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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 14/7930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Erika Reinhardt, Bernd Schmidbauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Nothilfe für Afghanistan (Drucksache 14/7785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 20821 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20823 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 20826 B Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 20828 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20829 D Tagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Ver- einten Nationen (Drucksachen 14/7930, 14/7936, 14/7937) 20831 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20831 B Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20833 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20835 C Ulrich Irmer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20836 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20838 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 20840 C Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20842 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20844 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 20845 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundes- ministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20847 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20849 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20849 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20850 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20852 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20853 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Annelie Buntenbach, Steffi Lemke und Monika Knoche (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz Plenarprotokoll 14/210 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 I n h a l t : einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . 20854 B Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Harald Friese, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Rüdiger Veit, Klaus Barthel (Starnberg), Götz- Peter Lohmann (Neubrandenburg), Dr. Christine Lucyga, Thomas Sauer und Konrad Kunick (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bun- desregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Si- cherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . 20855 A Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Heinz Schmitt (Berg) und Dr. Edelbert Richter (beide SPD) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz einer Internationalen Sicherheitsunterstüt- zungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Ver- einten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . . 20855 D Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . . 20856 C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 20856 D Dr. Uwe Jens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 A Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 C Manfred Müller (Berlin) PDS . . . . . . . . . . . . 20857 D Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20858 A Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . 20858 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001
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    Dr. Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Hildebrecht Braun (Augsburg) Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Dieter Thomae Nein SPD Gudrun Roos CDU/CSU Dr. Wolf Bauer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) FDP Jürgen Koppelin PDS Monika Balt Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Wolfgang Gehrcke Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Kersten Naumann Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Fraktionslose Abgeordnete Christa Lörcher Enthalten SPD Dr. Uwe Jens René Röspel CDU/CSU Helmut Rauber BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annelie Buntenbach Winfried Hermann Monika Knoche Steffi Lemke PDS Manfred Müller (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 Präsident Wolfgang Thierse 20852 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 20853 (C) (D) (A) (B) Albowitz, Ina FDP 22.12.2001 Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 22.12.2001 Gila DIE GRÜNEN Bachmaier, Hermann SPD 22.12.2001 Becker-Inglau, Ingrid SPD 22.12.2001 Beer, Angelika BÜNDNIS 90/ 22.12.2001 DIE GRÜNEN Dr. Berg, Axel SPD 22.12.2001 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 22.12.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.12.2001 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22.12.2001 Brüderle, Rainer FDP 22.12.2001 Carstens (Emstek), CDU/CSU 22.12.2001 Manfred Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001 Elser, Marga SPD 22.12.2001 Dr. Fink, Heinrich PDS 22.12.2001 Fischer (Hamburg), CDU/CSU 22.12.2001 Dirk Follak, Iris SPD 22.12.2001 Frankenhauser, CDU/CSU 22.12.2001 Herbert Frick, Gisela FDP 22.12.2001 Graf (Rosenheim), SPD 22.12.2001 Angelika Hauer, Nina SPD 22.12.2001 Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 22.12.2001 Dr. Hendricks, SPD 22.12.2001 Barbara Holetschek, Klaus CDU/CSU 22.12.2001 Holzhüter, Ingrid SPD 22.12.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 22.12.2001 Imhof, Barbara SPD 22.12.2001 Janz, Ilse SPD 22.12.2001 Jelpke, Ulla PDS 22.12.2001 Jünger, Sabine PDS 22.12.2001 Kampeter, Steffen CDU/CSU 22.12.2001 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.12.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 22.12.2001 Lehn, Waltraud SPD 22.12.2001 Dr. Lippold CDU/CSU 22.12.2001 (Offenbach), Klaus W. Marhold, Tobias SPD 22.12.2001 Dr. Meyer (Ulm), SPD 22.12.2001 Jürgen Müller (Düsseldorf), SPD 22.12.2001 Michael Nahles, Andrea SPD 22.12.2001 Neuhäuser, Rosel PDS 22.12.2001 Neumann (Bremen), CDU/CSU 22.12.2001 Bernd Oesinghaus, Günter SPD 22.12.2001 Ostrowski, Christine PDS 22.12.2001 Otto (Frankfurt), FDP 22.12.2001 Hans-Joachim Palis, Kurt SPD 22.12.2001 Philipp, Beatrix CDU/CSU 22.12.2001 Rachel, Thomas CDU/CSU 22.12.2001 Reinhardt, Erika CDU/CSU 22.12.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 22.12.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 22.12.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.12.2001 Schloten, Dieter SPD 22.12.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.12.2001 Hans Peter Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 22.12.2001 Christian Simmert, Christian BÜNDNIS 90/ 22.12.2001 DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Stadler, Max FDP 22.12.2001 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001 Strebl, Matthäus CDU/CSU 22.12.2001 Strobl (Amberg), SPD 22.12.2001 Reinhold Thiele, Carl-Ludwig FDP 22.12.2001 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 22.12.2001 Weißgerber, Gunter SPD 22.12.2001 Dr. Westerwelle, Guido FDP 22.12.2001 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22.12.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 22.12.2001 Wimmer (Neuss), SPD 22.12.2001 Willy Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.12.2001 Wohlleben, Verena SPD 22.12.2001 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 22.12.2001 Wolf (München), CDU/CSU 22.12.2001 Hanna Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Annelie Buntenbach, Steffi Lemke und Monika Knoche (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan auf der Grund- lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) UN-Friedenseinheiten und von der UN legitimierte Schutztruppen können unter bestimmten Umständen wichtige Beiträge zur Beilegung von kriegerischen Kon- flikten leisten. Dies hängt allerdings wesentlich von der Vorgeschichte sowie von den Bedingungen vor Ort und den konkreten Aufgaben des Mandats ab. So sehr auch wir den Menschen in Afghanistan den Frieden wünschen, so bleiben doch erhebliche Bedenken am Zustandekommen wie auch am Friedenswert des Mandats selbst. Voraussetzung des Mandats ist der Krieg der USA zu- sammen mit Großbritannien unter dem Titel „Enduring Freedom“ gegen den internationalen Terrorismus, vor al- lem das al-Qaida-Netzwerk Osama bin Ladens, das Tali- banregime sowie das Land Afghanistan. Dabei wurde die Tötung vieler Menschen, auch unschuldiger Opfer billi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 200120854 (C) (D) (A) (B) gend in Kauf genommen. Das ohnehin durch jahrzehnte- langen Krieg ruinierte Land wurde durch Bomben und Raketen weiter zerstört. Das Talibanregime wurde beseitigt und große Teile der al-Qaida-Strukturen in Afghanistan sind inzwischen ge- schwächt. Mit aktiver Unterstützung