Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Wir treten in die
Fragestunde
— Drucksache 10/1100 —
ein.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf.
Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Erhard zur Verfügung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Hat sich da etwas geändert? Sind Sie nicht Herr Erhard?
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Nein. Herr Erhard ist verhindert. Ich heiße Kinkel.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Krizsan auf:
Auf Grund welcher Information des Bundeskriminalamts oder der Bundesanwaltschaft wurden die deutschen Staatsbürger Christiane Ensslin und Malte Vorbeck am 28. September 1983 in Ragusa/Italien von der italienischen Polizei verhaftet und unter unwürdiger Behandlung am 1. Oktober 1983 ausgewiesen, und wie beurteilt die Bundesregierung dieses Vorgehen im Rahmen des EG-Rechts?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Herr Präsident! Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten.
Weder das Bundeskriminalamt noch die Bundesanwaltschaft haben den italienischen Behörden Informationen zukommen lassen, die die Festnahme der deutschen Staatsbürger Christel Ensslin und Malte Vorbeck am 28. September 1983 in Ragusa/ Italien und deren Abschiebung aus Italien hätten auslösen können.
EG-rechtlich wären die Vorkommnisse nur dann relevant, wenn sich die abgeschobenen Personen zum Zwecke der Arbeitssuche, zur Arbeitsaufnahme oder zu sonstigen gewerblichen Tätigkeiten in Italien aufgehalten hätten. Die Bundesregierung hat hierfür keine Hinweise. Handelte es sich aber
um Personen, die sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen in Italien aufhielten, so unterlag ihre Abschiebung keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Kinkel, diese Reise, auf die sich meine Frage bezieht, war in Italien nicht bekannt und ist nur in einem Telefongespräch zwischen den beiden Genannten und den Eltern von Christiane Ensslin in Stuttgart erwähnt worden. Kann es von daher sein, daß durch Abhörung des Telefons das BKA oder andere Behörden zu diesen Informationen kamen und daß sie die Italiener angewiesen haben, diese Personen auszuweisen?
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich halte dies auf Grund der mir vorliegenden Informationen aus dem Bundeskriminalamt und von der Generalbundesanwaltschaft für ausgeschlossen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Kinkel, ist Ihnen bekannt, daß über diesen Skandal bei uns wenig berichtet wurde, daß aber das holländische Fernsehen einen Film darüber dreht, weil das nach der Meinung unserer Nachbarn ein wirklicher Skandal ist?
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das ist mir nicht bekannt.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, und welche Vorschläge hatte sie gemacht, um eine Textfassung für eine weltweite „Anti-Folter-Konvention" zu erreichen, die einen besseren Menschenrechtsschutz gewährleistet als jener Textentwurf zu einer „Anti-Folter-Konvention", dem die UNO-Menschenrechtskommission am 7. März 1984 in Genf zugestimmt hat, und der die Regelung enthält, daß rechtmäßige körperliche Strafen erlaubt bleiben, und in den Durchsetzungsmechanismen ausgeklammert sind?Bitte sehr.
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4110 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Ich bitte um Verständnis, daß es eine etwas längere Antwort wird. Der Sachverhalt erfordert das.Die Bundesregierung hat an den Beratungen der Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission und auch an den jährlichen Beratungen der westlichen Länder in Straßburg aktiv teilgenommen. Sie hat sich dabei jeweils für eine möglichst große Effizienz der geplanten Konvention eingesetzt und alles getan, um eine wirksame Textfassung für eine weltweite „Anti-Folter-Konvention" zu erreichen.Dabei ist allerdings zu beachten, daß eine Konvention auf Weltebene eben keine Maximalforderungen enthalten kann, sondern — ich füge hinzu: leider — von einem angemessenen Mindeststandard ausgehen muß, will sie nicht völlig ineffektiv bleiben, weil bei Maximalforderungen nur wenige Staaten eine solche Konvention ratifizieren würden. Jedenfalls würden die Staaten, an deren Adresse eine solche Konvention in erster Linie gerichtet ist, sie nicht ratifizieren.In Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, gehen Sie zutreffend davon aus, daß sich um einige Bestimmungen der Konvention Klammern befinden. Es sind dies die Bestimmungen der Art. 19 Abs. 3 und 4 und 20 des Entwurfs, die einen Teil der Durchsetzungsmechanismen festlegen. Die Klammern um diese Vorschriften bedeuten aber nicht, daß diese Vorschriften gestrichen werden oder in sonstiger Weise nicht Bestandteil der Konvention sind. Sie bringen vielmehr zum Ausdruck, daß die geklammerten Vorschriften keinen allgemeinen Konsens gefunden haben. Die Diskussionen innerhalb der Menschenrechtskommission in Genf am 28. und 29. Februar 1984 haben gezeigt, daß die überwiegende Mehrheit der Staaten den geklammerten Vorschriften zustimmt. Lediglich der Ostblock und einige Länder der Dritten Welt haben sich bisher noch nicht in der Lage gesehen, diesen Vorschriften ihre Zustimmung zu geben. Deshalb die Klammerung.Besonders hinzuweisen ist darauf, daß es sich bei den geklammerten Vorschriften nicht etwa um die Durchsetzungsmechanismen schlechthin handelt, sondern nur um einen — wenn auch wesentlichen — kleinen Teil der in der Konvention insgesamt enthaltenen Durchsetzungsmechanismen. Als Beispiele für die übrigen möchte ich erwähnen die Pflicht zur Pönalisierung von Folterhandlungen in Art. 4, die Begründung der universellen Strafgerichtsbarkeit in den Art. 5, 6 und 7, die Errichtung eines internationalen Ausschusses in Art. 17, die fakultative Staatenbeschwerde in Art. 21 und die fakultative Individualbeschwerde in Art. 22.Was nun Ihre Frage nach den körperlichen Strafen angeht, so definiert Art. 1 des Konventionsentwurfs den Begriff der Folter. Danach ist Folter die vorsätzliche Auferlegung schwerer physischer oder seelischer Leiden durch einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder auf dessen Veranlassung bzw. dessen Genehmigung oder Duldung, um von dem Betreffenden oder einer dritten Person Informationen zu erhalten, sie einzuschüchtern, zu erpressen oder zu diskriminieren.Richtig ist, daß von der Definition Schmerzen oder Leiden, die sich aus rechtmäßigen Sanktionen ergeben, ihnen eigen sind oder damit zusammenhängen, nicht umfaßt sind. Ob deshalb körperliche Strafen, wie sie zum Teil in bestimmten Ländern dem Gesetz entsprechen, unter den Begriff der Folter fallen, ist zumindest zweifelhaft. Man wird abzuwarten haben, ob der nach der Konvention zu gründende Ausschuß derartige Strafen als rechtmäßige Sanktionen ansehen wird oder nicht.In jedem Fall — und das scheint mir wichtig zu sein — ist nach Art. 16 des Entwurfs jeder Vertragsstaat verpflichtet, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, die nicht die Intensität von Folterhandlungen erreichen, zu verhindern, wenn derartige Handlungen von Staatsbediensteten oder Beauftragten des Staates vorgenommen werden.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da auch mir die Schwierigkeiten, zu einer allgemein anerkannten Regelung zu kommen, bekannt sind, ist der Schwerpunkt meiner Frage darauf gerichtet — und ich möchte ihn präzisiert wiederholen —, ob denn die Bundesregierung bei der von Ihnen geschilderten Lage jetzt besondere Initiativen entfalten wird, um bei anderen Staaten dafür zu werben, daß es gelingt, letztlich eine Regelung durchzusetzen, die die Anwendung von rechtmäßigen körperlichen Strafen möglichst nicht erlaubt, und zu erreichen, daß diese in der Anti-Folter-Konvention niedergelegt wird?
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Die Bundesregierung wird sich zweifellos in dieser Richtung bemühen. Das kommt auch in der Erklärung des Leiters unserer Delegation zu diesem Tagesordnungspunkt zum Ausdruck, die ich Ihnen gern zuleite. Ich möchte Ihnen ersparen, daß ich sie jetzt vorlese. Jedenfalls kommen diese Bemühungen bereits in dieser Erklärung klar und deutlich zum Ausdruck.
Noch eine Zusatzfrage.
Wird denn die Bundesregierung auch in Hinsicht auf die Durchsetzungsmechanismen, da diese ja von großer Bedeutung für die Anwendung dieser Konvention sind, an Vorschlägen und Formulierungen mitarbeiten, die anstreben, in diesem Punkt dann auf der UN-Ebene zu erreichen, daß solche Durchsetzungsmechanismen letztlich in der Konvention enthalten sind?
Dr. Kinkel, Staatssekretär: Die Bundesregierung wird dies zweifellos und sicher genauso tun.
Keine weitere Zusatzfrage.Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung — jetzt schaue ich mir die Staatssekretäre selber an —
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4111
Vizepräsident Stücklensteht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Roth auf:Waren die jüngst in Bonn geführten Gespräche des Bundesverkehrsministers mit seinem französischen Kollegen erfolgreich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, j a. Die Minister stimmten insbesondere darin überein, daß sie sich in der Sondertagung des EG-Rats für Verkehr am 22. März für eine frühzeitige Anwendung der im Rahmen der EG beschlossenen Erleichterungen der Grenzkontrollen einsetzen werden. Dies datiert vom 1. Dezember 1983 und ist in den Richtlinien niedergelegt.
Anläßlich des anschließend vorgesehenen informellen Rates sollen dann Probleme der Straßenbenutzungsgebühren sowie Fragen der Zusammenarbeit der Eisenbahnen, der Infrastruktur, des Straßenverkehrs und der Verkehrssicherheit behandelt werden mit dem Ziel, für die weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik politische Lösungsansätze zu erreichen. Minister Fiterman hat die Absicht der französischen Regierung erläutert, mittelfristig auf Autobahngebühren zu verzichten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Präsident, darf ich darum bitten, daß jetzt erst noch die Frage 4 beantwortet wird? Ich würde meine Zusatzfragen dann zusammengefaßt stellen.
Herr Abgeordneter Roth, das ist nicht die Gepflogenheit des Hauses. Ich kann die Frage 4 jetzt gern aufrufen, aber Sie können dann nicht vier, sondern nur zwei Zusatzfragen stellen.
— Gut, ist in Ordnung.
Werden noch Zusatzfragen zu Frage 3 aus dem Hause gewünscht? — Nein.
Dann rufe ich die Frage 4 des Abgeordneten Roth auf:
Gibt es besondere Belastungen in der Zusammenarbeit zwischen dem französischen und dem deutschen Verkehrsminister?
Bitte sehr.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Diese Frage, Herr Kollege, beantworte ich mit Nein. Die Konsultationen der Minister in den Jahren 1983 und 1984 — zuletzt am 2. März 1984 in Bonn — haben zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit beider Länder im Bereich der Verkehrspolitik geführt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe sehr bewußt auf die Person abgestellt. Ist mein Eindruck, den ich durch die Presse und das Fernsehen gewonnen habe, richtig, daß die persönliche Zusammenarbeit der beiden Minister vorzüglich ist?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mein Eindruck ist, daß die persönliche Zusammenarbeit zwischen der französischen Regierung und der deutschen Bundesregierung hervorragend ist und daß dies auch auf den persönlichen Bereich auszudehnen ist.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, nun ist es ja so, daß nach der rechtlichen Einstellung der Bundesregierung, obgleich wir in der EG Freizügigkeit der Arbeitnehmer haben, Herr Fiterman in der Bundesregierung bzw. im Bundesverkehrsministerium nicht einmal Pförtner werden könnte. Sehen Sie das als eine Korrektur Ihrer Auffassung zu diesem Themenbereich an, oder ist es bisher ohne Einfluß auf Ihre Verhaltensweise, daß Sie mit einem kommunistischen Minister so gut zusammenarbeiten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Roth, ich habe nicht die Absicht, mich als Vertreter des Bundesministers für Verkehr zum Radikalenerlaß zu äußern. Aber ich erinnere mich daran, daß er aus einer anderen Zeit stammt, in der wir noch nicht regiert haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause hier einmal darstellen, auf welchen Gebieten und in welchen Bereichen speziell diese große Einvernehmlichkeit hergestellt wird und welche Punkte als strittig angesehen werden können?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe hier ein langes Protokoll als Ergebnisniederschrift der letzten Sitzung. Es geht um die Frage der Grenzkontrollen und Straßenbenutzungsgebühren. In meiner ersten Antwort habe ich bereits gesagt, daß hier weitgehende Verständigung erzielt worden ist. Es ging um Fragen der Infrastrukturpolitik und um Fragen der Zusammenarbeit im Eisenbahnverkehr. Dies ist insbesondere uns ein wichtiges Anliegen. Es geht um die Frage des Straßenverkehrs, insbesondere um die Frage der Kontingente und Tarife. Dann geht es um die Frage der Maße und Gewichte im Straßenverkehr. Auch hier zeichnet sich ab, daß wir zu einer Verständigung kommen könnten. Dies ist insbesondere jetzt wichtig, weil die Franzosen zur Zeit den Präsidenten des Rates stellen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
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4112 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Herr Staatssekretär, wodurch ist eigentlich sichergestellt, daß die gute persönliche Zusammenarbeit zwischen einem deutschen und einem französischen Verkehrsminister — wobei der letztere ein Kommunist ist — nicht dazu führt, daß bestimmte Organe des Bundes den deutschen Verkehrsminister automatisch für ein Sicherheitsrisiko halten?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich weiß nicht, ob unsere Sicherheitsbehörden die Phantasie aufbringen, die Sie Ihrer Frage gerade zugrunde gelegt haben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rawe zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dr. de With auf:
Geht die Bundesregierung davon aus, daß der vom Bundespostministerium zum 1. April 1984 angekündigte tägliche „Horoskopdienst" per Telefon den Anschein größerer Verläßlichkeit gewährleistet, weil er von einer staatlichen Einrichtung angeboten wird?
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege Dr. de With es gestattet, möchte ich seine beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gern gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. de With auf:
Woher nimmt die Deutsche Bundespost die Grundlagen für jenen „Horoskopdienst", und welche Vorstellungen hat sie von den Auswirkungen dieses Dienstes?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, wenn die Deutsche Bundespost Ansagedienste einführt, dann schließt sie zunächst für die Dauer eines Jahres einen Vertrag und überprüft dann die Fortsetzung dieses Vertrages. Das hat die Deutsche Bundespost auch bei der Prüfung und bei der Einführung des Fernsprechdienstes „Horoskop des Tages" so gehandhabt, und zwar in Form einer Vereinbarung mit der Deutschen Postreklame GmbH.
Die redaktionelle Gestaltung sowie die inhaltliche Verantwortung der durch Fernsprechansagedienste verbreiteten Mitteilungen übernehmen dabei vertraglich verpflichtete Textlieferanten. Für die „Horoskop"-Ansage besteht eine entsprechende Vereinbarung mit der Deutschen Postreklame GmbH in Frankfurt.
Der Bundespostminister hat allerdings auf Grund der Ankündigung dieses Dienstes, nämlich seiner Einführung zum 1. April 1984, eine Vielzahl von ernst zu nehmenden Einwendungen erhalten. Diese haben den Bundespostminister veranlaßt, eine erneute Überprüfung der Einführung dieses Dienstes anzuordnen.
Aber am 1. April hätten wir den Dienst doch eigentlich einmal laufen lassen sollen.
Bitte sehr, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß, falls es zum 1. April zu diesem Ansagedienst kommt, damit zum erstenmal — soweit ich das sehe — ein staatliches Organ, noch dazu unter einem allerchristlichen Kanzler, als Astrologe in Erscheinung tritt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, Herr Kollege de With, daß Sie diese Auslegung nicht vornehmen können; denn ich habe Ihnen j a ausdrücklich gesagt, daß der Inhalt solcher Ansagen nicht in der Verantwortung des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen liegt. Ich habe auch aus Ihren Reihen bislang ähnliche Ankündigungen nicht vernommen, wenn an anderer Stelle, in Zeitungen und dergleichen, solche Dienste angeboten worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Sind Sie mit mir nicht dennoch der Meinung, daß hier der Schein einer staatlichen Genehmigung den Eindruck erwecken muß, das sei etwas Wahreres als das, was sonst in „normalen" Zeitungen angeboten wird, die nicht dem Staat gehören?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Dr. de With, ich bin nicht der Auffassung. Aber wie ernst wir gleichwohl die Einwendungen genommen haben, mögen Sie daran erkennen, daß der Bundespostminister ausdrücklich eine erneute Überprüfung der Einführung dieses Dienstes angeordnet hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würde damit die Deutsche Bundespost, also ein staatliches Organ, ab 1. April einem Waage-Menschen eine Auskunft wie diese vom heutigen Tag geben: „Fragen Sie einen Freund um Rat! Sie haben ein berufliches Problem noch nicht im Griff. Gehen Sie abends auf die Wünsche eines lieben Menschen ein!", auch wenn das als Waage-Mensch der Bundesminister der Verteidigung wäre?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4113
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Dr. de With, das können Sie auf alle Abgeordneten des Hauses beziehen.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich bedanke mich natürlich außerordentlich für die launige Antwort, die Sie selbst gegeben haben.
Der Herr Staatssekretär schließt sich an.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, welchen Astrologen die Post — oder wer immer dahinter steht — unter Vertrag hat und was die Deutsche Bundespost diesem zu zahlen bereit ist, wenn auch nur versuchsweise für ein Jahr?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, ich hoffe, Sie haben mich zu Beginn richtig verstanden. Die Deutsche Bundespost hat über diesen Ansagedienst keinen Vertrag mit irgendeinem
— Ja, langsam, deswegen will ich es Ihnen ja auch gerade in aller Deutlichkeit sagen. Wir haben eine Vereinbarung mit der Deutschen Postreklame GmbH. Diese hat wiederum einen Vertrag mit einem Textlieferanten abgeschlossen. Ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich den Namen dieses Textlieferanten jetzt nicht weiß. Ich will ihn Ihnen aber selbstverständlich gerne zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, Sie scheinen heute sehr gut aufgelegt zu sein. Das meine ich besonders in Richtung auf die Opposition.
Bitte, eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Da dies ja eine recht lustige Fragestunde ist, Herr Staatssekretär, hätte ich gerne einmal gewußt — ich habe eine Favoritin unter den Astrologen; das ist die Madame Teissier, die mir auch so ganz gut gefällt —, ob sich Frau Teissier vielleicht im Kreis derjenigen befindet, die uns künftig das Vergnügen bereiten werden, ihre astrologischen Prognosen über das Fernsprechnetz zu machen? Und was mich noch interessiert: Hätte ich auch als Politiker Gelegenheit, bei Ihnen die politische Zukunft in unserem Land abzufragen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Riedl, ich stelle mit gewissem Vergnügen fest, daß hier im Hause ein großes Interesse für den Ansagedienst vorhanden ist. Ich bitte um Nachsicht, daß der Herr Bundespostminister dies wahrscheinlich in die Überlegungen einbeziehen muß, ob er diesen Dienst einführen will oder nicht. Aber was die von Ihnen genannte Dame angeht, so kann ich Ihnen leider im Moment keine Auskunft geben. Ich weiß nicht, mit wem die Deutsche Postreklame einen Textlieferantenvertrag abgeschlossen hat.
Meine Damen und Herren, so amüsant das ist, aber ich habe noch 90 Fragen von Fragestellern. Ich bitte also, darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir diese heitere Frage nun zum Abschluß bringen. Ich werde noch zwei Zusatzfragen zulassen, da dieser Dienst ja anscheinend nicht eingeführt wird.
Eine Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Krizsan.
