ist. Die jetzt praktizierte Mitteilung der Einkünfte an den Bundestagspräsidenten erfüllt keine er- sichtliche Funktion. Sie ist zur Aufdeckung problemati- scher Konstellationen ungeeignet und entzieht sich jegli- cher effektiver Kontrolle. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfah- ren, welchen Tätigkeiten Abgeordnete neben ihrem Mandat nachgehen und wie viel Geld sie damit verdienen. Diesem Ziel kommen wir heute ein entscheidendes Stück näher. Jörg van Essen (FDP): Die Verfehlungen zahlrei- cher Politiker in der vergangenen Zeit sind bereits nach jetzigem Recht rechtswidrig. Es lagen offensichtlich Ver- stöße gegen die Verhaltensregeln des Bundestages oder gegen das Bundesministergesetz vor. Das Problem liegt daher im fehlerhaften Umgang mit den Regeln. Es liegt nicht am Fehlen von Regeln. Der Bundestag hat mit den Verhaltensregeln für seine Mitglieder bislang gute Erfah- rungen gemacht. Es muss vielmehr streng darauf geachtet werden, dass die bereits bestehenden Vorschriften einge- halten werden und dass Verstöße Konsequenzen haben müssen. Es wird in der aktuellen Diskussion der Eindruck vermittelt, als stehe die geplante Änderung der Verhal- tensregeln in Zusammenhang mit den Affären der letzten Zeit. Dies ist nicht der Fall. Die Änderung der Verhal- tensregeln geschieht völlig ohne Anlass. Schon heute bestehen zu Recht umfangreiche Offenle- gungspflichten für Abgeordnete. Sie sind notwendig und dienen der Transparenz. Die FDP widersetzt sich aber al- len Forderungen nach Einführung des „gläsernen Abge- ordneten“. Es gibt keinen Grund, wegen der Sünden ein- zelner Abgeordneter alle unter Generalverdacht zu stellen. Es gibt auch keinerlei Erkenntnisse, dass Regelverstöße bei Politikern häufiger sind als in der Wirtschaft oder an- deren gesellschaftlichen Bereichen. Ein anderer Eindruck entsteht bei Politikern deshalb, weil sie zu Recht unter starker öffentlicher Beobachtung stehen. Die vorgeschlagene Regelung ist zu unbestimmt. In be- ratenden Berufen kann im Zweifelsfall eine Abgrenzungs- schwierigkeit bestehen, ob die konkrete Tätigkeit im Rah- men des ausgeübten Berufes erfolgt oder nicht. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Berufsgruppen wäre die Folge. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 200225572 (C) (D) (A) (B) Zu beachten ist darüber hinaus der Schutz der Grund- rechte Dritter. Diese können bereits berührt sein, wenn par- lamentarische Offenlegungspflichten, womöglich noch im Internet, zu einem Bekanntwerden eines geschäftlichen Kontaktes zu einem Abgeordneten führen. Spätestens aber dort, wo die Tatsache des Kontaktes zu einem Abgeordne- ten in seinem Beruf unter eine Verschwiegenheitspflicht fällt, sind Grenzen der Offenlegungspflichten zu ziehen. Kollisionen mit dem Standesrecht der freien Berufe sind hier vorprogrammiert. Gerade aufgrund der Grundrechts- relevanz für Dritte ist es notwendig, dass die Änderung der Verhaltensregeln gesetzlich geregelt wird. Eine bloße Än- derung der Geschäftsordnung ist hierfür nicht ausreichend. Für freiberuflich und selbstständig tätige Abgeordnete entstehen durch die Neuregelung Wettbewerbsnachteile bei der Offenlegung von Nebentätigkeiten. Die Konkur- renten erhalten Einblick in deren unternehmerische Tätig- keiten. Damit ist die Freiheit des Mandats berührt. Die Zusammensetzung des Bundestages zeigt bereits heute, dass der öffentliche Dienst überrepräsentiert ist. Wenn wir aber einen Querschnitt der Bevölkerung als Abgeordnete haben wollen, dann brauchen wir mehr Selbstständige und Angehörige der freien Berufe. Es muss doch in unse- rem Interesse liegen, dass auch Freiberufler ihr politisches Engagement einbringen. Wir wollen schließlich keinen Bundestag der Beamten und Gewerkschaftsfunktionäre, sondern des ganzen Volkes. Der Antrag ist in der Praxis untauglich und kein geeig- neter Beitrag zur Reform des Parlamentsrechts. Dr. Ruth Fuchs (PDS): In der voraussichtlich vor- letzten Sitzung des 14. Bundestages entscheiden wir über eine Änderung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages und vollziehen damit als Gesetzgeber – im- merhin neun Monate nach der Einführung des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel – die Währungsumstellung in unserer eigenen Geschäftsordnung. Erst vor zwei Tagen fand zu dem Koalitionsantrag eine Anhörung statt. 30 Minuten später verabschiedete der Geschäftsordnungsausschuss die Beschlussempfehlung dazu. Tatsache ist, dass die Vorschläge von SPD und Grünen zur Veränderung der Verhaltensregeln weit hinter den Erfordernissen und auch hinter dem Diskussionsstand der 13. Wahlperiode zurückbleiben. Ich empfehle allen Inte- ressierten, sich das Protokoll der Anhörung des Geschäfts- ordnungsausschusses vom 12. Juni 1996 und der Anträge der damaligen Oppositionsfraktionen SPD und Grüne an- zusehen. Trotzdem wird die PDS dem Koalitionsantrag zustim- men, ist doch die Veröffentlichung von Nebentätigkeiten ein erster Schritt auf dem Weg zur Schaffung von mehr Transparenz über Abhängigkeiten von Abgeordneten. Die Öffentlichkeit hat zum einen den Anspruch auf mehr Transparenz hinsichtlich der außerparlamentari- schen Einkünfte ihrer Volksvertreter und zum anderen auf eine gesetzliche Minimierung der Gefahren der di- rekten, korruptiven Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik. Politiker sollen für und daher auch von der Politik le- ben. Es darf daher nicht sein, dass sonstige Einkünfte die Diäten im Einzelfall um ein Mehrfaches übersteigen. Die „Erarbeitung“ von Nebeneinkünften steht außerdem ab einer bestimmten Größenordnung auch der Mandatsaus- übung entgegen, da ein Abgeordneter bei verantwor- tungsbewusster Wahrnahme seines Mandats in jeder Hin- sicht voll gefordert, das heißt ausgelastet ist. Die Praxis belegt die Gefahr der Einflussnahme der „Ne- beneinkunftgeber“ auf den einzelnen Abgeordneten und seine Partei bzw. Fraktion – sei es in Gestalt konkreter An- liegen oder schlechthin der Schaffung einer „positiven“ At- mosphäre des gegenseitigen Gebens und Nehmens, wo Er- wartungshaltungen schließlich zu Erwartungserfüllungen führen. Wir Politikerinnen und Politiker sind in einer Glaub- würdigkeitskrise. Parteispendenskandale, die so genannte Hunzinger-Affäre und die private Nutzung von dienst- lichen Bonusmeilen haben dem Ansehen des Parlamentes großen Schaden zugefügt. Auch deswegen ist es gut, wenn dieser Schritt noch in dieser Wahlperiode gegangen wird. Bereits in der Debatte im Jahr 1996 wurde deutlich, dass es nicht reicht, nur über Nebentätigkeiten zu infor- mieren. Notwendig sind auch eine Veröffentlichung von Nebeneinkünften und eine deutliche Absenkung der so genannten Bagatellgrenzen. Auch die Frage, ob diese Regeln in einer Anlage zur Geschäftsordnung und Ausführungsbestimmungen des Bundestagspräsidenten zu dieser Anlage oder in einem Gesetz festzuschreiben sind, ist nicht neu. Leider haben SPD und Grüne auf einen Gesetzentwurf verzichtet und in ihrem Antrag die Frage der Nebenein- künfte unter den Tisch fallen lassen. Dies ist unverständlich, zumal es auch erklärterWille in der SPD war, nicht nur Nebentätigkeiten, sondern auch Nebeneinkünfte zu veröffentlichen. So hat sich Bundes- justizministerin Herta Däubler-Gmelin im Tagesgespräch in SWR 2 am 30. Juli 2002 unmissverständlich für eine völlige Offenlegung der Einkünfte von Abgeordneten ausgesprochen.Auch derBundeskanzler hielt es in einem Nachrichtensender für vernünftig, Nebeneinkünfte zu veröffentlichen. Die Grenzen, ab wann dem Präsidenten Nebenein- künfte anzuzeigen sind, sollen laut Koalitionsantrag trotz der aktuellen Erfahrungen nicht gesenkt, sondern sogar auf 3 000 Euro Nebeneinkünfte pro Monat bzw. 18 000 Euro pro Jahr erhöht werden. Die Koalitionsfraktionen wollen den Betrag, ab wel- chem Spenden desselben Spenders an einen Abgeordneten vom Präsidenten des Deutschen Bundestages zu veröffent- lichen sind, bei 10 000 Euro belassen, obwohl eine Gleich- setzung von Parteispenden mit Spenden an einzelne Abge- ordnete nicht sachgerecht ist. Notwendig ist nach Auffassung der PDS zumindest eine Absenkung der Grenze auf 1 000 Euro, zumal die Entgegennahme von Spenden ähnliche Abhängigkeiten schaffen kann wie andere Nebeneinkünfte von Abgeord- neten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002 25573 (C) (D) (A) (B) Deswegen hat die PDS einen Änderungsantrag einge- bracht und sich dabei bewusst auf zwei Punkte konzen- triert: erstens auf die Veröffentlichung der schon jetzt anzeigepflichtigen Nebeneinkünfte nach § 1 Abs. 3 der Verhaltensregeln und zweitens auf die Absenkung der so genannten Bagatellgrenzen bei anzeigepflichtigen Spen- deneinnahmen und Nebeneinkünften. Damit werden die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Abgeordneten nicht infrage gestellt. Auch die behaupteten rechtlichen Beden- ken sind eher politische Abwehrkämpfe und Ausreden. NatürlichbleibenFragenoffen.SolltemanmitBlickauf § 9 der Verhaltensregeln – unzulässige Bezüge – nicht ge- nerell Spenden an Abgeordnete untersagen? Sollten nicht auch Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 derVerhaltensregeln demBundestagspräsidenten an- gezeigt und veröffentlicht werden?Diese undweitere Fra- genmüssen einerweiter gehendenReformderVerhaltens- regeln durch den 15. Bundestag vorbehalten bleiben. Wir sollten damit nicht wieder erst zum Ende derWahlperiode beginnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 252. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. September 200225574 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425200000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, darf ich Sie bit-
ten, sich zu erheben.


(Die Anwesenden erheben sich)

Fassungslos und nahezu sprachlos, weil uns die Worte

fehlten, erfuhren wir am 11. September 2001 von den
terroristischen Angriffen auf das World Trade Center in
New York und auf das Pentagon in Washington. Erst in der
Folgezeit wurde uns klar, dass diese ungeheuerlichen Ver-
brechen nicht nur New York und Washington, nicht nur
den USA, sondern der gesamten zivilisierten Welt galten.

Die schrecklichen Bilder, mit denen wir wieder und
wieder konfrontiert wurden, haben sich tief und unaus-
löschlich in unser aller Bewusstsein eingegraben.

Wir gedenken heute der über 3 000 Menschen, die bei
diesen furchtbaren Anschlägen am 11. September 2001
ihr Leben verloren, sei es als Passagier in einem der ent-
führten Flugzeuge, sei es in den Büros des World Trade
Center oder des Pentagon oder als Feuerwehrleute. Wir
gedenken der Toten, aber auch ihrer Angehörigen, die ur-
plötzlich mit dem Unfassbaren konfrontiert wurden, und
wir gedenken derer, die noch heute der Behandlung be-
dürfen, weil sie mit dem erlittenen Trauma nicht fertig
werden.

Der Deutsche Bundestag hat bereits unmittelbar nach
den terroristischen Anschlägen deutlich gemacht, dass wir
alle es als unsere ureigene Aufgabe ansehen, den Ver-
einigten Staaten von Amerika im Kampf gegen den Terro-
rismus beizustehen, und haben unsere Solidarität mit ihnen
zum Ausdruck gebracht. Diese Solidarität gilt weiterhin
uneingeschränkt.

Der Jahrestag dieser auch heute in ihrer ganzen Be-
deutung noch immer unfassbaren Ereignisse gibt uns al-
len, Amerikanern wie Europäern, Gelegenheit, im Geden-
ken an die Opfer und in unserer Verantwortung für die
Zukunft die möglichen Konsequenzen zu bedenken, die
für die Sicherung einer menschenwürdigen Zivilisation
für alle Menschen zu ziehen sind.

Sie haben sich zu Ehren der Toten erhoben. Ich danke
Ihnen.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen
vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:

1 Beratung der Beschlussfassung des Ausschusses nach Art. 77
des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Fünften
Gesetz des Bundesfernstraßengesetzes (5. FStrÄndG)


(Drucksachen 14/8448, 14/8911, 14/9535, 14/9795, 14/9888, 14/9937)

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek

2 Beratung der Beschlussfassung des Ausschusses nach Art. 77
des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Ersten
Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes

(Drucksachen 14/9194, 14/9237, 14/9711, 14/9793, 14/9889, 14/9938)

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek

3 Beratung der Beschlussfassung des Ausschusses nach Art. 77
des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz
zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unter-

(Drucksachen 14/9356, 14/9710, 14/9794, 14/9798, 14/9939)

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek


(Ergänzung zu TOP 7)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425200100
Sammelübersicht 412 zu Peti-
tionen (Drucksache 14/9915)


Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist so beschlossen.

Zunächst möchte ich den Vorsitzenden der UMP-Frak-
tion in der Assemblée Nationale, Herrn Jacques Barrot,
herzlich in unserem Hause begrüßen. Seien Sie uns will-
kommen!


(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003)

– Drucksache 14/9750 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

25459


(C)



(D)



(A)



(B)


252. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 12. September 2002

Beginn: 10.00 Uhr

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2002 bis 2006
– Drucksache 14/9751
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
heutige Aussprache im Anschluss an die Einbringung des
Haushalts fünfeinhalb Stunden vorgesehen. Für Morgen
ist eine vierstündige Debatte zum Etat des Bundeskanz-
leramtes und weiterer Geschäftsbereiche vereinbart. –
Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so be-
schlossen.

Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bun-
desminister der Finanzen, Hans Eichel.


(von der SPD sowie von Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

sehr verehrten Damen und Herren! Als das Bundeskabinett
am 19. Juni den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2003
verabschiedete, konnte niemand mit der Flutkatastrophe
rechnen, die im vergangenen Monat so viel zerstört hat.
Wir wissen immer noch nicht, wie hoch der Schaden letzt-
lich sein wird. Aber bereits jetzt steht eine zweistellige
Milliardensumme als Hilfe für die Betroffenen bereit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Schäden erreichen Dimensionen, die wir nicht al-
lein der enormen Spendenbereitschaft der Bevölkerung
sowie der Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe der Betrof-
fenen überlassen können. Hier muss der gesamte Staat
helfend eingreifen. Ich bin froh, dass es in diesem Punkte
zwischen den politischen Parteien keinen Dissens gab.
Die Deutschen in Ost und West standen und stehen zu-
sammen wie selten zuvor. Wir alle haben auf beein-
druckende Art gelernt, wie weit die deutsche Einheit wie-
derhergestellt ist, viel weiter, als mancher Skeptiker
befürchtet hat. Solidarität wurde von vielen durch Spen-
den und direkte Hilfe praktiziert. Niemand hat zuerst ge-
fragt: Bin ich betroffen? Im Gegenteil, alle haben gefragt:
Wo kann ich helfen? Dafür ist allen zu danken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der PDS)


Jetzt müssen wir schnell den Weg zurück zur Norma-
lität finden. Die Beseitigung der Flutschäden ist bereits in
vollem Gange. Die Gelder des Staates fließen in die be-
troffenen Regionen und an die Geschädigten. Anpacken
statt verzagen, lautet jetzt die Devise. Aus dieser Situation
können eine neue Chance und ein neuer Anschub für den
Aufbau in den betroffenen Regionen entstehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei allem Konsens: Große Unterschiede gab und gibt
es in der Art und Weise, wie die einzelnen Parteien das
staatliche Hilfspaket finanzieren wollen. Selten zuvor tra-
ten die prinzipiellen Unterschiede in der Finanzpolitik so

klar hervor wie bei dieser Gelegenheit. Die Bundesregie-
rung setzt auf eine solide Finanzierung unter Verzicht auf
neue Schulden. Die Opposition wollte auf das Instrument
zurückgreifen, das dieses Land in den 90er-Jahren in eine
enorme finanzpolitische Schräglage gebracht hat: auf im-
mer mehr Schulden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Verschuldungspolitik, durch die bis 1998 beim
Bund ein Schuldenberg von rund 750 Milliarden Euro an-
gehäuft wurde, wäre nach dem Willen der Union und der
FDP fortgesetzt worden, wenn wir das zugelassen hätten.
Schulden sind ein süßes Gift. Wie Süchtige sind ihm
Union und FDP verfallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNE – Lachen bei Abgeordneten der FDP)


– Ich weiß, dass Sie an dieser Stelle jedes Mal unruhig
werden. Sie werden noch an anderen Stellen unruhig wer-
den, wenn ich Ihnen den Spiegel vorhalte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir dürfen die für den Schuldenberg Verantwortlichen
nicht schon wieder ans Werk lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die schleichende Vergiftung fortzusetzen hat unser Land
nicht verdient. Würden wir den Finanzierungsvorschlag
der Opposition akzeptieren, käme uns das sehr teuer zu
stehen. Die zusätzlichen Schulden hätten pro Jahr
400 Millionen Euro an Zinsen zur Folge, und zwar für
viele Jahre. Das sind jahrein, jahraus mehr als 1 Mil-
lion Euro pro Tag. Davon ließen sich jeden Tag fünf sehr
schöne Einfamilienhäuser bezahlen. Dieses Geld würden
wir sozusagen nachträglich in die Fluten werfen und es
damit zusätzlich zu den bereits entstandenen Schäden ver-
nichten. Das kann kein vernünftiger Mensch wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Stoiber hat mit seiner Behauptung, Zinsen zu zah-
len sei besser, als Steuern nicht zu senken, Unrecht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie mal etwas über den Haushalt!)


Das Gegenteil stimmt! Niedrige Schulden sind die Vo-
raussetzung für niedrige Zinsen und einen stabilen Euro.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch Zinsen müssen schließlich aus Steuern bezahlt wer-
den. Das ist nicht, wie Sie vielleicht früher gedacht
haben, erst ab morgen, sondern ab sofort notwendig.
Höhere Zinsausgaben heute erzwingen höhere Steuern
morgen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
ziehe aus Ihren Vorschlägen eine entscheidende Schluss-
folgerung: Sie haben den europäischen Stabilitäts- und




Präsident Wolfgang Thierse
25460


(C)



(D)



(A)



(B)


Wachstumspakt zwar herbeigeführt, ihn aber nicht ver-
standen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist eine Dreistigkeit sondergleichen!)


– Seien Sie vorsichtig! Ich kenne eine ganze Reihe Fi-
nanzminister in Europa, die dem konservativen Lager an-
gehören und Sie als ein Risiko für den europäischen Sta-
bilitäts- und Wachstumspakt ansehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott! Nennen Sie doch mal Namen! Einen Namen nur, Herr Eichel! – HansPeter Repnik [CDU/CSU]: Ross und Reiter!)


– Fragen Sie die europäischen Finanzminister aus Ihrem
Lager,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein, hier bitte! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So eine schöne Einbringung habe ich noch nie erlebt!)


was sie von Ihren Vorschlägen in diesem Wahlkampf hal-
ten!

Die Fluthilfe muss solide finanziert werden. Deswegen
werden wir die für das nächste Jahr geplante Entlastung
bei der Einkommensteuer um ein Jahr verschieben und
parallel dazu, auf ein Jahr befristet, den großen Unterneh-
men durch eine Anhebung des Körperschaftsteuersatzes
um 1,5 Prozentpunkte einen Solidarbeitrag abverlangen.
Die dadurch frei werdenden Mittel stehen zur Beseitigung
der Schäden der Flutkatastrophe zur Verfügung.

Die Flutkatastrophe erfordert eine Änderung des Bun-
deshaushalts an einigen wenigen Stellen. Zur Bündelung
der Mittel wird der Fonds „Aufbauhilfe“ gegründet. Trotz
der Zahlungen in diesen Fonds wird die Nettokreditauf-
nahme des Bundes in den nächsten Jahren, wie angekün-
digt, weiter sinken. Nach 21,1 Milliarden Euro in diesem
Jahr bleibt es bei der für 2003 geplanten Neuverschuldung
in Höhe von 15,5 Milliarden Euro. An diesem Wert wer-
den wir festhalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unser Land ist leistungsfähig. Wir können die entstan-
denen Schäden überwinden, ohne zukünftige Generatio-
nen in die Pflicht zu nehmen. Der Schaden ist jetzt ent-
standen und wir müssen ihn jetzt beseitigen. Wenn die
Versicherungen, die bereits jetzt eine Zunahme der Schä-
den konstatieren, mit ihrer Voraussage Recht haben, dass
es künftig noch mehr solcher Schäden geben wird, frage
ich Sie: Wollen Sie diese Schäden jedes Mal wieder durch
eine Neuverschuldung finanzieren? Wohin soll das
führen, meine Damen und Herren?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zukünftige Generationen werden eigene Herausforde-
rungen zu meistern haben, die vor allem aus einer altern-
den Bevölkerung und aus sinkenden Bevölkerungszahlen
resultieren. Wir können den zukünftigen Generationen

nicht auch noch unsere Lasten aufbürden. Deshalb wird es
mit uns keine Schuldenlösung geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb bleibt es bei dem eingeschlagenen Konsolidie-
rungskurs mit dem Ziel, im Jahr 2006 einen Haushalt
ohne neue Schulden vorzulegen. Er wird durch die Flut-
katastrophe nicht gefährdet, weil wir die Schadensbesei-
tigung solide finanzieren.

Mit dem Bundeshaushalt 2003 haben wir die Netto-
kreditaufnahme im Vergleich zu 1998 fast halbiert. Die
eingeplanten 15,5 Milliarden Euro stellen den niedrigsten
Wert seit der Wiedervereinigung dar.

Alles, was unsere Finanzpolitik auszeichnet, ist für die
Union ein Fremdwort: Solidität, Nachhaltigkeit, Ausga-
benkontrolle und Rückführung der Neuverschuldung.
Das lässt sich belegen, wenn man einen Blick zurück-
wirft: Von 1995 bis 1998 – in den letzten vier Jahren, die
Sie zu verantworten hatten – hat der Bund rund 230 Mil-
liarden Euro neue Schulden gemacht. Das ist eine gewal-
tige Summe: 230 Milliarden Euro. Von 1999 bis 2002 wa-
ren es nur – dabei lasse ich an dieser Stelle die Erlöse aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen außen vor, weil
sie nicht eingeplant waren – 80 Milliarden Euro. Das ist
ein Unterschied von mehr als 150 Milliarden Euro, und
das trotz der riesigen Schulden- und Zinsbelastung, die
uns die Regierung Kohl hinterlassen hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Umso froher bin ich darüber, dass wir die Entschei-
dung durchgesetzt haben, die nicht geplanten Erlöse aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für die Schulden-
tilgung einzusetzen. Wie ich Sie kenne, hätten Sie auch
diese Mittel noch ausgegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Herr Stoiber wollte sie verjubeln!)


Mindestens 2,5 Milliarden Euro weniger Zinsen jedes
Jahr sind die Konsequenz dieser Entscheidung. Die durch
unsere Ausgabendisziplin gesparten Zinsen nutzen wir
jetzt für Zukunftsinvestitionen. Wir können uns wieder
etwas mehr leisten. Ohne den Regierungswechsel 1998
wäre Deutschland heute ärmer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


Von 1994 bis 1998 hat der Bund im Durchschnitt
13 Prozent seiner Ausgaben durch Schulden finanziert.
Von 1998 bis 2001 – ich lasse dabei die UMTS-Erlöse wie-
der außen vor – waren es nur rund 10 Prozent. In diesem
Jahr werden es nur noch rund 8,5 Prozent sein. Das ist der
niedrigste Stand seit 1989. Der Bundeshaushalt 2003 sieht
eine Schuldenquote von nur noch 6,3 Prozent vor. Inner-
halb von fünf Jahren haben wir also die Schuldenquote fast
halbiert. Das ist der niedrigste Wert seit 1974.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das bedeutet rund 14 Milliarden Euro – ich betone:
14 Milliarden Euro – weniger Schulden. Eine ganze




Bundesminister Hans Eichel

25461


(C)



(D)



(A)



(B)


Kreisstadt könnte so Millionär werden, ohne sich den Fra-
gen von Günther Jauch aussetzen zu müssen.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diesen Schuldenrückgang haben wir erreicht, obwohl
der Anteil des Bundes am Steueraufkommen insgesamt
gesunken ist. 1994 bekam der Bund noch 48 Prozent der
gesamten Steuereinnahmen. 2002 waren es nur noch
knapp 43 Prozent. So viel zu der Mär, dass wir den Bun-
deshaushalt auf Kosten der Länder und Gemeinden sa-
niert hätten!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die volkswirtschaftliche Steuerquote wird in diesem
Jahr mit 21,5 Prozent einen historischen Tiefststand errei-
chen. Wir haben nicht über die Einnahmeseite konsoli-
diert, wie Sie nicht müde werden, als Märchen im Lande
zu verbreiten. Wir haben vielmehr die Ausgaben kontrol-
liert. Nach unserer Finanzplanung werden die Ausgaben
im Jahr 2003 trotz zusätzlicher finanzieller Belastungen
durch den Wiederaufbau in den Katastrophengebieten
– ich betone das – unter dem liegen, was wir 1999 im Zu-
kunftsprogramm 2000 hinsichtlich der Konsolidierung
geplant hatten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das kommt natürlich nicht von ungefähr. Das ist das
Ergebnis unserer harten Arbeit, das man nicht mit der ein-
maligen Aufstellung eines Haushalts erreichen kann. Die
Bundesregierung und der Bundeskanzler haben zum Bei-
spiel bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 er-
reicht, dass das, was Deutschland an den EU-Haushalt
abführen muss, gesenkt worden ist. Auch das war eine der
Hypotheken, die wir von Ihnen übernommen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Außerdem hat der beständige Kampf mit allen Betei-
ligten darum, dass der EU-Haushalt nicht in so starkem
Maße wächst, dazu geführt, dass Deutschland weniger an
die EU abführen muss. Sie wollen nun die Mittel, die aus
dem EU-Haushalt in den Bundeshaushalt zurückgeführt
werden, für neue Ausgaben einsetzen. Davor kann ich Sie
allerdings nur warnen. Denn diese Mittel sind erstens in
den Steuerschätzungen schon berücksichtigt. Zweitens
muss man bedenken, dass noch nicht alle Mittel der Struk-
turfonds ausgezahlt worden sind. Hier werden in den
nächsten Jahren noch Ausgaben auf uns zu kommen. Wer
also heute die aus dem EU-Haushalt zurückgeführten
Mittel ausgeben will, wird später doppelt so viele Pro-
bleme haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es war des Weiteren ein großer Kampf – hier hat der
Bundeskanzler persönlich außerordentlich viel erreicht –,
Russland dazu zu bringen, seine Situation im Pariser
Club so zu sehen wie jedes Land, das wirtschaftlich stark
ist und seinen Verpflichtungen voll nachkommt. Das hilft
uns natürlich. Ich muss keine zusätzlichen Ausgaben ein-

planen, wenn Russland ein solider Schuldner ist und seine
Schulden bedient.

Wenn ich nur daran denke, welche Sorgen uns dieser
Tage Brasilien bereitet hat! Hier kommt wieder eine Auf-
gabe auf uns zu, die wir erledigen müssen. Deswegen ist
die deutsche Bundesregierung im IWF intensiv tätig ge-
wesen; denn wenn dort etwas passierte, hätten wir wie-
derum ein Haushaltsrisiko in Höhe von mehreren Hundert
Millionen Euro Jahr für Jahr zu tragen. Wer also mit der
Konsolidierung vorankommen will, muss in der Tat das
ganze Jahr über an den Positionen des Haushalts arbeiten.

Mit allen Konsolidierungsbemühungen haben wir zu-
gleich in die Zukunft investiert, wobei nicht nur das, was
in Beton und Asphalt, sondern auch das, was in die Köpfe
investiert worden ist, als Investitionen anerkannt werden
muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber selbst wenn ich den herkömmlichen Investitionsbe-
griff zugrunde lege, ist festzustellen, dass die Investi-
tionsquote 1998 bei 11 Prozent lag und im nächsten Jahr
schon bei 12,7 Prozent liegen wird. Allein die Verkehrs-
investitionen steigen – ich betone das – von 1998 bis 2003
um fast 32 Prozent.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

All diese Zahlen belegen, auf welchem finanzpolitischen
Treibsand die Unionskonzepte aufgebaut sind. Schulden
schaden!

Die Vorschläge der FDP sind auch nicht besser. Sie ru-
fen gerne laut nach pauschalen Subventionskürzungen,
trauen sich aber nicht, auch nur eine Maßnahme konkret
zu nennen.


(Widerspruch bei der FDP)

Allenfalls verlangen Sie – das haben Sie in der Vergan-
genheit immer wieder getan – die Kürzung der Steinkoh-
lesubventionen. Ich sage Ihnen dazu nur: Diese Subven-
tionen – die haben wir von Ihnen geerbt – werden als
Einzige immer stärker abgebaut. Wir mussten dafür sor-
gen, dass der Vertrag, den Sie in diesem Zusammenhang
geschlossen hatten, eingehalten wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schaut man diesbezüglich in die Vergangenheit, dann weiß
man auch, warum Sie keine Vorschläge machen. An der
Vorgängerregierung war schließlich auch die FDPbeteiligt.

Von 1994 bis 1998 stiegen die im Haushalt veran-
schlagten Subventionen um 1,8Milliarden Euro. Seit wir
an der Regierung sind, sanken sie um mehr als 3 Milliar-
den Euro. Wir reden nicht nur, wir handeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die finanzpolitischen Kennzahlen sprechen eine eindeu-
tige Sprache. Bis 1998 gab es viel finanzpolitisches Ge-
rede. Ab 1999 war die Zeit für Taten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)





Bundesminister Hans Eichel
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(C)



(D)



(A)



(B)


– Sehen Sie, so kann sich Ihr eigener Wahlkampfslogan
gegen Sie kehren, meine Damen und Herren. Sie hatten
doch 16 Jahre Zeit für Taten und das weiß auch die Be-
völkerung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Den Wiederaufbau der hochwassergeschädigten Re-
gionen bezahlen wir parallel zu den Leistungen im Rah-
men des Solidarpakts II. Von 2005 bis 2019 wird der Bund
den ostdeutschen Ländern insgesamt rund 156 Milliar-
den Euro zum Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten
zur Verfügung stellen. Danach müsste die teilungsbe-
dingte Infrastrukturlücke zum Westen geschlossen sein.

Ab 2005 übernimmt der Bund außerdem die Verbind-
lichkeiten des Fonds „Deutsche Einheit“. Mit Ablauf des
Jahres 2019 wird der Fonds aufgelöst. Den Aufbau Ost
stellen wir damit auf eine verlässliche finanzielle Grund-
lage und sorgen durch den neuen Aufbaufonds dafür, dass
der Aufbau Ost nicht gefährdet wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden die Schäden schnell beseitigen. Das Hoch-

wasser soll den Aufholprozess Ostdeutschlands nicht ge-
fährden. Das Entscheidende aber ist das Vertrauen der
Menschen; denn sie müssen es machen. Wir können ihnen
beistehen. Wir können finanzielle Rahmenbedingungen
schaffen. Dafür schnell, klar und solidarisch zu sorgen ist
unsere gemeinsame Aufgabe. Auch das muss heute hier
entschieden werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch wenn es am Bau noch immer Probleme gibt, und
zwar erhebliche, so kommt dieser Aufholprozess insge-
samt doch gut voran. Die Industrieproduktion wuchs in
Ostdeutschland von 1997 bis 2001 dreimal schneller als
in Westdeutschland. Die internationale Konkurrenzfähig-
keit ist gleichzeitig enorm gestiegen. Der Exportanteil am
Umsatz stieg von 14,6 Prozent auf 23,2 Prozent. In der
ostdeutschen Industrie gibt es heute rund 50 000 Be-
schäftigte mehr als 1997.

Wir haben im Einzelplan für den Verkehr als Folge der
Hochwasserkatastrophe Umstrukturierungen vorgesehen.
Die hochwassergeschädigten Regionen werden zusätzlich
1 Milliarde Euro bekommen. Das ändert aber nichts am
Gesamtvolumen. Die Verkehrsträger erhalten in 2003
12 Milliarden Euro für Investitionen. Bis 2006 steigt die
Summe auf 12,3Milliarden Euro. Damit besteht über eine
längere Zeit Planungssicherheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erstmals sind auch die Einnahmen aus der LKW-Maut im
Haushalt berücksichtigt. Damit kann das Anti-Stau-Pro-
gramm anlaufen, mit dem volkswirtschaftlich schädliche
Engpässe auf den Autobahnen beseitigt werden.

Der Bundeswehreinsatz an den Deichen wird vom
Bund bezahlt. Der Verteidigungsminister wird Mittel aus
seinem Einzelplan dafür einsetzen. Im Jahr 2003 wie in

den folgenden Jahren bis 2006 stehen für den Verteidi-
gungshaushalt je 24,6Milliarden Euro zur Verfügung. Die
767 Millionen Euro für Antiterrormaßnahmen, die wir
auch in diesem Jahr eingeplant hatten, werden in den
Verteidigungshaushalt integriert. Das Geld reicht für die
Fortführung der Bundeswehrreform aus.

Der Aufschwung in Deutschland hat bereits eingesetzt.

(Lachen bei der CDU/CSU – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Eichels Märchenstunde!)

– Zahlen dazu werde ich Ihnen gleich vorhalten. Daran
kann man richtig schön studieren, wie Sie mit der Realität
umgehen, nur weil Sie sich einen Wahlkampfvorteil da-
von versprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für das Gesamtjahr 2002 erwarte ich weiterhin eine
reale Wachstumsrate von einem Dreiviertelprozent. Da-
mit liegen wir in der Mitte des Prognosespektrums.

Wer hat denn dem Unionskandidaten aufgeschrieben,
wir hätten in Deutschland ein Minuswachstum? Davon
kann überhaupt keine Rede sein. Jetzt werde ich Ihnen
einmal vorführen, was Sie an dieser Stelle betreiben: Wir
hatten zweimal ein Minus im Vergleich zum Vorquartal,
nämlich im dritten und vierten Quartal des vergangenen
Jahres. Seit dem ersten Quartal dieses Jahres wächst die
Wirtschaft wieder: im ersten Quartal und auch im zweiten
Quartal um jeweils 0,3 Prozent im Vergleich zum jeweili-
gen Vorquartal. Anders sieht der Vergleich mit dem Vorjahr
aus: Im ersten Quartal dieses Jahres waren es im Vergleich
zum ersten Quartal 2001 minus 1,2 Prozent. Sie sprechen
davon, im ersten Halbjahr seien es minus 0,4 Prozent ge-
wesen. Das ist auch nicht verkehrt; Sie unterschlagen nur
eines: Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres liegen wir
im Wachstum mit 0,5 Prozent wieder über dem zweiten
Quartal des vergangenen Jahres. Wir befinden uns also auf
einem gesicherten Wachstumspfad. Nur, Sie können das
für Ihre Propaganda nicht gebrauchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der FDP)


Da Sie die Zahlen nicht bestreiten können, müssen Sie
zu dem Kunstgriff greifen, den Unterschied zwischen
dem zweiten Quartal 2001 und dem zweiten Quartal 2002
zu kaschieren. Mit diesem Kunstgriff behaupten Sie, wir
steckten noch im Minus. Tatsächlich liegen wir im Wachs-
tum bereits wieder deutlich über dem vergangenen Jahr.
Machten Sie eine verantwortliche Wirtschaftspolitik,
würden Sie die Fakten nicht derart leugnen, meine Damen
und Herren, sondern auch die andere Hälfte, die etwas mit
Psychologie zu tun hat, ernst nehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ihre Methode aber ist die folgende: erst das Land schlecht
regieren und dann, wenn Sie nicht mehr regieren dürfen,
das Land schlechtreden. So, meine Damen und Herren,
darf man mit diesem Land nicht umgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesminister Hans Eichel

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(C)



(D)



(A)



(B)


Damit alle wissen, wo wir stehen, füge ich hinzu: Auch
im vergangenen Jahr war bei uns das Wachstum stärker
als in den Vereinigten Staaten und in Japan. Das haben Sie
noch gar nicht zur Kenntnis genommen; aber das sollten
Sie sich einmal zu Gemüte führen. Das einzig Bemer-
kenswerte in Amerika ist dabei, wie schön am Anfang die
Statistiken aussehen und was wirklich herauskommt,
wenn sie hinterher bereinigt sind.

Ich wiederhole: In den letzten beiden Quartalen gab es
ein reales Wachstum. Es war genau so stark wie im
Durchschnitt der Europäischen Union. Vom Wiederverei-
nigungsboom 1992 bis 1996 hat uns eine unionsgeführte
Bundesregierung an das Ende der Wachstumstabelle in
Europa gebracht und dort verankert. Aufgrund unserer
Politik sind wir im Moment wieder mitten im Geleitzug
und können weiter nach vorn kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


– Ich weiß, das tut Ihnen weh. Ihnen wäre es am liebsten,
die Geschichte begänne erst mit diesem Jahr und Sie könn-
ten verschleiern, in welchem Zustand sich diese Republik
1998 befand, als Sie die Regierung verlassen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit diese Debatte endlich einmal zu Ende gebracht
wird, mache ich Sie auf das „Handelsblatt“ von gestern
aufmerksam. Dort heißt es:

Unter den führenden Industrienationen bleibt Italien
wie schon nach den definitiven Zahlen des ersten
Quartals das Schlusslicht. In Deutschland und den
USA war das Wachstum mit jeweils 0,3 Prozent
etwas größer als in Italien.

So viel zu Ihrer Schlusslichtdebatte, meine sehr verehrten
Damen und Herren!

Wir kommen weiter nach vorne. Die Preise sind stabil.
Im August hatte Deutschland die niedrigste Preissteige-
rungsrate in der Europäischen Union und im Euroraum.
Deutschland ist überhaupt der Stabilitätsanker in der Eu-
ropäischen Union.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


– Die Zahlen sind jedenfalls immer dieselben.
Der Export lief bislang recht gut. Noch im Mai gab es

ungewöhnlich viele Auslandsaufträge, während sich im
Juni und Juli erste Bremsspuren aufgrund der gestiegenen
weltwirtschaftlichen Risiken zeigten. Die Inlandsaufträge
haben dagegen das zuvor erreichte Niveau annähernd be-
hauptet. Die Industrieproduktion ist im Zweimonats-
durchschnitt um 1,1 Prozent gewachsen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn?)


– Das sind alles offizielle Zahlen.
Ohne die Hochwasserkatastrophe, die im Osten die

Stimmung gedrückt hat, wäre auch die Einschätzung der

Wirtschaftslage sicherlich positiver. Dabei besteht im
Osten kein Grund zur Beunruhigung.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die Weltkonjunktur!)


Mit den Hilfsprogrammen, die wir solide finanzieren,
wird ein Abrutschen der betroffenen Gebiete vermieden
und entsteht neue Wachstumsdynamik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gefährdet ist der Aufschwung nur, wenn der Irak-
konflikt eskaliert. Dann könnte der Ölpreis explodieren
und viele Planungen über den Haufen werfen. Die Ent-
wicklung des Ölpreises, die wir jetzt erleben, resultiert
bereits aus dieser Diskussion und hat keine realen
Gründe in den Fördermengen und in der Nachfrage am
Ölmarkt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung wird sich jedenfalls dafür einsetzen,
dass es nicht so weit kommt. Wir nehmen die Warnungen
des Internationalen Währungsfonds an dieser Stelle
außerordentlich ernst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, der Unionskanzlerkandidat
spricht öffentlich von hohen Investitionen deutscher Un-
ternehmen im Ausland und begründet damit seine Be-
hauptung, wir hätten ein schlechtes Wirtschaftsumfeld. So
ist das, wenn man auf einem Auge blind ist; das ganz Bild
kann man dann wohl nicht sehen. Im vergangenen Jahr
haben Ausländer mehr in Deutschland investiert als je zu-
vor. Es gibt einen neuen Rekord bei den Direktinvestitio-
nen.

Sehen Sie sich die Zahlen noch einmal an: Von 1994
bis 1998 erfolgten in Deutschland ausländische Direkt-
investitionen in Höhe von 53 Milliarden Euro; von 1999
bis 2001 waren es 300 Milliarden Euro. Selbst wenn Vo-
dafone nicht einbezogen wird, stiegen die ausländischen
Direktinvestitionen in Deutschland während unserer Re-
gierungstätigkeit enorm an.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


1998 wurden 58 Milliarden Euro mehr von Deutschen
im Ausland investiert als von Ausländern in Deutschland,
weil die Union das Land in den Reformstau getrieben
hatte. Allein im ersten Halbjahr 2002 haben Ausländer
20 Milliarden Euro mehr in Deutschland investiert als
Deutsche im Ausland. Das heißt: Arbeitsplätze entstehen
hier und nicht im Ausland, wie es zu Zeiten der Unions-
regierung der Fall war.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Das zeigt das verbesserte Umfeld an. Dafür haben wir ge-
sorgt, insbesondere mit der Steuerreform, mit der Haus-
haltskonsolidierung und mit der Rentenreform.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)





Bundesminister Hans Eichel
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(C)



(D)



(A)



(B)


Zu einem weiteren Fehler des Unionskanzlerkandida-
ten: In diesem Jahr gibt es über 1,1Millionen Beschäftigte
mehr als 1998 und keinesfalls weniger.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nicht eine Stunde wird mehr gearbeitet!)


Sie versuchen das kleinzureden, indem Sie völlig bewusst
die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die
Beschäftigten verwechseln. Es gab 1,1 Millionen Be-
schäftigte mehr.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Statistisch!)

Das hat nichts mit der Umstrukturierung der geringfügi-
gen Beschäftigungsverhältnisse zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Arbeitsvolumen, das in Ihrer Zeit zurückgegan-
gen ist – im ersten Halbjahr 1998 im Vergleich zum ers-
ten Halbjahr 1994 um 884 Millionen Arbeitsstunden –, ist
in unserer Zeit wieder gestiegen. Im ersten Halbjahr 2002
lag das Arbeitsvolumen um 190 Millionen Stunden über
dem Arbeitsvolumen des ersten Halbjahres 1998, das Sie
noch zu verantworten hatten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!)


Innerhalb der letzten vier Jahre sind im Vergleich zu den
vier Jahren davor, in denen die Union regierte, mehr als
zehnmal so viel neue Arbeitsplätze entstanden.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bei diesen Zahlen müssten wir ja Vollbeschäftigung haben!)


Dabei müsste eigentlich zusätzlich berücksichtigt wer-
den, dass die Regierung Kohl die Zahl der ABM-Stellen
vor den Wahlen um 280 000 über den heutigen Stand hi-
naus erhöhte, um die Arbeitslosenstatistik zu schönen.
Solche Tricks machen wir nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im nächsten Jahr erwarten wir wie alle Prognostiker,
dass die Zahl der Arbeitslosen wieder zurückgehen wird.
Gleichzeitig steigt die Zahl der beschäftigten Arbeitneh-
mer wieder an. Das führt zu höheren Beitragseinnahmen
und niedrigeren Ausgaben für das Arbeitslosengeld. Ne-
ben der verbesserten Konjunktur ist dies auf arbeitsmarkt-
politische Maßnahmen der Bundesregierung zurückzu-
führen.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Eichels Märchenstunde!)


Das Job-AQTIV-Gesetz, das Mainzer Modell und die Re-
form der Bundesanstalt für Arbeit tragen hier ihre Früchte.

Diese Erfolge werden durch die schnelle Umsetzung
des Hartz-Konzepts unterstützt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das sieht Herr Gerster aber anders!)


„Fördern und fordern“ ist der Grundgedanke des
Konzepts. Die Vermittlung wird verbessert; die Zumut-
barkeitsregeln werden im Gegenzug verschärft. Auf pau-

schale Leistungskürzungen brauchen wir nicht zurückzu-
greifen, individuelle sind aber möglich. Eine Vielzahl von
Maßnahmen wird den Arbeitsmarkt beleben und entlas-
ten. Die Wirtschaft behauptet, sie habe um die 1,5 Milli-
onen unbesetzte Stellen. Diese können wir schnell beset-
zen. Ich appelliere an die Unternehmen, freie Stellen
schnell zu melden, und ich appelliere an die Fortbil-
dungsinstitutionen, ihre Arbeit so auszurichten, dass sie
sich wirklich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ori-
entiert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen: Es ist schon bemerkenswert, wie Sie mit
dem Konzept der Hartz-Kommission umgehen. Das ist
dasselbe Hin und Her, wie wir es bei allen zentralen Fra-
gen der letzten Wochen erlebt haben. Mal sind Sie dafür,
mal sind Sie dagegen und dann halten Sie wiederum ein-
zelne Dinge für ungeeignet. Man weiß überhaupt nicht,
wo Sie eigentlich hin wollen.


(Franz Thönnes [SPD]: Das wissen die auch nicht!)


Das, was Ihr Kanzlerkandidat gemacht hat, geht nun wirk-
lich überhaupt nicht. In dieser Kommission saßen Vertre-
ter der Wirtschaftsverbände, der Unternehmen und des
Arbeitgeberlagers sowie Gewerkschaftler, Landes- und
Kommunalpolitiker und Wissenschaftler, also Leute über
alle gesellschaftlichen Gruppengrenzen und über Partei-
grenzen hinweg. Diese haben es in der heißen Phase des
Wahlkampfes fertig gebracht, ein gemeinsames Konzept
zu präsentieren. Das hat eine andere Antwort verdient als
die von Herrn Stoiber, der das mit dem Wort „Gequat-
sche“ vom Tisch gewischt hat. Damit disqualifiziert man
sich selbst, wenn man Kanzler werden will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es hat mich auch überrascht, mit welcher Nonchalance
der Unionskanzlerkandidat die Bundesregierung für die
Arbeitslosigkeit verantwortlich macht, die in der Regie-
rungszeit Kohl entstanden ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


Den stärksten regionalen Anstieg der Arbeitslosigkeit ver-
zeichnet schon seit Monaten Bayern.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das musste ja kommen! Das ist ja nicht zu glauben! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Ich weiß, dass Sie das alles nicht gerne hören. Es kann
Ihnen aber nicht erspart werden.

Allein im letzten Monat stieg dort die Zahl der Arbeits-
losen gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres weit
überdurchschnittlich um 19,5 Prozent an. Das muss einem
Sorgen machen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Oh je, oh je!)

Die bayerische Wirtschaftspolitik verschlechtert die Ar-
beitsmarktzahlen für ganz Deutschland. Daran sollten Sie
arbeiten.




Bundesminister Hans Eichel

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(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist ja nicht zu glauben! – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Dieser Mensch ist hemmungslos!)


Noch etwas muss deutlich gesagt werden: Konserva-
tive und Liberale fordern ständig eine wesentlich stärkere
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!)

ohne jedoch präzise zu werden, wenn man nachfragt,
was damit eigentlich gemeint ist. Sehen wir uns einmal
die Vereinigten Staaten mit einem völlig flexibilisierten
Arbeitsmarkt an. Ich bin dafür, genau hinzusehen. In
den USA ist die Arbeitslosigkeit von Juni 2001 bis Juni
dieses Jahres um 1,3 Prozentpunkte angestiegen, also
um ein Vielfaches im Vergleich zu den Zahlen in
Deutschland und den meisten Ländern der Europäischen
Union.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Wie hoch ist sie denn?)


Die Unionsvorschläge zur Flexibilisierung des Arbeits-
marktes würden bei jeder konjunkturellen Delle massen-
haft Arbeitslosigkeit produzieren. Wir sollten deutsche
und europäische Errungenschaften nicht vorschnell über
Bord werfen. Unser deutscher Weg ist gerade in der Sozi-
alpolitik nicht der schlechteste; das zeigt sich in diesen
Tagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, größter Ausgabenblock im
Bundeshaushalt bleibt der Zuschuss zur Rentenversiche-
rung. Mit 77,2 Milliarden Euro finanziert der Bund im
Jahr 2003 fast 37 Prozent der Rentenausgaben.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Tja!)

Wir sind bei der Rente also längst bei der Drittelparität:
Bund, Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzieren die
Rente zu etwa gleichen Teilen.

Ein Teil des Bundeszuschusses stammt aus der Öko-
steuer. Ohne sie wären die Rentenversicherungsbeiträge
und sicherlich auch die Arbeitslosigkeit deutlich höher.
Herr Seehofer kennt die Mechanik, musste sie aber offen-
sichtlich auf Weisung von Herrn Stoiber leugnen. Allein
die Aussetzung der nächsten Stufe der Ökosteuer würde ei-
nen Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge um 0,2 Pro-
zentpunkte bedeuten.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jetzt baut er schon vor!)


Ich habe gelesen, dass Sie das über die Bundesanstalt für
Arbeit refinanzieren wollen. Im Bundeshaushalt 2003
gibt es keinen Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit
mehr. Das ist eine Konsequenz der Umsetzung des Job-
AQTIV-Gesetzes und der Vorschläge der Hartz-Kommis-
sion.


(Lachen bei der CDU/CSU und FDP – Michael Glos [CDU/CSU]: Er ist ein Humorist und kein Finanzminister!)


Meine Damen und Herren, wie Sie Geld aus der Bun-
desanstalt für Arbeit in die Rentenversicherung bringen
wollen, müssen Sie uns einmal erzählen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich denke, rechtlich ist es gar nicht möglich. Wenn über-
haupt, geht das nur über eine Steigerung des Arbeitslo-
senversicherungsbeitrages. Das müssten Sie dann aber ir-
gendjemand anderem erzählen.

Mit der Rentenreform ist der Einstieg in die private Al-
tersvorsorge gelungen. Das ist der größte Fortschritt seit
Einführung der umlagefinanzierten Rente und es ist ein
großer Schritt auf dem schwierigen Weg, die Lohnneben-
kosten zu senken.

Der Bund fördert den Aufbau der privaten Altersvor-
sorge. Die Förderung ist dort am stärksten, wo sie am
nötigsten ist: bei Familien und bei den Beziehern kleiner
Einkommen. Natürlich sind auch die Mindereinnahmen
aus der steuerlichen Förderung im Haushalt berücksich-
tigt.

Massiv steuerlich entlastet wurde in den vergangenen
Jahren der Mittelstand. Neben Familien und Arbeitneh-
mern zählt er zu den großen Gewinnern unserer Steuer-
politik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Alle Experten bestätigen das: der Sachverständigenrat,
die Bundesbank, Arthur Andersen im Auftrag des „Han-
delsblattes“, Professor Wagner vorgestern in der „Süd-
deutschen Zeitung“ und Herr Braun, der Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Mit die-
sem Herrn muss man zwar manchmal streiten; aber
falsche Behauptungen setzt er nicht in die Welt. Das muss
anerkannt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Braun sagt klar: Es gibt keine Benachteiligung des
Mittelstandes in unserer Steuerreform. Wie sollte das
übrigens der Fall sein, wo doch der Steuerexperte des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Herr
Kühn, der Vorsitzende der Kommission für die Erarbei-
tung der Unternehmensteuerreform gewesen ist? Er hätte
seinen Job beim DIHK verloren, wenn er einen Vorschlag
präsentiert hätte, der den Mittelstand gegenüber den
großen Gesellschaften benachteiligt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ungeachtet dessen fahren Sie durch das Land und be-
haupten das Gegenteil. Sie sagen den Menschen vorsätz-
lich die Unwahrheit, um daraus politische Vorteile zu zie-
hen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen müssen Sie sich schon entscheiden: Entweder
ist die Steuerreform gut, dann sollten Sie für ihre Umset-
zung stimmen, oder sie ist schlecht, dann kann für Sie die




Bundesminister Hans Eichel
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(C)



(D)



(A)



(B)


Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform um ein
Jahr wirklich kein Problem sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein wahrheitswidriges Propagandagebäude ist noch
nie so schnell zusammengebrochen wie in dem Augen-
blick, als das Bundeskabinett entschieden hat, zur
Finanzierung des Aufbaus in den durch die Flutkatastro-
phe geschädigten Gebieten die zweite Stufe der Steuerre-
form um ein Jahr zu verschieben. Über Nacht war die Ver-
schiebung der Steuerreform – diese Reform war vorher
ein Teufelswerk und bedeutete eine Benachteiligung des
Mittelstandes – um ein Jahr für 200 000 Entlassungen und
für 25 000 Pleiten im Mittelstand verantwortlich, wie Herr
Philipp sagte. Ja, was denn nun? Soll diese Reform für den
Mittelstand vor der Flutkatastrophe etwa schlecht und
hinterher gut gewesen sein? Sie haben nicht erwartet, dass
Sie noch vor der Wahl den Beweis für die Wahrheit Ihrer
haltlosen Propaganda antreten müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben die Tür weit aufgemacht, um Ihnen die Zu-
stimmung zu einer soliden Finanzierung des Aufbaus in
den Katastrophengebieten zu ermöglichen. Wir haben ge-
sagt: Wenn Sie mit unseren Plänen Probleme haben, dann
legen Sie Vorschläge auf den Tisch.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Große Kapitalgesellschaften! Wo war denn der Vorschlag von Herrn Stoiber?)


Ihre erste Forderung war: Die Körperschaften müssen be-
teiligt werden. Diese Forderung hat dann auch der BDI er-
hoben. Dem sind wir nachgekommen. Hinterher haben
Sie gesagt: Das haben wir aber nicht gewollt.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Ansonsten hat es Ihrerseits überhaupt keine Vorschläge
gegeben. Das Propagandamärchen, dass die Steuerreform
den Mittelstand benachteiligt – Sie hatten die Möglich-
keit, eigene Vorschläge zu machen –, ist bereits vor der
Wahl zusammengebrochen. Kein vernünftiger Mensch in
diesem Lande glaubt Ihnen mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Fragen Sie einmal die Mittelständler!)


Fest steht: Die Steuersätze aller Steuerzahler sind ge-
sunken. Keiner will das Steuerrecht von 1998 zurück;
sonst würde er nämlich viel mehr Steuern zahlen müssen.
Die Besserstellung der Personengesellschaften ist auch
am Gründungsgeschehen abzulesen. Die weitaus über-
wiegende Zahl wählt die Personengesellschaft als Organi-
sationsform auch deshalb, weil es – das wissen Sie ganz
genau – die steuerlich bessere Alternative ist.

Der bayerische Ministerpräsident verdreht die Realität,
wenn er behauptet, den Menschen gehe es heute schlech-
ter als vor vier Jahren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)

Das Gegenteil ist richtig. Zwischen 1994 und 1998 sind
die verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeitnehmer jähr-

lich real um 1,5 Prozent gesunken. Das entspricht
930 Euro pro Arbeitnehmer. Seit 1998 steigen die Netto-
einkommen wieder um durchschnittlich 1,2 Prozent pro
Jahr. Die Nettolöhne lagen 2001 im Durchschnitt um
580 Euro über dem Niveau des Jahres 1998. Das geht
auch auf unsere Steuerpolitik und unsere Politik der so-
zialen Gerechtigkeit zurück.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Union hat die Arbeitnehmer mit ihrer Politik in den
90er-Jahren ärmer gemacht. Das ist die statistische und
auch die gefühlte Wahrheit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir geben den Menschen das jetzt Stück für Stück zurück.
Wenn wir am 22. September dieses Jahres um ein neues
Mandat bitten und dafür kämpfen, dann tun wir das auch,
damit wir ihnen in der nächsten Wahlperiode erst einmal
all das zurückgeben können, was Sie ihnen in den 90er-
Jahren abgenommen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht den Menschen in Deutschland – auch wenn wir
alle Sorgen haben, die wir übrigens auch behalten werden;
denn es wird in der Weltgeschichte nur wenige Schön-
wetter-Perioden geben – heute besser als vor vier Jahren.
Es gibt mehr Arbeitsplätze, nämlich 1,1 Millionen mehr
Beschäftigte – das habe ich vorhin schon erwähnt –, und
höhere Einkommen bei stabilen Preisen. Es gibt mehr Kin-
dergeld und niedrigere Steuern. All dies können Sie über-
haupt nicht bestreiten. Wir arbeiten dafür, dass es auch in
Zukunft weiter aufwärts geht. Wenn ich den bayerischen
Ministerpräsidenten über dieses Thema sprechen höre,
denke ich manchmal: Er liest Akten und verdreht Fakten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, bei aller Finanznot und
trotz bzw. wegen strenger Ausgabenkontrolle ist es uns
gelungen, neue Schwerpunkte zu setzen. Der wichtigste
ist, denke ich, die Familienpolitik. 1998 hat der Bund für
Familien 40,2 Milliarden Euro bereitgestellt. In diesem
Jahr sind es über 59 Milliarden Euro. Das ist eine Steige-
rung um 45 Prozent.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dreimal haben wir das Kindergeld erhöht. Jetzt be-
kommt eine Familie mit zwei Kindern 1 920 DM bzw.
knapp 1 000 Euro netto. Das ist für viele, insbesondere in
Ostdeutschland, wo die Einkommen noch niedriger sind,
das 13. Monatsgehalt. Das hat es nach dem Zweiten Welt-
krieg noch nie in einer Wahlperiode in der alten Bundes-
republik und bisher auch nicht im wiedervereinigten
Deutschland gegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Haushalt 2003 ergänzen wir diesen Ansatz durch
verstärkte Investitionen in die Betreuungsinfrastruktur.




Bundesminister Hans Eichel

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wir wollen es den jungen Menschen ermöglichen, Fami-
lie und Beruf besser zu vereinbaren. Es ist doch ein
Drama, das wir in Deutschland zu vertreten haben, dass
wir die jungen Frauen, statt ihnen die Möglichkeit zu bie-
ten, Beruf und Familie zu vereinbaren, vor die Frage stel-
len: Wollt ihr das eine oder das andere? Wer heute mit den
jungen Frauen diskutiert, dem wird gesagt: Das größte Pro-
blem ist nicht mehr das finanzielle, sondern die Frage: Wo-
hin soll mein Kind, wenn es mittags aus der Schule kommt?
Wir stellen daher 4 Milliarden Euro bereit, damit jede vierte
Schule in Deutschland die Ganztagsschule anbietet. Das ist
unsere Antwort für die nächste Wahlperiode.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir halten sonntags keine schöne Reden darüber, wie
wichtig es für das ganze Land ist, dass die Frauen Kinder
bekommen und großziehen – übrigens wäre es auch gut,
wenn sich die jungen Männer ein bisschen stärker daran
beteiligten, als das in unserer Generation üblich war –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und zwingen die Frauen montags, nur eine halbe Stelle an-
zunehmen oder ganz aus dem Beruf auszuscheiden, um
ihnen am Ende des Berufslebens nur eine geringe Rente
zukommen zu lassen – als Dank des Vaterlands dafür, dass
sie Kinder großgezogen haben. Meine Damen und Her-
ren, das ist keine gerechte Gesellschaft und so wird man
auch keine kinderfreundliche Gesellschaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Schwerpunkt dieses Haushaltes sind die
Ausgaben für Forschung und Bildung. 1998 hat die Vor-
gängerregierung dafür 7,3 Milliarden Euro bereitgestellt;
das war übrigens weniger als noch ein paar Jahre zuvor.
Für nächstes Jahr planen wir 9,3 Milliarden Euro ein, also
2 Milliarden Euro mehr als im Jahre 1998, dem letzten
Haushalt, den Sie von der CDU/CSU und der FDP zu ver-
antworten hatten. Das ist der größte Forschungs- und Bil-
dungshaushalt Deutschlands seit der Wiedervereinigung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen Deutschland auch langfristig an die Spitze

von Forschung und Technologie marschieren sehen und
den in den letzten Jahren erreichten hervorragenden Wett-
bewerbsplatz halten. Allein an den Patentanmeldungen
gemessen, gibt es nur noch drei kleine Länder in Europa,
die etwas besser sind als wir. Wir stehen in diesem Be-
reich vor allen großen Ländern und an der Spitze der
G-7-Industrienationen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansPeter Repnik [CDU/CSU]: Und die besten sind Baden-Württemberg und Bayern)


Die Ausgaben für Forschung und Bildung sind Zu-
kunftsinvestitionen. Wer hier spart, gefährdet den Wohl-
stand unserer Kinder. Darüber hätten Sie nachdenken sol-
len, als Sie, doch wohl auch billigend, hingenommen
haben, dass sich die Zahl der durch BAföG geförderten
Studenten von 650 000 im Jahre 1990 auf 340 000 im

Jahre 1998 fast halbiert hat. Das ist die schlimmste Un-
terlassung, die Sie hinsichtlich Zukunftsinvestitionen zu
verantworten haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen haben wir die BAföG-Reform gemacht; des-
wegen werden heute schon wieder 100 000 Studentinnen
und Studenten mehr durch BAföG gefördert. Man kann
nicht in drei Jahren all das, was Sie acht Jahre vorher ab-
gebaut haben, wieder aufbauen. Man kann aber, meine
Damen und Herren, die Weichen umlegen und in die rich-
tige Richtung stellen. Danach muss man den eingeschla-
genen Weg konsequent weiter gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Opposi-
tion orientiert ihre Politik neuerdings ja an Quoten. Sie
scheint mir geradezu quotenfixiert. Aber selbst an diesen
zweifelhaften Maßstäben gemessen, ist unsere Politik
überaus erfolgreich. Gegenüber 1998 haben wir die
Staatsquote, die Abgabenquote und die Steuerquote ge-
senkt. Das waren Nebenprodukte unserer Politik, mit der
wir die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft gelegt
haben, indem wir mit Investitionen in die Verkehrsinfra-
struktur, die Familienförderung und die Bildung die Basis
für künftiges Wachstum gelegt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sehen wir uns dagegen einmal Ihre dreimal 40 an: Die
ersten 40 Prozent betreffen die Senkung der Staatsquote;
das ist in überschaubarer Zeit völlig unrealistisch. In heu-
tigen Zahlen heißt das: Der gesamte Bundeshaushalt wird
dichtgemacht, es bleiben nur noch Zinszahlungen übrig –
völlig unrealistisch.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht solch einen Unsinn! Das wissen Sie doch, dass das Quatsch ist!)


Wenn Sie, meine Damen und Herren, das dann noch mit
einer Politik, die Neuverschuldung forciert, kombinieren,
ist damit das Ende jeglicher Handlungsfähigkeit des Staa-
tes erreicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn man Quoten senken will, muss man zuerst dafür
sorgen, dass der Staat handlungsfähig ist. Man kann nied-
rigere Quoten anstreben, aber nur dann, wenn man vorher
die Verschuldung gesenkt hat. Sonst wird der Staat hand-
lungsunfähig.

Die Senkung der Lohnnebenkosten auf 40 Prozent ist
eine ganz richtige Zielsetzung. Ich sehe hier nur ein Pro-
blem: In den 16 Jahren, als Sie an der Regierung waren,
sind die Lohnnebenkosten nur gestiegen. Erst in der jetzi-
gen Legislaturperiode unter dieser Regierung sinken sie
zum ersten Mal wieder.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unsinn! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht!)





Bundesminister Hans Eichel
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(C)



(D)



(A)



(B)


Sie können nun sagen, das bisher Erreichte reiche nicht.
Das ist in Ordnung. Uns reicht das auch nicht. Aber Sie,
die das dauernde Steigen der Lohnnebenkosten zugelas-
sen haben, haben nicht das Recht, uns an dieser Stelle zu
kritisieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das war doch in den ersten acht Jahren vor der Wiedervereinigung anders! Das ist eine glatte Lüge!)


Die Logik desjenigen, der auf die Idee gekommen ist,
neben den wichtigen Fragen der Senkung der Staatsquote
und der Lohnnebenkosten – wobei ich glaube, dass Sie in
einem Punkt falsch liegen – die Senkung des Spitzensteu-
ersatzes zum dritten wichtigen Staatsziel zu erklären, er-
schließt sich mir nicht. Das alleine charakterisiert voll-
ständig Ihre Steuerpolitik, meine Damen und Herren!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen möchte ich Ihnen, da wir schon so viel über
Quoten diskutieren, zwei weitere 40-Prozent-Quoten ans
Herz legen: zum einen die der Abiturientinnen und Abi-
turienten in Bayern pro Jahrgang. Diese liegt gerade ein-
mal bei 29 Prozent. Das ist 7 Prozent unter dem bundes-
deutschen Durchschnitt. Mit solchen Quoten sind wir in
Europa nicht konkurrenzfähig; da müssen Sie eine Menge
tun.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So würde ich nicht argumentieren!)


– Nein, dort gibt es mehr Schlaue, verehrter Herr
Dr. Gerhardt. In Bayern kommt diese Quote ja auf dem
Lande zustande. Kinder, die in Bayern auf dem Lande
leben, sind nicht dümmer als anderswo, sie haben nur
weniger schulische Chancen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Michelbach [CDU/CSU]: PISA!)


Man könnte auch über die Frauenquote reden; auch
diese ist bezeichnend: 18 Prozent in Ihrer Bundestags-
fraktion und 13 Prozent in der CSU-Landesgruppe. Sie
haben noch einen weiten Weg vor sich, ehe Sie tatsächlich
den Frauen klar gemacht haben, dass Sie ihnen die glei-
chen Rechte in der Gesellschaft zugestehen wollen wie
den Männern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Angelika Volquartz [CDU/CSU])


Meine Damen und Herren, wir haben die Staatsver-
schuldung eingedämmt. In Zukunft wird die Verfolgung
dieses Zieles nicht leichter; das lässt keine Schönwetter-
politik zu, sondern erfordert unter jeweils veränderten
Rahmenbedingungen immer wieder neue schwierige Ent-
scheidungen. Die Situation ist schwierig: Es gibt Zusatz-
belastungen, die aber, wenn wir uns anstrengen, be-
herrschbar sind.

Wir stehen trotz aller Finanzenge fest zum europä-
ischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Bei der Union
habe ich da meine Zweifel und – ich wiederhole es – auch
in Brüssel sind die Zweifel sehr ausgeprägt. Auch da über-
legt man sich sehr genau, welcher Wahlausgang in
Deutschland welche Konsequenzen für den europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakt haben wird.

Wer vollmundig ein Sofortprogramm ankündigt, das
dem Staat zusätzliche Schulden aufhalsen würde – ich
will, Herr Merz, gar nicht darüber streiten, ob es 10 oder
20 Milliarden Euro sind; ich werde Ihnen aber Zahlen
nennen –, steht in Wirklichkeit nicht hinter dem europä-
ischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Mit diesem Pro-
gramm reißt Deutschland die Latte garantiert.

Die solide Finanzierung der Hochwasserhilfen will die
Union kippen – Kosten: 7Milliarden Euro. Die Ökosteuer
soll ausgesetzt werden – zusätzliche 3 Milliarden Euro.
Der Niedriglohnbereich soll mit 3 Milliarden Euro sub-
ventioniert werden. Die Gewerbesteuerumlage wollen Sie
senken; das macht 2 Milliarden Euro. Für die Abschrei-
bungsvergünstigungen benötigen Sie wiederum 2,5Milli-
arden Euro. Und so geht es weiter. Den Bundeswehretat
wollen Sie aufstocken, vorsichtshalber nennen Sie keine
Zahl. Auf diese Weise sind wir in kürzester Zeit weit über
den von Ihnen behaupteten 10 Milliarden Euro – obwohl
es bei diesen Größenordnungen schon fast nicht mehr da-
rauf ankommt.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Aber sie müssen es nicht machen, deshalb können sie so locker daherreden!)


Alles ist mit Luft finanziert und genährt von der Hoff-
nung, die US-amerikanische Wirtschaft komme schneller
auf die Beine, wenn ein Bayer von München nach Berlin
umzieht. Wer soll das ernst nehmen?


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)


Wir bieten dagegen die Fortführung unserer soliden
Haushaltspolitik an. Wir sind auf dem Weg zu einem ge-
samtstaatlichen Haushalt ohne neue Schulden und zu ei-
nem Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung. Das erfor-
dert große und jedes Mal wieder neue Anstrengungen,
weil wir das in durchaus schwierigen Zeiten hinbekom-
men müssen. Wenn wir das erreicht haben, können wir
damit beginnen, den Schuldenberg Schritt für Schritt ab-
zubauen.

Wir haben soziale Gerechtigkeit wieder zu einem
Leitmotiv der Politik gemacht. Deutschland ist in den ver-
gangenen vier Jahren deutlich vorangekommen und wir
werden es weiter stärken.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer glaubt das denn?)


Der Bundeshaushalt 2003 ist eine wichtige Zwi-
schenstation. Mit ihm geht es weiter auf dem Weg der
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Bekämpfung der
Staatsverschuldung und der besseren Versorgung der ge-
samten Bevölkerung.

Wir halten auch in der nächsten Legislaturperiode an
unserem finanzpolitischen Kurs der Sanierung der




Bundesminister Hans Eichel

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(C)



(D)



(A)



(B)


Staatsfinanzen fest. Das ist die Voraussetzung dafür, dass
wir unsere Arbeit bezüglich der Modernisierung unseres
Landes erfolgreich fortführen können. Dafür haben wir
uns in den kommenden Jahren noch viel vorgenommen.
Wir werden den Arbeitsmarkt durch die Umsetzung der
Hartz-Vorschläge – sie hat bereits begonnen – in Ordnung
bringen. Die nötige Gemeindefinanzreform ist in Vor-
bereitung. Wir werden weitere Schritte zur Reform des
Gesundheitswesens unternehmen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Versprochen, gebrochen!)


Den Kapitalmarkt haben wir reformiert; er wird weiter
modernisiert und den veränderten Bedingungen ange-
passt. Der Aufbau Ost behält seine hohe Priorität. Darauf
können die ostdeutschen Länder und die Menschen in je-
nen Ländern setzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Wichtigste: Unser Haushalt schafft die Grundlage
für Wachstum und Beschäftigung. Die Investitionen
sind wieder gestiegen, die Zukunftsbereiche werden ge-
stärkt, die Verlässlichkeit schafft Vertrauen – Vertrauen,
das sich auszahlt, für Unternehmen genauso wie für Ar-
beitnehmer, Familien, Jung und Alt.

Wer wie Sie bei der ersten unvorhergesehenen grö-
ßeren Maßnahme wieder nichts anderes weiß, als in alte
Schuldenpolitik zurückzufallen, der kann in schwierigen
Zeiten nicht verlässlich das Land führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer in solchen Zeiten klaren Kurs hält, dabei weiß, dass
nichts einfach ist, dass Politik keine Schönwetterveran-
staltung ist und dass man jedes Jahr vor neuen schwieri-
gen Entscheidungen steht, der kann das Land führen. Die
Menschen haben gespürt, dass es diese Bundesregierung
unter der Führung von Bundeskanzler Schröder schafft.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)


Ich bin sehr optimistisch, dass genau das am Anfang der
nächsten Legislaturperiode hier im Deutschen Bundestag
wieder sichtbar werden wird. Sie bleiben in der Opposition
und wir werden unseren konsequenten Kurs fortsetzen.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425200200
Bevor ich den nächs-
ten Redner aufrufe, will ich Geburtstagsglückwünsche
nachholen. Der Kollege Detlef Parr feierte am 8. Sep-
tember und der Kollege Volker Neumann (Bramsche)

feierte am 10. September jeweils den 60. Geburtstag. Ich
gratuliere den Kollegen nachträglich sehr herzlich.


(Beifall)

Wir beginnen die Haushaltsberatungen mit den Ge-

schäftsbereichen des Bundesministeriums der Finanzen
und der Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung,
für Wirtschaft und Technologie sowie für Verkehr, Bau-

und Wohnungswesen. Außerdem rufe ich in Verbindung
mit den Einzelplänen 08, 11, 09 und 12 die Tagesord-
nungspunkte 2 a und b sowie 3 a bis d auf:
2.a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-

nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften
und zur Errichtung eines Fonds „Aufbauhilfe“

(Flutopfersolidaritätsgesetz)

– Drucksache 14/9894 –

(Erste Beratung 251. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion
der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zum Ausgleich der von der Hochwasserkatastro-
phe im August 2002 verursachten Eigentums-
schäden

(Hochwasserschaden-Ausgleichsgesetz)

– Drucksache 14/9895 –

(Erste Beratung 251. Sitzung)

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des

Finanzausschusses (7. Ausschuss)

– Drucksache 14/9934 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Jörg-Otto Spiller
Heinz Seiffert
Oswald Metzger


(8. Ausschuss)

– Drucksachen 14/9935, 14/9936 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Uwe-Jens Rössel

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Schnelle Hilfe für die Flutopfer

– zu dem Antrag der Fraktion der PDS
Stärkere Beteiligung von Großunternehmen
an der Bewältigung von Hochwasserschäden
durch Körperschaftsteuer auf Veräußerungs-
gewinne

– zu dem Antrag der Fraktion der PDS
Stärkere Beteiligung von Kapitalgesellschaf-
ten an der Bewältigung von Hochwasserschä-
den durch Erhöhung derKörperschaftsteuer-
sätze

– zu dem Antrag der Fraktion der PDS
Bewältigung der Flutkatastrophe gerecht fi-
nanzieren – Vermögensabgabe erheben

– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten
Dr. Günter Rexrodt, Dr. Hermann Otto Solms,




Bundesminister Hans Eichel
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(C)



(D)



(A)



(B)


Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
zu der Abgabe einer Regierungserklärung
durch den Bundeskanzler
Den Opfern helfen – Gemeinsinn stärken:
Maßnahmen zur Bewältigung der Hoch-
wasserkatastrophe
– Drucksachen 14/9905, 14/9899, 14/9900,
14/9901, 14/9908, 14/9934 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Jörg-Otto Spiller
Heinz Seiffert
Oswald Metzger

3.a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle, Dirk
Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Handeln für mehr Arbeit – sinnvolle Reform-
vorschläge der Hartz-Kommission jetzt bera-
ten und umsetzen
– Drucksache 14/9891 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Brandner, Franz Thönnes, Doris Barnett, weiterer
Abgeordnter und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz,
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Neue Beschäftigung – schnelle Vermittlung –
erstklassiger Service
Reformvorschläge der Hartz-Kommission un-
verzüglich umsetzen
– Drucksache 14/9946 –

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Seehofer, Peter Rauen, Günter Nooke, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Zeit für Taten – Offensive für mehr Beschäfti-
gung
– Drucksache 14/9944 –

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland
Claus, Dr. Christa Luft, Dr. Klaus Grehn, Ursula
Lötzer und der Fraktion der PDS
Neue Arbeitsplätze statt Druck auf Arbeits-
lose – Beschäftigungspolitik mit sozialem Augen-
maß tut Not
– Drucksache 14/9940 –

Zum Entwurf eines Flutopfersolidaritätsgesetzes liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS vor.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Kollege
Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.