durch militärische Kräfte in Afghanistan, vor allem mithilfe der in demokra- tischer und menschenrechtlicher Hinsicht fragwürdigen Nordallianz, wurde das Land zurückerobert. Osama bin Laden, der mutmaßliche Hauptverantwortliche terroristi- scher Anschläge, ist bisher allerdings nicht gefunden wor- den. Das anfängliche Hauptkriegsziel ist damit verfehlt. Ebensowenig kann mit den groben Militärschlägen in Af- ghanistan das Problem des internationalen Terrorismus gelöst werden. Die Gefahr ist groß, dass Terroristen nur vertrieben und unfreiwillig neue Sympathisanten geför- dert wurden. Während die Sicherheitsmission ihre Arbeit beginnt, führen die USA weiter Krieg und gefährden damit das Ziel dieser Mission, weitere Menschenleben und den Friedensprozess. Nicht friedensförderlich ist auch, dass Großbritannien als Kriegspartei die Führung der Truppe übernimmt. Zwar ist die Kommandogewalt dank der Intervention der deutschen Regierung von „Enduring Freedom“ formal getrennt, aber im Konfliktfall wird Großbritannien als „lead nation“ das Kommando nach ei- genem Bekunden an die USA abgeben. Die Entsendung einer Friedenstruppe bei gleichzeitiger Kriegführung, wenn auch auf kleiner Flamme, durch US- und britische Truppen in Afghanistan könnte diese diskreditieren und letztlich als Teil der Kriegführung erscheinen lassen. Die vom Anspruch her neutrale Schutztruppe gerät in Gefahr, Konfliktpartei zu werden. Es wächst der Eindruck einer hochproblematischen Arbeitsteilung: Die USA führen den (Anti-Terror-)Krieg aus der Luft unter Inkaufnahme ziviler Opfer und verfol- gen dabei auch eigene machtpolitische und ökonomische Interessen. Die UNO sorgt nachher für die Beseitigung der Trümmer mit tatkräftiger und finanzieller Unterstüt- zung anderer Länder. Es bleibt der Staatengemeinschaft der schwierige, fast nicht lösbare Auftrag, auf der Basis eines Gewaltfriedens Menschenrechten und Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen, also wirklichen Frieden zu schaffen. Das lange Ringen um Art, Ausmaß, Funktion und Dauer des Mandats macht deutlich, wie schwierig die po- litische Lage ist. Die Interessen der verschiedenen afgha- nischen Gruppen wie auch der Staaten im Sicherheitsrat gehen weit auseinander. Auch wenn inzwischen die offi- zielle Zustimmung der künftigen afghanischen Über- gangsregierung vorliegt, lehnen wichtige bewaffnete Kräfte in Afghanistan innerhalb und außerhalb der Nord- allianz eine bewaffnete Friedenstruppe von mehr als sym- bolischer Größe weiterhin ab, sodass die Gefahr einer Konfrontation mit diesen Kräften besteht. Die im UN-Si- cherheitsrat beschlossene Beschränkung der Sicherheits- truppe auf Kabul und Umgebung löst diese Probleme nicht, sondern wirft eher die Frage auf, ob der Schutz der Regierungsgebäude nicht eventuell mit geringerem Auf- wand erreicht werden könnte. Ein Schutz der Zivilbevöl- entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich kerung vor rivalisierenden Warlords ist mit einer solchen Truppe und einem solchen Mandat nicht zu gewähr- leisten. Einer Truppenentsendung in ein hochriskantes Um- feld, in einen instabilen politischen Kontext, der zwischen Krieg und Frieden pendelt, mit einem teilweise unpräzi- sen und eher symbolischen Mandat, können wir nicht zu- stimmen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Harald Friese, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Rüdiger Veit, Klaus Barthel (Starnberg), Götz-Peter Lohmann (Neu- brandenburg), Christine Lucyga, Thomas Sauer und Konrad Kunick (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan auf der Grund- lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Verein- ten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) Unsere Zustimmung zur Entsendung deutscher Bun- deswehreinheiten nach Afghanistan gründet sich auf die Hoffnung einer Wende in der politischen, ökonomischen und sozialen Situation des kriegsgeschüttelten Landes und nicht auf die Billigung des bisherigen Vorgehens der USA im Rahmen der Aktion „Enduring Freedom“. Diese berechtigte Hoffnung wird genährt durch die Chancen, die sich durch die Einbeziehung der UNO, die Ergebnisse der Bonner Vereinbarungen und die Ansätze auf Bildung einer alle Bevölkerungsgruppen repräsentie- renden Regierung Afghanistans ergeben. Diese Chancen dürfen kein zweites Mal wie schon zu Beginn der 90er- Jahre verschenkt werden. Dennoch bleiben folgende Hauptkritikpunkte beste- hen: Dem Parlament fehlen für seine Entscheidung wesent- liche Informationsgrundlagen. Dies betrifft die tatsäch- liche militärische Lage und die strategischen Planungen der von den USA geführten Aktion „Enduring Freedom“, die Kräfteverhältnisse der afghanischen Kriegsparteien und die Rolle der Taliban, auch der mit ihnen bisher oder noch verbündeten Kräfte. Gleiches gilt für die humanitäre Situation, das Ausmaß an zivilen Opfern und Zerstörun- gen der Infrastruktur. Unsere Zweifel an der Sinnhaftigkeit, Verhältnis- mäßigkeit und Angemessenheit des bisherigen Verlaufes der amerikanischen Aktion sind auf der Grundlage der all- gemein zugänglichen Informationen nicht ausgeräumt. Die Bombardierung eines ganzen Landes mit Tausenden ziviler Opfer zur Bekämpfung eines terroristischen Net- zes und der sie stützenden politischen Struktur war weder angemessen noch wirksam im Sinne der Belangung der Hauptverantwortlichen und der Vermeidung der Gefahr weiterer Anschläge. Zunehmend gewinnt die These an Plausibilität, dass die bisherigen politischen, geheim- dienstlichen, polizeilichen und diplomatischen Fehler, die es schon bisher bei der Verfolgung Bin Ladens und seiner Helfer gab, sich fortsetzen. Offenbar planen die USA wei- tere militärische Schläge, auch gegen andere Staaten. Es wird ignoriert, dass der Charakter krimineller, terroris- tischer Netze gerade nicht vorrangig in Form militärischer harter Ziele besteht, sondern in Form militärisch unan- greifbarer Verbindungen. Zudem leidet die derzeitige Art der Terrorismusbekämpfung seitens der USA erheblich an Glaubwürdigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Ver- halten der Regierung zum Palästinakonflikt. Die dort tatenlos zugelassene Eskalation, für die die von den USA gestützte Regierung Israels eine wesentliche Schuld trifft, bereitet künftigem Terrorismus den Boden. Der deutsche Beitrag steht in dem Widerspruch, einer- seits in „uneingeschränkter Solidarität“ an „Enduring Freedom“ als Konfliktpartei in Afghanistan beteiligt zu sein und gleichzeitig mit dem Ruf des unbeteiligten Neu- tralen in Kabul und Umgebung schlichtend und beru- higend einen Friedensprozess sichern zu sollen. Dies geschieht unter britischer Führung, der es an der notwen- digen militärischen und politischen Distanz zu krieg- führenden Einheiten und an historischer Unbelastetheit mangelt. Im Hinblick auf diese Verflechtungen, auf die Be- lastungen der Bundeswehr und die schwer einschätzbare Vorgehensweise der US-Regierung in der Zukunft ist das Mandat der Bundeswehr zur Teilnahme an „Enduring Fre- edom“ spätestens jetzt hinfällig. Die Frage hinsichtlich ei- ner offensichtlich vorhandenen Verknüpfung bzw. der zu fordernden strikten Trennung der militärischen Befehls- stränge konnte nicht befriedigend beantwortet werden. Die Kosten für das neue Mandat sind, soweit sie nicht durch Umschichtungen im Rahmen der Verteidigungs- ausgaben oder die Reduzierung anderer Mandate zu er- wirtschaften sind, keinesfalls zulasten anderer Ressorts aufzubringen. Im Übrigen bedarf die globale Terrorbekämpfung wei- terer politischer Anstrengungen, vor allem im Hinblick auf das Palästinaproblem, die Einrichtung eines allgemein anerkannten Internationalen Gerichtshofes, die Biowaf- fen-Konvention und den Zusammenhalt der Anti-Terror- Koaltition. Auch in ihrer Ablehnung einer Ausweitung der mili- tärischen Aktionen auf andere Staaten oder Gebiete un- terstützen wir nachdrücklich die Haltung der Bundesre- gierung. