Gesamtes Protokol
Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur Sondersit-
zung des Deutschen Bundestages. Die Sitzung ist eröff-
net.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 und 2 auf:
1. Beratung des Antrags der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem Einsatz einer Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf
der Grundlage der Resolutionen 1386 ,
1383 und 1378 (2001) des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen
Drucksache 14/7930
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Erika
Reinhardt, Bernd Schmidbauer, Dr. Maria Böhmer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Nothilfe für Afghanistan
Drucksache 14/7785
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache heute Vormittag eine Dreiviertelstunde vor-
gesehen. Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so be-
schlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Bundes-
kanzler Gerhard Schröder das Wort.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eine
Meldung der dpa von heute Morgen vor mir liegen. Es
heißt dort:
Kurz vor seiner Vereidigung hat der neue afghani-
sche Übergangsregierungschef Hamid Karsai Afgha-
nistan Frieden versprochen.
Er wird zitiert:
Ich möchte versprechen, dass ich Ihre und meine
Aufgabe erfüllen will, Afghanistan Frieden zu brin-
gen.
Weiter:
Wir respektieren die Frauen, die die Hälfte unseres
Volkes ausmachen, und wir geben ihnen ihre Rechte.
Das sind die Schlüsselsätze von Herrn Karsai, der heute
in sein Amt eingeführt worden ist.
Meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, dass
die Situation ein bisschen ernster ist, als Sie sich gegen-
wärtig benehmen?
20821
210. Sitzung
Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Beginn: 10.30 Uhr
Dass es in Afghanistan eine Übergangsregierung
gibt, hat auch mit dem zu tun, was in Deutschland auf dem
Bonner Petersberg stattfand. Das, worüber wir heute ent-
scheiden, hat auch mit dieser erfolgreichen Konferenz zu
tun. Wir entscheiden in einer Situation, in der der Frieden
in Afghanistan wirklich näher gerückt ist.
Das Wort
hat der Bundeskanzler.
Es gehört für
viele zu den bitteren Wahrheiten in dieser Zeit, dass der
Frieden in Afghanistan nur durch Krieg näher gerückt ist.
Es gehört zu den Lehren der jüngeren deutschen Ge-
schichte, die wir alle miteinander erlebt haben, dass pseu-
doreligiös legitimierte und motivierte Gewalt durch de-
mokratisch legitimierte Gegengewalt außer Kraft gesetzt
und überwunden werden musste.
Exakt das ist der Inhalt der Resolution 1368 der Ver-
einten Nationen. Ich finde, es ist auch richtig, in dieser Si-
tuation festzustellen, dass die Vereinten Nationen in den
letzten Monaten eine wirklich beeindruckende Rolle ge-
spielt haben.
Sie sind gestärkt worden. Das ist sicher Ergebnis des Wil-
lens der Völkergemeinschaft. Das ist aber auch und vor al-
lem Ergebnis einer behutsamen, klugen, aber gleichwohl
entschiedenen Politik des VN-Generalsekretärs Kofi
Annan.
Im Deutschen Bundestag ist über die Frage, ob es ver-
antwortbar sei, sich an den Kriegshandlungen zu beteili-
gen in welcher Form auch immer , wie nicht anders zu
erwarten, sehr heftig gestritten worden. Es sind viele Ar-
gumente ausgetauscht worden. Zum Beispiel wurde ge-
sagt, dass Krieg immer auch Unschuldige trifft. Das ist
wahr. Aber das Problem, dem wir uns heute stellen müs-
sen, ist: Die Abwesenheit von demokratisch legitimierter
Gewalt hat viel, viel mehr Unschuldige getroffen, hat sie
rechtlos gemacht, zumal Frauen und Mädchen. Dass diese
Situation überwunden werden konnte, hat mit der von uns
verantworteten Entscheidung zu tun. In erster Linie hat es
natürlich mit den Entscheidungen, die in den Vereinigten
Staaten getroffen worden sind, dann aber auch mit der von
uns gewährten Solidarität nicht nur, aber auch in mi-
litärischen Fragen zu tun.
Krieg trifft Unschuldige. Das ist keine Frage. Aber das
Beispiel Afghanistan zeigt: Nur mithilfe militärischer Ge-
walt konnte verhindert werden, dass auch in Zukunft Un-
schuldige unendlich leiden müssen.
Es hat weitere Argumente gegeben. Man hat gesagt,
man dürfe zur Konfliktlösung nicht in erster Linie auf das
Mittel der Gewalt setzen, auch wenn man es gebrauchen
müsse. Wir haben das nicht getan. Während der kriegeri-
schen Handlungen hat die Diplomatie, hat die Politik kei-
neswegs geschwiegen. Das Beispiel der Petersberg-Kon-
ferenz zeigt vielmehr: Wir waren aktiv und sind es
geblieben. Beides zusammen die Bereitschaft, Gegen-
gewalt einzusetzen, und die Absicht, dabei immer auch
politische Lösungen im Auge zu haben und sie konse-
quent zu verfolgen hat den Erfolg gebracht; jeder Aspekt
einzeln für sich hätte ihn nicht gebracht. Auch das ist eine
Lehre der Diskussion der letzten Monate.
Die internationale Friedenstruppe ist also die Kon-
sequenz politisch entschiedenen Handelns. Sie ist die
Konsequenz einer Solidarität, die ich dabei bleibe ich
uneingeschränkt genannt habe, weil sie sich eben auch auf
den Gebrauch militärischer Mittel bezog. Sie ist die Kon-
sequenz dessen, was in den letzten Monaten an Möglich-
keiten entwickelt und durchgesetzt worden ist.
Weil das so ist, ist die Entscheidung, um die ich heute
das ganze Haus bitten will, eine, die man in voller Ver-
antwortung treffen kann. Ich denke, dass alle Punkte, die
wir hinsichtlich des Mandats miteinander diskutiert ha-
ben, so weit erfüllt sind, dass sich ein Ja von jedem Ein-
zelnen rechtfertigen lässt.
Was waren die Erwartungen? Unter uns war immer
klar ich habe das in den Gesprächen mit den Partei- und
Fraktionsvorsitzenden immer deutlich gemacht , dass
wir ein robustes Mandat brauchen; also nicht eines nach
Kapitel VI, sondern nach Kapitel VII der UN-Charta, weil
nur auf dieser Basis ein angemessenes Maß an Eigensi-
cherheit und Aufgabenerfüllung möglich ist. Der Sicher-
heitsrat der Vereinten Nationen hat dieser Position, die
auch immer die Position unserer Partner war, zugestimmt.
Es hat die Erwartung gegeben, dass das Mandat be-
grenzt sein müsse, was den Einsatzort angeht. Nicht zu-
letzt hat es diese Erwartung deshalb gegeben, weil wir
vielfach erlebt haben, über welche Einsatzorte spekuliert
worden ist.
Das Mandat, dem zuzustimmen ich Sie heute bitte, be-
zieht sich auf Kabul und Umgebung. Umgebung meint
in erster Linie den einzig brauchbaren Flughafen. Auch
insoweit sind, denke ich, die Erwartungen vieler hier im
Hohen Hause erfüllt worden.
Es ist gefordert worden, das Mandat müsse zeitlich be-
grenzt werden. Auch das geschieht. Man kann darüber
streiten, ob die sechs Monate eine zureichende Begren-
zung sind. Aber das ist nun einmal Gegenstand des
Sicherheitsratsbeschlusses gewesen. Ich denke, wir soll-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
20822
ten jetzt keine abstrakten Diskussionen über die Frage
führen, ob sechs Monate ausreichen oder nicht, sondern
deutlich machen: Es handelt sich um ein von den Aufga-
ben her, vom Einsatzort her und von der Zeit her be-
grenztes Mandat.
Es ist vielfach diskutiert worden auch in Afghanistan
selbst, in der provisorischen Regierung , wie groß diese
internationale Truppe sein müsse. Da war von 1 000 Mann
und von weit mehr die Rede. Mein Eindruck ist, dass jene
maximal 5 000, die jetzt ins Auge gefasst sind, in der Lage
sein werden, ihre Aufgabe so zu erfüllen, dass ihre eigene
Sicherheit wie auch die Sicherheit bei der Aufgabenerfül-
lung gewährleistet werden kann.
In diesem Zusammenhang war in den Debatten hier
immer die Frage außerordentlich wichtig: Kann man die
Aufgaben und die Führung der Friedenstruppe von den
gebotenen weitergehenden Kriegshandlungen in Afgha-
nistan trennen? Es gibt zwei Kommandostränge: einen,
der nach wie vor die vorwiegend amerikanischen Einsätze
organisiert und befehligt also Centcom , und einen an-
deren, davon unabhängigen, der sich auf die Friedens-
truppe und ihre Aufgaben bezieht. Es gibt eine klare Tren-
nung zwischen beiden, was in diesem Haus quer durch
alle Parteien immer wieder gefordert worden ist. Das ist
also erreicht worden.
Dass es insbesondere für Gefahrensituationen, die
nicht aus eigener Kraft beherrschbar sind, eine enge Zu-
sammenarbeit geben muss, liegt auf der Hand. Auch das
ist gewährleistet. Die Trennung ist also gewährleistet,
aber Vorsorge für Gefahrensituationen ist gleichwohl ge-
troffen worden. Auch insoweit denke ich ist die Ent-
scheidung des Sicherheitsrates angemessen.
Was ist der deutsche Anteil? Im Antrag, der Ihnen vor-
liegt und dem zuzustimmen ich Sie bitte, ist von maximal
1 200 Einsatzkräften die Rede, wobei wir davon ausge-
hen, dass wir nicht unbedingt alle brauchen werden. Wir
werden eher unter dieser Zahl bleiben, als dass wir sie er-
reichen.
Meine Damen und Herren, wir haben immer miteinan-
der und über die Parteigrenzen hinweg diskutiert und ge-
fordert, das, was wir dort tun müssen und tun wollen, zu
europäisieren. Mir ist besonders wichtig, dass wir das in
dem Rahmen, in dem es objektiv möglich ist, erreicht ha-
ben; jedenfalls haben wir uns dem angenähert. Teil des
deutschen Kontingents werden Einsatzkräfte aus den
Niederlanden und aus Dänemark sein. Ganz weg sind
die Erinnerungen an das vorige Jahrhundert mit seinen
Kriegen ja noch nicht. Insofern glaube ich, dass es vor
dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte in Eu-
ropa ein wirklicher Erfolg ist den man auch deutlich ma-
chen sollte , dass deutsche, niederländische und dänische
Truppen gemeinsam in einem fernen Land für Frieden
sorgen. Das ist etwas, was wir nicht unterschätzen sollten.
Meine Bitte ist also, dass Sie, meine Damen und Her-
ren, dem Antrag zustimmen. Ich verbinde das mit meinem
ungeteilten Respekt, meiner Anerkennung und meinen
guten Wünschen für diejenigen, die auf der Basis unserer
demokratischen Entscheidung sehr bald in Afghanistan
Dienst tun müssen. Es ist kein einfacher Dienst wir wis-
sen das wohl , aber es ist ein verantwortbarer Dienst, der
im Interesse der Menschen in unserem Land ist und den
wir deswegen beschließen sollten, weil wir ihn be-
schließen müssen.
Ich will das mit dem Dank an die Soldaten verbinden,
die im Zusammenhang mit den Beschlüssen zu Enduring
Freedom oder auch auf dem Balkan ihren schweren
Dienst tun. Sie tun das für uns alle. Deswegen gehört un-
ser Respekt all denjenigen, die diesen schweren Dienst
tun. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung.
Herzlichen Dank.
Ich erteile
das Wort dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion,
Friedrich Merz.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Als wir uns vor drei
Monaten einig waren, dass gegen den internationalen
Terror entschlossenes Handeln gefordert ist, haben wir
nicht zu hoffen gewagt, dass es zum Ende des Jahres ge-
lingen könnte, das Zentrum des Terrors in Afghanistan
weitgehend zu zerstören und das Talibanregime zu besei-
tigen.
Wir können heute feststellen, dass vor allem unsere
amerikanischen Freunde etwas fertig gebracht haben, was
viele ihnen nicht zugetraut haben. Sie haben mit Bedacht
und Umsicht, aber auch mit Entschlossenheit und mit
massiver militärischer Kraft eine Operation vorbereitet
und durchgeführt, die binnen sehr kurzer Zeit erfolgreich
war. Dafür sind wir den Amerikanern Dank schuldig;
denn sie haben mit diesem Einsatz auch im Interesse un-
seres Landes und unserer Sicherheit gehandelt.
Die Strategie der USA war richtig und sie ist unverän-
dert richtig. Die al-Qaida ist weitgehend jedenfalls in
Afghanistan zerschlagen. Die weltweite Antiterroral-
lianz hat bis heute gehalten. Die internationalen Hilfs-
organisationen haben endlich gesicherten Zugang zu
Afghanistan. Die Lage der Flüchtlinge hat sich verbessert,
auch wenn immer noch Tausende von Hunger und Tod
bedroht sind.
Der Kampf gegen den Terror ist damit aber noch längst
nicht beendet. Er ist in Afghanistan nicht beendet und
er ist an vielen anderen Orten der Welt nicht beendet. Er
wird Jahre dauern und er wird auch uns Deutschen noch
mehr abfordern als den Transport von Wolldecken von
Ramstein in die Türkei; denn viel mehr ist es bisher nicht
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
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gewesen, was Deutschland geleistet hat. Ich kritisiere das
nicht, Herr Bundeskanzler, auch wenn es aus der Rück-
schau einigermaßen grotesk anmutet, dass darüber fast
das rot-grüne Bündnis zerbrochen wäre.
Nun wird heute vermutlich jedenfalls eine Fraktion
in diesem Parlament erneut einem Einsatz nicht zustim-
men: Das ist die PDS-Fraktion.
Dies wäre der besonderen Erwähnung nicht wert, wenn
nicht zum gleichen Zeitpunkt, zu dem wir heute einen
Bundeswehreinsatz entscheiden
ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt , Ihre Partei, Herr
Bundeskanzler, eine Koalition mit dieser PDS in Berlin
eingehen würde genau zum selben Zeitpunkt.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben von Paris aus bezeich-
nenderweise in einer französischen Zeitung erklärt, dass
es nicht Ihr Wunsch sei, dass diese Koalition eingegangen
wird. Das mag man glauben oder nicht. Aber die Tatsache,
dass das zum selben Zeitpunkt geschieht, schadet dem
Ansehen unseres Landes und Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr
Bundeskanzler.
Heute geht es darum, dem über Jahrzehnte geschun-
denen Land Afghanistan und seinen Menschen eine
Perspektive des Friedens und der Stabilität aus eigener
Kraft zu eröffnen.
Die Übergangsregierung in Kabul, die heute ihre Arbeit
aufnehmen soll, braucht Hilfe. Sie braucht sie gegen die
vielen Tausend Gegner im eigenen Land, etwa gegen die
große Zahl der Talibankämpfer, die noch nicht gefasst und
entwaffnet sind, sowie gegen Straßenbanden und Fana-
tiker. Die Friedenstruppe ist also in Afghanistan nur be-
grenzt willkommen. Das müssen wir wissen. Das müssen
aber vor allem unsere Soldaten wissen.
Der Aufbau einer zivilen Regierung und einer zivilen
Verwaltung wird lange dauern und wird viel Kraft kosten.
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich dieser
Verantwortung gestellt und mit dem UN-Mandat eine
völkerrechtlich einwandfreie Grundlage für eine interna-
tionale Sicherheitsunterstützungstruppe geschaffen.
Wir werden dem Antrag, den die Bundesregierung
heute gestellt hat und der vorsieht, dass wir uns mit bis zu
1 200 Bundeswehrsoldaten an dieser Truppe beteiligen,
heute Nachmittag zustimmen. Ich will Ihnen, Herr Bun-
deskanzler, allerdings nicht verhehlen, dass uns die Zu-
stimmung außergewöhnlich schwer fällt.
Bitte, Sie wollen sie doch haben. Wenn man sich Ihre
Reihen anschaut, dann stellt man fest, dass nicht nur die
Pairingpartner, sondern auch eine ganze Reihe anderer of-
fensichtlich fehlen.
Sie hätten ohne unsere Zustimmung die Mehrheit im
Deutschen Bundestag nicht. Deswegen bitte ich Sie da-
rum, dass Sie sich mit Ihren Zwischenrufen etwas zurück-
halten.
Ich möchte Ihnen auch die Gründe sagen, warum es
uns schwer fällt, dem Antrag der Bundesregierung zuzu-
stimmen. Schon die Vorbereitung der Entscheidung des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hat ein fatales
Licht vor allem auf die Europäer geworfen. Offensicht-
lich sind sich die drei großen europäischen Nationen,
nämlich Frankreich, Großbritannien und Deutschland,
über die Ausformulierung des Mandats bis zum Schluss
nicht einig gewesen. Von einer gemeinsamen Politik der
Europäer in der UNO, von einer gemeinsamen europä-
ischen Außen- und Sicherheitspolitik war in diesem Zu-
sammenhang nichts, aber auch gar nichts zu spüren.
Welchen Sinn, Herr Bundeskanzler, machen eigentlich
alle Beschlüsse über eine europäische Eingreiftruppe,
wenn man noch nicht einmal politisch Einigkeit darüber
erzielen kann, wie ein solches Sicherheitsmandat ausse-
hen soll, wer es wie lange führen soll, wer wie viele Trup-
penanteile stellen soll und wie lange der Einsatz über-
haupt dauern soll?
Die Europäische Union hat erneut praktisch keine Rolle
bei dieser für Afghanistan, aber auch für uns in Europa so
wichtigen Aufgabe gespielt.
Ich weiß, es ist heute nicht der Tag, um über Europa zu
sprechen. Aber ich möchte doch wenigstens unserer Sorge
darüber Ausdruck verleihen, dass die Europäische Union
von Anfang an, seit dem 11. September, bis heute auch
nicht annähernd die Gemeinsamkeit aufgebracht hat, die
ihrer Größe, ihrer Leistungsfähigkeit und vor allem ihrem
eigenen politischen Anspruch entspricht.
Es stellen sich eine Reihe von anderen und zum Teil bis
jetzt nicht oder nur unzureichend beantworteten Fragen:
Wie wird die Frage der lead nation beantwortet, wenn
die Briten nach drei Monaten gehen? Ist es sicher, dass
dann etwa die Türkei das Kommando übernehmen wird?
Wird der Grundsatz Zusammen rein und zusammen
raus von allen beteiligten Nationen eingehalten? Ist ge-
währleistet, dass ausreichende Rettungs- und Transport-
kapazitäten zur Verfügung stehen, wenn sich die Lage
zuspitzt? Wie sind die Kommandostrukturen? Wie ist
dies ist besonders wichtig die Kooperation mit den
amerikanischen Kampftruppen geregelt? Es heißt ja, es
handele sich um distinct operations, aber Enduring
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Friedrich Merz
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Freedom, also das amerikanische Kommando, besitze
im Konfliktfall authority. Was heißt das konkret?
Meine Damen und Herren von der Koalition, mit die-
sem Einsatzbeschluss, den die Regierung uns heute vor-
gelegt hat, ist wohl die Grenze zur Überforderung der
Bundeswehr und ihrer Soldaten endgültig erreicht, wenn
nicht schon überschritten.
Dieser Einsatz macht auf erschreckende Weise deutlich,
was in den letzten Jahren versäumt wurde, um die Bun-
deswehr auf die Aufgaben, die ihr gestellt wurden
Ich habe mit diesen Zwischenrufen gerechnet. Der Bun-
deskanzler hat der Süddeutschen Zeitung ein Interview
gegeben es ist heute abgedruckt und sich zu diesem
Sachverhalt wie folgt geäußert:
Der Satz von der chronischen Unterfinanzierung der
Bundeswehr bezieht sich auf einen längeren Zeit-
raum als nur auf diese Regierung und er ist nach un-
seren Maßnahmen nicht mehr gerechtfertigt.
Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Was ist das eigentlich
für eine Logik?
Sie gestehen zu, dass es eine Unterfinanzierung der Bun-
deswehr gibt. Dann entziehen Sie ihr 18,6 Milliarden DM
und sagen, jetzt sei die Unterfinanzierung nicht mehr vor-
handen. Was ist das eigentlich für eine Logik, mit der Sie
uns hier hinters Licht führen wollen?
Meine Damen und Herren, da halten Sie sich mit solchen
Zwischenrufen zurück!
Heute wird erneut deutlich, dass Sie der Bundeswehr
noch nicht einmal das zur Verfügung stellen wollen, was
Sie selbst mit der Bundeswehrreform beschlossen haben.
In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen auch Fol-
gendes: Es mag ja sein, dass Sie Gründe haben, Ihren Ver-
teidigungsminister im Amt zu belassen.
Aber wenn Sie dem Land solche Peinlichkeiten wie die in
den letzten Tagen weiter zumuten, dann wird das die Au-
torität nicht nur Ihrer Regierung, sondern auch die des
ganzen Landes im Bündnis gefährden.
Herr Bundeskanzler, ersparen Sie uns und anderen die
Fortsetzung dieser Peinlichkeiten! Nehmen Sie ihn über
den Jahreswechsel in aller Stille aus dem Amt! Lassen Sie
ihn lange in die Karibik fahren! Sorgen Sie dafür, dass ein
Verteidigungsminister ins Amt kommt, der Autorität und
Ansehen auch bei den Soldaten der Bundeswehr genießt!
Damit aus dem, was ich kritisch zur Ausstattung der
Bundeswehr sage, kein Missverständnis entsteht: Dies ist
keine Kritik an den Soldaten.
Entschuldigung! Auch das mag Ihnen nicht gefallen,
aber unsere Soldaten haben in den letzten Jahren, insbe-
sondere im zu Ende gehenden Jahr 2001, weit überdurch-
schnittliche Leistungen vollbracht, insbesondere in den
Auslandseinsätzen, in die wir sie geschickt haben.
Das mit der besseren Opposition können Sie im nächs-
ten Jahr selbst probieren, Herr Kollege. Dann sind Sie
dran, Opposition zu machen.
Unsere Soldaten haben wirklich höchste Anerkennung
verdient. Sie und ihre Familien verdienen es aber auch,
dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht ihnen gegen-
über gerecht wird.
Die Verantwortung dafür nimmt Ihnen, Herr Bundes-
kanzler, das Parlament mit seiner Zustimmung heute,
wenn sie denn erteilt wird, nicht ab. Sie als Bundeskanzler
tragen auch dann noch die Verantwortung dafür, dass al-
les, aber auch wirklich alles getan wird, um unsere Solda-
ten im Einsatz bestmöglich zu schützen.
Der Einsatz in Afghanistan ist mit erheblichen Risi-
ken verbunden. Nach Bosnien, dem Kosovo und Maze-
donien ist es jetzt endgültig an der Zeit, dass Sie, Herr
Bundeskanzler, Ihre Politik korrigieren, Ihre Bundes-
wehrplanung gründlich überarbeiten und neu ausrichten.
Der Bundeswehr fehlen schon heute rund 7 000 Unterof-
fiziere und Feldwebel. Die Zusage, dass Soldaten bei Aus-
landseinsätzen maximal sechs Monate in der Auslands-
verwendung und anschließend zwei Jahre ohne eine
solche Auslandsverwendung sind, kann bei einer immer
größer werdenden Zahl von Soldaten aller Dienstgrade
nicht mehr eingehalten werden.
Herr Bundeskanzler, Sie können spätestens nach dem
heutigen Beschluss den Fragen nicht mehr ausweichen,
die wir Ihnen seit Ihrem Amtsantritt seit drei Jahren stel-
len ich will sie zusammenfassen : Welche regionalen
und globalen strategischen Aufgaben sind Europa und vor
allem der Europäischen Union gestellt? Welchen Beitrag
will und kann Deutschland im Rahmen einer europäischen
Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik dazu leis-
ten? Was sind die realistischen Kosten eines solchen
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Friedrich Merz
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deutschen Beitrags und wie bringen wir sie auf? Schließ-
lich: Welche Perspektiven und welche Sicherheit haben
unsere Soldaten in Zukunft in ihrem Beruf?
Auf diese Fragen, Herr Bundeskanzler, müssen Sie
Antwort geben. Dem können Sie nicht ausweichen.
Ich sage deshalb noch einmal: Mit dem heutigen Be-
schluss ist endgültig die Zeit für eine Wende in der Poli-
tik für die Bundeswehr gekommen. Wenn Sie sich dieser
Herausforderung mit einer Kurskorrektur in Ihrer bisheri-
gen Politik nicht stellen, wenn Sie die Bundeswehr wei-
terhin in immer mehr internationale Einsätze schicken
und ihr dafür immer weniger Geld zur Verfügung stellen,
dann werden Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regie-
rung der gewachsenen internationalen Verantwortung un-
seres Landes ebenso wenig gerecht wie der Pflicht, den
Soldaten der Bundeswehr ein fürsorgender und verant-
wortlicher Dienstherr zu sein.
Wir stimmen dem Einsatz der Bundeswehr heute
Nachmittag trotz all unserer Bedenken sie sind in den
letzten Tagen nicht kleiner geworden zu. Wir stimmen
zu, weil wir dem afghanischen Volk, den Menschen und
vor allem den vielen Hunderttausend Kindern in diesem
Land, helfen und ihnen eine Perspektive geben wollen.
Wir stimmen aber auch zu, weil Sicherheit in Afghanistan
auch ein Beitrag zum Schutz unseres Landes vor terroris-
tischen Anschlägen fanatischer Extremisten ist.
Wir wünschen unseren Soldaten eine gute und vor al-
lem eine gesunde Heimkehr. Unsere Soldaten und ihre Fa-
milien sollen wissen, dass wir, die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages, diese Entscheidung heute, zwei
Tage vor dem Weihnachtsfest, hier, in Berlin, nach sorg-
fältiger und gewissenhafter Prüfung treffen. Wir treffen
sie, weil wir damit gemeinsam auch einen Beitrag zur Si-
cherheit in Deutschland leisten.
Herzlichen Dank.
Ich erteile
das Wort dem Bundesaußenminister Joseph Fischer. Er
spricht gleichzeitig für die Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen
Stunden wurde in Kabul die Übergangsregierung verei-
digt.
Ich hätte große Lust, auch auf das einzugehen, was der
Kollege Merz und was Sie gesagt haben. Angesichts einer
solchen Entscheidung fand eine Fraktionssitzung statt, bei
der der zuständige Minister bei seiner eigenen Frak-
tion entsprechend präsent war. Wenn Sie daraus so et-
was machen, dann scheinen Ihre Argumente wirklich sehr
dürftig zu sein.
Angesichts der historischen Situation für Afghanistan
möchte ich heute bewusst keine innenpolitische Rede hal-
ten. Wir treffen heute auch keine innenpolitische Ent-
scheidung.
Das werden wir im nächsten Jahr zu tun haben.
Es ist eine historische Situation. Nach 23 Jahren Inva-
sion, Krieg und Bürgerkrieg hat Afghanistan seit heute
eine neue Chance. Es gab bewegende Bilder. Das, was ge-
schehen ist, war erst der Beginn. Vor dem Land, vor den
Menschen in Afghanistan, aber auch vor der internationa-
len Gemeinschaft liegt noch eine schwierige und gefähr-
liche Wegstrecke. Nach 23 Jahren, die von Invasion,
Krieg und Bürgerkrieg sowie einem humanitären De-
saster geprägt waren, das die Weltöffentlichkeit kaum zur
Kenntnis genommen hat und das sich seit Jahrzehnten je-
den Winter wiederholt hat, besteht jetzt die große Chance,
diesen Krieg bzw. Bürgerkrieg dauerhaft zu beenden. Ich
finde, dieses verdient nun wirklich alle Unterstützung.
Was mich ganz besonders freut, ist, dass dieses Datum
auch mit dem Namen der Stadt Bonn verbunden ist, näm-
lich mit der Vereinbarung, die auf dem Petersberg getrof-
fen wurde. Für uns ist es nicht nur deswegen von großer
Bedeutung, weil die Petersberg-Konferenz hier war,
sondern auch, weil es die Rolle der Vereinten Nationen im
beginnenden 21. Jahrhundert klar macht.
Die Vereinten Nationen werden dieses Land nicht anstelle
der Afghanen regieren und befrieden können, aber sie sind
die entscheidende Garantie-Institution für diesen Prozess.
Ich stimme den Vorrednern, dem Bundeskanzler, aber
auch Ihnen, Herr Merz, und all denen zu, die zu Recht da-
rauf hinweisen, dass wir ohne die militärische Zerschla-
gung der terroristischen Strukturen von al-Qaida, ohne
Beseitigung des Talibanregimes heute nicht diese Situa-
tion hätten, sondern die humanitäre Katastrophe auch in
den kommenden Jahren und die schweren Menschen-
rechtsverletzungen und vor allen Dingen die Unter-
drückung der Rechte der Frauen und Mädchen im
wahrsten Sinne des Wortes weiter angedauert hätten. Das
muss man der Ehrlichkeit halber ebenfalls hinzufügen.
Dieser Kampf gegen den internationalen Terrorismus
auch darauf wurde bereits hingewiesen ist noch nicht
beendet. Dennoch geht es bei dem heutigen Mandat um
eine Friedensmission. Es geht nicht darum ich habe das
bereits gesagt , anstelle der Afghanen zu handeln. Anders
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Friedrich Merz
20826
als im Kosovo wird es darauf ankommen, von Anfang an
die Übergangsregierung instand zu setzen, Sicherheit zu
gewährleisten. Insofern handelt es sich hier um eine robu-
ste Mission, um eine Mission, die eindeutig unterstützen
soll und Frieden bzw. die Herstellung des inneren Friedens
zum Gegenstand hat, also um eine Friedensmission.
In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Merz, kriti-
sche Anmerkungen, die ich verstehe, zur Rolle Europas
gemacht. Das ist die Pflicht der Opposition. Sie kann da
auch freier sprechen.
Das bestreite ich ja auch gar nicht. Es ist nur nicht rich-
tig, dieses bei der Bundesregierung abzuladen.
Das wissen Sie und auch Ihre Kollegen.
Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir diskutieren ja jetzt
nach Laeken im Zusammenhang mit der Zukunft Europas
über einen Verfassungsprozess.
Selbstverständlich hat der 11. September sehr klar ge-
macht, dass die Europäische Union bisher nicht darauf
vorbereitet ist, Entscheidungen über Krieg und Frieden zu
treffen. Selbstverständlich hätten wir uns einen stärkeren
europäischen Ansatz gewünscht. Die Bundesregierung,
insbesondere Bundeskanzler Schröder, hat von Anfang
an ich habe das hier schon mehrmals erläutert darauf
gedrungen, dass Europa hier stärker sichtbar wird. Nicht
umsonst ist es ein deutscher Diplomat, der die Europäische
Union in Afghanistan als Sonderbeauftragter unter Javier
Solana repräsentieren wird. Auch das macht unsere euro-
päische Überzeugung klar. Wir waren nämlich der Mei-
nung, dass die Europäische Union sichtbar handeln muss.
Hier gibt es auch einen engen Zusammenhang zur Verfas-
sungsdebatte.
Es macht aber auch klar, wie wichtig es ist, dass sich
die Bundesrepublik Deutschland engagiert. Das ist
nicht nur eine Frage der humanitären Hilfe, das ist nicht
nur eine Frage unserer Verpflichtung gegenüber den Ver-
einten Nationen. Es ist nicht nur eine Frage der Bezie-
hungen zu Afghanistan, sondern es ist auch eine ganz zen-
trale europapolitische Frage, dass sich Deutschland in
diesen Fragen gemeinsam mit seinen Partnern engagiert.
Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Niederländer und
die Dänen gemeinsam mit unseren Soldaten, wenn der
Bundestag dem zustimmt, an dieser Friedensmission der
Vereinten Nationen in Afghanistan teilnehmen werden.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat
das Mandat bereits dargestellt. Es ist ein Mandat nach
Kap. VII der UN-Charta. Der Auftrag ist als Stabilisie-
rung der Übergangsregierung klar definiert. Allein
seine Größenordnung lässt anderes nicht zu. Anderes ist
auch nicht intendiert. Der entscheidende Punkt ist das
Vertrauen zwischen den Bürgerkriegsparteien, die jetzt
gemeinsam nach einem langen Bürgerkrieg und
großem Misstrauen in diese Regierung eintreten und
diese Regierung zu einem Handlungsinstrument der Be-
friedung und des inneren Wiederaufbaus Afghanistans
machen sollen und machen müssen. In Kabul und Um-
gebung muss man eine entsprechende Sicherheitsunter-
stützungskomponente präsent haben. Das ist der Auftrag.
Es handelt sich hierbei um die Umsetzung des Peters-
berg-Abkommens. Entsprechend steht es auch in der Re-
solution des Sicherheitsrates geschrieben. Die räumliche
Begrenzung ist damit definiert. Die zeitliche Begrenzung
setzt eine Obergrenze von sechs Monaten. Die Fragen, die
Sie hier gerade gestellt haben und die wir auch im Aus-
schuss diskutiert haben, kann ich Ihnen insoweit beant-
worten, als wir durchaus bereit gewesen wären, eine län-
gere Perspektive ins Auge zu fassen, aber anerkennen
müssen, dass der Sicherheitsrat so beschlossen hat, wie er
beschlossen hat. Das heißt, zwischen dem Wünschbaren
und dem, was durchsetzbar war, gibt es, wie oft in der Po-
litik, in der Tat entsprechende Differenzen.
Die Frage Was folgt auf die britische Lead-Funk-
tion?, die Sie gerade gestellt haben, ist eine Frage, die
weiter diskutiert werden muss. Es gibt noch keine diesbe-
zügliche Entscheidung. Die Frage des Gemeinsam rein
und gemeinsam raus wird sehr sorgfältig im Lichte des-
sen, wo wir nach den sechs Monaten stehen, abzuwägen
sein. Dieser Aspekt wird die entsprechende Diskussion
vermutlich schon vor Ablauf dieser sechs Monate sehr
stark bestimmen.
Ich kann Ihnen nur Folgendes versichern: Wir haben
einen Mandatsentwurf vorgelegt. Die Bundesregierung
hat einen Kabinettsbeschluss herbeigeführt, in dem wir
von einer Dauer von sechs Monaten bis spätestens zum
20. Juni 2002 ausgehen. Das ist unsere Position. Aber
hier bestehen noch um diesen Punkt möchte ich nicht
herumreden schwierige Fragen, die weiterhin zu disku-
tieren sind.
Ich kann Ihnen nur sagen: Im Zusammenhang mit
Mazedonien führten wir eine ähnliche Diskussion.
Wenn ich mir heute anschaue, wo wir in Mazedonien ste-
hen, dann können wir doch alle gemeinsam sagen: So
richtig und wichtig es ist, dass diese Fragen immer wieder
gestellt werden müssen damit ich hier nicht missver-
standen werde: Darüber will ich mich überhaupt nicht be-
schweren ,
genauso richtig und wichtig ist es, heute festzustellen,
dass wir mit den zwei Mandaten in Mazedonien nun wirk-
lich einen Erfolg erreicht haben, und zwar mit einer
präventiven Politik unter Einschluss einer entsprechenden
Friedenskomponente.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesminister Joseph Fischer
20827
Meine Damen und Herren, dasselbe gilt für die klare
Trennung der Missionen. Es handelt sich eindeutig um
zwei getrennte Missionen. Der Brief des britischen
Außenministers macht sehr klar, dass es im Zusammen-
hang mit der Luftraumkontrolle, mit der logistischen Un-
terstützung und mit einer hoffentlich nicht eintretenden,
aber durchaus denkbaren Situation des Entsatzes zu einer
entsprechenden Koordination kommen muss und dass es
hier auch eine Letztentscheidung geben muss. Im Lichte
dessen, was er, als Bestandteil der Sicherheitsratsresolu-
tion, an die Vereinten Nationen geschrieben hat, ist dies,
wie ich finde, eine sehr gute Lösung, die wir als Bundes-
regierung auch voll unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin darauf hin-
gewiesen, dass für Afghanistan heute ein besonderer Tag
ist. Ich sage nicht, dass diese Chance zum Frieden nach
23 Jahren von selbst Realität wird. Ich sage nicht, dass in
Afghanistan nicht große Risiken, auch in der Umsetzung
dieses Mandats, vor uns liegen. Aber ich sehe es als die
einzige Chance an, diesem gequälten, durch Krieg und
Bürgerkrieg zerstörten Land auf dem Weg zum inneren
Frieden und zur Stabilisierung der gesamten Region, ei-
ner sehr gefährlichen Region, zu helfen.
Deswegen möchte auch ich Sie um Zustimmung zu
diesem Mandat bitten. Unsere Soldaten werden, wenn der
Bundestag zustimmt, gemeinsam mit unseren Partnern in
Europa und in der Welt eine Friedensmission beginnen.
Dies werden sie im Auftrag der Vereinten Nationen und
der Humanität tun. Zu Beginn wird es ein sehr riskanter
und schwieriger Einsatz werden. Ich bitte Sie also auch
für die Soldaten, die vermutlich in diesen Einsatz gehen
werden, um Ihr Vertrauen und um eine breite Zustim-
mung.
Vielen Dank.
Das Wort
hat der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Dr. Wolfgang
Gerhardt.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ja, das ist ein großer Tag für
Afghanistan. Er gibt den Menschen dort, insbesondere
den Frauen, die Menschenwürde zurück.
Ich kann meine Rede aber nicht beginnen, ohne mir
eine Bemerkung zu all dem ethisch aufgeblasenen
Sprachgewirr zu erlauben, das uns in den letzten Wochen
begleitet hat. Was haben eigentlich die zu dieser Entwick-
lung beigetragen, die einen Stopp der Kampfhandlungen
gefordert haben?
Wo ist eigentlich die Ethik derer, die das alles nicht woll-
ten und die heute gerne dabei sind, nachdem andere diese
schwierige Arbeit übernommen haben? Das muss heute
Morgen im Deutschen Bundestag vorgetragen werden.
Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister,
eine etwas stärkere Präsenz der Regierungskoalition
dürfte heute Vormittag gewünscht sein. Auch das muss
festgestellt werden.
Wir schicken Soldaten in einen Einsatz. Sie sollten auch
sehen, dass wir Abgeordnete diesen Einsatz ernst nehmen.
Die deutsche Bundeswehr leistet eine hervorragende
Arbeit. Diese leistet sie nicht erst seit heute. Die deutsche
Bundeswehr hat in Zeiten des Kalten Krieges den Frieden
gesichert. Sie hat in der Zeit der Wiederherstellung der
deutschen Einheit eine gewaltige Integrationsleistung
vollbracht.
Sie hat sich in Südosteuropa tastend und schrittweise in
internationalen Einsätzen mit hohem Ansehen vorgear-
beitet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer nicht aus-
schließlich mit einer Sichtblende in die deutsche Vergan-
genheit des letzten Jahrhunderts zurückblickt, der muss
wissen das ist ein Lob , dass deutsche Soldaten welt-
weit hohen Respekt genießen, gewünscht werden und an-
erkannt sind. Ihnen gebührt unser ausdrücklicher Dank.
Die Bundeswehr ist eine großartige Armee. Sie leidet
aber erkennbar unter einer miserablen politischen
Führung.