Friedrich Merz (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Man muss vermutlich in den Proto-

kollen des Deutschen Bundestages lange zurückblättern,
um eine Rede eines Bundesfinanzministers anlässlich der
Einbringung des zukünftigen Haushalts zu finden, die
mehr als zur Hälfte aus Beschimpfung und Kritik an der
Opposition im Deutschen Bundestag bestanden hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Eichel, was Sie heute Morgen abgeliefert haben, war
nicht die Einbringungsrede eines Finanzministers, der
voller Tatendrang auf die nächsten vier Jahre blickt, son-
dern es war die Bewerbungsrede des zukünftigen Opposi-
tionsführers.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


Lassen Sie mich zu Beginn einige Bemerkungen zu
dem machen, was Sie zur wirtschaftlichen Lage und auch
zu einzelnen Ländern gesagt haben. Sie haben hier wie-
derholt über den Reformstau gesprochen, den Sie nach der
Bundestagswahl 1998 auflösen mussten.


(Detlev von Larcher [SPD]: Recht hat er!)

Nach vier Jahren Rot-Grün reicht Ihnen zur Erklärung der
eigenen Probleme immer noch der Rückgriff auf diese
16 Jahre.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das war schlimm genug!)


Herr Bundesfinanzminister und Herr Bundeskanzler, es
war zwar nicht alles gut und es ist nicht alles gelungen,
insbesondere am Ende dieser 16-jährigen Amtszeit von
Helmut Kohl und seiner unionsgeführten Bundesregie-
rung. – Diese Regierung war übrigens nicht einfach so
16 Jahre im Amt, sondern sie wurde gegen fünf Kanzler-
kandidaten der SPD viermal wiedergewählt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber eines muss ich Ihnen auf der Regierungsbank schon
sagen: Diese 16 Jahre waren im Großen und Ganzen nicht
nur gute, sondern außergewöhnlich glückliche Jahre für
Deutschland. Jedes dieser 16 Jahre war besser als die vier
Jahre Rot-Grün, die wir Gott sei Dank bald hinter uns ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])


Vielleicht fehlt Ihnen das Erinnerungsvermögen insbe-
sondere an die erste Halbzeit dieser 16 Jahre. In den Jah-
ren zwischen 1983 und 1990 hat es in Deutschland einen
Beschäftigungsaufbau gegeben, von dem Sie doch nur
träumen können. In diesen Jahren hat es über 2 Millionen
echte neue Arbeitsplätze gegeben


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig! Genauso war es!)


und nicht neue Arbeitsplätze, die nur dadurch entstanden
sind, dass aus sozialversicherungsfreien Beschäftigungsver-
hältnissen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-
verhältnisse gemacht wurden. Das ist nämlich der Weg,
den Sie gegangen sind, Herr Eichel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Präsident Wolfgang Thierse

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(C)



(D)



(A)



(B)


Ich muss Ihnen nun etwas zu Bayern und zum Arbeits-
markt sagen – zur Bildungspolitik komme ich später noch –:
Herr Eichel, in Bayern beträgt die Arbeitslosigkeit
5,9 Prozent. Das sind zwar 5,9 Prozent zu viel. Aber wenn
Sie in ganz Deutschland 5,9 Prozent hätten, dann hätten
Sie nicht 4 Millionen Arbeitslose, dann hätten Sie nicht
3 Millionen Arbeitslose, sondern dann hätten Sie 2,5 Mil-
lionen Arbeitslose in Deutschland. Der Bundeskanzler der
Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder, würde
sich heute mit einer Sänfte in den Saal tragen lassen, wenn
er eine solche Bilanz wie die Bayerische Staatsregierung
vorlegen könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt und in

derWirtschaft in Deutschland nach vier Jahren Rot-Grün
haben Sie mit kaum einem Wort wirklich erwähnt. Wir ha-
ben 4 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das spielt in
Ihrer Rede keine Rolle.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Herr Schröder nimmt es nicht zur Kenntnis!)


Wir haben 40 000 Unternehmenskonkurse in diesem
Jahr – ein einsamer Pleitenrekord in der Nachkriegsge-
schichte.

Meine Damen und Herren, heute Morgen geht die Mel-
dung durch die Nachrichten, dass sich das Unternehmen
Mobilcom beim Bundeskanzler gemeldet hat. Vermutlich
spricht er gerade auch darüber mit dem Generalsekretär
der SPD. Es meldet sich ein Unternehmen bei Politikern,
dessen Inhaber sich über Jahre die Taschen voll gestopft
hat und jetzt im Bundeskanzleramt um Hilfe ruft. Ich ver-
mute und bin mir ziemlich sicher, diese Hilfe wird ihm in
diesen Stunden auch angeboten.

Herr Finanzminister, in Deutschland gehen jede Stunde
vier Unternehmen in Konkurs; alle 15 Minuten macht ein
Unternehmen Pleite.


(Detlev von Larcher [SPD]: Wie viele werden gegründet?)


In der Zeit, in der Sie hier geredet haben – knapp eine
Stunde –, hat es demnach vier Konkurse gegeben.


(Zuruf von der SPD: In Bayern!)

Diese Konkurse betreffen Unternehmen, deren Namen
Sie nicht kennen, deren Namen in Berlin nicht ankom-
men, getreu dem Motto: Wenn der Große Pleite geht,
kommt der Bundeskanzler, wenn der Kleine Pleite geht,
kommt der Konkursverwalter. Das ist die Wirtschafts-
politik nach vier Jahren Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben davon gesprochen, dass wir angeblich eine

zunehmende Zahl von Arbeitsplätzen in Deutschland ha-
ben. Herr Bundesfinanzminister, im Jahresvergleich
– selbst ohne Ihre sozialversicherungspflichtigen Be-
schäftigungsverhältnisse, die früher einmal geringfügige
waren – hat die Beschäftigung in Deutschland zwischen
2001 und 2002 um über 200 000 abgenommen. Wir haben
eine abnehmende Beschäftigung, eine zunehmende Ar-
beitslosigkeit, eine in erheblichem Umfang zunehmende
Zahl an Sozialhilfeempfängern in Deutschland. Das ist

die wahre Bilanz nach vier Jahren Rot-Grün. Deutschland
ist Schlusslicht in der Europäischen Union beim Wachs-
tum, Deutschland ist Schlusslicht in der Europäischen
Union bei der Bewältigung der hohen Arbeitslosigkeit.
Sie sind allerdings, wie auch im letzten Jahr, Spitzenrei-
ter bei der Neuverschuldung. Sie werden das im Jahr
2002 noch einmal toppen. Herr Bundesfinanzminister,
die Grundsatzabteilung, die Sie in Ihrem Hause haben,
müsste während Ihrer Rede in hellen Scharen das Haus
verlassen haben und schnell wieder auf die andere
Straßenseite wechseln, weil das, was Sie hier gesagt ha-
ben, mit der Wirklichkeit dieses Landes nichts zu tun
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wollen diejenigen, die uns hier heute zuhören,

nicht mit zu vielen Zahlen belasten.

(Zuruf von der SPD: Das könnte Ihnen nur schaden!)

Als Sie die Regierung übernommen haben, betrug das
Defizit 2,2 Prozent. Im letzten Jahr waren es 2,7 Prozent.
Es ist doch nicht die Opposition, sondern es ist der haus-
haltspolitische Sprecher der Fraktion der Grünen – der
hier heute seine Abschiedsrede halten wird –, der gestern
in einem Interview gesagt hat: Jawohl, wir werden 3 Pro-
zent deutlich überschreiten. – Ihre Mitarbeiter sagen Ih-
nen das seit Wochen. Das Statistische Bundesamt hat das
bereits für das erste Halbjahr festgestellt. Deutschland
wird Spitzenreiter bei der Defizitüberschreitung sein.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schuldenmeister!)


Hören Sie doch auf, uns, die Opposition, die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion, zu kritisieren. Das Problem, das Eu-
ropa hat, hat einen Namen. Der Name ist Hans Eichel und
seine Finanzpolitik. Sie gefährden den Stabilitäts- und
Wachstumspakt!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Hören Sie doch auch bitte auf, weiter das Märchen zu
verbreiten, dass wir in Deutschland wirklich auf dem Weg
der Reduzierung der Neuverschuldung vorangekom-
men wären und dass Sie die Zinsausgaben wirklich ge-
senkt hätten. Herr Bundesfinanzminister, es gab ein Jahr
in Ihrer vierjährigen Amtszeit, in dem die Zinsausgaben
wirklich einmal zurückgegangen sind: Das war das Jahr
2001. Das war das Jahr, in dem Sie über 50 Milliarden
Euro UMTS-Lizenzerlöse eingenommen haben. Dieser
Betrag war der Umsatz einer ganzen Branche, die sich
heute in einer sehr schwierigen Situation befindet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Grund!)

Sie werden in diesem Jahr 1,2 Milliarden Euro mehr Zin-
sen aus dem Bundeshaushalt zahlen als im letzten Jahr.
Die so genannte Zins-Steuer-Quote hat sich praktisch
nicht verändert. Wenn sie kleiner geworden ist, liegt das
nur daran, dass die Steuereinnahmen gestiegen sind, und
nicht etwa daran, dass die Zinsausgaben gesunken sind.
Das ist die Wahrheit nach vier Jahren. Sie machen sich
selbst und der deutschen Öffentlichkeit etwas vor. Sie
operieren hier mit falschen Zahlen. Das hält einer Über-




Friedrich Merz
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(C)



(D)



(A)



(B)


prüfung nicht stand. Ihre Grundsatzabteilung weiß das,
Herr Bundesfinanzminister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie uns eine kurze Betrachtung der Lage der

Sozialversicherung in Deutschland vornehmen. Sie ha-
ben eben die Zahlen genannt, wie hoch jetzt der Bundes-
zuschuss für die Rentenversicherung ist. Dieser Bun-
deszuschuss ist doch Ausweis der ungelösten Probleme in
der Rentenversicherung. Herr Bundesfinanzminister, eine
beitragsfinanzierte Rentenversicherung, die sich mittler-
weile zu mehr als einem Drittel aus Steuereinnahmen fi-
nanziert, bietet keine beitragsfinanzierte und leistungsori-
entierte Rente mehr. Vielmehr geht man damit den Weg in
die Staatsrente und eine Staatsrente ist in der Tat
manipulationsanfällig. Das haben Sie in den letzten zwei-
einhalb Jahren mehrfach unter Beweis gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es kommt noch schlimmer: Die Rentenversicherungs-

beiträge werden aufgrund der Ökosteuer nicht etwa sin-
ken – so haben Sie es zugesagt –, sondern jetzt tritt beides
ein: Sie wollen die fünfte Stufe der Ökosteuer in Kraft set-
zen und gleichzeitig steigen die Rentenversicherungs-
beiträge, wenn Ihre Politik fortgesetzt wird. Der Streit, der
darüber ausgetragen wird, geht nur noch um die Höhe der
Steigerung und nicht mehr darum, ob die Beiträge we-
nigstens so bleiben, wie sie im Moment sind. Wir müssen
mit Ihnen darüber streiten, ob sie von heute 19,1 Prozent
auf 19,3 Prozent, 19,5 Prozent oder – so ist mittlerweile
von den Schätzern Ihres Hauses, Herr Riester, zu hören –
auf bis zu 20 Prozentpunkte ansteigen werden. Das ist die
tatsächliche Lage in der Rentenversicherung, die Sie ver-
schleiern, weil Sie sich über den Wahltag retten wollen.
Danach wird es ein böses Erwachen für die Rentnerinnen
und Rentner und die Beitragszahler in Deutschland geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Wir liegen immer noch unter Ihren! – Franz Thönnes [SPD]: 20 waren es doch bei euch!)


– Ich werde Ihnen gleich einiges dazu sagen.
Meine Damen und Herren, wir haben gerade über Erb-

lasten gesprochen, daher frage ich: Was ist mit der Kran-
kenversicherung? – Sie haben in der Krankenversiche-
rung einen Überschuss in Höhe von 800 Millionen
übernommen. Im ersten Halbjahr 2002 lag das Defizit der
gesetzlichen Krankenversicherung bei 2,4 Milliarden
Euro. Wir stehen vor massiven Beitragssatzerhöhungen in
der Krankenversicherung zum 1. Januar 2003. Sie haben
dazu kein Wort in dieser Debatte gesagt, weil Sie sich über
den Wahltag am übernächsten Sonntag hinwegretten wol-
len. Danach gibt es für alle Beteiligten ein böses Erwachen.

Was ist mit der Arbeitslosenversicherung und der Bun-
desanstalt für Arbeit? Dazu gab es kein Wort in Ihrer
Rede. Sie haben in den laufenden Haushalt einen Zu-
schuss in Höhe von 2 Milliarden eingestellt. Die Bundes-
anstalt für Arbeit hat jetzt schon ein Defizit – Herr Riester
weiß das – in Höhe von über 4 Milliarden Euro. Der Zu-
schussbedarf wird wahrscheinlich dreimal so hoch sein
wie der, den Sie in den laufenden Haushalt eingestellt ha-
ben.

Die Lage der Arbeitslosenversicherung und der Bun-
desanstalt für Arbeit ist doch schier katastrophal und Sie
sagen hier, dass es mit der Neuorganisation der Bundes-
anstalt für Arbeit kräftig aufwärts geht. Es ist unglaublich,
was Sie uns hier vormachen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dabei spekulieren Sie offensichtlich nur auf die Vergess-
lichkeit oder das kurze Gedächtnis der Menschen.


(Susanne Kastner [SPD]: Das machen Sie, Herr Merz, mit Ihrer Schuldenpolitik bis 98!)


Herr Bundeskanzler, Sie haben im Frühjahr einen neuen
Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit ins
Amt eingeführt – er ist ein enger Freund von Ihnen, ein
Wegbegleiter, ein früherer Sozialminister in Rheinland-
Pfalz –, den Sie als Wunderwaffe bezeichnet haben. Es
hieß: Jetzt geht es mit der Neuorganisation der Bundesan-
stalt für Arbeit los, die Arbeitslosigkeit wird gesenkt und
der Personalbestand der Bundesanstalt für Arbeit dras-
tisch reduziert. Wenn ich es richtig im Kopf habe, war so-
gar von einer Halbierung des Personalbestandes die Rede.

Was ist in den letzten sechs Monaten mit der Bundes-
anstalt für Arbeit passiert? – Nichts ist passiert. Nur das
Gehalt des Vorstandsvorsitzenden wurde verdoppelt und
die Gewerkschaften fordern eine Aufstockung des Perso-
nals. Das ist ein unglaublicher Vorgang.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt wollen Sie uns allen Ernstes sagen, dass die Pro-

bleme in Deutschland mit den Vorschlägen der Hartz-
Kommission gelöst werden. Natürlich ist das eine oder
andere, das von ihr geschrieben wurde, richtig. Es wurde
ja von Vorschlägen, die wir in dieser Wahlperiode mehr-
fach gemacht haben und die Sie immer wieder abgelehnt
haben, abgeschrieben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Wahrheit sind die 13 Module der Hartz-Kommission

eine schallende Ohrfeige für die Politik der rot-grünen Bun-
desregierung; denn das, was Sie uns jetzt als große Zu-
kunftshoffnung vermitteln wollen, ist zum Teil das glatte
Gegenteil von dem, was Sie vier Jahre lang gemacht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, über die Pflegeversiche-

rung haben wir in den letzten Wochen selten und heute
noch gar nicht gesprochen. Was ist in der Pflegeversiche-
rung, der vierten Säule unserer Sozialversicherung, los?
Dort werden in rapidem Tempo die Reserven aufgezehrt.
Spätestens zur Mitte der nächsten Legislaturperiode ste-
hen massive Beitragssatzerhöhungen oder massive Leis-
tungskürzungen bevor. Auch darüber wollen Sie vor der
Wahl nicht reden, weil Sie sich über den nächsten Sonn-
tag hinwegretten wollen. Danach gibt es für die Betroffe-
nen ein böses Erwachen.

Sie reden über die Investitionsquote in den öffentlichen
Haushalten. Herr Bundesfinanzminister, ich weiß nicht, ob
Sie noch die Wirklichkeit in diesem Land wahrnehmen,


(Susanne Kastner [SPD]: Mehr vielleicht als Sie, Herr Merz!)





Friedrich Merz

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ob Sie manchmal durch Städte und Gemeinden gehen, um
zu sehen, was dort investiert – oder besser: was nicht in-
vestiert – wird. Es gibt leer stehende Ladenlokale, es gibt
die größte Pleitewelle im Mittelstand. Es handelt sich um
die größte Krise im Einzelhandel seit 1949. Das sind nicht
meine Worte, sondern das sagen die Geschäftsinhaber
aller Branchen. Wir haben einen Investitionsstau in den
Gemeinden. Dort können die vorhandenen Infrastruktu-
ren kaum noch erhalten werden, geschweige denn neue
errichtet werden. Gerade auf der kommunalen Ebene ha-
ben wir einen Investitionsstau, wie wir ihn in Deutschland
noch nie gehabt haben.

Weil Sie dies alles genau wissen, Sie aber kein Inte-
resse daran haben, dass im Wahlkampf über diese Themen
diskutiert wird, versuchen Sie jetzt durch andere Themen
davon abzulenken und an anderer Stelle schöne Fernseh-
bilder zu machen.

Ich will in aller Ruhe und Deutlichkeit sagen: Wir
sind uns mit Ihnen darin einig, dass wir den Opfern der
Flutkatastrophe helfen müssen. Dies darf auch nicht
Gegenstand einer Wahlkampfauseinandersetzung wer-
den.


(Zurufe von der SPD)

– Wie bitte? Meine Damen und Herren, ich habe gerade
gesagt, dass wir uns mit Ihnen darin einig sind, dass wir
helfen wollen. Wir werden aber Sie, Herr Bundeskanzler,
vor der Wahl und auch nach der Wahl nicht aus Ihren Ver-
sprechen entlassen, die Sie dort gemacht haben. Bei der
Ministerpräsidentenkonferenz in Magdeburg haben Sie


(Hans Georg Wagner [SPD]: „Nach der Wahl“ hört sich gut an!)


– nein, nein – dem zukünftigen Oppositionsführer Hans
Eichel


(Lachen bei der SPD)

– wer auch immer dies wird, wahrscheinlich wird es
Fischer – und den Menschen dort Versprechungen ge-
macht, die nicht zu halten sind. Dies wissen Sie auch. Wir
werden Ihnen dies bis zur Wahl jeden Tag sagen. Ihr Ge-
neralsekretär hat versucht, Ihre Worte etwas zu relativie-
ren, aber Sie haben wörtlich gesagt: Niemand soll nach
der Flut schlechter dastehen als vor der Flut.

Herr Bundeskanzler, Sie wissen, dass diese Zusage
nicht einzuhalten ist. Sie wissen, dass Sie Versprechungen
machen, die Sie schon jetzt nicht halten, weil Sie auch den
Betrieben diese Garantie nicht geben können. So entsteht
in Deutschland Politikverdruss,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

wenn Versprechungen gemacht werden, die von Anfang
an nicht einzuhalten sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, ich will auch an die Debatte erin-

nern, die wir genau vor einem Jahr, am 12. September
2001, in diesem Hause geführt haben. Wir haben heute
Morgen und gestern völlig zu Recht der Opfer der Ter-
roranschläge von Washington und New York gedacht.
Herr Bundeskanzler, Sie haben vor genau einem Jahr von

dieser Stelle aus eine Regierungserklärung abgegeben,
haben uneingeschränkte Solidarität mit Amerika zugesagt
und haben in dieser Regierungserklärung – ich habe mir
das Protokoll noch einmal angesehen – wörtlich weiter
ausgeführt:

Der gestrige terroristische Angriff hat uns noch ein-
mal vor Augen geführt: Sicherheit ist in unserer Welt
nicht teilbar. Sie ist nur zu erreichen, wenn wir noch
enger für unsere Werte zusammenstehen und bei ih-
rer Durchsetzung zusammenarbeiten.

– Ende des Zitats.
Herr Bundeskanzler, was hat sich daran in den letzten

Wochen eigentlich geändert? Warum ist aus uneinge-
schränkter Solidarität erst prinzipielle Solidarität und jetzt
ein deutscher Weg geworden? Da Sie morgen sprechen
werden, Herr Bundeskanzler, möchte ich gerne an Sie die
Frage richten, ob Sie wenigstens das teilen, was der fran-
zösische Staatspräsident heute in der UNO als Initiative
vorträgt, dass nämlich ein Ultimatum an den Diktator des
Iraks gerichtet wird, wenigstens die Inspektoren wieder in
das Land zu lassen,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

und ob diese Haltung von der Bundesregierung der Bun-
desrepublik Deutschland weiter geteilt wird.

Herr Bundeskanzler, Sie setzen sich nicht ohne Grund
dem Verdacht aus, dass Sie die Auseinandersetzung mit
diesem Thema instrumentalisieren, es zu einem innenpo-
litischen Thema machen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist es! – Zuruf von der SPD: Das machen doch Sie! Allein Sie!)


Ich sage Ihnen: Mein Eindruck ist, dass Sie innerlich
keine Grenze haben, von der an das Staatsinteresse unse-
res Landes wichtiger ist als das Machterhaltungsinteresse
Ihrer Partei.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425200300
Ich sehe den Kolle-
gen Klose heute Morgen bei dieser Debatte nicht. Ich
hätte mir schon gewünscht, dass Sie Ihren Regierungs-
sprecher angesichts einer unglaublichen Äußerung, die er
gestern gemacht hat, in die Schranken weisen.


(Susanne Kastner [SPD]: Wir verstehen Sie so schlecht! Sie müssen ein bisschen lauter sprechen!)


Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deut-
schen Bundestages hat gestern auf einer großen Veran-
staltung gesagt, notwendig sei eine Drohkulisse. Das ist
auch unsere Auffassung. Er sagte zu Ihrer Regierungs-
politik: Da sträuben sich einem als Außenpolitiker die
Nackenhaare.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Mann hat Recht!)


Der Kommentar Ihres Regierungssprechers über den Vor-
sitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen




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Bundestages lautete wörtlich, Klose sei nicht ernst zu neh-
men.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich! Ich frage mich: Für was haben wir denn den Bundestagspräsidenten? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Herr Präsident, schützen Sie die Parlamentarier!)


Herr Bundeskanzler, wenn Sie bei so etwas feixend auf
der Regierungsbank sitzen, dann sage ich Ihnen: Das, was
Sie sich leisten, ist eine Unverschämtheit dem gesamten
Deutschen Bundestag gegenüber.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Was plustern Sie sich eigentlich so auf?)


Herr Bundeskanzler, dies ist ein auch von uns hoch ge-
schätzter Kollege, mit dem wir bei weitem nicht immer
einer Meinung sind.


(Susanne Kastner [SPD]: Reden Sie einmal über den Haushalt, Herr Merz!)


Aber so ein Umgang mit dem Parlament ist nicht in Ord-
nung. Wir erwarten, dass Sie das morgen hier von dieser
Stelle aus richtig stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Walter Hirche [FDP]: Hat sich der Präsident vor Klose gestellt? – Zuruf von der SPD: Sagen Sie einmal was zu Herrn Kohl! Entschuldigen Sie sich für Herrn Kohl!)


Diese Bundesregierung geht den notwendigen Verän-
derungen und Reformen in Deutschland aus dem Weg.
Deswegen will ich Ihnen in sechs kurzen Punkten sagen,
welche Anstrengungen in Deutschland notwendig sind,
damit wir aus der Wachstums- und Beschäftigungskrise
unseres Landes wieder herauskommen:

Erstens. Wir müssen den Arbeitsmarkt in Deutsch-
land wieder in Ordnung bringen. Das heißt im Klartext:
Wir müssen die starren Regelungen des Betriebsverfas-
sungsgesetzes und des Tarifvertragsgesetzes, wenn nötig
auch gegen den erbitterten Widerstand der Tarifvertrags-
parteien, so ändern, dass betriebliche Bündnisse für Ar-
beit in Deutschland möglich sind. Wir werden das tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig! – Franz Thönnes [SPD]: Ihr werdet keine Chance bekommen!)


Mein zweiter Punkt betrifft auch den Arbeitsmarkt. Die
Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen
darf nicht weiterhin die Regel sein, sondern muss in Zu-
kunft wieder Ausnahme werden.

Bund, Länder und Gemeinden müssen in der Wahr-
nehmung ihrer Aufgaben und in der Finanzierung ihres
öffentlichen Dienstes ein wesentlich höheres Maß an Un-
abhängigkeit voneinander aufweisen.


(Susanne Kastner [SPD]: Sagen Sie mal dem bayerischen Ministerpräsidenten, welche Unabhängigkeit er den Gemeinden gibt! Die Bayerische Staatsregierung knebelt die Gemeinden!)


Für die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger und Leis-
tungsempfänger muss wieder der Grundsatz gelten, dass
derjenige, der arbeitet, mehr Geld verdient als derjenige,
der nicht arbeitet. Mit unserer Reform wird kein Sozial-
hilfeempfänger, der arbeiten kann, mehr eine Leistung
ohne Gegenleistung bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Drittens. Wir müssen hinsichtlich der zweiten Phase

des Aufbaus Ost eine große Kraftanstrengung unterneh-
men. Herr Bundeskanzler, nachdem Sie den Aufbau Ost
zur Chefsache erklärt hatten, haben Sie vorgestern auch
noch den gesamten Arbeitsmarkt zur Chefsache erklärt.
Das kann man vor dem Hintergrund der Lage im Osten
nur als blanke Drohung an alle Arbeitslosen in Deutsch-
land empfinden; denn nachdem Sie den Aufbau Ost zur
Chefsache erklärt haben, haben wir im Osten die höchste
Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Das ist übri-
gens ein Sachverhalt, der in der Rede des Finanzministers
zur Einbringung des Haushalts mit keinem Wort erwähnt
worden ist. Das Thema Ostdeutschland und das Thema
Aufbau Ost finden in Ihren Köpfen keinen Platz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ja, wenn aber schöne Fernsehbilder zu stellen sind,

dann sind Sie da.

(Susanne Kastner [SPD]: Das ärgert Sie, Herr Merz!)

Natürlich, diese Gelegenheit lässt sich keiner von Ihnen
entgehen. Die Schecks werden mittlerweile ja schon ein-
zeln durch eine Regierungsdelegation nach Sachsen und
nach Sachsen Anhalt gebracht. Wahrscheinlich tauchen
Sie dort nächste Woche auch noch im Wetterbericht auf
und versprechen das Blaue vom Himmel.

Meine Damen und Herren, für den Osten ist etwas an-
deres notwendig: Die ostdeutschen Bundesländer müssen
eine Ermächtigung bekommen, in Landesgesetzen von
Regelungen abzuweichen, die in Bundesgesetzen gelten.
Wir werden das ändern, damit sich diese Länder ein Stück
weit von der Bürokratie befreien können, die wie Mehltau
über diesem Lande liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Viertens. Wir werden nach dem Regierungswechsel

das rot-grüne Zuwanderungsgesetz nicht in Kraft treten
lassen. Unabhängig davon, wie die Entscheidung vor dem
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ausgeht, lautet
unsere Antwort klar und deutlich: Wir brauchen ange-
sichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt bei 4 Millionen Ar-
beitslosen in Deutschland nicht noch mehr Zuwanderung
aus nicht europäischen Ländern auf den deutschen Ar-
beitsmarkt. Dieses Gesetz tritt mit einer unionsgeführten
Regierung nicht in Kraft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Eine unionsgeführte Regierung wird es nicht geben!)


In diesem Zusammenhang möchte ich, Herr Bundesin-
nenminister, erwähnen, dass das Ganze auch ein Aspekt der
inneren Sicherheit in unserem Land ist. Sie wissen doch
so gut wie Ihre Innenministerkollegen in den Ländern, dass




Friedrich Merz

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ein wesentlicher Teil der Bedrohung der inneren Sicher-
heit in Deutschland durch die gewaltbereiten, zum Teil
terroristischen Islamisten ausgeht. Deswegen wird es mit
uns eine Änderung auch der Gesetze, die die Sicherheit
betreffen, geben. Wir werden dafür sorgen, dass biometri-
sche Daten, dass Fingerabdrücke in die Pässe aufgenom-
men werden.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter, weiter, immer weiter! Nicht aufhören!)


Herr Bundeskanzler, da haben Sie am Sonntagabend in
der Fernsehdebatte schlicht die Unwahrheit gesagt, als Sie
behauptet haben, Fingerabdrücke dürften nur dann in Päs-
sen oder in Visa aufgenommen werden, wenn es dazu eine
europäische Regelung gibt. Das ist falsch, Herr Bundes-
kanzler. Diese Regelung scheitert nicht an Europa, son-
dern an Rot-Grün in Deutschland. Sie wollen das nicht,
wir werden das machen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Nichts von Schengen gehört?)


Wir werden in diesem Zusammenhang auch das ma-
chen, was Sie bis jetzt immer abgelehnt haben, nämlich
die Verdachtsausweisung derjenigen, die terroristischen
oder kriminellen Vereinigungen angehören. Wir werden
nicht darauf warten, dass erst eine rechtskräftige Verurtei-
lung zu mehreren Jahren Freiheitsstrafe ausgesprochen
wird. Die Verdachtsausweisung wird mit einer unionsge-
führten Bundesregierung schnell umgesetzt.

Fünftens. Das Entscheidende für den Arbeitsmarkt ist,
dass wir sowohl das Steuersystem als auch die sozialen
Sicherungssysteme grundlegend reformieren. Für das
Steuersystem sage ich: Die Spielräume in den öffent-
lichen Haushalten sind nach vier Jahren Rot-Grün sehr
klein geworden.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vor zwei Jahren wäre das noch anders gewesen.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Ja, freilich!)


Hätten wir heute nur ein Drittel des Körperschaftsteuer-
aufkommens des Jahres 2000, dann würden wir uns über
die Finanzierung der Folgen der Flutkatastrophe nicht in
diesem Umfang streiten müssen, wie wir das gegenwärtig
tun. Es ist unglaublich, was Sie hier hinterlassen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Wer streitet sich denn da? Sie!)


Hätten wir noch ein weiteres Drittel des Körper-
schaftsteueraufkommens, dann wären wir auch in der
Lage, den Mittelstand in Deutschland wesentlich mehr zu
entlasten, als dies heute möglich ist. Ich sage Ihnen: Die
Finanzierung der Folgen der Flutkatastrophe – um auf
dieses Thema noch einmal zu sprechen zu kommen –
müsste ein leistungsstarkes Land wie Deutschland eigent-
lich ohne Steuererhöhungen und ohne die Streckung der
Schuldentilgung bewältigen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie aber haben es so in den Abgrund gewirtschaftet,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Passen Sie auf, dass Sie nicht versinken!)


dass Sie, Herr Bundesfinanzminister, bereits zum zweiten
Mal innerhalb eines einzigen Jahres zur Bewältigung ei-
nes unvorhergesehenen Problems zu Steuererhöhungen
greifen.


(Susanne Kastner [SPD]: 16 Jahre Schulden gemacht und dann solche Worte!)


Nach dem 11. September 2001 war Deutschland das
einzige Land auf der Welt, das zur Finanzierung der Anti-
terrorpakete die Steuern erhöht hat. Jetzt ist Deutschland
wieder in einer schwierigen Lage. Die einzige Antwort,
die Ihnen in diesem Zusammenhang einfällt, sind Steuer-
erhöhungen.


(Susanne Kastner [SPD]: Was fällt Ihnen denn ein, Herr Merz? Sagen Sie das mal! Ihnen fällt gar nichts ein!)


Angesichts der Lage unserer Volkswirtschaft, der Lage
auf dem Arbeitsmarkt und der Lage der kleinen und mitt-
leren Betriebe in Deutschland sind Steuererhöhungen das
absolut falsche Mittel. Sie lösen damit kein Problem, ver-
schärfen aber ein anderes, vorhandenes Problem in un-
verantwortlicher Weise.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zu den notwendigen Reformen gehören Reformen der
sozialen Sicherungssysteme, nicht nur der Rentenversi-
cherung, sondern auch der Krankenversicherung. Ich
sage an die Adresse der SPD: Wir haben Vorschläge ge-
macht. Sie sind nicht sehr spektakulär und vielleicht auch
nicht populär, sondern anspruchsvoll und schwierig.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Unbezahlbar!)

Sie fordern die Menschen ein Stück heraus. Ihre Antwort
darauf ist, das sei der Weg in die Zweiklassenmedizin.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die haben wir bereits!)


Wer das behauptet, übersieht, dass wir seit der Regie-
rungsübernahme von Rot-Grün mitten in der Zweiklas-
senmedizin sind. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie lange wollen Sie eigentlich den Arbeitnehmerin-

nen und Arbeitnehmern in Deutschland erklären, dass sie
für ständig steigende Beiträge immer schlechtere Leis-
tungen bekommen und dass Sozialhilfeempfänger, die
nicht krankenversichert sind und keine Beiträge zahlen,
das volle Spektrum des Leistungsumfangs unseres Ge-
sundheitssystems erhalten?


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist doch ein Schwindel, was Sie erzählen!)


Dieser Auseinandersetzung können Sie nicht aus dem
Wege gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Das sind „Bild“-Zeitungs-Sprüche!)





Friedrich Merz
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Sechstens. Wir müssen und werden in der Bildungs-
politik große Anstrengungen unternehmen. Übrigens
auch hierzu ein offenes und klares Wort: Die Menschen in
Deutschland müssen wissen, dass aus den öffentlichen
Haushalten für Bildung, Alters- und Gesundheitsvorsorge
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht weniger,
sondern mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss.
Das betrifft auch die privaten Haushalte.

Herr Bundesfinanzminister, da Sie mit Abiturquoten
argumentiert haben, möchte ich Ihnen darauf eine deut-
liche Antwort geben. Wir wollen Bildungs- und Leis-
tungseliten, nicht Geld- und Herkunftseliten. Es gehört
in diesem Land auch derjenige zur Bildungs- und Leis-
tungselite, der eine Lehre oder eine Berufsausbildung
macht, eine Meisterschule besucht, einen Betrieb grün-
det oder übernimmt und anschließend Arbeitsplätze
schafft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Mensch fängt nicht erst beim Abiturienten an. Er er-
fährt nicht erst als Akademiker seine Vollendung – auch
dann nicht, wenn er Lehrer in Kassel geworden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Langsam, Herr Merz!)


Wer eine erfolgreiche Berufsausbildung gemacht hat,
gehört mindestens genauso zur Bildungselite wie derje-
nige, der Abitur gemacht hat und anschließend 20 Semes-
ter Philosophie studiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Das ist schlimmster Wahlkampf, Herr Merz!)


Deswegen lassen wir Ihnen auch nicht durchgehen, Herr
Bundeskanzler, was Sie zu dem Problem unserer Bil-
dungslandschaft gesagt haben. Das ist doch kein Problem
der föderalen Ordnung, wie Sie es an dieser Stelle darge-
stellt haben. Die Probleme, die in Deutschland – insbe-
sondere in den SPD-geführten Ländern: in Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, früher in Hessen und Bremen – be-
stehen, sind vielmehr die Ergebnisse der 30-jährigen
Experimentierkolchosen der Sozialdemokraten. Diese
Antwort werden wir Ihnen geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Susanne Kastner [SPD]: Warum sind Frau Hohlmeiers Kinder in der Waldorfschule?)


Lassen Sie mich abschließend feststellen: Eine neue
Bundesregierung wird dafür sorgen, dass Deutschland
wieder ein verlässlicher Partner in Europa und in der Welt
wird. So ramponiert wie unter Ihrer Führung, Herr Bun-
deskanzler, ist das Ansehen unseres Landes in der Außen-
und in der Europapolitik noch nie gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie teilen nur noch Fußtritte gegen unsere Partner in der
Europäischen Union aus, kritisieren an der EU-Kommis-
sion herum und üben Kritik an den amerikanischen Part-
nern. – Wenn Sie schon lesen wollen, Herr Bundeskanz-
ler: Ich glaube, Sie halten das Blatt verkehrt herum.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zum Ernst des Themas zurück:

(Susanne Kastner [SPD]: Sie kann man aber mit solchen Aussagen nicht mehr ernst nehmen!)


Wenn Ihnen mitten im Wahlkampf die Zeit bleibt, für eine
fünfminütige Rede auf der Weltklimakonferenz nach
Johannesburg zu fahren, dann hätten wir von Ihnen er-
wartet, dass Sie in der schwierigen Lage, in der wir uns
befinden, auch wenigstens fünf Minuten Zeit finden, um
mit unseren Partnern in der Europäischen Union zu spre-
chen und vielleicht sogar mit dem amerikanischen Präsi-
denten zu telefonieren. So, wie Sie mit unseren Partnern
und wichtigsten Verbündeten umgehen, geht es nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir stehen in Deutschland vor einer Chance, aus der

Krise herauszukommen. Das wird ein sehr schwieriger
Weg. Dabei werden auch Besitzstände infrage zu stellen
sein und Widerstände überwunden werden müssen. Das
wird nicht einfach. Aber die Mehrheit der Bevölkerung in
Deutschland traut Ihrer Regierungsmannschaft, Herr
Bundeskanzler,


(Zuruf von der SPD: Sehr viel Positives zu!)

den Trittins, den Künasts, den Müllers, den Riesters, den
Bodewigs und den Schmidts, die hier auf der Regierungs-
bank sitzen und die dieses Land so heruntergewirtschaftet
haben, die Lösung der Probleme dieses Landes nicht mehr
zu. Wir haben aber die Chance, am 22. September eine
bessere Regierung für dieses Land zu bekommen. Das
Land hat es verdient.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425200400
Ich erteile dem Kolle-
gen Joachim Poß von der SPD-Fraktion das Wort.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1425200500
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Es sagt viel über den Zustand der CDU/CSU
aus, wenn eine solch billige Wahlkampfpolemik einen
solchen Beifall erhält.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist ein Hinweis darauf, dass Sie nervös geworden sind
und wild um sich schlagen.

Wollte man im Übrigen auf alle Fakten eingehen, dann
käme man zu dem Ergebnis, dass Herr Merz schneller die
Unwahrheit sagt, als ein Rennpferd laufen kann.


(Beifall bei der SPD)

Deswegen kann man nur beispielhaft auf einige Punkte
eingehen, was ich auch tun werde.

Herr Merz ist zudem der lebende Beweis dafür, dass
ein Schnellredner nicht unbedingt auch ein Schnelldenker
sein muss.


(Beifall bei der SPD)





Friedrich Merz

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(A)



(B)


Aber das, was mir bei seinem Auftritt besonders aufge-
stoßen ist, ist Folgendes: Wenn jemand den Karren so in
den Dreck gefahren hat wie CDU/CSU und FDP, verbie-
tet es sich eigentlich, hier so aufzutreten, wie Sie es heute
Morgen getan haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So jemand sollte sich vor solchen Auftritten eigentlich hü-
ten. Wir müssen doch seit vier Jahren jeden Tag den
Schutt wegräumen, den Sie hinterlassen haben, meine Da-
men und Herren von der Opposition.


(Beifall bei der SPD)

Es wurde beklagt, dass wir den Bundeszuschuss zur

Rentenversicherung erhöht haben. Warum haben wir ihn
erhöht? – Wir haben ihn erhöht, weil wir damals, als wir
an die Regierung gekommen sind, versicherungsfremde
Leistungen in Höhe von 25 Milliarden DM übernommen
haben. Auch die Erhöhung des Bundeszuschusses war
also eine notwendige Reparaturmaßnahme.


(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch an Folgen-
des: Der Beitragssatz zur Rentenversicherung lag in der
Amtszeit von Minister Blüm bei 20,3 Prozent. Es bestand
sogar die Gefahr, dass er auf 21 Prozent erhöht werden
muss. Nur mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer haben
wir das gemeinsam abwenden können.

Ich stelle also fest: Immer dann, wenn man die kon-
kreten Beispiele von Herrn Merz genau untersucht, wird
deutlich, wie falsch gewickelt er ist und mit welch billiger
Polemik die CDU/CSU derzeit die Wählerinnen und
Wähler einzufangen versucht.


(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über die Bundesanstalt für Arbeit spre-

chen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass von Stingl bis
Jagoda nur CDU/CSU-Leute an der Spitze dieser Bun-
desanstalt waren. Das ändert natürlich nichts daran, dass
dort kräftig aufgeräumt werden muss. Das ist ja nicht zu
leugnen. Aber man darf nicht aus den Augen verlieren,
wer in der Vergangenheit Verantwortung bei der Bundes-
anstalt für Arbeit getragen hat. Die ökonomischen und die
gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, die Sie zu verant-
worten haben, korrigieren wir Schritt für Schritt in die
richtige Richtung. Das können wir Punkt für Punkt bele-
gen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es zynisch, wenn Herr Merz die Flutkatastro-
phe zum Anlass für Bemerkungen über Scheckübergaben
und anderes mehr nimmt. Wenn Herr Müller und andere
keine Schecks übergeben hätten, dann wäre bis jetzt noch
keine Hilfe vor Ort! Das Problem ist doch, dass andere aus
Unfähigkeit oder taktischen Gründen nicht so zügig ar-
beiten, wie es erforderlich wäre, um den Betroffenen vor
Ort zu helfen.


(Beifall bei der SPD)

Die Rede von Herrn Merz hat deutlich gemacht, dass

das Rezept der Union aus unfinanzierbaren Versprechun-

gen besteht sowie massives Schuldenmachen, massiven
Sozialabbau – das ist besonders deutlich geworden – und
das Beschneiden der Arbeitnehmerrechte vorsieht. Das
hat Herr Merz heute Morgen angekündigt. Dazu sagen
wir: Wer es mit unserer Gesellschaft gut meint und den ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt bewahren will, der muss
jetzt die Sozialdemokratie unterstützen; denn dieser Zu-
sammenhalt soll – so hat es Herr Merz heute Morgen an-
gekündigt – von den Schwarzen zerstört werden.


(Beifall bei der SPD)

Wir lassen jedenfalls keine gesellschaftliche Spaltung zu.
Wer jetzt Mängel beim Aufbau Ost beklagt, der sollte
nicht verschweigen, wer damals als Erster zum Bundes-
verfassungsgericht gelaufen ist, weil angeblich zu viel für
den Aufbau Ost gezahlt wird. Das war nämlich Edmund
Stoiber.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer sich von dem Katastrophengerede der Union nicht

beeindrucken lässt, der wird feststellen, dass die Bundes-
regierung unter Gerhard Schröder und die sie tragenden
Koalitionsfraktionen genau das machen, was für eine dau-
erhaft gesunde Ökonomie in Deutschland richtig und
wichtig ist, nämlich verlässliche wirtschaftliche und so-
ziale Rahmenbedingungen zu schaffen sowie stetig und
dauerhaft die Wachstumskräfte zu stärken. Zu dieser Po-
litik – das hat die Rede von Herrn Merz deutlich gemacht –
gibt es keine ernst zu nehmenden Alternativen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es stehen sich zwei klar unterscheidbare Konzepte ge-
genüber, über die am 22. September entschieden wird:
Auf der einen Seite gibt es realistische Maßnahmen und
Weichenstellungen auf der Grundlage detaillierter Pla-
nungen und Festlegungen der Bundesregierung. Auf der
anderen Seite gibt es ein Sammelsurium von vollmundi-
gen Ankündigungen und politischen Versprechungen der
Opposition, wobei bereits alles vom bayerischen Minis-
terpräsidenten und Kanzlerkandidaten der Union unter
einem generellen Finanzierungsvorbehalt wieder einge-
sammelt worden ist. Bei der Diskussion über die Kon-
zepte zur Finanzierung der Behebung der Flutschäden ist
außerdem deutlich geworden, dass die Union in ihr altes
Politikmuster zurückgefallen ist, das darin besteht, die öf-
fentlichen Haushalte durch höhere Schulden zu finanzie-
ren. Sie knüpft an die alten Rezepte an. Zur Bewältigung
der Zukunftsaufgaben brauchen wir aber moderne Kon-
zepte, nicht die alten kohlschen Konzepte.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben erschwerte Bedingungen. Der wirtschaftli-
che Abschwung seit dem Frühjahr 2001 ist nicht zu leug-
nen. Aber wir halten auch bei besonderen Problemlagen,
wie sie sich etwa durch die Hochwasserkatastrophe er-
geben haben, Kurs. Bis heute bleibt unklar, warum die
Union den von uns vorgestellten Finanzierungsweg für
die Flutschadenshilfen akzeptiert, obwohl sie diesen Weg
öffentlich ständig verdammt. In diesem Zusammenhang
will ich nicht unerwähnt lassen – ich spreche hier auch zu
dem Gesetzentwurf –, dass die FDP es noch nicht einmal




Joachim Poß
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(C)



(D)



(A)



(B)


für nötig gehalten hat, an den Ausschussberatungen zum
Flutopfersolidaritätsgesetz teilzunehmen.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Hört! Hört! Unglaublich!)


Das zeigt meines Erachtens die beispiellose Gleichgültig-
keit dieser Partei gegenüber den Sorgen und Problemen
der betroffenen Menschen und Regionen.


(Beifall bei der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: Unglaublich!)


Zehn Tage vor der Wahl bekommt die Wahlkampfin-
szenierung der Union Risse. Die Wahlkampagne der
Union entpuppt sich zusehends als eine systematische Ab-
folge von Wählertäuschungen und erstaunlichen Rea-
litätsverzerrungen; der Finanzminister hat dafür Belege
beigebracht. Die stärkste Realitätsverweigerung findet
dabei statt, wenn Sie Deutschland als Armenhaus und
Schlusslicht verunglimpfen – eine Behauptung, die im
Mittelpunkt des Wahlkampfs von Union und FDP steht.
Meine Damen und Herren von der Opposition, glauben
Sie wirklich, den Menschen in Deutschland ginge es
schlechter als den Menschen in Frankreich, England, Por-
tugal oder Italien? Derartige Behauptungen sind nicht nur
lächerlich, sie sind auch verantwortungslos.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aus purer Wahltaktik nehmen Sie in Kauf, durch Ihre
systematische Schlechtrederei die im Konjunkturauf-
schwung nötige Zuversicht von Investoren und Konsu-
menten zu zerstören. Ich wiederhole: Das ist verantwor-
tungslos.


(Beifall bei der SPD)

Die Menschen in diesem Land brauchen keine und

wollen keine Schlechtredner und Katastrophenapostel; sie
wissen selbst genau, wie die Lage ist. Die Menschen wol-
len aber wissen, wem sie vertrauen können und was die
Parteien und Kandidaten zur Lösung der Probleme ganz
konkret und glaubhaft tun wollen. Das ist offensichtlich
der Grund dafür, dass der Zuspruch zu Gerhard Schröder
und zur SPD täglich zunimmt. Die Menschen verstehen
zunehmend, dass die oppositionellen Parteien in weiten
Bereichen gar keine Alternativen zur Politik der Regie-
rungskoalition anbieten. Die Menschen haben erkannt,
dass Union, FDP, auch PDS ständig nur Versprechungen
machen, ohne zu sagen, wie sie diese realisieren wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Rolf Kutzmutz [PDS]: Da müssen Sie mal nachlesen!)


Das sieht man beim Thema Umweltschutz und Klima-
politik: Da ist es zu hektischen Ergänzungen des Sofort-
programms der Union gekommen. Das sieht man bei der
wirtschafts- und finanzpolitischen Kompetenz: Was ist
denn von der wirtschafts- und finanzpolitischen Kompe-
tenz einer Partei zu halten, die, wie die Union, für die
höchste Steuer- und Abgabenbelastung, für die höchste
öffentliche Verschuldung und auch für die höchste Ar-
beitslosigkeit der letzten 20 Jahre verantwortlich ist?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch nach dem Wechsel in der Parteiführung von Kohl
über Schäuble zu Merkel werden, wie der Wahlkampf
deutlich zeigt, wieder nur die alten Rezepte von Sozialab-
bau, massivem Schuldenmachen und platter Deregulie-
rung – wir haben es gehört – angeboten. Deswegen ist die
Union 1998 abgewählt worden.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Und Sie dieses Jahr!)


Ist das alles schon vergessen worden?
Im Mittelpunkt der steuerpolitischen Programmatik

der Union steht, wie gehabt, die Absenkung des Spitzen-
steuersatzes bei der Einkommensteuer. Es heißt jetzt „un-
ter 40 Prozent“. Auf ihrem Parteitag hat die CDU sogar
„höchstens 35 Prozent“ beschlossen – höchstens 35 Pro-
zent! Da können sich Stoiber und Merz, da kann sich die
CDU/CSU insgesamt noch so sehr zieren und noch so
viele Nebelkerzen werfen: Zur Finanzierung dieses Steu-
ervorteils für Spitzenverdiener soll unter anderem die teil-
weise Steuerfreiheit für Zuschläge für Sonntags-, Feier-
tags- und Nachtarbeit gestrichen werden. Das ist unter
Berufung auf die Petersberger Beschlüsse immer wieder
von Ihnen bestätigt worden. Die Petersberger Beschlüsse
waren und sind fester Bestandteil all Ihrer steuerpoliti-
schen Überlegungen.

Sie verweisen in diesem Zusammenhang immer wie-
der auf die angebliche Blockierung Ihrer Steuerreform
von 1997 durch die Sozialdemokraten. Lassen Sie mich
einmal auflisten, was Ihr Steuerreformkonzept unter an-
derem enthielt: die erhöhte Besteuerung der Lohnersatz-
leistungen, beispielsweise von Arbeitslosen- und Kran-
kengeld; die Streichung der Kilometerpauschale für die
ersten 15 Kilometer; die Absenkung des Arbeitnehmer-
pauschbetrages für Werbungskosten und eben auch die
Streichung der teilweisen Steuerfreiheit für die Zuschläge
bei Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.

Die Steuerreform von 1997 hat die gesamte Union hier
im Bundestag beschlossen. Auch der bayerische Minis-
terpräsident Stoiber hat ihr im Bundesrat mit voller Über-
zeugung zugestimmt. Das alles soll heute nicht mehr gel-
ten? Kurz vor der Wahl wird das alles in Abrede gestellt?
Herr Merz, Herr Stoiber, erklären Sie doch einmal ver-
bindlich und ohne die bekannten Hintertürchen, dass all
das heute nicht mehr zur Finanzierung der von Ihnen vor-
gesehenen Senkung des Spitzensteuersatzes herangezo-
gen werden soll. Ihre Steuerreform von 1997 wurde von
der Mehrheit des Bundesrates zu Recht verhindert, da sie
im Endeffekt eine massive Umverteilung von unten nach
oben mit sich gebracht hätte.

Im Übrigen: Bis zum 25. August 2002 hat die Union
unter Berufung auf die Petersberger Beschlüsse im Inter-
net für diese Vorschläge geworben. Dies zeigt, dass Sie
eine massive steuerliche Zusatzbelastung vor allem für
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer wollten und
immer noch wollen, um Ihre Klientel bedienen zu können.


(Beifall bei der SPD)

Ich habe dies bewusst so ausführlich dargestellt, um

deutlich zu machen, wie unglaubwürdig Herr Stoiber und
die gesamte Union sind, wenn sie dem Bundeskanzler und
der SPD eine unsoziale Steuerpolitik vorwerfen. Wir,




Joachim Poß

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(C)



(D)



(A)



(B)


SPD und Grüne, haben eine bedeutsame steuerpolitische
Trendwende eingeleitet.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keiner weiß es!)


Millionen von Arbeitnehmern, Familien mit Kindern und
Mittelständler wurden von uns steuerlich massiv entlastet.
Bei Ihnen jedoch waren sie die Lastesel der Nation.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Genosse der Bosse!)


Das macht den Unterschied zwischen uns aus: Wir stellen
schrittweise mehr Steuergerechtigkeit her. Das geht
nicht von heute auf morgen. Wir stellen schrittweise mehr
soziale Gerechtigkeit her.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Veräußerungsgewinne, Körperschaftsteuer!)


Sie dagegen kündigen an, all das wieder einreißen zu wol-
len. Unter unserer Verantwortung zahlen Einkommensmil-
lionäre wieder Einkommensteuer. Das war zwischen 1994
und 1998 nur selten der Fall. Auch das unterscheidet uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn es konkret wurde, haben Sie heute Morgen im-
mer gekniffen. Herr Merz hat viele elegante Kurven ge-
macht, um bestimmte Themen überhaupt nicht anpacken
zu müssen. Er hat nicht gesagt, wie er das Aussetzen der
letzten Stufe der sozial-ökologischen Steuerreform, das
Familiengeld und die Aufstockung des Bundeswehretats
finanzieren will. Hier wird nur mit Floskeln gearbeitet.
Das lassen wir Ihnen heute Morgen nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie müssen heute Morgen hier für die Union und für die
FDP erklären, wie Sie Ihre Vorstellungen realistischer-
weise umsetzen wollen. Es kann doch nicht hingenommen
werden, dass Sie vor der Wahl nur täuschen und tricksen.
Wo sie unsicher sind, setzt sich Herr Stoiber die Tarnkappe
auf, um nicht konkret werden zu müssen. Die Wählerinnen
und Wähler haben es aber verdient, dass Sie Ihre Absich-
ten ungeschminkt darstellen, damit sie eine echte Alterna-
tive haben. Dazu fordern wir Sie heute Morgen auf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hoffe, dass Sie wenigstens so viel Glaubwürdigkeit
gegenüber den Wählerinnen und Wählern aufbringen.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns auf die Aus-
einandersetzung in den nächsten beiden Tagen. Sie ist die
letzte Gelegenheit, den Wählerinnen und Wählern in der
Bundesrepublik Deutschland klar zu machen, bei wem sie
gut aufgehoben sind. Wir nutzen diese Gelegenheit, ins-
besondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so-
wie den Familien mit Kindern deutlich zu machen, dass
wir in den letzten vier Jahren für sie Politik gemacht ha-
ben, die wir fortsetzen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1425200600
Ich erteile Kollege
Günter Rexrodt das Wort, dem ich zu seinem heutigen Ge-
burtstag herzlich gratuliere.


(Beifall)



Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1425200700
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Herzlichen Dank, Herr Präsident, für
Ihre guten Wünsche. Mit der Finanzpolitik von Herrn
Eichel kann ich heute dennoch nicht nachsichtiger umge-
hen, denn dieser Bundesfinanzminister hatte sich am An-
fang der Legislaturperiode viel vorgenommen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Er hat auch viel geleistet!)


Er hatte sich die schrittweise Rückführung der Nettoneu-
verschuldung zum Ziel gesetzt; im Jahr 2004 wollten Sie
einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen, Herr
Eichel.

Ich habe hier im Bundestag anfangs übrigens durchaus
anerkennend wiederholt gesagt: Es war gar nicht selbst-
verständlich, dass ein sozialdemokratischer Finanzminis-
ter ein solches Ziel proklamiert, hat sich doch sozialde-
mokratische Politik über Jahre und Jahrzehnte dadurch
ausgezeichnet, dass immer dann, wenn ein ausgaben-
wirksames Programm in diesem Hause zu beschließen
war, von Ihrer Seite eher draufgesattelt worden ist. Die
Grundlinie Ihrer Politik – so habe ich damals gesagt – ist
durchaus richtig; das war nicht selbstverständlich.

Heute aber, Herr Bundesfinanzminister, ist nicht die
Stunde der Zielvorgabe, sondern die Stunde der Wahrheit.
Sie müssen sich an dem messen lassen, was Ihr Anspruch
war und was Realität ist.


(Beifall bei der FDP)

Bei der Bestandsaufnahme müssen wir mit Ihrem High-

light beginnen, dem finanzpolitischen Globalziel, die
Nettoneuverschuldung zu reduzieren. Herr Eichel, was
sind Sie durch die Lande gezogen, was haben Sie lamen-
tiert, die alte Regierung habe Ihnen einen finanziellen
Scherbenhaufen hinterlassen! Dabei haben Sie wohlweis-
lich immer die Wiedervereinigung verschwiegen, dieses
säkulare Ereignis, um dessen Finanzierung Sie sich schon
als hessischer Ministerpräsident gedrückt hatten. Immer
waren Sie dabei derjenige, der darauf geachtet hat, dass
der Beitrag der Länder – insbesondere Ihres Landes –
möglichst minimal angesetzt wird.

Herr Eichel, Sie tun so, als ob es in der politischen und
der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes in den
16 Jahren unserer Regierung kontinuierlich bergab ge-
gangen sei: Wir haben in den 80er-Jahren die Bürger und
die Unternehmer enorm entlastet. Wir haben die Staats-
quote von 49 Prozent auf 42 Prozent gesenkt. In den 90er-
Jahren war es aufgrund dieses säkularen Ereignisses
natürlich nicht zu umgehen, dass die Schulden stiegen,
dass ein Solidarzuschlag eingeführt werden musste.

Aber dies nun nebeneinander zu stellen und als eine
Politik der Verschuldung des Staates zu kennzeichnen ist
einfach nicht fair. Sie haben jetzt vier Jahre Zeit gehabt,
die Dinge in Ordnung zu bringen. Angekündigt hatten Sie
vier Jahre des Erfolges und der Bereinigung. Tatsächlich




Joachim Poß
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(C)



(D)



(A)



(B)


ist Deutschland heute das Land mit dem geringsten wirt-
schaftlichen Wachstum in Europa. Sie zeigen sich hier
stolz auf 0,4 Prozent Wachstum.

In den letzten Jahrzehnten gab es in Deutschland im-
mer wieder Perioden, in denen es in wirtschaftlicher Hin-
sicht schnell und solche, in denen es weniger schnell auf-
wärts ging. Deutschland schnitt aber im Vergleich zu
seinen Nachbarn immer günstiger ab. Heute sind wir
Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung. Die
Gründe dafür liegen nicht in den schlechten weltwirt-
schaftlichen Bedingungen, sondern sind hausgemacht.
Sie liegen in Ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was Ihre Ankündigung angeht, im Jahr 2004 einen aus-
geglichenen Haushalt vorweisen zu können: Momentan
sieht es so aus, als könne Deutschland nicht einmal die
Kriterien von Maastricht einhalten. In diesem Zusam-
menhang führen Sie die Flutkatastrophe an, die viel Geld
kostet, für den Bund in den nächsten zwei Jahren mögli-
cherweise 5 Milliarden. Dieser Betrag ist hoch, aber ge-
messen am Gesamtvolumen des Haushaltes eine Mar-
ginalie. Wegen der Gefahr der Verletzung der Kriterien
von Maastricht sind Ihre Beamten offensichtlich gehalten,
die entsprechenden Zahlen nicht nach Brüssel zu melden –
mit dem einzigen Ziel, den blauen Brief vor dem
22. September zu vermeiden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, in der Wirtschaft würde man
das als Konkursverschleppung bezeichnen.

Das Verdienst rot-grüner Finanzpolitik bleibt die For-
mulierung eines ehrgeizigen Zieles, eines Anspruchs.
Dass Sie das Ziel nicht erreichen, liegt nicht an der Flut,
dem Hochwasser, sondern an drei gewichtigen anderen
Ursachen:

Die erste Ursache ist das massive Versagen bei der
Wirtschafts- und Finanzpolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die zweite Ursache ist eine den Mittelstand verunsi-
chernde Steuerpolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die dritte Ursache ist Ihr Unvermögen,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

die strukturellen Probleme unseres Haushalts – struktu-
relle Probleme auf der Ausgabenseite, eine katastrophale
Ausweitung der konsumtiven Ausgaben und eine stetige
Minimierung der Investitionsausgaben – anzupacken und
sie dauerhaft zu beseitigen.

Herr Bundesfinanzminister, in Ihrer Rede sind Sie auf
die eine oder andere Haushaltsposition eingegangen, bei
der Sie gespart haben oder bei der Sie, politisch bedingt
und erforderlich, oben draufgelegt haben. Niemand will
Ihnen solche Korrekturen und Erfolge – wir führen eine
faire Diskussion – im Detail absprechen. Das ist aber

finanzpolitische Routinearbeit. Solche Erfolge hat jeder
Finanzminister in jeder Legislaturperiode vorzuweisen.
Am Ende zählt die Gesamtbilanz.

Ich komme zum Komplex Wirtschafts- und Arbeits-
marktpolitik zurück. In der Wirtschafts- und Arbeits-
marktpolitik stehen wir vor einem Scherbenhaufen, und
zwar nicht, weil es der Weltwirtschaft schlecht geht – un-
sere Exportquote ist hoch –, sondern weil wir entschei-
dende Reformen entweder versiebt oder versäumt haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir stehen in erster Linie so schlecht da, weil Sie das
Dickicht der Arbeitsmarktvorschriften nicht gelichtet
haben. Im Gegenteil: Vor allem im Interesse der Gewerk-
schaften haben Sie bei der Funktionärsmitbestimmung
draufgesattelt und im Kündigungsrecht die Schwellen-
werte so verändert, dass dieses Recht eine Einstellungs-
barriere darstellt. Bei der Förderung der Selbstständigkeit
haben Sie versagt. Sie haben diejenigen ins Gesicht ge-
schlagen, die etwas dazuverdienen wollten.


(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum zweiten Komplex, der Steuerpolitik.

Nach Hunderten von Begegnungen mit mittelständischen
Unternehmern und Gewerbetreibenden – auch jetzt im
Wahlkampf – kann ich nur immer wieder sagen: Herr
Eichel, viele Menschen, die parteipolitisch nicht gebun-
den sind und die auch keine Vorurteile gegenüber der ei-
nen oder anderen Partei haben, sind verbittert, enttäuscht
und verärgert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sind über die Tatsache verärgert, dass es in Ihrer Steu-
erreform eine so massive Ungerechtigkeit zwischen der
Besteuerung der Großunternehmen, der Körperschaften,
und jener der mittelständischen Unternehmen gibt.

Sie unterstellen uns, unsere Politik im Zusammenhang
mit der Flutkatastrophe sei unglaubwürdig, weil wir uns
gegen die Verschiebung der Steuerreform ausgesprochen
haben. Wer von unserer Seite hat denn je gesagt, dass wir
eine Entlastung des Mittelstandes nicht für richtig halten?
Wir haben immer nur gesagt, dass sie unzulänglich ist.
Selbst diese unzulängliche Entlastung wird nun noch da-
durch verschärft, dass Sie mit Blick auf die Flutkatastrophe
eine falsche Maßnahme ansetzen, nämlich die Verschie-
bung der Entlastung des Mittelstandes, also der kleinen und
mittleren Unternehmen. Dies ist eine falsche Politik.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Mittleren und Kleinen investieren nicht mehr; sie

wollen nicht mehr. Mehltau hat sich über dieses Land ge-
legt.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Oh je!)

Meine Damen und Herren, wer ehrlich ist, sagt, dass er
das überall und immer wieder feststellt. Die pessimisti-
sche Stimmung setzt sich im Übrigen bei der Konsumnei-
gung fort und zeigt sich in einer katastrophalen Situation
im Einzelhandel.


(Beifall bei der FDP)





Dr. Günter Rexrodt

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(C)



(D)



(A)



(B)


Dieser Haushalt enthält enorm viele Risiken. Die Til-
gungsleistungen beim Fonds „Deutsche Einheit“ werden
nochmals um 200Millionen Euro gesenkt. Verglichen mit
dem Jahr 2001 bedeutet das eine Verringerung um 1 Mil-
liarde Euro. Das ist mit einer Verschiebung der Lasten auf
spätere Generationen gleichzusetzen.

Niemand kann letztlich übersehen, dass Ihre Sparan-
strengungen nur deshalb überhaupt erwähnenswert ge-
worden sind, weil Sie die Lasten zu großen Teilen auf die
Kommunen und auf die Länder verschoben haben.

Für den Haushalt sind Steuermindereinnahmen von
4 Milliarden Euro zu erwarten. Die Bundesanstalt für Ar-
beit braucht mindestens weitere 1,5 bis 2Milliarden Euro.
Die Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe werden um min-
destens 2 Milliarden Euro steigen. Die Rentenversiche-
rung braucht zusätzlich 0,5 Milliarden Euro. Um dies auf-
zufangen, bedarf es eines neuen Sparpakets; anderenfalls
ist die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts nicht mehr
gegeben.


( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Herr Bundesfinanzminister, Ihre Finanzpolitik – einst
ein Asset der Politik der rot-grünen Regierung; herausge-
stellt, gefeiert, was auch für Sie persönlich gilt – ist ge-
scheitert. Die Blase ist geplatzt. Wir haben von der Hand
in den Mund gelebt. Das Land ächzt unter den Belastun-
gen durch die Ausgaben für den Arbeitsmarkt. Die Steuer-
einnahmen bleiben aus, weil der Mittelstand verdrossen
und verärgert ist. In Ihrem Zahlenwerk gibt es ein funda-
mentales Ungleichgewicht. Die Bestätigung dafür werden
wir in Kürze erhalten, und zwar in Form eines blauen
Briefes aus Brüssel. Der einzige Trost, Herr Eichel, be-
steht darin, dass Sie nicht mehr der Empfänger dieses
Briefes sein werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425200800
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Oswald Metzger für die Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.


Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425200900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Tage vor
der Bundestagswahl befindet man sich in einer Situation,
in der man holzschnittartig argumentiert. Auch ich werde
das in einem Teil meiner Rede tun. Neben dem Pflicht-
teil – so etwas gibt es für einen Parlamentarier – wird
meine Rede einen Kürteil enthalten, in dem ich versuche,
die Strukturreformen darzustellen, die in dieser Gesell-
schaft auf allen Ebenen nötig sind, um die öffentlichen
Haushalte in Ordnung zu bringen, eine Überlastung der
Steuerpflichtigen, also der Bürger und der Wirtschaft in
diesem Land, zu verhindern und mehr Beschäftigung und
Wachstum zu generieren. Das ist eine Herkulesarbeit, die
wir in den vergangenen vier Jahren angegangen sind,
während die Union sie in den 16 Jahren ihrer Regierungs-
zeit und die FDP in den 29 Jahren ihrer Regierungszeit
sträflich vernachlässigt haben. Das will ich jetzt belegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen wir uns doch die harten Fakten an: Im Jahr
1969 – die FDP trat damals in eine sozialliberale Regie-
rung ein – lag die Nettokreditaufnahme bei 1Million DM
im Jahr. Die höchste Neuverschuldung dieser Republik in
einem Jahr gab es unter einer schwarz-gelben Regierung,
nämlich im Jahr 1996, und zwar mit 78,172 Milliarden DM.
Eine Partei, die sich aufspielt und sagt: „Wir sind“– das
steht im Wiesbadener Parteiprogramm – „gegen Neuver-
schuldung“, obwohl sie ständig das Gegenteil getan hat,
kommt mir wie der Versicherungsvertreter eines Groß-
konzerns vor, der mit Renditeversprechungen Lebens-
versicherungen an Frau und Mann bringt, obwohl die
Ablaufleistungen, deren Höhe man beispielsweise in „Fi-
nanztest“ nachlesen kann, statt mit den versprochenen
6 Prozent oder 7 Prozent Rendite mit 3 Prozent oder noch
viel weniger errechnet werden. So geht auch die FDP vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das Gleiche gilt für den Bereich der Sozialversiche-
rungen. Ständig wird die Höhe der Lohnnebenkosten von
den Liberalen und von der Union kritisiert. Schauen Sie
sich doch einmal an: In den 29 Jahren, in denen die FDP
ununterbrochen an der Regierung war, und in den 16 Jah-
ren, in denen CDU und CSU ununterbrochen an der Re-
gierung waren, sind die Beiträge ständig gestiegen. In den
29 Jahren, in denen die FDP ununterbrochen an der Re-
gierung war, sind sie um sage und schreibe 16,7 Prozent
gestiegen.
In der Regierungszeit der Union, die kürzer war, sind sie,
obwohl es zwischenzeitlich ein paar Jahre gab, in denen
der Rentenversicherungsbeitrag sank, um sage und
schreibe 9 Prozent gestiegen. Allein von 1993 bis 1998 ist
dieser Beitrag um 4,8 Prozent gestiegen. Trotzdem kriti-
sieren Sie uns. Aber wir haben unter dem Strich, zumin-
dest bei der Rente, bis heute eine Absenkung der Beiträge
um 1,2 Prozent erreicht, und zwar mit dem gleichen Fi-
nanzierungsinstrument der Mehrwertsteuer, das Ihre Ko-
alition noch im Jahre 1998 beschlossen hatte. Auch die
Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchsteuer, nur trifft sie alle
und hat keine ökologische Lenkungswirkung.


(Walter Hirche [FDP]: Das hat die Ökosteuer doch auch nicht!)


Denn wenn man einkauft, zahlt man Steuern. Wenn
man aber Energie verbraucht, kann man die Kosten durch
effiziente Nutzung individuell steuern. Wir haben die
Beiträge in unserer Regierungszeit gesenkt. Selbst der
Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge kompensiert
nicht den Erfolg dieser Legislaturperiode, dass nämlich
die Sozialversicherungsbeiträge zum ersten Mal in der
Geschichte dieses Landes in vier Jahren nicht gestiegen
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der gleiche Befund zeigt sich nach 29 Jahren liberaler Po-
litik bei der Staatsverschuldung bzw. beim Schulden-
stand. Im Jahre 1969 betrug er 59 Milliarden DM. Nach
29 Jahren FDP-Regierungsbeteiligung war der Betrag
25-mal höher. Er betrug nämlich sage und schreibe 1,5
Billionen DM. Diese FDP ist die Partei, die Sicherheit




Dr. Günter Rexrodt
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(C)



(D)



(A)



(B)


verspricht, die Steuern senken will und der egal ist, was
die Zukunft bringt und wie die Steuersätze sich ent-
wickeln, wenn man schuldenfinanziert staatliche Finanz-
politik betreibt. Ich sage nur: Die Wählerinnen und
Wähler werden übernächsten Sonntag klug genug sein,
diese Heilsversprechungen nicht zu glauben; auch den
Liberalen nicht. Denn Manna fällt nicht vom Himmel,
sondern die Steuerzahler in dieser Republik bezahlen die
öffentlichen Leistungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wie sieht es bei der Deregulierung aus? Natürlich be-
schreibt dieses Wort den Streit um Besitzstände. Ich bin
durchaus der Meinung, wie es auch heute im gemeinsa-
men Antrag der Koalitionsfraktionen geschrieben steht –
dieser Satz hat mich persönlich gefreut –: „Flexible Ar-
beitsmärkte und soziale Gerechtigkeit müssen kein Ge-
gensatz sein.“ Mehr Flexibilität in den Arbeitsmärkten
kann mehr Beschäftigung schaffen. Das ist gut für die Ar-
beitslosen. Wir dürfen nämlich Arbeitsmarktpolitik nicht
nur aus der Sicht der Arbeitsplatzbesitzer machen. Aber
die Regulierungen der Vergangenheit sind doch in Zeiten
geboren worden, in denen Liberale 29 Jahre lang in Re-
gierungsverantwortung waren. Wollen Sie dem deutschen
Volk klar machen, dass Rot-Grün in vier Jahren praktisch
eine Fortsetzung dieser Politik betrieben hat, obwohl wir
in wichtigen Bereichen mit einer Veränderung begonnen
haben?

Ich meine beispielsweise die Nettokreditaufnahme, die
wir seit 1998 – das Jahr 1999 war unser erstes eigenes Jahr –
tatsächlich Jahr für Jahr zurückgeführt haben, und zwar
in den Ist-Zahlen und nicht in den beabsichtigten Zahlen.
Ich spreche auch von der Herkulesarbeit, die 100 Milli-
arden DM UMTS-Versteigerungserlöse – gegen die Ver-
suchungen der deutschen Öffentlichkeit und auch der
Opposition – wirklich zur Tilgung zu verwenden und mit
den ersparten Zinsausgaben Investitionen zu finanzie-
ren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Allein im Verkehrsbereich haben wir die Investitionsaus-
gaben um 32 Prozent erhöht, für die Schiene – das sage
ich an meine Fraktion gerichtet – um sage und schreibe 70
Prozent. Denn die alte Koalition hat nie das Versprechen,
das sie der Bahn AG gegeben hatte, eingehalten, nach der
formalen Privatisierung, der Ausgliederung und der Grün-
dung einer Aktiengesellschaft die gleichen Investitionen
zur Verfügung zu stellen wie für die Straße. So sieht die
Wirklichkeit in diesem Land aus. Man darf hier kein Zerr-
bild zeichnen.

Stichwort „Steuerquote“. Die volkswirtschaftliche
Steuerquote hat der Finanzminister angesprochen. Sie hat
über lange Zeit bei 23 bzw. 24 Prozent gelegen. Heute ist
sie niedriger. Das freut zwar nicht alle Finanzminister,
übrigens auch nicht den bayerischen, aber es ist ein Fak-
tum. Noch viel wichtiger ist Folgendes – das sage ich an
die Steuersenkungsparteien auf der Oppositionsseite –:
Sie hatten 16 Jahre bzw. 29 Jahre lang die Gelegenheit, die
Steuern zu senken. Herr Brüderle, während der 29 Jahre,
in denen die FDP an der Regierung beteiligt war, lag der

Spitzensteuersatz, der Ihnen ja sehr am Herzen liegt,
zunächst bei 53 Prozent.


(Rainer Brüderle [FDP]: Für Ihre letzte Rede sehr schlecht!)


Das war in den Jahren 1969 bis 1975. Dann stieg er bis
1989 auf 56 Prozent. Danach sank er auf 53 Prozent. Auf
diesem Niveau haben wir ihn übernommen. Heute zahlen
die Steuerpflichtigen bei einer etwas reduzierten Propor-
tionalzone 48,5 Prozent. Jetzt kommt der entscheidende
Punkt: Wir haben Steuern gesenkt, und zwar nicht nur den
Spitzensteuersatz. Der Eingangssteuersatz wurde um 6
Prozent gesenkt. Der Grundfreibetrag und auch die sozia-
len Leistungen für Familien wurden angehoben.


(Zuruf von der FDP: Ist das Ihre Klientel?)

Damit haben wir unter Beweis gestellt, dass wir die Bür-
gerinnen und Bürger, obwohl wir konsolidieren, an dieser
Konsolidierungsrendite beteiligen wollen, aber bitte nicht
zulasten schuldenfinanzierter Steuernachlässe, sondern
im Einklang mit dem Erfordernis der Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aus diesem Grunde rate ich allen Wählerinnen und
Wählern: Messt die Parteien an ihren Taten! Wir haben
eine zweite Chance mehr als verdient, weil wir positive
Weichenstellungen vorgenommen haben,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


und zwar nicht nur im Bereich der Finanz- und Steuerpo-
litik, sondern auch bei der Rente.Wo bitte hat da die alte
Koalition etwas gemacht, die ständig bei Veranstaltungen
von Arbeitgeberverbänden herumgeturnt ist und gesagt
hat: Natürlich wissen wir alle, dass ein umlagefinanzier-
tes Rentensystem angesichts der demographischen Ent-
wicklung nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Klar: Ge-
wusst haben Sie es, aber gemacht haben Sie nichts. Sie
haben im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit die Einführung
eines demographischen Faktors beschlossen, der erst
1999 wirksam geworden wäre, weil Sie im Wahljahr
Schiss hatten, dass eine geringere Rentenerhöhung Pro-
bleme machen könnte.