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Heinz Schmitt (Berg) und Dr. Edelbert Richter (beide SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheit- sunterstützungstruppe in Afghanistan auf der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 20855 (C) (D) (A) (B) Grundlage der Resolution 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) Unsere Zustimmung zur Entsendung deutscher Bun- deswehreinheiten nach Afghanistan gründet sich auf die Hoffnung einer Wende in der politischen, ökonomischen und sozialen Situation des kriegsgeschüttelten Landes und nicht auf die Billigung des bisherigen Vorgehens der USA im Rahmen der Aktion „Enduring Freedom“. Diese berechtigte Hoffnung wird genährt durch die Chancen, die sich durch die Einbeziehung der UNO, die Ergebnisse der Bonner Vereinbarungen und die Ansätze auf Bildung einer alle Bevölkerungsgruppen repräsentie- renden Regierung Afghanistans ergeben. Diese Chancen dürfen kein zweites Mal wie schon zu Beginn der 90er- Jahre verschenkt werden. Dennoch bleiben folgende Hauptkritikpunkte bestehen: Dem Parlament fehlen für seine Entscheidung wesent- liche Informationsgrundlagen. Dies betrifft die tatsächli- che militärische Lage und die strategischen Planungen der von den USA geführten Aktion „Enduring Freedom“, die Kräfteverhältnisse der afghanischen Kriegsparteien und die Rolle der Taliban, auch der mit ihnen bisher oder noch verbündeten Kräfte. Gleiches gilt für die humanitäre Si- tuation, das Ausmaß an zivilen Opfern und Zerstörungen der Infrastruktur. Unsere Zweifel an der Sinnhaftigkeit, Verhältnis- mäßigkeit und Angemessenheit des bisherigen Verlaufs der amerikanischen Aktion sind auf der Grundlage der allgmein angenommenen Informationen eher gestiegen. Die Bombardierung eines ganzen Landes mit Tausenden ziviler Opfer zur Bekämpfung eines terroristischen Net- zes und der sie stützenden politischen Struktur war weder angemessen noch wirksam im Sinne der Belangung der Hauptverantwortlichen und der Vermeidung der Gefahr weiterer Anschläge. Zunehmend gewinnt die These an Plausibilität, dass die bisherigen politischen, geheim- dienstlichen, polizeilichen und diplomatischen Fehler, die es schon bisher bei der Verfolgung Bin Ladens und seiner Helfer gab, sich fortsetzen. Offenbar planen die USA wei- tere militärische Schläge, auch gegen andere Staaten. Es wird ignoriert, dass der Charakter krimineller, terroristi- scher Netze gerade nicht vorrangig in Form militärischer harter Ziele besteht, sondern in Form militärisch unan- greifbarer Verbindungen. Zudem leidet die derzeitige Art der Terrorismusbekämpfung seitens der USA erheblich an Glaubwürdigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Ver- halten der Regierung zum Palästinakonflikt. Die dort ta- tenlos zugelassene Eskalation, für die die von den USA gestützte Regierung Israels eine wesentliche Schuld trifft, bereitet künftigem Terrorismus den Boden. Der deutsche Beitrag steht in dem Widerspruch, einer- seits in „uneingeschränkter Solidarität“ an „Enduring Freedom“ als Konfliktpartei in Afghanistan beteiligt zu sein und gleichzeitig mit dem Ruf des unbeteiligten Neu- tralen in Kabul und Umgebung schlichtend und beruhi- gend einen Friedensprozess sichern zu sollen. Dies ge- schieht unter britischer Führung, der es – wenn schon nicht direkt militärisch, so doch politisch – an der notwendigen Distanz zu kriegführenden Einheiten und an historischer Unbelastetheit mangelt. Im Hinblick auf diese Verflech- tungen, auf die Belastungen der Bundeswehr und die schwer einschätzbare Vorgehensweise der USA-Regie- rung in der Zukunft ist das Mandat der Bundeswehr zur Teilnahme an „Enduring Freedom“ spätestens jetzt hinfäl- lig. Die Frage hinsichtlich einer Verknüpfung bzw. der zu fordernden strikten Trennung der militärischen Befehls- stränge konnte nicht befriedigend beantwortet werden. Die Kosten für das neue Mandat sind, soweit nicht durch Umschichtungen im Rahmen der Verteidigungs- ausgaben oder die Reduzierung anderer Mandate zu er- wirtschaften sind, keinesfalls zulasten anderer Ressorts aufzubringen. Im Übringen bedarf die globale Terrorbekämpfung An- strengungen, vor allem im Hinblick auf das Palästinapro- blem, die Einrichtung eines allgemein anerkannten Inter- nationalen Gerichtshofes, die Biowaffen-Konvention und den Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition. Auch in ihrer Ablehnung einer Ausweitung der mi- litärischen Aktionen auf andere Staaten oder Gebiete un- terstützen wir nachdrücklich die Haltung der Bundesre- gierung. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsun- terstützungstruppe in Afghanistan auf der Grund- lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich stim- me der Entscheidung aus Gewissensgründen nicht zu. Die Bundeswehr ist nach unserer Verfassung ganz ein- deutig eine Verteidigungsarmee. Der Einsatz in Kabul entspricht nicht der Verfassungslage. Darüber hinaus ist der auf Kabul beschränkte Einsatz von 5 000 Soldaten auf die Sicherheit von 2 Millionen Menschen in der Haupt- stadt und auf die Hilfe für sie beschränkt. 23 Millionen weitere Frauen, Kinder und Männer dieses Landes sind damit von humanitärer Hilfe ausgeschlossen. Mit dem Grundsatz der Einhaltung von Menschenrechten für alle Bürger ist diese sektorale Hilfe nicht vereinbar. Weder der Umfang noch der Zeitraum des Einsatzes, noch die Sicherheit der Soldaten sind gewährleistet. Nach Aussage von Militärexperten kann von einem tatsäch- lichen robusten Mandat nicht die Rede sein. Hier werden Leib und Leben Tausender von Soldaten einem unvertret- baren und unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt. Auch aus diesem Grund kann es keine Zustimmung geben. Schließ- lich enthält eine Kabul-Zustimmung den Beginn eines Au- tomatismus für ständig weiteren weltweiten Einsatz deut- scher Soldaten, ohne dass die Verfassungslage geklärt, die Finanzierung der Bundeswehr gesichert und die Aufträge an politische Lösungen der Konflikte gebunden sind. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 200120856 (C) (D) (A) (B) Die rot-grüne Bundesregierung hat mit ihrer mit dem nationalen Interesse nicht übereinstimmenden Ausrich- tung einer uneingeschränkten Solidarität eine Zwangs- beteiligung an kriegerischen Konflikten unverantwortlich eröffnet. Damit schadet sie dem Lande. Unabhängig da- von holt sie mit dieser Ausrichtung verstärkte Risiken durch Terroristen ins eigene Land. Diese Politik, die nicht zuerst von einer Friedenssiche- rung durch politische Lösungen ausgeht, lehne ich ab. Ge- rade unser Land sollte bei der Beteiligung an Kriegen, bedingt durch seine Vergangenheit, eine besondere Ver- antwortung zeigen, so, wie es die Kohl-Regierung bei ähnlichen Krisen getan hat. Dr. Uwe Jens (SPD): Warum ich der Entscheidung des UNO-Sicherheitsrats nicht zustimmen konnte und mich im Bundestag der Stimme enthalten habe: Meine grundsätzlichen Bedenken gegen den jetzt ge- planten Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen einer in- ternationalen Friedenstruppe sind geringer als bei den vorherigen Entscheidungen des Deutschen Bundestages zum Kriegseinsatz in Afghanistan. Jedoch bleiben etliche ungeklärte Fragen und schwer wiegende Probleme beim jetzt geplanten Einsatz von 1 200 Bundeswehrsoldaten. Diese Mission ist kaum gefährlicher für Leib und Leben der Soldaten als die bisherigen Einsätze. Es gibt auch in diesem Fall für mich Bedenken von schwer wiegender Bedeutung, die ich kurz zum Ausdruck bringen muss. Erstens. Auch diese Entscheidung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ist nicht nachhaltig durch die Idee des Multilateralismus geprägt. Bei dem Hin und Her über die Ausgestaltung des Mandats sind die unterschiedlichs- ten Denk- und Handlungsweisen erneut zum Vorschein gekommen. Der Extraweg der US-Amerikaner, die in Kri- senfällen das Oberkommando behalten, zeigt sich in der einseitigen Kündigung des ABM-Vertrages, in der Ver- weigerung der Zustimmung zur Biowaffen-Konvention, in der Ablehnung von UNO-Beobachtern in Palästina und unter anderem in der bisherigen Nichtunterzeichnung ei- nes Vertrages über die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes. Meines Erachtens müssen wir jetzt die Weichen stellen für eine neue Weltordnung, die von der Gleichberechtigung aller Staaten ausgeht, unabhängig von ihrer Größe und dem Entwicklungsstand. Zweitens. Der Beginn des 21. Jahrhunderts kann Angst bereiten, die bekanntlich stets ein schlechter Ratgeber ist. Aber nach allem, was bisher getan und gesagt worden ist, ist die Ausweitung des Krieges auf andere Länder, insbe- sondere auf Somalia und/oder den Irak aus meiner Sicht ebenfalls nicht unwahrscheinlich. Das Erste, was in die- sen Zeiten schnell zerstört wird, ist das Bemühen um Wahrheit. Eine Ausweitung der Terrorismusbekämpfung mit militärischen Mitteln auf andere muslimische Staaten würde die weltweite Unsicherheit, die Gefahren eines Weltbrandes deutlich steigern. Dieser möglichen Entwicklung will ich mahnend ent- gegentreten. Deutschland muss verstärkt darauf aufmerk- sam machen, dass es nur begrenzte Kapazitäten hat, dass die Belastungsschwelle in finanzieller und personeller Hinsicht bereits jetzt überschritten ist. Solidarität kann nie- mals uneingeschränkt sein; sie kann sich stets nur auf ei- nen bestimmten Zeitraum und auf konkrete Fälle beziehen. Jürgen Koppelin (FDP): Die