Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 99. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Entschuldigungen und die amtlichen Mitteilungen bekanntzugeben.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für 2 Tage den Abgeordneten Zinn, Goetzendorff, Müller , Dr. Hammer.
Es sucht um längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Dr. Götz für 14 Tage wegen Krankheit.
Päsident Dr. Ehlers: Widerspruch gegen den längeren Urlaub des Abgeordneten Dr. Götz ist nicht erfolgt. Der Urlaub ist genehmigt.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Thiele, Henßler, Dr. Henle, Parzinger und Kriedemann.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 durch den Bundesminister der Finanzen .
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt Ihnen den Haushaltsplan des Rechnungsjahres 1950/51 vor, nachdem er die Zustimmung des Bundesrats gefunden hat. Dieser Haushaltsplan ist der erste Haushaltsplan eines vollen Rechnungsjahres, den die junge deutsche Bundesrepublik der Öffentlichkeit vorlegt. Dieser Haushaltsplan ist daher die erste Bewährungsprobe darauf, ob sich die finanzpolitischen Gesichtspunkte und Richtlinien des Grundgesetzes in diesem Jahre bewährt haben und ob diese finanzpolitischen Richtlinien des Grundgesetzes eine dauernd gute und gesunde Grundlage für das finanzpolitische Leben der Bundesrepublik bieten können.
Der Gesetzgeber des Grundgesetzes hat in erster Linie zwei Gesichtspunkte wahrzunehmen und zwei Aufgaben zu erfüllen gesucht, nämlich finanzpolitisch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern zu regeln und aus den Erfahrungen, die zwei große Ereignisse in Deutschland gebracht haben, aus den Erfahrungen der Inflation der Jahre 1918 bis 1923 und aus den Erfahrungen der Währungsumstellung des Jahre 1948, die auch eine Folge der voraufgegangenen Finanzpolitik gewesen ist, zu handeln und dem deutschen Sparer und der deutschen Bevölkerung, denen durch diese beiden Ereignisse das Vertrauen in den Staat und in das Finanzgebaren des Staates genommen worden war, in der Verfassung gegen die Wiederholung solcher Ereignisse einen Schutz zu bieten.
Der Gesetzgeber des Grundgesetzes hat diesen Schutz zunächst in der Bestimmung des Art. 110 des Grundgesetzes zu finden gehofft, die vorschreibt, daß der Haushaltsplan der Bundesrepublik in Einnahmen und Ausgaben abgeglichen vorgelegt und — das ist natürlich der Sinn dieser Bestimmungen — auch während des Jahres gehalten werden muß. Weiter hat er in der Bestimmung des Art. 113 des Grundgesetzes den Schutz gesucht; darin ist vorgesehen, daß dann, wenn während des laufenden Haushaltsjahres die Voranschläge des Haushaltsplans durch Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften erhöht werden, d. h. daß durch diese Beschlüsse höhere Ausgaben, als im Haushaltsplan vorgesehen, nötig werden, die
besondere Zustimmung der Bundesregierung zu diesen Beschlüssen gegeben werden muß.
Der Gesetzgeber hat damit der Bundesregierung eine ganz besondere und erhöhte Verantwortung zugewiesen. Die Bundesregierung kann sich nicht darauf berufen, daß sie durch Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften zu einer inflatorischen Politik gezwungen gewesen sei. Die Bundesregierung selbst ist aufgerufen, den Damm gegen jede inflatorische Politik zu bilden, und sie muß für diese Entwicklung die persönliche Verantwortung übernehmen. Sie muß und kann diese persönliche Verantwortung selbstverständlich nur im Rahmen dessen übernehmen, was die Verfassung selbst vorschreibt, also insbesondere im Rahmen des Art. 110 des Grundgesetzes, in dem die Abgleichung in Einnahmen und Ausgaben vorgesehen ist.
Damit die Bundesregierung diesem Zwang nicht ausweichen kann, hat der Gesetzgeber des Grundgesetzes in Art. 115 auch den Weg für eine leichtfertige Schuldenpolitik verbaut. Er hat vorgeschrieben, daß zur Aufnahme jeden Kredites und zur Gewährung jeder Bürgschaft und aller Sicherheitsleistungen, deren Wirkung über das laufende Haushaltsjahr hinausgehen, ein besonderes Bundesgesetz erforderlich ist. Die Bundesregierung ist hier also an die Beschlußfassung der beiden gesetzgebenden Körperschaften, Bundesrat und Bundestag, gebunden. Durch diese Bestimmungen suchte der Gesetzgeber des Grundgesetzes zunächst einen Schutz gegen jede inflatorische Entwicklung in der deutschen Finanzpolitik zu schaffen. Um ein modernes Wort zu gebrauchen: „deficit spending" ist durch das Grundgesetz in der deutschen Finanzpolitik untersagt.
Was ,den Aufbau zwischen Bund und Ländern und die Teilung der finanzpolitischen Verantwortung zwischen Bund und Ländern betrifft, so hat das Grundgesetz zunächst in Art. 120 dem Bund seine besonderen Aufgaben zugewiesen: Kriegs- und Kriegsfolgelasten und damit die gesamte Erfüllung der Verpflichtungen der deutschen Bevölkerung gegenüber dem Ausland; durch Art. 131 auch die Fürsorge für die verdrängten öffentlichen Bediensteten und beruflichen Wehrmachtsangehörigen, auch die Fürsorge für Arbeitslosenversicherung, Zuschüsse für Sozialversicherungsanstalten. Das ist der große Komplex, der an Aufgaben dem Bund zugewiesen ist; in erster Linie die sozialen Aufgaben.
Die Einnahmenteilung ist, ins Rohe gesprochen, auf die Weise erfolgt, daß die unmittelbaren Steuereinkommen — Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer — den Ländern zufließen, während der Bund im wesentlichen auf Umsatz- und Verbrauchssteuern angewiesen ist.
Welche Folgerungen ergeben sich finanzpolitisch daraus? Der Bund hat die sozialen Ausgaben; das sind unvermeidbare Ausgaben und solche, die ihrer ganzen Natur nach und angesichts der durch den Krieg hervorgerufenen Verhältnisse und der unglücklichen Bevölkerungsschichtung, die das deutsche Volk heute nach zwei Weltkriegen nun einmal hat, in sich eine steigende Tendenz haben. Wenigstens in den nächsten Jahren werden sie immer steigen müssen. Also die unvermeidbar steigenden Ausgaben sind die Lasten des Bundes.
Die Einnahmen, die ihm zugewiesen sind, haben finanzpolitisch ebenfalls ihren besonderen Charakter. Umsatzsteuer und Verbrauchssteuer können ihrer Natur nach nicht über eine bestimmte Grenze hinaus erhöht werden. Sie sind die Steuerarten, die sich unmittelbar auf Preise und Löhne auswirken müssen und denen in der gesamten Wirtschaftsentwicklung daher soziale Grenzen gezogen sind. Die Einnahmemöglichkeiten für den Bund sind auch dadurch begrenzt, daß neben dieser natürlichen Grenze der dem Bund unmittelbar zugewiesenen Steuereinnahmen das Ausweichen und der Rückgriff auf die Steuerarten, die den Ländern zufließen — wenn der Bund auf dem Umweg über den Art. 106 die nichtgedeckten Ausgaben aus den Ländersteuern durch Quoten zu decken sucht —, dadurch beschränkt ist, daß die Anwendung des Art. 106 von der Zustimmung der Länder, also von der Zustimmung derer abhängig ist, denen diese Einnahmen gekürzt oder genommen werden sollen. Also finanzpolitische Ausgangsposition für den Bund: Ausgaben ihrer Natur nach unvermeidbar und steigend, Einnahmen ihrer Natur nach beschränkt und durch die Gesetzgebung, durch das Grundgesetz selbst, begrenzt.
Welche finanzpolitischen Möglichkeiten ergeben sich? Der Weg der Inflation ist ausdrücklich durch die Verfassung, aber auch durch eigenes Wollen und eigene Erkenntnis unmöglich. Der Weg der Deflation ist ebensowenig möglich; denn der Bund, der die sozialen Aufgaben zu leisten hat, müßte als erster darunter leiden. Deflation bedeutet Beschränkung aller öffentlichen Ausgaben, bedeutet Lähmung der Wirtschaft, Steigerung der Arbeitslosigkeit und damit Steigerung der sozialen Not. Alle Ausgaben, die sich aus der sozialen Not ergeben, sind ja Ausgaben des Bundes. Eine Deflationspolitik des Bundes müßte infolgedessen unmittelbar erhöhte Ausgaben des Bundes zur Folge haben. Aber auch der Weg der steuerlichen Überlastung ist dem Bund genommen — wir können sagen: zum Glück —, weil die ihm zugewiesenen Steuern ihrer Natur nach beschränkt und begrenzt l sind und weil dem Rückgriff auf die Einnahmen der Länder' vom Gesetzgeber- durch die Notwendigkeit, die Zustimmung dessen, dem die Einnahmen genommen werden sollen, zu erhalten, auch eine Grenze Besetz wird. — Das ist die Feststellung nach der negativen Seite.
Welcher Weg bleibt nun nach der positiven Seite? Ich habe dem Hohen Hause im Juni dieses Jahres eine Denkschrift vorgelegt, die unter den Drucksachen die Nr. 1000 erhielt, — vielleicht ein Omen dafür, daß diese Denkschrift unter den vielen Drucksachen, die Ihnen vorgelegt werden, schon wegen ihrer Nummer einer besonderen Beachtung wert wäre.
Daß der heute vorgelegte Haushaltsplan wieder vom Schicksal die Nummer 1500 erhalten hat,
ist vielleicht wieder ein Omen dafür, daß zwischen der Drucksache Nr. 1000 und der Drucksache Nr. 1500 doch die engsten Zusammenhänge bestehen und daß beide Drucksachen Ihre besondere Beachtung finden sollten.
Herr Minister, es ist nicht nur Zufall, das Schicksal ist etwas gestaltet worden.
Ich freue mich, wenn die Menschen den Weg des Schicksals rechtzeitig ahnen und ihm den Weg bereiten.
Ich darf aber feststellen, daß die Drucksache Nr. 1000 damals schon die Schwierigkeiten und den Weg zu zeigen suchte. Indem sie abgrenzte, welche Wege nicht möglich seien, hat sie damals bereits die Linie gegeben, welcher Weg von der Bundesregierung als möglich bezeichnet wird, die sozialen Aufgaben zu erfüllen und ohne schwerste Finanz- und wirtschaftspolitische Schäden trotzdem die notwendigen Mittel aufzubringen. Der Weg wurde darin gesehen, daß in erster Linie nicht so sehr an neue Steuergesetze gedacht wird, sondern daß die Möglichkeit und der Zwang geschaffen werden, aas bestehende Gesetz zu achten und die Verpflichtungen, die dieses Gesetz schafft, nicht einer Bundesregierung, sondern voll dem deutschen Volke gegenüber, dessen soziale Aufgaben in Händen der Bundesregierung liegen, erfüllen zu helfen.
Das ist der erste Weg. Der zweite Weg muß trotz aller Schwierigkeiten darin gesehen werden, alles zu tun, um die Wirtschaft zu beleben, den Steuerzahler damit leistungsfähig zu machen und aus dem leistungsfähigen Steuerzahler die Einnahmen herauszubekommen, die zur Behebung der sozialen Not und sozialen Schwierigkeiten erforderlich sind.
Das sind die Grundsätze. Lassen Sie mich nach diesen Grundsätzen einmal den Haushalt dahin vergleichen, ob er ihnen und den Forderungen entspricht, die nun einmal das Grundgesetz an Bundesregierung und gesetzgebende Körperschaften gleicherweise stellt. Die erste Frage ist dann die: Ist dem Art. 110 des Grundgesetzes entsprochen, ist die Abgleichung des Haushalts in Einnahmen und. Ausgaben eine echte und wahre und nicht bloß eine ziffernmäßige?