Wir aber haben die Rente reformiert und auf neue Füße
gestellt. Wir haben in der Rentenformel nicht nur die Al-
terung der Bevölkerung mit einer neuen, generationenge-
rechten Lastenverteilung zwischen Jung und Alt ab-
gebildet, sondern wir haben auch die Kapitaldeckung
eingeführt. Das ist eine Riesenleistung, für die uns heute
Ökonomen und Leute aus der Wirtschaft loben, wenn sie
nicht gerade bei FDP-Veranstaltungen als Referenten auf-
treten. So sieht es in diesem Land doch aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deshalb: Mit vollen Hosen ist gut stinken bzw. zu un-
ken und schlechte Stimmung zu verbreiten. Klopfen Sie
sich deshalb bitte selber an die Brust und überlegen Sie
sich, welche Bilanz Sie tatsächlich für die Zeit vorzu-
weisen haben, in der Sie regierten. Ich rede deshalb aus
Überzeugung von einer zweiten Chance und spüre auch




Oswald Metzger

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(D)



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(B)


als jemand, der nicht mehr so wie die Kollegen, die sich
um einen Platz im nächsten Parlament bemühen, im
Wahlkampf steht, dass die Bevölkerung in der Endphase
dieses Wahlkampfes genau diese zweite Chance zu geben
bereit ist und entsprechend wählen wird. Auch ist Ihnen
von der Opposition der Mut ein wenig abhanden gekom-
men. Vor einem halben Jahr haben Sie hier anders ge-
klappert, allerdings mit anderen Umfrageergebnissen im
Hintergrund; auch das ist keine Frage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zu dem, was Sie, Union wie FDP, in Ihren Sofortpro-
grammen ankündigen – der Finanzminister hat es doch
deutlich gemacht –, kann ich nur sagen: Als grüner Poli-
tiker brauche ich mich nicht von Ihnen als Kronzeuge
missbrauchen zu lassen, dass wir bei der Defizitquote die
3 Prozent schrammen oder gar darüber liegen könnten.
Wenn es schlecht läuft, liegen wir darüber; das ist keine
Frage, so ehrlich bin ich. Aber wenn wir das tun, was Sie
wollen, dann liegen wir bei einer Defizitquote von 5 Pro-
zent und nicht von 3 Prozent. So sieht doch die Wirklich-
keit aus!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Können wir dann tatsächlich ernsthaft und glaubwürdig
für die Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes
streiten?

Ich bin heute noch froh, dass der ehemalige Bundes-
finanzminister Waigel und die damalige Regierung diesen
Pakt den Partnern aufs Auge gedrückt haben. Für einen
Finanzpolitiker ist das nämlich die einzige relativ objek-
tive Benchmark für die haushaltspolitische Solidität der
Mitgliedstaaten. Wenn wir nicht so Angst gehabt hätten,
dass die eigene Bevölkerung den Euro ablehnt, weil sie
befürchtete, dass der Euro zu einer weichen Währung
wird, hätte man, Herr Waigel, das damals wohl auch nicht
im deutschen Parlament durchgebracht. Nun bin ich aber
froh, dass es ihn gibt und wir als Deutsche sollten alles
tun, um diesen Stabilitätspakt tatsächlich einzuhalten.
Jede Aufweichung hieße, ihn zu beerdigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun ein paar Sätze zum Thema Glaubwürdigkeit:
Herr Merz, Sie haben in Ihrer dem Wahlkampf gemäß po-
lemischen Rede beispielsweise gesagt,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gute Rede!)

wir hätten die Zinsausgaben in unserer Regierungszeit
erhöht. Das ist falsch.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: Es sind dieselben geblieben!)


Wir haben die Zinsausgaben – Rechnungsergebnis Ende
2001 gegenüber Rechnungsergebnis 1998 – um 1,6 oder
1,7 Milliarden Euro gesenkt. Das ist klar die Folge der
Sondertilgung aufgrund der UMTS-Erlöse; auch das zu
sagen gehört zur Wahrhaftigkeit. Die Zinsausgaben des
Staates hängen natürlich mehr vom Kapitalmarktniveau

ab – Herr Merz, das wissen Sie selber – als von der absolu-
ten Schuldenhöhe; denn eine Erhöhung des Kapitalmarkt-
zinses um 1 Prozent macht bei einer Gesamtverschuldung
von bald 800 Milliarden Euro für die Refinanzierung des
Staates schon einmal 8 Milliarden Euro mehr Zinsausga-
ben aus. Wenn ich ganz ehrlich vorgehe, muss ich natür-
lich nur die Bruttoneuverschuldung berücksichtigen,
dann sind es aber trotzdem noch 2 bis 2,5Milliarden Euro.
Trotzdem können Sie nicht behaupten, die Zinsausgaben
seien gestiegen; sie sind gesunken.

Zum Abschluss – ich sehe auf der Uhr, dass ich noch
sieben Minuten habe – so etwas wie einen Kürteil.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Du musst ja nicht weitermachen!)


– Ich will weitermachen, Kollege Austermann, aus gutem
Grund. – Das ist der Part, den man in Wahlkampfzeiten
normalerweise nicht bringt, nämlich der nachdenkliche
Teil. Ich bin überzeugt, dass wir alle, die wir hier sitzen,
egal aus welchem politischen Lager, gut genug wissen,
dass die Kosten der sozialen Sicherungssysteme aus de-
mographischen Gründen überdurchschnittlich steigen;
die Wachstumsrate ist weit höher als das, was wir an
volkswirtschaftlichem Wachstum generieren können.

Deshalb werden wir Strukturreformen brauchen,
nicht nur beim Arbeitsmarkt, sondern auch bei der Ge-
sundheit. Wir brauchen mehr Kostentransparenz, auch für
die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ebenso benötigen wir Wahltarife und mehr Eigenverant-
wortung bei der Gesundheit, wie wir es bei der Rente mit
dem Einstieg in die Kapitaldeckung erreicht haben. Da-
rüber hinaus müssen wir in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung einen Kapitaldeckungsanteil einführen, der
auch die zunehmende Alterung der Gesellschaft abbildet,
die zu mehr Ausgaben führen wird.

Daran werden alle Industriegesellschaften zu nagen
haben. Diesen Umsteuerungsprozess wirklich seriös zu
gestalten, nicht nur in Wahlkampfzeiten, sondern auch
dann, wenn Politik konkret wird, wird eine Herkules-
arbeit, weil man gegen viele Besitzstände angehen muss.
Die Leute, die auf der einen Seite nichts hergeben wollen,
beklagen sich auf der anderen Seite, wenn sie die Rech-
nung in Form von schuldenfinanzierter sozialer Transfer-
leistung präsentiert bekommen, die sie dann wieder über
Steuererhöhungen bezahlen müssen.

Der demographische Wandel stellt für alle Industrie-
gesellschaften auf diesem Globus ein Grundproblem dar,
das noch nirgends wirklich überzeugend angegangen
worden ist; denn das würde einerseits bedeuten, der Be-
völkerung sagen zu müssen, dass sie vorsorgesparen statt
konsumieren müsse.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

Andererseits hoffen wir als Politiker immer noch auf mehr
ökonomisches Wachstum, damit die Mehrausgaben über
höhere Einnahmen abgedeckt werden können und wir
keine grundsätzliche Strukturänderung brauchen. Hier
besteht ein Zusammenhang. Für dieses Problem gibt es
keine einfache Lösung. Die Lösung kann auch nicht
heißen, dass wir ansparen und in den produktiveren Ent-
wicklungsvolkswirtschaften auf diesem Globus Wachs-




Oswald Metzger
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(B)


tumsraten generiert werden, die dazu führen, dass wir im
Alter von an fremder Stelle mit unserem Kapitaleinsatz
erwirtschaftetem Einkommen leben können.

Das ist eine Grundfrage, über die wir nachdenken müs-
sen. Diese Frage können Sie heute in diesem Land Gott
sei Dank auch in Wahlveranstaltungen stellen, weil in
Deutschland der bequemste Weg, den wir lange gehen
konnten, nämlich die Verschuldung, inzwischen diskredi-
tiert ist. Dieses Verdienst hat Hans Eichel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deshalb bin ich froh, dass dieser Bundesfinanzminister
sein Amt ausgefüllt hat. Ich hoffe, dass er auch nach dem
22. September Bundesfinanzminister bleibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Neben dem demographischen Problem noch ein Stich-
wort zum Thema Arbeitsmarkt, Arbeitslosenhilfe, So-
zialhilfe. Herr Merz, Sie haben in diesem Bereich – jetzt
lassen wir einmal den Wahlkampf und die Positionierung
außen vor – durchaus den Finger in Wunden gelegt. Wenn
man das Ganze nicht nur holzschnittartig diskutiert, weiß
jeder von uns, auch die Sozialdemokraten und wir Grüne,
dass man ohne Veränderungen, beispielsweise bei der Ar-
beitslosenhilfe – deshalb gibt es eine Gemeindefinanz-
reformkommission – mit der ganz klaren Absicht, sie län-
gerfristig in etwa auf Sozialhilfeniveau zu bringen, indem
die beiden Systeme zusammengelegt werden, keine Sy-
nergieeffekte und keine Einsparung erzielen kann.

Das ist klar. Warum? Schauen Sie sich den Finanzplan
dieser Regierung an. Von 2004 bis 2006 steht im Plan von
Walter Riester eine globale Minderausgabe mit 3 Milli-
arden Euro. Das zeigt, dass wir den Handlungsbedarf, dort
durch Strukturmaßnahmen im konsumtiven Bereich Ein-
sparungen zu erzielen, durchaus sehen. Das werden die
Koalitionsparteien aus meiner Sicht nach der Wahl schul-
tern müssen, gemeinsam mit dem Bundesrat und vor al-
lem mit den Kommunen, denen wir einen Ersatz anbieten
müssen, damit sie keine Angst haben müssen, dass aus der
jetzt bundesfinanzierten Arbeitslosenhilfe Lasten der Ge-
meinden und Landkreise durch Sozialhilfeausgaben wer-
den. Nicht alles, was an Regulierung des Arbeitsmarktes
im Arbeitsrecht verankert ist, und nicht alles, was Ar-
beitsrichter in diesem Land an Recht sprechen – auch das
Richterrecht kann sich oft beschäftigungshemmend aus-
wirken –, wird in dieser Gesellschaft Bestand haben. Da-
rauf wette ich meinen Kopf, mit dem ich normalerweise
vorsichtig umgehe.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Wenn man nur einen hat, ist das eine gute Maßnahme!)


Eine letzte Bemerkung. Ich war acht Jahre im Parla-
ment und war acht Jahre Haushaltssprecher meiner Frak-
tion. Ich war gerne im Haushaltsausschuss und habe viele
Kollegen der SPD, der Union, der FDP, der PDS und mei-
ner eigenen Fraktion kennen und schätzen gelernt. In die-
sem Parlament habe ich viel gelernt. Ich wünsche mir
auch in der neuen Legislaturperiode aufrechte Parlamen-
tarier.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201000
Herr Kol-
lege Metzger, Ihre Fraktion hat mich darauf hingewiesen,
dass dies Ihre letzte Rede im Parlament war, jedenfalls für
die nächsten vier Jahre. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit
und wünsche Ihnen persönlich im Namen des Hauses al-
les Gute für die Zukunft.


(Beifall)

Nun gebe ich der Kollegin Dr. Christa Luft das Wort für

die Fraktion der PDS.

Dr. Christa Luft (PDS) (von der PDS mit Beifall be-
grüßt): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Mit scheint völlig sicher zu sein – so sicher wie das
Amen in der Kirche –, dass von dem Zahlenwerk, das die
Bundesregierung für 2003 präsentiert, kaum etwas Be-
stand haben wird. Das liegt nicht nur an den Folgen der
unvorhergesehenen, verheerenden Flutkatastrophe, die
schnell – auch wir haben uns zu einer schnellen Hilfe be-
kannt – bewältigt werden müssen. Das liegt auch vor al-
lem an dem Prinzip Hoffnung, auf dem der Haushaltsent-
wurf von Hans Eichel beruht. Mit Wahrheit und Klarheit
hat dieser jedenfalls nichts zu tun.

Von 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum im kommen-
den Jahr gehen nicht einmal unverbesserliche Optimisten
aus. Beschäftigungsimpulse von dort wird es also nicht
geben. Die veranschlagten Steuereinnahmen stehen in
den Sternen.

Eine schwere Hypothek hinterläßt das laufende Jahr.
Die Arbeitslosigkeit verharrt auf deprimierend hohem
Niveau. Im zwölften Jahr der deutschen Einheit haben wir
in den neuen Ländern eine offizielle Arbeitslosenquote
von 17,6 Prozent. Was wollen wir diesen Menschen mit
dem jetzt vorliegenden Haushalt vermitteln?

Die Bundesanstalt für Arbeit wird 2002 mindestens
doppelt so viel Zuschuss benötigen wie geplant. Wer da-
ran glaubt, dass man im Jahr 2003 ohne Zuschuss aus-
kommen könne, der muss auf einem anderen Stern leben;
denn vor allen Dingen die Großunternehmen kündigen
pausenlos Stellenabbau an. Auf der anderen Seite errei-
chen die Unternehmensinsolvenzen einen neuen Rekord-
stand. Herr Minister, was die Unternehmensinsolvenzen
anbetrifft, haben wir in diesem Lande in der Tat einen
Wachstumspfad beschritten. Aber das kann ja wohl nie-
mand wollen.


(Beifall bei der PDS – Rudolf Bindig [SPD]: Wenn Gysi Verantwortung tragen soll, läuft er weg!)


Über 130 000 junge Leute suchen zurzeit noch eine
Lehrstelle trotz kostspieliger staatlicher Programme. Wie
allerdings Herr Merz erreichen will, dass die Wirtschaft
ihrer Verpflichtung endlich nachkommt, mehr Ausbil-
dungsplätze zur Verfügung zu stellen, damit es alle jun-
gen Menschen, die es möchten, schaffen, zur Leistungs-
und Bildungselite zu gehören, hat er hier leider nicht ge-
sagt.




Oswald Metzger

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(B)


Die Kluft zwischen Ost und West nimmt zu. Der Kanz-
ler wird es hoffentlich noch dementieren, dass dies das
Ergebnis seiner Chefsache Ost gewesen ist. Herr Bundes-
finanzminister, der Verweis darauf, dass es einen Soli-
darpakt II gibt, der ab dem Jahr 2005 greift, und dass nun
eine gesicherte Perspektive für die Angleichung der wirt-
schaftlichen Verhältnisse der neuen Länder an die der al-
ten Länder gegeben sei, klingt so, als wenn man einem Er-
trinkenden zurufen würde, dass in zwei Stunden Hilfe
käme. Das kann wohl nicht der Ausweg sein.


(Beifall bei der PDS)

Ein Ruhmesblatt ist das, was ich hier an wenigen Fak-

ten benennen konnte, nicht.
Nun sollen die panikartig vorgelegten, unausgegorenen

Vorschläge der Hartz-Kommission den Durchbruch bei
Beschäftigung und Ausbildung bringen. Ich finde, dass die
Ideen zur Bekämpfung gesellschaftlicher Missstände im-
mer abenteuerlicher werden. Nach „Tanken für die Rente“
und „Rauchen für die Sicherheit“ heißt es nun „Arbeits-
plätze auf Kredit“ und „Lehrstellen per Scheck von Oma
und Opa“. Wo soll das eigentlich noch hinführen?


(Beifall bei der PDS)

Nach meinen Erfahrungen stellen Unternehmen zusätz-
liches Personal nur dann ein, wenn sie Aufträge haben.
Dafür aber wäre gerade die Ausweitung öffentlicher In-
vestitionen und die Stärkung der Binnenkaufkraft not-
wendig.


(Beifall bei der PDS)

Davon steht allerdings im Hartz-Papier kein Wort. Der
Kanzler will das Papier aber 1:1 umsetzen.

Verfeinerte Vermittlungstechniken soll es geben. Ich
frage mich, wo die im Osten irgendetwas bewirken sollen.
Auch in strukturschwachen Gebieten der alten Länder
werden sie nichts bewirken, weil es dort zu wenige Un-
ternehmen gibt, die Arbeitsplätze anbieten. Familiär un-
gebundene Arbeitslose sollen zu einer Art Nomadenda-
sein verpflichtet werden. Sie sollen dorthin gehen, wo sie
– auch unter ungünstigen Konditionen – Arbeit finden. So
etwas wird unsere Zustimmung nicht finden.


(Beifall bei der PDS)

Wir glauben, dass wir aus dem Tal der Beschäftigung

– auch was die Ausbildungsplätze angeht – nicht heraus-
kommen, wenn nicht endlich öffentliche Investitionen
aufgestockt werden und insbesondere auch Kommunen
größere finanzielle Spielräume bekommen.


(Beifall bei der PDS)

Eine empfindliche Lücke klafft zwischen dem SPD-

Wahlprogramm und dem Haushaltsentwurf. Von
der mittelfristig versprochenen Kindergelderhöhung auf
200 Euro ist keine Rede mehr. Statt der angekündigten
1 Milliarde Euro jährlich für Ganztagbetreuung in Schu-
len finden sich in dem wichtigen Startjahr 2003 ganze
300 Millionen Euro. Der Beitrag zur Rentenversicherung
wird trotz öffentlicher Stabilitätsbeteuerung bereits mit
19,3 Prozent, also 0,2 Prozent mehr als bisher, eingeplant.
Bis 2007, so ist im Wahlprogramm der SPD zu lesen, sol-

len Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst der neuen
Länder an die in den alten Ländern angeglichen sein. Wir
haben dazu natürlich keinen Widerspruch. Im Haushalt
widerspiegelt sich das aber nicht. Ich frage: Was nützen
verbale Bekundungen, wenn sie keine entsprechende fi-
nanzielle Flankierung erfahren?


(Beifall bei der PDS)

Der Haushaltsentwurf 2003 reflektiert, wie auch schon

die drei vorangegangenen, meiner Meinung nach falsche
Weichenstellungen rot-grüner Finanz- und Haushaltspoli-
tik. Ich erinnere mich sehr gut: Die heutigen Koalitions-
parteien haben zu ihren Oppositionszeiten die damaligen
Regierungsparteien, Union und FDP, zu Recht hart dafür
kritisiert, dass diese die deutsche Einheit kredit-, also
schulden- statt steuerfinanziert hätten und daher große
Verantwortung für den aufgehäuften Schuldenberg trü-
gen. Völlig unverständlich war und ist aber, dass Rot-
Grün nach Übernahme der Regierungsverantwortung nun
diejenigen nicht in besonderer Weise zur Schuldentilgung
herangezogen hat, die über lukrativste Steuerabschrei-
bungsmodelle und großzügige Fördermittelvergabe am
staatlichen Schuldenmachen privat massiv verdient ha-
ben. Stattdessen war eine der ersten Handlungen von
Rot-Grün, für hohe Einkommensbezieher den Spitzen-
steuersatz zu senken, für Kapitalgesellschaften den Kör-
perschaftsteuersatz zu reduzieren und die Wiedererhe-
bung der Vermögensteuer von der Tagesordnung zu
nehmen.

Die PDS hat das von Anfang an für falsch gehalten.
Das ist auch heute unsere Position; denn das Ergebnis sind
empfindliche Löcher in den Bundes-, Länder- und kom-
munalen Kassen, mit fatalen Folgen für die Investi-
tionstätigkeit und die Finanzierung öffentlicher Daseins-
vorsorge. Zugleich müssen zur Aufbringung der Zinsen
für die aufgenommenen Schulden die Lohn- und Ein-
kommensteuerzahler anteilig am meisten beitragen. Diese
von Schwarz-Gelb verursachte Schieflage hat Rot-Grün
verstärkt. Deshalb fordern wir heute noch einmal: Setzen
Sie die zweite Stufe der Steuerreform nicht nur nicht aus,
sondern nutzen Sie die Gelegenheit, um sozial gerechte
Korrekturen an dieser Steuerreform vorzunehmen!


(Beifall bei der PDS)

Das, Herr Poß, gehört im Übrigen zu den Finanzierungs-
vorschlägen, die die PDS für die Projekte, die sie gern
umsetzen möchte, gemacht hat.

Allzu lang sind die neuen Koalitionsfraktionen der Lo-
sung der Union und der FDP „Steuersenkungen für Un-
ternehmen sind das Hauptmittel, um die Konjunktur an-
zukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen“ auf den Leim
gegangen. Praktische Beweise für die Richtigkeit dieser
Losung kann niemand vorlegen. Auch die FDP tut sich da-
mit schwer. Ganz im Gegenteil: Die großen Unternehmen
haben die Vorteile der Steuerreform kassiert, die Regie-
rung aber im Regen stehen lassen. Die Regierung hat zu-
geschaut, wie sich die Großen von der Ausbildung junger
Menschen mehr und mehr verabschieden und die Kosten
dafür der Allgemeinheit aufbürden. Es ist höchste Zeit,
dass sich die Politik wieder gegenüber der Wirtschaft
emanzipiert.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Christa Luft
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(C)



(D)



(A)



(B)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dies war meine
letzte Rede vor dem Deutschen Bundestag. Ich möchte
allen, die an der weiteren Beratung des Haushalts 2003
beteiligt sein werden, ein gutes Augenmaß bei den anste-
henden Entscheidungen wünschen, sodass sie sozial ge-
recht ausfallen. Bei all jenen, mit denen ich acht Jahre
lang in der eigenen Fraktion und vor allem im Haushalts-
ausschuss zusammenarbeiten konnte, bedanke ich mich
herzlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201100
Frau Kolle-
gin Luft, auch bei Ihnen möchte ich nicht versäumen, Ih-
nen im Namen des Hauses unsere guten Wünsche für Ihr
weiteres nicht parlamentarisches Leben auszusprechen.


(Beifall)

Ich gebe nun für die SPD-Fraktion dem Kollegen Hans

Georg Wagner das Wort.


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1425201200
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte ein
Wort des Dankes voranstellen. Ich möchte Oswald
Metzger danken, der mit mir zusammen die Hauptlast der
Arbeit am Haushaltsplan getragen hat. Die Zusammenar-
beit hat hervorragend funktioniert. Wir konnten dem Bun-
desfinanzminister immer wieder melden, dass wir den
Konsolidierungskurs mit ihm zusammen fortführen und
die Nettoneuverschuldung herabgesetzt wird. Das hat bis
zum Haushaltsentwurf 2003 funktioniert. Ich bin dankbar,
dass ich in Oswald Metzger einen sachverständigen Part-
ner hatte, der geholfen hat, diese Ziele zu erreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch Christa Luft möchte ich ein Wort des Dankes sa-
gen. Sie war zwar in der Opposition, aber es gab trotzdem
eine angenehme Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages. Auch dich, liebe Christa, wer-
den wir vermissen. Wir werden dich aber hoffentlich nicht
aus den Augen verlieren. Dir wie Oswald Metzger, der ge-
rade in den Saal hineinkommt, ein herzliches Dankeschön.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Zurück zur Debatte. Ich habe zu der Rede von Herrn
Merz das eine oder andere anzumerken. Ich habe zum
Beispiel nicht verstanden, warum er hier scheinheilig ge-
sagt hat, der Bundeskanzler möge bitte den Regierungs-
sprecher rügen, weil er Herrn Klose angegriffen habe,
während er gleichzeitig kein Wort darüber verloren hat,
dass der ehemalige Bundeskanzler Kohl den amtierenden
Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse mit einem der
schlimmsten Verbrecher der deutschen Geschichte vergli-
chen hat. Dazu hatte ich ein Wort der Entschuldigung des
Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU erwartet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von der CDU/CSU: Waren Sie dabei?)


Ich möchte jetzt zur Flutkatastrophe und der Finan-
zierung ihrer Folgen kommen. Warum – das frage ich den
Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU – bleibt die sächsi-
sche Staatsregierung auf dem Geld sitzen und zahlt es
nicht an die Betroffenen aus?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr merkwürdig!)

Alle anderen Länder haben das gemacht. Es ist eine Un-
verschämtheit, auf dem Rücken der Opfer in Sachsen
Zinsersparnisse aus dem Geld herauszuwirtschaften, das
der Bund längstens überwiesen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies ist nicht einzusehen und ist eine Unverschämtheit
den Menschen in diesem Land gegenüber!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Herr Merz hat zwar das Sofortprogramm der Union nicht
verkündet – wahrscheinlich hat er sich nicht getraut –, aber
ich hätte gerne gehört, was er den Wählerinnen und
Wählern versprochen hätte. Dann hätte ich gefragt: Wie
ist die konkrete Finanzierung Ihres Programms? Ich sage:
Es geht – ich will es über den Daumen peilen – um eine
Mehrwertsteuererhöhung auf 17 bis 20 Prozent. Das be-
deutete die Umsetzung des Programms der Union; aber es
wird ja nicht zum Tragen kommen, weil die Wählerinnen
und Wähler schlau genug sind, das Desaster, das sich da-
mit andeutet, zu verhindern.

Herr Merz hat gesagt, die Zinsen seien gestiegen. Ich
weiß nicht, welche Berechnungsbeispiele man ihm an die
Hand gegeben hat oder er sich selbst vorgenommen hat.
1999 hatten wir 44,1 Milliarden Euro an Zinsen zu zah-
len, im Jahre 2002 sind dies 41,5 Milliarden Euro. Nach
meiner Rechnung sind dies 2,6 Milliarden Euro weniger
als 1999 und nicht mehr, wie er behauptet hat. Vielleicht
hat er sich auf meinen Nachredner, den Kollegen
Austermann, verlassen. Dann wäre er in der Tat verlassen.

Von Herrn Rexrodt ist gesagt worden, die Bundesrepu-
blik Deutschland sei Schlusslicht in Europa. Dies ist ab-
solut falsch. In den Jahren, in denen Sie, Herr Kollege
Rexrodt, auch persönlich an der Regierung beteiligt wa-
ren, lag Deutschland immer auf dem 14. oder 15. Platz.
Dies ist nachweisbar. Diese Aussage basiert nicht auf un-
seren Berechnungen; dies haben ganz andere zu berech-
nen.

Im Gegenteil haben wir jetzt erreicht, dass etwa die
Exporte der deutschen Wirtschaft seit 1998 um 30,5 Pro-
zent auf 637 Milliarden Euro gestiegen sind. Ausländi-
sche Direktinvestitionen in Deutschland, Herr Rexrodt,
beliefen sich im Jahre 1998 – dies war während Ihrer Re-
gierungszeit – auf 31 Milliarden Euro. Im Jahre 2001 wa-
ren dies 321 Milliarden Euro. Diese enorme Steigerung
zeigt das Vertrauen, welches das Ausland in Investitionen
in Deutschland hat. Dies ist ein Erfolg dieser Bundes-
regierung und dieser Koalition.


(Beifall bei der SPD)

Jetzt betteln Sie schon wieder öffentlich um den so ge-

nannten blauen Brief aus Brüssel. Vor einem halben Jahr




Dr. Christa Luft

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(B)


haben Sie schon einmal darum gebettelt, aber er kam
nicht. Ich weiß nicht, warum Sie die Bettelei jetzt schon
wieder aufnehmen, denn der zuständige Kommissar und
die Haushaltskommissarin haben beide versichert, er
stehe nicht bevor. Deutschland sei kein Anwärter auf ei-
nen blauen Brief.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Weil sie die Zahlen nicht haben!)


Jetzt können Sie ihn vielleicht noch herbeibeten, aber her-
beireden können Sie ihn nicht.


(Beifall bei der SPD)

Dass Sie ein Problem mit den Spitzensteuersätzen ha-

ben, Herr Kollege Rexrodt, ist mir klar. Wenn man in
15 Aufsichtsräten sitzt und die Tantiemen versteuert wer-
den müssen, ist es schon unangenehm, wenn der Spitzen-
steuersatz oben bleibt.


(Beifall bei der SPD)

Darauf können wir aber keine Rücksicht nehmen und die
Steuersätze so anheben oder absenken, wie Sie das gerne
hätten.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Der Eingangsteuersatz bleibt hoch!)


Herr Stoiber hat neulich gesagt, es sei besser, Zinsen
zu zahlen, als Steuern nicht zu senken. Diese Aussage
muss man genau untersuchen. Es geht dabei um die Zu-
kunft unserer Kinder und Enkelkinder. Der Betrag, den
wir in diesem Jahr für Zinsen aufbringen müssen, fehlt
diesen bei ihrer Zukunftsgestaltung. Kein vernünftiger
Mensch kann wollen, dass wir permanent durch die Er-
höhung der Verschuldung, wie sie die Union derzeit vor-
schlägt, unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder
und Enkelkinder belasten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Immer anschreiben lassen!)


Voraussetzungen für die Gestaltung der Umwelt unse-
rer Kinder und Kindeskinder sind eine solide Haushalts-
politik und die Zurückführung der Schulden. Das machen
wir. Wir haben für das Jahr 2003 eine Nettokreditauf-
nahme in Höhe von 15,5 Milliarden Euro vorgesehen.
Dies ist die geringste seit Jahrzehnten in Deutschland. Sie
haben Erhöhungen der Nettokreditaufnahme um bis zu
80 Milliarden DM beschlossen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: So ist es!)

Wir haben diese durch unseren Konsolidierungskurs ab-
gesenkt.

Wir wissen natürlich – das ist heute berichtet worden –,
dass unser Haushalt Risiken birgt. Die Ölpreise ziehen
an. Das ist aber nicht die Schuld dieser Bundesregierung.
Schuld ist das Gerede eines Mannes, der sagt: Den Irak
müssen wir überfallen – Der Irak hat die Preise erhöht.
Der Chefvolkswirt Michael Hüther von der Deka-Bank
hat heute erklärt: Wenn es zu einem Überfall auf den Irak
kommt, stürzen wir in die Rezession. Die deutsche Wirt-
schaft ist zu labil. Einen weiteren Schock kann sie nicht
verkraften. Er sagte weiter: Ein Angriff Amerikas hätte
schlimmere Folgen als der Golfkrieg Anfang der 90er-

Jahre. Diese Aussagen müssen wir ernst nehmen, weil sie
von Ökonomen aus unserem Land kommen, die die Lage
genau und richtig beurteilen können.

Noch etwas anderes, was dieser Tage passiert ist, hat
mich gewundert: Der wirtschaftskompetente Mensch im
Kompetenzteam hat plötzlich von dem Verkauf der Tele-
kom-Aktien gesprochen, und zwar sofort.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Inkompetenzteam!)

Dies hat erst einmal einen Kurssturz bewirkt. Darüber hi-
naus ist das gegen die Interessen aller Kleinaktionäre ge-
richtet; denn der Aktienkurs würde noch weiter herunter-
gehen, wenn man die Aktien, die der Bund oder die KfW
hält, auf den Markt bringen würde. Das ist also völlig kon-
traproduktiv und im Gegensatz zu dem, was eigentlich ge-
macht werden müsste.

Ich möchte nun einige Anmerkungen zu Bildung und
Forschungmachen. Nach einer Untersuchung der OECD
belegte die Bundesrepublik Deutschland 1992 mit
8,5 Prozent für diesen Bereich den letzten Platz aller un-
tersuchten Staaten. Von 1993 bis 1998 haben Sie den For-
schungshaushalt um 360 Millionen Euro gekürzt. 2002
umfasste der Forschungsetat 8,8 Milliarden Euro. Das ist
der größte Forschungsetat, seit es das Forschungsministe-
rium in Deutschland gibt. Darauf sind wir stolz, Herr
Minister Eichel.


(Beifall bei der SPD – Franz Thönnes [SPD]: Gute Leistung!)


Im Vergleich zu 1998 sind die Ausgaben um 28 Prozent
gestiegen. Wenn Sie einen Zeugen dafür brauchen, dann
verweise ich Sie auf Ihren forschungspolitischen Antrag
vom 25. Juni 2002. Dort heißt es:

Der Zuwachs bei den Ausgaben im Haushalt des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung von ca.
20 Prozent in vier Jahren ist durchaus beachtlich ...

Das stellt die CDU/CSU fest. Ich danke den Forschungs-
politikern Ihrer Partei, die offenbar erkannt haben, dass
hier der richtige Weg beschritten worden ist.

Erfreulich ist auch, dass die Wirtschaft mitgezogen hat.
Sie hat die Anteile die Forschung betreffend ebenfalls ge-
steigert, und zwar um 21 Prozent; wir liegen bei 28 Prozent.

Ich komme auf die neuen Länder zu sprechen. Die Spit-
zenforschung ist allein in den neuen Ländern mit 1,5 Milli-
arden Euro bedient worden. Jede vierte Fördermark für Bio-
technologie geht in die neuen Länder. Es ist also erkennbar,
dass wir den Aufbau Ost auch in diesem Bereich ernst neh-
men und in Zukunft weiter fortsetzen wollen.


(Beifall bei der SPD)

Ich hätte noch gerne gewusst, wie der Kandidat auf

eine Anzeige in der „Süddeutschen Zeitung“ von heute
reagiert, in der steht, dass durch die Abschaffung des
Dosenpfands 250000 Arbeitsplätze gefährdet werden. Ich
erwarte morgen auch darauf eine Antwort; denn es ist un-
vorstellbar, dass mit einer einzigen Aktion 250000 Arbeits-
plätze vernichtet werden. Dies ist nicht hinzunehmen und
mit uns auch nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Hans Georg Wagner
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(C)



(D)



(A)



(B)


Ich bin dankbar, dass Dirk Fischer ehrlich gesagt hat,
was Sie mit dem öffentlichen Personennahverkehr in
Deutschland vorhaben: Sie wollen ihn radikal vernichten.
Nach dem Papier, das uns vorliegt, haben Sie mit dem öf-
fentlichen Personennahverkehr nichts mehr im Sinn. Des-
halb ist die Bevölkerung gut beraten, Ihnen nicht auf den
Leim zu gehen, sondern eine klare Position zu beziehen
und dieser Koalition das Weiterregieren zu ermöglichen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Kurt J. Rossmanith [CDU/ CSU]: Das werden Sie nicht!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201300
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Dietrich
Austermann.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Jetzt kommt endlich Klarheit!)



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1425201400
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Der Kollege Wagner hat in sei-
ner letzten Rede im Bundestag die Dinge wie üblich ver-
dreht. Das will ich an dem Beispiel der Fluthilfe in Sach-
sen deutlich machen. Herr Kollege Wagner, Sie haben
heute hier gesagt, in Sachsen kämen die Flutgeschädigten
deshalb nicht rechtzeitig zu ihrem Geld, weil die Staats-
regierung nicht in der Lage sei, das Bundesgeld auszuge-
ben.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Nein!)

Das ist erwiesenermaßen falsch. Als Sie das Gleiche heute
Morgen um 8 Uhr in der Sitzung des Haushaltsausschus-
ses behauptet haben, hat Ihnen der zuständige Staatsse-
kretär der Bundesregierung, Herr Gerlach, die Situation
ganz klar beschrieben. Ich fordere Sie auf, nachher hier zu
sagen, dass Sie etwas Falsches behauptet haben. Das
Ganze habe ich noch durch eine Aussage des zuständigen
Staatssekretärs aus dem sächsischen Finanzministerium
verifiziert. Danach sind Infrastrukturmittel des Bundes
bisher nicht eingegangen. Sachsen hat gestern 203 Milli-
onen Euro Barmittel und Verpflichtungsermächtigungen
in Höhe von 237 Millionen Euro für Infrastruktur freige-
geben. Herr Wagner, Sie haben die Unwahrheit gesagt und
versuchen, den Menschen in den neuen Bundesländern,
die besonders geschädigt sind, damit Sand in die Augen
zu streuen. Das ist unanständig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist auch deshalb unanständig, weil auf der Basis

dessen, was als Haushaltsentwurf heute vorliegt, ganz
klar ist: In den nächsten vier Jahre haben die Menschen in
den neuen Bundesländern von Ihnen nichts zu erwarten.
Die Leistungen sind dramatisch verschlechtert worden,
sogar bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben Sie
in den neuen Bundesländern gespart. Sie haben die Mittel
für Forschungsförderung, für den Mittelstand wie auch
für viele andere Bereiche gekürzt. Jetzt habe ich von der
Kollegin Jaffke erfahren, dass die geschädigten Land-
wirte durch höhere Pacht ihren eigenen Flutschaden be-
zahlen sollen. Ich glaube, das setzt dem Fass die Krone

auf. So kann man mit den Geschädigten, mit den Opfern
nicht umgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Können Sie uns das mit dem Fass und der Krone noch einmal erklären?)


– Herr Thönnes, haben Sie das nicht verstanden? Ja, das
setzt dem Fass die Krone auf. Herr Thönnes, haben Sie es
jetzt verstanden?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Eine gekrönte Flasche!)


Jawohl, Kronenbier, Herr Thönnes, Kronenbier!
Ein Weiteres: Die ganzen Leistungen, die Sie bisher im

Haushalt für das kommende Jahr vorgesehen haben, las-
sen ganz eindeutig erkennen, dass die für die neuen Bun-
desländer und die Fluthilfe vorgesehenen Mittel in den
nächsten Tagen versickern werden. Bisher basieren sie
auf 400 Millionen Euro außerplanmäßige Ausgaben. Das
erste frische Geld kommt erst im Januar nächsten Jahres.
Um diesen Zeitraum zu überbrücken, brauchen Sie Milli-
arden, die nicht bereitstehen. Deswegen sage ich: Der
Knall kommt nach der Wahl, wenn feststeht, dass der Bund
den Mund zu voll genommen hat und das Geld nicht da ist.

Ich möchte etwas zu den Daten dieses Haushalts sa-
gen. Dieser Haushalt ist reine Makulatur; denn die Basis
ist falsch. Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen, Ar-
beitsmarktausgaben, Privatisierungserlöse – nichts stimmt
mehr. Die Investitionen werden gedrosselt. Die Konsum-
ausgaben des Bundes steigen. Deshalb muss man sich
über die Situation nicht wundern.

Sie haben das Jahr 1998 als Messlatte genommen. Ich
erinnere daran, dass Schröder im Mai 1998 sagte, dies sei
sein Aufschwung, die Leute freuten sich auf den Regie-
rungswechsel. Im Jahre 1998 gab es einen Rückgang der
Arbeitslosigkeit um 400 000. In diesem Jahr gibt es im
vergleichbaren Zeitraum eine Zunahme der Arbeitslosig-
keit um 250 000. Damit ist ziemlich klar, dass eine Per-
spektive fehlt. Damit ist aber auch klar, dass der Haushalt
durch zusätzliche Belastungen in den kommenden Jahren
in Form von Mehrausgaben beim Arbeitsmarkt und Min-
dereinnahmen bei den Steuern auf schwankendem Boden
steht.

Statt Wachstum wie im Jahre 1998 herrscht heute
Stagnation oder allenfalls Kümmerwachstum. Das wirkt
sich in Form von Firmenpleiten aus. Das wird verstärkt,
weil Sie glauben, in diesem Jahr die Steuern erhöhen zu
müssen. Eine Steuererhöhungspolitik mitten im Auf-
schwung ist genau das falsche Mittel. Am 1. Januar sollen
die Steuern noch einmal um 12 Milliarden Euro erhöht
werden. Eine weitere Stufe der Ökosteuer tritt in Kraft.
Die nächste Stufe der Steuerreform wird verschoben.
Hinzu kommt die LKW-Maut. All das ist kontraproduktiv.

Herr Kollege Wagner, Sie haben die Energiepolitik an-
gesprochen. Es hat noch nie so hohe Spritpreise wie zur-
zeit gegeben.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Leider wahr!)


1 Liter Sprit kostet 30Cent mehr als im Jahre 1998. Ich mul-
tipliziere diese Zahl mit dem Verbrauch in Deutschland.




Hans Georg Wagner

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(C)



(D)



(A)



(B)


Damit wird klar, weshalb die Taxifahrer in Berlin heute
auf die Straße gegangen sind. Damit wird klar, weshalb
die Menschen für den Konsum kein Geld mehr in der Ta-
sche haben. Das Geld wird ihnen durch eine falsche Ener-
giepolitik – mindestens die Hälfte dieser steigenden Aus-
gaben beruht auf der Ökosteuer – aus der Tasche gezogen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Man soll Politik an den Ergebnissen messen. In diesem

Fall sind das die Arbeitslosenzahlen. Ich habe die Ver-
gleichszahl für 1998 genannt. Ich möchte unterstreichen,
weshalb die Politik, die Sie gemacht haben, unsozial und
ungerecht ist. Das, glaube ich, trifft Sozialdemokraten be-
sonders stark. Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer
betrugen im ersten Halbjahr 1998 9,7 Milliarden Euro. In
diesem Jahr liegen sie bei minus 1,3 Milliarden Euro. Die
Einnahmen aus der Lohnsteuer von 1998 sind genauso
hoch wie in diesem Jahr. Dabei ist die Zahl der Lohnsteu-
erzahler in diesem Jahr etwas geringer geworden. Das
heißt, die etwa gleiche Zahl von Lohnsteuerzahlern zahlt
heute mehr Steuern als vorher, die großen Körperschaften
bekommen Geld vom Staat zurück. Das Finanzamt ist zur
Auszahlungsstelle geworden. Das kennzeichnet, mit wel-
chem unbegründeten sozialen Anspruch Sie heute auftre-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich könnte auch die Besteuerung des Mittelstandes an-

führen. Ich könnte die Besteuerung der Alleinerziehenden
erwähnen. Ich könnte die Abfindungen der Arbeitnehmer
nehmen, die nach einem Sozialplan aus dem Unterneh-
men ausscheiden. Sie werden nämlich steuerlich schlech-
ter behandelt. Andere Beispiele sind die Stellung der Wit-
wen in der Rentenreform und die Kürzung bei Alters-
beiträgen. Was ich vor allem für wichtig halte, ist die Si-
tuation der Gemeinden. An vielen Stellen kreist über den
Gemeinden der Pleitegeier. Das hat Auswirkungen auf die
Jugendarbeit, die Arbeit von Volkshochschulen und die
freiwilligen Leistungen insgesamt. Bei dieser Entwick-
lung müssen wir uns nicht wundern, wenn wir in abseh-
barer Zeit die Scherben dieser falschen, gemeindelastigen
Politik werden aufsammeln müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Statt Entlastung haben wir steigende Abgaben. Deswe-

gen will ich noch einmal das Thema Maastricht anspre-
chen. 1998 lag das gesamtstaatliche Defizit bei 1,7 Pro-
zent. In diesem Jahr liegt es bei etwa 3,5 Prozent. So viel
zum Thema blauer Brief. Dass Frau Schreyer von den
Grünen sagt, ein blauer Brief stehe noch nicht im Raum,
sagt überhaupt nichts aus. Tatsache ist: Die finanzielle Si-
tuation bei der Rentenversicherung, der Krankenver-
sicherung, der Pflegeversicherung, in den Gemeinden und
in den Ländern stellt sich, ergänzt um das Defizit des Bun-
des, so dar, dass ein Milliardendefizit von weit über
60 Milliarden Euro zusammenkommt, womit das 3-Pro-
zent-Kriterium überschritten wird.

Lassen Sie mich mit einem Beispiel belegen, warum
man feststellen muss, dass dies offensichtlich überall dort
der Fall war, wo die Sozialisten die Regierung gestellt ha-
ben. In Portugal hat die Regierung gewechselt, die Sozia-
listen wurden abgewählt. Die neue Regierung hat einen

Kassensturz gemacht und festgestellt, dass die Sozis nicht
mit Geld umgehen können; wahrscheinlich ist ein blauer
Brief fällig.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Austermann, gerade Sie und Geld! – Franz Thönnes [SPD]: Sagen Sie mal was zu 1998!)


In Frankreich war der Sachverhalt der gleiche: Die Re-
gierung hat gewechselt und die neue Regierung sagt jetzt,
man müsse über Stabilitätskriterien nachdenken. Die
Situation in Deutschland ist die gleiche, Herr Thönnes: Die
Sozis werden abgewählt und wir werden hinterher den
blauen Brief für Ihre Versäumnisse bekommen. Ich meine,
es ist klar: Der Wähler wird entsprechend entscheiden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Franz Thönnes [SPD]: Keine Sorge, das bleibt Ihnen erspart!)


Sie haben eine Wachstumsschwäche verursacht und
dafür gesorgt, dass die Investitionen in Deutschland
zurückgehen. Wenn man sich die verschwiegenen Risiken
im Haushalt, die ich beschrieben habe, ansieht, werden
Sie nicht bestreiten können, dass das, was für das kom-
mende Jahr angekündigt wird, um eine Nettokreditauf-
nahme in einem zweistelligen Milliardenbetrag ergänzt
werden muss.

Wie Sie vorgehen, kann man an dem Beispiel Anti-
Stau-Programm deutlich machen. Sie haben mit großem
Brimborium verkündet, dass zusätzliche Mittel für den
Straßenbau bereitstehen. Ein Blick in den vorliegenden
Haushaltsplanentwurf aber zeigt, dass Sie genau an der
Stelle gestrichen haben, an der Sie zusätzliche Mittel ein-
stellen wollten. Das bedeutet, dass netto die Investitions-
ausgaben im kommenden Jahr zurückgehen. Die Maut ist
ebenso wie die Ökosteuer ein reines Abkassiermodell.

Ich möchte als weiteren Punkt die Privatisierungs-
erlöse ansprechen, weil das Thema Mobilcom bereits eine
Rolle gespielt hat. Das, was Herr Eichel bzw. die Bundes-
regierung im Bereich Telekommunikationsunternehmen
durch Privatisierung mit der Brechstange gemacht haben,
hat zu einer gewaltigen Geldvernichtung bei Kleinak-
tionären geführt. Es hat dazu geführt, dass viele Men-
schen, die für ihre Alterssicherung Aktien erworben ha-
ben, heute Verluste verbuchen müssen, weil sich der Bund
bei Telekommunikationsunternehmen durch UMTS-Li-
zenzen bereichert hat. Zurzeit stellt sich die Situation so
dar, dass zwar mit den 51 Milliarden Euro vielleicht ein
Haushaltsloch für eine Weile gestopft worden ist, aber die
Unternehmen vor großen Schwierigkeiten stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Problem, das bei der Mobilcom in Schleswig-Hol-
stein zurzeit besteht, hat die Telekom in gleicher Weise.
So kann Privatisierungspolitik nicht betrieben werden.

Ich weise darauf hin, dass auch die Bundesdruckerei
eine solche Form der Privatisierung durchlaufen ist und
jetzt für 1 Euro verkauft worden ist. Dass ein solches Un-
ternehmen, das für Pässe bzw. für Ausweise verantwort-
lich ist, für 1 Euro verkauft worden ist, sagt doch alles.

Ich könnte das Gleiche zum Verteidigungsetat aus-
führen. Dort stehen wir vor einer Fülle von Beschaf-




Dietrich Austermann
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(C)



(D)



(A)



(B)


fungsruinen und Scheinprivatisierungen. Ich könnte Glei-
ches auch zu dem Thema feststellen, dass die neuen Län-
der an den Rand gedrückt werden.

Das entscheidende Thema bei den Haushaltsberatun-
gen aber scheint mir zu sein: Jeder Haushalt soll mit der
mittelfristigen Finanzplanung eine Perspektive liefern.
Dieser Haushalt, das heißt auch diese Regierung, beinhal-
tet aber keine Perspektive. Sie weisen in die falsche Rich-
tung. Sie weisen in Richtung weniger Beschäftigung und
mehr Arbeitslosigkeit bei steigenden Steuereinnahmen.
Deswegen stelle ich fest: Diese Regierung und dieser
Haushalt gehören in den Orkus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Franz Thönnes [SPD]: Das war eine schwache Leistung!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201500
Ich erteile
der Kollegin Antje Hermenau für die Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425201600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich von
Dresden nach Berlin fahren will, dann geht das zwar wie-
der mit der Bahn, aber nur gerade so. Das ist der kleine
Radius, den ich in Sachsen mit der Bahn von Dresden aus
noch habe: Ich kann nach Polen oder nach Berlin fahren,
aber ich komme nicht mehr nach Chemnitz, München,
Frankfurt am Main oder Leipzig. Ich komme auch nicht
nach Prag, jedenfalls nicht mit der Bahn.

Damit Sie eine Vorstellung von den Schäden bekom-
men – ich könnte Zahlen und Kilometerstrecken nen-
nen –, stellen Sie sich doch einmal vor, was es für eine
Landeshauptstadt bedeutet, wenn sie per Bahn nur noch
einen solch eingeschränkten Verkehrsradius hat. Damit
sind wir schon bei dem eigentlichen Problem angelangt.

Im Erzgebirge sieht es noch schlimmer aus. Wir reden
davon, dass Pendler nicht zu ihren Arbeitsplätzen gekom-
men sind, und zwar tage- und wochenlang. Wir reden da-
von, dass ein Gebiet, das sehr stark vom Tourismus lebt,
keine Gäste mehr empfangen kann, wenn sie nicht ir-
gendwelche abgelegenen Waldwege finden, über die sie
mit dem Bus in das Gebiet gelangen können. Das Problem
aber ist: So schnell man auch versucht, diese Struktur-
schäden zu beheben, damit alle Ortschaften wieder auf ver-
nünftigen Wegen erreichbar werden, es hat sich herumge-
sprochen, dass man nach Sachsen verkehrstechnisch nicht
durchkommt. Die Buchungen bleiben aus und der Schaden
wird noch vergrößert. Neben dem Flutschaden entsteht
nun der Ausfallschaden, gerade im Tourismus.

In Sachsen sind über 10 000Unternehmen von der Flut
betroffen. In der Innenstadt von Döbeln ist jedes Ge-
schäft – ich betone: jedes – zerstört. Nur noch die Bäcke-
reien, die auf einem Berg liegen, funktionieren. Wenn
man sieht, dass mindestens die Hälfte aller Sachsen direkt
in ihren Wohnorten, dass 15 von 21 sächsischen Land-
kreisen und dass auch die Landeshauptstadt in massiver
Weise von dem betroffen sind, was uns Anfang August

heimsuchte, dann muss man feststellen, dass das für Sach-
sen ein Desaster und für Deutschland eine nationale Auf-
gabe ist. Darüber reden wir heute.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der PDS)


Ich habe den Zeitfaktor bereits angesprochen. Es geht
natürlich darum, alles Notwendige sehr schnell auf den
Weg zu bringen. Das hat auch etwas mit unbürokrati-
schem Vorgehen zu tun. Ich halte aber die Behauptung,
dass die Gelder nicht schnell genug abflössen, weil der
Bund auf ihnen sitze, für Wahlkampfgetöse, für eine
Nickeligkeit und für den Ausdruck von Nervosität; denn
diese Behauptung ist nicht wahr. Wenn man Gespräche
mit Vertretern der Sächsischen Wiederaufbaubank führt,
dann stellt man fest, dass dort Buchungswege genutzt
werden, die erst nach drei Tagen über Städte in Baden-
Württemberg und Leipzig nach Sachsen führen, weil man
die Dienste der Tochtergesellschaft einer Westbank in An-
spruch nehmen möchte.

Ein weiteres Problem ist, dass jede Verwaltung, auch
wenn sie zwölf Jahre lang nach westlichem Vorbild auf-
gebaut worden ist, bei der Bewältigung eines solchen na-
tionalen Desasters wie in Sachsen, dessen Dimensionen
ich skizziert habe, überfordert ist. Hier muss Verwaltungs-
hilfe geleistet werden. Genau diese leistet der Bund. Wir
haben am letzten Montag eine Verwaltungsvereinbarung
mit Sachsen abgeschlossen. Es wird zum Beispiel da-
durch geholfen, dass so einfache Sachen wie die richtige
Software zur Verfügung gestellt werden. Tätige Verwal-
tungshilfe findet also statt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Austermann, Ihre Behauptung, der Bund rücke
die Mäuse nicht heraus, finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich
frech.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn es ist doch klar geworden, wo die Probleme liegen.
Ich halte nichts davon, sich hier gegenseitig Nickeligkei-
ten vorzuwerfen. Ich wette mit Ihnen, dass nach dem
22. September kein Mensch mehr solche Vorwürfe erhe-
ben wird, weil sie für den Wahlkampf nichts mehr brin-
gen.

Was haben wir Sachsen in den letzten Wochen ge-
merkt? – Wir haben gemerkt, dass die Bundesrepublik
Deutschland ein handlungsfähiger Staat ist. Der Bund war
in der Lage, innerhalb von sieben Tagen ein solides
Finanzierungskonzept vorzulegen. Der Freistaat Sach-
sen, der übrigens schwarz regiert wird, wagt es sogar,
große Summen im Vorgriff auf das nächste Haushaltsjahr
vorzuziehen, weil er sich auf das Finanzkonzept der Bun-
desregierung verlässt und dem Bund zutraut, dieses Kon-
zept solide finanziert zu haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist es auch. Alles ist fix und fertig beschlossen. Nichts
wird nebulös vertagt oder wird in Zukunft im Streit mit




Dietrich Austermann

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(C)



(D)



(A)



(B)


irgendwelchen Länderfürsten auszuhandeln sein. Es be-
steht Vertrauen. Der Aufbauwille der Bevölkerung ist an-
genommen worden und wird auch in der Arbeit des Bun-
des reflektiert. Es gibt ganz klare Ankündigungen. Besser
kann man gar nicht regieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Handlungsfähigkeit des Bundes – Sie haben in
der heutigen Debatte versucht, das in Abrede zu stellen –
rührt daher, dass wir seit Jahren konsequent dieselbe Po-
litik verfolgen, und zwar nicht nur im Finanzbereich, son-
dern auch in anderen Politikbereichen. Dazu sage ich Ihnen
nachher noch mehr. Die Finanzpolitik ist, wie gesagt, einer
klaren Linie gefolgt. Sie hat auch in stürmischen Zeiten
bzw. dann, wenn es Schicksalsschläge gab, standgehalten.
Ich bin sehr stolz darauf, dass die Koalition diesen Weg
nicht nur beschritten, sondern auch durchgehalten hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Opposition fährt dagegen einen Zickzackkurs. Sie
wollen nicht nur die alten Sünder wieder in die Regie-
rungsverantwortung bringen, sondern versuchen auch,
ganz alte Themen aufzuwärmen. Herr Stoiber hat vor drei
Wochen das 3-Prozent-Kriterium für nicht so wichtig er-
klärt, obwohl er sich ein paar Tage länger Zeit gelassen hat
als die Bundesregierung. Er wollte lieber die Bundes-
bankgewinne verfrühstücken, die wir brauchen, um die
Schulden zu tilgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie wissen genau, dass die Schulden die Steuern von mor-
gen sind. Sie wollen bei der Finanzierung der Beseitigung
der Hochwasserschäden genau das Konzept anwenden,
das sie schon früher beim Aufbau Ost ausprobiert haben.
Das würde genauso fehlschlagen wie damals. Jetzt kom-
men Sie mit Ihren ollen Kamellen wieder. Der einzige Un-
terschied zu früher ist, dass Sie jetzt Herrn Waigel nicht
als Finanzminister ins Auge gefasst haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die FDP, diese ökonomischen Fundis der Besserver-
dienenden,


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


macht Vorschläge für riesengroße Einsparungen im Haus-
halt. Das hört sich für mich nach Grundrente und Senkung
der Sozialbeiträge an. Das alles kennen wir bereits. Ich
sage Ihnen eines: Sie von der FDP hätten 1997 – damals
hat noch Schwarz-Gelb regiert; es war ein richtig schwe-
res Jahr – zeigen können, wie Sie im Bundeshaushalt ganz
locker mehrere Milliarden Euro einsparen. Das hätte ich
mir gerne angesehen. Stattdessen haben Sie damals den
Haushalt an die Wand gefahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie fordern des Weiteren, dass die Subventionen abge-
baut werden müssen. Nun ist Herr Lambsdorff nicht mehr

Mitglied Ihrer Fraktion. Trotzdem stelle ich die Frage:
Welcher Bursche hat denn damals die Kohlesubventionen
aus der Taufe gehoben? – Das war der damalige Wirt-
schaftsminister Lambsdorff. Wer hat 1997 – da hat noch
Schwarz-Gelb regiert – den Kohlekompromiss ausgehan-
delt? – Rexrodt, Schäuble und Herr Clement, ein Länder-
fürst; das sei konzediert. Sie haben das alles ausgekaspert
und Sie wissen ganz genau, dass der Vertrag bis 2005 gilt.
Sie wollen Subventionen kürzen oder ganz streichen, die
im nächsten Jahr gar nicht disponibel sind.

Sie haben keine solide Gegenfinanzierung für die Maß-
nahmen zur Bekämpfung der Schäden der Hochwasser-
katastrophe. Keine solide Gegenfinanzierung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie wollen noch Erlöse erzielen. Wollen Sie Telekom-
Aktien verkaufen? Die haben gerade einen mächtig guten
Kurs. Prima, eine Superlösung!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auf so etwas kann sich niemand verlassen. Die Leute
brauchen in ihrer Not jetzt klare Ansagen und die haben
sie von uns bekommen. Sie vertreten hier nebulöse Kon-
zepte und halten das sogar noch für Finanzpolitik. Da
kann ich ja nur lachen.

Jetzt stehen Sie im Wahlkampf und tun so, als hätten
Sie etwas dazugelernt. Der Kanzlerkandidat Stoiber hat
vor ein paar Wochen im Bundestag gesagt – ich fasse es
einmal zusammen –: Ich bin ein Grüner. – Wir alle sind
ganz erschrocken gewesen. Nun einmal ernsthaft: Wenn
Sie eine solche Politik machen wollen – dass sie notwen-
dig ist, haben sogar Sie begriffen; sonst hätten Sie das
Thema im Wahlkampf nicht aufgegriffen –, dann müssen
Sie sie jahrelang verfolgen. Das kann Ihnen nicht von
heute auf morgen mal eben einfallen. Nach der Wahl ver-
gessen Sie es wahrscheinlich wieder. Eine solche Politik
muss man jahrelang konsequent betreiben.

Damit sind wir beim neuen Aufbau Ost. Zumindest
der Freistaat Sachsen hat in dieser tiefen Krise, in dem
Desaster, das uns getroffen hat, eine Chance. Der Freistaat
Sachsen kann den Wiederaufbau Ost auch als Chance be-
trachten, nämlich als eine Chance zu einem zweiten Auf-
bau Ost in Sachsen, der besser gemacht wird, weil die rot-
grüne Regierung in den letzten vier Jahren in vielen
Politikbereichen Rahmenbedingungen gesetzt hat, die ei-
nen modernen Aufbau möglich machen. Das wird kein
muffeliger Nachbau West alt.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der FDP– Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)


Wir haben jetzt die Möglichkeit, in Sachsen neue Wege
zu beschreiten.


(Zurufe von der FDP)

– Nun meckern Sie doch nicht so herum! – Das geht beim
Verkehr los. Wir werden uns sehr genau ansehen, welche
Bahnstrecken wieder aufgebaut werden. Wenn es nach
uns geht, alle. Das hat mit Tourismus und auch mit Pend-
lern zu tun.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Kasperltheater!)





Antje Hermenau
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(C)



(D)



(A)



(B)


– Sie können hier ruhig herumbrüllen!
Zum Thema Energie. Ihr FDP-Bürgermeister im Erz-

gebirge ist der Ansicht, dass er dezentrale Energielösun-
gen braucht und nicht irgendwelche Netze, bei denen die
Kabel bei der nächsten Flut wieder weggespült werden.
Das heißt, wir reden über Kavernenkraftwerke, wir reden
über Windkraft, wir reden über Solarenergie. Es wird sich
herausstellen, dass die Leute einfach praktisch danach ent-
scheiden werden, wo die Rahmenbedingungen für die Zu-
kunft gut gesetzt werden. Und das ist bei Rot-Grün der Fall.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201700
Für die
FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Rainer Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP) (von Abgeordneten der FDP
mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Bundeshaushalt von Grün-Rot ist nicht das
Papier wert, auf dem er gedruckt ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Verheerender kann die Schlussbilanz einer Regierung
nicht ausfallen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Den blauen Brief haben Sie bis nach der Bundestagswahl
weggedrückt. Der Meldepflicht kommen Sie nicht nach,
um diesen Brief zu vermeiden. Sie haben auch nicht den
Mumm, Ihr Versagen öffentlich zu bekennen. Sie haben
den Haushalt an die Wand gefahren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Kernproblem ist, dass Sie die Wirtschaft behindert
haben und nicht in Gang gebracht haben. Die Massen-
arbeitslosigkeit besteht unverändert fort. Wenn Sie mir
nicht glauben, zitiere ich Helmut Schmidt, sozialdemo-
kratischer Bundeskanzler der Vergangenheit.


(Rudolf Bindig [SPD]: Denken Sie an Ihre 16 Jahre!)


– Sie schreien hier ohne Grund angesichts Ihrer schlech-
ten Politik. Sie sollten täglich schreien, aber machen Sie
es bei sich zu Hause; da fällt es nicht so sehr auf. Sie soll-
ten im Parlament noch ein bisschen Kultur wahren und
sich nicht so verhalten, als seien Sie hier auf dem Abtritt.


(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie sich zu Hause so benehmen, ist das ihr Bier,
aber hier sollten Sie es lassen.


(Lachen des Abg. Rudolf Bindig [SPD])

Helmut Schmidt sagte wörtlich: „Die Arbeitslosigkeit

hat nichts mit Globalisierung zu tun. Sie ist vollständig
hausgemacht.“


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Mann hat Recht! – Franz Thönnes [SPD]: Gilt das auch in München?)


Ich habe den Artikel dabei. Ich lese nur die Überschriften
vor. Helmut Schmidt: „Der Flächentarif muss fallen.“ –
„Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind für den Ar-
beitsmarkt unzulänglich.“ Das alles können Sie in der
„Zeit“ nachlesen. Helmut Schmidt ist vielleicht noch je-
mand, dem Sie ein bisschen Respekt entgegenbringen und
den Sie nicht als jemanden bezeichnen, der völlig unfähig
ist oder nur Unsinn erzählt.

Damit ist der Kernpunkt angesprochen: Sie haben dem
Arbeitsmarkt keinen Spielraum gegeben.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Die Hartz-Kommission ist ein Beleg dafür, dass Sie vier
Jahre lang alles à la Riester, also falsch gemacht haben.
Jetzt versprechen Sie kurz vor der Wahl, es à la Hartz zu
machen, um davon abzulenken, dass Sie die Dinge ver-
schlechtert haben.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])


Sie haben Handlungsspielräume weggenommen und
keine Freiräume eröffnet. Sie haben das genaue Gegenteil
dessen gemacht, was Helmut Schmidt in der „Zeit“ zu
Recht herausstellt.

Sie müssen den Arbeitslosen eine Chance geben. In
Deutschland haben die Arbeitslosen keine Lobby, weil die
Gewerkschaften mit starren Regeln die Chancen für
mehr Beschäftigung in Deutschland verhindern. Sie müs-
sen mehr Spielräume erlauben. Die Betriebe müssen ei-
gene Regelungen treffen können. Wir brauchen mehr
Mitarbeitermitbestimmung im Betrieb und weniger
Fremdbestimmung durch Funktionäre, die nicht mehr
wissen, wie Arbeitsplätze entstehen.


(Beifall bei der FDP)

Dass der DGB in jedem Jahr 400 000 bis 500 000 Mit-

glieder verliert, ist ein Beleg dafür, dass die Menschen an
der Basis sagen, die Funktionäre wüssten nicht mehr, wie
die Realität aussieht. Dann wird fusioniert: ÖTV, HBV,
DAG zu Verdi, im nächsten Jahr vielleicht Verdi mit der
IGMetall zu Puccini und die dann mit dem Rest zuToskana.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Gewerkschaftshasser!)


Weil die Gewerkschaften nicht mehr wissen, wie die Rea-
lität in den Betrieben aussieht, und das Gegenteil von dem
machen, was notwendig ist, wird mit den Füßen abge-
stimmt. Die Opfer dieses Prozesses sind diejenigen, die
draußen stehen und auch die Hoffnung haben, ein Stück
vom Kuchen abzubekommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dasselbe gilt allerdings auch für weite Teile der Ar-
beitgeberverbände. Im Osten sind 80 Prozent der Unter-
nehmen aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten, weil
sie genauso starr sind.

Die beiden Kartellbrüder können es nicht und deswe-
gen muss das Kartell ein Stück geöffnet werden, damit an-
dere Lösungen möglich werden. Das können Sie bei je-
dem Wirtschaftsforschungsinstitut, bei der Bundesbank,




Antje Hermenau

25493


(C)



(D)



(A)



(B)


bei der OECD und bei der Europäischen Union nachlesen.
Nur wir machen bei uns das Gegenteil: Sie haben die Mit-
bestimmung verschärft; der deutsche Mittelstand muss
noch mehr DGB-Funktionäre durchfüttern. Sie haben die
Zwangsteilzeit zulasten der Arbeitsmarktchancen von
Frauen eingeführt. Sie haben die 630-Mark-Verträge für
haushaltsnahe Dienstleistungen abgeschafft. Jetzt schlägt
die Hartz-Kommission 500-Euro-Verträge vor. Als wir
seinerzeit sagten, es sei nicht unanständig, Menschen eine
Chance zu geben, bei einem älteren Ehepaar oder bei Be-
hinderten mitzuhelfen, haben Sie das als Dienstmädchen-
privileg diffamiert. Jetzt kostümieren Sie das über die
Hartz-Kommission, weil Sie erkannt haben, dass Sie ei-
nen Irrweg eingeschlagen haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Genauso ist es mit dem Scheinselbstständigengesetz.

Nun kommen Sie mit der Ich-AG, statt zuzugeben, dass
die früheren Entscheidungen Quatsch waren. Auch hier ist
es wieder schön kostümiert. Jetzt können die Menschen
50 000 DM bei einer 10-prozentigen Pauschalbesteuerung
verdienen. Oder der Jobfloater: Es ist doch eine Witz-
nummer, zu glauben, es werde jemand eingestellt, weil
der einstellende Betrieb Kredite bekommt. Er stellt je-
manden ein, wenn er Aufträge hat und etwas verkaufen
kann, wenn er Absatzchancen hat. Sie aber bieten den Be-
trieben im Osten, die bis zur Dachkante verschuldet sind,
für den Fall, dass sie Leute einstellen, weitere Verschul-
dungsmöglichkeiten an. Das ist nicht die Lösung.

Sie müssen die Wirtschaft in Gang bringen. Die Leute
wollen etwas verkaufen, sie wollen Geld verdienen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Arbeitsplätze entstehen in einer sozialen Marktwirtschaft,
indem Frauen und Männer Geld in die Hand nehmen, et-
was unternehmen und dazu andere Frauen und Männer
brauchen, nicht aber durch Parolen und durch Konzepte,
die Sie dann propagieren, wenn Sie sie nicht mehr umset-
zen können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun zur Steuerpolitik. Warum ist die Arbeitslosigkeit
in Großbritannien, Holland und Schweden halb so hoch
wie in Deutschland? – Weil man dort den Mut hatte, einen
anderen Kurs einzuschlagen und Steuern zu senken. Sie
sagen, wir könnten uns Steuersenkungen nicht leisten.
Ich sage Ihnen: Wir können es uns nicht leisten, Steuer-
senkungen nicht vorzunehmen, weil wir anders die Wirt-
schaft nicht in Gang bekommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben zu kon-
sumieren und zu investieren. Sie haben die Haushalts-
misere, weil Sie nichts für das Wachstum getan haben und
folglich hohe Sozialausgaben haben. Sie haben die
schlechten Steuereinnahmen, weil Sie der Wirtschaft nicht
die Chance gegeben haben, etwas umsetzen zu können.

Ihr Einwand, das alles sei nicht finanzierbar, ist ein Mär-
chen. Es ist natürlich dann nicht finanzierbar, wenn Sie eine
Angsthasen- und Weicheipolitik machen. 48,5 Prozent
Staatsanteil! Wir haben Ihnen konkret vorgerechnet, wie

Sie ein Steuersystem mit Steuersätzen von 15, 25 und
35 Prozent einführen können. Sie bekommen die Wirt-
schaft nur mit einem großen Befreiungsschlag in Gang,
wie es auch die anderen getan haben. Mit einem Heft-
pflaster hier und Schräubchendrehen dort bekommen Sie
sie nicht in Gang.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind in Deutschland doch trotz Grün-Rot nicht blö-
der oder fauler als früher. Wir sind falsch aufgestellt. Des-
halb kommt die Wirtschaft nicht in Gang.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Helmut Schmidt hat Recht: Das ist hausgemacht. Es ist
das Ergebnis Ihrer verfehlten Politik, dass heute die Ar-
beitslosen draußen stehen, dass die Haushalte an die
Wand gefahren sind, dass Sie keine Möglichkeiten haben,
die Wirtschaft richtig in Gang zu setzen.

Inzwischen lachen die Ausländer über Deutschland.
Der „Economist“ schreibt in einer großen Analyse der
Wirtschaft Europas über Deutschland, es sei die Schlaf-
mütze Europas. Das resultiert daraus, dass Sie keine
Flexibilität geschaffen und keine Spielräume gegeben ha-
ben, sondern den Arbeitsmarkt weiter „verriestert“ haben
und die Deutschen daran hindern, ihre Fähigkeiten und
ihre Einsatzbereitschaft umzusetzen.

Sie drangsalieren den Mittelstand mit tausend Hand-
schellen, obwohl er der Hoffnungsträger ist. Bei den
großen Konzernen bekommen Sie nicht mehr Arbeits-
plätze.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425201800
Herr Kol-
lege Brüderle, es ist schwer, Sie zu unterbrechen, aber Sie
müssen jetzt zum Schluss kommen. Sie haben weit über-
zogen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1425201900
Ich komme zum letzten Satz. –
Bei den großen Konzernen werden keine neuen Arbeits-
plätze geschaffen; dort werden sie im Gegenteil durch den
Einsatz von Robotern und durch Automatisierung weiter
abgebaut. Neue Arbeitsplätze können Sie nur vom Mittel-
stand bekommen, den Sie bis zum Letzten drangsalieren.
Aber der Mittelstand wird auch Sie überleben. Er ist der
eigentliche Hoffnungsträger.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202000
Herr Kol-
lege Brüderle, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1425202100
Am 22. September ist Frei-
heitstag; an diesem Tag kann man eine bessere Politik
wählen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202200
Für die
Fraktion der PDS spricht der Kollege Roland Claus.




Rainer Brüderle
25494


(C)



(D)



(A)



(B)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1425202300
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Einen Monat nach der Flut-
katastrophe müssen sich nun die Regierenden fragen las-
sen, was aus ihren Versprechen geworden ist.


(Sabine Kaspereit [SPD]: Fragen Sie die Länderregierungen!)


Um nicht missverstanden zu werden: Alles, was wirk-
lich hilft, ist willkommen. Deshalb wird die PDS-Fraktion
auch dem Gesetzentwurf der Koalition zur Beseitigung
der Hochwasserschäden zustimmen. Ein besseres Gesetz
wäre aber möglich gewesen. Statt kleine und mittlere Un-
ternehmen zu belasten, hätten Sie eine Vermögensabgabe
auf große Vermögen als Einmalabgabe einführen können.


(Beifall bei der PDS – Widerspruch des Abg. Rudolf Bindig [SPD])


Sie hätten bei Berücksichtigung des PDS-Gesetz-
entwurfs die Gelegenheit gehabt, eine exzellente Aus-
führungsgrundlage für die tatsächliche Hilfe und Ent-
schädigung einzuführen. Sie hätten die Chance gehabt, in
dieser Situation, wie es unsere österreichischen und tsche-
chischen Nachbarn getan haben, auf die Anschaffung teu-
ren Rüstungsgeräts teilweise zu verzichten, um die dafür
vorgesehenen Mittel für die Hilfe an Hochwassergeschä-
digte zu verwenden.


(Beifall bei der PDS)

Wer wie der Kanzler militärische Abenteuer nicht will,
der braucht auch nicht das Gerät dafür.

Wir alle hatten zahlreiche Kontakte mit Menschen, die
von der Flut betroffen sind. Ob in Wittenberg, Bitterfeld,
Dresden, Grimma oder in Passau, inzwischen ist eine
große Unsicherheit zu spüren, was wirklich verfügbar
sein wird. Dabei ist leider eines festzustellen: Die Büro-
kratie nach der Flut ist nicht geringer als die Bürokratie
vor der Flut. Bekanntlich hat der Kanzler in Magdeburg
gesagt, keinem solle es nach der Flut schlechter gehen als
vorher. Das bedeutet volle Zeitwertentschädigung. Wir
haben sehr darauf geachtet; diese Äußerung wurde hier im
Bundestag wiederholt, aber die Ankündigung wurde nicht
umgesetzt.

Nach der Wasserflut kam die Flut der Versprechungen.
Deshalb muss die Befürchtung ernst genommen werden,
dass es zu einer Flut der Empörung führt, wenn die Ver-
sprechungen jetzt nicht eingehalten werden. Daher finden
wir es wirklich unredlich von Ihnen, den Gesetzentwurf
der PDS zur vollen Zeitwertentschädigung nicht zumin-
dest insoweit gewürdigt zu haben, als er mit Ihrem Gesetz
hätte verbunden werden können.

Wir haben uns die Mühe einer Überprüfung gemacht
und festgestellt: Wenn wir die Versicherungen einbezie-
hen, die die Betroffenen ja haben, dann gibt es auch Re-
gelungsmöglichkeiten, um die Schadensfälle schnell zu
regulieren. Wenn wir über die Kreditanstalt für Wieder-
aufbau eine schnellere als die sonst übliche Finanzierung
einleiten, wird den Leuten wirklich geholfen. Ich sage
jenseits aller Rechthaberei: Alle konkreten Informatio-
nen, die ich jetzt aus dem vom Hochwasser betroffenen
Gebiet erhalte, bestätigen, dass das PDS-Gesetz zur Ent-
schädigung die Lösung gewesen wäre. Ich nenne es eng-

stirnig, dass Sie dieses Gesetz von vornherein nur deshalb
überhaupt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen haben,
weil es von der PDS kommt.


(Beifall bei der PDS)

Jetzt ist die Hochwasserhilfe so ähnlich wie der übliche

Förderdschungel organisiert. Die Leute mit guten Bezie-
hungen zur Verwaltung werden die Nase vorn haben. Im
Übrigen ermuntern Sie Trittbrettfahrer; das muss ich lei-
der auch sagen.

Eines sei hier deutlich gesagt: Es kann nicht hinge-
nommen werden, dass sich die großen Banken – die Spar-
kassen einmal ausgenommen – inzwischen aus ihrer Ver-
antwortung zurückziehen. Den betroffenen Handwerkern
helfen jetzt keine Zusagen für neue Kredite; sie brauchen
einen Schuldenerlass und die Aussetzung von Tilgungen.


(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, auch angesichts der Flut

gilt: Wer Stoiber nicht will und Schröder nicht traut, dem
bleibt nur, die PDS zu wählen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS – Zurufe von der SPD: Oh! – Dieter Grasedieck [SPD]: 4,9 Prozent!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202400
Ich erteile
nunmehr das Wort dem Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung, Walter Riester.

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-

(von Abgeordneten der SPD mit Beifall begrüßt)

Meine Herren! Der Einzelplan 11, also der Haushaltsplan
des Bundesministerium für Arbeit und Soziales, umfasst
insgesamt 93,4 Milliarden Euro, die wir in die Sicherung
unserer Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt investieren.

Wenn wir über die Sozialsysteme reden und die aktu-
elle Diskussion richtig einordnen wollen, kommen wir al-
lerdings nicht umhin, aufzuzeigen, welche Bilanz wir vor-
gefunden haben.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Oje!)

In den 16 Jahren der alten Regierung


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: War es besser!)


haben sich die Sozialversicherungsbeiträge von 34 auf
42,4 Prozent hochgeschaukelt. Ein Punkt, warum Sie ab-
gewählt wurden, waren zusätzliche Sozialausgaben in
Höhe von 8 Prozent.

