Protokoll:
7039

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 39

  • date_rangeDatum: 7. Juni 1973

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:41 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 39. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2107 A Amtliche Mitteilungen 2107 B Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (SPD, FDP) (Drucksache 7/80) ; Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Drucksache 7/514) — Zweite und dritte Beratung — Dr. de With (SPD) 2107 C Dr. Eyrich (CDU/CSU) . . 2109 D, 2137 D, 2140 C von Schoeler (FDP) 2113 C Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 2117 C, 2133 C Kleinert (FDP) 2123 A Brandt (Grolsheim) (SPD) . . . . 2125 A Krockert (SPD) 2126 D Freiherr Ostman von der Leye (SPD) 2127 D Dr. Müller-Emmert (SPD) (zur GO) 2129 D, 2134 C Engelhard (FDP) 2139 A Jahn, Bundesminister (BMJ) . . . 2174 A Namentliche Abstimmung 2176 B Begrüßung des Präsidenten des indischen Unterhauses und einer Delegation der beiden Häuser des indischen Parlaments 2129 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Februar 1966 über die Eichung von Binnenschiffen (Drucksache 7/481) ; Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (Drucksache 7/634) —Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 2130 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 120 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 8. Juli 1964 über den Gesundheitsschutz im Handel und in Büros (Drucksache 7/414) ; Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache 7/652) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 2130 B Entwurf eines Gesetzes zu dem internationalen Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe (Drucksache 7/126); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/678), Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (Drucksache 7/638) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — . . . . . . . . 2130 C Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Selbstverwaltungsrechts und zur Vereinfachung des Wahlverfahrens (Achtes Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes) (Drucksache 7/288) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 GO (Drucksache 7/679), Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache 7/644) — Zweite und dritte Beratung —Glombig (SPD) 2131 A, B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Drucksache 7/97); Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (Drucksache 7/659) — Zweite und dritte Beratung — 2131 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 7/472); Bericht und Antrag des Finanzausschusses (Drucksache 7/661) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 2132 A Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksache 7/293); Bericht und Antrag des Finanzausschusses (Drucksache 7/663) — Zweite und dritte Beratung — 2132 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes (Drucksache 7/596) — Erste Beratung — 2132 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes (Drucksache 7/597) — Erste Beratung — 2132 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (SPD, FDP) (Drucksache 7/613) — Erste Beratung — 2132 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1972 (Drucksache 7/645) — Erste Beratung — 2132 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Juni 1970 zur Verlängerung der langfristigen Vereinbarung vom 9. Februar 1962 über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien (Drucksache 7/647) — Erste Beratung — 2132 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und über die Einrichtung eines Gewerbezentralregisters (Drucksache 7/626) — Erste Beratung — 2133 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes (Bundesrat) (Drucksache 7/598) — Erste Beratung — Jahn, Bundesminister (BMJ) . . . . 2155 A Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 2155 D Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) 2157 B Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . . 2158 D Fragestunde (Drucksache 7/653) Fragen A 45 und 46 des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Auswirkungen der steuerlichen und der stabilitätspolitischen Maßnahmen auf die Gesamtentwicklung der Fördergebiete, insbesondere des Zonenrandgebiets — weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Infrastruktur Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2142 A, B, C, D, 2143 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . 2142 A, B, D, 2143 A Frage A 47 des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Differenzierung bei den Konjunkturdämpfungsmaßnahmen im Hinblick auf die Situation der Tiefbauindustrie im nordoberpfälzischen Raum Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2143 B, C, D Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . 2143 C Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . 2143 D Frage A 48 des Abg. Simpfendörfer (SPD) : Möglichkeiten zur Verhinderung von Preisabsprachen der Unternehmer im Bausektor Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2144 A, C Simpfendörfer (SPD) 2144 C Frage A 49 des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Bedeutung der wirtschaftsschwachen Räume im Hinblick auf das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2144 D, 2145 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) 2145 A Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . . 2145 B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 III Fragen A 50 und 51 des Abg. Geldner (FDP) : Existenz mittelständischer Mineralölhändler Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2145 C, 2146 A, B Biehle (CDU/CSU) . . . 2145 D, 2146 B Dr. Dollinger (CDU/CSU) . . . . 2146 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 2146 C Frage A 52 des Abg. Stahl (Kempen) (SPD) : Sicherung der Stromversorgung durch verstärkten Bau von Kraftwerken mit bivalenter Beschickungsmöglichkeit Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2146 C, D, 2147 A Stahl (Kempen) (SPD) . . 2146 D, 2147 A Frage A 53 der Abg. Frau Dr. RiedelMartiny (SPD) : Internationale Zusammenarbeit der Verbraucherverbände Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2147 B, C, D Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) . 2147 B, C Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 2147 C Frage A 54 des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Teilweise Übernahme der Koksversorgung der Stahlindustrie an der Ruhr durch eine polnische Organisation Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2147D, 2148 A Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) . . 2148 A Dr. Schmude (SPD) 2148 A Frage A 35 des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Strukturpolitische Wirkungen der Mineralölsteuererhöhung für wirtschaftsschwache, revierferne und ländliche Räume Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2148 B, D, 2149 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . . 2148 C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . 2149 A Frage A 39 des Abg. Sick (CDU/CSU) : Hohe Transportkosten und schlechte Versorgung des flachen Landes mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Grund für die Abwanderung der Bevölkerung in die Ballungsräume Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2149 B, C, D, 2150 A Sick (CDU/CSU) 2149 C, D Milz (CDU/CSU) . . . . . . . 2150 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 2150 A Fragen A 55 und 56 des Abg. Milz (CDU/CSU) : Nichtbeteiligung des ehemaligen Bundesbeauftragten für Naturschutz an der Erstellung von Gesetzentwürfen Ertl, Bundesminister (BML) . . . 2150 B, D, 2151 A, C, D, 2152 A Milz (CDU/CSU) . 2150 D, 2151 A, C, D Frage A 57 der Abg. Frau Dr. RiedelMartiny (SPD) : Forschungsauftrag zur Untersuchung der Versorgung des ländlichen Raumes mit Gütern des primären Bedarfs Ertl, Bundesminister (BML) . 2152 A, B, C Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) . . . 2152 B Frage A 65 des Abg. Dr.-Ing. Oetting (SPD) : Krankenversicherung für ausgeschiedene Hauptleute der Bundeswehr Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2152 D Frage A 66 des Abg. Dr.-Ing. Oetting (SPD) : Tilgung von Disziplinarstrafen bei Wehrpflichtigen sowie Zeit- und Berufssoldaten Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2153 A, C Dr.-Ing. Oetting (SPD) 2153 C Frage A 67 des Abg. Ey (CDU/CSU) : Entwicklung geräuscharmer Triebwerke für Düsenjäger Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2153 D, 2154 A Ey (CDU/CSU) . . . . . . . 2154 A IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 Frage A 68 des Abg. Ey (CDU/CSU) : Übungsflüge für schnellfliegende Flugzeuge Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2154 B, D Ey (CDU/CSU) . . . . . . . 2154 C, D Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Beamten- und Besoldungsrechts im Hochschulbereich (Bundesrat) (Drucksache 7/612) — Erste Beratung — Dr. Wernitz (SPD) 2159 B Pfeifer (CDU/CSU) 2161 B Frau Schuchardt (FDP) 2163 D Dr. Schweitzer (SPD) 2165 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes (Abg. Josten, Geisenhofer, Dr. Kliesing, Röhner, von Bockelberg, Burger, Damm, Erhard [Bad Schwalbach], Dr. Jahn [Münster], Maucher, Dr. Schulze-Vorberg, Frau Will-Feld, Wissebach u. Gen.) (Drucksache 7/637) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (Josten, Dr. Kliesing, Geisenhofer, Maucher, Röhner, Müller [Berlin], Burger, Frau Will-Feld, Damm, von Bockelberg, Erhard [Bad Schwalbach], Wissebach, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Jahn [Münster] u. Gen.) (Drucksache 7/636) — Erste Beratung — und mit Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Beseitigung etwaiger Nachteile bei der Alterssicherung von Personen mit langen Zeiten der Kriegsgefangenschaft (Drucksache 7/668) Josten (CDU/CSU) 2168 A Hofmann (SPD) . . . . . . . 2170 C Antrag des Vermittlungsausschusses zu dem Steueränderungsgesetz 1973 (Drucksache 7/680) Wienand (SPD) . . . . . . . . 2178 B Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . . 2178 B Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . . 2179 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) . 2180 B Frau Funcke, Vizepräsident . . . . 2181 A Antrag des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts (Drucksache 7/681) Wienand (SPD) . . . . . . . . 2181 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) . 2181 D Dr. Häfele (CDU/CSU) 2182 D Kirst (FDP) 2183 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache 7/531); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache 7/685), Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (Drucksache 7/655) — Zweite und dritte Beratung — Braun (CDU/CSU) 2184 D Fiebig (SPD) . . . . . . 2185 B, 2190 B Carstens (Emstek) (CDU/CSU) . . . 2186 B Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2188 A Burger (CDU/CSU) 2190 D Mertes (Stuttgart) (FDP) 2192 B Entwurf eines Gesetzes zum Schutze von Kindern als Zeugen im Strafprozeß (Abg: Rollmann, Dr. Eyrich und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/649) — Erste Beratung — 2192 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Drucksache 7/658) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (Drucksache 7/660) — Erste Beratung — Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) 2193 A Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 2195 A Ronneburger (FDP) 2196 A Sammelübersicht 5 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 31. März 1973 eingegangenen Petitionen (Drucksache 7/589) in Verbindung mit Sammelübersicht 6 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 7/617) . . . . . . . . . . . 2197 B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 V Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/73 — Zollpräferenzen 1973 gegenüber Entwicklungsländern-EGKS) (Drucksachen 7/428, 7/578) 2197 C Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 6/73 — Angleichungszoll für Trinkweine) (Drucksachen 7/310, 7/579) in Verbindung mit Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Dreiundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —zu der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — (Drucksachen 7/311, 7/309, 7/582) . . 2197 D Antrag der Bundesregierung betr. Veräußerung des ehemaligen Schießstandsgeländes Dornhalde in Stuttgart an die Stadt Stuttgart (Drucksache 7/595) 2198 A Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abg. Burger, Maucher, Härzschel, Frau Schroeder [Detmold] und Fraktion der CDU/CSU betr. Einführung von Krankenscheinheften für die vorsorgeberechtigten Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen (Zugeteilte) (Drucksachen 7/230, 7/627) . . . . . . . . 2198 A Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen der SPD, FDP und der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1973 der Bundesregierung (Drucksachen 7/220, 7/221, 7/621) 2198 B Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft zu den Vorschlägen der EG- Kommission für Verordnungen des Rates über die Finanzierung der Beihilfe für die Seidenraupenzucht zur Änderung der Verordnung Nr. 1059/69 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird über die Einfuhr von Olivenöl aus Tunesien über die Einfuhr von Olivenöl aus Marokko über die Einfuhr von Olivenöl vom Libanon über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Libanesischen Republik über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Republik Zypern zur Regelung der Einfuhr von Wein, der unter der Bezeichnung „Cyprus sherry" mit Ursprung in und Herkunft aus Zypern ausgeführt wird, sowie zur Einführung von Beihilfen für gleichartige Weine, die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erzeugt und nach Irland und dem Vereinigten Königreich ausgeführt werden (Drucksachen 7/164, 7/381, 7/279, 7/236, 7/285, 7/380, 7/305, 7/385, 7/384, 7/585) . 2198 B Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft zu den Vorschlägen der EG- Kommission für Verordnungen bzw. eine Entscheidung des Rates über die Befreiung von Zöllen innerhalb der erweiterten Gemeinschaft für Gemeinschaftswaren in Kleinsendungen ohne kommerziellen Charakter zur zeitweisen Erweiterung der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen um 10 % über eine 10%ige Erhöhung der Kontingentbeträge oder Plafonds, die für die Anwendung der allgemeinen Präferenzen im Jahre 1973 festgelegt worden sind über eine 10%ige Erhöhung der Kontingentbeträge oder Plafonds, die für die Anwendung der allgemeinen Präferenzen im Jahre 1973 bezüglich der Eisen- und Stahlerzeugnisse des EGKS-Vertrags festgelegt worden sind zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Spinnfasern, der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Zypern zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Oberkleidung für Männer und Knaben, der Tarifnummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Zypern zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle, der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Libanon zur Festsetzung der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsab- VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 fälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei (Drucksachen 7/150, 7/163, 7/382, 7/391, 7/383, 7/586) 2198 D Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft zu den Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) über das Schiedsgerichtsverfahren für die aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten öffentlichen Aufträge einen Beschluß des Assoziationsrates über die Regelung von Streitigkeiten bei der Vergabe und der Durchführung der vom EEF finanzierten öffentlichen Aufträge auf dem Wege der Schiedsgerichtsbarkeit eine Verordnung (EWG) des Rates über die Durchführung des Beschlusses des Assoziationsrates einen Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses vom 29. September 1970 über die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 859/72 des Rates vom 25. April 1972 über die Regelung für bestimmte Obst- und Gemüsesorten mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 860/72 des Rates vom 25. April 1972 über die Regelung für bestimmte Obst- und Gemüsesorten mit Ursprung in der Vereinigten Republik Tansania, der Republik Uganda und der Republik Kenia eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Durchführung des Beschlusses Nr. 43/72 des Assoziationsrates, der im Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Assoziierten Afrikanischen Staaten und Madagaskar vorgesehen ist eine Empfehlung zu der Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Protokolls zur Festlegung bestimmter Vorschriften betreffend das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Empfehlung zu der Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Protokolls zur Festlegung bestimmter Vorschriften betreffend das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Änderung von Artikel 5 des Anhangs I des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Änderung von Artikel 5 des Anhangs I des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zwischen der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Ägypten vorgesehenen Schutzmaßnahmen eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Libanon vorgesehenen Schutzmaßnahmen eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern vorgesehenen Schutzmaßnahmen (Drucksachen 7/70, 7/205, 7/278, 7/210, 7/299, 7/286, 7/304, 7/593) 2199 A Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dritten Ländern betreffend die Regelung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs mit Kraftomnibussen (Drucksachen 7/144, 7/629) . . . 2199 D Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen (Drucksachen 7/59, 7/630) 2199 D Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2829/72 des Rates über das Gemeinschaftskontingent für Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 VII den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksachen 7/423, 7/631) . 2200 A Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis von Fahrrädern mit Hilfsmotor (Drucksachen 7/161, 7/632) 2200 A Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie des Rates über die Aufstellung einiger gemeinsamer Regeln für den internationalen Verkehr (gewerblicher Güterkraftverkehr) (Drucksachen 7/16, 7/633) 2200 B Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG hinsichtlich des Erfassungsbereichs und der Zahl der Buchführungsbetriebe, die beim Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen der EWG zu berücksichtigen sind eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1675/72 für die Festsetzung der Beihilfe auf dem Saatgutsektor für das Wirtschaftsjahr 1972/73 für Dänemark eine Änderung des im Anhang der Entschließung des Rates vom 20. Juli 1972 enthaltenen Entwurfs einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Getreide (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 86 vom 10. August 1972, S. 16) eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung betreffend den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (Drucksachen 7/143, 7/160, 7/166, 7/204, 7/639) 2200 B Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aerosole (Drucksachen 7/461, 7/646) . . . . . . . . . . . 2200 C Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Erhebung von Zinsen im Rahmen des EAGFL und der Nahrungsmittelhilfe gezahlter Beträge, die wieder einzuziehen sind eine Verordnung (EWG) des Rates zur Verlängerung der Aussetzung der Einfuhrabgaben und Ausgleichsbeträge eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1964 betreffend den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/ EWG hinsichtlich der Feststellung der Preise für geschlachtete Schweine in der Gemeinschaft (Drucksachen 7/291, 7/406, 7/438, 7/493, 7/662) 2200 C Bericht und Antrag des Finanzausschusses zu den Vorschlägen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über die vollständige Aussetzung von Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs, Abgaben gleicher Wirkung und Abschöpfungen für in Form unentgeltlicher Zuwendungen aus Drittländern eingeführte Waren, die dazu bestimmt sind, unentgeltlich an Katastrophenopfer weitergegeben zu werden eine dritte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern im Reiseverkehr eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen an Privatpersonen eine Verordnung (EWG) des Rates über die zolltarifliche Behandlung von Waren, welche Reisende in den Verkaufsstellen der Flughäfen sowie in Flugzeugen, auf Schiffen oder Luftkissenfahrzeugen erwerben, die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten verkehren eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den pasiven Veredelungsverkehr (Drucksachen 7/140, 7/139, 7/141, 7/137, 7/664) 2200 D Ubersicht 2 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 7/628) 2201 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2201 C VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2203* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Frage A 26 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) betr. Enteignung von Grundflächen für das in München zu errichtende Europäische Patentamt . . . 2203* C Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 63 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Klepsch (CDU/CSU) betr. gemeinsame Ausbildung von Piloten aus den Ländern der EuroGruppe 2203* D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 64 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Klepsch (CDU/CSU) betr. gemeinsame Manöver von Streitkräften der Länder der EuroGruppe 2204* C Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack (BMBau) auf die Frage A 86 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Schneider (CDU/CSU) betr. Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 91 des Städtebauförderungsgesetzes 2205* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 2107 39. Sitzung Bonn, den 7. Juni 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 8. 6. Adams * 8. 6. Dr. Ahrens *** 7. 6. Dr. Aigner * 8. 6. Dr. Arndt (Berlin) * 8. 6. Dr. Artzinger * 8. 6. Dr. Bangemann * 8. 6. Dr. Becher (Pullach) 8. 6. Behrendt * 8. 6. Blumenfeld * 8. 6. Dr. Böger 8. 6. Dr. Burgbacher * 8. 6. Dr. Corterier 8. 6. van Delden 8. 6. Dr. Enders *** 7. 6. Fellermaier * 8. 6. Flämig* 8. 6. Frehsee * 8. 6. Dr. Früh * 8. 6. Gerlach (Emsland) * 8. 6. Graaff 8. 6. Härzschel * 8. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 8. 6. Kater X 8. 6. Katzer 7. 6. Dr. Kempfler XXX 7. 6. Kiep 8. 6. Dr. Klepsch * 8. 6. Krall * 8. 6. Dr. Kreile 8. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 7. 6. Lange * 8. 6. Lautenschlager * 8. 6. Liedtke 20. 6. Logemann 8. 6. Lücker * 8. 6. Dr. Martin 20. 6. Memmel * 8. 6. Dr. Müller-Hermann 7. 6. Müller (Mülheim) * 8. 6. Dr. Müller (München) *** 7. 6. Mursch (Soltau-Harburg) * 8. 6. Frau Dr. Orth 20. 6. Frau Dr. Riede 7. 6. Schmidt (München) * 8. 6. Schmidt (Wattenscheid) 9. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 8. 6. Schwabe * 8. 6. Dr. Schwörer * 8. 6. Seefeld * 8. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 8. 6. Springorum * 8. 6. Dr. Starke (Franken) * 8. 6. *Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ***Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Strauß 20. 6. Walkhoff * 8. 6. Frau Dr. Walz * 8. 6. Weber (Heidelberg) 8. 6. Wende 7. 6. Wiefel 20. 6. Wurbs 8. 6. Anlage 2 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 6. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 26) : Durch wen, wann, durch welches Schreiben und aufgrund welcher Rechtsvorschrift wurde die Stadt München von der Bundesregierung oder einer anderen Bundesbehörde beauftragt und ermächtigt, für das in München zu errichtende Europäische Patentamt im eigenen Namen Grundflächen für die Bundesrepublik Deutschland zu enteignen? Der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München haben sich im Jahre 1964 verpflichtet, das für das Europäische Patentamt benötigte Gelände an der Erhardtstraße baureif zur Verfügung zu stellen. Das von dem Freistaat Bayern zugesagte Gelände befindet sich bereits im Eigentum des Freistaats. Das von der Landeshauptstadt München zugesagte Gelände befindet sich zum Teil noch in Privateigentum und konnte bisher noch nicht vollständig freihändig erworben werden. Um ihrer Verpflichtung gegenüber der Bundesregierung zu genügen, hat die Landeshauptstadt München gegen die nicht verkaufsbereiten Eigentümer der benötigten Grundstücke Antrag auf Enteignung und auf vorläufige Besitzeinweisung gestellt. Wie ich durch Anfrage ermittelt habe, stützt die Stadt sich hierbei auf § 85 Absatz 1 Ziffer 1 Bundesbaugesetz und den rechtsgültigen Bebauungsplan 15 a. Vor Einleitung der Enteignungsmaßnahmen hat die Stadt den Bund gebeten, sie rein vorsorglich zu ermächtigen, den Enteignungsantrag erforderlichenfalls auch im eigenen Namen für den Bund stellen zu können, da das Gelände von der Europäischen Patentorganisation genutzt werden wird, die zur Zeit vom Bund vertreten wird. Diese Ermächtigung hat die Oberfinanzdirektion München der Landeshauptstadt München am 21. März 1973 erteilt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 63) : 2204* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 Beabsichtigt die Bundesregierung, entsprechend der Empfehlung der 18. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung, den Gedanken einer gemeinsamen Ausbildung der Piloten aus den Ländern der Euro-Gruppe, die das Mehrzweckkampfflugzeug MRCA einführen werden, in einem gemeinsamen Ausbildungszentrum nachdrücklich zu verfolgen, und wie beurteilt sie die Realisierbarkeit und die Nützlichkeit einer gemeinsamen Ausbildung von Hubschrauberpiloten von Ländern der EuroGruppe? Seit Juni 1972 untersucht eine Studiengruppe, bestehend aus Vertretern der englischen, italienischen und deutschen Luftstreitkräfte sowie der deutschen Marineflieger und der NAMMA (NATO — MRCA — Management — Agency) , Realisierbarkeit und Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen MRCA-Besatzungsausbildung. Die Kriterien, nach denen diese Untersuchungen geführt werden, sind Kosteneffektivität und Qualität der Ausbildung. Nachdem zu Anfang Fragen der Sprachausbildung und der Harmonisierung der nationalen Ausbildungsgrundsätze im Vordergrund standen, konzentriert sich die Arbeit der Gruppe z. Z. auf die Probleme der gemeinsamen Flugzeugbereitstellung und der Wartung und Instandhaltung sowie der ,Standortwahl für ein gemeinschaftliches Ausbildungszentrum. Erst nachdem der genaue Personal- und Flugzeugbedarf für eine gemeinsame Ausbildungseinrichtung ermittelt ist, sind zu den finanziellen und wirtschaftlichen Aspekten des Vorhabens entscheidende Antworten zu erwarten. Der bisherige Verlauf rechtfertigt eine Weiterführung der Untersuchung. Diese wird bereits heute in enger Zusammenarbeit mit der für die Ausbildung zuständigen Arbeitsgruppe (EUROTRAINING) der Euro-Gruppe geführt. Wenn über die Einführung der MRCA entschieden sein wird, wird auch eine volle Übernahme des .Ausbildungsprojekts durch EUROTRAINING stattfinden. Die Bundesregierung ist nachdrücklich am Zustandekommen einer gemeinsamen Ausbildung von MRCA-Piloten interessiert. Dies nicht nur aus den erwähnten ökonomischen Gründen, sondern auch, weil dadurch die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung ein weiteres Stück vorangetrieben würde. Die gemeinsame Ausbildung von Hubschrauberpiloten, auf die der zweite Teil der Frage abzielt, ist bereits seit 1972 Gegenstand von Untersuchungen im Rahmen von EUROTRAINING. An ihnen nehmen die Bundesrepublik, Dänemark, Großbritannien, Italien und Norwegen teil sowie Kanada als an evtl. Beteiligung interessiert und die USA als Beobachter teil. Die Untersuchungen über die Möglichkeiten und die Nützlichkeit einer gemeinsamen Ausbildung von Hubschrauber-Piloten werden zum 31. Juni 1973 abgeschlossen. Eine entscheidungsreife Empfehlung an die Minister soll durch EUROTRAINING im Herbst 1973 vorgelegt werden. Da der Nachholbedarf an Hubschrauber-Piloten im Bereich der Bundeswehr bis Ende 1973 ausgebildet ist, wird nur noch der Regenerationsbedarf zu schulen sein, der jedoch so gering ist, daß der materielle, finanzielle und personelle Aufwand für die nationale fliegerische Ausbildung der Hubschrauber-Piloten als zu hoch angesehen wird. In ähnlicher Lage befinden sich die Länder Norwegen, Dänemark und Holland. Eine Zusammenfassung der Grundausbildung an einer zu schaffenden gemeinsamen Hubschrauberführer-Schule mit günstigen Ausbildungsmöglichkeiten (z. B. hohe Anzahl der Sichtflugtage, hohe Nutzungsrate der Hubschrauber) unter Beibehaltung des hohen Ausbildungsstandards wird nach dem derzeitigen Untersuchungsstand von den einzelnen Ländern als die wirtschaftlichste Lösung angesehen und gefördert. Obwohl die Frage der Realisierbarkeit noch nicht abschließend behandelt ist, können dem Projekt nach bisherigem Stand gute Aussichten eingräumt. werden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 64) : Hält die Bundesregierung die Abhaltung gemeinsamer Übungsmanöver von Streitkräften der Länder der Euro-Gruppe für militärisch sinnvoll und einer stärkeren Integration dieser Streitkräfte dienlich? Die Abhaltung gemeinsamer Übungen und Manöver von NATO-Streitkräften fällt in die Kompetenz von NATO-Kommandobehörden. Diese halten Konferenzen zur Koordinierung der Planung und Durchführung solcher Übungsvorhaben ab. Diese gemeinsamen Ausbildungsvorhaben werden von allen Bündnispartnern geschätzt, aber nach Zahl und Umfang auch für ausreichend gehalten. Die EUROGROUP im Rahmen der bereits erwähnten Arbeitsgruppe EUROTRAINING befaßt sich dagegen ausschließlich mit Fragen der gemeinsamen Einzelausbildung. Obwohl die Abhaltung gemeinsamer Übungen und Manöver der verbündeten Streitkräfte generell als vom militärischen Standpunkt äußerst nützlich anzusehen ist, und ihr auch ein hoher Grad an integrierender Wirkung zuzuerkennen ist, wird eine Übernahme solcher Übungsvorhaben durch die EUROGROUP nicht für zweckmäßig erachtet. Sie würde zu Überschneidungen von Kompetenzen und Aufgabenstellungen führen. Dies liegt weder im Interesse der NATO noch in dem der EUROGROUP, deren Ziel vor allem die Stärkung der Allianz und die Vermeidung von Doppelarbeit im Bündnis ist. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 2205* Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 86) : Aus welchem Grund hat die Bundesregierung bisher von der Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 91 Nr. 3 bis 6 des Städtebauförderungsgesetzes noch keinen Gebrauch gemacht, nachdem dieses Gesetz bereits am 1. August 1971 in Kraft getreten ist, und ist die Ursache darin zu suchen, daß die in § 41 des Städtehauförderungsgesetzes getroffene Regelung über die Erhebung der Ausgleichsbeträge nicht praktikabel und deshalb auch nicht normierbar ist? Die Frage geht von unzutreffenden Voraussetzungend aus. Die Bestimmungen des Städtebauförderungsgesetzes über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen sind nämlich bereits jetzt aufgrund der eingehenden im Gesetz enthaltenen Regelung aus sich heraus vollziehbar, ohne daß es einer Rechtsverordnung nach § 91 bedürfte. Unabhängig davon werden in meinem Hause trotzdem bereits vorbereitende Überlegungen zum Erlaß von Ausführungsbestimmungen nach § 91 Nr. 3 bis 6 des Städtebauförderungsgesetzes angestellt. Ob und inwieweit solche Bestimmungen im einzelnen erforderlich sein werden, wird sich aus den vorgesehenen Erörterungen mit den Ländern und beteiligten Verbänden ergeben. Schwierigkeiten für die Rechtsverordnung sind nicht erkennbar.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in ,der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Punkte ergänzt werden:
1. Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Steueränderungsgesetz 1973
— Drucksache 7/680 —Berichterstatter: Minister Becker
2. Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts
- Drucksache 7/681 —Berichterstatter: Senator Dr. Heinsen
Das Haus ist einverstanden; die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 6. Juni 1973 die nachfolgenden Gesetze bestätigt:
Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol
Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes
Seine Schreiben werden als Drucksachen 7/683 und 7/684 verteilt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 25. Mai 1973 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1970 (Jahresrechnung 1970) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Entlastung gemäß § 114 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts
— Drucksache 7/80 —
Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform
— Drucksache 7/514 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eyrich
Abgeordneter Dr. de With

(Erste Beratung 12. Sitzung)

Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Aussprache hat der Abgeordnete Dr. de With.

Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0703900100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Ihnen heute das Vierte Strafrechtsreformgesetz zur zweiten und dritten Lesung vorliegt, d. h. die Reform der Strafbestimmungen zum Schutz von Ehe und Familie und die Strafbestimmungen zur sexuellen Selbstbestimmung, anders ausgedrückt, die Reform des Sexualstrafrechts, dann muß und sollte auch daran erinnert werden, daß diese Reform nur eine Teilreform des Strafgesetzbuches darstellt, wenn auch eine gewichtige in Umfang und Inhalt.
Es war fast genau vor vier Jahren, als der 5. Deutsche Bundestag das Erste ,und Zweite Strafrechtsreformgesetz, unter Gustav Heinemann begonnen, in zweiter und dritter Lesung verabschiedete. Das heißt, die nunmehr bereits in Kraft getretene Reform von Bestimmungen des Allgemeinen und des Besonderen Teils. Es wurden damit z. B. die kurze Freiheitsstrafe eingeführt und der Ehebruchstatbestand beseitigt. Die Reform des Allgemeinen Teils des StGB — nach den Beratungen des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, das wir im Bundestag bereits vorliegen haben —, muß noch in Kraft gesetzt werden.
Es war 1970, als ,das Dritte Strafrechtsreformgesetz, die Reform der Demonstrationsstrafdelikte, nur von den Koalitionsfraktionen getragen, verabschiedet wurde, wohingegen das Erste und Zweite Strafrechtsreformgesetz eine breite Zustimmung aller Parteien in diesem Bundestag gefunden hatten.
Schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, war es im Jahre 1972, fast genau vor einem Jahr, als das Vierte Strafrechtsreformgesetz — ich darf sagen, das nämliche — beinahe in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden wäre. Ich sage beinahe, denn die Koalitionsfraktionen wollten bereits vor einem Jahr das Vierte Strafrechtsreformgesetz zur zweiten und dritten Lesung bringen. Dies scheiterte in der damaligen Pattsituation nur daran, daß die Opposition auf unser Angebot nicht einging. Aus diesem Grunde sehen wir uns — ich glaube, das darf man so formulieren — heute hier wieder, heute, wo sich, wie erwähnt, die Ausschüsse ,des Bundestages bereits wiederum mit dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch be-



Dr. de With
fassen und das Fünfte Strafrechtsreformgesetz —die Reform des § 218 — in erster Lesung diesen Bundestag bereits passiert hat.
Als die Bundesregierung das Vierte Strafrechtsreformgesetz 1970 zum erstenmal im Deutschen Bundestag einbrachte, gab es zum Teil einen Sturm der Entrüstung; nennen wir es beim Namen: in kirchlichen Kreisen oder den Kirchen nahestehenden Kreisen, zum Teil in der insoweit nicht ganz informierten Bevölkerung — und bei der Opposition. Manche Äußerungen — wir sollten uns daran erinnern - erweckten seinerseit den Eindruck, als sei — es klingt platt, aber es war wohl so — das Abendland in Gefahr. Gemeint waren damit die Bestimmungen zur Reform der Pornographie-Tatbestände, obwohl eigentlich die Vorschläge zur Reform der Bestimmungen über die Blutschande, die Unzucht mit Abhängigen — damals hieß es noch so -, die Kuppelei, die Zuhälterei und vielleicht auch den Exhibitionismus mindestens dem Gewicht nach gleiche Wertigkeit hatten, was die zu reformierenden Straftatbestände betrifft. Heute — die Vorschläge sind im Grunde unverändert — gibt es nur noch — ich meine, im Sinn der Reform wohltuend — wenige und im Ton eigentlich moderate Gegenstimmen.
Die Entwicklung — ich sage das ohne Selbstgerechtigkeit — hat den Reformern recht gegeben. Manche meinen sogar, die Reformen gingen nicht weit genug. Wenn ich sage, ich äußere dies ohne Selbstgerechtigkeit, dann ist dies an die Adresse derer gerichtet, die zunächst beinahe jedwedes Reformvorhaben als unziemliches Bestreben zur Veränderung oder — ich darf hier diesen Ausdruck gebrauchen — Aufweichung angeblich noch bestehender heiler Sitten durch die Mittel der Gesetzgebung abzustempeln suchen.
Der Grundgedanke der Reform des Sexualstrafrechts entspricht dem Grundgedanken der Reform des Strafrechts überhaupt, nämlich: die Straftatbestände an der Sozialschädlichkeit, der Konkretisierbarkeit und der möglichen und wahrscheinlichen Wirksamkeit zu messen. Für die Reform des Sexualstrafrechts klassisch formuliert hat dies Adolf Arndt 1968 vor dem Juristentag in Nürnberg in seinem nun schon berühmt gewordenen Festvortrag „Strafrecht in einer offenen Gesellschaft" mit diesen Worten — ich denke, es ist wert, sich daran noch einmal zu erinnern; ich zitiere —:
Eine Ethik des Strafens, die eine Ethik strikter Zurückhaltung des Staates sein muß, führt also zu dem Postulat, daß die Mündigkeit der Menschen anerkennen auch und vornehmlich heißt, seine Selbstbestimmung in seiner Geschlechtlichkeit zu achten, außer es sei denn, er verletze mit sinnfälliger und beweisfähiger Tatsächlichkeit einen bestimmten Mitmenschen durch Gewalt oder Hinterlist oder in seiner dem Lebensalter nach noch schutzbedürftigen Unreife.
Mögen in der Opposition die Meinungen hierüber auch geteilt gewesen sein, so war zumindest einmal, 1969, diese Opposition mehrheitlich jener Auffassung. Ich darf hierzu Max Güde, den früheren CDU-
Bundestagsabgeordneten und seinerzeitigen Vorsitzenden des Strafrechtssonderausschusses im Widerstreit mit dem früheren Kollegen Wuermeling aus dem Bundestagsprotokoll vom 9. Mai 1969 zitieren - meine Herren von der Opposition, es lohnt sich zuzuhören, was damals Ihr Kollege sagte —:
Meine Damen und Herren, wenn Herr Dr. Wuermeling argumentiert, daß der Ehebruch sozialschädlich sei, so liegt darin eine Verdünnung des Begriffs der Sozialschädlichkeit, die dazu führen müßte, daß man wieder zur Strafwürdigkeit und zum Straftatbestand des Verstoßes gegen ethische Normen käme. Sozialschädlich in dem Sinne, wie Herr Wuermeling es darzulegen versucht hat, heißt ja nichts anderes, als daß eben der moralische Verstoß als solcher strafbar sein müsse.
Das Anlegen dieser Maßstäbe von Max Güde müßte Sie, meine Herren von der Opposition, eigentlich zur Annahme der Ihnen vorliegenden Vorschläge des Strafrechtssonderausschusses veranlassen, vorausgesetzt, die Zahl der Wuermelings hat sich nicht vermehrt.
Wenn im ersten Teil — ich komme jetzt zu konkreten Bestimmungen — Straftatbestände wie Aufsichtspflichtverletzung, Ehebetrug, Beiseiteschaffen von Familienhabe und Verlassen Schwangerer ersatzlos gestrichen wurden, so entsprach dies längst allgemein anerkannten Forderungen. § 170 d — Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht — hat der Ausschuß dagegen angereichert. Wir meinen nämlich, es muß deutlich gemacht werden, daß unsere Kinder nicht nur in ihrer körperlichen, sondern auch in ihrer psychischen Integrität geschützt werden müssen. Das heißt mit anderen Worten: Reform bedeutet nicht nur Streichung obsoleter Straftatbestände, sondern Reform bedeutet auch Schaffung neuer, wenn dies die Zeit erfordert.
Schwerpunkte der Reform bilden freilich der neue Straftatbestand „Verherrlichung von Gewalt", die Bestimmungen wie „Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen" — früher Unzucht mit Abhängigen —, „Homosexuelle Handlungen", „Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger" — früher gemeinhin bekannt unter dem Stichwort Kuppelei -, dies zusammen mit der „Förderung der Prostitution" und der Zuhälterei", und natürlich -wie könnte es anders sein? — die Bestimmungen zur Pornographieregelung.
Der von mir erwähnte neue Tatbestand des § 131 — Verherrlichung von Gewalt; Aufstachelung zum Rassenhaß — will die unberechtigte Verherrlichung und Verniedlichung von Gewalt in den Medien treffen. Wir meinen, wenn die Gefahr besteht, daß die dargestellte Verherrlichung von Gewalt Weckfunktion bei Labilen nach sich ziehen kann — unser heutiger Stand der Erkenntnis spricht in hohem Maße dafür —, dann muß es hier oder sollte es wenigstens einen strafrechtlichen Schutz geben. Im Zweifel gilt es, den Schutz der körperlichen Integrität durch Strafnormen abzusichern. Dies gilt -
ich glaube, das muß an diesem Ort betont werden —namentlich für unsere Kinder.



Dr. de With
Die Ausgestaltung dieser Strafbestimmung steht selbstredend unter dem Kunstvorbehalt und gestattet die Freiheit der Berichterstattung aus dem Zeitgeschehen und der Geschichte. Die bloße Schilderung grausamer Vorgänge an sich fällt nicht darunter. Hinzu kommen muß, daß dadurch eine Gewaltverherrlichung verursacht wird. Letztlich kann man sagen, daß die neu geschaffene Strafbestimmung des § 131 dem entspricht, was in Fernsehverträgen — freilich nicht als Gesetz — bereits geregelt ist. Ich sage es frank und frei, und ich meine, dies ist die Auffassung des Ausschusses, daß wir uns von dieser Vorschrift in erster Linie eine Warnfunktion versprechen, wiewohl hier, wenn auch der „Vorhang hochgezogen" ist, eine deutliche Grenze gesetzt wurde.
Was die §§ 174 ff. — Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen — betrifft, so sind wir von dem Gedanken ausgegangen, daß nur der wirklich Schutzlose, in Abhängigkeit Befindliche vor Mißbrauch zu schützen ist. Das echte Liebesverhältnis zwischen dem Ausbilder und einer Siebzehnjährigen ohne Mißbrauch kann und darf nicht mehr darunterfallen. Ebenso ist es, meine ich, richtig, daß wir nunmehr — im Gegensatz zu früher — nicht nur den 15jährigen Lehrling vor sexuellem Mißbrauch schützen, sondern auch die 15jährige junge Arbeiterin, die vielleicht wegen ihres minderen Erziehungsstandes sogar schutzwürdiger ist.
§ 175 straft nur noch den Mann über 18 Jahre, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter 18 Jahren vornimmt. Die Bestimmung, wonach der Strichjunge zu bestrafen ist, wurde gestrichen. Die weibliche Prostituierte sah sich ja auch nicht mit Strafe bedroht. Im übrigen ist hier als weiterer Absatz eine Strafabsehensklausel eingefügt, die es ermöglicht, den Älteren vor einem diesen Mißbrauchenden, z. B. einem jugendlichen Strichjungen, zu schützen. Im übrigen will diese Absehensklausel verhindern — dies war das besondere Anliegen eines Kollegen in unserem Ausschuß , daß echte partnerschaftliche Beziehungen mit Strafe bedroht werden.
Die §§ 180 ff. — es handelt sich hier um die früheren Kuppeleivorschriften — haben, wenn man so will, zum Teil einen radikalen Bruch erfahren. Eltern und Erzieher stehen — vereinfacht gesagt — in Zukunft nicht mehr mit einem Bein im Gefängnis. Die Strafvorschrift schützt im Hauptteil nunmehr die Personen unter 16 Jahren und darüber hinaus Personen in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen oder aber dann, wenn Geld im Spiel ist. Die Ehegattenkuppelei ist weggefallen. Wir haben das Erzieherprivileg bzw. das verlängerte Erzieherprivileg eingeführt. Hierzu zwei Bemerkungen. Nimmt eine
Frau auf Wunsch ihres Mannes einen sogenannten Partnertausch vor, so will sie ja wohl in aller Regel ihre Ehe aufrechterhalten, wenn nicht gar retten. Dies kann nur bedeuten, daß eine Strafvorschrift hier genau das Gegenteil bewirken würde.
Der Ausschuß hat schließlich mit den Stimmen der Opposition das Erzieherprivileg beschlossen, auf Grund dessen die Eltern nicht länger gezwungen werden, ihre noch nicht 16 Jahre alte Tochter aus dem Hause zu weisen, wenn diese mit ihrem Freund dort verweilen will. Die Eltern können nunmehr verhüten, daß außer Haus unkontrolliert Schlimmeres geschieht. Es ist nicht einzusehen, warum, wenn wir dieses Privileg den Eltern aus wohlverstandenem Interesse gewähren, dieses Privileg nicht auch ein von diesen Eltern Beauftragter haben soll.
Was schließlich die Pornographiebestimmungen betrifft, so sind wir von folgenden Voraussetzungen ausgegangen.
Erstens. Harte Pornographie bleibt ohne Ausnahme strafrechtlich verboten.
Zweitens. Mit der sogenannten einfachen Pornographie darf niemand öffentlich oder privat gegen seinen Willen konfrontiert werden. Deswegen verbannen die vorgeschlagenen Bestimmungen Pornographie von öffentlichen Wegen und Plätzen und allgemein zugänglichen Orten. Deshalb ist es bei Strafe verboten, unverlangt pornographische Manuskripte zuzusenden. Deswegen ist der Versandhandel mit diesen Dingen nicht erlaubt.
Drittens gehen wir von dem Grundsatz aus, daß die Jugend vor Pornographie zu schützen ist.
Alles in allem meinen wir, daß die Freiheit des einen nicht zur Unfreiheit des anderen werden dürfe. Wenn aber einer partout in seinen vier Wänden — einfache — Pornographie konsumieren will, dann mag er es tun, ohne Strafdrohung, ohne Strafdrohung auch gegen den, der ihn hiermit versorgt hat. Das gilt auch für eine Filmvorführung, wobei aber durch andere Bestimmungen sichergestellt ist, daß Jugendliche hier ausgenommen werden.
Letztlich — und darauf sollte hingewiesen werden — gibt es nach unseren Vorschlägen Bestimmungen, die obszöne Darstellungen unterhalb der Schwelle der Pornographie dort aus der Öffentlichkeit verbannen, wo sie nicht hinpassen. Dies entspricht der dänischen Regelung und erscheint auch uns erforderlich. Eine Darstellung aus einem Sexualkundeatlas beispielsweise wäre in aller Regel nicht Pornographie; obszön und, ich meine, für viele nicht passend wäre diese Darstellung unter Umständen aber an einer Litfaßsäule. Deswegen unsere Bestimmung im Ordnungswidrigkeitenrecht für diese Fälle unterhalb der Schwelle der Pornographie.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre in Kürze der Inhalt dieser Vorlage geschildert und unser Petitum dargelegt. Es wäre nur zu wünschen, wenn es bei diesem Vierten Strafrechtsreformgesetz wie seinerzeit beim Ersten und Zweiten, wo es Bestimmungen zu beseitigen galt, die allgemeiner Meinung nach das Gewicht hatten wie diese, wenn es bei diesem Vierten Strafrechtsreformgesetz hier und heute wiederum zu einer breiten Mehrheit quer durch alle Parteien käme.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703900200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703900300
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das diesem Hohen Hause heute zur Abstimmung vorliegende



Dr. Eyrich
Gesetz wurde bereits am 4. Dezember 1970, in der 6. Legislaturperiode, dem Deutschen Bundestag zugeleitet, kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode im Sonderausschuß zur abschließenden Beratung gebracht und nach mehreren Monaten nochmaliger Beratung in dieser Legislaturperiode erneut im Ausschuß verabschiedet.
Es ist ein Gesetz, meine Damen und Herren, das wie kaum ein anderes fast die ganze Zeit über von vielen Gruppen in unserem Volke leidenschaftlich diskutiert wurde, ein Gesetz, das wie kaum ein anderes allerdings auch die intimen Sphären des Privatlebens eines jeden einzelnen berührt, und ein Gesetz schließlich, das wie kaum ein anderes die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen strafrechtlichen Schutzes, aber auch dessen Notwendigkeit aufgeworfen hat und noch aufwirft. Es ist ein Gesetz, bei dem der Anspruch des Bürgers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auf die Grenze trifft, die das Allgemeinwohl unter Anspruch auf ein geordnetes Zusammenleben in der Gemeinschaft ziehen muß.
Wir haben in ,den sehr langen Beratungen immer wieder versucht, die Grenze zwischen der geschlechtlichen Selbstbestimmung auf der einen Seite und Vorstellungen, die ihrer zu freizügigen Art wegen diese Selbstbestimmung in negativem Sinn wieder einzuengen drohten, abzustecken. In vielen Bereichen konnten wir Übereinstimmung feststellen. In manchen Bereichen ist das leider nicht gelungen. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn wir auch in den Punkten, in denen wir nicht einig geworden sind, noch einmal nach Kompromissen gesucht hätten, um dieses Gesetz mit der Mehrheit dieses Hauses verabschieden zu können.
Es ist allerdings in jenen Fällen nicht gelungen, wo es um die Frage strafrechtlichen Schutzes von Wertvorstellungen ging, die unserer Meinung nach nicht mit dem Hinweis auf einen Wandel der Anschauungen in unserer Gesellschaft als nicht mehr gültig erklärt werden können. Wer würde nicht sehen, meine Damen und Herren, daß natürlich ein Wandel in der Einstellung zur Sexualität stattgefunden hat! Das wissen wir auch. Ich kann guten Gewissens sagen, daß wir diesen Dingen bei unserer Mitarbeit auch Rechnung getragen haben. Das ist wohl auch bei Ihnen unstreitig. Sie können sehen, daß wir immer die Möglichkeit gesucht haben, dort mitzuarbeiten, wo tatsächlich ein auch von uns festgestellter Wandel in der Anschauung in unserer Gesellschaft vorhanden ist. Wer würde nicht sehen, daß ein Wandel in der Einstellung zur Sexualität stattgefunden hat? Das wissen wir auch.
Wenn wir das sehen, dann sollten wir allerdings auch die Grenze dieses Wandels der Anschauung ganz deutlich sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damit ist aber das Problem nicht gelöst, nämlich die Frage nach der Notwendigkeit strafrechtlichen Schutzes dort, wo es nicht um ein unbefangenes Verhältnis zur Sexualität, sondern um Rechtsgüter geht, die den Wandel der Anschauung überdauert haben und die nach unserer Meinung ganz einfach schutzwürdig sind und auch in Zukunft schutzwürdig bleiben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In diesem Zusammenhang hilft es uns nichts bzw. nicht sehr viel — und wie oft ist davon gesprochen worden, Herr Kollege de With —, wenn immer wieder auf das Recht des sogenannten mündigen Bürgers hingewiesen wird. Wir glauben, daß der wirklich mündige Bürger mit dem ihm gewährten Recht richtig umzugehen weiß, wie wir aber auch wissen, daß dem wirklich mündigen Bürger längstens klargeworden ist, daß diese Gesellschaft von ihm verlangen muß, gewisse Rechtsgüter zu achten, und daß dieser mündige Bürger auch die Grenze erkennt, wo staatlicher Schutz einfach dringend notwendig ist. Wie anders sollte es denn sonst verstanden werden, daß wir in Zukunft nach Meinung aller Fraktionen in diesem Hause verlangen, daß gewaltverherrlichende Schriften und Darstellungen nicht mehr möglich sein sollen? Das ist doch ein Beispiel dafür, daß wir verhindert wissen wollen, daß in Zukunft mehr noch, als es bisher leider schon der Fall ist, der Eindruck entsteht, als ob sich Konfliktsituationen, Schwierigkeiten und Bedrängnisse ganz einfach durch Anwendung von Gewalt lösen ließen.
Wie muß es denn auf jemanden wirken, wenn er Tag für Tag sehen kann, daß sich Probleme mit Gewalt und mit Waffen lösen lassen? Wird es für ihn möglicherweise nicht Anreiz für ähnliches Tun sein können? Wir alle haben das wohl zu Recht gesehen und dementsprechend mit § 131 eine entsprechende Vorschrift geschaffen, die freilich nicht überall auf Zustimmung gestoßen ist. Das ist aber nicht das Entscheidende. Das eigentlich Wesentliche ist, daß wir bereit gewesen sind, dem mündigen Bürger auf diesem Gebiete durchaus Einschränkungen aufzuerlegen, weil wir davon ausgegangen sind, daß solche Darstellungen sozial schädlich sind oder aber mindestens sozial schädlich sein können.
Es muß doch noch einmal, meine Damen und Herren von der Koalition, die Frage erlaubt sein: Warum hat die Koalition nicht auch auf anderen Gebieten dieselbe Konsequenz wie bei der Vorschrift des § 131 gezogen? Warum haben Sie sich eigentlich gescheut, dieselben Maßstäbe auch auf die Frage der teilweisen Freigabe der Pornographie anzuwenden? Natürlich sagen Sie uns, daß die Darstellung sexueller Handlungen etwas ganz anderes sei und nicht zu Aggressionen verleite. Wir haben das im Ausschuß wahrhaftig sehr oft besprochen.
Freilich sei, so haben Sie uns immer wieder gesagt, die mit Gewalt verbundene Pornographie ja ausdrücklich verboten. Das letztere ist richtig. Aber warum vollziehen Sie mit uns nicht folgenden Gedankengang? Wenn es richtig ist — das hat die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode in ihrer Gesetzesvorlage ausdrücklich gesagt -, daß Pornographie ein verzerrtes Bild menschlicher Sexualität bietet und — ich zitiere jetzt wörtlich, was in dieser Vorlage der Bundesregierung steht —
daß Pornographie vor allem die Frau herabwürdigt,



Dr. Eyrich
dann müssen wir doch nun gemeinsam überlegen, ob nicht die auch nur teilweise Freigabe der Pornographie die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft derart berührt, daß ihr Recht auf Achtung in der Gesellschaft ernstlich gefährdet ist. Es kann doch, Herr Kollege von Schoeler, nicht der gewandelten Anschauung von der Bedeutung und der Stellung der Frau in unserer Gesellschaft als der gleichberechtigten Partnerin entsprechen, wenn man sie als das jederzeit jedermann zugängliche Lustobjekt darstellt. Das berührt ihre menschliche Würde.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. von Schoeler: Wir freuen uns über Ihren überraschenden Einsatz für die Emanzipation der Frau!)