Herr Staatssekretär, trotz aller Heiterkeit würde mich doch interessieren, ob die Bundesregierung eventuell diesen staatlichen oder halbstaatlichen Horoskopdienst in Anspruch nehmen will, um die Richtlinien ihrer Politik so zu bestimmen.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Also, Herr Kollege, ich möchte noch einmal in aller Dringlichkeit darauf hinweisen, daß es sich hier nicht, wie das mehrfach unterstellt worden ist, um einen staatlichen Ansagedienst handelt. Das Unternehmen Deutsche Bundespost, für das die Bundesregierung die Verantwortung trägt, stellt diesen Dienst nur zur Verfügung, als wenn Sie einen ähnlichen Dienst als Ansagedienst bei uns beantragen. Ich bitte, das doch einmal deutlich machen zu dürfen. Ich glaube, von daher sollten wir nicht unterstellen, daß es sich hier um einen amtlichen Ansagedienst der Deutschen Bundespost handelt, für den sie auch inhaltlich die Verantwortung trägt.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit der ganzen Diskussion um Horoskop: Wäre denn die Bundesregierung bereit, prüfen zu lassen, ob nicht möglicherweise auch die Prognosen der fünf Wirtschaftsweisen gut in diesen Ansagedienst passen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie sind mir nicht böse, wenn ich sage: Dies paßt in die hier schon mehrfach geäußerte Neugierde über Horoskope. Aber ich bin nicht in der Lage, die einzelnen Sternbilder der von Ihnen Genannten hier zu nennen. Deswegen, glaube ich, erübrigt sich auch die weitere Beantwortung.
Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sperling.
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4114 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß mit der Einführung des Bildtelefons ein Handlesedienst eingerichtet werden soll?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihre Frage bei der allgemeinen Heiterkeit nicht verstanden. Herr Kollege Sperling, haben Sie die Güte, sie zu wiederholen.
Sehr gern, Herr Staatssekretär. Stimmt es, daß mit der Einführung des Bildtelefons ein Handlesedienst der Deutschen Bundespost eingeführt werden soll?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sie denken der Zukunft sehr weit voraus. Ich kann Ihnen nicht sagen, wann das Bildtelefon für alle Fernsprechteilnehmer eingeführt wird. Ich denke, wir sollten uns nicht selber in das von Ihnen so kritisch der Würdigung unterzogene Feld begeben.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Nöbel auf:
Hat die Bundesregierung konkrete Vorstellungen über den Zeitpunkt des Einsatzes des direktstrahlenden Satelliten in einer präoperativen und operativen Phase?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich hoffe, daß der Kollege Dr. Nöbel damit einverstanden ist, daß ich seine beiden Fragen im Zusammenhang beantworte.
Dann rufe ich auch die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Nöbel auf:
Gibt es konkrete Einsatzpläne für den direktstrahlenden Satelliten, auch im Zusammenhang mit dem Fernmeldesatelliten ?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, der direkt empfangbare Rundfunksatellit wird zur Zeit im Rahmen des deutsch-französischen Satellitenprojekts hergestellt und ist für den Start mit der Trägerrakete Ariane in der zweiten Hälfte 1985 vorgesehen. Nach der Positionierung des Satelliten im Orbit und nach den notwendigen Abnahme- und Einmeßarbeiten kann in Übereinstimmung mit den Regelungen des deutsch-französischen Abkommens die präoperationelle Phase aufgenommen werden. Der Eintritt in die operative Phase setzt die entsprechenden Entscheidungen der Bundesländer und des Bundes voraus. Diese sind noch zu treffen.
Die Regelung der Programmveranstaltung über Rundfunksatelliten fällt überwiegend in den Kompetenzbereich der Länder. Bund und Länder werden bemüht sein, ihre Einsatzpläne bis Mitte 1984 zu konkretisieren.
Für die zwei von der Deutschen Bundespost angemieteten Kanäle des seit der Jahreswende 1983/ 84 nutzbaren Fernmeldesatelliten ECS — wohlgemerkt: des Fernmeldesatelliten ECS — sind zum einen das ZDF für den Ost-Beam und zum anderen für den West-Beam ein von der Anstalt für Kabelkommunikation zu nominierender Veranstalter vorgesehen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, treffen also Hinweise nicht zu, daß sich der Start des direktstrahlenden Satelliten TV-Sat erneut verzögern soll?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Derartige Hinweise sind der Bundesregierung im gegebenen Zeitpunkt nicht bekannt.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es denn zu, daß Ihr Haus bereits auf andere Ressorts der Bundesregierung dahin gehend eingewirkt hat, der präoperationellen Phase keine operative Phase beim TV-Sat folgen zu lassen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Soweit mir das im gegenwärtigen Zeitpunkt bekannt ist, Herr Kollege Dr. Nöbel, nicht. Aber ich will diese Frage gern erneut überprüfen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die französische Regierung gegenüber der Bundesregierung ihre Verärgerung oder ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß sich seitens der Bundesregierung auf dem Gebiet des TV-Sat zuwenig bewegt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sie scheinen zur Zeit über bessere Informationen zu verfügen, Herr Kollege Dr. Nöbel, als ich. Mir ist das nicht bekannt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Paterna.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, macht die Deutsche Bundespost die Bestellung des fünfkanaligen TV-Sat abhängig von einer Einigung der Bundesländer auf ein Nutzungskonzept. Wenn ich das so richtig verstanden habe, wäre ich dankbar, wenn Sie mir erklären könnten, warum in diesem Fall erst die Entscheidung der Bundesländer abgewartet wird, während bei den Fernmeldesatellitenkanälen erst bestellt und dann, wie ich fast sagen möchte, um die Nutzung gerangelt wird.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, Sie wissen so gut wie ich, daß es hier unterschiedliche Zuständigkeiten gibt. Ich habe in der ersten Antwort an den Kollegen Dr. Nöbel ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es dabei einer Vereinbarung über die Nutzung zwischen Bund und Ländern bedarf. Die Ministerpräsidenten der Länder haben in ihrer Besprechung vom 23. Februar 1984 ausdrücklich eine entsprechende Verabschiedung bei ihrer nächsten Zusammenkunft in Aussicht gestellt.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie denn in der Lage, uns zu erklären, wo rechtlich der
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4115
PaternaUnterschied liegt, was die Bedeutung der Rundfunkhoheit der Länder anlangt, ob ein Programm über einen Fernmeldesatelliten oder aber über einen direktstrahlenden TV-Satelliten abgestrahlt wird?Rawe, Parl. Staatssekretär: Sicher. In dem einen Fall ist der Bund zuständig, in dem anderen Fall liegt die Hoheit bei den Ländern. Um es Ihnen noch einmal zu verdeutlichen, Herr Kollege Paterna: Den Fernmeldesatelliten benutzen wir dazu, um TV-Ausstrahlungen in Kabelanlagen zu übertragen. Im Zusammenhang mit der Erdefunkstelle kann auch da natürlich jedes Land bestimmen, ob es ein Programm zulassen will oder nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Paterna auf:
Mit welchen Übertragungskosten für Fernsehprogramme ist beim Einsatz von Fernmeldesatelliten und beim direktstrahlenden Rundfunksatelliten zu rechnen, und welche Kostenkalkulation liegt diesen Preisen zugrunde?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich darf an den Herrn Kollegen Paterna die Frage richten, ob er mit einer gemeinsamen Beantwortung der Fragen 9 und 10 einverstanden ist.
Das ist der Fall. Ich rufe dann auch die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Paterna auf:
Von welchen Voraussetzungen sollte die Deutsche Bundespost die Anmietung von Fernmeldesatellitenkanälen bzw. die Bestellung von Fernmeldesatelliten und des operationellen direktstrahlenden Rundfunksatelliten abhängig machen?
R awe, Parl. Staatssekretär: Vielen herzlichen Dank.
Die endgültige Höhe der Beträge, die die Deutsche Bundespost kostengerecht von denjenigen, die Transponder anbieten wollen, erheben wird, und zwar entweder für die ganze oder für die anteilige Nutzung von Fernmeldesatelliten und für die Nutzung ihre Leitungen und Erdefunkstellen sowie weitere damit zusammenhängende Leistungen, kann im Augenblick noch nicht angegeben werden. Ursache hierfür sind eben wegen der kostengerechten Zuordnung die noch nicht abschließend ermittelten tatsächlichen Kosten der gegenwärtig geplanten und im Bau befindlichen Anlagen und Einrichtungen. Es kommt hinzu, daß die Deutsche Bundespost beabsichtigt, nach Möglichkeit das Nutzungsentgelt für alle zukünftigen Fernmeldesatellitenkanäle über ein einheitliches Gebührenmodell abzuwickeln.
Die Investitionen und die Kosten für ein Rundfunksatellitensystem sind abhängig von der Anzahl der erforderlichen Kanäle sowie von der geforderten Verfügbarkeit und der davon abhängigen Anzahl der Satelliten. Da über beides noch nicht entschieden ist, kann als Orientierungsgröße nur eine Investitionsspanne von 500 bis 725 Millionen DM für das ganze System genannt werden.
Das Nutzungsentgelt ist abhängig von der entsprechenden Systemauslegung — ich meine damit die Kanalzahl, die Lebensdauer der Satelliten und das entsprechende Reservekonzept —, von den Beschaffungspreisen und den künftigen Betriebskosten. Die derzeit geschätzten Entgelte betragen auf der Basis der Erstattung der Selbstkosten bei einem dreikanaligen System 38 bis 40 Millionen DM pro Kanal, bei einem fünfkanaligen System ca. 28 Millionen DM pro Kanal.
Die Deutsche Bundespost geht auf Grund ihrer gesetzlichen Vorgaben von der wirtschaftlichen Deckung eines erwarteten bzw. festgestellten Bedarfs aus. Wie die große Zahl der vorliegenden Anträge auf Satellitensendezeit zeigt, ist das Nachfragepotential ganz offensichtlich noch nicht als erschöpft anzusehen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn ich das richtig verstanden habe, dann bezogen sich die Zahlen, die Sie eben genannt haben, auf den direktstrahlenden TV-Satelliten.
Würden Sie mir bitte auch die Annahmen über die jährlichen Kosten der Anmietung eines Fernmeldesatellitenkanals zum Vergleich sagen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Wir gehen nach unseren bisherigen Rechnungen davon aus, daß mit einer Spanne von 4 bis 8 Millionen DM pro Kanal und Jahr zu rechnen ist.
Eine Zusatzfrage.
Können Sie mir dann bitte auch erläutern, welche Zahlengrößen dieser Berechnung zugrunde liegen, also Zahl der Kanäle, Investitionskosten und Lebensdauer? Das sind ja die Kostenfaktoren, die Sie selbst als wichtige Rechengrößen genannt haben.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich hatte vorhin schon deutlich gemacht, daß ich mich dazu im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage sehe. Ich will ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, daß wir, wenn wir nachher zu der Gebührenfestsetzung kommen, nicht nur dieses Kostenelement der Anmietung in Rechnung stellen müssen, sondern auch die anderen zu erbringenden Leistungen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Ist denn die Annahme falsch, Herr Staatssekretär, daß, wenn auf einem ECS zwölf Kanäle zur Verfügung stehen und ein Rundfunkveranstalter einen ECS-Kanal betreiben will, er etwa ein Zwölftel der Kosten für dieses System zu bezahlen hat?Rawe, Parl. Staatssekretär: Wohlgemerkt, für das Kostenelement, das sich aus der Nutzung des Satelliten ergibt. Die anderen Leistungen — ich weise
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4116 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Parl. Staatssekretär Rawenoch einmal darauf hin — müssen hinzugerechnet werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Können Sie mir denn die Kosten für das ECS-System nennen einschließlich der Vorlaufkosten OTS und der Kapitaleinlagen bei EUTELSAT und was sonst dazugehört?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, aber das scheint vorhin untergegangen zu sein: Ich hatte Ihnen ausdrücklich gesagt, in diesem Zeitpunkt kann ich das noch nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter de With.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß Ihre eben gegebene Antwort zumindest insofern unvollkommen war, als Sie sagten, daß der Unterschied zwischen den beiden Satelliten, juristisch gesehen, der sei, daß für den einen Satelliten die Post und für den anderen Satelliten die Länder zuständig sind, während tatsächlich für beide Satelliten ganz offenkundig, was die Technik anbelangt, sehr wohl die Post zuständig ist?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das habe ich auch nicht in Frage gestellt, sondern ich habe darüber berichtet, daß für die Nutzung, nämlich hinsichtlich der Frage, welches Programm darüber läuft, beim Rundfunksatelliten eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zustande kommen muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Nöbel.
Herr Staatssekretär, zu welchem Zeitpunkt sind Sie denn in der Lage, die Zusatzfragen des Kollegen Paterna exakt zu beantworten?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, ich sehe Ihr dringendes Interesse. Ich will mich bemühen, Ihnen diese Fragen in etwa sechs Wochen konkret zu beantworten.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Zierer auf:
Welche Regelung hält die Bundesregierung in der Verordnung über Heizkostenabrechnung für erforderlich, um sicherzustellen, daß es dem Vermieter wie bisher möglich ist, die tatsächlich bestehenden Kosten für ein eigenes Blockheizwerk auf die Mieter umzulegen, wenn und soweit die Grundkosten des Heizwerkes nicht bereits in der Miete enthalten sind, damit die Vermieter durch die Neuordnung des Berechnungsrechts keine unzumutbaren Verluste erleiden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich würde wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen gern zusammen beantworten.
Einverstanden, Herr Abgeordneter?
Einverstanden.
Ich rufe dann auch die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Zierer auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Neuregelung der Neubaumietenverordnung 1970 und der Verordnung über Heizkostenabrechnung gemäß BR-Drucksache 483/83 dem Vermieter eine Umlage von Grundkosten eines eigenen Blockheizwerkes (Fernheizwerkes) bei bestehenden Verträgen abgeschnitten wird, weil nach § 7 der Verordnung über Heizkostenabrechnung Fernwärme nur vorliegen soll, wenn das Heizwerk einem Dritten gehört (Begründung zur BR-Drucksache 632/80 Seite 17 und 27), während die bisherige Fassung der NMV (§ 22 Abs. 4) die Umlage zuläßt, wenn die Wärmelieferung von einer anderen Wirtschaftseinheit erfolgt?Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zierer, nach Auffassung der Bundesregierung bedarf es bei der vorgesehenen vollständigen Harmonisierung der Vorschriften über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten keiner weiteren Regelung.Die Einbeziehung der preisgebundenen Neubaumietwohnungen in den Anwendungsbereich der Verordnung über Heizkostenabrechnung hat für den Vermieter, der die Kosten für die Wärmelieferung aus einem eigenen Fernheizwerk abrechnet, nach Auffassung der Bundesregierung keine nachteiligen Folgen.Eine gesetzliche Definition des Begriffs „Fernwärme" gibt es nicht. An der von Ihnen zitierten Stelle in der Begründung zur Verordnung über Heizkostenabrechnung hat die Bundesregierung lediglich den Hauptanwendungsfall umschrieben. Sie wollte damit klarstellen, daß entgegen den geltenden engeren Vorschriften der Neubaumietenverordnung 1970 für preisgebundene Neubaumietwohnungen auch diejenigen Unternehmen Fernwärme liefern, die es vertraglich übernommen haben, eine zentrale Heizungsanlage des Gebäudeeigentümers im eigenen Namen und für eigene Rechnung zu betreiben. Keineswegs sollte damit eine abschließende und für die Gerichte verbindliche Begriffsbestimmung erfolgen. Erst recht war hierdurch eine gegenüber dem Preisbindungsrecht einengende Abgrenzung nicht beabsichtigt. Dies gilt um so mehr, als es bereits nach der Neubaumietenverordnung 1970 dem Gebäudeeigentümer nicht verwehrt ist, die Wärmelieferung von einem eigenen Heizwerk, das mit den versorgten Wohnungen und sonstigen Räumen keine Wirtschaftseinheit bildet, als Lieferung von Fernwärme auf die Mieter umzulegen und verbrauchsabhängig abzurechnen. Das folgt aus § 22 Abs. 4 dieser Verordnung, wonach zu den Kosten der Versorgung mit Fernwärme auch die Kosten der Wärmelieferung von einer nicht zur Wirtschaftseinheit gehörenden Anlage gehören. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter selbst
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4117
Parl. Staatssekretär Dr. Jahnoder ein Dritter Eigentümer und Betreiber der Anlage ist.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei dieser Neuregelung Spitzenverbände gehört, gegebenenfalls welche, und hat sie sich auch mit dem Mieterbund beraten?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Diese Frage, Herr Kollege Zierer, kann ich mit Ja beantworten. Wir haben die Spitzenverbände und auch den Deutschen Mieterbund gehört.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei ihren Überlegungen, die sich in gewissem Sinn heizkraftwerkfeindlich auswirken könnten, bedacht, daß Fernheizwerke erheblich Energie einsparen helfen? Man spricht von einem Erfahrungssatz zwischen 15 und 20 %.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zierer, nach Auffassung der Bundesregierung wirkt sich die Heizkostenverordnung, die Sie hier angesprochen haben, nicht fernwärmefeindlich aus.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag die Einführung einer besonderen Wohngeldstufe für Millionenstädte vorschlagen, und bis wann ist damit zu rechnen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, die Einführung einer besonderen Wohngeldstufe für Millionenstädte ist seitens der Bundesregierung nicht vorgesehen. Wohl aber prüft die Bundesregierung — auch unter Beteiligung der Bundesländer —, ob die Höchstbeträge beim Wohngeld statt nach der Gemeindegröße nach dem regionalen Mietenniveau differenziert werden sollen.
Eine Zusatzfrage.
Trifft es zu, daß einige Abgeordnete der CSU aus einer Millionenstadt mit der Bundesregierung oder dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit dem Ziel verhandeln, eine solche besondere Wohngeld-stufe einzuführen, und wie sind diese Verhandlungen bisher gediehen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, wir werden von verschiedenen Kollegen auf die Frage angesprochen, wie wir die Situation in Ballungsgebieten verbessern können. Ich halte es für sehr legitim, wenn Abgeordnete des Deutschen Bundestages diese Frage mit uns erörtern. Es ist auch schon einmal im Gespräch gewesen, ein sogenanntes Wohngeld S einzuführen. Kurzum: Wir prüfen im gegenwärtigen Zeitpunkt, wie die Lage in Ballungsgebieten gerade in bezug auf das Wohngeld verbessert werden kann. Gleich anschließend an die Fragestunde wird diese Frage auch im zuständigen Bauausschuß eine Rolle spielen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Haben die Abgeordneten, die mit Ihnen verhandeln, die Aussicht auf eine wenn auch nur geringe Chance, daß sich die Haltung des Bundesministeriums zugunsten der Millionenstädte ändert, und ist es dieser Chance förderlich, wenn sich auch Abgeordnete der Opposition diesen Verhandlungen anschließen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, die Bundesregierung steht allen Abgeordneten dieses Hauses zur Beantwortung entsprechender Fragen zur Verfügung und macht keinen Unterschied danach, welcher Partei sie angehören.
Ich darf noch darauf hinweisen, Herr Kollege Schöfberger, daß wir in dem Wohngeld- und Mietenbericht, Drucksache 10/854, zu Ihrer Frage folgende Ausführungen gemacht haben:
Die vom Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau erbetene Prüfung
— also vom Ausschuß selbst —
hat bisher ergeben, daß die Staffelung der wohngeldrechtlich zuschußfähigen Höchstbeträge für Miete und Belastungen nach Gemeindegrößenklassen dem tatsächlichen örtlichen Mietenniveau der Wohngeldempfänger nur unvollkommen Rechnung trägt.
Eine zusätzliche Gemeindegrößenklasse für Großstädte mit über einer Million Einwohnern sollte deshalb nicht eingeführt werden.