Bundeswehr ist nach meiner Auffassung für einen Einsatz in Afghanistan we- der ausgebildet noch ausgerüstet. Weder hat die Bundes- wehr akzeptable Transportkapazitäten noch die notwen- dige Logistik für diesen Einsatz. Das ist jedoch dringend notwendig, damit jederzeit ein Standortwechsel im Land vorgenommen werden könnte. Ebenso sind die Möglich- keiten eines schnellen Abzugs begrenzt. Für mich bleiben auch nach dem Beschluss des UN-Si- cherheitsrats die Aufgaben der Bundeswehr bei einem Einsatz in Afghanistan im Unklaren. Das trifft auch auf die Zeitdauer des Einsatzes zu. Für mich gibt es trotz der Konferenz in Bonn und de- ren Ergebnissen erhebliche Zweifel über die Friedensaus- sichten in Afghanistan. Unklar bleibt auch, welche Rolle die USAbei diesem Einsatz der Bundeswehr übernehmen – das heißt auch, Klarheit darüber zu haben, ob die USA wei- tere Militärschläge in Afghanistan beabsichtigen. Für mich stellt sich zusätzlich die Frage, warum sich andere Staaten wie Indonesien, Thailand oder Ägypten nicht an diesem Einsatz beteiligen oder warum sie nicht aufgefordert worden sind. Ich stimme diesem Einsatz der Bundeswehr auch nicht zu, weil die Bundeswehr mit dem Einsatz auf dem Balkan bereits am Rande ihrer Kapazitäten angekommen ist. Mit Sorge sehe ich, dass der Deutsche Bundestag da- rüber im Unklaren gelassen wird, wer nach einem drei- monatigen Einsatz in Afghanistan das Kommando über den Einsatz übernimmt. Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages fühle ich mich durch die Bundesregierung über die Gefahren und die Konsequenzen dieses Einsatzes nicht ausreichend und umfassend informiert. Mit innerer Betroffenheit muss ich feststellen, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr fast zu einer Routineangelegenheit werden. Für mich wird das niemals Routine sein. Manfred Müller (PDS): Abweichend vom Votum mei- ner Fraktion werde ich mich bei der Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf „Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internatio- nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio- nen“ der Stimme enthalten. Ich gebe dazu folgende per- sönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ab. Ich teile die Kritik meiner Fraktion sowohl am Krieg in Afghanistan als auch an der konkreten Ausgestaltung des Mandats. Die UN-Friedensmission birgt, nicht zuletzt we- gen der fortgesetzten US-amerikanischen Kampfhandlun- gen, der ungeklärten Kommandostrukturen und einer nicht vorhandenen Exit-Strategie, erhebliche Risiken. Da- von abgesehen sehe ich jedoch keine grundsätzlichen Be- denken gegen die Beteiligung von Bundeswehreinheiten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 20857 (C) (D) (A) (B) an einer von den Vereinten Nationen mandatierten Frie- densmission in Afghanistan. Es handelt sich um einen völkerrechtlich legitimierten Einsatz, der dem Ziel dient, die Umsetzung der Bonner Vereinbarungen abzusichern. Der Petersberger Prozess eröffnet Chancen für eine friedliche Zukunft Afghanis- tans, die nicht ungenutzt bleiben dürfen. Er bedarf – ge- rade angesichts der unsicheren Sicherheitslage vor Ort und der bekannten Rivalitäten innerhalb der Übergangs- regierung – substanzieller Absicherung von außen. In der Abwägung aller Chancen und Risiken kann ich mich der Ablehnung des Antrags durch meine Fraktion nicht anschließen, weil dies in der Konsequenz hieße, die Rolle der UNO bei der Stabilisierung Afghanistans ent- scheidend zu schwächen und damit die Chancen für eine friedliche Entwicklung des Landes zu mindern. Helmut Rauber (CDU/CSU): Es gibt niemanden, der Afghanistan, diesem über Jahrzehnte gequälten Land, keinen dauerhaften Frieden wünscht. Dies muss aber ein sich selbst tragender und kein Scheinfrieden sein. Es gibt gute Gründe, der Mandatierung zuzustimmen, aber auch ebenso gute Argumente, diese Form des Man- dats abzulehnen. Es geht mir nicht um eine Mandatierung ja oder nein, sondern um den Umfang unseres Engagements mit maxi- mal 1 200 Soldaten und einem Finanzvolumen von rund 680 Millionen DM. Mit einem weit geringeren Kontin- gent lassen sich die anzustrebenden Ziele genauso gut bzw. genauso wenig erreichen. Ich sehe folgende substanzielle Bedenken: Erstens. Afghanistan ist zweimal so groß wie die Bun- desrepublik Deutschland, besitzt aber mit 25 Millionen Einwohnern gerade mal ein Drittel unserer Größe. Zu glauben, mit circa 5 000 Soldaten Sicherheit in diesem Land zu schaffen und das in einem Zeitraum von 6 Mo- naten, ist schlicht eine Illusion. Zweitens. Schon jetzt ist die Bundeswehr überfordert und der Sechs-Monate-/Zwei-Jahres-Rhythmus ist bei Führungskräften, Spezialisten, Medizinern und Fernmel- desoldaten schon lange nicht mehr einzuhalten. Diese Be- lastung unserer Soldaten hat erhebliche Auswirkungen auf die Attraktivität und damit auf die Leistungsfähigkeit un- serer Bundeswehr. Spitzenkräfte werden unter diesen Be- dingungen nicht bereit sein, in der Bundeswehr zu dienen. Drittens. Die Warlords sind an einer Präsenz der UN, die ihre Kreise stört, nicht interessiert. Wir dürfen nicht über- sehen, dass es die Nordallianz war, die dieses Land zwi- schen 1992 und 1996 ruinierte, und dass das dazu führte, dass die Taliban, die „law and order“ brachten, als Be- freier begrüßt wurden. Jetzt sind wir dabei, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Karsai verdient Vertrauen, aber er besitzt keine Hausmacht und er ist auf die gleiche Nomenklatura der alten Machenschaften angewiesen. Viertens. Jeder Automatismus bei der Entsendung deutscher Truppen ins Ausland ist abzulehnen. Was aber eingefordert werden muss, sind Mindestbedingungen, die sich an den vitalen Interessen Deutschlands ebenso zu ori- entieren haben wie an einer klaren politischen Konzeption einschließlich einer Exit-Strategie mit einem zeitlichen und finanziellen Rahmen. Wer sich aus Gründen einer Friedensschaffung und Friedenssicherung in Afghanistan engagiert, der muss schon schlüssig die Frage beantwor- ten, warum dann nicht im Nahen Osten, in Kaschmir, in Indonesien, in Angola, in Ruanda, im Sudan, im Kongo, in Sri Lanka usw. Fünftens. Es passt nicht zusammen, wenn der Ent- wicklungshilfeetat, der eigentlich steigen müsste, um rund 100 Millionen Euro gekürzt wird und im nächsten Jahr no- minell und prozentual unter dem liegt, was die Regierung Kohl ausgegeben hat. Die FAO hat in ihrem jüngsten Be- richt deutlich gemacht, dass weltweit 815 Millionen Men- schen hungern. Der militärische Beitrag kostet die Bun- desregierung rund 700 Millionen DM, was fast 10 Prozent des Entwicklungshilfeetats ausmacht. Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis. Wenn die Entwicklungshilfe- zahlungen an die Kooperationsbereitschaft der Warlords ge- koppelt werden, könnte ein größerer sicherheitspolitischer Gewinn erzielt werden. Sechstens. Bei diesem Mandat ist strikt zu trennen, was Deutschland bezüglich des Kampfes gegen den inter- nationalen Terrorismus versprochen hat und was ande- rerseits nicht nur in Afghanistan, sondern weltweit für den Staatsaufbau bzw. die wirtschaftliche Gesundung zu leis- ten ist. Dass Deutschland seine Verpflichtungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus erbringen muss, ist unstrittig. Wo bei diesem Mandat dieser Beitrag aber kon- kret liegt, ist nur schwer zu erkennen. In der Abwägung, was für bzw. gegen das vorliegende Mandat spricht, enthalte ich mich der Stimme. Christa Reichard (Dresden) (CSU/CSU): Der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan stimme ich zu, kann dies aber nur mit großem Bedenken tun, denn ich halte die Betreuungssituation für die Soldatenfamilien angesichts der steigenden Belastungen durch die Zunahme an Auslandseinsätzen für unzureichend. Mit meiner Zustimmung verbinde ich die dringende Auf- forderung an die Bundesregierung, schnellstmöglich das geplante flächendeckende Familienbetreuungsnetz mit 32 Familienbetreuungszentren mit je vier hauptamtlichen Dienstposten einzurichten und dieses Projekt nicht erst in zwei Jahren umzusetzen. Weiterhin fordere ich angemes- sene Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Betreu- ungsarbeit der Soldatenfrauen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 200120858 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Irmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Struck, das kann ich Ihnen
    beantworten: Herr Westerwelle hat sich bemüht, hierher
    zu kommen. Er ist wegen der widrigen Witterungsver-
    hältnisse nicht hierher gekommen.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Herr Westerwelle ist in Urlaub!)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