Das ist nicht ein Argument, das eine Opposition pflicht-
gemäß vortragen würde. Ich gehe jede Wette ein: Vom
Bundeskanzler bis zum letzten Regierungsmitglied auf
der Regierungsbank wissen alle sie spüren es und be-
kommen es täglich aus den eigenen Reihen gesagt : Wer
die Bundeswehr auf hohem Niveau halten will, der muss
sie haushaltsmäßig gut ausstatten und muss die politische
Führung auswechseln. Das ist das Gebot der Stunde.
Der Bundesaußenminister hat wie auch der Bundes-
kanzler zu Recht gewürdigt, dass der Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen mandatiert hat. Das entspricht einer
tiefen Überzeugung der Bundestagsfraktion der FDP. Wir
sollten uns darum bemühen, dass es auch in Zukunft so
bleibt, dass die Vereinten Nationen der Ort des Gewalt-
monopols sind und bleiben.
Aber das bedarf gewaltiger Anstrengungen.
Das sagen wir im Übrigen auch unseren amerika-
nischen Freunden: Wir hätten uns gewünscht, dass die
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesminister Joseph Fischer
20828
Amerikaner schon früher ihre Beiträge an die UN gezahlt
hätten.
Wir haben nicht erst dann die UN als Institution erkannt,
als der Friedensnobelpreis dem Generalsekretär verliehen
worden ist. Amerika ist die einzig verbliebene Super-
macht; das ist richtig. Aber eine Supermacht braucht
Verbündete. Kraft allein reicht nicht aus. Das muss auch
unter Freunden gesagt werden.
Die NATO, die der Bundesaußenminister gewürdigt
hat, hat sich aus der alten bipolaren Welt heraus in eine
neue sicherheitspolitische Wertegemeinschaft entwickelt.
Ich sage aber, an alle NATO-Mitglieder gerichtet: Dann
muss man die NATO auch wollen und muss NATO-ge-
führte Operationen machen. Die NATO ist kein Selbstbe-
dienungsladen für Eventualfälle. Sie ist ein Bündnis, das
gemeinsam führen muss und das gemeinsam gebraucht
wird.
Wenn es für die deutsche Bundesregierung seit dem
Südosteuropakonflikt eine Erkenntnis gibt, dann die, dass
wir dringend eine europäische Sicherheits- und Verteidi-
gungsidentität und -politik brauchen. Wir brauchen die
European Rapid Reaction Force, die schon beschlossen
worden ist. Vor der nächsten Wahl zum Europaparlament
sollte die Bundesregierung alle Anstrengungen unter-
nehmen, diese Kräfte aufzubauen und haushaltsmäßig
abzusichern. Das muss glaubwürdig geschehen.
Der Bundeswehr fehlen die notwendige Logistik und
Transportmittel. Der Einsatz akrobatischer Finanzierungs-
instrumente sollte unterlassen werden. Wenn Transport-
kapazität benötigt wird, sollten die dafür notwendigen
Mittel im Haushalt ausgewiesen werden, sollte also eine
klare Finanzierung erfolgen.
Wir signalisieren zum Mandat der UNO Zustimmung.
Wir bezweifeln, ob die vorgesehene Dauer von sechs Mo-
naten ausreicht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Natio-
nen hat jedoch klug genug beschlossen, das Mandat,
wenn es notwendig sein sollte, verlängern zu können. Wir
haben auch Bedenken, ob ein Einsatz allein im Raum
Kabul ausreicht.
Wir müssen der neuen Regierung in Afghanistan die
Chance geben, eine eigene Autorität zu entwickeln und
die Verantwortung in ihrem Land zu übernehmen.
Die Bundesrepublik Deutschland sollte die Rolle der
lead nation nicht anstreben. Wir sollten uns allerdings
davor hüten, uns kleiner zu machen, als wir sind. Von
Deutschland wird international ein bestimmter Beitrag er-
wartet; diesen kann es auch leisten. Deshalb wird meine
Fraktion Wert darauf legen, frühzeitig von der Bundes-
regierung informiert zu werden, wie es nach der lead
nation Großbritannien weitergehen soll.
Wir müssen uns heute in dieser Hinsicht nicht festlegen
und Ja oder Nein dazu sagen. Wenn sich Aufgaben stellen,
dann stellen sie sich.
Die Bundeswehr kann solche Aufgaben bewältigen. Nur,
wir sollten uns dabei nicht vordrängen.
Die Bundestagsfraktion der FDP stimmt dem Einsatz
deutscher Soldaten in Afghanistan zu. Sie übernehmen
dort eine verantwortungsbewusste Aufgabe. Sie haben an-
dernorts bewiesen, dass sie solche Aufgaben übernehmen
können. Wir wünschen ihnen bei der Bewältigung dieser
Aufgabe Erfolg. Wir wünschen ihnen und ihren Familien,
dass sie gesund zurückkommen.
Wir sind davon überzeugt, dass sie die Aufgaben in
Afghanistan meistern werden.
Herzlichen Dank.
Ich erteile
dem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Roland Claus, das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich die
heute anstehende Entscheidung in der Tat nicht leicht ge-
macht.
Dies ist uns auch anzumerken. Denn die PDS-Fraktion ist
eben keine Fraktion mit ewigen Wahrheiten oder mit all-
gemein gültigen Antworten auf Fragen, die noch gar nicht
gestellt worden sind.
Deshalb war unser Verhalten Anlass zu manchen Spe-
kulationen. Kollege Merz hat heute eine hinzugefügt: Er
hat die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu der heutigen
Entscheidung in Beziehung gesetzt. Herr Kollege Merz,
dazu möchte ich Ihnen sagen: Einer der heftigen Befür-
worter der Koalitionsverhandlungen in Berlin war Kol-
lege Glos aus Ihrer Fraktion.
Ihnen kann man es nun wirklich nicht recht machen. Denn
wir haben uns daran gehalten.
Wir haben uns in diesem Hause sehr dafür eingesetzt,
dass die Souveränität der UNO gestärkt wird. Es hat uns
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
20829
Respekt abverlangt, dass der UNO-Generalsekretär vor
Angriffen auf den Irak gewarnt hat. Ähnliche Äußerungen
des deutschen Bundeskanzlers unterstützen wir. Wir ha-
ben Hoffnungen darauf gesetzt, dass es zu einem frie-
denssichernden, souveränen Mandat kommen könnte.
Wir haben bereits im November dieses Jahres hier im
Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem wir unsere
Vorstellungen von einem UN-Mandat dargelegt haben.
Kernforderungen sind: Stopp der Kriegshandlungen,
wirkliche humanitäre Hilfe und Einsatz nach Kap. VI der
UN-Charta, gemäß dem Selbstverteidigung und die Ver-
hinderung von Menschenrechtsverletzungen sehr wohl
möglich sind.
Wenn wir dem heutigen Antrag unsere Zustimmung
versagen, so hat dies Gründe. Der erste Grund lautet: Die-
ser UNO-Einsatz folgt der Kriegslogik; beide Missionen
sind vermischt.
Wir haben etwas dagegen, dass die Öffentlichkeit schlei-
chend daran gewöhnt wird, dass zuerst bombardiert wird
und dass dann die UNO die Scherben einzusammeln hat.
Sie können sich für die bisher erzielten Ergebnisse hier
natürlich gemeinsam feiern. Wir dürfen aber nicht durch-
gehen lassen, dass zivile Opfer derart ausgeblendet wer-
den.
Sie haben sich auf eine formelle Trennung der Aktio-
nen eingelassen. Diese formelle Trennung ist in dem An-
trag allerdings überhaupt nicht festgeschrieben, sondern
findet sich lediglich in einem Brief des britischen Außen-
ministers an den UN-Generalsekretär. Etwas später in
diesem Brief steht, dass die UN-Truppe die Aktion
Enduring Freedom nicht gefährden darf, und nicht etwa
anders herum, wie es logisch wäre. Insofern handelt es
sich um die Nachfolgemission einer Fehlentscheidung.
Wir bleiben bei unserer Aussage: Krieg ist die falsche
Antwort auf den Terror.
Dazu komme ich noch, Herr Kollege.
Ein Zweites. Es handelt sich um ein sehr unklares
und diffuses Mandat. Die Differenzen zwischen den
Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits sowie
Deutschland und Frankreich andererseits sind nicht wirk-
lich ausgeräumt. Sie haben doch gar keine Klarheit über
die Dauer und den Umfang des Einsatzes oder über die
Leitnation. Insofern werfen wir Ihnen vor, dass Sie hier
etwas tun, was auch an anderen Stellen getan worden ist:
Sie bestimmen eine Einstiegsoption, ohne eine
Ausstiegsoption zu haben. Das kennzeichnet den ganzen
Antrag.
Ein Drittes. Sie haben sich hier in verschiedenen Re-
den wie auch im Vorfeld der heutigen Entscheidung sehr
dafür eingesetzt, dass den Not leidenden Menschen Hilfe
und Unterstützung zuteil wird und dass Flüchtlingen ge-
holfen wird. Das ist völlig in Ordnung. Nur stimmen Ziel
und Mittel, mit denen Sie vorgehen wollen, überhaupt
nicht überein. Mit dem Antrag, den Sie hier heute vorle-
gen, installieren Sie das werden Sie zugeben müssen
nichts anderes als eine Leibgarde für die neue Über-
gangsregierung. Gewiss muss diese geschützt werden.
Aber das kann doch nicht der ganze Bestandteil dieses
Planes sein.
Deshalb ist einer solchen Kriegsnachsorge mit UN-
Mandat bei Fortsetzung von Bombardements aus unserer
Sicht nicht zuzustimmen. Genauso wie wir sagen: Un-
eingeschränkte Solidarität gegenüber den USA ist der
falsche Begriff, so darf es auch keine uneingeschränkte
Unterstützung für UN-Einsätze geben, auch wenn Sie das
im Moment in Abrede stellen.
Die PDS wird sich weiter an den schwierigen Debatten
über internationale Konfliktlösung beteiligen. Diesen An-
trag aber lehnen wir ab.
Ich schließe
die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 14/7930 und 14/7785 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Das Haus ist, wie ich sehe, einverstanden. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.
Für die Ausschussberatung unterbreche ich nunmehr
die Sitzung bis voraussichtlich 14.30 Uhr. Der Wieder-
beginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal
angekündigt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist
wieder eröffnet.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Roland Claus
20830
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem Einsatz einer Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf
der Grundlage der Resolutionen 1386 ,
1383 und 1378 (2001) des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen
Drucksachen 14/7930, 14/7936
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Ulrich Klose
Gert Weisskirchen
Karl Lamers
Rita Grießhaber
Ulrich Irmer
Wolfgang Gehrcke
b) Bericht des Haushalsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 14/7937
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Hampel
Uta Titze-Stecher
Dietrich Austermann
Antje Hermenau
Dr. Werner Hoyer
Dr. Barbara Höll
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor.
Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache
über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bun-
desregierung namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Peter Struck, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treffen
heute die fünfte Entscheidung dieses Jahres zu Auslands-
einsätzen der Bundeswehr.
Wir haben beschlossen, deutsche Soldaten zur Überwa-
chung der Waffenabgabe in Mazedonien zu entsenden.
Diese Aufgabe ist, wie wir alle wissen, ohne Schaden für
unsere Soldaten erfüllt worden. Der Friedensprozess in
Mazedonien wurde dadurch eingeleitet.
Die sich daran anschließende Aufgabe, OSZE- und
EU-Beobachter in Mazedonien auch militärisch zu schüt-
zen, ist unter Führung der deutschen Bundeswehr bisher
erfolgreich abgelaufen. Deshalb wurde dieses Mandat vor
zwei Wochen vom Bundestag verlängert.
Nach dem 11. September haben wir der internationa-
len Koalition gegen den Terrorismus unseren Beitritt
erklärt und dabei auch militärischen Beistand einbezogen.
Für die Maßnahmen gegen das Talibanregime in Afgha-
nistan und die Terroristen sind bis zu 3 900 Soldaten der
Bundeswehr bereitgestellt worden.
Da der letztgenannte Beschluss mit der Vertrauens-
frage verbunden war, ist er von den Koalitionsfraktionen
allein getragen worden. Festzuhalten bleibt aber, dass ab-
gesehen von der PDS alle Fraktionen dieses Hauses die
Auslandseinsätze der Bundeswehr in Mazedonien und
jetzt auch in Afghanistan mittragen. Ich begrüße dies aus-
drücklich als ein wichtiges Zeichen für unsere Soldaten,
die diese schwierigen Missionen wahrnehmen.
Ein Wort zur PDS: Eine Partei, die die Nachfolge der
SED angetreten hat und dann in dieser Nachfolge auch zu
denen stehen muss, die friedliche Bürger der damaligen
DDR verfolgt haben, weil sie Aufnäher Schwerter zu
Pflugscharen getragen haben, hat überhaupt nicht das
Recht, in diesem Bundestag als Friedenspartei aufzutreten.
Einige Worte zur angeblichen Unterfinanzierung der
Bundeswehr. In den Jahren 1991 bis 1998 hat die alte
Bundesregierung den Verteidigungshaushalt um 11,2 Mil-
liarden DM gekürzt.
Im Investitionsbereich wurden 1988 noch 13,2 Milliar-
den DM ausgegeben, 1991 nur noch 10,8 Milliarden DM
und 1997 schließlich nur noch 7 Milliarden DM.
Die schwierige finanzielle Lage der Bundeswehr ist nicht
von uns zu verantworten, sondern von CDU/CSU und
FDP.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in seiner
Resolution vom 20. Dezember seine Genugtuung über die
Entwicklungen in Afghanistan ausgedrückt, die es allen
Afghanen erlauben werden, frei von Unterdrückung und
Terror unveräußerliche Rechte und Freiheit zu genießen.
Dem schließen wir uns an.
Das Talibanregime ist von den Amerikanern mi-
litärisch besiegt worden. Die Ausbildungslager der Terro-
risten wurden vernichtet. Das Abkommen von Bonn ist der
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Präsident Wolfgang Thierse
20831
Beginn einer neuen staatlichen Ordnung für Afghanistan.
Hilfsmaßnahmen für die geschundene Bevölkerung und
für Flüchtlinge wurden eingeleitet. Allein für die huma-
nitäre Hilfe hat die Europäische Union 352 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt. Damit trägt sie entscheidend dazu
bei unser Land hat daran einen wesentlichen Anteil ,
dass die Menschen in Afghanistan über den Winter kom-
men werden. Das Bonner Abkommen wird ab heute um-
gesetzt. Die Übergangsregierung unter Ministerpräsident
Hamid Karsai bedarf des Schutzes einer internationalen
Sicherheitsbeistandstruppe in Kabul und Umgebung.
Diese ist wie der Sicherheitsrat vor drei Tagen festge-
stellt hat dringend erforderlich, um den begonnen Sta-
bilisierungsprozess zu festigen.
Afghanische Repräsentanten haben nach der erfolgrei-
chen Petersberg-Konferenz eine wichtige Rolle unseres
Landes beim Wiederaufbau erbeten; sicher auch wegen
der guten historischen Beziehungen unserer Länder und
wegen des guten Rufes, den die Deutschen in Afghanistan
genießen. Das Engagement der Bundesregierung für
einen politischen Neuanfang in diesem Land wird nun
durch die Teilnahme deutscher Soldaten an der von den
Vereinten Nationen geforderten und mandatierten Frie-
denstruppe ergänzt. Ich halte dies für außenpolitisch rich-
tig und auch für erforderlich.
Dies gilt auch deshalb, weil die Bedingungen des
Mandats eine erfolgreiche Umsetzung der Aufgaben und
einen ausreichenden Schutz der Soldaten möglich ma-
chen.
Erstens. Der Einsatz erfolgt über Kap.VII der UN-
Charta, das heißt, die Soldaten haben das Recht, nach ei-
genem Ermessen militärisch gegen Friedensstörer vorzu-
gehen. Ein so genanntes Blauhelmmandat nach Kap.VI
würde den tatsächlichen Gegebenheiten in diesem Land
nicht gerecht werden.
Das robuste Mandat nach Kap.VII ist zwingend, weil es in
diesem Land noch marodierende Banden gibt, Clanführer,
die sich den lukrativen Heroinhandel nicht streitig machen
lassen wollen und dadurch die Sicherheit der Übergangs-
regierung und der staatlichen Instanzen bedrohen.
Zweitens. Es gibt eine klare Trennung zwischen der
UN-Friedenstruppe und der amerikanischen Operation
Enduring Freedom. Das war aus politischen Gründen
notwendig. Die Aufgabenstellung ist völlig unterschied-
lich und die politischen Botschaften sind verschieden: Die
amerikanischen Truppen bekämpfen die verbliebenen
Terroristen, die UNO-Einheiten sichern den Friedenspro-
zess. Während es sich also in dem einen Fall um ein akti-
ves militärisches Vorgehen handelt, sollen im anderen Fall
gerade militärische Konflikte verhindert oder unterdrückt
werden.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen:
Ich befürworte das fortgesetzte amerikanische Vorgehen
gegen die restlichen Taliban- und Terrorstrukturen unbe-
dingt. Wir wären blind, wenn wir nicht sehen würden,
dass ihre restlose Zerschlagung und Vertreibung eine we-
sentliche Voraussetzung für die Stabilität Afghanistans
darstellt. Forderungen nach einem sofortigen Ende der
amerikanischen Operation liefen nur darauf hinaus, einer
Reorganisation der Taliban- und al-Qaida-Einheiten das
Wort zu reden. Damit würde nicht nur der Übergangspro-
zess gefährdet, sondern auch die Sicherheit der UN-
Sicherheitstruppen.
Darüber hinaus kann eines nicht übersehen werden:
Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, wie
sie offiziell heißt, wird auf die Kooperation mit den ame-
rikanischen Streitkräften angewiesen sein. Sollte es Not-
fälle massiver militärischer Auseinandersetzungen geben,
wäre die UNO-Friedenstruppe auf die zuverlässige Ab-
sicherung durch die USA angewiesen. Daher ist die ge-
fundene Lösung einer gemeinsamen Koordinierungsstelle
mit Vertretern der beiden Oberkommandos und der af-
ghanischen Übergangsregierung notwendig und richtig.
Meine Damen und Herren, mehr als in fast allen Jah-
ren zuvor hatten wir im jetzt ablaufenden Jahr Fragen der
äußeren Sicherheit zu entscheiden, bedingt durch die Si-
tuation im ehemaligen Jugoslawien und durch die furcht-
baren Ereignisse vom 11. September. Der Kampf gegen
den Terrorismus ist noch nicht zu Ende. Wir wollen, dass
er erfolgreich wird. Wir wollen, dass die Menschen über-
all in der Welt friedlich zusammenleben. Das gilt aus-
drücklich auch für Israel und Palästina.
Es gibt keine Alternative zu friedlichem Zusammenleben
und zur Rückkehr an den Verhandlungstisch, so schwer
das manchem auch fallen mag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, für meine
Fraktion kann ich der Bundesregierung die Zustimmung
zu ihrem Antrag zusichern.
Uns sind die großen Gefahren bewusst, die unsere Solda-
ten zu gewärtigen haben. Es wird sicherlich einer der
schwierigsten Friedenseinsätze werden, an denen sich
deutsche Soldaten bisher beteiligt haben. Umso wichtiger
ist die größtmögliche Zustimmung des Bundestages, da-
mit die Soldaten sich bei ihrer schweren und gefahrvollen
Aufgabe auf die vorbehaltlose Unterstützung ihres Par-
lamentes stützen können.
Dies ist ein wesentliches Moment für ihre Motivation und
Einsatzbereitschaft.