Das berührt die Würde der Frau in einem Maße, daß wir uns fragen müssen, ob hier nicht strafrechtlicher Schutz eingreifen muß. Die Verletzung der menschlichen Würde, die zu schützen uns das Grundgesetz aufgegeben hat, ist aber sicherlich nicht weniger sozialschädlich — so würde ich hinzufügen wollen — als etwa die Darstellung gewaltverherrlichender Schriften und Abbildungen. Dahinter muß das Recht auf freien Zugang des sogenannten mündigen Bürgers zurücktreten. Ich frage Sie: warum haben Sie eigentlich mit uns zusammen diese Konsequenz nicht zu ziehen vermocht?
Aber auch dann, wenn Sie diesem Argument nicht meinen folgen zu können, werden Sie sich einer Erkenntnis sicherlich nicht verschließen können: Bei einer nur teilweisen Freigabe dieser Pornographie ist ein wirksamer Jugendschutz nicht mehr möglich. Ich stehe nicht an anzuerkennen, daß entgegen der ursprünglichen Fassung des Entwurfs nunmehr der § 6 des Gesetzes über jugendgefährdende Schriften wiederhergestellt und von Ihnen in diesen Gesetzentwurf wieder aufgenommen worden ist. Aber wir alle waren uns doch bei der Beratung im Ausschuß darüber im klaren, daß das nicht genügt. Wer die Reise nach Dänemark und nach Schweden mitgemacht hat, weiß doch, welche Ergebnisse und welche Erkenntnisse wir damals gerade in dieser Richtung und auf dieses Problem hin gewonnen haben:
Erstens. Das Anhörungsverfahren im Deutschen Bundestag hat ganz eindeutig ergeben, daß Pornographie für Jugendliche schädlich ist. Wie soll es denn auch anders sein, so ist man versucht zu fragen, wenn man sieht, in welcher Art und Weise hier den jungen Menschen ein Bild der Frau in der Gesellschaft vermittelt wird? Ich hoffe, das ist zwischen uns allen unstreitig.
Zweitens. In Dänemark haben uns alle Sachverständigen gesagt, es sei eine Illusion zu glauben, Jugendliche könnten von Pornographie dann freigehalten werden, wenn sie Erwachsenen zugänglich sei. Auch die Bundesregierung ist in ihrer damaligen Begründung so weit gegangen und hat gesagt, daß der Zugang Erwachsener zur Pornographie natürlich auch einen besseren Zugang der Jugendlichen zu diesen Produkten ergebe. Man hat dann allerdings nicht die Konsequenz aus diesem Satz gezogen, sondern hat gemeint, im Interesse des mündigen Bürgers darauf verzichten zu müssen, einen wirksameren Schutz gegen die Freigabe der Pornographie einzubauen. Herr Kollege von Schoeler hat in der ersten Lesung dieses Entwurfes gesagt, er wünsche nicht, daß unter dem Vorwand des Jugendschutzes

(Abg. von Schoeler: Sehr gut!)

— wir kommen darauf, verehrter Herr Kollege von Schoeler — durch die Hintertüre wieder die Reglementierung des mündigen Bürgers eintrete. Ich muß Ihnen dazu eines sagen: Für uns ist der Jugendschutz kein Vorwand.

(Abg. Dr. de With: Für wen denn?)

Für uns ist der Jugendschutz etwas, bei dem wir glauben, daß wir den Erwachsenen und den mündigen Bürgern Einschränkungen auferlegen können im Interesse dieses Jugendschutzes.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Windelen: Sehr gut!)

Das ist die entscheidende Frage, um die es geht, und um diese Feststellung kommen wir nicht herum.
Ich möchte einen weiteren Punkt anfügen. In den beiden nordischen Ländern hat man auch gesagt, daß es eine Illusion sei — damit kommen wir zu dem nächsten Punkt, weshalb wir eine Zustimmung zu diesem Gesetz nicht erteilen können —, sogenannte normale von der sogenannten harten Pornographie zu trennen. Es ist doch wohl jedermann klar, daß dann, wenn die sogenannte normale Pornographie offen verkauft werden darf, sich sehr bald die sogenannten harten Sachen auf dem Markt zeigen werden. Die Eskalation wird nicht zu verhindern sein, wenn erst einmal die ersten Serien der erlaubten Pornographie auf den Markt kommen werden.
Das liegt auch — machen wir uns nichts vor — genau im Interesse der Geschäftemacher, die nur darauf warten, daß ihnen in dieser Bundesrepublik Deutschland ein neuer Markt erschlossen wird. Daraus folgere ich: wenn wir die Überflutung der Jugend mit solchem Material verhindern wollen, müssen wir dem erwachsenen Bürger im Interesse dieses Jugendschutzes Einschränkungen auferlegen.
Angesichts dieser Lage sollten wir — ich sage das mit allem Ernst — keinen falschen Mut zeigen, nicht den Mut, ein internationales Abkommen zur Abwehr der Pornographie zu kündigen, dem 90 Staaten beigetreten sind und das bisher nur ein Land, nämlich Dänemark, gekündigt hat. Vielmehr sollten wir den Mut haben, einigen — meistens den Geschäftemachern — zu sagen, daß wir nicht gewillt sind, den Jugendschutz zu gefährden, um einigen anderen den Zugang zu diesem Material und wieder anderen das Geschäft mit diesem Material zu ermöglichen.
Aber auch einen anderen Gesichtspunkt, der leider oft übersehen wird, sollte man in diese Debatte einführen. Es ist einfach ein Irrglaube, daß sich das gewandelte Verhältnis zur Sexualität im Verlangen nach Pornographie äußere. Ich weiß nicht recht, ob Sie da nicht den Bürger in unserem Lande kräftig falsch einschätzen. Ich weiß nicht, ob Sie es nicht auch selbst so empfinden: gewandelt hat sich — das glauben auch wir — das Verhältnis zur natürlichen Sexualität. Sie ist nicht mehr ein Tabu, und wir und



Dr. Eyrich
alle sind z. B. auch bereit, unseren Kindern in dieser Hinsicht unbefangener und offener zu begegnen. Sexualität soll — da stimme ich mit dem überein, was mein Kollege Dr. Müller-Emmert in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes gesagt hat — nicht mehr mit dem Stempel der Unzucht verbunden sein. Aber — das muß man dazu sagen muß man deswegen gleich all das in Umlauf setzen, was nach den Worten dieser Bundesregierung die Frau herabwürdigt? Das ist die Frage, die ich heute in der letzten Lesung dieses Gesetzentwurfes stellen muß.
Denken Sie bitte nicht, wir wüßten nicht, daß es notwendig ist, auch hier differenzieren zu können. Um diese Notwendigkeit wissen wir. Aufs Ganze gesehen kommt man aber um eine Feststellung nicht herum, daß wir nämlich Gefahr laufen, daß das, was unseren Bürgern hier als Realität vorgegaukelt wird, schließlich als Norm empfunden wird und dann allerdings weniger zu mehr Befreiung als vielmehr zu viel mehr Beklemmung führen wird.
Das sind einige der Gedanken, die uns bewegen, wenn wir herausgefordert sind, zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Diese Gründe werden es schließlich auch sein, die uns eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf unmöglich machen, den wir sonst in vielen Passagen mitzutragen bereit waren und sind. Mein Kollege Dr. Wittmann wird bei der Begründung unserer Änderungsanträge noch einige Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen machen.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu einem anderen leider auch strittig gebliebenen I Punkt. Wir haben in den Beratungen des Ausschusses zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Koalition nicht gewillt ist, die Ehegattenkuppelei unter Strafe zu stellen, und zwar mit dem Hinweis, daß ein solches Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Sozialschädlichkeit nicht strafwürdig sei. Obwohl wir immer wieder betont haben, daß bei freier Übereinkunft der Eheleute auch nach unserer Meinung, das Strafrecht nicht das richtige Mittel sei, glauben wir doch, daß dort, wo ein Ehegatte den anderen bestimmt, sexuelle Handlungen mit einem anderen vorzunehmen, oder ihm die Gelegenheit dazu verschafft, der Gesetzgeber eingreifen müßte.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wie lange haben wir eigentlich allein um die Überschrift im 13. Abschnitt dieses Gesetzentwurfes gerungen? Was ist nicht alles über die freie sexuelle Selbstbestimmung der Frau geredet worden! Wir haben schließlich sogar die schöne Überschrift gefunden „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung". Diese plakative, aber leider nicht in allen Punkten zutreffende Überschrift kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß ausgerechnet in der Ehe die Selbstbestimmung des Ehegatten außer Kraft gesetzt sein soll. Offen gesagt: ich verstehe das nicht. Wenn Sie so sehr für die Selbstbestimmung sind, muß das doch auch in der Ehe gelten. Keiner der Partner verzichtet doch mit Eintritt in die Ehe auf das Recht seiner sexuellen Selbstbestimmung, schon gar nicht Dritten gegenüber. Darum geht es in diesem Fall.
Ganz abgesehen davon, daß unsere Haltung nur eine logische Konsequenz aus Art. 6 unseres Grundgesetzes ist, ist es auch aus einem anderen Grunde notwendig, klarzumachen, wo die Grenzen der Freiheit liegen und wo der Schutz der Allgemeinheit und der Schutz unseres Zusammenlebens beginnen.
Wir hören immer wieder das Gegenargument, eine Ehe sei durch das Strafrecht nicht wiederherzustellen. Das wissen auch wir. Wer wüßte das nicht! Aber das ist doch nicht das Problem. Das Problem ist doch, ob der Gesetzgeber nicht alles tun muß, um Handlungen eines Ehegatten, die die Freiheitssphäre des anderen verletzten, zu verhindern.
Wenn schon so viel von Sozialschädlichkeit die Rede ist: Wir halten es nach wie vor für sozialschädlich, wenn ein Ehegatte den anderen bestimmt, ihn drängt, sich mit einer anderen Person sexuell einzulassen. Wir halten das nicht nur deshalb für sozialschädlich, weil das ganz eklatant dem Wesen der Ehe widerspricht, sondern auch deshalb, weil es die Selbstbestimmung — meistens der Frau —, von der sonst so viel die Rede ist, ganz erheblich einschränkt.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen. Wir haben im Ausschuß an diesem Gesetzentwurf konstruktiv mitgearbeitet.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703900400
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703900500
Bitte sehr.
Dr. de With: (SPD) : Herr Kollege Eyrich, haben Sie nicht bemerkt, daß wir von der Strafbarkeit der Ehegattenkuppelei nicht wegen fehlender Sozialschädlichkeit absehen wollen, sondern lediglich wegen der unserer Meinung nach fehlenden Wirksamkeit? Das ist ein gravierender Unterschied.

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703900600
Herr Kollege de With, wir haben dieses Problem im Ausschuß wahrhaftig oftmals besprochen. Natürlich weiß ich, daß Sie diesen Schutz deshalb abgelehnt haben, weil Sie glauben, daß ein solcher Schutz nicht wirksam sei. Aber dann müssen Sie auch bei anderen Bestimmungen des Gesetzes zu dem Ergebnis kommen, daß die eine oder andere Strafbestimmung nicht so wirksam sei, wie wir es wünschen.
Ich bin der Meinung, daß wir, wenn draußen der Eindruck entsteht, als werde mit dem Eingehen einer Ehe das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung abgelegt, etwas tun müssen, was nach draußen eine Wirkung hat. Sie wissen doch auch, daß wir den strafrechtlichen Schutz im Grunde genommen nicht bei einer freien Übereinkunft der Partner wollten, sondern dann, wenn der eine den anderen bestimmt, so etwas zu tun. Ich glaube, das ist eine Einstellung, die auch von Ihnen geteilt werden kann.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703900700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703900800
Bitte sehr!




Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0703900900
Herr Kollege Eyrich, Sie sind doch mit uns der Meinung, daß die Strafandrohung in § 177 — ich sage das jetzt vereinfacht — gegenüber der „Unzucht" — Nötigung in der Ehe wirkungslos ist. Das ist doch dasselbe Problem. Warum sind Sie dann hier dieser Auffassung?

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703901000
Herr Kollege de With, ich wundere mich, daß Sie diese Frage in diesem Zusammenhang stellen. Sie wissen doch ganz genau, daß der Tatbestand des § 177, nämlich Gewaltanwendung innerhalb der Ehe, allein das Verhältnis der beiden Ehegatten zueinander tangiert, daß es aber bei dieser Bestimmung hier auf das Außenverhältnis zu Dritten ankommt, wo ein Ehegatte den anderen dazu bestimmt, mit einem Dritten sexuelle Handlungen vorzunehmen. Sie wissen, daß genau dieses Außenverhältnis uns dazu bewogen hat, von einem Ende der freien sexuellen Selbstbestimmung zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des .Abg. Dr. de With.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703901100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703901200
Ich kann es nicht verhindern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703901300
Doch, Sie können ablehnen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703901400
Herr Kollege Dr. Eyrich, sind Sie sich nicht im klaren darüber, daß der kriminelle Unrechtsgehalt der Tat in beiden Fällen, sowohl bei der Ehegattennotzucht wie bei der Ehegattenkuppelei, von dem Ehepartner ausgeht und der Dritte damit im Grunde gar nichts zu tun hat?

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703901500
Herr Kollege Ostman von der Leye, ich glaube, daß der Charakter einer solchen Vorschrift ganz entscheidend dadurch geprägt wird, daß die von Ihnen immer wieder einmal hervorgehobene Intimsphäre der Ehe dort nicht tangiert werden soll, wo es um das Verhältnis der beiden Ehegatten zueinander geht, daß sie aber dort durchaus des Schutzes bedarf, wo es über die Sphäre der Eheleute hinaus um das Verhältnis zu Dritten geht. Dort sollte der Schutz eingreifen; darüber sollten wir uns alle wohl im klaren sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir haben im Ausschuß an diesem Gesetz konstruktiv mitgearbeitet. Wir haben eigene Gedanken vorgetragen. Herr Kollege Krockert, das werden Sie sicherlich nicht bestreiten können. Wir haben sehr lange und sehr hart daran gearbeitet und sind in vielen Punkten auch zu Übereinstimmungen gelangt.
Wenn wir diesem Gesetz trotzdem nicht zustimmen können— falls es nicht durch unsere Änderungsanträge, was ich fast nicht zu hoffen wage, doch noch verändert wird —, so besonders deswegen, weil durch das Fehlen einer Strafbestimmung bezüglich der Ehegattenkuppelei das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des einzelnen nicht genügend geschützt ist, weil durch die teilweise Freigabe der Pornographie wir nicht nur das zweite Land von immerhin 90 Ländern sind, die das Abkommen über die Abwehr der Pornographie kündigen, sondern auch ein wirksamer Jugendschutz nicht möglich ist, weil Geschäftemachern Tür und Tor geöffnet wird und schließlich auch weil Material auf den Markt gebracht werden kann, das die Achtung der Frau, auf die sie ein Recht hat, beeinträchtigt wird. Das, meine Damen und Herren, entspricht nicht der gewandelten Anschauung der Gesellschaft von der Würde der Frau und kann deshalb von uns nicht mitgetragen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703901600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schoeler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703901700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir vor vier Monaten den vorliegenden Entwurf des Vierten Strafrechtsreformgesetzes in erster Lesung behandelten, waren sich alle Fraktionen darin einig, nach den umfangreichen Vorarbeiten der letzten Legislaturperiode die Gesetzgebungsarbeit nunmehr rasch abzuschließen. Dieses Ziel haben wir erreicht.
Weiter war von den Sprechern aller drei Fraktionen betont worden, daß man in erneuter Abwägung aller Gesichtspunkte versuchen wolle, in den wenigen noch offenen Streitpunkten eine Einigung zu erzielen. Dieses Ziel haben wir nicht erreicht. Die Verantwortung dafür liegt bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Zurufe von der CDU/CSU: Natürlich! — Merkwürdiges Demokratieverständnis!)

Die Koalitionsfraktionen haben sich bemüht, ihren Beitrag zu den Bemühungen um eine Verständigung in der Sache zu leisten. Ich erwähne hier nur die Wiederaufnahme des § 6 des Gesetzes gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Leider mußten wir miterleben, daß Sie nicht nur starr auf Ihrer Position beharrten, sondern sogar in einigen Fragen die in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse vergessen haben.
Das gilt z. B. für die hier wiederaufgeworfene Frage des Erzieherprivilegs. Während Sie noch im Ausschuß nur die Verlängerung des Erzieherprivilegs verhindern wollten, verlangen Sie heute die Streichung des Erzieherprivilegs insgesamt. Die Konsequenz dessen, was Sie heute vorschlagen, ist in der Tat, daß z. B. Eltern, die wegen eines Kinobesuchs ihren Sohn oder ihre Tochter abends allein zu Hause lassen, schon praktisch mit einem Bein im Gefängnis stehen. Diese Konsequenz müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Hier sind Sie auf Positionen zurückgefallen, die Sie selbst schon lange verlassen hatten.
An diesem und weiteren Beispielen — ich nenne nur die von Ihnen im Ausschuß vorgeschlagene Streichung der Altersgrenzen in § 180 Abs. 2 und 3



von Schoeler
— wird deutlich: Sie von der Opposition sind mittlerweile zu einem Strafrechtsdenken zurückgekehrt, das nicht einmal vor ein paar Jahrzehnten modern war.

(Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Geben Sie nicht so an! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

— Tut mir schrecklich leid; ich stelle nur die Fakten fest. Sie sind hinter Ihre Positionen zurückgefallen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und das will ja, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf, etwas heißen.
Zu welch merkwürdigen Ergebnissen ein solches Denken führen kann, zeigte sich, als ein Kollege Ihrer Fraktion im Ausschuß ernsthaft vorschlug, den Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses, den § 183 a StGB, als Fahrlässigkeitsdelikt auszugestalten. Die Begründung spricht für sich. Sie lautete nämlich, daß einem selbstvergessenen Liebespaar durchaus eine gewisse Sorgfalts- und Überprüfungspflicht hinsichtlich seiner Handlungen aufzuerlegen sei.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Das ist Ihr Denken, mit dem Sie an diese Dinge herangehen!
Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf geht davon aus, daß die generellen Verbote, die das Strafgesetzbuch im Bereich des Sexualstrafrechts enthält, heute als viel zu weitgehende Eingriffe in die Intimsphäre des Bürgers nicht mehr vertretbar erscheinen. Solche Tatbestände werden vom Bürger nicht mehr akzeptiert; sie stellen darüber hinaus die Strafverfolgungsorgane täglich vor unlösbare Schwierigkeiten. Ursache für das Versagen des geltenden Strafgesetzbuches in diesem Bereich ist die Tatsache, daß all diese generellen Verbote notwendigerweise zum Teil Handlungen unter Strafe stellen, die nicht sozialschädlich sind.
Diesen untragbaren Zustand wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern. Leitgedanke unserer Reform ist, die Strafvorschriften schärfer als bisher eindeutig auf sozialschädliche Verhaltensweisen zu beschränken. Dies sind alle Fälle der Angriffe auf Jugendliche, soweit sie entwicklungsschädlich sind, und auf Erwachsene, soweit dabei Gewalt eingesetzt oder genötigt wird oder Wehrlose mißbraucht werden.
Dieser unserer Konzeption ist oft der Vorwurf gemacht worden, wir leisteten damit der Unmoral Vorschub. So kommentierte der Arbeitskreis Juristen der CSU — das ist überhaupt eine Partei, die in der Nomenklatur der Polemik ja sehr bewandert ist — unseren Gesetzentwurf mit den Worten, es könne nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, Vorreiter oder Wegbereiter einer sexuellen Revolution zu sein. — Da überkommt einen das Schaudern.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe des Strafgesetzgebers wird aber auch sicherlich nicht darin zu sehen sein, moralische Entrüstung in Paragraphenform zu bringen. Wer mit solchen Argumenten generelle und damit über das notwendige Maß hinausgehende Strafnormen verteidigt, macht nicht nur sich selbst unglaubwürdig, sondern sorgt auch dafür, daß das Strafrecht unglaubwürdig ist und in der Praxis nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Eine solche Entwicklung birgt in sich die Gefahr — und darauf hinzuweisen scheint mir an dieser Stelle besonders wichtig —, daß strafrechtlicher Schutz dann auch dort nicht mehr eingreift, wo er nach unserer aller Überzeugung eingreifen muß, nämlich dort, wo der Bürger vor sozialschädlichen Handlungen geschützt werden soll. Nur dadurch, daß wir das Strafrecht da zurückziehen, wo es nicht hingehört, können wir erreichen, daß es dort, wo es schützen soll, in der Praxis auch schützt. Der notwendige Strafschutz ist nicht dort am besten gewährleistet, wo die Welt bei einem Blick ins Strafgesetzbuch klinisch rein erscheint.
Diese grundsätzlichen Überlegungen gelten auch für einen Bereich, den viele in unserem Lande als Hauptpunkt, als Hauptthema des Vierten Strafrechtsreformgesetzes herausstellen wollen, weil sich hier die Emotionen so leicht entzünden lassen, der aber sicher bei sachlicher Überlegung und Würdigung aller Punkte dieses Gesetzentwurfs nicht der wichtigste Reformbereich ist. Herr Kollege Eyrich hat hier in der Debatte bezeichnenderweise besonderen Wert auf diese Bestimmungen gelegt; ich meine die §§ 184 ff. des Strafgesetzbuches und die sonstigen Vorschriften über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Das ist ein Punkt, an dem man sich so richtig festhalten kann, bei dem man in Emotionen machen kann. Aber ich will hier ganz klar sagen: Dies ist nicht der Kernpunkt dieses Gesetzentwurfes.
Ich will dieser Diskussion um das Pornographieverbot nicht ausweichen. Lassen Sie mich daher dazu einige Bemerkungen machen. Heute gilt ein totales Herstellungs- und Verbreitungsverbot für pornographische Erzeugnisse. Es ist einiges wert, das nur einmal einfach nüchtern festzustellen, weil Sie ja den Eindruck hervorrufen, als solle hier von uns etwas in Gang gesetzt werden, was in dieser Art einer Sintflut überhaupt noch nicht über die Menschheit gekommen sei.
Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Das heute geltende Herstellungs- und Verbreitungsverbot hat nicht verhindern können, daß pornographische Erzeugnisse in diesem Land heute frei zugänglich sind -- und das ist das Entscheidende —,

(Zuruf des Abg. Dr. Eyrich) vor allem auch für Jugendliche.


(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Insofern ist Ihre Argumentation nicht überzeugend.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703901800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703901900
Selbstverständlich, bitte sehr.




Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0703902000
Herr Kollege von Schoeler, sind Sie, wenn das Ihre Erkenntnis ist, bereit, mir den Widerspruch zu erklären, der darin liegt, daß Sie in § 131 StGB genau die Erkenntnisse nicht berücksichtigt haben, von denen Sie meinen, daß sie zu einer Änderung des § 184 StGB führen müssen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703902100
Herr Kollege Vogel, Sie können nicht wissen, daß ich eine denkbar ungeeignete Adresse bin, um eine solche Frage beantwortet zu erhalten, weil Sie an den Beratungen im Strafrechtssonderausschuß nicht teilgenommen haben. Die Kollegen des Strafrechtssonderausschusses wissen, warum ich für eine solche Frage nicht der richtige Adressat bin. Denn ich habe hinsichtlich des § 131 eine spezielle Meinung, die sich im übrigen mit der Meinung meiner Fraktion deckt. Ich werde auch darauf noch eingehen, bitte aber um Verständnis, daß ich das an der Stelle tue, an der ich es im Zusammenhang mit § 131 StGB tun wollte.
Sowohl das Hearing des Strafrechtssonderausschusses im November 1970 als auch die Reise einer Delegation des Ausschusses nach Kopenhagen und Stockholm haben nach den vorliegenden Unterlagen ergeben, daß schädliche Auswirkungen der Pornographie sehr unwahrscheinlich sind und eine Lockerung der Bestimmungen nicht zu einer Eskalation führt. Diese Üerlegungen haben uns dazu veranlaßt, die Straftatbestände im Bereich des Erwachsenenstrafrechts auf die Fälle pädophiler, sodomitischer und gewaltverherrlichender Pornographie sowie auf die unverlangte Zusendung von Pornographie zu beschränken.
Dem Jugendschutz, meine Damen und Herren von der Opposition, ist durch die Übernahme des bisherigen generellen Verbotes in das Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften ausreichend Rechnung getragen.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Und an der Wirksamkeit dieser Bestimmung glauben Sie?!)

— Ich werde darauf eingehen, Herr Kollege Carstens.

(Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal].)

Sie sagen nun, daß, weil Jugendliche überall sind, pornographische Erzeugnisse in diesem Lande nirgendwo sein sollten. Das ist für meine Begriffe eine sehr verblüffende Argumentation. Lassen Sie mich dazu einige Feststellungen treffen.
Ich habe vorhin schon gesagt, daß generelle Verbote, die auch Handlungen erfassen, die nicht sozialschädlich sind, in der Praxis nicht mehr durchgesetzt werden können. Das genau ist die Situation, die wir heute beim § 184 StGB erleben: dieses totale Herstellungs- und Verbreitungsverbot hat sich als völlig unbrauchbar erwiesen. Wir wollen dieser Entwicklung, die Sie mit Ihren Vorschlägen hier unterstützen und die im Ergebnis die Jugend gefährdet — da würde ich Ihnen recht geben — entgegentreten.

(Zuruf des Abg. Dr. Eyrich.)

Wir wollen das dadurch tun, daß wir diejenigen, die als mündige Staatsbürger selbst entscheiden können, was sie in ihrem Bereich tun und lassen, an diese Dinge herankommen lassen, und zwar dort, wo keine Jugendlichen sind. Nur durch eine solche vernünftige Beschränkung der Straftatbestände erreichen wir, daß Pornographie dort verschwindet, wo sie Jugendlichen heute frei zugänglich ist. Das muß hier gesagt werden.
Nun ist auch Ihnen bekannt, meine Damen und Herren von der Opposition — aber es lohnt noch einmal die Erwähnung hier —, daß die hier so oft zitierte Reise des Ausschusses — wie aus den Unterlagen ersichtlich ist — auch ergeben hat, daß nach der Überzeugung der ausländischen Gesprächspartner hinsichtlich dieses Punktes kein Strafrecht, kein Gesetzbuch verhindern kann, daß Jugendliche, die den festen Vorsatz haben, an pornographische Erzeugnisse heranzukommen, auch herankommen können. Das ist doch auch eine Erfahrung, die wir auf dieser Reise gewonnen haben und die einmal sachlich festgehalten werden muß.

(Abg. Dr. Eyrich meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Eyrich, ich möchte diesen Gedankengang zu Ende führen.
Nun, wenn das so ist und wenn die von Ihnen vorgetragenen Überlegungen zu dem Jugendschutz nach unserer festen Überzeugung das totale Verbot auch für Erwachsene nicht mehr rechtfertigen können, dann stellt sich, Herr Kollege Eyrich, für mich in der Tat die Frage: Verwenden Sie dieses Argument des Jugendschutzes nicht eben doch nur als Vorwand, um Erwachsene weiter zu bevormunden, vielleicht, um in der Öffentlichkeit Emotionen geschickt ausnutzen zu können, obwohl wir uns in der Sache im Bereich des Erwachsenenstrafrechts einig sind? Sie haben das hier zurückgewiesen, Herr Kollege Eyrich. Gestatten Sie mir zu sagen, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Die Botschaft habe ich gehört, allein mir fehlt der Glaube.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Eyrich ist vorhin auch auf die Frage der Geschäftemacherei eingegangen und hat gesagt, wir von der Koalition unterstützten mit unserem Gesetzentwurf die Geschäftemacher, die sich auf diesen Markt stützen werden und ein Verbreitungsgebiet finden werden.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Genau das Gegenteil ist der Fall. Lassen Sie mich das erläutern. Es gibt manche Dinge, die überhaupt erst dadurch interessant werden, daß sie verboten sind. Mit dem, was interessant und verboten ist, läßt sich immer noch ein sehr gutes Geschäft machen. Das ist genau die Situation, die wir heute haben. Das totale Herstellungs- und Verbreitungsverbot, das wir heute haben und das in der Praxis nicht durchgesetzt werden kann, begünstigt die Geschäftemacher, treibt die Preise in die Höhe und sorgt dafür, daß es einen großen Markt gibt. Bei der von uns vorgeschlagenen Regelung ist das anders.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703902200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703902300
Bitte sehr!

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703902400
Müßten Sie dann nicht zu der Konsequenz kommen, Herr Kollege von Schoeler, daß Sie dann auch den § 184 a aus diesem Strafgesetzbuch streichen müßten, weil Sie sonst Gefahr laufen, daß die harte Pornographie erst dadurch interessant wird, daß Sie sie weiterhin verbieten?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703902500
Herr Kollege Eyrich, das eben von mir angeführte Argument ist eines von mehreren. Ich habe vorher schon darauf hingewiesen, daß natürlich ganz entscheidend die Frage ist, ob hier Fälle der Sozialschädlichkeit gegeben sind. Wir gehen davon aus, daß eine Konfrontation Erwachsener mit der sogenannten einfachen Pornographie nicht sozialschädlich ist. Wir gehen weiter davon aus, daß sozialschädliche Auswirkungen der sogenannten harten Pornographie heute zumindest nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Weil im Falle des § 184 a nach unserer Meinung eindeutig sozialschädliche Auswirkungen vorliegen, treten wir dafür ein, daß dieser Straftatbestand im Strafgesetzbuch erhalten bleibt. Im Falle des § 184, soweit er Erwachsene betrifft, liegt eben keine Sozialschädlichkeit vor. Die von Ihnen vorgetragenen Argumente, trotz fehlender Sozialschädlichkeit doch zur Aufrechterhaltung eines Straftatbestandes zu kommen, können uns schlicht und einfach nicht überzeugen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben für diese Debatte Änderungsanträge gestellt. Dazu wird mein Kollege Kleinert nachher in der Aussprache noch Stellung nehmen. Ich möchte hier aber doch etwas zu der Frage der Ehegattenkuppelei sagen. Herr Kollege de With und Herr Kollege Ostman von der Leye haben Sie, Herr Kollege Eyrich, vorhin durch einige Zwischenfragen zu weiteren Antworten zu diesem Thema herausgefordert. Die von Ihnen vorgeschlagene Lösung der Strafbarkeit der Ehegattenkuppelei führt in der Tat zu dem merkwürdigen Ergebnis — das ist vorhin erwähnt worden —, daß die Notzucht in der Ehe strafrechtlich nicht sanktioniert wird, daß aber die sicherlich unter dem Gesichtspunkt der Sozialschädlichkeit mindere Gefahr der Ehegattenkuppelei bestraft wird. Das ist ein Ergebnis, das merkwürdig ist.
Wenn man sich nun einmal überlegt, was die Gründe dafür sind und was Sie vorhin als Gründe angeführt haben, dann kann man diese Gründe vielleicht in folgendem Gedankengang zusammenfassen, Herr Kollege Eyrich: Sie wollen, daß die Ehegattenkuppelei strafbar bleibt, die Ehegattennotzucht dagegen nicht, weil im Falle der Ehegattenkuppelei diese Dinge nach draußen an die Öffentlichkeit treten, weil ein Dritter dort beteiligt wird. Da stellt sich für mich die Frage: Ist die Ehe als Institut für Sie nur schützenswert, wenn sich
die Schädigung der Ehe vor der Öffentlichkeit abspielt? Haben wir hier nicht wieder die doppelte Moral, daß nach draußen ein Schaubild aufrechterhalten werden soll? Zumindest müssen Sie sich diese Frage stellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703902600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703902700
Bitte sehr, Herr Kollege Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703902800
Herr Kollege von Schoeler, ich sage es nun noch einmal in Form einer Frage an Sie: Sind Sie wirklich nicht bereit, den Unterschied einzusehen

(Zurufe von der CDU/CSU)

zwischen den Handlungen, die sich zwischen den Ehegatten abspielen, und der Pression auf einen Ehegatten, mit einem außerhalb dieser Ehe Lebenden sexuelle Handlungen einzugehen? Ist dieser Unterschied so schwer zu begreifen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703902900
Herr Kollege Eyrich, ich sehe nur, daß in dem einen Fall Gewalt angewendet wird zur Gefährdung der Selbstbestimmung einer Person - das ist der Fall der Ehegattennotzucht; den wollen Sie straflos lassen — und daß in dem anderen Fall minder schwere Formen vorliegen; und da wollen Sie plötzlich Strafe eingreifen lassen. Der einzige Unterschied ist, daß das nach draußen deutlich wird. Da stellt sich für mich ganz deutlich die Frage, ob Sie hier nicht eine doppelte Moral aufrechterhalten wollen.
Lassen Sie mich zum Komplex der Ehegattenkuppelei noch ein Weiteres sagen: Wir waren uns im Grunde genommen im Ausschuß in diesem Punkt schon näher, ich will einmal sagen: nicht in den Formulierungen, aber atmosphärisch, als es jetzt hier wieder der Fall ist. Wir hatten doch das Problem, daß Sie den Wunsch vorgetragen hatten, eine Strafbestimmung zu finden und zu formulieren, die Fälle der Einflußnahme auf den Ehepartner unter Strafe stellen sollte, die unterhalb der Schwelle der Nötigung liegen, aber auch nicht alle Fälle der Einflußnahme. Denn auch bei Ihnen bestand die Meinung, daß in dem Fall, in dem der eine den anderen lediglich überredet, überzeugt, von der Sozialschädlichkeit eben nicht die Rede sein könne. Es war die Frage, dafür eine Formulierung zu finden. Die Formulierung, die von Ihnen vorgetragen wurde — das Wort „bestimmen" —ist in der Strafrechtsdogmatik ganz eindeutig definiert: Es ist nämlich ein sehr weiter Begriff, der alles erfaßt, was man sich darunter nur vorstellen kann. Eine engere Formulierung haben Sie und haben wir im Ausschuß nicht gefunden. Wie man auch immer über die Frage der Ehegattenkuppelei im einzelnen denkt — darüber haben wir diskutiert —, eines müssen Sie wenigstens zur Kenntnis nehmen: Sie haben es bisher nicht geschafft, eine brauchbare Formulierung für dieses Problem vorzulegen. Das, was Sie hier vorlegen, ist eine Ausuferung, die wir nicht mitmachen können.



von Schoeler
Der § 131 StGB ist bereits angesprochen worden. Er stellt erstmals die Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalt unter Strafe. Der Grundansatz dieser Vorschrift ist sicherlich begrüßenswert. Wir sehen hierin einen Anfang, das alte Mißverhältnis zwischen der Behandlung von Unsitte und Unmoral auf der einen Seite und von Gewalt auf der anderen Seite — ein Mißverhältnis, das das Strafgesetzbuch kannte - zu beseitigen. Das ist ein sehr erfreulicher Ansatz. Nur ist die Skepsis weit verbreitet, ob sich dieser § 131 StGB in der Praxis durchsetzt. Diese Skepsis ist auch über den Kreis derjenigen hinaus verbreitet, die sich bei dieser Frage im Ausschuß der Stimmen enthalten oder die mit Nein gestimmt haben.
Wir werden — das hat der Herr Bundesjustizminister zu diesem Thema schon in der ersten Lesung gesagt — sehr sorgfältig prüfen müssen, wie sich dieser neue Paragraph auswirkt. Aber lassen Sie mich eines an dieser Stelle dazu sagen. Das Problem der Gewaltverherrlichung, der Gewaltverharmlosung wird nicht dadurch gelöst, daß man aus ein paar Filmen ein paar Szenen herausstreicht oder aus ein paar Flugschriften Stellen entfernt. Wenn wir uns dieses Problems ernsthaft annehmen -- und wir sollten das in der Zukunft tun —, dann müssen wir sehr viel stärker beachten, wie insbesondere im Bereich der Kinder und der Jugendlichen weit unterhalb der Schwelle des § 131 StGB Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung vorexerziert wird, in ganz kleinen, in ganz harmlosen Geschichten, in Märchen, in Groschenheften
I usw. Das ist nach meiner Überzeugung kein Thema für das Strafrecht, um auch das hier ganz deutlich zu sagen. Das ist aber ein Thema, dessen wir uns im politischen Bereich annehmen sollten.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu dem machen, was hier eigentlich ein wesentlicher Punkt unserer Auseinandersetzung ist, nämlich zum Verhältnis von Strafrecht und Moral. Wir haben hier in mehreren Debatten zu diesem Thema schon gesprochen. Wir sind uns in einem sicherlich einig, nämlich darin, daß in einem wert-pluralistischen Staat, wie es die Bundesrepublik ist, Strafrecht und Moral nicht identisch sein können. Was zwischen uns streitig ist und was in jedem konkreten Einzelfall, bei jedem konkreten Gesetz wieder streitig wird, ist die Frage: wie groß darf diese Lücke, dieses notwendige Auseinanderklaffen von Moral und Recht sein? Lassen Sie mich einmal versuchen, in aller Sachlichkeit aufzuzeigen, warum diese Meinungsverschiedenheiten immer wieder auftauchen. Ich glaube, die Ursache dafür liegt darin, daß in Ihrer Fraktion die Meinung verbreitet ist, dem Bürger könne ein allzu weiter Spielraum für eigenverantwortliche sittliche Entscheidungen deshalb nicht zuerkannt werden, weil er nicht in der Lage ist, ihn auszufüllen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Eyrich: Das trifft wirklich nicht zu!)

Wir gehen davon aus, daß der Bürger in der Lage ist, diese sittlichen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Das ist ein wesentlicher Unterschied in unseren Positionen, der sich immer wieder konkretisiert, und zwar auch in dem, worüber wir heute diskutieren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß auf eine Bemerkung von Armand Mergen hinweisen. Er hat einmal gesagt:
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuches ist ein vielleicht noch feineres Reagens als die Verfassung, um festzustellen, ob ein Staat in Wahrheit auf autoritären oder freiheitlichen Grundlagen aufgebaut ist.
Wir legen Ihnen in diesem Sinne einen Gesetzentwurf für den mündigen Bürger vor.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703903000
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist beendet.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Das Wort zur Begründung der Anträge der CDU/CSU insgesamt hat der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann. Ich bitte, dabei zu beachten, daß die generelle Aussprache, die wir soeben abgeschlossen haben, nicht wiederaufgenommen wird.

(Abg. Wehner: Das wird schwer sein!)


Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0703903100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Gestatten Sie mir trotz der liebenswürdigen Mahnung der Frau Präsidentin einige grundsätzliche Bemerkungen zu den Motiven für die Einbringung unserer Anträge. Gerade zu dem, was der Kollege von Schoeler zum Schluß über das Verhältnis von Moral und Recht gesagt hat, möchte ich eine ganz kurze grundsätzliche Anmerkung machen.
Wir müßten uns, glaube ich, darüber einig sein, daß wir als Gesetzgeber auch im Bereich des Sexualstrafrechts etwas mehr zu tun haben, als bloß — ich zitiere hier etwas, das einmal in einer früheren Rede gesagt worden ist — eine Art „menschlicher Müllabfuhrordnung" zu schaffen. Unsere Verantwortung als Gesetzgeber erlaubt es uns nicht, nur mit den Normen hinter den inzwischen eingetretenen sogenannten Realitäten auch in diesem Bereich herzulaufen. Ich glaube, wir können uns sehr schnell einigen, wenn wir dem, was Ihr verstorbener Parteifreund Radbruch einmal formuliert hat, zustimmen, nämlich daß es zwar nicht Aufgabe des Rechts sei, die Moral lupenrein zu verwirklichen, daß es aber Aufgabe des Rechts sei, die Moral zu ermöglichen. Das ist es, meine Damen und Herren, worauf es hier ankommt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr gut!)

Der Gesetzgeber würde, glaube ich, seinen Auftrag nicht erfüllen, wenn er die Unmoral ermöglichte. Aus manchen Bemerkungen, die hier gefallen sind — verzeihen Sie, ich möchte niemandem zu nahe treten —, könnte man leicht den Schluß ziehen, als sollte die Unmoral jetzt etwas mehr Spielraum bekommen.

(Abg. Brandt [Grolsheim] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703903200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0703903300
Frau Präsidentin, ich möchte gern im Zusammenhang sprechen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703903400
Sehr gut! Also keine Zwischenfrage!

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0703903500
Meine Damen und Herren, noch ein Wort dazu: man sagt vielfach, die Prägung von Moralvorstellungen, von ethischen Wertungen sollte man anderen Institutionen überlassen, z. B. den Kirchen. Aber, Herr Kollege von Schoeler, es sind doch die Judos — Sie gehören ja auch dazu —, die diese Kirchen als „Ideologiefabriken" diffamieren — und sie tun es noch -, um sie vor der Allgemeinheit und in der Meinung des Volkes herabzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Demgegenüber haben wir heute, ich möchte fast sagen, eine „Industrie", die zunehmend versucht, mit propagandistischen Mitteln eine natürliche sexuelle Zurückhaltung zu verunglimpfen, die Einehe und die eheliche Treue lächerlich zu machen und das alles durch pseudomedizinische Argumente zu relativieren.

(Abg. Wehner: Wenn bei solcher sexueller Zurückhaltung Brieftaschen verlorengehen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Herr Wehner, ich habe Sie nicht verstanden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß hier eine Entwicklung im Gange ist, die wir im Strafrecht beachten müssen, daß ein allgemeiner negativer Standard mehr propagiert wird als ein ethischer Standard, den wir brauchen, um auch die Rechtsordnung zu verifizieren.
Aus diesem Grunde meine ich, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, hier Leitplanken und Warnsignale zu setzen, auch auf die Gefahr hin, daß einmal eine Strafbestimmung nicht angewendet wird. Hier in diesem Hause hat einmal ein Minister dieser Regierung gesagt: Politik ist es, wenn man auch auf die Zukunft achtet. Genau das sollte man auch hier tun.
Meine Damen und Herren, was wir mit unseren Anträgen verhindern wollen, ist, daß unter der Flagge einer exzessiven sexuellen Selbstbestimmung letzten Endes eine Fremdbestimmung in weiten Kreisen unserer Bevölkerung stattfindet,

(Beifall bei der CDU/CSU)

einer Bevölkerung, die wegen ihrer vielfachen Belastungen im Alltag nicht die Zeit hat, philosophische, ideologische und moralische Reflexionen darüber anzustellen, wo diese Selbstbestimmung für den einzelnen ihre Grenzen hat, wenn im Gegensatz dazu die Schrankenlosigkeit weitgehend als Idealzustand propagiert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Gerade weil es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Menschenwürde zu sichern, Fehlentwicklungen bei unserer Jugend zu verhindern, ja, schon die Gefährdung der sexuellen Selbstbestimmung zu vermeiden, hält es meine Fraktion für notwendig, die Ihnen vorliegenden Anträge einzubringen. Wir sind der Auffassung, daß die Handlungen, die durch unsere Anträge — zum Beispiel im Bereich der Ehegattenkuppelei und der Pornographie — erfaßt werden, im höchsten Maße sozialschädlich sind. Die Erfahrung zeigt es. Ich bitte das zu beachten.
Lassen Sie mich zu den einzelnen Anträgen kommen. Zu § 174 Abs. 1 Nr. 1 haben wir den Antrag gestellt, das Schutzalter auf 18 Jahre heraufzusetzen. Hier schließt sich die Fraktion der CDU/CSU der einstimmigen Auffassung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit an. Erziehungs-, Ausbildungs- und Betreuungsverhältnisse gebieten nach unserer Auffassung einen ganz besonderen Schutz der Jugendlichen vor sexuellem Mißbrauch. Es ist nicht zu verkennen, daß gerade im Rahmen von Erziehung, Ausbildung und Betreuung junger Menschen ein ganz besonderes Autoritätsverhältnis besteht. Das gilt auch im Hinblick auf die von manchen propagierte absolute antiautoritäre Erziehung; denn antiautoritäre Erziehung ist im Umkehrschluß letzten Endes schon wieder eine Art autoritärer Erziehung.