    Rezzo Schlauch

    20836


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Meine Damen und Herren, es war ja höchst herzerfri-
    schend, dass wir gerade noch einmal die Rede eines Frak-
    tionsmitglieds der Grünen hören konnten, nachdem bisher
    in außenpolitischen Fragen von der Ministerpartei „Die
    Grünen“ nur noch Herr Fischer zu vernehmen war.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht richtig!)


    Es ist natürlich besonders schön, dass das sogar der Frak-
    tionsvorsitzende der Grünen – „Mister Hose“ – getan hat,
    wie ich mir zu sagen erlaube, nachdem er ja hier das an-
    geblich schwäbisch gefärbte Englisch unseres früheren
    Außenministers kritisiert hat.

    Meine Damen und Herren, es geht um Afghanistan.


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Eindruck haben wir bis jetzt noch nicht gehabt!)


    Mit Absicht und mit Recht ist das Mandat des UN-Si-
    cherheitsrats eng begrenzt. Es ist darauf begrenzt, die
    Umgebung von Kabul und die Stadt selbst zu schützen
    und dort der Interimsregierung, die heute ihr schweres
    Amt antritt, dabei Beistand zu leisten, dass sie nicht durch
    Wirrnisse und Kämpfer aus den eigenen Reihen an ihrer
    Tätigkeit gehindert wird. Das Mandat ist weiterhin auf
    sechs Monate begrenzt und auf höchstens 5 000 Soldaten,
    wie wir heute gehört haben. Jedermann weiß natürlich,
    dass auf diese Weise und unter diesen Bedingungen der
    Friede in Afghanistan durch militärische Kräfte von
    außen nicht hergestellt werden kann. Diese Grundidee ist
    richtig – ich wiederhole es noch einmal –, denn den Frie-
    den, die Ordnung und die Sicherheit sowie eine Zukunft
    in Afghanistan für Afghanistan herzustellen kann allein
    Aufgabe des afghanischen Volkes selbst sein.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die internationale Gemeinschaft wäre überfordert, wenn
    sie sich vermessen wollte, dieses auch nur in Angriff zu
    nehmen.