Den eingesetzten Soldaten, besonders jenen, die viel-
leicht noch vor Weihnachten ausrücken müssen, wün-
schen wir alles Gute, Gesundheit und Unversehrtheit,
dass jeder von ihnen unbeschadet zu seiner Familie und
seinen Angehörigen zurückkehren möge.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Dr. Peter Struck
20832
Das Wort hat nun Kol-
lege Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Was die Sicherungstruppe in Af-
ghanistan leisten soll und was sie nicht leisten soll, kann
am besten aus dem Namen hergeleitet werden. Das ist
eben keine Truppe, die für die Sicherheit in Afghanistan
zuständig ist, sondern eine International Security Assis-
tance Force. Sie hat nur eine assistierende Rolle. Die
Hauptverantwortung bleibt bei den Afghanen. Deswegen
gibt es keinen flächendeckenden Einsatz. Was wir fördern
wollen, ist ein innerstaatlicher, sich selbst tragender Pro-
zess der Stabilisierung.
Darin das muss man sagen unterscheidet sich diese
Mission grundlegend etwa von unserem Engagement im
Kosovo. Dort haben die Vereinten Nationen ein Protekto-
rat errichtet, die Regierungsverantwortung übernommen.
Deswegen müssen wir, wenn wir die Soldaten nach Kabul
schicken, immer wissen: Gegen den Willen der Afghanen
lassen sich Frieden und Sicherheit nicht erzwingen. Bei
ihnen bleibt die Hauptverantwortung. Wir können ihnen
nur Starthilfe für diesen neuen politischen Prozess geben.
Das ist eine realistische Beschreibung.
Deswegen sind aus meiner Sicht die sechs Monate in
Ordnung. Denn es gibt in Afghanistan natürlich gemischte
Gefühle: auf der einen Seite sehr viel Stolz, das Heft selbst
wieder in die Hand zu nehmen; auf der anderen Seite das
Bewusstsein, internationale Hilfe zu brauchen. Wenn das
in sechs Monaten gemacht werden kann, dann sollte das
aus unserer Sicht in Ordnung sein. Aber das werden wir
feststellen.
Wir begrüßen, dass der Einsatz auf Grundlage von
Kap. VII erfolgt. Damit haben unsere Soldaten nicht nur
die Möglichkeit der Selbstverteidigung, die sie übrigens
auch nach Kap. VI haben. Dazu wird auch in vielen
Nachrichtensendungen viel Unsinn erzählt. Jeder Blau-
helm kann sich natürlich selbst verteidigen. Kap. VII be-
deutet vielmehr das Recht auf militärischen Durchgriff
vor Ort. Deswegen müssen die Soldaten auch entspre-
chend ausgerüstet sein und dieses Kap. VII im Hinter-
grund haben.
Ebenso hier gibt es weiterhin Einigkeit findet die Ver-
zahnung der Kommandostrukturen unsere Zustimmung.
Allerdings das haben Sie, Herr Bundeskanzler, und der
Herr Außenminister hier ausgelassen heißt es, dass im
Konfliktfall zwischen dem Kampfeinsatz und dem Frie-
denseinsatz die authority, also die Autorität, bei dem ame-
rikanischen Hauptquartier liegt. Das heißt, wenn die Ameri-
kaner im Raum Kabul Taliban oder al-Qaida bekämpfen, hat
das amerikanische Hauptquartier den Vorrang.
Ich glaube, das ist auch eine gute und richtige Lösung. Es
gibt einen eigenständigen Ansatz für die Friedenstruppe;
im Konfliktfall entscheidet aber das amerikanische Haupt-
quartier.
Jetzt zu den offenen Punkten, die auch als solche ange-
sprochen werden müssen, zuerst zur Gesamtstärke. Wir
waren uns in den Gesprächen in den letzten Wochen im-
mer einig: Für die Sicherheit unserer Soldaten ist die Ge-
samtstärke ganz entscheidend. Der Verteidigungsminister
hat von Divisionsstärke gesprochen. Aus dem Kanzleramt
war von mindestens 5 000 Soldaten die Rede. Im Antrag
der Bundesregierung gibt es keine Zahl. Im Beschluss des
Weltsicherheitsrats gibt es keine Zahl. Deshalb war die
Auskunft des Außenministers im Auswärtigen Ausschuss
wichtig wir haben Wert darauf gelegt , dass von der In-
terimsregierung signalisiert worden sei, dass man an eine
Größenordnung von 5 000 Soldaten denkt; Herr Bundes-
kanzler, Sie haben das hier bestätigt. Das ist die Grundlage
unserer Entscheidung. Das ist auch wichtig für die Sicher-
heit unserer Soldaten in Afghanistan.
Jetzt zum Thema der Übernahme der Führungsverant-
wortung. Ich glaube, da schulden Sie uns Friedrich Merz
hat das heute Morgen zu Recht angesprochen schon noch
Auskunft. Es wäre besser gewesen auch für die Sicherheit
unserer Soldaten und für die Effizienz der Mission , wenn
NATO-Strukturen oder EU-Strukturen eingeführt worden
wären. Hier müsste die Regierung schon einmal sagen, an
wem das letztlich gescheitert ist. Im Übrigen, Herr Außen-
minister, hinkt der Vergleich mit Mazedonien insofern, als
das natürlich eine Lead-Funktion Deutschlands im Rahmen
von NATO-Strukturen und von daher nicht vergleichbar
mit der Situation in Afghanistan ist.
Was nun die Europäische Union angeht, so muss man
der Regierung sagen, dass sie in den vergangenen drei Jah-
ren finanziell nicht genug getan hat, um die militärischen
Strukturen der ESVP zu entwickeln, sodass die Europä-
ische Union in dieser Situation handlungsfähig gewesen
wäre. Das wäre sicherlich wünschenswert gewesen.
Was die Petersberger Beschlüsse anbelangt, muss man
sagen, dass das so ähnlich, wie sich die Engländer mi-
litärisch an einem Schönheitswettbewerb beteiligt haben
politisch sehr national aufgezogen worden ist. Durch eu-
ropäische Präsenz, etwa durch Solana am Beginn und am
Ende der Veranstaltung, hätte Deutschland deutlicher ma-
chen können: Dies ist eine europäische Veranstaltung.
Ich glaube, dann hätten wir manche Streitigkeiten über die
militärische Führung vermeiden können. Das ist meine
Kritik.
Was eine deutsche Führung angeht die Führungs-
frage wird möglicherweise in den nächsten Monaten auf
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 20833
uns zurückkommen , geht es nicht darum, dass sich ir-
gendjemand drängelt. Die Frage ist: Können wir uns ent-
ziehen und ist es eigentlich abwegig, dass so viele die
Vereinten Nationen, die Amerikaner und die Afghanen
bei der Frage der Führungsverantwortung gerade an
Deutschland gedacht haben? Wir haben uns in der ersten
Phase nicht an den Kampfhandlungen beteiligt. Wir haben
traditionell gute Beziehungen zu Afghanistan. Wir haben
keine koloniale Vergangenheit. Wir haben mit der Aus-
richtung der Afghanistankonferenz auf dem Petersberg
hohe Erwartungen an unsere künftige Rolle bei der inter-
nationalen Absicherung geweckt. Es gab eben den aus-
drücklichen Wunsch der Afghanen, der Vereinten Natio-
nen und auch der Amerikaner, dass Deutschland diese
Führung übernimmt.
Nun gibt es zwei Argumente. Das militärische Argu-
ment lautet: Wir können das nicht.
Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Dazu
muss man sagen: Ein Teil liegt in der Vernachlässigung
der Finanzstrukturen der Bundeswehr. Objektiv ist es
richtig, dass das mit den Führungsstrukturen, die sich ge-
rade entwickeln, eine sehr schwierige Aufgabe für
Deutschland wäre.
Der Außenminister hat aber ganz anders argumentiert.
Er hat im Auswärtigen Ausschuss gesagt, wir hätten keine
Interessen in der Region und würden deswegen keine
Führungsfunktionen am Hindukusch übernehmen. Dazu
muss ich Ihnen sagen das müssen wir der Öffentlichkeit
immer wieder erklären : Warum schicken wir denn ei-
gentlich Soldaten an den Hindukusch? Wir schicken doch
Soldaten nach Afghanistan, um ganz entscheidend den in-
ternationalen Terrorismus zu bekämpfen, damit er auch in
Deutschland keine Chance hat, Anschläge durchzuführen.
Daher müssen staatliche und politische Strukturen dort
aufgebaut werden. Daher finde ich es falsch, wenn man
wie der Außenminister grundsätzlich eine deutsche
Führungsrolle bestreitet.
Im Übrigen hat mir nicht gefallen, dass die Engländer
aus dem Koalitionslager kritisiert worden sind, obwohl
man selbst nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
Jetzt ruht die Hoffnung auf der Türkei. Ich halte sehr viel
von den militärischen Fähigkeiten der Türkei.
Schon gut. Ich habe das deshalb so formuliert, damit Sie
die Chance haben, zwischendurch Beifall zu spenden.
Der Bundeskanzler hat behauptet, ich selbst hätte die
Unterfinanzierung der Bundeswehr herbeigeführt. Der
Kollege Struck hat das eben aufgegriffen. Lassen Sie uns
einmal über die Tatsachen sprechen. 1990 gab es 456 000
Bundeswehrsoldaten plus ungefähr 60 000 Soldaten, die
von der NVA übernommen worden waren. Der Verteidi-
gungshaushalt hatte damals ein Volumen von 55 Milliar-
den DM. Bis 1994 ich habe nachgerechnet ist die
Truppenstärke um über 25 Prozent auf 370 000 Soldaten
zurückgeführt worden. Trotz dieser Tatsache hat sich Herr
Struck darüber beklagt, dass wir in unserer Regierungs-
zeit den Verteidigungsetat um 11 Prozent zurückgefahren
haben. Das war doch wohl eine vernünftige Sache. 1992
hatte mein erster Wehretat das war noch von meinem
Vorgänger, Gerhard Stoltenberg, durchgesetzt worden
ein Volumen von 53 Milliarden DM. Im Jahr darauf lag
das Volumen des Verteidigungsetats noch immer bei
49,5 Milliarden DM, obwohl wir die Zahl der Soldaten
um Zehntausende abgebaut haben. Es wäre nicht fair, das
mit der heutigen Situation zu vergleichen; denn die Trup-
penstärke ist heute geringer.
Was kann man vergleichen? Man kann für einen Ver-
gleich nur die vier Jahre heranziehen, für die Sie verant-
wortlich sind.
Den Haushalt 2002 darf ich sicherlich einbeziehen;
denn den haben Sie ja schon beschlossen. Sie, Herr Bun-
deskanzler, sollten keinen Zweifel haben, dass Sie auch
noch das vierte Jahr schaffen.
Wir haben damals unter Theo Waigel noch den Haus-
halt 1999 und eine mittelfristige Finanzplanung bis 2002
beschlossen. Wenn man Ihre und unsere Planungen für
diese vier Jahre miteinander vergleicht, muss man fest-
stellen, dass Sie 18,6 Milliarden DM weniger einsetzen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Volker Rühe
20834
Trotzdem behaupten Sie, Sie würden die chronische Un-
terfinanzierung der Bundeswehr beseitigen. Damit müs-
sen Sie sich, Herr Bundeskanzler, auseinander setzen.
Wir hatten beabsichtigt wie gesagt, ich vergleiche die
von Ihnen vorgelegten Zahlen nicht mit denen aus dem
Jahr 1992 , 2002 49 Milliarden DM in den Verteidi-
gungshaushalt einzustellen, ohne Mittel für Auslands-
einsätze.
Wenn man die Mittel für die Auslandseinsätze und für die
letzten Entscheidungen herausrechnet, dann stellt man
fest, dass Ihr Verteidigungshaushalt ein Volumen von nur
45 Milliarden DM hat.
Deswegen sage ich Ihnen: Hier sind Eingriffe in die Bun-
deswehr erfolgt, die angesichts der Belastungen der Bun-
deswehr, die Sie ihr zumuten, unverantwortlich sind.
Herr Bundeskanzler, es hat vor Ihnen keinen Bundes-
kanzler gegeben, der die Soldaten der Bundeswehr in so
viele internationale Einsätze geschickt und ihnen gleich-
zeitig so wenig Geld zur Verfügung gestellt hat.
Das ist in Wirklichkeit zu Ihrem Markenzeichen gewor-
den. Deswegen finde ich uns allen liegt daran, dass die
Bundeswehr die notwendige Unterstützung bekommt es
angemessen, wenn wir fernab unserer Kontroverse über
den Haushalt insgesamt, wir wissen, dass das im Hause
selbst sachlich errechnet worden ist fordern, dass
500 Millionen Euro zusätzlich zu den Mitteln des Einzel-
plans 14 und des Einzelplans 60 zur Verfügung gestellt
werden, damit der Afghanistan-Einsatz unserer Soldaten
vernünftig abgesichert ist. Neben der politischen und
menschlichen Unterstützung, die hier deutlich geworden
ist, schulden wir das den Soldaten.
Lassen Sie mich als Letztes Folgendes sagen: Wir ha-
ben seit dem 11. September immer wieder über uneinge-
schränkte Solidarität gesprochen. Wir haben bisher
das ist kein Vorwurf relativ wenig konkret getan. Das
kann sich ändern; einiges ist auf dem Weg. Wenn wir un-
seren Worten gerecht werden wollen, dann kann man von
uns zu Recht erwarten, glaube ich, dass wir uns in dieser
Weise mit bis zu 1 200 Soldaten an der Friedensmission
in Afghanistan beteiligen. Sorgen Sie dafür, Herr Bundes-
kanzler, dass die Soldaten die notwendige Ausrüstung be-
kommen; das bleibt Ihre Verantwortung. Trotz der offenen
Fragen haben Sie unsere Unterstützung für diesen Ein-
satz, weil wir glauben, dass es im Interesse unseres Lan-
des liegt, diese Rolle wahrzunehmen.
Vielen Dank.
Ich erteile dem Kolle-
gen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder möchte
ich die innenpolitische Debatte um die Bundeswehr führen
noch möchte ich mich, Herr Kollege Rühe, an Spekulatio-
nen über Entscheidungen beteiligen, die nicht heute, son-
dern möglicherweise in zwei Monaten anstehen. Heute
diskutieren und entscheiden wir über das Mandat des UN-
Sicherheitsrats zur Entsendung einer multinationalen UN-
Schutztruppe, genannt International Security Assistance
Force, das dieser in den letzten Tagen einstimmig be-
schlossen hat.
Meine Damen und Herren Kollegen von der FDP, dass
Ihr ehemaliger Außenminister ein bisschen Schwierigkei-
ten mit dem Englischen hatte, wissen wir. Dass Sie da den
Chor anstimmen müssen, ist insofern okay.
Die vorrangige Aufgabe dieser Friedensmission wird es
sein, ein sicheres und stabiles Umfeld für die Arbeit der
afghanischen Übergangsregierung zu gewährleisten, die
in diesen Stunden ihre Amtsgeschäfte aufnimmt. Dazu
werden wir mit unserer Entscheidung heute unseren Teil
beitragen.
Wenn wir an dieser Stelle einen Moment innehalten
und an den Beginn der amerikanischen Militäraktion ge-
gen das Talibanregime und das al-Qaida-Netzwerk, an die
über Video verbreiteten zynischen Drohungen des Terro-
ristenchefs Osama Bin Laden und an die menschenver-
achtenden Zustände in Afghanistan unter der Talibanherr-
schaft zurückdenken, dann wird deutlich, dass sich in der
Zwischenzeit mehr zum Besseren gewendet hat, als die
meisten von uns nicht nur die Kritiker des amerikani-
schen Vorgehens je für möglich gehalten haben.
Erstmals besteht heute die realistische Chance für
Afghanistan, den schrecklichen Kreislauf von Krieg und
Zerstörung, von Mord und Vertreibung zu durchbrechen,
unter dem die afghanische Bevölkerung seit über 20 Jah-
ren unvorstellbares Leid ertragen musste. Erstmals seit
mehr als 20 Jahren kann die afghanische Bevölkerung
heute auf eine Zukunft in Frieden und Freiheit, auf ein
selbstbestimmtes Leben in Zivilität und Sicherheit hoffen.
Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war ohne Zwei-
fel die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei
Bonn. Die Konferenz ist ein erstes Beispiel dafür, wie es
den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Ethnien
Afghanistans in Zukunft gelingen kann, ihre Interessen in
friedlichen Gesprächen und Verhandlungen miteinander
zum Ausgleich zu bringen, anstatt Konflikte mit militäri-
scher Gewalt auszutragen.
Heute wird die auf der Konferenz beschlossene Über-
gangsregierung ihre Arbeit aufnehmen, die nach der Ver-
einbarung von Bonn in einen verfassunggebenden Pro-
zess und in freie Wahlen münden soll.
Die ersten Reaktionen aus Afghanistan zeigen, dass
diese Interimsregierung das Vertrauen breiter Bevölke-
rungsschichten genießt und somit die große Chance be-
sitzt, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Es
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Volker Rühe
20835
kann kein Zweifel bestehen das ist auch hier schon
mehrfach ausgedrückt worden , dass der Schlüssel zu ei-
ner friedlichen Zukunft Afghanistans im Lande selbst
liegt. Es wird auf den Mut und auf die Bereitschaft der ge-
sellschaftlichen Gruppen in Afghanistan ankommen, den
Weg eines fairen und geregelten Interessenausgleichs zu
beschreiten, anstatt auf das Recht des Stärkeren zu setzen.
Die ersten Nachrichten, nachzulesen in den Agenturen,
zeugen von einer großen Hoffnung, dass die enormen Dif-
ferenzen zwischen den Stämmen mit dem heutigen Tag
überwunden werden können.
Eine gesellschaftliche und politische Ordnung, die der
afghanischen Bevölkerung als von außen aufgezwungen
erscheint, wird nie die Akzeptanz und das Vertrauen der
Menschen gewinnen. Das ist eine Lehre der Geschichte,
und zwar nicht nur in Afghanistan. Es kann aber ebenso
kein Zweifel daran bestehen, dass die afghanische Bevöl-
kerung auf dem in Bonn skizzierten Weg die Unterstüt-
zung und die Solidarität der internationalen Staaten-
gemeinschaft benötigt.
Es wäre ein unverzeihlicher Fehler der internationalen
Gemeinschaft, heute erneut den Blick von Afghanistan
abzuwenden, nur weil die Schreckensherrschaft der Tali-
ban zum Glück beendet werden konnte. Die Beispiele
Bosnien, Kosovo und Mazedonien haben gezeigt, wie
wichtig internationales Engagement gerade nach der Be-
endigung gewaltsamer Auseinandersetzungen für den
Aufbau nachhaltig stabiler politischer Institutionen ist.
Dieser Verantwortung müssen die internationale Staaten-
gemeinschaft und auch die Bundesrepublik gerecht wer-
den. Das vom Sicherheitsrat beschlossene Mandat ist
dafür die Grundlage.
Es sind vor allem drei positive Aspekte dieses Man-
dats, die meines Erachtens besonderer Erwähnung bedür-
fen:
Erstens. Die Stationierung der UN-Schutztruppe wird
von der afghanischen Übergangsregierung unterstützt.
Damit ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass die UN-
Mission in enger Kooperation mit den maßgeblichen
Kräften in Afghanistan auf das gemeinsame Ziel einer
friedlichen und stabilen Ordnung hinarbeiten kann. Damit
ist auch die Bedingung dafür erfüllt, dass die internatio-
nale Präsenz in Afghanistan die Akzeptanz der dortigen
Bevölkerung findet.
Zweitens. Das Mandat erlaubt es den Soldaten, zur
Selbstverteidigung Gebrauch von ihren Waffen zu ma-
chen. Damit entspricht der Beschluss des Sicherheitsrats
der Auffassung der Bundesregierung und unserer Auffas-
sung, dass nur ein solches robustes Mandat die größt-
mögliche Sicherheit der Soldaten gewährleisten und die
Erfolgsaussichten der Friedensmission maximieren kann.