Ich wundere mich schon, dass sich Herr Brüderle hier
echauffiert und über Steuersenkungen spricht. Herr
Brüderle, als Ihre Partei nach 29 Jahren abgetreten ist, hat-
ten wir die höchsten Steuersätze, die es in Deutschland
jemals gegeben hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Selbst in Wahlkampfzeiten gehört schon viel Chuzpe
dazu, anzunehmen, dass das alles vergessen ist.






(C)



(D)



(A)



(B)


Schauen wir in der Sozialpolitik und bei den sozialen
Kosten aber nach vorne. Was erwartet uns? Ich denke,
wenn die Ankündigungen der Union Wirklichkeit wür-
den, ginge es erneut und im gleichen Schritt mit steigen-
den Sozialausgaben weiter. Es wird angekündigt, die
letzte Stufe der Ökosteuer rückgängig zu machen. Was
würde das bedeuten? Das würde zu einem 3-Milliarden-
Loch in der Rentenkasse führen. Die Rentenversiche-
rungsbeiträge müssten sofort angehoben werden.


(Erika Lotz [SPD]: Das hat der Seehofer ja schon angekündigt!)


– Herr Seehofer hat noch etwas ganz anderes angekün-
digt. Er hat angekündigt, es gebe einen Seehofer-Nach-
schlag für die Rentenzahlungen des Jahres 2000 – nach-
dem Stoiber ihn gebremst hatte, schränkte er ein –, wenn
es sich finanzieren lasse und rechtlich gehe. Herr
Seehofer, wir haben es einmal durchgerechnet. Sie müss-
ten 2,5 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Die Zahl ist so falsch wie Ihre Politik!)


Er hat nicht gesagt, woher er sie nimmt. Wenn das durch
eine zusätzliche Erhöhung der Rentenversicherungs-
beiträge finanziert werden soll, wären wir schon bei einer
Erhöhung von 0,6 Prozent.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihre Berechnung ist falsch! – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Keine Berechnung von Ihnen ist richtig!)


Als Nächstes kündigen Sie an, dass die Regelungen für
Minijobs auf Nebentätigkeiten ausgeweitet werden. Man
muss dann nicht nur dem Facharbeiter sagen, warum er
für die Überstunden Steuern und Sozialversicherungs-
beiträge zahlen muss, sondern auch zur Kenntnis nehmen,
dass damit fast 3 Milliarden Sozialversicherungsbeiträge
wegfallen. Die Verwirklichung allein dieser Vorhaben
hätte zur Folge, dass der Rentenversicherungsbeitrag
selbst unter Berücksichtigung all der positiven Effekte un-
serer Reformen steil nach oben ginge.

Herr Seehofer, deswegen wundert es mich nicht, dass
eine ihrer ersten Ankündigungen lautete, dass die Renten-
versicherungsbeiträge wieder steigen werden. Herr Stoiber
hat Sie dann etwas zurückgepfiffen. Gleichzeitig haben Sie
gesagt, am Anstieg werde sich auch nichts ändern, wenn
Sie gewählt würden. Ich frage mich, wer Sie wählen soll.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Alles, was Sie sagen, ist falsch!)


Das kann ich nicht erkennen. Die Umsetzung dieser Vor-
schläge würde uns erneut in den alten Zustand zurückfal-
len lassen, dass Beiträge steigen und Leistungen sinken.
Ich kann Ihnen sagen: Die jetzige Regierung steht davor;
das wird nicht passieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden stattdessen weiterhin auf die Stabilisierung
der Alterssicherung setzen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wie denn?)

Wir werden wie bisher den Weg weitergehen, wonach alle
versicherungsfremden Leistungen steuerfinanziert wer-

den. Das haben wir getan; die Dinge sind bereinigt. Wir
werden es nicht mehr zurückdrehen lassen. Diese Belas-
tungen dürfen nicht auf den Betrieben und den Beitrags-
zahlern liegen, sondern sie müssen steuerfinanziert wer-
den. Die Sozialkassen dürfen nicht laufend genutzt
werden, um zum Beispiel den Aufbau Ost und Ihre Wahl-
geschenke zu finanzieren. Wir brauchen eine klare und
saubere Grundlage. Diese ist jetzt geschaffen worden und
wir werden sie erhalten.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit der Grundsicherung, die es ab dem

1. Januar nächsten Jahres geben wird, dafür gesorgt, dass
die Bezieher von Minirenten – das sind insbesondere
Frauen und dauerhaft Erwerbsunfähige; sie waren bisher
häufig auf Sozialhilfe angewiesen – den Weg zum Sozial-
amt nicht mehr antreten müssen. Ich halte es für eine un-
würdige Politik, im Stillen darauf zu spekulieren, dass
Menschen aufgrund sozialer Scham nicht zum Sozialamt
gehen. Es sind insbesondere über 250 000 alte Frauen, de-
nen wir diesen unwürdigen Gang ersparen. Dennoch er-
klärt die Union: Diese Regelung wird sofort gestrichen.
Ich halte das für unanständig gegenüber diesen Frauen,
die in ihrem Leben viel geleistet haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Frauen haben den Aufbau vorangetrieben und Kin-
der erzogen. Sie geben vor, für diese Frauen einzutreten;
doch Sie würden sie in schändlicher Weise erneut in die
Sozialämter treiben. Nicht mit uns!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Franz Thönnes [SPD]: Das ist das wahre Gesicht der Union! – Ludwig Stiegler [SPD]: Wie ein Heiratsschwindler!)


Auch was den Arbeitsmarkt, den zweiten großen
Block, angeht, ist es wichtig, aufzuzeigen, was war und
was wir daraus gemacht haben. Auf Wahlkampfplakaten
der CDU steht: „4 Millionen Arbeitslose – ein Armuts-
zeugnis für die SPD“. Das finde ich schon pikant. Sie tun
so, als wären Sie die letzten 20 Jahre gar nicht da gewesen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Die waren in Urlaub!)


Sie tun so, als wären Sie 1998, als es 4,8 Millionen Ar-
beitslose gab,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Im Januar!)


gar nicht da gewesen. Sie verschweigen, wie viele Men-
schen auf dem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt –
Stichwort ABM – beschäftigt waren. Das hat Sie natürlich
nicht daran gehindert, anschließend über ABM zu schimp-
fen.


(Franz Thönnes [SPD]: Trickser seid ihr!)

Rund 525 000 Menschen waren im Herbst 1998 in ABM
und SAM. Damit haben Sie in einer einzigartigen Weise
die Statistik frisiert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Franz Thönnes [SPD]: Das ist eine Beleidigung für das Friseurhandwerk!)





Bundesminister Walter Riester
25496


(C)



(D)



(A)



(B)


Nein, diesen Weg gehen wir nicht.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Warten Sie einmal den Januar ab! – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]: Den Januar hatten wir schon!)


Wir gehen mit den Zahlen offen um; wir stehen zu ihnen.
Außerdem tun wir etwas dafür, dass mehr Menschen ei-
nen Job bekommen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo denn?)

Steuerreform, Haushaltskonsolidierung und Rentenreform
waren die Basis dafür, dass bis 2000 – damals war die
weltwirtschaftliche Situation noch ordentlich – 1,2 Milli-
onen neue Arbeitsplätze entstanden sind.


(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

Trotz der weltwirtschaftlichen Verwerfungen, die durch
das radikale Einbrechen des US-Marktes entstanden sind,
haben wir 1,1 Millionen dieser zusätzlichen Arbeitsplätze
halten können.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 630 Mark!)

Das ist die Bilanz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Walter Hirche [FDP]: Zu Hause lahmt die Konjunktur, zu Hause lahmen die Arbeitsplätze!)


Es gibt Menschen, sogar ganze Gruppen, denen Wirt-
schaftswachstum allein keinen Arbeitsplatz verschafft. Ich
denke beispielsweise an schwerbehinderte Menschen.
Es ist ein Erfolg der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik, dass
die Arbeitslosigkeit unter den Schwerbehinderten um
21 Prozent gesunken ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Und bei der Jugendarbeitslosigkeit? 17 Prozent plus!)


Über das JUMP-Programm haben wir 451 000 jungen
Menschen – als Sie regierten, hatten viele Jugendliche
keine Chance auf einen Ausbildungsplatz und blieben auf
der Straße – die Chance auf einen Arbeitsplatz eröffnet.
70 Prozent von ihnen befanden sich anschließend in Aus-
bildung, in Weiterbildung oder in einem festen Arbeits-
verhältnis. Das ist ein Ergebnis der rot-grünen Arbeits-
marktpolitik. Sie haben diese Leute vergessen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass es unter den Schwerbehinderten und unter den
Langzeitarbeitslosen, die am schwierigsten zu vermitteln
sind, 280 000 weniger Arbeitslose als 1998 gibt, ist ebenfalls
ein Erfolg sozialdemokratisch-grüner Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202500
Herr Minis-
ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Dr. Seifert?


(Zurufe von der SPD: Nein!)


Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
ordnung: Entschuldigung, Herr Seifert, jetzt nicht. Jedes
Mal, wenn ich spreche, möchten Sie eine Zwischenfrage
stellen. Ich möchte jetzt gerne in meiner Rede fortfahren.

Wir haben also, auch mit dem Job-AQTIV-Gesetz,
wichtige Schritte unternommen. Dies führen wir jetzt kon-
sequent weiter. Die Regierung hat schon jetzt beschlossen,
dass wir – als Schnellvermittlung – folgenden Schritt ge-
hen werden: Wir werden den Vermittlungsprozess noch
während der Zeit des Ausspruchs der Kündigung und vor
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – im Regelfall
sind dies drei bis vier Monate – beginnen lassen.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das ist doch nichts Neues!)


– Doch, bei Ihnen gab es das nicht. – Damit besteht die
Chance, ein Drittel der Fluktuationsarbeitslosigkeit noch
während der Arbeitszeit zu bereinigen. Das sind Vor-
schläge, mit denen wir an den Kern der Sache gehen.

Meine Damen und Herren, was mich an der Reaktion
einiger – auch heute habe ich das schon wieder gehört –
etwas entsetzt, ist Folgendes: Das Programm „Kapital
für Arbeit“, das heisst, das Vorhaben, die Eigenkapital-
ausstattung gerade des Mittelstandes zu fördern, Finanz-
mittel, die ja häufig nur mit sehr hohen Zinsen zu bekom-
men sind, dann zu geben, wenn Beschäftigung aufgebaut
wird, wird jetzt von Ihnen kritisiert.


(Walter Hirche [FDP]: Sie sollten mal eine vernünftige Steuerreform machen! Das wäre viel besser!)


Das, was der Mittelstand dringend braucht, um investie-
ren zu können, wird jetzt diskreditiert.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Die haben keine Ahnung von dem Problem! Die denken nur in Steuern!)

Wir werden jährlich ein Kreditvolumen von bis zu

10 Milliarden Euro für eine bessere Finanzausstattung
und bessere Investitionstätigkeiten einsetzen. Aber, Herr
Fuchtel, das Neue ist: Wir werden dies mit Beschäfti-
gungsaufbau verbinden und nicht mit der leichten Hand
des Schuldenmachens. Das ist entscheidend.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Walter Hirche [FDP]: Erst haben Sie den Konzernen die Kassen vollgespült und jetzt leidet der Mittelstand! Das ist doch das Thema!)


Nun höre ich das Wort Schwarzarbeit. Ja, es gibt
weite Bereiche der Schwarzarbeit. Aber die sind nicht neu
entstanden. Im Haushaltsbereich gibt es wahrscheinlich
rund 3 Millionen Arbeitsverhältnisse – zumindest sind sie
nicht angemeldet –, die „schwarz“ sind.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie haben die Zahl vergrößert!)


Wir werden sie aus dieser Situation herauslösen. Deswe-
gen nehmen wir den Vorschlag der Hartz-Kommission
auf, Minijobs in diesem Bereich brutto für netto auszu-
zahlen, um die Schwarzarbeit zu beseitigen.


(Zuruf von der CDU/CSU: 630 Mark!)





Bundesminister Walter Riester

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(C)



(D)



(A)



(B)


Hier nehmen wir die Vorschläge auf.

(Walter Hirche [FDP]: Warum haben Sie das denn in den letzten Jahren diffamiert?)

In diesem Bereich haben Sie in den letzten 16 Jahren
nichts gemacht.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Welche Reparatur? Sie haben sie doch erst kaputtgemacht! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Der größte Förderer der Schwarzarbeit! – Walter Hirche [FDP]: Sie haben es ja erst kaputtgemacht!)


Meine Damen und Herren, vom Fraktionsvorsitzenden
der Union sind zwei Aussagen gemacht worden, die ich
nicht unwidersprochen stehen lassen möchte. Die erste
zeigt, dass er von Tarifpolitik offensichtlich nichts ver-
steht. Er hat hier erklärt: Er möchte, wenn er – was nicht
geschehen wird – das Mandat bekommt, wieder ein-
führen, dass die Tarifverträge lediglich Tarifverträge,
nicht aber allgemein verbindliche sind. Dazu nenne ich
Ihnen zwei Zahlen. Es gibt 54 940 gültige Tarifverträge.
Davon sind 535, also rund 1 Prozent, allgemein verbind-
lich. Nun kann ich nur annehmen: Entweder weiss er es
nicht


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist anzunehmen! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Zahl der Verträge sagt doch nichts über deren Bedeutung!)


oder er sagt bewusst das Unwahre.
Nun komme ich zum zweiten Punkt. Herr Merz erklärt

hier, aus meinem Hause sei ihm vermittelt worden, dass der
Rentenversicherungsbeitrag auf 20 Prozent steigen werde.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das können Sie doch im Kopf rechnen!)


Ich habe mich erkundigt. Es gibt niemanden, der das be-
stätigt. Solange Herr Merz hier nicht Ross und Reiter
nennt, muss er es sich gefallen lassen, dass man ihm un-
terstellt, dass er bewusst das Parlament belogen hat. Des-
wegen möchte ich, dass er Ross und Reiter nennt.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU –Joachim Poß [SPD]: Ein Schwätzer!)


Denn das sind die Touren, mit denen, ohne etwas zu be-
legen, Stimmung gemacht wird. Das ist mit uns nicht zu
machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir stehen für die Politik, dass wir die Erneuerung der
Sozialsysteme mit den Menschen durchführen. Wir ste-
hen für die Politik, dass wir Beschäftigung aufbauen und
Arbeitslosigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen,
abbauen.
Weiterhin stehen wir für die Politik der Erneuerung. Aber
wir stehen nicht für eine Politik, die die Menschen belügt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Walter Hirche [FDP]: Aber Adam Riese sollten Sie schon beachten!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202600
Ich erteile
nunmehr das Wort dem Ministerpräsidenten des Landes
Sachsen-Anhalt, Herrn Professor Dr. Wolfgang Böhmer.


(SachsenAnhalt)

und Herren! Da Sie die zweite Lesung zum Flutopfer-
solidaritätsgesetz mitten in eine vorhersehbar hochkon-
troverse Haushaltsdebatte gelegt haben, muss ich es jetzt
riskieren, dass ich unter Ihnen wie ein Fremdkörper
wirke. Ich bitte einfach um Verständnis dafür, dass es aus
der Sicht eines betroffenen Landes in diesem Zusam-
menhang auch noch einige andere Aspekte zu benennen
gibt als die Kontroversen, die Sie verständlicherweise
vorgetragen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Obwohl das Hochwasser von Elbe und Mulde abge-

flossen ist, haben wir – das müssen wir bekennen – immer
noch keinen abschließenden Überblick über die Höhe der
Schäden. Nur eines wissen wir: Sowohl in Sachsen als
auch bei uns werden sie wesentlich größer sein, als dass
wir selbst in der Lage wären, sie zu beheben oder ent-
sprechende Entschädigungen zu zahlen. Deswegen sind
wir – das ist häufig genug gesagt worden – auf Hilfe an-
gewiesen.

Herr Poß, da ich heute von Ihnen den – mir bisher nicht
erklärlichen – Satz gehört habe, dass wir möglicherweise
aus taktischen Gründen Fördermittelbescheide nicht ver-
geben würden,


(Joachim Poß [SPD]: Von Ihrem Land war nicht die Rede! Es ging um Sachsen!)


lassen Sie mich bitte ganz schlicht und einfach eines sa-
gen: Länderminister verteilen genauso gerne Fördermit-
telbescheide, wie ich es jetzt von Bundesministern erlebe.
Das ist so unter uns.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will auch sagen, dass wir in beeindruckender Weise

Solidarität undHilfe erfahren haben. In diesen Tagen hat
es einen spontanen und von niemandem geplanten Soli-
darpakt der Menschen in Deutschland gegeben, der uns
alle überrascht hat und für den wir dankbar sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Der vielleicht schon ein wenig abgegriffene Satz „Wir
sind ein Volk“ hat an den durchnässten Deichen von Elbe
und Mulde und in den überfluteten Gebieten eine völlig
neue Bedeutung bekommen; das konnten wir alle erleben.

Sowohl für mein Land als auch für das sicher noch
mehr betroffene Land, den Freistaat Sachsen, darf ich sa-
gen, dass wir dankbar für eine schnelle und zügige Bera-
tung und Verabschiedung dieses Gesetzes und auch für die
Soforthilfe sind, die – das ist ganz unzweideutig – auch in
Sachsen bereits ausgezahlt wird. Wenn es an der einen
oder anderen Stelle von dem einen oder anderen Bürger-
meister Kritik geben sollte – ich habe das ja auch gelesen –,
will ich dazu nur eines sagen: Ich habe noch nie einen
Finanzminister erlebt, der alle Kommunen gleichzeitig




Bundesminister Walter Riester
25498


(C)



(D)



(A)



(B)


glücklich machen konnte. Das ist angesichts des kompli-
zierten Verwaltungsgeschehens auch anders nicht zu er-
warten.

Ich möchte Sie gerne auf einen Umstand hinweisen:
Das Gesetz regelt in nur allgemeiner Formulierung die
Zweckbindung der Mittel und dafür ausführlicher die
Refinanzierung. Dass es darüber zwischen den Parteien
Streit gibt, wissen wir ja. Deswegen will ich ganz beson-
ders jenen danken, die zwar andere Vorstellungen von
einer richtigen Refinanzierung haben, aber trotzdem im In-
teresse der Betroffenen das Gesetz nicht aufhalten werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage ganz deutlich: Diejenigen Bürger, die durch das
Hochwasser alles oder fast alles verloren haben, hätten
auch kein Verständnis dafür, wenn am Ende alle helfen
wollten, aber die Hilfe blockiert würde, weil man sich nur
über diesen Teil der Refinanzierung uneinig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es steht mir sicher nicht zu, dazu ausführlich etwas zu
sagen. Aber eines bitte ich doch in aller Offenheit zu be-
denken: Alle Aussagen zur Notwendigkeit der zweiten
Stufe der Steuerreform und zu den sich daraus ergeben-
den Impulsen für die wirtschaftliche Entwicklung wa-
ren vor der Flut und der Hochwasserkatastrophe richtig
und sind dadurch mit Sicherheit nicht falsch geworden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Erklärung, dass die jetzt ausgeschütteten Finanzmit-
tel ja sofort in den Wirtschaftskreislauf kommen und Auf-
träge auslösen, träfe auf jede Finanzsumme zu, aus wel-
chem Topf sie auch immer kommt. Wenn sich dann diese
unterschiedlichen Wirtschaftsimpulse noch überschnei-
den würden, wäre das für die betroffenen Bundesländer,
die sich jetzt in einer besonderen Bredouille befinden,
sicherlich günstig und nötig.

Ich will auf ein weiteres Thema hinweisen, das mir
wichtig erscheint: Für die Umsetzung des Gesetzes wich-
tige Fragen werden nicht im Gesetz selbst geregelt, son-
dern es heißt dort, dass sie in einer Rechtsverordnung
geregelt werden sollen, auf deren Grundlage dann Ver-
waltungsabkommen abgeschlossen werden. Darüber wird
schon jetzt verhandelt. Das ist auch nicht falsch, denn wir
sind alle daran interessiert, dass das Geld so schnell wie
möglich fließt. Aber dabei werden – das erschwert die
Verhandlungen und zögert sie hinaus – Probleme deutlich,
auf die ich schon im Gesetzgebungsverfahren hinweisen
möchte.

Ziel des Gesetzes sind – so heißt es im Gesetz – die Be-
seitigung von Schäden und der Wiederaufbau zerstörter
Infrastruktur. Inwieweit die kommunalen und staatlichen
Infrastrukturmaßnahmen einbezogen werden, ist offen-
sichtlich nicht zu Ende diskutiert und unter uns auf den
verschiedenen Ebenen noch strittig. Für die Gemeinden
wäre es überlebenswichtig, dass Maßnahmen zur Scha-
densabwehr und zur Schadensminimierung mit abgegol-
ten werden können, weil sie zur Wiederherstellung einer
normalen Infrastruktur gehören. Viele Gemeinden sagen,

wenn sie dies jetzt alles begleichen müssten, wären sie
pleite; dann bräuchten sie gar nicht mehr zu rechnen; das
würde weit über das hinausgehen, wozu sie selbst in der
Lage seien.

Das heißt, für die Umsetzung des Gesetzes und für das
am Ende notwendige Finanzvolumen ist außerordentlich
wichtig, wie wir den Schadensbegriff definieren. Dies ist
noch unklar.

Der Bundeskanzler selbst hat hohe Maßstäbe gesetzt.
Ich saß neben ihm, als er auf der Pressekonferenz in Mag-
deburg erklärt hat, dass „nach der Flut niemand materiell
schlechter gestellt sein darf als vor der Flut“. Ich habe ihm
schon damals gesagt, dass das aus meiner Sicht eine sehr
mutige Erklärung ist. Widersprochen habe ich ihm nicht;
ich fand das gut.


(Walter Hirche [FDP]: Nahezu unrealistisch!)

Aber es war eine sehr mutige Erklärung. Zwei Tage spä-
ter hat uns die Presseabteilung des Bundeskanzleramtes
mitgeteilt, dass diese Äußerung nur auf Unternehmen be-
zogen zu verstehen sei und nicht verallgemeinert werden
könne. Das haben wir schriftlich bekommen.


(Walter Hirche [FDP]: Das ist so ähnlich wie mit der uneingeschränkten Solidarität! – Zuruf von der CDU/CSU: So sind sie!)


Aber wenige Tage später hat der Bundeskanzler in Dres-
den erklärt, dass seine Erklärung selbstverständlich in
gleicher Weise für die Privaten gelte und dass sie sich da-
rauf verlassen könnten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was nun?)

Ich sage das nur deswegen, weil die Betroffenen jetzt

natürlich von uns als den auf der Landesebene Zuständi-
gen erwarten, dass wir für die Erfüllung dieser Ver-
heißung eintreten. Wir tun es gern, wenn uns die Mittel
dafür zur Verfügung gestellt werden. Das ist außer jeder
Diskussion.

Aber für die Begriffsdefinition in der Rechtsverordnung
bedeutet das, dass außer den unmittelbaren Schäden auch
die häufig noch größeren mittelbaren Schäden berücksich-
tigt werden müssen. Wo wir dort eine definitorische Grenze
finden werden, das weiß zurzeit noch niemand endgültig.
Das wird noch lange diskutiert werden müssen.


(Klaus Brandner [SPD]: Dann müssen Sie sich mal daranmachen!)


Ein überfluteter Betrieb mit direktem Wasserschaden
und dadurch bedingtem Strom- und Produktionsausfall ist
als Schadensfall relativ eindeutig; da wird es keine Diskus-
sionen geben. Aber bei einem unmittelbar benachbarten
Betrieb, der vielleicht das Glück hatte, dass das Wasser nur
bis zur Schwelle reichte, und der keinen direkten Wasser-
schaden hatte, aber auch Strom- und Produktionsausfall
usw. hinnehmen musste, wird es schon schwieriger werden.
Es gibt Bereiche – Sie haben das Tourismusgewerbe ge-
nannt –, bei denen die Abgrenzung zu dem, was mit dem
Begriff „allgemeines unternehmerisches Risiko“ wegge-
drückt werden soll, ausgesprochen schwierig werden wird.

Ich will auf ein weiteres Problem hinweisen. Jeder von
Ihnen weiß, dass schnelle Hilfe doppelte Hilfe ist. Wir




Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt)


25499


(C)



(D)



(A)



(B)


haben das immer gesagt und geben uns da gegenseitig
Recht. Alle Sofortprogramme sind von uns mit Dank-
barkeit aufgenommen worden; es sind zurzeit etwa 18.
An diesen kann man schon erleben, wie schwierig die
Umsetzung ist und dass man Computerprogramme
braucht, um zu sehen, welches Programm für welchen Be-
troffenen zutrifft. Wenn wir aber eine Flut von Insolven-
zen vermeiden wollen, müssen jetzt rasch Wiederaufbau-
programme folgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Obwohl der Bund – da kommt ein Problem auf uns zu, auf
das ich hinweisen möchte – die Gelder nach der bisheri-
gen Refinanzierungsabsicht selbst erst im Laufe des
nächsten Jahres einnehmen wird, ist uns eine rasche
Vorfinanzierung durch den Bund versprochen worden.
Das ist ein erhebliches Problem.


(Zuruf von der CDU/CSU: Versprochen, gebrochen!)


Wir werden dazu allein nicht in der Lage sein.
Ich höre von den Kollegen in Sachsen, dass sie, wenn

der Zufluss der Bundesmittel zu lange dauert, versuchen
werden, wenigstens partiell mit einer Vorfinanzierung zu
beginnen. Ich muss für mein Land bekennen, dass wir dies
nicht schaffen werden. In Sachsen-Anhalt ist in den letz-
ten Jahren eine Finanzpolitik gemacht worden, die uns zu-
sätzliche Spielräume völlig verwehrt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)


Deshalb ist es wichtig, dass wir möglichst rasch diese
Rechtsverordnung bekommen und dass wir uns gemein-
sam auf eine Definition des Schadensbegriffes einigen,
damit wir Rechtssicherheit bei der Anwendung der Be-
griffe haben und damit wir mit dem Aushandeln der Ver-
waltungsvorschriften und der Verwaltungsvereinbarun-
gen weiterkommen. Ich will Ihnen an dieser Stelle ganz
deutlich sagen: Von dem Erfolg unserer Bemühungen
wird es abhängen, ob der jetzt geplante Fonds ausreicht
oder nicht.

Zur Wiederherstellung der Infrastruktur in Sach-
sen-Anhalt gehört eben nicht nur die Reparatur von
35 Deichbruchstellen, sondern auch die Sanierung völlig
aufgeweichter Deiche an Elbe und Mulde mit einer Länge
von mehreren Hundert Kilometern. Bevor ich heute früh
nach Berlin gefahren bin, war ich in Dessau-Waldersee.
Die Menschen dort demonstrieren jetzt, weil sie es satt ha-
ben, tatenlos zuzusehen, bis das nächste Hochwasser die
Häuser wieder unter Wasser setzt. Wir stehen da in einer
Pflicht, der wir uns nicht entziehen wollen. Diese Pro-
bleme werden wir aber nur mit einer raschen Vorfinanzie-
rung lösen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da das nächste Frühjahrshochwasser mit Sicherheit
kommt, haben wir – das wissen wir alle – nicht mehr allzu
lange Zeit.

Es gibt noch andere Probleme. Die Schäden bei den un-
terspülten Straßen werden wir erst nach dem nächsten

Frost erkennen. Aber diese Schäden sind jetzt schon vor-
hersehbar. Wir brauchen also eine Definition, die im
Grunde genommen keinen Schlussstrich zieht, sondern
die das Einbeziehen von Schäden, die erst später erkenn-
bar sind, wenigstens nicht ausschließt.

Ich bitte ganz herzlich um Verständnis für folgenden
Punkt: Wenn sich Hilfe jetzt nur auf die Wiederherstel-
lung des Anlagevermögens konzentrieren würde, be-
stünde die Gefahr, dass es bald viele Betriebe gibt, die
zwar restauriert, aber in der Zwischenzeit betriebswirt-
schaftlich ruiniert sind. Dies müssen wir vermeiden; denn
dann würde es tatsächlich so sein, wie es Pessimisten vor-
hergesagt haben, nämlich dass die Hochwasserflut die
bisherigen Erfolge beim Aufbau Ost einfach hinwegge-
spült hätte.

Wer dies verhindern will – ich denke, das wollen wir
alle –, der darf den Schadensbegriff eben nicht unverhält-
nismäßig einengen, sondern muss die mittelbaren Schä-
den und die Absicherung der betriebswirtschaftlichen
Stabilität in einer solchen Krisenzeit mit erfassen, damit
wir den Betrieben entsprechend helfen können. Bis jetzt,
so denke ich, sind wir da auf einem guten Weg. Die Um-
setzung dieses Gesetzes und die Interpretation der noch
offenen Begriffe werden darüber entscheiden, ob die
Hochwasserflut den von uns gemeinsam getragenen Auf-
bau Ost nur gestört oder tatsächlich entscheidend unter-
brochen hat.

Wir in Sachsen-Anhalt – ich bin sicher, dass dies auch
für Sachsen und die anderen betroffenen Bundesländer
gilt – haben uns bisher nicht entmutigen lassen. Wir glau-
ben fest daran, mithilfe vieler auch die Folgeprobleme
dieser Hochwasserkatastrophe lösen zu können. Auf die
Solidarität des Bundes und der anderen Bundesländer
werden wir nun allerdings länger angewiesen sein, als es
bisher vorauszusehen war.

Der Wille, mit dem erlittenen Schicksal fertig zu wer-
den, ist groß. Die erlebte Solidarität hat Mut gemacht. Mit
der Verabschiedung dieses Gesetzes können Sie für alle ein
Zeichen dafür setzen, dass es sich lohnt, weiterzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des Bündnisses 90/ Die Grünen und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202700
Bevor ich
dem nächsten Redner das Wort erteile, gestatten Sie mir
ein kurzes persönliches Wort. Wenn gleich der Wechsel
im Vorsitz erfolgen wird, dann war es das letzte Mal, dass
ich die Ehre hatte, eine Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges zu leiten.

Ich bin dankbar, dass ich diesem Hause 33 Jahre an-
gehören durfte, einem Parlament, das einen entscheiden-
den Beitrag zur Entwicklung unseres Landes hin zu einer
so stabilen, verlässlichen, freiheitlichen, rechtsstaatlichen
und sozial orientierten Demokratie geleistet hat. Ich habe
in diesen vielen Jahren, insbesondere auch in dieser Le-
gislaturperiode als Vizepräsident des Bundestages, in
vielfacher Weise eine gute Zusammenarbeit mit den Frak-
tionen und viele freundschaftliche Begegnungen erlebt.




Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt)

25500


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen – denen,
die mit mir ausscheiden, und denen, die wiederkommen –
alles Gute.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir Gelegenheit gegeben ha-
ben, zum Abschluss meiner parlamentarischen Arbeit die-
ses kurze Wort des Abschieds an Sie zu richten.


(Die Abgeordneten aller Fraktionen erheben sich und spenden Beifall)


– Vielen Dank.
Ich gebe nunmehr das Wort dem Bundesminister für

Wirtschaft und Technologie, Werner Müller.

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft

(von der SPD und Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Lieber Herr Seiters, den Glückwünschen schließe ich
mich an. Es ist nun ein Zufall, dass die letzte Rede, die Sie
hören, von jemandem gehalten wird, der im Emsland zur
Schule gegangen ist und auch bei Ihrem Bruder Unterricht
genossen hat.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ist das auch eine Abschiedsrede?)


Vielleicht ist das ja noch ein Vergnügen für Sie.
Meine Damen und Herren, ich sitze jetzt seit 10 Uhr

hier und ich kann immer wieder feststellen: Der Wahl-
kampf treibt manchen Redner zu merkwürdigen Formeln.
Es wird der Eindruck erweckt, in diesem Lande sei alles
unheimlich schlecht,


(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, die Regierung ist schlecht!)


die Regierung habe überhaupt keinen wirtschaftspoliti-
schen Sachverstand. Wir haben hier vor 14 Tagen – wenn
Sie sich vielleicht erinnern wollen – einmal demonstriert
bekommen, was denn wirtschaftspolitischer Sachver-
stand in Wahrheit ist. Ich darf eine zentrale Aussage von
Herrn Stoiber in Erinnerung rufen: Höhere Zinsen sind al-
lemal besser als Steuern.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Walter Hirche [FDP]: Sie brauchen doch nur Helmut Schmidt nachzulesen! Das ist eine vernichtende Bilanz über Rot-Grün!)


Wenn das der wirtschaftliche Sachverstand ist, der dann
künftig regieren soll – nach dem Motto: besser Schulden
auftürmen als Steuern zahlen –, dann wird mir, ehrlich ge-
sagt, ein bisschen Angst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Insofern ist es auch sachlogisch völlig richtig, dass sich
der Kanzlerkandidat der Opposition von vornherein im
Lande umgesehen hat, wo denn wirtschaftspolitischer
Sachverstand gefunden werden könnte, Späth hat er einen
gefunden. Seit dem Frühjahr ist also mein Herausforderer
mit Namen bekannt. Ich hatte mich schon auf mehrere an-

dere eingestellt; Herr Schäuble war auch schon einmal in
der Rolle. Nun frage ich mich: Bekommen wir jetzt
irgendwie wirtschaftspolitischen Sachverstand zu hören?
Herr Stoiber hat ja gesagt: Flutschäden durch Schulden-
finanzierung. Eine Woche später hat Herr Späth gesagt,
das wäre allerdings nicht richtig. Da hat er Recht. Er hat
dann vorgeschlagen, wir sollten zur Finanzierung der
Flutschäden beispielsweise sofort alle Telekomaktien ver-
kaufen, aber natürlich nicht zum heutigen Kurs.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da weiß ich nun auch nicht, wie das gehen soll; denn ich
muss Ihnen ehrlich sagen: Ich kenne kaum jemanden, der
Papiere teurer kauft, als sie an der Börse notiert sind;
allenfalls vielleicht die eine oder andere betriebliche Ren-
tenkasse, aber das ist ein anderes Thema.

Ich will einmal grundsätzlich sagen: Den Satz „In
Deutschland geht es heute überall schlechter als vor vier
Jahren“ kann man eigentlich nur


(Zuruf von der CDU/CSU: Unterstreichen!)

satirisch nehmen;


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


denn ich weiß: Wir haben in unserem Land ganz erhebli-
che „Rückschritte“ erzielt. Überlegen Sie einmal, wel-
cher Rückschritt dahinter steht, dass 1 Million mehr
Menschen beschäftigt sind. Oder der Rückschritt, dass
wir 13 Milliarden Euro mehr für Familienförderung aus-
geben! Der vielleicht größte Rückschritt ist, dass gegen-
über 1998 jede Familie 2 000 Euro netto mehr hat. Das
sind Rückschritte, die man als solche kennzeichnen
muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich frage mich: Aus welcher Denke heraus kommt denn
die Klassifizierung als Rückschritt? Ich will Ihnen noch
ein paar dieser komischen Rückschritte nennen: Wir ha-
ben die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent gesenkt,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Abgeschafft!)


den Eingangsteuersatz von 26 auf 19,9 Prozent gesenkt,
wir haben den Spitzensteuersatz von 53 auf 48,5 Prozent
gesenkt


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sparerfreibetrag halbiert!)


und – wahrscheinlich der größte Rückschritt – wir haben
die Gewerbesteuerbelastung abgeschafft. Ich will auch
deutlich sagen, wo diese Klassifizierung als Rückschritt
herkommt: Wer 16 Jahre lang nur Steuern erhöht hat, für
den sind Steuersenkungen ein Rückschritt. So erklärt sich
das für mich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


„In unserem Land ist alles schlechter geworden.“

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Unwürdig!)





Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

25501


(C)



(D)



(A)



(B)


– Ach, unwürdig!

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Für den Wirtschaftsminister einfach unwürdig, Entschuldigung!)


– Ich wundere mich, dass Sie über meine Würde urteilen
können. Das überlassen Sie mal mir.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin dabei, das wörtlich zu nehmen, was ich heute
Morgen von Herrn Merz gehört habe. Er sagte: Alles ist
schlechter geworden. Also ist es doch wohl auch ein
Rückschritt, wenn wir 300 000 Menschen aus dem zwei-
ten Arbeitsmarkt in den ersten transferiert haben. Dann ist
es natürlich auch ein Rückschritt, dass das Kindergeld in
diesen vier Jahren um 47 Prozent erhöht wurde. Rück-
schritt ist auch, dass 320 000 neue Teilzeitarbeitsplätze
entstanden sind. Rückschritt ist, dass wir die installierte
Windkraftleistung vervierfacht haben und sie jetzt bei un-
gefähr 10 000 MW liegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Rückschritt ist, dass wir bei der Nutzung der Sonnenener-
gie über 100 000 neue Arbeitsplätze im handwerklichen
Bereich geschaffen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt will ich Ihnen noch einen ganz fulminanten Rück-
schritt nennen: In den letzten vier Jahren – stellen Sie sich
diese Katastrophe vor! – sind die Rechnungen für Strom
und Telefon um 25Milliarden Euro gesunken. Das ist also
ein Rückschritt in wirklich eklatantem Ausmaß.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Teurer! – Walter Hirche [FDP]: Damit haben Sie nichts zu tun! Die Liberalisierung ist von der Vorgängerregierung veranlasst worden!)


Es geht noch weiter: Wir werden demnächst das erste Mal
seit 51 Jahren die Postporti um annähernd 5 Prozent sen-
ken.


(Walter Hirche [FDP]: Das hat etwas mit Liberalisierung zu tun, die Sie immer bekämpfen!)


Wenn Ihnen die Zahl der Rückschritte in diesem Land
noch nicht genügt, dann will ich Ihnen noch ein paar
Rückschritte nennen: In den letzten vier Jahren haben wir
all Ihren Unkenrufen zum Trotz die Zahl der Selbststän-
digen um über 120 000 auf 760 000 erhöhen können, und
zwar weil es sich ja nicht lohnt, in diesem Land zu arbei-
ten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben die Garantiezeit für Produkte per Gesetz auf
zwei Jahre verlängert. Auch das ist ein Rückschritt.


(Walter Hirche [FDP]: Die Zahl der Pleiten steigt unaufhörlich!)


Wir haben das BAföG und das Meister-BAföG mit dem
Ergebnis neu gestaltet, dass sich inzwischen die Zahl der-
jenigen, die Meister werden wollen, verdoppelt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für die Juristen gibt es noch einen ganz besonders
merkwürdigen Rückschritt. Stellen Sie sich vor: Wir ha-
ben die digitale Signatur verrechtlicht. Das ist eine Kata-
strophe! Wir haben daneben das Rabattgesetz und die Zu-
gabenverordnung abgeschafft, damit Händler und
Kunden wieder mehr Freiheit haben. Das ist natürlich ein
Rückschritt, wenn man weiß, dass das 30 Jahre währende
liberale Politik verhindert hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben es durch eine ganz konsequente Förderung
des Exportes – durch Abschluss von Hermesbürgschaften,
durch Investitionenschutzverträge mit vielen Ländern und
durch gewaltige politische Flankierungen – tatsächlich
geschafft, dass der Export von 1998 bis heute um über
30 Prozent auf 640 Milliarden Euro gestiegen ist. Das
heißt nichts anderes, als dass unser angeblich so marodes
Land in den letzten vier Jahren die gesamte internationale
Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen hat, die es vorher
verloren hatte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Sie sollten dem Bundeskanzler nicht widersprechen!)


Zum Schluss muss ich mich fragen: Ist es bescheuert,
dass Sie unser Land – von mir aus wegen des Wahlkamp-
fes, trotzdem muss man es deutlich sagen – so schlechtre-
den, oder nicht? Sind diejenigen bescheuert, die in unse-
rem Land sage und schreibe über 350 Milliarden Euro in
den letzten vier Jahren investiert haben?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen, wer in diesem Land sein Geld anlegt, wird
wahrscheinlich diesen Standort im Wettbewerb der
Standorte der Welt ausgesucht haben. Deswegen will ich
ganz ehrlich sagen: Ich glaube nicht, dass diejenigen, die
in den letzten vier Jahren achtmal mehr in Deutschland in-
vestiert haben als in den 90er-Jahren unter Ihrer Regie-
rung, alle bescheuert sind. Bescheuert ist Ihre Beschrei-
bung dieses Landes!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202800
Herr Bun-
desminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge-
ordneten Schauerte?


(Walter Hirche [FDP]: Letzter Platz im Wirtschaftswachstum! Schlechteste Bilanz auf dem Arbeitsmarkt!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Schauerte, ich weiß ehrlich gesagt




Bundesminister Dr. Werner Müller
25502


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht, was die Perspektive des Sauerlandes damit zu tun
hat, wenn ich über internationale Investoren rede.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Walter Hirche [FDP]: Das ist eine Frechheit! Sie argumentieren auf dem Niveau eines Clowns und lassen keine Zwischenfrage zu!)


– Ich gebe zu, dass das, was ich sage, aus Ihrer Sicht
clownhaft klingt, aber ich will doch nur das, was Sie ge-
sagt haben, wörtlich nehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zurück zum Text: Die internationalen Investoren inves-
tieren in unserem Land in ungeahntem Ausmaß. Sie haben
nämlich Vertrauen in die Wirtschafts- und Finanzpolitik
dieses Landes wiedergewonnen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Warum gehen die Betriebe kaputt?)


Mein Haushalt beispielsweise trägt entscheidend zur
Solidität der Finanzpolitik bei, weil ich konsequent jedes
Jahr Subventionen in der Größenordnung von vorher
1 Milliarde DM und jetzt einer halben Milliarde Euro aus
dem Haushalt gestrichen habe. Mein Haushalt ist – wie
gesagt – vom Subventionsabbau gekennzeichnet.


(Walter Hirche [FDP]: Nur weil wir seinerzeit den Kohlekompromiss gemacht haben!)


Von diesem Subventionsabbau entfällt gut die Hälfte auf
die Kohle und etwas weniger als die Hälfte auf die sons-
tigen Subventionen für die Wirtschaft.

Dennoch wird der Haushalt den notwendigen Zu-
kunftsaufgaben gerecht. Einen Schwerpunkt haben wir
beispielsweise bei der Förderung des Exportes gesetzt.
Ich kann nicht alle Einzelheiten darstellen, möchte aber
einen Punkt herausgreifen: Wir haben ein neues Export-
förderprogramm zur Förderung des Exportes regenerati-
ver Energien mit 20 Millionen Euro dotiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden zusammen mit dem Entwicklungsministe-
rium eine große Konferenz über die Nutzung regenerati-
ver Energien in den Entwicklungsländern veranstalten.
Dies hat zunächst einmal einen klimatologischen Hinter-
grund, soll zum Schluss aber auch der deutschen Export-
wirtschaft nützen.

Wir werden die Probleme hinsichtlich Basel II ernst
nehmen. Wir haben im Haushalt einen Kleingründerkre-
dit stehen. Wir werden uns auch konsequent dem Büro-
kratieabbau zuwenden. Eine der größten bürokratischen
Belastungen


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ist Müller!)


betrifft die Statistikbelastung der Unternehmen. Diese
Statistikbelastung der Unternehmen werde ich in den
nächsten vier Jahren relativ einfach halbieren,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


indem wir die Erhebungszeiträume verlängern, indem wir
die Stichprobenerhebungen ausdehnen und die eine oder
andere Statistik schlicht streichen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Regierungspolitik in Heimarbeit!)


Ich werde dies machen, auch wenn der BDI bereits Pro-
test dagegen erhoben hat, dass wir die Statistikbelastung
der Wirtschaft reduzieren wollen; ausgerechnet der BDI.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So sind sie! – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet!)


Da wir beim Thema Bürokratie sind, möchte ich auf
die Rede von Herrn Böhmer eingehen, die sehr angenehm
anzuhören war.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ganz im Gegensatz zu Ihrer Rede! –Das war ein anderes Kaliber als Ihre Rede!)


Ich frage mich, wieso die Auszahlung der Fluthilfe nur
in einem Bundesland so bürokratisch abläuft, dass die Be-
troffenen schier verzweifeln. Ich will ganz deutlich sagen:
Mir fällt auf, dass ich mit Herrn Rehberger bestens zu-
sammenarbeite. Ich glaube, ich habe keinen einzigen
Klagebrief aus Sachsen-Anhalt bekommen. Ich habe aber
Hunderte aus Sachsen bekommen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Schaden war dort ein bisschen größer! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist sehr merkwürdig!)


– ja, das ist schon merkwürdig, denn auch Sachsen-Anhalt
hat 2 000 bis 3 000 geschädigte Betriebe. Dies ist keine
kleine Zahl.

Damit gar kein Verdacht aufkommt, will ich deutlich
machen: Ich habe schon vor 14 Tagen, am 29. August
2002, an dieser Stelle gesagt: Die Gelder stehen ab jetzt
oder ab Freitag Vormittag vor 14 Tagen definitiv zur Ver-
fügung. Dies gilt für alle Gelder, die für die Schadensre-
gulierung der Unternehmen vorgesehen sind. Der Kollege
Bodewig hat am 30. August 2002 ein Rundschreiben des
Inhalts erlassen, dass beispielsweise im Wege des so
genannten HKR-Verfahrens alle Länder sofort Zugriff
haben, und diese Gelder stehen ab dem 2. September,
7.15 Uhr, allen Ländern zur Verfügung.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Auch Sachsen!)

An der Auszahlung oder am Zugriff auf die Gelder kann
es also nicht liegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte einen weiteren Punkt kritisch anmerken.
Wir haben das Geld nicht auf die Landeskonten überwie-
sen, damit es sich dort verzinsen soll,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


sondern damit es als Soforthilfe unmittelbar an die Opfer
ausgezahlt wird.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da kommt der Verdacht auf, dass da brutal Wahlkampf gemacht werden soll!)





Bundesminister Dr. Werner Müller

25503


(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Spielerei mit der angeblich fehlenden Verwaltungs-
vereinbarung soll nur vertuschen, dass die Auszahlung
– warum auch immer –


(Zuruf von der SPD: Ja, warum wohl?)

nicht funktioniert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will dem Land Sachsen eines ernsthaft zu bedenken
geben: Das Land Sachsen möge bitte vermeiden, dass der
Verdacht entsteht, man würde Schäden bis zum 22. Sep-
tember deshalb nicht bezahlen, um den Ärger auf die Bun-
desregierung zu lenken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! – Unglaublich!)


Eines ist klar: Die Gelder stehen zur Verfügung und
sollen benutzt werden, um die Schäden zu regulieren.

Ein Satz zu den Unternehmen. Es wird – dafür stehe
ich gerade – durch die Schäden keinem Unternehmen
nach dem Wiederanfang – auch wenn das einen völligen
Neuanfang bedeutet – finanziell schlechter gehen als vor-
her. Das ist die Richtschnur dafür, wie reguliert wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch klar, dass wir uns dem Thema „mittelbare
Schäden“ annehmen müssen. Darüber bin ich mit Herrn
Rehberger im Gespräch; wir haben schon vor einer Wo-
che darüber gesprochen. Es gibt beispielsweise Betriebe,
die evakuiert worden sind oder die von behördlicher
Seite geschlossen worden sind. Auch dadurch sind Schä-
den entstanden, die, wie ich denke, reguliert werden müs-
sen.

Alles in allem lassen Sie mich sagen: Herr Böhmer, Sie
brauchen nichts vorzufinanzieren. Seien Sie dessen versi-
chert! Die Behauptung, dass dies nicht so ist, ist ein Am-
menmärchen. Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Es
wird Ihnen das, was in den Ländern zur Schadensregulie-
rung ausgegeben werden muss, zur Verfügung stehen. Ins-
gesamt kann ich nur sagen: Mit dem Land Sachsen-Anhalt
habe ich noch nie Probleme gehabt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will nun meine Rede beenden. Ich bitte um Nach-

sicht, wenn Sie von der Opposition sie als clownhaft und
satirisch empfunden haben. Ich wollte nichts anderes, als
Ihnen das Empfinden eines Bürgers vorführen, da Sie ja
immer sagen, in diesem Land sei in den letzten Jahren al-
les schlechter geworden. Wissen Sie, was schlechter ge-
worden ist? – Ihre Oppositionsarbeit.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1425202900
Zu einer
Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Hartmut
Schauerte das Wort.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1425203000
Herr Minister
Müller, wie Sie als Minister ohne Abgeordnetenmandat
eine fair vorgetragene Bitte um eine Zwischenfrage mit
der Diskriminierung einer ganzen Region beantworten
können, ist unter Niveau.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist so sehr unter Niveau, dass ich überlegt habe, ob ich
Sie mit „Herr Minister Müller“ ansprechen soll oder – das
habe ich mir für die Zukunft vorgenommen – nur noch mit
„Herr Müller“.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Anke Fuchs)

Es hat wirklich keinen Zweck.

Ich darf Sie daran erinnern, dass in meinem Wahl-
kreis, der in Nordrhein-Westfalen bzw. im Sauerland
liegt, die geringste Arbeitslosigkeit herrscht, dass die
sauerländischen Arbeitnehmer und Unternehmer ausge-
sprochen erfolgreich sind, und das trotz Ihrer miserablen
Wirtschaftspolitik.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Vielleicht kommen Sie einmal zur Sache!)


Ich habe mich aber eigentlich gemeldet, um Sie Fol-
gendes zu fragen: Halten Sie es für einen Fortschritt – ich
gehe dies einmal auf diese Weise an; außerdem bin ich der
Meinung, die Lage in Deutschland ist so ernst, dass sie für
die Satire eines Bundesministers, der seit vier Jahren Ver-
antwortung trägt, keinen Platz lässt –,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

dass Sie aus seinerzeit 5 Millionen 630-Mark-Jobs 1 Mil-
lion haben werden lassen, die Sie nun als Erfolg der Stei-
gerung der Zahl von Arbeitsplätzen in Deutschland dar-
stellen? Das sind nämlich 1 Million 630-Mark-Jobs, die
Sie nun versicherungspflichtig gemacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich will Sie fragen, ob Sie es für einen Erfolg halten,
dass aus der viel zu hohen Zahl von 27 000 Konkursen,
die wir im letzten Jahr der Regierung Kohl hatten, nun
40 000 Konkurse geworden sind?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat doch mit einer Kurzintervention nichts zu tun!)


Ist das ein Fortschritt, den man hier loben kann, auf den
man stolz sein kann? Das könnte man annehmen, so wie
Sie sich hier hingestellt haben.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie ärgern sich doch nur, dass Sie nicht reden durften!)


Ich darf bei dieser Gelegenheit betonen, dass diese 40 000
Konkurse in Deutschland zweieinhalbmal so viel kosten
– auch an Arbeitsplätzen – wie die Beseitigung der Schä-
den der Flutkatastrophe. Das ist eine weitere nationale
Katastrophe, die Sie selber herbeigeführt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Bundesminister Dr. Werner Müller
25504


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie das Wirtschafts-
wachstum auf nahezu null gedrückt haben, dass Sie dafür
gesorgt haben, dass Deutschland beim Wirtschaftswachs-
tum auf dem letzten Platz in Europa liegt. Nennen Sie das
Fortschritt?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist falsch! Sie halten hier eine Ersatzrede! – Weitere Zurufe von der SPD)


Und ich frage Sie zum Schluss: Sie sprechen davon
– so weit ist Ihre Propaganda verkommen –, dass Sie bei
der Bekämpfung der Verschuldung des Staates Fort-
schritte erreicht hätten. Die nackten Fakten sind aber fol-
gende – ich darf aus der „Wirtschaftswoche“ dieser Wo-
che zitieren –: Im letzten Jahr der Regierung Kohl/Waigel
lag das Staatsdefizit bei 42,8 Milliarden Euro. Im letzten
Jahr der Regierung Schröder/Müller/Eichel liegt es bei
65Milliarden Euro. – Das ist eine Steigerung um mehr als
50 Prozent. Nennen Sie das einen verantwortbaren Fort-
schritt? Das ist nahe an der Katastrophe, Herr Müller.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das war ein typisches Schauerle!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203100
Herr Minister, Sie ha-
ben das Wort zur Erwiderung.

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Schauerte, wenn ich bei Ihnen den
Eindruck erweckt haben sollte, das Sauerland beleidigt zu
haben, dann tut mir das Leid. Ich wollte gewiss nicht alle
Sauerländer beleidigen. Ich hatte nur einen im Auge.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zu dem kommen, was Sie so erregt vorgetra-
gen haben. Sie haben gesagt, unter der Regierung Kohl
habe es nie 40 000 Konkurse gegeben. Ich weiß nicht auf
Anhieb, ob das stimmt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Was im Moment gemeldet wird, sind Insolvenzzahlen. In
diesen Insolvenzzahlen ist auch das enthalten, was zwar
schon die Regierung Kohl veranlasst hatte, nämlich die
Erfassung privater Insolvenzen, was aber mangels sinni-
ger Durchführung praktisch nie wahrgenommen werden
konnte. Sie müssen also erst einmal die 10 000 privaten
Insolvenzen herausrechnen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!)


Im Übrigen sage ich Ihnen: Das neue Insolvenzrecht
haben Sie gemacht, damit es nicht als allerletztes Mittel,
ehe das Unternehmen völlig kaputt ist, wahrgenommen
wird. Das Insolvenzrecht – das war der Zweck – soll die
Zahl der Insolvenzanmeldungen erhöhen. Wissen Sie,
was für den Wirtschaftsminister wichtig ist? Dass jedes
Jahr einige 10 000 Unternehmen mehr gegründet werden
als sterben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese 40 000 Insolvenzen sind nicht das, was am Markt
verschwindet. Am Markt sterben – ich muss sagen: lei-
der – jedes Jahr 450 000 bis 460 000 Unternehmen. Das
war in dieser Größenordnung schon immer so. Wichtig
ist, dass unverändert 530 000 bis 540 000 Unternehmen
neu gegründet werden. Ich habe Ihnen vorher dargestellt,
dass sich zum Beispiel die Zahl der Freiberuflichen in un-
serer Regierungszeit kräftig erhöht hat.

Jetzt kommt Ihr altes Wachstumsmärchen. Das ist der
Grund, warum ich Zwischenfragen von Ihnen so ungern
annehme. Sie verbreiten jedes Mal dieselben Unwahrhei-
ten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie wissen haargenau, dass das Wachstum von 1992 bis
1998, also unter der Regierung Kohl, im Durchschnitt
1,3 Prozent betragen hat. Das ist die geringste Durch-
schnittsrate aller EU-Länder. Unser Land ist seit 1993/94
beim Wachstum das Schlusslicht der EU.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie wissen, dass das falsch ist!)


– Warum schreien Sie „falsch“? Ich habe Ihrem Frak-
tionsvorsitzenden einmal einen Brief geschrieben und
ihm zu allem, was er in diesem Zusammenhang gesagt
hat, die entsprechenden Zahlen geliefert. Ich habe niemals
eine Antwort bekommen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil es falsch ist!)


Noch einmal: In diesen vier Jahren, in denen wir regiert
haben – damit Sie das richtig verstehen: das sind die ers-
ten vier Jahre der Regierung Schröder –,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


lag das durchschnittliche Wachstum bei etwa 1,6 Prozent.
Das ist nicht sehr viel mehr, aber etwas mehr. Dieses
höhere Wachstum erzielten wir, obwohl in den letzten vier
Jahren, im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit in den 90er-
Jahren, eine Baukrise herrschte. Hinzu kam eine ganz ein-
malige Entwertung der Kapitalien an der Börse. Ich erin-
nere auch an die Ereignisse vom 11. September 2001, über
dessen mittel- und langfristige Verunsicherungswirkung
auf Wachstum und Investoren wir noch gar nicht Bescheid
wissen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 9 Prozent Exportzuwachs in den USA!)


Trotz all dieser Faktoren und trotz der Tatsache, dass in
diesem Lande alles so schlecht ist, wie Sie sagen, haben
wir eine höheres Wachstum erzielt. Aber ich sage deut-
lich: Es war nicht das Wachstum, das ich erzielen wollte,
als ich als Wirtschaftsminister angetreten bin. Deswegen
werde ich daran weiterarbeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203200
Nun erteile ich dem
Kollegen Franz Thönnes für die SPD-Fraktion das Wort.




Hartmut Schauerte

25505


(C)



(D)



(A)



(B)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1425203300
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Wirt-
schaftsminister der Opposition noch einmal erklärt hat,
welche Fortschritte sie als Rückschritt sieht, muss auch
einmal deutlich gemacht werden, was ein wirklicher
Rückschritt in diesem Land wäre. Ein wirklicher Rück-
schritt wäre nämlich, wenn die Opposition mit ihrer fi-
nanziellen Konzeptionslosigkeit und ihrer Uneinigkeit
wieder an der Stelle anknüpfen könnte, an der sie 1998
aufhören musste. Das wird am 22. September nicht ge-
schehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben vor einigen Wochen schon einmal über die
Vorschläge der Hartz-Kommission diskutiert. Seinerzeit
gab es in den Reihen der Opposition, ähnlich wie beim
Rennhunderennen, ein Hecheln in den Boxen und jeder
wollte als Erster auf die Startbahn kommen. Heute fällt Ih-
nen nichts Besseres ein, als die Konzeption der Kommis-
sion zu zerreden und sie schlecht zu machen. Die Regie-
rungskoalition macht aber mit ihrem heute vorliegenden
Antrag deutlich, dass sie auf die breite Allianz der Ver-
nunft setzt, die im Hartz-Bericht in dem einstimmigen Vo-
tum der Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Po-
litik, Wissenschaft und Gewerkschaften zum Ausdruck
kommt. Für uns sind flexible Arbeitsmärkte und soziale
Gerechtigkeit keine Gegensätze, sondern zwei Seiten ein
und derselben Medaille.


(Beifall bei der SPD)

Wir lassen uns unsere Arbeit nicht von Ihnen schlecht-

reden. Es ist schon mehrfach festgestellt worden und wir
bleiben dabei: Der Aufwuchs von 1,1 Millionen Beschäf-
tigten ist ein gutes Ergebnis. Wir hätten uns gern mehr ge-
wünscht. Aber die Behauptung, dies seien alles geringfü-
gige Beschäftigungsverhältnisse, ist schlichtweg falsch.
Darunter sind 800 000 neue Vollzeitjobs. Das ist die
Wahrheit und das ist ein Fortschritt.


(Beifall bei der SPD)

Hören Sie auf, das Land schlechtzureden! Wir brau-

chen keine Miesmacher und Schlechtredner, sondern
Menschen wie Peter Hartz und die Mitglieder seiner
Kommission, die Vorschläge erarbeiten, die wir als
Chance begreifen, gemeinsam die Verantwortung
wahrzunehmen und die Arbeitslosigkeit in den kom-
menden Jahren deutlich zu senken. Wer das als „Ge-
quatsche“ abqualifiziert, wie es Ihr Kanzlerkandidat tut,
auf den fällt der Vorwurf des Gequatsches selbst zurück.
Wir packen das jetzt an, anstatt dieses Land schlechtzu-
reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Monat für Monat bis zum Mai des letzten Jahres ist die
Arbeitslosigkeit in diesem Land gesunken. In Ihrer
Amtszeit von 1994 bis 1998 stiegen die Arbeitslosenzah-
len – teilweise sogar bei einer besseren amerikanischen
Konjunktur – um 700 000. Wenn wir heute abrechnen,
liegen wir um 100 000 Arbeitslose unter der Zahl, die wir
von Ihnen übernommen haben. Wenn wir Ihre Trickserei
und Täuscherei mit dem Aufwuchs an Beschäftigung

durch ABM und SAM noch hinzurechnen, würden wir ei-
gentlich um 400 000 darunter liegen. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Thönnes, du weißt, dass das nicht stimmt!)


Deswegen geht es jetzt darum, Schnelligkeit und Dy-
namik in den Arbeitsmarkt zu bringen. Wir haben nach der
Einführung des guten Job-AQTIV-Gesetzes feststellen
müssen, dass die Vermittlung in den Arbeitsämtern nicht
so schnell vorangeht, wie wir das wollen. Wir haben fest-
gestellt, dass arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer häufig nicht über die Qualifikation verfügen, die
in den Betrieben nachgefragt wird. Trotz des Engage-
ments der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundes-
anstalt für Arbeit stellen wir fest, dass nicht genügend
Spielraum vorhanden ist, damit ihre Arbeit auch wirklich
erfolgreich ist. Deswegen ist es gut, dass mit dem Entwurf
der Hartz-Kommission nun Vorschläge zu einer neuen
Ordnung auf dem Arbeitsmarkt vorgelegt werden.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: 14 Tage vor der Wahl! Schämen Sie sich!)


Das Prinzip, das wir mit dem Job-AQTIV-Gesetz ein-
geführt haben, nämlich zu fördern und zu fordern, ent-
spricht der Grundlinie der Vorschläge dieser Kommission.
An dieser Stelle muss einmal deutlich gesagt werden, dass
einer der Vorschläge, der die Situation unserer Sozialhil-
feempfänger wirklich radikal verändern wird, darin be-
steht, dass jeder erwerbsfähige Arbeitslose zukünftig auch
Anspruch auf die Leistungen der Arbeitsförderung hat.
Dies gilt insbesondere für erwerbsfähige Sozialhilfeemp-
fänger. Dabei handelt es sich um eine qualitative Besser-
stellung, die Sie nie zustande bekommen haben.


(Beifall bei der SPD)

Die Einführung von Jobcentern wird dazu führen, dass

den Menschen endlich Hilfe aus einer Hand gewährt wird,
dass endlich Schluss ist mit dem Verschiebebahnhof bzw.
mit dem Rennen von Pontius zu Pilatus. Es wird ein Ser-
viceangebot für diejenigen entstehen, die Arbeit suchen,
und diejenigen, die Arbeit zu bieten haben, für Mittelstand
und Handwerk.

Die Personal-Service-Agenturen werden den hohen
sozialen Anspruch, den wir in diesem Land eigentlich
haben, verwirklichen, nämlich Arbeitslosigkeit zu ver-
hindern, das heißt, Menschen die Möglichkeit zu geben,
entweder im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses zu
arbeiten oder sich für eine neue Arbeit qualifizieren zu
lassen. Die soziale Ausgewogenheit der Vorschläge von
Peter Hartz und seiner Kommission wird dadurch deut-
lich, dass neue Formen der Beschäftigung mit neuen For-
men sozialer Sicherheit einhergehen, dass endlich Tarif-
verträge den Bereich der Leiharbeit regeln und damit eine
verlässliche Grundlage für die Arbeitgeber und für die
Arbeitnehmer sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ebenso wichtig ist der Einstieg in neue Formen der
Selbstständigkeit, mit deren Hilfe man gleichzeitig ver-
sucht, die Schwarzarbeit abzubauen. Genau dies wird pas-






(C)



(D)



(A)



(B)


sieren, wenn wir die Beschäftigungspotenziale nutzen,
die es bei den hauswirtschaftlichen Dienstleistungen gibt.
Wir wollen den Menschen die Chance geben, neue For-
men der Selbstständigkeit auszuprobieren. Im Rahmen
eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver-
hältnisses soll gewährleistet werden, dass man bis zu
einem Einkommen von 500 Euro im Bereich der Privat-
haushalte arbeiten kann. Das soll mit einer Steuerabzugs-
möglichkeit oder mit einer steuerfinanzierten Zulage für
die Arbeitgeber gefördert werden. Auch das wird ein so-
zialpolitischer Fortschritt sein.

Wenn man sich die Vorschläge anschaut, die wir im
Bereich der Verzahnung von Arbeitslosen- und Sozial-
hilfe aufgreifen, dann stellt man fest, dass es zukünftig ein
Fördergeld für alle erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger
geben wird, das heißt, dass diese Menschen nicht länger
diskriminiert werden. Sie erhalten in den Beschäftigungs-
förderungsgesellschaften und den Personal-Service-Agen-
turen Angebote. Damit wird endlich der Satz eingelöst,
dass Solidarität keine Einbahnstraße sein muss. Die Men-
schen erhalten eine Beschäftigungsperspektive und wer-
den auf keinen Fall unter Ihren Vorschlägen leiden müs-
sen, wonach die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der
Sozialhilfe gekürzt werden soll. Ihnen ist schlichtweg
nichts anderes als Kappen und Kürzen eingefallen. Das
wird es mit dieser Regierung nicht geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie verhält sich nun die Arbeitgeberseite? – Wenn
über Drückebergerei in diesem Land geredet wird, dann
möchte ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen, dass
die Arbeitgeber jetzt aufgefordert sind, den privaten Ver-
mittlern und der Arbeitsverwaltung alle offenen Stellen zu
melden. Sie sind des Weiteren aufgefordert, endlich die
1,7 Milliarden Überstunden schrittweise in neue Arbeits-
plätze umzuwandeln. Mit dieser Drückebergerei in unse-
rem Land muss endlich Schluss sein!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: So ein Quatsch! So ein Blödsinn!)


Nun möchte ich auf das Verhalten der Opposition zu
sprechen kommen. Stoiber hat am 11. August in Celle zu
den Vorschlägen der Hartz-Kommission gesagt: All das
Hartz-Gequatsche nützt uns nichts. Herr Späth hat gesagt:
Das Papier stellt keine Basis dar, auf der wir aufbauen
können. Frau Merkel hat einen Tag später gesagt: Es ist
doch ganz unstrittig, dass alles, was der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit dient – und das sagte sie für die gesamte
Union –, natürlich von uns übernommen wird. Der „Süd-
deutschen Zeitung“ fällt dazu nichts anderes als Folgen-
des ein – ich denke, sie hat völlig Recht –:

Das Hartz-Konzept enthüllt trotz mancher Schwächen
vor allem eines: Der Union fällt noch weniger gegen
Arbeitslosigkeit ein.

Der „Tagesspiegel“ setzt noch einen drauf: Statt dass
die Union über Lösungen debattiert, „statt Unterschiede
aufzuzeigen, wo es sie gibt, und Gemeinsamkeiten gelten
zu lassen, spielt sie“ – das haben auch wir heute erlebt –
„in Klamauk. Und das sollen nun die ernsten Leute für die

ernsten Zeiten sein?“ Ich sage: Das waren 1998 die
falschen Leute! Und das sind auch 2002 die falschen
Leute!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit Ihrem Oppositionsprogramm – schlechtreden statt
anpacken, Finanzierung auf Pump, Abbau sozialer Leis-
tungen und Attacken auf die Arbeitnehmerrechte – wür-
den wir in die Zeit der Regierung Kohl zurückgehen. Das
wäre ein wahrer Rückschritt. Das, was in Ihrem Pro-
gramm steht, bedeutet Kappen und Kürzen sowie Dema-
gogie und Druck. Sie stellen den Flächentarifvertrag und
den Kündigungsschutz infrage.


(Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

Sie wollen unsere Reformen des Betriebsverfassungs-
gesetzes zurückdrehen. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis:
Auch für die Wirtschaft in Deutschland wird gelten, dass
die Demokratie nicht vor den Betriebstoren Halt macht.


(Jürgen Koppelin [FDP]: So ein Schwachsinn!)


Sie können ganz sicher sein, dass die Demokratie am
22. September eine klare Entscheidung treffen wird. Der
Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen
Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, hat zu Ihrer ab-
lehnenden Haltung gegenüber den Hartz-Vorschlägen – er
ist Mitglied dieser Kommission – deutlich gesagt: Die
Union sollte aufpassen. Sie sollte nicht in altes Schub-
ladendenken verfallen. Ich denke, er hat Recht.

Bleiben Sie in Ihrer Schublade! Richten Sie sich dort gut
ein! Auf dem Schild, das nach dem 22. September auf Ihrer
Schublade sein wird, wird „Opposition“ stehen. Damit wird
ganz deutlich: Die Täter von gestern taugen nicht als Sa-
nitäter für morgen, wenn es darum geht, dieses Land zu mo-
dernisieren und dabei soziales Augenmaß walten zu lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [FDP]: Gewerkschaftssekretär!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203400
Ich erteile dem Kolle-
gen Singhammer das Wort zu einer Kurzintervention.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1425203500
Herr Kollege
Thönnes, Sie können so laut und so schnell reden, wie Sie
wollen; eines können Sie nicht wegreden, nämlich dass
Sie im zentralen Politikbereich der Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit gescheitert sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


All Ihre Versprechungen in Bezug auf die Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und die Schaffung von mehr Be-
schäftigung haben Sie nicht eingelöst. Die Schlussbilanz
Ihrer rot-grünen Bundesregierung ist ein dramatischer
Verlust an Beschäftigung.


(Jörg Tauss [SPD]: Bayern, Maxhütte?)

Weil immer weniger in Arbeit und Brot sind, entgleiten
Ihnen die Sozialversicherungssysteme, die Renten-, die
Kranken-, die Pflege- und die Arbeitslosenversicherung.




Franz Thönnes

25507


(C)



(D)



(A)



(B)


Entscheidend ist: Sie sind in einem zentralen Punkt ge-
scheitert. Der Minister für Arbeit, Herr Riester, muss nach
dieser Bilanz den Titel „Minister für Arbeitslosigkeit“
tragen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Es klatschen immerhin drei Leute!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203600
Herr Kollege
Thönnes, Sie können antworten. – Bitte sehr.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1425203700
Werter Kollege Singhammer,
es war klar, dass Sie das Wort zu einer Kurzintervention
ergreifen mussten. Denn es ist Ihnen nicht gelungen, auf
die Rednerliste Ihrer Partei zu kommen.

Ich will Ihnen noch einmal deutlich sagen: Angesichts
von 1,2 Millionen mehr Beschäftigten, der höchsten Be-
schäftigtenzahl seit der deutschen Wiedervereinigung,
nämlich im Jahr 2001, angesichts eines Abbaus der Ar-
beitslosenzahlen bei den älteren Arbeitnehmern um gut
400 000, einer Reduzierung der Arbeitslosenzahlen bei
den Schwerbehinderten um gut 36 000 und der Schaffung
einer neuen Perspektive für junge Menschen, die sonst
keine Ausbildung bekommen hätten – wir haben ihnen
mit dem JUMP-Programm geholfen, Arbeit und Ausbil-
dung zu finden; das betrifft gut 451 000 –, brauchen wir
uns Ihre Unwahrheiten, Ihre Demagogie und Ihr Schlecht-
reden in diesem Parlament nicht gefallen zu lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist auch überhaupt kein Fehler, wenn wir sagen: Wir
haben uns mehr vorgenommen. Schauen Sie sich einmal
die Prognosen all der Wirtschaftsinstitute an, die Anfang
2001 Prognosen abgegeben haben! Alles war darauf aus-
gerichtet, dass es mit guten Wachstumsraten weitergeht.
Das ist so nicht eingetreten. Wir könnten heute ja einmal
darüber streiten, warum die Arbeitslosenrate rund um
München rapide ansteigt, und darüber, ob das etwas mit
der Staatsregierung in Bayern zu tun hat, ob das etwas mit
der Bundesregierung zu tun hat oder ob das auch etwas
mit weltwirtschaftlichen Einflüssen auf den neuen Markt
und an den Börsen zu tun hat.

Eines ist aber klar: Wer in Bayern mit 1,2 Milliarden
Euro an der Kirch-Pleite beteiligt ist, der sollte hier
schweigen; denn er sollte eigentlich etwas für seine struk-
turschwachen Regionen in Franken, vor allem in Ober-
franken, und in anderen Gegenden tun. Dort hat Ihr Kan-
didat versagt. Dort haben Sie als weiß-blaue Partei
versagt. Es gäbe noch genügend andere Beispiele, die wir
hier anbringen könnten.

Ich sage Ihnen abschließend noch einmal: Die Täter
von gestern taugen nicht als Sanitäter für morgen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/ CSU]: Sie wären froh, wenn Sie die Arbeitsplätze hätten, die wir in München haben!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203800
Bevor wir die Haus-
haltsberatungen fortsetzen, kommen wir zu einer Reihe

von Abstimmungen. Ich bitte vor allem die Geschäftsfüh-
rer um Aufmerksamkeit, damit wir alles richtig machen.

Tagesordnungspunkt 2 a. Wir kommen zur Abstim-
mung über den von den Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines
Flutopfersolidaritätsgesetzes auf Drucksache 14/9894.
Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/9934, den Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Die
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Gegen die Stimmen der
FDP bei Stimmenthaltungen ist der Gesetzentwurf in
zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Gegen die Stim-
men von FDP und bei Enthaltung der CDU/CSU ist der
Gesetzentwurf angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tion der PDS auf Drucksache 14/9941. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Die Gegenprobe! – Der
Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS ab-
gelehnt.

Abstimmung über den Entwurf eines Hochwasser-
schaden-Ausgleichsgesetzes der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/9895. Der Finanzausschuss empfiehlt un-
ter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 14/9934, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ab-
gelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 2 b: Unter
Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/9934 empfiehlt der Finanzausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Druck-
sache 14/9905 mit dem Titel „Schnelle Hilfe für die
Flutopfer“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist gegen die Stimmen der CDU/CSU
bei Enthaltung der FDP angenommen.

Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/9934 empfiehlt der Finanzausschuss die
Ablehnung des Antrags der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/9899 mit dem Titel „Stärkere Beteiligung von
Großunternehmen an der Bewältigung von Hochwasser-
schäden durch Körperschaftsteuer auf Veräußerungs-
gewinne“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Gegenprobe! – Die Beschlussempfehlung ist gegen
die Stimmen der PDS angenommen.

Unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/9934 empfiehlt der Finanzausschuss die
Ablehnung des Antrags der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/9900 mit dem Titel „Stärkere Beteiligung von
Kapitalgesellschaften an der Bewältigung von Hochwas-




Johannes Singhammer
25508


(C)



(D)



(A)



(B)


serschäden durch Erhöhung der Körperschaftsteuer-
sätze“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Die Beschlussempfehlung ist ge-
gen die Stimmen der PDS angenommen.

Unter Buchstabe f seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/9934 empfiehlt der Finanzausschuss die
Ablehnung des Antrags der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/9901 mit dem Titel „Bewältigung der Flutka-
tastrophe gerecht finanzieren – Vermögensabgabe erhe-
ben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Die Beschlussempfehlung ist gegen
die Stimmen der PDS angenommen.

Unter Buchstabe g seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/9934 empfiehlt der Finanzausschuss die
Ablehnung des Entschließungsantrags der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/9908 zu der Regierungserklärung
des Bundeskanzlers zu den Maßnahmen zur Bewältigung
der Hochwasserkatastrophe. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist gegen die
Stimmen der FDP bei Stimmenthaltung der CDU/CSU
angenommen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 3 a: Ab-
stimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 14/9891 mit dem Titel „Handeln für mehr Ar-
beit – sinnvolle Reformvorschläge der Hartz-Kommis-
sion jetzt beraten und umsetzen“. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Gegen die
Stimmen der FDP ist der Antrag abgelehnt.

Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Druck-
sache 14/9946 mit dem Titel „Neue Beschäftigung –
schnelle Vermittlung – erstklassiger Service – Reform-
vorschläge der Hartz-Kommission unverzüglich umset-
zen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Gegen die Stimmen von PDS,
CDU/CSU und FDP ist der Antrag angenommen.

Abstimmung über den Antrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/9944 mit dem Titel „Zeit
für Taten – Offensive für mehr Beschäftigung“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Bei Enthaltung der FDP ist der Antrag
gegen die Stimmen der CDU/CSU abgelehnt.

Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/9940 mit dem Titel „Neue Arbeitsplätze
statt Druck auf Arbeitslose – Beschäftigungspolitik mit
sozialem Augenmaß tut Not“. Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An-
trag ist gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes

(5. FStrÄndG)

– Drucksachen 14/8448, 14/8911, 14/9535,
14/9795, 14/9888, 14/9937 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek

Mir wurde mitgeteilt, dass eine Berichterstattung zu
diesem sowie zu den folgenden Vermittlungsergebnissen
nicht gewünscht wird. Wird das Wort zu Erklärungen ge-
wünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt für
die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
auf Drucksache 14/9937? – Wer stimmt dagegen? – Alle
stimmen zu. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

rung des Telekommunikationsgesetzes
– Drucksachen 14/9194, 14/9237, 14/9711,
14/9793, 14/9889, 14/9938 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek

Herr Dr. Wieczorek wünscht nicht das Wort zur Be-
richterstattung. – Ich sehe auch keine Wortmeldungen zu
Erklärungen. Wir können somit abstimmen.

Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt-
lungsausschusses auf Drucksache 14/9938? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Gegen die Stimmen der
PDS ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Ich rufe nun Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

eines Registers über unzuverlässige Unterneh-
men
– Drucksachen 14/9356, 14/9710, 14/9794, 14/9798,
14/9939 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Wieczorek

Auch hierzu wird weder zur Berichterstattung noch zu
Erklärungen das Wort gewünscht. Deswegen kommen wir
zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß
§ 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen,
dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen ge-
meinsam abzustimmen ist.

Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt-
lungsausschusses auf Drucksache 14/9939? – Wer stimmt
dagegen? – Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b sowie Zu-
satzpunkt 4 auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung
zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Wir kommen zunächst zu Tagesordnungspunkt 7 a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss)





Vizepräsidentin Anke Fuchs

25509


(C)



(D)



(A)



(B)


– zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Reform durch Verfassung: Für eine demo-
kratische, solidarische und handlungsfähige
Europäische Union

– zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze,
Christian Schmidt (Fürth), Michael Stübgen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Notwendige Reformen für die zukünftige EU:
Forderungen an den Konvent

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Ina Albowitz,
Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP
Die Zukunft Europas liegt in den Händen des
Konvents

– zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Hiksch,
Dr. Klaus Grehn, Roland Claus und der Fraktion
der PDS
Ein anderes Europa ist möglich – Im Konvent
die Weichen für eine demokratische, solida-
rische und zivile Europäische Union stellen
– Drucksachen 14/9047, 14/8489, 14/9044,
14/9046, 14/9500 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Hintze
Christian Sterzing
Dr. Helmut Haussmann
Uwe Hiksch

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sache 14/9047 mit dem Titel „Reform durch Verfassung:
Für eine demokratische, solidarische und handlungs-
fähige Europäische Union“. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Gegen die Stimmen von PDS, CDU/CSU und
FDP ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des
Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-
che 14/8489 mit dem Titel „Notwendige Reformen für die
zukünftige EU: Forderungen an den Konvent“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der FDP ist
die Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der CDU/
CSU angenommen.

Unter Nr. 3 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des
Antrags der FDP auf Drucksache 14/9044 mit dem Titel
„Die Zukunft Europas liegt in den Händen des Konvents“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der
CDU/CSU ist die Beschlussempfehlung gegen die Stim-
men der FDP angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union unter Nr. 4 seiner

Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/9500 die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/9046 mit dem Titel „Ein anderes Europa ist mög-
lich – Im Konvent die Weichen für eine demokratische,
solidarische und zivile Europäische Union stellen“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da-
gegen? – Damit ist die Beschlussempfehlung gegen die
Stimmen der PDS angenommen.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 7 b:
Beratung der Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses (6. Ausschuss)

Übersicht 13 a
über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten
Streitsachen vor dem Bundesverfassungsge-
richt
– Drucksache 14/9932 –

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Alle haben dafür gestimmt; damit ist
die Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen nun zum Zusatzpunkt 4:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 412 zu Petitionen
– Drucksache 14/9915 –

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 14/9947 vor, über den wir zuerst ab-
stimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der CDU/CSU? –
Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Änderungsantrag
abgelehnt.

Wer stimmt für die Sammelübersicht 412 auf Drucksa-
che 14/9915? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ist die Sam-
melübersicht angenommen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen mit der Beratung
über die Einzelpläne der Geschäftsbereiche des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit, des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft und des Bundesministeri-
ums für Gesundheit fort. Außerdem rufe ich Tagesord-
nungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Seehofer, Karl-Josef Laumann, Wolfgang
Lohmann (Lüdenscheid), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Klarheit über finanzielle Situation in der ge-
setzlichen Renten- und Krankenversicherung
vor der Bundestagswahl schaffen
– Drucksache 14/9945 –

Wir beginnen nun mit der Debatte.

(Unruhe)





Vizepräsidentin Anke Fuchs
25510


(C)



(D)



(A)



(B)


– Das Thema ist interessant genug, Sie dürfen gerne hier
bleiben.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Die Regierung hat dabei so versagt, dass sie lieber hinausgeht!)


Wer hier bleibt, möge sich hinsetzen.
Nun hat der Bundesumweltminister, Herr Trittin, das

Wort.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Die Umwelt- und Naturschutz-
verbände dieses Landes haben sich im Vorfeld der Bun-
destagswahl mit den Alternativen, die zur Wahl stehen,
beschäftigt.


(Jörg Tauss [SPD]: Es gibt keine!)

Sie haben eine klare Bilanz gezogen. Der Naturschutz-
bund Deutschland sagt wörtlich:

Die vergangenen vier Jahre waren für die Umwelt-
und Klimaschutzpolitik die erfolgreichste Legisla-
turperiode überhaupt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)


In all diesen Jahren müssen Sie von der Opposition in ei-
nem anderen Land gelebt haben, weil Sie – ausweislich
Ihrer blauen Plakate – jetzt die Zeit für Taten gekommen
sehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Oje! – Peter Dreßen [SPD]: 16 Jahre hatten sie Zeit dafür!)


Bei der ökologischen Modernisierung Deutschlands
hat es in den vergangenen vier Jahren keinen Reformstau
gegeben. Klimaschutz, Energiewende, Naturschutz – wir
haben unsere Ziele durchgesetzt. Die einzigen, die in
dieser Zeit versucht haben, solche Reformen zu stauen,
sind die gleichen, die nach wie vor daran festhalten,
Donau und Elbe stauen zu wollen, nämlich die Union
von Edmund Stoiber und die Neoliberalen von Guido
Westerwelle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Diese umweltpolitische Ignoranz verwundert natürlich
nicht. Seit Helmut Kohl den letzten namhaften Umwelt-
politiker ins damalige Umzugsministerium strafversetzt
hat, klafft bei den Schwarzen in der Umweltpolitik ein
großes schwarzes Loch. So brauchten Laurenz Meyer und
Wolfgang Schäuble drei Tage Klausur – es hat von Mitt-
woch bis Freitag gedauert –, um noch eine umweltpoliti-
sche Forderung in das Sofortprogramm der Regierung
hineinzubekommen. Ein bahnbrechender Vorschlag ist
dabei herausgekommen: Sie wollen das Dosenpfand ab-
schaffen.


(Jörg Tauss [SPD]: Oi!)

Die kleinen und mittelständischen Brauereien, die

Brunnen, der Getränkeeinzelhandel und die 250 000 Be-
schäftigten in dieser Branche haben Ihnen heute die Ant-

wort auf diesen Vorschlag gegeben. In Anzeigen und Ak-
tionen in fast allen größeren Zeitungen fordern sie Sie auf,
das Dosenpfand für den Schutz ihrer Investitionen, für
den Schutz ihrer Arbeitsplätze und für den Schutz der
Landschaft endlich einzuführen und von diesem Kurs ab-
zukehren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Stattdessen habe ich lesen müssen, dass CDU/CSU und
FDP der Auffassung sind, das Verwaltungsgericht Düs-
seldorf habe ein kluges Urteil gefällt, als es gesagt habe,
dass es an der Rechtsgrundlage für die Verordnungs-
ermächtigung fehle. Meine Damen und Herren von der
rechten Opposition, Sie haben sich ein wenig zu früh ge-
freut. Was kritisiert nämlich das Verwaltungsgericht Düs-
seldorf? Es kritisiert CDU/CSU und FDP. CDU/CSU und
FDP haben Anfang der 90er-Jahre die Verpackungsver-
ordnung beschlossen, CDU/CSU und FDP haben Anfang
der 90er-Jahre das Kreislaufwirtschaftsgesetz beschlos-
sen und CDU/CSU und FDPhaben noch 1998 die Rechts-
grundlage vom Töpfer-Pfand zum Merkel-Pfand umge-
wandelt.

In einem Punkt kann ich Sie beruhigen: Der grüne Bun-
desumweltminister wird das von Ihnen geschaffene Recht
auch gegen die Dosenlobby aus Warstein und Bitburg und
gegen die Aldis und Metros verteidigen. Er hat dabei gute
Karten; denn er hat eine große Zahl der Gerichtsentschei-
dungen auf seiner Seite.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


An diesem Punkt setzen wir auf eine schnelle Ent-
scheidung, weil wir der Auffassung sind, dass der Vor-
marsch von Plastik und Dosen zulasten der Umwelt und
des Mittelstandes ein Ende haben muss. Vor allem aber
haben wir bei dieser Politik die übergroße Mehrheit der
Bevölkerung auf unserer Seite; sie erwartet von uns näm-
lich, endlich Maßnahmen gegen die zunehmende Vermül-
lung unserer Parks und Landschaften durch Plastikfla-
schen und Dosen zu ergreifen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


„Zeit für Taten“, dieses Motto haben wir schon ernst
genommen, bevor Sie ein Plakat mit der entsprechenden
Aufschrift entworfen hatten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir haben die Reduktion von Treibhausgasen in vier Jah-
ren von 15 auf über 19 Prozent erhöht. Jetzt trennen uns
noch 2 Prozent von dem Ziel, das wir 2012 erreichen sol-
len. Wir waren gerade in den Sektionen sehr erfolgreich,
in denen unter Ihrer Regierung nie etwas passiert ist. Als
Sie regierten, sanken in diesen Sektionen die Emissionen
nicht, sondern stiegen. Wir haben dafür gesorgt, dass die
Treibhausgasemissionen im Verkehr erstmals zurückge-
gangen sind: 2000 um einen Prozentpunkt, 2001 um ein-
einhalb Prozentpunkte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Vizepräsidentin Anke Fuchs

25511


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben in den vergangenen vier Jahren dafür ge-
sorgt, dass die Treibhausgasemissionen der privaten
Haushalte sogar um 18 Prozentpunkte gesunken sind. Das
wäre ohne die Ökosteuer nicht möglich gewesen. Das
wäre auch ohne massive Investitionen nicht möglich ge-
wesen. Wir haben allein 1 Milliarde Euro in die energeti-
sche Gebäudesanierung investiert. Als wir von Ihnen die
Regierung übernahmen, war da eine große schwarze Null.
Wir haben in den vergangenen vier Jahren den Anteil der
erneuerbaren Energien von 4,5 auf 8 Prozent gesteigert.
Wir haben die Mittel des Marktanreizprogramms für
erneuerbare Energien von 48 Millionen Euro auf
540 Millionen Euro aufgestockt.

Das alles sind Taten. Die Ergebnisse können Sie heute
sehen. Die installierte Solarkollektorfläche haben wir in
vier Jahren verdreifacht. Sie haben im Schnitt pro Jahr
300 000 Quadratmeter neue Fläche zustande gebracht.
Wir werden allein in diesem Jahr 1 100 000 Quadratme-
ter Fläche verlegen. Anders gesagt: Das, wofür Sie vier
Jahre gebraucht haben, haben wir in einem Jahr geschafft.
Wir haben den Umfang der Neuinstallierung bei der Pho-
tovoltaik verfünffacht und die Leistung der Windkraft
verdreifacht. Das sind Taten.

Im gleichen Zeitraum ist der Primärenergieverbrauch
zurückgegangen. Sie, also auch Herr Stoiber, schreiben in
Ihrem Sofortprogramm:

Wir werden das Erneuerbare-Energien-Gesetz ver-
bessern.

Fragen Sie einmal in der Branche der erneuerbaren Ener-
gien herum! Da wird diese Ankündigung als Drohung auf-
gefasst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: Das ist auch eine!)


Was die erneuerbaren Energien angeht, weiß man, dass
Bayern Schlusslicht bei der Nutzung der Windenergie
ist. Man weiß, dass sich Frau Merkel offensiv gegen die
Einspeisevergütung bei der Windenergie ausgesprochen
hat. In dieser Branche weiß man auch, was in Dänemark
passiert ist, nachdem eine Koalition von Konservativen
und Rechtspopulisten die Regierung übernommen
hatte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dänemark, das auf dem Gebiet der Windenergie ein Vor-
reiter war, hinkt nun nach. Die Windenergiebranche, die
dort einstmals boomte, ist völlig zusammengebrochen.

Unsere Politik war an dieser Stelle nicht nur für die
Umwelt, sondern auch für die Unternehmen und den Ar-
beitsmarkt gut. Allein der Umsatz der Photovoltaik hat
sich versiebenfacht. Allein die Zahl der Arbeitsplätze
im Bereich der Windenergie hat sich verdreifacht. Wir
haben mit der Energiewende 60 000 neue Arbeitsplätze
allein auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien ge-
schaffen, wobei der Schwerpunkt in Ostdeutschland
lag.


(Beifall des Abg. Detlev von Larcher [SPD])


Diese Erfolge sind in Gefahr, wenn Sie darangehen, das
Erneuerbare-Energien-Gesetz rückgängig zu machen; Sie
haben es „verbessern“ genannt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja wohl ein Unterschied!)


Das DIW prognostiziert 250 000 neue Arbeitsplätze
allein durch die ökologische Steuerreform bis 2003. Sie
wollen auch da nicht mitmachen. Prognos rechnet mit
knapp 200 000 neuen Arbeitsplätzen, wenn wir bis 2040
die CO2-Emissionen um 40 Prozent senken. Dieses40-Prozent-Ziel, meine Damen und Herren von der
Union, würde Ihr Wahlprogramm wirklich schmücken.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir haben gezeigt, dass man mit einer energiepoliti-
schen Wende tatsächlich Arbeit schaffen kann. Wir haben
allein auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien mehr
Arbeitsplätze geschaffen, als es im Bereich der von Ihnen
so gehätschelten Atomindustrie je gegeben hat. Es geht
am 22. September auch darum, ob die ältesten
Reaktoren in Stade, Obrigheim und Neckarwestheim end-
lich vom Netz gehen oder ob, wie es die CDU in Baden-
Württenberg fordert, ihre Laufzeiten verlängert werden.


(Jörg Tauss [SPD]: 70 neue!)

Auch geht es darum, ob in Zukunft wieder Steuermilliar-
den verschwendet werden, um Ihre Fiktion vom Bau von
50 bis 70 neuen Atomkraftwerken hier in Deutschland of-
fen zu halten.


(Jörg Tauss [SPD]:70! – Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!)


Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu einem wei-
teren Punkt machen, bei dem wir etwas getan haben,
woran Sie gescheitert sind. Wir haben die Fläche der Na-
turschutzgebiete in den neuen Ländern verdoppelt und
mit dem neuen Bundesnaturschutzgesetz eine Regelung
für einen modernen Naturschutz geschaffen. Sie wissen,
dass der von mir geschätzte Klaus Töpfer daran geschei-
tert ist, weil Sie von der CDU/CSU ihn daran gehindert
haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Unglaublich!)

Sie haben auch dieses neue Gesetz bekämpft. Sie ha-

ben angekündigt, es rückgängig zu machen. Aber was
zeigte sich während der Flut? War es etwa nicht richtig,
dass wir auf der Basis dieses Gesetzes darangegangen
sind, Deiche rückzuverlegen, zum Beispiel an der Saale,
der Elbe in der Prignitz mehr Raum zu geben?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


War und ist es nicht vernünftig, durch einen Biotopver-
bund Auwälder wiederherzustellen, damit das Wasser in
den Auwäldern bleibt, anstatt in Passau oder Dresden in
die Keller zu fließen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe noch das Gejohle in den Ohren,

(Zuruf von der SPD: Wir alle!)





Bundesminister Jürgen Trittin
25512


(C)



(D)



(A)



(B)


als ich hier davon gesprochen habe, dass in das Bundes-
naturschutzgesetz eine Regelung für die gute, fachliche
Praxis der Landwirtschaft gehört. Schauen Sie sich ein-
mal die untere Havel an! Ist es nicht etwa wahr, dass der
Tod von 10 Millionen Fischen dieser Tage hätte verhin-
dert werden können, wenn in den Überschwemmungs-
poldern nicht Mais angebaut worden wäre? Wo wird das
für die Zukunft untersagt? Im neuen Bundesnaturschutz-
gesetz. Auf Überschwemmungsflächen betreibt man kei-
nen Ackerbau, sondern Grünland. Das ist gute fachliche
Praxis. Das haben wir im Gesetz festgeschrieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Meine Damen und Herren, heute weiß jeder: Guter Na-
turschutz ist die beste Vorsorge gegen Hochwasser.Nein,
das stimmt nicht: Nicht jeder weiß das. Ich habe mich ge-
fragt, warum der Möchtegern-Kanzlerkandidat von der
Spaßpartei sich nie auf den Deichen hat sehen lassen. War
die Zeit dafür nicht reif, liebe Kolleginnen und Kollegen?
Oder hat der Autopilot vom „Guidomobil“ versagt?


(Zuruf von der SPD: Das hat wohl keinen Spaß gemacht? – Jürgen Koppelin [FDP]: Dummes Zeug!)


– Herr Koppelin, bevor Sie sich aufregen, sage ich Ihnen:
Ich weiß jetzt, warum Sie nicht dort waren. Ich habe näm-
lich nachgesehen. Die Erklärung findet sich in etwas, von
dem viele glauben, dass es die FDP nicht hat, nämlich im
Wahlprogramm


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)


In diesem Wahlprogramm lautet die zentrale umweltpoli-
tische Forderung:

In der Schifffahrt müssen Maßnahmen gegen den
niedrigen Wasserstand auf den Bundeswasserstraßen
ergriffen werden.

(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Mit diesem Programm hätte ich mich an Guidos Stelle
auch nicht an der Bundeswasserstraße Elbe blicken las-
sen, während dort Sandsäcke gefüllt worden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425203900
Herr Minister, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Nein.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch noch einen zweiten Satz aus dem Programm vor!)


Wissen Sie, Herr Koppelin: Diese Politik erinnert mich
ein bisschen an den Manta-Fahrer, der im Krankenhaus

aufwacht, nachdem er gegen eine Mauer gefahren ist, und
der vom Arzt gefragt wird: Haben Sie denn die Mauer
nicht gesehen? Er sagt: Klar, habe ich sie gesehen. Ich
habe sogar gehupt.

(Heiterkeit – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Haben Sie das Herrn Bodewig auch gesagt?)

Meine Damen und Herren, am 22. September geht es

auch um die Alternative zwischen solcher umweltpoliti-
scher Ignoranz, die noch im Angesicht des Hochwassers
dafür plädiert hat, neue Staustufen an die Elbe und an die
Saale zu bauen, und einer Politik der ökologischen Mo-
dernisierung. Umweltschutz – das haben wir bewiesen –
schafft Arbeitsplätze und sichert Exportchancen. Umwelt-
schutz ist ein Garant für Wettbewerbsfähigkeit. Wir schaf-
fen dadurch Gerechtigkeit zwischen gesellschaftlichen
Gruppen. Umweltschutz, ernsthaft betrieben, schützt auch
vorbeugend vor Katastrophen.

Ökologische Modernisierung wird es nur mit dieser
Koalition geben. Das wissen die Bürgerinnen und Bürger
im Lande. Deswegen wird der heutige Haushalt nicht der
letzte sein, den wir einbringen, und schon gar nicht der
letzte, den wir hier verabschieden werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204000
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich das Wort der Kollegin Homburger.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch einen zweiten Satz zum Umweltschutz! – Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Diese männliche Reaktion auf die Worterteilung an eine
Kollegin finde ich nicht ganz in Ordnung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Bitte sehr, Frau Kollegin.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1425204100
Vielen Dank, Frau Präsi-
dentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an
dieser Stelle eines festhalten, Herr Trittin: Sie lesen ja
Wahlprogramme anderer Parteien sehr kursorisch und
behaupten alles Mögliche, zum Beispiel, dass wir rege-
nerative Energien nicht mehr fördern wollten. Sie sagen
natürlich nicht, dass wir ein anderes Fördermodell und
andere Dinge vorgeschlagen haben. Wir haben in der Tat
gesagt, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz so
nicht wollen, aber wir haben einen Vorschlag für ein
marktwirtschaftliches Fördermodell gemacht. Ich
würde das an Ihrer Stelle einfach einmal zur Kenntnis
nehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dann würde mich interessieren, warum Sie, Herr Kol-
lege Trittin, wenn die Klimapolitik der Bundesregierung
so wunderbar ist, wie Sie sie beschrieben haben, eigentlich
die ganze Zeit nur noch von europäischen Klimaschutz-
zielen bis 2012, nämlich minus 21 Prozent reden. Warum




Bundesminister Jürgen Trittin

25513


(C)



(D)



(A)



(B)


reden Sie eigentlich nicht mehr vom nationalen Ziel, bis
2005 eine Reduzierung von 25 Prozent zu schaffen?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die letzte Bemerkung an Herrn Trittin bezieht sich auf

den Vorwurf, dass der Bundesvorsitzende der FDP nicht
inHochwassergebieten gewesen wäre. Das trifft die Tat-
sache nicht. Herr Westerwelle war da, aber er war ohne
Pressetross da und hat sich ein entsprechendes Bild ge-
macht. In einer solch außergewöhnlichen Situation, Herr
Trittin, ist es sicherlich richtig, dass der Bundeskanzler,
der Bundespräsident und der Ministerpräsident vor Ort
sind. Aber dass da alle möglichen Minister mit Pressetross
anreisen und nur verursachen, dass diejenigen, die vor Ort
helfen wollen, teilweise von den Hilfsmaßnahmen abge-
zogen werden müssen, um aufzupassen, dass Sie nicht ins
Wasser fallen, ist nicht die Art von Solidarität, die wir
brauchen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204200
Herr Minister, ich er-
teile Ihnen das Wort zu einer Erwiderung.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Homburger, Sie
müssen einen Küstenbewohner nicht davor bewahren, ins
Wasser zu fallen. Ich habe schon auf Deichen gestanden,
da waren Sie vielleicht noch gar nicht geboren. Insofern
bedarf es dieser Fürsorge nicht. Ich muss allerdings auf
zwei Dinge nachdrücklich hinweisen:

Erstens. Ich habe nicht selektiv zitiert, sondern – ich
lese Ihnen gerne den Auszug aus dem Internet vor – im
Programm der FDP steht:

In der Schifffahrt müssen Maßnahmen gegen den
niedrigen Wasserstand auf den Bundeswasserstraßen
ergriffen werden.

Ich habe darauf hingewiesen und mich in Kenntnis der
Pressemitteilung Ihres Spaßkandidaten, dass er nicht an
die Deiche fahren wolle, gefragt, warum er sich nicht dort
hat blicken lassen. Diese Begründung leuchtet mir unmit-
telbar ein; Sie haben sie noch einmal bestätigt. Wenn Sie
jetzt sagen, er sei dennoch gefahren, dann habe ich keinen
Anlass, das infrage zu stellen. Ich als für Hochwasser zu-
ständiger Bundesminister jedenfalls musste mir natürlich
vor Ort ein Bild machen.

Ich habe aber auch zur Kenntnis genommen, gnädige
Frau, dass wir zu der Stunde, als wir die Pressemitteilung
Ihres Vorsitzenden bekamen, dass er nicht an die Deiche
fahren wolle, und wir gerade an den Deichen angekom-
men waren, eine Kollegin von Ihnen getroffen haben,
nämlich die Fraktionsvorsitzende im Landtag von
Sachsen-Anhalt, Frau Pieper.


(Birgit Homburger [FDP]: Ist doch in Ordnung!)


Alles, was Sie eben von diesen Menschen gesagt haben,
beziehen Sie bitte auch auf Frau Pieper.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Die wohnt dort! Im Gegensatz zu Frau Roth!)


– Ich habe da doch gar nichts kritisiert. Ich weiß gar nicht,
warum Sie sich so aufregen. Sie sind ganz schrecklich
aufgeregt, nur weil ich Ihnen vorhalte, dass sich Frau
Pieper nicht so verhält, wie Ihr Spaßkanzlerkandidat öf-
fentlich in Pressemitteilungen verkündet, wie sich die
FDP verhalten würde.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]: Da dreht er sich selber wie ein Brummkreisel!)


– Darf ich ausreden, Herr Koppelin? Für diejenigen, die
es offensichtlich nötig haben, hier ihre Nervosität und
Aufgeregtheit zu demonstrieren, sind Sie außerordentlich
ruhig.

Bleiben wir bei folgender Feststellung:

(Jürgen Koppelin [FDP]: Die drei Minuten sind um!)

Die FDP – Frau Pieper vorneweg – hat angesichts des
Hochwassers erklärt, sie wolle zusätzliche Staustufen an
der Saale und der Elbe. Genau das ist der politische Kon-
flikt. Deswegen sage ich Ihnen: Diese Ignoranz ange-
sichts des Hochwassers ist schwer erträglich. Den um-
weltpolitischen Offenbarungseid wollte ich Ihnen hier
nicht ersparen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204300
Für die CDU/CSU-
Fraktion hat jetzt der Kollege Austermann das Wort.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, der neue Umweltexperte! Habt ihr keinen gefunden oder was? Herr Austermann!)



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1425204400
Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Das letzte Mal, dass ich
im Zusammenhang mit dem Thema Flut an Herrn Trittin
gedacht habe, war im Jahre 1981. Da war ich Stadtdirek-
tor in Göttingen und wir mussten ihm mit dem Wasser-
werfer Rechtsstaat beibringen. Da gab es eine ordentliche,
kräftige Wasserflut.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Trittin, Sie haben heute hier die Leistungen der
Regierung bei dem Thema erneuerbare Energien gelobt.
Wir haben schon Windmühlen an der Küste gebaut, als
Sie politisch noch Hemd und Hose aus einem Stück an-
hatten.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Deutschland war

1998 Weltmeister bei der Windenergie und bei der Solar-
zellenproduktion.


(Lachen des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])





Birgit Homburger
25514


(C)



(D)



(A)



(B)


Bei einer Windparkeinweihung vor wenigen Tagen habe
ich festgestellt: Die Genehmigung für diesen Windpark,
der jetzt in Betrieb genommen wurde, wurde 1997 bean-
tragt. Sicher war der grüne Umweltminister Müller daran
beteiligt, dass das Ganze nicht schneller umgesetzt wurde.

Umweltpolitik und das Thema erneuerbare Energien
sind in den letzten Legislaturperioden ganz entscheidend
angegangen worden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP])


Der Unterschied ist, dass wir uns bemüht haben, im
Jahre 1990 beim Einspeisegesetz Grüne und andere mit
einzubeziehen, während Sie sich im Jahre 2000, als das
EEG verabschiedet werden sollte, ganz einseitig in eine
bestimmte Richtung begeben haben. Wir haben gesagt:
Wir warnen vor dem Gesetz – nicht vor der Vergütungs-
höhe, aber vor der Tatsache, dass der Mittelstand dabei
unter die Räder kommt, weil die großen Energieversor-
gungsunternehmen eine bedeutendere Rolle spielen.

Es muss auch Ihnen, wenn Sie heute von Umwelt-
schutz reden, klar sein, dass dieser mit Verordnungen zum
CO2-Ausstoß und zu Großfeuerungsanlagen sowie derEinführung des Katalysators und des grünen Benzins und
vielen anderen Dingen mehr, die in den 16 Jahren unse-
rer Regierungszeit geschaffen worden sind, begonnen
hat. Es ist töricht, jetzt die Behauptung aufzustellen, un-
sere Energiepolitiker hätten gesagt, wir wollten 40 oder
50 neue Kernkraftwerke bauen. Davon steht in unserem
Programm nichts, wie Sie feststellen können, wenn Sie es
sich anschauen.

Ich sage Ihnen aber etwas über die Wirkung unserer
Politik. Dabei beziehe ich mich auf befreundete Organi-
sationen und Gutachter. Das DIW hat vor kurzem Fol-
gendes festgestellt: Beim Ausstoß von CO2 hat es in denJahren bis 1998 eine Reduktion um 15 Prozent gegeben.
Gemessen daran – so hat das DIW, das ich politisch eher
der SPD zuordnen würde, mit Sicherheit nicht der Union,
festgestellt – ist die Schadstoffreduktion in der Zeit von
1998 bis 2002 kümmerlich gewesen; etwas Vergleichba-
res habe es nicht gegeben.

Nun können Sie sagen, das liegt an der Rezession; es
wird weniger Schadstoff ausgestoßen und weniger Ener-
gie verbraucht. Sie können auch sagen, es lag am milden
Winter. Aber Faktum ist: Es ist mehr CO2 ausgestoßenworden und dem Ziel, eine Reduktion um 25 Prozent zu
erreichen – eine Vorgabe aus unserer Regierungszeit –,
sind Sie nicht näher gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben alles bekämpft, was wir versucht haben!)


Ich will Ihnen ein Letztes zum Thema erneuerbare
Energien in Schleswig-Holstein sagen. Natürlich gibt es
in Bayern mehr Wasserkraft als Windmühlen und an der
Nordseeküste mehr Windmühlen. Das ist ganz klar, das
hängt auch mit der Landschaft zusammen. Aber unterhal-
ten Sie sich bitte einmal mit Ihrem Umweltminister und
mit der Landwirtschaftsministerin in Schleswig-Holstein
über die Vorbedingungen, die Sie jetzt für Offshorewind-
parks geschaffen haben! Wir unterstützen Offshore, Re-

powering, erneuerbare Energien und wegen der CO2-Wir-kung auch Kernenergie, was aber nicht heißt, dass wir den
Bau neuer Kraftwerke wollen. Bevor Sie sich jedoch nicht
über die Bedingungen für neue Offshoreanlagen unterhal-
ten haben, brauchen Sie hier in Sachen erneuerbare Ener-
gien oder Umweltschutz die Backen nicht aufzublasen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204500
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Michael Müller.

Michael Müller (Düsseldorf) (SPD) (von der Abg.
Dr. Margrit Spielmann (SPD) mit Beifall begrüßt): Meine
Damen und Herren! Der Umweltschutz ist nicht nur des-
wegen wichtig, weil wir eine Verantwortung für die Le-
bensbedingungen zukünftiger Generationen haben. Er ist
auch deshalb wichtig, weil die ökologische Modernisie-
rung mit der Globalisierung einen sehr viel weitergehen-
den Stellenwert bekommen hat.

Wenn man die Arbeit der Regierung der letzten vier
Jahre bewertet, dann liegt der zentrale Unterschied zwi-
schen der Regierung und der Opposition darin, dass die
eine Seite die ökologische Modernisierung vorantreibt
und die andere Seite sie bremst. Auf diesem Unterschied
basiert die Auseinandersetzung, die wir erleben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schauen Sie sich beispielsweise die 18 klimaschutzre-
levanten Maßnahmen seit 1998 an. Die Opposition hat ge-
gen alle diese Maßnahmen gestimmt. Nicht bei einer
Maßnahme hat sie weitergehende Forderungen gestellt.
Realität ist, dass Sie gebremst haben. Das ist eine völlig
andere Situation als in früheren Legislaturperioden, in
denen Sie an der Regierung waren und von der Opposi-
tion getrieben wurden, weitergehende Positionen durch-
zusetzen. In den letzten vier Jahren haben Sie nur ge-
bremst oder versucht zu verhindern. Darin liegt der
entscheidende Unterschied. Trotz Ihres Widerstandes ha-
ben wir viel erreicht, auf das wir stolz sein können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weil sich aufgrund der Globalisierung die Perspektive
für eine ökologische Modernisierung erweitert hat, müs-
sen wir versuchen, die beiden großen Herausforderungen
der Zukunft, nämlich die Bekämpfung der Massenar-
beitslosigkeit einerseits und die Bewahrung der natürli-
chen Lebensgrundlagen andererseits, in einer Politik zu-
sammenzuführen und diese Politik sozial verträglich zu
gestalten. Das ist die Richtungsentscheidung, um die es
geht, und das ist auch die Aufgabe, für deren Bewältigung
wir in den nächsten vier Jahren wieder werben werden.

Eine Politik der ökologischen Modernisierung ist kein
Luxus. Es handelt sich auch nicht um eine Politik, die man
nur macht, wenn es einem gut geht oder wenn eine Katas-
trophe vor der Tür steht. In dieser Politik liegt vielmehr die
große Chance, die Zukunftsaufgaben zu bewältigen; denn
jede Maßnahme zur Verbesserung der Öko-Produktivität




Dietrich Austermann

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(C)



(D)



(A)



(B)


und damit zur Senkung des Energie- und Ressourcenver-
brauchs bedeutet in der Konsequenz, neue Märkte zu er-
schließen, die Umwelt zu schützen, mehr Arbeitsplätze zu
schaffen und einen wesentlichen Beitrag für die Entwick-
lung der Welt zu leisten. Wir wissen doch: Nach dem heu-
tigen Modell des Energie- und Ressourcenverbrauchs darf
sich die Welt nicht entwickeln, weil das in den Kollaps
führen würde.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Wahrheit ist, dass Sie dieses Thema verdrängt ha-
ben, weil es Ihnen unbequem ist und weil Sie bei diesem
Thema nicht viel zu bieten haben. Das Hochwasser hat Sie
bei diesem Defizit offen gelegt. Um es auf den Punkt zu
bringen: Das Hochwasser hat deutlich gemacht, dass Sie
in der Ökologie einen blinden Fleck haben, der jetzt zur
Chefsache geworden ist. Aber das ändert nichts. Denn wo
keine Kompetenz ist, kann man auch nichts ändern.

Der Satz, dass die Attraktivität der Politik der ökologi-
schen Modernisierung zurückgeht, wenn die Flut zurück-
geht, darf sich deshalb nicht bewahrheiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Überall in der Welt nehmen nämlich die Alarmsignale zu.
Wir hatten beispielsweise in Australien in diesem Jahr die
längste Dürreperiode seit 200 Jahren. Seit Anfang der
60er-Jahre schreitet die Wüstenbildung Jahr für Jahr
voran. Wir erkennen, dass in immer zahlreicheren Mee-
resregionen die kritische Temperatur von 27 Grad – dies
ist der Kumulationspunkt für Sturmfluten – in den Deck-
schichten überschritten wird. Es gibt Hinweise, dass Ende
des Jahres wieder der El Niño auftreten wird.

Es geht jetzt um konkrete Hilfe in unserem Land. Das
Problem, um das es geht, hat aber Auswirkungen weit
über unser Land hinaus. Die Frage, die sich uns stellt, ist,
ob moderne Industriegesellschaften fähig sind, Ökono-
mie und Ökologie zu versöhnen. Wir müssen unsere Po-
litik weiter verfolgen, weil wir auf diesem Feld ein Vor-
reiter sind und ein Vorreiter bleiben wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen nicht, dass die Umweltpolitik durch kurze
Zyklen bestimmt wird.

Die Vorschläge der Opposition zur Umweltpolitik sind
aus meiner Sicht mit drei Begriffen zu charakterisieren:
unklar, widersprüchlich und rückwärts gewandt. Ich will
zu allen dreien etwas sagen.

Herr Stoiber kündigt an, dass er einen Umweltpakt
ankündigen will. Was ist das für eine Umweltpolitik? Er
kündigt an, dass er einen ankündigen will. Als er, nach-
dem er das groß in der Zeitung verkündet hatte, das auf ei-
ner Konferenz hätte tun können, hat er gesagt, er wird ihn
ankündigen. Das ist Versagen vor einem Zukunftsthema.
Anders kann man das nicht nennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Stichwort Energiepolitik: Frau Merkel und auch an-
dere haben gesagt, sie wollten die Option Atomenergie

offen halten. Wir fragen uns natürlich, warum die
CDU/CSU in der Enquete-Kommission Spielchen betreibt,
wie beispielsweise die Forderung nach 50 bis 70 neuen
Atomkraftwerken aufzustellen. Ich frage Sie: Machen Sie
das als rein theoretisches Spiel oder was steht dahinter?


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo denn? – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wo steht das denn?)


– Ich weiß, Sie haben da einen Fehler gemacht. Dadurch
ist deutlich geworden, was bei Ihnen dahinter steht.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!)


Ich sage Ihnen: Selbst die Option auf Atomenergie ist Un-
sinn; denn Sie haben nicht begriffen, dass die Frage der
Energieträger und die Frage der Effizienz einen unmittel-
baren Zusammenhang bilden. Sie werden mit Atomener-
gie keine Effizienz und keine Solarstrukturen aufbauen
können. Das ist technologisch und organisatorisch nicht
zu vereinbaren. Es geht nicht um den Austausch von
Energieträgern, es geht vielmehr um ein System, bei dem
so wenig Energie wie möglich verbraucht wird. Das ist ein
völlig anderer Ansatz.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wieso denn?)


Folgerichtigerweise haben Sie auch das Kraft-Wärme-
Kopplungsgesetz abgelehnt. Es enthält nämlich eine andere
Energiephilosophie, eine, die besagt: Vor dem Hintergrund
der begrenzten Ressourcen und auch der unzureichenden
Tragfähigkeit der Ökosysteme besteht moderne Energiepo-
litik darin, so wenig Energie wie möglich einzusetzen und
nicht einfach nur die Energieträger auszutauschen. Das ist
genau der Ansatz, den wir vertreten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie wollen zurück in Dinosauriertechnologien. Wir sagen:
Nur eine dezentrale effiziente und die solare Energiever-
sorgung kann sich die Welt leisten. Oder wollen Sie bei-
spielsweise die alten Großtechnologien in der Dritten
Welt aufbauen? Wer soll die eigentlich bezahlen? Wir
brauchen intelligente, dezentrale Systeme.

Zweitens. Ihre Umweltpolitik ist widersprüchlich.
Herr Stoiber sagte am 18. September 1997 in Sorge über
die Zunahme der Getränkedosen, die seinem Verständnis
von Umweltschutz entgegensteht – ich zitiere –:

Wir drängen die Bundesumweltministerin,
– sprich: Angela Merkel –

das Instrumentarium der Verpackungsverordnung
– sprich: Dosenpfand –

konsequent anzuwenden.
Das ist gerade fünf Jahre her. Seitdem hat sich die Quote
zulasten von Mehrweg noch verschlechtert. Welchen
Grund sollte es geben, das von Herrn Töpfer eingeführte
Instrumentarium heute nicht einzusetzen?


(Birgit Homburger [FDP]: Neue Entwicklungen!)





Michael Müller (Düsseldorf)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Das kann doch nur Opportunismus sein, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der neue Weg sieht so aus, dass Sie eine Quote vorschla-
gen, die weit unter der heutigen Mehrwegquote liegt und
damit das Instrument auch ökonomisch völlig uninteres-
sant macht. Das wissen Sie doch ganz genau. Ist das denn
eine verlässliche Politik gegenüber dem Mittelstand, der
im Vertrauen auf dieses Gesetz investiert hat? Wie kann
man auf der einen Seite behaupten, man sei die Mittel-
standspartei, und auf der anderen Seite so eklatant die In-
teressen des Mittelstandes verletzen? Das geht nicht zu-
sammen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will mit der Rückwärtsgewandtheit Ihrer Politik ei-
nen dritten Punkt nennen. Die Novelle des Naturschutz-
gesetzes ist gegen Sie durchgesetzt worden. Sie waren
nicht für den Stopp des Baus der Staustufen an der Donau.
Sie haben das KWK-Gesetz verhindert. Auch in der Ver-
braucherpolitik ist von Ihnen nichts außer den alten Kla-
motten zu hören. Wir brauchen doch eine moderne Ver-
braucherpolitik, die nicht nur ökologisch orientiert ist,
sondern die vor allem auch den Verbraucher stärkt. Mit ei-
ner modernen Verbraucher- und Landwirtschafts-
politik kann man auch in der globalisierten Welt deutlich
machen, dass man mit einem anderen Umgang mit der
Natur die Ernährungsprobleme lösen und gleichzeitig die
natürlichen Lebensgrundlagen schützen kann. Der Verlust
von jährlich 5 bis 6 Millionen Hektar landwirtschaftlicher
Fläche ist ein dramatisches Alarmzeichen, das auch hin-
sichtlich bestimmter Anbaumethoden, die in der Welt
praktiziert werden, gesehen werden muss. Ökologische
Modernisierung bedeutet auch eine neue Landwirt-
schaftspolitik. Diese andere Landwirtschaftspolitik liegt
auch im Interesse der Landwirtschaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese drei Kriterien zeigen, dass hier zentrale Unter-
schiede zwischen Opposition und Regierungsparteien lie-
gen.

Wie geht es aus unserer Sicht bei der ökologischen
Modernisierung weiter? Wir wollen in der nächsten Le-
gislaturperiode drei große Aufgaben vorantreiben. Die
erste Aufgabe ist: Wir wollen Arbeit und Umwelt mehr
miteinander verbinden. Mit einer Reduktion des Material-
und Energieeinsatzes in unserer Volkswirtschaft können
nicht nur die Importkosten für die Ressourcen und damit
die entsprechenden Kostenbelastung bei den Unternehmen
in einer Größenordnung von etwa 80 Milliarden Euro ge-
senkt, sondern gleichzeitig zwischen 500 000 und 800 000
neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das sind die Erfah-
rungen, die wir mit dem Energiesparen gemacht haben.
Dies ist der richtige Weg, um Arbeit und Umwelt mitei-
nander zu verbinden. Das ist der Weg, den wir weiterge-
hen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die zweite Aufgabe ist: Wir wollen die ökologische
Modernisierung zum Markenzeichen der Entwicklung
der Europäischen Union machen. Zum Profil der Euro-
päischen Union in der Globalisierung muss die ökologi-
sche Modernisierung werden. Das ist die große Chance,
die sie gegen die Spekulationsblasen, die es überall in der
Welt gibt, hat. Damit kann es gelingen, Produktivität, Ar-
beit und globale Friedenspolitik miteinander zu verbin-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hier tragen wir Verantwortung und dieser Verantwor-

tung können wir nur nachkommen, wenn die Bundesre-
publik weiter Vorreiter bei der ökologischen Modernisie-
rung bleibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mein letzter Punkt: Wir müssen mehr Partnerschaft
für die Eine Welt praktizieren. Ökologie heißt, ein ande-
res Verständnis von der Einen Welt zu haben.

Deshalb lassen Sie mich zusammenfassen: Politik
muss vor allem die langen Ketten beachten; in der Beach-
tung der langen Ketten liegt der fundamentale Unter-
schied zwischen Regierung und Opposition.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204600
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich das Wort der Kollegin Bulling-
Schröter.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1425204700
Kollege Müller hat hier
geäußert, die Opposition habe 18 sozialökologischen Pro-
jekten die Zustimmung verweigert. Die PDS zählt sich
auch zur Opposition, zur linken Opposition. Um einigen
Legenden vorzubeugen, möchte ich klarstellen: Die PDS-
Fraktion im Bundestag hat das Erneuerbare-Energien-Ge-
setz unterstützt. Wir haben den Atomkonsens allerdings
nicht unterstützt, weil wir nach wie vor für einen soforti-
gen Atomausstieg sind.

Wir haben einen eigenen Antrag zur Erhöhung des An-
teils der Kraft-Wärme-Kopplung eingebracht. Wir haben
eine eigene Novelle des Naturschutzgesetzes eingebracht.
Der Antrag zum sanften Donauausbau war von uns,
während die CDU/CSU etwas anderes vorhatte. Sie haben
unseren Antrag abgelehnt, während wir Ihrem zuge-
stimmt haben.

Wir möchten, dass die Ökosteuer umgewidmet und das
ganze Ökosteueraufkommen in den ökologischen Umbau
gesteckt wird. Wir haben Anträge eingebracht, um den
Rückzug der Bahn aus der Fläche zu verhindern. Wir ha-
ben ferner den Antrag eingebracht, die ICE-Strecke Nürn-
berg–Erfurt–Berlin nicht so auszubauen, dass ökologi-
sche Substanz zerstört wird.

Schließlich haben Sie von der Partnerschaft mit der
DrittenWelt gesprochen.Nachwie vor steht die Forderung
im Raum, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Ent-
wicklungshilfe aufzuwenden. Ein diesbezüglicher Antrag




Michael Müller (Düsseldorf)


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ist von uns eingebracht worden; er wurde von Ihrer Seite
abgelehnt.


(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425204800
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer für die FDP-
Fraktion.


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1425204900
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem Ausflug
in die Umweltpolitik, der zweifellos sehr interessant war,
möchte ich nun zur Sozialpolitik zurückkehren.


(Beifall bei der FDP)

In der vorigen Debatte haben wir die Sozialpolitik abge-
schlossen. Deshalb möchte ich mit dem Thema Gesund-
heit wieder in die Debatte einsteigen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ titelt heute: „Debatte über
ein Phantom“. Sie meint damit das, was sich in diesen bei-
den Tagen hier im Plenarsaal abspielt. Recht hat sie. Es
handelt sich in der Tat um die Debatte über ein Phantom;
denn dieser Haushalt – das wurde schon mehrfach ausge-
führt – ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist.
Er ist Makulatur.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Umweltverschmutzung!)


Dass Sie aber, um zu vertuschen und zu verschönern,
vor nichts zurückscheuen, hat der Kollege Franz Thönnes
in seiner Rede noch einmal deutlich gemacht. Herr
Thönnes hat mit großer Emphase behauptet, 1998, als
Rot-Grün die Regierung übernommen hat, habe es
4,8 Millionen Arbeitslose gegeben. Herr Thönnes weiß,
dass das falsch ist. Dies ist die Unwahrheit, die auch durch
ständige Wiederholung nicht richtiger wird.

Im September 1998 war die Zahl der Arbeitslosen
schon niedriger als heute. Im Oktober 1998 war sie noch
einmal um 200 000 niedriger, das heißt, sie war deutlich
niedriger als heute.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Dies macht deutlich, worum es Ihnen, meine Damen

und Herren, geht: Sie wollen verschleiern, dass es in der
Reformpolitik in den vergangenen vier Jahren Stillstand
gegeben hat, dass diese Jahre ein Rückschritt waren und
wir im Grunde ganz von vorne anfangen müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn 1999 die Gesundheitsreform kaputt gemacht? Das waren Sie doch!)


Das „Handelsblatt“ schreibt heute: Das größte Pro-
blem, vor dem wir stehen, ist der Reformstau. Man muss
die Augen wirklich schon sehr fest vor der Wirklichkeit
verschlossen haben, wenn man sich wie Herr Riester
heute Morgen hier hinstellt und sagt: Wir haben unser Re-
formprogramm abgearbeitet.


(Dirk Niebel [FDP]: Zehn Tage noch!)


Diese Bundesregierung hat wirklich nichts erreicht. Sie
haben Bewegung gemacht, damit sich ja nichts verändert.
Dies ist genau der falsche Weg.


(Beifall bei der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was ist das für ein Unsinn?)


Bevor ich eine Bemerkung zur Krankenversicherung
mache, möchte ich noch etwas zu einigen anderen Punk-
ten ausführen: Die Beitragssätze in der Rentenversiche-
rung stehen heute bei 19,1 Prozent. Es ist völlig klar, dass
dies nicht ausreicht. Herr Riester sagte dazu in seiner
Rede kein Wort. Es stellt sich nur noch die Frage, ob der
Beitragssatz auf 19,5 Prozent oder noch darüber steigt.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Quatsch! Völlig dummes Zeug! – Jörg Tauss [SPD]: Wie viel hatten Sie?)


In der Krankenversicherung sind die Beiträge gerade
überall auf im Schnitt circa 14 Prozent angehoben wor-
den. Trotzdem liegt das Defizit der gesetzlichen Kran-
kenkassen im zweiten Halbjahr 2002 schon wieder bei
2,4 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass zum Ende des
Jahres die Beitragssätze schon wieder angehoben werden
müssen.

Was aber sagt diese Bundesregierung dazu? Die Mi-
nisterin hat dazu noch die Chance, aber bisher hat die
Bundesregierung in dieser Debatte versucht, sich über all
diese Probleme hinwegzumogeln, um die Wähler mög-
lichst hinter die Fichte zu führen. Wir werden nicht zulas-
sen, dass Sie damit Erfolg haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich diese beiden Dinge zusammennehme und die
Abgabenquote ausrechne – Sie waren ja so stolz darauf, die
Abgabenquote durch die Einführung der Ökosteuer ge-
senkt zu haben –, also das, was unausweichlich vor uns
liegt, zusammenrechne, komme ich auf eine Abgabenquote
von 42,2 Prozent. Diese ist höher als diejenige am 31. De-
zember 1998, als Sie die Regierung übernommen haben,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie rechnen ja auch falsch!)


und dies, obwohl Sie mit der Ökosteuer eine falsche Ab-
gabenquotensenkung von 0,8 Prozent dort hineingemo-
gelt haben. Sie sind mit allem, was Sie sich vorgenommen
haben, gescheitert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mindestens genauso schlimm sind die unsozialen Aus-
wirkungen dieser Politik.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ausgerechnet aus Ihrem Munde!)


Jeder Arbeitnehmer wird durch diese erhöhten Beitrags-
sätze im nächsten Jahr mit circa 50 Euro im Monat zu-
sätzlich zur Kasse gebeten.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Wenn man all dies zusammennimmt – verschobene Steu-
erreform, eine zusätzliche Stufe der Ökosteuer und die




Eva Bulling-Schröter
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(D)



(A)



(B)


steigenden Beiträge in der Renten- und Krankenversiche-
rung –, zeichnet sich jetzt schon ab, dass alle Bürger im
nächsten Jahr netto deutlich weniger im Portemonnaie
haben werden. Sie aber hatten ihnen genau das Gegenteil
versprochen.


(Beifall bei der FDP)

Genau das Gegenteil ist aber auch notwendig. Die Bür-

ger brauchen mehr Geld, damit sie mehr konsumieren
können. Dies bekommt man aber nur, wenn man eine an-
dere als Ihre verfehlte Politik macht.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

Sie dürfen nicht weiter in der Verantwortung bleiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Situation in der Krankenversicherung ist in der Tat
katastrophal. Trotz steigender Beiträge werden Operatio-
nen verschoben. Kassenpatienten müssen notwendige Arz-
neimittel selbst bezahlen, weil im Budget nichts mehr ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Das sind Ihre Wahlleistungen!)


Dies bedeutet Zweiklassenmedizin. Sie sind die Unsozia-
len, die den Bürgern zusätzliche Dinge aufbürden.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt kommen die Pflichtleistungen!)


Insofern ist es auch kein Wunder, dass deutlich mehr als
die Hälfte der Bürger sagt, die rot-grüne Gesundheitspo-
litik wollen sie nicht haben, weil sie verfehlt ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rudolf Bindig [SPD]: Die FDP schon gar nicht!)


Bisher habe ich von der Ministerin weder zu den kurz-
fristigen noch zu den langfristigen Problemen wirklich
konkrete Vorschläge gehört, mit denen die Misere beho-
ben werden könnte. Heute Morgen in der Ausschusssit-
zung wusste sie sich offensichtlich nicht anders zu helfen,
um den Fragebedarf der Opposition abzuwehren, als
lange Zahlenkolonnen vorzutragen, denen man wirklich
nichts entnehmen kann. Es war ein Bild der Hilflosigkeit,
weil sie sich nicht getraut hat, Antworten auf die konkre-
ten Fragen zu geben, die uns beschäftigen.


(Beifall bei der FDP)

Wir haben nichts von ihr darüber gehört, was sie tun will,
um die Beitragsmindereinnahmen in den ostdeutschen
Bundesländern, die durch das Flutereignis entstanden
sind, aufzufangen. Wir haben nichts von ihr gehört, wie
man in den ostdeutschen Bundesländern, wo bald ganze
Landstriche ohne ärztliche Versorgung dastehen, zu einer
Verbesserung der Situation kommen kann. Diese Ent-
wicklung haben Sie durch Ihre unselige Budgetierung zu
verantworten.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wer hat denn die Budgetierung eingeführt?)


Deswegen ist es dringend notwendig, dass diese abge-
schafft wird.


(Beifall bei der FDP)


Wir brauchen eine Neuausrichtung des Gesundheitswe-
sens.


(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Ausgerechnet diese Abzockerpartei!)


Lassen Sie mich noch einen anderen Punkt kurz an-
sprechen. Ich möchte nachfragen: Frau Ministerin, ist es
eigentlich richtig, dass in den vergangenen Wochen in
Ihrem Ministerium über 30 Stellen angehoben worden
sind, und zwar Stellen, die im Wesentlichen, nicht überall,
aktive Sozialdemokraten innehaben?


(Zurufe von der FDP: Hört! Hört! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo kommt denn das Geld her? Haushaltssperre!)


Frau Ministerin, ist es richtig, dass Sie im Gegenzug aus
den Mitteln für Prävention und Aufklärung bei Aids und
Drogenkrankheiten 1 Milliarde DM abgezogen haben
bzw. noch abziehen wollen?


(Dirk Niebel [FDP]: Unglaublich! Das ist skandalös!)


Dies dient angeblich den Flutopfern, hat ganz sicher aber
den bereits genannten Hintergrund, da eine andere Mög-
lichkeit der Finanzierung dieser Stellenanhebungen nicht
gegeben ist.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425205000
Frau Kollegin, den-
ken Sie an Ihre Redezeit.


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1425205100
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheitspolitik
braucht eine neue Ausrichtung, ohne Bürokratie, ohne
Zwang, mit mehr Vertrauen für die Patienten und für die-
jenigen, die ihre Leistungen erbringen. Das werden wir
tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rudolf Bindig [SPD]: Partei der Besserverdiener!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425205200
Für die PDS-Fraktion
hat jetzt die Kollegin Dr. Ruth Fuchs das Wort.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1425205300
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ob man
diese Debatte wirklich ernst nehmen kann, würde ich in-
frage stellen;


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann gehen Sie nach Hause!)


denn die Politikfelder Umwelt, Verbraucherschutz und
Gesundheit werden hier in einer Debatte von einer Stunde
Dauer abgehandelt. Dabei sind alle diese drei Politikfel-
der problembeladen. Darum hätte auch jedes einzelne
Feld eine eigene Diskussion verdient.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Irmgard Schwaetzer

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(D)



(A)



(B)


Ich habe nur fünf Minuten Redezeit. Deswegen halte
ich es so wie meine Vorrednerin und konzentriere mich
auf die Gesundheitspolitik. Es werden ja noch zwei her-
vorragende Redner nach mir sprechen.

Meine Damen und Herren, wenn es wirklich stimmt,
dass Haushalt in Zahlen gegossene Politik ist, dann sieht
es für den Einzelplan 15 wahrlich nicht rosig aus. Die
Bundesausgaben für pflegerische Zwecke werden gegen-
über den Vorjahren weiter gekürzt. So geschehen ist dies
bei den Geldern des Bundes für Modellmaßnahmen zur
besseren Versorgung Pflegebedürftiger, und zwar von
19,6 Millionen Euro auf 13,6 Millionen Euro. Ebenso
werden die Zuschüsse für die Errichtungs- und Ausstat-
tungskosten für Modellpflegeeinrichtungen von 16 Milli-
onen Euro auf 10 Millionen Euro gesenkt.

Frau Ministerin, wenn im Pflegebereich in unserem
Land wirklich alles in Ordnung wäre, dann könnte man
diese Kürzungen irgendwie noch rechtfertigen; denn För-
derungen für Modellprojekte sind meistens – das wissen
wir alle – zeitbezogen. Genau das Gegenteil ist aber der
Fall. Niemand, der die täglich größer werdenden Pro-
bleme im Pflegebereich aus der Praxis kennt, kann diese
Vorgehensweise nachvollziehen und schon gar nicht mit-
tragen,


(Beifall bei der PDS)

vor allem deswegen nicht, weil die Einführung der Fall-
pauschalen im Krankenhaus zukünftig einen Mehrbedarf
an pflegerischen Leistungen bedeutet, auf den der ambu-
lante Sektor überhaupt nicht vorbereitet ist.

Auch die großen Finanzschwierigkeiten in der ge-
setzlichen Krankenversicherung halten an. Im ersten
Halbjahr ist ein Defizit von 2,4 Milliarden Euro aufgetre-
ten. Auch wenn erfahrungsgemäß damit zu rechnen ist,
dass sich das Defizit im zweiten Halbjahr etwas verrin-
gert, sind und bleiben die wiederkehrenden Defizite Aus-
druck vieler ungelöster Probleme. Richtig ist, meine Da-
men und Herren von der Union – ich glaube, Herr
Seehofer wird das nachher wiederholen –: Die Politik der
letzten vier Jahre ist der Lösung der Probleme nicht viel
näher gekommen. Aber auch Ihr heutiger Antrag wird es
nicht richten. Er ist blanker Wahlpopulismus; denn außer
dem Loblied auf Ihre vergangene Regierungszeit enthält
er keinen einzigen zukunftsweisenden Vorschlag.


(Beifall bei der PDS – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!)


In Ihrem Wahlprogramm machen Sie Vorschläge – das
sind alles alte Hüte –, die in der Praxis schon gescheitert
waren. Sie locken wieder einmal mit freiwilliger Abwahl
bzw. Zuwahl von Leistungen. Sie versprechen Beitragser-
mäßigungen bzw. Selbstbehalte nach dem Kaskoprinzip.
Meine Damen und Herren von der Union, wenn Sie in
Ihrem Programm immer noch davon reden, den solidari-
schen Ausgleich als tragendes Element erhalten zu wol-
len, dann sind Sie es und kein anderer, der den Wählern
Sand in die Augen streut. Die Wahrheit ist: Ihr Wahlfrei-
heitskonzept setzt das Solidarsystem Schritt für Schritt
außer Kraft.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das habt ihr doch schon gemacht!)


Die FDPmit Herrn Möllemann an der Spitze ist da ehr-
licher, aber deshalb nicht besser. Heute hat zwar Frau
Schwaetzer und nicht Herr Möllemann gesprochen, aber
einen großen Unterschied habe ich nicht gemerkt. Sie re-
den gemeinsam offen über die Abschaffung der so ge-
nannten Zwangsmitgliedschaft in der GKV und fordern
den Abbau des Solidarsystems zugunsten der Marktwirt-
schaft. Ein klein bisschen Soziales lässt die FDP noch
übrig.


(Ina Lenke [FDP]: Quatsch! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Da haben Sie etwas falsch verstanden!)


– Ich habe sehr genau gelesen, Frau Schwaetzer. Lesen
kann ich noch, auch wenn ich aus dem Osten komme.

Für einkommensschwache Menschen soll der Staat für
die dringendsten medizinischen Grundleistungen sorgen.
Dazu sage ich Ihnen, Frau Schwaetzer: Ihr Programm ist
gesundheitliche Versorgung nach dem Sozialhilfeprinzip.
Das hat mit sozialer Marktwirtschaft, so wie sie im
Grundgesetz steht, überhaupt nichts zu tun.


(Beifall bei der PDS)

Ich will auf die Probleme der gesetzlichen Kranken-

versicherung, die niemand kleinreden will, zu sprechen
kommen: Wir alle wissen, dass dem Ausgabenproblem
seit Jahren ein noch größeres Einnahmenproblem ge-
genübersteht, das mit zunehmender Arbeitslosigkeit im-
mer größer wird. Wer auf diese Einsicht nicht mit prakti-
schen Politikvorschlägen antwortet, wird auch in der
Zukunft mit seiner Gesundheitspolitik scheitern.

Folgendes gehört dazu, wenn wir über die Finanzsitua-
tion reden: Es waren die sozialpolitischen Verschiebe-
bahnhöfe, die die Situation der Kassen erst richtig ver-
schärft haben. Leider – ich betone das – hat sich nach der
Kohl-Regierung auch Rot-Grün an dieser Politik beteiligt.
Ich sage es ehrlich und offen: Es ist zu befürchten, dass es
im neuen Bundestag zu Mehrheiten kommen kann, die ei-
nen weiteren Privatisierungsschub bei den Krankheitskos-
ten wollen und je nach Konstellation vorantreiben wer-
den.

Wir als PDS sagen: Unabhängig von der Zusammen-
setzung der neuen Regierung wird entscheidend sein, in
welchem Umfang und mit welchem Gewicht sich außer-
parlamentarische Kräfte formieren und das Solidarsys-
tem verteidigen werden. Wir als PDS werden dem zu-
nehmenden Druck in Richtung Entsolidarisierung und
Ökonomisierung immer Widerstand entgegensetzen und
diesen außerparlamentarischen Widerstand auch hier im
Plenum vertreten. Auch wenn die Umfrageergebnisse ein
anderes Ergebnis nahe legen, müssen Sie sich damit ab-
finden, dass wir wieder in den Bundestag hineinkommen.
Wir werden uns mit Ihnen auseinander setzen. Wir wer-
den verhindern, dass es zu dieser Entsolidarisierung
kommt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425205400
Ich erteile das Wort
der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.




Dr. Ruth Fuchs
25520


(C)



(D)



(A)



(B)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1425205500
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau
Schwaetzer, ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass
Sie über eine Ausschusssitzung berichten, an der Sie sel-
ber nicht teilgenommen haben.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)


Ich darf Ihnen sagen: Mich haben Ihre Kollegen aus der
FDPaufgefordert, etwas zur Finanzentwicklung in der ge-
setzlichen Krankenversicherung zu sagen. Finanzen ha-
ben immer etwas mit Zahlen zu tun. Sie müssen sich diese
Zahlen dann schon anhören und sich mit unseren Vor-
schlägen auseinander setzen. Wir wollen strukturell ver-
ändern, indem wir die Qualität der Versorgung verbes-
sern. Wir haben das Ziel, mehr Gesundheit für das gleiche
Geld zu erreichen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Gesundbeten hat noch nie geholfen!)


– Es geht nicht um Gesundbeten.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Doch, natürlich!)

Noch ein Wort zu dem, was Sie zu den Mitarbeitern

und Mitarbeiterinnen meines Hauses gesagt haben. Wenn
Sie schon nicht das lesen, was wir schreiben, wenn Sie
nicht zuhören, wenn wir hier über Gesundheitspolitik re-
den, wenn Sie die Reformen, die wir auf den Weg ge-
bracht haben, nicht zur Kenntnis nehmen, halte ich es für
unwürdig, auf Kosten von Mitarbeitern und Mitarbeite-
rinnen, die schon lange vor meiner Zeit und vor 1998 im
Bundesgesundheitsministerium beschäftigt waren


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist doch gar nicht die Frage!)


und ein Anrecht auf Regelbeförderungen und Höhergrup-
pierungen haben, so zu tun, als hätten diese Menschen die
Höhergruppierungen nicht aufgrund der Leistungen, die
sie erbringen, sondern aufgrund des Parteibuches erhal-
ten. Ich verstehe Demokratie so – auch in meiner Leitung
des Ministeriums –, dass es für mich völlig uninteressant
ist, welches Parteibuch der Einzelne mitbringt.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Vielmehr achte ich darauf, welche Leistungen erbracht
werden. Ich habe engste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
von Herrn Seehofer, von Frau Bergmann-Pohl und auch
einige von Herrn Blüm übernommen, die sich in genau
denselben Funktionen befinden wie zuvor.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ich glaube, dazu können die Grünen noch etwas sagen, was da passiert ist, nachdem Frau Fischer ausgezogen ist!)


Ich halte Ihr Lachen für ungebührlich im Hinblick auf die
Menschen, die in diesem Ministerium arbeiten.


(Beifall bei der SPD)

Etwas Respekt vor den Leistungen der Frauen und Män-
ner in dem Ministerium hätte ich mir schon gewünscht.

Lassen Sie uns jetzt zur Gesundheitspolitik kommen.
Die CDU/CSU hat heute einen Antrag vorgelegt, in dem

sie Vorschläge dazu fordert, wie die finanzielle Situa-
tion der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisiert
werden kann und gleichzeitig eine qualitativ hoch ste-
hende Versorgung garantiert wird. Die Vorschläge lie-
gen vor. Die Vorschläge, die wir unterbreitet haben, set-
zen bei der Qualität an, und zwar bei der Qualität der
Leistungserbringung. Dabei gehen wir vor allen Din-
gen davon aus, dass wir uns auf Dauer kein System er-
lauben können, in dem Leistungen nicht aufeinander ab-
gestimmt werden, in dem weiterhin eine strikte
Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versor-
gung besteht


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: So ist es!)

und in dem Parallelbehandlungen erfolgen, ohne dass eine
Beratung erfolgt, jemand die Fäden in der Hand hält und
prüft, ob die Behandlungen zueinander passen. Wir kön-
nen uns auf Dauer auch kein System leisten, in dem bei
der Behandlung der großen Volkskrankheiten – dies hat
im Übrigen auch der Sachverständigenrat festgestellt, der
zu Beginn dieser Legislaturperiode entsprechende Unter-
suchungen durchgeführt hat – nur die Hälfte aller chro-
nisch kranken Menschen in diesem Land nach den neues-
ten internationalen Standards behandelt werden. Darauf
haben wir mit den Programmen zur besseren Versorgung
chronisch kranker Menschen reagiert, die derzeit aus po-
litischen Gründen blockiert werden. Immer dann, wenn es
darum geht, die Qualität der Leistungserbringung zu he-
ben und die Gesundheit der Patientinnen und Patienten in
den Mittelpunkt zu stellen, reden Sie alles schlecht und
reagieren Sie mit einer Blockade. Das ist doch Ihre Poli-
tik.


(Beifall bei der SPD)

Sie wollen mit Ihrer Politik genau an der Stelle weiterma-
chen, wo Sie 1998 aufgehört haben.

Wenn Sie von Beitragssatzsteigerungen reden, so ist
festzustellen: In vier Jahren rot-grüner Bundesregierung
sind die Beiträge um 0,35 Prozentpunkte angehoben wor-
den, auf nunmehr 13,99 Prozent. In Ihrer letzten Legisla-
turperiode waren es 0,5 Prozentpunkte.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das interessiert nicht! Denn in einem halben Jahr sind 0,5 Prozent zusätzlich drauf!)


In den Jahren 1991 bis 1998 unter Seehofer betrugen die
Beitragssatzsteigerungen 1,34 Prozentpunkte. Unter Ihrer
Politik wurde es für die Menschen immer teurer, ihre Ge-
sundheit zu erhalten, weil die Zuzahlungen für Arzneimit-
tel verdreifacht und immer mehr Leistungen ausgeschlos-
sen wurden. Der heute vorgelegte CDU/CSU-Antrag zeigt,
dass Sie genau dahin wieder zurück wollen. Das ist die
Politik, die die Menschen nach dem 22. September von
Ihnen zu erwarten haben. Jeder ist gut beraten, dann ein
dickes Portemonnaie mitzubringen, wenn er zum Arzt
oder ins Krankenhaus geht. Denn das ist die Politik der
CDU/CSU.


(Beifall bei der SPD)

Zur FDP will ich mich nicht weiter äußern. Mir wurde

gesagt, dass es in einzelnen Regionen schon zu Hamster-
käufen in den Apotheken gekommen ist, ausgelöst allein






(C)



(D)



(A)



(B)


durch die Ankündigung, dass Möllemann Gesundheitsmi-
nister werden will –,


(Heiterkeit bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er wird nur Gesundheitsminister mit dem Schröder!)


Die CDU/CSU fordert ein Ende der einnahmenorien-
tierten Ausgabenpolitik. Sie meint, dass alle Budgets auf-
gehoben werden müssten; dies löse alle Probleme. Sie hat
aber noch nicht angegeben, wie das bei stabilen Beiträgen
funktionieren soll. Ich sage Ihnen: Das wird nur funktio-
nieren, wenn die Menschen privat immer mehr zuzahlen.
In Ihrem Antrag werfen Sie uns vor, dass die Koalition
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Erhöhung der
Beitragssätze verursacht habe, indem sie im Zusammen-
hang mit der Gesundheitsreform 2000 ausgabenstei-
gernde Maßnahmen beschlossen habe. Wie sahen denn
diese von Ihnen so bezeichneten Maßnahmen aus? Wir
haben chronisch kranke Menschen bei der Zuzahlung zu
Arzneimitteln entlastet, die sie regelmäßig erhalten müs-
sen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Patienten müssen am Ende des Monats alles zahlen! Sie haben sie belastet!)


Wir haben das getan, weil wir der Meinung sind: Wer
chronisch krank ist, darf nicht auch noch finanziell über-
fordert werden. Wir haben des Weiteren die Regelung
zurückgenommen, wonach ein „Eintrittsgeld“ von 10 DM
pro Stunde gezahlt werden musste, wenn man eine psy-
chotherapeutische Behandlung in Anspruch nahm. Wir
haben die Zuzahlungen insgesamt gekürzt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben die Leute selber zahlen lassen!)


Wir haben außerdem Maßnahmen, die der Prävention und
der Gesundheitsvorsorge dienen – diese Begriffe führen
Sie heute immer im Mund –, wieder zu Kassenleistungen
gemacht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben auch dafür gesorgt, dass Mutter-Kind-Kuren
zu Regelleistungen der Kassen wurden und voll bezahlt
werden müssen.

Das alles bezeichnen Sie als ausgabensteigernde Maß-
nahmen. Ich sage Ihnen Folgendes dazu: Alles, was wir
gemacht haben, dient dem Erhalt der Grundlage der soli-
darischen Krankenversicherung. Alles, was die FDPoffen
fordert – Herr Seehofer wird uns heute sicherlich wieder
nicht sagen, was Sie von der CDU/CSU machen wollen –,
hat dagegen nur eines zum Ziel: Sie wollen die solidari-
sche Krankenversicherung in der Form, in der sie sich seit
Jahrzehnten in unserem Land bewährt hat, Schritt für
Schritt aushöhlen. Sie sprechen nicht die Frage an, wie die
Mittel effizienter und effektiver eingesetzt werden kön-
nen. Sie reden einzig und allein über die Frage, wie die Ar-
beitgeber entlastet werden können. Es geht aber um die
paritätische Finanzierung der Gesundheitskosten, da-
mit kein Mensch in diesem Land zum Beispiel einen Arzt-
besuch oder einen Krankenhausaufenthalt nicht machen

kann, weil ihm das notwendige Geld oder die notwendige
Versicherung fehlt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil Sie, Herr Seehofer, nie offen sagen, was die Men-
schen von Ihnen wirklich zu erwarten haben, scheuen Sie
nicht davor zurück, sich auf Kosten der Sozialhilfeempfän-
ger zu profilieren. Einmal geht es um Grund- und Wahlleis-
tungen; dann wiederum reden Sie von Abwahl- und Zu-
satzleistungen; einmal handelt es sich um das Programm
der CDU, ein anderes Mal um ein Papier, das Sie mit Herrn
Stoiber ausgearbeitet haben; es gibt viele Varianten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer hat denn die blödsinnige Regelung gemacht? Die haben Sie doch gemacht!)


Ich sage Ihnen eines: 80 Prozent aller Sozialhilfeempfän-
ger und Sozialhilfeempfängerinnen sind krankenversi-
chert. Die restlichen 20 Prozent sind nicht krankenversi-
chert, weil es keine Einigung mit den Kommunen über die
Höhe der Beiträge und deren Finanzierung gab. Im Gesetz
steht, dass kein Arzt und keine Ärztin einem Sozialhilfe-
empfänger oder einer Sozialhilfeempfängerin mehr zu-
kommen lassen darf als den Versicherten der gesetzlichen
Krankenversicherung. Der Vorsitzende der Kassenärztli-
chen Bundesvereinigung, die ja nicht unbedingt zu den
Wahlhelfern der SPD gehört, sagt, die Behauptung, die
von Ihnen immer wieder zulasten der Schwächeren in die-
ser Gesellschaft aufgestellt wird, sei schlichtweg falsch.
Ich zitiere den KBV-Vorsitzenden:

Mit solchen Klischees werden Sozialhilfeempfän-
ger, die ohnehin schon gestraft sind, in eine Ecke ge-
drängt, in die sie nicht gehören.

Ich sage Ihnen – Wahlkampf hin oder her –: Hören Sie auf,
Politik zulasten derjenigen zu machen, die sich nicht weh-
ren können! Diskutieren Sie stattdessen über die Inhalte,
um die es wirklich geht!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Am 22. September entscheiden die Bürger in diesem
Land auch über die Frage – es wird eine Richtungswahl
sein –, ob weiterhin jeder Versicherte der gesetzlichen
Krankenversicherung ohne Ansehen der Person, der
Vorerkrankungen und der Höhe der geleisteten Beiträge
den gleichen Anspruch auf gesundheitliche Leistungen
hat oder ob der Arzt oder die Ärztin erst fragen muss, wel-
ches Paket der Patient in der gesetzlichen Krankenversi-
cherung gewählt hat, ob er zusatzversichert ist oder nicht,
und ob Menschen gesundheitliche Leistungen vorenthal-
ten werden, weil sie nicht das richtige Versicherungspaket
haben. Ich sage Ihnen: Wir wollen das nicht.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Aber ihr habt es doch praktiziert!)


Wir werden durch eine Hebung der Qualität und eine Ver-
besserung der Abstimmung der Leistungen dafür sorgen,
dass jeder das bekommt, was er braucht, wenn er krank ist
oder wenn seine Schmerzen gelindert werden müssen.
Anders als Sie wollen wir nicht, dass es vom Geldbeutel
abhängt, ob jemand eine vernünftige gesundheitliche




Bundesministerin Ulla Schmidt
25522


(C)



(D)



(A)



(B)


Leistung erhält oder nicht. Die Politik machen wir nicht.
Das werden die Bürger und Bürgerinnen bei ihrer Ent-
scheidung zu bedenken wissen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der Bundeskanzler hat Sie sowieso nicht mehr im Programm!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425205600
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Parr das Wort.


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1425205700
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Zu der heutigen Sondersitzung des Gesund-
heitsausschusses, die die FDP-Fraktion beantragt hatte,
möchte ich ein paar Bemerkungen machen.

Frau Ministerin, als Sie noch stellvertretende Frakti-
onsvorsitzende waren, haben Sie ständig über Ausschuss-
sitzungen geredet, an denen Sie nicht teilgenommen ha-
ben. Insofern sollten Sie der Kollegin Schwaetzer diesen
Vorwurf nicht machen.


(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD)

Die FDP hatte beantragt, heute über die Auswirkungen

der Defizite der Krankenkassen in Höhe von mehr als
2Milliarden Euro informiert zu werden und Ihre konkreten
Maßnahmen gegen diese desaströse Entwicklung kennen
zu lernen. Stattdessen haben Sie seitenlang Zahlenkolon-
nen aus Presseerklärungen vorgetragen, die wir bereits
14Tage kannten und über die wir bestens informiert waren.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das stimmt nicht!)


Der Ausschuss ist daran gehindert worden, Fragen zu stel-
len. Das war ein unmögliches Verhalten, das wir hier kri-
tisieren wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben zum Beispiel keine Antwort auf die Frage
gegeben, wie Sie die Einnahmeverluste kompensieren
wollen, die aus der Flutkatastrophe entstanden sind, weil
Beiträge gestundet werden, weil es Kurzarbeit gibt usw.
Sie haben auf die Probleme im Osten hingewiesen, aber
Sie haben keine Antwort auf die Frage gegeben, wie Sie
dem wachsenden Ärztemangel, der im Osten besonders
schmerzhaft spürbar ist – es gibt nicht genug Nachfolger
für Praxen; Praxen drohen leer zu stehen –, begegnen wol-
len, wie Sie den jungen Medizinern wieder solche Ar-
beitsbedingungen geben wollen, dass nicht ein Drittel de-
rer, die ihr Studium absolviert haben, davon absieht, in
den Arztberuf zu gehen. Diese Angelegenheiten sind zu
diskutieren. Darüber muss es Aufschluss geben. Alle, wir
im Parlament und die Wählerinnen und Wähler draußen,
wollen hören, wie Sie diese Probleme lösen wollen.