    Gleichwohl müssen wir uns darüber im Klaren sein:
    Die Gefahren für das Land und seine Zukunft lauern nicht
    nur in der Hauptstadt. Wir kennen die Geschichte des Lan-
    des, wir kennen seine Zerrissenheit in unterschiedliche
    ethnische Gruppen, wir kennen die Zustände vor Ort, wo
    kriegserfahrene Kämpfer, Warlords und andere sich ge-
    genseitig befehden und bekriegen. Es ist ja nur zu wün-
    schen, dass der Petersberg-Beschluss die Auswirkung ha-
    ben wird, dass diese Kämpfe jetzt ein Ende finden
    werden. Niemand kann das aber garantieren.

    Meine Damen und Herren, sollte die Mission, an der
    wir uns ab heute beteiligen wollen, keinen Erfolg haben,
    wird sich natürlich die Frage stellen: Sagt dann die inter-
    nationale Gemeinschaft, wir sind mit diesem begrenzten
    Auftrag gescheitert, oder entscheidet sie sich dann dafür,
    doch mehr zu tun und weitere Versuche der Stabilisierung
    von Afghanistan zu fördern? Gott sei Dank müssen wir
    diese Frage heute nicht beantworten, weil wir alle hoffen,
    dass wir einen Erfolg der Mission erleben werden. Wir

    müssen aber auch die Gefahren sehen und sie auch des-
    halb ernst nehmen, weil es ja unsere Soldaten sind, die wir
    mit unserem heutigen Votum in die Auseinandersetzun-
    gen und in die Gefahr schicken werden.

    Meine Damen und Herren, auch kann ich mir schwer
    vorstellen, dass der Auftrag – wenn es denn hart auf hart
    käme – wirklich darauf begrenzt sein könnte, die Inte-
    rimsregierung als eine Art Schweizergarde zu schützen.
    Was wäre denn, wenn die humanitären Einsätze, die in Af-
    ghanistan vollzogen werden, von den Taliban, von ma-
    rodierenden Banden oder von sonst wem gefährdet wür-
    den? Kann sich einer von uns vorstellen, dass unsere
    Soldaten dort vor Ort wären und nicht eingreifen würden,
    um diese humanitären Hilfsaktionen zu schützen? Es ist ja
    durch dieses Mandat durchaus möglich, dass dies ge-
    schieht. Aber ich hoffe, dass dies dann auch im Ernstfalle
    angewandt werden würde.

    Im Übrigen – Wolfgang Gerhardt hat es heute früh für
    die FDP-Fraktion angekündigt – werden wir dem Antrag
    der Bundesregierung zustimmen. Allerdings haben wir
    speziell in einem Punkt ganz erhebliche Bedenken: Wir
    halten das, was im Antrag zur Finanzierung gesagt wor-
    den ist, für in hohem Maße unseriös.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Hier findet sich der lapidare Satz – das muss man sich
    wirklich auf der Zunge zergehen lassen –: „Die einsatz-
    bedingten Ausgaben werden im Haushaltsjahr 2002 ... ge-
    gebenenfalls durch Umschichtungen finanziert.“ Alle
    Nachfragen gestern und heute im Auswärtigen Ausschuss
    haben uns nicht weitergebracht. Ich erinnere daran, dass
    der Finanzminister uns vor noch gar nicht langer Zeit er-
    klärt hat, dass der Haushalt jetzt bis an die Grenzen des
    Möglichen befrachtet sei. Wo sollen denn diese Um-
    schichtungen herkommen? Das muss uns doch gesagt
    werden. Oder ist daran gedacht, dass die Mittel, die jetzt
    im Haushalt des Entwicklungsministeriums und im Haus-
    halt des Auswärtigen Amtes für humanitäre Zwecke und
    für strukturelle Aufbauarbeit in Afghanistan vorgesehen
    sind, dann reduziert werden sollen? Das könnte ja wohl
    nicht im Sinne der Sache sein.

    Denn eines wollen wir doch festhalten: Ohne die
    – auch finanziellen – Aufwendungen der internationalen
    Gemeinschaft für den Wiederaufbau von Afghanistan in
    der Zukunft würden alle Soldaten, die wir dort hin-
    schicken, nichts nützen und das Land würde nicht wieder
    von sich aus auf die Füße kommen.

    Meine Damen und Herren, heute früh ist vom Bundes-
    kanzler mit Freude darauf hingewiesen worden – ich teile
    seine Genugtuung darüber –, dass dem deutschen Kontin-
    gent auch niederländische und dänische Soldaten an-
    gehören werden. Dies ist ein vernünftiger Einstieg. Aber,
    Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, das ersetzt
    doch bei weitem nicht das Fehlen des europäischen und
    des NATO-Ansatzes in diesen Fragen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

    Ulrich Irmer

    20837


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir erleben hier, dass wiederum allein national gehan-
    delt wird. Da beschwören wir, da machen wir Pläne und
    da bekräftigen wir in Laeken und auf sonstigen Konfe-
    renzen, dass wir nichts Dringenderes benötigen als eine
    gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidi-
    gungspolitik. Aber was geschieht jetzt, wo es konkret
    wird und wo dies vielleicht möglich gewesen wäre? –
    Wiederum kommt es nur zu nationalen Alleingängen.

    Ich kritisiere gar nicht, dass die Bundesregierung das
    vielleicht in den wenigen Tagen, die jetzt zur Verfügung
    standen, nicht geschafft hat. Aber, meine Damen und Her-
    ren, die Briten haben ausdrücklich erklärt, dass sie ihr
    Führungsmandat nur für die ersten Monate ausüben wer-
    den. Es ist heute schon viel davon die Rede gewesen, dass
    dann eine neue Entscheidung getroffen werden muss.
    Machen das dann die Türken, machen das die Deutschen
    oder wer macht das?

    Ich fordere die Bundesregierung auf, sich in den nächs-
    ten drei Monaten mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass
    es möglich wird, das Führungsmandat dann auf die Euro-
    päische Union oder auf die NATO zu übertragen, damit
    wir nicht wieder darauf angewiesen sind zu bitten und zu
    betteln, dass eine Nation dies alleine übernimmt.


    (Beifall bei der FDP)


    Meine Damen und Herren, damit bin ich bei einem oh-
    nehin etwas traurigen Kapitel, nämlich bei dem Zustand
    der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsgemein-
    schaft. In wenigen Tagen werden wir den Euro als unsere
    neue Währung einführen. Das ist ein Riesenerfolg und ein
    Riesendurchbruch, von dem vor zehn Jahren noch nie-
    mand zu träumen gewagt hätte. Wenn es aber um Sicher-
    heits- und Verteidigungsfragen und um die Außenpolitik
    geht, dann hinken wir hinterher wie zu Zeiten des Post-
    kutschenföderalismus vergangener Zeiten.