Drittens. Schließlich wahrt das Mandat wir halten das
für besonders wichtig die organisatorische Trennung
zwischen der UN-Mission und der Operation Endu-
ring Freedom.
Eine Vermengung der unterschiedlichen Ziele und der
Mittel der höchst unterschiedlichen Maßnahmen auf der
einen Seite ein Beitrag zur Stabilisierung und zur Sicher-
heit der afghanischen Übergangsregierung, auf der ande-
ren Seite das militärische Vorgehen gegen das al-Qaida-
Netzwerk und die Taliban hätte letztendlich beiden
Zielen geschadet. Die Akzeptanz und die Legitimation der
UN-Friedensmission hätte gelitten und die Autorität der
UNO als neutraler Agent der Weltgemeinschaft hätte
langfristig Schaden genommen. Es ist deshalb außeror-
dentlich zu begrüßen, dass es nicht zuletzt dank des En-
gagements der Bundesregierung gelang, die Trennung
zwischen Enduring Freedom und der UN-Mission im
Beschluss des Sicherheitsrats zu verankern.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Entsendung
einer UN-Schutztruppe nach Afghanistan auf der Grund-
lage des vom Sicherheitsrat erteilten Mandats einen wich-
tigen Beitrag zur Stabilisierung Afghanistans leisten wird.
Eine Beteiligung der Bundesrepublik an dieser Mission
ist ein Gebot unserer Verantwortung in der internationa-
len Staatengemeinschaft unter dem Dach der UNO. Dabei
muss aber jedem bewusst sein, dass die Entsendung einer
UN-Schutztruppe Risiken und Gefahren für die Soldaten
birgt so richtig und wichtig eine solche Entsendung auch
ist. Der Illusion eines risikofreien Einsatzes von Soldaten
sollte sich grundsätzlich niemand hingeben.
Umso mehr danken wir den Soldaten für ihre Bereit-
schaft, den Einsatz in Afghanistan wahrzunehmen. Wir
danken auch den Soldaten, die derzeit ihren Dienst auf
dem Balkan leisten, in Respekt und Achtung vor diesem
Dienst, der in unserem Interesse, aber auch im Interesse
der dortigen Bevölkerung nach jahrelangen gewaltsamen
Auseinandersetzungen liegt.
Danke schön.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Ulrich Irmer, FDP-Fraktion.
Herr Struck, das kann ich Ihnen
beantworten: Herr Westerwelle hat sich bemüht, hierher
zu kommen. Er ist wegen der widrigen Witterungsver-
hältnisse nicht hierher gekommen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Rezzo Schlauch
20836
Meine Damen und Herren, es war ja höchst herzerfri-
schend, dass wir gerade noch einmal die Rede eines Frak-
tionsmitglieds der Grünen hören konnten, nachdem bisher
in außenpolitischen Fragen von der Ministerpartei Die
Grünen nur noch Herr Fischer zu vernehmen war.
Es ist natürlich besonders schön, dass das sogar der Frak-
tionsvorsitzende der Grünen Mister Hose getan hat,
wie ich mir zu sagen erlaube, nachdem er ja hier das an-
geblich schwäbisch gefärbte Englisch unseres früheren
Außenministers kritisiert hat.
Meine Damen und Herren, es geht um Afghanistan.
Mit Absicht und mit Recht ist das Mandat des UN-Si-
cherheitsrats eng begrenzt. Es ist darauf begrenzt, die
Umgebung von Kabul und die Stadt selbst zu schützen
und dort der Interimsregierung, die heute ihr schweres
Amt antritt, dabei Beistand zu leisten, dass sie nicht durch
Wirrnisse und Kämpfer aus den eigenen Reihen an ihrer
Tätigkeit gehindert wird. Das Mandat ist weiterhin auf
sechs Monate begrenzt und auf höchstens 5 000 Soldaten,
wie wir heute gehört haben. Jedermann weiß natürlich,
dass auf diese Weise und unter diesen Bedingungen der
Friede in Afghanistan durch militärische Kräfte von
außen nicht hergestellt werden kann. Diese Grundidee ist
richtig ich wiederhole es noch einmal , denn den Frie-
den, die Ordnung und die Sicherheit sowie eine Zukunft
in Afghanistan für Afghanistan herzustellen kann allein
Aufgabe des afghanischen Volkes selbst sein.
Die internationale Gemeinschaft wäre überfordert, wenn
sie sich vermessen wollte, dieses auch nur in Angriff zu
nehmen.
Gleichwohl müssen wir uns darüber im Klaren sein:
Die Gefahren für das Land und seine Zukunft lauern nicht
nur in der Hauptstadt. Wir kennen die Geschichte des Lan-
des, wir kennen seine Zerrissenheit in unterschiedliche
ethnische Gruppen, wir kennen die Zustände vor Ort, wo
kriegserfahrene Kämpfer, Warlords und andere sich ge-
genseitig befehden und bekriegen. Es ist ja nur zu wün-
schen, dass der Petersberg-Beschluss die Auswirkung ha-
ben wird, dass diese Kämpfe jetzt ein Ende finden
werden. Niemand kann das aber garantieren.
Meine Damen und Herren, sollte die Mission, an der
wir uns ab heute beteiligen wollen, keinen Erfolg haben,
wird sich natürlich die Frage stellen: Sagt dann die inter-
nationale Gemeinschaft, wir sind mit diesem begrenzten
Auftrag gescheitert, oder entscheidet sie sich dann dafür,
doch mehr zu tun und weitere Versuche der Stabilisierung
von Afghanistan zu fördern? Gott sei Dank müssen wir
diese Frage heute nicht beantworten, weil wir alle hoffen,
dass wir einen Erfolg der Mission erleben werden. Wir
müssen aber auch die Gefahren sehen und sie auch des-
halb ernst nehmen, weil es ja unsere Soldaten sind, die wir
mit unserem heutigen Votum in die Auseinandersetzun-
gen und in die Gefahr schicken werden.
Meine Damen und Herren, auch kann ich mir schwer
vorstellen, dass der Auftrag wenn es denn hart auf hart
käme wirklich darauf begrenzt sein könnte, die Inte-
rimsregierung als eine Art Schweizergarde zu schützen.
Was wäre denn, wenn die humanitären Einsätze, die in Af-
ghanistan vollzogen werden, von den Taliban, von ma-
rodierenden Banden oder von sonst wem gefährdet wür-
den? Kann sich einer von uns vorstellen, dass unsere
Soldaten dort vor Ort wären und nicht eingreifen würden,
um diese humanitären Hilfsaktionen zu schützen? Es ist ja
durch dieses Mandat durchaus möglich, dass dies ge-
schieht. Aber ich hoffe, dass dies dann auch im Ernstfalle
angewandt werden würde.
Im Übrigen Wolfgang Gerhardt hat es heute früh für
die FDP-Fraktion angekündigt werden wir dem Antrag
der Bundesregierung zustimmen. Allerdings haben wir
speziell in einem Punkt ganz erhebliche Bedenken: Wir
halten das, was im Antrag zur Finanzierung gesagt wor-
den ist, für in hohem Maße unseriös.
Hier findet sich der lapidare Satz das muss man sich
wirklich auf der Zunge zergehen lassen : Die einsatz-
bedingten Ausgaben werden im Haushaltsjahr 2002 ... ge-
gebenenfalls durch Umschichtungen finanziert. Alle
Nachfragen gestern und heute im Auswärtigen Ausschuss
haben uns nicht weitergebracht. Ich erinnere daran, dass
der Finanzminister uns vor noch gar nicht langer Zeit er-
klärt hat, dass der Haushalt jetzt bis an die Grenzen des
Möglichen befrachtet sei. Wo sollen denn diese Um-
schichtungen herkommen? Das muss uns doch gesagt
werden. Oder ist daran gedacht, dass die Mittel, die jetzt
im Haushalt des Entwicklungsministeriums und im Haus-
halt des Auswärtigen Amtes für humanitäre Zwecke und
für strukturelle Aufbauarbeit in Afghanistan vorgesehen
sind, dann reduziert werden sollen? Das könnte ja wohl
nicht im Sinne der Sache sein.
Denn eines wollen wir doch festhalten: Ohne die
auch finanziellen Aufwendungen der internationalen
Gemeinschaft für den Wiederaufbau von Afghanistan in
der Zukunft würden alle Soldaten, die wir dort hin-
schicken, nichts nützen und das Land würde nicht wieder
von sich aus auf die Füße kommen.
Meine Damen und Herren, heute früh ist vom Bundes-
kanzler mit Freude darauf hingewiesen worden ich teile
seine Genugtuung darüber , dass dem deutschen Kontin-
gent auch niederländische und dänische Soldaten an-
gehören werden. Dies ist ein vernünftiger Einstieg. Aber,
Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, das ersetzt
doch bei weitem nicht das Fehlen des europäischen und
des NATO-Ansatzes in diesen Fragen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Ulrich Irmer
20837
Wir erleben hier, dass wiederum allein national gehan-
delt wird. Da beschwören wir, da machen wir Pläne und
da bekräftigen wir in Laeken und auf sonstigen Konfe-
renzen, dass wir nichts Dringenderes benötigen als eine
gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik. Aber was geschieht jetzt, wo es konkret
wird und wo dies vielleicht möglich gewesen wäre?
Wiederum kommt es nur zu nationalen Alleingängen.
Ich kritisiere gar nicht, dass die Bundesregierung das
vielleicht in den wenigen Tagen, die jetzt zur Verfügung
standen, nicht geschafft hat. Aber, meine Damen und Her-
ren, die Briten haben ausdrücklich erklärt, dass sie ihr
Führungsmandat nur für die ersten Monate ausüben wer-
den. Es ist heute schon viel davon die Rede gewesen, dass
dann eine neue Entscheidung getroffen werden muss.
Machen das dann die Türken, machen das die Deutschen
oder wer macht das?
Ich fordere die Bundesregierung auf, sich in den nächs-
ten drei Monaten mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass
es möglich wird, das Führungsmandat dann auf die Euro-
päische Union oder auf die NATO zu übertragen, damit
wir nicht wieder darauf angewiesen sind zu bitten und zu
betteln, dass eine Nation dies alleine übernimmt.
Meine Damen und Herren, damit bin ich bei einem oh-
nehin etwas traurigen Kapitel, nämlich bei dem Zustand
der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsgemein-
schaft. In wenigen Tagen werden wir den Euro als unsere
neue Währung einführen. Das ist ein Riesenerfolg und ein
Riesendurchbruch, von dem vor zehn Jahren noch nie-
mand zu träumen gewagt hätte. Wenn es aber um Sicher-
heits- und Verteidigungsfragen und um die Außenpolitik
geht, dann hinken wir hinterher wie zu Zeiten des Post-
kutschenföderalismus vergangener Zeiten.
Es ist vorhin darauf hingewiesen worden, dass wir in
der Außenpolitik hauptsächlich mit Militäreinsätzen tätig
werden. Herr Fischer, Sie nicken zustimmend. Das finde
ich nett. Sie haben noch vor wenigen Jahren der alten
Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen vor-
geworfen, sie betrieben die Militarisierung der deut-
schen Außenpolitik.
Wann immer wir in den letzten Monaten außenpolitische
Debatten geführt haben, ging es meistens um die Entsen-
dung der Bundeswehr ins Ausland. Es gab allein in den
letzten vier Monaten vier solcher Entscheidungen. Ich
werfe Ihnen jetzt nicht meinerseits vor, Sie betrieben die
Militarisierung deutscher Außenpolitik. Was ich aber ver-
misse, ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept, das Sie
uns vielleicht einmal hätten vorlegen können.
Dieses Konzept fehlt an allen Ecken und Enden. Ich habe
den Eindruck, dass Sie nicht ungeschickt immer spon-
tan auf Notwendigkeiten reagieren, die sich ad hoc erge-
ben.
Ich will noch einmal auf diese vier Entsendeentschei-
dungen zurückkommen, die wir in den letzten vier Mona-
ten zu treffen hatten. Da gibt es ja nun nicht, wie manche
in Ihren Reihen meinen, die guten Entscheidungen und
die bösen Entscheidungen. Ich sage Ihnen dazu: Die guten
Entscheidungen auch die heute anstehende wird von Ih-
nen so betrachtet wären manchmal nicht möglich ohne
die vorangegangenen bösen Entscheidungen.
Hier gibt es übrigens eine deutliche Parallele zwischen
Mazedonien und Afghanistan. Wir hätten den Beschluss,
dass Deutschland als Führungsnation im Rahmen der
NATO-Mission Soldaten nach Mazedonien schickt, um dort
den zivilen Wiederaufbau zu schützen, nicht treffen können,
wenn nicht vorher hier das Mandat erteilt worden wäre, die
Bundeswehr auch zum Waffeneinsammeln nach Mazedo-
nien zu schicken. Dazu hatten Sie keine eigene Mehrheit.
Sie haben die Arbeit uns, der Opposition, überlassen.
Ich freue mich ohnehin, den Vereinten Nationen, der
NATO und allen unseren Bündnispartnern sagen zu kön-
nen: Auf die deutsche Opposition ist natürlich Verlass.
Wenn ich hier von deutscher Opposition spreche, nehme
ich die PDS aus. Es ist schon außerordentlich verwunder-
lich, Herr Struck, dass Sie sich zwar vorher mit der PDS
auseinander gesetzt haben so weit bin ich damit einver-
standen , ohne aber zu erwähnen, dass sich Ihre Partei
zur gleichen Zeit ausgerechnet in Berlin mit ihr ins Bett
legt, obwohl die Vorgängerpartei, die SED, durch Berlin
die Mauer gezogen hat. Darauf müssen Sie uns noch eine
Antwort geben.
Lassen Sie mich schließen mit einem guten Wunsch an
unsere Soldaten und deren Familien. Wir hoffen alle, dass
die Soldaten wohlbehalten heimkehren.
Ein allerletzter Wunsch: Der Beschluss, den wir heute
fassen werden, soll dazu beitragen, dass wir einen kleinen
Schritt dem näher kommen, was die Botschaft dieser lei-
der vielfach sinnentleerten Weihnachtstage sein sollte:
Friede auf Erden.
Ich danke Ihnen.
Nun erteile ich dem
Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht gerade das Ge-
fühl, dass ich mit irgendjemandem im Bett liege. Ich muss
aber zugeben, dass es eine verführerische Alternative zu
dem wäre, was hier abläuft.
Man kann ja einmal darüber nachdenken.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Ulrich Irmer
20838
Wir sollten uns ernsthaft damit auseinander setzen das
ist der Gegenstand der Diskussion in meiner Fraktion ,
wie rasch Hilfe für das afghanische Volk erfolgen kann, für
ein Volk, das von Kriegen und Grausamkeiten geschunden
ist, für ein Volk, das militärische Interventionen sei es
von Großbritannien als Kolonialmacht, sei es von der
Sowjetunion oder sei es von den Amerikanern über sich
ergehen lassen musste, für ein Volk, auf das Bomben und
Raketen abgeworfen worden sind und das von örtlichen
Kriegsherren, von Fanatikern und von Mörderbanden
ausgeplündert worden ist. Das ist unsere Zielsetzung. Wir
glauben, dass es nicht so geht, wie es von der Mehrheit
hier vorgeschlagen wird.
Ich hoffe das will ich hinzufügen , dass wir mit un-
serer Auffassung Unrecht behalten. Ich befürchte aber,
dass sie richtig sein wird. Gern würde ich im Interesse des
afghanischen Volkes bezüglich meiner Prognosen Un-
recht behalten.
Wir haben einen anderen Weg vorgeschlagen die Be-
endigung des Krieges in Afghanistan ist dabei für uns die
Voraussetzung : eine UNO-Mission nach Kap. VI der
Satzung der Vereinten Nationen. Das hat nichts mit einem
robusten oder weniger robusten Einsatz zu tun; auch eine
Mission gemäß Kap. VI kann robust sein. Wir haben vor-
geschlagen, rasch humanitäre Hilfe zu leisten und die Ver-
sorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Das ist dringend notwendig. Wir haben eine Unterstüt-
zung bei der Minenräumung und beim Aufbau einer zivi-
len Verwaltung vorgeschlagen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Be-
merkung zu dem machen, was Kollege Struck hier gesagt
hat; Kollege Irmer hat in diesem Zusammenhang noch
draufgesattelt. Ich setze mich gern mit Geschichtsfragen,
die mich und meine Fraktion betreffen, auseinander; aber
nur dann, wenn sie nicht platt gestellt werden. Heute will
ich jedoch von der Plattheit absehen. Natürlich ist es be-
rechtigt, uns immer wieder zu fragen, was wir zu be-
stimmten Positionen gesagt und was wir in diesem Fall
getan haben. Ich gehöre zu denjenigen, die die sowjeti-
sche Intervention in Afghanistan gerechtfertigt haben.
Dies habe ich aber mit den gleichen schlechten Argumen-
ten gemacht, wie ihr das heute tut.
Auch ich habe damals von dem Unsinn des Kampfes ge-
gen den Terror und gegen Banditengruppen und von der
Beförderung des kulturellen Fortschritts gefaselt.
Diese Argumente waren damals schlecht und sie sind
heute nicht besser geworden.
Ich sehe nicht ein, warum man sich heute davon abset-
zen muss, Schwerter zu Pflugscharen umformen zu wol-
len. Ich kann euch ja einmal vorlesen, was in eurem Pro-
gramm steht. Wir alle wollten das einmal. Daran sollten
wir festhalten. Ihr macht es nicht!
Nun spreche ich einmal die Kolleginnen und Kollegen
an, die wie ich als Linke aus dem Westen stammen man
kennt sich ja untereinander : Seid einmal weniger laut
und legt zugrunde, was wir und ihr ich schaue dabei die
Grünen und einen Teil der Sozialdemokraten an damals
geschrieben haben! Das wäre nicht weniger unmenschlich
und inhuman geworden als das, was im Osten Praxis war.
Nehmt euch einmal ein Stück zurück! Auch gedachte Un-
taten bleiben Untaten! Auch dazu sollte man stehen.
Für mich ist die entscheidende Frage, ob das VN-
Mandat den Bruch mit der Logik des Krieges darstellt
oder ob es im Gegenteil auf der Logik des Krieges beruht.
Es war interessant, zu hören, was der Herr Bundeskanzler
in seiner Erklärung dazu gesagt hat. Er hat das VN-Man-
dat aus dem Krieg heraus entwickelt und beides mitei-
nander verbunden. Ich halte die Logik, dass man durch
das Führen eines Krieges zu einem solchen Ergebnis
kommt, für fatal. Ich möchte, dass künftige UN-Missio-
nen von Kriegen abgesetzt werden, dass sie das Gegenteil
von Krieg darstellen und dass es um zivile Lösungen geht.
Hier liegen unsere Probleme mit dem Mandat selber.
Für die Öffentlichkeit sei gesagt die Kolleginnen und
Kollegen hier sollten es wissen : Dies ist keine UNO-
Mission, sondern eine Mandatierung der UNO für eine
Staatengruppe. Das ist einfach ein Unterschied.
Großbritannien ist aus meiner Sicht ob seiner kolonia-
len Geschichte und seiner Verwicklung in den Krieg als
Leitnation ungeeignet. Großbritannien tritt zweifach in
Erscheinung: als Kriegspartei und als Teil der UNO-Mis-
sion.
In der Türkeifrage da muss ich dem Kollegen Rühe
Recht geben; wo er Recht hat, hat er Recht wird die Re-
gierung beantworten müssen, wie sie künftig ihre Position
zur Türkei gestalten wird, wenn die Türkei ihre lead na-
tion in Afghanistan sein wird.