Zu den angeblichen Hamsterkäufen in Apotheken
möchte ich nur Folgendes sagen: Frau Ministerin, Sie ha-
ben angekündigt, die Versicherungspflichtgrenze anzuhe-
ben und damit den Zugang zur privaten Krankenversiche-
rung zu erschweren. Ergebnis: Scharenweise verlassen

die Menschen die gesetzliche Krankenversicherung.
Herzlichen Glückwunsch zu einer Gesundheitspolitik, die
sich ständig ins eigene Knie schießt!


(Beifall bei der FDP – Lachen der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel [SPD])



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425205800
Frau Ministerin, Sie
können darauf antworten. Bitte sehr.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1425205900
Vie-
len Dank. – Herr Kollege Parr, ich habe sehr große Ach-
tung vor dem Parlament. Wenn Sie als FDP beantragen,
dass ich in der Ausschusssitzung etwas zur Finanzent-
wicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung vor-
trage, dann tue ich das selbstverständlich. Dazu gehört
auch die Auseinandersetzung mit den Zahlen.

Wir haben heute Morgen aber noch über mehr gespro-
chen. Ich habe Ihnen gesagt, welches die Hauptsektoren
sind, die die Ausgaben verursachen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Versagt! Schlicht versagt!)


Ich habe Ihnen erstens dargelegt, dass wir entgegen dem,
was Frau Kollegin Schwaetzer eben gesagt hat, das Arz-
neimittelbudget aufgehoben und gleichzeitig mit dem
Arzneimittelsparpaket der Bundesregierung steuernd ein-
gegriffen haben. Dieses Paket befasst sich vor allem mit
den strukturellen Problemen in der Arzneimittelversor-
gung. Wir haben einen Weg gefunden: Die Arzneimittel-
hersteller senken ihre Preise, damit sie bei der Regelung
für das untere Preisdrittel dabei sind. Ich habe Ihnen aber
auch gesagt: Das reicht nicht. In Deutschland werden zu
viele hochpreisige Arzneimittel verschrieben, ohne dass
deren medizinischer Zusatznutzen nachgewiesen ist. Um
diese Probleme wirklich in den Griff zu bekommen, brau-
chen wir eine Regelung, die sicherstellt, dass Arzneimittel
nur dann wirklich als Innovation gelten, wenn der erhöhte
therapeutische Nutzen sichergestellt ist. Den derzeitigen
Zustand, null Prozent mehr Nutzen, aber 300 Prozent
Preissteigerung, kann sich auf Dauer kein Gesundheitssys-
tem erlauben.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der FDP)


Zweitens. Die Programme zur besseren Versorgung
chronisch kranker Menschen werden dazu führen, dass
zum Beispiel Frauen mit Brustkrebs in diesem Lande end-
lich die Behandlung erhalten, die nach internationalen
Standards und Leitlinien notwendig ist, um die Therapie-
erfolge zu verbessern, die Zahl der Brustamputationen zu
verringern und, sofern es notwendig ist, zu mehr brust-
erhaltenden Operationen zu kommen sowie sicherzustel-
len, dass nur die besten Operateurinnen und Operateure
die Operationen und die anschließende Behandlung vor-
nehmen. Die Tatsache, dass 4 000 Frauen in Deutschland
mehr an Brustkrebs sterben, als es nach dem neuesten
Stand der medizinischen Kenntnisse notwendig ist, wird
uns nicht ruhen lassen, diese Programme voranzubringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Ulla Schmidt

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(C)



(D)



(A)



(B)


Ergebnis wird sein: geringere Mortalitätsrate, weniger Fol-
geerkrankungen und die Vermeidung überflüssiger Brust-
amputationen. Wir werden zeigen, dass eine höhere Qua-
lität und mehr Gesundheit für dasselbe Geld möglich sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dasselbe gilt für die Krankenhausreform und die Ein-
führung der Gesundheitskarte.

Drittens. Wir haben die Approbationsordnung für Ärz-
tinnen und Ärzte verändert und dafür gesorgt, dass die
Ärztin bzw. der Arzt im Praktikum abgeschafft werden
kann.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch dafür gesorgt, dass in den Kranken-
häusern Geld zur Verfügung steht, damit dort ein neues
Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationskonzept auf den
Weg gebracht werden kann. Das zusätzliche Geld wird
benötigt, um Ärztinnen und Ärzte einstellen zu können.

Viertens. Was die von Ihnen angesprochene Situation
in den neuen Bundesländern angeht, bin ich sehr dafür,
dass wir uns darüber Gedanken machen, wie es gelingt,
dass nicht jeder Arzt in die Verschuldung gerät. Die jun-
gen Ärzte und Ärztinnen würden sehr viel lieber in Ge-
sundheitszentren arbeiten, wie sie in Brandenburg be-
stehen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Drei Minuten Redezeit gelten auch für Regierungsmitglieder!)


Dort haben sie ihre Praxis und zahlen für die Infrastruktur
eine Art Leasinggebühr, sodass sie sich nicht selbst bis
über beide Ohren verschulden müssen und dann das Ge-
fühl haben, die Investitionen vielleicht nicht wieder her-
einholen zu können, weil nicht genügend kranke Men-
schen zu ihnen kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425206000
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht jetzt der Kollege Horst Seehofer.


(Gerd Andres [SPD]: Jetzt kommt der abgewählte Gesundheitsminister! Der Täter von früher! Er hat alles ausprobiert und nichts hat geklappt!)


Horst Seehofer (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren!


(Gerd Andres [SPD]: Jetzt kommt ein abgewählter Täter! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: In dem Fall würde ich mich an Ihrer Stelle ein bisschen zurückhalten! Sie sind ein respektloser Schuft!)


Von der Ministerin haben wir gerade den Satz „Mehr
Gesundheit für dasselbe Geld“ gehört. Er beweist, dass
der Realitätsverlust bei der Gesundheitsministerin zwi-
schenzeitlich vollkommen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Noch nie in der Geschichte der gesetzlichen Kranken-
versicherung haben die Menschen in Deutschland so hohe
Beiträge wie zurzeit bezahlt und noch nie gab es so viele
Versorgungsmängel für chronisch kranke Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gerd Andres [SPD]: Das sagt der Altversager!)


Wir haben jetzt einen durchschnittlichen Krankenver-
sicherungsbeitrag von 14 Prozent mit weiter steigender
Tendenz. Vor acht Tagen hat die Ministerin erklärt, das
alles werde sich im zweiten Halbjahr ausgleichen. Sie
glaubte tatsächlich, dass sich alles, was die Regierung ver-
säumt hat, im Oktober und November egalisieren werde.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Was habt ihr denn versäumt?)


Heute erreichte uns die Nachricht, dass im Juli, also
schon im zweiten Halbjahr, die Arzneimittelausgaben in
Deutschland um sage und schreibe 8,2 Prozent gestiegen
sind. Eine Sicherheit gibt es im Gesundheitswesen: Keine
Prognose von Frau Schmidt hält länger als 24 Stunden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gerd Andres [SPD]: Bei Ihnen war die Halbwertszeit zwölf Stunden! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dummes Geschwafel!)


Meine Damen und Herren, die Beitragssteigerungen
sind schon schlimm genug, weil den Menschen dadurch
immer mehr Geld aus der Tasche gezogen wird. Für mich
noch viel schlimmer ist aber, dass sich in den vier Jahren
der rot-grünen Regierung die medizinische Versorgung
der Menschen in Deutschland rapide verschlechtert hat.
Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gerd Andres [SPD]: Das ist doch Quatsch!)


Das beginnt mit den chronisch Kranken.

(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Dummes Zeug!)

Sie selbst bestreiten mittlerweile nicht mehr, Frau Minis-
terin, dass die chronisch Kranken in Deutschland gerade
noch zu 10, 20 bzw. 25 Prozent eine innovative Medizin,
eine medizinische Versorgung nach dem heutigen Stan-
dard bekommen. Alle anderen chronisch kranken Men-
schen fallen durch den Rost und werden lediglich durch-
schnittlich oder unterdurchschnittlich versorgt.

Ganze 4 Prozent der Osteoporosekranken in Deutsch-
land bekommen die innovativste medizinische Behand-
lung. Sie haben eine Situation herbeigeführt, dass man
sich in Deutschland als Osteoporosekranker erst die Kno-
chen brechen muss, um wieder die modernste Medizin zu
bekommen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Obgleich Ihre Staatssekretärin Vizepräsidentin der
Deutschen Rheuma-Liga ist, wird jetzt von den Kranken-
kassen das Funktionstraining für die Rheumakranken ge-
strichen – eine Behandlung, die für sie im Hinblick auf die
Schmerzlinderung und auf die Erleichterung der Krank-
heitsfolgen ein Segen ist. Die an Alzheimer Erkrankten er-




Bundesministerin Ulla Schmidt
25524


(C)



(D)



(A)



(B)


halten im Moment nicht einmal zu 10 Prozent die not-
wendige medizinische Versorgung.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Stimmt auch nicht!)


Es geht aber nicht nur um die chronisch Kranken,
sondern auch um die Pflegebedürftigen. Sie haben die
Behandlungspflege zunehmend aus der Krankenversiche-
rung herausgenommen und zum Bestandteil der Pflege-
versicherung gemacht.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Leiden Sie unter Gedächtnisschwund, Herr Seehofer?)


Weil Sie dort aber genauso in den roten Zahlen sind, mu-
ten Sie den Menschen zu, dass sie notwendige Behandlun-
gen aus ihrem Pflegegeld bezahlen. Ergebnis ist, dass sie
immer weniger von der Pflegeversicherung bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gehen Sie doch einmal jetzt im Wahlkampf in die
Fußgängerzonen! Da kommen die Leute und beklagen
sich, dass sie die Stützstrümpfe jetzt selber bezahlen müs-
sen. Sie erzählen, dass Dekubituskranke so lange keine
Versorgung als Pflegebedürftige erhalten, wie sie nicht
wirklich großflächig am ganzen Körper wundgelegen
sind. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD)


– Das, was ich hier beschreibe, ist die Realität.
Selbst die Kinder sind Opfer Ihrer Budgetierung.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Unchristliche Lügen sind das!)


Ein Vertreter der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-
chen hat in der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt: Wenn Ihr
Preissystem für die Krankenhäuser in Kraft tritt – Sie
wollen die Behandlung von schwerkranken Menschen
unabhängig von der Dauer des Krankenhausaufenthaltes
vergüten, also nur eine Pauschale zahlen –, wird bei-
spielsweise für ein leukämiekrankes Kind, das eine Kno-
chenmarkstransplantation erhalten hat, ein Pflegesatz von
130 000 Euro statt bisher 230 000 Euro fällig, also 40 Pro-
zent weniger.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das ist überhaupt noch nicht festgelegt!)


Meine Damen und Herren, es geht doch nicht an, dass
flächendeckend in Deutschland Aktionen zur Typisierung
des Blutes sowie Spendenaktionen der Menschen zur Fi-
nanzierung der Transplantation bei leukämiekranken Kin-
dern stattfinden


(Rudolf Bindig [SPD]: Unverantwortlich, was Sie hier behaupten!)


und Sie die Zuzahlung über die Krankenkasse um 40 Pro-
zent kürzen. Es ist schäbig, wenn Sie eine solche Ge-
sundheitspolitik für die Kinder betreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was haben Sie alles im Hinblick auf den Zahnersatz
angekündigt, obwohl der Zahnersatz für Jugendliche eine
absolute Ausnahme ist und wir gesagt haben, bei Krankheit
und bei Unfall soll der Zahnersatz weiter bezahlt werden!


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie haben ihn gestrichen!)


Sie hingegen haben bei der Kieferregulierung, einem Re-
gelfall der medizinischen Versorgung, in den von Ihnen
genehmigten kieferorthopädischen Richtlinien festgelegt,
dass die Eltern und die Kinder bei bestimmten Indika-
tionen 1 500 Euro für diese Zahnregulierung zu bezahlen
haben. Das kennzeichnet die soziale Schieflage in der Ge-
sundheitspolitik: Gerade die schwerkranken Menschen
müssen mehr bezahlen und bekommen immer weniger.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die chronisch Kranken, die Kinder, die Pflegebedürftigen
sind Opfer Ihrer Politik.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: 16 Jahre lang Gesundheitspolitik an die Wand gefahren!)


Wie Sie hier immer wieder die Unwahrheit über die
Vergangenheit sagen:


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind derjenige, der die Unwahrheit sagt!)


Ich bin mit einem Defizit von 10 Milliarden DM ange-
treten. Dann haben wir in diesem Hause parteienübergrei-
fend eine Gesundheitsreform verabschiedet.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Die haben wir gemacht!)


Sie trat am 1. Januar 1993 in Kraft; zu diesem Zeit-
punkt betrug der Beitragssatz 13,5 Prozent. Als ich mein
Amt abgab, betrug der Beitragssatz immer noch 13,5 Pro-
zent, gab es jährliche Überschüsse von 1 Milliarde DM
und beliefen sich die Rücklagen in der Krankenversiche-
rung auf über 8 Milliarden DM.


(Gerd Andres [SPD]: Und ordentliche Leistungsausgrenzungen!)


Diese Rücklagen haben Sie verschustert; Sie stecken tief
in den Defiziten. Sagen Sie den Menschen vor der Wahl
die Wahrheit: Wenn Sie es könnten, müssten Sie die Bei-
tragssätze nach der Wahl erneut erhöhen. Das ist die
Wahrheit über Ihre Gesundheitspolitik.

Ich sage Ihnen noch einmal: Sie haben den Menschen
immer mehr Geld aus der Tasche gezogen und Sie haben
die Versorgung der chronisch Kranken verschlechtert.
Trotzdem stellen Sie sich hier hin und sagen, das alles sei
eine soziale Politik.

Sie führen Brustkrebs und Diabetes an. Ich halte Ih-
nen entgegen, dass alle medizinischen Fachgesellschaften
– ohne Ausnahme – öffentlich erklärt haben: Wenn diese
Behandlungsprogramme Realität werden, wird die Be-
handlung der chronisch Kranken in Deutschland hinter
den jetzigen Standard zurückfallen


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Falsch! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie disqualifizieren sich selbst!)





Horst Seehofer

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(C)



(D)



(A)



(B)


und werden zum Beispiel chronisch kranke Diabetiker
mehr Risiken für Nierenkrankheiten, Amputationen und
Erblindungen haben. Das ist das Ergebnis der schmidt-
schen Gesundheitspolitik. Frau Schmidt, Sie haben auf
der ganzen Linie versagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unglaublich! Reiner Lobbyist! – Gerd Andres [SPD]: Dauerversager Seehofer!)


Dafür ist eine ganze Kette von Fehlern verantwortlich.
Ich beginne damit, dass Sie der Krankenversicherung
durch politische Maßnahmen Geld entzogen haben. Ers-
tens haben Sie beschlossen, dass Arbeitslosenhilfebezie-
her geringere Beiträge an die Krankenversicherung leis-
ten müssen. Das hat den Krankenversicherungen einige
Hundert Millionen entzogen. Zweitens haben Sie – das
haben Sie wahrscheinlich schon wieder vergessen – die
Renten den Inflationsraten und nicht den Löhnen ange-
passt. Das hat den Krankenversicherungen eine weitere
Milliarde entzogen.

Ihre miserable Wirtschafts- und Sozialpolitik mit im-
mer mehr Arbeitslosen hat drittens dazu geführt, dass
die Einnahmen der Krankenversicherungen praktisch
stagnieren.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Nein, sie sind gestiegen!)


Ich bin schon lange im Bundestag, aber erst jetzt habe ich
folgende Welturaufführung erlebt: Die Regierung hat am
Ende ihrer Wahlperiode ein Dokument aufgelegt – Stich-
wort: Hartz-Kommission –, aus dem sich amtlich ergibt,
was sie in den vier Jahren vorher falsch gemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Übrigens: Der Bericht der Hartz-Kommission ist der

beste Beweis gegen die These, das sei alles weltwirt-
schaftlich bedingt. Der Vorsitzende der Kommission
– Mitglieder Ihrer Regierung haben diese Argumentation
übernommen – sagt, dass die Arbeitslosigkeit in Deutsch-
land in den nächsten drei Jahren halbiert wird, wenn seine
Vorschläge zum Arbeitsmarkt jetzt realisiert werden.


(Gerd Andres [SPD]: Das sagt er nicht! Das ist auch schon wieder falsch! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Lesen!)


In dem Bericht stehen ausschließlich Maßnahmen, die wir
national realisieren können und die mit der Weltwirtschaft
so viel zu tun haben wie eine Schildkröte mit dem Stab-
hochsprung.

Meine Damen und Herren, der Vorsitzende der Kom-
mission spricht von der Halbierung der Arbeitslosigkeit.
Ich bewerte nicht, ob das zutrifft oder ob das nicht eher ei-
nem Märchen zuzuordnen ist. Er verspricht eine massive
Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Das ist der beste Beleg
dafür, dass die Schutzargumente der Regierung, die im-
mer vom 11. September und von internationalen Heraus-
forderungen spricht, falsch sind. Sie haben die Misere der
Sozialsysteme selbst verschuldet, indem Sie Ihre Haus-
aufgaben in den Sozialreformen nicht erledigt haben. Da-
rauf ist es zurückzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich nenne Ihnen zwei Blöcke: Die Arzneimittelaus-
gaben in Deutschland sind in drei Jahren um 25 Prozent
oder um 8,5 Milliarden gestiegen. Die Verwaltungskosten
in der Krankenversicherung sind in ebenfalls drei Jahren
um 10 Prozent oder um 1,5 Milliarden gestiegen. Der Zu-
wachs bei den Arzneimittelausgaben in Höhe von 8,5Mil-
liarden DM gründete sich übrigens nicht darauf, dass die
Ärzte mehr verordnet haben, sondern darauf, dass die Pa-
tienten auf die Fehler der Regierung reagiert haben;


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Frechheit!)

ich nenne nur die Stichworte Arzneimittelbudget und Struk-
tur der Arzneimittel. Insgesamt kommt man für diese zwei
Ausgabenblöcke aufgrund kardinaler politischer Fehler
– Sie haben durch immer mehr Paragraphen, Richtlinien
und Gesetze Bürokratie veranlasst und das Arzneimittel-
budget aufgehoben, ohne eine anständige Gesundheitsre-
form zu machen – auf 10 Milliarden in drei Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb brauchen wir jetzt gar nicht groß über Dinge

in zehn oder 20 Jahren zu reden. Das Wichtigste ist, dass
die Wirtschaft wieder flott wird; denn dann sprudeln die
Einnahmen für die Krankenversicherungen wieder. Das
geschieht nur mit unserer Politik.


(Widerspruch bei der SPD)

Darüber hinaus muss die Bürokratie, die Sie den Kran-
kenversicherungen auferlegt haben und die uns Milli-
arden kostet, beseitigt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mehr Geld für die kranken Menschen und nicht mehr
Geld für die Bürokratie, das ist unser Gegenentwurf zu Ih-
rer Gesundheitspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425206100
Denken Sie bitte an
Ihre Redezeit, Herr Kollege!


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1425206200
Als Letztes möchte ich
Folgendes sagen: Frau Kollegin Schmidt, auch Sie sind
mittlerweile auf die Idee gekommen, dass es populär sein
könnte, die Patienten in die politischen Entscheidungen
einzubeziehen. Vor 48 Stunden hat die Ministerin den
Vorschlag gemacht, dass es in Deutschland künftig einen
Patientenberater gibt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: „Berater“ hat sie gar nicht gesagt!)


Frau Schmidt, die Patienten wollen nicht als Bittsteller
auftreten, sondern sie wollen, dass die Patientenverbände
künftig in die Entscheidungen der Krankenkassen und
der Gesundheitspolitik einbezogen werden, wie wir es
vorhaben.


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])

Die Patienten sollen nicht als Bittsteller, sondern als Bei-
tragszahler auftreten. Kranke Menschen müssen künftig
in die Entscheidungen der Gesundheitspolitik einbezogen
werden. Da unterscheiden wir uns diametral:




Horst Seehofer
25526


(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425206300
Herr Kollege, ich
möchte Sie bitten, zum Ende zu kommen.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1425206400
Sie wollen mit der Mi-
nisterialbürokratie und mit Paragraphen Politik machen,
während unsere Politik auf die kranken Menschen ausge-
richtet ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gerd Andres [SPD]: Nach der Abwahl abtreten, Herr Kollege Seehofer!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1425206500
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Dr. Martin Pfaff das
Wort.


Prof. Dr. Martin Pfaff (SPD):
Rede ID: ID1425206600
Herr Kollege Seehofer, dieje-
nigen, die erwartet haben – ich gehöre zu ihnen –, dass Sie
nach persönlichen Erlebnissen – auch ich hatte solche Er-
lebnisse – heute mehr Distanz, mehr Sachlichkeit und we-
niger Verklärtheit an den Tag legen, sind schwer ent-
täuscht. Was wir heute erlebt haben, war ein Musterstück
an blanker Demagogie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Kollege Seehofer, Ihr Fehler ist, dass Sie
die Menschen unterschätzen. Die Mütter mit Brustkrebs
wissen sehr wohl, dass die Leitlinien, die umgesetzt wer-
den, zusammen mit den Fachgesellschaften entwickelt
wurden. Auch die Mütter mit Kindern wissen, dass ihre
Versorgung in jüngerer Zeit nicht gelitten hat, weil keine
der von uns getroffenen Maßnahmen ihre Lage ver-
schlechtert hat. Die chronisch Kranken wissen sehr wohl,
dass sie von Zuzahlungen befreit worden sind. Sie, Herr
Kollege Seehofer, täuschen etwas in der Erwartung vor,
dass die Menschen das nicht durchschauen.


(V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


Was Sie über den Zahnersatz gesagt haben, das schlägt
dem Fass wirklich den Boden aus. Sie waren derjenige,
der den Zahnersatz für bestimmte Altersgruppen vollstän-
dig privatisiert hat, und zwar für immer und nicht nur ein-
mal. Sie wollten Prävention und Ähnliches als Regelleis-
tungen abschaffen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist doch Quatsch! Das ist die Unwahrheit!)


Sie haben Verschiebebahnhöfe in einem viel größeren
Umfang zu verantworten. Ich muss schon sagen: Ich per-
sönlich bin etwas enttäuscht; denn reine Demagogie, wie
Sie sie hier offensichtlich vorgetragen haben, ist kein Er-
satz für die Qualität der Argumente.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Kollege Seehofer, im Hinblick auf das,
was Sie zu den Beitragssätzen gesagt haben, empfehle
ich, einmal nachzulesen, was Herr Rebscher, der Chef der
Ersatzkassenverbände, gesagt hat. Alle Fachleute wissen,
dass die Mitte des Jahres ausgewiesenen Defizite nur ein

Artefakt, also ein Kunstprodukt, sind, weil sie schlicht
und einfach nur auf Schätzungen beruhen, die wahr-
scheinlich nicht zutreffen, weil die Defizite im Laufe des
Jahres wieder ausgeglichen werden. Das sollten gerade
Sie wissen. Herr Rebscher sagt: Wenn man eine betriebs-
wirtschaftlich korrekte Berechnung durchführte, dann
käme man zu dem Ergebnis, dass ein Überschuss von
38 Millionen Euro entstanden ist. Das sollten gerade Sie
den Menschen sagen.

Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, Herr
Kollege Seehofer, dass es mich am meisten enttäuscht hat,
dass Sie das Solidarprinzip so gering schätzen. Sie spre-
chen zwar vom Solidarprinzip, aber Sie wollen Regel-
und Wahlleistungen einführen, auch wenn Sie das, was
Sie vorhaben, so nicht nennen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)


Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass Sie die Politik
der Privatisierung – Sie haben sie nach Lahnstein leider
begonnen; damit haben Sie den gemeinsamen Weg ver-
lassen – fortsetzen wollen, was bedeutet, dass Sie die
Menschen mit einem Teil ihrer Probleme allein lassen. Sie
verlassen damit den Weg einer sozialen Krankenversiche-
rung, die – das sollten eigentlich alle erkannt haben – so-
wohl kosteneffektiver als auch verteilungsgerechter ist.
Das werfe ich Ihnen am Ende meines letzten Redebeitrags
in diesem Hohen Hause vor.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425206700
Sie haben auf
die Sekunde genau die Ihnen zur Verfügung stehende Re-
dezeit von drei Minuten ausgeschöpft. Da zeigt sich die
Übung.

Herr Kollege Seehofer, Sie haben das Wort zu einer Er-
widerung.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1425206800
Herr Professor Pfaff,
was die Zuzahlungen betrifft, gegen die Sie immer pole-
misieren: Unter dieser Regierung – sie ist mittlerweile fast
vier Jahre im Amt – gelten die Zuzahlungen weiterhin;
beim Zahnersatz liegen sie bei 40 bis 50 Prozent der Kos-
ten, bei Krankenhausaufenthalten liegen sie bei 9 Euro.
Während Ihrer Regierungszeit haben Sie für die Menschen
in den neuen Bundesländern die Zuzahlung bei Kranken-
hausaufenthalten sogar erhöht. Sie gilt für die physikali-
sche Therapie – hier sind es unverändert 15 Prozent –,


(Zuruf von der CDU/CSU: Ganz genau!)

für die Kuren und für die Arzneimittel. Am Beginn Ihrer
Regierungszeit haben Sie ja 1 Euro bzw. 50 Cent erlassen.

Man kann doch nicht in der Öffentlichkeit gegen die
Zuzahlung polemisieren und sie in der politischen Ver-
antwortung kassieren, weil man sie braucht. Sie haben die
Zuzahlung beibehalten. Deshalb sollten Sie, auch in ei-
nem Wahlkampf, dazu stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mein zweiter Punkt: die Regel- und Wahlleistungen.

Die Schweiz ist für die Einführung von Regel- und






(C)



(D)



(A)



(B)


Wahlleistungen mit dem „Deutschen Gesundheitspreis
2000“ ausgezeichnet worden. In der Begründung hieß es,
es sei an der Zeit, den Menschen im 21. Jahrhundert mehr
Mitbestimmungsmöglichkeit bei der Gestaltung ihres
Leistungskatalogs zu geben.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Herr Professor Pfaff, jetzt nenne ich Ihnen das ein-

stimmige Votum der SPD – damals gehörte noch Herr
Dreßler der Kommission an – und des Bundesgesund-
heitsministeriums zu den Regel- und Wahlleistungen und
zum Gesundheitspreis für die Schweiz:

Das Schweizer Krankenversicherungsgesetz ist bei-
spielhaft für eine Gesetzesinitiative, die Rahmenbe-
dingungen für hohe soziale Sicherheit und gleichzei-
tig regulierten Wettbewerb im Gesundheitswesen
herzustellen versucht. Die erhöhten Wahlmöglich-
keiten für die Versicherten entsprechen den gestiege-
nen Ansprüchen nach individueller Angebotserstel-
lung im digitalen Zeitalter.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist das!)


Es stellt somit einen ausgezeichneten Weg dar, um
herausragende Ergebnisse im Umfeld eines sozial-
verträglichen Wettbewerbs zu erreichen.

(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das ist uralt!)


So lautete das Urteil des Bundesgesundheitsministeriums
und der SPD in dieser Kommission, die, auch mit meiner
Stimme, einstimmig entschieden hat, dass die Schweiz
den „Deutschen Gesundheitspreis 2000“ für die Ein-
führung von Regel- und Wahlleistungen erhält.

Herr Professor Pfaff, als SPD bzw. als Bundesgesund-
heitsministerium das Ausland auszuzeichnen und im In-
land mit ungeheurer Polemik gegen diejenigen zu Felde
zu ziehen, die im Inland das einführen wollen, was im
Ausland prämiert worden ist, ist heuchlerisch. Das muss
ich leider so sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mein dritter Punkt. Weil Sie mein Patientendasein an-

gesprochen haben und die Erwartung geäußert haben,
dass ich meine politische Tätigkeit einstellen werde, sage
ich Ihnen: Nein, ich habe aber die Überzeugung gewon-
nen, dass zwischen dem, worüber die Gesundheitspoliti-
ker und Gesundheitsfunktionäre diskutieren, dem, was
aktuell an Gesundheitspolitik betrieben wird, und den Be-
dürfnissen der kranken Menschen in der Ambulanz und in
Krankenhäusern Lichtjahre liegen. Von Frau Schmidt
wird eine theoriebesessene Gesundheitspolitik betrieben,


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

die keine Rücksicht auf das nimmt, was die kranken Men-
schen und diejenigen, die die kranken Menschen betreuen,
als Ansprüche an dieses Gesundheitswesen anmelden.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425206900
Herr Kollege
Seehofer, ihre drei Minuten sind jetzt überschritten.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1425207000
Deshalb bin ich so
emotional. Denn ich möchte endlich Schluss mit dieser

theoriebehafteten Politik machen und die praxisbezogene
Gesundheitspolitik, die Rücksicht auf Ärzte, Therapeuten
und Patienten nimmt, in Deutschland realisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425207100
Das Wort hat
jetzt die Frau Bundesministerin Renate Künast.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich finde, die bis-
herige Debatte in diesem Themenblock war sehr erhellend.
Ich habe zwei Dinge gelernt. Der erste Punkt ist: Die CDU
hat immer noch keinen Redner für das Thema Umwelt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nun aber einmal vorsichtig!)


Das ist ja nicht unwichtig.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ganz vorsichtig!)

Sie haben immer gesagt: Umweltpolitik ist Chefsache.

Ich habe hier aber weder den Chef reden hören – diese
Möglichkeit hätte es ja gegeben – noch habe ich – auch
diese Möglichkeit hätte es gegeben – Frau Merkel, die
frühere Bundesumweltministerin, reden hören. Stattdes-
sen hat uns Herr Austermann hier beglückt. Seine Rede
war zeitlich knapp, aber gut. Aber Herr Austermann ist ja
in Wahrheit derjenige, der noch im letzten Jahr sagte: „Die
Regierung wirft mit vollen Händen Geld zum Fenster hi-
naus – das ist pure Verschwendung.“ Dies ist ein Original-
zitat von Herrn Austermann zum Thema Photovoltaik. –
So viel zum Thema Umwelt in Ihrer Fraktion und Ihren
Parteien.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil über 100 Prozent gefördert worden ist!)


Der zweite Punkt, den ich hier gelernt habe, ist, dass
Herr Seehofer immer noch in der Lage ist, sehr engagierte
und sehr echauffierte Redebeiträge zu leisten.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn damit sagen! Unerträglich!)


Ich muss Ihnen aber der Ehrlichkeit halber sagen, dass ich
diese Debatte hier und heute eigentlich zu schade dafür
finde, dass von Ihnen unionsinterne Machtkämpfe ausge-
tragen werden. Ihr Operieren mit falschen Zahlen, Herr
Seehofer, und Ihren Populismus an dieser Stelle kann man
sich nur damit erklären, dass Sie immer noch die Abgren-
zung zu Späth betreiben, also dazu, wer für Arbeitsmarkt
und anderes zuständig ist. Ansonsten lässt sich das nicht
erklären.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wir sind doch nicht bei den Grünen!)


Auch wie Sie in Ihrer Kurzintervention mit falschen
Zahlen operiert haben, ist aufschlussreich. Sie haben die




Horst Seehofer
25528


(C)



(D)



(A)



(B)


Schweiz genannt. Sollen wir jetzt daraus schließen, dass
Sie die beitragsfreie Mitversicherung, wie wir sie in
Deutschland haben, aufgeben wollen und wie in der
Schweiz Kinder zu eigenen Versicherungsbeiträgen zwin-
gen wollen?


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Reden Sie doch keinen Unfug!)


Die Leute draußen werden mit Interesse gehört haben,
was Sie gerade ausgeführt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben ja überhaupt keine Ahnung!)


Vielleicht können wir auch einmal wieder versuchen,
zum Thema dieser Debatte zu reden


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das wird es sein!)


und ein paar Zahlen, die stimmen, zu nennen. Ich will ein-
mal mit der Flutkatastrophe und dem, was da zu tun ist,
anfangen, weil dieses Problem im Augenblick die Land-
wirtschaft und den ländlichen Raum akut beschäftigt. Es
kommt an dieser Stelle darauf an, dass wir den Menschen
sofort und schnell helfen. Ich meine, dass die rot-grüne
Bundesregierung mit dem Modell, das sie ihnen angebo-
ten hat, die wirksamste Methode gefunden hat, um den
Wirtschaftsbetrieben wieder auf die Beine zu helfen.


(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben an dieser Stelle klar gesagt: Jetzt wird nicht
lange herumgezappelt und überlegt, wo man etwas strei-
chen könnte, sondern wir stellen die Summen zur Verfü-
gung, die einen Neuanfang wieder möglich machen.

Wir haben Soforthilfen für existenzgefährdete Be-
triebe vorgesehen und darüber hinaus ein Sofortpro-
gramm für die Landwirtschaft aufgelegt, das für hohe
Schadenssummen bei zerstörten Geräten und Gebäuden,
die aber zur weiteren Arbeit nötig sind, aufkommt. Wir
haben da, wo selbst das für einzelne Betriebe nicht aus-
reichen sollte, damit angefangen, betriebsbezogene runde
Tische zusammen mit den Bundesländern und den Ban-
ken einzurichten, weil wir sehen, dass die Betriebsinhaber
nicht monatelang Zeit haben, von Pontius zu Pilatus – von
Behörde zur Bank und zurück zur Behörde – zu laufen,
sondern tatsächlich konkrete Hilfe brauchen. Das heißt
für uns, dass wir uns nicht nur bei denen melden, sondern
dorthin fahren und dafür sorgen, dass diese runden Tische
wirklich auf den Höfen stattfinden. Das bringt positive Er-
gebnisse; das geht jedenfalls aus den Reaktionen hervor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben darüber hinaus ganz aktuell Mittel zur
Deichsanierung zur Verfügung gestellt. Das heißt, wir
wollen auf das Winterhochwasser vorbereitet sein. Das
THW und die Bundeswehr haben bisher geholfen. Jetzt
hat die Regierung mit der Bereitstellung von 50Millionen
Euro die Möglichkeit eröffnet, bis zu 4 000 arbeitslose
Menschen mit unterschiedlichsten beruflichen Qualifika-
tionen, auch aus dem Bereich Statik, nicht nur für Hilfs-

arbeiten, sondern auch zur Sanierung der Deiche in den
Bundesländern einzusetzen. Damit sind wir auf kom-
mende Ereignisse gut vorbereitet; denn die Deiche wur-
den ziemlich stark belastet.

Wir haben – das ist der vierte Punkt – für den ländli-
chen Raum im nächsten Jahr eine Aufbauhilfe von
320 Millionen Euro vom Bund, hinzu kommen 200 Mil-
lionen von den Ländern, durch die Verschiebung der Steu-
ersenkung um ein Jahr zur Verfügung stellen können. Da-
mit ist klar – ich denke, das Geld wird reichen –, dass wir
die Schäden, die eingetreten sind, beseitigen können. Das
heißt, wir geben damit das klare Signal: Wir helfen euch
beim Neuanfang und wackeln nicht lange hin und her und
diskutieren nach dem 22. September nicht wieder neu.
Wir packen also alle Kraft zusammen, um die Schlamm-
und Wassermassen zu beseitigen und mit dem Neuaufbau
zu beginnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Neben dieser konkreten und akuten Hilfe geht es auch
darum – das ist klar –, wie wir das Ganze weiterent-
wickeln können und was weiter für die Zukunft zu tun ist.
Da freue ich mich darüber, Ihnen sagen zu können, dass
wir auf der Agrarministerkonferenz in einem ganz an-
deren Stil diskutiert haben, als wir das jetzt hier und heute
tun. Wir haben uns auf der Agrarministerkonferenz letzte
Woche zum Beispiel gemeinsam, also A- und B-Länder,
für den naturnahen Gewässerausbau entschieden. Da-
mit ist klar, dass es in Zukunft einen anderen Deichbau ge-
ben soll: Nur noch in Ausnahmefällen sollen Deiche er-
höht werden, ansonsten sollen Deiche verlegt und
Überschwemmungsflächen geschaffen werden. Auch der
Umgang der Landwirtschaft mit dem Boden, der auch da-
rüber entscheidet, wie viel Wasserhaltekapazität vorhan-
den ist, soll verbessert werden.

An dieser Stelle kann man eines festhalten: Es gibt ein
gemeinsames Arbeiten für die Menschen auf dem Lande,
für die Bäuerinnen und Bauern, auch im Bereich Hoch-
wasserschutz.

Das heißt ganz klar, dass jetzt Schluss ist mit der
Scheu, wenn es darum geht, immer mehr Grünflächen
entlang der Flussbetten in Ackerland umzuwandeln. Ich
weiß, dass der bayerische Ministerpräsident das neue
Bundesnaturschutzgesetz streichen möchte. Das würde
zum Beispiel dazu führen, dass diese Umwandlung wei-
ter möglich wäre. Es würden immer mehr Maisfelder ent-
stehen und damit wäre der Boden schutzlos jeder Erosion
durch Wasser ausgeliefert. Ich freue mich, dass die A- und
B-Länder dem jetzt einen Riegel vorschieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich muss ehrlich sagen, dass mich nicht nur die Nicht-
haltung der FDP zu diesem Thema verwundert,


(Ina Lenke [FDP]: So ein Blödsinn, was Sie da sagen!)


sondern mir auch die Sprache wegbleibt angesichts des-
sen, was ich an verschiedenen Stellen von der CDU/CSU
höre. Ich kann Ihnen ein Zitat nicht ersparen. Einer von




Bundesministerin Renate Künast

25529


(C)



(D)



(A)



(B)


Ihnen, Herr Gauweiler, der im Bereich Umweltschutz
wohl einer der kompetenten Personen aus der CDU/CSU
ist, hat sich vor circa einer Woche dazu herabgelassen, im
Zusammenhang mit der Frage der Versiegelung von Bö-
den und dem Schutz vor Hochwasser zu sagen, dass das
Problem der Versiegelung in Deutschland schlicht und
einfach darin liege, dass einige in Deutschland dieses
Land zu einem Dauereinwanderungsland machen woll-
ten. Er meinte tatsächlich, das Problem der zunehmenden
Versiegelung liege darin, dass pro 100 000 Einwanderer
der Flächenbedarf der Stadt Würzburg benötigt werde,
und kritisierte das. Auf eine solche Idee muss man erst
einmal kommen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wohnen die alle in Zelten oder was?)

Stellen Sie sich doch einmal den Aufgaben, die im Be-

reich Landwirtschaft vor uns liegen! Die Aufgabe heißt
meines Erachtens nicht nur Schadensbeseitigung, die wir
jetzt auf den Weg gebracht haben und, wie ich denke, auch
erreichen werden, sondern im Übrigen auch Planungssi-
cherheit. Jetzt ist natürlich die Frage: Was ist Planungssi-
cherheit?


(Albert Deß [CDU/CSU]: Ihr habt doch nur Unsicherheit!)


Planungssicherheit heißt nicht, mit alten so genannten
Kompetenzteams alte Konzepte, die schon gescheitert
sind, durchzusetzen, sondern Planungssicherheit heißt,
dass man sich gemeinsam mit der Landwirtschaft über-
legt: Wo geht die Reise hin? Was werden die Bedingungen
sein, die durch die WTO und die Erweiterung der Europä-
ischen Union geschaffen werden? Das ist entscheidend,
wenn man Planungssicherheit herstellen will. Man darf
nicht an alten, falschen Auslaufmodellen festhalten, son-
dern muss mit den jungen Landwirtinnen und Landwirten
überlegen, wo es langgeht, und für sie in Berlin und in
Brüssel die Fördertatbestände schaffen, die ihnen helfen,
ihre Betriebe frühzeitig auf neue Bedingungen einzustel-
len.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben gemeinsam mit den Bundesländern neue
Prioritäten in der Gemeinschaftsaufgabe geschaffen. Wir
haben Vorschläge für Brüssel gemacht. Siehe da: Sie fin-
den dort sogar ihren Niederschlag. Das gilt zum Beispiel
für die Vorschläge zur Entkoppelung der Prämienzahlung
von der Produktion, die Direktzahlungen an Landwirte
überhaupt WTO-kompatibel macht,


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Reden Sie doch keinen Quatsch!)


sonst würden sie nämlich in drei, vier Jahren der gesam-
ten Streichung anheim fallen, weil sie dann nicht mehr in
die so genannte Greenbox passen würden.

Ich weiß natürlich, dass manche von Ihnen in der Ver-
gangenheit gesagt haben: Die Künast hat immer so komi-
sche Modelle; gut, dass es den Kommissar Fischler gibt.
Ich sage Ihnen zwei Dinge ganz klar. Sie haben Fischler
immer gelobt und von mir abgegrenzt. Ich wundere mich,

wo Sie und auch der Deutsche Bauernverband geblieben
sind, als Fischler im Sommer dieses Jahres genau die Vor-
schläge gemacht hat, die auch die rot-grüne Bundesregie-
rung gemacht hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was sagte der Bauernverband? „Wir sind überrascht“ –
mehr nicht.

Sie haben immer gesagt, Fischler sei ein sehr erfahre-
ner Agrarier. Dann stimmen Sie doch bitte den Fischler-
Vorschlägen zu! Er hat genau darauf geachtet, wie die in-
ternationalen Bedingungen sein werden und wie das Geld
bei der Landwirtschaft, sozusagen für eine multifunktio-
nale Landwirtschaft, für unterschiedliche Einkommens-
quellen in der Landwirtschaft, gehalten werden kann.

Ich freue mich darüber, dass wir auf der Agrarminis-
terkonferenz in der letzten Woche in diesem Zusammen-
hang ein sehr interessantes Papier hatten. Der einzige Un-
terschied zu mir, den ich noch sehe, betrifft die Frage, ob
das Ganze 2004 oder 2006 beginnen soll. Ansonsten ist
das ein exzellentes Papier.

Ich sage insbesondere den Kolleginnen und Kollegen
von den Koalitionsfraktionen: Das Papier enthält an zwei
Stellen den Originaltext unseres Kabinettsbeschlusses aus
dem Juli dieses Jahres, den wir als Stellungnahme zu den
Fischler-Vorschlägen gefasst haben. Das Papier ist so gut,
dass selbst Bayern zugestimmt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Man sieht also: Wir stehen auf der richtigen Seite. Wir
sagen, dass Grünland nicht mehr wie in der Vergangenheit
diskriminiert werden darf. Auf der anderen Seite sagen
wir, dass die Kappungsgrenze, die Fischler vorgeschlagen
hat, mit uns nicht zu machen ist, weil für uns das Krite-
rium Arbeitsplätze immer eine Rolle spielen wird und
weil wir nicht wollen, dass Arbeitsplätze verloren gehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen eine gute Produkt- und Prozessqualität in
Deutschland. Unsere Landwirte und die Lebensmittelin-
dustrie, die viele Arbeitsplätze schaffen, können diese
guten Produkte in Deutschland, auf dem europäischen
Binnenmarkt und international vermarkten.

Hinsichtlich Tierschutz und Umweltschutz sage ich
Ihnen: Es muss Behörden geben, die den Tierschutz und
den Umweltschutz sicherstellen. Deshalb haben wir
zwei neue Institute eingerichtet: das Bundesinstitut für
Risikobewertung und das Bundesamt für Verbraucher-
schutz. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Ab dem
23. September geht das Verbraucherinformationsgesetz in
die nächste Runde. Dann kommt Butter bei die Fische,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie haben sich gedrückt. Im Bundesrat haben einige
B-Länder gesagt, das Gesetz gehe zu weit. Andere haben
gesagt, es gehe nicht weit genug. Die Position der B-Län-




Bundesministerin Renate Künast
25530


(C)



(D)



(A)



(B)


der ging also in zwei entgegengesetzte Richtungen. Als
wir konkrete Vorschläge von Ihnen eingefordert haben,
haben Sie geantwortet, dass Sie noch einige Monate brau-
chen werden. Dann koppeln Sie sich eben ab. Ich weiß
jetzt, was ich von Aussagen über Demokratie, wie sie Herr
Seehofer vorhin getroffen hat, zu halten habe: Sie meinen
es damit nicht ernst.

Verbraucherinnen und Verbraucher wollen informiert
werden und wollen wissen, was in den Produkten enthal-
ten ist. Wir brauchen eine umfangreiche Kennzeichnung
auch der Lebensmittel, damit der Verbraucher die Freiheit
der Entscheidung hat.

Lieber Herr Seehofer – er ist anscheinend schon weg –,
ich hätte mir fast gewünscht, dass Sie zum Thema Ver-
braucherschutz und Landwirtschaft reden. Ich will Ihnen
auch sagen, warum. Sie haben zwar viel über Prävention
geredet. Aber Sie müssen sich auch zu den Fragen äußern,
wie wir beispielsweise mit Pflanzenschutzmitteln umge-
hen und wie wir es schaffen, unsere Produkte und die Pro-
dukte, die nach Deutschland eingeführt werden, noch
gesünder zu machen.

Das ist, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,
nicht nur eine Kontrollaufgabe der Bundesländer, sondern
es ist auch eine Bundesaufgabe, an dieser Stelle dafür zu
sorgen, dass möglichst wenig Rückstände in den Le-
bensmitteln enthalten sind. Dabei ist es unerheblich, ob es
sich um Pflanzenschutzmittel oder um bestimmte Pro-
dukte der Lebensmittelindustrie wie Convenience-Pro-
dukte handelt, die immer mehr Fett enthalten und die zu
chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu Diabetes
und zu Erkrankungen des Bewegungsapparates führen
können. Wenn wir die Krankenkassen entlasten wollen,
dann dürfen wir nicht nur in den Kategorien des Gesund-
heitsressorts denken. Dazu müssen wir eine gute Land-
wirtschaftspolitik machen und vernünftige Rahmenbedin-
gungen für die Lebensmittelindustrie in der Republik
schaffen.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Die machen Sie doch kaputt! Ein unglaublicher Vorgang!)


An dieser Stelle fängt Prävention an. Aber dazu gibt es
kein einziges Wort von Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich freue mich, dass sich die Lebensmittelindustrie an
dieser Debatte schon längst beteiligt. Ich freue mich auch
darüber, dass die „FAZ“ zu den Fischler-Vorschlägen vor
kurzem gesagt hat, das sei die Brüsseler Agrarwende. Sie
sehen also, Berlin und Brüssel haben ein gemeinsames
Ziel. Deshalb kann unsere Politik nicht so falsch sein.

Am 22. September geht es darum, ob es die Agrar-
wende nach vorne oder die Rolle rückwärts in die Traum-
welt der Lobbyisten gibt. Ich weiß aber, dass 82Millionen
Verbraucherinnen und Verbraucher in der Republik schon
wissen, was sie wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425207200
Das Wort hat
jetzt der Kollege Carstensen.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist das? – Rudolf Bindig [SPD]: Jetzt kommt der Lobbyist der Agrarchemie! – Gegenruf von der CDU/CSU: Nur kein Neid!)



Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1425207300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Frau Künast, angesichts der Tatsache, dass
Sie von Respekt in der Debatte sprechen, hätte ich er-
wartet, dass Sie sich während der Rede von Horst
Seehofer ordentlich benommen und nicht die ganze Zeit
mit Ihren Ministerkollegen demonstrativ gequasselt hät-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das ging zu wie auf dem Bahnhof!)


Wenn Sie sagen, dass Sie bei der Flutkatastrophe
schnelle Hilfe gegeben haben, dann darf ich Sie daran er-
innern, dass die schnelle Hilfe, von der Sie gesprochen
haben, sich in den letzten Wochen häufig verändert hat
und dass andere Sie zum Jagen tragen mussten. Zum Bei-
spiel musste der Minister Backhaus Sie auffordern, sich
endlich um die Flutopfer zu kümmern, Frau Ministerin
Künast.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Vielleicht hätten Sie auch einmal etwas zu denjenigen
Bauern sagen sollen, die auch Flutopfer geworden sind
und nicht unter das Gesetz fallen, weil sie nämlich ihre
Schäden im Juli und nicht im August gehabt haben. Wenn
Sie nach Niedersachsen gehen – zum Teil betrifft das auch
Mecklenburg und Schleswig-Holstein –, dann werden Sie
feststellen, dass dort Existenzen bedroht sind, um die Sie
sich überhaupt nicht kümmern, Frau Künast.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie hier dann auch noch falsche Behauptungen

aufstellen und sagen, wir würden das Bundesnatur-
schutzgesetz streichen wollen, dann muss ich Sie fragen:
Wie kommen Sie eigentlich auf einen solchen Unsinn?
Wir werden uns das Bundesnaturschutzgesetz vorneh-
men, weil Sie nämlich mit diesem Gesetz dafür gesorgt
haben, dass die Bauern keine Lust mehr auf Umwelt-
schutz haben. Sie haben nicht einmal den Vertragsnatur-
schutz mit in das Gesetz aufgenommen. Die gute fachli-
che Praxis hat in Ihrem Gesetz keinen Stellenwert mehr.
Daher ist es doch notwendig, dass wir die Leute wieder
für den Naturschutz begeistern und ihnen auch die Mög-
lichkeit geben, wieder an einem Bundesnaturschutzgesetz
mitzuarbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben die Planungssicherheit angesprochen. Ich

glaube, die Ministerin weiß gar nicht, dass 40 Prozent
der landwirtschaftlichen Betriebe, 40 Prozent der Bau-
ern im Moment keine Lust haben zu investieren. Sie ha-
ben keine Lust zu investieren, weil sie von Ihnen eben




Bundesministerin Renate Künast

25531


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht Planungssicherheit bekommen, weil sie nicht wis-
sen, wohin die Reise geht.


(Rudolf Bindig [SPD]: Die befürchten, dass Sie drankommen!)


– Die hoffen, dass wir drankommen, genauso ist es.

(Rudolf Bindig [SPD]: Die befürchten!)


– Ich habe Sie schon richtig verstanden. – Die hoffen, dass
wir drankommen. Wenn Sie zu einer Bauernversammlung
gehen und denen nur zwei Sätze sagen, dann bekommen
Sie einen Riesenapplaus, und zwar wenn Sie sagen: We-
niger Bürokratie und die Künast muss weg. Was meinen
Sie, was dann bei den Bauern los ist!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Die hoffen, dass wir drankommen, weil sie wieder eine
ordentliche Agrarpolitik haben wollen.

Das Eigenartige, lieber Herr Kollege, ist – das haben
Sie doch bei dem Applaus Ihrer Fraktion bei der Rede von
Frau Künast gemerkt –, dass Ähnliches auch von Ihren so-
zialdemokratischen Politikern draußen gesagt wird. Die
sagen: Wir sind nicht mehr in der Lage, noch einmal vier
Jahre lang Künast zu halten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Kolleginnen und Kollegen von Ihnen halten Vorträge und
sagen dort: Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht. –
Jawohl, die Grenzen der Belastbarkeit mit Frau Künast
sind wirklich erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch Ihre Aussage, dass Bluebox-Maßnahmen nicht

möglich und nicht kompatibel mit der WTO seien, ist
falsch. Bluebox-Maßnahmen unterliegen nicht der Frie-
denspflicht nach Marrakesch. Bluebox-Maßnahmen wer-
den sicherlich in die Diskussion mit hereinkommen; das
gebe ich Ihnen gerne zu. Aber zu sagen, dass es nicht mög-
lich wäre, mit Bluebox-Maßnahmen zu arbeiten, ist
falsch. Ich will Ihnen auch sagen, Frau Künast: Wenn Sie
schon davon sprechen, sagen Sie bitte den Bauern in Ost-
deutschland, in welcher Art und Weise Sie eine Kap-
pungsgrenze anerkennen würden. Sie haben gesagt: So,
wie die Kappungsgrenze im Moment dort steht, wird sie
von uns nicht anerkannt. Sagen Sie uns bitte, in welcher
Art und Weise Sie das machen wollen.

Wenn Sie den Unterschied zu uns kennen lernen wol-
len: Der besteht darin, dass wir uns vorstellen und wissen,
dass die bäuerlichen Betriebe bei uns in Deutschland
Wirtschaftsbetriebe sind, die Rahmenbedingungen brau-
chen, um wirtschaften zu können, um Eigenkapital zu bil-
den und um Investitionen zu tätigen. Sie sind nicht bereit,
diese Rahmenbedingungen den wirtschaftenden Betrie-
ben bei uns zu geben.


(Jörg Tauss [SPD]: Unsinn!)

Wenn Sie von Verbraucherschutz sprechen, frage ich

mich: Was hat es eigentlich mit Verbraucherschutz zu tun,
dass sich bei uns die Importe von Nahrungsmitteln – auch
von Weizen, zum Beispiel aus der Ukraine und aus Russ-
land – in den letzten Jahren verzehnfacht haben? Was ha-

ben die jetzigen Weizenpreise und Milchpreise mit Ver-
braucherschutz zu tun? Sie haben in der Debatte zum
Agrarbericht immer davon gesprochen, die guten Preise
aus dem letzten Jahr wären der Künast-Effekt. Meine Da-
men und Herren, 8,50 Euro für den Doppelzentner Weizen
sind der Künast-Effekt. Die schlechten Preise bei der Milch
sind der Künast-Effekt. Wenn sich Frau Künast dann auch
noch hier hinstellt und für 5 bis 6 Millionen Tonnen Im-
portweizen aus der Ukraine wirbt, dann muss ich sagen:
Das hat mit Verbraucherschutz überhaupt nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es hat nichts mit Verbraucherschutz zu tun, wenn wir

die Ansprüche höher schrauben und Importe wie Erdbee-
ren aus Spanien und Argentinien oder Putenfleisch aus
Brasilien und Thailand diese unterlaufen. Verbraucher-
schutz ist unteilbar.

Hier könnten Sie klatschen. Das ist das, was Uwe
Bartels, SPD-Landwirtschaftsminister in Niedersachsen,
vorgestern auf dem Bauerntag in Münster gesagt hat. Ich
finde, er hat Recht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Er hat hinzugefügt: Zu keiner Zeit waren die Qualität und
die Sicherheit von Lebensmitteln so hoch wie heute bei
uns. Auch darin hat er Recht, auch dazu könnten Sie,
meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen,
Applaus spenden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden die Agrarpolitik wieder in vernünftige
Bahnen lenken


(Jörg Tauss [SPD]: Wie früher! – Ilse Janz [SPD]: Vorwärts in die Vergangenheit!)


und wollen dafür sorgen, dass diejenigen, die Agrarpoli-
tik betreiben, auch etwas davon verstehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seitdem Sie, Frau Künast, das Ministerium führen, bin ich
zutiefst davon überzeugt, dass ein wenig Sachverstand
nicht schaden würde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen wollen wir zur Erhaltung der flächen-

deckenden Landwirtschaft dafür sorgen, dass unsere Be-
triebe wieder Perspektiven erhalten. Wir wollen den Stel-
lenwert der Agrarpolitik wieder erhöhen. Das hat nicht nur
damit zu tun, dass wir im Landwirtschaftsministerium –
das Ministerium wurde von der SPD aufgegeben – etwas
tun wollen, sondern wir wollen auch die Rückendeckung
des Bundeskanzlers. Diese ist jetzt nicht vorhanden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


Wenn ein Bundeskanzler sagt: „Warum sollen wir uns um
euch kümmern, ihr wählt uns ja doch nicht“, dann nimmt
er die Aufgaben, die er als Bundeskanzler hat, nicht wahr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Peter H. Carstensen (Nordstrand)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden dafür sorgen, dass Ihre unsinnigen Modu-
lationsvorstellungen – in Rheinland-Pfalz führen sie dazu,
dass 800 000 DM in die Kasse des Landes kommen, aber
1,3 Millionen DM für Verwaltungsaufwand verbraucht
werden, und in Bayern kommen 8 Millionen in die Kasse,
wobei Bayern schon 800 Millionen DM für den Natur-
schutz im landwirtschaftlichen Bereich ausgegeben hat –
nicht fortgeführt werden.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425207400
Herr Kollege
Carstensen, achten Sie bitte auf die Redezeit, Sie haben
sie schon um eine Minute überschritten.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1425207500
Ich
könnte noch lange reden, aber ich will mich daran halten,
Frau Präsidentin.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425207600
Das tun Sie dann
auf Kosten Ihrer Kollegen aus der eigenen Fraktion.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1425207700
Ich
könnte das insbesondere deswegen, weil Sie zu denjeni-
gen gehören, Frau Präsidentin, die früher einmal im
Agrarausschuss gewesen sind und sicherlich ein Interesse
an diesem Thema haben.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425207800
Ich bitte Sie,
mich nicht zu bestechen. Ich muss bei der Redezeit kor-
rekt bleiben.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1425207900
Wir
wollen dafür sorgen, dass die Agrarpolitik wieder den
richtigen Stellenwert in der Politik bekommt. Wir wollen
den Bauern eine Zukunftsperspektive geben. Das kann
mit Frau Künast nicht laufen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208000
Wir sind damit
am Schluss dieses Debattenabschnitts und kommen zur
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
auf Drucksache 14/9945 mit dem Titel „Klarheit über
finanzielle Situation in der gesetzlichen Renten- und
Krankenversicherung vor der Bundestagswahl schaffen“.
Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenprobe! – Enthal-
tungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt worden.

Wir setzen die Haushaltsberatungen mit den Ge-
schäftsbereichen des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung und des Bundesministeriums für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend fort. Das Wort hat
zunächst die Frau Bundesministerin Edelgard Bulmahn.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Herren und Damen! Bildung und Forschung

spielen die wichtigste Rolle für unsere Zukunft. Wir sind
1998 angetreten, um den heillosen Rückstand und die
Mittelkürzungen wieder wettzumachen, die Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, in 16 Jahren ver-
ursacht hatten.


(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen, meine Herren und Damen von der Union

und der FDP, ist der Schlingerkurs aus der Vergangenheit
nach wie vor Programm. Wo diese Bundesregierung ent-
schlossen handelt, gehen Sie weiterhin einen Schritt nach
vorn und sofort wieder zwei Schritte zurück. Mit genau
dieser Gangart haben Sie in den 16 Jahren Ihrer Regie-
rungszeit in der Bildungs- und Forschungspolitik jeden
Fortschritt verhindert. Sie haben viel von Zukunft gere-
det, gleichzeitig aber mit Ihrer Politik die Zukunft unse-
res Landes gefährdet.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben Innovationen angekündigt, stattdessen aber ei-
nen gewaltigen Reformstau verursacht. Sie haben Investi-
tionen versprochen, stattdessen aber den Etat für Bildung
und Forschung wirklich in Grund und Boden gestampft.

Damit aber haben wir seit 1998 endlich Schluss ge-
macht.


(Beifall bei der SPD)

Diese rot-grüne Bundesregierung hat mit einem beispiel-
losen Kraftakt den Etat für Bildung und Forschung Jahr
für Jahr erhöht. Allein im kommenden Jahr werden
9,3 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Ver-
fügung stehen.


(Beifall bei der SPD)

Seit dem Regierungswechsel haben wir die Ausgaben um
fast 30 Prozent erhöht. Dies sind mehr als 2 Milliarden
Euro zusätzlich. Dies ist eine zukunftsorientierte Politik.
Dies ist eine Politik, die sich dadurch auszeichnet, dass
nicht nur geredet, sondern wirklich gehandelt wird.


(Beifall bei der SPD)

Nachhaltigkeit ist für uns ein Leitfaden für alle Poli-

tikbereiche. Es geht eben nicht, dass wir auf Kosten unse-
rer Kinder leben. Deshalb haben wir den Marsch in den
Schuldenstaat gestoppt, gleichzeitig in Bildung und For-
schung investiert


(Beifall bei der SPD)

und damit diesen Politikbereich endlich wieder in das
Zentrum der Politik gerückt. Wir haben mit einer Politik
Schluss gemacht, in der Bildung und Forschung unter
„ferner liefen“ gelandet waren. Dies war bei Ihnen leider
der Fall. Dies hat sich seit 1998 endlich wieder geändert.


(Beifall bei der SPD)

Frau Flach, auch die FDP hat 16 Jahre lang bei der Po-

litik mitgemacht,

(Ulrike Flach [FDP]: Ich war nicht dabei!)


Bildung und Forschung unter „ferner liefen“ zu behan-
deln,


(Ulrike Flach [FDP]: Dazu sage ich gleich etwas!)





Peter H. Carstensen (Nordstrand)


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(C)



(D)



(A)



(B)


diesen Etat systematisch zu kürzen und in Grund und Bo-
den zu fahren. Dafür tragen Sie genauso wie die CDU Ver-
antwortung. Sie haben mitgemacht.


(Beifall bei der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]: Da hat Ihnen jemand etwas Falsches aufgeschrieben!)


Wer morgen Innovationen will, der muss heute für das
kreative Potenzial der Menschen sorgen, der muss dafür
sorgen, dass dieses kreative Potenzial wirklich geweckt
wird, der muss vor allen Dingen für mehr Menschen bes-
sere Bildungschancen schaffen, und zwar gerade auch
für junge Menschen aus ganz normalen Arbeiter- und An-
gestelltenfamilien. Für unser Land sind gut ausgebildete
Menschen so wichtig wie die Luft zum Atmen.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben dies verstanden und deshalb 1998 eine Politik
begonnen, die die Voraussetzungen dafür schafft, dass die
Menschen in unserem Land endlich eine gute, eine bes-
sere Bildung und Ausbildung erhalten. Dies gilt – das sage
ich ganz klar – für eine Berufsausbildung genauso wie für
eine akademische Ausbildung.


(Beifall bei der SPD)

Der Mensch beginnt nicht erst beim Abitur. Hier zählen

aber nicht nur Worte, sondern auch Taten. Deshalb haben
wir mit dem JUMP-Programm und dem Ausbildungs-
konsens die Jugendlichen von der Straße geholt, die in den
Jahren Ihrer Regierungsverantwortung keine Chance auf
berufliche Ausbildung hatten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ilse Falk [CDU/CSU]: Die stehen doch wieder auf der Straße! – Zuruf von der CDU/ CSU: Die Jugendarbeitslosigkeit ist gestiegen!)


Ich habe nicht vergessen, dass wir 1998 1,3 Millionen
junge Menschen ohne Ausbildung hatten, die keine Zu-
kunft, die keine Chance hatten.


(Ulrike Flach [FDP]: Aber JUMP hat doch gar nicht gegriffen!)


Wir haben diesen Jugendlichen wieder eine Chance gege-
ben. Ich finde, das war richtig. Die jungen Leute haben sie
auch genutzt. Über 450 000 junge Leute haben diese
Chance genutzt.


(Beifall bei der SPD)

Wenn ich von der CSU höre, Frau Flach, dass Herr

Stoiber sagt, das sei Aktionismus, dann kann ich dazu nur
sagen: Einem Menschen, dem es egal ist, ob diese jungen
Leute im Abseits stehen oder nicht, will ich meine Zu-
kunft nicht in die Hand legen. Ich bin davon überzeugt,
dass dies auch viele andere Menschen in unserem Land
nicht wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir schaffen die Berufe von morgen. Eine gute Be-
rufsausbildung nutzt beiden Seiten: Sie nutzt den jungen
Menschen, für die eine gute Berufsausbildung einen er-

folgreichen Start ins Berufsleben darstellt, und sie nutzt
den Unternehmen, weil sie nur über eine gute Berufsaus-
bildung an die Fachkräfte kommen, die sie benötigen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wo sind denn die Ausbildungsplätze? Sie sind in Bayern und Baden-Württemberg!)


Deshalb haben wir in den letzten vier Jahren 56 Ausbil-
dungsordnungen modernisiert und 18 neue Berufe in wach-
senden Beschäftigungsfeldern geschaffen. 70 000 neue
Ausbildungsplätze allein in IT-Berufen zeigen, dass diese
Politik greift.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben es in den Jahren 2000 und 2001 geschafft,

dass alle Jugendlichen in Deutschland einen Ausbil-
dungsplatz erhalten haben. Das muss uns auch in diesem
Jahr wieder gelingen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Da seid ihr weit von entfernt!)


Dazu darf man sich aber nicht einfach hier hinstellen, so
wie Sie das jetzt wieder tun, und fragen, wo die Ausbil-
dungsplätze denn sind. Ich gehe in die Betriebe und for-
dere sie auf, dass sie Ausbildungsplätze bereitstellen. Ich
frage nicht nur, wo die Ausbildungsplätze sind, sondern
gehe auch in die Betriebe. Ich erwarte von jedem einzel-
nen Kollegen hier in diesem Parlament, nicht nur Fragen
zu stellen, sondern zu handeln.


(Beifall bei der SPD)

Auch beim neuen Meister-BAföG verstehe ich nicht,

meine sehr geehrten Herren und Damen von der Opposi-
tion, warum Sie hier nur meckern und mosern.


(Jörg Tauss [SPD]: Weil sie nichts anderes können!)


Sie haben in der ersten Hälfte der 90er-Jahre das Meister-
BAföG abgeschafft. Weil das Land Niedersachsen und
andere Länder gegen die Abschaffung protestiert haben,
haben Sie ein Flickwerk verabschiedet, das zu dem Er-
gebnis geführt hat, dass die Leistungen nicht in Anspruch
genommen wurden. Wir haben dieses Gesetz endlich wie-
der auf gesunde Füße gestellt – mit Erfolg. Denn die Zahl
derjenigen, die dieses Gesetz in Anspruch nehmen wol-
len, die Nachfrage nach diesem neuen, echten Meister-
BaföG, ist allein im ersten Halbjahr 2002 im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum um 145 Prozent gestiegen. Das
zeigt: Diese Reform ist ein Erfolg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Herren und Damen, ein export-
orientiertes Hightechland wie Deutschland braucht aber
nicht nur gut ausgebildete Fachkräfte, sondern auch mehr
und besser ausgebildete Hochschulabsolventen. Heute
können wieder alle begabten jungen Menschen studieren,
auch wenn ihnen keine goldene Kreditkarte in die Wiege
gelegt wurde.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

Dafür haben wir mit der BAföG-Reform, mit der Ein-

führung von Bildungskrediten und dem Verbot von Stu-




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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(C)



(D)



(A)



(B)


diengebühren für das Erststudium gesorgt. Das war drin-
gend notwendig, nachdem Sie, meine Herren und Damen
von der Opposition, über Jahre hinweg das BAföG in
Grund und Boden gewirtschaftet haben.


(Marita Sehn [FDP]: Sie wollten doch eigentlich etwas anderes, Frau Bulmahn!)


Wir haben es mit diesem BAföG geschafft, dass heute
wieder rund 150 000 Schülerinnen und Schüler sowie
Studierende BAföG erhalten und dass die Studierenden-
quote in vier Jahren um 5 Prozent gestiegen ist. Das müs-
sen Sie erst einmal nachmachen. Dazu werden Sie aber
die Chance nicht bekommen, weil wir unsere Arbeit fort-
setzen werden. Das ist auch die Erfolgsgarantie.


(Beifall bei der SPD)

Wer heute die Einführung von Studiengebühren for-

dert, so wie das die CDU tut, der schreckt nicht nur junge
Leute vom Studium ab, sondern der will auch keine breite
Bildungselite. Der will eben keine Leistungselite, sondern
eine elitäre Bildung für Wenige.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit uns wird es deshalb keine Studiengebühren für das
Erststudium geben. Das ist im Gesetz so festgeschrieben.
Mit uns bleibt das auch so.


(Beifall bei der SPD)

Nach Jahren des Stillstands bewegt sich an unseren

Hochschulen endlich wieder etwas. Das ist wirklich zu
spüren. Wir haben den Innovationsstau beim Hochschul-
bau aufgelöst. Mehr als 1 500 Bachelor- und Masterstu-
diengänge machen Deutschland heute wieder zu einem
weltweit attraktiven Studienstandort. Wir haben die Mit-
tel für den wissenschaftlichen Nachwuchs um mehr als
35 Prozent aufgestockt. Auf neu eingerichteten Junior-
professuren können junge Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler jetzt auch in Deutschland endlich selbststän-
dig lehren und forschen, das was sie in anderen Ländern
schon seit langem konnten. Unsere Hochschullehrerinnen
und -lehrer werden endlich nach Leistung bezahlt. Wem
zu all dem nichts anderes einfällt, außer zu sagen, er wolle
Studiengebühren und die Habilitation wieder einführen,
dem muss ich sagen: Er hat nicht begriffen, worum es an
unseren Hochschulen eigentlich geht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der schert im Übrigen nicht nur aus der internationalen
Gemeinschaft aus, der will auch noch zurück ins vorletzte
Jahrhundert. Das ist mit uns nicht zu machen.


(Jörg Tauss [SPD]: So sind die halt!)

Um die Zukunft unseres Landes geht es bei der Neu-

ausrichtung der Forschungspolitik. Forschung für den
Menschen, Forschung für Innovation und Wachstum, For-
schung für wirtschaftliche Stärke und für zukunftssichere
Arbeitsplätze, das sind die Ziele dieser Bundesregierung.
Deshalb stärken wir die kleinen und mittleren Unterneh-
men. Allein die Zahl der kleinen und mittleren Unterneh-
men, die durch mein Ministerium gefördert werden, ist
von 1998 bis 2002 von 55 auf 65 Prozent gestiegen. Die
Fördersumme, die diese Unternehmen erhalten, ist sogar

um 35 Prozent gestiegen. Auch da ist klar: Wir handeln,
Sie reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Mittel für die Gesundheitsforschung und Krank-
heitsbekämpfung durch Genomforschung haben wir ver-
doppelt. Vor allen Dingen haben wir dafür gesorgt, dass
neue Forschungsergebnisse schneller in die Arztpraxen und
zu den Patienten kommen. Es war die rot-grüne Bundes-
regierung, die dafür gesorgt hat, dass Deutschland in der
Biotechnologie heute zur Weltspitze gehört und in Europa
führend ist. Letztes Jahr überstieg der Umsatz der deut-
schen Biotechnologieunternehmen erstmals die 1-Milli-
arde-Euro-Marke.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Was ist mit Bio-Regio?)


Das Wachstum lag bei über 35 Prozent. Hören Sie endlich
auf, den Standort Deutschland schlecht zu reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutschland ist ein innovationsfreudiges Land. Das soll
es auch bleiben.

Das gilt im Übrigen auch für die Umwelttechnologie,
einen Bereich, den Sie in Ihrer Regierungszeit immer ver-
nachlässigt haben. Heute sind wir in Deutschland bei For-
schung und Entwicklung der Vorreiter.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

Hier haben wir richtig geklotzt und die Mittel für um-
weltgerechte nachhaltige Entwicklung seit 1998 um fast
30 Prozent erhöht.


(Beifall bei der SPD)

Die Hochwasserkatastrophe hat uns noch einmal sehr
deutlich gezeigt, wie wichtig gerade dieses Forschungs-
feld ist.

Wir konzentrieren uns darauf, die Innovationskraft ge-
rade und besonders in den neuen Ländern zu stärken. Un-
sere Forschungsoffensive Ost ist ein ganz wichtiger Im-
pulsgeber für Wirtschaftskraft und neue Arbeitsplätze. Sie
sorgt nicht nur dafür, dass neue Unternehmen entstehen,
sondern auch dafür, dass kleine Unternehmen wachsen
können. Mit dieser Forschungsoffensive Ost haben wir in
den letzten vier Jahren längst das erreicht, was die
CDU/CSU in ihrem Programm noch immer ankündigt.
Alleine für Inno-Regio haben wir die Mittel für 2003 ge-
genüber diesem Jahr mehr als verdoppelt. Wir reden also
nicht nur vom Aufbau Ost, wir tun auch etwas dafür.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aus meinem Haushalt werden knapp 2 Milliarden Euro in
den neuen Bundesländern investiert,


(Jörg Tauss [SPD]: Gut angelegt!)

also das Doppelte dessen, was Sie fordern. Dazu kann ich
nur sagen: Jeder weiß nun, wie er sich entscheiden muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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(C)



(D)



(A)



(B)


An dieser Stelle möchte ich auf einen Punkt zu spre-
chen kommen, der mir besonders am Herzen liegt. Wenn
wir unser Land noch weiter nach vorne bringen wollen,
dann brauchen wir auch eine umfassende Reform unseres
Schulsystems. Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen,
dass wir nicht so weitermachen können wie bisher.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Besonders in den SPD-regierten Ländern!)


Wir brauchen eine neue Schulkultur. Wir brauchen
Schulen, die mitten im Leben stehen.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD] und des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Man kommt dabei nicht mit Kirchturmspolitik weiter. Vor
allen Dingen kommt man nicht weiter, wenn man sich
selbstgefällig auf die Schulter klopft.


(Beifall bei der SPD)

Kein einziges Bundesland hat Grund, sich selbstgefällig
auf die Schulter zu klopfen. Wer das noch immer tut, Herr
Rachel, der hat den Ernst der Lage wirklich nicht begriffen.


(Beifall bei der SPD)

Unser Ziel ist es, dass wir die bestmögliche Bildung für

alle Kinder in unserem Land erreichen. Wir wollen, dass
alle Kinder in allen Bundesländern die gleichen Bildungs-
chancen bekommen. Deshalb brauchen wir eine nationale
Kraftanstrengung, so wie ich das seit Monaten und Jahren
immer wieder fordere. Wir brauchen keine sächsische
oder niedersächsische Mathematik, sondern wir brauchen
bundesweite Leistungs- und Bildungsstandards,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Heinrich Fink [PDS])


die für alle Bundesländer gleichermaßen gelten und ver-
bindlich sind. Wer sich hier verweigert, der schadet nicht
nur unserem Land, sondern der verbaut auch unseren Kin-
dern die Chance auf eine gute Zukunft.

Die Bundesregierung stellt für die Einrichtung von
Ganztagsschulen 4Milliarden Euro zur Verfügung. Damit
geben wir eine wichtige und wirksame Antwort auf die ent-
scheidenden Schwächen unseres Schulsystems, nämlich
die zu geringe individuelle, frühe Förderung von Kindern.
Genau das können wir mit Ganztagsschulen besser leisten.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Genau deshalb handeln wir so. Deshalb haben wir be-
schlossen, nicht über Zuständigkeiten zu diskutieren, son-
dern wir packen an. Deshalb haben wir angekündigt, dass
wir – obwohl es eine riesige Kraftanstrengung ist – 4 Mil-
liarden Euro zur Verfügung stellen, und wir können im
nächsten Jahr beginnen.


(Ina Lenke [FDP]: Wofür? Für Schulen oder für Kindergärten?)


Ich sage aber auch deutlich: Mehr Ganztagsschulen wird
es nur mit uns geben,


(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


weil die CDU wieder nicht weiß, was sie will. Der eine
sagt Ja, der andere Nein. Das ist wieder das typische Hü
und Hott.

Meine sehr geehrten Herren und Damen, Deutschland
steht am Scheideweg. Am 22. September wird entschie-
den: Wollen wir die alten Rezepte und die alten Männer,
die 16 Jahre lang nicht funktioniert haben, wieder ausgra-
ben oder wollen wir, dass der Reformmotor weiter läuft?
Wollen wir das ergebnislose Hickhack in der Schulpolitik
fortsetzen oder wollen wir unseren Kindern wirklich die
bestmögliche Bildungspolitik bieten?


(Gerhard Schüßler [FDP]: Wollt ihr das Chaos?)