Dann heißt es am Schluß: Die Bundesregierung prüft unter Beteiligung der Länder, ob bei der nächsten Novellierung statt nach Gemeindegrößen nicht besser nach dem regionalen Mietenniveau differenziert werden sollte. — Ich glaube, damit wird einem Anliegen, das von verschiedenen Seiten an uns herangetragen worden ist, Rechnung getragen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, können Sie mit Sicherheit ausschließen, daß es in Ihrem Hause marktwirtschaftliche Überlegungen gibt, das Wohngeld in Gebieten mit Wohnungsmangel eher zu senken, damit die Nachfrage nach Wohnungen zurückgeht, also beispielsweise ein Rentner aus München dazu veranlaßt wird, in den Bayerischen Wald zu ziehen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, davon, daß in unserem Hause nach marktwirtschaftlichen Regeln gedacht wird, können Sie sich jederzeit überzeugen. Gleichwohl kann ich das, was Sie Ihrer Frage zugrunde legen, nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
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4118 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung schon nicht bereit ist oder sich nicht in der Lage sieht, eine eigene Wohngeldklasse für Ballungszentren mit besonders hohem Mietniveau einzuführen — für uns aus den Großstädten ist natürlich die von Ihnen in Aussicht genommene Regelung zur Anpassung des Wohngeldes an das örtliche Mietenniveau auch akzeptabel —, darf ich Sie fragen, wann mit einer Gesetzesänderung in dem angesprochenen Sinne zu rechnen ist, wann die Bundesregierung dem Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf zuleitet, und wann dieser in Kraft treten kann?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Riedl, die Frage der Differenzierung nach dem regionalen Mietenniveau kommt dem Anliegen derer, die sich für Ballungsgebiete einsetzen, weitgehend entgegen. Zur Frage, wann dies kommt: Dies ist Bestandteil der Prüfung im Zusammenhang mit der nächsten Novellierung des Wohngeldgesetzes.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben dem Kollegen Conradi geantwortet, Sie könnten nicht bestätigen, daß es im Bundesbauministerium Überlegungen über Verdrängungsmieten gebe. Er hatte gefragt, ob Sie es ausschließen können. Ich wiederhole deshalb seine Frage: Können Sie es ausschließen, daß es in Ihrem Hause Überlegungen gibt, das Mietniveau in den Ballungsräumen so zu gestalten, daß Leute veranlaßt werden, in die Randgebiete abzuwandern?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau setzt sich niemals für Verdrängungen von Mietern ein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Schöfberger auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Mietern von Sozialwohnungen bestimmter Förderjahrgänge, die infolge des stufenweisen Wegfalls degressiver Zuschüsse an besonderen Mietpreissteigerungen zu leiden haben, durch eine Nachsubventionierung ihrer Wohnung zu helfen oder die Länder zu einer solchen Nachsubventionierung zu veranlassen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, die Bundesregierung bedauert, daß Anfang der 70er Jahre von einigen Ländern das System der Förderung mit degressiven Zuschüssen überstrapaziert worden ist und sich daraus in manchen Fällen erhebliche Probleme für Mieter und Vermieter ergeben haben. Sie sieht jedoch für den Bund keine Möglichkeit, sich an Nachsubventionierungsmaßnahmen der Länder zu beteiligen. Der Bund kann seine Finanzhilfen für den Wohnungsbau gemäß Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes nur für Investitionsmaßnahmen einsetzen. Die Nachsubventionierung wäre jedoch keine Investitionshilfe.
Soweit Leistungen des Bundes zur Senkung der individuellen Wohnkostenbelastung erfolgen, sind diese im Wohngeldgesetz geregelt. Die Bundesländer sind im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bemüht, entsprechend den von Land zu Land zum Teil unterschiedlichen Erfordernissen mit Nachsubventionierungen zu helfen. Insoweit verweise ich auch auf die Anlage 21 zum Wohngeld-und Mietenbericht 1979 der Bundesregierung. Es bedarf daher auch keiner Initiative der Bundesregierung, um die Länder zu Hilfen für besonders belastete Mieter zu veranlassen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Verstehe ich Sie richtig, daß jede Behauptung vor Ort, der Bund werde in Zukunft nachsubventionieren, jeglicher Grundlage, sei es verfassungsrechtlicher oder finanzrechtlicher Art, entbehrt?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, ich habe darauf hingewiesen, daß hier verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen.
Ich darf vielleicht in diesem Sachzusammenhang auf die Beantwortung des Parlamentarischen Staatssekretärs Sperling auf die von Ihnen, Herr Schöfberger, im gleichen Sinne gestellte Frage vom 7. Dezember 1978 verweisen.
Der richtige Adressat für finanzielle Forderungen im Zusammenhang mit Nachsubventionierungsmaßnahmen ist das jeweilige Land ... Es handelt sich um kein bundesweites Problem ... Der Bund kann nicht für Entscheidungen einstehen, die unter verschiedenen landespolitischen Zielsetzungen und Finanzsituationen zustande kamen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Kann die Bundesregierung auf das jeweilige Bundesland, das eine solche Förderung gepflogen hat und nicht nachsubventioniert hat, irgendeinen Einfluß nehmen, wenn auch über die Neuvergabe anderer Förderungsmittel, um eine solche Nachsubventionierung durch das jeweilige Bundesland zu erreichen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöfberger, soweit uns die Länder in dieser Frage konsultiert haben, haben wir ihnen die Empfehlung gegeben, auf diesem Felde in Ihrem Sinne tätig zu werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen jetzt eine Frage als Nichtjurist stellen, nachdem ich auch in diesem Haus die Erfahrung gemacht habe, daß man mit juristischen Gutachten im Prinzip alles beweisen oder nicht beweisen kann. Mir leuchtet nicht ein — deshalb
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4119
Dr. Riedl
frage ich Sie, ob Sie mir das erläutern können —, daß die Subventionierung im sozialen Wohnungsbau dem Art. 104 des Grundgesetzes entspricht und die Nachsubventionierung verfassungswidrig ist. Darf ich den Grund dafür von Ihnen, wenn Sie ihn hier nicht parat haben, gutachtlich erfahren?Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Riedl, die Frage, was eine Subvention ist, ist in der Tat diskussionswürdig. Ich kann bestätigen, daß z. B. Leistungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes im Subventionsbericht als Subvention angesehen werden, während das bei der degressiven Abschreibung nicht der Fall ist. Das Wohngeld ist nach dem Subventionsbericht eine Subvention, andere Sozialleistungen sind es nicht. Es ist sicherlich richtig, daß diese Frage einmal insgesamt durchleuchtet wird. Hinsichtlich der Frage, die Sie hier im konkreten Sachzusammenhang gestellt haben, muß ich allerdings auf Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes verweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie der früher von mir hier vertretenen Auffassung der Bundesregierung ohne Wende beigetreten sind, würden Sie dann auch noch den die entsprechende Nachsubventionierung durch den Bund betreibenden Abgeordneten Ihrer eigenen Fraktion die Auffassung nahebringen, daß auch das Haushaltsrecht des Bundes keine Möglichkeit enthält, bereits abgeschlossene Maßnahmen nachzufinanzieren, so daß auch die betreffenden Abgeordneten des Haushaltsausschusses, wie gerade der vorherige Fragesteller, begreifen, daß es ihr eigenes Haushaltsressort ist, an dem eine solche Nachsubventionierung scheitert?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, die Wende ist eingetreten, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Es gibt allerdings auch Einzelfälle, in denen wir das, was Sie früher für richtig hielten, weiter so machen. Ich glaube, es ist eine gute Praxis, daß man nicht alles in Bausch und Bogen verwirft. Aber die eigentlichen Eckdaten der geistigen Neuorientierung und der Wende kennen Sie genausogut wie ich.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben dem Kollegen Schöfberger erklärt, Sie hätten den Ländern, die Sie konsultiert hätten, geraten, nachzusubventionieren. Hat Sie die bayerische Staatsregierung konsultiert, und welchen Rat haben Sie ihr gegeben?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich bin im Moment überfragt, ob die bayerische Staatsregierung formell an uns herangetreten ist. Ich persönlich bin nicht angesprochen worden. Ich kann Ihnen die Frage aber in den nächsten Tagen beantworten.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer zur Verfügung.
Ich rufe Frage 15 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung des Schulbauinstituts der Länder als der einzigen gemeinsamen Einrichtung der Kultusminister aller Bundesländer in Berlin unter dem Gesichtspunkt der Präsenz von möglichst vielen überregionalen Institutionen in der Stadt?
Herr Präsident! Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung setzt sich entsprechend der ständigen Praxis aller Bundesregierungen für die Erhaltung überregionaler Institutionen in Berlin ein. Das Schulbauinstitut der Länder ist ein Stück bewährter Gemeinsamkeit der Länder und ihrer Präsenz in Berlin.
Den durch das Institut seither geförderten Erfahrungsaustausch in Schulbauangelegenheiten hält die Bundesregierung für wertvoll.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung die Arbeit und die Existenz dieses Instituts in Berlin so positiv beurteilt, wie Sie das soeben getan haben: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf besonders befreundete Bundesländer einzuwirken, ihren Beitrag zu leisten, daß dieses Institut in Berlin erhalten bleibt?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, die Gespräche der Länder über die Zukunft des Schulbauinstituts sind bisher nicht abgeschlossen. Da es sich ausschließlich um eine Entscheidung der Länder handelt, würde ich es auch nicht für richtig halten, hier die Entscheidungen einzelner Länder zu bewerten. Ich bitte Sie um Verständnis, daß ich davon absehen möchte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht denn die Bundesregierung, falls es am Geld mangeln sollte, eigene Möglichkeiten, die Arbeit dort — eventuell durch eigene wissenschaftliche Projekte, die das Schulbauinstitut durchführen könnte — zu unterstützen?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ein solches Ansinnen ist bisher nicht an die Bundesregierung herangetragen worden. Die Bundesregierung hat dieses Institut bisher weder institutionell noch durch Projekte gefördert, zumal das Schulbauinstitut eine Gründung der Länder ist und bisher ausschließlich von den Ländern unterhalten worden ist.Solange hier nicht eine konkrete Frage an die Bundesregierung gerichtet wird, ist es sicherlich auch nicht notwendig, daß sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, wie sie sich entscheiden würde, falls eine entsprechende Forde-
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4120 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Parl. Staatssekretär Pfeiferrung oder eine entsprechende Frage an sie gerichtet wird.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Diederich.
Herr Staatssekretär, ich beziehe mich auf Ihre Aussage, daß die Bundesregierung überregionalen Einrichtungen in Berlin prinzipiell freundlich gegenübersteht. Halten Sie es für denkbar, daß die Bundesregierung den Bundesländern noch einmal die besondere Bedeutung des Engagements in Berlin verdeutlicht, da ja der Vorgang Schulbauinstitut offenkundig nicht der erste Vorgang ist, sondern es vor einiger Zeit schon einmal den Versuch gegeben hat, eine Filiale des Instituts für Film in Wissenschaft und Unterricht in Berlin zu schließen, woraus man entnehmen kann, daß in manchen Behörden der Bundesländer und vielleicht auch bei manchen Ministerpräsidenten nicht das richtige Bewußtsein in bezug auf die Bedeutung Berlins für die deutsche Frage besteht?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin der Ansicht, daß allen Ländern die Bedeutung von überregionalen Einrichtungen in Berlin bewußt ist und daß dieser Aspekt auch bei der Entscheidung der hier anstehenden Frage in allen Ländern Gewicht hat. Auf der anderen Seite müssen Sie aber folgendes sehen: Wegen des Rückgangs der Zahl der Schüler in den nächsten Jahren geht auch die Bedeutung des Schulbaus zurück. Dies ist auch ein Argument, das die Länder bei ihrer Entscheidung derzeit zu erwägen haben. Ob das Schulbauinstitut andere Aufgabenstellungen übernehmen kann — das wäre ja denkbar —, ist eine Entscheidung, welche die Länder zu treffen haben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, angesichts der gegebenen Tatsache, daß es bei der Aufgabe einer Bundes- oder auch Länderrepräsentanz in Berlin nicht so einfach sein wird, eine neue Präsenz anderer Art dort zu schaffen: Halten Sie es nicht gerade unter diesem Gesichtspunkt für richtig, im Sinne der Gesamtverantwortung der Bundesregierung für Berlin mit den Ländern ernsthafte Gespräche zu führen, bevor diese zu einem Abschluß kommen, der möglicherweise die Aufgabe des Instituts zur Folge hat?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf nochmals darauf hinweisen, daß es sich hier um ein Institut der Länder handelt und daß die Bundesregierung in der Vergangenheit an den Gesprächen, die bisher in dieser Sache geführt worden sind, nie beteiligt gewesen ist. Ich möchte ausdrücklich wiederholen, was ich eben schon gesagt habe: Meines Wissens wird von den Ländern derzeit die Frage geprüft, ob es nicht neue Aufgaben für das Schulbauinstitut geben kann. Ich könnte mir denken, daß aus einer solchen Prüfung der Frage nach neuen Aufgaben für das Schulbauinstitut durchaus auch positive Aspekte für die Erhaltung dieses Instituts in Berlin erwachsen könnten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des Bundeskanzlers „Beim Schüler- und Studenten-BAföG war möglicherweise der Kahlschlag zu hart."?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 darauf hingewiesen, daß niemand wegen einer sozialen Herkunft benachteiligt werden dürfe und daß dem, der sich durch gute Leistungen auszeichne und aus einer einkommensschwachen Familie stamme, auch künftig geholfen werden müsse. Wie der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 1982 zu entnehmen ist, waren die Umstrukturierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und die damit verbundenen Einschränkungen für die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen keine isolierte Maßnahme. Sie waren von Anfang an auf eine Neuordnung des Familienlastenausgleichs ausgerichtet, zumal ein wesentlicher Mangel des alten Bundesausbildungsförderungsgesetzes darin lag, daß es zu sehr die Ansprüche des in der Ausbildung befindlichen Schülers im Auge hatte und zu wenig auf die Entlastung der Familien angelegt war. An der Gesamtkonzeption für die Neuordnung des Familienlastenausgleichs arbeitet die Bundesregierung mit Vorrang. Diese Arbeiten sind schwierig und müssen mit Sorgfalt durchgeführt werden. Dies ist auch der Grund, weshalb die Bundesregierung in ihrem Bericht vom 26. Oktober 1983 noch kein fertiges Konzept vorlegen konnte.
Eines der Ziele der Neuordnung, der Verbesserung des Familienlastenausgleichs ist es, die Belastung der Familien durch die Ausbildungskosten für die Kinder stärker als bisher zu berücksichtigen. Die Familien sollen bei der Wahrnehmung ihrer Ausbildungsverpflichtungen gegenüber den Kindern stärker als bisher unterstützt werden. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß auch die landesrechtlichen Regelungen zur Schülerförderung zu einer Entlastung der Familien mit entsprechenden Ausbildungskosten führen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kann man aus den Worten des Bundeskanzlers in der „Bild"-Zeitung schließen, daß die Bundesregierung den Begriff „Kahlschlag" für die Streichungen und Kürzungen im BAföG jetzt offiziell übernommen hat und damit diesem Sprachgebrauch, der bisher von der Opposition verwendet wurde, ihren Segen gegeben hat?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, der Herr Bundeskanzler hat in dem Interview in der „Bild"-Zeitung darauf hingewiesen, daß es bei der BAföG-Umstellung Härten gegeben hat, die von den Betroffenen durchaus auch als Kahlschlag empfunden worden sein können. Gerade deswegen halte ich es für notwendig, daß wir im Rahmen der Verbesserung des Familienlastenausgleichs eben
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4121
Parl. Staatssekretär Pfeiferauch die Ausbildungskosten mit in die Überlegungen einbeziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf hinweisen, daß es in dem Interview mit der „Bild"-Zeitung wörtlich heißt:
Die Gesetzesarbeit braucht aber auch Muße im Sinne von Überlegung. Ein Beispiel: Beim Schüler- und Studenten-BAföG war möglicherweise der Kahlschlag zu hart.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß das dem widerspricht, was ich eben auf Ihre erste Zusatzfrage gesagt habe.
Weitere Zusatzfrage, Herr Stahl.
Herr Staatssekretär, nachdem der Bundeskanzler nun den Kahlschlag beim BAföG der deutschen Öffentlichkeit offiziell bestätigt hat und zu diesem Wort wohl steht, darf ich Sie fragen, welcher Sinneswandel den Kanzler dazu bewegt hat, dies jetzt neuerdings zu bestätigen, nachdem die Opposition schon bei der Konzipierung des Gesetzes auf diese Realität hingewiesen hat.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stahl, ich möchte noch einmal sagen, daß der Bundeskanzler in dem Interview von einem möglichen Kahlschlag gesprochen hat, was bedeutet, daß hier Härten entstanden sind, die von den Betroffenen möglicherweise als Kahlschlag empfunden worden sind. Ich möchte aber auch wiederholen: Die sich daraus — d. h. aus der Tatsache, daß in dem einen oder anderen Fall Härten entstanden sind, die der Korrektur bedürfen — ergebenden Konsequenzen werden wir im Familienlastenausgleich und nicht in einer anderen Gesetzgebung aufzufangen versuchen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben noch einmal auf die ausgleichende Rolle des Familienlastenausgleichs hingewiesen haben: Können Sie mir erklären, wie mit dem Familienlastenausgleich, der von Ihnen ja für die Jahre 1986/87 ins Auge gefaßt worden ist, den aktuell aufgetretenen Härten bei jetzt betroffenen BAföG-Empfängern oder ehemaligen BAföG-Empfängern konkret entgegengewirkt werden soll?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, erstens ist ein Teil der Härten durch die Übergangsregelung, durch die Härteregelung aufgefangen worden, die im BAföG selber vorgesehen ist. Zweitens ist ein Teil der Härten durch die Regelungen der Länder aufgefangen worden. Es wäre sehr erwünscht, wenn endlich alle Länder entsprechende Regelungen beschließen würden. Zum dritten: Das, was an Härten übrig bleibt, will die Bundesregierung in die Überlegungen zur Neuordnung des Familienlastenausgleichs einbeziehen. Ich glaube, daß damit die genannten Härten im wesentlichen beseitigt worden sind bzw. beseitigt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, nachdem mir eine Fotokopie des „Bild"-Zeitungs-Interviews vorliegt, wo ganz klar das Wort „Kahlschlag" erwähnt wurde, und zwar im Zusammenhang mit der Aussage, das, was im Zusammenhang mit dem BAföG gemacht worden ist, sei möglicherweise zu hart gewesen, darf ich noch einmal fragen: Woraus leitet die Bundesregierung die Annahme ab, daß eine Regelung im Familienlastenausgleich die zugegebenen Härten, die speziell durch den BAföG-Kahlschlag entstanden sind, beseitigen würde?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß in diesem Interview von einem möglichen Kahlschlag gesprochen worden ist. Ich habe dafür eine Interpretation gegeben.
Im übrigen, Frau Kollegin: Sie können — darauf hat Frau Bundesminister Dr. Wilms bereits am 19. Januar 1984 im Bundestag hingewiesen — im Familienlastenausgleich natürlich Regelungen treffen, die die Ausbildungskosten, die für eine Familie entstehen, in einer differenzierten Weise berücksichtigen. Das ist im übrigen auch den jetzigen Regelungen nicht fremd. Ich darf nur darauf hinweisen, daß beispielsweise Steuerfreibeträge für Kinder je nachdem, ob sie auswärts oder bei den Eltern untergebracht sind, bereits jetzt sehr unterschiedlich sind.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jannsen.