Auch Folgendes werden Sie beantworten müssen:
Wenn Sie die Bundeswehr so einsetzen, wie Sie sie ein-
setzen, dann ist sie wirklich unterfinanziert. Ich will sie
nicht so einsetzen; aber um die Beantwortung dieser
Frage kommen Sie nicht herum. In mindestens einem hal-
ben Jahr werden Sie in der Türkeifrage und auch in ande-
ren diesbezüglichen Fragen Farbe bekennen müssen.
Weiterhin ist festzuhalten, dass der Kampfeinsatz der
USA in Afghanistan und die dortige UNO-mandatierte
Truppe das Herumgerede hilft ja nicht weiter doch
miteinander verbunden sind. Wenn man die Texte genau
durchliest, so stellt man fest, dass im Konfliktfall letzt-
endlich die USA die Entscheidung treffen. Täuschen Sie
die Öffentlichkeit doch nicht, wenn Sie das befürworten!
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Wolfgang Gehrcke
20839
Stellen Sie sich zu solchen Positionen und sagen Sie deut-
lich, wie es sein wird!
Ich habe allergrößte Bedenken gegen ein Mandat nach
Kap. VII.
Ich will mich mit einer weiteren Frage auseinander set-
zen. Die humanitäre Hilfe ist nicht Gegenstand des Man-
dates. Das muss hier deutlich gesagt werden. Das Mandat
dient zur Unterstützung, zur Assistenz und zur Sicherung
der neuen Verwaltung. Da kann es vielleicht einen Sinn
machen. Aber Sie werden Fragen beantworten müssen.
Was passiert, wenn die Scharia die Rechtsordnung bleibt
und in Kabul und in ganz Afghanistan Hinrichtungen statt-
finden? Dann hätten Sie kein Mandat, um unmittelbar ein-
zugreifen. Was passiert, wenn die Differenzen zwischen
Großbritannien, Frankreich, den USA und auch Deutsch-
land das sind ja keine Kleinigkeiten größer werden?
Lassen Sie mich noch eine Frage hinzufügen, die Sie
heute fairerweise hätten beantworten müssen.
Man kann Afghanistan nur im Gesamtzusammenhang se-
hen. Sie hätten heute sagen müssen, wie es mit weiteren
militärischen Einsätzen aussieht; diese Frage ist oftmals
aufgeworfen worden und steht damit in Zusammenhang.
Da Sie das nicht tun, gibt es nur zwei Antworten. Entwe-
der Sie wissen nichts das spräche nicht gerade für Part-
nerschaft; aber das kann ja so sein , oder Sie sagen nichts,
weil Sie den Eindruck, dass die Wahrheit scheibchen-
weise verabreicht wird, vermeiden wollen: Die uneinge-
schränkte Solidarität führte zum Beschluss der NATO
über den Bündnisfall. Die NATO wurde danach gar nicht
mehr gefragt, aber das ist nicht mein Problem. Dann kam
der Beschluss des Bundestages, für die Aktion der USA
2 900 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wo sind die ei-
gentlich stationiert? Wo sind sie geblieben? Darüber redet
keiner. Sind sie schon in Afghanistan? Sind sie in Soma-
lia oder in Kuwait? Wo sind sie denn? Ich möchte endlich
Antworten darauf haben, wo diese Soldaten sind.
Jetzt sollen 1 200 Soldaten für den UNO-Einsatz zur
Verfügung gestellt werden. Zum gleichen Zeitpunkt sagt
der Verteidigungsminister zu Somalia, es gehe nicht mehr
um die Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wann
und mit welchen Mitteln. Das ist die Verknüpfung zwi-
schen Kriegsaktion und Friedensmission. Die genau wol-
len wir nicht. Sie aber nehmen sie vor bzw. laufen Gefahr,
sie vorzunehmen. Deswegen haben wir uns zu einem Nein
entschieden, was wir unter uns kritisch genug und auch in
der Öffentlichkeit diskutiert haben.
Ich erteile das Wort
Bundesminister Rudolf Scharping.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein erstes
Wort richtet sich an die Angehörigen der Bundeswehrsol-
daten und an jene 7 500 Soldaten, die auf dem Balkan für
Frieden und Stabilität sorgen, die Weihnachten und den
Jahreswechsel getrennt von ihren Familien verbringen
werden und die diesen Dienst leisten, weil er den Interes-
sen unseres Landes entspricht und weil wir in Europa mit-
hilfe der Bundeswehr im Rahmen einer klugen Gesamt-
politik einen unverzichtbaren Beitrag für Frieden und
stabile Entwicklung gewährleisten.
Dieses Wort richtet sich aber nicht nur an jene
7 500 Soldaten, die zurzeit auf dem Balkan stationiert
sind, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger unse-
res Landes sowie an die Mitglieder des Deutschen Bun-
destages.
Wir sollten bei allen diesen Entscheidungen nicht über-
sehen, dass in der gegenwärtigen Situation von den etwa
210 000 Berufs- und Zeitsoldaten und jenen, die freiwil-
lig länger Wehrdienst leisten, über 60 000 für internatio-
nale Einsätze fest eingeplant oder direkt für sie engagiert
sind. Das bedeutet, dass wir fast 30 Prozent jener, die
dafür zur Verfügung stehen, für solche Einsätze politisch
und vor allen Dingen persönlich auch mit Blick auf de-
ren Familien unmittelbar beanspruchen.
Das sagt zugleich, dass wir bei unseren politischen
Entscheidungen einen sehr strengen und klaren Maßstab
anlegen müssen, wenn wir solche Entscheidungen treffen,
und zwar nicht nur einen außen- und sicherheitspoliti-
schen, sondern auch einen, der mit den Fähigkeiten der
Bundeswehr und der in der Bundeswehr engagierten
Menschen zu tun hat. Es wird wohl so sein, dass wir im
Zusammenhang mit Afghanistan gewährleisten können,
dass diejenigen, die in einer 48-Stunden-Bereitschaft ste-
hen, die Weihnachtstage noch bei ihren Familien verbrin-
gen werden. Das gilt dann wahrscheinlich in dieser um-
fassenden und sicheren Form für den Jahreswechsel nicht
mehr.
Der Einsatz, über den wir heute entscheiden das ist
hier gesagt worden , ist mittlerweile der vierte innerhalb
von nur vier Monaten. Es ist ein Einsatz auf der Grund-
lage von Kap. VII der Charta der Vereinten Nationen.
Das wollten wir so. Das ist auch notwendig. Es ist ein Ein-
satz, der nur deshalb möglich wird darin stimme ich dem
Kollegen Rühe und anderen ausdrücklich zu , weil es zu-
vor einen ebenso entschlossenen wie zielorientierten mi-
litärischen Einsatz gegeben hat. Alles, worüber wir jetzt
gemeinsam im Sinne von Fortschritt, Herausforderung
und Chancen in Afghanistan reden, ist nur möglich ge-
worden, weil es den entschlossenen Kampf gegen Terro-
risten und Taliban gegeben hat. Dieser Kampf das
muss man ebenso deutlich hinzufügen wird noch län-
gere Zeit andauern: in Afghanistan, auf verschiedenen po-
litischen Ebenen, unter Nutzung verschiedenster Fähig-
keiten, an verschiedenen Orten.
Vor diesem Hintergrund und weil in Afghanistan Auf-
trag und Fähigkeiten getrennt sind, aber auf dem Terri-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Wolfgang Gehrcke
20840
torium desselben Staates selbst bei großer räumlicher Ent-
fernung in Kabul und Umgebung Sicherheit gewährleistet
werden soll, während andernorts gegen Terroristen und
Taliban vorgegangen wird, bedarf es nicht nur einer kla-
ren Trennung, wie wir sie wollten und wie sie gewähr-
leistet ist, sondern auch einer engen Koordination.
Weil ich vermute, dass viele Außenstehende das nicht
so gut nachvollziehen können, will ich an einem einzigen
Beispiel erläutern, warum das politisch in Ordnung, sach-
lich sinnvoll und operativ unverzichtbar ist.
Beim Zugang zu Kabul sind wir in Afghanistan unver-
zichtbar darauf angewiesen, dass es eine gemeinsame
Luftraumüberwachung und eine Koordination beim Luft-
transport gibt. Übrigens für den Fall, dass sich angesichts
des Risikospektrums, über das wir in den Ausschüssen
sorgfältig geredet haben, alles wesentlich ungünstiger
entwickelt: Wenn für diese Sicherheitsunterstützung mi-
litärische Unterstützung notwendig werden sollte, dann
sind das alles Hinweise darauf, dass ohne enge Koordina-
tion mit den Vereinigten Staaten und ohne zuverlässige
Unterstützung durch die Vereinigten Staaten gar nicht das
zu bewältigen wäre, was wir uns jetzt in der gemeinsamen
Truppe vorgenommen haben.
Ich will einige Worte im Zusammenhang mit Bemer-
kungen sagen, wie sie hier mit Blick auf die Vereinten
Nationen, die Nichtregierungsorganisationen und andere
gefallen sind. Es ist richtig, dass wir von einer
Unterstützungsleistung sprechen. Es ist genauso richtig,
dass diese Unterstützungsleistung auf den Raum Kabul
und Umgebung begrenzt ist und begrenzt bleiben muss.
Das bedeutet zugleich die schmerzliche Einsicht, dass wir
nicht die Fähigkeit haben Deutschland, Europa und die
internationale Staatengemeinschaft insgesamt haben
nicht die Fähigkeit , in Afghanistan für Sicherheit zu sor-
gen.
Wir bräuchten über 300 000 Soldaten, um nur die
größeren Städte und die Verbindung zwischen diesen
Städten wirksam zu sichern.
Im Übrigen wäre diese Anforderung, die auch auf die
Arbeit der Nichtregierungsorganisationen einen gewissen
Einfluss hat, ein Widerspruch zum Petersberg-Abkom-
men und zu der Sicherheitsratsresolution, die auf dem
Petersberg-Abkommen aufbaut. Ganz anders als auf
dem Balkan appelliert sie bewusst an die Fähigkeit der
Stämme, der Volksgruppen, der Clans und der politischen
Führer in Afghanistan, den Weg dieses Landes in die ei-
genen Hände zu nehmen, und zwar von Anfang an, anstatt
die Autorität dieser Regierung auf auswärtige Präsenz zu
bauen.
In diesem Zusammenhang ist genauso nüchtern darauf
hinzuweisen, dass die Bereitschaft Großbritanniens,
die Führung zu übernehmen, von der Bundesregierung
nicht nur begrüßt wird. Das tun wir, aber es kommt noch
etwas anderes hinzu: Wir müssen im Lichte der Erfah-
rungen, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben
und möglicherweise in den nächsten Wochen und Mona-
ten noch sammeln werden, sehr genau darauf schauen, ob
es für die Fortführung der Operationen ich rede jetzt
nicht von diesem Mandat und für mögliche künftige
Entscheidungen nicht doch mehr Sinn macht, wieder stär-
ker auf integrierte Stäbe und Fähigkeiten, auf integrierte
bewährte Verfahren der multinationalen Zusammen-
arbeit zurückzugreifen, als das in diesem Fall, aus wel-
chen Gründen auch immer, möglich war.
Ich sage das auch deshalb, weil unbeschadet der De-
batten, die wir hier führen mit all diesen Entscheidun-
gen auch gewisse Weichenstellungen hinsichtlich der
Frage vorgenommen werden, wie wir das Verständnis von
gemeinsamer Sicherheit und ihrer multinationalen Ge-
währleistung in Zukunft in operative Fähigkeiten umset-
zen wollen. Der größte Vorteil der NATO ist, dass sie
diese Fähigkeiten hat, dass diese eingeübt sind und
dass es ein enormes Maß an politischem Vertrauen in die
Fähigkeiten der NATO gibt. Das ist etwas, was wir in
Europa und im Rahmen der ESVP noch entwickeln müs-
sen.
In diesen Zusammenhang gehört die Frage, ob die
Bundesrepublik Deutschland die Lead-Funktion hätte
übernehmen können oder für die Zukunft übernehmen
soll. Ich rate davon ab, so zu tun, als habe man schon die
Fähigkeiten, die man in Zukunft erst erwerben will. Wir
haben das Einsatzführungskommando der Bundeswehr
rund acht Monate früher in Funktion gebracht, als das
ursprünglich beabsichtigt war. Das hat mit Enduring
Freedom also dem Kampf gegen den internationalen
Terrorismus zu tun. Die Bundesrepublik Deutschland
verfügt aber noch nicht über die Führungsstrukturen, die
Führungsmittel und die Unterstützungsmittel, die man
braucht, um einen solchen multinationalen Einsatz über
eine so große Entfernung und über möglicherweise län-
gere Dauer zu führen. Das ist eine ganz nüchterne realis-
tische Einsicht. Das darf uns aber nicht davon abhalten,
die notwendigen Fähigkeiten rasch zu erwerben. Dazu
dienen auch die 1,5 Milliarden DM aus dem Antiterror-
paket der Bundesregierung. Diese Mittel stehen der
Bundeswehr dauerhaft zur Verfügung. Das ist wichtig für
die Bundeswehr und für die Verbesserung der äußeren
Sicherheit unseres Landes sowie seiner Partner.
Es ist ganz klar, dass wir diese 1,5 Milliarden DM für
Maßnahmen im Zusammenhang mit Enduring Freedom
verwenden. Für die Maßnahmen, die wir hoffentlich jetzt
mit großer Mehrheit beschließen werden, haben wir
300 Millionen DM eingeplant. Alles andere muss auf an-
dere Weise aufgebracht werden.
Ich sage das auch mit Blick auf einen Umstand, den ich
nicht zu übersehen bitte: Wir haben nicht den Ergeiz,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
20841
diese Obergrenze auszuschöpfen. Das ergibt sich aus un-
serer engen Zusammenarbeit mit den Niederlanden und
anderen europäischen Ländern, mit denen wir über diese
Frage zurzeit noch im Gespräch sind. Damit wollen wir
deutlich machen, dass eine multinationale Zusammen-
arbeit von Deutschland als Prinzip akzeptiert und im All-
tag angewandt wird. Wir haben auch hinsichtlich der
Dauer des Einsatzes nicht den Ehrgeiz, die Obergrenze
auszuschöpfen. Ich sage das, um auf die Angehörigen
der Bundeswehr zurückzukommen, sozusagen als Leit-
planke.
Die Verpflichtungen, die wir mit unserem internationa-
len Engagement zur Sicherung von Frieden und Stabi-
lität eingegangen sind auf dem Balkan oder in der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus , dürfen
durch neue Engagements nicht in Gefahr gebracht wer-
den. Unsere übernommenen Verpflichtungen müssen ein-
gehalten werden. Das ist auch eine Frage der Zuverläs-
sigkeit und der politischen Glaubwürdigkeit.
Mit Blick auf die Motivation in der Bundeswehr müs-
sen die Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen so-
wie die Qualität der Nachwuchswerbung und Nach-
wuchsgewinnung sichergestellt werden. Die Erfolge, die
mit der Erneuerung der Bundeswehr erreicht worden sind,
dürfen nicht in Gefahr gebracht werden.
Herr Kollege Rühe, auch wenn es sich vielleicht etwas
unweihnachtlich anhört, schließe ich noch eine Bemer-
kung an: Wenn die Zuverlässigkeit der mittelfristigen Fi-
nanzplanung unserer Vorgängerregierung der Maßstab für
solche Rechnungen, wie Sie sie aufgemacht haben, sein
soll, dann würde ich sagen, wir sollten uns für die Zukunft
eher Grimms Märchenbuch als Maßstab für die Zuverläs-
sigkeit nehmen, denn nicht eine einzige Ihrer mittelfris-
tigen Finanzplanungen haben Sie eingehalten, und das
war zum Schaden der Bundeswehr.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Paul Breuer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Das ist der fünfte Einsatzbeschluss, den
der Deutsche Bundestag in diesem Jahr 2001 zu fassen ge-
denkt. Am Anfang dieses Jahres 2001 hätte sicher die
große Mehrheit dieses Hauses diesen Verlauf des Jahres
nicht für wahrscheinlich gehalten. Das zu erkennen ist
eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich zu überlegen,
wie die Sicherheitspolitik und der Umgang mit den Streit-
kräften aussehen müssen. In der Sicherheitspolitik und
beim Umgang mit den Streitkräften gilt es immer ein
ganzes Stück Vorsorge zu betreiben.
Meine Damen und Herren Kollegen, wenn wir Ein-
satzbeschlüsse fassen, dann darf das nicht zur Routine
werden. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das ge-
schieht. Wir müssen uns immer wieder der Vorsorge und
der Sicherheit widmen und Risiken so weit wie möglich
vermeiden.
Soldaten der Bundeswehr, die in Einsätzen sind, sagen
oftmals: Ein Problem für uns ist nicht nur, dass wir ein
halbes Jahr in den Einsatz gehen. Das ist schwer genug;
manche Familie hat riesige Probleme; manche Ehe schei-
tert angesichts der Belastungen. Nein, eine Belastung ist
auch, dass unsere Nachbarn und die anderen in dieser
Friedensgesellschaft absolut kein Verständnis für die Be-
lastungen aufbringen, die auf unsere Familien und uns
persönlich einströmen.
Ein Jugendoffizier der Bundeswehr hat in seinem Jah-
resbericht für 2000 geschrieben, dass die Jugendlichen
besser darüber informiert seien, was im Big Brother-
Container geschieht, als darüber, dass Soldaten der Bun-
deswehr in Containern in Bosnien oder im Kosovo unter-
gebracht sind.
Wenn wir heute einen Einsatzbeschluss für Afghanistan
fassen, dann muss uns bewusst sein, dass das Weih-
nachtsfest nicht nur für die Familien der Soldaten, die
auf dem Balkan eingesetzt sind, sondern auch für die Fa-
milien derjenigen, die innerhalb der kommenden vier oder
sechs Wochen nach Afghanistan gehen, kein normales
Weihnachtsfest ist. Sie tun das für uns. Der Deutsche Bun-
destag muss zum Ausdruck bringen, dass er ihnen alles
Vertrauen und alle Unterstützung mit auf den Weg gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gefahren und Risi-
ken gibt es in Afghanistan genügend. Uns allen ist klar,
dass dies ein nicht nur geographisch-topographisch zer-
klüftetes Land ist. Es ist ein Land mit vielen politisch-
ethnischen Klippen und Gefahren. Das, was sich in den
letzten Jahrzehnten dort abgespielt hat, kann da darf es
keine Illusionen geben nicht innerhalb von wenigen Jah-
ren und schon gar nicht innerhalb von sechs Monaten ei-
nes Bundeswehreinsatzes bekämpft werden.
Dem entsprechen die Risiken für unsere Soldaten. Uns
muss bewusst sein: Wir schicken deutsche Soldaten in ein
Umfeld, in dem es Risiken für Leib und Leben gibt. Hinzu
kommt: Wir schicken deutsche Soldaten in ein Umfeld, aus
dem wir sie, wenn ein Notfall eintritt, wenn sie in
Bedrängnis kommen, nicht mit deutschen Mitteln, mit Mit-
teln der Bundeswehr, retten können. Wir sind auf die Un-
terstützung der Vereinigten Staaten von Amerika ange-
wiesen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auf die
Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Streitkräfte ver-
trauen können. Es ist aber schon notwendig, dass wir hier
feststellen, dass diese Risiken vorhanden sind und dass die-
ses Vertrauen notwendig ist. Dieses Vertrauen steht letztlich
in Verbindung mit dem, was wir Solidarität gegenüber den
Vereinigten Staaten von Amerika genannt haben.