Der Ihnen vorliegende Haushalt schließt in Einnahmen und Ausgaben mit 13 013 Millionen DM ab. Davon entfallen auf den ordentlichen Haushalt 12 218 Millionen und auf den außerordentlichen Haushalt 795 Millionen DM. Ich bemerke, daß ich dabei von den Ziffern ausgehe, die in dem Haushaltsvoranschlag selbst enthalten sind. In den Beratungen des Bundesrats haben sich diese Ziffern in Einnahmen und Ausgaben gleicherweise um 54 Millionen DM geändert. Die Einzelheiten darüber liegen Ihnen in der Anlage 4 zum Haushaltsvoranschlag vor. Wir haben also ein Ausgabensoll von 12,2 Milliarden DM im ordentlichen Haushalt. Die Einnahmen, die dem gegenüberstehen, sind folgende: an Steuern, Umsatz- und Beförderungssteuer 5 040 Millionen DM, Zölle und Verbrauchssteuern 4 153 Millionen DM, zusammen 9 193 Millionen DM; dann Interessenquoten der Länder 1 131 Millionen DM nach der derzeitigen Höhe der durch die Interessenquote mitgedeckten Ausgaben; Ablieferung der Verkehrsbetriebe 308 Millionen DM, davon 134 Millionen DM auf die Post, 174 Millionen DM auf die Bahn entfallend; Notopfer Berlin nach Haushaltsvoranschlag 320 Millionen DM; Beitrag des außerordentlichen Haushalts zum ordentlichen Haushalt für Subventionen 300 Millionen DM; Einnahmen aus Bank-und Geldwesen — das ist Münzgewinn und Gewinnanteil an der Notenbank — 580 Millionen DM und schließlich Verwaltungseinnahmen, die in den Ihnen vorliegenden Einzelplänen enthalten sind, mit 400 Millionen DM, insgesamt also 12,2 Milliarden DM.
Frage: Sind die Einnahmen richtig angegeben, werden die Steuerschätzungen erreicht werden? In den ersten sechs Monaten sind von den Steuerschätzungen — insgesamt 9 193 Millionen DM — 4 041 Millionen DM eingegangen. Das sind also rund 44 %. Ich darf vorausschicken: die Steuerschätzungen waren von vornherein nicht auf den Ergebnissen des Vorjahres aufgebaut, sie gingen wesentlich darüber hinaus. Sie Waren von vornherein darauf aufgebaut, daß die von der Bundesregierung beabsichtigte gesamte Finanz- und Wirtschaftspolitik ihr Ziel erreichen, eine Bewegung bringen und damit höhere Schätzungen erlauben würde, als wir sie hätten machen dürfen, wenn wir nur das Vorjahr zugrunde gelegt hätten. Es ist infolgedessen natürlich, daß die Wirtschaftsbelebung sich erst im Laufe des Jahres auswirken kann, und es ist infolgedessen auch natürlich gewesen, daß der monatliche Eingang an Steuern in den ersten Monaten des Jahres weit unter der Schätzung lag. Im April betrug der monatliche Steuereingang insgesamt 594 Millionen DM. Er ist inzwischen im Monatsdurchschnitt gestiegen, im September auf 819 Millionen DM. Er muß, um die Fehlbeträge der ersten Monate durch die Mehrerträge der letzten Monate zu decken, auf einen Monatsdurchschnitt von 859 Millionen DM steigen.
Meine Damen und Herren, wenn ich diese Ziffern nenne, so deshalb, weil ich damit sagen will: wenn ich auch Optimist genug bin, nach der Wirtschaftsentwicklung zu glauben, daß die Steuerschätzungen erreicht werden, so möchte ich doch dringendst davor warnen, etwa zu hoffen, daß die Steuerschätzungen . das Maß nicht erreicht hätten, das der Wirklichkeit entspricht. Die Steuereinnahmen werden die Steuerschätzungen bestimmt nicht überschreiten; denn es ist vom September an gerechnet noch eine Durchschnittssteigerung monatlich von 40 Millionen DM erforderlich, um die Steuerschätzungen des Gesamtjahres zu erreichen. 1
Ich darf einmal auf die einzelnen Steueraufkommen eingehen. Die Umsatzsteuer, die im Vorjahre 3 994 Millionen DM gebracht hatte, ist geschätzt mit 4 700 Millionen DM Einnahmen. Es ist dies ein Monatsdurchschnitt von 392 Millionen DM. In den ersten sechs Monaten wurden 1 794 Millionen DM erreicht; ein monatlicher Durchschnitt von 358 Millionen DM. Im September wurde das Monatsdurchschnittssoll von 392 Millionen DM um einige Millionen DM überstiegen. Es ist eine weitere Steigerung notwendig, um die Gesamtjahresschätzung zu erreichen.
Die Beförderungssteuer, die 118,6 Millionen DM erreicht hat, bleibt hinter der Steuerschätzung nicht unwesentlich zurück. Das Notopfer Berlin, das im ersten Halbjahr 175 Millionen erreicht hat, hat das Vorjahr überschritten und wird die Steuerschätzung erreichen.
Die Zolleinnahmen, die für das ganze Jahr mit 600 Millionen geschätzt sind, haben bisher 278,7 Millionen DM erreicht, weit über dem Vorjahr, das 136 Millionen DM im gleichen Zeitraum hatte, ein Beweis für die gesteigerte Wirtschaftskraft des deutschen Volkes. Aber auch die Zolleinnahmen werden die Steuerschätzungen nur dann erreichen. wenn keine Störungen des Wirtschaftslebens, wenn nicht eine Erschwerung des Imports durch kreditpolitische Maßnahmen sich allzustark auswirken.
Was die Verbrauchssteuern betrifft, so darf ich zunächst von der Zuckersteuer sprechen. Die Zuckersteuer hat im ersten Halbjahr ein Aufkommen von 136 Millionen DM gegenüber einem Soll für das Halbjahr von 200 Millionen DM und einem Vorjahreserträgnis von 175 Millionen DM, ist also weit zurückgeblieben. Das hängt nicht so
sehr mit der Senkung der Zuckersteuer zusammen; denn in den Monaten Mai bis September beträgt der Unterschied in allen fünf Monaten zusammengerechnet gegenüber dem Vorjahr nur 12 Millionen DM. Die Erklärung für das Zurückbleiben liegt hauptsächlich im Monat April, in dem Monat des Übergangs von den Ländern auf den Bund. Das war eine Lücke, die inzwischen nicht aufgeholt werden konnte und die den Schluß zuließ, daß es vielleicht gelingt, die Zuckersteuer annähernd an das Soll heranzubringen, die aber nie ganz das Soll erreicht.
Ähnlich liegt es bei dem Spiritusmonopol. Das Spiritusmonopol hat im Halbjahr April bis September 184 Millionen DM gebracht und liegt mit 20 Millionen DM unter dem Vorjahr. Hervorgerufen wurde dies zum Teil durch den Monat April, zum Teil aber auch durch die Tatsache, daß das Spiritusmonopol — weil es in den Händen des Staates liegt — stark den politisch vertretenen Wünschen von Interessenten ausgesetzt ist und infolgedessen in der Gestaltung des wirtschaftlichen Erträgnisses nicht die Bewegungsfreiheit hat, die private Unternehmen haben würden.
Der Ertrag der Mineralölsteuer hat im ersten Halbjahr 35,1 Millionen DM betragen, im Vorjahre 25,2 Millionen DM, ist also gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen, steht aber hinter der Steuerschätzung noch zurück und muß noch aufholen, um die volle Schätzung zu erreichen.
Ein besonderes Wort zu dem Kapitel Kaffeesteuer und Tabaksteuer. Die Tabaksteuer ist von den Verbrauchssteuern die ausschlaggebende mit einem Soll von 2100 Millionen DM. Die Tabaksteuer hat im ersten Vierteljahr des Rechnungsjahres zu schweren Sorgen Anlaß geben müssen. Sie blieb in den ersten Monaten um nicht weniger als 117 Millionen DM stark hinter dem Vorjahr zurück. Das hängt nicht allein mit dem Übergang von den Ländern auf den Bund zusammen; das hing wesentlich auch damit zusammen, daß durch den Schmuggel die Eingänge aus der Tabaksteuer ständig im Sinken begriffen waren. Vom Juni 1950 ab hat der verschärfte Kampf gegen den Schmuggel begonnen, und zwar mit dem bisherigen Ergebnis, daß die Steuereingänge der Tabaksteuer mit 560 Millionen DM im zweiten Vierteljahr die Steuereingänge des Vorjahres schon wieder überholt haben, die nur 546 Millionen DM betragen haben. Ich hoffe, daß, wenn der Kampf gegen den Schmuggel erfolgreich fortgesetzt wird, die Steuerschätzungen erreicht werden.
Zur Kaffeesteuer. Auch die Kaffeesteuer war eine besondere Probe auf dem Gebiet: Kampf gegen den Schmuggel.
Die Kaffeesteuer hat in den Monaten Juli bis September, in drei Monaten, um 30 Millionen DM — also monatlich um 10 Millionen DM — mehr betragen als in den gleichen Vorjahresmonaten und damit bereits 50 % der Steuerschätzung überschritten. Ich darf also hoffen, daß der Kampf gegen den Schmuggel sich auch hier erfolgreich fortsetzen wird. Ich weiß, daß immer noch Wünsche geäußert und an mich herangetragen werden, an Stelle des Kampfes gegen den Schmuggel durch die polizeilichen und gesetzlichen Maßnahmen
eine andere Maßnahme zu setzen, nämlich Kaffee-
und Tabaksteuer so zu senken, daß sich der
Schmuggel nicht mehr lohnt. Meine Damen und
Herren, ich möchte dazu sagen: wenn Sie ein endgültiges Urteil abgeben wollen, ob das möglich ist, bitte ich, nicht 'bloß das Thema Kaffee- und Tabaksteuer herzunehmen, sondern den gesamten Zusammenhang zu berücksichtigen: die sozialen Ausgaben des Bundes, die unmittelbare dringliche Eile, den sozialen Ausgaben gerecht zu werden, damit die Unmöglichkeit für den Bund, auch nur für eine Übergangszeit von einem halben Jahr oder länger Schwankungen in den Steuereinnahmen entgegenzunehmen, und die Frage, ob nicht der Bund mit Rücksicht auf die natürliche Steigerung der sozialen Lasten, denen er sich zu widmen hat, auch ohne Rücksicht auf andere Gesichtspunkte gezwungen sein wird und gezwungen sein kann, seine Einnahmen trotz allem über das bisherige Maß noch auszudehnen.
Nur wenn man es in diesem Zusammenhang überlegt und nicht einzelne Steuern nur von dem Gesichtspunkt der daran wirtschaftlich interessierten Kreise aus betrachtet, wird eine richtige Lösung für die Antwort zu finden sein, ob jetzt schon der Zeitpunkt gekommen ist, eine so schwerwiegende Entscheidung über Steuerarten, die das Rückgrat der Bundeseinnahmen sind, zu treffen. Ich glaube, daß wir die letzte Entscheidung nur im Zusammenhang der Dinge fällen können.
Zusammenfassend darf ich sagen: Ich hoffe, daß die Steuereinnahmen die Schätzungen erreichen; ich halte es für ausgeschlossen, daß die Steuereinnahmen über die Steuerschätzungen wesentlich hinausgehen werden.
Was nun die zweite Einnahmequelle, die Interessenquoten, betrifft, die die Länder zu leisten haben, so ist sie mit 1131 Millionen DM eingesetzt. In den ersten fünf 'Monaten sind an Interessenquoten eingegangen und einbehalten worden 237 Millionen DM, insgesamt in den ersten sechs Monaten 332 Millionen DM.
Meine Damen und Herren! Das Überleitungsgesetz ist erst beschlossen, es tritt erst demnächst in Kraft. Das Überleitungsgesetz ist die gesetzliche Grundlage für die Handhabung der Interessenquoten. Erst mit dem Inkrafttreten des Überleitungsgesetzes kann gesetzlicher Zwang ausgeübt werden, die Interessenquoten rechtzeitig und laufend einzuzahlen. Ich habe die Länder in vollem Einverständnis mit ihnen 'bereits verständigt, daß der Bund gezwungen ist, dafür Sorge zu tragen, daß diese Interessenquoten im Laufe dieses Rechnungsjahres restlos auch von den finanzschwachen Ländern eingezahlt werden müssen und daß diese Interessenquoten unter Umständen durch Rückstellung von Betriebsmittelzuweisungen in die Bundeskasse geleitet werden müssen. Also mit dem Gesamteingang der Interessenquoten kann gerechnet werden.
Die Ablieferung aus den Verkehrsbetrieben wird von der Postverwaltung voll erfüllt. Bei der bekannten finanziellen Notlage der Bundesbahn ist in diesem Jahre von der Bundesbahn eine Leistung noch nicht erfolgt. Ich bemerke jedoch, daß die Bundesregierung gesetzlich 'gezwungen ist, gesetzliche Forderungen, die sie hat, als Einnahmen in den Bundeshaushalt einzusetzen. Die Bundesregierung muß auch darauf hinweisen, daß die finanzielle Lage der Bundesbahn in den letzten Monaten in einer Besserung begriffen ist. Sie muß auch darauf hinweisen, daß eine Reform der Bundesbahn zum Ziele haben muß, alle gesetzlichen Verpflichtungen, die der Bundesbahn obliegen, schrittweise steigend zu erfüllen.