Herr Staatssekretär, nachdem die Bundesregierung in diesem Haus bei entsprechenden Debatten immer bestritten hat, daß es derartige Härten durch die Neuregelung des BAföG gegeben hat, frage ich: Können Sie mir bitte erklären, auf Grund welcher Erfahrungen der Bundeskanzler zu der hier mehrfach zitierten Aussage gekommen ist, und könnten Sie diese Erfahrungen dem Hause, insbesondere mir, zur Verfügung stellen?Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jannsen, es ist ja nicht so, daß die Bundesregierung bestritten hätte, daß mit dieser BAföG-Umstellung überhaupt keine Härten verbunden gewesen sind. Aus diesem Grunde hat ja der Bundestag am 16. Dezember 1982 bei der Verabschiedung der BAföG-Umstellung auch einen Beschluß gefaßt, der bereits auf den Familienlastenausgleich hingewiesen hat. Ich darf Sie nochmals bitten, die Rede von Frau Bundesminister Dr. Wilms vom 19. Januar 1984 hier im Bundestag zu lesen, in der bereits darauf hingewiesen worden ist, daß wir den Versuch unternehmen wollen oder daß wir die Absicht haben, aufgetretene Härten über den Familienlastenausgleich aufzufangen.
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Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt.
Herr Staatssekretär, ich gehe jetzt mal davon aus, daß dieses Zitat hier und der Druck der Bild-Zeitung stimmen. Da steht:
Die Gesetzesarbeit braucht aber auch Muße im Sinne von Überlegung. Ein Beispiel: Beim Schüler- und Studenten-BAföG war möglicherweise der Kahlschlag zu hart.
„War möglicherweise der Kahlschlag zu hart." Das Wörtchen „möglicherweise" ist offensichtlich im Sinne unserer Interpretation richtig. Würden Sie bestätigen, daß die vornehmste Aufgabe einer Regierung wohl darin zu sehen ist, erkannte Härten möglichst schnell zu beseitigen; und geben Sie mir weiterhin darin recht, daß ein Familienlastenausgleich, annonciert für das Jahr 1986 oder 1987, diesen Härten nicht Rechnung trägt?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat die Absicht, mögliche Härten im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, zu beseitigen. Ich bin der Meinung, daß es gelingen kann, im Zusammenhang mit der Verbesserung des Familienlastenausgleichs zumindest die im zweiten Teil Ihrer Zusatzfrage enthaltene Tendenz zu berücksichtigen.
Weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie machen immer Hoffnung auf den Familienlastenausgleich. Denken Sie dann dabei an direkte Zahlungen durch entsprechende Kindergelderhöhungen im Ausbildungsbereich oder an Steuervorteile, die genau diese Härten, die entstanden sind, wiederum nicht beseitigen würden?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Über beides denken wir derzeit nach, und Frau Minister Wilms hat das im einzelnen auch am 19. Januar 1984 in einigen Leitgedanken dargelegt; darauf darf ich mich beziehen.
Weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Neuhausen.
Herr Staatssekretär, halten nicht auch Sie es für sinnvoll und möglich, in Ergänzung des Berichts der Bundesregierung gemäß der bereits zitierten Entschließung des Deutschen Bundestages auch eine Übersicht über die Gefördertenquoten und den Finanzaufwand bei den einzelnen Landesregelungen zu erstellen; und teilen Sie die Auffassung, daß dann sehr viel sachgerechter als jetzt über die strukturellen Probleme bei der individuellen Ausbildungsförderung im Interesse der Betroffenen diskutiert werden kann?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Neuhausen, wir haben ja gleich im Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft Gelegenheit, über diese Fragen im einzelnen zu sprechen. Aber ich könnte mir durchaus denken, daß es ein sehr hilfreicher Weg wäre, wenn die Bundesregierung ihren Bericht, auf den ich soeben Bezug genommen habe, vielleicht mit einigem zeitlichem Abstand nochmals ergänzt, damit auch die von Ihnen gewünschten Daten vorliegen, ehe wir in eine detaillierte Diskussion über daraus zu ziehende Schlußfolgerungen eintreten.
Weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Reimann.
Herr Staatssekretär, war jetzt der Bundeskanzler der Meinung, daß es ein Kahlschlag war, oder hat ihn womöglich die Bild-Zeitung falsch zitiert?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe dazu eine Interpretation hier vorgetragen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Die letzte Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Paterna.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie, daß ich noch mal einen Anlauf mache und Sie frage, ob es für jemanden, der diesen Text liest und der deutschen Sprache mächtig ist, zweifelsfrei feststeht, daß der Herr Bundeskanzler die BAföG-Regelung für einen Kahlschlag hält, und es nur die Frage ist, ob dieser Kahlschlag möglicherweise zu hart oder möglicherweise nicht zu hart, aber auf jeden Fall ein Kahlschlag gewesen ist?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte nochmals sagen, daß in dem Interview von einem möglichen Kahlschlag die Rede ist. Und dies habe ich hier dargestellt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 17 der Abgeordneten Frau Dr. MartinyGlotz wird auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Bildschirmtext-Verkehr nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz und § 100a Strafprozeßordnung in derselben Weise überwacht werden kann wie der Telefonverkehr?
Herr Kollege Dr. Hirsch, der Bildschirmtextdienst der Deutschen Bundespost ist
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4123
Parl. Staatssekretär Sprangerrechtlich als Fernmeldeverkehr zu qualifizieren. Er genießt damit auch den Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist eine Überwachung dieses Fernmeldeverkehrs nach dem G 10 oder nach § 100a StPO möglich.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn wirklich der Auffassung, daß die grundrechtseinschränkende Regelung des Gesetzes nach Art. 10 auf ein Medium Anwendung finden kann, an das der Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes überhaupt nicht gedacht hat und gar nicht denken konnte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Bildschirmtext durch diese Bestimmungen erfaßt wird.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, der Bildschirmtext sei eine Fernmeldeeinrichtung. Das ist ja in der Tat die Voraussetzung für die Anwendung des Art. 10 der Verfassung überhaupt. Sie wissen aber auch, daß die Länder exakt bestreiten, daß der Bildschirmtext eine Fernmeldeeinrichtung sei. Wie will also der Bund die Einhaltung der Garantien des Art. 10 gegenüber Abhörmaßnahmen durch Landesbehörden sichern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, Sie haben nach der Auffassung der Bundesregierung gefragt. Die Bundesregierung ist in diesem Zusammenhang eindeutig der Auffassung, daß der Btx-Verkehr durch den Begriff Fernmeldeverkehr abgedeckt ist und alle in Frage kommenden Bestimmungen entsprechend anwendbar sind.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Paterna.
Herr Staatssekretär, angesicht der Tatsache, daß die Länder argumentieren, bei Bildschirmtext handle es sich nicht um einen Fernmeldedienst, sondern um ein neues Medium, müßten doch die Bundesländer bei entsprechendem Einsatz ihrer Kommissionen ausdrücklich darauf verzichten, diese gesetzlichen Grundlagen, die Kollege Hirsch genannt hat, anzuwenden, weil sie doch sonst ihrer eigenen Argumentation einen Bärendienst leisten würden. Ich frage deshalb die Bundesregierung: Haben Sie sich durch Rücksprache bei den Ländern versichert, wie aus dieser rechtlichen Zwickmühle herauszukommen ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, hierüber wird mit den Ländern sicherlich zu diskutieren sein. Die Bundesregierung wird dann die von mir zitierte Auffassung über die Unterordnung des Btx-Dienstes unter den Begriff Fernmeldeverkehr vortragen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wann die Auffassung der Bundesregierung gebildet wurde, die Sie hier vertreten haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Diese Auffassung ist in einem Abstimmungsprozeß der letzten Wochen und Monate gebildet worden, der zu diesem Ergebnis geführt hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Frau Steinhauer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang und aus welchem Grunde bei Bundesbehörden, Bundesbetrieben, Bundesanstalten und bundesunmittelbaren Versicherungsträgern Überstunden geleistet werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, ausgewertete Ergebnisse über Erhebungen der in der gesamten Bundesverwaltung etwa in den letzten beiden Jahren geleisteten Überstunden liegen zur Zeit nicht vor. Auf Grund Ihrer Fragen habe ich jedoch kurzfristig eine Umfrage bei einzelnen Bundesverwaltungen durchgeführt, bei denen Mehrarbeit in erster Linie angefallen sein konnte, also z. B. bei der Zollverwaltung, beim Bundesgrenzschutz, beim Bundeskriminalamt, bei der Deutschen Bundespost, der Deutschen Bundesbahn, der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Sie hat zu dem Ergebnis geführt, daß von Beamtem, Angestellten und Arbeitern in diesen Bereichen der Bundesverwaltung — ohne Deutsche Bundesbahn — im Jahre 1982 16 185 002 und im Jahre 1983 13 790 594 Überstunden geleistet worden sind. Die Einzelzahlen habe ich in zwei Tabellen zusammengefaßt, die ich Ihnen schriftlich zuleiten werde.
Insgesamt zeigt ein Vergleich der im Jahre 1982 geleisteten Überstunden mit den Zahlen des Jahres 1983 eine deutlich abnehmende Tendenz. Die Gründe für die Mehrarbeit sind je nach Verwaltung unterschiedlich. So sind von den befragten Verwaltungen unter anderem genannt worden: besondere Einsatzlagen, Sonderfahndungsmaßnahmen bei Sicherheitsbehörden und bei der Zollverwaltung, nicht beeinflußbare Veränderungen im Regelarbeitsablauf bei den Betriebsverwaltungen, wie z. B. unvorhergesehene Störungsbeseitigungen und unvorhersehbare Verkehrsspitzen, saisonal auftretender Spitzenbedarf, Sonderleistungen und Sonderaufgaben, Sondersituationen wie hoher Krankenstand, Betriebsunfälle und Störungen, Wettereinflüsse, Unwetterschäden und schließlich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft des medizinischen Personals bei Sozialversicherungsträgern.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß Sie vornehm verschwiegen haben, daß es bei Versicherungsanstalten auch Überstundenanweisungen wegen neuer Gesetze gibt, die an sich einen „Sparcharakter" haben sollen, und wie ist das überhaupt mit der sogenannten
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4124 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Frau SteinhauerEntbürokratisierung zu vereinbaren, die die Bundesregierung nach außen vertritt?Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich habe gar nichts vornehm verschwiegen, sondern ich habe in der mir zur Verfügung stehenden Zeit das mir Mögliche von den Adressaten abgefragt. Das Ergebnis habe ich Ihnen vorgetragen.
Weitere Zusatzfrage.
Sie haben unter anderem aber auch Versicherungsanstalten vorgelesen. Haben diese Ihnen auch nicht mitgeteilt, daß Haushaltsbegleitgesetze Überstunden erfordern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht von Versicherungsanstalten, sondern von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gesprochen. Die Zahlen sind in der Zusammenstellung aufgeführt, die ich Ihnen, wie angekündigt — ich hoffe, mit Ihrer Zustimmung —, übersenden darf.
Weiter Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, wann gedenken Sie denn die Überarbeit in diesen Bereichen abzubauen? Kann man da eine Vorstellung erfahren?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, ich habe in meiner Anwort deutlich gemacht, daß die Tendenz des Jahres 1982 bis zum Jahre 1983 eindeutig auf eine weitere Reduzierung der Überstunden hinauslief, daß aber aus bestimmten Gründen, die ich ebenfalls genannt habe, eine weitere Reduzierung auf gewisse Schwierigkeiten stoßen wird, wobei sich die Bundesregierung natürlich von der Ansicht leiten läßt, daß Überstunden auch im öffentlichen Dienst nur aus zwingenden dienstlichen Gründen angeordnet werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, hat die Verminderung der Zahl der Kabinettssitzungen und das seltene Tagen der Entbürokratisierungskommission Ihres Kollegen Waffenschmidt mit den Bemühungen der Bundesregierung um die Verminderung von Überstunden zu tun?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe keinen direkten Zusammenhang mit der von Ihrer Kollegin Steinhauer gestellten Frage.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, werden Sie auch untersuchen lassen und hierüber berichten, inwieweit die Überstunden mit den beschlossenen Stellenkürzungen im Bundeshaushalt und in der mittelbaren Bundesverwaltung zusammenhängen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das Ziel, das ich nannte, daß Überstunden auch im öffentlichen
Dienst nur aus zwingenden dienstlichen Gründen angeordnet werden, erfordert eine ständige Überprüfung aller Entwicklungen zu diesem Ziel hin.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Vollmer.
Herr Staatssekretär, haben Sie bei den j a beachtlichen Überstundenzahlen einmal umgerechnet, wie viele Arbeitskräfte hätten eingestellt werden können, wenn man sie im Rahmen einer regulären 40-Stunden-Woche beschäftigt hätte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Bei etwa 4,5 Millionen Bediensteten im öffentlichen Dienst in Bund, Ländern und Gemeinden erscheint die Zahl nicht mehr so extrem hoch, die ich bezüglich der Überstunden angeführt habe. Im übrigen glaube ich in dem zweiten Teil meiner Antwort deutlich gemacht zu haben, daß eben nicht ohne weiteres eine Reduzierung der Überstundenzahl zu Neueinstellungen führen kann.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Paterna.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, zu welchem Prozentsatz bei den von Ihnen genannten Überstunden Abgeltung in Freizeit und zu welchem Prozentsatz Abgeltung in Geld erfolgt ist? Und ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß Überstunden, wo sie nicht vermeidbar sind, möglichst in Freizeit abgegolten werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie wissen, daß im Bereich des Bundes die Regelung gilt, daß bis zu fünf Stunden Mehrarbeit monatlich ohne Freizeitausgleich zu leisten ist, im übrigen Freizeitausgleich zu gewähren ist und daß lediglich in bestimmten Fällen bis 40 Stunden Mehrarbeitsvergütung gezahlt wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe auf die Frage 26 der Frau Abgeordneten Steinhauer:Hält die Bundesregierung solche Überstundenleistungen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen für vertretbar, und ist sie bereit, die Bundesbehörden etc. aufzufordern, anstelle von Überstundenleistungen Neueinstellungen vorzunehmen?Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, Überstunden sollen auch im öffentlichen Dienst nur aus zwingenden dienstlichen Gründen angeordnet werden. Das erfordert schon die Fürsorge für die Mitarbeiter. Für den Beamtenbereich hat übrigens der Gesetzgeber schon 1978 einen spürbaren Abbau vergütungsfähiger Mehrarbeit vorgesehen. Unabhängig hiervon wird Mehrarbeit im öffentlichen Dienst in gewissem Umfang zumindest in einigen Verwaltungen auch künftig unverzichtbar sein. Zu denken ist dabei insbesondere an den ärztlichen Dienst in Krankenhäusern und an den Polizeibereich. Diese Aufgaben fallen
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4125
Parl. Staatssekretär Sprangerweitgehend in den Verantwortungsbereich der Länder.Ich darf allgemein darauf hinweisen, daß unvermeidbare vorübergehende Überstundenbelastungen grundsätzlich nicht die Einstellung von zusätzlichen Dauerarbeitskräften rechtfertigen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie eigentlich privaten Arbeitgebern gegenüber noch glaubhaft sein, wenn zum Beispiel bei einem Bundesversicherungsträger Überstunden auf Grund Ihrer Gesetze notwendig sind und private Arbeitgeber aufgefordert werden, aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, wenn Mehrarbeit da ist, Neueinstellungen vorzunehmen, und Sie andererseits im vorigen Jahr der Bundesknappschaft zum Beispiel Mehrstellen verweigert haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, ich brauche hier bezüglich der Glaubwürdigkeit niemandem irgend etwas zu verdeutlichen. Denn ich habe in der ersten Antwort in sehr ausführlicher Form die Ausnahmen dargestellt, die es aus technisch-organisatorischen Gründen als unvermeidbar erscheinen lassen, daß Mehrarbeit geleistet wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Halten Sie es also für ausgeschlossen, daß die Begründung zutrifft, daß die Bundesgesetzgebung daran schuld ist, daß Überstunden notwendig sind, um den Versicherten gegenüber die Berechnungen und all die sonstigen Arbeiten termingemäß erledigen zu können?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Man soll niemals irgend etwas ausschließen. Aber in diesem Zusammenhang sind mir konkrete Vorstellungen, die hier Defizite oder Mängel im Bereich der Bundesgesetzgebung erkennen lassen, nicht bekannt. Ich bin gerne bereit, wenn Sie hier konkrete Vorstellungen haben, diese auch entsprechend zu verwerten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Überstundenzahlen beim neuen Haushaltsgesetz 1985 erneut Stellenkürzungen beantragen, oder wird sie darauf drängen, daß die Stellenkürzungen zurückgenommen werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, ich möchte den Haushaltsberatungen in keiner Weise vorgreifen; das steht mir auch gegenüber dem Parlament nicht zu. Ich kann Ihnen nur zum Ausdruck bringen, daß die Bundesregierung sich bemühen wird, Überstunden, wie schon zum Ausdruck gebracht, nur aus zwingenden dienstlichen Gründen anordnen zu lassen oder anzuordnen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, Sie haben der Frau Kollegin Steinhauer zugesagt, ihr neben der Beantwortung der Frage 25 auch detailliertes Material zugehen zu lassen. Kann man davon ausgehen, daß dieses detaillierte Material für das Protokoll zur Verfügung gestellt wird, damit man sich über die Punkte informieren kann, die Sie der Kollegin mitteilen werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann das gerne tun. Ich habe hier diese Zusammenstellung, das ist eine Reihe von Ziffern und Zahlen. Die würden die mir gestellte Dimension der Antwort auf eine mündliche Anfrage weit überschreiten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Auf welcher Rechtsgrundlage läßt die Bundesregierung Bürger, die Schriften und Materialien bei ihr bestellen, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung läßt Besteller von Schriften oder Materialien nicht überprüfen. Bestehen jedoch Anhaltspunkte dafür, daß die Bestellung — vor allem größerer Stückzahlen — lediglich deshalb erfolgt, um Schriften oder Materialien ihrer Zweckbestimmung zu entziehen, wird durch Rückfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz festgestellt, ob der Besteller selbst links- oder rechtsextremistisch hervorgetreten ist.
Zusatzfrage, bitte.
Heißt daß, daß die Bundesregierung bei Bestellern größerer Stückzahlen ihrer Schriften von vornherein verfassungsfeindliche Bestrebungen, d. h. extremistische Bestrebungen, unterstellt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das heißt es nicht.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist der Datenschutzbeauftragte des Bundes mit dieser Regelung einverstanden? Wer entscheidet in den Ministerien jeweils, ob beim Verfassungsschutz nachgefragt wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wir haben bisher keine Probleme mit Datenschutzbeauftragten oder in bezug auf die rechtliche Begründung dieser Maßnahme.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Vollmer.
Herr Staatssekretär, wie oft ist denn im letzten Jahr eine solche — in Ihren Augen — Notwendigkeit vorgekommen, daß Sie sich veranlaßt gesehen haben, da nachzufragen?
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4126 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das kann man nicht konkret beantworten. Das hängt sehr vom Interesse der Bevölkerung an den Schriften des Bundesinnenministeriums ab.
Frau Abgeordnete Vollmer, keine Diskussion, bitte schön!