Die Gefahren für unsere Truppen in Afghanistan haben
aber auch etwas damit zu tun, dass wir über eine Frage gar
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
20842
nicht diskutieren können: Das ist die Frage, ob nicht die
Ausstattung der deutschen Streitkräfte womöglich et-
was schwerer sein könnte. Könnte es mehr Panzerschutz
geben? Wir können hier nur sehr begrenzt darüber disku-
tieren, weil wir zum Beispiel die Lufttransportmittel, die
dafür notwendig sind, deutsche Panzer nach Afghanistan
zu transportieren, nicht besitzen. Nun hängt es sicherlich
mit der Geschichte der Bundeswehr und mit den Sicher-
heitsrisiken aus der Vergangenheit im Ost-West-Konflikt
zusammen, dass wir die Transportflugzeuge heute nicht
besitzen. Aber dann, liebe Kolleginnen und Kollegen,
muss man darauf hinweisen, dass wir uns dringend darum
bemühen müssen,
dass die Bundeswehr morgen die Ausstattung dafür be-
sitzt und neue Flugzeuge bekommt.
Wenn Sie, Herr Kollege Erler, sagen: Machen wir
doch, dann will ich Ihnen eines sagen: Es sollte Ihnen
sehr zu denken geben, dass der Verteidigungsminister
zwar 73 dieser Flugzeuge bestellt hat, im Hinblick auf die
Verpflichtungsermächtigung, die dieses Parlament ihm
eingeräumt hat, aber nur die Hälfte finanzieren kann.
Das ist skandalös, Herr Kollege Erler.
Sie haben in der Haushaltsabstimmung zum Haushalt
2002 vor wenigen Wochen einem Antrag der CDU/CSU
die Zustimmung verweigert, der exakt zum Inhalt hatte,
dem Verteidigungsminister die Möglichkeit zu geben,
tatsächlich voll finanziert die 73 Flugzeuge zu bestellen.
Das heißt, das, was wir hier im Hinblick auf die Finan-
zierung der Bundeswehr sagen, ist nicht irgendeine oppo-
sitionelle Attitüde; es ist das, was notwendig ist, um der
gewachsenen Verantwortung Deutschlands in der Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik tatsächlich mit unserer
Bundeswehr gerecht werden zu können.
Wir haben in dem Entschließungsantrag, auf den ich
Sie hinweisen möchte, aber auch eine andere Risikofrage
angeschnitten, die nicht unbeachtet bleiben darf. In der
Sitzung des Verteidigungsausschusses gestern wurde
deutlich, dass ein Teil des Materials, ja auch ein Teil des
Personals, das in Afghanistan eingesetzt wird, vom Bal-
kan abgezogen werden muss. Das heißt, es besteht die Ge-
fahr, dass sich die Ausstattung der deutschen Streit-
kräfte auf dem Balkan verschlechtert. Das wiederum
heißt, dass Zusagen, die unseren Soldaten im Hinblick auf
ihre Einsatzbelastung gegeben worden sind, nicht einge-
halten werden können. Ein Blick auf die Kräfte und auf
die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zeigt sehr deut-
lich, dass diese nicht die persönliche Leistungsfähigkeit
der Soldaten, sondern die Leistungsfähigkeit des Trup-
penkörpers ihre deutlichen Grenzen hat.
Deswegen fordere ich ganz deutlich: Wir müssen uns in
der zukünftigen Diskussion über die Ausstattung unserer
Streitkräfte nicht an einer Situation orientieren, die viel-
leicht gerade jetzt gegeben ist. Vielmehr müssen wir auch
die Eventualitäten mit einbeziehen. Niemand von uns hätte
den Afghanistan-Einsatz am Anfang dieses Jahres für
wahrscheinlich gehalten. Heute gibt es im Deutschen Bun-
destag eine breite Mehrheit dafür, die Soldaten nach Af-
ghanistan zu schicken. Daher müssen wir auch unabhän-
gig von Wahrscheinlichkeitsgraden dafür sorgen, dass die
Bundeswehr eine Ausstattung und eine Ausbildung besitzt,
die sie für alle Eventualitäten infrage kommen lässt, die
wir sicherheitspolitisch für notwendig halten.
Meine Damen und Herren Kollegen, ich möchte am
Ende noch eine Frage anschneiden, die nicht ohne Risiko
ist sie hat heute schon eine Rolle gespielt : Das ist die
Frage des Oberkommandos der Streitkräfte in Afgha-
nistan, des Oberkommandos dieser Sicherheitstruppe.
Wir wissen, dass die britischen Partner in drei Monaten
aus der internationalen Sicherheitstruppe ausscheiden
werden und dass sie dann ihre Führungsfunktion nicht
mehr wahrnehmen werden.
Ich frage mich, wie eigentlich die Unstimmigkeiten ins-
besondere zwischen Deutschland und dem Vereinigten
Königreich zustande gekommen sind. Ich vermute Fol-
gendes: Es war nicht gut das ist schon von einigen Kol-
legen angesprochen worden , dass der Konferenz auf
dem Petersberg eine nationale Grundlage gegeben
wurde, obwohl es sich um eine UNO-Konferenz gehan-
delt hat. Es wäre besser gewesen, eine europäische Flan-
kierung anzustreben. Dafür spricht insbesondere ein
Grund: Eine solche Flankierung hätte unseren europä-
ischen Partnern signalisiert, dass die Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik kein Papiertiger, sondern etwas ist,
was wir wirklich anstreben wollen. Ich bin davon über-
zeugt, dass so manche Unstimmigkeiten mit Großbritan-
nien hätten vermieden werden können. Das Signal, das
die Briten stattdessen bekommen haben versetzen wir
uns einmal in ihre Lage , ist: Die Deutschen lassen uns
kämpfen und Risiken übernehmen. Sie selbst wollen die
Friedensmacher sein, die nur feine Konferenzen ausrich-
ten und keine Risiken übernehmen. Ein solches Bild
darf Deutschland innerhalb Europas nicht abgeben.
Kollege Breuer, Sie
müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende,
Herr Präsident. Ich hoffe, dass das, was wir mit dem
heutigen Einsatzbeschluss beginnen, zum Erfolg führen
wird und dass wir dem geschundenen Land Afghanistan
die Möglichkeiten geben, eine bessere Zukunft zu gestal-
ten, sodass der Terrorismus in diesem Land das ist un-
ser vornehmliches Interesse keine Grundlage mehr fin-
den kann. Ich hoffe, dass unsere Soldaten, die wir nach
Afghanistan schicken, heil und gesund wieder nach Hause
kommen werden.
Danke sehr.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Paul Breuer
20843
Ich erteile das Wort
der Kollegin Rita Grießhaber, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die
Erwartungen an das Petersberger Abkommen bei vielen
wahrlich nicht besonders hoch waren, kann man nur fest-
stellen: Es wurde nicht nur deutlich mehr erreicht, als die
meisten erwartet hatten; vielmehr ist die Afghanistan-
Konferenz zu einem außerordentlichen Erfolg geworden.
Der deutsche Beitrag zum Gelingen war alles andere als
gering. Aber, Kollege Rühe, es war in allererster Linie
eine Veranstaltung der Vereinten Nationen, nicht Deutsch-
lands.
Das Petersberger Abkommen war zwar ein riesiger
Meilenstein, aber es garantiert noch keinen Frieden. Die
Sicherheitskomponente, über die wir gleich abstimmen
werden, ist ein wichtiger und notwendiger Teil des ganzen
Prozesses. Jedoch sollten wir darüber hinaus nicht die po-
litischen Aufgaben vergessen, die im Hintergrund des
Ganzen stehen. Afghanistan braucht in der Phase der Sta-
bilisierung nicht nur ein sicheres Umfeld in der Haupt-
stadt für die Regierung. Kollege Irmer, mit Verlaub, der
Vergleich mit der Schweizergarde ist nicht der schlechtes-
te. Wenn man sich die historische Rolle anschaut, die
diese Garde für den Vatikan gespielt hat, kann man nur sa-
gen: Es wäre nicht schlecht, wenn die internationale Si-
cherheitstruppe in Afghanistan die gleiche Rolle spielen
könnte. Nur, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese
Truppe so lange und letztlich nur noch als schön geklei-
dete Staffage dort bleiben wird, wie es die Schweizer-
garde beim Vatikan tut.
Afghanistan braucht auch und gerade die Hilfe der
Vereinten Nationen bei der Schaffung neuer staatlicher
Strukturen. Der Verfassungsprozess muss auf den Weg
gebracht werden. Die Gerichtsbarkeit ist neu zu ordnen.
Sicherheits- und Polizeikräfte sind aufzubauen und zu
schulen. Die humanitäre Hilfe muss nach besten Kräften
im Lande wirksam werden. Das ist die Aufgabe der neuen
Regierung. Sie erhält dabei große Unterstützung von zahl-
reichen internationalen Hilfsorganisationen.
Mir macht Hoffnung, dass mit der Frauenministerin
Sima Simar eine sehr engagierte Frau in die Übergangs-
regierung berufen wurde, die nicht nur in Quetta das Ma-
lai-Krankenhaus aufgebaut hat, sondern die mit der von
ihr gegründeten Frauenorganisation Shuada auch aus dem
wichtigen aktiven zivilgesellschaftlichen Spektrum
kommt, das gerade jetzt in Afghanistan dringend ge-
braucht wird.
Ich erinnere mich an das Entsetzen, als die Taliban die
Bäckereien schlossen, mit deren Hilfe viele afghanische
Frauen die schlimmste Not lindern konnten. Ich freue
mich jetzt, dass am Donnerstag in Kabul genau diese
Bäckereien von den Frauen wieder eröffnet wurden.
Auch andere Gesten sollten wir zur Kenntnis nehmen.
Nicht nur Rabbani, sondern auch Dostum war heute bei
der Einführung der neuen Regierung. Er hat Karsai die
Hand geschüttelt. Das darf man nicht überbewerten, aber
es ist ein Signal, das man aufnehmen muss.
Wenn wir genau hinschauen, dann erkennen wir: In Af-
ghanistan gibt es jetzt die Personen, die aus der leidvollen
Vergangenheit Lehren ziehen. Eines ist klar: So viel Hoff-
nung wie heute gab es in diesem Land schon Jahrzehnte
nicht mehr. Diese Chance nicht zu nutzen wäre nieman-
dem mehr zu vermitteln.
Zum Einsatz selbst: Ich möchte noch ein Wort zu der
Debatte über die lead nation sagen, Kollege Rühe. Das
muss man sehr sorgfältig diskutieren und darf es nicht iso-
liert in Bezug auf Afghanistan sehen. Die Verantwortung,
die wir in Mazedonien übernommen haben, hat sich mit-
nichten erledigt. Dort steht noch einiges aus. Ich erinnere
nur an die Wahlen im April. Auch die Amnestiefrage ist
noch längst nicht geregelt. Wenn man darüber redet, was
wir noch alles übernehmen wollen und können, dann
muss man sich auch ernsthaft überlegen, ob die bisher
übernommenen Aufgaben schon abgeschlossen sind. Von
einer Lead-Funktion zur nächsten hüpfen, das kann es
wahrlich nicht sein.
Das Mandat des Sicherheitsrats das wurde schon
gesagt enthält zwei wichtige Elemente. Es betont die
Eigenverantwortung Afghanistans ganz ausdrücklich
und es besteht darauf, dass die internationale Gemein-
schaft nur unterstützend tätig wird. Gleichzeitig ist es ein
Mandat nach Kap. VII. Damit ist die Mission in der
Lage, ihren Auftrag robust durchzusetzen. Herr Gehrcke,
ich glaube nicht, dass Sie die Charta der Vereinten Natio-
nen wirklich so schlecht kennen, dass Sie nicht wissen,
was der Unterschied zwischen einem Mandat nach
Kap. VI und einem Mandat nach Kap. VII ist.
Die Robustheit, die man braucht, um tatsächlich etwas
durchzusetzen, hat man nur bei Maßnahmen nach
Kap. VII.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass vieles, was jetzt auf
den Weg gebracht wurde, durch die Vermittlung von
Herrn Brahimi zustande kam. Er hat einen doppelten Er-
fahrungshintergrund. Er kennt sowohl die Fehlschläge in
Afghanistan als auch die Fehlschläge der Missionen der
Vereinten Nationen. Er war der Vorsitzende der so ge-
nannten Brahimi-Kommission und hat bei Kofi Annan
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 200120844
seine Empfehlungen abgegeben, die ganz klar feststellen:
Wir brauchen in einer Situation wie in Afghanistan robus-
tere Mandate. Er hat jahrelang vergeblich versucht, in Af-
ghanistan eine politische Lösung zu erreichen. Ohne die
Mission Enduring Freedom wären wir heute nicht an
dem Punkt, an dem wir glücklicherweise stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wünscht sich
nicht eine bessere Welt und idealere Bedingungen für den
Einsatz? Nur: Es ist doch gerade die Aufgabe der Verein-
ten Nationen, in dieser Welt, so wie sie ist, dann tätig zu
werden, wenn der Frieden gefährdet ist, außer Kraft ge-
setzt wurde oder bedroht ist. Noch nie das ist hier schon
mehrfach richtigerweise gesagt worden barg ein Einsatz
so viele Risiken wie dieser Afghanistan-Einsatz. Er ist
nicht wirklich kalkulierbar. Es ist selbstverständlich, dass
die Soldaten auf die Gegebenheiten im Lande sorgfältig
vorbereitet werden müssen und dass sie so gut wie mög-
lich ausgerüstet sein müssen.
Letztlich bleibt für uns doch nur eines: Auf der Peters-
berger Konferenz wurde mit aller Skepsis, mit aller Um-
sicht und mit dem vollen Engagement das Beste zum Ge-
lingen beigetragen. Das sollten wir jetzt auch mit der
Mission in Afghanistan tun.
Ich danke Ihnen.
Nun hat der Kollege
Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Karl Feldmeyer schreibt heute in der Frankfurter All-
gemeinen Zeitung zu dem Thema, das wir diskutieren:
Es ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die das
Parlament je treffen mußte nicht nur wegen der Ri-
siken der militärischen Mission, sondern wegen der
fast völligen Unklarheit darüber, welche Konsequen-
zen sich aus dem Votum ergeben. Das Mandat, das
der UN-Sicherheitsrat nach langem Ringen be-
schlossen hat, wirft mehr Fragen auf, als es beant-
wortet.
Hiermit hat Karl Feldmeyer sicherlich Recht. Es fällt
uns deswegen in keiner Weise leicht, diesem Mandat zu-
zustimmen. Wenn wir es tun, dann geschieht es aufgrund
außenpolitischer Grundsatzüberlegungen und nicht, weil
dieses Mandat in sich besonders überzeugend wäre. Fra-
gen bestehen, die den Einsatz selbst betreffen. Die Pla-
nung eines solchen Einsatzes ist sicherlich sehr schwierig.
Die Frage, welche Rolle man bei solch einem Mandat
spielt das Thema Führungsnation Ja oder Nein?
wurde angesprochen , kann nicht so beantwortet werden,
dass man ich erinnere daran, dass die Amerikaner, de-
nen uneingeschränkte Solidarität zugesagt worden ist, die
Bitte geäußert haben, sich in diesem Bereich besonders zu
engagieren in einem Wust von Missverständnissen,
Diskussionen und Zurücknahmen vorheriger Aussagen
verschwindet.
Tatsache ist doch, dass die deutschen Soldaten zahlen-
mäßig einen durchaus beachtlichen Anteil stellen, obwohl
Deutschland an der Konzeption und an der Umsetzung
des Mandats keinen maßgeblichen Anteil hat. Woher
kommt das? Das kommt daher, dass man in der Außen-
politik und in der Sicherheitspolitik offensichtlich über
kein ich wiederhole das Wort, das der Kollege Irmer ge-
nannt hat Gesamtkonzept verfügt. Gesamtkonzept heißt
nicht, dass es eine Checkliste gibt, mithilfe derer man auf
Jahre hinaus voraussagen kann, welche Dinge notwendig
sind und welche nicht. Leitkonzept, Leitlinien, Gesamt-
konzept, das heißt, dass man wissen muss, welche Inte-
ressen man hat, wo man sie einbringt, wie man sie umsetzt
und wo man unabdingbar gefordert ist.
Unbestritten sind wir hinsichtlich dieses Mandats
außenpolitisch gefordert. Es handelt sich um eine Frage
der Solidarität ich habe das angesprochen , wenn auch
nicht in der Form, in der sie ursprünglich angefordert
worden war. Es handelt sich aber auch um eine Frage des
eigenen Interesses. Darüber werden wir schon noch ein-
mal diskutieren müssen. Wenn die Zeit dazu heute nicht
ausreicht, dann müssen wir das in Zukunft bei vielfältiger
Gelegenheit tun.
Es kann nicht sein, dass man sich nicht traut, den Be-
griff des nationalen und des europäischen Interesses in
den Mund zu nehmen, um sich die Mehrheit in der eige-
nen Koalition zu erbetteln.
Es kann nicht sein, dass unter dem Diktat von Herrn
Ströbele und den Grünen eine Zensur, eine Feststellung
des politisch Korrekten vorgenommen wird, sodass es zu
so einer bizarren Situation kommt, dass ein Bundeskanz-
ler die Abstimmung über Dinge, die eigentlich selbstver-
ständlich sind, mit der Vertrauensfrage verbinden muss.
Dadurch ist im Ausland der Eindruck entstanden,
Deutschland sei in einer Frage tief zerstritten, über die in
Wahrheit mit Ausnahme einiger weniger ein großer
und breiter Konsens besteht.
Das führt dazu, dass man Ausflüchte in Vorstellungen
über die Lösung von Weltkonflikten sucht und diese Vor-
stellungen derart abheben, dass das, was man sagt, mit ei-
nem Gesamtkonzept im guten Sinne nichts mehr zu tun
hat. So eine überhöhte Position habe ich neulich bei einem
Dialog, den ein Kollege aus der SPD-Fraktion bei anderer
Gelegenheit geführt hat, gespürt. Er sagte ziemlich wört-
lich: Und die haben uns doch versprochen, es gäbe eine
neue Weltsozialpolitik, und jetzt sind wir in Afghanistan.
Ja, wer eine neue Weltsozialpolitik im Zusammenhang
mit der Terrorismusbekämpfung erwartet, der wird mit Si-
cherheit enttäuscht werden. Wenn aber solche Kategorien
eingeführt werden müssen, um Überzeugungen zu ändern
und Zustimmung zu gewinnen, dann stimmt etwas nicht
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Rita Grießhaber
20845
mit dem eigenen Bewusstsein bezüglich der Interessen,
die man als Volksvertreter in diesem Hause für unser Volk
auch artikulieren und vertreten muss.
Bei der Gelegenheit komme ich auf eine Frage zu spre-
chen, die heute und auch gestern bereits in den Ausschüs-
sen eine Rolle gespielt hat, nämlich wie sich die Bundes-
wehr auf diesen Einsatz vorbereiten kann. Auch Kollegin
Grießhaber hat es gerade noch einmal angesprochen. Ich
stimme Ihnen zu, dass die Bundeswehr natürlich gut
vorbereitet sein muss. Die Soldaten müssen die bestmög-
liche Ausrüstung deswegen unsere Finanzierungs-
forderungen und das bestmögliche Training erhalten.
Das sind wir ihnen schuldig. Gleichzeitig heißt das aller-
dings auch, dass diejenigen, die Verantwortung tragen und
für Entscheidungen geradestehen müssen, die Gelegen-
heit erhalten müssen, dies auch umsetzen zu können.