Was nun den Beitrag des außerordentlichen Haushaltsplans zum ordentlichen betrifft, so handelt es sich hier darum, daß zur Deckung der Ausgaben für Subventionen im außerordentlichen Haushalt eine kurzfristige Anleihe vorgesehen ist, die aus ,den Einnahmen des nächsten Jahres gedeckt werden muß. Sinn und Zweck der Subventionen, die ja auf einen einstimmigen Beschluß des Bundestages zurückgehen, ist gewesen, das Preis-und Lohngefüge in Ruhe und die Bewegung in Maß zu halten, dadurch der deutschen Wirtschaft, insbesondere dem deutschen Export, Chancen zu geben, Chancen, die sich wirtschaftlich in einer Steigerung von Steuereinnahmen des nächsten Jahres auswirken müssen. Hier handelt es sich um die Frage, ob mit der Unterbringung der Anleihen in diesem Jahre bestimmt zu rechnen ist. Ich kann Ihnen nur versichern, daß die Bank deutscher Länder, die hier der Mittler ist, die Erklärung abgegeben hat, die Bundesregierung könne sicher damit rechnen, daß die Käufer diese unverzinslichen Schatzanweisungen noch im Laufe dieses Jahres abnehmen.
Zur haushaltsrechtlichen Seite möchte ich bemerken, daß die Übertragung eines Beitrags aus dem außerordentlichen Haushalt als Einnahme in den ordentlichen Haushalt auch nach dem Haushaltsrecht des alten Reiches zulässig war und zum Beispiel im Jahre 1931 geübt worden ist. Ich möchte aber ebenso bemerken und keinen Zweifel darüber lassen, daß eine solche Maßnahme eine einmalige und außerordentliche ist und daß sie in diesem Falle nur deshalb möglich und gerechtfertigt war, weil dieser Übertragung etwas gegenüberstand, was jede inflatorische und kreditschöpfende Wirkung unmöglich gemacht hat: die Tatsache, daß ein entsprechender Betrag an Gegenwertforderungen in gleicher Höhe ebenso stillgelegt ist, wie dieser Betrag hier flüssig gemacht wird. Das ist aber auch die Grenze, unter der allein diese Maßnahme möglich war, und ich möchte ausdrücklich betonen, es ist eine Maßnahme, die einmalig bleiben muß und schon wegen der wirtschaftspolitischen Grenzen, die ich gezeigt habe, nicht wiederholt werden darf.
Was nun die Einnahmen aus dem Münzgewinn und dem Gewinn aus der Bundesnotenbank betrifft, so dürfen diese wohl als sicher angenommen werden.
Mit dem Hinweis auf die Übertragung von 300 Millionen DM Einnahmen aus dem außerordentlichen Haushalt in den ordentlichen sind die Einnahmen des außerordentlichen Haushalts erwähnt, und ich darf kurz zu den restlichen 409 Millionen DM folgendes bemerken: Sie sollen verwendet werden für Investitionen, also nur für werbende Anlagen. Dieser Grundsatz. für werbende Anlagen einen außerordentlichen Haushalt zu schaffen und aus auf den außerordentlichen Haushalt gelegten Anleihen die Mittel zu gewinnen, ist gesund. Die augenblicklichen Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt — Diskonterhöhung und Erhöhung der Mindestreserven — lassen es zur Zeit wohl untunlich erscheinen, mit der Anleihe jetzt auf den Markt zu gehen. Es wäre ja natürlich auch Voraussetzung dafür, daß das Anleihegesetz zuerst formell beschlossen, verkündet und in Kraft gesetzt ist. Ich möchte bemerken, daß nach den bisher geführten Besprechungen trotz aller bestehenden kreditpolitischen Schwierigkeiten schon heute nach Verhandlungen mit bestimmten Abnehmern gerechnet werden darf, daß ein nicht unerheblicher
Teilbetrag dieser Anleihe in sichere Hände gelangen wird. Der Zeitpunkt des Abbaues der kreditpolitischen Maßnahmen, insbesondere der Zeitpunkt des Abbaues der Mindestreservenhaltung könnte vielleicht sogar ein sehr günstiger und geeigneter Zeitpunkt sein, um mit dieser Anleihe auf den Markt zu treten.
Das war zur Seite der Einnahmen zu sagen.
Zur Seite der Ausgaben darf ich nur kurz folgendes feststellen. Einzelne Ausgabenansätze — Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherungsanstalten — sind über das vorgesehene Maß hinaus gestiegen. Im allgemeinen aber kann gesagt werden, daß die Ausgabenansätze im Durchschnitt gehalten worden sind. Die Bundesregierung war sich von vornherein darüber klar, daß ein Abgleich des Haushalts nur bei eiserner Strenge und äußerster Sparsamkeit möglich ist. Die Bundesregierung hat bekanntlich in dem Haushaltsvoranschlag, Einzelplan XXIII Kap. 8 einen Globalabstrich an den Ausgaben in Höhe von 200 Millionen DM vorgesehen. Es wurde von Anfang an bei den Betriebsmittelzuweisungen eine Überwachung dahin eingeführt, daß nicht nur die Ausgabenansätze im großen Durchschnitt nicht überschritten werden, sondern daß auch dieser Globalabstrich durchgeführt wird. So, wie die Dinge heute stehen, kann ich versichern, daß auch dieser Posten — Einsparung von 200 Millionen DM — erfüllt werden wird und erfüllt werden kann.
Eine Bemerkung noch zu dem ERP-Sondervermögen. Im Bundeshaushaltsplan 1950 präsentiert sich erstmalig das ERP-Sondervermögen in haushaltsmäßiger Form. In einer geschlossenen Zusammenfassung, die Sie als Anlage zum Haushalt des ERP-Ministeriums finden, gibt die Bundesregierung einen Überblick über die Entstehung und bisherige Verwendung der Mittel dieses großen Hilfswerkes für die deutsche Wirtschaft sowie einen Voranschlag für das laufende Rechnungsjahr. Der Bundestag wird damit ein Investitionsprogramm von über 3,2 Milliarden DM zu bestätigen haben. Alle Zweige der Landwirtschaft und Wirtschaft— Export-Industrie, Flüchtlinge, die deutsche wissenschaftliche Forschung, Schiffahrt und nicht zuletzt die Stadt Berlin — haben von diesem umfassenden Programm Vorteile erhalten, das in mühevoller Kleinarbeit und mit Hilfe der Fachkenntnisse der Länderverwaltungen und von Ausschüssen dieses Hohen Hauses aufgestellt worden ist.
Meine Damen und Herren! Wenn ich zusammenfasse, so darf ich wohl sagen, daß die Bundesregierung sich ehrlich bemüht hat, jede inflatorische Finanzpolitik zu vermeiden. Das ergibt sich auch aus dem kurzen Überblick, den ich Ihnen noch über die Kassen- und Schuldenlage des Bundes zu geben habe. Wie Ihnen bekannt ist, veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen den Stand der Schulden des Bundes laufend im Bundesanzeiger. Darüber hinaus lasse ich den Mitgliedern des Haushaltsausschusses laufend Abdrücke der Übersichten über den jeweiligen Stand der Schulden des Bundes zugehen. Bei der fundierten Schuld ist seit Beginn des Rechnungsjahres eine Veränderung nicht eingetreten. Die fundierte Schuld besteht in den Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder mit 4 918 Millionen DM sowie in dem Betrag der zinsfreien Schuldverschreibungen, die im Zusammenhang mit der Ausstattung der Stadt Berlin mit D-Mark ausgestellt worden sind, in Höhe von 579 Millionen DM. Diese
beiden Posten werden sich dadurch erhöhen, daß nach Inkrafttreten des Überleitungsgesetzes auch die Anteile der französischen Zone hinzuzurechnen sind und im Laufe des Rechnungsjahres auch die Ausgleichsforderungen der Postsparkasse hinzutreten werden, nachdem die alliierte Bankenkommission nunmehr die näheren Bestimmungen hierüber durch Durchführungsverordnung Nr. 46 zum Umstellungsgesetz getroffen hat. Der Betrag dieser letzteren Ausgleichsforderungen wird sich auf 100 bis 110 Millionen DM belaufen. Eine Belastung des Bundeshaushalts wird dadurch nicht entstehen, da die Zinsen für die Ausgleichsforderungen von der Postverwaltung getragen werden. Im Wesentlichen wird sich also auch an dieser fundierten Schuld nichts ändern. Nur die Ziffern werden sich ändern, und zwar dadurch, daß das gesamte Bundesgebiet einschließlich Postverwaltung künftig in diesen Ziffern zusammenzufassen sein wird.
Zur Entwicklung der schwebenden Schuld darf ich folgendes bemerken. Die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets einschließlich der Länder der französischen Zone hatte seinerzeit eine Kreditermächtigung von 560 Millionen DM. Die Etatsumme, die dieser Kreditermächtigung damals gegenüberstand, betrug aber nicht viel mehr als 1 bis 1 1/2 Milliarden DM, und diese Kreditermächtigung war in der Geburtsstunde der jungen deutschen Bundesrepublik schon fast restlos ausgeschöpft. Die junge deutsche Bundesrepublik mußte mit einem Etat von ungefähr 15 Milliarden DM rechnen; das ist das Zehnfache der früheren Etatansätze. Die Voranschläge für den Bundeshaushalt 1950/51 haben in der ersten Stunde auch 15 Milliarden DM betragen. Es war vorauszusehen, daß der Übergang der Lasten von den Ländern auf den Bund und ,der Übergang der Einnahmen der Länder auf den Bund am 1. April 1950 eine der größten Finanztransaktionen der deutschen Finanzgeschichte sein würde und daß diese Finanztransaktion sehr große Schwierigkeiten für den Bund zur Folge haben würde; denn es war leicht zu erraten, daß die Lasten sofort mit voller Wucht auf den Bund zukommen würden, daß aber die Einnahmen ihrer Natur nach und unter Berücksichtigung der menschlichen Eigenschaften nur langsam und zögernd auf den Bund übergehen würden. Es mußte deshalb vorausschauend schon im Jahre 1950 von der Bundesregierung eine Erhöhung des bankgesetzlichen Kredits auf 1500 Millionen DM beantragt werden. 1500 Millionen DM sind 10 °/o der Budgetsumme. Ich glaube, daß die Kreditermächtigung in keinem Lande, verglichen mit der Budgetsumme, prozentual so niedrig ist wie die von der Bundesregierung angeforderte. Es war nicht leicht, sich innerhalb dieser Kreditermächtigung zu halten. Am 31. Mai 1950 war diese Kreditermächtigung von 1500 Millionen bereits mit 1467 Millionen in Anspruch genommen! Um dieselbe Zeit trat gerade die ECA-Kommission mit großen Forderungen an den Bund heran aus den Verpflichtungen früherer Zeit. Es mußten im Anfang Juni Verpflichtungen in Höhe von nicht weniger als 507 Millionen DM abgedeckt werden. Sie konnten damals abgedeckt werden außerhalb der Kreditermächtigung durch Ausnutzung von Vermögenswerten, die gleichzeitig mit dem Abschluß der ECA-Abkommens auf den Bund übergegangen waren, Obligationen und Schuldverschreibungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der deutschen Bundesbahn, die verkauft bzw. lombardiert wurden und deren Erlös zur Abdeckung dieser Verpflichtungen benutzt
werden konnte. Aber immerhin, auch die Kreditermächtigung mußte dann für diese Zwecke mit herangezogen werden, und heute ist der Kreditplafond noch mit 147 Millionen DM belastet, die aus diesen Verpflichtungen stammen. Trotzdem ist es gelungen, die Inanspruchnahme des Kredits, die Ende Mai 1467 Millionen betrug, und obwohl nach Ende Mai diese Verpflichtungen erst herangetreten sind, bis heute auf eine Ziffer von rd. 1300 Millionen DM herabzudrücken. Seit Juli gestaltet sich das Bild so, daß die Einnahmen des Bundes ausreichen, um die aufgenommenen Kassenkredite fortschreitend abzutragen. Im August war der Überschuß 24 Millionen, im September 34 Millionen, im Oktober 63 Millionen.