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, wenn nun Ihre Rückfrage ergeben hat, daß der Besteller dem Bundesamt für Verfassungsschutz schon einmal in irgendeiner Weise aufgefallen ist, er sich also zwar nicht strafbar gemacht hat, aber aufgefallen ist: Was ist denn nun der Sinn Ihrer Anfrage? Sperren Sie den dann vom Bezug der segensreichen Schriften des Hauses aus, oder was tun Sie dann?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, man kann eine so abstrakte Fragestellung nicht konkret beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir natürlich auch aus haushaltsrechtlichen Gründen beispielsweise nicht irgendwelche Anforderungen von 1 000 Stück irgendeines Faltblattes ohne entsprechende Erläuterung der Gründe erfüllen können, die zu einer solchen Anfrage führen. Das nur als ein Beispiel.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, wenn es nach Ihrer vorherigen Auskunft nicht die Bestellmenge ist, die als Anhaltspunkt für Ihre Nachfragen dient, was sind denn dann die Anhaltspunkte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß die Bestellung vor allem größerer Stückzahlen unter bestimmten Gesichtspunkten zu der Überlegung führt, daß hier bestellt wird, um Schriften oder Materialien der Zweckbestimmung zu entziehen. Dann sind die Anfragen natürlich notwendig, auch unter dem Gesichtspunkt des Haushaltsrechts.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, da ja ähnlich wie solche Besteller, die das per Post machen, auch Mitglieder von Besuchergruppen von Abgeordneten in Ihrem Ministerium Material in Anspruch nehmen und auch in größeren Mengen mitnehmen: Wird bei solchen Mitgliedern von Besuchergruppen etwa ähnlich verfahren?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich darf auf den ersten Satz meiner Antwort verweisen: Die Bundesregierung läßt Besteller von Schriften oder Materialien nicht überprüfen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Nickels.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, werden bei Ihnen alle Anfrager registriert oder nur solche Personen, die Materialien zu bestimmten Themen anfordern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann auf den zweiten Satz meiner Antwort verweisen: Bestehen jedoch Anhaltspunkte dafür, daß die Bestellung lediglich deshalb erfolgt, um Schriften oder Materialien ihrer Zweckbestimmung zu entziehen, wird dieses durch Rückfrage beim Bundesamt zu klären versucht.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krizsan.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie meiner Kollegin auf die Frage nach der Zahl der Anfragen nicht haben antworten wollen: Sind Sie bereit, in Ihrem Ministerium in Auftrag zu geben, diese Zahl zu eruieren, um sie uns demnächst zur Verfügung zu stellen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann gern den Versuch unternehmen. Ob es da irgendwelche Zahlen zu bekommen gibt, ist allerdings zweifelhaft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde angelangt. Ich übergebe das Präsidium.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Aktuellen Stunde kommen, möchte ich sagen, daß auf der Pressetribüne zu meiner Freude auf unsere Einladung hin einige Damen und Herren Platz genommen haben, die leider am 3. Oktober 1983 Opfer des schweren Unglücks auf dem Truppenübungsplatz Münsingen geworden sind.
Wir haben damals der Verletzten und auch der Getöteten gedacht, wir haben den Verletzten unsere besten Wünsche gesagt. — Nachdem Sie soweit genesen sind, freuen wir uns, Sie heute hier zu sehen. Ich freue mich, Sie nachher auch persönlich treffen zu können. Auch unser Kollege Wittmann ist wieder unter uns.Meine Damen und Herren, ich rufe den ZusatzpunktAktuelle Stundeauf. Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem ThemaVerletzung der Neutralitätspflicht der Bundesregierung in der laufenden Tarifauseinandersetzung um Arbeitszeitverkürzungverlangt.Ich eröffne die Aussprache. Ich weise noch einmal darauf hin, daß die Redezeit hier streng zu handhaben ist.Als erster Redner hat der Abgeordnete Roth das Wort.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4127
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Jahren sehr oft kritisiert worden, daß in unserem Parlament zuwenig über das diskutiert wird, was die Menschen tatsächlich bewegt. Deshalb gehört meines Erachtens eine Debatte zur 35-Stunden-Woche zu diesem Zeitpunkt auch in das Parlament.
Diese Aktuelle Stunde wurde vor allem notwendig, weil sich die Bundesregierung jeden Tag mehr, insbesondere am letzten Wochenende, als Kampfgruppe der Arbeitgeberverbände benimmt,
die sich nahtlos in die Strategie der Arbeitgeber einfügt.
Diese Bundesregierung, die ständig von Subsidiarität, Privatisierung, Entstaatlichung redet, betreibt seit Wochen eine Verstaatlichung der Tarifpolitik.
Eingriffe in die Tarifautonomie gehören zum politischen Tagesgeschäft dieser Regierung. Das begann schon im letzten Jahr, als der Bundesminister für Wirtschaft Arbed Saarstahl zwang, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten, um Tarifverträge zu unterlaufen. Das setzte sich fort, als der Bundeskanzler die Forderung der Gewerkschaften „dumm, absurd und töricht" nannte. Die Bundesregierung gießt ständig 01 in das Feuer des sozialen Konflikts.
Wir aber, meine Damen und Herren, wissen aus der Entwicklung der Wirtschaft der Bundesrepublik, daß sozialer Friede eine Produktivkraft ist. Wie anders wären beispielsweise die Leistungsunterschiede zwischen unserer Wirtschaft, der italienischen und der englischen zu erklären? Dazu bedarf es der Förderung des sozialen Konsenses durch Regierung und Staat.
Statt auf diesem Kurs der Förderung des sozialen Konsenses fortzufahren, ist die Bundesregierung zunehmend zur Unterabteilung der Arbeitgeberverbände geworden.
Statt eine nüchterne Debatte über die Arbeitszeitfrage zu fördern, werden Angstkampagnen gestartet. Die Reden vom Ministerpräsidenten Bayerns, vom Wirtschaftsminister, vom Vizekanzler am vergangenen Wochenende sind Beleg für diese Orientierung. Statt aufzuklären über Wirkungen und Kosten, auch über die Chancen der Arbeitszeitverkürzung,
werden die einseitigsten Argumente vom Arbeitgeberlager übernommen. Statt sich vermittlungsfähig
zu halten, statt friedensfähig zu sein, ist die Bundesregierung selbst zum Hauptscharfmacher in der Bundesrepublik geworden.
Verstehen wir uns nicht falsch: Keiner spricht der CDU, der CSU, der FDP eine Meinung beim Thema 35-Stunden-Woche ab. Wir lassen auch keinen Zweifel: Die SPD ist der Auffassung, daß wir Maßnahmen in Richtung auf die 35-Stunden-Woche bei Sicherung der Einkommen brauchen. Denn nur so wird die Lücke zwischen Rationalisierungstempo und Wachstumstempo in unserer Volkswirtschaft geschlossen, nur so werden Massenentlassungen verhindert.
Verstehen wir uns richtig: Meinungsunterschiede gibt es in dieser Frage und müssen ausgetragen werden. Das, was unerträglich ist und was es nicht geben darf, ist der politische Grabenkrieg gegen die Gewerkschaften, ist die einseitige Parteinahme gegen die Gewerkschaften durch die Regierung.
Diese Regierung macht sich mitverantwortlich für Streik und Aussperrung, wenn sie diesen Kurs fortsetzt.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich beginne mit der Feststellung, daß es in keiner wirtschaftlichen Ordnung so viel Rechte für Tarifvertragsparteien gibt wie in einer gesicherten marktwirtschaftlichen Ordnung.
Bei all den Vorstellungen, die Sie von Wirtschaftspolitik haben, wird man feststellen, wird man zu der Schlußfolgerung kommen — Erfahrungen und ein Blick über die Grenzen belegen das —, daß es dort für Tarifvertragsparteien eindeutig weniger Rechte gibt als in unserer Ordnung.
Zweitens. Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung in der Debatte über dieses Thema auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehmke schon am 23. Februar gesagt hat, daß wir zur Tarifautonomie stehen, daß wir aber eines nicht tun: daß wir nicht dann den Mund halten, wenn sich Entwicklungen abzeichnen, die Eingriffe in unsere Strukturen bedeuten, die die Beschäftigung gefährden werden, die dafür sorgen, daß die Erholung, die mühsam beginnt, zerschlagen wird. Wir werden uns nicht hinstellen, den Mund halten, um hinterher zu hören: Hättet ihr doch vorher et-
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4128 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Bundesminister Dr. Graf Lambsdorffwas gesagt, hättet ihr uns doch vorher gewarnt! So spielen wir nicht.
Im übrigen, meine Damen und Herren, gilt nicht zweierlei Recht: Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien haben genauso ein Recht, sich zu einer Frage wie der hier behandelten deutlich zu äußern, wie Sie sich in Ihrem Wahlprogramm eindeutig für die 35-Stunden-Woche eingesetzt haben.
Ist das nun auch Verletzung von Tarifautonomie? Gilt Unterschiedliches für Opposition und Regierung, oder gilt für uns beide der gleiche Maßstab?Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben auf die Folgen einer solchen Entwicklung hingewiesen, und wir machen es erneut: Die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist eine defensive Antwort auf unsere beschäftigungspolitischen Probleme. Sie ist nicht die offensive Antwort, die wir brauchen. Wir brauchen neue Arbeitsplätze und nicht nur die Umverteilung vorhandener Arbeitsplätze.
Wir können keine Maßnahmen befürworten, die der sich entwickelnden Erholung, die der sich entwikkelnden Besserung in unserer Beschäftigungssituation zuwiderlaufen. Wir können erst recht nichts brauchen, meine Damen und Herren, was der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft schadet.Warum fangen die gewerkschaftseigenen Unternehmen mit der 35-Stunden-Woche nicht bei sich an?
Weil sie das ausnahmsweise zutreffende Argument bringen, daß sie das aus Wettbewerbsgründen nicht können.
Wenn die das aber nicht können, warum wollen Sie der deutschen Wirtschaft dies zumuten, die sich mit den Wettbewerbern in der Welt auseinandersetzen muß?
Kein Käufer einer deutschen Maschine in Indonesien, Australien und anderswo fragt danach, ob sie auf dem Hintergrund der 35-Stunden-Woche gefertigt worden ist, sondern es wird gefragt: Taugt die Maschine was, ist sie billig, habt ihr einen anständigen Kundendienst, könnt ihr pünktlich liefern? Sonst kaufen wir die japanische Maschine. Darum geht es bei unseren Arbeitsplätzen, die wir zu verteidigen haben.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Argumentation, die wir von einigen Teilen der Gewerkschaften gehört haben, insonderheit von der IG Metall, meine Damen und Herren, und hier insonderheit von ihrem zweiten Vorsitzenden,
heißt j a schon längst nicht mehr: Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Lebensbedingungen, Sorge um die Arbeitslosen, sondern die heißt: Selbstverständnis, Existenzberechtigung und — wörtlich — „Sein oder Nichtsein der Gewerkschaften". Das ist nicht Politik im Interesse von Arbeitnehmern, auch nicht Politik im Interesse von organisierten Arbeitnehmern, sondern das ist Politik auf dem Rücken von Arbeitnehmern — im Interesse großer Organisationen, um die noch mächtiger zu machen.
Gefragt ist in dieser Situation nicht Kriegsgeschrei und wohl auch nicht Streikbereitschaft,
sondern Kompromißbereitschaft. Gefragt ist das, meine Damen und Herren, was wir an Verantwortungsbewußtsein auf seiten der Gewerkschaften in vielen Jahren bei uns erlebt haben. Gefragt ist eine nüchterne Diskussion über Vorteile und Nachteile auch der Arbeitszeitverkürzung.
Gefragt ist eine Diskussion auch über die Vorruhestandsregelung. Der Kollege Blüm wird sich dazu äußern. Gefragt ist eine Diskussion über das Thema: Was wird denn bei 35 Stunden, selbst wenn sie kostenneutral geschaffen werden?Erinnern Sie sich, was Herr Döding gesagt hat? „Ich verteidige die sozialen Errungenschaften der Fünftagewoche und des Achtstundenarbeitstages." — Aber bei der Viertagewoche und der 35-StundenWoche werden Sie erleben, daß mindestens die Sechstagewoche zurückkommt. Was bedeutet das für Arbeitnehmer? Was bedeutet das für das geheiligte lange Wochenende?
Was bedeutet das für unsere Freizeitindustrie? Was bedeutet das für die Menschen? Dies alles kann doch nicht mit Streik über uns gebracht werden. Das muß sorgfältig ausdiskutiert werden.
Dann wird man Wege und Mittel finden, um auch hier zu Ergebnissen zu kommen.
Zum Glück haben wir den Eindruck — und das ergibt sich aus vielen Umfragen und vielen Ergebnissen —, daß offensichtlich die Mehrheit der Arbeitnehmer im Lande vernünftiger ist, als viele
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4129
Bundesminister Dr. Graf LambsdorffFunktionäre es sich vorstellen, jedenfalls vernünftiger, als es die Funktionäre selber sind.
Es sei zum Schluß ein Hinweis gegeben. Der DGB-Vorsitzende Breit hat mir geschrieben — ich habe solche Kritik auch aus Ihren Reihen gehört —, ich hätte am Wochenende behauptet, die Gewerkschaften setzten die 35-Stunden-Woche als Kampfmittel gegen die Regierung ein. — Das war eine freie Diskussion, ich habe kein fertiges Manuskript behabt; aber ich habe mir das Tonband besorgt. Kein Wort davon steht drin. Sie, meine Damen und Herren, setzen die 35-Stunden-Woche, allerdings in Aktionseinheit mit den deutschen Gewerkschaften, gegen die Politik dieser Regierung ein.
Das ist Ihr gutes Recht. Aber verdrehen Sie sich nicht die Tatsachen! Sie sind diejenigen, die hier zur Scharfmacherei beitragen. Sie sind' diejenigen, die nicht mehr nachdenken über das, was Sie mit einer solchen Politik erreichen.
Wir wollen eine Politik, die mehr Beschäftigung, mehr Wachstum, mehr soziale Sicherheit in einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit sich bringt.
Und die Ergebnisse zeigen: Wir sind auf dem richtigen Wege. Sie waren lange genug auf dem falschen Wege, und Sie haben den richtigen immer noch nicht gefunden.
Das Wort hat der Abgeordnete Burgmann.
Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Uns liegt schon sehr viel an dem Bestand der Gewerkschaften, Herr Lambsdorff. Trotzdem teilen wir nicht die Meinung der SPD, daß hier die Regierung zu strikter Neutralität verpflichtet sei. Für uns ist Neutralität kein Wert an sich. Wir meinen, es handelt sich hier um eine wichtige wirtschaftliche Auseinandersetzung, und da muß man Stellung beziehen. Auch die SPD verhält sich nicht neutral. Sie haben sich einerseits für Arbeitszeitverkürzungen und 35-Stunden-Woche ausgesprochen, Sie haben aber andererseits die Regierung mit dem Vorschlag einer Vorruhestandsregelung auf die Idee gebracht, wie man die 35-Stunden-Woche unterlaufen kann.
Und der Herr Blüm, clever wie er ist, ist natürlich prompt darauf eingestiegen und hat einen noch schlechteren Entwurf vorgelegt, mit dem er hofft, die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften spalten zu können, was sich in der Tendenz auch durchaus andeutet.Die Gewerkschaften können einfach nicht beides: gleichzeitig für das Vorruhestandsgeld und für die 35-Stunden-Woche kämpfen. Man muß in diesem Zusammenhang die Frage an den IG Metall-Kollegen Blüm stellen, wo seine gewerkschaftliche Solidarität in dieser Auseinandersetzung bleibt.
Ich verlange von der Regierung keine Neutralität; das ist nicht unsere Forderung. Ich kritisiere hier aber sehr scharf die Tatsache, daß die Regierung gezielt die Tarifverhandlungen unterlaufen will, mit unehrlichen Angeboten und mit einer polemischen und verlogenen Argumentation.Die GRÜNE-Forderung an die Regierung lautet — da decken wir uns wieder mit der SPD —, realistische Zahlen und Fakten vorzulegen, die eine sachliche Erwägung ermöglichen; eine sachliche Erwägung, die der Herr Lambsdorff eben gefordert hat. Dazu ist von der Regierung bisher überhaupt nichts beigetragen worden.Die GRÜNEN kommen bei der Abwägung der Fakten und Zahlen dazu, was wir auch auf dem letzten Arbeitszeitforum festgestelt haben, daß die Argumente letztendlich für die 35-Stunden-Woche und für weitere Arbeitszeitverkürzungen sprechen, weil die 35-Stunden-Woche für alle Arbeitnehmer, wenn sie durchgesetzt würde, ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze bringen würde. Wenn das Vorruhestandsgeld den gleichen Effekt erzielen sollte, Herr Blüm, müßte es mindestens bei 52 Jahren angesetzt werden und würde letzten Endes auch viel mehr kosten.
Wir sind auch für die 35-Stunden-Woche, weil dadurch die Belastung am Arbeitsplatz zunächst, zumindest zeitlich, verringert werden kann und weil die Menschen mehr Zeit haben, weil eine bessere Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau möglich ist, und vor allem davon ausgehend, daß in unserer hochindustrialisierten Welt Wachstum ökonomisch nicht mehr in ausreichendem Maße — Herr Lambsdorff, wir brauchten bis zu 7 % — machbar und vor allem auch ökologisch angesichts der sterbenden Natur nicht mehr vertretbar ist.So wird die Arbeitsverteilung, eine wirtschaftliche und moralische Verpflichtung gegenüber den rund 3 Millionen Erwerbslosen, eine Verpflichtung für den Staat und unsere Gesellschaft und auch für unsere Regierung.Die GRÜNEN begrüßen, daß sich Gewerkschaften dieser Mitverantwortung, dieser Auseinandersetzung auch für die Menschen stellen, die aus dem Erwerbsleben ausgesperrt sind. Die Regierung hat gezeigt, auf welcher Seite sie steht, und damit hat sie deutlich gemacht, worum es geht. Sie hat das erstens schon bei der Kürzung der Arbeitslosenbezüge und nun auch bei der Tarifauseinandersetzung gezeigt. Die GRÜNEN sind in dieser Tarifauseinandersetzung auch nicht neutral. Wir unterstützen den Kampf um die 35-Stunden-Woche durch unsere Solidaritäts- und Öffentlichkeitsarbeit, wir unterstützen ihn durch Vorschläge für ein neues Arbeitszeitgesetz. Wir wenden uns allerdings entschie-
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4130 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Burgmannden dagegen — darüber möchten wir auch mit Herrn Steinkühler diskutieren —, nun freie Samstage und Feierabende gegen die 35-Stunden-Woche einzutauschen. Wir sind gegen diese Form der flexiblen Arbeitszeitregelung zugunsten der Unternehmer.
Die GRÜNEN sind für Verbesserung der Mitbestimmung in den Betrieben und dafür, daß Arbeiter und Betriebsräte das Recht erhalten, beim Einsatz neuer Technologien und Maschinen mitzubestimmen.Die Regierung hat Farbe bekannt, und auch wir haben unsere Position. Die GRÜNEN gehen davon aus, daß eine ökologische Gesellschaft nur in Verbindung mit sozialer Gerechtigkeit möglich ist. Für die GRÜNEN ist damit klar, auf welcher Seite sie stehen: auf der Seite der Erwerbslosen und der Menschen in den Betrieben, für Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifverhandlungen, für Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze und die Möglichkeit zu mehr Freizeitnahme der Arbeitnehmer nach ihrem Bedarf und gegen den weiteren Sozialabbau und Marsch in den Unternehmerstaat. Dazu ist auch ein Arbeitskampf ein angemessenes Mittel. Wir GRÜNEN sind deshalb auch für das Verbot der menschenverachtenden Aussperrung und wenden uns gegen die Verteufelung des Streiks.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist um.
Ich bin sofort fertig.
Herr Lambsdorff, da Sie neulich mit einem Brecht-Zitat geschlossen haben, will ich auch eines bringen: „Daß du dich wehren mußt, wenn du nicht untergehen willst, das wirst du doch einsehen." Sie sollten auch das mal bei Herrn Brecht nachlesen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. George.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Paradoxe ist, daß wir jetzt eine Stunde lang etwas tun, nämlich unser Recht zur freien Meinungsäußerung wahrzunehmen, wie dies der Bundeskanzler und viele andere getan haben, was Sie hier anprangern. Eine Stunde lang werden wir uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages einem angeblichen Tabu-Thema widmen.
Ich möchte, wie auch Sie es tun, gern Ihre eigenen Männer zitieren. Da hat Herr Farthmann 1972 gesagt: „Käme es zu einer CDU-geführten Regierung, dann hätten wir zunächst einmal wieder Gelegenheit, auf die Barrikaden zu klettern." Herr Roth,Sie haben das trefflich getan. Sie haben „geholzt", wie es Herr Brandt vorgeschrieben hat, Sie haben „weggeharkt", wie es Herr Schmidt vorgeschrieben hat.