    Es ist vorhin darauf hingewiesen worden, dass wir in
    der Außenpolitik hauptsächlich mit Militäreinsätzen tätig
    werden. – Herr Fischer, Sie nicken zustimmend. Das finde
    ich nett. Sie haben noch vor wenigen Jahren der alten
    Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen vor-
    geworfen, sie betrieben die Militarisierung der deut-
    schen Außenpolitik.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wann immer wir in den letzten Monaten außenpolitische
    Debatten geführt haben, ging es meistens um die Entsen-
    dung der Bundeswehr ins Ausland. Es gab allein in den
    letzten vier Monaten vier solcher Entscheidungen. Ich
    werfe Ihnen jetzt nicht meinerseits vor, Sie betrieben die
    Militarisierung deutscher Außenpolitik. Was ich aber ver-
    misse, ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept, das Sie
    uns vielleicht einmal hätten vorlegen können.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Genschman fehlt!)


    Dieses Konzept fehlt an allen Ecken und Enden. Ich habe
    den Eindruck, dass Sie – nicht ungeschickt – immer spon-
    tan auf Notwendigkeiten reagieren, die sich ad hoc erge-
    ben.

    Ich will noch einmal auf diese vier Entsendeentschei-
    dungen zurückkommen, die wir in den letzten vier Mona-
    ten zu treffen hatten. Da gibt es ja nun nicht, wie manche
    in Ihren Reihen meinen, die guten Entscheidungen und
    die bösen Entscheidungen. Ich sage Ihnen dazu: Die guten
    Entscheidungen – auch die heute anstehende wird von Ih-
    nen so betrachtet – wären manchmal nicht möglich ohne
    die vorangegangenen bösen Entscheidungen.


    (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])


    Hier gibt es übrigens eine deutliche Parallele zwischen
    Mazedonien und Afghanistan. Wir hätten den Beschluss,
    dass Deutschland als Führungsnation im Rahmen der
    NATO-Mission Soldaten nach Mazedonien schickt, um dort
    den zivilen Wiederaufbau zu schützen, nicht treffen können,
    wenn nicht vorher hier das Mandat erteilt worden wäre, die
    Bundeswehr auch zum Waffeneinsammeln nach Mazedo-
    nien zu schicken. Dazu hatten Sie keine eigene Mehrheit.
    Sie haben die Arbeit uns, der Opposition, überlassen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich freue mich ohnehin, den Vereinten Nationen, der
    NATO und allen unseren Bündnispartnern sagen zu kön-
    nen: Auf die deutsche Opposition ist natürlich Verlass.
    Wenn ich hier von deutscher Opposition spreche, nehme
    ich die PDS aus. Es ist schon außerordentlich verwunder-
    lich, Herr Struck, dass Sie sich zwar vorher mit der PDS
    auseinander gesetzt haben – so weit bin ich damit einver-
    standen –, ohne aber zu erwähnen, dass sich Ihre Partei
    zur gleichen Zeit ausgerechnet in Berlin mit ihr ins Bett
    legt, obwohl die Vorgängerpartei, die SED, durch Berlin
    die Mauer gezogen hat. Darauf müssen Sie uns noch eine
    Antwort geben.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Lassen Sie mich schließen mit einem guten Wunsch an
    unsere Soldaten und deren Familien. Wir hoffen alle, dass
    die Soldaten wohlbehalten heimkehren.

    Ein allerletzter Wunsch: Der Beschluss, den wir heute
    fassen werden, soll dazu beitragen, dass wir einen kleinen
    Schritt dem näher kommen, was die Botschaft dieser lei-
    der vielfach sinnentleerten Weihnachtstage sein sollte:
    Friede auf Erden.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun erteile ich dem
Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Verehrte
    Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht gerade das Ge-
    fühl, dass ich mit irgendjemandem im Bett liege. Ich muss
    aber zugeben, dass es eine verführerische Alternative zu
    dem wäre, was hier abläuft.


    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS – Gernot Erler [SPD]: Es kommt darauf an, mit wem!)


    Man kann ja einmal darüber nachdenken.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

    Ulrich Irmer

    20838


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir sollten uns ernsthaft damit auseinander setzen – das
    ist der Gegenstand der Diskussion in meiner Fraktion –,
    wie rasch Hilfe für das afghanische Volk erfolgen kann, für
    ein Volk, das von Kriegen und Grausamkeiten geschunden
    ist, für ein Volk, das militärische Interventionen – sei es
    von Großbritannien als Kolonialmacht, sei es von der
    Sowjetunion oder sei es von den Amerikanern – über sich
    ergehen lassen musste, für ein Volk, auf das Bomben und
    Raketen abgeworfen worden sind und das von örtlichen
    Kriegsherren, von Fanatikern und von Mörderbanden
    ausgeplündert worden ist. Das ist unsere Zielsetzung. Wir
    glauben, dass es nicht so geht, wie es von der Mehrheit
    hier vorgeschlagen wird.


    (Gernot Erler [SPD]: Doch, doch!)


    Ich hoffe – das will ich hinzufügen –, dass wir mit un-
    serer Auffassung Unrecht behalten. Ich befürchte aber,
    dass sie richtig sein wird. Gern würde ich im Interesse des
    afghanischen Volkes bezüglich meiner Prognosen Un-
    recht behalten.


    (Beifall bei der PDS)


    Wir haben einen anderen Weg vorgeschlagen – die Be-
    endigung des Krieges in Afghanistan ist dabei für uns die
    Voraussetzung –: eine UNO-Mission nach Kap. VI der
    Satzung der Vereinten Nationen. Das hat nichts mit einem
    robusten oder weniger robusten Einsatz zu tun; auch eine
    Mission gemäß Kap. VI kann robust sein. Wir haben vor-
    geschlagen, rasch humanitäre Hilfe zu leisten und die Ver-
    sorgung der Bevölkerung sicherzustellen.


    (Gernot Erler [SPD]: Das passiert doch!)


    Das ist dringend notwendig. Wir haben eine Unterstüt-
    zung bei der Minenräumung und beim Aufbau einer zivi-
    len Verwaltung vorgeschlagen.


    (Beifall bei der PDS)


    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Be-
    merkung zu dem machen, was Kollege Struck hier gesagt
    hat; Kollege Irmer hat in diesem Zusammenhang noch
    draufgesattelt. Ich setze mich gern mit Geschichtsfragen,
    die mich und meine Fraktion betreffen, auseinander; aber
    nur dann, wenn sie nicht platt gestellt werden. Heute will
    ich jedoch von der Plattheit absehen. Natürlich ist es be-
    rechtigt, uns immer wieder zu fragen, was wir zu be-
    stimmten Positionen gesagt und was wir in diesem Fall
    getan haben. Ich gehöre zu denjenigen, die die sowjeti-
    sche Intervention in Afghanistan gerechtfertigt haben.
    Dies habe ich aber mit den gleichen schlechten Argumen-
    ten gemacht, wie ihr das heute tut.


    (Beifall bei der PDS)


    Auch ich habe damals von dem Unsinn des Kampfes ge-
    gen den Terror und gegen Banditengruppen und von der
    Beförderung des kulturellen Fortschritts gefaselt.