Ich bemerke an dieser Stelle, daß in der schwebenden Schuld auch inbegriffen sind die Fehlbeträge des Jahres 1949, die von den Ländern zu tragen sind, und ein an Schleswig-Holstein gegebener und angesichts der Finanzlage des Landes unvermeidlich gewesener Kassenkredit in Höhe von 38 Millionen, zusammen 246 Millionen DM. Davon entfallen auf spezielle Einzelverpflichtungen einzelner Länder 63 Millionen, auf die Gesamtheit der Länder als Fehlbeträge des Jahres 1949: 183 Millionen. Ich habe den Länderregierungen bereits mitteilen lassen müssen, daß die Bundesfinanzverwaltung gezwungen ist, noch im Laufe dieses Rechnungsjahres auf der Einzahlung dieses Fehlbetrages zu bestehen, und ich glaube, auch sagen zu dürfen, daß die Kassenlage der Länder in den Monaten Januar bis März sich voraussichtlich so gestalten wird, daß es ohne allzu große Schwierigkeiten möglich sein wird, diesen Fehlbetrag des Jahres 1949 abzudecken.
Ich darf zusammenfassend sagen: Neben diesen Fehlbeträgen des Jahres 1949, den Kassenvorschüssen, den Rückständen des Jahres 1949 und dem Fehlbetrag aus dem mangelnden Eingang und der Ablieferung der Bundesbahn sind die Einnahmen des Bundes im Vorgriff durch den Kassenkredit in Anspruch genommen in Höhe von 699 Millionen DM. Diese Inanspruchnahme hatte im Juli noch 855 Millionen DM betragen. Ich hoffe, daß mit Rücksicht darauf, daß die Steuereinnahmen steigende Tendenz haben, mit Rücksicht darauf, daß gewisse Gewinne wie Münzgewinne, Gewinnanteil an der Notenbank, naturgemäß erst am Ende des Rechnungsjahres anfallen und anfallen können, mit Rücksicht darauf, daß die Verpflichtungen der Länder noch eingehen werden, und in der Hoffnung auf eine äußerste Sparsamkeit, getrieben von der Bundesregierung, vom Bundestag und vom Bundesrat zusammen, es möglich sein wird, die Verpflichtung, die wir haben, nämlich die Verpflichtung, die Kassenkredite im Laufe des. Rechnungsjahres abzudecken, auch zu erfüllen. Aber Sie können aus den Zahlen, die ich Ihnen gegeben habe, auch lernen oder erfahren, daß der Bundesfinanzminister und seine Mitarbeiter in den vergangenen Monaten schon schwere, sorgenvolle Stunden gehabt haben. Wenn man bereits Ende Mai von seiner Kreditermächtigung mit 1500 Millionen 1 467 Millionen verbraucht hat und das Schwergewicht der ungewissen Verpflichtungen aus dem ECA-Abkommen, das Schwergewicht der Ungewißheit in der Steigerung sozialer Ansprüche vor sich hat, dann werden Sie vielleicht einen Finanzminister verstehen, wenn er nicht mit derselben Bereitwilligkeit, wie es manche andere tun, auf alle Wünsche hört, die lediglich dahin gehen, Ausgaben zu erhöhen, die weder aus der Kasse
noch aus dem Haushalt geleistet werden können.
Also ich will hier nur wiederholen: ich darf wohl sagen, daß sich die Bundesregierung bemüht hat, ihre verfassungsmäßige Pflicht zu erfüllen, Inflation zu vermeiden, daß es ihr gelungen ist, den Übergang am 1. April still und reibungslos zu bewältigen, die Verpflichtungen aus dem ECA-Abkommen abzudecken, ohne die Öffentlichkeit damit beschäftigen zu müssen, und daß sie dabei die sozialen Aufgaben trotzdem erfüllt hat.
Ein Wort noch zu den Schwierigkeiten des 1. April. Sie sind ein Beispiel dafür, wie sich in Wirklichkeit das Verhältnis zwischen Bund und Ländern finanzpolitisch ausgewirkt hat. Die Kriegsfolge und Soziallasten, die am 1 April 1950 von den Ländern auf den Bund übergegangen sind, haben einen tatsächlichen Aufwand von 8 289 Millionen DM im Jahre beansprucht.
Gleichzeitig gingen von den Ländern Einnahmen aus Steuern auf den Bund über, die sich im vergangenen Jahr auf 7 418 Millionen DM belaufen haben. Die Länder hatten im vergangenen Jahr aus den ihnen heute verbliebenen Einnahmen 870 Millionen DM zuzuschießen, um die Aufgaben zu erfüllen, die heute mit ihren Lasten auf den Bund übergegangen sind.
Im Jahre 1950/51 gestaltet sich das Bild etwa folgendermaßen. Die Lasten, die von den Ländern auf den Bund übergegangen sind, verlangen im Jahre 1950/51 vom Bund einen Aufwand von 10,2 Milliarden DM. Die Einnahmen, die von den ,ändern auf den Bund übergegangen sind, bringen in diesem Jahre eine Einnahme von 8,1 Milliarden DM. Die Mehrbelastung des Bundes aus den Lasten beläuft sich also auf rund 2,1 Milliarden DM. Daran tragen die Länder durch die Interessenquote in Höhe von 1 131 Millionen DM mit, wovon 870 Millionen Erleichterung gegenüber dem Vorjahr abzurechnen sind. Es bleibt ein Mehr von rund 1 000 Millionen DM für den Bund.
Meine Damen und Herren! Der Übergang und das System sind nach meiner Überzeugung für die Länder schonend vollzogen worden und — ich spreche das nach meiner ehrlichen Überzeugung aus — aus dem Bewußtsein der Situation schonend; denn vergessen Sie eines nicht: es handelt sich nicht um Bund und Länder; hinter beiden steht das gleiche deutsche Volk,
es handelt sich um die Aufgaben, die Bund und Ländern zugewiesen sind.
Der Bund hat die sozialen Aufgaben, er sorgt für den Erwerbsunfähigen, Alten und Kranken. Die Länder haben die Aufgabe, all das zu erfüllen, was einem das Herz insofern warm macht, als deutsche Zukunft darin enthalten ist, nicht nur für das Verhältnis Staat und Bevölkerung, in Erfüllung der eigentlichen Staatsaufgaben zu handeln, sondern für das deutsche Geistesleben und für die deutsche Jugend zu arbeiten. Wir können unserer Jugend kein Hab und Gut mehr mitgeben. Das deutsche Volk kann seiner Jugend für ihren Lebenskampf nur Wissen und Können mitgeben.
Das ist eine Aufgabe der deutschen Kulturpolitik,
und die deutsche Kulturpolitik liegt in der Hand
der Länder, und die Länder finanziell verkümmern zu lassen, hieße die deutsche Kulturpolitik verkümmern lassen und hieße der deutschen Jugend ihre Zukunft beschneiden und schmälern. So müssen Bund und Länder in ihrer Finanzpolitik sich einteilen nach ihren Aufgaben und nicht nach einer Rangordnung.
Nach diesem praktischen Beispiel darf ich jetzt zu der zweiten Frage übergehen: ist das Grundgesetz in seinem Verhältnis Bund und Länder erfüllt, und ist ihm Rechnung getragen? Ich darf dabei auf die Bemerkungen des Bundesrats zum Haushaltsplan des Bundes Bezug nehmen. Ich gebe zu — und jeder Sachkundige wird es zugeben —: Das Grundgesetz ist in seinen finanzpolitischen Bestimmungen nicht leicht zu handhaben, und verschiedene Auslegungen sind möglich. Ich darf es vielleicht als einen Gewinn des ersten Jahres der deutschen Finanzpolitik buchen, daß trotz aller Schwierigkeiten in der Formulierung des Grundgesetzes, trotz der sachlichen Schwierigkeiten beim Übergang der Lasten und Einnahmen von den Ländern auf den Bund, daß trotz all dem sämtliche Aufgaben, die die Finanzminister von Ländern und Bund zu erfüllen hatten, gemeinsam erfüllt worden sind und daß die Öffentlichkeit von einem Konflikt zwischen Bund und Ländern nichts gehört hat.
Der innere Grund lag vielleicht darin, daß die Finanzminister in Bund und Ländern eines gemeinsam haben: ohne jede Rücksicht auf parteipolitische Maximen lediglich sachlich in Tatsachen und Zahlen zu denken und sich bewußt zu werden, wie schwer die Aufgabe war, und daß diese Aufgabe nur gemeistert werden konnte, weil weder Zeit, noch Arbeitskraft an unnötige und vermeidbare Streitigkeiten verschwendet worden ist. Daß das nicht geschehen ist und daß das Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern sich gut gestaltet hat, ist ein Gewinn, den ich für die Finanzpolitik des Jahres 1949/50 in Anspruch nehmen möchte. Es ist auch eine gewisse Bewährungsprobe für die Anwendung des Grundgesetzes und die darin enthaltenen staatsrechtlichen Gedanken. Es geht, wenn das Grundgesetz vernünftig gehandhabt wird.
In den Bemerkungen des Bundesrats ist davon die Rede, daß die Länder insofern benachteiligt seien, als sie die wirtschafts- und krisenunsicheren Steuern überwiesen bekommen hätten und die krisensicheren Steuern dem Bund überwiesen seien.
Zunächst einmal eine Bemerkung voraus: Es ist Sache der Länder selbst, heute in dieser Stunde die Einkommen- und Körperschafsteuer auch im Ertrag wieder zur Königin aller Steuern zu machen. Dies ist deshalb möglich, weil ohne weiteres die gesetzliche Möglichkeit besteht, an Hand der jeweils gegebenen Umsatzziffern und -zahlen die Vorauszahlungen für diese Steuer entsprechend zu regeln und zu erhöhen. Nach den gestiegenen Umsatzzahlen der letzten Monate wäre es auch heute schon möglich, die Vorauszahlungen für die Einkommensteuer so zu steigern, daß die Einkommen-und Körperschaftsteuer auch in der Ertragsziffer wieder stolz als „Königin der Steuern" zu betrachten wäre.
Was die Frage der Krisensicherheit betrifft, so möchte ich doch eines feststellen. Gewiß, die Umsatzsteuer folgt der Wirtschaftskonjunktur sofort, aber die Einkommen- und Körperschaftsteuern folgen der Wirtschaftskonjunktur auch; sie folgen ihr nur ein Jahr später. Vom Standpunkt desjenigen aus, der einen Haushaltsvoranschlag auf-
zustellen hat, möchte ich sagen: die Grundlage, die ich für die Einkommensteuereingänge benutzen kann, ist sicherer, weil sie auf den Erfahrungen des Vorjahres, also des Jahres aufgebaut ist, in dem ich meine Rechnung mache, während die Steuerschätzung der Umsatzsteuer unsicherer ist, da ich nicht mit der Gegenwart, sondern mit der Zukunft, mit der wirtschaftlichen Entwicklung des nächsten Jahres zu rechnen habe.
In einem aber stimme ich vollkommen bei: ein Gebot der Stunde ist die eindeutige Abgrenzung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern. Es ist ein natürlicher, aber auch gesunder Grundsatz, daß derjenige, der die Zuständigkeit in Anspruch nimmt, auch die Lasten tragen muß, wie. es ebenso natürlich ist, daß der, der die Lasten zu tragen hat, auf die Länge der Zeit dann auch die Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Die Aufgaben, die die Länder haben, die Sorge für die deutsche Kultur, für das deutsche Geistesleben, für die deutsche Jugend, für das Verhältnis Staat und Bevölkerung sind so schön, daß ich glaube, ich würde mich, wenn ich ein Vertreter der Länder wäre, mit allem dafür einsetzen, daß diese Zuständigkeit den Ländern bewahrt wird. Ich glaube, daß die Länder damit auch bereit sind, die Lasten auf diesem Aufgabengebiet allein zu übernehmen und sie nicht auf den Bund zu überschieben.
Was nun die zweite Seite betrifft, so darf ich sagen: es liegt in der Natur der Dinge, daß der Gesetzgeber des Grundgesetzes die Einnahmen des Bundes nach der Natur der Aufgaben gestalten mußte, die er ihm überbürdete. Wenn der Gesetzgeber des Grundgesetzes dem Bund die sozialen Aufgaben überwiesen hat, so mußte er ihm auch die Einnahmen überweisen, die sozial sicher sind. Es ist richtig, daß Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern insofern krisenfester oder, sagen wir, sozial sicherer sind, als sie zwar nie über eine bestimmte Grenze hinaus angesetzt werden können, aber auch nie unter eine bestimmte Mindestzahl heruntersinken werden. Dies entspricht aber dem Grundgedanken, daß eben die sozialen Ausgaben in erster Linie auch Sache des Bundes sind und unter allen Umständen sichergestellt werden müssen, wenn nicht eine soziale Gefahr und soziale Gärung eintreten soll.