Wir sollten eigentlich sehen, woher sich die Berechtigung ergibt, daß wir alle zu diesem Thema sprechen dürfen. Das ist die Tatsache, daß die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände über den Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz und das Tarifvertragsgesetz damit beliehen sind, den Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingungen primär in Ordnung zu halten. Diese Rechtsbeleihung berechtigt natürlich den Staat seinerseits, über das Stabilitätsgesetz, Art. 1 und Art. 3, also die Konzertierte Aktion, das Seine in diesem Rahmen und in dieser Gesamtverantwortung zu tun.
Ein zweites Zitat Ihres ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt von 1972:Wir sind fest davon überzeugt, daß Marktwirtschaft und freier Wettbewerb das Wesen unserer Wirtschaftsordnung bleiben müssen.Dazu antwortet, ganz aktuell, Herr Hensche 1984 zur 35-Stunden-Woche:Dieser Arbeitskampf wird politischen Charaktier haben.
Und er sagt sehr deutlich, welche Entwicklung die Politik nimmt:Es ist keine Frage der wirtschaftlichen und politischen Vernunft,— in der Tat, da gibt er zu, daß die bei Ihnen nicht angesiedelt ist —sondern eine Frage, wessen Interessen sich durchsetzen ... Machtfragen sind noch nie allein mit besseren Argumenten gelöst worden.Sie geben am heutigen Tage Detlef Hensche recht.Ich möchte mit einem letzten Zitat abschließen, immer wieder in Ehrfurcht vor Ihren ehemaligen Kanzlern, die es mit der Marktwirtschaft weiß Gott nicht ernst gemeint haben.
Da sagt Herr Brandt 1971:Aus unverantwortlicher Polemik kann böse Saat aufgehen.
Wir bitten darum, daß Sie diese Zitate aus Ihrem eigenen Bereich wägen und werten und mit uns zusammen den Weg der Vernunft gehen, der da heißt: Kooperation, und nicht den Weg des Klassen-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4131
Dr. Georgekampfes, der nichts anderes heißt als Konfrontation.
— Ich habe noch zwei Minuten Zeit, Herr Ehmke. Ich möchte meinen Kollegen etwas geben, denn ein Herr Ehmke hat das Recht, von jedem angegriffen werden zu dürfen.Schönen Dank.
Ich erteile dem Abgeordneten Reimann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Trotz optimistischer Meldungen seitens der Bundesanstalt für Arbeit ist Fakt: Die Arbeitslosigkeit war in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie so hoch wie Ende Januar 1984.
Allein in den letzten drei Jahren verdreifachte sich die Arbeitslosigkeit. Offiziell registriert sind ca. 2,5 Millionen Menschen ohne Arbeit, inoffiziell registriert sind 3,3 Millionen.
Weiterer Fakt ist: Allein im letzten Jahr wurden über 400 000 Arbeitsplätze vernichtet. Dies entsprach fast dem gesamten Zugang an Arbeitslosen. Obwohl für 1984 mit einem Wachstum von 2,5 gerechnet wird, was wachstumsmäßig schon als sogenanntes Boomjahr bezeichnet werden kann, wird sich die Arbeitslosigkeit kaum nach unten verändern, denn ständig wachsende Arbeitsproduktivität, bedingt durch den technischen Fortschritt, sorgt dafür, daß mit immer weniger Menschen immer mehr produziert wird.
Aktuelle Firmenbeispiele beweisen uns das tagtäglich. Selbst bei Umsatzsteigerungen von 1 Milliarde DM reduzierte sich die Belegschaft bei VEBA um 2 500 Beschäftigte.
Bei Daimler-Benz betrug das Umsatzplus 2,2 Milliarden DM; die Belegschaft reduzierte sich um 2 400 Mitarbeiter. Bei Siemens betrug das Umsatzplus 5,5 Milliarden DM; die Belegschaft reduzierte sich um 14 000 Arbeitnehmer. Übrigens kommt man da aus mit der 32-Stunden-Woche. Die Wirtschaftsberichte von heute, Herr Wirtschaftsminister, belegen es: Ein Zuwachs im Maschinenbau von 3 % bei einer noch stärker steigenden Pro-Kopf-Leistung der Beschäftigten schafft keine neuen Arbeitsplätze, sondern es sieht so aus, daß die Zahl der derzeitig Beschäftigten auf unter 1 Million absinkt.
Während die Produktion — das muß man doch einmal sagen — beispielweise im verarbeitenden Gewerbe — das verdeutlicht sich an der Mikroelektronik — im Zeitraum von 1970 bis 1980 um 23 stieg, sank die Zahl der Beschäftigten um 15 %. Im gleichen Zeitraum stieg in der Datenverarbeitungsindustrie die Produktion um 76 %, und die Zahl der Beschäftigten sank um 21 %. Wenn man bedenkt, daß der derzeitige Anwendungsgrad der Mikroelektronik schätzungsweise 5 % beträgt und auf 30 ansteigen soll, dann erkennen wir eines der Hauptfelder der Massenarbeitslosigkeit, meine Damen und meine Herren.
Wie Beispiele zeigen, Herr Wirtschaftsminister, tragen Investitionen und Umsatzsteigerungen nicht automatisch zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit bei.
Die jetzige Erfahrung zeigt deutlich, daß durch die dritte technische Revolution mehr Arbeitsplätze eingespart als neu geschaffen werden.
Deshalb stehen die Gewerkschaften, vorrangig die IG Metall, mit dem Rücken zur Wand und müssen fast in Form einer Notwehraktion Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung zu beseitigen versuchen, wobei nicht zu unterschätzen ist — auch das sollte man erkennen —, daß über weite Bereiche die Arbeitszeitverkürzung auch zur Sicherung der jetzigen Arbeitsplätze notwendig wird, meine Damen und meine Herren.
Alle Mittel der Selbstheilungskräfte des Marktes haben bis jetzt keine wirtschaftlichen Lösungen gebracht und werden es wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre nicht können.
Deshalb müssen sich die Gewerkschaften für existentielle politische Lösungen einsetzen und selbst das Risiko des Arbeitskampfes auf sich nehmen, um durch eine anhaltende Massenarbeitslosigkeit nicht Staat und Gesellschaft zu gefährden. Und das, meine Damen und Herren, ist doch wohl in unser aller Sinne.
Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dregger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen mit den Folgen einer Massenarbeitslosigkeit fertig werden, die Sie, meine Damen und Herren von der SPD,
die die von Ihnen geführten Bundesregierungen uns hinterlassen haben. In der Ära Brandt/Schmidt ist die Zahl der Arbeitslosen auf das Zehnfache gestiegen. Zum erstenmal seit dreieinhalb Jahren
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4132 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Dr. Dreggerist die Zahl der Arbeitslosen seit August saisonbereinigt um 130 000 zurückgegangen.
Zweite Feststellung. Macht und Verantwortung in diesem Bereich tragen nicht nur Regierung und Parlament — —
Einen Moment, meine Damen und Herren. Da hat eben einer „Lügner" gerufen. Herr Kollege, ich rufe Sie zur Ordnung.
Macht und Verantwortung in diesem Bereich sind in Deutschland geteilt. Regierung und Parlament, Tarifpartner und Bundesbank, die regierungsunabhängig sind, teilen sich Macht und Verantwortung. Das setzt Bereitschaft zur Zusammenarbeit voraus und Orientierung am Gemeinwohl. Meine Damen und Herren, ich richte die Bitte an die Gewerkschaften, die den Weg der Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich für richtig halten, ihren Standpunkt im Interesse ihrer Mitglieder und der Arbeitnehmer insgesamt zu überprüfen.
Die Folgen sind doch klar: Kostenerhöhung um 14 %. Meine Damen und Herren, das Arbeitsvolumen wird auf die Industrienationen nicht vom lieben Gott verteilt
und auch nicht von der UNO, sondern von den Käufern. Und die richten sich nach Qualität und Preis. Wer unterbeschäftigt ist, der muß besser werden, entweder im Preis oder in der Qualität, am besten in beidem.
Wer aber seine Kosten drastisch erhöht, der bleibt auf der Strecke.
Deswegen hat die Bundesregierung nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, im Interesse des deutschen Volkes zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Ein letztes. Nicht nur wir, sondern auch wichtige Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes halten den Weg der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für falsch und ziehen es vor, die Verkürzung der Lebensarbeitszeit tariflich zu vereinbaren.
Wir stehen an der Seite dieser Gewerkschaften.
Durch die Vorruhestandsregelung, die wir verabschieden, werden wir es ihnen erleichtern, einen
Weg zu gehen, den ihre Mitglieder wünschen und
der im Interesse der Arbeitnehmer insgesamt und der deutschen Wirtschaft liegt.
Meine Damen und Herren, ich muß beim Ordnungsruf den Namen des Kollegen hinzufügen. Es war Kollege Weisskirchen .
Das Wort hat die Frau Abgeordnete DäublerGmelin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion heute zeigt schon wieder, daß das letzte Wochenende ganz offensichtlich noch nicht der letzte Akt des Trauerspiels war,
das die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien um Arbeitslosigkeit und Arbeitszeitverkürzung aufführen. So machen Sie das immer, Herr Lambsdorff und Herr Dregger. Ihre Aufschwungjubeleien orientieren Sie an Gewinnen und Aktienkursen, die Arbeitslosigkeit verniedlichen Sie:
Keine Ihrer Pressemeldungen weist darauf hin, daß wir heute mit 2,5 Millionen den höchsten Arbeitslosenstand seit 1950 haben.
Keine Ihrer Pressemeldungen, Herr Dregger, weist darauf hin, was in unseren Betrieben tatsächlich passiert, nämlich ein Verdrängungsprozeß, wie ihn der Kollege Reimann gerade geschildert hat.Und wie reden Sie draußen? Draußen in den Versammlungen, da werden Arbeitslose und Faulenzer wieder in einen Topf geworfen. Da gehen Sie her und werben für solche „alten Erfahrungssätze", daß man, wenn es einem schlechtgeht, nicht weniger, sondern mehr arbeiten müsse. Dabei wissen Sie ganz genau, daß diese alten Rezepte gegen Arbeitslosigkeit heute soviel helfen wie Schmalzwickel gegen Krebs.
Dabei, Herr Dregger, Herr Lambsdorff und Herr Blüm, könnte die Regierung durchaus etwas tun. Aber Sie bolzen, und Sie prügeln die Gewerkschaften. Sie mischen sich ein. Sie verletzen die Tarifautonomie. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Katastrophe für den sozialen Frieden in diesem Land und
für die Kompromißfähigkeit. Der soziale Friede und die Kompromißfähigkeit in diesem Land waren einmal das Gütesiegel für „Made in Germany".
Was bieten Sie uns an Rezepten an? Ihre — d. h. ja eigentlich: die Rezepte der Arbeitgeber-Rezepte der sogenannten Flexibilisierung werden mit Schalmeientönen angeboten. Sie sollen nach mehr
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4133
Frau Dr. Däubler-GmelinFreiheit, nach mehr Chancen für den einzelnen klingen. Aber gemeint und realistisch ist etwas ganz anderes. Ihr Nein zur Arbeitszeitverkürzung für alle bedeutet doch mehr Arbeitslosigkeit für immer größere Gruppen.
Das ist zynisch für die Frauen. Das ist zynisch für die Älteren. Das ist zynisch für die Leistungsgeminderten. Das ist zynisch für die Behinderten.Flexibilisierung, wie Sie sie wollen, bedeutet nicht mehr Freiheit, sondern weniger Geld. Das bedeutet mehr Streß während der Arbeit. Das bedeutet Arbeitszeiten, die nach ausgeklügelten Systemen der Personaleinsatzplanung nach den Interessen des Betriebes eingesetzt werden.
Das heißt, meine Damen und Herren: schlechtere Arbeitsbedingungen, weniger arbeitsrechtlicher Schutz und weniger soziale Sicherung.Noch etwas hat das letzte Wochenende gezeigt: wie bedenkenlos Sie ganze Berufsstände vor Ihren ideologischen Karren spannen. Das ist schon mehr als schädlich. Das schädigt den sozialen Frieden.
Wo, bitte schön, gibt es denn eine einzige Tarifforderung, die die 35-Stunden-Woche für Glaser, Bäkker, Installateure oder sonstwie für das Handwerk einführen will? Sie wissen doch, daß es nicht eine einzige derartige Forderung gibt.
Graf Lambsdorff, es wäre nicht Ihre Aufgabe, das Handwerk aufzuhetzen, sondern es wäre Ihre Aufgabe, diesen Betrieben die Existenzangst zu nehmen,
weil Sie ganz genau wissen, daß sich die Betriebe im Zuge der dritten technologischen Revolution sowieso auseinanderentwickeln werden und wir nach Lösungen hierfür suchen müssen. Daß Sie, meine Damen und Herren, dabei von — wie ich finde: verantwortungslosen — Verbandsfunktionären Ihrer Parteicouleur unterstützt werden, mag Ihnen jetzt gerade passen. Ausgetragen jedoch wird das alles auf dem Rücken der kleinen Handwerksbetriebe. Die werden das spüren. Ein anderer Berufsstand macht mit Ihnen gerade diese Erfahrungen. Immer mehr Bauern wachen gerade auf und sehen, wo sie dann alleine gelassen werden.
Deshalb sagen wir Ihnen: Hören Sie auf mit Ihren Eingriffen in die Tarifautonomie. Hören Sie auf, das Sprachrohr der Arbeitgeber zu sein. Kümmern Sie sich um die Probleme der Menschen. Tun Sie endlich etwas für die Arbeitszeitverkürzung.
Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Existenzangst wird genommen, wenn unsere Wirtschaft in Ordnung kommt, wenn Arbeit im Lande ist. Das geschieht nicht durch weniger Arbeit, nicht durch weniger Leistung,
nicht durch mehr Geld und sicher nicht durch die 25-Stunden-Woche im Jahre 2000.
Die SPD-Fraktion hat, meine Damen und Herren, diese Aktuelle Stunde wegen der Verletzung der Neutralitätspflicht der Bundesregierung bei den laufenden Tarifverhandlungen beantragt.
Ich möchte mich zu diesem Thema äußern. Tarifvertragsfreiheit hat — dies kann man nicht oft genug wiederholen — für die Liberalen einen sehr hohen Stellenwert.
Wir halten die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und von Unternehmen für einen entscheidenden und unverzichtbaren Bestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft.
Wir lehnen jeden Eingriff in diese Tarifautonomie ab.
Mit dem Aushandeln der Tarifbedingungen haben die Tarifvertragsparteien einen wesentlichen, ja einen entscheidenden Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land. Und deswegen muß es doch wohl erlaubt sein, daß Vorschläge und Anregungen der Tarifvertragsparteien sowie die Ergebnisse ihrer Abschlüsse einer Bewertung, auch einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Weder die Freiheit der Tarifvertragsparteien noch die Neutralitätspflicht schränken das Recht, ja, wie ich meine, die Pflicht aller Politiker, insbesondere der Bundesregierung, ein, zu solchen Vorschlägen Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ist um so dringlicher, je bedeutsamer die Vorschläge sind. Und niemand wird bestreiten, daß es sich diesmal um eine grundsätzliche Weichenstellung, um sehr bedeutsame Vorschläge, so meine ich, handelt.Bitte nehmen Sie denen, die die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für falsch halten, ab, daß sie dies in großer, sehr großer Sorge um die Arbeitsplätze tun. Auch ich bin überzeugt, daß die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich grobfahrlässige Gefährdung bestehender Arbeitsplätze ist.Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir nur dann, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir die
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Cronenberg
Möglichkeit zum Exportieren behalten, Arbeitsplätze im Lande haben. Sie wollen Arbeitsplätze und nicht Produkte exportieren,
wenn Sie die 35-Stunden-Woche machen.
Sie exportieren die Arbeitsplätze nach Hongkong, Taiwan, Korea oder in andere Länder.Und die Theorie, Herr Kollege Burgmann, ist schlicht und einfach falsch, daß wir sechs oder sieben Prozent Wachstum brauchen, um mit der Beschäftigungsproblematik fertigzuwerden.
Wer jetzt zusätzlich etwas übertreiben wollte, gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Exportfähigkeit und die Exportaufträge.
So Bundeskanzler Schmidt am 17. September 1975.Wer die Freiheit der Tarifpartner, die Tarifautonomie schützen will — darüber sind wir uns alle einig —, der kann doch nicht jemand anderem das Recht oder unter Umständen auch die Pflicht, zu dem einen oder anderen Vorschlag der Tarifvertragsparteien Stellung zu nehmen, bestreiten.
Diesen Satz hat Bundeskanzler Schmidt am 9. März 1978 von dieser Stelle aus gesagt. Und wir pflichten ihm auch heute noch bei.Die Bundesregierung, der Bundesminister für Arbeit und Soziales und Bundesminister Dr. Otto Graf Lambsdorff haben die Pflicht,
auf die Gefahren der 35-Stunden-Woche hinzuweisen. Tun sie das nicht, würden sie sich in meinen Augen einer groben Pflichtverletzung schuldig machen. Und das können wir dieser Bundesregierung beim besten Willen nicht zumuten.
— Die Neutralität verpflichtet, so heißt es eindeutig in den einschlägigen Kommentaren, nicht zur Indifferenz und nicht zur Passivität.Ich hoffe, daß die Regierung sich weiterhin verpflichtet fühlt,
auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die hier leichtsinnig, grob fahrlässig für unsere Arbeitsplätze heraufbeschworen werden.Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.
— Verzeihen Sie, Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade das Wort gegeben. Bitte nehmen Sie die Gelegenheit wahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn im Saarland 1 120 Stellen für 52 000 Menschen, die Arbeit suchen, offenstehen und wenn 9 500 Stellen in Niedersachsen für 374 000 Arbeitslose angeboten werden und wenn von 17 000 Beschäftigten bei VW in Kassel zwei Dutzend in den Vorruhestand gehen könnten, erledigt sich die Frage nach der Priorität einer Arbeitszeitverkürzung von selbst.
Es ist wirklich bedrückend deutlich geworden, daß der von dieser Regierung und wider die Tatsachen konstruierte Gegensatz zwischen Wochenarbeitszeitverkürzung und Lebensarbeitszeitverkürzung in Wahrheit nicht besteht. Die Regierung hat natürlich erkannt, daß heute nicht mehr die Frage zu entscheiden ist, ob Arbeitszeitverkürzung kommt. Wir alle wissen, daß die technologischen, die wirtschaftlichen und die sozialen Tendenzen für die Arbeitszeitverkürzung sprechen. Heute besteht für diese Regierung nur die Frage, wie sie die Organisierung der Arbeitszeitverkürzung verhindern kann.
Und genau an dieser Stelle wird es zum Politikum, wenn sich Mitglieder der Bundesregierung derart unternehmerwütig in den Lauf der Tarifverhandlungen einmischen.
Die Arbeitgeber, meine Damen und Herren, haben plötzlich die Vorruhestandsregelung entdeckt. Erst waren sie absolut dagegen, so wie sie heute gegen die 35-Stunden-Woche sind. Sie haben die Idee der Vorruhestandsregelung erst aufgegriffen, als sie glaubten, damit ein Instrument im Kampf gegen die 35-Stunden-Woche in der Hand zu haben. Das Ganze ist ein abgekartetes Spiel zwischen den Arbeitgebern und dieser Regierung.
Sie legen ein Vorruhestandsmodell auf den Tisch des Hauses, das inhaltsleer ist, weil die Bedingungen nicht stimmen. Das Vorruhestandsmodell der Regierung besteht fast nur aus Mängeln. Die finanziellen Konditionen, d. h. die vorgesehene Leistungshöhe und der staatliche Zuschuß, sind völlig unzureichend. Die Wiederbesetzung der freiwerdenden Arbeitsplätze ist in keiner Weise sichergestellt. Die fünf im DGB vertretenen Gewerkschaften haben es auf den Punkt gebracht, als sie sagten, eine vernünftige Vorruhestandsregelung, wie sie von der SPD vorgeschlagen wurde, sei eine Form der Arbeitszeitverkürzung, aber keine Alternative, sondern eine Ergänzung der Wochenarbeitszeitverkürzung.