Wollen wir zulassen, dass Innovation und Kreativität in
unserem Land wieder kaputtgespart werden


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie in Niedersachsen!)


oder wollen wir weiter in die Zukunft investieren?
Diese Bundesregierung steht für Investitionen in Bil-

dung und Forschung.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)


Sie steht für eine exzellente Forschung und sie steht auch
dafür, dass alle Menschen in unserem Land eine hervor-
ragende, wenn nicht die beste Chance auf eine gute Bil-
dung haben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist auch falsch! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Nein, Herr Austermann!)


Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208100
Das Wort hat
jetzt die Frau Ministerin für Wissenschaft, Forschung und
Kunst des Landes Thüringen, Frau Professor Schipanski.

Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen) (von
der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Meine sehr verehrte
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Haushaltsdebatten werden gemeinhin als Sternstun-
den des Parlaments bezeichnet. Deshalb habe ich eben mit
viel Interesse diese Sternstunde für die deutsche Bildungs-
forschung bzw. für die Bildung und Forschung verfolgt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Werner Bertl [SPD]: Hoffentlich auch mit Freude!)


Die Bundesregierung hat die Bedeutung dieser Berei-
che immer wieder betont – das ist richtig –, aber ich
meine, dass die Ergebnisse doch ein wenig anders ausse-
hen, als sie uns dargestellt worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Beginnen wir mit dem Hickhack der Bildungspolitik,

das eben angeführt worden ist.

(Jörg Tauss [SPD]: Dann fangen wir mal an!)





Bundesministerin Edelgard Bulmahn
25536


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Ergebnisse der PISA-Studie sind uns allen wohl be-
kannt. Sie waren ein heilsamer Schock für Deutschland,
wie ich feststellen konnte, und haben die Bildungspolitik
in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht, was ich außer-
ordentlich begrüße. Ich meine, die Ergebnisse dieser Stu-
die haben den Ruck ausgelöst, den Roman Herzog seiner-
zeit in seiner Rede gefordert hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber jetzt kommt es darauf an, konkrete Schritte zu un-

ternehmen.

(Hans-Werner Bertl [SPD]: Wer hat mehr ge tan? Wir haben ja den Haushalt erhöht!)

Immer neue Studien und Gremien, die gefordert werden,
führen uns nicht weiter. Denn wir haben in Deutschland
keinen Erkenntnisstau, sondern einen Entscheidungsstau
gehabt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diesen Entscheidungsstau haben die Kultusminister der
Länder sofort erkannt


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Und wir haben gehandelt!)


und sie haben Bildungsstandards beschlossen. Die uni-
onsgeführten Länder haben Bildungsstandards vorgelegt,
nämlich die Bildungsstandards, die Sie eben wieder ge-
fordert haben, Frau Bulmahn. Sie werden zurzeit bearbei-
tet und es gibt einen Plan, wann sie in den nächsten Jah-
ren in den einzelnen Ländern eingeführt werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Es gibt schon einen Plan! Tolle Planerin!)


Hinzu kommt, dass Sie eben gesagt haben, Sie gäben
uns 4Milliarden Euro zum Ausbau von Ganztagsschulen.


(Beifall bei der SPD)

Das sind Wahlgeschenke, die von Ihrer verfehlten Finanz-
und Steuerpolitik ablenken sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir fordern die Bundesregierung auf, Länder und

Kommunen finanziell so auszustatten, dass diese ihre ur-
eigenen Aufgaben im Schul- und Kulturbereich erfüllen
können und nicht in den Ruin getrieben werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Vorsichtig!)


Selbstverständlich werden wir mit der Bundesregierung
über die 4 Milliarden Euro reden,


(Zurufe von der SPD: Oh!)

aber entscheidend ist nicht die Ganztagsschule in ihrer
Struktur, sondern der Inhalt, der dort gelehrt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Natürlich!)


Den ganzen Tag in einer schlechten Schule – da lernt man
sehr viel! Wir müssen zuerst die Qualität verändern. Das
werden wir mit unseren Bildungsstandards auch tun.
Dazu brauchen wir weder die Aufforderung der Bundes-
regierung noch eine Kopplung der Bundesregierung oder
ein neues Institut.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Über was reden wir eigentlich?)


Ich möchte Sie nur an die Ergebnisse der PISA-Studie
erinnern. Bei dieser Studie haben Bayern, Baden-
Württemberg, Sachsen und Thüringen gut abgeschnitten.
Die Schlusslichter bilden Mecklenburg-Vorpommern,
Bremen und Brandenburg. Lassen Sie mich in diesem Zu-
sammenhang auf einen Punkt besonders hinweisen: Die
neuen Bundesländer haben in den letzten zehn Jahren
durch Umstrukturierung ein neues Schulsystem geschaf-
fen. Wie sieht es heute aus? Selbst nach zehn Jahren der
Umstrukturierung merken Sie deutlich, dass die unions-
geführten Länder vorne stehen und dass die SPD-geführ-
ten und die unter PDS-Beteiligung regierten Länder die
Schlusslichter in der Rangliste sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zwischen den Schülern, die in Bayern lernen – der Frei-
staat ist Spitzenreiter unter den deutschen Bundeslän-
dern –, und den Schülern, die in Bremen lernen, besteht ein
Bildungsunterschied, der sich in anderthalb bis zwei
Schuljahren ausdrücken lässt. Das können wir nicht ak-
zeptieren. So geht es nicht. Tatsache ist aber, dass die
unionsgeführten Länder eine konsequente Politik in den
letzten Jahren gemacht haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh ja!)

Diese Politik zeichnete sich durch klare Werte und Über-
zeugungen aus. Wir von der Union betonen immer Leis-
tung und Leistungsbereitschaft. Unsere Bildungspolitik
fordert nicht nur die Leistungsstärkeren, sondern fördert
auch die Leistungsschwächeren angemessen. Das Ergeb-
nis unserer Politik hat sich in der PISA-Studie gezeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ImWahlprogramm 1998 hatte die SPD die Verdopp-

lung der Investitionen in Bildung und Forschung an-
gekündigt. Fakt ist: Der Plafond des BMBF wurde nur um
rund 20 Prozent erhöht.


(Zurufe von der SPD: Nur 20 Prozent!)

Das ist durchaus ein positiver Ansatz, Frau Bulmahn.
Aber er bleibt deutlich hinter den Ankündigungen zurück
und weist nach wie vor gravierende Mängel auf. Zum Ers-
ten wurde die Mittelsteigerung nur mithilfe einer ver-
deckten Kreditaufnahme erreicht. So werden die BAföG-
Darlehen inzwischen von der Deutschen Ausgleichsbank
gezahlt.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist auch gut so!)

Zum Zweiten wäre dieses Ergebnis ohne die Erlöse aus
dem Verkauf der UMTS-Lizenzen nie erreicht worden; das
wissen wir alle. Die Bundesregierung hat sich aber bei die-
sem Verkauf auf Kosten der Länder profiliert; denn durch
die Abschreibungsmöglichkeiten der Telekommunika-
tionsfirmen ist das Steueraufkommen der Länder drama-
tisch gesunken. Darunter leiden die Länder ganz besonders.


(Jörg Tauss [SPD]: Sie wollen doch noch weniger Steuereinnahmen! Was ist mit 40 Prozent?)





Ministerin Dr. Dagmar Schipanski (Thüringen)


25537


(C)



(D)



(A)



(B)


Was ist mit den UMTS-Erlösen gemacht worden? Be-
fristet auf drei Jahre standen der Bundesbildungsministe-
rin jährlich 300 Millionen zusätzlich zur Verfügung.
Diese Mittel wurden nahezu ausschließlich in große, pres-
tigeträchtige Forschungsvorhaben investiert, die uns
eben vorgestellt worden sind. Auf der Strecke geblieben
ist dabei die Grundlagenforschung in denjenigen Berei-
chen, mit denen weniger Publicity erzielt werden kann als
mit Forschungsvorhaben in der Bio- und Gentechnologie
sowie mit der Umweltschutzforschung. Dabei wissen wir
alle, dass eine breite, fundierte Forschung in allen Berei-
chen Grundlage für einen modernen und innovationsfähi-
gen Staat ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Beispiele!)

Schwerpunkte dürfen nicht so einseitig gesetzt werden,

wie Sie es getan haben.

(Jörg Tauss [SPD]: Beispiele!)


Was nutzen 65 Millionen Euro für einige wenige Spitzen-
forscher aus dem Ausland, wenn die Anschlussbedingun-
gen von den Ländern finanziert werden müssen? Es wäre
viel besser, wenn wir strukturelle Voraussetzungen in
Deutschland schaffen würden, damit unsere Wissen-
schaftler dauerhafte Stellen vorfinden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Beispiele!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208200
Herr Kollege
Tauss!


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425208300

Das war eben ein Beispiel, Herr Tauss. Offenbar haben
Sie nicht zugehört.

Der Faktenbericht zum Bundesbericht Forschung 2002
belegt, dass die Ausgaben für andere richtungsweisende
Forschungsfelder wie die Weltraumforschung, die Fusions-
forschung und die Kernenergieforschung gekürzt oder ein-
gefroren und damit real gesenkt wurden. Das Einschränken
der Forschung über die Strahlungssicherheit, meine sehr
verehrten Damen und Herren von den Koalitionfraktionen,
ist eine Unterlassungssünde gegenüber den kommenden
Generationen. Wir wollen nicht mehr wissen, wie wir bes-
ser entsorgen können und was wir in diesem Bereich anders
machen sollen. Es gibt ganz neue Forschungsfelder, in den
Werkstoffwissenschaften zum Beispiel. Dort könnten wir
eine Verbindung zur Kernforschung herstellen. Das sind
neue Möglichkeiten, über die man gar nicht nachgedacht
hat. Man hat die Mittel abgesenkt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kasparick [SPD]: In welchem Jahrhundert leben Sie?)


Der von der Bundesregierung beschlossene Ausstieg
aus der Kernenergie führt dazu, dass Deutschland seinen
großen technologischen Vorsprung auf diesem Gebiet
über kurz oder lang verlieren wird.


(Ulrich Kasparick [SPD]: Insbesondere in Thüringen!)


Die sichersten Kernkraftwerke der Welt werden abge-
schaltet, während wir von unzuverlässigen Kraftwerken

umgeben sind. Wir leben in einer globalisierten Wirt-
schaft und Wissenschaft. Eine Bundesregierung, die im-
mer wieder betont, wie modern sie ist – wir sehen es jetzt
jeden Tag an den Straßen –, müsste wissen, dass man in
einer globalisierten Welt keine Alleingänge unternehmen
kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerade in den letzten Monaten ist das Ansehen rot-

grüner Forschungspolitik rapide gesunken;

(Siegfried Scheffler [SPD]: So ein Quatsch! Das ist wirklich Blödsinn!)

denn schließlich hat die Bundesregierung der deutschen
Wissenschaft nicht nur ab und zu mehr Geld, sondern
auch eine Flut neuer Vorschriften beschert, die die Frei-
heit von Wissenschaft einengt.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt wird es interessant!)

Der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
stellte dazu in einer Überschrift in der „Zeit“ fest: „Wir
verjagen unsere Forscher.“ Sein Nachfolger stellte bei
der Amtsübergabe nüchtern fest: „Wir haben im inter-
nationalen Vergleich viel zu restriktive Gesetze.“ Nahezu
gleichlautend äußerte sich der Präsident der Deutschen
Forschungsgemeinschaft: Die gesetzlichen Rahmenbedin-
gungen für die Forschung in Deutschland seien ver-
schlechtert worden.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, § 14 Stammzellengesetz! Das wart ihr!)


Eine solche Politik verpasst nicht nur viele Zukunfts-
chancen, sie beschädigt auch das Ansehen und die Anzie-
hungskraft Deutschlands in der internationalen Wissen-
schaftlergemeinschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Haushalt zurückkommen. Die

Differenz zwischen Wahlversprechen und Wirklichkeit
fällt noch größer aus, wenn man berücksichtigt, dass im
Haushalt des BMBF nur rund zwei Drittel der For-
schungsmittel des Bundes veranschlagt sind. In anderen
Bereichen, in denen Forschung vom Bund finanziert wird,
im Technologiesektor zum Beispiel, ist fast unbemerkt
gekürzt worden. Der Bund hat in dieser Legislaturperiode
die Ausgaben für Forschung und Entwicklung mal gerade
um magere 10 Prozent erhöht, eigentlich also nur die
Geldentwertung ausgeglichen. Von einer Verdoppelung
der Mittel keine Spur.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen des Abg. Ulrich Kasparick [SPD])


Noch eines, meine Damen und Herren Abgeordnete:
Frau Bulmahn hat eben so hervorgehoben, was sie für die
neuen Länder getan hat. Die neuen Länder sollten Chef-
sache des Bundeskanzlers sein. Gemerkt haben wir davon
nichts.


(Jörg Tauss [SPD]: Inno-Regio!)

Die Schere zwischen Ost und West geht weit auseinander.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Vergleichen Sie doch einmal 1998 und heute! Sie erzählen hier die Unwahrheit!)





Ministerin Dr. Dagmar Schipanski (Thüringen)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Dies ist natürlich zuerst ein ökonomisches Problem. Es ist
aber auch ein psychologisches Problem; denn ohne rasche
Angleichung der Lebensverhältnisse werden wir die in-
nere Einheit Deutschlands eben nicht vollenden können.

Ministerpräsident Bernhard Vogel hat schon vor einem
Jahr ein Sofortprogramm für die neuen Länder im Um-
fang von rund 20 Milliarden Euro für die nächsten Jahre
gefordert und wir haben auch Deckungsvorschläge dazu
gemacht.


(Jörg Tauss [SPD]: Solidarpakt II!)

Wir haben fünf konkrete Projekte ausgearbeitet, mit de-
nen die Infrastruktur in den neuen Ländern ausgebaut
werden sollte. Wir haben unter anderem die Bildung von
Kompetenz- und Innovationszentren für die Forschung
vorgeschlagen. Nach wie vor, Frau Bulmahn, verfügen
die neuen Länder über zu wenig Großforschungseinrich-
tungen und über zu wenig Institute, die vom Bund antei-
lig finanziert werden.


(Ulrich Kasparick [SPD]: Steht im Wahlprogramm der SPD!)


Die Forschungsabteilungen der großen Unternehmen
befinden sich überwiegend in den alten Ländern. Die
Bundesregierung hat durch Kürzungen und Haushalts-
sperren im Bereich des Wirtschaftsministeriums die aus
den Forschungsabteilungen der DDR-Kombinate hervor-
gegangenen Forschungs-GmbHs nachhaltig geschwächt.
Das ist durch die Förderung, die Sie jetzt für die KMUs
geben, nicht aufzuholen. Wir brauchen überhaupt erst ein-
mal kleine und mittelständische Betriebe, die gefördert
werden können. Jetzt sind unsere kleinen und mittelstän-
dischen Betriebe von Insolvenzen bedroht. Da nützt Ihre
Förderung nichts mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was nützt es uns in den neuen Bundesländern, wenn
ein Teil der UMTS-Erlöse zur Förderung von Forschung
und Technologie eingesetzt wurde, die Voraussetzungen
zur Teilnahme an diesem DFG-Schwerpunktprogramm
aber so hoch angesetzt worden sind, dass am Ende keines
dieser hoch dotierten Projekte in die neuen Länder ging?
Im Übrigen ist bis heute noch nicht festgelegt, ob diese
Projekte weitergeführt werden können. Das heißt, wir
brauchen in den neuen Bundesländern nicht nur eine Pro-
jektförderung, sondern vor allem strukturelle Hilfen.


(Jörg Tauss [SPD]: Inno-Regio!)

Außerdem brauchen wir Unterstützung, damit unsere jun-
gen Nachwuchswissenschaftler bei uns bleiben. Wir brau-
chen diese Innovationszentren, damit sie bei uns Arbeits-
plätze finden und nicht in die alten Bundesländer oder ins
Ausland gehen müssen. Dauerhafte Arbeitsplätze müssen
wir schaffen, nicht nur vorübergehende Arbeitsmöglich-
keiten im Rahmen von Projekten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Mark [SPD]: Was haben Sie denn während Ihrer Regierungszeit gemacht?)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208400
Frau Ministerin,
ich darf Sie zwar nicht unterbrechen, aber ich möchte Sie

darauf hinweisen, dass Sie jetzt schon vier Minuten im
Regime Ihrer nächsten Rednerin sind.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425208500

Dann komme ich zum Ende.

Meine Damen und Herren, Bildung, Wissenschaft und
Forschung sind die Voraussetzungen für ein modernes,
wirtschaftlich stabiles und innovationsfähiges Deutsch-
land.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: 16 Jahre lang haben Sie das in den Keller gefahren!)


Die Bundesregierung hat es verpasst, dafür dauerhafte
Voraussetzungen zu schaffen. Die Union hat in ihrem Re-
gierungsprogramm klare Alternativen aufgezeigt. Wir
sind verlässliche Partner für Wissenschaft und Forschung.
Das werden wir Ihnen beweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Oje, das war ein Flop!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208600
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Ulrike Flach.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1425208700
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Der Haushalt, den uns Ministerin Bulmahn
vorlegt, sieht eine Steigerung von 2,6 Prozent vor. Wenn
Sie die Zahlen zusammen mit denen des Wirtschaftsmi-
nisteriums ein bisschen schönrechnen,


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Na, na, Frau Flach!)


kommen Sie über die vier Jahre auf ein Plus von 28 Pro-
zent. Meine Stärke war nie die Mathematik, aber 100 Pro-
zent sind es nun wirklich nicht, Frau Bulmahn. Das heißt,
wir müssen am Ende Ihrer Regierungszeit konstatieren,
dass Sie 100 Prozent versprochen, aber nur 28 Prozent ge-
halten haben. Das ist entschieden zu wenig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Koppelin [FDP]: Versetzung gefährdet! – Hans-Werner Bertl [SPD]: Frau Flach, wie viel Prozent sind Sie heruntergegangen?)


In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch inter-
national vergleichen. Bei den Bildungsausgaben liegen
wir nach wie vor deutlich unter dem OECD-Durch-
schnitt; bei den Bruttoinlandsausgaben für Forschung
und Entwicklung werden die Abstände zu den USA und
Japan sogar von Tag zu Tag größer.


(Jörg Tauss [SPD]: Wo lagen wir vorher?)

Bei uns sind es 2,4 Prozent, bei den Amerikanern 2,6 Pro-
zent und in Japan 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Da-
bei sind für uns als stark exportabhängige Nation Forschung
und Entwicklung natürlich von besonderer Bedeutung.


(Jörg Tauss [SPD]: Wie war es 1998?)

Bei uns ist jeder dritte Arbeitsplatz vom Export abhängig,

in Japan nur jeder siebte. Wir müssten also international
bei Forschung und Entwicklung mindestens gleichziehen;




Ministerin Dr. Dagmar Schipanski (Thüringen)


25539


(C)



(D)



(A)



(B)


dies gilt gerade vor dem Hintergrund der derzeit stark ein-
brechenden Exportzahlen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Deswegen dürft ihr nicht ran!)


Frau Bulmahn, Sie haben beim Etat etwas dazugelegt.

(Hans-Werner Bertl [SPD]: Kräftig!)


Aber auch hier gilt: Geld allein macht, wie wir alle wis-
sen, nicht glücklich. Es muss effizient und mit einem
Konzept eingesetzt werden. Daran mangelte es bei Ihnen
in den gesamten vier Jahren.


(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich kurz auf das BAföG eingehen. Ich

habe noch gut in Erinnerung, Frau Bulmahn, wie Sie hier
angetreten sind und uns ein elternunabhängiges BAföG
versprochen haben.


(Jürgen Koppelin [FDP]: So ist es!)

Wir haben heute aber nur ein Plus von 40 Euro in der
Spitze. Wo sind da die Vergleichsmaßstäbe und wie kom-
men die Erfolgsmeldungen zustande, die Sie hier gerade
verbreitet haben?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Werner Bertl [SPD]: 100 000 junge Leute mehr in der BAföG-Förderung!)


Zur Frage eines effizienten Mitteleinsatzes nehme ich
ein Beispiel aus dem Hochschulbereich. Sie finanzieren aus
UMTS-Geldern Transferstellen zur Vermarktung von Ent-
wicklungen der Hochschulen, ohne dass dafür – das sage
ich ganz deutlich – ein durchdachtes Konzept vorliegt.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach, Frau Flach!)

Es reicht eben nicht aus, liebe Frau Bulmahn – gehen Sie
doch einmal in die Unis –, dass Büroräume und ein PC
vorhanden sind und dann eine Person dort sitzt, die war-
tet, bis jemand mit einem vermarktungsfähigen Produkt
hereinkommt.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist ja unglaublich! – Hans-Werner Bertl [SPD]: Das ist doch vollkommen lebensfremd! In welcher Uni waren Sie?)


– Genau das läuft derzeit in den Transferstellen ab. Das ist
nicht das, was wir unter offensivem Transfer verstehen.
Vielmehr bezeichnen wir diesen Einsatz deutscher For-
schungsgelder als Gießkannenpolitik.


(Beifall bei der FDP – Hans-Werner Bertl [SPD]: Kommen Sie in meinen Wahlkreis! Da stehen Sie an!)


Das zweite Beispiel betrifft den Bereich Schule. Sie
wollen 4 Milliarden Euro für Ganztagsangebote ausge-
ben. Darin stimmen Ihnen die Liberalen natürlich zu, auch
wenn Sie gerade eben das Gegenteil behauptet haben.
Aber wo ist denn das pädagogische Konzept? Wie stellen
Sie sicher, dass sich die Länder nicht erst einmal bedie-
nen, bevor sie Mittel weitergeben, zum Beispiel das Land

Nordrhein-Westfalen, das zurzeit an seinem Not leiden-
den Etat sozusagen zusammenbricht?

Genau dieser Punkt betrifft zurzeit die Not leidenden
Gemeinden, denen Sie nicht durch eine begleitende Ge-
meindefinanzreform die Luft geben, das Geld so einzu-
setzen, wie es sein müsste. Sie haben ihnen außerdem ein
Geschenk gemacht, das anschließend zusätzliche Kosten
in Höhe von 30 Prozent dieses Geschenkes verursachen
wird. Woher soll dieses Geld für die Ganztagsschulen
kommen?


(Zuruf von der SPD: PISA!)

Einen solchen Schritt hätte zwingend eine Gemeinde-
finanzreform begleiten müssen. Frau Bulmahn, es war ein
grober Fehler, dies zu unterlassen.


(Beifall bei der FDP)

Wirkliche Qualitätsverbesserungen in der Bildung kön-

nen nicht durch Geldsegen per Gießkanne erreicht werden,
sondern nur durch ein durchdachtes Konzept, das vor Ort
dauerhaft wirkt und langfristig finanziell gesichert ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Keine Sorge!)

Lassen Sie mich kurz nach links gucken und an die

Adresse von Frau Schipanski sagen – sie ist zwar gerade
in ein Gespräch mit Frau Professor Schuchardt vertieft –:
Leistungsstandards wollen wir natürlich alle. Sie äußerten
schon zum zweiten Mal hier im Deutschen Bundestag die
Meinung, die KMK habe in diesem Punkt schnell reagiert.
Bei aller Liebe, es ist für mich keine schnelle Reaktion,
bis 2004 bundeseinheitliche Qualitätsstandards für unsere
Schulen zu erreichen.


(Beifall bei der FDP und der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Das ist die Schipanski-Reaktion! Sie kann nicht schneller!)


Damit sich der Bund stärker engagieren, damit er
Innovationen anstoßen und begleiten kann, haben wir, die
Liberalen, eine Bundesstiftung Bildung vorgeschlagen,
deren Modell sich an dem der Bundesstiftung Umwelt
orientiert. Das Stiftungskapital soll aus Privatisierungs-
erlösen aufgebracht werden; aus den Zinserträgen sollen
Bildungsprojekte gefördert werden, zum Beispiel bei der
vorschulischen Bildung.

Ich sage es ganz explizit und deutlich: Die FDP will
Kindergärten und Kindertagesstätten zu Orten mit einem
ersten Bildungsauftrag aufwerten und Ganztagsschulen
ausbauen.


(Beifall bei der FDP)

Damit streben wir selbstverständlich auch das Ziel an, die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
Die Erwerbsquote von Frauen ist bei uns im internationa-
len Vergleich zu gering, auch deshalb, weil wir dieser seit
Jahrzehnten am besten ausgebildeten Frauengeneration
nicht die Möglichkeit geben, ihren Beruf auszuüben und
gleichzeitig ihre Kinder in qualitativ hochwertigen Ein-
richtungen unterzubringen.


(Beifall bei der FDP – Hans-Werner Bertl [SPD]: Wer hat denn da versagt?)





Ulrike Flach
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(C)



(D)



(A)



(B)


Zu diesem Thema gehört aber auch die Reform der Aus-
und Fortbildung. Da erwarte ich natürlich mehr als nur gute
Worte; dafür sind keinerlei Bundesmittel angekommen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz
etwas zum JUMP-Programm sagen.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Vorsicht, Vorsicht, Frau Flach!)


Das geht immer wunderschön durch die Medien, aber nicht
in dem Sinne, Frau Bulmahn, wie Sie das gerade wieder
dargestellt haben. Sehen Sie sich das an: „Deutlich mehr
Jugendliche auf Arbeitsuche“. Die durchschnittliche Zahl
jugendlicher Arbeitsloser ist höher als 1999. Das heißt, Sie
haben hier ein Programm auf die Schiene gesetzt, in dessen
Rahmen Sie ganz offensichtlich Menschen lediglich in
Qualifizierungsmaßnahmen hineinschubsen, ihnen aber
nicht den Weg zum ersten Arbeitsmarkt eröffnen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die FDP ist ja leider in ihrer Redezeit etwas be-
schränkt.


(Jörg Tauss [SPD]: Sieben Minuten langen!)

– Ich weiß, dass Sie das nicht bedauern, Herr Tauss. Spä-
testens nach PISAhaben die Menschen erkannt, dass es in
Deutschland mit der Bildung nicht zum Besten steht. Die
Schuld hierfür – darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu –
muss natürlich in erster Linie bei den Ländern gesucht
werden. Aber selbstverständlich können Sie als Bund
auch Flagge zeigen. Das haben wir bei Ihnen in dieser Le-
gislaturperiode vermisst.


(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich bei der härtesten Debatte dieser Wahl-

periode, die sich mit der Stammzellforschung befasste,
bedeckt gehalten. Sie haben die Chance vertan, Bildung
als das Megathema dieses Jahrhunderts nach vorn zu brin-
gen. Das BMBF ist bei Ihnen nach wie vor reiner Verwal-
tungsapparat. Wir Liberalen wollen ein Innovationsminis-
terium; dafür werden wir kämpfen.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Oje! Da wird dann wieder gekürzt!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425208800
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Maritta Böttcher.


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1425208900
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Der Einzelplan 30 soll weiter an-
wachsen.


(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Ich erkenne an, dass Rot-Grün mit der jahrelangen Plün-
derung der Bildungs- und Forschungsausgaben unter der
Verantwortung von CDU/CSU und FDP tatsächlich
Schluss gemacht hat.


(Beifall bei der PDS und der SPD)

Im Jahre 2004 soll dieser aber um 2,8 Prozent gekürzt
werden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nein!)


Ich finde es unredlich, heute wahlkampfwirksam eine
weitere Steigerung des BMBF-Etats für 2003 zu präsen-
tieren, die Pläne für massive Einschnitte ab 2004 aber
längst in der Schublade zu haben.

Frau Ministerin Bulmahn, vor vier Jahren sprachen Sie
noch von einer Verdoppelung der Bildungs- und For-
schungsausgaben. Sie möchten unter dem Eindruck des
PISA-Schocks punkten. Das kann ich ja verstehen. Sie
haben die Hoffnung, dass niemand genauer hinsieht,
wofür das Geld ausgegeben wird. Ich habe genau hinge-
sehen: Der Löwenanteil entfällt nach wie vor auf die For-
schungs- und Technologieförderung.Allein über 7 Mil-
lionen Euro werden im Weltraum verpulvert. Die
Förderung umstrittener Vorhaben in der Genforschung
wird massiv aufgestockt. Die Ausgaben für die berufli-
che Bildung und für die Weiterbildung werden aber um
15 Prozent gekürzt. Das Sonderprogramm zur Schaffung
zusätzlicher Ausbildungsplätze in den neuen Ländern soll
innerhalb von vier Jahren auf weniger als die Hälfte
zurückgefahren werden, ohne dass sich die Ausbildungs-
platzsituation in Ostdeutschland wirklich verbessert hätte.
Das halte ich für einen Skandal.


(Beifall bei der PDS)

Ich habe ebenfalls kein Verständnis dafür, dass die

Bundesregierung die Ausgaben für den Hochschulbau
einfrieren möchte. Der Bund investiert bereits jetzt eine
viertel Milliarde Euro zu wenig in den Aus- und Neubau
von Hochschulen. Damit aber nicht genug. Mit den knap-
pen Mitteln sollen in Zukunft auch noch Privathochschu-
len finanziert werden. Bund und Länder müssen der
Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau endlich den Stel-
lenwert geben, den sie braucht.

Die PDS wurde für den Vorschlag, ein Bund-Länder-
Sonderprogramm „Schuloffensive 2003 – 2006“ aufzu-
legen, mit Verweisen auf die Zuständigkeit der Länder
belächelt. Inzwischen macht der Bundeskanzler persön-
lich mit einem Bundesprogramm zur Finanzierung von
GanztagsschulenWahlkampf.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

Persönlich erfüllt es mich ja mit etwas Genugtuung, dass
sich die Bundesregierung als beweglich erwiesen hat.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, sie ist unglaublich beweglich!)


Schade nur, Herr Tauss, dass Wahlkampfversprechen und
politische Wirklichkeit etwas auseinander klaffen.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)

Statt der versprochenen Milliarden sind im Bundeshaus-
halt 2003 erst 300 Millionen Euro zu finden. Wie der
Kanzler damit 10 000 zusätzliche Ganztagsschulen finan-
zieren will, bleibt offensichtlich sein persönliches Ge-
heimnis.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist aber interessant! – Jörg Tauss [SPD]: Jahr für Jahr für Jahr!)


Meine Damen und Herren, bei den öffentlichen Inves-
titionen in Bildung hat Deutschland im Vergleich zu an-
deren Industrieländern einen erheblichen Nachholbedarf.
Wenn wir die Finanzierung der Zukunftsaufgabe Bildung




Ulrike Flach

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(C)



(D)



(A)



(B)


nicht endlich sichern, wird Deutschland bei der nächsten
Studie auf dem letzten Platz landen. Es kann nur hilfreich
sein, den Entscheidungsstau in der Kultusminister-
konferenz endlich aufzubrechen. Hier gebe ich meiner
Kollegin Frau Flach Recht. Ich hätte mir schon ge-
wünscht, dass das nach so langer Zeit ein wenig schneller
geht und dass es nicht erst im Jahre 2004 beginnen soll.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP– Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209000
Das Wort hat
jetzt Frau Bundesministerin Christine Bergmann.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Die letzten vier Jahre waren für die Familien in unserem
Land gute Jahre.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Schade, dass Sie in den vier Jahren nicht da waren!)


Wir haben Deutschland kinder- und auch familienfreund-
licher gemacht. Wir haben gehandelt und den Reformstau
aufgelöst. Das kann man ziemlich gut belegen.

Wir haben die finanziellen Leistungen für Familien er-
höht.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Im Jahre 2002 sind es 13 Milliarden Euro mehr als 1998.
Mit den Karlsruher Beschlüssen haben wir die Quittung
für Ihr Nichthandeln bekommen. Das wollen wir hier
auch einmal festhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben das Kindergeld dreimal erhöht. Die Familien
profitieren von der Steuerreform, vom BAföG und von
der Wohngeldreform. Überall wurden familienfreund-
liche Maßnahmen eingeleitet.

Mit der Elternzeit und dem Rechtsanspruch auf Teil-
zeitarbeit haben wir aber auch die Rahmenbedingungen
für Familien deutlich verbessert. Von der CDU/CSU ha-
ben wir schon gehört, dass sie diesen Rechtsanspruch
überhaupt nicht will.

Mit der Schaffung des Rechts auf gewaltfreie Erzie-
hung haben wir nachweisbar dafür gesorgt, dass der Um-
fang der Gewalt in den Familien zurückgegangen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bedanke mich bei allen, die zum Zustandekommen
dieses Gesetzes beigetragen haben.

Sie, die Abgeordneten der CDU und der CSU, wollten
dieses Gesetz nicht. Sie haben gesagt: Das hat ja alles kei-
nen Sinn. Vielleicht wollten Sie das elterliche Züchti-
gungsrecht noch ein bisschen aufrechterhalten. Bei der

von uns gestarteten Aktion haben viele mitgemacht. Ich
bin wirklich sehr froh, sagen zu können, dass die Begleit-
untersuchung zeigt: Was wir wollten, ist in der Gesell-
schaft angekommen; es zahlt sich aus, wenn die Politik
ganz massiv versucht, ein gesellschaftliches Leitbild zu
verändern. Das hilft den Kindern und verbessert das ganze
Klima in unserem Land.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wie gesagt, Sie haben immer blockiert. Sie wollen das
Teilzeitgesetz abschaffen usw. Sie werden keine Zeit für
Untaten bekommen. Dafür werden wir sorgen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Peinlich, Frau Bergmann!)


Wir werden unsere moderne, zeitgemäße Familien-
politik fortsetzen. Unsere Familienpolitik orientiert sich
an den Lebenswünschen der Menschen. Sie schreibt ihnen
nicht vor, wie sie leben sollen.


(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das machen Sie doch gerade!)


Nach unseren Vorstellungen haben Frauen das gleiche
Recht auf Erwerbsarbeit wie Männer. Wir unterstützen
Väter, die sich der Erziehungsarbeit stärker widmen wol-
len. Wir helfen jungen Menschen, Frauen und Männern,
dabei, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.


(Ina Lenke [FDP]: Wie denn? Da haben Sie doch nichts gemacht!)


Das wird akzeptiert. Nicht umsonst haben wir, was die
Einschätzung der Kompetenz angeht, in der Familien-
politik einen großen Vorsprung vor allen anderen in die-
sem Haus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört für
uns eine gute, familienfreundliche Infrastruktur, damit El-
tern wirklich Wahlfreiheit haben.

Frau Reiche, Ihnen ganz persönlich herzlichen Glück-
wunsch zum Nachwuchs!


(Beifall)

Ich wünsche, dass er gut gedeiht. Das ist immer wichtig.

Frau Reiche, Sie kommen aus einem Bundesland, in
dem man Familie und Beruf gut vereinbaren kann. In
Brandenburg gibt es nämlich ein Kitagesetz. Dieses Ge-
setz enthält einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungs-
platz in einer Kindertagesstätte von der Geburt bis zur
sechsten Klasse. Der Anteil der Krippenplätze liegt bei
knapp unter 50 Prozent. Die Situation dort ist also wun-
derbar.

Wir wissen aber, dass der Alltag in Deutschland anders
aussieht. Beispielsweise kann eine Mutter in Bayern, die
in Ihrer Situation ist, nur auf ein wesentlich schlechteres
Krippenplatzangebot zurückgreifen. In Bayern liegt der
Anteil der Krippenplätze bei 1,3 Prozent. Wenn diese
Mutter einen Ganztagsplatz in einer Kita sucht, dann stellt




Maritta Böttcher
25542


(C)



(D)



(A)



(B)


sie fest: Es ist äußerst schwierig. Der Anteil der Kitas mit
Ganztagsbetreuung liegt nämlich nur bei 20 Prozent. Auf
das Thema Ganztagsschule komme ich später zu spre-
chen. So sieht die Wirklichkeit in unserem Land aus. Die
Kompetenz auf diesem Gebiet liegt bei uns und wir wer-
den unsere Politik fortsetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir brauchen den Ausbau der Ganztagsangebote.
Das Zukunftsprogramm „Bildung und Betreuung“, in
das viel Geld fließt, trägt dem Rechnung. Bekanntlich
heißt es: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Es heißt
nicht: An ihren Sprüchen über ihre Taten sollt ihr sie er-
kennen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In dieses Programm fließen 4 Milliarden Euro. Wir wol-
len erreichen, dass ein zusätzliches Angebot zur Verfü-
gung steht. Dahinter steckt natürlich ein pädagogisches
Konzept. Das heißt selbstverständlich nicht, dass sich an-
dere auf diesem Gebiet zurückhalten können. Kommunen
und Länder, Wohlfahrtsverbände und Unternehmen, sie
alle haben das Ihre zu tun, damit auch das Angebot in den
anderen Bereichen verstärkt wird. Frau Lenke, dafür
brauchen wir natürlich den Betreuungsgipfel.


(Ina Lenke [FDP]: Kein einziger Kitaplatz wird dadurch geschaffen!)


Wir werden ihn veranstalten, um zu verbindlichen Zusa-
gen zu kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wissen: 70 Prozent der Mütter in den alten Bun-
desländern, die ein Kind oder Kinder unter zwölf Jahren
haben und derzeit nicht erwerbstätig sind, wünschen eine
Erwerbsarbeit.


(Ina Lenke [FDP]: Dann macht es doch!)

Sie können ihren Wunsch allerdings nicht realisieren, weil
die Betreuung ihres Nachwuchses nicht gewährleistet ist.
Ungefähr 50 Prozent dieser Mütter möchten ihre Arbeits-
zeit zwar ausdehnen, können es aber nicht, weil ihnen
keine Ganztagsbetreuungsangebote zur Verfügung ste-
hen.

Natürlich geht es uns nicht nur um die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, sondern auch um die Chancen-
gleichheit, um Bildungsangebote für Kinder. PISA hat
uns auch gelehrt – da sind wir uns ja einig –, dass wir sehr
viel mehr auf die frühkindliche Bildung und Erziehung
setzen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bildung beginnt nicht erst im Schulalter. Deswegen haben
wir schon Vorarbeiten geleistet, um in der nächsten Le-
gislaturperiode mit einem nationalen Bildungsplan für
den vorschulischen Bereich, die Kindertagesstätten, an-
zufangen.


(Ilse Falk [CDU/CSU]: Ihr müßt aber auch die Eltern stärken!)


– Die Eltern gehören dazu. Das ist selbstverständlich und
gar nicht das Thema. Darüber müssen wir uns nicht strei-
ten.


(Ilse Falk [CDU/CSU]: Darüber müßte man aber vielleicht auch einmal reden!)


Wir haben eine nationale Qualitätsinitiative gegründet,
die für uns schon viele Vorarbeiten geleistet hat. Hier kön-
nen wir einsteigen und dazu beitragen, dass wirklich für
alle Kinder, nicht nur für die Kinder der Begüterten, Chan-
cengleichheit in unserer Gesellschaft umgesetzt wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Reden, aber nicht handeln!)


In diesem Zusammenhang möchte ich auch etwas zu
den Vorschlägen der Hartz-Kommission sagen, die ich
sehr begrüße. Zu Herrn Seehofer – er ist leider nicht mehr
anwesend – kann man nur sagen: Offensichtlich hat er
vieles von dem, was in dieser Legislaturperiode getan
wurde, nicht mitbekommen. Ich meine zum Beispiel das
Job-AQTIV-Gesetz, das genau in die Richtung der Vor-
schläge zielt, die die Hartz-Kommission vorgelegt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Kennen Sie die Zahlen?)


Die Punkte, die die Hartz-Kommission von uns über-
nommen hat, zum Beispiel die Zusammenführung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe, hilft gerade Frauen, die
jetzt als nicht vermittelbar gelten und Sozialhilfe beziehen,
von Vermittlungs- bzw. Arbeitsmarktangeboten Gebrauch
zu machen. Berufstätige Mütter werden vorrangig vermit-
telt. Außerdem haben wir – darauf werde ich noch zurück-
kommen – die Zusage, dass wir auch im kommunalen Be-
reich mit den Mitteln, die jetzt die Bundesanstalt ausgibt,
im individuellen Fall Betreuungsangebote ausbauen kön-
nen. Das ist wunderbar. Ich begrüße die Vorschläge sehr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ina Lenke [FDP]: Vier Jahre hatten Sie Zeit!)


Meine Damen und Herren, die Flutkatastrophe hat uns
gezeigt, dass wir nicht in einer Egogesellschaft leben und
dass es viel Solidarität gibt. Ich möchte nur auf die Soli-
darität und die Hilfe der Jugendlichen eingehen. Wir ha-
ben gesehen, wie Jugendliche, die ja sehr gerne verdammt
werden, als ob sie sich nur um ihr Vergnügen kümmern
würden, hier zugepackt haben. Auch jetzt kommen immer
noch Jugendliche zu uns und fragen: Was können wir tun?

Wir haben sehr schnell gehandelt. Neben den großen
Milliardenprojekten, die zur Unterstützung dieser Regio-
nen zur Verfügung gestellt wurden, haben wir das Pro-
gramm „Jugend hilft“ aufgelegt. Zusätzlich haben wir die
Möglichkeit geschaffen, in den betroffenen Regionen
1 000 zusätzliche Freiwilligenplätze für ein sozialökolo-
gisches Jahr einzurichten. Die Träger vor Ort wissen das.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können dort bis zu 3 000 Zivildienstplätze realisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

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(D)



(A)



(B)


Es gibt bereits Nachfragen. Das finde ich toll. Die Jugend-
lichen fragen ja schon, ob sie dort arbeiten können. Wir ha-
ben in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundes-
jugendring bis zu 3 000 Plätze geschaffen, um jungen
Leuten die Möglichkeit zu geben, eine Woche oder
14 Tage – je nachdem, wie viel Zeit von ihrem Urlaub sie
darauf verwenden möchten – aufzubringen, um vor Ort
mitzuhelfen und mit aufzubauen. Das ist doch toll.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da es um Engagement geht, möchte ich noch Folgen-
des sagen: Wir haben mit unserer Beteiligungsbewegung
viele Möglichkeiten erschlossen, auch solche zu experi-
mentieren. Es gibt hervorragende Vor-Ort-Aktionen, bei
denen Jugendliche bzw. Kinder in der Kommune beteiligt
werden. Ich kann Sie nur ermuntern, das vor Ort mit zu
unterstützen.

Was mich in den letzten beiden Jahren aber am meisten
überzeugt hat, war das Engagement der Jugendlichen in
unserem Programm „Jugend für Demokratie und Tole-
ranz“.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Rahmen haben wir über 2 500 Projekte ge-
fördert. Es ist schon sehr beeindruckend zu sehen, wie die
Jugendlichen vor Ort auch einmal die Älteren, die ein sol-
ches Projekt vielleicht nicht besonders wichtig finden,
überzeugen, mitzumachen. Dieses Programm ist auch im
Haushalt 2003 mit einem Betrag von 45 Millionen Euro
eingeplant.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich
noch einige Sätze sagen. Zurzeit findet im Auswärtigen
Amt eine große internationale Tagung statt. Dabei handelt
es sich um eine UNECE-Ministerkonferenz, bei der es um
das Thema demographischer Wandel geht. Wir wollen
den Weltaltenplan, der im April dieses Jahres in Madrid
beschlossen worden ist, umsetzen und implementieren.
Wir haben sehr dafür gekämpft – die entsprechenden Ab-
geordneten wissen das –, um diese Tagung hier stattfinden
zu lassen, um das Thema in den Vordergrund zu rücken
und um uns auf diesen demographischen Wandel, bei
dem es um das Bild der Älteren in der Gesellschaft und
um ihre bessere Einbeziehung geht, vorzubereiten.

Dazu möchte ich zwei Punkte nennen. Zunächst zur
Einbeziehung in den Arbeitsmarkt. Nur 35 Prozent der
Menschen, die über 55 Jahre alt sind, sind noch im Ar-
beitsmarkt. Hier hat das Bündnis für Arbeit Weichen ge-
stellt. Hier finden Sie auch in den Vorschlägen der Hartz-
Kommission genau die richtigen Wege, Menschen nicht
so früh aus dem Arbeitsmarkt auszusondern, sondern sie
dort zu belassen, weil wir sie brauchen.

Ich muss noch einen Satz sagen, weil Herr Seehofer
hier vorhin ziemlichen Unsinn geredet hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Ich kann es gleich belegen. – Es muss auch gesagt wer-
den, was mit Menschen geschieht, die pflegebedürftig
sind. Irgendwo muss Ihnen entgangen sein, dass wir in
dieser Legislaturperiode einen riesigen Reformstau ab-
gebaut haben, um die Qualität der Pflege zu verbes-
sern:


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sprüche! Reden Sie einmal mit den Pflegediensten! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Gar nichts habt ihr abgebaut! Lauter Sprüche!)


Heimgesetz, Pflege-Qualitätssicherungsgesetz und Pfle-
geleistungs-Ergänzungsgesetz, durch das insbesondere
bei Demenzerkrankungen Angehörige und Betroffene
Hilfe bekommen.

Nun sage ich noch etwas, wo Sie eigentlich aufschreien
müssten: Die bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung,
die so notwendig ist, um Pflegequalität zu sichern und zu
verbessern,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


wird meines Wissens von Bayern vor dem Bundesverfas-
sungsgesetz seit einem Jahr blockiert.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Seehofer hätte das ja zurückziehen können; es ist
nämlich nur Bayern, das hier blockiert.

Bayern hat aber auch ganz erhebliche Probleme mit
der Pflege, denn man zieht durch die neuen Bundeslän-
der und wirbt dort Altenpflegerinnen ab. So kann man
seine Probleme auch lösen, aber das ist nicht gerade sehr
fair.

Wenn wir schon bei dem Thema sind –


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209100
Frau Ministerin,
Sie hatten gesagt: nur noch drei Sätze.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: – ja, ich sage den
letzten Satz –, darf dann der Kandidat gleich die Klage
gegen den Risikostrukturausgleich der Krankenkas-
sen – das sage ich an die Adresse von Frau Schipanski –
zurückziehen. Eine Änderung desselben würde nämlich
die neuen Bundesländer unwahrscheinlich belasten.


(Beifall bei der SPD)

Ich denke, wir wollen eine Gesellschaft, in der die

Menschen solidarisch miteinander umgehen, in der Chan-
cengleichheit für Kinder besteht, in der Frauen und Män-
ner ihr Leben selbstbestimmt gestalten können, in der ge-
nerationenübergreifende Solidarität bewahrt wird und alle
die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Das wollen wir.
Die Menschen wissen, dass wir die entsprechende Kompe-
tenz haben. Deshalb arbeiten wir daran nach dem 22. Sep-
tember auch weiter.




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
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(A)



(B)


Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209200
Zu einer Kurz-
intervention erhält jetzt die Kollegin Lenke das Wort.


(Zurufe von der SPD: Nein!)



Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1425209300
Also, Frau Bergmann, ich möchte
Aussagen von Ihnen zitieren: Wir haben den Reformstau
aufgelöst,


(Beifall bei der SPD)

bei uns haben Frauen das gleiche Recht auf Erwerbstätig-
keit, Familie und Beruf. Was aber haben Sie gemacht?
Nichts! Sie haben in den vier Jahren keinen einzigen Kin-
dergartenplatz geschaffen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


1998 – daran möchte ich Sie erinnern – hat Herr Schröder
in seiner Regierungserklärung gesagt, wir brauchen mehr
Ganztagsbetreuung für Kinder. Sie aber haben nichts
gemacht. Erst als die Legislaturperiode zu Ende ging, fin-
gen Sie mit dem Betreuungsgipfel an. Dieser Betreuungs-
gipfel, Frau Bergmann, hat erstens in dieser Legislaturpe-
riode nicht stattgefunden und zweitens bringt er in dieser
Legislaturperiode keinen Betreuungsplatz. Wenn Sie,
liebe Frau Bergmann, sagen, 70 Prozent der Frauen mit
Kindern wollen arbeiten gehen, warum haben Sie denn
dann 1998 nach der Regierungserklärung nicht entspre-
chende Möglichkeiten geschaffen? Sie haben nichts ge-
macht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn dann Frau Bulmahn sagt, für Bildung in der
Schule werden 4 Milliarden Euro ausgegeben,


(Zuruf von der SPD: Thüringen will ja nicht!)

möchte ich einmal wissen, Frau Bergmann: Werden von
den 4 Milliarden Euro auch die Bildungskosten für Kin-
der in Kindergärten bezahlt? Wird davon auch mehr Be-
treuung subventioniert? Ich habe das Gefühl, hierbei han-
delt es sich nur um einen Verschiebebahnhof. Sie sagen:
Wir wollen das Geld für die Betreuung von Kindern in
Kindergärten. Frau Bulmahn sagt: Wir brauchen das Geld
in der Schule. Ich habe an Sie eine schriftliche Anfrage
gerichtet; die wird von Ihnen noch in dieser Legislaturpe-
riode schriftlich beantwortet werden müssen.

Dann möchte ich noch etwas zu anderen Verschiebe-
bahnhöfen sagen: Um 30 DM mehr Kindergeld zu er-
möglichen,


(Zurufe von der SPD)

haben Sie den Alleinerziehenden den Haushaltsfreibetrag
gestrichen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Aufhören! – Weitere Zurufe von der SPD)


– Da können Sie sich aufregen, aber das steht in Ihrem
zweiten Familienfördergesetz. Sie haben die Steuer-
erleichterungen für haushaltsnahe Dienstleistungen, die
Haushaltshilfen, gestrichen. Sie haben den steuerlichen
Freibetrag für Eltern, deren Kinder auswärts studieren, zu-
sammengestrichen. Dann aber kommt Frau Bulmahn hier-
her und sagt, es gebe mehr BAföG. – Da frage ich mich: Ist
das denn kein Verschiebebahnhof? Als Opposition müssen
wir hier wesentlich mehr aufklären, was für Verschiebe-
bahnhöfe Sie während Ihrer Regierungszeit – in die eine
Tasche bei den Familien hinein und aus der anderen Tasche
bei den Familien wieder heraus – errichtet haben.


(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Sie waren auch überhaupt nicht hilfreich, was Tages-

mütter und Aupairmädchen anbelangt. Sie hätten die Au-
pairmädchen fast vom Markt verschwinden lassen,


(Widerspruch bei der SPD – Ilse Janz [SPD]: Hören Sie doch auf! Das wird für die FDP zu peinlich!)


wenn Herr Niebel nicht aus der Opposition heraus dafür
gesorgt hätte, dass für Aupairmädchen keine Renten- und
Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen.
Wenn Sie ein schlechtes Gedächtnis haben – meines ist
sehr gut.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Oberpeinlich war das!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209400
Frau Kollegin
Lenke, die Zeit für eine Kurzintervention beträgt drei Mi-
nuten.

Frau Ministerin, auch Sie haben drei Minuten.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich antworte gerne,
Frau Lenke, weil ich denke, dass auch Ihnen klar ist, dass
die Aufgabe, Kinderbetreuungseinrichtungen zu finan-
zieren und vorzuhalten, primär Sache der Länder und
Kommunen ist.


(Ina Lenke [FDP]: Ah! Da haben Sie sich verraten!)


– Ja, natürlich, das ist so. – Wir haben den Ländern und
Kommunen nicht erst jetzt, sondern schon früher dafür
mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung Geld zur
Verfügung gestellt. Nehmen Sie das doch einmal zur
Kenntnis!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als es beim Zweiten Gesetz zur Familienförderung um
das Kindergeld ging, kam der eine oder andere Minister-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425209500
Das können wir gar nicht bezahlen,
wir müssen Kinderbetreuungseinrichtungen ausbauen.
Darauf haben wir geantwortet: Na schön, baut die Ein-
richtungen aus, wir übernehmen dafür einen Teil eures
Anteils am Kindergeld. Das waren 2 Milliarden DM, die
beim Zweiten Gesetz zur Familienförderung an die Länder
gegangen sind. Hier haben wir Geld umgelenkt und das
muss Ihnen klar sein.




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

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(C)



(D)



(A)



(B)


Jetzt geben wir noch einmal 4 Milliarden Euro aus,
weil wir wollen, dass es schneller geht.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: 300 Millionen für den Haushalt 2003! Teilen Sie das mal durch 10 000!)


Das ist auf die Jahre verteilt und muss erst einmal ab-
fließen. Wenn mehr benötigt wird, werden wir auch dafür
eine Möglichkeit finden; davon bin ich überzeugt.

Deswegen ist der Betreuungsgipfel so wichtig; denn es
kann natürlich nicht sein, dass der Bund alle Lücken
schließt.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: 300 Millionen geteilt durch 10 000! Kopfrechnen!)


– Ich war immer gut in Mathematik, keine Sorge. – Wir
müssen alle anderen mit am Tisch haben. Natürlich dür-
fen die Kommunen nicht sparen, wenn es jetzt nicht so
viele Drei- bis Sechsjährige gibt, sondern sie müssen das
Geld für die Zweijährigen einsetzen oder in die Ganz-
tagsschule oder Ähnliches investieren.


(Beifall bei der SPD)

Das Geld dafür fällt ja nicht vom Himmel. Auch die Wirt-
schaft darf sich daran beteiligen. Wenn wir jetzt noch
Partner bei den Arbeitsämtern haben, ist das wunderbar.

Zu dem zweiten Punkt, den wir hier ebenfalls schon
hundertmal rauf- und runterdiskutiert haben, dem Haus-
haltsfreibetrag. Sie wissen, dass wir einen Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts haben,


(Ina Lenke [FDP]: Nein!)

der uns aufgegeben hat, die Ungleichbehandlung zu be-
seitigen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ja! Eine Ungleichbehandlung!)


Da niemand 25 Milliarden hinlegen kann, um mit der an-
deren Seite gleichzuziehen, blieb uns gar nichts anderes
übrig. Wir haben als Ausgleich die steuerliche Absetzbar-
keit von Kinderbetreuungskosten. Aber das wissen Sie ja
alles; ich wollte es hier nur noch einmal sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209600
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Katherina Reiche.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1425209700
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Zunächst, Frau Ministerin, be-
danke ich mich für die Glückwünsche, die ich unabhän-
gig vom Wahlkampf gut gebrauchen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch
endlich Taten sehn“, schrieb ein großer Klassiker. Taten
möchten auch die Familien endlich sehen. Allein das ist
ein Grund für einen Regierungswechsel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Während die SPD bekundet, dass sie die Partei der
Familie sei, zeigt der Haushaltsentwurf ganz deutlich,
dass die Familienministerin 2003 weniger Geld zur Ver-
fügung hat. Ihr Haushalt schrumpft. Das zeigt Ihre
Schwäche.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Das verwundert aber nicht weiter. Dem Ministerium
für – da zitiere ich Bundeskanzler Schröder – „Frauen und
Gedöns“


(Widerspruch bei der SPD)

– Sie können es nicht mehr hören, er hat es aber gesagt –
wurde in den vergangenen vier Jahren nicht viel Beach-
tung geschenkt. Erst nachdem eine breite gesellschaftspo-
litische Debatte zur Bedeutung von Familien und Frauen
in Deutschland aufbrach, hat die Regierung diese Bedeu-
tung erkannt. Man erklärte das Feld flugs zur Chefsache
und schon musste die Ministerin beiseite treten.

Die familienpolitische Bilanz von Rot-Grün steht in
krassem Widerspruch zu Ihren Ankündigungen und zu
dem, was Sie eben gesagt haben. Sie erhöhen auf der ei-
nen Seite das Kindergeld, auf der anderen Seite aber kom-
men die Ökosteuer und gestiegene Verbrauchsteuern
hinzu und belasten die Familien.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


Haushaltsbezogene Dienstleistungen sind seit der
Steuerreform gestrichen. Das Bundesverfassungsgericht
hat nicht gefordert – wie eben gesagt wurde –, den Be-
treuungsbetrag für Alleinerziehende zu streichen. Es ging
vielmehr um eine Gleichstellung. Aber Ihnen fehlte die
politische Fantasie und der Gestaltungswille, um zu einer
vernünftigen Lösung zu kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Union war schon immer Familienpartei. Es war

nämlich die Union, die die wesentlichen familienpoliti-
schen Leistungen wie Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub,
den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz oder
auch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei
der Rente – zum Teil gegen Ihren Widerstand – durchge-
setzt hat. Keine dieser Maßnahmen wurde von der SPD
angestoßen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch die vollmundig angekündigte Kindergelderhöhung

ist seit dem letzten Wochenende vom Tisch. Dies ist ein
weiteres gebrochenes Versprechen von Rot-Grün.


(Hildegard Wester [SPD]: Was?)

Sie glauben offensichtlich nicht einmal mehr Ihrem eige-
nen Wahlprogramm. Passen Sie Ihr Programm an die
wahren Absichten an! Sonst wäre es schon jetzt ein doku-
mentierter Wahlbetrug.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hildegard Wester [SPD]: Was ist denn mit Ihrem Familiengeld?)


Es geht hier um mehr als nur um einen Rückzieher; es
geht um unterschiedliche Konzepte. Sie setzen auf Ver-




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
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(C)



(D)



(A)



(B)


staatlichung der Erziehung; wir setzen mit dem Familien-
geld auf eine echte Wahlfreiheit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh! – Siegfried Scheffler [SPD]: Wie in Bayern und Baden-Württemberg!)


Eltern sollen entscheiden können, ob und in welchem
Umfang sie sich der Betreuung ihrer Kinder widmen oder
ob sie Betreuung außer Haus möchten. Diesen familien-
politischen Wünschen stehen wir allemal näher als Sie, da
90 Prozent der jungen Paare in den ersten drei Jahren ihre
Kinder selbst betreuen wollen.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist denn das für eine Zahl?)


Aus Mangel an Konzepten versuchen Sie zudem noch,
die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Frauen gegen-
einander auszuspielen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das machen Sie doch!)

In der Welt von Rot-Grün existiert halt nur die halbtags-
beschäftigte Mutter als gesellschaftspolitisches Ideal.


(Jörg Tauss [SPD]: Und bei Ihnen die Küchenfrau!)


Wir schreiben den Menschen nicht vor, wie sie zu leben
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wir auch nicht!)


Sie diffamieren das Familiengeld als Gebärprämie. Sie
tun damit Frauen Unrecht, die Familienarbeit leisten, und
preisen stattdessen die Ganztagsschule als Allheilmittel.
Auch hier zeigt sich Ihr ideologischer Tunnelblick, nach
dem Motto: Der Staat wird es schon irgendwie richten.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Wer hat Ihnen diesen Blödsinn aufgeschrieben?)


Wir vertrauen den Menschen unser Familiengeld an.
Wir holen damit nicht nur 1 Million Kinder aus der So-
zialhilfe. Wir entlasten damit auch die Länder und Kom-
munen. Es war Ihre Steuerreform, die die Kommunen fi-
nanziell ausbluten ließ, sodass sie momentan keine
finanziellen Spielräume haben, Betreuungsmöglichkeiten
anzubieten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gerd Andres [SPD]: Sie erinnern uns an Frau Nolte! Sie sind Frau Nolte sehr ähnlich!)


Zur Wahlfreiheit zählen natürlich auch ein flexibles
und qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot und eine
familienfreundliche Arbeitswelt. Aber Sie haben versagt.
Sie brauchen nicht den Betreuungsgrad von angeblich
1,3 Prozent für unter 3-Jährige in Bayern zu nennen.
Falsche Zahlen werden nicht richtiger, wenn man sie öf-
ter zitiert. Es sind nämlich 3,5 Prozent. In Rheinland-
Pfalz sind es nur 1,4 Prozent. Hier zeigen sich schon Un-
terschiede. In den neuen Bundesländern sind es Sachsen
und Thüringen, die die höchsten Betreuungsraten auf-
weisen.

Wir brauchen natürlich mehr Betreuungsangebote ge-
rade in den alten Ländern. Das ist völlig unbestritten. Aber

es geht nicht nur um Quantität. Es geht vor allem um Qua-
lität, zum Beispiel auch um eine verlässliche Grundschule
mit Unterrichtsgarantie.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wie in Baden-Württemberg!)


Sie denken an Ganztagsschulen. Aber den Kindern ist mit
Zwangsverschulung nicht gedient.


(Gerd Andres [SPD]: Frau Nolte ist nicht da! Hat sie Ihnen ihr Manuskript gegeben?)


Wir wollen ein vielfältiges Angebot schaffen, das den
Bedürfnissen der Kinder entspricht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Betreuung schließt eben auch Erziehung und Werte-

vermittlung ein. Der Begriff Wertevermittlung kam bei
Ihnen überhaupt nicht vor. Nur ein wertegebundenes Be-
treuungsangebot, das gemeinsam mit den Eltern den Mut
zur Erziehung beweist, wird Kindern helfen, zu verant-
wortungsbewussten und selbstständigen Persönlichkeiten
zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die vergangenen vier Jahre waren zudem verlorene

Jahre für die Schaffung einer familienfreundlichen Ar-
beitswelt.Es gab Regulierungswut und Zementierung des
Arbeitsmarktes. Wir sind nicht gegen einen Teilzeitan-
spruch für Frauen oder für Personen, die Familienan-
gehörige pflegen. Wir sind nur gegen einen generellen
Teilzeitanspruch.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh!)

Es ist schon ein Unterschied, ob sich jemand um sein Kind
kümmert oder ob er sein persönliches Freizeitkonto auf-
möbeln möchte.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich halte den Weg der Kooperation mit den Betrieben für
den einzig richtigen. Es geht nur mit einem partnerschaft-
lichen Miteinander.

Was nützt übrigens der Anspruch auf Teilzeit, wenn
Frauen keinen Arbeitsplatz finden? Das ist das eigentliche
Problem in diesem Land. Bei der Bekämpfung der Frau-
enarbeitslosigkeit haben Sie versagt. Im Vergleich zum
Monat Juli ist die Arbeitslosigkeit von Frauen nämlich um
2 Prozent gestiegen.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Vergleichen Sie doch einmal mit 1998!)


Jede zehnte Frau in Deutschland, die arbeiten möchte,
kann nicht arbeiten. In Ostdeutschland ist es sogar jede
fünfte Frau.


(Gerd Andres [SPD]: Grüßen Sie Frau Nolte herzlich von uns!)


Die Arbeitslosigkeit ist eine Geißel – das wissen Sie –
für Familien, für Frauen, für Alleinerziehende und für
junge Menschen. Seit 1998 gibt es 56 000 jugendliche
Arbeitslose mehr in Deutschland. Die Abwanderungsbe-
wegung von Ost nach West hat dramatische Ausmaße
angenommen. Jährlich wandert eine Kleinstadt, nämlich




Katherina Reiche

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(C)



(D)



(A)



(B)


44 000 junge Menschen, von Ost nach West ab. Sie tun
nichts dagegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Vorzeigeprojekt JUMP war wenig effektiv. Von

770 000 Teilnehmern hat nicht einmal jeder Zweite eine
reguläre Ausbildung bekommen. JUMP war für viele Ju-
gendliche der Sprung ins Leere, ja der Sprung ins Abseits.
Was liest man auf den Internetseiten von JUMP: Es wür-
den momentan keine Zahlen über das Sofortprogramm
veröffentlicht.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 400 000 Jugendliche sind das!)


Wenn die Wirklichkeit also nicht so ist, wie Sie sie haben
wollen, dann stellen Sie das eben anders dar.

Familienpolitik in Deutschland muss zur Familienvor-
rangpolitik werden. Die Zukunft der Familie ist eine
Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die demo-
graphische Entwicklung ist eine tickende Zeitbombe.
Ohne Kinder sind wir ein Land ohne Zukunft und ohne
Kreativität. Wir haben ein Gesamtkonzept für Familien-
politik vorgelegt. Es ist eine Wirtschafts-, Steuer-, Sozial-
und Gesellschaftspolitik aus einem Guss. Wir brauchen
vor allem einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel.
Der geht alle an, Tarifpartner und Kommunen, Eltern und
Kinderlose, Bildungseinrichtungen und -institutionen,
Verbände und Kirchen. Eine familienfreundliche Gesell-
schaft zu schaffen ist auch Aufgabe der Politik. Das wol-
len wir mit einer neuen Regierung nach dem 22. Septem-
ber erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Oje! – Gerd Andres [SPD]: Das wird nichts! Pech gehabt! Gewogen und zu leicht befunden!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209800
Zu einer Kurz-
intervention erteile ich der Abgeordneten Ekin Deligöz
das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425209900
Liebe
Frau Reiche, liebe Katherina, auch ich wünsche dir – von
Mutter zu Mutter sozusagen – alles Gute zum Kind. Ich
möchte aber gleichzeitig ein paar Punkte anmerken, die
jetzt im Wahlkampf gesagt wurden und die anscheinend
bei Ihnen noch nicht angekommen sind.

Ich komme aus Bayern und bereise natürlich gerade in
dieser Zeit des Wahlkampfes viel das Land und habe da-
bei sehr viel zu tun mit Elterninitiativen, Kindergärten
und Kinderläden. Ich bekomme immer wieder eines zu
hören. Ich war zum Beispiel bei dem Projekt „Mini
MAXI“ in Lindau, wo sich Eltern aus Eigeninitiative eine
Kinderkrippe geschaffen haben, in der die Kinder unter
drei Jahren für zwei oder drei Stunden zusammenfinden
können, und zwar nicht aus dem Rabenmuttergedanken
heraus, sondern aus dem Gedanken der sozialen Kompe-
tenz heraus: Mein Kind soll so früh wie möglich mit an-
deren Kindern zusammenkommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Diese Elterngruppe hat aus Eigenmitteln das ganze Haus
renoviert, hat wahnsinnig viel investiert, bezahlt qualifi-
zierte Kräfte selber. Sie hat um Zuschüsse der bayerischen
Landesregierung gebeten und hat schriftlich die Antwort
bekommen: Es ist ja schön und gut, dass Sie so etwas ma-
chen; es wird politisch von uns aber nicht unterstützt.


(Jörg Tauss [SPD]: Ah ja!)

Das war die Begründung der bayerischen Landesregie-
rung,


(Zuruf von der CDU/CSU: „Staatsregierung“ heißt die!)


weshalb es keinen Pfennig Zuschuss für diese Initiative
gab. Das nenne ich Ehrenamt fördern auf bayerisch.

Punkt Zwei: JUMP – viel kritisiert, nicht gemocht von
der Opposition. Ich weiß auch, warum: Weil JUMP
schlichtweg ein Erfolgsmodell ist.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

JUMPhat 400 000 Jugendliche erreicht und zur Arbeit ge-
bracht. Das waren übrigens die Jugendlichen, die vor vier
Jahren noch auf der Straße waren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das waren die Jugendlichen, die ignoriert wurden. Das
waren die Jugendlichen, die nicht ernst genommen wur-
den. Wir nehmen die Jugendlichen ernst. Daran gibt es
nichts zu kritisieren.

Ein letzter Punkt: das Modellprojekt mit 300 Euro Kin-
dergeld. Das ist in der Rede ein bisschen zu kurz gekom-
men, deshalb muss ich Ihnen schon noch einmal die
Wahrheit ins Gesicht sagen. Vor kurzem gab es hier eine
Debatte zur Familienpolitik. Dort hat Friedrich Merz ge-
sagt – ich zitiere das ganz gerne, ich habe mir diesen
Spruch gemerkt –: Wir fassen Arbeitslosenhilfe und So-
zialhilfe zusammen, sparen 20 Milliarden Euro – das
wären die gesamten Kosten in diesem Bereich – ein und
investieren das in die Familienpolitik; das ist unsere Ant-
wort auf die Arbeitslosigkeit, dann können Frauen endlich
einmal zu Hause bleiben. – Das nenne ich eine „Zuhause-
bleibprämie“ und nichts anderes. Das ist keine politische
Antwort, sondern das ist frauenfeindlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das entspricht nicht Ihrem Programm, was Sie da sagen! Das widerspricht Ihrer Beschlusslage!)



Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1425210000
Frau Deligöz, es gibt
in Bayern das Netz für Kinder, das von der bayerischen
Landesregierung gefördert wird und genau solche Initia-
tiven unterstützt. Zudem hat die bayerische Landesregie-
rung 300 Millionen Euro bis 2006 zur Verfügung gestellt:
für Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren und
Ganztagsbetreuung.

Ich möchte jetzt etwas zur so genannten Gebärprämie
sagen: Wenn sich 90 Prozent der Eltern wünschen, in den
ersten Lebensjahren des Kindes das Kind selbst zu be-




Katherina Reiche
25548


(C)



(D)



(A)



(B)


treuen, dann sollten wir den Wunsch respektieren und ih-
nen das Geld in die Hand geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte nicht, dass mir der Staat vorschreibt, wohin

mein Kind zu gehen hat. Ich möchte selber entscheiden,
ob ich es in einen Elternladen, zu einer Elterninitiative, in
einen Kindergarten, in eine Krabbelgruppe, in einen Mi-
niklub oder in einen konfessionell gebundenen Kinder-
garten, einen Montessori- oder Waldorfkindergarten gebe.
Ich möchte mir das nicht vom Staat vorschreiben lassen.


(Widerspruch bei der SPD und der PDS)

– Doch, genau das wollen Sie. Sie wollen durch staatli-
che Lenkung vorschreiben, welches Betreuungsangebot
infrage kommt. Das ist Verstaatlichung der Erziehung.
Ich habe das bereits ausgeführt. Das ist nicht unser Mo-
dell.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: So ein Schwachsinn!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425210100
Das Wort hat
jetzt die Frau Kollegin Petra Bläss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425210200
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Die größten politischen Herausforde-
rungen in der Familienpolitik, vor denen wir nach wie vor
stehen, sind, die Bedingungen für die Vereinbarkeit von
Berufstätigkeit und Familie zu verbessern, die wachsende
Verarmung von Kindern zu verhindern und die geringe
Beteiligung von Vätern an der Alltagsbetreuung ihrer
Kinder zu ändern.


(Beifall bei der PDS)

Das sind drei zentrale Probleme, die die PDS konsequent
angegangen ist und auch weiterhin angehen wird.

Erstens. Es besteht kein Zweifel mehr: Um Beruf und
Familie vereinbaren zu können, bedarf es in erster Linie
einer qualitativ hochwertigen, flexiblen, flächendecken-
den und langfristig auch kostenfreien Kinderbetreuung
bis zum 14. Lebensjahr des Kindes, und zwar mit Rechts-
anspruch.


(Beifall bei der PDS)

Davon – das wissen wir alle aus der Praxis – sind wir

hierzulande noch weit entfernt. Die PDS hat deshalb
schon vor geraumer Zeit ein Modell zum Ausbau eines be-
darfsgerechten und öffentlich geförderten Betreuungs-
und Freizeitangebots für Kinder bis zum 14. Lebensjahr
vorgeschlagen.

Frau Bergmann hat die Zahlen bereits genannt. 70 Pro-
zent der nicht erwerbstätigen Mütter im Westen und
90 Prozent derer im Osten wünschen eine Erwerbsarbeit,
aber es mangelt im Westen an Betreuungsmöglichkeiten
und im Osten bekanntlich an Arbeitsplätzen. Frau Kolle-
gin Reiche, das hat nichts mit Vorschriften zu tun, sondern
mit Bedingungen für Wahlfreiheit, die so noch nicht
existieren.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, solange das öffentli-
che Kinderbetreuungsangebot für Kinder unter bis zu drei
Jahren bundesweit nur 5,5 Prozent beträgt und 80 Prozent
aller Kindergartenplätze im Westen nur Teilzeitplätze
ohne Über-Mittag-Betreuung sind, kann von Chancen-
gleichheit zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeits-
markt keine Rede sein.


(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen: Das hiesige Defizit an Kinderbetreuungs-

plätzen ist auch vor dem Hintergrund internationaler Stu-
dien nicht mehr nachvollziehbar. Diese belegen, dass
Kinderbetreuung nicht nur bezahlbar ist, sondern sich
für Kommunen und Staat sogar lohnt, da die Gelder in
Form von Steuereinnahmen und nicht zu zahlender So-
zialhilfe an den Staat zurückfließen, und das mindestens
im Verhältnis 1 : 4.

Zweitens. Die traurige Bilanz des Armutsberichts der
Bundesregierung lautete: Über 1 Million Kinder leben
von Sozialhilfe. Damit verbunden sind Chancenungleich-
heiten und psychosoziale Belastungen. Wir sagen: Kein
Kind darf mehr in Armut aufwachsen.


(Beifall bei der PDS – Jörg Tauss [SPD]: Ja, früher gab es keinen Armutsbericht!)


Um Kinderarmut abzuschaffen, fordert die PDS eine fi-
nanzielle Grundsicherung für alle Kinder. Wir haben
diesbezüglich ein Modell unter dem Motto „Gerechte
Chancen am Start – Kinderarmut bekämpfen“ vorgelegt.

Drittens. Damit sich Väter mehr an der Alltagsversor-
gung ihrer eigenen Kinder beteiligen – ich sage: können –,
ist eine andere Weichenstellung für die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie vonnöten. Da Männer im Schnitt im-
mer noch ein Viertel mehr als ihre Partnerinnen verdie-
nen, können Familien meist nicht auf das Einkommen des
Besserverdienenden verzichten. Der Hauptgrund für den
Missstand, dass Männer nur zu 2 Prozent Kinderpause
und das im Schnitt auch nur für zweieinhalb Jahre ma-
chen, ist, dass es keine Lohnersatzleistung bei der Eltern-
zeit gibt. Deshalb fordert die PDS Elternzeit mit Lohn-
ausgleich. Wir haben unseren Antrag zur Vereinbarkeit
von Beruf und Kinderbetreuung für Frauen und Männer
vorgelegt. Dieser Antrag sieht zwölf Monate Freistellung
mit Lohnersatzleistungen und sechs Monate mit einer
Grundsicherung vor.


(Beifall bei der PDS)

Die PDS steht für konsequent kinder- und geschlech-

tergerechte Familienpolitik. Dabei setzen wir auf die An-
erkennung und Gleichstellung aller Familienformen und
Lebensweisen, auf Kinderförderung statt Eheförderung
ebenso wie auf den Ausbau des Solidarprinzips und die ei-
genständige ökonomische Existenz von Frauen.

Am 22. September 2002 haben die Wählerinnen und
Wähler in der Tat eine familienpolitische Weichenstellung
vorzunehmen. Sie können sicher sein: Die PDS wird sich
all den genannten Herausforderungen auch in Zukunft of-
fensiv stellen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)





Katherina Reiche

25549


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1425210300
Danke schön.
Weitere Wortmeldungen zu diesen Einzelplänen liegen
nicht vor.

Wir kommen nun zu den Geschäftsbereichen des Bun-
desministeriums des Innern und des Bundesministeri-
ums der Justiz.

Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister Otto
Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1425210400
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Deutschland
ist im internationalen Vergleich – ich glaube, das kann je-
der bestätigen – eines der sichersten Länder der Welt. Dies
verdanken wir zuallererst der guten Arbeit der Polizei-
beamtinnen und -beamten in Bund und Ländern.
Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube, das ist auch der guten Zusammenarbeit

zwischen dem Bundesministerium des Innern – dies sage
ich ausdrücklich in Anwesenheit des Kollegen Beckstein,
der nach mir das Wort ergreifen wird – und den Ländern
zu verdanken. In den vergangenen Jahrzehnten – dies be-
tone ich besonders – hat sich bewährt, dass wir in der
Konferenz der Innenminister der Länder, bei der auch der
Bundesminister zugegen ist, immer im Konsens entschei-
den. Wir sollten diesen Konsens im Kernbereich der
inneren Sicherheit nach Möglichkeit wahren. Über Ein-
zelheiten können wir dann immer noch streiten.