Das führt zu einem anderen Gedanken, und das ist der Gedanke der Anwendung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. Wir haben es in der bisherigen Regelung vermieden und zu vermeiden gesucht, den Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes in Anwendung zu bringen. Er verweist den Bund für seine nicht gedeckten Ausgaben auf die Länder, knüpft aber diese Verweisung an die ausdrückliche Zustimmung der Länder. Der Grundgedanke dieser gesetzlichen Bestimmung in Art. 106 Abs. 3 hat ganz gewiß finanzpolitische Gefahren in sich. Es ist nicht empfehlenswert, eine Teilung in dem Sinne eintreten zu lassen, daß eine gesetzgebende Körperschaft die Ausgaben beschließt und eine andere Körperschaft die Einnahmen dafür zu beschaffen hat. Es ist gesünder, wenn derjenige, der Ausgaben verantwortet, auch die Beschaffung der Einkünfte zu verantworten hat. Der Art. 106 Abs. 3 bringt die große Gefahr mit sich, daß auf der einen Seite der Gesetzgeber des Bundes, wenn er glaubt, die Verantwortung für seine Ausgaben auf einen andern abladen zu können, sich zuwenig das Gewicht der Ausgaben überlegt. Auf der andern Seite hat er den Nachteil, daß derjenige, der seine Einnahmen in freiwilliger Zustimmung zur Verfügung stellen soll, vielleicht zuwenig an die soziale Verpflichtung des andern denkt, der aus dieser sozialen Verpflichtung heraus die Ausgaben beschlossen hat.
Die Gefahr eines Verfassungskonflikts ist in der Konstruktion des Art. 106 Abs. 3 möglich. Es ist deshalb sicher besser, einen Weg zu wählen, der dem Grundgesetz gerecht wird und in voller Harmonie durchgeführt werden kann. Wir haben diesen Weg gesucht und, ich glaube, gefunden, indem wir in diesem Jahre zunächst den Weg der Interessenquoten gegangen sind. Die Interessenquoten beheben einen Einwand, den man vielleicht gegen das Grundgesetz auch erheben könnte, nämlich daß die Verwaltung großer Ausgaben in der Hand einer Körperschaft liegt, die sich für die Mittel, die diese Verwaltung ausgibt, nicht verantwortlich fühlt. Auch hier wäre eine Diskrepanz möglich. Gerade deshalb ist der Gedanke der Interessenquoten übernommen und im Benehmen zwischen Bund und Ländern durch das Überleitungsgesetz nunmehr auch durchgeführt worden. Solange das System der Interessenquoten erhalten werden kann, ist die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit eines Verfassungskonflikts in unserem Verfassungsleben wohl nicht gegeben. Aber damit das geschehen kann — das darf ich offen sagen —, ist auch eine Gegenseitigkeit vorauszusetzen.
Die Übertragung der Verwaltung bestimmter Aufgaben, deren Kosten der Bund zu tragen hat, setzt voraus, daß diese Verwaltung cum diligentia quarr in suis geübt wird, also mit der Sorgfalt, mit der der Betreffende in eigenen Angelegenheiten handeln würde, also wenn es sich um sein eigenes Geld handelt. Es setzt weiter voraus, daß die Länder auch begreifen, daß sie eine Schicksalsgemeinschaft sind. An dem Tag, an dem die Länder sich in steuerstarke und steuerschwache Länder scheiden, und an dem Tag, an dem die steuerschwächsten Länder sich nicht mehr an die Gemeinschaft der Länder, sondern unmittelbar an den Bund wenden, um vom Bund unmittelbar finanziell erhalten zu werden, ist der Grundgedanke, auf dem das ganze System aufgebaut ist, krank geworden und wird zum Absterben kommen. Die Verpflichtungen, die in einem System liegen, müssen gegenseitig erfüllt werden.
Ich glaube, die Bundesregierung kann sagen, sie hat das Ihrige getan, um die sich aus der Verfassung ergebenden Verpflichtungen wirklich zu erfüllen. Erst wenn die Frage geklärt ist, wie sich die Entwicklung für die Lasten und für die Einnahmen auf die Dauer abzeichnet, ob das System der Interessenquoten auf die Dauer möglich ist oder nicht, erst von diesem Tage an wird es nützlich sein, sich bereits konkret darüber zu unterhalten, ob von dem Ausweichgleis, das der Gesetzgeber in Art. 107 des Grundgesetzes vorsieht, einer Neuverteilung der Einnahmen und Lasten zwischen Bund und Ländern, Gebrauch zu machen ist. Der Bundesrat hat gewünscht, daß die Bundesregierung bereit ist, in Erörterungen darüber einzutreten. Sie ist bereit 'dazu. Aber ich glaube, daß die Zeit zu einer wirklich ernsthaften Lösung dieser Frage noch nicht reif ist und daß wir in Gegenwart und in nächster Zukunft Aufgaben zu bewältigen haben, die dringender sind und wahrscheinlich im Vordergrund stehen werden.
Nachdem ich über diese beiden Fragen gesprochen habe, noch ein Wort über die sozial- und wirtschaftspolitische Bedeutung des Haushaltsplans. Zu diesem Zweck darf ich zunächst wieder an die Denkschrift Drucksache Nr. 1000 erinnern.
In dieser Denkschrift wird darauf hingewiesen, daß nach dem ersten Überblick über die Anforderungen, die an den Bundeshaushalt gestellt werden — das waren 15 Milliarden — und nachdem von diesen 15 Milliarden 2 Milliarden gestrichen worden sind, immer noch ein ungedeckter Bedarf von über 900 Millionen DM bleibt. Dabei wurde im Juni 1950 noch nicht damit gerechnet, daß die Politik der Subventionen über den 1. Juli 1950 würde fortgesetzt werden müssen. Die Aufgabe mußte trotzdem bewältigt werden, die Aufgabe der echten Abgleichung des Haushaltes. Die Deckung ist in erster Linie durch Erhöhung der Einnahmen, wie Gewinnablieferung der Notenbank, und auf der anderen Seite dadurch geschehen, daß ein Teil der ordentlichen Ausgaben auf den außerordentlichen Haushalt übernommen worden ist, und endlich dadurch, daß ein Globalabstrich von 200 Millionen DM vorgesehen ist. In der Denkschrift ist aber — und ihre Aufmerksamkeit möchte ich gerade auf diesen Punkt lenken — besonders darauf hingewiesen, daß der Bundeshaushalt sich insofern in einer Art Zwangslage befindet, als der größte Teil der Ausgaben unvermeidbar und eine Bewegungsmöglichkeit innerhalb des Haushalts fast nicht gegeben ist.
Ich gebe Ihnen einmal einige Prozentzahlen. Die Ausgaben für Besatzungskosten und Besatzungsfolgekosten betragen von den Gesamtausgaben 36 %. Die Ausgaben für Kriegs- und Kriegsfolgelasten einschließlich Arbeitslosenhilfe, Zuschüsse für Sozialversicherung betragen mehr als 40 %; die Ausgaben für die Stadt Berlin im bisherigen Ausmaß 2,6 %; die Ausgaben für Subventionen 5,8 %; die Ausgaben für Wohnungsbau 4,2 %, für den Schuldendienst 1,2 %. Insgesamt sind das 90 % der Ausgaben, von denen man von vornherein sagen muß, daß sie zwangsläufig sind. Sie können in der Höhe nur ganz gering, im Wesen überhaupt nicht beeinflußt werden.
In der Öffentlichkeit beschränkt sich die Debatte über die zu erwartende Sparsamkeit in Bezug auf die Gelder, die für die Steuerzahler zu verwalten sind, meistens auf die sogenannten Verwaltungsausgaben. Als Verwaltungsausgaben des Bundes finden Sie im Etat folgende Ziffern: für Gehälter und Löhne — und wir haben mehr als 50 000 Bundesangestellte und -beamte — insgesamt 277 Millionen DM, für Versorgungsbezüge und soziale Leistungen und Renten 70,8 Millionen DM und für sächliche Verwaltungsausgaben 94,7 Millionen DM. Das sind zusammen 442,5 Millionen DM, insgesamt in Prozentzahlen 3,4 % der Reinausgaben des gesamten Haushalts.
Wir haben bisher einen Globalabstrich von 200 Millionen DM vorgesehen, natürlich nicht an den Verwaltungsausgaben allein, sondern an allen Ausgaben. Aber dieser Globalabstrich allein macht der Höhe nach 50 % der gesamten Verwaltungsausgaben aus! Wir haben von den Voranschlägen der Ressorts 2000 Millionen DM weggestrichen. Man kann also der Bundesregierung bestimmt nicht vorwerfen, daß sie nicht das äußerste Bemühen zur Sparsamkeit gezeigt hat. Der Bundesfinanzminister ist ganz gewiß der letzte, der nicht seine Hand dazu reicht, um jeden Pfennig einzusparen, der überhaupt, insbesondere bei den Verwaltungsausgaben, eingespart werden kann.
Um der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit willen muß ich der öffentlichen Agitation gegenüber sagen: es ist eine Irreführung der Steuerzahler, wenn man versucht, die Steuerzahler glauben zu machen, daß dieser Posten von 3,4 %, der seinem Wesen nach auch unvermeidlich ist, der entscheidende sei, und nicht den Mut hat, darüber zu reden, was denn eigentlich die anderen Ausgabeposten in der Höhe von rund 97 % sind.
Ich würde empfehlen, daß die Öffentlichkeit, die zum Beispiel über Bonner Bauten soviel redet, heute einmal die Denkschrift hinnimmt, die ich über dieses Thema dem Haushaltsausschuß schon unterbreitet habe und in der nach Heller und Pfennig alles enthalten ist. Derjenige, der diese Denkschrift gelesen hat, wird sicherlich jedem widersprechen, der in der Öffentlichkeit vor dem Steuerzahler erzählt, daß da in Bonn 100, 200 und mehr phantasievolle Ziffern von Millionen Mark verbraucht worden seien.
Wenn wir Verantwortung dem deutschen Volk und dem Steuerzahler gegenüber haben, müssen wir uns mit den großen Ausgaben mit beschäftigen.
Zu diesen großen Ausgaben gehören in erster Linie die Besatzungskosten mit 4598,4 Millionen DM.
Ich darf auf die Denkschrift, die das Bundesfinanzministerium dem Hohen Hause unterbreitet hat, verweisen. Das Bundesfinanzministerium hat in dieser Denkschrift dargelegt, welche Bemühungen es unternommen hat und welche Bemühungen es, Herr Abgeordneter, wenn es einen sachkundigen Rat erhalten würde, weiterhin unternehmen könnte. Es wäre dafür sehr dankbar, soweit der Rat sachkundig und ehrlich ist und nicht aus irgendwelcher Voreingenommenheit erfolgt.
Die sozialen Ausgaben, der zweite große Posten, betragen 5200 Millionen DM.
Diese 5200 Millionen DM bedeuten gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 1200 Millionen DM. Sie setzen sich wie folgt zusammen: für Umsiedlung und Auswanderung 20 Millionen DM mehr als im Vorjahr, für Versorgung verdrängter öffentlicher Bediensteter und Wehrmachtangehöriger 200 Millionen DM mehr, für Kriegsopfer, Kriegerwitwen und -waisen 700 Millionen DM mehr gegenüber dem Vorjahre, für Inanspruchnahme der Arbeitslosenfürsorge — Auswirkung der erhöhten Leistung der Sozialversicherung, Zunahme der Rentenfälle — weitere 500 Millionen DM. Dieser Mehrung der sozialen Ausgaben steht als Einsparung lediglich bei dem Posten Kriegsfolgehilfe ein Betrag von rund 200 Millionen DM gegenüber, so daß also insgesamt Mehrausgaben von 1200 Millionen DM bleiben.
Ich habe auf diese Entwicklung schon in der Denkschrift Nr. 1000 hingewiesen. Wir haben die Aufgabe, unsere sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir können sie nur im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten erfüllen. Welche sind diese? Ich habe darauf hingewiesen: erstens: eine weitere steuerliche Belastungsmöglichkeit der Volkswirtschaft dürfte im wesentlichen, zumal das Problem des endgültigen Lastenausgleichs noch daneben herläuft, nicht gegeben sein. Das gilt alles unter der clausula rebus sic stantibus, daß die wirtschaftlichen Bedingungen der Gegenwart anhalten.
Zweitens: die Einsparungsmöglichkeiten sind deshalb sehr beschränkt, weil gerade die Ausgaben des Bundes fast alle zwangsläufig sind; wie ich dargelegt habe, mit 90 °/o. Ein weiterer Rückgriff
auf die Einnahmen der Länder erscheint bei deren gegenwärtiger Finanzlage nicht möglich. Deshalb ist nur der Weg gangbar — so widerspruchsvoll es klingt —, den Steuerzahler durch Belebung der Wirtschaft leistungsfähiger zu machen, um auf diese Weise erhöhte Steuereinnahmen zu erzielen. Darauf waren die Steuerschätzungen aufgebaut, und sie scheinen sich zu bewahrheiten. Diesem Ziel haben das Arbeitsbeschaffungsprogramm und und das Wohnungsbauprogramm gegolten.