(Abg. Wehner: Fremdwörter sind Glücksache!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Strafrecht muß die Kinder auch dann vor sexuellen Anfechtungen schützen, wenn die Eltern einen Teil ihres Sorgerechts Erziehern, Ausbildern und Betreuern übertragen. Die Eltern müssen sich darauf verlassen können, daß die Entwicklung ihres Kindes in Schule und Ausbildung insgesamt nicht gestört wird. Wenn das Urteil der Sachverständigen zur Frage des Schutzalters auch uneinheitlich war, so gilt doch der Grundsatz: „Im Zweifel zugunsten des Schutzes der Jugendlichen." Ich glaube, das sollte man auch einmal sehen. Was den Reifezustand von 15-, 16- oder 17jährigen Jugendlichen angeht, so können keine graduellen Unterschiede gemacht werden, die die Jugendlichen in ihrem Freiheitsspielraum bestärken könnten, sich sexuellen Ansinnen von Erziehern, Ausbildern usw. zu widersetzen. Es kommt hinzu, daß sie das intensive Abhängigkeitsverhältnis vielfach in ihrer Freiheit behindert, sexuellen Ansinnen entgegenzutreten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß viele Minderjährige heute über das Sexualleben besser informiert sind als Erwachsene und oft schon über Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen. Daß durch sexuelle Beziehungen Jugendlicher zu ihren Erziehern auch das pädagogische Ziel der Ausbildung beeinträchtigt wird, ist ganz selbstverständlich; das brauchte ich eigentlich gar nicht eigens zu betonen. Wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite das Volljährigkeitsalter als Kriterium für die Freiheit zum selbständigen Handeln in der eigenen Lebensbestimmung auf 18 Jahre festsetzt, also hier eine Zäsur im Leben des Jugendlichen anbringt, so ist es auch sinnvoll und richtig, auf der anderen Seite den



Dr. Wittmann (München)

Jugendlichen bis zu dieser Altersgrenze zu schützen. Die Fälle, in denen eine gewisse sexuelle Aktivität von dem Jugendlichen selbst ausgeht, sind in Abs. 4 der von mir mit dem Antrag angegriffenen Bestimmung geregelt; wir brauchen darüber, glaube ich, nicht zu streiten.
Meine Fraktion hat auch einen zweiten Antrag gestellt, nämlich zu § 174 Abs. 2 Nr. 2. Hier wurde die Fassung der Bestimmung, die der Sonderausschuß in der 6. Wahlperiode beschlossen hat, in einer Weise geändert, daß die Bestimmung, wie wir glauben, hinter den Notwendigkeiten zurückbleibt. Ich glaube, daß es zur Erziehungsfunktion gehört und in den in dieser Bestimmung genannten besonderen Abhängigkeitsverhältnissen angemessen ist, zu verlangen, daß die Vornahme sexueller Handlungen des Schutzbefohlenen vor dem Erziehungsberechtigten usw. von diesem unterbunden wird. Die vom Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Regelung, daß nur die Bestimmung von Schutzbefohlenen zu sexuellen Handlungen vor Erziehungsberechtigten usw. strafbar sein soll, erscheint uns als zu weitgehend. Der Begriff des Schutzbefohlenen beinhaltet eine weitergehende Zurückhaltung des Erziehungsberechtigten, als dies hier in dem Verbot des Bestimmens enthalten ist. Seine Erziehungsaufgabe ist es, auch korrigierend einzugreifen. Das sollten wir nicht übersehen.
Eine sehr schwierige Frage ist das sogenannte Erzieherprivileg, wie es von den Juristen genannt wurde und mit dem der eine oder andere in der deutschen Öffentlichkeit sicherlich manche falsche Vorstellung verbindet; das nur als Nebenbemerkung. Wir sollten uns sehr hüten, auch im Rechtsausschuß und im Strafrechtssonderausschuß, Begriffe zu prägen, die man in der Öffentlichkeit nicht versteht oder gar mißversteht. Lassen Sie mich dazu noch beleuchtend sagen — sicherlich nicht für die Experten aus dem Strafrechtssonderausschuß oder aus dem Rechtsausschuß, aber doch für alle anderen, die sich für diese Probleme interessieren —, worum es geht.
Sicherlich haben in der Vergangenheit viele Gerichtsentscheidungen bei Juristen und Laien etwas Erstaunen ausgelöst und das Gefühl einer gewissen Ungerechtigkeit hervorgerufen, wenn Eltern bestraft wurden, weil sie bei sexuellen Kontakten ihrer Kinder die Augen zugedrückt haben. Aber über diese Rechtsprechung sind wir doch — seien wir mal ganz ehrlich — längst hinaus! Diese Rechtsprechung war unbefriedigend. Das müssen wir sehen. Wenn wir heute die Streichung dieses Erzieherprivilegs fordern, das da lautet, daß Eltern sexuelle Kontakte ermöglichen und zu einem aktiven Tun auffordern dürfen — ich komme darauf noch näher zu sprechen —, hat das keineswegs zur Konsequenz, daß nun wieder die alte Rechtsprechung zum Zuge kommt. Ich glaube, daß die Rechtsprechung durchaus erkennt, was unsere Intentionen hier sind. Gerade im Hinblick auf die strengeren Vorschriften im Ausland, insbesondere bei der Kuppelei von Eltern gegenüber Kindern, aber auch aus einem natürlichen Empfinden heraus muß man es als geradezu grotesk bezeichnen, wenn wir in den Gesetzentwurf nunmehr Eltern ausdrücklich von der Verantwortung freistellen, wenn sie ihren Kindern Gelegenheit zu sexuellen Handlungen — ich zitiere — „gewähren" oder „verschaffen".
Unerträglich ist es, daß nach der jetzigen Fassung des Entwurfs dieses sogenannte Vorrecht auch auf Dritte wie z. B. Lagerleiter, Lehrer usw. übertragen werden kann. Ich habe die Sorge, daß diese Normierung eines Tages als eine allgemeine Verhaltensnorm interpretiert werden wird und die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers, hier vielleicht ein Ventil für pädagogische Notstände zu schaffen, total verkannt wird.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die großen Bedenken hinweisen, die die Bundesministerien in den Ausschüssen gegen diese Bestimmung vorgebracht haben. Das bitte ich die Damen und Herren der Koalition einmal zu bedenken. Ich glaube nicht, daß die Leiter dieser Ministerien an dieser Meinungsbildung in den Ministerien ganz unbeteiligt sind. Auch die etwas merkwürdige Auffassung kleinerer Gruppen in unserem Volke, die meinen, die beste Sexualerziehung sei die frühzeitige Einübung der Kinder in sexuelle Praktiken, kann nicht zur Norm erhoben werden.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Sehr richtig!)

Es muß hervorgehoben werden, daß es sich bei den Bestimmungen, um die es geht, um einen Strafschutz für Kinder bis zu 16 Jahren handelt. Die Erzieherfunktion kann keinesfalls so weit gehen, daß ihre sexuelle Betätigung aus angeblich erzieherischen Gründen noch straflos gefördert werden darf. Bei den Kriterien des „Gewährens" oder „Verschaffens" von Gelegenheit handelt es sich um ein aktives Tätigwerden der Eltern oder Erzieher und nicht etwa nur um eine stillschweigende Duldung.
Die Notbremse — wenn ich so sagen darf —, die Sie vorsehen wollen, wonach Strafbefreiung auf Grund dieses „Erziehervorrechts" bei gröblicher Verletzung der Erziehungspflicht eintreten soll, kann nicht ziehen, weil eine echte Unterscheidung wohl kaum möglich ist. Die Gerichte werden sich jetzt schwerer tun, eine gröbliche Verletzung der Erziehungspflicht anzunehmen, als festzustellen, daß ein Eingreifen — wie das in der bisherigen, später entwickelten Rechtsprechung der Fall war — der Eltern unzumutbar gewesen ist.
Ich möchte die Äußerung eines Regierungsvertreters im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform unterstreichen, der gesagt hat, mit diesem sogenannten Erzieherprivileg finde ein Rückzug der Rechtsordnung bis zur Grenze des Unerträglichen statt.

(Abg. Dr. Ritz: Hört! Hört!)

Bestehen schon erhebliche Bedenken, den Eltern Straflosigkeit bei der Förderung sexueller Betätigung ihrer Kinder bis zu 16 Jahren einzuräumen, so ist es nach unserem Dafürhalten schlechterdings ausgeschlossen, dieses sogenannte Recht auch noch auf Dritte übertragen zu können. Aus täglichen Zeitungsmeldungen wird uns zur Genüge bekannt, welchen Gefahren. die Kinder in Ferien- und



Dr. Wittmann (München)

Jugendlagern manchmal ausgesetzt sind. Ich bitte, das nicht als angreifende, sinnlose Polemik aufzufassen. Aber das ist Tatsache, und Tatsachen muß man einmal ansprechen. Ich bitte Sie, hier für eine Änderung zu sorgen, sollte unser Streichungsvorschlag nicht durchkommen. Ich denke an die skandalösen Verhältnisse, wie sie vornehmlich in Lagern der sogenannten Falken aufgetreten sind. Sie sind uns alle aus dem Vorjahr noch in guter Erinnerung. Bitte, fassen Sie das nicht falsch auf. Ich bitte Sie aber, wenn Sie unsere Anträge ablehnen, für Wandel zu sorgen.

(Zuruf des Abg. Wehner.)

— Herr Wehner, Sie haben ja die Macht in Ihrer Partei, hier für Wandel zu sorgen. Tun Sie es dann auch!
Selbstverständlich wurden auch dort immer erzieherische Gründe für praktische Unterweisungen der Jugendlichen auf sexuellem Gebiet vorgeschützt. Mancher Jugend- und Lagerleiter wird in der nunmehr vorgesehenen Bestimmung geradezu einen Freibrief für seine Betätigungen mit Kindern oder der Kinder untereinander erblicken. Wir werden sehr bald einschlägige Postillen lesen können — Sie wissen, wen ich ungefähr meine —, die Kommentare in dieser Richtung enthalten, die diese Freiheit feiern und interpretieren werden.
Die im Sonderausschuß von den Juristen — ich bin selbst einer, aber ich muß manchmal auch uns Juristen gegenüber etwas skeptisch und zynisch sein; ich bitte die Herren, nicht böse zu sein, wenn ich das jetzt etwas bin — gegebene Auslegung, die Einwilligung der Eltern müsse sich ausdrücklich auf sexuelle Handlungen im Rahmen des Betreuungsverhältnisses in einem Lager usw. beziehen, wird, fürchte ich, weder in der Öffentlichkeit in dieser Form verstanden werden noch werden die Gerichte dann unsere Protokolle aus dem Sonderausschuß nachblättern und das als authentische Interpretation ansehen. Diese Auffassung scheint mir doch etwas weltfremd zu sein. Die Gefahr des Mißbrauchs dieser Bestimmung, daß Dritte sexuelle Beziehungen der Kinder gestatten und in einer bestimmten Weise fördern könnten, liegt auf der Hand. Das Elternrecht und die Bestimmung der Eltern über die Erziehung der Kinder werden hier untergraben.
Ich denke vor allem auch an die Sorge von Eltern, die ihren Kindern eine Erholung gönnen wollen, weil sie selbst mit ihnen zusammen aus den verschiedensten Gründen diese Erholung nicht finden können. Denken Sie an die Väter und Mütter, die während der Ferienzeit der Kinder aus betriebstechnischen oder welchen Gründen auch immer ihren Urlaub nicht nehmen können oder vielleicht dazu finanziell nicht in der Lage sind. Wenn die jetzt Angst haben müssen, daß ihre Kinder in sogenannten Ferienlagern sexuellen Mißbräuchen ausgesetzt sind, so ist dies unerträglich! Das bitte ich doch auch einmal zu bedenken. Wird die von der Mehrheit im Sonderausschuß durchgesetzte Ausnahmebestimmung wirklich Gesetz, müssen verantwortungsbewußte Eltern in Angst leben, daß ihre Kinder vielleicht mit falscher oder verfrühter Sexualerziehung konfrontiert werden.
Die Fraktion der CDU/CSU bittet dieses Haus sehr herzlich, mit ihr zusammen aus den von mir genannten Sorgen und Gründen diese Freistellungsbestimmung — wenn ich sie einmal so nennen darf — zu streichen.
In der vorherigen allgemeinen Aussprache — ich kann mich daher auf einige kurze Bemerkungen beschränken — hat die sogenannte Ehegattenkuppelei einen breiteren Raum eingenommen. Aber lassen Sie mich noch eines sagen: Eine solche Entscheidung des Gesetzgebers, die die Ehegattenkuppelei in der Form, wie jetzt die gesetzlichen Bestimmungen lauten, mehr oder weniger straffrei läßt, meine Damen und Herren, könnte die CDU/CSU aus grundsätzlichen Erwägungen — das ist schon gesagt worden — nicht mittragen. Art. 6 des Grundgesetzes schützt die Institution von Ehe und Familie. Sie bedürfen eines besonderen Schutzes, auch des Schutzes des Strafrechts, und sei es nur im Sinne einer Signalfunktion des Strafrechts. Das sollten wir nicht übersehen. Ich verweise auf das, was ich eingangs gesagt habe.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Vorschrift besonders dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dienen soll. Gerade in einer Ehe gibt es viele Möglichkeiten, in denen Ehepartner unterhalb der Schwelle der Nötigung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen veranlaßt werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in Parenthese sagen; Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, als junger, unverheirateter Assessor anfangs der sechziger Jahre einmal mehrere Monate einer reinen Ehescheidungskammer anzugehören. Was man da an Dingen erfährt, die weit unterhalb der Schwelle des Strafbaren sind, aber doch die Selbstbestimmung der Ehegatten in vieler Weise tangieren, das möchte ich hier in unseren Antrag als Begründung sozusagen zusammenfassend mit einbringen.
Es mag richtig sein, daß eine Ehe bereits kaputt ist, wenn derartige Handlungen in ihr vorkommen. Der Gesetzgeber muß aber auch im Strafrecht sozialschädliches Verhalten als solches kennzeichnen. Ich bin auch hier der Überzeugung, daß, wenn eine solche Bestimmung nicht Gesetz wird, eine vielfältige Kommentierungsliteratur entstehen wird, die den Partnertausch und das Hinführen des Partners dazu lehren wird. Bei der Sachverständigenanhörung hat Herr Professor Peters sehr eindrucksvoll gefordert, Ehe und Familie über den engen Individualrahmen des Strafrechts hinaus zu schützen, weil die Wertordnung um ihrer selbst willen und auch ihrer kriminalpolitschen Funktion wegen wertentsprechend eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht werden muß.
Die Bundesregierung hat in der Begründung ihrer Vorlage eines Vierten Strafrechtsreformgesetzes aus der VI. Legislaturperiode selbst unmißverständlich festgestellt, daß die Befürchtung schwer wiege, ein Vordringen der Kuppelei im allgemeinen könne die tragenden Wertvorstellungen, auf denen Ehe und Familie beruhen, im Bewußtsein der Allgemeinheit erschüttern. Das gilt um viel mehr, wenn wir jetzt auf eine Strafbestimmung verzichten, wie sie unsere Fraktion hier vorschlägt. Wenn wir auf diese Be-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 7. Juni 1973 2121
Dr. Wittmann (München)

stimmung verzichten, wird ein Bewußtseinsprozeß wieder ausgelöst werden, der Ehe und Familie geringwertiger als die sexuelle Betätigung erscheinen läßt. Das bitte ich zu beachten. Mit Recht hat Herr Professor Peters aus diesem Grund darauf hingewiesen, daß das Sexualstrafrecht auch die verfassungsmäßig anerkannten Grundwerte sichtbar machen muß und damit auch der Sexualordnung zu dienen hat. Solange irgendeine Möglichkeit besteht, durch das Strafrecht auch Ehe und Familie zu schützen, kann der Staat aus seiner Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie heraus nicht darauf verzichten.
Meine Damen und Herren — ich bitte Sie wiederum, das nicht als eine Polemik mit dem Ziel der Verletzung aufzufassen —, die Koalitionsparteien sollten sehen, daß ihre Haltung in dieser Frage den Verdacht zuläßt, daß sie eine Demontage unserer Wert- und Sittenordnung zumindest in Kauf nehmen, um dann um so leichter eine von bestimmten Gruppen gewollte andere Gesellschafts- und Wertordnung zu verwirklichen. Dieser Verdacht läßt sich nicht ausräumen. Kommen Sie mir nicht mit dem Einwand, durch das Strafrecht ließen sich Ehen nicht erhalten! Das Strafrecht — ich sagte es — hat auch eine Warnfunktion. Die geschlechtliche Selbstbestimmung muß auch in der Ehe gewährleistet sein. Ich appelliere deshalb, daß wir zusammen eine derartige Bestimmung tragen und sie Gesetz werden lassen.
In der allgemeinen Aussprache hat auch die Frage des Pornographieverbotes einen weiten Raum eingenommen. Der Vorschlag meiner Fraktion zu § 184 soll dem Schutz der Jugend vor Pornographie dienen. Er soll den individuellen Zugang, auf den der Herr Kollege von Schoeler so großen Wert gelegt hat, nicht in unzumutbarer Weise erschweren, andererseits aber auch verhindern, daß in Zukunft das große Geschäft mit der Pornographie in unserem Lande gemacht wird. Einerseits ist man anti-geschäftemacherisch eingestellt, und hier will man geradezu die Schleusen für neue Märkte, neue Geschäftemacher, neues „Gewinnstreben" und neue „Gewinnmaximierung" eröffnen.

(Abg. von Schoeler: Das ist gar nicht der Fall, das Gegenteil ist der Fall!)

— Das behaupten Sie. Das ist eine Schutzbehauptung von Ihnen, die Sie aufstellen, um hier eine Rechtfertigung für Ihre Anträge zu finden. Das ist es doch in Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Eine Überschwemmung unseres Landes mit Pornographie, die bei Annahme des von der Koalitionsmehrheit beschlossenen § 184 Abs. 1 und 2 — Abs. 3 ist ein Problem für sich — gegeben wäre, würde nicht der Selbstbestimmung, sondern gerade der Fremdbestimmung vieler Menschen in unserem Lande Vorschub leisten. Insbesondere auf dem Gebiet der Sexualität soll nach dem Willen der Koalition eine neue Freiheit anbrechen. Wir haben die Befürchtung, daß statt dessen neue Zwänge entstehen werden. Dem Jugendlichen — das lassen Sie mich noch einmal verdeutlichen — wäre es kaum möglich, sich von pornographischer Beeinflussung frei zu halten und zu einer Persönlichkeit heranzureifen, die in der Lage ist, über den Sexualbereich hinaus personale Beziehungen zum Partner zu entwickeln. Welche Auswirkungen die Pornographie in diesem Bereich hat, ist bereits schon gesagt worden. Diese Entwicklung ist aber — lassen Sie mich das unterstreichen — in einem höchsten Maße sozialschädlich. Das wurde auch bei der Anhörung im Strafrechtssonderausschuß bestätigt. Ich habe die Protokolle aus dem Jahre 1970 sehr genau nachgelesen, weil ich damals diesem Hause noch nicht angehört habe. Ich möchte das ausdrücklich betonen und nicht so tun, als wäre ich ein erfahrener alter Parlamentarier, alt im Sinne von altgedient.

(Abg. Kleinert: Sie machen das schon ganz gut!)

Diese Anhörung hat bestätigt, daß Pornographie sozialschädlich ist. Hier möchte ich besonders auf die Ausführungen der Professoren Metzger und Affemann hinweisen. Ich bitte um die Erlaubnis, Herrn Professor Affemann zu zitieren. Er sagt folgendes:
Nach meinen Erfahrungen ist die Freigabe der Pornographie für den Erwachsenen individuell- und sozialschädlich. Vor Freigabe der Pornographie müßte mittels spezieller Untersuchungen festgestellt werden, ob Pornographie sozialschädlich oder garantiert sozial unschädlich ist. Vor diesem Beweis der Sozialunschädlichkeit von Pornographie dürfen diese Mittel für Erwachsene nicht freigegeben werden.
Das ist ein deutlicher Hinweis, wohin die Entwicklung geht. Professor Affemann begründet seine Ansicht auch mit dem Vergleich der Erfahrungen im Bereich der Werbung für Konsumgüter. Der Werbeinhalt greift in das Unbewußte ein, gibt Anstöße zu einem bestimmten Konsumverhalten. Nach der wohlbegründeten Auffassung von Herrn Professor Affemann verhält es sich im sexuellen Bereich ebenso. Gilt dies schon für Erwachsene, so gilt das noch mehr für Jugendliche.
Herr Kollege von Schoeler, Sie meinen, die Entwicklung würde zurückgehen. Ich habe eher die Befürchtung, mit der Freigabe der Pornographie wird die Reizschwelle immer weiter nach oben oder, wenn Sie so wollen, nach unten verschoben. Eine Abstumpfung tritt ein gegenüber dem, was bereits jetzt in der Öffentlichkeit ist. Die Geschäftemacher müssen dann immer mehr bieten, um die Käuferschar interessiert zu halten.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD.)

— Manche Herren der Opposition finden das alles sehr lächerlich. Wir nehmen diese Dinge sehr, sehr ernst. Das möchte ich einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

- Wenn Sie über Ihre eigene Lächerlichkeit klatschen, ist das Ihre eigene Sache.
Die von der Koalitionsmehrheit beschlossene Fassung des § 184 würde nicht nur bedeuten, daß Kinder und Jugendliche freien Zugang zur Pornographie erhalten, sondern auch, daß sie sich der Pornographie nicht entziehen könnten. Die Durchführung



Dr. Wittmann (München)

des Gesetzes gegen jugendgefährdende Schriften wird immer hinter der tatsächlichen Lage — wenn ich so sagen darf — auf dem Markt zurückbleiben und kaum mehr praktikabel sein. Dies gilt um so mehr, als man mit einer sehr zweifelhaften Begründung auch noch die Werbung für Pornographie als Ordnungswidrigkeit aus dem Gesetzentwurf herausgestrichen hat.
Die Wirkung pornographischer Erzeugnisse auf Jugendliche hat Professor Metzger im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform eindeutig geschildert. Er sagt — ich darf bitte zitieren —:
Erstens wecken sie,
— pornographische Erzeugnisse —wie hier schon mehrfach besprochen, falsche Lebenserwartungen. Unter den Dingen, auf die es im Leben ankommt, erhält die körperliche Sexualität ein sachlich völlig unangebrachtes Übergewicht. Zugleich entstehen weit übertriebene Vorstellungen von dem, was geschlechtlich normal ist.
Und er fährt fort:
Zweitens züchten solche pornographischen Erzeugnisse eine unmenschliche, entwürdigende Einstellung zu den Angehörigen des anderen Geschlechts. Sie leiten dazu an, ihn nicht als Subjekt oder anderes Ich zu betrachten und zu behandeln, sondern ihn nur noch als Triebobjekt ... zu verstehen, ...
Meine Damen und Herren, deutliche Worte eines Wissenschaftlers!
Wohin jetzt schon die Sexualisierung unserer Öffentlichkeit geführt hat, zeigt die Tatsache, daß von verantwortungsbewußter Seite die Forderung erhoben wird, 14jährigen die Pille zu geben, und zwar nicht nur in Ausnahmefällen. Es geht nicht darum, jetzt diese Kinder anzuklagen, weil sie sich einer sexuellen Betätigung hingeben, die die Gesellschaft als modern empfindet, es geht darum, daß wir dieser Gesellschaft ins Gewissen reden und ihr sagen, wozu unsere Kinder heute von einer ganz bestimmten Geschäftemacherclique, der hier Vorschub geleistet werden soll, verführt werden sollen.
Auch Sexualdelikte werden vielfach mit Hilfe der Pornographie eingeleitet. Ein durchaus vermehrbares Beispiel aus einem Polizeibericht der letzten Tage — ich zitiere —:
Wegen Unzucht mit Kindern und Notzucht wurde am Montagnachmittag der 30 Jahre alte ledige Zahnarzt ... an seiner Arbeitsstelle festgenommen. Der Mann hat seit März dieses Jahres fortgesetzt 13 und 14 Jahre alte Buben und Mädchen, die zum Teil von daheim weggelaufen waren, zu sich in die Wohnung eingeladen und dort verführt. Allen Kindern zeigte er pornographische Filme und gab ihnen gelegentlich Alkohol zu trinken.
Hier wird doch deutlich, daß, wenn wir das Vorfeld nicht absichern, Erwachsene gerade mit Hilfe der Pornographie Kinder verführen. Es geht hier darum, auch Präventivmaßnahmen zu treffen.
Es ist durchaus konsequent, wenn wir den sogenannten mündigen Erwachsenen — ich sage deshalb „sogenannt", weil ich denjenigen, der auf Pornographie aus ist, nicht unbedingt als mündig ansehe; denn der hat einen Persönlichkeitsknacks —

(Beifall bei der CDU/CSU)

zumuten, daß sie etwas Zurückhaltung üben, was wir ja tun, wenn wir dieses Vorfeld absichern.
Auf die Inkonsequenz des von der Mehrheit hier vorgeschlagenen neuen § 184 im Verhältnis zu § 131 — Gewaltdarstellungsverbot usw. — ist bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen worden.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf Dänemark verwiesen und gesagt, daß sich die Pornographie dort in gewissen Grenzen hält und die Porno-Shops nur auf Kopenhagen beschränkt sind. Bitte bedenken Sie: Es gibt nur eine einzige größere Stadt in Dänemark, und das ist Kopenhagen. In Deutschland gibt es mehrere. Dort werden die Geschäfte dann mit Vehemenz aus dem Boden schießen.
Meine Damen und Herren, sosehr wir es begrüßen, daß die Koalitionsparteien wenigstens ein Verbreitungs- und Herstellungsverbot für sogenannte harte Pornographie vorsehen wollen, sosehr muß bezweifelt werden, daß hier eine klare Abgrenzung möglich ist. Die Grenzen sind schon jetzt derart weit gezogen, daß die allgemeine Freigabe der Pornographie auch die „harte", wenn ich es einmal so ausdrücken darf, zu relativieren droht, und zwar trotz der in Ihrer Bestimmung aufgeführten Kriterien. Die Raffinesse der Porno-Industrie ist uns leider hinreichend bekannt. Wir bekommen ja manches in allen möglichen Aufmachungen auch hier ins Bundeshaus zugesandt, und es beeinträchtigt sicherlich nicht die freie Entscheidung und das Gewissen des Abgeordneten — Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, das hier einmal zum Ausdruck zu bringen —, wenn bei den Verteilungen sichergestellt wird, daß wir Abgeordnete nicht mit Pornographie konfrontiert werden. Ich bitte das nicht als eine Kritik, sondern als Bitte aufzufassen.
Lassen Sie mich beim Thema „Pornographie" eine Parallele zu einem anderen Rechtsgebiet ziehen. Im Lebensmittelrecht ist die Verwendung eines Stoffes so lange verboten, bis nicht eindeutig nachgewiesen ist, daß er nicht schädlich ist. Wir meinen, so sollte es auch bei der Pornographie sein. Solange ihre Unschädlichkeit nicht eindeutig feststeht — und das haben die Anhörungen gezeigt —, darf an eine Freigabe nach unserem Dafürhalten nicht gedacht werden. Das geistige Wohlbefinden der Menschen ist dem körperlichen mindestens gleichwertig, und das gilt vor allem für die Jugend.
Wer für gesundheitlichen Umweltschutz sorgt, ist aus dem Menschsein heraus verpflichtet, auch einen geistigen Umweltschutz sicherzustellen. Ich bitte Sie daher herzlich, vor allem im Interesse der jungen Menschen, unserem Antrag zuzustimmen. Wir glauben, daß das, was auf unsere Jugend zukommen wird, mit dem Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften nicht aufgefangen werden kann, und wir müssen deshalb hier das Vorfeld ab-



Dr. Wittmann (München)

decken. Das ist der Sinn unseres Antrags zu dieser Bestimmung.
Die Abstimmung über unsere Anträge wird zeigen, ob wir bei der Verbesserung des Strafrechts noch eine gemeinsame geistige Wertbasis in diesem Hause haben. Verzeihen Sie, wenn ich das so sage, aber manche Äußerungen der Vorredner haben mir sehr zu denken gegeben.
Wir sollten daran denken, daß wir nicht nur Gesetzestechniker sind, sondern auch die Verpflichtung haben, Schaden von den Menschen auch aber nicht nur — mit den Mitteln des Strafrechts abzuwenden. Daher bitte ich Sie, in den Einzelabstimmungen unseren Anträgen zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703903600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0703903700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie ich soeben höre, war das die Jungfernrede von Herrn Kollegen Wittmann. Man kann in diesem Zusammenhang nur besonders herzlich gratulieren.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien. Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben, Herr Kollege Wittmann, des öfteren sehr fleißig betont, daß Sie hier niemanden beleidigen wollen. Das haben wir gern gehört. An einigen Stellen war es trotz dieser Bekundung etwas schwer, die Polemik, die Sie, wie Sie mehrfach erwähnten, völlig vermeiden wollten, zu überhören.
Hier liegt ein Änderungsantrag auf dem Tisch, den Sie soeben begründet haben, und zwar ein Änderungsantrag zu den verschiedensten Punkten. Ist die Tatsache, daß alle diese Punkte in einem Antrag zusammengefaßt sind, auf den Pessimismus hinsichtlich der bevorstehenden Abstimmung über die Änderungsanträge zurückzuführen, dem Herr Kollege Eyrich schon Ausdruck verliehen hat, oder woran liegt es, daß Sie uns nicht doch Gelegenheit geben wollen, über die Anträge zu den unterschiedlichen Einzelproblemen auch einzeln abzustimmen? Hat das seinen Grund darin, daß Sie sich, wie nach der Erfahrung vergangener Debatten fast zu vermuten ist, von der ganzen Richtung distanzieren und das nur einzeln etwas untermauern und optisch versachlichen wollen, oder welche Gründe gibt es sonst?
Obwohl sich diese Frage, so wie die Dinge hier formal vor uns liegen, stellt, möchte ich kurz auf einiges eingehen, was hier gesagt worden ist. Ganz zweifellos ist es so, wie Herr Kollege Eyrich gesagt hat, daß nämlich eine große Zahl von Kollegen der Opposition im Strafrechtssonderausschuß — auch in den vergangenen Legislaturperioden — sachlich mitgearbeitet hat und bereit war, Ergebnisse gemeinsam mit den Abgeordneten der Koalition im einzelnen in mühsamer Arbeit zu erarbeiten und auch zu tragen, Ergebnisse, die dann zu einer weitgehenden Gemeinsamkeit hätten führen können.
Ihre jetzt vorgelegten Anträge aber gehen - Herr
von Schoeler hat schon darauf hingewiesen — über
das Maß an Kritik, das in der sachlichen Ausschußarbeit gegeben war, weit hinaus, und das muß doch zu der Auffassung führen, daß sich gegen die detaillierte Sachkenntnis der Abgeordneten im Strafrechtssonderausschuß hier vor der Schlußabstimmung wieder die etwas dumpfere, allgemeinere Grundströmung durchgesetzt hat, daß man eben Reformen auf diesem Gebiet überhaupt nicht will und in einer ganzen Reihe von Wahlkreisen, in denen Sie direkt gewählte Kandidaten vorweisen können, auch nicht so gut vertreten kann wie im übrigen in breiten Kreisen unserer Bevölkerung. Das muß man doch einmal sehen, und das ergibt sich auch recht logisch
— ich möchte fast schon sagen: zwingend - aus der
Art, wie sich die Debatte bisher entwickelt hat.

(Abg. Vogel [Ennepetal]: Herr Kleinert polemisiert nicht!)

— Das habe ich von mir nie behauptet, Herr Vogel!
Zum einzelnen: Herr Wittmann hat Ihre Bedenken zu § 174 erläutert. Er hat dabei die Dinge so dargestellt, als sollten von seiten der Koalition Möglichkeiten für Experimente, für Anreizungen und für Gefährdungen von Jugendlichen eröffnet werden. Das ist wahrlich nicht der Fall; das weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück. Niemand denkt an dergleichen. Vielmehr handelt es sich darum, daß in dem ohnehin außerordentlich schwierigen Bereich — Sie können das in viel harmloseren Zusammenhängen z. B. von jedem Lehrer erfahren —, in dem Erwachsenen Jugendliche zur Aufsicht anvertraut werden, diese Erwachsenen in einem Maße strafrechtlich gefährdet sind, daß sie auch Intrigen selbst von seiten Jugendlicher und von Kindern ausgesetzt sind, wie es in anderen Lebensbereichen nicht der Fall ist. Dieses Risiko muß auf eine vertretbare Weise eingeschränkt werden, wenn Erziehung — insbesondere im Bereich der Landschulheime, im Bereich der Jugendlager usw. — noch möglich und für die Erziehungspersonen zumutbar sein soll. Diesem Zweck und gar keinem anderen dienen die hier nach sorgfältiger Abwägung vorgesehenen Strafbestimmungen.
Dafür, daß man dabei nicht zu weit geht, kommt es in diesem Bereich genau wie in allen anderen in diesem Zusammenhang darauf an, daß eine Übereinstimmung über das, was man tut, und über das, was man auf diesem Gebiet läßt, allgemein gegeben ist und daß sich von daher die selbstverständliche Haltung all derjenigen, die in der Erziehung beschäftigt sind, bestimmt. Wir haben das Vertrauen, daß diese Haltung heute vorhanden ist und daß sie sich nicht zum Negativen, sondern zum Positiven verändert, wenn wir versuchen, dabei von strafrechtlichen Krücken weg und zu allgemeiner sittlicher Übereinstimmung hin zu kommen.
Wenn Herr Wittmann eben davon gesprochen hat, wir müßten den Menschen ins Gewissen reden, dann ist das etwas, was wir wohl unterschreiben wollen. Aber ins Gewissen reden doch um Gottes willen nicht mit den Mitteln des Strafrechts!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Wittmann [München]: Nicht nur, habe ich gesagt!)




Kleinert
Das ist doch eine ganz merkwürdige Auffassung von „ins Gewissen reden".
Wir werden also im Bereich des § 174 das tragen, was hier — durchaus in Erkenntnis der Spannungsverhältnisse, die bei einer Regelung so oder so entstehen — schließlich erarbeitet worden ist.
Zu § 180 sind hier auch sehr zu Herzen gehende Dinge gesagt worden, sehr unpraktische Dinge, wie ich meine. Wenn Herr Wittmann hier sagt, daß Ehe und Familie geringwertiger als der Sexualverkehr angesehen werden sollen, dann meine ich, geht das doch entschieden zu weit, wenn man sich einmal den Gesetzestext anschaut. Es handelt sich ganz schlicht darum, daß wir eine solche Auffassung von Ehe und Familie haben, daß wir sie von jeder Gefährdung durch Intrigen, durch Erpressungs- und Nötigungsversuche innerhalb der Ehe freihalten wollen. Diese Gefahr geht natürlich — meist erst sehr lange nach dem Fest — gleichermaßen von der einen wie der anderen hier zu treffenden Regelung aus.
Wir werden morgen hier über ein neues Eherecht zu debattieren haben. In diesen Bereich, in dem wir gerade sagen, wir müssen wegen der Unzuträglichkeiten in den Ehescheidungsverfahren vom Verschuldensprinzip weg, bringen Sie doch neue Gefährdungen, wenn Sie hier der Nötigung über Tatbestände, die gar nicht wägbar, geschweige denn im Beweiswege ordentlich zu erfassen sind, Tür und Tor öffnen. Da können Sie dann das Ehescheidungsverfahren von einer ganz neuartigen Seite, nämlich über diese Straftatbestände, beeinflussen, bevor es überhaupt eröffnet worden ist. Auf diesem Wege können Sie dann mit strafrechtlichem Druck bestimmte vermögensrechtliche Regelungen herbeiführen, während wir uns gerade bemühen, solche Regelungen in gerechter und abwägender Weise neu einzuführen. Das ist die große Gefahr, die in beiden Bereichen dahintersteht. Das ist der Grund, warum wir der Meinung sind: Solange eine Ehe besteht, ist unser Respekt vor dem Wesen der Ehe, das dazu Anlaß gibt, die Dinge unter den Ehepartnern und nicht mit strafrechtlicher Hilfe zu regeln, so groß, daß wir diese Ausklammerung für richtig halten, um nicht neue, ganz andere Schwierigkeiten — nicht zuletzt für das Rechtsgut Ehe — herbeizuführen. Angesichts dieser Situation die Dinge in das Gegenteil zu verdrehen, finden wir, gelinde gesagt, nicht sehr freundlich.
§ 184 StGB ließ erwarten, daß wir hier zu einigen Punkten, so wie das nach den Beratungen im Strafrechtssonderausschuß zu erwarten gewesen wäre, Änderungsvorschläge bekommen. Statt dessen haben Sie sich radikal entschlossen, die Flucht noch vorn anzutreten und die völlige Strafbarkeit all dessen, was auf diesem Gebiete vor sich geht, wieder zu verlangen.

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Lesen Sie den Antrag!)

Mit Einzelheiten haben Sie sich da nicht mehr weiter aufgehalten.
Nun, Herr Kollege Wittmann, Studienreisen sind, wie jeder weiß, nicht nur interessant, sondern auch erfreulich. Sie fördern glücklicherweise auch die Kollegialität der Mitglieder des Hauses; auch das ist sehr schön. Nach all dem, was von Ihnen zu hören ist, wäre aber angesichts der Situation in diesem Bereich eine Studienreise durch die Bundesrepublik weit dringender gewesen als eine Studienreise nach Dänemark und Schweden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dabei hätten Sie nämlich einmal eine Fülle von äußerst nützlichen Erkenntnissen gewinnen können. Wir haben das Thema hier schon so oft behandelt, daß ich hoffte, es würde uns eine erneute Behandlung erspart bleiben. Aber es muß wenigstens noch einmal angedeutet werden. Dann hätten Sie nämlich erkannt, daß hier seit vielen, vielen Jahren im Bereich der Verbreitung, des Handels, der Verteilung sowie der Werbung für Pornographie eine Eskalation vor sich gegangen ist,

(Abg. Dr. Eyrich: Und Warum?)

und zwar unter CDU-Bundeskanzlern, unter CDU-
Landesinnenministern und -Landesjustizministern. Diese Entwicklung zeichnet sich in allen Bundesländern seit vielen Jahren ab, so daß ich nicht weiß, wie Sie darauf kommen, hier könnte durch eine gesetzliche Regelung, die diesen Tatsachen einigermaßen gerecht wird, auch noch ein Gramm mehr an entsprechenden Druckschriften in das Land kommen. Wo soll denn die Sturzflut noch herkommen? Die Kioske sind doch alle proppenvoll mit dem Zeug. Wo soll denn die Sturzflut an solchen Erzeugnissen, von der hier gesprochen worden ist, noch herkommen?

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Und Sie propagieren seit Jahren, daß das alles wegfällt!)

Wer soll denn in einem Bereich noch zusätzliche Geschäfte machen, in dem nur durch die Strafdrohung und den dadurch erzeugten zusätzlichen Anreiz und die angebliche Gefährdung innerhalb des Verteilerappartas Preise verlangt werden, die zwar das Geschäft noch reizvoll erscheinen lassen, das aber nach den Erfahrungen, die in Teilbereichen durchaus schon zu beobachten sind, mehr und mehr zum Erliegen kommen wird. Wenn das nämlich selbstverständlich ist, dann wird es, wie viele andere selbstverständliche Dinge, nicht mehr zur Kenntnis genommen, außer von einem kleinen Personenkreis, der Neigungen hat, die schon einen gewissen Krankheitswert haben, und dem man gar nicht versagen sollte, diesen Neigungen auch — in einem jedenfalls nicht sozialschädlichen Umfang — nachzugehen. Alles andere wird erheblich nachlassen.
Wer gelegentlich bei Berlin-Besuchen - vielleicht
auch bei New York-Besuchen — sogenannte Vergnügungslokale aufgesucht hat, wird im Laufe der letzten 20 Jahre eine Eskalation in den Darbietungen bis zu der Grenze festgestellt haben, nach der gar nichts mehr kommt. Wissen Sie, was daraufhin in solchen Vergnügungsstätten passiert ist? Da treten neuerdings wie in den 20er Jahren wieder Leute mit Äffchen auf, die Reifen balancieren können oder die mit mehreren Fackeln gleichzeitig jonglieren und



Kleinert
dazu bunte Kostüme tragen, weil das andere nicht mehr geht.

(Heiterkeit und Beifall.)

Das ist nur alles an Ihnen vorbeigegangen, daß diese Entwicklung schon hinter uns liegt. Sie denken jetzt, das käme erst noch.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Heiterkeit und Zurufe.)

Wenn Sie das einmal ganz realistisch sehen, werden Sie auch erkennen, warum wir uns nicht zum soundsovielten Male in diesem Hause mit den vorgeschobenen Argumenten befassen wollen, sondern warum wir Ihre Anträge ganz schlicht samt und sonders ablehnen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0703903800
Meine Damen und Herren, ich rufe Art. 1 auf. Zu Nr. 1 Buchstabe b liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 7/675 unter I vor. Dazu hat der Abgeordnete Brandt (Grolsheim) das Wort. Er wird gleichzeitig auch zu § 184 und zu Art. 12 sprechen.

Hugo Brandt (SPD):
Rede ID: ID0703903900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kleinert, nach dem, was Sie gesagt haben, können wir es uns eigentlich recht leicht machen.

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Noch leichter?)

— Nein! Wir können es uns deshalb leicht machen, weil er eine sehr gute Situationsbeschreibung gegeben hat.

(Abg. Dr. Eyrich: Die uns nicht immer zugänglich ist!)

Ich gehe deshalb auch, Herr Kollege Dr. Eyrich, auf einige andere Probleme kurz ein, die Sie angeschnitten haben. Sie dürfen es mir aber nicht übelnehmen, daß ich es auch für seltsam halte, daß im Zusammenhang mit der Diskussion um das 4. Strafrechtsreformgesetz ausgerechnet dieser Komplex des § 184 immer wieder im Mittelpunkt gestanden hat, wobei wir doch alle wissen, daß es hier eine ganze Reihe rechtspolitisch und gesellschaftspolitisch wichtigere Fragen als diese gibt. Ich stelle das mit etwas Verdruß fest und versage es mir, daran weiterreichende, aber auch naheliegende Schlußfolgerungen zu knüpfen.
Zu dem, was vorhin gesagt worden ist und wobei schweres Geschütz aufgefahren worden ist, noch eine Bemerkung. Grundsätzlich sollten wir uns darüber im klaren sein, daß Sexualverhalten Teil des Sozialverhaltens ist

(V o r sitz : Vizepräsident Dr. Jaeger)

und daß Sexualität und Sexualverhalten deshalb auch nicht isoliert von gesellschaftlichen Gesamtzusammenhängen gesehen werden können. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich als einfachste Schlußfolgerung, daß eine Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, eine offene freie pluralistische Gesellschaft zu sein, darauf verzichten muß, allgemein verbindliche Strafgesetze zu erlassen, die ein bestimmtes
Verhalten der einzelnen erzwingen wollen, es sei denn, die Gesellschaft insgesamt oder einzelne in ihr würden konkret geschädigt. Dies ist die bekannte Frage nach der Sozialschädlichkeit, die ja auch bei Ihnen eine Rolle gespielt hat. Dies heißt aber: auch noch so gut motivierte Einzel- oder Gruppenwertvorstellungen dürfen nicht zum tragenden Element des Strafrechts werden, und seien die Gruppen auch noch so groß und mächtig in dieser Gesellschaft. Unser Staat muß also darauf achten, daß Gruppen- oder Einzelüberzeugungen nicht staatliche Verbindlichkeit durch das Strafrecht in der Form erhalten — und darauf kommt es hier an —, daß ein bestimmtes Sexualverhalten erzwungen wird.
Andererseits ist aber auch wichtig, daß diesen Gruppen- und Einzelüberzeugungen die staatliche Duldung nicht entzogen wird. Das ist der Rahmen, in dem wir uns in diesem Bereich zu bewegen haben. Wir haben bei unseren Beschlüssen zum Sexualstrafrecht immer darauf geachtet.
Nun haben Sie uns diesen Änderungsantrag vorgelegt, mit dem Sie erreichen wollen, daß der § 184 in der Bundesratsfassung Gesetz wird. Das ist die Vorlage, die Sie uns hier gegeben haben. Wir sind davon ausgegangen, daß als Ergebnis der wissenschaftlichen Diskussion wie auch des Hearings eine allgemeine Sozialschädlichkeit der einfachen pornographischen Darstellung nicht unterstellt werden kann. Zwei Schutzzwecke blieben übrig: derjenige, der nichts damit zu tun haben wollte, sollte davor geschützt werden — dies leistet der jetzige § 184 —, und die Jugend sollte geschützt sein; das leistet der wiederhergestellte § 6 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in einer präzisierten Form.
Da muß ich — ich spreche jetzt einmal Sie an, Herr Dr. Eyrich — auf die Vorgänge im Ausschuß hinweisen. Dort haben wir uns doch eines Tages darüber unterhalten, ob es bei der Regelung in § 184 bleiben, also auch die Jugendschutztatbestände in § 184 belassen werden sollten, oder ob § 6 GjS wiederhergestellt werden solle. Damals hat Herr Rollmann, der stellvertretende Ausschußvorsitzende, erklärt, er und seine politischen Freunde seien bereit, die §§ 131 und 184 unter Beibehaltung des § 6 GjS in das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften aufzunehmen, und es sollte versucht werden, in dieser Frage zu einem Einvernehmen zu kommen. Er fügte hinzu, unter Umständen könne dann das 4. Strafrechtsreformgesetz einstimmig oder so gut wie einstimmig verabschiedet werden. Beide Seiten, so sagte er, seien sich ja schon sehr nahegekommen, und dies sei wohl der einzige Punkt der Differenzen zwischen Koalition und Opposition.
Wir sind darauf eingegangen. Wir haben gesagt: wir stellen § 6 GjS wieder her, wir präzisieren ihn, und wir unterstellen, daß die Fälle des § 184 und des § 131 Fälle des § 6 GjS sind. Nun wollen Sie trotz alledem wieder die Bundesratsfassung, d. h. das allgemeine Herstellungs- und Verbreitungsverbot von pornographischen Schriften. Dies ist, wie ich meine, keine sehr gute Sache. Man müßte sich doch darauf verlassen können, daß, wenn jemand



Brandt (Grolsheim)

im Ausschuß im Namen seiner politischen Freunde spricht, dies auch beibehalten wird.
Die Grenze zwischen der einfachen und der harten Pornographie, von der hier gesagt worden ist, daß sie fließend sei, ist eigentlich sehr klar zu ziehen. Hier geht es nicht so sehr um das pornographische Element, sondern um Anwendung von Gewalt, und es sei dahingestellt, ob mit oder ohne pornographische Elemente. Dort hört der Spaß — wenn es einer ist und für wen es einer ist — absolut auf. Ich meine, daß wir auch darüber keinen Streit haben.
Eine der Merkwürdigkeiten in dem Antrag, den Sie uns vorgelegt haben, ist der Abs. 3. Nach diesem Abs. 3, meine Damen und Herren von der Opposition — und ich verweise darauf, daß man sich nach dem Schriftlichen Bericht der 6. Legislaturperiode im Ausschuß darüber einig war — würde das medikamentöse Empfängnisverhütungsmittel unter den Begriff „Mittel, die dem sexuellen Gebrauch dienen" zu subsumieren sein. Das muß man einmal im Zusammenhang mit der uns alle verbindenden Auffassung sehen, daß Verhüten besser als Abtreiben sei, die in der Abtreibungsdebatte in der ersten Lesung zum Ausdruck kam. Denn nach diesem Abs. 3 würde die Abgabe der Pille auch durch den Arzt an eine Person unter 18 Jahren, selbst wenn sie verheiratet ist, strafbar sein. Das gleiche würde für die Abgabe eines Kondoms gelten. Ich denke, daß das von Ihnen nicht bedacht worden ist. Aber da wir ohnehin die Bundesratsfassung ablehnen werden, mag das unerheblich sein. Ich wollte Sie nur einmal auf diesen Widerspruch hingewiesen haben.
Meine Damen und Herren, das Problem, um das es hier geht, ist nicht etwa das der Würde der Frau. Ich glaube nicht, daß die Würde der Frau durch Pornographie tangiert werden kann, zumal es dabei durchaus nicht nur um Frauen, sondern auch um Männer geht.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Fragen Sie mal Herrn Heinemann!)