Die beschäftigungspolitische Wirkung einer Vorruhestandsregelung nach dem Muster der Bundesregierung tendiert gegen Null. Am 31. August 1983 hat die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Frak-
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Dreßlertion beschlossen — ich zitiere —: Wir werden uns entschieden allen Strategien zum Abbau der Arbeitnehmerrechte widersetzen. — Herr Blüm, Herr Müller , Herr Zink, Herr Vogt — wo sind sie? —, um nur einige zu nennen, darf ich darauf aufmerksam machen, daß im Sinne Ihres Beschlusses der Ernstfall heute erneut zur Debatte steht?
Sie können diesen Beschluß umsetzen. Der Angriff auf die Tarifautonomie ist nämlich der Versuch, ein grundlegendes Arbeitnehmerrecht abzubauen.Und Graf Lambsdorff, wer den Knochen Flickspendenaffäre noch nicht abnagen konnte, obwohl er seit Monaten daran herumbeißt, ist als tarifpolitischer Sachwalter im Ministerrang flüssiger als flüssig, nämlich überflüssig.
Es war Ihr CDU-Redakteur Lutz Esser, Herr Blüm, und kein Sozialdemokrat, der das Treiben einflußreicher Regierungspolitiker bereits im Juli 1983 mit dem Satz beschrieben hat, damit rücke die CDU in die Nähe der Komplicenschaft mit der Wirtschaft. Das ist nicht von mir. Herr Blüm, merken Sie eigentlich nicht, daß Graf Lambsdorff und auch der Bundeskanzler und zum Teil auch Sie selbst auf dem besten Weg sind, dem Manne zu gleichen, der mit brennendem Streichholz den Inhalt seines Tanks prüft?
Der programmierte gesellschaftliche Rückschritt hat bei Ihnen Methode. Wenn es aber so weit geht, ein Stück substantieller Demokratie, nämlich die Tarifautonomie, auf Ihrem politischen Machtaltar zu opfern, dann stehen wir nicht nur auf der Seite der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften, sondern auch auf der Seite unseres Grundgesetzes.
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich zögere einen Moment, ob ich auf den Diskussionsbeitrag des Kollegen Dreßler antworten soll. Ich beantworte für mich die Frage so: Unterhalb der Gürtellinie wird mit uns nicht diskutiert.
Meine Damen und Herren, dieser Tag ist aus meiner Sicht ein großer Tag für die Tarifvertragsparteien. Die Koalitionsfraktionen haben heute die Verbesserung der Vorruhestandsregelung — Verbes se-rung für Arbeitnehmer, für mittelständische Betriebe und für Lehrlinge — beschlossen. Das ist ein großer Tag für die Tarifpartner.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, jeder in diesem Saal weiß doch, daß die 58-JahreVorruhestandsregelung populärer ist als die 35-Stunden-Woche. Das weiß jeder. Was die Mehrheit der Bevölkerung für populärer und richtiger hält, was die Mehrheit der Arbeitnehmer will, das kann nicht gegen die Gewerkschaften gerichtet sein. Gegen die Diffamierungen, die in diesem Zusammenhang geschehen, muß ich die Gewerkschaften in Schutz nehmen.
Wer uns wegen der Vorruhestandsregelung als „unternehmerwütig" bezeichnet, wer sagt, wir ordneten uns nahtlos in die Strategie der Unternehmer ein, der beschimpft gestandene Gewerkschafter, die die Vorruhestandsregelung wollen. Ich stelle mich schützend vor diese Gewerkschafter gegenüber der SPD.
Ich bringe in Erinnerung: Die einzige Arbeitszeitverkürzung, für die der Staat Geld gibt, ist die Vorruhestandsregelung. Für die 35-Stunden-Woche Null Pfennig, für die Vorruhestandsregelung 35 %. Das gab es noch nie, das hat diese Regierung eingeführt und nicht Sie; Sie hatten dazu 13 Jahre Zeit.
Ein Zweites. Nur die Vorruhestandsregelung ist mit einem Wiederbesetzungsmechanismus verbunden. Kommen Sie an das Rednerpult und beweisen Sie das Gegenteil. Es gibt nur staatliches Geld, wenn an Stelle des ausgeschiedenen älteren Arbeitnehmers ein anderer, ein jüngerer eingestellt wird. Wo gibt es das bei der 35-Stunden-Woche? Ich fürchte, die 35-Stunden-Woche, mit der Dampfwalze durchgesetzt, wird nur dazu führen, daß es mehr Streß, mehr Rationalisierung gibt. Die Fließbänder werden etwas schneller gestellt.
Das ist das Ergebnis der brachialen Durchsetzung der 35-Stunden-Woche.
Ich wiederhole nochmals: Geld des Staates — das gab es noch nie — für Arbeitszeitverkürzung gibt es zum erstenmal für den Vorruhestand. Diesen Vorteil hat keine andere Arbeitszeitverkürzung.Ein Drittes. Unsere Vorruhestandsregelung ist auch eine besondere Chance für die jungen Leute, für die Lehrlinge. Wir denken nicht nur an die Älteren, die ausscheiden können, wenn sie wollen, sondern wir denken auch, daß die jungen Leute Ausbildungsplätze wollen. Deshalb verbinden wir die Vor-
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Bundesminister Dr. Blümruhestandsregelung mit einem besonderen Angebot zur Lehrlingseinstellung. Dies hilft Jung und Alt, Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Wir sind keine Klassenkämpfer, die nur an eine Gruppe, nur an eine Generation denken. Wir denken an die Gemeinschaft, an alle. Keiner soll vor der Tür stehenbleiben.
Ein Viertes. Die Vorruhestandsregelung ist freiwillig. Ich gebe zu, wenn Sie das als Unterschied wollen, Sie bevorzugen den Zwang, wir die Freiwilligkeit.
— Wenn die 35-Stunden-Woche beschlossen wird, dann ist sie ein Befehl. Die Vorruhestandsregelung ist ein Angebot. Es kann sich jeder selber entscheiden, wie er will. Wir maßen uns nicht an, der Vormund der Arbeitnehmer zu sein. Sie sind alt genug, ihre Entscheidungen zu treffen. Sie brauchen noch nicht einmal die SPD als Vormund. Sie brauchen überhaupt keinen Vormund.
— Wir machen das, wovon Sie immer geredet haben. Im Reden waren Sie besser, das gebe ich zu, vor allem in den Ankündigungen.
Sie haben ja solche Vorruhestandsregelungen mehrfach angekündigt. Das gebe ich zu. Wir machen das, wovon Sie immer geredet haben: einen Beschäftigungspakt. Wir laden zum Zusammenwirken Gewerkschaften, Arbeitgeber und Staat ein, und zwar nicht zum Austausch von Kommuniques, sondern damit endlich gemeinsam gehandelt wird. Dazu dient die Vorruhestandsregelung.
Ich will jetzt den Arbeitnehmern, meinen Kolleginnen und Kollegen, noch eins sagen: Beim Vorruhestand bleibt noch etwas für die Lohntüte übrig. Soviel kostet er nämlich nicht. Bei der 35-StundenWoche wird mehr verteilt, als überhaupt vorhanden ist. Da bleibt für die Lohntüte nichts mehr übrig. Deshalb sage ich: 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich ist gegen die Arbeitslosen, 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich ist gegen die Rentner. Sie hängen nämlich an der Lohnentwicklung dran.Wer den Zuwachs allein in Freizeit umsetzt, der bringt nicht nur den Arbeitnehmern nichts — außer Inflation — in die Lohntüte, sondern der hängt auch die Rentner vom Wachstum, vom Produktivitätsfortschritt ab. Was ist das für ein Verständnis von Solidarität?
— Wir mußten in der Tat zur Sicherung der Rentenkasse die Rentenerhöhung um ein halbes Jahr verschieben. Gerade deshalb — aus Solidaritätsgründen — waren wir der Meinung, daß in diesem halben Jahr auch ein Verzicht geleistet werden könnte. Damals gab es nichts zu verteilen. Denn wir haben von Ihnen null und nichts übernommen. Jetzt gibt es wieder etwas zu verteilen. Deshalb sollen sowohl die Rentner — —
— Eins und eins ist nicht das gleiche. Eins mit einem Minusvorzeichen ist Minuswachstum, das ist Rückgang. Bei uns gibt es plus und Fortschritt. Deshalb gibt es wieder etwas zu verteilen.
Noch ein paar Worte zur Tarifautonomie. Sie wird von uns verteidigt wie von Ihnen. Ich will mich da gerne in einen Wettbewerb einlassen. Aber Tarifautonomie kann doch nicht bedeuten Denk- und Diskussionsverbote. Sie wollen doch mehr Demokratie wagen. Mehr Demokratie wagen heißt, daß es keine Tabus gibt, daß man über alles reden kann. Warum wollen Sie denn Diskussion verbieten? Wenn die Gewerkschaften ihre Meinung zu der Regierung sagen, dann darf doch auch die Regierung ihre Meinung zu den Gewerkschaften sagen.
Ich bin da für absolute Parität.
Und was ich nicht verstehe: Wo gehobelt wird, fallen auch schon mal Späne. Ich bin nicht so empfindlich und pingelig.
— Ja, das bewundere ich immer. Es gibt Leute, die teilen mit rhetorischen Schlagringen aus und wollen dann anschließend mit Glacéhandschuhen, Watte und Pinzette behandelt werden. Da bin ich auch für das Gleichgewicht.
Wissen Sie, die Rolle der Prinzessin auf der Erbse steht einem Franz Steinkühler wirklich nicht. Wenn er die Vorruhestandsregelung als „Gesinnungslumperei" bezeichnet, dann bin ich nicht so trottelhaft, daß ich mich dafür bedanke und sage, die 35-Stunden-Woche wäre ein Wonnebad der Arbeitnehmer. So nicht. Dann wird auf der gleichen Ebene diskutiert. Ich wünsche mir, daß wir nicht hier vom Rednerpult Beschimpfungsolympiaden machen, sondern daß wir uns an einen Tisch zusammensetzen und wie vernünftige Leute miteinander reden. Das wäre das Gebot der Stunde.
Und noch etwas. Wer will denn mehr Tarifautonomie, Sie oder wir? Wir wollen doch den Tarifpartnern mehr Rechte geben, mehr Entscheidungsspielräume. Wir wollen sie beim Jugendarbeitsschutz mitbestimmen lassen, bei der Arbeitszeitordnung, beim Arbeitsschutz. Wir wollen die Spielräume der Entscheidung der Gesellschaft entstaatlichen. Das
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Bundesminister Dr. Blümist doch mehr Spielraum für Tarifautonomie. Dagegen sind Sie doch, Sie wollen doch dauernd den staatlichen Gesetzgeber als Vormund, Polizist und Kontrolleur. Das sind doch nicht wir.
Und, meine Damen und Herren, die Regierung hat Verantwortung für die Einkommenspolitik. Das haben Sie selber im Stabilitätsgesetz mitbeschlossen. Die Regierung hat Verantwortung für die Einkommenspolitik, und der erste sozialdemokratische Wirtschaftsminister hat ja kräftig von diesem Recht Gebrauch gemacht, sehr viel weitergehend als Herr Lambsdorff. Der hat Orientierungsdaten gesetzt. Da habe ich nie gehört, daß Sie die Tarifautonomie als beschädigt bezeichnet hätten.Ich glaube, da die Tarifpartner Entscheidungen treffen, die sie weiterhin autonom treffen sollen, die weit über die Mitgliedschaft hinausgehen, muß das, was vorgeschlagen, was verabredet wird, auch öffentlich diskutiert werden. In der Tat, beide Tarifpartner stehen unter einem Rechtfertigungszwang.Und noch etwas. Meine Damen und Herren, wer die Arbeitszeitverkürzung ideologisiert, der erschwert ihre Lösung.
Wenn beispielsweise Detlev Hensche erklärt, der vorprogrammierte Arbeitskampf — und jetzt Zitat — „hat in der Tat weitergehende Züge als allein die Durchbrechung der 40-Stunden-Woche", dann darf man doch mal fragen, was da durchbrochen werden soll. Und wenn Herr Steinkühler verbreiten läßt, daß es bei der Arbeitszeitverkürzung um die Überlebensfähigkeit der autonomen gewerkschaftlichen Interessenvertretung und damit letztlich um die Existenzfähigkeit der demokratischen Gesellschaft geht, dann darf ich sagen: Wer Arbeitszeitfragen mit der Überlebensfähigkeit der demokratischen Gesellschaft verwechselt, der leidet unter politischer Überheblichkeit. Das ist Arroganz und sonst nichts, ideologische Arroganz, die die sachliche Lösung behindert.
Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich für eine unbehinderte Diskussion. Lassen Sie uns die Diskussion in Offenheit austragen. Lassen Sie uns von allen Seiten nie vergessen, um wen es eigentlich geht, nicht um das Rechtbehalten, nicht darum, wer besser diskutiert, schimpft und streitet, sondern um die Frage: Wem helfen wir, wem müssen wir helfen? Den Arbeitslosen. In dieser gemeinsamen Verantwortung stehen wir.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fuchs.
Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, es ist erschreckend, daß Sie überhaupt nicht begriffen haben, worum es in dieser Debatte geht.
Sie verschaukeln die Arbeitnehmer unseres Landes, indem Sie ihnen ein Vorruhestandsgesetz anbieten, von dem die meisten gar nicht Gebrauch machen können, weil in der Stahlindustrie, bei Kohle und Stahl die Menschen schon vor dem 58. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.
Sie versuchen, uns hier vorzugaukeln, daß Sie noch zum Dialog gewerkschaftlicher Argumente bereit sind! Merken Sie eigentlich nicht, wie Sie ganz auf dem Trip von Graf Lambsdorff sind, Herr Bundesarbeitsminister?
Es geht um die Frage: Darf sich eine Bundesregierung in die Tarifautonomie einmischen, j a oder nein? — Sie darf es nicht!
Sie muß sich bei einer Tarifbewegung vermittlungsfähig halten. Erinnern Sie sich bitte an Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er wäre in dieser Situation darauf bedacht gewesen, daß er für den Fall einer Auseinandersetzung noch Anstöße zur Vermittlung hätte geben können.Das Verhängnisvolle ist doch, daß sich der Bundeskanzler dieser Vermittlungsfähigkeit begibt, indem er einseitig Arbeitgeberpositionen vertritt.
Für mich, meine Damen und Herren, kommt es nicht überraschend, daß diese Bundesregierung so ist. Es paßt zu ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die sich immer offener und nahtloser den Wünschen der Unternehmer anpaßt.
Ihr Konzept, meine Damen und Herren von der Koalition, nimmt Arbeitslosigkeit in Kauf. Es ist auf Spaltung und Entsolidarisierung der Arbeitnehmer angelegt.
Ihr Konzept geht auf die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten und die Disziplinierung der Gewerkschaften.Sie versuchen, uns dieses als Wirtschaftspolitik zu verkaufen, meine Damen und Herren. Mit den Worten des Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft ausgedrückt: Sie wollen, daß der stinknormale, ganze gewöhnliche Kapitalismus wieder eingeführt wird.
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4138 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Frau Fuchs
Nun ist ja die Arbeitszeitverkürzung keine neue Erfindung. Sie ist so alt wie die Industriegesellschaft. Auch in der Vergangenheit haben Konservative und Arbeitgeber jede Arbeitszeitverkürzung verteufelt. Für sie war jeder Schritt das Ende unserer Wirtschaft. Es waren die gleichen Argumente, als 1839 der Zehnstundentag für 10- bis 16jährige Kinder eingeführt wurde, und es war so, als der DGB im Jahre 1955 die 40-Stunden-Woche forderte. Herr Bundesarbeitsminister Blüm, war das damals Zwang, was die Gewerkschaften durch Tarifvertrag durchgesetzt haben?
Die Durchsetzung von Arbeitszeitverkürzungen war wie keine andere gewerkschaftliche Forderung von Anfang an nur gegen massiven Widerstand möglich. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt, meine Damen und Herren: Ohne die ständige Verkürzung der Arbeitszeit wäre die Entwicklung der industriellen Gesellschaft nicht möglich geworden. Die Arbeitszeitverkürzung hat in der Vergangenheit mehr Arbeitsplätze geschaffen, indem sie die Folgen der Rationalisierung aufgefangen hat.
In der gegenwärtigen Beschäftigungskrise brauchen wir deswegen — das ist auch aus den Daten deutlich geworden, die wir vorlegen — mehr Arbeitszeitverkürzung als je. 2 Millionen Menschen arbeiten Stunde Null. Zigtausend Kurzarbeiter wären froh, wenn sie 35 Stunden arbeiten dürften.
Viele Arbeitnehmer wissen, daß ihre Arbeitsplätze nur gesichert werden können, wenn die Arbeitszeit verkürzt wird.
Die Bundesregierung und Sie von den Koalitionsfraktionen sind gegen die 35-Stunden-Woche. Sie sind damit gegen eine Forderung mehrerer Gewerkschaften, die jetzt beginnen, ihre Tarifverhandlungen zu führen. Da mischt sich der Bundeskanzler ein und begibt sich — ich wiederhole mich — der Vermittlungsfähigkeit. Damit kann er nicht dazu beitragen, den sozialen Frieden in unserem Land aufrechtzuerhalten.
Wer die 35-Stunden-Woche so verteufelt, wie Sie das tun, der nimmt Arbeitslosigkeit in Kauf. Wer sich wie die Bundesregierung einseitig auf die Arbeitgeberseite stellt, der gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land.Die deutschen Gewerkschaften haben ihr Verantwortungsbewußtsein für die wirtschaftliche Entwicklung immer wieder unter Beweis gestellt. Ich finde es unerträglich, daß man sie lobt, wenn sie das tun, was die Regierung will, aber ihnen das Recht abspricht, Arbeitnehmerinteressen konsequent zu vertreten.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Deswegen sage ich: Wir Sozialdemokraten werden an der Seite der Gewerkschaften um den sozialen Frieden kämpfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kolb.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon eigenartig, wenn an diesem Pult Wolfgang Roth sozusagen als der Erzengel Cherub auftritt, um Artikel 9 Abs. 3 zu verteidigen. Lassen Sie mich hier einmal an die Malariaerreger erinnern, die Sie in Ihrer Regierungszeit in die Tarifautonomie hineingetan haben. Sie haben 1969 begonnen, indem Sie von diesem Pult aus eine Vollbeschäftigungsgarantie ausgesprochen haben. Sie haben sozusagen die Aufforderung zum Tanz in einer Zeit der Überbeschäftigung gegeben. Aber es war Ihnen nicht genug. Sie haben anschließend den Schluck aus der Pulle empfohlen, den hochprozentigen. Als es dann kräftig „geklunckert" hat, ist Ihnen plötzlich angst und bange geworden. Ihr Altmeister Wehner hat gewußt, was passierte. Er hat den Kapitän ausgewechselt. Dieser Kapitän hat dann am 19. Januar 1978 — das läßt sich herrlich im Bundestagsprotokoll nachlesen — das erstemal Rauchsignale gesandt und hat gesagt: Es ist nicht ganz so mit der Vollbeschäftigungsgarantie. — Sie können es leicht nachlesen, es steht auf Seite 4968 in der 8. Legislaturperiode. Sie haben ihn zum Rufer in der Wüste degradiert.Liebe Frau Kollegin Fuchs, Sie haben gerade den Altbundeskanzler zitiert. Was hat er Ihnen denn am 30. Juni in der Fraktion sozusagen als sein Vermächtnis und seine Philippika gesagt?Einige haben bemängelt, daß in diesem Pakt nicht genug getan werde zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich sage denen: Dies ist leider wahr. Wer mehr tun will, muß in die Geld- und Sozialleistungen tiefer hineinschneiden. Wer mehr für die beschäftigungswirksamen Ausgaben des Staates tun will, muß tiefer, noch viel tiefer als hier in die Sozialleistungen hineinschneiden.Es ist eigenartig, daß wir Ihren Altbundeskanzler nur noch
bei Veranstaltungen irgendwo in der Welt hören, wo er für hohes Honorar seine Weisheiten kundgibt.