Die Belebung des Wohnungsbaumarktes kann von niemandem bestritten werden. Ich darf hier Ziffern nennen. Im ersten Halbjahr 1949 wurden 142 000 Wohnungseinheiten baupolizeilich genehmigt, im ersten Halbjahr 1950 wurden 256 000 Wohnungseinheiten genehmigt.
Was die Arbeitsbeschaffung betrifft, so genügt hier eine Ziffer. Die Zahl der Arbeitslosen ist von Januar 1949 bis Februar 1950 ständig gestiegen. Von März 1950 ab ist sie ständig jeden Monat um wenigstens 110 000 Menschen gesunken.
Der gesamte Produktionsindex ist, wenn wir den Dezember 1948 mit 100 ansetzen, seit September 1949, als er 121 Punkte betrug, auf 141 Punkte im Juli — ich spreche nur von der Zeit vor Korea —. gestiegen. Alle diese Maßnahmen sind dabei möglich gewesen — das betone ich immer wieder — ohne inflatorische Politik. Das beweist eine weitere Ziffer. Der Güterumlauf ist, wie gesagt, seit September 1949 bis Juli 1950 von 121 Punkten auf 141 Punkte gestiegen. Der Geldumlauf aber, Bargeld und private Sichteinlagen, ist in derselben Zeit von 113 auf 124 Punkte gestiegen. Also beim Güterumlauf eine bedeutend größere Steigerung als beim Geldumlauf. Das ist grundsätzlich eine gesunde Entwicklung, die in der Gesamtlinie liegt, keine Inflation.
Neben diesen Maßnahmen ist der Kampf um die Beachtung der Gesetze notwendig. Hier muß ich etwas offen aussprechen. Ich habe über die Kaffee- und Tabaksteuer sowie über die in den Steuereinnahmen sich heute bereits zeigenden sichtbaren Rückwirkungen gesprochen. Ich muß um der Wahrheit willen gestehen, daß dieser Kampf nur unter einer Bedingung bis zum letzten Ende erfolgreich geführt werden kann. Diese Bedingung ist bis heute noch nicht erfüllt. Ich muß zu meinem Bedauern um der Wahrheit willen feststellen, daß es kaum einen Fall großen Schmuggels oder der Steuerhehlerei gibt, woran nicht eine sogenannte Displaced Person beteiligt ist.
Die Gerichtsbarkeit darüber steht uns heute noch nicht zu.
Dieser Mangel an Gerichtsbarkeit hat sich im Kampf gegen den Schmuggel sehr störend ausgewirkt.
Ich muß bitten und ich bitte, daß der Kampf gegen den Schmuggel gegen jeden Schmuggler geführt werden darf.
Schmuggler ist Schmuggler, gleichgültig welcher Religion, welcher Rasse und welcher Hautfarbe.
Deshalb bitte ich, daß der Kampf gegen den
Schmuggel durch die Ausdehnung der deutschen
Gerichtsbarkeit bis zum letzten Ende erfolgreich geführt werden könne.
Die Belebung der Wirtschaft ist nicht nur durch unmittelbare wirtschaftspolitische Maßnahmen möglich gewesen, sondern es waren auch steuerliche Maßnahmen nötig. Ich erinnere nur an die Zuckersteuer, die eine starke Vermehrung der Anbaufläche von Zuckerrüben zur Folge hatte und dadurch dazu beitragen wird, daß der Devisenbedarf für die Einfuhr von fremdem Zucker im laufenden Wirtschaftsjahr geringer sein wird. Ich erinnere an die Zigarrensteuer, deren zusammenbrechende Industrie ja wieder gesundet; 31 000 Arbeitslose konnten in der Zigarrenindustrie wieder neu beschäftigt werden.
Ich bitte aber, nicht zu glauben, daß alle diese Senkungen zu Steuermehrerträgen geführt hätten. Steuermehrerträge nur durch Senkung zu erzielen, wäre ein zu einfaches Experiment. Es mußten durch die Steuersenkung vielmehr wirtschaftspolitische Schädigungen vermieden werden, die durch steuerliche Maßnahmen einzutreten gedroht haben. Das gilt für die Biersteuer ebenso, und das gilt — damit komme ist zu einem umstrittenen Thema — auch für die Einkommensteuerreform.
Ich weiß, daß die Einkommensteuerreform politisch umstritten ist, und muß daher etwas dazu sagen. Die Senkung der Einkommensteuer ist nicht erfolgt, wie manchmal gesagt wird, damit der Bund seinen sozialen Aufgaben ausweiche. Das wäre ein sehr ungeeigneter Weg gewesen. Denn letzten Endes ist es doch so, daß die Einkommensteuer eine Steuer der Länder und die Erfüllung der sozialen Aufgaben eine Sache des Bundes ist. Wenn die Einkommensteuer dazu geführt hat, daß mehr verbraucht wurde und mehr Umsatzsteuer angefallen ist, so war das eine unmittelbare Stärkung der Bundesfinanzen zur Erfüllung der sozialen Aufgaben des Bundes.
Ferner darf man nicht übersehen: die Einkommensteuerreform war im Zusammenhang mit der Gesamtbelastung, die auf dem deutschen Volke lag, notwendig. Zu dieser Gesamtbelastung gehörte seit dem September 1949 die Soforthilfeabgabe. Die Soforthilfeabgabe hat um die Jahreswende Krankheitserscheinungen gezeigt, und es waren schwere Sorgen berechtigt, ob der Eingang der Soforthilfeabgabe gesichert sei. Die Zahl der Rückstände, die Zahl der Stundungen stiegen. Wenn nicht die Einkommensteuerreform eine Minderung der Gesamtlast gebracht hätte, wäre die inzwischen eingetretene Gesundung der Soforthilfeabgabe bestimmt nicht möglich gewesen. Die Soforthilfeabgabe ist gesundet. Diese Gesundung kommt in erster Linie sozialen Zwecken und der Hilfe für die Kriegsgeschädigten aller Art zustatten. Die Länder haben dafür ganz bewußt ein Risiko in ihrem Haushalt übernommen.
Um die Soforthilfeabgabe im Zusammenhang mit der Einkommensteuer würdigen zu können, nur ein paar Ziffern. Die Soforthilfeabgabe liegt auf dem Betriebsvermögen. Ein Betriebsvermögen, das sich mit 4 % verzinste, war in seinem Ertrag durch Einkommensteuer und Soforthilfeabgabe bei einem Ledigen restlos aufgebraucht, wenn der Ertrag 8 275 DM überstieg. Es blieb nicht einmal mehr so viel übrig, daß die Landesvermögenssteuer und die sonstigen Lasten daneben hätten getragen werden können, geschweige denn die Kosten für die eigene Lebenshaltung oder für die Investitionen oder für die Sicherung der Arbeitsplätze. Das gleiche war auch bei Vermögen mit
höherer Verzinsung festzustellen. Zum Beispiel bei einem Betriebsvermögen mit 100 000 DM 10 % verzinslich blieben einem Verheirateten — Soforthilfeabgabe und Einkommensteuer weggerechnet — insgesamt nur 3 900 DM übrig, von denen die übrigen Lasten noch zu tragen waren. Eine Möglichkeit des Ausbaus von Betrieben und der Investierung wäre nicht mehr gegeben gewesen.
Ziel der Reform war, in erster Linie wieder Spielraum für eine Sparkapitalbildung zu geben und die Spartätigkeit anzuregen. Ich kann feststellen, daß die Spartätigkeit in den ersten 6 Monaten dieses Jahres insgesamt an Mehreinlagen gebracht hat: bei den Kreditinstituten rund 680 Millionen, bei der Postsparkasse rund 30 Millionen, bei den Bausparkassen rund 80 Millionen, zusammen rund 790 Millionen DM. Diese 790 Millionen DM erhöhten Sparkapitals waren die Voraussetzung, um Arbeitsbeschaffungsprogramm und Wohnungsbauprogramm durchführen zu können; das war letzten Endes auch das Ziel der Einkommensteuerreform.
Das zweite Ziel war, die Investitionstätigkeit zu fördern und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu stärken. Ich möchte bemerken, daß es heute eine andere Frage sein kann, ob die Voraussetzungen, unter denen die Einkommensteuerreform v o r Korea gemacht worden ist, nach Korea noch alle weiter bestehen. Es kann eine Frage sein, ob die Steuervergünstigungen in dem Umfange aufrechterhalten werden können, wie sie wirklich gewährt worden sind, ob sich nicht in der Ausübung der Steuervergünstigungen, die den Zweck hatten, das gebildete Sparkapital volkswirtschaftlich nützlichen Zwecken zuzuführen, ein Mißbrauch herausgestellt hat,
ob nicht die Frage der Selbstfinanzierung nach Korea unter Umständen unter anderen Gesichtswinkeln zu betrachten ist als vor Korea. Ich werfe diese Fragen für die Zukunft ganz ruhig auf, gerade weil ich der Überzeugung bin, daß das erste finanz- und wirtschaftspolitische Ziel der Einkommensteuerreform richtig war und auch erreicht worden ist, bis zu den Tagen von Korea, wo gewisse Rückwirkungen auch hinsichtlich des Kapitalmarkts und der Sparkapitalbildung eintraten, die damals nicht vorausgesehen werden konnten.
Wenn ich auf die Entwicklung der Einkommenssteuer in diesem Jahr zurückkommen darf, so kann ich kurz darauf verweisen, daß in den kritischen Monaten, in denen die Rückzahlungen für Vorjahr und frühere Jahre gleichzeitig erfolgen mußten, der Ausfall sehr hoch erschien, daß aber die Septemberzahlen sowohl bei der veranlagten Einkommenssteuer wie bei der Körperschaftssteuer eine Gesundung dieser Steuern beweisen. Die Lohnsteuer bleibt immer noch stark zurück, trotz der erheblichen Steigerung der Beschäftigtenzahl. Ich nehme aber an, daß niemand eine Reduzierung des Reallohnes will; denn die Einkommensteuerreform auf dem Gebiet der Lohnsteuer bedeutete eine Steigerung des Reallohnes,
den wohl die Öffentlichkeit gewahrt wissen will. Der Ausfall des Steueraufkommens kommt daher, daß die Auswirkungen gewisser Steuervergünstigungen vielleicht größer sind, als damals vorausberechnet worden ist.
Zusammenfassend darf ich hinsichtlich der Finanzpolitik der Bundesregierung im vergangenen Jahr wohl folgendes feststellen: Die Belebung der Wirtschaft war das Ziel; die Belebung der Wirtschaft ist, soweit es sich aus den Steuerzahlen errechnen läßt, erreicht worden. Die notwendigen Steuereinnahmen zur Erfüllung der sozialen Aufgaben konnten damit beigebracht werden.
Die Bundesregierung hat sich nicht auf die Bahn einer inflatorischen Politik und auch nicht auf die Bahn einer deflatorischen Politik treiben lassen. Das beweisen die Zahlen über die Arbeitslosigkeit, das beweisen die Zahlen der Beschäftigten und die Zahlen des Wohnungsbaumarktes. Die sittliche und staatliche Verpflichtung der Erfüllung der sozialen Aufgaben konnte ebenfalls gemeistert werden. Wir haben in diesem Jahre, wie ich Ihnen vorhin sagte, an Aufwendungen 1200 Millionen DM mehr aufgebracht als im vergangenen Jahr.
Ich sehe mich aber nun gezwungen, auch über die Entwicklung der Dinge nach Ausarbeitung und Vorlage dieses Haushaltsplans zum Schluß kurz zu sprechen.
Ich war genötigt, den gesetzgebenden Körperschaften zwei Gesetzentwürfe und eine Verordnung zur Schaffung neuer Einnahmen vorzulegen: Verlängerung und Erhöhung des Berliner Notopfers, Einführung einer Benutzungsgebühr für Autobahnen und einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Treibstoffsteuer.