Es geht weder um Ihre noch um meine Frau. Hier ist die Würde der einzelnen Frau nicht tangiert; die ist natürlich geschützt. Diejenigen, die dabei mitwirken, und diejenigen, die sich das ansehen wollen, sollen das mit sich selber ausmachen. Das ist keine Frage für den Gesetzgeber. Es ist vielmehr eine Frage der Würde jener und nicht eine Frage einer allgemein unterstellten Würde.
Wirksamer Jugendschutz ist in dem Rahmen, der hier gezogen ist, durchaus möglich, soweit er überhaupt möglich ist; denn die Grenze ist sehr scharf gezogen. Darauf ist mehrfach hingewiesen worden. Herr Dr. de With hat es getan, Herr von Schoeler hat es getan; ich brauche es im einzelnen nicht mehr zu tun.
Im Zusammenhang mit den vorliegenden Anträgen lehnen wir also § 184 in der vom Bundesrat vorgelegten Fassung ab. Wir bleiben bei unseren Beschlüssen. Natürlich ist es logisch, auch § 4 Abs. 3 Nr. 9 in der unter Ziffer I des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/675 vorgeschlagenen Fassung abzulehnen. Es bleibt bei dem
Verweis auf § 184 Abs. 3. Ihrem Antrag unter Ziffer III zu Art. 12 werden wir ebenfalls nicht zustimmen.
Ich glaube, daß wir eine optimale Lösung gefunden haben, die den Interessen der Gesellschaft gerecht wird. Ich denke, daß sich die Mehrheit dieses Hauses für die Vorlage des Ausschusses entscheiden wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703904000
Meine Damen und Herren, liegen weitere Wortmeldungen zu Art. 1 Nr. 1 und zu Ziffer I auf Drucksache 7/675 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU — vor? — Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer I dieses Änderungsantrags. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. -
Enthaltungen? — Die Mehrheit hat mit Nein gestimmt; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Ziffern 1 a bis 12 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen; die Ziffern 1 a bis 12 sind angenommen.
Ich rufe nunmehr Ziffer 13 und damit Ziffer II des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/675 auf. Der Antrag ist begründet.
Das Wort in der Aussprache darüber hat der Abgeordnete Krockert.

Horst Krockert (SPD):
Rede ID: ID0703904100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf II Ziffern 1 a und b des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU zu § 174 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2.
Der Herr Kollege Wittmann glaubte die Fraktionen der Koalition davor warnen zu müssen, einer Demontage der Sittlichkeit den Weg zu bereiten. Ich habe den Eindruck, daß der Antrag der CDU' CSU-Fraktion zu § 174 Abs. 1 Nr. 1 einer Demontage der Rechtsprechung den Weg bereitet. Ich versuche mir die Situation unserer Richter vorzustellen, die unter § 174 Abs. 1 eine Nr. 2 mit einem Straftatbestand, der einen Schutzraum bis zum 18. Lebensjahr enthält, vorfinden, daneben dann aber die von Ihnen vorgeschlagene Fassung des Abs. i Nr. 1, die ebenfalls einen Schutzraum bis zum 18. Lebensjahr vorsieht, wobei sich dieser Schutzraum von dem anderen eigenartigerweise dadurch unterscheidet, daß er den ganzen Tatbestand umfaßt, es dann jedoch der Vorschrift unter Nr. 2 überläßt, innerhalb dieses Raumes einen verengten Tatbestand und einen erweiterten Täterkreis vorzusehen. Meine Damen und Herren, dies ist wirklich eine Ungereimtheit und für die Richter sehr verwirrend. Als Teilhaber an der Gesetzgebung



Krockert
möchte ich mich jedenfalls weder dem Zorn noch dem Gelächter derer aussetzen, die auf Grund dieser zwei Vorschriften Recht sprechen und sich darüber klarwerden sollen, unter welche der beiden Vorschriften ihr Fall eigentlich zu rechnen sei und was dabei die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein könnte. Man könnte sich im Grunde jedes weitere Wort sparen. Ihr Vorschlag zu Abs. 1 Nr. 1 ist technisch überhaupt nicht durchführbar.
Lassen Sie mich trotzdem noch darauf hinweisen, daß wir unter Nr. 2 einen hinreichend klaren Tatbestand geschaffen und der Rechtsprechung hinreichend deutlich gemacht haben, wie sie reagieren soll. Dabei war es logisch, den Schutzraum der betroffenen Jugendlichen auf 18 Jahre festzusetzen, weil in § 174 insgesamt auf ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis abgestellt wird. Wir haben gemeint - in dieser Hinsicht stimmen wir doch überein —, daß nach Abs. 1 Nr. 2 der Mißbrauch dieser Abhängigkeit nachgewiesen werden muß, wenn die Handlung strafbar sein soll. Wenn wir der Auffassung sind, es müsse darüber hinaus auch noch einen Tatbestand geben, für den ein Mißbrauch der Abhängigkeit nicht extra nachgewiesen werden muß, weil dieser Mißbrauch gewissermaßen schon in der Handlung selber liegt, dann müssen wir doch in der Beschreibung den Betroffenenkreis unter Nr. 1 deutlich von dem unter Nr. 2 unterscheiden! Wir tun das, indem wir in diesem Fall mit der Schutzgrenze auf das 16. Lebensjahr zurückgehen, und zwar in Erkenntnis der Tatsache, daß die Entwicklung zwischen 16 und 18 Jahren in der Regel mit einem Schwinden der Abhängigkeitsintensität verbunden ist, weil das Selbständigkeitsbewußtsein des jungen Menschen in dieser Phase wächst.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703904200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach)?

Horst Krockert (SPD):
Rede ID: ID0703904300
Bitte, Herr Präsident!
Erhard (Bad Schwalbach) (CDU, CSU) : Herr Kollege Krockert, aus welchem Grund hat Ihres Erachtens die Bundesregierung bei der Vorlage des Entwurfes — das war allerdings in der vorigen Legislaturperiode; der Entwurf wurde ja über die Fraktionen neu eingebracht - die Schutzaltersgrenze für den erschwerten Fall auf 21 Jahre festzusetzen vorgeschlagen?

Horst Krockert (SPD):
Rede ID: ID0703904400
Sie versuchen jetzt die Annahmen der Bundesregierung bei diesem Vorschlag zu ergründen. Herr Kollege Erhard, ich kann Ihnen nur entgegnen: Auf diese Annahmen kommt es hier nicht an, und zwar weder dann, wenn wir jetzt die Nrn. 1 und 2 des Abs. 1 in unserer Fassung verabschieden, noch, um beurteilen zu können, was eigentlich die CDU/CSU-Fraktion gemeint hat, wenn sie neben die Nr. 2 jene merkwürdige Nr. 1 mit einer gleichen Altersgrenze setzt. Für die Beurteilung dessen, was jetzt zur Entscheidung ansteht, sind diese Annahmen nicht relevant. Die hohe Altersgrenze von 21 Jahren — darüber sind wir uns im Grunde doch alle einig gewesen - ist nur noch in Ausnahmefällen in Anspruch zu nehmen, wenn die Altersgrenze von 18 Jahren nicht ausreicht. Infofern sind diese Annahmen zur Beurteilung des Falles, der hier zur Entscheidung ansteht, völlig unerheblich, Herr Kollege Erhard.
Meine Damen und Herren, unser Vorschlag, in Nr. 1 die Altersgrenze auf 16 Jahre beschränkt zu halten — bei diesem Vorschlag bleiben wir — und in Nr. 2 eine Altersgrenze von 18 Jahren vorzusehen, ist in sich logisch und nicht anfechtbar. Dagegen verwirrt der Vorschlag der CDU/CSU zu diesem Punkt die Rechtsprechung, ist in sich unlogisch und nicht mit Nr. 2 abgestimmt. Wir schlagen deshalb vor, diesen Zusatzantrag abzulehnen.
Das gleiche gilt für den zweiten Vorschlag, der sich ebenfalls auf den § 174 bezieht, und zwar auf den Abs. 2 Nr. 2. Wir waren im Ausschuß der Auffassung, daß dieser Tatbestand ein eindeutiges Bestimmen des Schutzbefohlenen als des von der Tat Betroffenen durch den Täter enthalten muß. Die Bestimmtheit der Tat ist nach unserer Auffassung ein unentbehrliches Merkmal, weil man unseres Erachtens niemanden für das bestrafen kann, was ohne sein Zutun vor ihm vor sich geht. Es muß deutlich gemacht werden, daß er der Veranlasser ist. Wir bleiben bei dieser Auffassung und bitten Sie deshalb, die Anträge zu diesem Punkt abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703904500
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/675 unter II Ziffer 1 a, das Wort „sechzehn" durch das Wort „achtzehn" zu ersetzen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? -Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Antrag unter II Ziffer 1 b. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir haben noch über den § 174 in der Ausschußfassung abzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Ausschußfassung ist angenommen.
Unter II Ziffer 2 der Drucksache 7/675 liegt noch ein Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 13, § 180, vor, der noch nicht begründet worden ist. Dazu wünscht der Herr Abgeordnete Ostman von der Leye das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703904600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche jetzt zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/675; und zwar beziehe ich mich auf II, Zu Art. 1 Nr. 13



Freiherr Ostman von der Leye
Ziffer 2 a und b. Ich sage das, damit kein Irrtum unterläuft.
Der bisherige Tatbestand der Kuppelei war — wie viele im Bereich der sogenannten Sittlichkeitsdelikte — eine Strafnorm ohne ein konkretes geschütztes Rechtsgut. Er bezog den Unrechtsgehalt aus der Abweichung von einem fiktiv gewordenen sexuellen Lebensstil — von einer abstrakten Sittlichkeit. Diese Sittlichkeit bezog ihrerseits ihre Rechtfertigung entweder aus einem angeblich historischen Bewußtsein oder aus einem ontologischen Sittlichkeitsbegriff. Im ersten Falle kann man gewachsenen Weizen nicht von gewachsenem Unkraut unterscheiden, wofür wir schreckliche Erfahrungen in der Vergangenheit haben. Im zweiten Falle fehlt es an der allgemeinen Anerkennung und damit an der Glaubwürdigkeit, weil wir eben keine umfassende ethische Monokultur mehr besitzen.
Der Gesetzgeber ist also aus sachlichen Gründen gezwungen, den Dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches, in dem die Problematik des staatlichen Strafens seit eh und je immer besonders deutlich wurde, auf eine neue rationale Basis zu stellen. Es geht, Herr Kollege Wittmann, keineswegs nur um eine Liberalisierung oder gar um eine Entsittlichung.
Kaum etwas anderes ist gesellschaftspolitisch so verderblich gewesen wie die Verengung und Gleichsetzung der Begriffe Sitte, Sittlichkeit, Unzucht und Moral mit Sexualität und sexueller Abweichung. Erst nach Verkündung des Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts kann sich ein Bewußtsein dafür entwickeln, daß z. B. das Fordern einer Wuchermiete ein Sich-viel-weniger-in-Zucht-Haben und eine Steuerhinterziehung ein viel unsittlicheres Verhalten anzeigen können als ein Verhalten, das bisher als Kuppelei bezeichnet wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Erst die Summe aller Strafnormen beschreibt den Umfang der durch Freiheitsentzug erzwingbaren staatlichen Mindestsittlichkeit. Das Vierte Gesetz zur Reform des Strafrechts macht § 180 zu einer Jugendschutznorm. Das konkrete geschützte Rechtsgut ist demnach das noch nicht voll ausgebildete Selbstbestimmungsrecht des Jugendlichen und dessen möglichst ungestörte Entwicklung. Das darf nun nicht so mißverstanden werden, Herr Kollege Wittmann, daß der Jugendliche grundsätzlich von Sexualität freigehalten werden sollte, weil Sexualität angeblich etwas Schlimmes ist. Man muß sich doch der Ehrlichkeit halber darüber im klaren sein, daß der Jugendliche in der Regel eine viel höhere Vitalität besitzt als der sogenannte Mann in den besten Jahren.
Es ist auch falsch zu behaupten, Jugendliche könnten keine verantwortliche und harmonische Partnerschaft entwickeln. Bekanntlich war das berühmteste Liebespaar der Weltliteratur, Romeo und Julia, - ein Fall, der bei uns den Staatsanwalt nach § 176 in Bewegung gesetzt hätte; denn die Julia war damals 13 Jahre alt.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Vogel [Ennepetal] : Sagen Sie doch mal, wo und wann die wirklich gelebt hat!)

Es kommt nicht auf die Freigabe des Genusses an,
obwohl Genuß nicht per se etwas Schlechtes ist, — —

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Die war viel frühreifer!)

— Entschuldigen Sie einmal, Herr Vogel, damals hatten wir noch keine Akzeleration.

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Wo haben die denn gelebt?)

- Im 16. Jahrhundert gab es noch keine Akzeleration; die gibt es erst heute.
Es kommt also nicht auf die Verteufelung des Genusses an, aber es kommt wesentlich auf die Erziehung zur verantwortlichen Partnerschaft an.
Bisher hat der Kuppeleiparagraph ganz im Gegensatz dazu Eltern und Kinder häufig genug rettungslos entfremdet und die Familien zerstört. Kinder mußten ihre Liebe verbergen, und Eltern durften von Gesetzes wegen nichts von ihr wissen. Entsprechend vollzog sich alles im Verborgenen, in der Heimlichkeit und in der Lüge mit den entsprechenden Folgen. Die Eltern konnten oft keine hilfreichen Ratschläge für die Partnerwahl geben, weil der Partner verheimlicht wurde, und es konnte deswegen keine positive Sexualerziehung erfolgen. Dies soll nun unter anderem durch das Elternprivileg anders werden.
Wenn man diese positive Sexualerziehung ernst nehmen will, dann kann man sie nicht während einer Urlaubsreise oder eines Zeltlageraufenthalts einfach aussetzen. Deswegen muß es das sogenannte verlängerte Erzieherprivileg geben. Es ist ausdrücklich klargestellt — ich bitte Sie, das in der Drucksache VI/3521, Seite 45 ff., nachzulesen —, daß sich das verlängerte Erzieherprivileg nur auf einen konkreten Fall bezieht und nicht generalisiert werden darf. Die Erlaubnis der Eltern an einen Lagerleiter muß also konkret den Fritz Müller und die Angelika Meier bezeichnen, und die Erlaubnis muß von beiden Eltern erteilt sein. Würde, wie es der Antrag der CDU/CSU will, das Verhältnis in seiner Totalität unterbrochen, dann geriete auch das Vertrauensverhältnis zu den Eltern in Gefahr. Das werden Sie doch, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, nicht ernstlich wollen.
Ich bitte deswegen, den Antrag der CDU/CSU abzulehnen und der Ausschußfassung zuzustimmen.
Das gleiche gilt für die Ehegattenkuppelei. Die CDU/CSU hat im Ausschuß die Bestrafung der Ehegattennotzucht abgelehnt und dafür eine Mehrheit erhalten. Sie argumentierte damals, daß ihr die mögliche Erhaltung der Ehe wichtiger sei als die Bestrafung des schweren Angriffs auf das Selbstbestimmungsrecht der Ehefrau. Sie sagten, die grobe Axt des Strafrechts könne mehr Schaden als Heil stiften. In den schwersten Fällen könne auch eine Bestrafung nach § 240 — Nötigung — erfolgen.



Freiherr Ostman von der Leye
Dies soll nun alles für die Ehegattenkuppelei plötzlich nicht mehr gelten, und zwar nur deswegen, weil damit ein Dritter einbezogen wäre. Der Unrechtsgehalt liegt aber doch im Bestimmen und nicht bei dem Einbezug des Dritten. Darauf kommt es doch an. Wenn wir dem Antrag der CDU/CSU folgten, wäre das minder schwere Unrecht strafbar, das schwerere Unrecht dagegen straffrei. Diese Konsequenz können wir unmöglich akzeptieren,

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Das ist doch nur eine Behauptung!)

denn sie würde die Stringenz des Strafrechts zerstören und es dadurch unglaubwürdig machen. — Das ist nicht nur eine Behauptung! Sie müssen doch bestätigen, daß die Gewaltbestimmung ein schwereres Unrecht ist als die einfache Bestimmung. Das liegt doch wohl auf der Hand, Herr Wittmann. Muß ich das Ihnen noch näher begründen?
Der Gesetzgeber kann gerade im Strafrecht nicht willkürlich verfahren, denn es bedarf der Rechtfertigung auch gegenüber dem Täter. Inkonsequenzen produzieren Vorbestrafte, anstatt Straftaten zu verhindern.
Ich bitte deswegen, auch in diesem Falle den Abänderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion abzulehnen und der Ausschußfassung zuzustimmen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703904700
Meine Damen und Herren, wird zu diesem Punkt weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 7/675, Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu Ziffer 3 des gleichen Antrags der CDU/CSU, nunmehr bei § 184 eine Änderung vorzunehmen. Dieser Antrag ist vom Abgeordneten Dr. Wittmann begründet worden. Bisher hat dazu der Abgeordnete Brandt (Gerolsheim) gesprochen. Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über die Ziffer 3 abstimmen. Wer dem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe die weiteren Nummern des Art. 1 auf, zu denen keine Anträge gestellt worden sind. Das Wort wird hierzu nicht gewünscht. Wer der Ausschußvorlage in diesen übrigen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Art. 2 bis 11 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Beratung fortfahren, darf ich Ihnen folgendes mitteilen.
Auf der Diplomatentribühne haben der Präsident des indischen Unterhauses, Herr Dr. Gurdial Singh Dhillon und eine Delegation der beiden Häuser des indischen Parlaments Platz genommen. Ich habe die Ehre, die Herren zu begrüßen.

(Beifall.)

Es ist uns eine besondere Freude, Parlamentarier aus Indien in unserem Land im allgemeinen und im Deutschen Bundestag im besonderen willkommen heißen zu können.
Wir fahren in der Beratung fort. Ich rufe Art. 12 auf. Hierauf bezieht sich aus dem schon mehrfach erwähnten Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU die Ziffer III. Auch dieser Antrag ist vom Abgeordneten Dr. Wittmann begründet. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu Art. 12 in der Ausschußfassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir haben noch über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Wie ich gehört habe, soll zuerst in die Spezialdebatte eingetreten und nachher noch die Möglichkeit zur allgemeinen Aussprache gegeben werden.

(Zurufe.)

— Etliche, auch z. B. der Herr Bundesjustizminister, wünschen, nachher zu sprechen. Sie können sich jedoch zur Geschäftsordnung äußern. Wir können auch die allgemeine Aussprache zuerst machen; denn wenn eine Fraktion das will, muß das gemacht werden.

(Zurufe.)

Soll jetzt also die allgemeine Aussprache oder die Einzelberatung stattfinden?

(Zurufe: Einzelberatung!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert zur Geschäftsordnung.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0703904800
Ich weiß nicht, ob Abänderungsanträge kommen.

(Zurufe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703904900
Wenn die Abänderungsanträge der CDU/CSU noch nicht verteilt sind, werden wir jetzt einen anderen Punkt der Tagesordnung vorziehen müssen. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir solange einen anderen Punkt der Tagesordnung beraten, bis die Änderungsanträge

Vizepräsident Dr. Jaeger
verteilt sind? Ohne verteilte Abänderungsanträge geht es bekanntlich nicht. Sind Sie damit einverstanden? — Ich unterbreche die Beratung dieses Punktes also solange. Sie können mir mitteilen, wenn die Änderungsanträge verteilt sind; dann nehme ich diesen Punkt wieder auf.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Februar 1966 über die Eichung von Binnenschiffen
— Drucksache 7/481 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 7/634 —Berichterstatter: Abgeordneter Dreyer (Erste Beratung 30. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dreyer, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Abg. Dr. Luda: Um was geht es denn hier?)

Ich nehme an, daß hier keine Gegenstimme vorliegt. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 120 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 8. Juli 1964 über den Gesundheitsschutz im Handel und in Büros
— Drucksache 7/414 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß)

— Drucksache 7/652) —Berichterstatter: Abgeordneter Bredl (Erste Beratung 30. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Bredl, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. -- Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem internationalen Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe
- Drucksache 7/126 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/678 —
Berichterstatter: Abgeordneter Carstens

(Emstek)

b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß)

Drucksache 7/638 —
Berichterstatter: Abgeordneter Braun (Erste Beratung 15. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Braun, für seinen Schriftlichen Bericht und komme zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -
Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Selbstverwaltungsrechts und zur Vereinfachung des Wahlverfahrens (Achtes Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes)

— Drucksache 7/288 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/679 —Berichterstatter: Abgeordneter Krampe



Vizepräsident Dr. Jaeger
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß)

— Drucksache 7/644 —Berichterstatter: Abgeordneter Glombig (Erste Beratung 21. Sitzung)

Ich danke dein Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Glombig, für seinen Schriftlichen Bericht. — Er wünscht als Berichterstatter zu einer Ergänzung das Wort. Bitte sehr!

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0703905000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Berichterstatter eine Ergänzung des Berichts vornehmen. Dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als Gesamtheit ist eine neue Erkenntnis zugewachsen, die wir in dem Ausschußbericht, nachdem er bereits vorlag, nicht mehr berücksichtigen konnten. Wir sind dann gemeinsam auf den Weg verfallen, einen interfraktionellen Änderungsantrag einzubringen, der sich auf § 4 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 unter Art. 1 Nr. 5 des Regierungsentwurfs bezieht.
An dieser Stelle möchte ich fragen, Herr Präsident, ob ich diesen Antrag zur Vereinfachung des Verfahrens gleich begründen darf.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703905100
Sie möchten den Antrag jetzt als Abgeordneter begründen. Bitte tun Sie es!

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0703905200
Ich darf diesen Antrag jetzt im Namen aller Fraktionen kurz begründen. Der Änderungsantrag berücksichtigt die Tatsache, daß die Träger der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften inzwischen übereinstimmende Satzungsregelungen in den unter § 4 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 in der Fassung des Regierungsentwurfs angeführten Fragen getroffen haben. Eine gesetzliche Vorschrift mit unmittelbarer Wirkung erscheint daher in diesen Fällen entbehrlich. Rechtsgrundlage für die getrennte Abstimmung soll in den genannten Fragen die von den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bereits beschlossene Satzungsregelung sein. Eine Änderung dieser Satzungsregelung wird jedoch durch die vorgeschlagene gesetzliche Regelung ausgeschlossen. Wir hielten vor allem auch diese letzte Regelung für notwendig.
Ich darf Sie im Namen aller Fraktionen bitten, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben -er ist in der Ausschußberatung nicht kontrovers gewesen —, damit die Vorbereitungen für die Durchführung der Wahlen für die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung am 26. Mai des nächsten Jahres rechtzeitig begonnen und abgeschlossen werden können.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703905300
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr formell in zweiter Beratung den Art. 1 und den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP — Drucksache 7/687 — auf. Er ist schon von Herrn Abgeordneten
Glombig begründet worden. Wünscht ein weiterer Abgeordneter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über diesen interfraktionellen Änderungsantrag abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich lasse nunmehr über den Art. 1 in der Ausschußfassung zuzüglich der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe Art. 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Wird zu dem Antrag II des Ausschusses, eine Entschließung anzunehmen, das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Unter III beantragt der Ausschuß, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
— Drucksache 7/97 —
Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache 7/659 —Berichterstatter: Abgeordneter Gnädinger
Abgeordneter Dr. Stark (Nürtingen)


(Erste Beratung 17. Sitzung)

Ich danke den Berichterstattern für ihren Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3, 4 und 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Nach den mir vorliegenden Unterlagen sollen Erklärungen abgegeben werden. So ist es jedenfalls im Ältestenrat besprochen worden, und so steht es auch in meinen Unterlagen. — Es wünscht also niemand das Wort?
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Wir müssen noch über den Antrag des Ausschusses abstimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. November 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 7/472 —
Bericht und Antrag des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 7/661 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Huber (Erste Beratung 30. Sitzung)

Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Huber, für ihren Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? —Keine Enthaltungen. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich höre, daß die Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU zum Vierten Strafrechtsreformgesetz nunmehr verteilt sind. Stimmt das?

(Zustimmung und Widerspruch.)

— Sind alle im Besitz der Anträge? Dann können wir weiter beraten.

(Zurufe von der SPD: Es ist erst einer verteilt!)

— Der zweite immer noch nicht? Dann muß ich in der Tagesordnung fortfahren.
Ich rufe Punkt 10 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes
— Drucksache 7/293 —Bericht und Antrag des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 7/663 —
Berichterstatter: Abgeordneter von Bockelberg (Erste Beratung 21. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten von Bockelberg, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung die Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Punkte 11 bis 16 der Tagesordnung auf:
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes
— Drucksache 7/596 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes
— Drucksache 7/597 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
13. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen
— Drucksache 7/613 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß (federführend)

Innenausschuß
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1972
— Drucksache 7/645 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu



Vizepräsident Dr. Jaeger
dem Protokoll vom 15. Juni 1970 zur Verlängerung der langfristigen Vereinbarung vom 9. Februar 1962 über den internationalen Handel mit Baumwolltextilien
— Drucksache 7/647 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und über die Einrichtung eines Gewerbezentralregisters
— Drucksache 7/626 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Sonderausschuß für die Strafrechtsreform Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates liegen Ihnen vor. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
17. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes
— Drucksache 7/598 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Wird das Wort zur Begründung gewünscht?

(Zurufe von der SPD.)

— Ich höre, daß die Herren, die dazu sprechen wollten, nicht da sind. Das ist bedauerlich. Kann ich dann Punkt 18 aufrufen?

(Weitere Zurufe von der SPD.)

— Sie sind doch da? Entschuldigen Sie bitte, ich erteile Ihnen gern das Wort.

(Zuruf von der SPD: Minister Jahn spricht doch zur Einbringung!)

— Nein, das ist ein vom Bundesrat eingebrachter Entwurf; den müßte der Bundesrat begründen.

(Zuruf von der SPD: Er möchte aber trotzdem dazu sprechen! — Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ein Saustall bei der Koalition! — Eine groteske Situation! — Weitere Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, wie ich höre, sollen nunmehr die beiden Anträge zu Punkt 3 der Tagesordnung verteilt sein. Ich frage Sie: Ist ein Abgeordneter im Saal, der die beiden Anträge nicht besitzt? — Niemand mehr. Dann allerdings können wir den Punkt 17 verlassen, der also zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt wird.
Wir kehren zu Punkt 3 der Tagesordnung — Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts — zurück. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Hier soll zuerst die Einzelberatung abgehalten werden; das ist nunmehr die allgemeine Meinung des Hauses. Es liegen Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU auf den Drucksachen 7/676 und 7/677 vor. Dazu wünscht zur Begründung der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann das Wort.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0703905400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bitte um Nachsicht, daß unsere Anträge so spät verteilt wurden; das lag nicht an unserer Fraktion, sondern offenbar daran, daß es in der Technik ein Versehen gegeben hat.
Unsere beiden Anträge beziehen sich auf bereits gestellte Anträge und sollen sozusagen als Hilfsanträge verstanden werden, nachdem Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unsere umfassenderen Anträge leider abgelehnt haben.
Wir meinen, daß im Bereich des § 180 Abs. 2 der Ausschußfassung des Vierten Strafrechtsreformgesetzes doch darüber nachgedacht werden sollte, ob wir nicht das Erzieherprivileg mindestens insoweit einschränken müßten, als es nach der Beschlußfassung der Mehrheit im Ausschuß einer Übertragung zugänglich ist. Es wurde vorhin in der Begründung der Ablehnung unserer Anträge dargetan, daß sich die Einwilligung der Eltern bei einer Weitergabe dieser Berechtigung des Gewährens oder des Verschaffens der Möglichkeit konkret auf die Personen und auf die sexuelle Handlung beziehen muß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, schlicht gesprochen: eine derartige Auslegung halte auch ich für weltfremd. Welche Eltern werden schon ganz konkret sagen: Ihr könnt den und die miteinander sexuelle Handlungen vornehmen lassen. Diese Bestimmung wird letzten Endes vielmehr — ich habe es schon vorhin gesagt — als ein Freibrief verstanden werden. Von dieser konkreten Einwilligung - lassen Sie mich das in Parenthese sagen — steht auch kein Wort im Gesetz. Und was die Gesetzesinterpretation angeht, so findet sie nicht durch die Diskussionen in einem Ausschuß, sondern letzten Endes durch die Gerichte statt.
Ich bitte Sie daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem unseren Antrag, was die Weitergabe der Berechtigung zur Einwilligung angeht, zuzustimmen.
Lassen Sie mich den zweiten Antrag meiner Fraktion begründen, der sich auf die Frage bezieht, ob hier nicht in die Bestimmungen des § 184 doch ein Verbot von Filmvorführungen pornographischer Art einführen müssen, und zwar in der Fassung, wie wir sie hier vorgesehen haben: ein Verbot — wenn ich es einmal zusammenfassend sagen darf — öffentlicher Filmvorführungen gegen Entgelt.
Die Beratungen im Strafrechtssonderausschuß — ich habe die Unterlagen sehr eingehend studiert —, haben ergeben, daß die Sachverständigen der einzelnen Ressorts, insbesondere des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesjustizministeriums, eine solche Regelung zum Zwecke des Jugendschutzes übereinstimmend für notwendig gehalten und insofern die Bestimmungen des Jugendschutzes als nicht tauglich und zu gering angesehen haben.



Dr. Wittmann (München)

Denjenigen, die meinen, daß all das, was vorhin vor mir zum Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gesagt worden ist, genüge, um den Jugendschutz sicherzustellen, möchte ich wenn ich es einmal so ausdrücken darf — sagen, daß das nur so etwas wie ein optisches Trostpflaster ist. In der Praxis werden die Dinge leider anders sein.
Lassen Sie mich noch — Sie waren so liebenswürdig, Herr Kollege Kleinert, meiner Rede hier zu gedenken - eine ganz kleine Bemerkung machen.
Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, die Praxis, die sich hier eingebürgert hat, einzufangen. Daß wir diese Entwicklung hier in unserem Lande haben, ist darauf zurückzuführen, daß seit Jahren das Justizministerium befindet sich doch seit 1966 in der Hand der Koalitionspartei der SPD - propagiert wird, daß hier in diesem Bereich die bisher bestehenden Schranken total wegfallen werden. Bei dieser dauernden Propagierung haben sich die Strafverfolgungsbehörden selbstredend die Frage stellen müssen, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, jetzt einzugreifen, wenn doch in wenigen Monaten bzw. Wochen eine völlig neue Regelung existiert, auch mit der Folge von Regreßansprüchen, die hier nicht zu übersehen sind. Auch das muß ich hier einmal sagen.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, dient in erster Linie dem Schutze der Jugend und der Allgemeinheit, auch in bezug auf den Fall, daß der pornographische Film einen unverfänglichen Titel trägt und der unbefangene Filmbesucher plötzlich mit Pornographie konfrontiert wird.
Ich meine, der Jugendschutz erfordert dringend eine solche Vorschrift, weil die Alterskontrolle an der Kasse oder beim Einlaß in den Filmtheatern gleich Null ist, auch wenn da ein Schildchen steht: „Zutritt unter soundso viel Jahren verboten." Es ist weltfremd, zu glauben, daß an der Kinokasse die Ausweise verlangt werden. Das hat bisher niemand getan und wird auch in Zukunft trotz des Gesetzes gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften leider nicht getan werden. Daher meinen wir, daß diese unzulängliche Alterskontrolle doch veranlassen sollte, hier eine Norm einzuführen.
Nicht tangiert werden jene Konsumenten, die sich in einen Nachtklub begeben wollen und sich dort einschlägige Filme gegen höhere Getränkepreise usw. zur Vorführung bringen lassen wollen. Dieser kleinen Gruppe von Leuten, die zuviel Geld haben, wollen wir das Vergnügen keineswegs nehmen. Lassen Sie mich das etwas zynisch dazu sagen.
Meine Damen und Herren, unser Antrag läuft darauf hinaus, daß die Jugend geschützt wird und Besucher nicht unerwartet mit pornographischen Filmen konfrontiert werden. Ich bitte, die Äußerungen der Fachleute im Strafrechtssonderausschuß bei der Entscheidung über diese Anträge zu berücksichtigen und wenigstens diesen Anträgen zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703905500
Damit sind die beiden Änderungsanträge der Fraktion der CDU CSU begründet.
Das Wort dazu hat der Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0703905600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst kurz die in dritter Lesung gestellten Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion behandeln. Ich stelle namens der Fraktion der SPD den Antrag, diese beiden Änderungsanträge abzulehnen.
Zunächst eine kurze Stellungnahme zu der Drucksache 7/676. Hier geht es darum, daß das verlängerte Erzieherprivileg gestrichen werden soll. Insoweit verweise ich auf die eingehenden Ausführungen, die meine Kollegen Hans de With und Ostman von der Leye vorgetragen haben. Sie haben sich auch mit dem Problem des verlängerten Erzieherprivilegs beschäftigt und haben besonders herausgestellt, daß einmal die Einwilligung des Erziehungsberechtigten lediglich dasjenige Verhalten umfaßt, das dem anderen, nämlich dem Vertreter gegenüber, vorher konkret bezeichnet wird, so daß also ein Überschreiten des Ermessensspielraums im Rahmen des Erzieherprivilegs auf jeden Fall strafbar wäre. Zum anderen haben meine Kollegen darauf hingewiesen, daß wir in § 180 Abs. 1 eine Bremse eingebaut haben; danach tritt die Strafbarkeit dann ein, wenn der Sorgeberechtigte durch das Vorschubleisten oder die Einwilligung seine Erziehungspflicht gröblich verletzt. Wir sind der Meinung, daß hier in rechtsstaatlich einwandfreier Weise eine klare Festlegung getroffen ist, die ausreicht, so daß eine Streichung des verlängerten Erzieherprivilegs nicht notwendig ist.
Eine kurze Stellungnahme zu Drucksache 7/677. Das Ziel dieses Antrages ist es, daß öffentliche Filmvorführungen mit pornographischem Inhalt verboten sein sollen. Es ist einzuräumen, daß sich der Strafrechtsausschuß mit dieser Sache sehr eingehend und gründlich beschäftigt hat und daß - das darf ich auch feststellen — die Entscheidung mit einer sehr knappen Mehrheit getroffen wurde. Die Meinung der Mehrheit war letztlich die: Jugendschutz ist in diesem Bereich selbstverständlich erforderlich. Darüber sind wir uns alle einig. Dieser Jugendschutz ist aber in zweifacher Hinsicht gewährleistet, einmal durch die einschlägigen Vorschriften des Gesetzes betreffend die jugendgefährdenden Schriften und zum zweiten durch die Vorschriften des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. Wenn diese Vorschriften in der Praxis dem Gesetze entsprechend angewendet werden, können in diesem Bereich keine Schwierigkeiten entstehen.
Es stellt sich die weitere Frage, ob auch für Erwachsene eine Gefahr gegeben sein könnte, wenn sie solche Filmvorführungen besuchen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703905700
Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard?

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0703905800
Bitte sehr!



Erhard (Bad Schwalbach) (CDU 'CSU) : Herr Kollege Müller-Emmert, könnten Sie so freundlich sein, uns mitzuteilen, aus welchen sachlichen Gründen die sozialdemokratische Fraktion innerhalb der letzten vier Monate in diesem Punkt ihre Ansicht so wesentlich geändert hat, denn in dem Gesetzentwurf Drucksache 7 80 haben Sie selbst genau das vorgeschlagen, was jetzt von uns im Änderungsantrag aufgenommen worden ist.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0703905900
Das ist fraglos richtig, Herr Kollege Erhard. Wir hatten in dieser Frage eine andere Meinung, wiewohl die Auffassungen in dieser Frage ständig hin und her gingen. Diese Frage wurde sehr eingehend diskutiert. Es wurden auch sehr viele Sachverständige dazu angehört. Man kam letztlich zu der Meinung: wenn man die bestehenden Vorschriften, insbesondere das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, das bis dahin in der Diskussion weniger beachtet worden war, anwendet, ist dadurch ein strafrechtlicher Schutz gewährleistet. Wir wollten verhindern, daß ein und derselbe Sachverhalt mit verschiedenen strafrechtlichen Vorschriften bewehrt ist. Deswegen waren wir der Meinung, daß ein entsprechender Schutz für die Jugend gewährleistet sei, wenn in dem Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit eine entsprechende Klarstellung vorgenommen wird und wenn wir darüber hinaus im Gesetz betreffend die jugendgefährdenden Schriften auf dieses andere Gesetz besonders hinweisen. Das haben wir, Herr Kollege Erhard, in Art, 6 Nr. 8 unserer Vorlage getan.
Ich darf dann noch bezüglich der Erwachsenen, die möglicherweise solche Filmvorführungen besuchen, etwas sagen. Diejenigen Erwachsenen, die in dem Wissen, daß es sich um pornographische Filme handelt, solche Filme aufsuchen, handeln freiwillig. Es ist ihre eigene Entscheidung, eine solche Filmvorführung zu betrachten oder davon Abstand zu nehmen. Durch das Werbeverbot, das in Art. 2 unserer Vorlage seinen Niederschlag gefunden hat, sollen Erwachsene nicht unverlangt mit diesen Dingen konfrontiert werden. Aus diesen Gründen sind wir der Meinung, daß der Antrag auf Änderung des § 184 Abs. 1, der in der dritten Lesung gestellt worden ist, abgelehnt werden sollte.
Ich darf namens meiner Fraktion eine Schlußerklärung abgeben. Wir stehen bei der Reform des Ehe-, Familien- und Sexualstrafrechts am Ende sehr langwieriger und schwieriger Beratungen, die, wie wir alle wissen, bereits im vorigen Bundestag begonnen wurden. Wir alle haben uns Mühe gegeben. Ich habe daher heute den besonderen Grund, denen zu danken, die uns bei den Beratungen und ihrer Vorbereitung geholten haben.
Unser Dank gilt dem Herrn Justizminister, den Herren des Justizministeriums, in gleicher Weise aber auch den Damen und Herren des Sekretariats des Strafrechtsausschusses sowie den zahlreichen Sachverständigen, die in mehreren Anhörungen vor allem zu Grundfragen der Sexualität und der Sexualkriminalität unsere Kenntnisse und unser Verständnis für die anstehenden Fragen erweitert haben. Ich sage auch allen Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen herzlichen Dank, die an unserer mühsamen, aber auch interessanten Arbeit im Ausschuß beteiligt waren, so daß dieses trotz aller Verschiedenheit in Einzelfragen gemeinsame Werk entstanden ist.
Das Vierte Strafrechtsreformgesetz ist, soweit es das Sexualstrafrecht betrifft, in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion von Anfang an ein Zankapfel gewesen. Etliche Probleme haben wir inzwischen gemeinsam gelöst. In zahlreichen Punkten hat der Strafrechtsausschuß die beiden, aus der vorhergehenden und der jetzigen Sitzungsperiode vorliegenden Entwürfe umgestaltet. In wenigen Fragen, die im Rahmen der heutigen Debatte, insbesondere in der zweiten Lesung, schon angeschnitten worden sind, haben wir uns - ich darf sagen, leider - nicht einigen können. Wir müssen aber bedenken, daß die Zeit der auf allgemein gültige Überzeugungen gegründeten Jahrhundertwerke des Strafrechtes vorbei zu sein scheint.
Dabei mögen wir auch bedenken, daß wir keine Denkmäler zu errichten haben, sondern daß wir menschliches Zusammenleben in seiner ständigen Entwicklung gestalten müssen. Das gilt heute für viele Reformen auf allen Gebieten.
In diesem Zusammenhang ist mir der Hinweis wichtig, daß Reform nicht mit Liberalisierung um jeden Preis gleichzusetzen ist, mit „Knochenerweichung", wie vielleicht einige Bürger zu sagen belieben. Reform bedeutet ständiges Überprüfen der gesellschaftlichen Verhältnisse. Dies kann im Bereich des Strafrechts manchmal zur Verminderung des staatlichen Strafanspruchs führen, manchmal aber auch zur Ausdehnung und Verschärfung der Strafbarkeit, wie es bei dem vorliegenden Entwurf mehrtech geschehen ist.
Ungeachtet der Kontroversen über bestimmte Vorschriften, zu denen heute Änderungsanträge gestellt worden sind, möchte ich noch einmal in der gebotenen Kürze auf die Grundsätze und Maßstäbe eingehen, die insgesamt gesehen eine Reform dieses Rechtsbereiches überfällig gemacht haben und in denen wir auch sehr weitgehend übereinstimmen.
Der wichtigste Grundsatz, den wir bei den Beratungen durchgehalten haben, läßt sich kurz wie folgt umreißen. Zur Strafbarkeit einer Handlung genügt nicht die moralische Entrüstung, mit der wir bei abweichendem sexuellen Verhalten eigentlich sehr schnell zur Stelle sind. Es ist nicht ausreichend, daß wir die Tat für verächtlich halten. Wir müssen nämlich erkennen, daß sich Sitte, Ethik und Moral auf der einen Seite und Strafrecht auf der anderen Seite u obi sehr oft decken mögen, daß sie aber nicht ein und dasselbe sind. Sie haben verschiedene Aufgaben.
In unserem Rechtsstaat pluralistischer Prägung kann das Sexualstrafrecht keine sittenbildende Aufgabe übernehmen. Der Staat ist nicht Vormund unserer Gesellschaft. Nicht alles, was nach ethischen, religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen als unsittlich oder unmoralisch anzusehen ist, muß deshalb schon vom Gesetzgeber unter Strafe gestellt