Ich meine, dass man an den Zahlen der Haushaltsent-
wicklung in meinem Ressort sehr deutlich ablesen kann,
dass die Gewährleistung der inneren Sicherheit für die
Bundesregierung einen sehr hohen Rang einnimmt.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben ungeachtet der Tatsache, dass auch wir uns

selbstverständlich an der Haushaltskonsolidierung beteili-
gen mussten, die Haushaltspositionen für die Sicherheits-
institutionen ständig erhöht. Die Steigerungsrate beim
Bundesgrenzschutz liegt bei 11 Prozent, die beim Bun-
deskriminalamt liegt bei 36 Prozent, die beim Bundesamt
für Verfassungsschutz liegt bei 34 Prozent und die Steige-
rungsrate beim Bundesamt für Sicherheit in der Informa-
tionstechnik liegt sogar bei 56 Prozent.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das sind Zahlen, an denen man hervorragend ablesen
kann, wie ernst wir es mit der inneren Sicherheit meinen.

Bei diesem Punkt muss ich doch meine Bitte und mei-
nen Appell an die Opposition richten: Wenn Ihre Pro-
gramme ernst genommen würden,


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist schwierig!)

würde dies zu einer Verarmung der Staatsfinanzen führen,
die dramatische Ausmaße annehmen würde. Die Mög-
lichkeiten, die notwendigen Mittel für die Gewährleistung
der inneren Sicherheit bereitzustellen, würden dadurch
eingeschränkt. Ihr Vorschlag mit einer Staatsquote in
Höhe von 40 Prozent würde zu Ausfällen in Höhe von
170 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden

führen. Die vorgeschlagene Senkung des Spitzensteuer-
satzes auf unter 40 Prozent würde zu Einnahmeausfällen
in Höhe von 29 Milliarden Euro führen.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Arbeitslosigkeit führt zu hohen Ausfällen!)


Ihre Vorschläge – aber Sie haben ja heute die Möglichkeit,
sie zurückzunehmen – sind mit der Gewährleistung der
inneren Sicherheit nicht zu vereinbaren.


(Beifall bei der SPD)

Eine solche Programmatik ist in der Tat eine Gefahr für

die innere Sicherheit. Dies wollen Sie doch sicherlich
nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb sollten Sie hier Klar-
heit schaffen. Diese Bitte ist heute Vormittag schon ein-
mal an Sie gerichtet worden. Sagen Sie uns in der ersten
Lesung zum Bundeshaushalt 2003 doch einmal, an wel-
chen Stellen Sie die Positionen auf der Ausgabenseite er-
höhen bzw. reduzieren wollen und wie die Positionen auf
der Einnahmenseite aussehen! Nennen Sie uns dazu aber
bitte konkrete Zahlen; machen Sie keine wolkigen Aussa-
gen! Sagen Sie uns, wie Sie es mit der Verschuldung hal-
ten wollen. Dann können wir uns auseinander setzen.
Kommen Sie hier aber nicht mit irgendwelchen allgemei-
nen globalen Zahlen!


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die gute finanzielle Aus-

stattung des Bundesgrenzschutzes hat uns in die Lage
versetzt, die Sollstärke um 1 450 Beamtinnen und Beamte
zu erhöhen, um auch die neu hinzugekommenen Aufga-
ben des Bundesgrenzschutzes wahrzunehmen. Hierzu
zählen sehr wichtige Bereiche, die wir angesichts der Be-
drohung durch den weltweiten islamistischen Terrorismus
neu haben schaffen müssen: den der Flugsicherheitsbe-
gleiter und der Entschärfergruppen. Zusätzliche Aufgaben
ergeben sich bei den Schutzmaßnahmen für Bundesor-
gane und Botschaften. Nicht zu vergessen ist, welche wei-
teren Aufgaben wir im internationalen Bereich leisten
müssen. Hierzu zählen – das sage ich noch einmal – all-
gemeine Luftsicherheitsaufgaben sowie im Bereich der
internationalen Zusammenarbeit der Einsatz von Verbin-
dungsbeamten in zahlreichen Ländern.

Ich möchte mich besonders bei dem ehemaligen In-
spekteur des Bundesgrenzschutzes, Herrn Sperner, be-
danken, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, nach
Eintreten in den Ruhestand als Berater in Rumänien – das
Land zählt ja zu den Beitrittskandidaten – für die Verbes-
serung beim dortigen Aufbau des Grenzschutzes zu sor-
gen. Daran sieht man: Qualitative Arbeit, die in Deutsch-
land gemacht wird, ist auch im Ausland gefragt.


(Beifall bei der SPD)

Deshalb war es, wie ich glaube, auch richtig, dass wir

dafür gesorgt haben, dass sich die Beförderungssituation
im Bundesgrenzschutz erheblich verbessert hat. Wir ha-
ben inzwischen erreicht, dass bis Ende 2002, also bis
Ende dieses Jahres, jede zweite Beamtin bzw. jeder zweite
Beamte befördert werden kann. Das hat natürlich zu ei-
nem Motivationsschub innerhalb des Bundesgrenz-
schutzes geführt.


( V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)







(C)



(D)



(A)



(B)


Es freut mich im Übrigen, dass wir mit fast allen Bun-
desländern eine Kooperationsvereinbarung zwischen
Bundesgrenzschutz und den Länderpolizeien zustande
gebracht haben. Ich bin ganz sicher, Herr Kollege
Beckstein, dass wir zu einer solchen Vereinbarung auch
mit dem Freistaat Bayern – das ist das einzige Land, das
noch fehlt – kommen werden. Damit hier kein falscher
Eindruck entsteht, möchte ich betonen, dass auch zwi-
schen der Länderpolizei Bayerns und dem Bundesgrenz-
schutz eine hervorragende Zusammenarbeit, insbeson-
dere in der Landeshauptstadt München, besteht.

DasBundeskriminalamt hat ebenfalls mehr Mittel er-
halten. Ich glaube, dass gerade angesichts der terroristi-
schen Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus
Verständnis dafür besteht, dass wir diesen Aufwuchs voll-
ziehen mussten. Ähnliches gilt für andere Sicherheitsin-
stitutionen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und
das schon erwähnte Bundesamt für Sicherheit in der In-
formationstechnik.

Wir sollten uns nicht in einen Wettbewerb darüber be-
geben, ob die Gefahr durch den islamistischen Terroris-
mus von der einen oder der anderen Seite etwas sachter
oder etwas schärfer beurteilt wird. Ich glaube, dass beide
Seiten – ich beziehe die Opposition selbstverständlich mit
ein – diese sehr reale anhaltende Gefahr erkennen und
wissen, dass wir ihr begegnen müssen.

Man kann sich, wie gesagt, über einzelne Details strei-
ten. Ich bitte jedoch, darauf hinweisen zu dürfen, dass wir
nach dem 11. September 2001, aber auch schon davor,
eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet haben,
die uns in die Lage versetzen, diese Erscheinungsform des
Terrorismus besser zu bekämpfen, als es vorher der Fall
war, und zwar schon im Vorfeld. Ich erinnere daran, dass
es uns gelungen ist, das so genannte Religionsprivileg im
Vereinsrecht zu streichen, was keine ganz einfache Auf-
gabe war. Aber immerhin ist es uns gelungen.


(Erwin Marschweski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Im Bundesrat!)


Sie, Herr Kollege Beckstein, haben sich schon früher da-
rum bemüht, haben sogar den einen oder anderen Brief
geschrieben; das will ich nicht verkennen. Aber in der al-
ten Regierung, Herr Marschewski, haben Sie das nicht er-
reicht. Vielmehr haben wir das durchgesetzt. Sie wissen ja
auch, wo zuerst die Widerstände waren. Ich bin froh da-
rüber, dass wir das geschafft haben und auf diese Weise
den Kalifatstaat verbieten konnten.


(Beifall bei der SPD)

Ich will nicht alles erwähnen – dazu habe ich gar nicht

die Zeit –, welche erweiterten Befugnisse für unsere Si-
cherheitsinstitutionen wir im Sicherheitspaket haben un-
terbringen können. Das war und ist wichtig, damit unsere
Institutionen besser in der Lage sind, Frühaufklärung zu
betreiben und terroristische Strukturen früher zu erken-
nen.

Nun freue ich mich darüber, welch beträchtlichen Ehr-
geiz Sie an den Tag legen, um mich dabei zu unterstützen,
wie man biometrische Merkmale auch bei der Identifi-
zierung besser verwenden kann. Dafür bin ich Ihnen
dankbar, Herr Kollege Beckstein. Wir müssen aber auf der

anderen Seite sehen, dass wir uns richtig verhalten; denn
einiges können wir nur im europäischen Verbund tun,


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: So ist es!)


zum Beispiel die Implementierung von biometrischen
Merkmalen über das Lichtbild hinaus. Das können wir in
der Tat nur durch eine europäische Entscheidung errei-
chen.

Das, was wir im europäischen Verbund schon jetzt ma-
chen können, das leisten wir bereits heute. Das sieht dann
so aus, dass wir in der Visamarke das Lichtbild integrie-
ren. Dadurch ist ein gewisser Fortschritt erzielt worden.
Wir werden eines der ersten Länder sein, das dies erreicht.
Übrigens sind wir auch bei der Fälschungssicherheit von
Dokumenten weit fortgeschritten. Ich habe hier einen
Pass neuer Machart, wie wir ihn in der Bundesdruckerei
herstellen. Sie können hier sehen, wie diese Folie, die
erste Passseite, aussieht. Dieser Pass ist nahezu hundert-
prozentig fälschungssicher; denn wenn man diese Folie
auflöst, dann zerstört sie sich von selber.

Wir sollten die Institutionen einmal dafür loben, was
sie zustande gebracht haben.


(Beifall bei der SPD)

Man kann das eine oder andere beklagen und Verbesse-
rungen fordern. Aber ich denke, es ist gut, dass wir auch
einmal Lobenswertes hervorheben.

Im Übrigen werden wir – auch das haben Sie eingefor-
dert, Herr Kollege Beckstein – im nächsten Jahr damit be-
ginnen, bei so genannten Problemstaaten, inklusive der
von Ihnen namentlich genannten Staaten Sudan und Je-
men, Fingerabdrücke außerhalb der Visamarke – das kön-
nen wir nach nationalem Recht so handhaben – zu neh-
men. Auf längere Frist werden wir uns darauf einstellen
müssen – das haben wir gesetzlich schon ermöglicht –,
biometrische Merkmale in Pässe, in Ausweise zu inte-
grieren.

In diesem Zusammenhang bin ich allerdings der Mei-
nung, dass wir das im internationalen Verbund gestalten
müssen. Es hat keinen Zweck, dass wir Insellösungen
schaffen, die nachher mit anderen Lösungen nicht zusam-
menpassen. Ich habe zusammen mit den US-Amerikanern
– ich habe mich mehrfach mit dem Governor Tom Ridge
getroffen, um unsere Bemühungen abzustimmen – eine
Arbeitsgruppe gebildet, damit wir ähnliche Verfahren ha-
ben, die auch kompatibel bleiben. Ähnliches machen wir
in der EU oder auch mit Russland. In diesem Zusammen-
hang habe ich mich bereits mit meinem Kollegen
Gryslow, dem russischen Innenminister, getroffen.

Herr Kollege Beckstein, Sie haben ferner in jüngster
Zeit beanstandet, dass wir bei der Bekämpfung des inter-
nationalen Terrorismus und Extremismus – damit muss
man sich auseinander setzen – die Aufmerksamkeit stärker
auf die Möglichkeit, entweder die Einreise zu verweigern
oder den Aufenthalt zu beenden, richten müssten. Es ist
dem Grundsatz nach nicht zu beanstanden, wenn Sie das
fordern. Ich finde nur, Sie müssten von den vorhandenen
Möglichkeiten, so wie sie im Gesetz stehen, Gebrauch ma-
chen. In den §§ 8 und 45 des Ausländergesetzes steht:




Bundesminister Otto Schily

25551


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn jemand eine Gefahr für die innere Sicherheit und
Ordnung darstellt, dann kann er gemäß § 45 entweder aus-
gewiesen werden oder es kann ihm gemäß § 8 die Einreise
bzw. ein Aufenthaltstitel verweigert werden. Das muss
man dann umsetzen.

Wenn Sie der Meinung sind, dass sich diese Möglich-
keiten in der Anwendungspraxis noch nicht herumge-
sprochen haben, dann lasse ich mit mir darüber reden, ob
wir die Ausführungsvorschriften verändern müssen. Ich
jedenfalls bin der Meinung, dass jemand, der Terrorismus
im Sinne von Bin Laden propagiert, eine Gefahr für die
innere Sicherheit und Ordnung ist und nicht in unserem
Land bleiben sollte. In diesem Fall müssen wir also von
dem Gesetz, das wir schon haben, Gebrauch machen.
Deshalb schlage ich vor, sich an dieser Stelle darüber zu
verständigen, wie wir den Gesetzesvollzug besser gestal-
ten, ehe wir zu neuen Gesetzen kommen, die nach meiner
Meinung überflüssig sind.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425210500
Herr Minister, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Sylvia Bonitz?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1425210600
Ich habe nur
noch sehr wenig Zeit. Aber ich kann Ihnen das einfach
nicht abschlagen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425210700
Also doch?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1425210800
Frau Bonitz,
Sie haben immer so intelligente Zwischenfragen.


(Heiterkeit bei der SPD)

Bitte schön.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1425210900
Herzlichen Dank, Herr
Minister. – Sie haben ausgeführt, dass dieses Gesetz kon-
sequent angewendet werden soll. Sie gehen doch sicher-
lich mit gutem Beispiel voran, wenn ich an Metin Kaplan
erinnern darf. Nachdem die Türkei nun entschieden hat,
die Todesstrafe abzuschaffen, entfällt ein Abschiebe-
hemmnis. Werden Sie jetzt dem Auslieferungsersuchen,
das die Türkei jüngst an die Bundesrepublik Deutschland
gerichtet hat, nachkommen und Herrn Kaplan, der ein ge-
fährlicher Mensch ist, abschieben?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1425211000
Sie haben
richtig erkannt, dass das Auslieferungsgesuch der Türkei
und die Frage der Ausweisung bzw. der Vollzug der Aus-
weisung durch Abschiebung zwei verschiedene Dinge
sind. Nach unserem Recht geht das Auslieferungsgesuch
vor. Deshalb muss darüber entschieden werden. Ich
meine, dass sich die Voraussetzungen, das Auslieferungs-
gesuch positiv zu bescheiden, durch diese Entscheidung
deutlich verbessert haben. Bekanntlich sind aber in der
Türkei noch Bemühungen in Gange, diesen Parlaments-
beschluss wieder aufheben zu lassen. Dann ergäbe sich
eine andere Lage.

Ich hatte versucht, noch in den nächsten Tagen in die
Türkei zu reisen. Das hat sich aber nicht mehr einrichten

lassen. Ich werde jedoch demnächst in die Türkei reisen
und die Lage dort erkunden. Das Auslieferungsverfahren
liegt bei den Justizbehörden und wird auch gerichtlich
überprüft werden. Meine – optimistische – Erwartung ist
aber, dass wir die Voraussetzungen schaffen können, dass
Herr Kaplan in die Türkei zurückkehrt. Die Vorausset-
zung dafür ist, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird.
Das ist durch diesen Parlamentsbeschluss ermöglicht
worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen, der auch
noch zur Debatte steht. Dabei handelt es sich um die Regel-
anfrage bei den Verfassungsschutzbehörden. Diese wird in-
zwischen von allen Ländern praktiziert. Meiner Meinung
nach bedarf es dafür keines zusätzlichen Gesetzes.

Wir sollten noch einen Punkt herausstellen, nämlich
dass wir auch die Infrastrukturen verbessert und im Be-
reich der Katastrophenschutzhilfe – dafür sind allerdings
nicht wir originär zuständig, sondern die Länder – die
Hilfsmaßnahmen sehr erfolgreich gestaltet haben. Bei der
Flutkatastrophe waren mehr als 70 000 Kräfte vonseiten
des Bundes – Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Tech-
nisches Hilfswerk – eingesetzt. Ich will diese Debatte
nicht vorübergehen lassen, ohne besonders den Men-
schen, die zu meinem Ressort zählen, nämlich dem Bun-
desgrenzschutz und dem Technischen Hilfswerk, meine
Bewunderung für das, was sie geleistet haben, auszuspre-
chen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der PDS)


Aufgrund der Tatsache, dass der Bundesgrenzschutz
mehr als 2 000 Menschen im Rahmen sehr schwieriger
Hubschraubereinsätze aus unmittelbarer Not befreit und
das Technische Hilfswerk vorbildliche Arbeit geleistet
hat – in der Kürze der Zeit kann ich nicht alles im Einzel-
nen aufführen –, war es richtig, dass wir den Finanzmittel-
einsatz an diesen Stellen verstärkt haben.

Wir werden uns – das kann ich aus Zeitgründen aller-
dings nur noch kurz ansprechen – aber auch darum küm-
mern müssen, einige Konsequenzen aus den gemachten
Erfahrungen zu ziehen. Bei allem Respekt, allem Dank
und aller Anerkennung für das, was geleistet worden ist,
werden wir uns mit Bund und Ländern in der Rahmen-
konzeption, die wir schon beschlossen haben, auch darü-
ber zu verständigen haben, wie wir diese Zusammenarbeit
künftig gestalten werden. Dafür haben wir gute Ansätze
gewählt. Wir müssen den Informationsfluss, die Warnsys-
teme, die Ausbildung usw. verbessern. Wir müssen auch
das Ressourcenmanagement besser gestalten. Ich meine,
dass wir auf der Basis dessen, was in bewundernswerter
Weise geleistet worden ist, zu guten Schlussfolgerungen
kommen werden. In diesem Sinne können wir sicherlich
die erforderliche Arbeit leisten.

Lassen Sie mich zum Schluss anmerken: Durchaus zu
meiner Überraschung bin ich nach knapp vier Jahren
Amtszeit der dienstälteste Innenminister der Europä-
ischen Union und ich arbeite daran, es auch zu bleiben.


(Beifall bei der SPD)





Bundesminister Otto Schily
25552


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211100
Das Wort hat der
Staatsminister des Inneren des Freistaates Bayern,
Dr. Günther Beckstein.

Dr. Günther Beckstein, Staatsminister (Bayern) (von
der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Schily, ich bestätige Ihnen gerne, dass Sie nicht nur der
dienstälteste, sondern auch der älteste Innenminister in
Europa sind.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Trotzdem sind Sie nach meiner Meinung – ich habe Ihnen
das schon anlässlich Ihres 70. Geburtstags geschrieben –
das am jüngsten wirkende Mitglied der Bundesregierung.
Alle anderen Mitglieder wirken im Vergleich zu Ihnen
noch viel älter.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Schauen Sie einmal den Stoiber an!)


Herr Kollege Schily hat in seiner Rede hervorgeho-
ben, dass die Forderung der Union „3 mal 40“ die innere
Sicherheit gefährde. Ich bin der Meinung – das möchte
ich mit aller Deutlichkeit sagen –, dass Sie selber, Herr
Kollege Schily, dies nicht ernsthaft argumentativ vortra-
gen wollten. Wir wollen – Sie wissen, dass das für uns
ein zentraler Punkt ist – wirtschaftliches Wachstum
schaffen und die Arbeitslosigkeit reduzieren. Wenn wir
das tun, verfügen wir auch über die notwendigen Res-
sourcen, um den Standort Deutschland vernünftig zu ge-
stalten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Stünker [SPD]: Das hat noch nie funktioniert!)


Hätte der Kanzler sein Versprechen, dafür zu sorgen,
dass es nur noch 3,5Millionen Arbeitslose in Deutschland
geben wird, tatsächlich gehalten und nicht gebrochen
– Sie alle wissen, dass 500 000 Arbeitslose mindestens
10Milliarden Euro kosten –, dann würde nicht nur die Be-
seitigung der Flutschäden, sondern auch die Umsetzung
dessen, was wir fordern, ohne jede Schwierigkeit zu fi-
nanzieren sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Jetzt zur Sache, Schätzchen!)


Ich möchte jetzt einen Punkt aus der Innenpolitik an-
sprechen, den Sie leider nicht erwähnt haben und der auch
sonst nie in Ihren Überlegungen auftaucht, der aber nach
meiner Meinung neben den Fragen der inneren Sicherheit
eine zentrale Aufgabe auch für den Bundesinnenminister
ist. Er muss dafür sorgen, dass die Kommunen funk-
tionsfähig bleiben.


(Hubertus Heil [SPD]: Und dann wollen Sie die Staatsquote auf unter 40 Prozent senken?)


Der Bundesinnenminister sollte sowohl im Bund als auch
gegenüber den Ländern als Anwalt der Kommunen auf-
treten. In dieser Beziehung – ich muss das so deutlich sa-
gen – haben Sie total versagt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Kommunen befinden sich in der tiefsten Finanz-
krise. Das, was 1998 in der Koalitionsvereinbarung fest-
gelegt worden ist, nämlich die kommunalen Finanzen auf
eine sichere Grundlage zu stellen, ist nicht umgesetzt wor-
den. Stattdessen sind die kommunalen Finanzen durch die
Steuerreform 2002 ruiniert worden. Die Einnahmen der
Kommunen sind weggebrochen.


(Joachim Stünker [SPD]: Unfug ist das! – Jörg Tauss [SPD]: Falsch! – Gegenruf des Abg. Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Können Sie nicht zuhören, wie wir es getan haben? – Weitere Zurufe von der SPD)


– Sie können nicht zuhören, weil Ihnen das, was ich sage,
wehtut. Aber Sie können durch Ihr Geplärre meine Argu-
mente nicht übertönen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Stünker [SPD]: Das ist ja unglaublich!)


Tatsache ist jedenfalls, dass Rot-Grün, insbesondere
Schröder und Eichel, die tiefste Krise der kommunalen Fi-
nanzen seit dem Zweiten Weltkrieg zu verantworten hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang den SPD-Oberbür-
germeister Ude zitieren, der gesagt hat, dass unter Ihrer
Regierungsverantwortung Deutschland, insbesondere die
Kommunen und die Großstädte, zu einer Steueroase für
die internationalen Konzerne geworden sei, während
gleichzeitig der Mittelstand und die kleinen Leute stärker
in Anspruch genommen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Wenn wir an die Regierung kommen, werden wir einen
anderen Umgang mit den Kommunen pflegen. Wir wer-
den sie nicht über alle Maßen ausnehmen. Wir werden
dafür sorgen, dass der Begriff der kommunalen Selbst-
verwaltung nicht zu einer hohlen Hülse verkommt, wie es
unter Ihrer Regierungsverantwortung geschehen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Auch im Bereich der inneren Sicherheit ist eine solche
Selbstgerechtigkeit, wie Sie, Herr Kollege Schily, sie
– heute in moderater und gestern in unverschämter Form –
an den Tag gelegt haben, nicht am Platz. Ich möchte auf
Folgendes deutlich hinweisen: Wer weiß, wie die Fahr-
zeuge des THW aussehen, der wird nicht behaupten, dass
alles in Ordnung sei. Viele Fahrzeuge des THW und der
Katastropheneinrichtungen der Länder sind nämlich in ei-
nem desolaten Zustand.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist natürlich erfreulich, dass Sie dort, wo Sie Wahl-
kampf machen, ein Bundesfahrzeug übergeben.


(Susanne Kastner [SPD]: Das ärgert Sie, Herr Beckstein!)


In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Sie in viel mehr
deutschen Gemeinden – das gilt auch für Bayern – Wahl-
kampf machen. Ich muss auch feststellen, dass in diesem
Bereich schon früher viel zu wenig getan worden ist.


(Zurufe von der SPD: Aha!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Aber in der laufenden Legislaturperiode sind die Anstren-
gungen noch einmal drastisch reduziert worden.


(Jörg Tauss [SPD]: Falsch!)

Erst nach dem 11. September 2001 hat man wieder be-
gonnen, hier etwas zu unternehmen.

Was den Bereich der Zuwanderung angeht, so hat die
Bundesregierung – das haben Sie nicht erwähnt – Mitte
August mit einer Kampagne, die mehr als 2,5 Millionen
Euro gekostet hat,


(Jörg Tauss [SPD]: Sachlich informiert! – Alfred Hartenbach [SPD]: Das war aber kein Schwarzgeld!)


in einer, wie ich meine, schamlosen Weise Steuergelder
veruntreut,


(Zurufe von der SPD: Was?)

um damit Wahlkampf zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alfred Hartenbach [SPD]: Für Schwarzgeld sind Sie doch zuständig!)


Meine Juristen sagen mir, ein ernsthafter Zweifel daran,
dass die vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen
Grenzen zur Informationstätigkeit im Wahlkampf über-
schritten worden sind, sei nicht möglich.


(Jörg Tauss [SPD]: Schlechte Juristen haben Sie da!)


– Die können es mit Ihnen allemal aufnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

Deswegen sage ich auch hier vor dem Parlament: Das

ist politische Veruntreuung von Steuergeldern und

(Joachim Stünker [SPD]: Das müssen gerade Sie sagen!)

– das müssen Sie sich sagen lassen – politische Verun-
treuung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Das sagt der Richtige! – Joachim Stünker [SPD]: Das aus Ihren Reihen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Amigo!)


Sie müssen sich auch sagen lassen, dass es nicht nur eine
rechtswidrige Ausgabe war, sondern dass es darüber hi-
naus eine bewusste Desinformationskampagne ist. Dies
sind Lügenkampagnen auf Steuerzahlers Kosten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Darin wird dargestellt, dass das Ziel ist, die Zuwande-
rung zu reduzieren. Dazu muss ich aus der amtlichen Be-
gründung des Gesetzentwurfes zitieren. In der amtlichen
Begründung heißt es:

Zu den öffentlichen Interessen gehören im Gegensatz
zum geltenden Ausländergesetz nicht länger eine
übergeordnete ausländerpolitische einseitige Grund-
entscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der
Anwerbestopp.


(Zuruf von der SPD: Sind wir in der Haushaltsdebatte?)


Es ist also völlig eindeutig, dass es darum geht, Zuwan-
derung zu erweitern. Wir aber wollen Zuwanderung redu-
zieren, und zwar auf ein sozialverträgliches Maß.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Jetzt spricht der wahre Beckstein!)


Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Schily. Sie sind so
stolz auf das, was an Integrationsleistungen erbracht
wird. Ich weise darauf hin, dass Integrationsleistungen für
die Hunderttausende, die nicht integriert sind, obwohl sie
hier leben, leider nicht finanziert werden und auch keine
Ansprüche darauf bestehen.


(Zuruf von der SPD: Versäumnisse der Vorgängerregierung!)


Wir wollen aber nicht die Zuwanderung erweitern, um
dann die zukünftig Einwandernden nur mäßig mit Kursen
zu versorgen und auch sonst für die Integration zu wenig
zu tun,


(Alfred Hartenbach [SPD]: Sie haben doch überhaupt nichts getan!)


sondern wir wollen dafür sorgen, dass diejenigen, die hier
leben, aber noch nicht angekommen sind, besser integriert
werden. Dafür wird zu wenig getan.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will deutlich darauf hinweisen, dass von allen In-

nenministern der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
land, auch der SPD-Länder, mehrere Beschlüsse gefasst
worden sind, nach denen ein Rückführungskonzept für af-
ghanische Flüchtlinge zu erstellen ist. Der UN-Beauf-
tragte hat in den Niederlanden erklärt, dass 80 Prozent der
afghanischen Flüchtlinge aus den Niederlanden bzw. aus
Europa zurückkehren könnten. Alle Innenminister der
Länder haben Sie mehrfach beauftragt, Rückkehrkon-
zepte zu entwickeln, wie es sie früher für Bosnien und das
Kosovo gegeben hat. Dazu ist nichts getan worden. Sie
wollen offensichtlich den Grünen nicht allzu sehr auf die
Füße treten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Also, jetzt auch noch gegen die Afghanen hetzen!)


Jetzt will ich noch etwas zu den Fragen des Sicher-
heitspakets sagen. Ich behaupte nicht, dass da Falsches
gemacht worden ist.


(Zuruf von der SPD: Ach nein!)

Ich habe die Sicherheitspakete I und II immer begrüßt.
Weil sie unserer Meinung entsprachen, haben wir diesen
Paketen in Bundestag und Bundesrat auch zugestimmt.
Aber ich sage Ihnen: Sie sind nur halbherzig umgesetzt
worden.


(Jörg Tauss [SPD]: Hervorragend!)

Herr Kollege Schily, Sie haben in der Frage der Bio-

metrie Behauptungen aufgestellt und einen schönen Pass
gezeigt. Ich will Ihnen ein Ausweispapier zeigen, das ich
mir mit Datum vom 29.August habe ausstellen lassen und




Staatsminister Dr. Günther Beckstein (Bayern)

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(C)



(D)



(A)



(B)


für das Sie keine internationale Vorschrift haben verän-
dern müssen, nämlich den Personalausweis. Dieser Per-
sonalausweis ist präzise in derselben Form ausgestellt
worden, wie er vor 15 Jahren ausgestellt worden ist. Da
besteht kein Anlass zu Selbstgerechtigkeit. Ich bleibe bei
meiner Behauptung: Nicht einmal in der Frage der ein-
deutigen Identifizierung der Personen, die aus Gefährder-
staaten kommen, ist etwas getan worden.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Die kriegen auch keinen Personalausweis!)


Heute haben Sie die Erklärung des Bundeskanzlers vom
Sonntagabend schon wieder zur Hälfte zurückgenommen.
Schröder hat erklärt, ab 1. Januar 2003 werde die Biome-
trie für die Identifizierung der Besucher aus den Gefähr-
derstaaten eingesetzt. Sie haben heute gesagt, es werde im
Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Wir glauben nicht,
dass dies in dieser Zügigkeit erfolgt, weil man hier bisher
in erheblichem Umfange geschludert hat und nicht
schnell genug vorgegangen ist, obwohl es von zentraler
Bedeutung ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bleibe dabei, dass England und Italien in diesen Be-
reichen weiter sind. Über Italien wurde gestern in den Zei-
tungen detailliert berichtet; die Zeit reicht nicht aus, es
darzustellen.


(Susanne Kastner [SPD]: Was Sie glauben, ist hier gar nicht wichtig!)


Eines lasse ich mir nicht gefallen, auch wenn Sie heute
sehr moderat waren: dass Sie Unwahrheiten darstellen
und auch heute wieder dargestellt haben.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie behaupten, Herr Schily, dass die Regelanfrage in al-
len Ländern durchgeführt werde. Das ist falsch. Die Re-
gelanfrage wird – –


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wo ist denn jetzt der Zettel hingekommen? Schauen Sie auf Ihren Personalausweis, vielleicht steht es da!)


Eine Regelanfrage bedeutet – ich nehme an, dass nicht
alle dies wissen; aber Herr Kollege Schily weiß es –, dass
die Anfrage beim Verfassungsschutz in allen Fällen er-
folgt. So lautete auch die Empfehlung des Bundesrates. In
Schleswig-Holstein wird die Regelanfrage von der Zu-
stimmung des Betroffenen abhängig gemacht.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

In Nordrhein-Westfalen ist die Regelanfrage auf die Ge-
fährderstaaten beschränkt. Seit dem Vorfall in Heidelberg
wissen wir, dass auch die Türkei unter allen Umständen
erfasst werden muss.


(Zuruf von der SPD: Und die USA!)

In Berlin bezieht sich die Regelanfrage nur auf einen Ka-
talog von Straftaten. Ich fordere Sie auf, sich hier öffent-
lich zu entschuldigen, dass Sie mir gestern vorgeworfen
haben, in diesem Punkt die Unwahrheit zu sagen,


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie sollten sich entschuldigen!)


während Sie selber mit Unkenntnis bzw. mit der Unwahr-
heit arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gilt auch für einen weiteren Fall: Ich klage an, dass

diese Regierung und diese Koalition

(Susanne Kastner [SPD]: Sie sind hier im Parlament!)

die bloße Sympathiewerbung für terroristische Organisa-
tionen straflos gestellt haben.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist doch Quatsch, was Sie da sagen!)


Wer mit einem Schild „Lang lebe Osama Bin Laden!“
durch Deutschland läuft, kann dank Rot-Grün nicht mehr
bestraft werden. Ich halte dies für einen Skandal.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang haben wir einen Streit hin-

sichtlich eines Gewaltvideos.

(Alfred Hartenbach [SPD]: Das Sie an die „Bild“-Zeitung geschickt haben! Ist das so?)


– Ja, das ist richtig. Ich habe es an die „Bild“-Zeitung
geschickt. Das ist auch in Ordnung.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Und wohin hätte es gehört?)


Ich kann Ihnen nur sagen: Entgegen der Behauptung von
Herrn Schily – ich weise seine anders lautende Darstellung
hier dezidiert als unwahr zurück – hat am 23. August ein
mir namentlich bekannter Mitarbeiter meines Hauses den
Abteilungsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz
angerufen und am selben Tag hierüber eine Aktennotiz er-
stellt. Am 28. August hat darüber ein weiteres Gespräch
stattgefunden, dessen Inhalt dezidiert dargestellt worden
ist. Der Abteilungsleiter hat darauf hingewiesen, dass das
Bundesamt schon mehrere ähnliche Videos selbst in Besitz
hat. Die Videos wurden dann ausgetauscht.

Ich lasse es nicht zu, dass Sie sich hier moderat geben
und zugleich außerhalb dieses Saales mit Unwahrheiten
arbeiten.


(Susanne Kastner [SPD]: Moderat waren Sie noch nie!)


Herr Kollege Schily, ich muss Ihnen sagen, dieser Fall er-
innert mich an den Fall der NPD, bei dem Ihre Mitarbei-
ter offensichtlich auch nicht den Mut hatten, mit Ihnen
ehrlich zu reden, weil Sie mit ihnen genau so umgehen,
wie Sie mit mir gestern auf der Pressekonferenz umge-
gangen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


– Das müssen Sie sich schon anhören. – Sicherheit ist
Teamarbeit. Deswegen muss man auch mit Kolleginnen
und Kollegen der Polizei teamfähig sein und darf sie nicht
in einer Art und Weise behandeln, dass sie sich nicht ein-
mal mehr trauen, dem Chef die Wahrheit zu sagen, son-
dern lieber mit irgendwelchen Ausflüchten kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Staatsminister Dr. Günther Beckstein (Bayern)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren, ich schließe mit einem Dank
an Polizei, BGS und Hilfsorganisationen, die in der Tat
Großartiges leisten. Sie haben nicht nur bloße Worte ver-
dient, sondern es ist Zeit für Taten. Diese Taten werden wir
vollbringen, wenn uns der Wähler den Auftrag dazu gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Da können Sie noch eine Stunde reden, das nutzt auch nichts! – Jörg Tauss [SPD]: Wir hätten Sie noch eine Stunde reden lassen sollen, Herr Beckstein, dann hätten wir noch mehr!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211200
Die nächste Rednerin
ist die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für
die FDP-Fraktion.


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1425211300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Hier im Bundestag diskutieren wir zu
Recht sehr kontrovers über die Innenpolitik, gerade auch
über die Gesetzespakete, die in den letzten zwölf Mona-
ten beschlossen wurden. Die FDP hat zu ihnen auch klar
Position bezogen. Bisher haben wir hier aber noch keine
Debatte darüber geführt, die in erster Linie aus Vorwürfen
bestand, es seien Lügen und Unwahrheiten geäußert wor-
den. Deshalb erlaube ich mir, jetzt wieder zu den Sach-
verhalten zurückzukehren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Haushalte des Bundesministeriums des Innern und
der Justiz weisen ebenso wie im vergangenen Jahr einen
Anstieg auf. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Institutio-
nen in Deutschland, die sich mit der Anwendung der Ge-
setze zu befassen haben, gestärkt werden. Dies unterstüt-
zen wir, denn wir treten dafür ein, dass die Kernaufgaben
des Staates von dessen Verwaltungen und Einrichtungen
effizient wahrgenommen werden.


(Beifall bei der FDP)

Deshalb sagen wir auch klar: Das dafür erforderliche Geld
muss vorhanden sein. Wir stehen allerdings als Einzige
dazu, dass infolgedessen an anderen Stellen gespart wer-
den muss. Das ist keine angenehme Mitteilung, sondern
bittere Medizin, aber wir sagen dies den Bürgerinnen und
Bürgern schon vor dem 22. September deutlich.


(Beifall bei der FDP)

In der nächsten Legislaturperiode muss es darum ge-

hen, die Effizienz der Verwaltung zu stärken, den Ge-
setzesdschungel zu lichten, die Bürokratie an den Stellen
so weit wie möglich zu verringern, an denen wir sie in die-
ser Form nicht brauchen, und Zuständigkeitsüberschnei-
dungen wie zum Beispiel zwischen Zollfahndung und
Bundeskriminalamt abzubauen.

Die FDP wird sich jedoch an einen weiteren Wettlauf
um die Verschärfung bestehender Gesetze zum Schutz der
inneren Sicherheit und um die immer weitere Ausdeh-
nung der Kompetenzen nicht beteiligen.


(Beifall bei der FDP)

In diesem Punkt halten wir es mit dem Vorsitzenden der
Europäischen Gewerkschaft der Polizei Hermann Lutz,

der gestern unmissverständlich erklärt hat, wir hätten in
Deutschland zu viele Gesetze, die die Exekutive schon
nicht mehr bewältigen könne; er kennt die Situation sehr
gut aus seiner früheren Tätigkeit als Vorsitzender der Ge-
werkschaft der Polizei in Deutschland. Er hat sich auch
klar zur Aufnahme biometrischer Merkmale in Ausweis-
papiere geäußert, indem er gesagt hat, dies allein trage
nicht zu mehr Sicherheit in Deutschland bei.


(Beifall bei der FDP)

Herr Bundesinnenminister, ich begrüße, dass Sie der

gleichen Meinung sind. Als wir diese Bedenken bei den
Beratungen im letzten Jahr angemeldet haben, haben Sie
uns vorgeworfen, wir leisteten damit dem Terrorismus
Vorschub. In diesem Bereich brauchen wir eine interna-
tionale Sicherheitsarchitektur, die mit den europäischen
Partnern abgestimmt ist.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Darauf warten wir wieder sieben Jahre! Das ist zu lange!)


Dazu bedarf es noch intensiver Überzeugungsarbeit, gerade
gegenüber den Franzosen. Für die Zusammenarbeit auf die-
sem Gebiet muss das deutsch-französische Verhältnis nach
dem 22. September wieder besser funktionieren. In diesem
Zusammenhang kommt es auch uns in den nächsten Mona-
ten darauf an, dass die Bedingungen für die Erteilung von
Visa und für die Feststellung der Identität von Visaantrag-
stellern aus Problemstaaten im Schengen-Raum einheitlich
gestaltet werden. Anderenfalls zeitigt dies nicht die erwarte-
ten Erfolge, denn wir alle wissen: Wenn man über ein
Schengen-Land einreist, dann hat man die Möglichkeit, sich
in diesem Raum frei zu bewegen.

Die FDP hat sich immer der Verantwortung gestellt, die
Maßnahmen gegen Kriminalität und Terrorismus zu ergrei-
fen, die geeignet, notwendig und mit dem Wertefundament
unserer Gesellschaft, also mit den Grundrechten in unserer
Verfassung, vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund hat die
FDP im letzten Jahr der Abschaffung des Religionsprivi-
legs im ersten Sicherheitspaket zugestimmt.

Insofern haben wir darüber durchaus diskutiert, Herr
Beckstein. Es ist nicht leicht, eine solche Entscheidung zu
treffen; sie bedarf intensiver Diskussion mit den Kirchen.
Das ist in dieser Situation erfolgt. Deshalb waren die da-
raufhin eingeleiteten Maßnahmen und Entscheidungen
gegenüber dem Kalifatsstaat richtig.


(Beifall bei der FDP)

Diese Regelungen sind auch wirkungsvoll, wenn es um

andere Organisationen geht, beispielsweise um Hamas
und Hisbollah. Wenn es Anhaltspunkte in Form konkreter
Tatsachen gibt, dass extremistische Bestrebungen im
Gange sind, dann kann mit dem geltenden Recht dagegen
vorgegangen werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, nach geltendem Recht!)

Ich sage hier klar für die FDP: Vage Verdachtsmomente
reichen für uns nicht aus, um Verbote von Vereinigungen
und Ausweisungen von Ausländern vorzunehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)





Staatsminister Dr. Günther Beckstein (Bayern)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Anforderungen an rechtsstaatliche Garantien dür-
fen und wollen wir Liberale in unserer Demokratie nicht
abschaffen.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP] – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Niemand will das! – Jörg Tauss [SPD]: Da trauen wir euch nicht über den Weg! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ihr fallt doch wieder um!)


Lassen Sie mich auch ein Wort zur Zuwanderung sa-
gen: Zuwanderung liegt im Interesse unseres Landes.
Deshalb wollen wir, dass sie gesteuert und die Integration
gefördert wird. Wir halten nichts von einem generellen
Anwerbestopp oder von dem diskriminierenden Zuwan-
derungsausschluss von Menschen aus bestimmten Regio-
nen, zum Beispiel aus dem asiatischen oder arabischen
Raum. Die gesteuerte Zuwanderung für einen Arbeits-
platz, der nach intensiver Prüfung eben nicht von inländi-
schen Arbeitskräften besetzt werden kann, ist geboten.
Deshalb brauchen wir Regelungen zur Steuerung und dür-
fen nicht dahin zurückfallen, dass wir anfangen, darüber
zu diskutieren, ob Deutschland nun ein Einwanderungs-
land ist oder nicht.


(Beifall bei der FDP)

Wir müssen auch verstärkte Anstrengungen bei der

Integration unternehmen. Ein Schwachpunkt im Ein-
wanderungsgesetz ist, dass es die eingetragenen An-
sprüche auf den Sprachunterricht zwar für zukünftige Mi-
grantinnen und Migranten gibt, aber nicht für die hier
lebenden Menschen aus anderen Ländern. Eines ist uns
doch ganz klar: Wenn wir das friedliche Miteinander wol-
len, müssen wir auch mehr in die Menschen investieren,
die schon hier leben und bei denen Integration in diesem
Umfang bisher nicht erfolgt ist.


(Rüdiger Veit [SPD]: Mit anderen Worten: Was ihr versäumt habt, müssen wir nachholen!)


– Mich interessiert nicht, wer was wann versäumt hat. Das
bringt den Menschen überhaupt nichts.


(Beifall bei der FDP)

Deshalb sage ich, was wir in der nächsten Legislaturperi-
ode in diesem Bereich tun wollen und auch tun werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Aus der Geschichte lernen! – Rüdiger Veit [SPD]: Ich höre es wohl, allein, mir fehlt der Glaube!)


Natürlich gehört für uns der interreligiöse und interkultu-
relle Dialog dazu, der gerade nach dem 11. September in-
tensiviert werden musste. Dieser wird von den Kirchen in-
tensiv geführt und von der Politik insgesamt unterstützt
und gefördert.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat in der Rechtspolitik
einige positive Ansätze der Bundesregierung unterstützt
und ihre eigenen Änderungsvorschläge eingebracht. Dort,
wo wir sie durchsetzen konnten, haben wir ein gutes Er-
gebnis erzielt; ich denke zum Beispiel an das Urheber-
vertragsrecht. Wir sehen aber auch eine Notwendigkeit
zur Korrektur. Ich habe leider nicht genug Zeit, das im
Einzelnen auszuführen. An erster Stelle nenne ich das

Mietrecht, in dem wir wieder ein ausgewogenes Verhält-
nis zwischen den Mieterinteressen und den Interessen der
Investoren und Eigentümer brauchen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist ein hervorragendes Recht!)


Natürlich gibt es auch ungelöste Fragen im Urheberrecht,
im Wirtschaftsrecht, beim Sanktionensystem, im Straf-
recht und bezüglich der trotz Ankündigung noch nicht
umgesetzten Neugestaltung der Rechtsanwaltsvergü-
tung.


(Alfred Hartenbach [SPD]: So weit sind wir noch gar nicht, Frau Leutheusser-Schnarrenberger! Das kommt doch erst noch!)


In der Rechts- und Innenpolitik gelten für die FDP in
der nächsten Legislaturperiode folgende Maximen:
Klasse statt Masse, Analyse vor Aktionismus, Bürger- und
Freiheitsrechte verteidigen sowie die wirkungsvolle An-
wendung von Gesetzen verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das war sehr eigenartig!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211400
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die PDS-Fraktion.


Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1425211500
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Ich würde hier auch gerne den Stil
von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nämlich einen et-
was sachlicheren, zum Vortrag bringen. Zu den letzten
vier Wünschen kann ich für die PDS-Fraktion beinahe Ja
sagen.


(Zuruf von der SPD)

– Das war sehr allgemein gehalten, weswegen ich Ja sa-
gen kann; Sie ja vielleicht auch.

Ich will mich in der Debatte auf den Haushalt für die
öffentliche Sicherheit konzentrieren. Das ist nach dem
gestrigen 11. September wahrscheinlich auch verständ-
lich. Zu Beginn will ich zwei Dinge feststellen, die das
ganze Haus wahrscheinlich einen:

Erstens. Wir fühlen mit denjenigen, die nach dem
11. September Angst haben, denen die schrecklichen Bil-
der noch vor Augen stehen und die die Traumatisierungen
noch nicht überwunden haben oder bei denen sie wieder
aufbrechen können.

Meine zweite Feststellung: Ja, der Staat hat die Auf-
gabe, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten.
Dafür hat er das Gewaltmonopol. Ich freue mich darüber,
dass selbst die FDP mehr Staat fordert.

So weit zur Einigkeit. Danach beginnen aber die Un-
terschiede. Die Bundesregierung und die konservative Op-
position verfolgen weiterhin die traditionelle Politik der
inneren Sicherheit, die reine Gefahrenabwehr und die Auf-
rüstung von Polizei und Geheimdiensten zulasten der Bür-
gerrechte. Die PDS tritt dagegen für öffentliche Sicherheit
in einer offenen Gesellschaft, für inneren Frieden, für ge-
sellschaftlichen Ausgleich und für soziale Gerechtigkeit,




Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

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(C)



(D)



(A)



(B)


aber nicht für den Abbau von Freiheit und Selbstbestim-
mung ein.


(Beifall bei der PDS)

Öffentliche Sicherheit bedeutet, Demokratie und Frei-

heitsrechte zu stärken, sie nicht zu reduzieren. Menschen
verschiedener Herkunft und Kultur müssen als gleich-
wertig anerkannt werden. Der interkulturelle Dialog, die
interkulturelle Bildung sind auf allen Ebenen zu stärken.

Zur öffentlichen Sicherheit gehört auch, dass man die
Ursachen dafür, dass sich Menschen in dieser Gesell-
schaft von ihr abwenden und Straftaten begehen, begreift
und bekämpft. Öffentliche Sicherheit setzt entsprechende
Bedingungen im Wohnumfeld und an vielen Stellen vo-
raus. Öffentliche Sicherheit ist also eine gesellschaftspo-
litische Aufgabe und keine Aufgabe von Polizei und Ge-
heimdienst.

Es sei erlaubt, hier den Bundesinnenminister als Kron-
zeugen zu zitieren. Otto Schily hat in einem Interview mit
der „Frankfurter Rundschau“ gesagt:

Man muss beim Schutz der offenen Gesellschaft auf-
passen, dass der Schutz nicht darin besteht, die of-
fene Gesellschaft aufzugeben.

Doch mit seinen Sicherheitspaketen wird genau das Ge-
genteil getan. Die offene und freiheitliche Gesellschaft
wird Stück für Stück demontiert, Bürgerrechte werden be-
schnitten. Nehmen Sie als Beispiel das Sicherheitsüber-
prüfungsgesetz mit seinen Nebenbestimmungen! Jeder,
der vor zehn Jahren einmal ein Flugblatt mit falschen In-
formationen verteilt hat – das kann auch für manchen der
hier Anwesenden gelten – und nun in einem sicherheits-
sensiblen Bereich arbeitet, ist in der Gefahr, seinen Ar-
beitsplatz zu verlieren; denn er kann für unzuverlässig er-
klärt werden. Die Gründe dafür braucht man nicht
mitzuteilen. Das heißt, dieser Mensch kann sich nicht
wehren, obwohl er seinen Job verliert. Heribert Prantl hat
dazu in der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, die Sicher-
heitsgesetze „operieren mit einem Generalverdacht und
sie geben einer rechtsstaatlichen Kontrolle der neuen Be-
fugnisse wenig Raum“.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Quatsch! Richtiger Quatsch ist das!)


Die Sicherheit wird immer mehr in die Hände der Ge-
heimdienste gegeben. Doch da wird der Bock zum Gärt-
ner gemacht. Wir brauchen uns nur die V-Leute-Skandale
der letzten Monate anzuschauen, um zu erkennen, was
sich für finstere Gestalten, denen man nicht über den Weg
trauen mag, bei den Geheimdiensten herumtreiben. Selbst
den Grünen ist das mittlerweile unheimlich geworden;
heute wollen sie zu diesem Thema gar nicht reden. Sie for-
dern eine bessere Kontrolle der Geheimdienste. Die
34 Prozent mehr an Mitteln für den Verfassungsschutz
sind kein Ruhmesblatt. Man könnte einmal die Frage stel-
len, wie viel davon direkt an die NPD geht.


(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen zeigt das Beispiel Heidelberg sehr schön,

dass manches anders funktioniert. Dort war es ganz nor-
male polizeiliche Arbeit, die Schlimmes verhütet hat.
Kein Verfassungsschutz und kein Nachrichtendienst wa-
ren dazu nötig.

Die eigentlichen Hausaufgaben hat die Bundesregie-
rung nicht gemacht. Maßnahmen, die zu mehr Sicherheit
führen können, sind unterblieben. Wichtige Schritte, zum
Beispiel bei der Flughafensicherung, sind bis heute nicht
gemacht worden. Auf diesem Gebiet erwarten die Men-
schen zu Recht eine Verstärkung der Sicherheit. Was aber
ist geschehen? Die Privatisierung der Sicherheitsaufgaben
in Flughäfen – die Tendenz geht zu Billiglohnfirmen –
geht unverändert weiter. Bei der Auftragsvergabe an sol-
che Firmen wird nach Gewerkschaftsangaben weder auf
die Einhaltung von Tarifverträgen geachtet noch gibt es
ein einheitliches Ausbildungsniveau. Entsprechend ist die
Motivation dieser Beschäftigten. Auf diesem Gebiet lie-
gen die eigentlichen Aufgaben, nicht in einem noch wei-
teren Aufbau der Wasserköpfe in den Geheimdiensten.

Da meine Redezeit bald abgelaufen ist, bitte ich Sie,
mir unbedingt zu gestatten, auf einen Punkt einzugehen,
der mit dem Haushalt direkt zu tun hat. Der Bundeskanz-
ler hat – das steht sogar im SPD-Wahlprogramm – von der
Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten und im
Westen gesprochen. Außerdem ist ein Zeitplan für das
Vorgehen bis 2007 vorgeschlagen worden. Die Forde-
rung, einen solchen Zeitplan vorzulegen, erhebt die PDS
seit vielen Jahren. Bis 2007 soll also eine hundertprozen-
tige Lohn- und Gehaltsangleichung erreicht sein.

Wie ist die Realität des Haushalts? Kein einziger Cent
ist dafür eingestellt. Es ist offensichtlich so wie bei der
Chefsache Ost: Erst einmal wird etwas verkündet und in
der Praxis passiert dann nichts. Es kann nicht sein, dass in
dieser Angelegenheit in der Realität nichts passiert. Dazu
kommt, dass in den Ländern und Kommunen wirklich
keine finanziellen Handlungsspielräume mehr vorhanden
sind. Dieser Punkt ist absolut zu kritisieren.

Auf dem Gebiet der inneren Sicherheit hat es in den
letzten vier Jahren einen Wettlauf von Herrn Schily und
Herrn Beckstein gegeben. Gewonnen hat keiner; verloren
haben wir alle.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)


An einigen Punkten ist die Verfassung demontiert wor-
den.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211600
Jetzt spricht die Bun-
desministerin der Justiz, Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin,Bundesministerin der Jus-
tiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will nicht nur zur Rechtspolitik der letzten vier Jahre,
sondern auch zum Haushalt 2003, der diese Rechtspolitik
unterstreicht, Stellung nehmen. Alles, was ich sage, stelle
ich unter den Obersatz: Die Rechtspolitik der letzten vier
Jahre war durch einen klaren Reformkurs geprägt. Der
Haushaltsentwurf 2003 ist die Grundlage für dessen kon-
sequente Fortsetzung.


(Beifall bei der SPD)





Dr. Dietmar Bartsch
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Der Reformkurs unserer Rechtspolitik beruht auf drei
Schwerpunkten: zum Ersten auf der Hilfe und Unterstüt-
zung für Schwächere durch Recht, zum Zweiten auf der
Modernisierung von Recht und Justiz und zum Dritten
– dieser Bereich wird ja, wie wir wissen, immer wichtiger –
auf der Verbesserung der europäischen und der darüber
hinaus reichenden internationalen Kooperation zur Stär-
kung der Grund- und Menschenrechte, zur Stärkung der
Stärke des Rechts, also der Rule of Law – das ist gerade
jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts und im Zuge der be-
ginnenden Globalisierung, weltweit eine ganz wichtige
Forderung und Aufgabe –, zur Verbesserung im Kampf
gegen Verbrechen sowie zur Herstellung eines einheitli-
chen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Lassen Sie mich mit dem ersten Schwerpunkt begin-
nen. Viele von Ihnen, die sich für diese Fragen interessie-
ren – ich sehe, auf der Bundesratsbank sind nicht mehr
viele anwesend –,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Auf der Regierungsbank aber auch nicht!)


werden wissen, dass schon die römische Zwölftafel-Ge-
setzgebung 450 vor Christus den Satz kannte: Recht dient
dem Schutz der Schwachen.


(Beifall bei der SPD)

Recht ist der Schutz der Schwachen. Dieses Verständnis
beruht auf alter europäischer Tradition. Wenn man
– das ist meine einzige Kritik an Ihrer Rede, verehrte Frau
Leutheusser-Schnarrenberger – die wirtschaftlich Privile-
gierten so einseitig in den Vordergrund stellt, sollte man
darüber, glaube ich, ein bisschen nachdenken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hilfe und Unterstützung für Schwächere durch Recht

brauchen wir auf vielen Gebieten. Wir haben dies in den
vergangenen vier Jahren in den Vordergrund gestellt. Im
Bereich der Kinder, die dies in besonderer Weise brau-
chen, haben wir bei der Ächtung von Gewalt in der Er-
ziehung eine Menge erreicht – leider Gottes nicht mit Zu-
stimmung der Opposition.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Weil wir bessere Vorschläge gemacht haben!)


Aber die FDP hat zugestimmt. Das möchte ich der Ob-
jektivität halber sagen.

Es ging auch um den zusätzlichen Schutz der Kinder
vor sexuellem Missbrauch.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das war zu wenig!)


Hier haben wir viel erneuert. Heute sind die Durch-
führung und der Vollzug, durch Gerichte und in den Län-
dern, noch ein großes Problem. Unsere Initiativen aber
schlagen sich positiv nieder: Die Straftaten gerade in die-
sem Bereich konnten zurückgedrängt werden, obwohl wir
wissen, dass das Anzeigeverhalten bei sexuellem Miss-
brauch im unmittelbaren Nahbereich – das ist ja leider der
Hauptbereich – zunimmt.

Gewalt zurückzudrängen war auch in diesem Bereich
eine wichtige Aufgabe. Wir haben es geschultert,

während andere vor uns darüber geredet, aber nichts ge-
tan haben.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht, Frau Ministerin!)


Als Stichwort nenne ich das Gewaltschutzgesetz, das pro
Jahr 44 000 Frauen nützt, die vor ihren prügelnden Män-
nern von zu Hause in ein Frauenhaus fliehen mussten und
von denen zwei Drittel Kinder haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist doch ein Flop!)


Es geht doch nicht an, dass in einer Gesellschaft, die auf
ihre Rechtsstaatlichkeit stolz ist, geduldet wird, dass
sich Gewalt durch einen Stärkeren noch lohnt – da-
durch, dass er die gemeinsame Wohnung und das Um-
feld behalten kann –, während die Schwächere und Ge-
schlagene mit den Kindern in ein Frauenhaus gehen
muss.


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben dieses Gesetz be-

schlossen. Ich weiß, das war Neuland. Aber es ist wirklich
ärgerlich, dass beispielsweise Hessen, Sachsen oder Sach-
sen-Anhalt ihre geänderten Landespolizeigesetze immer
noch nicht in Kraft gesetzt haben, mit denen dieser erste
Abschnitt des Wegweisungsrechtes und der Wegwei-
sungsmöglichkeiten im polizeilichen Vorabvollzug
tatsächlich gewährleistet werden kann.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das kann man nicht der Polizei überlassen!)


Meine Bitte geht dahin, dass dies endlich einmal passiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist außerordentlich wichtig, dass wir hier den Voll-
zug anmahnen und dass wir da, wo wir Einfluss haben
– in einigen dieser Länder haben Sie Einfluss, verehrte
Kollegen von der CDU/CSU; deswegen habe ich mich,
auch wenn jetzt niemand mehr da ist, vorher an den
Bundesrat gewandt –, dafür sorgen, dass dies getan
wird.

Ein weiterer Bereich betrifft die Opfer von Straftaten.
Hier sind zum Beispiel die Verstärkung des Täter-Opfer-
Ausgleichs und die Verbesserung des Strafvollzuges, und
zwar durch die Stärkung der Resozialisierung als vorbeu-
genden Opferschutz, zu nennen, auch der Fonds für die
Opfer von rechtsextremistischen Gewalttaten und die
schnelle Hilfe für die Opfer des Terrorismus bei dem ent-
setzlichen Anschlag auf die jüdische Synagoge auf Djerba
oder in New York. Hier hat die Bundesregierung, übrigens
genauso wie bei der Fluthilfe, verlässlich, mit Augenmaß
und sehr schnell gehandelt und geholfen.

Das meinen wir, wenn wir von Hilfe und Unterstützung
für Schwächere sprechen. Danach haben wir uns in den
vergangenen vier Jahren gerichtet. Das war richtig. Die-
sen Kurs werden wir mit der Reform des Sanktio-
nensystems und einer Abführung von 10 Prozent der
Geldstrafen für Zwecke der Opferhilfe, durch Verfahrens-
änderungen und Stärkung der Opferrechte im Rahmen der
Strafprozessreform und durch eine Veränderung des
Adhäsionsverfahrens, das bisher einfach nicht praktikabel




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

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ist, fortsetzen. Wir wollen mit Letzterem erreichen, dass
für durch Straftaten geschädigte Opfer nur ein Verfahren


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie kennen doch die Schwierigkeiten dabei!)


und eben nicht zwei Verfahren nötig sind. Ich glaube, da
wäre es ganz gut, wenn auch die Teile der Opposition, die
im nächsten Bundestag vertreten sein werden, ihren bis-
herigen ablehnenden Standpunkt überdenken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Abwarten, Frau Ministerin!)


Aber den Grundsatz, dass das Recht die Stärke der
Schwächeren ist oder ihnen helfen soll, haben wir auch in
vielen anderen Bereichen verwirklicht. Ich möchte hier
einige Stichworte nennen: die Integration von Behinder-
ten, die Hilfen für Verbraucher und Immobiliengeschä-
digte, die Stärkung der Verbraucherrechte durch die
Schuldrechtsmodernisierung. Lassen Sie mich auch auf
die Reform des Urhebervertragsrechtes hinweisen. Ich
habe mich sehr gefreut, dass letztendlich auch aus den
Reihen der Union und der FDP Zustimmung gekommen
ist, weil der Grundsatz, dass einzelne Freiberufliche jetzt
durch einen Zusammenschluss auf gleicher Augenhöhe
mit den Verbänden der wirtschaftlichen Partner die Ver-
gütungen aushandeln können, richtig ist. Auch er ent-
spricht unserer europäischen Rechtstradition. Deswegen
werden wir auch hier weiterarbeiten.

Meine Damen und Herren, zum zweiten Schwerpunkt,
nämlich der Modernisierung von Recht und Justiz,will
ich Ihnen einige Stichworte nennen, die Sie sehr wohl
kennen. Man glaubt es nicht, aber es war Rot-Grün – Sie
haben es ja vorher nicht gemacht –, die die rechtlichen
Grundlagen für die Verwendung der Informations- und
Kommunikationstechnologien im Rechts- und Geschäfts-
verkehr geschaffen haben. Wir haben das Mietrecht aus-
gewogen reformiert und modernisiert. Das war seit Mitte
der 70er-Jahre eine Forderung des Deutschen Bundesta-
ges. Die Forderung nach einer Modernisierung des
Schuldrechts bestand seit Anfang der 80er-Jahre. Die Ver-
fahrensreform, die wir mit der ZPO begonnen haben, wer-
den wir ebenfalls weiterführen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Bin ich einmal gespannt!)


Lassen Sie mich noch einen fünften Punkt erwähnen: Über
die Juristenausbildung haben wir in diesem Haus und ge-
rade unter Fachleuten x-mal geredet. Nach langem Still-
stand und – das ist, wie ich glaube, ganz wichtig zu sagen –
nach guter Vorbereitung haben wir sie endlich reformiert.


(Beifall bei der SPD)

Ich bin übrigens sehr zufrieden, dass es gelungen ist

– dafür habe ich letztendlich ja auch die Unterstützung des
ganzen Hauses bekommen –, das Deutsche Patent- und
Markenamt durch Einführung von moderner EDV und
Schaffung zusätzlicher Stellen zu modernisieren. Patente
sind nun einmal Ausweis für die Leistungsfähigkeit eines
Landes und die steigt bei uns. Für die Bearbeitung der Pa-
tentanträge brauchen wir auch adäquate Verfahren.

Meine Damen und Herren, zur internationalen Zu-
sammenarbeit:Hier geht es in der Tat darum, die Rule of

Law durchzusetzen, also Rechtsstaatlichkeit, Bürgerfrei-
heiten und Bekämpfung von Kriminalität, auch von orga-
nisierter Kriminalität, und Terrorismus. Es gibt sehr viele
und Gott sei Dank gute Beispiele, dass dies in Europa
mehr als früher gelungen ist: vom europäischen Haftbe-
fehl bis zur gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus in
Europa. Wir stehen – lassen Sie mich das an diesem Tage
noch einmal sagen – auf der Seite der Vereinigten Staaten,
wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Zusammenarbeit ist gut. Ich freue mich sehr, dass
zum Beispiel der amerikanische Justizminister dieses aus-
drücklich auch in persönlichen Schreiben immer wieder
anerkennt. Das BMJ hat eine Oberstaatsanwältin vom
Generalbundesanwalt ständig nach Washington ge-
schickt. Ihnen allen ist bekannt, dass Rechtshilfe und Aus-
lieferung natürlich umso besser funktionieren, je selbst-
verständlicher die bisher von beiden Seiten praktizierten
anerkannten Grundsätze und rechtsstaatlichen Prinzipien
– das werden die europäischen Justizminister mit U.S. At-
torney General Ashcroft am Samstag besprechen – einge-
halten werden, und das bedeutet, dass die Dokumente, die
wir übergeben, weder zur Androhung noch zur Verhän-
gung von Todesstrafen, noch zur Exekution genutzt wer-
den dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich freue mich sehr, dass der Internationale Strafge-

richtshof, unterstützt von allen Seiten des Hauses – ich
darf das ausdrücklich sagen –, trotz Schwierigkeiten mit
den USA seine Arbeit aufnehmen konnte und dass im
kommenden Frühjahr die ersten Fälle behandelt werden
sollen. Auch die Arbeit des Menschenrechtsinstituts, die
Verstetigung der Arbeit des Instituts für internationale
Rechtszusammenarbeit – das jetzt auf ständigen Haus-
haltsbeschlüssen des Deutschen Bundestags aufbaut –
sind hervorragend und weiterführend. Die Arbeit der IRZ
zeigt, dass unsere rechtspolitsche Arbeit gerade in den
letzten vier Jahren zu einem Exportschlager geworden ist.
Die wollen und werden wir fortführen.


(Beifall bei der SPD)

Der Haushaltsplan 2003 ist darauf ausgerichtet. Er

weist mithilfe des Gutachtentitels auch aus, dass und wo
wir eine Menge vorhaben. Das reicht von der Charta der
Patientenrechte über die Reform des Versicherungs-
vertragsgesetzes, die Fortführung der Erweiterung der
Transparenz in Unternehmen und des Schutzes der Anle-
ger in Verbindung mit der Kodexkommission bis zur Re-
form des Betreuungsrechtes und der einheitlichen Gestal-
tung der Unterhaltsprinzipien.

Lassen Sie mich noch hinzufügen: Ich denke, wir soll-
ten uns für die kommenden vier Jahre auch gemeinsam
die Rechtsbereinigung vornehmen. Das habe ich vor. Ich
freue mich auf den konstruktiven Streit mit Ihnen von der
Opposition, allerdings auch auf Ihre Unterstützung dabei
in den nächsten vier Jahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211700
Der letzte Redner des
heutigen Tages ist der Kollege Wolfgang Bosbach für die
Fraktion der CDU/CSU.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1425211800
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu zwei The-
men etwas sagen, weil sie in den vergangenen Jahren von
großer Bedeutung waren und wir gemeinsam der Über-
zeugung sind, dass sie auch in der Zukunft von Bedeutung
sein werden: Zuwanderung und innere Sicherheit.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, mehr haben Sie nicht zu sagen!)


Minister Beckstein hat die Bundesregierung meines
Erachtens noch zu milde behandelt, zu wenig kritisiert;


(Jörg Tauss [SPD]: Ui! Jetzt kommt Bosbach!)

denn das, was vor wenigen Wochen geschehen ist, ist in
jeder Hinsicht unbegreiflich. Genau in den Tagen, in de-
nen die gesamte Nation aufgefordert worden ist, für die
Flutopfer zu spenden und den Menschen zu helfen, greift
die Bundesregierung in die Kasse, nimmt das Geld des
deutschen Steuerzahlers, 2,6 Millionen Euro, und zwar
nicht etwa um die Bevölkerung über das neue Zuwande-
rungsgesetz zu informieren,


(Jörg Tauss [SPD]: Doch! Geradestellen war notwendig!)


sondern um die Bevölkerung über den Inhalt dieses Ge-
setzes zu täuschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Falsch! – Peter Dreßen [SPD]: Sie sagen wieder einmal bewusst die Unwahrheit!)


Das ist nicht nur wegen der kurzen Zeit bis zur Bundes-
tagswahl verfassungswidrig,


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist Blödsinn!)

das ist vor allen Dingen in hohem Maße unanständig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Und Blödsinn!)


Dieses ganze Pamphlet ist ein Sammelsurium von Plat-
titüden, von Halbwahrheiten,


(Jörg Tauss [SPD]: Von Wahrheiten! Wahrheit tut weh, Sachlichkeit auch!)


von glatten Unwahrheiten. Das ist deswegen so interes-
sant, weil Sie immer gesagt haben, es sei unanständig, im
Wahlkampf über das Thema Zuwanderung zu sprechen.


(Jörg Tauss [SPD]: Deswegen informieren wir!)


Es bestehe die Gefahr, dass man dann Politik auf dem
Rücken der Zuwanderer mache. Ich weiß, warum Sie
Angst haben,


(Jörg Tauss [SPD]: Sie haben doch gehetzt!)

dass im Wahlkampf über das Thema Zuwanderung ge-
sprochen wird: weil die Bevölkerung erfahren könnte,
was in dem Gesetz steht und was mit diesem Gesetz be-
zweckt wird. Das ist Ihre große Angst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Sie müssen Angst haben, weil Sie etwas Verkehrtes erzählt haben!)


Zeigen Sie mir doch bitte einmal die Stelle in diesem
Papier, an der steht, dass der Anwerbestopp für ausländi-
sche Arbeitnehmer generell und nicht etwa nur für beson-
ders hoch Qualifizierte aufgehoben wird! Wo steht in die-
sem Papier, dass Zuwanderung aus rein demographischen
Gründen ohne Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes
erlaubt werden soll?


(Jörg Tauss [SPD]: Falsch!)

Wo steht in diesem Papier, dass die Begrenzung der Zu-
wanderung nach Deutschland nicht länger im öffentlichen
Interesse liegen soll?


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] Wenn Sie nichts anderes können, als hier herumzupöbeln, müssen Sie in der Sache ganz schlechte Argumente haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wer pöbelt denn da?)


(CDU/CSU): Sehr wahr!)


– Sie brechen ja schon in Panik aus, wenn man wortwört-
lich aus Ihrem Gesetzentwurf zitiert. Dann fallen Sie
schon in Ohnmacht!


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Ach, Herr Bosbach!)


Das sagt doch alles darüber, welch großes Interesse Sie
daran haben, dass die Bevölkerung nicht erfährt, wohin
die Reise gehen soll. Das ist der Kern, um den es hier geht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Zur Sache!)


Wir haben keinen Mangel an Zuwanderung. Wir haben
aber einen erheblichen Mangel an Integration.


(Sebastian Edathy [SPD]: Den beheben wir gerade! – Jörg Tauss [SPD]: Ihre Schuld!)


Nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr Integration ist
das Gebot der Stunde.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie man ernsthaft glauben kann, dass bei der dramati-
schen Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt


(Jörg Tauss [SPD]: Wir sind kein Einwanderungsland!)


die Aufhebung des Anwerbestopps für Arbeitnehmer aus
Nicht-EU-Ländern die Probleme auf dem Arbeitsmarkt
lösen wird, ist unbegreiflich. Die Probleme werden sich
verschärfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Falsch!)


Die Integrationsprobleme werden wir nicht mit mehr
Zuwanderung lösen, sondern nur mit mehr Integration.


(Sebastian Edathy [SPD]: Sie reden doch wider besseres Wissen!)







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(A)



(B)


Das ist der Grund dafür, warum dieses Gesetz – nicht nur,
weil es verfassungswidrig zustande gekommen ist –


(Jörg Tauss [SPD]: Ach je!)

nicht Bestand haben darf und warum wir es aufheben wer-
den.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wie denn?)

Wir werden die uns belastende Zuwanderung deutlich re-
duzieren und die Integrationsanstrengungen wesentlich
erhöhen.

Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy
[SPD]: Sie sind doch völlig isoliert in dieser
Frage!)

Nur eine solche Politik dient den Interessen unseres Lan-
des und aller Menschen, die hier leben – ganz gleich wel-
che Hautfarbe, Nationalität oder Religion sie haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Nur Türken dürfen sie nicht sein!)


Zur inneren Sicherheit. Die rot-grüne Koalition hat
nach dem 11. September zwei Sicherheitspakete verab-
schiedet,


(Johannes Kars [SPD]: Otto find‘ ich gut!)

die auch unsere Unterstützung gefunden haben. Die Maß-
nahmen, die Sie ergriffen haben, waren notwendig, aber
sie sind bei weitem nicht ausreichend. Sie sind vor allen
Dingen weit hinter dem zurückgeblieben, was notwendig
wäre, um unser Land besser und wirksamer vor Terroris-
mus und Kriminalität in all ihren Erscheinungsformen zu
schützen.

Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, niemand
will – Sie sollten das auch nicht hier suggerieren –


(Jörg Tauss [SPD]: Ihr schon!)

aufgrund von unbewiesenen Gerüchten ausweisen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das wollt ihr doch! Beckstein! – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Das steht doch bei Herrn Beckstein im Papier!)


Die entscheidende Frage ist, ob wir so lange warten, bis
wir nach Jahren in der letzten Instanz möglicherweise den
Beweis geführt haben,


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Das ist nicht die Alternative! – Sebastian Edathy [SPD]: Am Rechtsstaatsprinzip festhalten!)


dass jemand einer terroristischen Vereinigung angehört,
oder bis er gar einen Terroranschlag verübt hat, oder ob
wir schon beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, dass
jemand einer terroristischen Vereinigung angehört, das
Sicherheitsinteresse des Staates höher gewichten als das
Interesse des betroffenen Ausländers an einem weiteren
Aufenthalt in unserem Land. Das ist die Frage, um die es
geht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wo haben Sie Ihr Staatsexamen bestanden? Das ist eine interessante Frage! Er kann kein Gesetz lesen!)


Es gab eine gemeinsame Bundesratsinitiative des Lan-
des Niedersachsen und des Freistaates Bayern. Darauf
hätten wir uns alle einigen können, wenn nicht der Bun-
desinnenminister und die Bundesjustizministerin von den
Grünen zurückgepfiffen worden wären.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Wenn der Innenminister in diesen Tagen sagt, der Unter-
schied sei Wortklauberei, dann muss man sich die Frage
stellen: Wenn es nur um Worte geht, warum hat man sich
dann nicht auf den Text von Niedersachsen und Bayern
verständigt?


(Rüdiger Veit [SPD]: Weil unserer besser ist!)

Es geht eben nicht um Worte, sondern es geht um Taten.
Die unübersehbare Diskrepanz zwischen den starken
Sprüchen und den schwachen Taten des Innenministers ist
das Problem dieser Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Das ist doch Unsinn! Reine Wahlkampfrede! – Jörg Tauss [SPD]: Sie sind ein Bierzeltdemagoge!)


Frau Bundesjustizministerin, dass Sie sich nach dem
11. September dafür eingesetzt haben, dass die Sympa-
thiewerbung für eine terroristische Vereinigung in Zu-
kunft straflos bleibt, ist nicht nur in höchstem Maße pein-
lich, sondern es ist vor allen Dingen unverantwortlich und
einer Justizministerin unwürdig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy [SPD]: Mäßigen Sie sich, Herr Kollege! – Jörg Tauss [SPD]: Bierzeltdemagoge!)


Es kann doch nicht sein, dass es vor dem 11. September
strafbar war, für Osama Bin Laden Reklame zu laufen,
aber nicht mehr nach dem 11. September. Auch das wer-
den wir ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Wie wollen Sie das bei der verlorenen Wahl denn machen, Herr Kollege?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1425211900
Weitere Wortmeldun-
gen liegen mir nicht vor.

Ich unterbreche die Haushaltsberatungen, die wir mor-
gen früh mit der Beratung des Etats des Bundeskanzler-
amtes fortsetzen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zu dem

(Backnang)

weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt,
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN
Änderung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages – Verhaltensregeln für Mit-
glieder des Deutschen Bundestages




Wolfgang Bosbach
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(C)



(D)



(A)



(B)


– Drucksachen 14/9100, 14/9933 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Anni Brandt-Elsweier
Andreas Schmidt (Mülheim)

Steffi Lemke
Jörg van Essen
Dr. Evelyn Kenzler

Es liegt ein Änderungsantrag der PDS vor.
Die Kolleginnen und Kollegen Christian Lange,

Anni Brandt-Elsweier, Eckart von Klaeden, Steffi
Lemke, Jörg van Essen sowie Dr. Ruth Fuchs haben ihre
Reden zu Protokoll gegeben1). – Ich höre keinen Wider-
spruch.

Deshalb kommen wir jetzt zur Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung zu dem Antrag der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen zur Änderung der Ver-
haltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages,
Drucksache 14/9933.

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/9949 vor, über den wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache
14/9100 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! –
Enthaltungen? – Diese Beschlussempfehlung ist gegen
die Stimmen von CDU/CSU- und FDP-Fraktion ange-
nommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Freitag, den 13. September 2002, 9 Uhr, ein.

Ihnen allen wünsche ich einen vergnüglichen und si-
cherlich auch arbeitsreichen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.