Berlin ist nicht nur der Vorposten des deutschen Volkes, sondern auch Vorposten des Gedankens der Freiheit in der östlichen Welt. Berlin muß gehalten werden. Wir haben deshalb die Aufgabe, auch die Wirtschaftskraft Berlins so zu stärken, daß die seelische Widerstandskraft nicht an Armut und Arbeitslosigkeit zerbricht. Deshalb haben wir in einer Verwaltungsvereinbarung mit der Stadt Berlin die unmittelbaren Haushaltszuweisungen der Stadt Berlin für dieses Jahr von 327 auf 527 Millionen DM erhöht. Das bedeutet eine Mehrausgabe von 200 Millionen DM, denen auf anderen Gebieten keine Einsparungsmöglichkeiten gegenüberstanden. Es ist gelungen, durch Verhandlungen zu erreichen, daß ein Betrag von 125 Millionen DM in diesem Rechnungsjahr nicht vom deutschen Steuerzahler zu tragen ist, sondern aus GARIOA-
Mitteln der amerikanischen Besatzungsmacht bezahlt wird.
Der Rest von 75 Millionen trifft den deutschen Steuerzahler. Weiterhin hat das Bundesversorgungsgesetz über die Steuerschätzungen hinaus in diesem Haushaltsjahr einen Mehraufwand von 130 Millionen zur Folge. Insgesamt ist also in diesem Haushaltsjahr ein Betrag von etwa 200 Millionen DM zu decken.
Meine Damen und Herren! Auf den Anlaß, _aus dem diese Mehrausgaben entstanden sind, kommt es zunächst nicht an. Es kommt nur auf die verfassungsmäßige Pflicht der Bundesregierung und der gesetzgebenden Körperschaften an, die Abgleichung des Haushalts zu wahren und nicht in eine Politik der Fehlbeträge, nicht in eine Politik des Defizits zu geraten, um so weniger in einer Zeit, die damit rechnen muß, daß das nächste Jahr
an sie erneute und sehr große Aufgaben stellen wird. Wir können die Aufgaben des nächsten Jahres nur erfüllen, wenn wir unsere Pflicht in diesem Jahr restlos und verfassungstreu erfüllt haben!
Wenn ich nun den Weg der Inflation nicht gehen kann und nicht gehen will, so bleibt ein anderer Weg, als den Weg der Einschränkung des Konsums zu gehen, nicht übrig. Wenn ich aber schon den Mut finden muß, zwischen diesen beiden Wegen zu wählen und wenn ich die Belastung der Gegenwart einer Sünde und einem Verbrechen an der Zukunft vorziehen muß, so muß ich auch in der Art des Weges mich dahin entscheiden, ob ich die Einschränkung des Konsums den wirtschaftlich schwächeren, breiteren oder den wirtschaftlich stärkeren Schichten zumuten will.
Ich bin überzeugt, daß wir den Weg gehen müssen, solange er überhaupt möglich ist, diese Lasten in erster Linie den wirtschaftlich stärkeren Schultern zuzumuten.
Herr Abgeordneter Rische, ich schlage Ihnen vor, daß Sie Ihr Soll an Zwischenrufen für Punkt 1 der Tagesordnung als erfüllt ansehen.
Das Berliner Notopfer ist nach diesem Gedanken gestaffelt. Die Frage der Benutzungsgebühr für Autobahnen und der Treibstoffsteuer sind aus diesem Gedanken heraus geboren. Ich muß mich grundsätzlich dagegen wehren, daß Wirtschaftskreise in solchen Fällen erklären, die seien die einzigen Betroffenen. Das würde nur für den Fall zutreffen, daß diese Wirtschaftskreise die Steuerbelastung aus ihrer privaten Tasche zahlen und nicht auf Betriebsunkosten abwälzen. Solange ein Wirtschaftszweig die steuerliche Belastung auf Betriebsunkosten abwälzt, kann er sich nicht als den einzigen Betroffenen bezeichnen. Wir sind ein Volk. Der eine gibt, der andere nimmt. Wir haben gegenseitig zu geben und zu nehmen.
Sei es, wie es sei. Wir stehen unter der verfassungsmäßigen, unter der Gewissenspflicht, eine Politik des Fehlbetrags, eine Politik der Inflation zu vermeiden und mit ehrlichem offenen Mut die Ausgaben, die wir zum Wohle des deutschen Volkes beschließen, aus Mitteln des deutschen Volkes zu decken. Das ist der Zwang, unter dem wir stehen. Der Zwang ist um so eiserner, wenn ich an die künftige Entwicklung denke. Mir wird allerdings im deutschen Volk zu viel über künftige Aufgaben und Lasten geredet, allzu viel, deswegen zu viel, weil es unnützes Gerede in einem Zeitpunkt ist, zu dem weder das Ob, noch das Wie, noch die Größenordnung und das Wann überhaupt feststeht. Ich kann und darf erst dann, wenn ich über das Ob, Wie und Wann eine Auskunft habe, meine Berechnungen anstellen.
Aber über ein anderes Wie und Wann sollten wir uns im deutschen Volk heute bereits unterhalten, nämlich über unsere sozialen Leistungen, die das Jahr 1951/52 bestimmt und neu dem deutschen Volk bringen wird. Wir haben den endgültigen Lastenausgleich gewiß außerhalb des Haushalts, aber seine mittelbaren Rückwirkungen werden sich auch im Haushaltsplan mit einer hohen Millionenziffer nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern geltend machen; denn die Aufgaben des Lastenausgleichs können nur mit Anspannung aller Kräfte des deutschen Volkes, auch der Haushalte von Bund und Ländern, gelöst werden.
Wir haben im nächsten Jahr die Aufgabe vor uns, die sozialen Versicherungsanstalten gesundzuerhalten, und jeder, der die Dinge kennt, weiß die Entwicklung und weiß die Größe dieser Aufgabe, die vor uns liegt.
All das allein sollte uns schon genügen, uns mit Sorgen für das nächste Jahr, mit Sorgen dafür zu erfüllen, ob die Wirtschaftskraft des deutschen Volkes ausreicht, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihm gestellt sind. Wir haben uns in diesem Jahr bemüht, die Finanzen des deutschen Volkes und das Haus des deutschen Volkes in Ordnung zu halten. Wir haben uns gerade deshalb darum bemüht, um eine feste Grundlage aufzubauen, auf der wir auch Lasten einer Zukunft werden tragen können. Wir haben uns darum nicht um irgendwelcher schöner Theorien willen bemüht, sondern wir haben uns darum bemüht, weil es eine Pflicht gegenüber dem Geiste des Gesetzes war und weil es eine Pflicht war aus dem Gedankengang heraus, daß wir alle zusammen nur einem dienen, der Gesamtheit des geliebten deutschen Volkes.
Meine Damen und Herren! Es ist vorgesehen, daß die weitere erste Beratung des Gesetzentwurfs morgen stattfindet. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung für heute beendet.
Ich rufe auf Punkt 2 a) und b) der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Besatzungskosten ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Besatzungskosten .
Die Antragsteller wollen die Anträge in 10 Minuten begründen. Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte für die Notwendigkeit der von uns gestellten Anträge aus den Drucksachen Nr. 1190 und 1191, so war es die eben gehörte Rede des Herrn Finanzministers. Wir kamen aber aus diesen und anderen Ursachen dazu, einmal die Frage der Besatzungskosten nach ihrem materiellen Inhalt hin vor das Plenum des Bundestages zu bringen, und zwar deshalb, weil wir der Meinung waren, daß die Aufgliederung der Besatzungskosten nach den verschiedenen Seiten hin dem deutschen Steuerzahler und seiner Vertretung, dem Deutschen Bundestag, begreiflich gemacht und aufgezeigt werden muß. Wir sind nicht der Meinung, daß in den Besatzungskosten eine undurchsichtige Bilanzwirtschaft enthalten sein soll, sondern wir sind vielmehr der Meinung, daß man sie einmal aufgliedern soll in die reinen Besatzungskosten und in die Kosten, die dem deutschen Volke bei dieser Summe von etwas über 4,6 Milliarden Mark auch für strategische Zwecke auferlegt werden, die die Besatzungsmächte für notwendig halten.
Wir glauben, daß einmal dem Parlament zuerst mit aller Deutlichkeit die Forderungen der Hohen
Kommissare unterbreitet werden müssen, daß zweitens eine sehr genaue Aufstellung über den Inhalt, was wirklich Besatzungskosten sind, vorgelegt werden muß, und drittens keine etatmäßige Vermischung mit den Kriegsfolgelasten Platz greifen darf.
Die „Neue Zeitung" von gestern bringt die charakteristische Meldung:
Die Bundesregierung gab am Montag bekannt, daß die Alliierte Hohe Kommission gegenwärtig einen Nachtrag zum Besatzungskostenhaushalt 1950 unterbreitet. In diesem Nachtrag soll eine Erhöhung der Ausgaben wegen der Verstärkung der Besatzungstruppen festgelegt werden.
Nun kommt ein besonders charakteristischer Satz:
Das Kabinett teilte dazu mit, daß es auf Grund der alliierten Nachforderungen einen Nachtrag zum Bundesetat aufstellen werde.
Das Kabinett hat also noch nicht einmal in irgendeiner Form gegen eine Erhöhung der bisher schon untragbaren Besatzungslasten protestiert, sondern hat in Anerkennung der imperialistischen Ziele, die damit verbunden sind, nun diese Erhöhung der Besatzungskosten in einem Nachtragshaushalt genehmigt und wird ihn dem Bundestag zuleiten.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, welche sozialen Aufgaben wir zu erfüllen haben. Wir stellen fest, daß wir gegenwärtig in Westdeutschland immerhin noch die Zahl von etwa 1 1/2 Millionen Arbeitslosen haben, daß Sie nicht wissen, wie Sie der Jugend helfen sollen, daß wir 4 Millionen Kriegsbeschädigte zu versorgen haben, daß wir 5 Millionen Wohnungen benötigen und daß wir es uns deshalb einfach nicht gestatten können, planlos ohne Aufgliederung Besatzungskosten zu bewilligen, die weit mehr als reine Besatzungskosten darstellen.
Der bisherige Zustand, daß die Länder die Besatzungsausgaben zu tragen haben, ist durch das Überleitungsgesetz geändert worden; aber in den einzelnen Landtagen wird energisch gegen die Besatzungslasten protestiert, die ja anteilsmäßig auch von den Ländern getragen werden müssen. So hat erst am 7. November der Landtag von Württemberg-Hohenzollern — er hat seinen Vorgänger bereits in dem Landtag von Württemberg-Baden — im Haushaltsplan den vorgesehenen Beitrag des Landes an Besatzungs- und Besatzungsfolgelasten einstimmig von 16,4 auf 12 Millionen DM herabgesetzt. Wir sind durchweg der Meinung, daß die Höhe der Besatzungskosten den augenblicklichen Verhältnissen nicht mehr entspricht und von keinem Deutschen praktisch mehr verantwortet werden kann. Das erklärt nicht nur ein Sprecher der Kommunisten, sondern das erklärte eindeutig der Vorsitzende des dortigen Finanzausschusses, Binder, der politisch zur CDU zählt. Dieses kleine Land hatte also den Mut, die Erhöhung der Besatzungskosten abzulehnen. Und dieser kleine Landtag hatte den Mut, einmütig zu erklären, daß er nicht bereit sei, die geforderte Summe von 16,4 Millionen DM weiter zu bezahlen, sondern nur 12 Millionen DM.
Ich glaube auch, daß es nicht uninteressant ist — da es in derselben Linie liegt —, daß nämlich Herr Professor Carlo Schmid, unser Vizepräsident, nach der „Neuen Zeitung" auf einer Kundgebung der Sozialdemokratischen Partei in Reutlingen am
Montag eindeutig den Verzicht der Westmächte auf die Besatzungskosten verlangt hat.
Meine Damen und Herren! Was unter dem Begriff Besatzungskosten läuft, wird den Bundestag noch sehr eingehend beschäftigen müssen. Mir liegt aber ein Interview mit dem Leiter des bayerischen Besatzungskostenamtes vor, der eindeutig feststellt, daß es unmöglich ist, den Besatzungshyänen, wie er sie bezeichnet, irgendwie an die Kandare zu fahren, weil die deutschen Stellen gar nicht die Möglichkeit haben, irgendwelche Rechnungen und Ausgaben zu kontrollieren oder überhaupt auf die Ausgabenwirtschaft der Besatzung irgendwelchen Einfluß zu nehmen. Wir brauchen nicht allzuweit zu gehen. Sehen wir nach Bad Godesberg, von wo eine Meldung vorliegt — sie ist allerdings schon etwas älter —, daß die Häuser der Besatzungstruppen dort sehr schnell mit Fliegenfenstern versehen werden mußten. Und dieser kleine Scherz kostet das deutsche Volk „nur" zirka 60 000 bis 80 000 DM.