Dr. Müller-Emmert
werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr nur dann einzugreifen, wenn es notwendig ist, mit den Mitteln staatlichen Zwanges zu schützen, wenn nämlich die Sozialschädlichkeit einer Handlung feststeht. Strafe ist daher nur durch die Verletzung oder Gefährdung konkret umrissener Rechtsgüter des einzelnen oder der Allgemeinheit legitimiert.
Im Bereich des Sexualstrafrechts geht es vor allem darum, erstens, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Störungen in ihrer Gesamtentwicklung zu gewährleisten, zweitens, um den Schutz aller Bürger vor Verletzung ihrer sexuellen Selbstbestimmung durch Gewalt, Nötigung oder Mißbrauch in bestimmten Abhängigkeitsverhältnissen besorgt zu sein, und schließlich, drittens, darum, die Öffentlichkeit von sexuellen Handlungen freizuhalten. Die neuen Vorschriften sind jeweils so gefaßt, daß sie diesen Anforderungen von ihrem Schutzzweck her genügen.
Dabei sind selbstverständlich alle Tatbestände der schweren Sexualkriminalität, wie die Vergewaltigung, der sexuelle Mißbrauch Widerstandsunfähiger und der sexuelle Mißbrauch von Kindern, bestehengeblieben. Zum Teil wurden sogar ich stelle dies besonders heraus — die Strafandrohungen erweitert und verschärft.
Wo ein allgemeines Schutzbedürfnis nicht mehr anerkannt wurde, haben wir die strafrechtlichen Verbote eingeschränkt. In diesem Sinne ist beispielsweise die Herabsetzung der Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre in allen Jugendschutzbestimmungen zu verstehen, da die sexuelle Reifung in diesem Alter in aller Regel abgeschlossen ist. Hierher gehören auch die umstrittenen Probleme der Aufhebung einer Strafvorschrift der Ehegattenkuppelei und der Verbreitung pornographischer Erzeugnisse an erwachsene Personen.
Erlauben Sie mir bezüglich des Problems der Ehegattenkuppelei noch eine kleine ergänzende Bemerkung. Es sieht, wenn man der Diskussion oberflächlich zugehört hat, so aus, als wenn Ehegattenkuppelei in gar keiner Weise strafbar sei. Dies stirnrot nicht. Ehegattenkuppelei ist immer dann strafbar, wenn sie zugleich auch den Tatbestand der Nötigung erfüllt. Dies ist zwangsläufig so und braucht nicht besonders betont zu werden. Schließlich ist Ehegattenkuppelei auch dann strafbar, wenn die Voraussetzungen des § 181 a Abs. 3 gegeben sind. Ich bitte auch dies nachzuschlagen. Dort sind Ehegatten besonders angeführt.
Der Abbau strafrechtlicher Verbote auf einigen Gebieten — z. B. auf den Gebieten der Kuppelei und der Pornographie — darf nicht dahin gehend mißverstanden werden, daß der Gesetzgeber das nunmehr straflose Verhalten moralisch billigen und anerkennen wolle. Die Befürchtung, wir gäben hier irgendwelche ethischen Grundpositionen preis, ist völlig aus der Luft gegriffen. Mit unserer Entscheidung im Einzelfall ist nämlich keinesfalls eine positive Bewertung irgendwelcher amoralischer oder unsittlicher Verhaltensweisen verbunden. Niemand von uns hat vor, ein Plädoyer für mangelnde Beaufsichtigung Jugendlicher, für Ehebetrug, Beiseiteschaffen von Familienhabe, Verlassen Schwangerer, für Homosexualität, Ehegattenkuppelei oder gar Pornographie zu halten, nur weil die entsprechenden Straftatbestände mit diesem Gesetz ganz oder teilweise aufgehoben oder eingeschränkt werden. Diese Beispiele zeigen noch einmal deutlich, daß unsere Entscheidung für oder gegen eine Strafvorschrift nicht an moralischen Vorstellungen, sondern nur an den Grundsätzen der Sozialschädlichkeit orientiert ist.
Ich darf kurz noch die wichtigsten Punkte dieses Gesetzes zusammenfassen.
1. Die Tatbestände der schweren Sexualkriminalität, nämlich Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch von Kindern und von Widerstandsunfähigen, bleiben selbstverständlich bestehen. Ich habe darauf schon hingewiesen.
2. Der mit Emotionen beladene Begriff „Unzucht" gehört der Vergangenheit an. Er wurde durch den wertneutralen Begriff „sexuelle Handlung" ersetzt.
3. Ich habe schon kurz darauf hingewiesen, daß das Schutzalter junger Menschen hinsichtlich sexueller Beeinflussung durch Dritte — dies betone ich besonders — in Übereinstimmung mit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen grundsätzlich auf 18 Jahre herabgesetzt wird.
4. Eine wesentliche Neuerung und Ausweitung des Strafrechts ist, daß der sexuelle Mißbrauch Jugendlicher künftig nicht nur in Erziehungs- und Ausbildungsverhältnissen — beispielsweise in Lehrverhältnissen —, sondern auch in Dienst- und Arbeitsverhältnissen strafbar ist. Das führt dazu, daß künftig beispielsweise eine 15jährige Hilfsarbeiterin gegenüber möglichen Pressionen an ihrem Arbeitsplatz genauso geschützt wird, wie etwa eine 15jährige Schülerin im Verhältnis zu ihrem Lehrer.
5. Eine Notwendigkeit, den erwachsenen Menschen unterhalb der Schwelle der Nötigung vor sexuellen Handlungen zu schützen, die der Täter unter Ausnutzung einer Amtsstellung begeht, besteht nur dann, wenn ein sexueller Mißbrauch von Gefangenen, von behördlich Verwahrten oder von kranken Menschen vorliegt. Selbstverständlich sind auch diejenigen Personen geschützt, die von einem Strafverfahren oder einem auf Freiheitsentziehung gerichteten Verfahren betroffen sind, sofern ein mitwirkender Beamter zudringlich werden sollte.
6. Die Vorschriften über die Kuppelei und die Zuhälterei wurden wesentlich umgestaltet. In erster Linie sollen Minderjährige im Interesse ihrer ungestörten Entwicklung vor kupplerischen Einwirkungen geschützt werden. Hier geht unsere Vorlage sogar über das bestehende Recht hinaus, indem gewohnheitsmäßiges oder eigennütziges Handeln nicht mehr gefordert ist. Zum zweiten geht es in diesem Bereich um den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Deswegen werden Personen, die andere in die Prostitution hineinziehen, sie dort festhalten oder darin ausbeuten, mit Strafe belegt.
7. Im Interesse einer flexiblen Reaktion wurden manche Strafandrohungen nach oben und unten erweitert; in Einzelfällen wurde auch die Möglichkeit



Dr. Müller-Emmert
geschaffen, von Strafe abzusehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Regelung, daß das Gericht bei Exhibitionisten die Vollstreckung der gesamten Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen kann, wenn zu erwarten ist, daß der Täter nach einer Heilbehandlung nicht mehr straffällig wird.
8. Die Bestimmungen über die Pornographie und die jugendgefährdenden Schriften wurden so ausgestaltet, daß einerseits der Staat nicht als Zensor erwachsener Bürger auftreten kann, daß aber andererseits der Schutz von Kindern und Jugendlichen und der Schutz aller Bürger vor Belästigungen durch aufgedrängte Konfrontation voll gewährleistet ist. Dabei sei noch besonders erwähnt — was bisher noch nicht vorgetragen wurde —, daß durch die Änderung des § 6 des Gesetzes betreffend die jugendgefährdenden Schriften im Gegensatz zum geltenden Recht auch fahrlässiges Verhalten unter Strafe gestellt ist, also eine Ausweitung vorgenommen wurde.
Erlauben Sie mir im Zusammenhang mit der Pornographie noch eine Bemerkung. Ich weiß, daß Beispiele immer hinken. Gleichwohl erlaube ich mir den Hinweis, daß im Jahre 1967 der Vatikan in Rom das Verbot des Index aufgehoben hat, in dem die aus der Sicht der Katholischen Kirche glaubensfeindlichen Schriften in der Weise aufgenommen wurden, daß nur derjenige, der ein besonderes Interesse hatte, solche glaubensfeindlichen Schriften lesen durfte, während ein anderer Christ, der kein begründetes Interesse hatte, letztlich einen Verstoß gegen die Regeln seiner Kirche beging. Selbstverständlich besteht ein ganz entscheidender Unterschied — das braucht mir niemand zu sagen — zwischen einer glaubensfeindlichen Schrift und einer Schrift mit sexuellem Inhalt. Entscheidend bei diesem Beispiel ist aber, daß aus einem Buch, aus einer Schrift eine irgendwie geartete Gefahr strömen kann und daß die Katholische Kirche den Mut gehabt hat, diesen Index abzuschaffen, also — das ist doch die entscheidende Frage — auf die Mündigkeit derjenigen Bürger, die sich zur Katholischen Kirche bekennen, vertraut. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich bitte Sie, sich diesen Gedankengang auch einmal zu überlegen und ihn in das staatliche Recht zu transponieren, damit Sie merken, um was es im eigentlichen geht.
Ich darf schließlich noch darauf hinweisen, daß wir einen neuen Tatbestand des Verbotes der Verherrlichung der Gewalt und der Aufstachelung zum Rassenhaß geschaffen haben. Wir glauben, daß diese Vorschrift unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Bücher-, Zeitschriften- und Filmmarkt dringend geboten ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Arbeit an der Strafrechtsreform ist ein mühsames, lang andauerndes Unterfangen. Wenn wir diese Vorlage verabschiedet haben, sind wir auf unserem Weg zur Vollendung der Reform ein wesentliches Stück vorangekommen. Deswegen bitte ich Sie, dem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703906000
Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert, Sie sind im zweiten Teil Ihrer Ausführungen den Dingen eigentlich schon vorausgegangen, indem Sie schon in die allgemeine Aussprache eingetreten sind. Ich würde aber vorschlagen, daß wir jetzt erst einmal die Spezialaussprache beenden und die beiden Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU bescheiden und dann in der von Herrn Dr. Müller-Emmert praktisch bereits eröffneten Generalaussprache fortfahren.
Wünscht zu den Änderungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU, über die ich dann abstimmen lassen will, noch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/676 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich lasse noch einmal abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/677 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich lasse nunmehr abstimmen über Art. 1 in der in der zweiten Beratung gefundenen Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit ist die Aussprache zu den Einzelbestimmungen geschlossen.
Nunmehr eröffne ich — offiziell — die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703906100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Diskussion und die soeben stattgefundene Abstimmung haben gezeigt, daß wir in grundsätzlichen Fragen leider nicht zu einer Übereinstimmung gekommen sind. Was aber meines Erachtens viel schwerer als diese Feststellung wiegt, scheint mir die mangelnde Bereitschaft zum Dialog und — an eine ganz bestimmte Adresse gerichtet — auch der untaugliche Versuch zu sein, uns als Hüter überholter Moralvorstellungen abzuqualifizieren. Was uns auch bedenklich stimmt, ist die Art, in der in diesem Hause über solche Fragen gesprochen wird, eine Art, die doch sehr bedenklich stimmen muß.
Im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Kollegen von Schoeler und auch des Herrn Kollegen Dr. Müller-Emmert eine Bemerkung: Wenn Sie es nur einmal begriffen, daß es nicht darum geht, Moral und Sitte in das Strafrecht aufzunehmen, wenn wir dagegen sind, die Pornographie freizugeben, wenn wir der Meinung sind, daß die Ehe des strafrechtlichen Schutzes bedarf, sondern daß es sich

Dr. Eyrich
ganz einfach um die Frage handelt, ob ein solches Verhalten sozialschädlich ist.
Herr Minister Jahn hat in der ersten Lesung zu diesem Gesetz in dieser Legislaturperiode gesagt, sozialschädlich sei ein Verhalten dann, wenn es den einzelnen oder die Allgemeinheit gefährde. Diesem Satz können wir uneingeschränkt zustimmen. Eines fehlt allerdings, nämlich daß er aus diesem Satz die Konsequenz gezogen hat.
Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederholen sollte: Wenn festgestellt ist, daß bei der Ehegattenkuppelei gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen wird, wenn es wahr ist - niemand hat das bestritten —, daß Pornographie für Jugendliche gefährlich ist und dieselbe Jugend vermehrten Zugang zur Pornographie erhält, dann muß doch auch vom Verständnis desjenigen her, der die Sozialschädlichkeit strafrechtlich geschützt sehen will, das Strafrecht in diesen Fällen einfach eingreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Hinweis darauf, man habe das ja alles in § 6 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften geregelt, ist doch ganz schlicht und einfach falsch.
Natürlich hat man dort Bestimmungen aufgenommen, die dem Jugendschutz dienen. Aber wir waren uns bei den Beratungen im Ausschuß doch darüber im klaren, daß die Aufnahme dieser Bestimmungen in § 6 dieses Gesetzes einfach nicht ausreicht, wenn auf der anderen Seite durch die teilweise Freigabe der Pornographie im Strafgesetzbuch wieder die Möglichkeit des vermehrten Zuganges geschaffen wird. Das ist doch das Grundproblem, um das es geht.
Lassen Sie mich noch einen anderen Aspekt aufzeigen, nämlich: Was ist eigentlich der Inhalt dieser soviel beredeten Sozialschädlichkeit, die als etwas herausgestellt wird, was uns den Schlüssel zu einem Verständnis gäbe? Ich glaube, wir kommen um eine Feststellung nicht herum. Bei der Sozialschädlichkeit werden wir auch Wertvorstellungen mit hereinnehmen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist eben eine Tatsache. Wir haben eben eine andere Vorstellung von schätzenswerten Werten, als es bei manchen zum Ausdruck gekommen ist. Wir wehren uns dagegen, daß der Ehe nicht der Schutz zuteil wird, den diese Institution auch im Hinblick auf Art. 6 unseres Grundgesetzes zu Recht verlangen kann. Wir wehren uns auch dagegen, daß die sexuelle Selbstbestimmung nicht als ein schützenswertes Rechtsgut angesehen wird, wenn es sich im Rahmen der Ehe um diese sexuelle Selbstbestimmung handelt.
Lassen Sie mich bitte noch ein weiteres anschließen. Auch Sie von der Koalition sind doch der Meinung, daß die Pornographie Rechtsgüter tangiere. Der Unterschied ist nur der, daß Sie meinen - der Herr Minister hat das in der ersten Vorlage gesagt -, diese Tangierung der Rechtsgüter hinnehmen zu sollen, weil der mündige Bürger angeblich einen Anspruch darauf habe, zu dieser Art Lektüre Zugang zu finden. Ich muß Ihnen offen gestehen: Sie ordnen also dem Recht des mündigen Bürgers schlicht und einfach den Jugendschutz unter, sonst könnten Sie nicht zu diesem Ergebnis kommen. Wir können dem nicht folgen. Diese Wertung ist nicht unsere Wertung.
Eine andere Überlegung, die ich vorhin schon angeschnitten habe: Wenn es einen Grund gegeben hat, einen § 131 in das Strafgesetzbuch hereinzunehmen, dann muß es doch auch einen Grund geben, den § 184 im Strafgesetzbuch zu belassen. Ihren Einwand — er kam zwei-, dreimal —, die Wirksamkeit des Strafrechts auf diesem Gebiete sei nicht mehr gewährleistet, muß man freilich ernst nehmen. Das gebe ich zu. Nur darf er uns nicht zu einer falschen Schlußfolgerung verleiten. Wir geben auch zu, daß eine Straftat, die nicht mehr dem Bewußtsein der Bürger entspricht, überprüft werden muß. Dazu bekennen wir uns; das haben wir des öfteren gesagt und haben an vielen Bestimmungen mitgearbeitet, die geändert worden sind, weil wir glaubten, hier sei eine andere Sicht der Dinge notwendig geworden. Aber die Konsequenz, die hier daraus gezogen wird, ist so falsch, daß wir sie zurückweisen müssen. Sie können doch nicht so argumentieren, daß, weil sehr oft gegen eine Bestimmung verstoßen wird, diese Bestimmung aus dem Strafgesetzbuch herausgenommen werden muß. Haben Sie sich eigentlich noch nie überlegt, daß mit einer solchen Argumentation letztlich das Strafrecht überhaupt in Frage gestellt sein würde? Diese Entwicklung kann doch niemand von uns wollen, und ich unterstelle niemandem in diesem Hause, daß diese Entwicklung von ihm mitgetragen werden soll.
Lassen Sie mich auf ein letztes hinweisen. Ich glaube, es zeigt sich, daß wir hier einiges zurechtrücken müssen, was die` Funktion des Strafrechts und was das Strafrecht als Mittel zur Durchsetzung bestimmter Lebenstatbestände betrifft. Es ist Tatsache, daß in der letzten Legislaturperiode auf anderen Gebieten — auch auf Veranlassung von Ihnen, Herr Minister, und auf Veranlassung unserer Fraktion — schärfere Strafbestimmungen geschaffen wurden, um bestimmter Mißstände — etwa auf dem Gebiete des Mietwuchers — Herr zu werden. Was dort über die Frage der Funktion des Strafrechtes zu Recht von allen Fraktionen dargelegt wurde, muß doch auch hier gelten, nämlich daß es ein Mittel zum Schutz schutzwürdiger Güter ist. Weil Sie diese Konsequenz auf dieses Gesetz nicht in allen Punkten übertragen haben, sehen wir uns veranlaßt, dieses Gesetz abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703906200
Herr Abgeordneter Osturan von der Leye, wünschen Sie das Wort?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703906300
Nein, ich wollte eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703906400
Aber Sie können sich noch zu Wort melden!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Engelhard.




Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0703906500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Vierte Strafrechtsreformgesetz bezieht in seinem Schutz die Rechtsgüter ein, die strafrechtlich geschützt werden müssen und nach aller Erfahrung auch tatsächlich strafrechtlich geschützt werden können.
Gleich eine Bemerkung zu Ihrer Frage, Herr Dr. Eyrich, ob wir davon ausgehen, daß der einzelne nach unseren Vorstellungen ein Anrecht auf, nennen wir es einmal, sexuelle Libertinage habe. Das wird nach den einzelnen Handlungen etwas verschieden zu beurteilen sein. Aber auf etwas hat der Bürger jenseits des strafrechtlich Unabdingbaren ganz sicher einen Anspruch, daß nämlich der Staat mit seinem Strafrechtsanspruch sich enthält und hier nicht einmischt. Insofern und nur insoweit sagen wir, daß der Grundsatz der Selbstbestimmung des erwachsenen und mündigen Bürgers auch auf sexuellem Gebiet gelten muß. Dem korrespondiert auf der anderen Seite ein nach unserem Entwurf hervorgehobener Schutz von Jugendlichen und auch von all denen, die auf Grund ihrer körperlichen, geistigen oder sonstigen Situation nicht in der Lage sind, dieses Selbstbestimmungsrecht auf sexuellem Gebiet entsprechend auszuüben.
Deswegen wollen wir, daß das Strafrecht sich auf den Bereich des Unabdingbaren beschränkt, und daß es sich aus Bereichen, in denen es nichts zu suchen hat, zurückzieht. Wie ernst wir das meinen, kommt ganz deutlich bei dem § 184 StGB zum Ausdruck, daß nämlich nicht nur die Selbstbestimmung für ein bestimmtes Tun auf sexuellem Gebiet, sondern auch das Recht des einzelnen auf ein Unterlassen geschützt werden soll: daß der, der es nicht verlangt hat, verlangen kann, daß ihm nicht unaufgefordert Pornographie aufgedrängt wird. Gerade an dieser Bestimmung wird sehr deutlich, daß die Selbstbestimmung von uns nicht im Sinne des Libertinösen — Herr Kollege Dr. Wittmann, wie Sie das so hineinzuinterpretieren versuchten — verstanden wird, sich in einem von Ihnen vermuteten Zeitgeist zu verhalten, sondern wir meinen damit auch das Recht des anderen, sich ganz entgegen diesem mutmaßlichen Zeitgeist, wie Sie es nennen, zu verhalten, geradezu das festgelegte Anrecht des mündigen Bürgers auch auf das Nichtsexuelle, auf das Asexuelle, das Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden. Ich glaube, derartige Grundsätze sind in unserem Staate die richtigen Ansätze, auch auf sexuellem Gebiet strafrechtliche Leitlinien zu setzen.
Nun hatten Sie bei Ihrem vorletzten Beitrag in der zweiten Lesung, Herr Kollege Dr. Eyrich, darauf hingewiesen, daß gerade im Bereich der Pornographie die Würde der Frau tangiert werde und daß überhaupt ein ungutes Klima im Lande erzeugt werden könne. Sie haben das in einer Weise gesagt, die mich veranlaßt, das durchaus auch bei der dritten Lesung ernst zu nehmen und zu versuchen, darauf einzugehen. Dabei werden wir ganz sicherlich nicht die Tatsachen übersehen können, wie wir sie heute unter dem geltenden Recht in unserem Lande vorfinden, wo wir allenthalben Pornographie vorfinden und wo allenthalben Filme laufen, die noch vor wenigen Jahren nie hätten gezeigt werden können. Nur müssen wir feststellen: vor wenigen Jahren ist es dasselbe Recht wie heute gewesen; nur die Tatsachen haben sich gewandelt. Auch die Rechtsprechung hat sich nicht so entscheidend geändert, und deswegen stellt sich die Frage, worauf die Änderung im Tatsächlichen zurückzuführen ist. Es muß wohl etwas anderes sein als die billige Vermutung, daß das von der Person des Justizministers abhänge, Herr Kollege Dr. Wittmann.

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Das habe ich nicht behauptet! Lesen Sie bitte das Protokoll nach! — Abg. Vogel [Ennepetal] : Das hat keiner behauptet!)

— So war es zu verstehen. Sollte es nicht so gewesen sein, so bitte ich, mir das nachzusehen; ich hatte es so verstanden. Aber es wurde zumindest gesagt, daß der Kampf hier nicht mehr entschieden genug aufgenommen werde, weil man vermute, nicht mehr genügend Rückhalt zu haben.
Ich glaube, man wird die Fragen etwas anders stellen müssen. Ich bin vor wenigen Jahren öfters als Verteidiger in Fällen der Verbreitung unzüchtiger Schriften aufgetreten und weiß, daß dort noch ganz andere Maßstäbe angelegt wurden.
Woher die Änderung im Verhalten auch immer kommt, auf Veränderungen im Strafrecht ist sie jedenfalls nicht zurückzuführen. Gerade im Bereich des Films, Herr Kollege Dr. Eyrich, stellt sich doch die Frage, ob es nicht gut wäre, die Pornographie auf den Kern zurückzuführen: auf die nackten Tatsachen. Dann wird — hier gebe ich dem Kollegen von Schoeler recht — das eintreten, was voraussehbar ist: die totale Langeweile beim Beschauer.
Was manchmal anekelt, ist doch nicht etwa der unbekleidete Leib, sondern der Versuch, unter pseudowissenschaftlichen Vorwänden das zu bringen, was der Kern der ganzen Sache bei solchen Filmen ist. So werden denn im „Krankenschwesternreport" die Dinge unter dem Vorwand dargeboten, das Chefärztesystem und andere Mißstände unserer Gesundheitsfürsorge durchleuchten zu wollen. Ich weiß es nicht, aber ich vermute fast, daß man bei den „Grünen Witwen" angeblich Untersuchungen über Fragen unseres Städtebaus anstellt. Das ist das Bedenkliche. Führt man die Sache auf den Kern zurück, wird sie langweilig. Es werden dann nur noch diejenigen allabendlich in die Kinos strömen, um sich Derartiges anzusehen, die an Vorgängen leiden, welche den Besuch dieser Kinos sogar nahelegen. Und es wird manches Sexualdelikt verhindert werden können — dazu gibt es Untersuchungen wenn von dem betroffenen Personenkreis derartige Kinostücke sogar fleißig frequentiert werden.
Nun hat Herr Kollege Dr. Wittmann im Vergleich zu Ihren Einwendungen, Herr Kollege Dr. Eyrich, eine etwas schärfere Gangart angeschlagen. Er hat die totale Entsittlichung und den fehlenden Schutz dessen beklagt, was er unabdingbare Wertvorstellungen nennt. Ich will das nicht abwerten. Wenn man aber einmal die Dinge über den Zaun dieser Woche und dieses Monats hinaus betrachtet, muß man einfach feststellen, daß derartiges seit Tacitus'



Engelhard
Zeiten uns entgegengeklungen ist. Und während Tacitus dem römischen Volk einen Spiegel vorhielt und auf die Reinheit der Germanen hinwies, stellten — da bin ich sicher — zur gleichen Zeit die Germanen beiderseits des Rheins Betrachtungen über die allgemeine Unsittlichkeit der Jugend und die Unhaltbarkeit der Zeitläufe an. Das muß man einfach in die Betrachtung einbeziehen.
Ich nehme jeden Protest sehr ernst. Aber ich muß sagen: Es geht heute nachmittag bei der Abstimmung — obwohl mir das von einem jener bekannten Volksbünde mitgeteilt worden ist — gar nicht darum, wer nun zum Verräter an der Jugend werden wird. Jene, die diese Sprache anschlagen — und die meisten der Zuschriften machen von dieser Sprache Gebrauch —, haben bereits unter ganz anderen Verhältnissen vor dem allgemeinen Untergang Deutschlands und unseres Volkes gewarnt. Das kann einfach nicht übersehen werden.
Wo bleibt der Schutz der Ehe, wo ein Schutz gegen allgemeine Enthemmung, gegen die Verletzung der Würde der Frau in unserer Gesellschaft? So ist gefragt worden. Ich will Ihnen antworten: Es ist die Aufgabe aller Ehepartner, es ist die Aufgabe jeder Familie und jedes einzelnen Erziehers, die richtigen Leitbilder zu setzen und sie im täglichen Handeln auch zu verwirklichen. Das Strafrecht hat hier gar nichts zu suchen; denn wenn diese Leitbilder gesetzt und im täglichen Leben verwirklicht werden, dann kommt das Klima in der Gesellschaft aus der Summe der verwirklichten Leitbilder und aus sonst nichts.

(Abg. Vogel [Ennepetal] : Glauben Sie das wirklich?)

Wer hier mit dem Strafrecht dazwischenpfuschen will, gleichzeitig erkennt, daß er nichts ausrichtet, aber mit dem Strafgesetzbuch Wertmaßstäbe setzen will, der wird scheitern.

(Abg. Dr. Wittmann [München] : Sie setzen überhaupt keine Wertmaßstäbe!)

Es wird auch ganz sicherlich nicht die Aufgabe des Präsidiums dieses Hauses sein, die Abgeordneten zu noch konzentrierterer Arbeitsweise dadurch anzuhalten, daß, wie heute hier vorgeschlagen oder zumindest angeregt wurde, eine Art Zensur des Posteingangs hinsichtlich pornographischen Inhalts auch nur erwogen wird. Aber in gleicher Weise ist es in unserem Staat nicht Aufgabe des Strafrechts, jenseits des kriminellen Unrechts den einzelnen Bürger zu disziplinieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703906600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann? — Bitte!

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0703906700
Herr Kollege Engelhard, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich mich nur dagegen gewandt habe, daß in die Fächer der Abgeordneten wahllos von irgendeinem Verband oder irgendeinem Verlag zugeschickte Materialien hineingelegt werden, die zumindest hart an der Grenze der Pornographie liegen. Darum ging es und nicht um die Post als solche.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0703906800
Herr Kollege, das läuft auf das gleiche hinaus. Ich hoffe, die meisten Mitglieder dieses Hauses fühlen sich so weit gefestigt und sind bereit, so weit von ihrem Selbstbestimmungsrecht, nämlich dem Lesen einerseits und dem Papierkorb andererseits, Gebrauch zu machen, daß sie mit dem Problem fertig werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bin für dieses Beispiel dankbar, weil es die verschiedenen Grundauffassungen ganz klar aufzeigt. Hier haben wir einfach andere Auffassungen, und nachdem der nach diesem Entwurf hervorgehobene Jugendschutz in diesem Hause irrelevant ist, können wir uns hier auf das Selbstbestimmungsrecht konzentrieren. Da sind eben die Auffassungen verschieden. Wir glauben jedenfalls: was für uns zu gelten hat, das hat auch draußen auf sexuellem Gebiet für den mündigen Bürger zu gelten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703906900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703907000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Engelhard eingehen. Sie meinen, Herr Kollege Engelhard, die Nichtanwendung des § 184 in den letzten Jahren sei auf ein gewandeltes Bewußtsein in dieser Gesellschaft und nicht etwa auf andere Dinge zurückzuführen. Da wird man sicher differenzieren müssen; man wird sagen müssen, daß sowohl das eine als auch das andere möglich ist.
Bei sehr vielen Staatsanwaltschaften ist doch — Sie wissen das als Verteidiger ebenso gut wie ich als früherer Staatsanwalt — eine Unsicherheit über die Frage eingetreten: Können wir in diesen Fällen noch eingreifen? Ist das, was durch den § 184 gedeckt werden soll, noch gültig oder nicht? Sie wissen, daß es Anfänge einer Diskussion gegeben hat — ich greife hier keine Personen an —, die all das, was den § 184 ausmacht, in Frage gestellt haben. Das ist mindestens mit ein Grund, der dazu geführt hat, daß die Bestimmung nicht mehr in dem Umfang angewandt wird, wie sie nach unserem Wunsch wohl angewandt werden sollte.
Noch etwas anderes. Wieder die berühmten Wertmaßstäbe! Herr Kollege Engelhard, wir wollen nicht mit dem Strafrecht Wertmaßstäbe setzen, aber möglicherweise wollen wir Wertmaßstäbe oder Wertvorstellungen durch das Strafrecht geschützt wissen, nämlich dann, wenn diese Wertvorstellungen in einer Weise tangiert werden, die das Zusammenleben und das Recht des einzelnen Bürgers, unbehelligt zu sein, gefährdet. Ich glaube, das sollte man doch in die Diskussion mit einbeziehen, und man sollte in der Weise, wie wir es hier getan haben, darüber miteinander diskutieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703907100
Herr Abgeordneter Eyrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ostman von der Leye?




( Herr Dr. Eyrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß durch die Art. 2 und 3, die wir nun in der dritten Lesung verabschieden wollen, die Pornographie zumindest in viel stärkerem Maße aus der Öffentlichkeit herausgehalten wird, als das bisher der Fall war, und daß es Ihre Schuld, die der CDU/CSU, ist, daß dies jetzt nur noch eine Ordnungswidrigkeit ist, weil Sie unbedingt den § 6 GjS wollten? Früher stand es nämlich in unserem Entwurf im § 184. Sehr geehrter Herr Kollege Ostman von der Leye, das, was Sie gefragt haben, ist nun ganz sicherlich im Ansatz und auch im Schluß falsch, und zwar ganz einfach deswegen: Wenn Sie das sagen, müssen Sie doch zu dem Ergebnis kommen, daß Ihr § 184 a in diesem Strafgesetzbuch keinen Platz hat. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Hier liegt doch der Bruch, der Stilbruch, wenn ich es so sagen darf, den Sie begehen. Wenn das wahr ist, was Sie uns hier alles sagen, daß nämlich mit dem Aufheben des Verbots von Pornographie alles seinen rechten Weg nehmen müsse, müssen Sie die Konsequenz ziehen und den § 184 a auch aufheben. Herr Kollege Ostman von der Leye, daran führt doch nun kein Weg vorbei. Aber ich möchte zum Ende kommen, denn ich glaube, wir haben uns im Sonderausschuß so oft über diese Dinge unterhalten, daß es jetzt lediglich zu Wiederholungen käme, die uns keinen Schritt weiterbrächten. Herr Abgeordneter Dr. Eyrich, der Abgeordnete Ostman von der Leye möchte noch eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie ihm die Gelegenheit geben? Bitte. Ich wollte schon darauf verzichten, Herr Dr. Eyrich, aber gut, ich kann die Frage auch noch stellen: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Sinn einer solchen Bestimmung nicht darin liegt, den Konsum von Pornographie völlig unmöglich zu machen, sondern darin, daß jemand davor geschützt werden soll, so etwas zu sehen, wenn er es nicht sehen will, d. h. daß dieses Selbstbestimmungsrecht geschützt werden soll? Das ist natürlich unter anderem der Sinn dieser Bestimmung; das hat noch niemand bestritten. Was wir bestreiten, Herr Kollege Ostman von der Leye, ist doch im wesentlichen, daß mit der Zugangsmöglichkeit für die Erwachsenen die Gefahr für die Jugendlichen nicht größer werde. Genau dies befürchten wir doch, und deshalb erachten wir Ihre Vorlage als nicht ausreichend. Nun aber, Herr Kollege Engelhard, noch ein kurzes Wort zu dem, was das Flugblatt und die „Verräter an der Jugend" betrifft. Ich habe dieses Flugblatt gelesen und kann dazu nur eines sagen: Ein jeder hat seine eigene Sprache; das werden wir nicht verhindern können. Und manchmal muß oder wird eine solche Sprache Akzente setzen, die nicht von jedem gebilligt werden. (Abg. von Schoeler: Das ist kein Problem der Sprache, sondern ein Problem des Geistes!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703907200
Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703907300
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703907400
Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703907500
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703907600
Dr. Heinz Eyrich (CDU):
Rede ID: ID0703907700
— Es mag sein, lieber Herr Kollege von Schoeler, daß das nicht nur ein Problem der Sprache, sondern auch ein Problem des Geistes ist. Aber dann muß ich Ihnen — ich hätte es Ihnen gern erspart — sagen, Sie haben hier in der ersten Lesung erklärt, Sie wünschten, daß ein Rückfall in die Barbarei nicht stattfände, wenn wir mit unseren Vorstellungen erfolgreich wären.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das war der richtige Geist!)

Ich muß fragen: Ist es nun die Sprache oder ist es der Geist, Herr Kollege von Schoeler, wenn es um solche Dinge geht?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie uns doch die Diskussion auf den Punkt zurückführen, auf den sie zurückgeführt werden muß, nämlich auf die Sorge, die wir doch alle haben, daß hier von einem Gesetzeswerk Gefährdungen ausgehen, die wir im Grunde genommen verhüten wollen, die wir aber bei dem einen in Kauf nehmen zu können glauben, bei dem anderen nicht. Damit wäre die Sache, glaube ich, auf den einen Punkt zurückgeführt, um den es hier geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703907800
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.55 Uhr bis 14.00 Uhr.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703907900
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Wir fahren fort mit Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen 7/653, 7/665 —Die beiden aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes eingebrachten Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Zimmermann sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, Herr Staatssekretär. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf:



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der steuerlichen und der stabilitätspolitischen Maßnahmen auf die Gesamtentwicklung der Fördergebiete, insbesondere des Zonenrandgebiets?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703908000
Herr Kollege, die Bekämpfung des Preisauftriebs erfordert einschneidende und schnell wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dabei ist auch ein Beitrag der Regionalpolitik unerläßlich. Um das stabilitätspolitische Ziel einer Tendenzwende in der Preisentwicklung zu erreichen, dürfen die globalen Steuerungsmaßnahmen nicht durch regionale oder sektorale Ausnahmeregelungen kompliziert, geschwächt und verzögert werden. Die Gesamtentwicklung der Fördergebiete, einschließlich des Zonenrandgebiets, wird nach Ansicht der Bundesregierung durch das Stabilitätsprogramm insgesamt nicht über Gebühr strapaziert.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703908100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703908200
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die geballte Wirkung der Erhöhung der Mineralölsteuer, die insgesamt die revier- und marktfernen Gebiete besonders trifft, der Erhebung einer 11%igen Investitionssteuer, der Reduzierung der Investitionszulage von 10 % auf 7,5% und der Streckung der Investitionszulagen um 10 % diese wirtschaftlich schwachen Gebiete so trifft, daß die erklärte Absicht der Bundesregierung, gleiche Lebenschancen herzustellen, nicht erreicht wird?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703908300
Herr Kollege, nach Auffassung der Bundesregierung werden die Fördergebiete nicht einseitig belastet, da die stabilitätspolitischen Maßnahmen als globale Steuerungsinstrumente zu verstehen sind. So ist z. B. die Streckung sämtlicher Gemeinschaftsaufgaben beschlossen worden. Dies nur als Beispiel dafür, daß hier nicht Einzel-, sondern Globalmaßnahmen ergriffen worden sind.
Bei anderen Maßnahmen, z. B. bei der vorgesehenen Kürzung der Investitionszulage, handelt es sich lediglich um eine Reduzierung dieser Förderungsmaßnahmen auf die bei der seinerzeitigen Parlamentsentscheidung vorgesehene Größenordnung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703908400
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703908500
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin eine Regionalisierung der Konjunkturpolitik abgelehnt haben, darf ich Sie fragen, wie Sie dann den Effekt verhindern wollen, daß Bremswirkungen in wirtschaftsschwachen Gebieten zuerst greifen und das Ansteigen der Konjunktur dort zuletzt ankommt.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703908600
Da die Förderungsmaßnahmen für die strukturschwachen Gebiete erhalten geblieben sind und das Präferenzgefälle insgesamt bestehen geblieben ist, sind wir der Meinung, daß sich die konjunkturdämpfenden Maßnahmen, die selbstverständlich auch diese Gebiete erfassen, in dem bisherigen Präferenzgefälle bewegen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703908700
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf :
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung ggf. zu ergreifen um sicherzustellen, daß die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Infrastruktur planmäßig und ohne Beeinträchtigung weitergeführt werden kann, um für die Bürger dieser Gebiete möglichste Chancengleichheit herbeizuführen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703908800
Herr Kollege, die Bundesregierung hat eine Streckung der Mittel der Gemeinschaftsaufgaben beschlossen. Das bedeutet für das Jahr 1973 eine Kürzung um 10 %; das bedeutet aber auch, daß diese Mittel in das Jahr 1974 übertragen werden und es in der mittelfristigen Finanzplanung bei dem vorgesehenen Rahmen bleiben soll. Es ist somit auch sichergestellt, daß die im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für den Zeitraum der Jahre 1973 bis 1976 vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Schaffung und Sicherung von Dauerarbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft getroffen werden. Die im Verhältnis zu den übrigen Fördergebieten überproportionale Beteiligung des Zonenrandgebiets an den zur Verfügung stehenden Mitteln wird dabei — wie bisher — auch gewahrt. Auch sollen die Ansätze für Maßnahmen in strukturschwachen Gebieten bei den ERP-Programmen ausdrücklich von Kürzungen ausgenommen werden. Bei der Kürzung des Investitionszulagensatzes ist ausdrücklich die Rationalisierungszulage für die Zonenrandgebiete ausgenommen worden, ebenso wie bei der Erhöhung der Mineralölsteuer ein Ausgleich für den Werkfernverkehr des Zonenrandgebietes geschaffen wurde. Bei zusätzlich auftretenden regionalen und sektoralen Schwierigkeiten wird die Bundesregierung zusammen mit den Ländern das bewährte Förderinstrumentarium gezielt ausnutzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703908900
Zusatzfage.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703909000
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß der Zuschuß für die Betriebe bzw. für den Verkehr, den die Betriebe durchführen, nur einen ganz geringen Ausgleich zu bieten vermag, und daß die Arbeitnehmer, die in ländlichen Räumen wohnen, was lange Anfahrten bedingt, überhaupt keinen Ausgleich erhalten?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703909100
Sicher ist es richtig, daß seit eh und je unterschiedliche Belastungen bestanden haben, je nachdem, in welchen Räumen Arbeitnehmer wohnen.



Parl. Staatssekretär Grüner
Gerade deshalb hat ja die Bundesregierung zusammen mit den Landesregierungen ein Förderungsprogramm geschaffen, das das Ziel hat, in diesen Räumen möglichst gleiche Lebensverhältnisse herzustellen. An diesem Ziel hat sich nichts geändert. Ich möchte noch einmal betonen, Herr Kollege, daß das Präferenzgefälle erhalten geblieben ist. Auf der anderen Seite ist es nach Meinung der Bundesregierung nicht möglich, etwa in einem differenzierten Konjunktur- bzw. Stabilitätsprogramm ganze Gebiete von der Stabilisierung der Konjunktur auszunehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703909200
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703909300
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß im Zonenrandgebiet des Regierungsbezirks Niederbayern am 1. Mai 1973 der Arbeitslosenstand um 115 % über dem Stand des entsprechenden Vorjahresmonats lag, während im übrigen Gebiet der Arbeitslosenstand nur 16 % über der Schwelle des Vorjahres lag, und glauben Sie nicht — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703909400
Herr Kollege, ich bedaure, daß Ihre Frage nicht den Richtlinien für die Fragestunde entspricht. Ich gebe Ihnen gerne die Chance, eine Zusatzfrage kurz und im unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer Frage zu stellen.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703909500
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß auf Grund der angezogenen Tatsache rasches Handeln erforderlich wäre?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703909600
Herr Kollege, wir werden selbstverständlich solchen Fragen im Zusammenwirken mit der jeweils zuständigen Landesregierung nachgehen, sind aber der Meinung, daß Einzelfälle, die Sie hier geschildert haben und die ich natürlich jetzt nicht kontrollieren kann, keinen Anlaß dazu geben können, etwa weitreichende Schlußfolgerungen in dem Sinne zu ziehen, daß das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung eine Änderung im Sinne einer Regionalisierung erfahren könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703909700
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, durch Differenzierung bei den Konjunkturdämpfungsmaßnahmen der Tatsache Rechnung zu tragen, daß in wirtschaftlich schwachen Räumen, insbesondere im nordoberpfälzischen Raum, die Tiefbauindustrie schon seit Monaten eine Periode der Rezession durchzustehen hat und hunderte von Arbeitsplätzen auf das Schwerste gefährdet sind?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703909800
Herr Kollege, wie in der Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Fuchs bereits ausgeführt, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Bekämpfung des Preisauftriebs einschneidende und schnell wirkende Maßnahmen zur Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erfordert. Regionale oder sektorale Ausnahmeregelungen in dieser Phase der Hochkonjunktur würden die Stabilitätspolitik in ihrer Effizienz wesentlich mindern. In einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet läßt sich die Wirkung der Instrumente nicht auf Teilräume begrenzen. Die Bundesregierung wird aber selbstverständlich die Entwicklung in den struktur- und wirtschaftsschwachen Gebieten mit Aufmerksamkeit verfolgen, um bei eventuellen regionalen oder sektoralen Schwierigkeiten zusammen mit den Ländern durch gezielte Maßnahmen der Strukturpolitik eingreifen zu können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703909900
Zusatzfrage, Herr Kollege.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0703910000
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß auf Grund der von mir angesprochenen Tatsachen der Zeitpunkt für das Eingreifen der Bundesregierung in Richtung auf eine echte Zonenrandförderung jetzt gegeben wäre?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703910100
Bisher sind der Bundesregierung noch keine derartigen Angaben der zuständigen Landesbehörden bekanntgeworden. So deutet z. B. auch der Bericht des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr über die Entwicklung im bayerischen Bauhauptgewerbe nicht auf eine eklatante Verschlechterung der Entwicklung im Tiefbausektor hin. Es wird vielmehr eine konjunkturelle Erholung konstatiert, die schon im Laufe des Jahres 1972 einsetzte. Dennoch wird von der Bundesregierung nicht verkannt, daß durch den Abschluß von Großprojekten wie z. B. in der Oberpfalz eine veränderte Beschäftigungslage im Tiefbau entstehen kann. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein im Rahmen der Stabilitätsbemühungen zu lösendes Problem.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703910200
Herr Kollege, Sie haben keine Zusatzfrage. — Herr Kollege Fuchs!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703910300
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß Betriebe der Granitindustrie im ostbayerischen Raum durch eine Existenzkrise betroffen sind, die vor allem auf die Liberalisierung der Importe aus den Staatshandelsländern des Ostblocks und aus Portugal zurückzuführen ist?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703910400
Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage, hier aus der Hand Ihnen dazu eine Antwort zu geben. Ich bin aber sicher, daß in unserem Hause alle entsprechenden Unterlagen, die uns von den Landesregierungen in diesem Bereich zugeleitet werden, sehr sorgfältig geprüft werden.
Ich wiederhole noch einmal, daß die Bundesregierung bereit ist, zusammen mit den zuständigen Landesregierungen in jedem Falle sektoraler oder struk-



Parl. Staatssekretär Grüner
tureller Schwierigkeiten zu prüfen, welche der vorhandenen Möglichkeiten der Bundesregierung zu Abhilfe eingesetzt werden können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703910500
Ich rufe Frage 48 des Herrn Abgeordneten Simpfendörfer auf:
Hält die Bundesregierung die von gewerkschaftlicher Seite immer häufiger auftauchende Forderung, auf gesetzgeberischem Weg und durch Änderung der Bauvergabepraxis Preisabsprachen der Unternehmer im Bausektor zu verhindern, für berechtigt, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung gegebenenfalls, solchen Mißständen wirksamer abzuhelfen als seither?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703910600
Herr Kollege, die Bundesregierung mißt der Vergabe öffentlicher Aufträge auf dem Bausektor sowohl aus wettbewerblichen als auch aus stabilitätspolitischen Gründen eine besonders hohe Bedeutung bei. Preisabsprachen auf dem Bausektor fallen unter das allgemeine Kartellverbot. Sie können mit Geldbußen bis zu 100 000 DM, im Einzelfall auch höher, geahndet werden. In besonderen Fällen kann auch Betrug im Sinne des Strafgesetzbuches vorliegen.
Ob Preisabsprachen durch eine Änderung gesetzlicher Vorschriften wirksamer verhindert werden könnten, ist zweifelhaft, wird aber unter Beteiligung der Kartellbehörden und der großen öffentlichen Auftraggeber geprüft. Die Kartellbehörden nehmen die Verfolgung und Ahndung von Preisabsprachen sehr ernst. Überlegungen der Kartellbehörden, ob und in welchem Ausmaße durch die Tätigkeit der sogenannten Auftragsmeldestellen der Bauwirtschaft das Zustandekommen von Preisabsprachen erleichtert wird, werden zur Zeit von unserem Hause und den großen öffentlichen Auftraggebern weiter verfolgt. Zugleich wird geprüft, ob es zweckmäßig ist, Erklärungen der Bieter zu verlangen, daß sie sich an keinen Preisabsprachen beteiligt haben.
Die besondere Bedeutung der Vergabepraxis hat die Bundesregierung auch in Punkt 19 ihres Stabilitätsprogramms vom 9. Mai 1973 betont. Der Bundesminister für Wirtschaft hat inzwischen an die Bundesminister und die Ministerpräsidenten der Länder einen eindringlichen Appell gerichtet. Darin hat er insbesondere gefordert, daß das Instrument der öffentlichen Ausschreibung in denkbar größtem Umfange genutzt wird, daß besondere Zurückhaltung bei der Auftragsvergabe geübt wird, wenn im regionalen Bereich Übernachfrage besteht, und daß eine Ausschreibung aufgehoben wird, wenn die Angebotspreise zu hoch erscheinen. Außerdem sollen die Möglichkeiten zur Heranziehung ausländischer Bewerber unter besonderer Beachtung der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen EWG-Richtlinien genutzt werden.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß die Baupreisverordnung den ausschreibenden Stellen die Befugnis gegeben hat, überhöht erscheinende Angebotspreise bis zur Zuschlagerteilung einer Preisprüfung zu unterwerfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703910700
Zusatzfrage!