— Herr Ehmke, Sie hätten viel Nachhilfeunterricht von ihm nötig.
Nun gestatten Sie mir, daß ich Hajek ganz kurz zitiere. Hajek sagt in seinem Buch über „Keynes und seine Folgen":Die Bundesregierung darf nicht zögern, konjunkturwidrige Lohnabschlüsse als Mißbrauchder Tarifautonomie zu bezeichnen. Dies hätte
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4139
Kolbnichts mit einer Verletzung der Tarifautonomie zu tun. Die Wirschaftspolitik käme nur ihrem legitimen Interesse nach, die Lohnentwicklung mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu synchronisieren.Hier, meine Damen und Herren, haben die Sachverständigen in Ihrer Regierungszeit Sie häufig gewarnt. Weshalb kommen Sie eigentlich als Wolf im Schafspelz? Ihr Parteisoldat hat doch am 18. Januar 1984 zitiert: „Traditionelle Beschäftigungsprogramme können nur, wenn überhaupt, flankierend wirken und dürfen nicht durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme finanziert werden."
Ich kann Sie nur fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ihre Kollegen Lothar Zimmermann und Steinkühler sind wesentlich ehrlicher als Sie. Sie sagen: Die 35-Stunden-Woche ist für uns nicht eine Frage des beschäftigungspolitischen Sinns, sondern es ist in erster Linie auch eine machtpolitische Frage. Das ist der Punkt, über den wir heute hier zu reden haben.
— Die kann ich auch zitieren, mein lieber Herr Peter. Nur, ich garantiere Ihnen eines: Mit Ihrem Wunsch nach Einführung der 35-Stunden-Woche — ich stimme Ihnen zu — werden Sie ein bis zwei Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen — leider nicht hier in der Bundesrepublik, sondern im Fernen Osten. Das ist unser Problem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen erinnere ich Sie an Leute wie Bleicher, wie Brenner, wie Georg Leber. Die haben die Tarif autonomie richtig verstanden. Für sie war das Geben und Nehmen richtig. Aber was haben sie heute für Epigonen!Dies, meine Damen und Herren, wird der Punkt sein, über den wir zu reden haben. Wer die 35-Stunden-Woche fordert, wer gleichzeitig Beschäftigungsprogramme fordert, weil es sonst nicht funktioniert, der muß sich fragen, welches Verständnis er vom Staat hat, welches Verständnis er von der Tarifautonomie hat.Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur noch einige Fragen stellen: Ist es eine zutreffende Diskussion, wenn wir über Wochenarbeitszeitverkürzung sprechen, ohne jedesmal den vollen Lohnausgleich zu erwähnen, der gefordert wird? Herr Reimann, kann es vernünftig sein, Arbeitslosigkeit durch Verteuerung der Arbeitskosten beseitigen oder mildern zu wollen?
Herr Reimann, ist es nicht wahr, daß es in Deutschland mehr Arbeit gibt, aber nicht zu den geforderten Preisen, und ist die um sich greifende Schwarzarbeit ein Beweis dafür, oder ist das falsch?
Frau Däubler-Gmelin, glauben Sie wirklich, daß ich einen Handwerksmeister, der sich die Ergebnisse einer solchen Entscheidung für seinen Betrieb ausrechnen kann, noch aufhetzen müßte? Unterschätzen Sie nicht die ökonomische Intelligenz des deutschen Handwerks?
Halten Sie es, meine Damen und Herren von der SPD, nicht wenigstens für nachdenkenswert, wenn der Kollege Burgmann und Herr Döding die gefährdete Fünf-Tage-Woche hier ins Gespräch bringen?
— Haben Sie sich, Herr Ehmke, bei Ihren ewigen Zwischenrufen einmal die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, bevor Sie rufen?
Haben Sie sich einmal die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, was das für unsere Familien, was das für unsere Freizeitgestaltung, was das für unsere Gesellschaft bedeutet?
Und schließlich, Herr Kollege Dreßler: Ist es richtig, daß, kaum waren Sie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD, als erstes die Vergesellschaftung der Stahlindustrie, der Schlüsselindustrien beschlossen worden ist? Glauben Sie nicht, um in der gepflegten Ausdrucksweise von Frau Fuchs zu sprechen, daß Sie sich damit auf dem Trip von Karl Marx befinden?
Wollen Sie bitte sehr, Herr Dreßler, zur Kenntnis nehmen, daß unser Weg der einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung und nicht der der Verstaatlichung ist?
Meine Damen und Herren, ich habe ein paar Zurufe gehört „gegen die Geschäftsordnung". Ich bitte, die Anlage 5 einzusehen.
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4140 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Präsident Dr. BarzelDas, was wir hier machen, ist völlig üblich und in Ordnung.
— Herr Kollege, darf ich Sie darauf hinweisen, daß Ihre Fraktion sowohl nach der Geschäftsordnung als auch nach dem zeitlichen Ablauf noch die Möglichkeit hat, sich zu äußern.Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Roth von der SPD hat gesagt, daß die Regierung ein Recht auf Kritik an der laufenden Tarifbewegung, das Recht habe, sich dazu zu äußern. Auch Anke Fuchs hat sich in dieser Weise ausgesprochen. Das, was sie nicht wollen — darauf möchte ich zu sprechen kommen und vielleicht einen neuen Akzent in dieser Diskussion setzen —, ist, daß sich die Regierung in den laufenden Tarifkonflikt einmischt, weil sie sich dann, wenn die streitenden Parteien miteinander nicht mehr zurechtkommen, als Friedensstifter, als Schlichter bereithalten und eine Vermittlerrolle spielen soll. Ich glaube, daß die gesamte SPD-Fraktion von einer falschen Voraussetzung ausgeht. Ich glaube, daß die jetzige Bundesregierung — ob das nun Herr Lambsdorff, Herr Kohl oder Herr Blüm ist — angesichts des Sozialabbaus, den sie vorangetrieben hat, nicht geeignet ist, in der laufenden Tarifrunde als Vermittler überhaupt in Frage zu kommen.
Das ist nicht bös gemeint, das ist einfach eine sachliche Feststellung; da müssen sich schon andere bereithalten. Insofern ist die Sorge der SPD unbegründet. Ich denke aber, daß die Ängste der SPD darin liegen, daß die Möglichkeiten zu einem Kompromiß irgendwie verbaut werden.
Das bringt mich auf den Gedanken, doch einmal zu hinterfragen, wo denn die möglichen Kompromißlinien liegen, die heute schon anvisiert werden und die in einigen Betrieben heute schon abgeschlossen worden sind — mit Billigung der IG Metall, der IG Chemie, also mit Billigung derjenigen, die jetzt den Kampf um die 35-Stunden-Woche führen. Der Kompromiß liegt da — das muß man sagen —, daß für die mögliche Reduzierung der Stundenzahl von 40 auf 38 oder 37 in Form von Samstagsarbeit, in Form von zusätzlicher, gesundheitsschädigender Schichtarbeit, mit zunehmender Rationalisierung und Flexibilität der Belegschaften, angepaßt an einen immer härter und intensiver werdenden Produktionsprozeß, gezahlt wird. Ich glaube, daß allen, die heute für die Arbeitszeitverkürzung eintreten, die auch wir unterstützen und die auch wir mittragen, ganz deutlich gesagt werden muß, sie möchten darauf achten, daß die Kompromißlinien nicht so aussehen — und die Gefahr ist sehr groß —, daß wir nachher in 38 Stunden so viel arbeiten wie jetzt in 40 Stunden.
Das Problem — jetzt komme ich zu einigen Fragen, die Herr Lambsdorff und auch Herr Blüm hier gestellt haben — liegt eigentlich darin, daß eine bloße Arbeitszeitverkürzung ohne andere wirtschaftspolitische Maßnahmen nichts bringen wird. Wir müssen gleichzeitig von dieser Stelle aus an mindestens zwei Punkten Überlegungen anstellen und die Schwierigkeiten aufzeigen, in die unsere Gesellschaft geraten ist:
Das ist erstens, eine Kontrolle des technischen Fortschritts ins Auge zu fassen, weil nämlich ein Großteil des technischen Fortschritts aus — binnenmarktwirtschaftlichen oder außenmarktwirtschaftlichen — Konkurrenzgründen stattfindet und Rationalisierungen nicht betrieben werden, um Produkte herzustellen, derer wir bedürfen, sondern Rationalisierung im Sinne von Arbeitsplatzvernichtung betrieben wird. Das geht an die Adresse des DGB und an all die, die jetzt die Bataillone für die Arbeitszeitverkürzungen ins Feld führen wollen: Sie müssen ihren Kurs ändern, der bisher darin bestand, daß sie über Geldleistungen mit dazu beigetragen haben, Zehntausende von Arbeitsplätzen bei VW, bei Ford, bei Opel und anderswo abzubauen. Man hat hingenommen, daß über Abfindungen Arbeitsplätze gegen Geld verkauft wurden, indem man den „technischen Fortschritt" akzeptiert hat. Ich denke, daß hier ein Umdenken notwendig ist, auch in der Bundesregierung, wenn sie überhaupt dazu bereit ist: den technischen Fortschritt und Rationalisierungsprozesse zu kontrollieren.
Zweitens — das geht speziell an die Adresse des Herrn Lambsdorff, der gesagt hat, wir können neue Arbeitsplätze nur durch zunehmendes Wachstum schaffen —: Wenn wir über Wachstum Arbeitsplätze schaffen wollen, dann müssen wir jährlich 5 bis 6 % Wachstum haben, um in zehn Jahren die Arbeitslosigkeit herunterzubringen. Damit geraten wir in Umweltprobleme, von denen Sie noch gar nicht träumen.
Ich denke, daß die Arbeitszeitverkürzungen, die wir unterstützen, begleitet sein müssen von Maßnahmen der Rationalisierungskontrolle und einer grundsätzlich anderen Wirtschaftspolitik, die so aussehen muß, daß wir unter humanen Bedingungen Produkte herstellen, daß der Bedarf gedeckt und nicht deshalb produziert wird, weil Leute Geld anhäufen oder Gewinne machen wollen oder ihre Marktanteile erhöhen wollen.
Herr Kollege, es tut mir leid, Ihre Arbeitszeit, pardon, Redezeit ist abgelaufen.
— Versprechen ist uns allen erlaubt.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich halte es für eine schlimme Sache, und ich bin als Gewerkschafter tief betroffen über einige Formulierungen, die hier heute nachmittag aus dem Munde einiger Oppositionsredner zu hören waren. Herr Kollege
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984 4141
Müller
Roth, hier zu sagen, die Bundesregierung sei eine Kampfgruppe der Arbeitgeber,
halte ich für eine Unverschämtheit, die ich deutlich zurückweisen möchte.
Verehrter Kollege Dreßler, wenn Sie sagen, das Eintreten der Bundesregierung für die Vorruhestandsregelung sei ein mit den Arbeitgebern abgekartetes Spiel, dann halte ich das für billigste Polemik. Ich will das einmal ganz deutlich sagen. Ich habe für diese Art der Argumentation überhaupt kein Verständnis. Ich meine, wir hätten angesichts der zweieinhalb Millionen Arbeitslosen anderes zu tun, als uns in solcher billiger Polemik gegenseitig zu beschimpfen.
Ich kenne in meiner Fraktion niemanden — damit will ich einen weiteren Vorwurf aufgreifen —, der an der Tarifautonomie rütteln will.
Der Staat sitzt nicht am Verhandlungstisch, und er wird dort auch gar nicht gebraucht. Die Tarifpartner sollen auch in Zukunft über ihre Abschlüsse frei entscheiden können. Tarifautonomie bedeutet aber doch kein Sprechverbot für alle anderen. In einer offenen Gesellschaft muß man doch über alles reden können. Wer Sprechverbote haben will, der ist doch auf der Suche nach einer anderen Gesellschaft, die wir, die Christlichen Demokraten, nicht wollen.
In einer Demokratie steht die Diskussion vor der Bevormundung. Von dieser Diskussion, meine ich, dürfte keiner ausgeschlossen werden, auch nicht die Mitglieder der Bundesregierung. Ich habe wirklich kein Verständnis dafür, daß Sie sich hier hinstellen und der Bundesregierung den Mund verbieten wollen. In der Vergangenheit haben doch auch Minister der früheren SPD-Regierungen immer wieder kritisch zu Tarifvorschlägen Stellung genommen. Ich kann nicht erkennen, daß Tarifverhandlungen durch solche Stellungnahmen behindert wurden.Meine Damen und Herren, den Versuch der SPD, jetzt der Bundesregierung eine Verletzung der Neutralitätspflicht vorzuwerfen, kann ich nur als einen Akt politischer Brunnenvergiftung bezeichnen.
Wir werden es nicht zulassen, daß Sie unsere Regierung in eine falsche Ecke stellen. Beschuldigungen und mimosenhafte Empfindlichkeiten ersetzen noch keine Sachpolitik. Das gilt auch für einige Gewerkschaften, die die Bundesregierung seit dem Regierungswechsel in rüdester Weise kritisieren und zu diffamieren versuchen. Ich will das einmaldeutlich sagen: Die Arbeitnehmer wollen keinen Pakt und keine Verbrüderung zwischen SPD und einigen Teilen des DGB zur Wiedererlangung Ihrer Macht in Bonn.
Das Gut der Einheit muß für uns in den Gewerkschaften ganz hoch stehen.Die Bundesregierung trägt in einem hohen Maße die Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und vor allem auch für einen wirkungsvollen Abbau der Arbeitslosigkeit.
Ihr steht nach dem Stabilitätsgesetz von 1967 auch das Recht zu, Orientierungsdaten zu nennen und zu sagen, wie diese Ziele am ehesten zu erreichen sind.
Die Warnungen der Bundesregierung vor einer generellen Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist eine solche Orientierungsmarke. Ich hielte es geradezu für unverantwortlich, wenn es die Bundesregierung unterlassen würde, ihre Ansichten über die arbeitszeitverkürzenden Maßnahmen der Öffentlichkeit vorzutragen. Das ist kein politischer Grabenkrieg gegen die Gewerkschaften, sondern das ist das Gebot der Vernunft und der Klugheit. Ich werde dieses Recht der Bundesregierung, ihre Meinung zu diesen Fragen sagen zu können, jederzeit verteidigen.Lassen Sie mich zum Abschluß sagen: Ich halte die Ansetzung dieser Aktuellen Stunde für den völlig untauglichen Versuch, die Verabschiedung der Vorruhestandsregelung zu verzögern oder gar zu verhindern. Wir lassen uns diese tragfähigen Bausteine eines Beschäftigungspaktes
zwischen Regierung und den verantwortlichen Kräften in den Gewerkschaften und im Unternehmenslager nicht zerstören, sondern wir werden diese Rahmenregelung auch im Gesetzesverfahren durchsetzen.
Meine Damen und Herren, die Vertreter der Bundesregierung — deren Zeiten nicht einzurechnen sind, um das Mißverständnis aufzuklären — haben nach amtlichen Feststellungen 20 Minuten gesprochen. Infolgedessen ist die Aktuelle Stunde nicht vorbei.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind Fragen an uns aufgeworfen worden, und darauf muß man etwas antworten. Als gerade gesagt wurde, wir wollten die Vorruhestandsregelung boykottieren oder unterlaufen, habe ich mich erinnert, wer als erster hier im Bundestag
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4142 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1984
Rotheine Regelung zur 58-Jahre-Übergangsrente eingebracht hat: Das war die SPD-Fraktion.
Sie haben 14 Monate seit diesem Zeitpunkt mit Gerede zwischen den Gruppierungen innerhalb der Union und zwischen den Koalitionsparteien verpulvert.
Sie werden im Ausschuß, wohin das jetzt geht, sehen, daß die SPD mithelfen wird, daß aus diesem Gesetzentwurf ein wirksamer Gesetzentwurf wird. Das ist die Wahrheit.
Das kann nicht mit 65% des früheren Einkommens geschehen. Es ist j a unglaublich, so etwas von Ihnen, Herr Müller , gerade als Vorsitzender der KAB als wirksame Vorruhestandsregelung dargeboten zu bekommen.
Sie wissen doch selbst, daß Ihre Organisation zusammen mit den Sozialausschüssen in dieser Frage ganz anderer Auffassung als die Bundesregierung ist.
Dann zur Wochenarbeitszeitverkürzung generell: Wir haben gemeinsam vor wenigen Tagen den Geburtstag des Nestors der katholischen Soziallehre, vielleicht der Soziallehre überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland — das ist inzwischen von den Konfessionen her übergreifend —, von Oskar von Nell-Breuning, gefeiert. Sie wissen doch genausogut wie ich, daß er der Auffassung ist, daß ohne Wochenarbeitszeitverkürzung in den nächsten Jahren das Maß an Rationalisierung, das vor uns steht, nicht aufzufangen ist. Das ist doch die Lage.
Nun komme ich zu den Angriffen des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Die Bundesregierung hat mit der Behauptung in diesen Tarifkampf eingegriffen, nur die Position der Arbeitgeber sei tragfähig — und zwar von Anfang an —, denn was sollen die Begriffe „dumm", „absurd" und „töricht" anderes bedeuten, als überhaupt nein zu sagen?
Wenn Sie am vorletzten Montag, vor etwa zehn Tagen, das Interview von Herrn Steinkühler
über die Frage der Verhandlungsposition gelesenhaben, dann wissen Sie, daß die IG Metall — HerrSteinkühler redet ja für die IG Metall mit — deutlich gemacht hat, daß sie verhandlungsfähig ist, daßdas, was im Raum steht, eine Ausgangsposition ist.
Am Wochenende nach diesem Interview von Steinkühler haben Sie es für richtig gehalten, Steinkühler und die Gewerkschaftsbewegung besonders übel anzugreifen, statt das aufzunehmen. Das ist der Punkt!
Dann lenken Sie hier ab und fangen mit der MA Streit über Verstaatlichung an. Wissen Sie, wer Arbed/Saarstahl de facto verstaatlicht hat, so daß er zu jeder Detailentscheidung ja sagen muß oder nein sagen muß, sollte so nicht reden. Ich habe diese Woche mit einem Mitbestimmungsvertreter von Arbed gesprochen, der mir gesagt hat: Wir haben im Aufsichtsrat gar nichts mehr zu sagen, das entscheidet alles Lambsdorff. — Wer in der Stahlindustrie so entscheidet, der soll uns nicht mit Verstaatlichung kommen.
Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, uns geht es hier nicht um einen Schlichter, Herr Hoss, uns geht es hier um eine Bundesregierung, die zum sozialen Frieden beiträgt — keine Schlichtungsfunktion; das ist ein großer Unterschied —, die nicht anheizt und die nicht das soziale Klima verschärft. Das ist der Punkt. Ich sage hier noch einmal: Diese Bundesregierung verschärft mit ihrem Kurs das soziale Klima und ist mitverantwortlich für Streik und Aussperrung, falls es dazu kommt.
Meine Damen und Herren, da kein Antrag vorliegt, ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich möchte noch Veränderungen der morgigen Tagesordnung bekanntgeben: Interfraktionell ist vereinbart, die morgige Fragestunde nicht für 14 Uhr, sondern für 8 Uhr vorzusehen, deren Dauer auf 60 Minuten zu begrenzen und die Dauer der Aussprache zu Punkt 3 der Tagesordnung von fünf auf sechs Stunden heraufzusetzen.
Ich berufe deshalb die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. März, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.