Ich will es mir ersparen, Ihnen nun die einschlägige ausländische Presse zu zitieren. Aber wir können nicht darauf verzichten, auf eine Sitzung des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten vom 4. April 1950 hinzuweisen. Als Ergebnis seiner Verhandlungen stellte der Ausschuß eindeutig fest, daß es eine Unmöglichkeit ist, die geforderten Besatzungslasten in dieser unverantwortlichen Höhe noch weiter zu tragen, und daß es unverantwortlich ist, dem deutschen Volk die Bezahlung dieser Summe noch weiter zuzumuten. Wir befinden uns nicht allein, sondern stehen — wenigstens damals — in Übereinstimmung mit der Bundesregierung, indem deren Pressedienst — die Presse- und Informationsstelle des Deutschen Bundestags — in einer Pressenotiz ebenfalls feststellt:
Diese Zahlen zeigen die ganze Größe und
Schwere der Angelegenheit; sie zeigen auch,
daß es gegenüber den Besatzungslasten nur
eine Aufgabe geben kann, nämlich sie zu vermindern, wo und wie es nur möglich ist.
Meine Damen und Herren! Wir als kommunistische Fraktion sind der Auffassung, daß bei der Beratung des neuen Etats bei dem Kapitel Besatzungslasten und Kriegsfolgelasten einiges dazu zu sagen sein wird. Aber es mutet doch wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an, wenn beispielsweise in der neuen Vorlage, die uns zugegangen ist, immer noch für verschleppte Personen die Summe von fast 117 Millionen DM und darüber hinaus für Entmilitarisierung 35 Millionen DM eingesetzt werden.
Man sollte doch wirklich dem deutschen Volk nicht
weismachen, daß man in dieser Frage dem deutschen Steuerzahler etwas Derartiges bieten kann.
Meine Damen und Herren! Es liegt an Ihnen, durch die Annahme dieser Anträge zu beweisen, daß Sie nicht bereit sind, noch eine weitere Forderung entgegenzunehmen, und daß Sie es ablehnen, in dieser Höhe Besatzungskosten zu bewilligen.
Wir kommen zu Punkt 2 c der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Angleichung der Besatzungsverhältnisse an die internationale Lage .
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos. Eine zeitliche Begrenzung ist wohl nicht nötig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Bayernpartei beinhaltet Aufhebung des Besatzungsstatuts und Regelung der besatzungsrechtlichen Verhältnisse durch einen Vertrag. Wir haben gestern so eingehend darüber gesprochen, daß es sinnlos wäre, sich heute zu wiederholen. Zu prüfen, ob die jetzigen Verhandlungen der Regierung mit den Besatzungsmächten unserem Antrag gerecht werden, wird am zweckmäßigsten dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überlassen bleiben. Ich beantrage daher, diesen Antrag ohne Debatte dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
Ich rufe auf:
2 d) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verweigerung militärischer Dienstleistungen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten vor. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wer begründet für die kommunistische Fraktion 2 d? — Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag beinhaltet eine sehr traurige Angelegenheit, die schon einige Male in diesem Hause behandelt worden ist, und ich erkläre hier ganz offen: Meine Fraktion wird zu dieser Frage nicht schweigen, auch wenn der Antrag von diesem i Hause wiederum abgelehnt werden sollte. Es handelt sich bei diesem Antrag darum, endlich zu verbieten, daß Deutsche für fremdländische militärische Dienste verwandt werden können.
Wir sind doch hier im Westen.
Am 1. Februar dieses Jahres hatte meine Fraktion schon eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, wie sie zu dieser Frage stehe, die für uns hier im Westen von großer Bedeutung ist. Die Regierung hat damals erklärt, daß es nicht verboten sei, Deutsche für ausländische Dienste anzuwerben. Aber, meine Damen und Herren, wir sind uns doch alle darüber im klaren, daß das ein unmöglicher Zustand ist und daß es die Pflicht der Regierung gewesen wäre, sofort dafür einzutreten, daß endlich ein Verbot zustande kommt.
Aber es ist nichts geschehen; gar nichts ist geschehen. Der Antrag, der damals von unserer Fraktion gestellt wurde, stand am 27. April unter Drucksache Nr. 687 hier schon zur Debatte. Damals wurden eine ganze Reihe von Pressestimmen zitiert, und ich kann mich gut erinnern, daß eine Reihe von Fraktionen dieses Hauses noch in weit schärferer Form gegen diese Maßnahmen in diesem Hause Stellung genommen haben. Die Werbestellen im Westen Deutschlands wurden in diesem Hause bekanntgegeben, wo die Werbungen ganz offiziell vorgenommen wurden. Es wurde sogar gesagt und bewiesen, daß eine Reihe von Arbeitsämtern in Verbindung mit diesen ausländischen Werbestellen gemeinsame Arbeit verrichten.
Es ist davon gesprochen worden, daß die zentrale Umschlagstelle Offenbach sei. Das Flüchtlingsministerium hat damals zugegeben: täglich kann man mit ungefähr 50 jungen deutschen Menschen rechnen, die für ausländische Dienste angeworben. werden.
Der Antrag meiner Fraktion wurde im April an den Ausschuß überwiesen. In der vorigen Woche hat der Ausschuß Bericht erstattet. Am 18. Oktober wurde entschieden, der Antrag, der im April zur Debatte stand, solle als erledigt zu betrachten sein. Mag auch der heutige Antrag vom Ausschuß oder vom Hause für erledigt betrachtet werden, für uns wird er nicht erledigt sein, ebensowenig wie für all diejenigen, die durch diese Angelegenheit schwer betroffen werden.
Ich kann mich erinnern, daß in der gestrigen Debatte nicht nur von dem Redner meiner Fraktion, sondern auch von anderen Sprechern darauf hingewiesen worden ist, daß die deutsche Jugend in, Arbeitslagern der Ausländer zu militärischem Diensten gezwungen wird.
Am 7. Oktober haben wir diesen Antrag eingereicht; er steht heute zur Debatte. Es ist der Antrag Drucksache Nr. 1437. Wir wollen einmal sehen, wie heute das Haus zu dieser Frage steht, ob das Haus noch weiterhin gewillt ist,
der Regierung zu gestatten, daß sie dazu schweigt,
daß Arbeitskompanien aus Deutschen für ausländische Dienste der Reihe nach entstehen, daß die
Industriepolizei bewaffnet wird und daß militärähnliche Einheiten wie Pilze aus der Erde schießen.
Ganz offiziell wurde zugegeben, daß allein in der amerikanischen Zone 26 000 Deutsche aus dem Reservoir der Arbeitslager unter Waffen gestellt worden sind. Ich erinnere an das, was Minister Albertz vor einiger Zeit der Presse mitteilte, daß auf Umwegen Deutschen ein Gewehr in die Hand gedrückt werden soll:
Aber wir erleben überall, in allen Städten, die es angeht, daß sich auch Deutsche finden, die sich weigern, die Waffe in die Hand zu nehmen.
Solche Weigerungen sind in fast allen Städten hauptsächlich in der amerikanischen Besatzungszone vorhanden.
Ich erwähne nur Nürnberg, München, Hanau usw.
Wir möchten, daß diejenigen, die aus wirklicher
Liebe zu ihrer Nation
nicht für fremde Nationen die Waffen in die Hand, nehmen wollen, keinen Nachteil haben; wir wünschen, daß sie von der Regierung geschützt werden, wenn wir auch nicht viel Hoffnung nach dieser Richtung hin haben. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß deutsche Arbeitsämter, obschon sie über
diese Dinge Bescheid wissen, gezwungen werden,. einer fremden Besatzungsmacht Kräfte zur Verfügung zu stellen.
In den „Stuttgarter Nachrichten" vom 19. Oktober dieses Jahres ist ein Artikel — ich will ihn nicht zitieren — erschienen unter der Überschrift: „Herr Leutnant! Herr Hauptmann!".
— Unsere Zeitung ist ja doch verboten. — In diesem Artikel heißt es auf der ersten Seite, daß der Bedarf, der jetzt von den amerikanischen Besatzungstruppen angegeben werde, ungemein hoch sei und daß das Arbeitsamt in Stuttgart 100 Mann vermittelt habe, bei denen großes Mißtrauen vorgeherrscht habe, so daß das Arbeitsamt einen Beobachter nach Frankfurt mitgeschickt habe. Das, was dieser Beobachter in Frankfurt feststellen konnte, war das, wovon ich eben sprach, nämlich daß eine militärische Ausbildung, eine Unterbringung in Kasernen und eine Bewaffnung dieser Menschen erfolgen sollte. Ich bin der Meinung, daß es nicht die Aufgabe unserer Arbeitsämter und einer deutschen Behörde unwürdig ist, deutsche Menschen für imperialistische, militärische Zwecke zu vermitteln, und zwar an ausländische Besatzungsmächte.
Wir wollen, daß die Bundesregierung an die Landesregierungen Anweisungen erteilt, damit diesem Treiben ein Ende gemacht wird. Wir wollen nicht, daß Deutsche zu Waffenträgern fremder Mächte werden.
Wir wollen, daß diejenigen, die sich weigern, wegen der Erfüllung dieser ihrer nationalen Pflicht keine Nachteile haben. Man sollte die Not hauptsächlich der deutschen Jugend nicht für die Interessen nichtdeutscher, ausländischer imperialistischer Mächte ausnutzen.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren! Ich konnte mich bei dem Vortrag des Herrn Vorredners nicht des Eindrucks erwehren, daß ich ihm eigentlich Glück dafür zu wünschen hätte, daß er diese Rede im Westen vor dem Deutschen Bundestag und nicht drüben im Osten gehalten hat.
Sonst würde ihm diese Rede zweifellos nicht gut bekommen sein.
Ich kann zu dem Ganzen nur sagen, daß der vorliegende Antrag rein propagandistischen Zwecken dienen soll.
Vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus ist der unter den Ziffern 1 und 2 des Antrags geforderte Beschluß ohne ein besonderes Gesetz überhaupt nicht möglich. Art. 2 Abs. 2 unseres Grundgesetzes garantiert die Freiheit der Person. Infolgedessen könnte nur durch ein von Bundestag und Bundesrat genehmigtes Gesetz eine Ausnahme geschaffen werden. Ein solches Gesetz liegt aber nicht vor. In Art. 1 des dem Bundestag vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Strafgesetzbuches ist ein neuer § 83 vorgesehen, der die Anwerbung eines Deutschen zum Wehroder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht
unter Strafe stellt. Aber der Dienst selbst soll nicht mit Strafe bedroht werden. Die vorgesehene Regelung entspricht im wesentlichen dem früheren, nunmehr durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 aufgehobenen § 141 a des Strafgesetzbuches. Soviel zu den beiden Ziffern 1 und 2 des Antrages Nr. 1437.
Für die Ziffern 3 und 4 desselben Antrages gilt folgendes. Die Ziffern 3 und 4 berühren unser Arbeitsrecht und gehören an sich zur Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit. Ich beantworte sie aber trotzdem, weil vom verfassungsrechtlichen Standpunkte aus hierzu etwas zu sagen ist. Was die Ziffer 3 anlangt, so gehört die Arbeitsvermittlung zum Gebiet der landeseigenen Verwaltung im Sinne des Art. 84 GG. Gemäß Art. 84 Abs. 5 GG kann der Bundesregierung nur auf Grund eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, eine entsprechende Vollmacht gegeben werden. Die Befugnis, an die Länder in besonderen Fällen Einzelweisungen zu erteilen, gehört ebenfalls hierhin. Ein solches Gesetz ist nicht gegeben.
Für die Zahlung von Erwerbslosenunterstützung in den in dem Antrag der KPD genannten Fällen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Ich komme zu Ziffer 4 des Antrages Nr. 1437. Hier gilt zunächst dasselbe, was ich zu Ziffer 3 erwähnte, nämlich daß die Bundesregierung nur auf Grund eines Gesetzes, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, den Ländern Einzelweisungen erteilen darf. Ein solches Gesetz liegt nicht vor. Deshalb ist die Bundesregierung nicht in der Lage, einem solchen Wunsche zu entsprechen.
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. —
Ich schließe die Aussprache.
Wir haben abzustimmen. Es ist mit Ausnahme des Antrages unter 2 c kein Antrag auf Überweisung gestellt. Wir müssen also zunächst über die Anträge selbst — außer 2 c — abstimmen.
2 a: Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
2 b: Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Für 2 c ist Verweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beantragt. Wer für die Verweisung an diesen Ausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Ist angenommen.
2 d: Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Dann ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Die nächste Sitzung, die 100. Sitzung des Deutschen Bundestages, berufe ich ein auf Freitag, den 10. November, 9 Uhr.
Ich werde den Herrn Präsidenten bitten, die Sitzung des Ältestenrates auf heute 16 Uhr 15 vorzuverlegen.
Ich schließe die 99. Sitzung.