Hansmartin Simpfendörfer (SPD):
Rede ID: ID0703910800
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung die Vergabepraxis in ihrem eigenen Bereich bekannt, etwa die Zahlen, daß bei der Bundesbaudirektion im vergangenen Jahr 2 953 Aufträge im Wert von 182 Millionen vergeben wurden, davon aber nur zwei in öffentlicher Ausschreibung, zwei in beschränkter, aber veröffentlichter Ausschreibung und die überwiegende Zahl beschränkt und freihändig?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703910900
Der Bundesregierung sind diese Vergabemodalitäten, die ich jetzt hier natürlich auf ihre Richtigkeit nicht untersuchen kann, bekannt. Deshalb ist vom Bundeswirtschaftsministerium auf die Notwendigkeit der öffentlichen Ausschreibung hingewiesen worden, die ich eben zitiert habe. Ich will hinzufügen, daß selbstverständlich im Einzelfall andere Notwendigkeiten gegeben sein können. Wir legen aber großen Wert darauf — das ist im Stabilitätsprogramm ausdrücklich hervorgehoben worden —, daß die beteiligten Ministerien sich der Notwendigkeit bewußt sind, durch öffentliche Ausschreibungen eine Kontrolle über die Preise und einen Druck auf die Preisentwicklung ausüben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703911000
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Ist aus der Tatsache, daß das sogenannte Stabilitätsprogramm der Bundesregierung die wirtschaftsschwachen, revierfernen und ländlichen Räume besonders hart trifft, zu schließen, daß die Bundesregierung die konjunkturellen Spannungen in diesen Regionen als besonders bedrohlich für die weitere Preisentwicklung ansieht?
Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703911100
Herr Kollege, die stabilitätspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung dienen, wie ich bereits gegenüber den Herren Kollegen Dr. Fuchs und Dr. Kunz ausgeführt habe, der schnell wirksamen und einschneidenden Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dabei ist in dieser konjunkturellen Gesamtlage auch ein Beitrag der regionalen Strukturpolitik zur Wiederherstellung der Stabilität notwendig. Daraus allerdings kann nicht geschlossen werden, daß die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen von einer einseitigen konjunkturellen Anspannung in den strukturschwachen Regionen ausgegangen ist. Das Programm geht vielmehr davon aus, daß gegenwärtig eine gesamtwirtschaftliche Übernachfrage für den gesamten Wirtschaftsraum der Bundesrepublik besteht und daß deshalb auch in allen Bereichen Stabilisierungsmaßnahmen notwendig sind. Es wird jedoch selbstverständlich Aufgabe der Strukturpolitik bleiben, bei eventuellen regionalen oder sektoralen Schwierigkeiten durch gezielte Maßnahmen einzugreifen.
Im Stabilisierungsprogramm der Bundesregierung wurden die Belange der regionalen Strukturpolitik im übrigen auch dadurch berücksichtigt, daß mittelfristig das vorgesehene Fördervolumen erhalten bleibt und damit wichtige regionale Förderprogramme unverändert fortgesetzt werden können.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703911200
Zusatzfrage, Herr Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0703911300
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß die konjunkturelle Situation in den wirtschaftsschwächeren und insbesondere in den revierfernen Gebieten bei weitem nicht so günstig ist wie in den Ballungsräumen?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703911400
In dieser generellen Weise läßt sich eine solche Aussage nicht treffen. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß das Gefälle von strukturell benachteiligten Gebieten zu Ballungszentren im bisherigen Umfang erhalten geblieben ist, und sie hat deshalb die Absicht, ihre Förderungsprogramme in diesem Bereich fortzusetzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703911500
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0703911600
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß, wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, eine aktive und erfolgreiche Strukturpolitik für die wirtschaftsschwächeren Gebiete in erster Linie in Zeiten einer allgemeinen Hochkonjunktur betrieben werden kann und daß sich in Zeiten eines wirtschaftlichen Rückganges die Folgen hieraus in diesen Räumen eher und sehr viel nachhaltiger auswirken, und meinen Sie nicht, daß aus diesem Grunde gerade diese Gebiete von den Stabilitätsmaßnahmen hätten ausgenommen werden müssen?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703911700
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß eine Regionalisierung der Stabilisierungsbemühungen möglich ist. Sie teilt allerdings Ihre Auffassung, daß gerade in Zeiten der Hochkonjunktur eine besondere Förderungsmöglichkeit gegeben ist und die Chancen der Förderung in Hochkonjunkturzeiten besonders günstig sind. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung ihre Förderungsmaßnahmen auch nicht etwa eingestellt, sondern lediglich eine Reduzierung dieser Maßnahmen vorgenommen, wobei ich noch einmal darauf hinweise, daß die Kürzung um 10 % keine echte Kürzung ist, sondern bei der Gemeinschaftsaufgabe eine Verlagerung in das Jahr 1974 bedeutet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703911800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0703911900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in den Gebieten, die durch das Stabilitätsprogramm, wie Sie soeben selbst zugegeben haben, zum Teil einschneidend betroffen werden, die Förderung der Infrastruktur als kleinen Ausgleich mit Priorität voranzutreiben?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703912000
Die Bundesregierung wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Strukturpolitik gerade der Förderung der Infrastruktur besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Im Rahmen des Planungsausschusses sind im Augenblick Überlegungen im Gange, wie der Infrastruktur durch ein entsprechend geändertes Förderungsprogramm in Zukunft größeres Gewicht zugemessen werden kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703912100
Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die durch die Energiekrise in den Vereinigten Staaten mitbedingte Verknappung an Vergaserkraftstoffen auf dem westeuropäischen Markt die Existenz von 25 000 unabhängigen mittelständischen Mineralölhändlern und Beschäftigten bedroht, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die weitere Versorgung der zu diesem mittelständischen Kreis gehörenden rund 6 000 Freien Tankstellen mit Vergaserkraftstoffen zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen sicherzustellen?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703912200
Herr Kollege Geldner, ich möchte zu Ihrer Frage zunächst klarstellen, daß Versorgungsschwierigkeiten aus der gegenwärtigen Weltmarktsituation in der Bundesrepublik weder auf dem Gebiet des Vergaserkraftstoffs noch beim leichten und schweren Heizöl zu befürchten sind. Der vor allem in den großen Exportzentren zu verzeichnende erhebliche Preisanstieg — ich nenne Rotterdam — trifft in seinen Auswirkungen allerdings vor allem Handels- und Tankstellengruppen, die bei rückläufiger Versorgung aus der einheimischen Raffinerieproduktion nicht auf den Import ausländischer Ware ausweichen können. Der Kreis der hiervon Betroffenen ist beschränkt. Von einer Existenzgefährdung der unabhängigen mittelständischen Mineralölhändler schlechthin kann aber nicht gesprochen werden. Das gleiche gilt vom Gros der freien Tankstellen. In seinem Gespräch mit dem Vorstand des Mineralölwirtschaftsverbandes am 24. Mai dieses Jahres hat der Bundesminister für Wirtschaft die Schwierigkeiten dieser Gruppen bei der Versorgung aus der einheimischen Raffinerieproduktion ausführlich erörtert. Es werden in Kürze gemeinsame Gespräche beider Gruppen stattfinden, in denen konkrete Versorgungsschwierigkeiten besprochen und Lösungsmöglichkeiten — auch unter längerfristigen Aspekten — gesucht werden sollen. Ich möchte an dieser Stelle dem Ergebnis solcher Besprechungen zwischen den Beteiligten nicht vorgreifen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703912300
Obwohl der Herr Fragesteller keine Zusatzfrage zu stellen wünscht, lasse ich eine Zusatzfrage von Ihnen zu, Herr Kollege Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0703912400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn nicht bekannt, daß gerade im Bereich des mittelständischen Mineralölhandels die Einkaufspreise in Rotterdam — analog auch in der Bundesrepublik — um 200 bis 300 % erhöht worden sind und daß trotz dieser Preiserhöhungen auch noch Lieferschwierigkeiten bestehen, die sich darin äußern, daß die Kontingente um bis zu 50 % gekürzt werden, wodurch eine katastrophale Lage für diesen mittelständischen Mineralölhandel entstanden ist?




Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703912500
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß der Bundesregierung Engpaßschwierigkeiten bekannt sind und daß das für den Bundeswirtschaftsminister ein Anlaß war, ein Gespräch mit dem Mineralölwirtschaftsverband zu führen. Das Ergebnis dieses Gesprächs bestand darin, daß der Mineralölwirtschaftsverband mit seinen angeschlossenen Gesellschaften Gespräche mit den betroffenen mittelständischen Gruppen führen wird, um solche Engpaßschwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Ich möchte betonen, daß nach den uns vorliegenden Unterlagen diese Schwierigkeiten nicht etwa auf einem Mangel an Benzin oder leichtem Heizöl beruhen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703912600
Die letzte Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Dollinger.

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0703912700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Verknappung an Treibstoffen, insbesondere an Benzin, damit zusammenhängt, daß Fertigprodukte aus dem Ausland nicht eingeführt werden können, weil die ausländischen Produkte in bezug auf den Bleigehalt nicht den deutschen Vorschriften entsprechen.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703912800
Herr Kollege, das ist in dieser Form nicht richtig. Ich betone noch einmal, daß es keinen Anlaß zu der Annahme gibt, es könnten Versorgungsschwierigkeiten bestehen. Im übrigen hat die Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, bleihaltiges Benzin, das nicht unseren Vorschriften entspricht, durch entsprechenden Zusatz von Vergaserkraftstoffen anderer Provenienz so zu verändern, daß es den hier geltenden Vorschriften entspricht. Von dieser Möglichkeit ist bisher kaum Gebrauch gemacht worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703912900
Ich rufe dann die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Ist das angekündigte Energiekonzept der Bundesregierung schon so weit gediehen, daß seine Grundzüge in Kürze bekanntgemacht werden können, und sind in dieses Konzept auch Überlegungen zur Erhaltung mittelständischer Existenzen im Mineralölsektor enthalten?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703913000
Herr Kollege, die zukünftige Rolle des Mineralölmittelstandes, der sich in der Vergangenheit stets als ein sehr wichtiges Wettbewerbselement bewährt hat, ist natürlich auch ein Thema des Energiekonzepts, an dem wir derzeit arbeiten und das wir so bald wie möglich vorlegen wollen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703913100
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Biehle.

Alfred Biehle (CSU):
Rede ID: ID0703913200
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß angesichts der vorhin aufgezeigten Misere in den nächsten Tagen über 100 freie Tankstellen — insbesondere an den Autobahnen — geschlossen werden sollen, und wären Sie bereit, auf Grund dieser Lage zu prüfen, inwieweit im Rahmen der bundeseigenen VEBA, die ja die Gulf aufkaufen will, der Bund unter Beibehaltung der seitherigen Belieferer und Verwalter die von Freien Händlern verwalteten Autobahntankstellen übernehmen kann?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703913300
Ihre Frage steht nicht in dem geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, die Herr Kollege Geldner eingebracht hat.

(Abg. Biehle: Aber sicher!) Die Frage wird nicht zugelassen.

Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Stahl (Kempen) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, die Sicherheit der Stromversorgung in der Bundesrepublik Deutschland durch verstärkten Bau von Kraftwerken mit bivalenter Beschikkungsmöglichkeit (Erdöl oder Kohle) zu erhöhen, um in Hochpreiszeiten und evtl. Krisensituationen einen höheren Anteil der Stromversorgung aus einheimischer Kohle zu erhalten?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703913400
Herr Kollege, die Bundesregierung ist sich des wesentlichen Beitrages der heimischen Steinkohle zur Sicherung der Stromversorgung bewußt. Sie hat daher die mit den Verstromungsgesetzen begonnene Förderung des Steinkohleneinsatzes in Kraftwerken mit dem Erlaß einer Anschlußregelung vom 14. Juni 1972 in der Fassung vom 14. Dezember 1972 fortgesetzt. Im Rahmen dieser Anschlußregelung wird der Bau von neuen Steinkohlekraftwerken, die auch bivalent ausgelegt sein können, bezuschußt. Die Bundesregierung hofft, daß die Kraftwirtschaft von den eröffneten Möglichkeiten in vollem Umfang Gebrauch machen wird. Die Frage der Kohleverstromung und der Absatzstabilisierung für unsere Kohle in diesem Bereich wird auch Gegenstand des von der Bundesregierung angekündigten Energieprogramms sein.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703913500
Eine Zusatzfrage.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID0703913600
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Ansicht, daß es trotzdem zweckmäßig wäre, die Verstromungswirtschaft darauf hinzuweisen, daß man Kraftwerke mit bivalenter Beschikkungsmöglichkeit bevorzugen sollte, was nach dem heutigen Stand der Planung, der auch Ihnen bekannt sein dürfte, nicht der Fall ist?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703913700
Herr Kollege, die Bundesregierung wird in ihrem Energiekonzept sicher gerade auch dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Ich habe schon betont, daß wir die bivalente Beschickung fördern. Es ist allerdings so, daß die bivalente Beschickung im Augenblick im wesentlichen auf reviernahe Standorte ausgerichtet ist, weil es in zechenfernen Gebieten aus Kostengründen weniger Möglichkeiten in diesem Bereich gibt. Das soll allerdings keine Voraussage für die Entwicklung in der Zukunft sein.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703913800
Eine Zusatzfrage.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID0703913900
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung auch im künftigen Energieprogramm dieser Tatsache Rechnung tragen wird und zusätzliche Mittel für den Bau von bivalenten Kraftwerken über die Verstromungsbeihilfen hinaus gewähren wird?
G
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703914000
Ich kann Ihnen heute noch keine Auskunft darüber geben, ob das Energieprogramm in diesem Bereich zusätzliche Mittel vorsieht. Wir sind an sich der Meinung, daß die Mittel, die schon heute zur Verfügung stehen, die Anreizmöglichkeiten bieten, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar erscheinen. Wir bleiben selbstverständlich darauf angewiesen, daß die Kraftwerke von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen. Dazu gehört, daß sie auch tatsächlich eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit dafür sehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703914100
Ich rufe die Frage 53 der Frau Abgeordneten Dr. Riedel-Martiny auf:
Herr Staatssekretär!
Ist die Bundesregierung bereit, und wenn ja in welcher Weise, die internationale Zusammenarbeit der Verbraucherverbände im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften zu unterstützen?
Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703914200
Frau Kollegin, die Verbraucherorganisationen der neun Mitgliedstaaten haben Anfang April in Brüssel ein Verbindungsbüro gegründet. Die Bundesregierung begrüßt angesichts der wachsenden Bedeutung der Europäischen Gemeinschaften für die Verbraucher eine engere Zusammenarbeit der europäischen Verbraucherorganisationen und hat sich gegenüber der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände grundsätzlich bereit erklärt, ihr für diesen Zweck eine besondere finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703914300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Anke Riedel-Martiny (SPD):
Rede ID: ID0703914400
Herr Staatssekretär, Sie wissen sicher weit besser noch als ich, wie gut die Erzeugerorganisation, vom internationalen Bauernverband bis zu den Industrieverbänden, in Brüssel zusammenarbeiten. Können Sie mir sagen, ob sich die Höhe der zugesagten Unterstützung für die Verbraucherorganisation in etwa mit diesen gut unterstützten Verbänden messen kann und wie groß diese Unterstützung sein wird?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703914500
Zunächst ist über die Höhe des Betrages noch keine Entscheidung getroffen worden. Es ist beabsichtigt, die Entsendung eines Mitgliedes des Verbraucherverbandes nach Brüssel zu finanzieren. Der Verbraucherverband selbst hat noch nicht entschieden, wen er in dieses Verbindungsbüro entsenden will.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703914600
Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Anke Riedel-Martiny (SPD):
Rede ID: ID0703914700
Sie wissen, daß in Brüssel von seiten der Europäischen Gemeinschaften beschlossen worden ist, die Verbraucherfragen mit Fragen des Umweltschutzes zu verbinden. Ist damit zu rechnen, daß das auf nationale Regelungen zurückwirkt?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703914800
Wir legen großen Wert darauf, daß die Verbraucherfragen und die Umweltfragen in der Europäischen Gemeinschaft nicht etwa allein unter nationalen Gesichtspunkten der jeweiligen Herkunftsländer gesehen werden, sondern daß der europäische Aspekt dieser Probleme gerade auch in einem solchen Verbindungsbüro deutlicher, als es bisher möglich war, in Erscheinung tritt. Ganz sicher wird das auch Rückwirkungen auf die einzelnen Staaten innerhalb der EWG haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703914900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0703915000
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, der Kollegin Riedel-Martiny klarzulegen, daß im Gegensatz zu ihrer Meinung die Vertreter des Bauernverbandes in Brüssel nicht vom Bund finanziert werden, sondern das die COPA ein freiwilliger Zusammenschluß ist und die Gelder aus freiwilligen Mitgliedsbeiträgen stammen?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703915100
Herr Kollege, das ist sicher richtig, wobei ich hinzufügen möchte, daß die Probleme der Verbraucher, die ja nicht bei einzelnen wichtigen Interessengruppen Unterstützung finden können, und die Probleme der Finanzierung der Verbrauchervertretung von uns gesehen werden müssen und daß wir alle ein Interesse daran haben müssen, daß die Verbraucheraufklärung und die Verbraucherpolitik einen stärkeren Akzent erhalten, als das bisher möglich war.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703915200
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
Treffen Meldungen des oder ähnlichen Inhalts zu, daß die polnische Regierung mit Bundeskanzler Brandt ein Abkommen, eine Abmachung oder Vereinbarung getroffen hat, wonach die oberschlesische Bergwerksgesellschaft oder eine entsprechende polnische Organisation künftig teilweise die Versorgung der Stahlindustrie an der Ruhr mit Koks übernehmen soll?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703915300
Herr Kollege Dr. Kunz, derartige Meldungen entbehren jeglicher Grundlage. Der Koks- und Kohlebedarf der Stahlindustrie an der



Parl. Staatssekretär Grüner
Ruhr wird im Rahmen eines langfristigen Bedarfsdeckungsvertrages, des sogenannten Hüttenvertrages, von der Ruhrkohle AG voll gedeckt. Für Lieferungen anderer Provenienzen besteht daher weder ein Bedürfnis noch die rechtliche Möglichkeit.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703915400
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0703915500
Herr Staatssekretär, darf ich diese Auskunft als eine mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmte Antwort betrachten?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703915600
Es ist selbstverständlich, daß die Fragen immer von der Bundesregierung beantwortet werden und daß das mit dem Bundeskanzleramt abgestimmt ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703915700
Herr Abgeordneter Schmude, eine Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0703915800
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß man die Vermutung, die der Frage des Kollegen Dr. Kunz zugrunde liegt, angesichts der Absatzschwierigkeiten des Ruhrkohlebergbaus nur als ein ganz unsinniges Gerücht bezeichnen kann?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703915900
Herr Kollege, ich bin der Meinung, daß die Bemühungen der Bundesregierung um ein Energiekonzept und um die Erhaltung der Steinkohle im Rahmen dieses Energiekonzeptes so deutlich sind, daß es selbstverständlich ist — auch angesichts anderer Maßnahmen, die wir ergriffen haben —, daß solche Maßnahmen für uns undenkbar wären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703916000
Meine Damen und Herren, die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst, die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Sick und die Fragen 37 und 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke werden nicht vom Bundesminister der Finanzen, sondern vom Bundesminister für Wirtschaft beantwortet.
Ich rufe daher die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die strukturpolitischen Wirkungen der geplanten Mineralölsteuererhöhung für die wirtschaftsschwachen, revierfernen und ländlichen Räume angesichts der Tatsache, daß die Transoortkosten für die Wirtschaft und die Bevölkerung in diesen Räumen ein entscheidender ökonomischer Faktor sind?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703916100
Die vorgesehene Mineralölsteuererhöhung hat die verschiedensten Aspekte, die in den zurückliegenden Debatten und Fragestunden bereits ausführlich angesprochen wurden. Betont werden muß aber, daß insbesondere aus strukturpolitischen Gründen für die Wirtschaft im Zonenrandgebiet die Sätze der bereits bisher gewährten Gasölbetriebsbeihilfe für den Werkfernverkehr um 3 Pfennige je Liter erhöht werden sollen. Das bedeutet: erst wenn ein Zonenrandbetrieb mit seinen Fahrzeugen mehr als die zweieinhalbfache Strecke zurücklegen muß, die ein Konkurrenzbetrieb im übrigen Bundesgebiet benötigt, wirkt sich die Mineralölsteuererhöhung wettbewerbsverschlechternd aus. In allen anderen Fällen wird sich die Konkurrenzsituation, soweit Transporte im Werkfernverkehr durchgeführt werden, für die Zonenrandbetriebe sogar verbessern.
Eine exakte Aussage über das Ausmaß der jeweiligen Belastungen in den verschiedenen Teilräumen der Bundesrepublik und für die verschiedenen betroffenen Bereiche ist jedoch bei dieser global angelegten Maßnahme kaum möglich. Sowohl die Erhöhung als auch die Verwendung der Mittel lassen sich nicht einseitig als positiv für die eine, negativ für die andere Region ausweisen. So kommt z. B. die sofortige oder spätere Verwendung der Einnahmen aus der Mineralölsteuer für den Ausbau der Bundesfernstraßen und für den kommunalen Straßenbau sowohl den Bewohnern von Verdichtungsgebieten als auch des ländlichen Raumes zugute. Die behauptete Zurechenbarkeit zugunsten der Verdichtungsräume entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703916200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0703916300
Herr Staatssekretär, ich darf aus Ihrer Antwort also entnehmen, daß Sie meine Auffassung teilen, daß die revierfernen ländlichen Gebiete durch die Mineralölsteuererhöhung doch schwerer betroffen werden als die Ballungsgebiete?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703916400
Ich kann Ihre Meinung in dieser globalen Weise nicht teilen, Herr Kollege; denn ich habe eben deutlich zu machen versucht, daß das sehr differenziert zu betrachten ist. Es ist ganz selbstverständlich, daß ein Betrieb, der einen höheren Anteil am Mineralölverbrauch hat als ein anderer, durch diese Maßnahme härter betroffen ist. Das ist eine selbstverständliche wirtschaftliche Tatsache, kann aber genausogut auf Betriebe in Ballungsgebieten zutreffen wie auf Betriebe in revierfernen Gebieten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703916500
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0703916600
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die gewerbliche Wirtschaft in den revierfernen Gebieten weitere Transportentfernungen zu bewältigen hat als in den Ballungsräumen, daß sich die Transportkosten mit der Anhebung der Mineralölsteuer verteuern, daß insbesondere in den ländlichen Räumen die Arbeitnehmer größere Entfernungen zu den Arbeitsplätzen zurückzulegen haben als in den Ballungsgebieten, daß diese Arbeitnehmer in höherem Maße auf den Pkw



Dr. Jobst
angewiesen sind als in den Ballungsräumen und daß deshalb die Mineralölsteuer sich hier schwerwiegender auswirkt als in den anderen Gebieten des Bundesgebietes?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703916700
Herr Kollege, es ist ganz selbstverständlich, daß wir gerade aus diesem Grunde wirtschaftsschwache Regionen in unseren Förderungsprogrammen fördern, um hier einen Ausgleich und vor allem eine Anhebung des Niveaus zu erreichen, aber es kann keine Rede davon sein, Herr Kollege, daß diese behaupteten Nachteile in jedem Falle zutreffen. Wir wissen ja, daß etwa in revierfernen Gebieten Arbeitsplätze vielfach auch am Ort des Arbeitnehmers vorhanden sind. Es ist ja gerade das Ziel unserer Förderungsmaßnahmen, durch Ansiedlung gewerblicher Betriebe diese Entwicklung zu verstärken, so daß in vielen Fällen überhaupt kein Unterschied gegenüber den Ballungszentren vorhanden sein wird. Sie wissen auch, daß in den Ballungszentren die Nachteile für die Arbeitnehmer — etwa durch Verkehrsstauungen und sehr lange Anfahrtswege — ganz erheblich sind. Man kann hier nicht generalisieren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703916800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0703916900
Herr Staatssekretär, ab welchem Zeitpunkt wird die von Ihnen in Aussicht gestellte Erhöhung der Gasölbetriebsbeihilfe wirksam werden?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703917000
Ich kann Ihnen hier kein genaues Datum nennen; das ist in meinen Unterlagen nicht vorhanden. Aber diese Beihilfe wird, wenn nicht schon jetzt, in aller Kürze in Kraft treten. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen den genauen Termin mitzuteilen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703917100
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Sick auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die hohen Transportkosten einerseits und die relativ schlechte Versorgung des flachen Landes mit öffentlichen Verkehrsmitteln andererseits ein wesentlicher Grund für die Abwanderung der Bevölkerung aus diesen Gebieten in die Ballungsräume ist?
Herr Staatssekretär!

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703917200
Herr Kollege, die Ursachen und Motive von Wanderungsbewegungen haben sich bisher noch nicht als empirische Gesetzmäßigkeiten nachweisen lassen. Es ist auch schwierig, isolierte Wanderungsgründe herauszufinden, da meistens mehrere Motive vorliegen. Oft wird bei Befragungen auch erst nachträglich der Wanderungsentschluß rational begründet. Da Wirkungsanalysen raumwirksamer Steuerarten bisher noch weitgehend fehlen, ist es auch bedenklich, Einzelfaktoren herausnehmen zu wollen.
Ein wesentlicher Grund für eine aktive regionale Strukturpolitik waren und sind jedoch Abwanderungsbewegungen aus dem ländlichen Raum. Durch eine konzentrierte Schwerpunktförderung der gewerblichen Wirtschaft, der Infrastruktur und des Fremdenverkehrs konnte diesen Tendenzen bisher erfolgreich entgegengewirkt werden. Die erfolgreiche Schaffung und Sicherung von mehreren hunderttausend Dauerarbeitsplätzen in den Fördergebieten beweist dies. Auch weiterhin wird das Ziel der regionalen Strukturpolitik sein, in den Fördergebieten Voraussetzungen für eine erhebliche Abschwächung der großräumigen Wanderungstendenzen zugunsten der Fördergebiete zu schaffen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703917300
Zusatzfrage.
Sick (CDU, CSU) : Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine der Grundbedingungen für jede Strukturpolitik das Vorhandensein ausreichender Infrastrukturmaßnahmen ist?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703917400
Wir meinen, daß in diesem eben genannten Motivbündel die Frage einer ausreichenden Infrastruktur eine hohe Bedeutung hat. Wir sind deshalb auch gemeinsam mit den Ländern der Auffassung, daß der Förderung der Infrastruktur in Zukunft eine noch höhere Priorität eingeräumt werden soll, als das bisher geschehen ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703917500
Eine Zusatzfrage.

Willi-Peter Sick (CDU):
Rede ID: ID0703917600
Wie paßt es in die Logik, Herr Staatssekretär, daß Sie dann alle Maßnahmen, die diese Infrastruktur fördern, jetzt sogar zurückdrehen, und zwar in den Gebieten, die es am nötigsten haben, was wohl mit Stabilität kaum zu begründen ist.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703917700
Ich bin nicht dieser Meinung, Herr Kollege, weil eine konjunkturelle Stabilisierungsaktion nichts mit den langfristigen Plänen zur Stärkung der wirtschaftsschwachen Gebiete zu tun hat. Ich weise noch einmal darauf hin — das habe ich heute schon mehrfach getan —, daß das Präferenzgefälle erhalten bleibt, daß heißt, daß die Förderung nicht etwa eingestellt wird, sondern daß sie in einem Bereich gestreckt und in anderen Bereichen lediglich reduziert wird, daß aber die Bevorzugung wirtschaftsschwacher Regionen gegenüber den Ballungszentren im Rahmen der Förderungsrichtlinien weitergehen wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703917800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Milz.




Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0703917900
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn man die Infrastruktur in revierfernen Gebieten verändern will, dazu insbesondere ein verstärkter Ausbau des Straßennetzes und insbesondere des Fernstraßennetzes gehört?

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0703918000
Ich bin der Meinung, daß auch das in diesen Bereich hineingehört, und die Mineralölsteuererhöhung soll in einer mittel- und langfristigen Weise gerade dazu dienen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703918100
Der Herr Abgeordnete Dr. Warnke ist nicht im Saal. Die Frage 40 wird deshalb schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, damit sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, daß es das Ziel der Fragestunde ist, dem Fragesteller die Möglichkeit einer mündlichen Antwort in der Fragestunde zu verschaffen und gegebenenfalls durch Zusatzfragen die Aufhellung des erfragten Sachverhaltes zu erreichen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Bundesminister Ertl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Milz auf:
Trifft es zu, daß eine direkte Beteiligung des (ehemaligen) Bundesbeauftragten für Naturschutz, Herrn Prof. Dr. Grzimek, an der Erstellung des vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erarbeiteten Gesetzentwurfes für Naturschutz und Landschaftspflege nicht stattfand, obwohl zugesagt worden war, den Bundesbeauftragten direkt einzuschalten, direkt ein Gespräch hierüber mit dem Minister zu Eiihren, die Arbeitsgruppe „Stein" zu gemeinsamen Sitzungen 'nit der Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu laden und schließlich wenigstens nach der Fertigstellung des Entwurfs im Bundesministerium für Ernährung, Land wirtschaft und Forsten ein abschließendes Gespräch zu führen und das Für und Wider des Gesetzentwurfes sowie einen Vergleich mit dem Stein-Entwurf zu erörtern, und welche Gründe liegen hierfür gegebenenfalls vor?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703918200
Herr Kollege Milz, es trifft nicht zu, daß eine direkte Beteiligung von Herrn Professor Dr. Grzimek als seinerzeitiger Beauftragter der Bundesregierung für Naturschutz nicht stattgefunden hat. Herr Professor Dr. Grzimek ist laufend über den später vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf für Naturschutz und Landschaftspflege unterrichtet worden, und zwar wie folgt: 18. Januar 1972 Übersendung eines Rohentwurfes, 21. Januar 1972 Zusendung des Entwurfs für die Besprechungen mit den Ressorts, Ländern und Verbänden — ich darf hinzufügen, daß das im Gesetzgebungsgang zwingend notwendig ist --, 30. März 1972 Übersendung des Entwurfs vom Stand des 30. März 1972, 9. Mai 1972 1972 Übersendung der Kabinettsvorlage.
Darüber hinaus hat mein Haus in ständigem Kontakt und Informationsaustausch mit seinem ständigen damaligen Mitarbeiter, Herrn Dr. Erz, gestanden. Das war auch deshalb notwendig, weil, wie Sie wissen, die zeitlichen Dispositionen von Herrn Professor Grzimek eine laufende Kontaktnahme nicht immer ermöglicht haben.
Zweitens. Es war ursprünglich beabsichtigt, den Gesetzentwurf mit der Arbeitsgruppe Stein gesondert zu erörtern. Zu einer besonderen Besprechung ist es dann aber nicht mehr gekommen, da der Stein-Entwurf in seinen Grundzügen in den Regierungsentwurf übernommen worden ist und die Mitglieder der Arbeitsgruppe Stein überwiegend an den Haupterörterungsterminen für den Gesetzentwurf teilgenommen haben. Hier muß ich zur Ehrenrettung meiner Mitarbeiter in meinem Hause sagen — ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir hier die Gelegenheit dazu geben —: zwei Mitarbeiter meines Hauses gehörten der Arbeitsgruppe Stein an. Da sehen Sie, welche Verzahnung zwischen diesem Entwurf und meinem Hause besteht. Das sage ich vor allem zur Ehrenrettung der Juristen in meinem Hause; denn auch sie haben hier mitgewirkt. Insbesondere aber hat Herr Professor Stein wegen des großen Zeitdrucks, unter dem die Arbeiten standen, eine ausführliche Stellungnahme abgegeben. Der Bundestag drängte immer stärker auf die Vorlage des Gesetzentwurfes. Deshalb konnte eine besondere Besprechung nicht mehr anberaumt werden. Ich muß hinzufügen: mir lag sehr daran, daß dieser Entwurf angesichts der politischen Entwicklung im Jahre 1971 noch im Jahre 1971 in ein so konkretes Stadium kam, daß er im Jahre 1972 rechtzeitig dem Parlament vorgelegt werden konnte. Gerade wegen dieses zeitlichen Drucks habe ich mich in der Schlußphase selbst sehr engagiert, um in Zusammenarbeit mit den Ressorts einen Entwurf vorzulegen.
Zu einem persönlichen Gespräch mit Herrn Professor Dr. Grzimek über den Gesetzentwurf ist es zu meinem großen Bedauern deshalb nicht gekommen, weil zunächst einmal ein diskussionsreifer Entwurf erarbeitet werden mußte und es danach wegen zahlreicher Verpflichtungen auf beiden Seiten nicht mehr möglich war, einen so frühzeitigen Termin zu vereinbaren, daß die Ergebnisse des Gespräches noch im Gesetzentwurf hätten berücksichtigt werden können. Ich füge aber hinzu, daß ich selbst wiederholt versucht habe, Gespräche zu führen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703918300
Zusatzfrage.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0703918400
Herr Minister, trifft es zu, daß Herr Professor Grzimek mit einem Schreiben vom 28. Dezember 1972 Ihnen gegenüber Klage über die Nichtbeteiligung des Naturschutzbeauftragten geführt hat und daß Sie diesen Tatbestand zumindest in der Antwort auf meine Frage am 16. Februar 1973 nicht zum Ausdruck gebracht, sondern statt dessen die Beteiligung des Herrn Professors Grzimek als voll befriedigend dargestellt haben?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703918500
Ich bin gerne bereit, alle Briefwechsel zu veröffentlichen. Ich kann das jetzt nicht in allen Einzelheiten wiedergeben. Aber offensicht-



Bundesminister Ertl
lich liegen Ihnen ja die Briefe vor. Da können wir sie in der Synopse vergleichen, Herr Kollege Milz. Ich bin auch dazu gerne bereit. Dann werden Sie nämlich feststellen, daß Herr Professor Grzimek in einem Briefwechsel den Entwurf des Hauses begrüßt und auf meine Vorwürfe hin, daß er gegenüber der bayerischen Staatsregierung entgegen seinen ursprünglichen Forderungen zu verstehen gegeben habe, er sei auch mit einer bloßen Rahmenkompetenz zufrieden, gesagt hat, er müsse sich eben politischen Zwängen beugen. Ich sage das alles sinngemäß. Insoweit bin ich sehr dankbar, wenn ich den Briefwechsel insgesamt veröffentlichen kann; denn dann werden wir sehen, wie in dieser Materie gearbeitet wurde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703918600
Zusatzfrage.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0703918700
Herr Minister, ist es, wenn Sie die Zustimmung von Herrn Professor Grzimek in mehreren Antworten — auch heute — als umfassend bezeichnet haben, nicht verwunderlich, daß Herr Professor Grzimek in einem Schreiben vom 6. Juli 1972 und in einem Schreiben vom 1. September 1972 dieses Gesetz dem Inhalt nach, dem Verfahren nach und auf Grund des Mangels der Beteiligung des Bundesbeauftragten als völlig unzureichend bezeichnet hat?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703918800
Herr Kollege Milz, ich behandle diese Dinge ungern im Parlament, aber Sie veranlassen mich dazu. Ich gehöre auch zu denen, die eine offene Sprache führen.
Dazu muß folgendes festgestellt werden. Erstens war mit der Sache vorwiegend der Mitarbeiter von Professor Grzimek, Dr. Erz befaßt. Folgender Eindruck hat sich bei mir bestärkt — und dafür trage ich die Verantwortung —, auch in dem Gespräch mit Herrn Professor Grzimek: Die Gespräche haben sich, soweit er sie mit mir führte — es waren keine Gespräche von fünfzehn Minuten Dauer, sondern sie gingen immer weit über den angesetzten Termin hinaus —, nicht mit der Materie Naturschutz und Landschaftspflege, sondern mit möglicherweise sehr interessanten Themen afrikanisch-zoologischer Art befaßt. Auf Grund dessen bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß es sinnvoll ist, mit seinem Mitarbeiter Erz engen Kontakt zu pflegen, und habe mein Haus entsprechend angewiesen.
Darüber hinaus mußte ich eine Entscheidung der Ressorts herbeiführen. Selbstverständlich können in einer Ressortentscheidung nicht alle Probleme so Berücksichtigung finden, wie möglicherweise ich selbst, meine Mitarbeiter oder möglicherweise auch nur Fachleute es wünschen. Verstehen Sie, hier muß ich einen Kompromiß schließen, der den Ressortbedürfnissen und der Gesamtpolitik der Bundesregierung entspricht. Insoweit ist es gar nichts Neues, daß ein Entwurf, der sicherlich nützliche Aspekte enthält, dann in einer Ressort- und Kabinettsvorlage etwas anders ausschaut. Das ist etwas Selbstverständliches.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703918900
Ich rufe die Frage 56 des Herr Abgeordneten Milz auf :
Trifft es zu, daß andere Gesetzentwürfe - wie z. B, der Gesetzentwurf für das Bundeswaldgesetz, Konzeptionen zur Novellierung des Jagdrechts — an den Bundesbeauftragten gar nicht übersandt wurden, sondern erst, nachdem der Bundesbeauftragte davon in der Presse erfuhr, angefordert werden mußten, trotzdem beides durchaus naturschutzrelevante Materie enthielt, und wie erklärt die Bundesregierung gegebenenfalls derartige Vorkommnisse?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703919000
Der Entwurf eines Bundeswaldgesetzes wurde dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung für den Naturschutz, wie die Akten ausweisen, am 20. April 1972 ohne besondere Anforderung zur Stellungnahme zugeleitet. Die Kabinettsvorlage des genannten Gesetzentwurfs wurde am 15. Mai 1972 übermittelt. Zu der außerdem erwähnten Konzeption für die Änderung des Bundesjagdgesetzes ist festzustellen, daß der damalige Beauftragte der Bundesregierung für den Naturschutz frühzeitig über die Absicht des Ressorts unterrichtet worden ist und daß der Referentenentwurf für ein Zweites Änderungsgesetz zum Bundesjagdgesetz erst nach dem Rücktritt von Professor Dr. Grzimek fertiggestellt worden ist und sich noch in der internen Abstimmung befindet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703919100
Zusatzfrage.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0703919200
Herr Minister, trifft es zu, daß der Vertreter des Beauftragten Professor Grzimek bei Gesprächen in Ihrem Hause mehrfach darauf hingewiesen worden ist, daß der Bundesbeauftragte selber und nicht sein Vertreter an den Gesprächen teilnehmen sollte, und ist nicht von da her der Schluß zu ziehen, daß die Unterrichtung und Mitwirkung des Naturschutzbeauftragten sich nicht so vollzogen hat, wie Sie es hier darstellen?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703919300
Ich kann nicht sagen, ob das so ist. Ich kann nur eines sagen: Es gibt viele Briefwechsel und Telefongespräche, in denen ich mich meinerseits für Gespräche angeboten habe. Das ist eben daran gescheitert, daß entweder ich keine Zeit hatte — das gebe ich gerne zu; ich muß mir meine Termine auch so einteilen, wie ich z. B. durch Brüssel Möglichkeiten habe — oder längere Dienstreisen von Herrn Professor Grzimek ein Zusammenkommen nicht erlaubten. Das mag also, wie ich zugebe, zutreffen. Aber da muß ich doch mit allem Nachdruck sagen: ich glaube, daß ich aus politischer Sicht an mehr Termine gebunden war als möglicherweise Herr Professor Grzimek. Sein ständiger Mitarbeiter war eben ständig da, und weil er da war, war er auch öfter eingeschaltet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703919400
Eine Zusatzfrage.

Peter Milz (CDU):
Rede ID: ID0703919500
Herr Minister, wären Sie bereit, in Ihrem Hause prüfen zu lassen, ob anläßlich eines Gesprächs in Ihrem Tierschutzreferat dem Vertre-



Milz
ter von Herrn Professor Grzimek bedeutet worden ist, daß nicht er, der Vertreter, an diesem Gespräch teilnehmen solle, weil das sinnlos sei, sondern daß der Beauftragte selber erscheinen müsse?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703919600
Ich bin bereit, das zu prüfen; aber ich muß nun einmal sagen: zunächst trage die Verantwortung für die Arbeit in meinem Hause ich. Wenn ein Mitarbeiter das gefordert hat und der Herr Beauftragte selber nicht gekommen ist, dann, so muß ich sagen, hat der Beamte doch nichts Sittenwidriges getan, als er gesagt hat: wenn er schon beauftragt ist, soll er auch kommen. Insoweit muß ich also meinen Mitarbeiter decken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703919700
Ich rufe Frage 57 der Frau Abgeordneten Dr. Riedel-Martiny auf:
Ist damit zu rechnen, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen Forschungsauftrag vergibt, der die Versorgung des ländlichen Raumes mit Gütern des primären Bedarfes untersucht?
Bitte, Herr Minister!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703919800
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Absicht, alsbald einen Forschungsauftrag über die Versorgung des ländlichen Raumes mit Gütern des primären Bedarfs zu vergeben. Das Institut für Verbraucherfragen ist bereits aufgefordert worden, einen entsprechenden Forschungsantrag zu stellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703919900
Eine Zusatzfrage.

Dr. Anke Riedel-Martiny (SPD):
Rede ID: ID0703920000
Herr Minister, können Sie mir sagen, welchen qualitativen und welchen finanziellen Umfang diese Umfrage haben wird? Ist da schon Genaueres über die Zahlen bekannt?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703920100
Verehrte Frau Kollegin, ich glaube, das kann man im Augenblick noch gar nicht sagen. Wir haben bewußt erst einmal die Forschungsstelle aufgefordert, den Antrag zu stellen. Dann muß man diesen Antrag ernsthaft prüfen, so wie jeder Forschungsantrag geprüft wird. Und dann kann man sagen, in welcher Form der Auftrag zu dotieren ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703920200
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Anke Riedel-Martiny (SPD):
Rede ID: ID0703920300
Herr Minister, Sie haben sich als Politiker um den ländlichen Raum sehr verdient gemacht. Können Sie sagen, wann etwa mit dieser Untersuchung zu rechnen ist und ob in Ihrem Hause weitere Maßnahmen für eine Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung auf dem Lande mit Gütern des primären Bedarfs erwogen werden?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0703920400
Verehrte Frau Kollegin, es ist zunächst einmal nicht die primäre Aufgabe des Staates, Distribution zu betreiben. Ich glaube, wir haben mit der Industrie und mit dem Handel darüber zu reden. Ich habe z. B. die Gelegenheit wahrgenommen, am letzten Samstag bei der Bundestagung der Lebensmittelfilialisten darauf hinzuweisen, daß nach unserer Erkenntnis beispielsweise in Bayern heute 460 Ortschaften nicht mit einem Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft versorgt sind. Hier muß man gemeinsam mit der Wirtschaft Lösungen finden.
Ich kann dabei nur die Ursachen erforschen, kann fragen, woran das liegt, und dann muß ich mit der beteiligten Wirtschaft Wege suchen, um dieses Problem zu lösen. Es ist nicht die Aufgabe eines Bundesministeriums, von sich aus nun möglicherweise Läden zu eröffnen. Das würde ich nicht für mit unserer Wirtschaftsordnung in Einklang stehend halten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703920500
Vielen Dank, Herr Minister! Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Dr. Klepsch hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 63 und 64 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Oetting auf.
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, daß ein Berufssoldat, der z. B. als Hauptmann bis zu seinem 52. Lebensjahr freie Heilfürsorge genießt, nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr wegen des mit seinem Alter verbundenen hohen Morbiditätsrisikos nur zu vergleichsweise hohen Kosten in eine private Krankenversicherung eintreten kann?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703920600
Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Oetting, Ihrer Frage liegt, so nehme ich an, die Überlegung zugrunde, ob der Krankenversicherungsschutz der Soldaten im Ruhestand so gestaltet werden kann, daß die freie Heilfürsorge der Soldaten für die Zeit des Ruhestandes weiter gewährt wird oder ob zur finanziellen Entlastung des Soldaten im Ruhestand ein Teil des von ihm zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrages vom Bund übernommen wird.
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, in dieser Richtung irgendwelche Initiativen zu ergreifen.
Der Soldat im Ruhestand hat ebenso wie der in den Ruhestand versetzte Beamte Anspruch auf Beihilfe nach den Beihilfevorschriften des Bundes, die allerdings die volle Erstattung entstandener Auslagen nicht zulassen. Darüber hinausgehende Leistungen würden dem Soldaten im Ruhestand gegenüber einem Beamten im Ruhestand einen ungerechtfertigten Vorteil einräumen, der nicht im Einklang



Parl. Staatssekretär Berkhan
mit dem Grundsatz der einheitlichen Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts stünde. Die vergleichsweise hohe Belastung eines erst im fortgeschrittenen Alter in eine freiwillige Krankenversicherung eintretenden Soldaten im Ruhestand läßt sich weitgehend mindern. Der Soldat kann nach der Reichsversicherungsordnung eine vor dem Eintritt in die Bundeswehr bestehende Krankenversicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse gegen einen ermäßigten Beitrag aufrechterhalten oder eine Anwartschaftsversicherung bei einer privaten Versicherungsgesellschaft gegen einen geringen Beitrag unter Nichtausschluß von Vorerkrankungen abschließen. Jeder Soldat, der in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit oder als Berufssoldat übernommen wird, wird auf diese Vorsorgemöglichkeit im Hinblick auf seinen späteren Krankenversicherungsschutz hingewiesen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703920700
Keine Zusatzfrage. Ich rufe damit Ihre nächste Frage auf, Herr Abgeordneter Dr. Oetting, die Frage Nr. 66:
Hält es die Bundesregierung nicht für ungerecht, daß Disziplinarstrafen bei Wehrpflichtigen bereits nach einem Jahr, bei Zeit- und Berufssoldaten aber erst nach drei Jahren aus den Personalakten getilgt werden?
Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703920800
Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Oetting! Die unterschiedlichen Tilgungsfristen für einfache Disziplinarmaßnahmen sind durch das am 23. Juni 1972 einstimmig verabschiedete Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts in die Wehrdisziplinarordnung eingefügt worden. Diese Regelung beruht auf einer Anregung der vom Verteidigungsauschuß eingesetzten Kommission „Wehrdisziplinarrecht".
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die unterschiedlichen Tilgungsfristen mit dem in Art. 3 des Grundgesetzes festgelegten Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind. Sie würden nur dann gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, wenn die Differenzierung ohne einen vernünftigen, aus der Natur der Sache folgenden oder sonst sachlich einleuchtenden Grund, also willkürlich, vorgenommen worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die differenzierte Tilgungsregelung knüpft an den verschiedenartigen Status sowie die unterschiedlichen Dienstzeiten und Beförderungserwartungen der Soldaten an.
Bei einem nur 15 Monate dienenden Wehrpflichtigen erscheint es unangemessen, ihn wegen häufig zu Beginn seiner Dienstzeit notwendig gewordener Disziplinarmaßnahmen über das Ende seiner Dienstzeit hinaus mit Eintragungen im Disziplinarbuch zu belasten, denen im Hinblick auf seine künftige Verwendung ohnehin kaum Bedeutung zukommt. Dies gilt um so mehr, als der Wehrpflichtige die Bundeswehr meist nur mit einem Mannschaftsdienstgrad verläßt.
Anders verhält es sich dagegen bei längerdienenden Zeit- und Berufssoldaten, aus deren Reihen Vorgesetzte aus den Unteroffizier- und Offizierdienstgraden hervorgehen. Hier ist es im Interesse der sachgemäßen Verwendung und Personalführung der Soldaten unerläßlich, den lückenlosen Nachweis disziplinaren Fehlverhaltens über mehrere Jahre führen zu können; denn nur so können Disziplinarvorgesetzte und personalbearbeitende Stellen zutreffend beurteilen, ob der Soldat etwa einen Hang zur Wiederholung von Disziplinarvergehen gezeigt oder ob er über eine längere Zeit seine militärische Pflicht treu erfüllt hat. Mit der Tilgungsfrist von drei Jahren hat die Wehrdisziplinarordnung an die für Beamte geltende Regelung der Bundesdisziplinarordnung angeknüpft.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703920900
Zusatzfrage!