Manchmal entsteht der Eindruck, der Deutsche Bun-
destag wäre eine Art Generalstab oder Führungskom-
mando, wo über Einzelheiten solcher Einsätze diskutiert
wird. So hört man, dass man nicht einmal ein Voraus-
kommando schicken dürfe, bevor der Bundestag ent-
schieden hat. Ich glaube nicht, dass das Bundesverfas-
sungsgericht mit der Parlamentsbeteiligung sozusagen
eine Tätigkeitsblockade bis zu einer Entscheidung erzeu-
gen wollte. Wir müssen über die Frage des Verfahrens und
über die Frage des Inhalts der Parlamentsbeteiligung, wo-
mit im Wesentlichen ein Kontroll-, Ratifizierungs- und
Rückholrecht, aber kein Gestaltungsrecht gemeint ist,
sehr intensiv nachdenken.
Ich glaube, dass der entsendegesetzlose Zustand, den wir
gegenwärtig haben, auf Dauer so nicht haltbar ist.
Ich will noch einen weiteren Punkt, der über diesen
Einsatz und das militärische Engagement hinausgeht, an-
sprechen Kollege Breuer hat das bereits im Hinblick auf
die Beziehungen zu Großbritannien getan : Das ist die
große Zahl von Irritationen, die wir zwischenzeitlich ha-
ben. Der Kanzler, der seine Politik mit Überschriften ge-
staltet, unter denen dann aber nichts mehr folgt, erweckt
den Eindruck, als wäre Deutschland aufgrund seiner Po-
litik in der Welt besonders angesehen. Ein tieferer Blick
zeigt, dass das nicht so ist.
Das, was der amerikanische Außenminister Rumsfeld
in den letzten Wochen über deutsche Politiker, An-
gehörige der Bundesregierung,
ja, Sie korrigieren mich, er hat über unseren Verteidi-
gungsminister gesprochen und ist selber Verteidigungs-
minister gesagt hat, macht es nicht einfacher. Es geht um
die Tatsache, dass ein amerikanisches Regierungsmitglied
faktisch ein deutsches Regierungsmitglied verhöhnt und
der deutsche Bundeskanzler gar keine Möglichkeit hat,
darauf zu reagieren. Diese Dinge können eine schwere
Belastung darstellen.
Der britische Außenminister Jack Straw schreibt in einem
Interview im Independent, das nicht widerrufen worden
ist, dass die Italiener, die Spanier, die Kanadier und die
Jordanier gemeinsam mit den Briten an der anfänglichen
Platzierung in Afghanistan teilnehmen würden. Er gesteht
zu, dass es mit Deutschland und auch mit Frankreich
Schwierigkeiten gebe, insbesondere aufgrund der Weige-
rung Deutschlands, sich unter ein Kommando der Ameri-
kaner zu begeben. Dabei schwingt viel mehr mit, als uns
hier glauben gemacht werden soll. Bisher hatten wir be-
rechtigterweise Kritik an der Bundesregierung geübt, dass
sie das deutsch-französische Verhältnis verlottern lässt.
Ich stelle fest, dass das deutsch-britische Verhältnis of-
fensichtlich genauso verlottert zu sein scheint wie das
deutsch-französische.
Wie könnte es denn ansonsten sein, dass die deutsche Ein-
flussnahmemöglichkeit auf die Frage der Gestaltung des
Mandats anscheinend nicht einmal so weit geht, über die
Frage der regionalen Begrenzung und über die Frage des
Umfangs wirklich mitreden zu können? Wie kann es denn
ansonsten sein, dass Deutschland in der Frage, die auf
dem Petersberg verhandelt worden ist, offensichtlich die
europäische Komponente übersehen hat?
Natürlich, das ist jetzt ein rein nationales Kommando.
Das ist eine gewisse Retourkutsche für das, was auf dem
Petersberg umgekehrt gewesen ist. So gestaltet man euro-
päische Politik nicht.
Herr Außenminister, das ist überhaupt nicht peinlich.
Das ist peinlich für Sie, weil Sie einen Punkt lernen müs-
sen. Dieser Punkt heißt: Nur wer in Europa den gemein-
samen Weg nicht nur sucht, sondern auch findet, gestaltet
und finanziert,
wird auf gleicher Augenhöhe mit den USA reden und ver-
handeln können.
Wenn Sie es genau wissen wollen, sage ich Ihnen: Wer
so tut, als ob die europäische Einsatztruppe, die die Eu-
ropäer finanzieren wollen Stichwort Headline Goals ,
einsatzfähig wäre, faktisch aber festzustellen ist, dass
außer einem Papiertiger nichts zustandegebracht worden
ist, der nimmt Schaden für die europäische Entwicklung
und die Unfähigkeit, Interessen zu vertreten, in Kauf. Die
Lage ist sehr viel ernster, als wir dies in den allgemeinen
Debatten der letzten Monate gehört haben.
Ich appelliere an die Bundesregierung, hier ihre Politik
zu ändern. Gemeinsam wünschen wir, dass die Soldaten,
die, wie ich höre, nach Weihnachten das ist gut so den
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Christian Schmidt
20846
Weg in ihren Einsatz finden müssen, wohlbehalten
zurückkommen. Wir denken alle an sie. Wir denken auch
an diejenigen, die für Nichtregierungsorganisationen tätig
sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch folgende
Bemerkung machen.
Nein, Kollege
Schmidt. Diese Gelegenheit ist vorüber. Sie müssen zum
Ende kommen.
Herr Präsi-
dent, ich wollte an sich nur noch an die Shelter-Now-
Leute erinnern.
Ich erteile der Bun-
desministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor
zehn Tagen in Afghanistan war, habe ich gespürt, welche
Energie und welcher Mut zu einem Neuanfang bei den
Menschen in diesem Land vorhanden ist, welcher Mut
von ihnen ausgeht.
Mein Besuch in Afghanistan in der schwierigen
Übergangsphase
vor der Bildung der Übergangsregierung sollte ein Zei-
chen der Solidarität und Unterstützung für die Menschen
sein,
die so lange gelitten haben, die so lange auf uns gehofft
haben und die so sehr auf uns hoffen.
Dieses Zeichen haben sie dankbar aufgenommen.
Heute ist es in dieser Diskussion immer wieder so gewe-
sen, dass unsere Gedanken und Wünsche zu denjenigen
gehen, die die afghanische Übergangsregierung gebildet
haben und die ihre sicher nicht leichten Ämter angetreten
haben. Alle meine Gesprächspartner in Afghanistan, unter
anderem Ministerpräsident Karsai und Innenminister
Quanuni, haben im Gespräch mit mir deutlich gemacht,
dass sie eine Zusammenarbeit, die langfristig auf die Frie-
denssicherung im Lande orientiert ist, verwirklichen wol-
len und dass sie einen wirklichen Neuanfang anstreben.
Der Frieden in Afghanistan ist in Deutschland gebo-
ren worden. Jetzt müssen wir gemeinsam dafür sorgen,
dass das neugeborene Kind groß und stark wird. So hat
es der neue Innenminister Quanuni mir gegenüber ausge-
drückt. Dies lässt die große Hoffnung spüren, die auf uns
gesetzt wird. Wir alle haben es in der Hand, dass die Men-
schen in Afghanistan lernen können: Frieden lohnt sich.
Bisher haben sie in den letzten Jahrzehnten unter den
Warlords nur gelernt, dass Gewalt sich lohnt. Sie haben
jetzt die Chance, zu spüren, dass sich Frieden für sie und
ihr Land lohnt.
Wenn wir eine gerechtere Weltordnung wollen, in der
Menschenrechte Beachtung finden, die internationale
Wertebasis Geltung hat und alle Menschen eine reelle
Chance bekommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu ge-
stalten, dann ist das jetzt auch unsere Stunde. Die interna-
tionale Gemeinschaft muss in Afghanistan beweisen, dass
es ihr ernst ist und dass sie ihrer Verantwortung gerecht
wird. Wir dürfen nicht nur hinsehen das ist natürlich not-
wendig zum Beispiel bei einer Bedrohung durch terroris-
tische Netzwerke , wenn uns selbst akute Gefahr droht.
Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Menschenrechte ver-
letzt werden. Es muss ein Ende haben, dass solche Prak-
tiken in der Welt passieren und die internationale Ge-
meinschaft sich davon abwendet.
Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zu
einer Koalition für Entwicklung finden
Herr Präsident, ich möchte an die Adresse der Kolle-
ginnen und Kollegen sagen: Dies ist eine Debatte, die
auch viele Tausend Menschen in Afghanistan interessiert.
Wir sollten sie daher in einer Weise und in einem Aus-
tausch führen, die deutlich machen, dass wir hier wech-
selseitig einander zuhören.
Ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: Wenn wir
eine gerechtere Weltordnung wollen, in der Menschen-
rechte Beachtung finden, die internationale Wertebasis
Geltung hat und alle Menschen eine reelle Chance be-
kommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu gestalten, dann
ist das jetzt unsere Stunde. Wir dürfen nicht wegsehen.
Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zu
einer Koalition für Entwicklung finden, ist das Mandat für
die internationale Sicherheitstruppe klar von der Betei-
ligung an der Operation Enduring Freedom getrennt. Es
ist gut, dass das so verwirklicht worden ist. Die internatio-
nale Sicherheitstruppe sichert den politischen Friedenspro-
zess in Afghanistan ab und damit auch den wirtschaftlichen
Wiederaufbau und den wirtschaftlichen Friedensprozess,
damit Rückschläge vermieden werden.
Ich sage an die Adresse derjenigen, die diesen Antrag
ablehnen wollen: Ohne eine solche Friedenstruppe wird
auch die Chance des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Christian Schmidt
20847
die Chance für den Frieden verspielt. Deshalb fordere ich
alle auf, diesem Antrag zuzustimmen.
Der Leiter des Weltentwicklungsprogramms der Ver-
einten Nationen Mark Malloch Brown hat nach seinem
Afghanistanbesuch gesagt, das Land habe lange im Schat-
ten der Weltöffentlichkeit gelegen. Jetzt habe Afghanistan
die Chance, vielleicht 15 Minuten in der Sonne der inter-
nationalen Gemeinschaft zu stehen. Wir haben es mit in
der Hand, dafür zu sorgen, dass kein neuer Schatten auf
Afghanistan fällt und dass Afghanistan mehr als diese
15 Minuten Sonne der Weltgeschichte erhält.
Wir fangen jetzt erst an, die Grundsteine für den Frie-
den zu legen. Sie müssen sorgfältig und eng beieinander
gelegt werden. Die Bundesregierung wird im nächsten
Jahr 160 Millionen DM für den Wiederaufbau bereitstel-
len. Wir wollen von Anfang an tragfähige Strukturen im
Bereich des Rechts aufbauen, mit der Verwaltung und der
Sicherheit erarbeiten. So ist gestern bei der Brüsseler
Konferenz der entsprechenden Geber sichergestellt wor-
den, dass ein Interimsfonds gebildet wird, der die Ar-
beitsfähigkeit der neuen Regierung sichern soll; denn es
ist wichtig, dass sie unabhängig ist und dass ihre Arbeit
auch abgesichert wird.
Es wird auch ein weiterer Fonds aufbereitet, aus dem
die internationalen Geber die wichtigen Aufgaben finan-
zieren, zum Beispiel den Wiederaufbau der Schulen, so-
dass die Kinder vor allen Dingen auch die Mädchen
wieder die Chance haben, in die Schule gehen zu können.
Wir sind bereit, mit dazu beizutragen, dass in Afghanis-
tan zivile Strukturen zur Kontrolle und Steuerung von Si-
cherheitskräften aufgebaut und entwickelt werden.
Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft. Das Tali-
banregime hat versucht, dieses Rückgrat zu brechen. Das
ist ihnen nicht gelungen. Viele Frauen kehren an ihre alten
Arbeitsstätten in Kliniken und Schulen zurück und wollen
ihr Leben in ihre eigene Hand nehmen. Sie haben die Be-
seitigung des Talibanregimes als wirkliche Befreiung er-
lebt. All diejenigen, die in dieser Frage immer Zweifel hat-
ten, sollten zur Kenntnis nehmen das möchte ich deutlich
hervorheben : Ohne die Aktionen gegen den Terrorismus
wäre diese Befreiung nicht möglich gewesen.
Die Beteiligung der Frauen an der Petersberg-Konfe-
renz ist dabei nur ein erster Schritt. Die Machtverhältnisse
sind noch längst nicht verändert. Zwar werden die Schleier
zum Teil abgelegt. Aber das bedeutet nur, dass darunter das
erlittene Unrecht, die erlittenen Verletzungen sichtbar wer-
den. Der Heilungsprozess wird noch lange dauern. Wir
werden deshalb nicht nachlassen, auf die Beteiligung der
Frauen und auf ihre Gleichberechtigung zu dringen.
Ich denke in dieser Stunde an die neue Gesundheitsmi-
nisterin, an Frau Seddiqi, die ich zum Gespräch getroffen
habe. Die Taliban hatten sie über Jahre aus ihrer ärztlichen
Leitungsfunktion in einem Krankenhaus in Kabul ver-
drängt. Sie und alle Frauen in Afghanistan können sich
auf unsere Unterstützung verlassen.
Ich denke in dieser Stunde an die Waisenkinder, die ich
in der Aschiana-Schule in Kabul getroffen habe. Die
Mädchen, die in ganz großer Zahl zum ersten Mal die
Chance hatten, in die Schule zu kommen, wollen lernen.
Wir tragen mit dazu bei, dass sie warme Kleidung, Tische
und Bänke erhalten, dass sie, so wie es der Leiter der
Schule ausgedrückt hat, als Kinder lernen, mit dem Blei-
stift und den Schulbüchern umzugehen und nicht mit
dem Gewehr.
Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. So können wir zu ei-
nem zivilen Aufbau beitragen und dazu, von der Verhet-
zung in den Koranschulen, die es in den Jahren zuvor gab,
wegzukommen.
Ich denke in dieser Stunde an die Menschen, die Anti-
personenminen entschärfen, Antipersonenminen, die zu-
sammen mit noch nicht explodierten Sprengsätzen das
Land verseuchen. Wir wollen mit dazu beitragen, dass
diese Minen und Sprengkörper beseitigt werden, damit
die Landwirtschaft endlich wieder in Gang kommt, die
Menschen ihre eigene Existenz sichern können und Kin-
der nicht mehr durch explodierende Minen zerfetzt wer-
den.
Ich danke den internationalen Hilfsorganisationen,
die in Afghanistan dafür sorgen ich habe die Vertreter all
dieser Organisationen getroffen , dass die humanitäre
Hilfe alle Regionen erreicht. Ich danke ganz besonders
den Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel der
Welthungerhilfe, die über Jahrzehnte in Afghanistan ge-
arbeitet und den Menschen in Zeiten geholfen haben, in
denen sich sonst niemand um sie gekümmert hat. Ihre Ar-
beit werden wir weiter unterstützen. Sie haben eine ganz
wichtige Leistung für die dortigen Menschen erbracht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute Morgen ist in
unseren Zeitungen die Nachricht zu finden, dass weltweit
10 Millionen Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr an
Hunger, an Unterernährung, an Krankheiten und Gewalt
sterben. Dies ist auch der Tag zu sagen: Lassen Sie uns
alle mit dazu beitragen, dass aus der Koalition zur
Bekämpfung des Terrorismus auch eine Koalition zur
Bekämpfung der weltweiten Armut wird, damit alle
Kinder dieser Welt eine gute Zukunft haben!
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
20848
Ich danke Ihnen sehr.
Als letztem Redner er-
teile ich dem Kollegen Hans-Christian Ströbele das Wort.
gen! Als letzter Redner vor Weihnachten stelle ich fest:
Wir entscheiden hier heute nicht über die Beteiligung an
einem Krieg, sondern wir entscheiden hier heute darüber,
ob sich die Bundesrepublik Deutschland und somit die
Bundeswehr an einem Einsatz beteiligt, der dem Frieden
dienen soll und der helfen soll, die Chancen für einen
dauerhaften Frieden zu sichern.
Ich gehöre zu denjenigen, die den Krieg in Afghanistan
abgelehnt haben und ihn auch heute noch ablehnen. Durch
die Ereignisse in Afghanistan auch in der gestrigen
Nacht dort sind durch Bombardierungen wahrscheinlich
über 50 Menschen zu Tode gekommen habe ich mich
darin bestätigt gesehen. Das war kein bring to justice,
das war eher ein Zerstören und Liquidieren. Ich kritisiere
auch, dass die Engländer als eine der ehemaligen Kolo-
nialmächte, als eine Macht, die in Afghanistan bereits
zweimal Krieg geführt hat, die leading nation sind.
Ich erkenne auf der anderen Seite aber an, dass sich die
Bundesregierung bemüht hat, zwischen dem Kriegskom-
mando und dem Kommando für diese Friedensmission
ganz streng zu trennen. Ich stelle fest, dass die Bundesre-
gierung in diesen Bemühungen zwar erfolgreich gewesen
ist, aber dass sie das will ich nicht übersehen nicht voll-
ständig Erfolg gehabt hat; denn nach wie vor kann es, wenn
es bei der Friedenssicherung zu schwierigen Situationen
kommt, eine Zuständigkeit des US-Kommandos geben.
All diese Überlegungen und die Überzeugung, dass
wir, Teile dieses Hauses, nicht wollen, dass zur Sicherung
wirtschaftlich wichtiger Ressourcen jemals Krieg geführt
wird, auch nicht in Afghanistan, bringen viele von uns zu
dem Ergebnis zu sagen: Wir können dem Einsatz nicht zu-
stimmen.
Ich aber habe für mich, nachdem ich mir bis heute Mor-
gen auch noch nicht ganz im Klaren darüber war, die Ent-
scheidung gefällt: Die UNO hat dieses Abkommen maß-
geblich ausgehandelt. Die UNO gibt und überwacht
dieses Mandat. Und weil ich will, dass die UNO stark
wird, dass sie in Zukunft in der Welt solche Konflikte re-
gelt, dass sie die Einzige sein soll, die das Gewaltmono-
pol auf der Welt für sich in Anspruch nehmen kann,
stimme ich diesem Einsatz hier heute zu.
Ich schließe die Aus-
sprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-
che 14/7936 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Be-
teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutio-
nen 1386, 1383 und 1378 des Sicherheitsrats der Verein-
ten Nationen. Der Ausschuss empfiehlt, dem Antrag auf
Drucksache 14/7930 zuzustimmen.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Zur Abstim-
mung liegen schriftliche Erklärungen von insgesamt
17 Kolleginnen und Kollegen vor.1) Bei der Stimmabgabe
bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sorgfältig darauf
zu achten, dass die Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren
Namen tragen.
Gleich anschließend an die namentliche Abstimmung
findet eine Abstimmung über den Entschließungsantrag
der CDU/CSU statt.
Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist alles zur Ab-
stimmung bereit? Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Druck-
sache 14/7938. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? Gegenprobe! Enthaltungen? Der Entschlie-
ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/
Die Grünen und PDS abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. Ich wünsche all
denjenigen, die jetzt fluchtartig das Haus verlassen, von
Herzen ein frohes Weihnachtsfest.
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Betei-
ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in
Afghanistan bekannt: Abgegebene Stimmen 581. Mit Ja
haben gestimmt 538, mit Nein haben gestimmt 35, Ent-
haltungen 8.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
20849
1) Anlagen 2 bis 4
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 538
nein: 35
enthalten: 8
Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Wolfgang Behrendt
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Rainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Harald Friese
Anke Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Volker Jung
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dieter Maaß
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Jutta Müller
Christian Müller
Franz Müntefering
Volker Neumann
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel
Reinhold Robbe
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Birgit Roth
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich
von Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Präsident Wolfgang Thierse
20850
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
Heidemarie Wright
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer
Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller
Elmar Müller
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr
von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Diethard Schütze
Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck
Volker Beck
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
Präsident Wolfgang Thierse
20851
Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.
All denen, die dageblieben sind, wünsche ich von Her-
zen frohe Weihnachten und einen heiteren und freundli-
chen Jahreswechsel.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 23. Januar 2002, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.