    (Widerspruch bei der SPD)


    Diese Argumente waren damals schlecht und sie sind
    heute nicht besser geworden.


    (Beifall bei der PDS – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das ist ein UNO-Mandat! Das ist ungeheuerlich!)


    Ich sehe nicht ein, warum man sich heute davon abset-
    zen muss, Schwerter zu Pflugscharen umformen zu wol-
    len. Ich kann euch ja einmal vorlesen, was in eurem Pro-
    gramm steht. Wir alle wollten das einmal. Daran sollten
    wir festhalten. Ihr macht es nicht!


    (Beifall bei der PDS)


    Nun spreche ich einmal die Kolleginnen und Kollegen
    an, die wie ich als Linke aus dem Westen stammen – man
    kennt sich ja untereinander –: Seid einmal weniger laut
    und legt zugrunde, was wir und ihr – ich schaue dabei die
    Grünen und einen Teil der Sozialdemokraten an – damals
    geschrieben haben! Das wäre nicht weniger unmenschlich
    und inhuman geworden als das, was im Osten Praxis war.
    Nehmt euch einmal ein Stück zurück! Auch gedachte Un-
    taten bleiben Untaten! Auch dazu sollte man stehen.


    (Beifall bei der PDS)


    Für mich ist die entscheidende Frage, ob das VN-
    Mandat den Bruch mit der Logik des Krieges darstellt
    oder ob es im Gegenteil auf der Logik des Krieges beruht.
    Es war interessant, zu hören, was der Herr Bundeskanzler
    in seiner Erklärung dazu gesagt hat. Er hat das VN-Man-
    dat aus dem Krieg heraus entwickelt und beides mitei-
    nander verbunden. Ich halte die Logik, dass man durch
    das Führen eines Krieges zu einem solchen Ergebnis
    kommt, für fatal. Ich möchte, dass künftige UN-Missio-
    nen von Kriegen abgesetzt werden, dass sie das Gegenteil
    von Krieg darstellen und dass es um zivile Lösungen geht.


    (Beifall bei der PDS)


    Hier liegen unsere Probleme mit dem Mandat selber.
    Für die Öffentlichkeit sei gesagt – die Kolleginnen und
    Kollegen hier sollten es wissen –: Dies ist keine UNO-
    Mission, sondern eine Mandatierung der UNO für eine
    Staatengruppe. Das ist einfach ein Unterschied.

    Großbritannien ist aus meiner Sicht ob seiner kolonia-
    len Geschichte und seiner Verwicklung in den Krieg als
    Leitnation ungeeignet. Großbritannien tritt zweifach in
    Erscheinung: als Kriegspartei und als Teil der UNO-Mis-
    sion.

    In der Türkeifrage – da muss ich dem Kollegen Rühe
    Recht geben; wo er Recht hat, hat er Recht – wird die Re-
    gierung beantworten müssen, wie sie künftig ihre Position
    zur Türkei gestalten wird, wenn die Türkei ihre „lead na-
    tion“ in Afghanistan sein wird.

    Auch Folgendes werden Sie beantworten müssen:
    Wenn Sie die Bundeswehr so einsetzen, wie Sie sie ein-
    setzen, dann ist sie wirklich unterfinanziert. Ich will sie
    nicht so einsetzen; aber um die Beantwortung dieser
    Frage kommen Sie nicht herum. In mindestens einem hal-
    ben Jahr werden Sie in der Türkeifrage und auch in ande-
    ren diesbezüglichen Fragen Farbe bekennen müssen.

    Weiterhin ist festzuhalten, dass der Kampfeinsatz der
    USA in Afghanistan und die dortige UNO-mandatierte
    Truppe – das Herumgerede hilft ja nicht weiter – doch
    miteinander verbunden sind. Wenn man die Texte genau
    durchliest, so stellt man fest, dass im Konfliktfall letzt-
    endlich die USA die Entscheidung treffen. Täuschen Sie
    die Öffentlichkeit doch nicht, wenn Sie das befürworten!

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

    Wolfgang Gehrcke

    20839


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Stellen Sie sich zu solchen Positionen und sagen Sie deut-
    lich, wie es sein wird!


    (Beifall bei der PDS – Michael Glos [CDU/ CSU]: Der Rühe hat es doch gesagt!)


    Ich habe allergrößte Bedenken gegen ein Mandat nach
    Kap. VII.

    Ich will mich mit einer weiteren Frage auseinander set-
    zen. Die humanitäre Hilfe ist nicht Gegenstand des Man-
    dates. Das muss hier deutlich gesagt werden. Das Mandat
    dient zur Unterstützung, zur Assistenz und zur Sicherung
    der neuen Verwaltung. Da kann es vielleicht einen Sinn
    machen. Aber Sie werden Fragen beantworten müssen.
    Was passiert, wenn die Scharia die Rechtsordnung bleibt
    und in Kabul und in ganz Afghanistan Hinrichtungen statt-
    finden? Dann hätten Sie kein Mandat, um unmittelbar ein-
    zugreifen. Was passiert, wenn die Differenzen zwischen
    Großbritannien, Frankreich, den USA und auch Deutsch-
    land – das sind ja keine Kleinigkeiten – größer werden?

    Lassen Sie mich noch eine Frage hinzufügen, die Sie
    heute fairerweise hätten beantworten müssen.


    (Detlev von Larcher [SPD]: Er wird immer schlechter!)


    Man kann Afghanistan nur im Gesamtzusammenhang se-
    hen. Sie hätten heute sagen müssen, wie es mit weiteren
    militärischen Einsätzen aussieht; diese Frage ist oftmals
    aufgeworfen worden und steht damit in Zusammenhang.
    Da Sie das nicht tun, gibt es nur zwei Antworten. Entwe-
    der Sie wissen nichts – das spräche nicht gerade für Part-
    nerschaft; aber das kann ja so sein –, oder Sie sagen nichts,
    weil Sie den Eindruck, dass die Wahrheit scheibchen-
    weise verabreicht wird, vermeiden wollen: Die uneinge-
    schränkte Solidarität führte zum Beschluss der NATO
    über den Bündnisfall. Die NATO wurde danach gar nicht
    mehr gefragt, aber das ist nicht mein Problem. Dann kam
    der Beschluss des Bundestages, für die Aktion der USA
    2 900 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wo sind die ei-
    gentlich stationiert? Wo sind sie geblieben? Darüber redet
    keiner. Sind sie schon in Afghanistan? Sind sie in Soma-
    lia oder in Kuwait? Wo sind sie denn? Ich möchte endlich
    Antworten darauf haben, wo diese Soldaten sind.


    (Beifall bei der PDS)

    Jetzt sollen 1 200 Soldaten für den UNO-Einsatz zur

    Verfügung gestellt werden. Zum gleichen Zeitpunkt sagt
    der Verteidigungsminister zu Somalia, es gehe nicht mehr
    um die Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wann
    und mit welchen Mitteln. Das ist die Verknüpfung zwi-
    schen Kriegsaktion und Friedensmission. Die genau wol-
    len wir nicht. Sie aber nehmen sie vor bzw. laufen Gefahr,
    sie vorzunehmen. Deswegen haben wir uns zu einem Nein
    entschieden, was wir unter uns kritisch genug und auch in
    der Öffentlichkeit diskutiert haben.


    (Beifall bei der PDS)