Dr. Hermann Oetting (SPD):
Rede ID: ID0703921000
Herr Staatssekretär, würden Sie die Ansicht derjenigen — ich glaube, im wesentlichen handelt es sich da um Unteroffiziere — teilen, die meinen, daß für Zeitsoldaten oder Berufssoldaten wegen ihrer in der Regel größeren Verantwortung die Wahrscheinlichkeit, daß sie eine Disziplinarstrafe erhalten, größer ist als bei Wehrpflichtigen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703921100
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Ich erspare Ihnen eine Begründung, aber ich bin gern bereit, in ein längeres persönliches Gespräch mit Ihnen einzutreten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703921200
Ich rufe die Frage Nr. 67 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung geräuscharmer Triebwerke für Düsenjäger?
Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703921300
Herr Präsident! Herr Kollege Ey, ich nehme an, daß Ihnen nicht daran gelegen ist, von mir wissenschaftliche Ausführungen darüber zu hören, welche technischen Möglichkeiten bestehen, geräuscharme Triebwerke für Düsenjäger zu entwickeln, obgleich ich von Beruf Maschinenbau-Ingenieur bin. Das würde nämlich dazu führen, daß ich mit Begriffen wie „Einkreis- und Zweikreistriebwerke, Luftdurchsatz, Kaltstromverhältnisse" und dergleichen Fachausdrücken mehr aufwarten müßte; Ausdrücken, die Ihnen vermutlich genausowenig oder genausoviel sagen wie mir.
Lassen Sie mich in wenigen Worten auf die eigentliche Problematik eingehen.
Die neue Generation der Triebwerke für Unterschall-Verkehrsflugzeuge ist erheblich leiser als die früheren Modelle. Außerdem wird durch Schallschluck-Auskleidungen und andere bauliche Maßnahmen zugunsten einer geringeren Schallabstrahlung, allerdings auf Kosten des Gewichts und zum Teil der Leistung, die Lärmbelästigung weiter reduziert. Diese neuen technischen Erkenntnisse werden auch



Parl. Staatssekretär Berkhan
bei militärischen Unterschall-Flugzeugen weitestgehend berücksichtigt. Anders ist die Sachlage jedoch bei Überschall-Kampfflugzeugen. Hier wird eine hohe Leistungskonzentration für möglichst kleine Flugzeugabmessungen und hohe Strahlenergie für den Überschallflug durch Verwendung eines Nachbrenners verwirklicht. Der geringe Kraftstoffverbrauch verlangt darüber hinaus große Verdichterdruckverhältnisse — Sie sehen, ich komme doch nicht ohne technische Fachausdrücke aus, ich bitte um Entschuldigung — und hohe Verbrennungstemperaturen. Jeder Verzicht hierauf würde zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Kampfkraft des Flugzeugs führen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703921400
Herr Kollege, eine Zusatzfrage!

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0703921500
Ist mit einer Umrüstung zu rechnen, wenn ja, in welchem Zeitraum?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703921600
Wir befinden uns ständig in der Umrüstung. Darüber können Sie die Kollegen des Verteidigungsausschusses befragen. Wir sind zur Zeit dabei, Kampfflugzeuge vom Typ „Phantom" einzuführen. Wann also eine Umrüstung auf MRCA, Multi Role, Combat Aircraft, erfolgt, vermag ich nicht abzuschätzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703921700
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Nach welchen Grundsätzen werden Übungsflugräume fur schnellfliegende Flugzeuge festgelegt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703921800
Herr Präsident! Herr Kollege Ey! Zur Erhaltung des Einsatzwertes der fliegenden Verbände sind Ausbildungs- und Übungsflüge erforderlich, die im Hinblick auf den Einsatzauftrag der Bundeswehr auch im Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden müssen. Dazu gehören auch Tiefflugeinsätze und Flüge im Überschallbereich. Grundsätzlich dürfen Strahlflugzeuge ohne besonderen Auftrag eine Reiseflughöhe von 1 500 m nicht unterschreiten.
Ich darf zunächst zur Verdeutlichung erläutern, daß jeder Flug unter einer Höhe von 450 m über Grund als Tiefflug bezeichnet wird.
Sofern diese Tiefflüge am Tage im Höhenbereich zwischen 150 und 450 m stattfinden, sind sie ohne besondere Strecken- oder Gebietsfestlegung im Luftraum über der gesamten Bundesrepublik möglich.
Ausgenommen sind allerdings grenznahe Gebiete im Osten und Süden des Landes, Räume hoher Luftverkehrsdichte in der Nähe von Flughäfen sowie eine Vielzahl von Flugplatzkontrollzonen und anderen Flugbeschränkungsgebieten.
Für die Tiefflüge im Höhenbereich zwischen 75 und 150 m wurde in Zusammenarbeit mit den Länder-Regierungen ein aus Übungsgebieten und Verbindungsstrecken bestehendes Tiefflugsystem festgelegt. Soweit wie möglich liegt dieses System über dünn besiedelten Landesteilen, sofern es solche überhaupt bei uns gibt.
Nachttiefflüge finden aus Sicherheitsgründen in einem System von Strecken statt, die ebenfalls dicht besiedeltes Gebiet nach Möglichkeit vermeiden. Die Mindestflughöhen sind so festgelegt, daß eine Boden- und Hindernisfreiheit von 300 m über Grund gegeben ist.
Flüge, bei denen Schallgeschwindigkeit erreicht werden kann oder überschritten werden soll, sind, sofern sie nicht über der Nordsee stattfinden, aus Lärmbelästigungsgründen nur in einer Mindesthöhe von etwa 11 km erlaubt. Besondere Übungsgebiete für diese Flüge wurden nicht eingerichtet.
Für den allgemeinen Übungsflugbetrieb werden in Ansprache mit der Bundesanstalt für Flugsicherung räumlich begrenzte Übungsgebiete je nach Bedarf - meist jedoch nur stundenweise - festgelegt. Die Mindestflughöhe liegt hier im allgemeinen bei
oder über etwa 1 800 m.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703921900
Eine Zusatzfrage.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0703922000
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die besondere Geräuschbelästigung beiderseits — besonders auf westlicher Seite — der Weserräume bekannt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703922100
Herr Kollege Ey, das ist mir bekannt. Aber ich könnte Ihnen auch andere Räume nennen, die nach meiner Kenntnis unter Bleichschwerer Belastung leiden.
Sie dürfen davon ausgehen, daß der Verteidigungsminister, insbesondere auch die Luftwaffe, diese Last der Bevölkerung kennt und alles unternimmt, um die Last zu mildern. Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, daß die Einsatzbereitschaft unserer Luftstreitkräfte Übungen in dem Verfügungsraum verlangt. Ohne Übungen in diesem Verfügungsraum ist eine Luftwaffe nicht aufrechtzuerhalten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703922200
Eine letzte Zusatzfrage.

Richard Ey (CDU):
Rede ID: ID0703922300
Herr Staatssekretär, werden die Übungsräume gewechselt, und wenn ja, in welchen Zeitabständen etwa?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0703922400
Herr Kollege Ey, ich kann darauf keine bündige Antwort geben. Es ist ein System, das schon als System den Wechsel beinhaltet. Daher auch die Verkehrsstraßen von einem Übungsgebiet in das andere. Wir versuchen, die Last möglichst gleichmäßig auf alle zu verteilen. Leider gilt auch hier der Satz, daß einige Tierchen gleicher sind als andere.


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703922500
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Fragestunde und fahren in der Beratung der übrigen Tagesordnungspunkte fort.
Ich rufe den Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes
— Drucksache 7/598 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703922600
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung unterstützt die von seiten des Bundesrates durch die Einbringung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes ergriffene Initiative nachdrücklich. Es ist ihr Anliegen, daß die Ziele dieses Gesetzentwurfs möglichst bald verwirklicht werden.
Das Thema Abzahlungsgeschäfte berührt nicht nur weiteste Kreise der Bevölkerung und steht seit eh und je mit im Vordergrund aller Klagen über einen unzureichenden Schutz der Verbraucher; auch der Deutsche Bundestag ist schon seit etlichen Legislaturperioden ständig damit befaßt.
Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Abzahlungsgesetzes vorn 1. September 1969 ist bereits ein beachtliches Stück Verbraucherschutz verwirklicht worden. Leider konnte sich das Hohe Haus damals aber noch nicht entschließen, auch das vorgeschlagene Widerrufsrecht für den Käufer bei sogenannten Haustürgeschäften zu akzeptieren. In der jüngst abgelaufenen Legislaturperiode konnten die erneut aufgenommenen Beratungen hierüber dann nicht mehr abgeschlossen werden.
Ich hoffe, daß jetzt dieses umkämpfte Widerrufsrecht in raschem Anlauf alle Hürden nehmen wird. Ein solches Widerrufsrecht ist tatsächlich das Kernstück eines wirksamen Verbraucherschutzes in diesem Bereich. Jeder von Ihnen kennt die Geschäftspraktiken, die, sei es bei Vorsprachen in der Wohnung, bei Kaffeefahrten, Vorführungen in Kinosälen, oft angewendet werden, um einen Vertrag zustande zu bringen, den der Käufer bei reiflicher Überlegung nicht abgeschlossen hätte. Die mißlichen Folgen, die sich für den Käufer aus solchen Geschäften ergeben, wiegen um so schwerer, als hauptsächlich minderbemittelte und unbeholfene Bevölkerungskreise ihren Gefahren ausgesetzt sind. Ein effektiver Schutz kann hier nur dadurch erreicht werden, daß der Käufer die Möglichkeit hat, sich innerhalb einer bestimmten Frist wieder von den übereilt eingegangenen Verpflichtungen zu lösen.
Die zusätzlichen Vorschläge, die die Bundesregierung in diesem Zusammenhang in ihrer Stellungnahme unterbreitet hat, zielen darauf ab, daß der Käufer klar vor Augen haben soll, welche Verpflichtungen auf ihn zukommen; nur wenn er diese überblickt, kann er eine wohlabgewogene Entscheidung darüber treffen, ob er von seinem Recht zum Widerruf Gebrauch machen will. Die Bundesregierung wird auch für weitere Vorschläge offen sein, die zu einer möglichst beschleunigten Verankerung eines Widerrufsrechts des Käufers im Rahmen von Abzahlungsgeschäften führen können.
Nach dem Gesetzentwurf soll sich das Widerrufsrecht auch auf außerhalb der ständigen Geschäftsräume des Verkäufers abgeschlossene Verträge erstrecken, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben. Auch dies ist ein dringendes Anliegen. Hiermit sollen Geschäfte erfaßt werden, bei denen wie im Fall der Abzahlungsgeschäfte eine sich wiederholende Zahlungsverpflichtung eingegangen wird, z. B. Zeitschriftenabonnements, Mitgliedschaften in Buchgemeinschaften, Fernlehrkurse, Verpflichtungen zur regelmäßigen Abnahme einer bestimmten Warenmenge über einen längeren Zeitraum. Gerade im Zusammenhang mit solchen sehr verbreiteten Geschäften sind in letzter Zeit immer wieder mißbräuchliche Geschäftspraktiken bekanntgeworden.
Dieselben Gründe, die für Abzahlungsgeschäfte bereits zu der Gerichtsstandsregelung des § 6 a des Abzahlungsgesetzes geführt haben, lassen es schließlich geboten erscheinen, auch im Zusammenhang mit Verträgen, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen einzuschränken. Der Vorschlag der Bundesregierung geht dabei weiter als der Entwurf des Bundesrates. Das Für und Wider dieser unterschiedlichen Vorschläge wird in den Ausschußberatungen abzuwägen sein.
Die Bundesregierung bittet um Unterstützung ihres Bestrebens, den Schutz des Verbrauchers auch im Rechtsverkehr zu verbessern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703922700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0703922800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt ebenfalls die erneute Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Abzahlungsgesetzes. Der vorliegende Entwurf hat — mit in Einzelheiten verschiedenem Inhalt — diesem Haus ja bereits in der letzten Legislaturperiode vorgelegen. Er konnte aber aus vielerlei Gründen, zu denen allerdings der Widerstand unserer Fraktion nicht gehörte, nicht verabschiedet werden, obwohl seine Intentionen damals ebenso berechtigt waren, wie die Verhältnisse eine Änderung erfordert hätten.
Der Grundgedanke des neuen Entwurfs, der auf einer Initiative des Landes Hessen beruht, ist gleich geblieben. Er entspricht dem Grundgedanken der letzten Änderungen des Abzahlungsgesetzes, die 1969 verabschiedet wurden und die 1970 in Kraft getreten sind. Damals wurden zum Schutz des Verbrauchers vor typischerweise mit Abzahlungskäufen verbundenen Gefahren u. a. Bestimmungen über die verbindliche Schriftform, die Angabe des Bar-



Frau Däubler-Gmelin
zahlungs- und des Teilzahlungsgesamtpreises, die Angabe des Betrages, der Zahl und der Fälligkeit der Einzelraten eingefügt und schließlich auch für Klagen aus Abzahlungsgeschäften grundsätzlich ein ausschließlicher Gerichtsstand am Wohnort oder Aufenthaltsort des Käufers geschaffen.
Von uns begrüßtes Kernstück des nunmehr vorliegenden Entwurfes ist zum einen der auch nicht mehr ganz neue, seit drei Legislaturperioden ständig wieder auftauchende Vorschlag, bei Ratenkäufen außerhalb von ständigen Geschäftsräumen des Verkäufers, also etwa bei Haustürkäufen, bei Kaffeefahrten und Straßenkäufen der Wirksamkeit des Kaufvertrages eine einwöchige Frist vorzuschalten, innerhalb derer der Käufer dem Verkäufer durch schriftliche Erklärung mitteilen kann, er wolle an seiner Kauferklärung nicht gebunden sein.
Zweites Kernstück ist die Ausweitung dieses Verbraucherschutzes auf solche meist Kaufverträge, bei denen auch die Leistung des Verkäufers in Teilleistungen erbracht wird, bei denen also der Käufer etwa ein Lexikon oder einen Fernlehrkurs oder ein Zeitschriftenabonnement erwirbt.
Die Fraktion der Sozialdemokraten ist der Auffassung, daß diese Bestimmungen, von deren Existenz heute in der Öffentlichkeit irrtümlicherweise schon oft ausgegangen wird, so schnell wie möglich in das Abzahlungsgesetz eingefügt werden sollten. Denn sie werden dringend gebraucht, um den in der Praxis heute wie vor einigen Jahren ständig auftauchenden Mißständen zu begegnen, die sich typischerweise beinahe ausschließlich bei Abzahlungsgeschäften finden.
Mit diesen Mißständen wird derjenige sehr schnell und unmittelbar konfrontiert, der sich nur ein wenig in der Wirklichkeit umschaut. Auch mir selbst sind allein aus dem Wahlkreis, den ich betreue, innerhalb von drei Wochen mehr als 16 derartige Vorfälle zu Ohren gekommen. Dabei sind der Vertreter, der einer Wöchnerin nachmittags um halb fünf Uhr an der Haustür über 300 Pfund Kinderzucker verkauft, oder der 84jährige Kleinrentner, der von einer Kaffeefahrt als stolzer Besitzer einer Heimbügelmaschine für mehr als 490 DM zurückkehrt, nicht einmal die schlimmsten Beispiele.
Bei allen diesen Gegebenheiten findet sich typischerweise eine im Tatsächlichen völlig verschieden starke Ausgangsposition zwischen Verkäufer und Käufer; stehen doch dem häufig mit Einzelheiten des Wirtschaftslebens nicht übermäßig vertrauten Verbraucher Verkäufer gegenüber, die in den Methoden moderner Verkaufspsychologie geschult sind, die als von Ort zu Ort reisende Vertreter häufig den Schutz einer für den Käufer weitestgehenden Anonymität genießen und deren Durchsetzungsfähigkeit häufig durch wirtschaftliche Eigeninteressen beflügelt wird. Durch diese typischerweise auftretende Ausgangslage kommt es sehr leicht zur Überrumpelung des Käufers, gerade an der Haustür, auf der Straße und bei Kaffeefahrten.
Nun war und ist der Käufer in Ausnahmefällen besonders gravierender Aquivalenzstörungen de jure und theoretisch auch heute nicht völlig hilflos.
Mit Hilfe der Anfechtungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und einzelner von den Gerichten entwickelter Rechtsbehelfe könnte er sich schon wehren. Doch scheitern solche Versuche in der Realität zumeist sehr schnell, sei es auf Grund der Unkenntnis oder der Kompliziertheit der einschlägigen Rechtsvorschriften oder sei es wegen der für diese Fälle ebenfalls typischen Beweisnot bzw. der Unfähigkeit, die Gerichte anzurufen oder sich bei Gericht durchzusetzen. Jedenfalls finden sich kläglich gescheiterte Versuche heute weit häufiger als solche, die erfolgreich waren und zu einer Lösung des Vertrages führten.
Mißlich ist jedoch nicht nur dieser Überrumpelungseffekt. Vielmehr ist bei Abzahlungsgeschäften dieser Art die Durchsichtigkeit des Angebots in keiner Weise gewährleistet. Auch der Preis und die sonstigen Bedingungen stehen häufig in keinem Verhältnis zu der angebotenen Sache.
Alle diese Dinge rechtfertigen die Einführung der Vorschaltung einer Frist vor das endgültige Wirksamwerden des Kaufvertrages.
Wir beschreiten damit auch kein Neuland, haben wir doch in § 23 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und in § 11 des Auslandsinvestmentgesetzes schon ähnliche Konstruktionen und eine ganze Reihe unserer europäischen Nachbarn, darunter die Schweiz, Österreich und England — um nur einige zu nennen — kennen vergleichbare Regelungen und haben gute Ergebnisse damit erzielt. So weit, so gut.
Die Fraktion der SPD dieses Hauses ist jedoch ebenso wie die Bundesregierung der Meinung — und Herr Bundesminister Jahn hat es gerade schon angedeutet —, daß der Bereich der Kaufverträge, für den eine derartige Vorschaltfrist eingeführt werden müßte, keineswegs auf außerhalb von ständigen Geschäftsräumen von Verkäufern bzw. deren Vertretern abgeschlossenen Abzahlungsgeschäften beschränkt werden sollte. Wir streben deshalb an, den Anwendungsbereich des vorliegenden Vorschlages des Landes Hessen insoweit zu erweitern. Denn auch bei anderen Ratenkäufen, insbesondere bei solchen, die sich in großen Warenhäusern und Supermärkten abspielen, kommen ungleiche Ausgangslagen zwischen Käufern und Verkäufern ohne weiteres vor. Dies ist nicht einmal selten. Auch dort ist eine Überrumpelung des Verbrauchers ohne Anstrengung denkbar. Denn psychologische Schulung, weitestgehende Anonymität und wirtschaftliches Eigeninteresse des Verkäufers sind heute keineswegs Privilegien von reisenden Verkäufern. Das von Gegnern dieser sogenannten großen Abzahlungslösung so oft beschworene Idealbild des nach ausführlicher Information, kühler Kalkulation und echter Wahl von Kaufdruck jederzeit unbeeinflußten Verbrauchers, der durch einen Verkäufer im Laden oder im Kaufhaus nüchtern beraten wird und erst dann in Kenntnis aller möglichen Folgen den Kaufvertrag unterzeichnet, verblaßt doch in dem Maße, in dem sich eine hochwirksame, genau ausgetüftelte Werbung und Verkaufspsychologie des Verbrauchers annehmen und sich gerade in dem Bereich der hier



Frau Däubler-Gmelin
betroffenen längerlebigen Konsumgüter mit fehlendem Anzahlungszwang und niedrigen Ratenbeträgen zu scheinbar äußerst günstigen Angeboten verbindet. Hier muß der Verbraucher vor den Folgen der Undurchsichtigkeit geschützt werden. Das sind übrigens Gedanken, die sich uns auch im Zusammenhang mit dem Rabattgesetz und der Zugabeverordnung aufdrängen.
Die Auswirkungen solcher Käufe lassen dann häufig auch nicht auf sich warten. Sie können zur Überschuldung des Käufers, zu Umschulungsinstituten und schließlich auch zu Kredithaien führen.
Aus all diesen Gründen streben wir an, bei allen Ratenkäufen, gleichgültig, an welchem Ort sie abgeschlossen werden, der Wirksamkeit des Kaufvertrages eine Frist vorzuschalten. Auch dabei betreten wir kein Neuland. Die Schweiz hat eine vergleichbare Regelung schon seit über zehn Jahren. Die dort mit dieser Bestimmung gemachten Erfahrungen zeigen uns, daß Beeinträchtigungen, Nachteile oder Unbequemlichkeiten, die durch eine kurzfristige Verzögerung der Wirksamkeit des Vertragsabschlusses möglicherweite entstehen könnten, für keinen der Beteiligten, auch nicht für den Einzelhandel, besonders erheblich zu sein brauchen.
Mit Ausnahme dieser Erweiterung halten wir die übrigen Einzelvorschläge des vorliegenden Entwurfs für gut durchdachte, sinnvolle Regelungen. Das bezieht sich sowohl auf die Dauer der Vorschaltfrist von einer Woche als auch auf den Versuch, dem Verkäufer ausdrücklich eine deutliche Pflicht zur Belehrung des Käufers über dessen Rechte aufzuerlegen und das Lösungsrecht bindend daran zu knüpfen.
Die Fraktion der SPD wird alle Einzelheiten des vorliegenden Entwurfs genau überdenken und Verbesserungsvorschläge auch zu anderen, hier noch nicht erwähnten Punkten gründlich prüfen, die den Schutzzweck des Gesetzes verstärken und dem Schutzinteresse des Verbrauchers in diesem Bereich noch deutlicher Rechnung tragen können. Vor allem aber, meine Damen und Herren, werden wir darauf hinarbeiten, daß dieses für die Praxis und den täglichen Bedarf notwendige Änderungsgesetz schnell verabschiedet und schnell rechtswirksam werden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703922900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0703923000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abzahlungsgesetz und hier 'speziell die Frage der Einführung eines Widerrufsrechts für den Abzahlungskäufer haben in diesem Hause eine leidvolle Geschichte. Bereits seit dem Jahre 1964, also seit der 4. Legislaturperiode, liegen dem Hause — und zwar interessanterweise von allen Fraktionen — mit den verschiedensten Motiven und mit den unterschiedlichsten Begründungen Gesetzentwürfe zur Regelung eines Widerrufsrechts beim Abzahlungskauf vor. Zuletzt hat sich dieses Hohe Haus im Jahre 1969 mit einer, wie ich glaube, vernünftigen Verbesserung des Abzahlungsgesetzes beschäftigt, wobei allerdings über die Einführung eines Widerrufs- oder Rücktrittsrechts keine Einigung erzielt werden konnte. Frau Kollegin Däubler-Gmelin, das war keine Sache der einzelnen Fraktionen, sondern hier gingen die Meinungen kreuz und quer durch alle Fraktionen.
Meines Erachtens zeigt die Tatsache, daß sich der Bundestag seit 1964 mit diesem Problem beschäftigt, daß es keine einfache, unproblematische Sache ist, ein Widerrufsrecht in das Abzahlungsgesetz einzufügen. Für uns alle gilt zunächst einmal der Grundsatz: pacta sunt servanda. Wenn wir diesen Grundsatz, der unser ganzes Recht beherrscht, hier durchbrechen, so müssen wir vorher überlegen, ob Gründe dafür vorliegen, die so zwingend sind, daß ein Widerrufsrecht eingeführt und damit für den Bereich der Abzahlungsgeschäfte eine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden muß, daß Verträge zu halten sind.
Im übrigen berührt das Widerrufsrecht im Rahmen des Abzahlungsgesetzes — das sei all denjenigen gesagt, die sich damit noch nicht intensiv beschäftigt haben — die Verfassung. Es berührt das Wettbewerbsrecht, die Gleichbehandlung verschiedener Vertriebszweige in der Wirtschaft. Bei dieser relativ kleinen Gesetzesänderung sind sowohl die Interessen der Verbraucher — Stichwort „Verbraucherschutz" — als auch die Interessen von großen Wirtschaftszweigen mit ihren Beschäftigten im Spiel, die — zum größten Teil auf seriöse Weise — im Vertriebsgeschäft heute immerhin über 10 Milliarden DM umsetzen. Darauf muß hingewiesen werden, um die Bedeutung der Frage, die wir hier zu lösen haben, hervorzuheben.
Trotz großangelegter Anhörungen und Beratungen in den letzten Bundestagen — vor allem in der letzten Legislaturperiode — konnten wir leider von niemandem eine verifizierte Statistik oder auch nur eine genauere Schätzung darüber bekommen, wie groß der Anteil der unseriösen Geschäfte im Vertreterhandel oder im Katalogversandhandel nun wirklich ist. Wir haben viele Befragungen vorgenommen, aber niemand konnte uns den Prozentsatz der unseriösen Geschäfte und Praktiken — im Verhältnis zum Gesamtumsatz — nennen. Die Schätzungen hinsichtlich des Anteils unseriöser Geschäfte an den gesamten Geschäften schwankten zwischen 0,2% und 1 %.
Diese Frage mag hier aber heute dahingestellt bleiben. Es steht auf jeden Fall fest — darin stimme ich der Kollegin Däubler-Gmelin zu; das kann ich auch aus eigener Erfahrung als Anwalt sagen —: Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende von unseriös abgeschlossenen Geschäften im Abzahlungsbereich. Es kommt erschwerend hinzu, daß von diesen unseriösen Praktiken vor allem sozial schwächergestellte Kreise, wie alleinstehende Frauen, Hausfrauen, Rentner usw., betroffen werden. Es besteht deshalb Einigkeit darüber, daß wir diesem Problem beikommen müssen, da die bisherigen Möglichkeiten der Anfechtung solcher Geschäfte, d. h. die normalen Anfechtungsmöglichkeiten des BGB — Anfechtung wegen Irrtums oder Anfechtung wegen



Dr. Stark (Nürtingen)

Täuschung, Anfechtung wegen Betrugs — und auch die Mittel der Gewerbeordnung und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb offensichtlich nicht ausreichen.
Ich glaube, im Laufe der Diskussion hat sich hier im Hause auch eine Übereinstimmung dahin gehend ergeben, daß die Einführung eines Widerrufsrechtes notwendig ist. Streitig ist — dies wird auch bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes streitig sein —, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welchen Fristen dieses Widerrufsrecht ausgestaltet werden soll. Gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung bestehen meines Erachtens erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 des Grundgesetzes, d. h. unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verschiedener Vertriebszweige. Es bestehen ordnungspolitische und wettbewerbspolitische Bedenken. Wenn man nur für einen Kreis, nämlich für den Kreis der sogenannten Haustürgeschäfte, ein Widerrufsrecht einführt, so begünstigt dies meines Erachtens andere Abzahlungsgeschäfte, die unter gleichen Bedingungen und in ähnlichen Situationen abgeschlossen werden. Wir sollten einmal „sine ira et studio" durchdenken, ob die Situation in einem Großkaufhaus nicht ähnlich ist. Der Käufer geht in ein solches Haus oft ohne einen konkreten Kaufwillen hinein, er will sich die Dinge lediglich ansehen und kauft dann doch plötzlich in erheblichem Umfang — vielleicht ein Fernsehgerät, wenn nicht gar ein Auto — auf Ratenzahlung, weil er durch „gute" Musik beeinflußt und mit den modernsten verkaufspsychologischen Methoden „bedient" worden ist, einschließlich der Hilfe des Kreditbüros. Es gilt hier zu überlegen, ob das Widerrufsrecht, wenn wir eine sinnvolle Regelung treffen wollen, nicht für alle Abzahlungsgeschäfte eingeführt werden sollte. Meines Erachtens sollte man ein Widerrufsrecht für alle Abzahlungsgeschäfte nicht primär mit der Begründung einführen, daß unseriöse Geschäfte getätigt würden, sondern ausgehend von grundsätzlich gleichen oder ähnlichen Situationen und dem mit dem Abzahlungsgeschäft verbundenen Risiko sowie der Verleitung zum Abschluß eines Geschäftes, dessen gesamtwirtschaftliche Belastung der Käufer im Augenblick des Abschlusses noch nicht übersieht, dem Abzahlungskäufer eine Bedenkzeit einräumen. Ich glaube, es wäre unter dem Gesichtspunkt der Gewährung einer Überlegens- und Bedenkensfrist für den Abzahlungskäufer die ausgeglichenste, verbraucherfreundlichste und sozial gerechteste Lösung, wenn wir ein Widerrufsrecht für alle Abzahlungsgeschäfte einführten.
Ich meine auch, daß in diesem Fall auch rechtliche Bedenken nicht in demselben Ausmaß bestehen würden, als wenn man nur für einen bestimmten Teil eine Regelung träfe. Wir sind sicher alle einig, daß wir nur die unseriösen Geschäfte und Praktiken treffen wollen. Aber wir treffen mit dem Widerrufsrecht, wie es der Bundesrat jetzt vorschlägt, auch alle Hunderttausende von Abzahlungsgeschäften, die seriös und normal abgewickelt werden. Überall hier würde der Vertrag praktisch schwebend unwirksam sein, und man könnte ohne Motiv und ohne Begründung innerhalb eines bestimmten Zeitraums von dem Vertrag zurücktreten. Es wäre meines Erachtens rechtlich bedenklich, wenn dies nur für einen Teil der Abzahlungskäufe geregelt würde.
Würden andere Vertriebszweige, wo eine ähnliche Gefährdung des Abzahlungskäufers und die gleiche „Verleitung", die gleiche „Verführung", das gleiche Risiko vorhanden sind, anders behandelt, so würde dies zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, die meines Erachtens auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 des Grundgesetzes auf rechtliche Bedenken stößt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Mit diesen Einschränkungen darf ich versichern, daß meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, daran interessiert ist, daß dieses Gesetz zügig beraten wird und daß wir bald zu einer vernünftigen, verbraucherfreundlichen, aber auch verfassungsrechtlich und wettbewerbspolitisch unbedenklichen Lösung bei der Einführung eines Widerrufsrechts in das Abzahlungsgesetz kommen. Das ist für uns die Voraussetzung. Meines Erachtens ist die Sache mehr oder weniger entscheidungsreif. Nachdem die Hauptprobleme in den letzten Legislaturperioden genügend ausdiskutiert wurden, dürfte einer baldigen Verabschiedung des Gesetzes nichts im Wege stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703923100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID0703923200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts dei gründlichen Ausführungen meiner Vorredner kann ich es mir eigentlich erlauben, mich relativ kurz zu fassen, zumal man in allen wesentlichen Punkten eine weitgehende Übereinstimmung zu diesem Gesetzentwurf feststellen kann, der, wie hier dargestellt wurde, ein alter Bekannter ist. Wir begrüßen, daß der Entwurf nun wieder eingebracht worden ist und uns die Möglichkeit gibt, zügig und relativ schnell, wir wir gemeinsam hoffen, ein altes Problem zu lösen, nämlich was zu tun ist, wenn der Konsumwunsch auf der einen Seite und Methoden des „hard selling" auf der anderen Seite einen gemeinsamen Angriff auf den kühlen Verstand des Käufers unternehmen.
Der Entwurf erfaßt Abzahlungsgeschäfte und Abonnements, und es ist hier völlig zutreffend dargelegt worden, daß eine ganze Reihe von Vertragsformen, in denen „hard selling" üblich ist, vom Gesetzentwurf überhaupt nicht erfaßt werden. Das beginnt mit den berühmten Kaffeefahrten, das endet mit der Werbung für manche anderen Vertragsarten, z. B. Versicherungsverträge der verschiedensten Art. Dazu gehört auch, daß in zunehmendem Maße in Warenhäusern Verkäufer eingesetzt werden, die am Erfolg ihrer Bemühungen beteiligt sind. Diese Formen werden vom Entwurf nicht erfaßt.
Man muß deutlich sagen, daß das Ziel unserer Überlegungen natürlich nicht sein kann, Abzahlungsgeschäfte als solche in irgendeiner Weise zu diskriminieren. Sie sind notwendig, und sie werden auch weiter notwendig sein. Unser Ziel kann natürlich auch nicht sein, ein bestimmtes Vertriebssystem



Dr. Hirsch
zu diskriminieren; vielmehr müssen wir alle Methoden des „hard selling" in gleicher Weise erfassen.
Ich freue mich zu hören, daß sich nun offenbar in allen Fraktionen der Gedanke durchsetzt, daß die sogenannte kleine Lösung nicht ausreicht, um unser Problem zu meistern. Das Ziel ist der Verbraucherschutz als eine umfassende Lösung. Die Beispiele des Versandhandels, in denen Rücktrittsmöglichkeiten allgemein üblich sind und schon jetzt eingeräumt werden, zeigen, daß solche Lösungen möglich sind, ohne daß die Wirtschaft sofort zusammenbricht.
Wir können also die Beratung dieses Gesetzentwurfs im einzelnen in der schönen Hoffnung beginnen, daß es bei der breiten Übereinstimmung möglich sein wird, dieses alte Projekt schnell und ohne große ideologische Aufregung zu einem vernünftigen Ende zu bringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703923300
Wir stehen damit am Ende der Aussprache in der ersten Beratung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Beamten- und Besoldungsrechts im Hochschulbereich
— Drucksache 7/612 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß (federführend)

Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wernitz.

Dr. Axel Wernitz (SPD):
Rede ID: ID0703923400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reform der traditionellen Personalstruktur an den Hochschulen und der dazugehörigen Besoldung gehört unstrittig zu den wesentlichen Teilen im umfangreichen Gesamtpaket der Reformerfordernisse im Hochschulbereich.
Durch den vom Bundesrat am 23. Februar dieses Jahres verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Beamten- und Besoldungsrechtes im Hochschulbereich haben die Bundesländer erkennen lassen, wie sie sich die zukünftige Personalstruktur an den Hochschulen und die Besoldung der Hochschullehrer vorstellen. Die Bundesregierung hat zu diesem Entwurf innerhalb der Dreimonatsfrist Stellung genommen. Nunmehr hat der Bundestag das Wort.
Der durch den Bundesrat jetzt vorgelegte Gesetzentwurf hat gegenüber dem ursprünglichen, auf die Neuregelung der Besoldung im Hochschulbereich beschränkten Entwurf vom November vergangenen Jahres durch Aufnahme eines beamtenrechtlichen Teiles eine wesentliche Ergänzung und Veränderung erfahren. Im Bundesrat wurde dieses Verfahren damit begründet, daß der Regierungsentwurf eines Hochschulrahmengesetzes wegen der vorzeitigen Beendigung der 6. Legislaturperiode des Parlaments nicht mehr verabschiedet werden konnte. Damit war erstens eine wesentliche Voraussetzung für die besoldungsrechtlichen Regelungen im Personalstruktur-teil weggefallen, und zweitens ließ sich zum Jahresbeginn ein Zeitpunkt für die erneute Einbringung des Hochschulrahmengesetzes mit entsprechender Gewißheit noch nicht absehen.
Angesichts der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bundesratsentwurf lassen sich die erwähnten Prämissen der Länderinitiative im bisherigen Umfange nicht mehr halten, wenn es heißt — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
Die Bundesregierung sieht die Dringlichkeit einer bundeseinheitlichen Gesamtreform des Hochschulwesens und wird deswegen den gesetzgebenden Körperschaften im Sommer dieses Jahres einen neuen Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes zuleiten. Dieser Regierungsentwurf wird auch die dienstrechtlichen Vorschriften für die Personalstruktur — nicht für die Besoldung, die wie bisher einem eigenen Gesetz vorbehalten bleibt — enthalten.
Gegenüber dem problematischen Splittingverfahren der Länderinitiative manche würden auch von Salamitaktik oder dem Versuch des Unterlaufens sprechen — zeichnet sich damit die verfahrensmäßig zweifelsohne bessere Möglichkeit ab, zunächst die Konzeption zur Struktur und Organisation der Hochschulen einschließlich der Neugliederung des Lehrkörpers festzulegen und die personal- und besoldungsrechtlichen Regelungen, auf dieser Ausgangsbasis beruhend, folgerichtig darauf zu beziehen. Praktisch dürfte das auf eine Synchronisation der parlamentarischen Beratung der Länderinitiative mit dem neuen Hochschulrahmengesetzentwurf hinauslaufen.
Die Bereitschaft aller Beteiligten zu zügiger Beratung und hochschulreformerischer Substanz wäre im übrigen am ehesten geeignet, das Reformziel rasch und optimal zu erreichen. Ob diese Bereitschaft wirklich und ernsthaft bei allen Beteiligten besteht, muß füglich bezweifelt werden, wenn man sich den Regelungen des Bundesratsentwurfs und — zumindest zum Teil — den einschlägigen Passagen der Beratungen im Bundesrat zuwendet.
Die Behauptung, die Länderinitiative bringe im wesentlichen mit der Personalstruktur des früheren Hochschulrahmengesetzentwurf es übereinstimmende Regelungen, hält jedenfalls einer kritischen und sorgfältigen Überprüfung keineswegs stand. So sollen etwa die wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Lehre verpflichtet werden können, während im Hochschulrahmengesetzentwurf ausdrücklich festgestellt war, daß die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter nicht zur Lehre verpflichtet sind, es sei denn, sie haben freiwillig einen Lehrauftrag übernommen. Damit wird nur die Gefahr eines neuen Mittelbaus von drittklassigen Schattenhochschul-



Dr. Wernitz
lehrern heraufbeschworen, und die Reform wäre in diesem Punkt in das Gegenteil verkehrt. Ergänzend sei bemerkt, daß es sich hier um eine bayerische CSU-Initiative im Bundesrat handelte.
Ähnlich problematisch ist der Vorschlag des Bundesrates, wonach ein Assistenzprofessor auch auf drei Jahre mit einmaliger Verlängerung um drei Jahre eingestellt werden kann, während im Hochschulrahmengesetzentwurf allein auf die sechs Jahre im ganzen abgestellt war. Mit einem Dreijahresvertrag stünde der neugeschaffene Assistenzprofessor kaum besser als der bisherige Assistent alten Typs, der gerade durch die Neuordnung der Personalstruktur beseitigt werden sollte. Bedenklich sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen des badenwürttembergischen Kultusministers Professor Hahn im Bundesrat, der bezweifelte, daß die Beseitigung der Institution des wissenschaftlichen Assistenten richtig ist, und sich darum sorgte, das Verhältnis des Assistenzprofessors entsprechend fruchtbar zu gestalten.
Dem Anspruch auf einen einheitlichen und gleichberechtigten Lehrkörper widerspricht es übrigens auch, wenn der Bundesratsentwurf dem bayerischen Antrag nachgab, die Professoren der zukünftigen Besoldungsgruppe C 4 mit dem exklusiven Etikett „ordentliche Professoren" belegen zu dürfen. Der Forderung nach einem einheitlichen und gleichberechtigten Lehrkörper widerspräche weiterhin eine fragwürdige Koppelung von Besoldungsstufen und gestaffelten Regellehrverpflichtungen derart, daß Lehrverpflichtung und Besoldungsgruppe einander diametral zugeordnet werden nach dem Prinzip: je höher die Lehrverpflichtung, desto niedriger die Besoldung.
Ein wichtiger Prüfstein wird nach wie vor die Frage der Personalüberleitung bleiben. Die unbestreitbare Tatsache, daß die Überleitung aus der alten in die neue Personalstruktur mannigfache Schwierigkeiten bereitet, dürfte nicht Vorwand für ein halbherziges Überleitungskonzept sein. Wer eine funktionsgerechte Personalstruktur ernsthaft anstrebt, der müßte bereit sein, alle Probleme einer generellen und einer Einzelüberleitung verbunden mit dem Problem des Rechtsanspruchs auf Überleitung und der Überleitung nach Maßgabe des Bedarfs und nach Maßgabe der Länderhaushalte mit der gebotenen Gründlichkeit konstruktiv auszuloten. Das Bundesratskonzept wird diesen Ansprüchen auch deshalb nicht gerecht, weil die Überleitungsregelungen für den bisherigen Mittelbau, der einen Großteil der Lehre in den Massenfächern bestreitet, allzu vage Orientierungsvorschriften darstellen.
Die in der Länderinitiative vorgeschlagenen Besoldungsregelungen sind zweifellos eine gewichtige Diskussionsgrundlage auf dem Wege zur Bewältigung dieser komplexen Materie. Während die wissenschaftlichen Mitarbeiter besoldungsmäßig von A 13 bis A 16 eingestuft und die Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die man vielleicht besser Fachkräfte für besondere Aufgaben nennen würde, ebenfalls in die A-Besoldung eingegliedert sein sollen, wird für die Assistenzprofessoren mit der C-1-Besoldung ein festes Gehalt der 8. Dienstaltersstufe A 14 vorgeschlagen. Ich bin überzeugt, daß in den weiteren Beratungen sowohl im Parlament als auch von außen her hier noch manches Fragezeichen gesetzt wird.
Für die Professoren sieht der Entwurf drei C- Besoldungsgruppen vor: Professoren mit C-2-Besoldung analog Oberregierungsrat, Professoren mit C-3-Besoldung entsprechend dem Regierungsdirektor und im Spitzenamt Professoren mit C-4-Besoldung analog dem Ministerialrat. Der insgesamt zur Verfügung stehende Gehaltsrahmen entspricht in etwa der Spanne zwischen A 14 und A 15 bis B 11.
Wie der Bundesrat so hat auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme unter Hinweis auf das Leistungsprinzip einer differenzierten Besoldung der Professoren den Vorzug gegeben. Nach ihrer Meinung würde eine Einheitsbesoldungsgruppe die funktionsgerechte Einstufung wesentlich erschweren. Dieses Thema ist zwar in der Diskussion nach wie vor kontrovers, wenn man an die Stellungnahmen der Gewerkschaften, der Verbände und auch einzelner Persönlichkeiten quer durch alle Gruppierungen politischer Art denkt. Der Gegensatz zwischen den Verfechtern des Einheitsgehalts oder Eingruppensystems und den Anhängern eines differenzierten Gruppensystems ist jedoch längst nicht so gravierend. Auch die Verfechter des Eingruppensystems wollen oberhalb der einen Besoldungsgruppe mit Hilfe von Sondergrundgehältern differenzieren. Methodisch und von der Praktikabilität her bei künftig etwa 20 000 in Frage kommenden Personen dürfte deshalb das Eingruppensystem keine überwältigenden Realisierungschancen haben. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß die Professorenbesoldung in einer bewertungsgerechten Relation zur derzeitigen Struktur der Beamten- und Richterbesoldung stehen soll.
Zum Katalog strittiger Themen gehört weiter die Frage, ob das anstehende Gesetz primär ein Besoldungsverbesserungsgesetz sein soll, oder ob die Überführung der geltenden Hochschullehrerbesoldung in ein relationsgerechtes neues System beabsichtigt ist, wobei der bisherige Gesamtrahmen der Hochschullehrerbesoldung nahezu unverändert bleibt.
Daneben gibt es noch manche Punkte, die in der parlamentarischen Beratung näherer Klärung bedürfen. So hat die Bundesregierung mit Recht darauf verwiesen, daß das vom Bundesrat vorgeschlagene System der Gewährung von Zuschüssen zum Grundgehalt auf Grund von Berufungs- und Bleibeverhandlungen die Gefahr des Gehälterhochschaukelns geradezu gefährlich perfektionieren könnte. Ich glaube, das ist in dieser Zeit ein sehr wichtiger Aspekt.
Die zur Einschmelzung vorgesehene bisherige Kolleggeldpauschale würde aber noch durch einen anderen Vorschlag des Bundesratsentwurfs fröhliche Urständ über die Hintertür feiern, nämlich die finanzielle Abgeltung von Prüfertätigkeiten bei Hochschulprüfungen und die Einführung bezahlter Überstunden. Die Glaubwürdigkeit einer artikulierten Reformbereitschaft ist an solchen scheinbar



Dr. Wernitz
sekundären Problemen zuweilen besser zu testen als im hehren Grundsatzstreit.
Wenn die Bundesregierung schließlich in ihrer Stellungnahme verlangt, daß bei Übernahme von Fachhochschullehrern in die Rechtstellung der künftigen Professoren das wissenschaftliche Niveau der Hochschulen erhalten bleiben muß, so sollte dies nicht prinzipiell als Ausschluß von der Gruppe der C-4-Professoren gedeutet werden; hier sei nur an den Grundsatz des integrierten Gesamthochschulsystems gedacht.
Bei einer kritischen ersten Betrachtung der Länderinitiative darf nicht übersehen werden, daß der hier gewählte Neuordnungsweg mit dem Besoldungsrecht nur Regelungen für den Beamtenbereich bringen kann. Damit ist zwar ein sehr großer Teil des Personals, insbesondere des Lehrkörpers, erfaßt. Die Problematik der wissenschaftlichen Angestellten und Hilfskräfte bleibt hier jedoch völlig ausgeklammert. Eine konsequente Hochschulreform wird an diesem Merkposten sicherlich nicht vorbeikommen.
Unbeschadet ihrer ansonsten durchaus unterschiedlichen Standorte haben Deutscher Gewerkschaftsbund und Hochschulverband einstimmig und bemerkenswert deutlich Kritik daran geübt, daß ihnen vom Bundesrat trotz wiederholter Bitten keine Gelegenheit zur Anhörung geboten wurde. Dies muß als einigermaßen bedenklich und befremdlich angemerkt werden. Seitens der Bundesregierung wurden die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes beteiligt.
Abschließend möchte ich für die sozialdemokratische Fraktion darauf hinweisen, daß vor Eintritt in die parlamentarische Detailberatung des Bundestages zum Beamten- und Besoldungsrecht im Hochschulbereich Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen von Anhörungen geboten wird. Alle Beteiligten sind hierbei zur konstruktiven und offenen Mitarbeit eingeladen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703923500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer.

Anton Pfeifer (CDU):
Rede ID: ID0703923600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Wernitz haben gezeigt, daß es sich bei der Reform der Personalstruktur um einen der schwierigsten und diffizilsten Bereiche in der gesamten Hochschulgesetzgebung handelt. Auf der anderen Seite sollte aber auch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Reform der Personalkörperstruktur neben der Studienreform der wichtigste Teil der Reformbemühungen überhaupt ist. Wir haben das immer so zum Ausdruck gebracht. Wir stimmen deswegen mit dem Bundesrat darin überein, daß die Neuordnung der Lehrkörperstruktur und der Hochschullehrerbesoldung schnellstmöglich erfolgen muß - dies um so mehr, als die vergangene Legislaturperiode des Bundestages für diesen Reformbereich - wie übrigens für andere Bereiche auch — wenig ergiebig gewesen ist und die eingetretene Stagnation überall in den Hochschulen mit Recht zu Mißmut, zu Enttäuschung und in gewissem Umfang auch zu Zweifeln an der Reformfähigkeit und dem Reformwillen des Parlaments geführt hat.

(Zuruf von der SPD: Des Bundesrats!)

Wir werden deshalb mit allem Nachdruck darauf drängen, daß die eingetretene Stagnation im Fortgang der Hochschulreform in dieser Legislaturperiode überwunden wird. Dazu gehört auch die Durchführung einer bundeseinheitlichen Neuordnung der Personalstruktur in den Hochschulen.
Für die Qualität von Forschung und Lehre und für die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen überhaupt sind in erster Linie entscheidend die wissenschaftliche Qualität der Hochschullehrer und ihrer Mitarbeiter sowie die Förderung eines qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses. Dies vor allem, so meinen wir, muß der zentrale Punkt aller unserer Überlegungen bei der Neuordnung der Lehrkörperstruktur und der Hochschullehrerbesoldung sein. Ich stehe nicht an zu sagen, daß wir gerade unter diesem Gesichtspunkt dem vorliegenden Entwurf des Bundesrats in einigen Punkten skeptisch gegenüberstehen.
Wir haben insbesondere die Sorge, daß als Folge einiger Bestimmungen dieser Gesetzesinitiative der Hochschullehrerberuf vor allem für qualifizierte Forscherpersönlichkeiten nicht mehr attraktiv genug wäre und sich damit die Forschung noch mehr aus den Hochschulen heraus zu verlagern begänne — ein Einwand, den wir übrigens auch in der letzten Legislaturperiode immer wieder gegen den Hochschulrechtsrahmengesetzentwurf der Bundesregierung erhoben haben. Die Gefahr, daß die Hochschulgesetzgebung stärker die Lehre und vor allem die Quantität der Lehre und weniger die Forschung im Auge hat, war in der Gesetzgebungsarbeit der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich und wegen der ständigen Verschärfung des Numerus clausus in einem gewissen Umfang auch verständlich. Dennoch sollten wir — das sage ich bewußt am Anfang der Gesetzgebungsarbeit dieses Parlaments auf dem Gebiet der Hochschulgesetzgebung — in dieser Legislaturperiode neben der Lehre die Belange der Forschung wieder stärker im Auge behalten. Denn in erster Linie bedingt die Qualität der Forschung die Qualität der Lehre und nicht umgekehrt.
Ich möchte deshalb ankündigen, daß wir im Rahmen der weiteren Gesetzgebungsarbeit in einigen Punkten Alternativen zu diesem Gesetzentwurf vorschlagen werden. Bevor ich aber hierauf kurz eingehe, lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches sagen.
Der Bundesrat geht bei der Neuordnung der Lehrkörperstruktur von folgenden Zielvorstellungen aus: der Funktionsgerechtigkeit, der einheitlichen Struktur, die sich über das gesamte Hochschulwesen erstreckt, der Objektivierung der Eingangsvoraussetzungen und damit der Chancengleichheit der Bewerber und schließlich dem Leistungsprinzip. Dies sind Zielvorstellungen, mit denen wir übereinstimmen. Zumindest ein Teil dieser Zielvorstellungen



Pfeifer
läßt sich aber in einer isolierten Novellierung des Beamten- und Besoldungsrechtes nicht befriedigend lösen. Zwischen der inhaltlichen Struktur des tertiären Bereichs und der Organisation der Hochschulen einerseits und der Lehrkörperstruktur andererseits besteht ein innerer Zusammenhang, der nicht aufgegeben werden sollte. Wir meinen deshalb, daß dieser Gesetzentwurf in den Ausschüssen nicht losgelöst von den im Herbst beginnenden Beratungen des Hochschulrechtsrahmengesetzes behandelt werden sollte.

(Zustimmung bei der SPD.)

In diesem Punkte stimmen wir mit der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf überein.
Allerdings möchte ich auch auf folgendes hinweisen, und es wäre mir recht, wenn Herr Dr. Meinecke auch hier zustimmen könnte: Wenn das Hochschulrechtsrahmengesetz, wie es auch unser Wille ist, im Sommer nächsten Jahres verabschiedet wird, werden die Länder doch mindestens zwei bis drei Jahre Zeit brauchen, ehe sie das Rahmenrecht in unmittelbar für die Hochschulen geltendes Recht umgesetzt haben. Das aber würde bedeuten, daß es 1976 oder 1977 werden kann, bis neues, für die Hochschulen unmittelbar geltendes Recht entstanden ist. So lange duldet aber unseres Erachtens die Reform der Personalkörperstruktur keinen Aufschub.
Aus diesem Grunde sollten wir ernsthaft überlegen, ob es nicht richtig wäre, den vorliegenden Gesetzentwurf im Zuge der Beratungen des Hochschulrechtsrahmengesetzes und entsprechend den dort gewonnenen Beratungsergebnissen zur Personalstruktur umzugestalten und zu verabschieden, um auf diese Weise sowohl für die Hochschullehrerbesoldung als auch für die Neuordnung der Lehrkörperstruktur möglichst bald geltendes Recht und verwirklichte Reformen zu erreichen. Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir in den Beratungen des Wissenschaftsausschusses hierzu, die ja im Herbst beginnen werden, ernsthaft ins Auge fassen sollten.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits gesagt, daß wir den gesamten Komplex der Lehrkörperstruktur als zentralen Bestandteil der Hochschulrechtsrahmengesetzgebung sehen. Ich kann heute also darauf verzichten, im einzelnen zu den Personalstrukturvorstellungen des vorliegenden Gesetzentwurfes Stellung zu nehmen. Auf Grund der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Entwurf möchte ich aber doch folgendes anmerken.
Die Bundesregierung kündigt in ihrer Stellungnahme an, daß der Personalrechtsteil ihres neuen Hochschulrahmengesetzentwurfs im wesentlichen dem Entwurf aus der letzten Legislaturperiode entsprechen wird. Dies wäre in meinen Augen bedauerlich, denn ich meine, die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie dem Fortgang der Reformdiskussion, der gerade bei der Personalstrukturreform doch zu einer ganzen Reihe von neuen Erkenntnissen geführt hat, etwas offener gegenüberstünde.
Dies gilt ganz besonders für die Konstruktion des Assistenzprofessors, die sich im letzten Rahmengesetzentwurf der Regierung ganz eng an die Vorstellungen der Bundesassistentenkonferenz anlehnte.
Hier bin ich auch nicht mit dem einverstanden, was Herr Wernitz ausgeführt hat, denn die Konstruktion des Assistenzprofessors, wie sie in der letzten Legislaturperiode von der Bundesregierung vorgeschlagen wurde, hat doch eine solche Reihe von Schwächen, daß sich heute selbst weite Teile des Mittelbaus und der Assistentenschaft überhaupt von dieser Konstruktion abgekehrt haben. Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode immer wieder darauf hingewiesen, daß diese Art von Assistenzprofessur — zumindest in den naturwissenschaftlichen, den ingenieurwissenschaftlichen und den technischen Fachbereichen — zur Gewinnung eines qualitativ hochstehenden Hochschullehrernachwuchses völlig unbrauchbar ist. Wir sind mit diesen Bedenken bei der Koalition bisher auf taube Ohren gestoßen. Aber wir haben in einer ganzen Reihe von Gesprächen — zuletzt auch mit dem Präsidium der Westdeutschen Rektorenkonferenz — festgestellt, daß unsere Bedenken zunehmend geteilt werden. Ich meine, es wäre an der Zeit, daß die Regierung in diesem Punkte ihre Vorstellungen nochmals überprüft.
Mit dem Assistenzprofessor in der Konstruktion des letzten Regierungsentwurfs wird ein Hochschullehrer geschaffen, der bei einer vergleichsweise niedrigen Besoldung ein sehr hohes Berufsrisiko trägt. Da die Beendigung der Qualifikationsphase, die mit dieser Art von Assistenzprofessur verbunden ist, in der Regel erst in einem Alter von 35 bis 40 Jahren möglich ist, bereitet für den nicht Qualifizierten der Übergang in den Beruf außerhalb der Hochschule gerade in den von mir eben bezeichneten Fachrichtungen in sehr vielen Fällen erhebliche Schwierigkeiten. Gerade für qualifizierte junge Wissenschaftler ist deshalb diese Art von Assistenzprofessur nicht attraktiv; diese Personen werden vielmehr ihre Berufschancen außerhalb der Hochschule suchen.
Die Einrichtung des Assistenzprofessors ist deshalb unseres Erachtens nur zu verantworten, wenn diese Position tatsächlich als Vorbereitungsstufe für die Tätigkeit eines Professors in dem Sinne dient, daß die an die Vorbereitungszeit anschließende Berufung zum Professor die Regel wird. Dies aber bedeutet, daß die eigentliche Qualifikationsphase nicht die Tätigkeit als Assistenzprofessor sein kann, sondern daß sie vor der Berufung zum Assistenzprofessor liegen muß.
Hierzu reicht die Promotion nicht aus, schon gar nicht nach dem von uns im übrigen immer prognostizierten Fehlschlag des Graduiertenförderungsgesetzes. Denn der Promovierte hat beispielsweise häufig noch keine Gelegenheit gehabt, die für eine erfolgreiche Bewerbung notwendigen wissenschaftlichen Voraussetzungen — besonders in der Lehre — zu erwerben. Das Graduiertenförderungsgesetz bietet hierfür neben der Arbeit an einer Dissertation praktisch keinen Spielraum. Die Forschung und die wissenschaftliche Lehre an den Hochschulen können aber nur Personen anvertraut werden, deren Qualifikation außer Frage steht. Deshalb gehört es zu den



Pfeifer
Aufgaben der Hochschule, dem jungen Wissenschaftler breite Gelegenheit zu geben, sich in Forschung und Lehre ausreichend zu qualifizieren. Dies kann aber nach unseren Vorstellungen am besten im Anschluß an die Promotion in einer nicht zu ausgedehnt zu bemessenden Phase geschehen, während der der künftige Wissenschaftler an der Hochschule zu zunehmend selbständiger wissenschaftler Arbeit gelangt. Wir treten deshalb erneut für die Verankerung einer Graduiertenphase II oder einer PostGraduiertenphase und im Anschluß daran für eine entsprechende Umgestaltung der Konstruktion des Assistenzprofessors in der neuen Personalstruktur ein. Ich möchte die beiden anderen Fraktionen des Hauses nochmals nachdrücklich bitten, ihre Position vor allem in diesem Punkt — es ist ein ganz entscheidender Punkt — zu überdenken.
Im übrigen werden wir am Grundkonzept unserer Vorstellungen zur Personalstruktur, wie wir sie in der Schlußphase der Beratungen des Hochschulrechtsrahmengesetzes im Ausschuß in der letzten Legislaturperiode vorgetragen haben, festhalten. Zu diesem Grundkonzept gehört insbesondere unsere Überzeugung, daß die neue Personalstruktur nur dann Erfolg haben kann, wenn für alle Hochschullehrer Rechte und Pflichten grundsätzlich einheitlich festgelegt werden und wenn sichergestellt ist, daß dem einzelnen Hochschullehrer genügend Freiheitsraum für die Entscheidung über die Ausgestaltung seiner Forschung und Lehre bleibt. Das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre muß als subjektives Grundrecht des einzelnen Hochschullehrers auch bei der Reform der Lehrkörperstruktur eine Stärkung erfahren. Die korporationsrechtliche Gleichstellung aller Hochschullehrer schließt eine differenzierte Zuweisung von Forschungs- und Lehraufgaben nicht aus. Im Gegenteil, Differenzierungen sind hier unabweisbar notwendig. Aber diese Differenzierung darf nicht zur Trennung der beiden Aufgabenbereiche führen.
Zu unserem Grundkonzept gehört weiter eine klare Abgrenzung der Aufgaben der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter gegenüber den Aufgaben der Hochschullehrer. Der Aufgabenbereich der wissenschaftlichen und der künstlerischen Mitarbeiter hat prinzipiell nur im Bereich der wissenschaftlichen Dienstleistungen im weitesten Sinne zu liegen. Zu diesem Bereich muß den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern eine attraktive Laufbahn eröffnet werden, die einem Vergleich mit den Berufs- und Aufstiegschancen im außeruniversitären Bereich standhält und wissenschaftlich voll ausgewiesenen Kräften eine selbständige Position auch in Leitungsfunktionen bietet.
Schließlich gehört zu diesen Grundsätzen eine Besoldungsregelung, die auf der Grundlage des Leistungsprinzips an einer differenzierten Besoldung festhält. Wir teilen hier im Grundsatz ausdrücklich die Ansicht des Bundesrates und der Bundesregierung. Im übrigen muß die Besoldung für die Hochschullehrer so angelegt werden, daß sie den besonderen Qualifikationserfordernissen und dem besonderen Risiko der Berufswahl gerecht wird, und sie muß insgesamt so viel Spielraum geben, daß Konkurrenzangeboten aus dem Ausland, aus der Wirtschaft oder aus der Verwaltung mit Aussicht auf Erfolg begegnet werden kann.
Wir werden sehr kritisch überprüfen, ob der Vorschlag der Länder diesen Erfordernissen entspricht, und wir haben, gelinde gesagt, einige Zweifel, ob dies der Fall ist. In diese kritische Prüfung muß auch die Frage einbezogen werden — da stimme ich Herrn Wernitz zu —, ob für die Hochschullehrer auf Lebenszeit tatsächlich drei Besoldungsstufen vorgesehen werden müssen oder ob es nicht möglich ist, mit weniger Stufen auszukommen.
Schließlich möchte auch ich noch ein Wort zur Überleitung sagen. Ein Erfolg bei der Reform der Lehrkörperstruktur wird schwer zu erzielen sein, wenn neben dem neuen Lehrkörper langfristig ein Personenkreis mit Hochschullehrerfunktionen in den alten Positionen festgeschrieben wird. Uns sind die Schwierigkeiten eines ausgewogenen Überleitungskonzepts, das die Mobilität des Lehrkörpers und damit die Aufstiegschancen für künftige Generationen erhält, auf Qualifikation durch Leistung Wert legt und möglichst alle zur Zeit in den Hochschulen tätigen Beamten in angemessener Weise in das neue System einbezieht, durchaus bewußt. Wir haben bereits in den Beratungen des Hochschulrechtsrahmengesetzes in der letzten Legislaturperiode zum Ausdruck gebracht - und dies ist auch in den Schriftlichen Bericht des Ausschusses eingegangen -, daß eine diesen Forderungen gerecht werdende Überleitung am ehesten zu erreichen ist, wenn bei den Entscheidungen über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übernahme als Professor oder Assistenzprofessor in erster Linie auf die bisherige Tätigkeit abgestellt wird.
Aus all dem, meine Damen und Herren, ergibt sich, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei den bevorstehenden Beratungen über die Reform der Personalstruktur und Hochschullehrerbesoldung in einer ganzen Reihe von Punkten auf eine Veränderung der vom Bundesrat vorgelegten Vorschläge hinwirken wird, um auf diese Art und Weise eine Personalstruktur zu erreichen, die den Anforderungen einer modernen, leistungsfähigen Wissenschaft in unseren Hochschulen gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703923700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0703923800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reform der Personalstruktur an den Hochschulen und damit zusammenhängende Beamtenrechts- und Besoldungsfragen gehören sicherlich zu den dringendsten Fragen im Hochschulbereich. Nur meinen wir, daß man diese sicherlich nicht isoliert betrachten darf.
Wir laufen zur Zeit sehr stark Gefahr, das zur Verabschiedung anstehende Hochschulrahmengesetz zu zersplittern. Ich erinnere hier nur an den Staatsvertrag der Länder über die Vergabe von Studienplätzen und an die Überlegungen bei der Kultusministerkonferenz, bereits wieder einen Staatsver-



Bundesminister Jahn
trag oder ein Verwaltungsabkommen zur Förderung der Reform von Studium und Prüfungen abschließen zu wollen. Mit diesem Gesetzentwurf unternehmen die Länder nun erneut den Versuch, einen Teilbereich des Hochschulrahmengesetzes vorwegzunehmen.

(Beifall des Abg. von Schoeler.)

Wollen wir zu einer Reform aus einem Guß kommen, so kann man die Fragen Mitbestimmung, Studienreform, Prüfungsordnung, Hochschulzugang und Personalstruktur nur gemeinsam behandeln; denn nur so kann man die gegenseitige Verzahnung berücksichtigen. Aus diesem Grunde darf die Neuordnung des Beamten- und Besoldungsrechts im Hochschulbereich nur im Rahmen des Hochschulrahmengesetzes behandelt werden, um nicht die Reformen durch diesen Bereich zu präjudizieren. Andererseits würde man wohl auch durch das Vorziehen von Beamten- und Besoldungsfragen in der Öffentlichkeit den Eindruck verstärken, als ob das Wichtigste an der Bildungsreform die Besoldung der Lehrenden sei. Dies kann auch nicht im Interesse der Hochschullehrer sein.
Auf Einzelfragen des Entwurfs einzugehen verbietet sich aus den vorgenannten Gründen. Es seien deshalb nur einige grundsätzliche Bemerkungen gemacht.
Es ist z. B. zu prüfen, ob es in einer zukünftigen Gesamthochschule — die wir politisch wollen — von der Struktur her unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen gibt, die die Differenzierung in verschiedene Besoldungsgruppen überhaupt rechtfertigen. In jedem Falle sollte die Möglichkeit von Leistungszuschlägen vorgegeben werden, allerdings nur so lange, wie diese Leistung erbracht wird. Wir haben ja das Phänomen, daß man sich mit dem Argument der Leistungszulagen erwirbt, um sie dann anschließend mit der Besitzstandswahrung zu erhalten, auch dann, wenn man diese Leistung nicht mehr erbringt.
Die Praxis früherer Berufungs- und Bleibeverhandlungen hat leider dazu geführt, daß Personen mit Augenzwinkern auf Berufungslisten gesetzt wurden — Platz 1 —, um damit allein die Position in der Heimatuniversität zu verbessern. Es ist klar, daß solche Praxis von Kultusbehörden und Politikern nicht gewollt wird. Es erscheint deshalb die Begrenzung der Zulagen — in Verbindung mit Berufungs-
und Bleibeverhandlungen — vernünftig.
Die Einarbeitung der Kolleggeldpauschale in das Grundgehalt sollte selbstverständlich sein, da die Lehre die selbstverständliche Pflicht eines jeden Hochschullehrers überhaupt ist. Nur sollte man an dieser Stelle doch auf folgendes hinweisen. Früher, als die Kolleggelder noch nicht pauschaliert waren, wurden die Kurse mit großen Studentenzahlen vorwiegend von H 4-Professoren durchgeführt. Als dann die Kolleggelder pauschaliert wurden, war das Argument, daß allein die große Erfahrung und die Qualifikation dazu führten, daß nur H 4-Professoren diese Veranstaltungen durchführen sollten, nicht mehr stichhaltig. Damit konnten nun auch in der Hierarchie geringer eingestufte Professoren endlich diese
Veranstaltungen abhalten. Ich meine, daß dies kein besonders gutes Licht auf die Argumentation —auch gerade der Hochschullehrer — wirft.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703923900
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klein?

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt der H 4Professor!)


Prof. Dr. Hans Hugo Klein (CDU):
Rede ID: ID0703924000
Frau Kollegin Schuchardt, würde es Sie sehr in Erstaunen setzen, von mir zu hören, daß ich seinerzeit als Assistent einen Klausurenkurs mit mehreren hundert Teilnehmern abzuhalten die Ehre hätte?

(Zuruf von der SPD: Für die der Ordinarius zeichnete!)


Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0703924100
Ausnahmen bestätigen immer die Regel, Herr Professor Klein.

(Heiterkeit. Abg. Dr. Klein [Göttingen] : Dies war in Heidelberg die Regel!)

Es scheint uns wichtig, auch noch einmal grundlegend über Fragen der Lehrdeputate zu diskutieren. Es ist doch sehr die Frage, ob die Lehrverpflichtungen überhaupt im Rahmen eines Besoldungsrechts gelöst werden können oder ob die unterschiedlichen Veranstaltungen mit ihrem sehr unterschiedlichen Vorbereitungsaufwand nicht in anderer Form zu bewerten sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie, Herr Pfeifer, insoweit unterstützen, als es sicherlich — ich glaube, da kann ich für die Koalition insgesamt sprechen — selbstverständlich ist, beispielsweise die Konstruktion des Assistenzprofessors ,dahin gehend zu überprüfen, daß zunächst einmal versucht wird, die vorliegenden Erfahrungen zu sammeln und dann vernünftigere Lösungen zu finden, falls sich diese Lösung nicht bewährt hat. Dies gilt überhaupt für die Diskussion des Hochschulrahmengesetzes.
Bei den Beratungen zum Hochschulrahmengesetz ist es für uns selbstverständlich, zur endgültigen Meinungsbildung die Betroffenen einzubeziehen. Auch ich halte das Verfahren des Bundesrates nicht unbedingt für nachahmenswert. Wir werden — darüber besteht hier wohl kein Zweifel — gemeinsam mit den Betroffenen zu einer endgültigen Meinung finden.
Die Erfahrungen mit dem niedersächsischen Vorschaltgesetz zum niedersächsischen Gesamthochschulgesetz haben z. B. ganz eindeutig bewiesen, daß man Reformen, wenn man sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg durchpeitscht, eher verhindert als beschleunigt.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß der Bund allein durch zügige Arbeit und Ausschöpfung seiner Kompetenzen, die er bisher hat, die Voraussetzungen schaffen kann, daß die Länder nicht weiterhin das Instrument der Staatsverträge, Verwaltungsabkommen oder die Initiativen über den



Frau Schuchardt
Bundesrat benutzen, um bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703924200
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schweitzer.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0703924300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich hier zu Wort gemeldet, weil aus speziell bildungspolitischer und politischer Sicht im engeren Sinne zu dem ersten Hochschulgesetz dieser Legislaturperiode noch ergänzend etwas gesagt werden sollte. Meine Herren Vorredner haben schon ausgeführt, daß bildungspolitisch natürlich zu allererst auf den engen Zusammenhang zwischen dem uns vorliegenden Entwurf und dem Hochschulrahmengesetz hinzuweisen ist. Ich freue mich, daß hierüber Einmütigkeit zu herrschen scheint, und kann eigentlich Herrn Kollegen Pfeifer nur bitten, seine Vorstellungen, die er hier entwickelt hat, auch an seine Freunde im Bundesrat weiterzugeben.

(Abg. Pfeifer: Das gilt auch für Sie!)

Meine politischen Freunde und ich begrüßen es in der Tat sehr, daß die Bundesregierung ihre Entschlossenheit bekundet hat, den gesetzgebenden Körperschaften nach der parlamentarischen Sommerpause einen neuen Entwurf für ein solches Hochschulrahmengesetz vorzulegen. Wir können nur hoffen, Herr Kollege Pfeifer, wir alle, daß auch der Bundesrat im Frühherbst mit dem Willen zur Beschleunigung bundesgesetzgeberischer Vorgänge an dieses Hochschulrahmengesetz herangeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Der Westdeutschen Rektorenkonferenz ist zuzustimmen — da scheinen wir uns auch einig zu sein
daß die beiden Gesetzentwürfe möglichst zeitgleich behandelt werden sollten, da in der Tat die besoldungsrechtlichen und die beamtenrechtlichen Regelungen die Gesamtstruktur unserer Hochschulen entscheidend bestimmen und Reformen im Bereich der Personalstruktur nicht isoliert betrachtet werden können von anderen noch ungelösten Fragen wie denen des Numerus clausus, — wo mit dem Staatsvertrag der Länder bekanntlich auch noch nicht das letzte Wort gesprochen worden ist, — der sogenannten Studienreform und nicht zuletzt der Mitbestimmung. Ich sage nicht zuletzt, weil ja durch diesen Gesetzentwurf des Bundesrates die Gruppenuniversität bundeseinheitlich verankert wird, also die Hochschule neuen Typs, die auch das Bundesverfassungsgericht in seinem neuesten Urteil grundsätzlich bejaht hat. Ich komme auf diesen Gesichtspunkt in anderem Zusammenhang nochmals zurück, weil er in der Diskussion auch der Verbände aller Art immer wieder eine Rolle spielt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, bevor ich zur Bundesratsvorlage aus der Sicht der Bildungspolitik noch zusätzliche zu den Bemerkungen u den Ausführungen des Kollegen Wernitz und auch der Frau Kollegin Schuchardt mache, zunächst einige allgemeine Betrachtungen sozusagen über die „Lage der Nation im Brennpunkt Hochschule" anstellen, wie dies dem Charakter einer ersten Lesung durchaus angemessen ist, zumal von Sprechern der CDU/CSU, von Sprechern der Opposition also, immer wieder auf den gesamtpolitischen Zusammenhang landauf, landab hingewiesen wird.
Zunächst einmal sollten wir in diesem Hause jenseits von allen zwangsläufig vorhandenen, politisch bedingten Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen der Verabschiedung des gesamten Gesetzgebungswerkes für den Bereich unserer Hochschulen eine hohe Prioritätsstufe einräumen. Ich freue mich, nochmals für die Koalitionsparteien feststellen zu können, daß dies anscheinend auch die Auffassung der Opposition ist.

(Abg. Pfeifer: Darüber war nie ein Zweifel!)

Es muß möglich sein, auch das Hochschulrahmengesetz spätestens bis zur parlamentarischen Sommerpause 1974 endgültig zu verabschieden.
Ich meine nur, daß hier vielleicht ein wenig Ihre Logik zu beanstanden war, Herr Kollege Pfeifer. Ich glaube, ein wenig herausgehört zu haben, daß Sie dann die Dinge doch wieder trennen, sozusagen ein entmachtetes Hochschulrahmengesetz irgendwann einmal einführen wollen. Aber das wäre im Ausschuß weiter zu klären.
Ich selber gehöre zu denjenigen Hochschullehrern, die in völliger Ungebundenheit gegenüber allen bisher existierenden Hochschulbünden in letzter Zeit eindringlicher denn je auf die Gefahr hingewiesen haben, daß unsere Hochschulen, in welchem Bundesland auch immer, bei einem weiteren Ausbleiben klarer bundeseinheitlicher Regelungen aller anstehenden Fragen, Herr Kollege Pfeifer, vom Chaos bedroht sind, vom Chaos unterschiedlicher konfessioneller und politischer Einfärbungen, unterschiedlicher wissenschaftlicher Anforderungen, Berufungspraktiken oder Prüfungsverfahren, und nicht zuletzt vom Chaos eines sich möglicherweise selber aufgebenden wissenschaftlichen Pluralismus, d. h. der Vielfalt wissenschaftlicher Ansätze und Aussagen, die nun einmal zum Kern der geistig-politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland gehören.
Unsere rund 600 000 Studenten von heute, Inhaber wichtiger Positionen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft von morgen, werden an Hochschulen ausgebildet, die teilweise von einer immer akuter werdenden Ineffizienz bedroht sind und die hier und da schon den Anschluß an das Ausland zu verlieren drohen. Diese Lage kann und darf niemanden von uns in diesem Hause gleichgültig lassen. Sie erfordert von uns allen im Bundestag in den nächsten 12 Monaten Mut zu Entscheidungen, die möglicherweise in allen Lagern, in manchen Bundesländern, ja vielleicht in allen Bundesländern unpopulär sein werden. Als oberstes Legislativorgan der Bundesrepublik Deutschland können wir uns hier nicht aus der Verantwortung entlassen. Aber auch die einzelnen Bundesländer, welche auch immer, dürfen sich nicht der — ich darf es einmal so formulieren — Wahnvorstellung hingeben, daß jedes Land am besten daran täte, seinen schon nach der einen



Dr. Schweitzer
oder anderen Seite hin erreichten Besitzstand zu wahren.
Hier im Deutschen Bundestag müssen für das Ganze die notwendigen Entscheidungen getroffen werden. Hier gilt es Farbe zu bekennen und sich, nebenbei bemerkt, auch nicht hinter der dritten Gewalt im Staate zu verstecken, deren Urteil vorn 29. Mai 1973 von allen beachtet werden muß und, wie ich sicher bin, auch von allen beachtet werden wird.
Die Beratung und Verabschiedung der vordringlichen Reformgesetze im Hochschulbereich in den nächsten 12 Monaten sollten für niemanden von uns Anlaß zu rein parteitaktischen Finessen sein. Natürlich könnten die Regierungsparteien hier wie in so vielen anderen Bereichen von Staat und Gesellschaft eine lange Reihe von Versäumnissen aufzählen, die sich aus einem jahrelangen reformfeindlichen Schlendrian an unseren akademischen Institutionen ergeben haben und die mit einer nur mühsam erweiterten Bundeskompetenz viel zu spät angegangen wurden. Auf das Aufmachen solcher Rechnungen will ich aber hier verzichten, zumal es ja in der Tat ein Sündenregister in nahezu allen Bundesländern von völlig unterschiedlicher Couleur gab.
Wer also versucht sein sollte, im weiteren Verlauf hochschulpolitischer Debatten in diesem Hause gewissermaßen auf unser Berlin oder Bremen draufzuhauen, der sollte aufpassen, daß wir ihm nicht sein Baden-Württemberg oder sein Bayern zurückgeben. Der Bundesbürger, dessen bin ich ganz sicher, würde eines solchen Spieles schnell überdrüssig werden. Er will in dem Bereich, um den es hier geht, von dieser Legislative endlich Taten sehen, nachdem Worte jahrelang genug gewechselt wurden, abgesehen davon würde die Koalition Wert auf die Feststellung legen, daß von uns nun endlich auch zugunsten der großen Masse der nichtstudierenden Jugend, vor allem im Bereich der beruflichen Bildung, weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Nach meinem Dafürhalten kann sich keine Landesregierung in der Vergangenheit oder Gegenwart von Fehlern völlig freisprechen und im übrigen schon gar nicht — das darf ich hier in aller Deutlichkeit feststellen — unsere Professorenschaft, die sich in Teilen noch viel zu lange nach 1949 an überholten Strukturen festklammerte, um dann, wenn auch zu einem sehr viel geringeren Teil, gelegentlich sogar in das andere Extrem politisch naiver Bilderstürmerei zu verfallen.
Die Bewertung der im engeren Sinne politischen Aspekte in der hochschulpolitischen Diskussion und Entwicklung der letzten Jahre erfordert ebenso Nüchternheit und Realitätssinn wie Aufgeschlossenheit gegenüber der Tatsache, daß in einer sich immer schneller wandelnden Welt gerade auch unsere Hochschulen Veränderungsprozessen unterworfen werden mußten. Man sollte daher einerseits durchaus sehen, daß für eine kleine Minderheit an der Hochschule vor allem die Mitbestimmung letztlich nur ein Mittel zur revolutionären Umgestaltung unserer Gesellschaft ist, sich andererseits aber auch vor der Gefahr dessen hüten, was man im Fachjargon des Phänomen „sich selbst erfüllender Prophezeiungen" nennen könnte.
Dieses Phänomen, meine Damen und Herren, kommt dem nahe, was man im Volksmund ein Herbeireden nennt oder auch mit dem oft zitierten Starren von Kaninchen auf Schlangen in Verbindung bringt. Mit diesem Wort vom Starren sollen doch wohl Angstlichkeit und Minderwertigkeitskomplexe versinnbildlicht werden. Auf unser Hochschulthema angewandt, das ja die gesamte Öffentlichkeit beschäftigt, würde das konkret bedeuten, daß einige ängstliche und von wenig Vertrauen in die eigene demokratische Position, ja, vielleicht auch in die eigene kämpferische Befähigung zur notwendigen geistig-politischen Auseinandersetzung unserer Tage erfüllte Zeitgenossen aus quantitativ unbedeutenden Gruppen ungeistiger - so darf ich es einmal formulieren — Kannibalen einen leibhaftigen Hannibal konstruieren, der bis vor die Tore unserer Hauptstadt vorzustoßen und diesen unseren Staat aus den Angeln zu heben in der Lage wäre. Mit solchen Beschwörungen, meine Damen und Herren — solche kann man ja landauf, landab hören; ich habe noch sehr gut das in Erinnerung, was der Kollege Dregger in den Debatten zu Beginn des Jahres gesagt hat —, sind zu allen Zeiten Garnisonstaaten ins Leben gerufen worden, die nur noch die tragische Fähigkeit des Sich-Verbarrikadierens im geistigen und materiellen Sinne aufbrachten und schließlich Polizeistaaten Platz machten.
Wir alle, nicht nur die dem Sozialismus und der sozialen-liberalen Demokratie auf der breiten Mehrheitsfront in diesem Hause Verpflichteten, sollten einer solchen geistig-politischen Mentalität gerade in unserem Volk nicht wieder Vorschub leisten. Ich meine, wir müßten gerade aus der unseligen Vergangenheit zwischen den beiden Weltkriegen gelernt haben, daß ein Hochstilisieren von extrem linken Chaoten zu Heerschaaren von Buhmännern in unserem Lande noch immer zu einem Erstarken autoritär-totalitärer Rechtsüberholer geführt hat.
Ich kann jedenfalls nur immer wieder davor warnen, die große Masse der Studierenden durch reaktionäre Schlachtrufe nach Ruhe und Ordnung um jeden Preis in Solidarisierungsprozesse mit kleinen linksextremen Gruppen hineinzutreiben. Damit könnten wir von vornherein die Realisierung der von uns allen begrüßten und für notwendig erachteten Hochschulreformgesetze in der Praxis nur erschweren, wenn nicht letztlich unmöglich machen. Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls — das muß hier einmal angesichts der vielen Parolen, die landauf, landab verbreitet werden, festgestellt werden — voller Vertrauen in die Stabilität des demokratischen Bewußtseins der Masse der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen darf ich noch ganz kurz einiges zu dem sagen, was zum Teil schon zu der uns vorliegenden Gesetzesvorlage des Bundesrates ausgeführt worden ist. Ich möchte meine eigene Bewertung, und zwar auch aus bildungs-

Dr. Schweitzer
politischer Sicht im engeren Sinne, in der Formel zusammenfassen, daß hier eine Teilreform der Hochschulstrukturen angestrebt wurde, die zwar begrüßenswerte Fortschritte bringt, aber dennoch nicht aus einem Guß ist. Es kommt hierin wohl auch der Umstand zum Ausdruck, daß zu viele Fachressorts unserer Bundesländer den wahrscheinlich nicht zu realisierenden Versuch unternommen haben, beamtenrechtliche und fiskalische Zielvorstellungen bildungspolitisch anzugleichen, ohne daß in dieser entscheidenden Beziehung von einer bundeseinheitlichen Konzeption ausgegangen werden konnte. Ich nenne nur das Stichwort Gesamthochschule, das uns ja auch in den Ausschüssen sicherlich noch beschäftigen wird.
Bildungspolitisch glaube ich jedenfalls in dem vorliegenden Entwurf entscheidende Widersprüche entdecken zu können, und zwar vor allem zwischen der beabsichtigten und der realisierten, angeblich allseits begrüßten Zielvorstellung, streng hierarchisch gegliederte Hochschulstrukturen mit überholten, weil ebensowenig zur Effizienz wie zur Emanzipation der Lehrenden, Forschenden und Lernenden beitragenden Entscheidungsmechanismen zu, modernisieren. Es wurde im Entwurf zwar grundsätzlich die Gleichwertigkeit aller als Professoren tätigen Lehrer und Forscher und in funktionaler Abstufung auch der neuen Assistenzprofessoren fixiert, sofern dieser Personenkreis beide Tätigkeitsmerkmale, d. h. das der Lehre und das der Forschung, in welchem Verhältnis auch immer, aufweist. Dennoch — darin scheint mir eben ein entscheidender Widerspruch zu liegen — werden auch im vorliegenden Gesetzentwurf noch manche Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz festgeschrieben. Die Einzelheiten werden uns in den Ausschüssen — mit und ohne öffentliche Anhörverfahren — noch beschäftigen können und müssen.
Ich möchte hier nur kurz das unterstreichen, was andeutungsweise von den Kollegen schon gesagt worden ist. Es werden bei unterschiedlichem besoldungstechnischen und beamtenrechtlichen Status Rechte und Pflichten zwischen den neuen Assistenzprofessoren und den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern nicht gleichmäßig verteilt. Nach dein Bundesratsentwurf können in Zukunft auch wissenschaftliche Mitarbeiter zur Übernahme von Lehrveranstaltungen, wie sie sonst nur den Hochschullehrern neuen Typs vorbehalten sind, verpflichtet werden, ohne daß sie dafür die gleiche Chance der Anwärterschaft auf eine volle akademische Laufbahn erhalten oder aber zusätzlich für diese Arbeit honoriert werden.
Damit erlebt aber doch der bisherige sogenannte Mittelbau an unseren Hochschulen eine Auferstehung im neuen Gewande, d. h. ein Mittelbau der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der an sich nur sinnvoll ist, wenn ihm die sehr wichtigen und vielfältigen organisatorischen Aufgaben eines modernen Wissenschaftsbetriebes zugeordnet werden, dem in der Praxis dann aber mit Sicherheit wiederum die Betreuung von Massenveranstaltungen für Studienanfänger zudiktiert werden würde.
Umgekehrt müssen wir auch den aus den Vereinigten Staaten importierten Typ des neuen Assistenzprofessors, der sich, wie Sie, Herr Kollege Pfeifer, wahrscheinlich wissen, drüben durchaus bewährt hat, in der Tat vor dem Schicksal bewahren, einem Etikettenschwindel zum Opfer zu fallen. Auf keinen Fall dürfen wir so tun — darin stimmen wir Ihnen zu —, als ob wir ihm sechs Jahre Zeit zur Erzielung des großen Durchbruches in Lehre und Forschung gäben, ohne ihn tatsächlich innerhalb dieser Frist für ein bis zwei Semester von Aufgaben der Lehre völlig freizustellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703924400
Herr Kollege Schweitzer, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Prof. Dr. Carl-Christoph Schweitzer (SPD):
Rede ID: ID0703924500
Es ist aber nun gerade —ich kürze ab und komme zum Schluß — die Vorstellung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, in diesem Punkte einerseits an den sechs Jahren festzuhalten, anderseits aber dem Assistenzprofessor die Möglichkeit zu geben, den von Ihnen, Herr Kollege Pfeifer, erwarteten Aufgaben auch im Bereich der Forschung gerecht zu werden und sich in dem genannten Zeitraum weiter qualifizieren zu können.
Die weiteren Einzelfragen werden uns noch im Ausschuß zu beschäftigen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703924600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf Drucksache 7/612 dem Innenausschuß - federführend —, dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - mitberatend — und dem Haushaltsausschuß
mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung — überwiesen werden. Ich höre keinen Widerspruch. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 19 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Josten, Geisenhofer, Dr. Kliesing, Röhner, von Bockelberg, Burger, Damm, Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Jahn (Münster), Maucher, Dr. Schulze-Vorberg, Frau Will-Feld, Wissebach und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes
— Drucksache 7/637 —Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Josten, Dr. Kliesing, Geisenhofer, Maucher, Röhner, Müller (Berlin), Burger, Frau WillFeld, Damm, von Bockelberg, Erhard (Bad Schwalbach), Wissebach, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Jahn (Münster) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes
— Drucksache 7/636 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Zur Begründung der beiden Entwürfe hat der Herr Abgeordnete Josten das Wort.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0703924700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die eingebrachten Gesetzentwürfe Drucksachen 7/636 und 7/637 sollen für eine längst überfällige Abschlußregelung der Kriegsgefangenenentschädigung sorgen. Ich bedaure, gleich hier zu Anfang sagen zu müssen, daß es nicht gelungen ist, einen interfraktionellen Entwurf zustande zu bekommen. Ich komme noch darauf zurück. Wir sind trotzdem der Hoffnung, daß wir nachher im Rahmen der Ausschußberatung zu einer gemeinsamen Meinungsbildung kommen und dann doch mit einer großen Mehrheit zu einer Verabschiedung gelangen. Gleichzeitig sollen diese Gesetzentwürfe Nachteile ausgleichen, die Heimkehrern durch die durch Militärdienst, Krieg und Kriegsgefangenschaft verursachten beitragslosen Ersatzzeiten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und durch eine verkürzte Lebenserwartung entstehen.
Dazu enthält der Antrag Drucksache 7/637 einen Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes. Lassen Sie mich hierzu im Namen der Unterzeichner folgendes erklären.
In der Rentengesetzgebung geht es um einen gerechten Ausgleich für jene Minderheit unter den Heimkehrern, denen durch die beitragslosen Ersatzzeiten Nachteile in der Höhe der gesetzlichen Altersrente entstanden sind bzw. entstehen. Alle Fraktionen scheinen sich darüber einig zu sein, daß es nicht angeht, daß ehemalige Soldaten zusätzlich zu ihrem schweren Schicksal nun auch noch schlechter in der Altersversorgung stehen sollen. Nur weil diesen Bürgern unseres Volkes eine harte Pflicht abverlangt wurde, die ihnen die normale Ausübung ihres zivilen Berufs und damit eine geregelte Beitragszahlung in die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung für längere Zeit unmöglich machte, dürfen diese ehemaligen Soldaten nicht noch zusätzlich bestraft werden.

(Abg. Maucher: Sehr richtig!)

Schließlich geht es um den Versuch, die Gewährung der Altersrenten für diesen Personenkreis zum Ausgleich für die durch eine harte und lange Kriegsgefangenschaft verlorenen Jahre auf Antrag um die Jahre der Gefangenschaft bis frühestens zum vollendeten 60. Lebensjahr vorzuverlegen. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß hierfür nur eine besonders schwer geprüfte Minderheit in Frage kommt und davon Gebrauch machen wird. Wir wissen aus dem Leben, daß jeder, der noch schaffen kann, zweifelsohne bemüht bleibt, so lange wie möglich den bestehenden Nachholbedarf zu decken.
Die Kosten hierfür dürften gering sein. Sie müssen den Bundeshaushalt nicht belasten. Sie könnten aus den Überschüssen der Versicherungsträger gedeckt werden.
Meine Damen und Herren, es ist schlimm genug, daß dieses Problem bis heute noch nicht geregelt ist, wie es doch seit vielen Jahren von Regierungsvertretern und auch von Abgeordneten aller Parteien unseres Hauses versprochen wurde.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Sehr richtig!)

Durch die vorgeschlagenen Änderungen der hier im Gesetzentwurf genannten drei Gesetze würden wir ein gegebenes Versprechen einlösen und dem Recht dienen. Allen in der Rentenversicherung versicherten Kriegsteilnehmern und ehemaligen Kriegsgefangenen würden die Ersatzzeiten des Wehrdienstes, des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft angerechnet werden.
Als Antragsteller hoffen wir, daß wir in den Ausschüssen zu einer guten Beratung kommen und daß wir später, wie ich schon zu Beginn sagte, eine große Mehrheit für diesen Gesetzentwurf bekommen.
Herr Präsident, vielleicht darf ich gleich den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP zu diesem Gesetzentwurf erwähnen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703924800
Den rufe ich jetzt anschließend auf.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0703924900
Ich darf dazu vielleicht gleich hier einige Ausführungen machen.
Auch er betrifft die Beseitigung etwaiger Nachteile bei der Alterssicherung von Personen mit langen Zeiten der Kriegsgefangenschaft. Was hier gefordert wird, hätte schon längst geschehen können. Aber wir begrüßen jede Initiative, durch die die hier angeschnittenen Probleme zur Behandlung kommen. Wir stimmen auch der Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu.
Der Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes betrifft die Abschlußregelung, welche überfällig ist. Seit 1961 sind gegenüber dem Verband der Heimkehrer von allen Seiten handfeste politische Versprechungen abgegeben worden. Bei den großen Heimkehrertreffen Deutschlands äußern sich die Sprecher unserer demokratischen Parteien positiv dazu. Die Versprechungen beginnen bei Bundeskanzler Dr. Adenauer und gehen über Willy Brandt und Fritz Erler als Fraktionsvorsitzenden der SPD bis zum Innenminister Genscher zwei Tage vor den Bundestagswahlen im Herbst 1972. Um besonders die jüngeren Kollegen unseres Hauses mit den Stellungnahmen aus der Vergangenheit bekanntzumachen, bitte ich den Präsidenten, einige Zitate verlesen zu dürfen. So hieß es z. B. in einem Merkblatt zum Thema Kriegsgefangenenentschädigung im September 1968:
Der Verband der Heimkehrer ist dankbar, daß die SPD mit den Unterschriften von Willy Brandt, Helmut Schmidt, Herbert Wehner, Alfred Nau und Hans-Jürgen Wischnewski anläßlich des 10. Verbandstages am 27. September



Josten
1968 telegraphisch u. a. erneut versichert hat: „Mit Interesse und Anerkennung verfolgt die SPD die Bemühungen des VdH, die berechtigten Forderungen der Heimkehrer auf rechtsstaatlichem Wege zu realisieren. Wir möchten nachdrücklich darauf verweisen, daß unsere einmal gegebene Zusicherung weiterhin gilt, die Anliegen der Heimkehrer im Rahmen der gegebenen juristischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nach Kräften zu unterstützen."
Die zitierte Zusicherung ist am 5. August 1965 vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Fritz Erler, schriftlich wie folgt gegeben worden:
Eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung wird nach Zusammentritt des neuen Bundestages auf der Grundlage des Antrages meiner Fraktion - Drucksache IV/3605 — initiativ werden. Die Verwirklichung einer weitergehenden Lösung, zu der wir uns grundsätzlich und mit Nachdruck bekennen, müssen wir allerdings leider davon abhängig machen, in welchem Zustand wir die Finanzwirtschaft des Bundeshaushaltes nach der Wahl vorfinden werden.
Ich brauche nicht zu erwähnen, daß nach dem „Regierungswechsel" eine gesunde Finanzlage angetroffen wurde. Die in diesem Schreiben genannte Drucksache beinhaltete übrigens damals ein Volumen von 580 Millionen DM.
Alle vier Parteien im Bundestag gaben Zusagen. Für meine jungen Kollegen möchte ich auch zwei Zitate aus meiner eigenen Fraktion, der CDU/CSU- Fraktion, verlesen. Der verstorbene Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Will Rasner, hat am 30. August 1965 dem Präsidium des Verbandes der Heimkehrer ebenfalls mitgeteilt:
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU wird der Abschlußnovelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz im nächsten Bundestag eine hohe Priorität einräumen. Sie weiß, daß für dieses Schlußgesetz der seinerzeitige Entwurf einer vierten Novelle von Dr. Imle und Genossen als materielle Basis nicht ausreicht.
Ich darf erwähnen, der zitierte Entwurf von Dr. Imle und Genossen beinhaltete damals ein Volumen von 160 Millionen DM.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU- Landesgruppe, unser Kollege Leo Wagner, erklärte in einem Schreiben am 15. Juli 1965:
Wir werden uns in der Fraktion unmittelbar nach dem Zusammentreten des neuen Bundestages mit aller Kraft für eine Initiative zur Schlußnovelle einsetzen. Wenn es sich als notwendig erweist, werden wir auch mit einem eigenen Antrag die Beratungen in Fluß bringen. Ich für meine Person glaube, daß eine Summe von mindestens 400 Millionen DM notwendig sein wird.
Ich darf erwähnen, daß der Kollege Leo Wagner zu den Antragstellern dieses Gruppenantrags gehört.
Der damalige Vorsitzende der FDP-Fraktion, Freiherr von Kühlmann-Stumm — lassen Sie mich auch noch ein Zitat der vierten Partei verlesen —, hat am 25. August 1965 dem VdH-Präsidium unter anderem mitgeteilt — Herr Kollege Flach, Sie lächeln; ich hoffe, Sie hören aber sehr ernst zu, denn hier sind Zusagen Ihrer Partei gegeben worden, auf deren Einlösung noch viele warten —:
Wir haben auch bei der Verabschiedung der 3. Novelle mit einem Gesamtvolumen von 200 Millionen DM durch den Sprecher unserer Fraktion, Herrn Dr. Imle, Vizepräsident des Verbandes der Heimkehrer,
— auch heute noch Vizepräsident —
keinen Zweifel daran gelassen, daß die 3. Novelle mit 200 Millionen DM für uns keine Abschlußnovelle ist. Die FDP-Fraktion steht zu ihren Zusagen, die sie im Deutschen Bundestag und durch ihre maßgeblichen Vertreter in der Öffentlichkeit abgegeben hat. Die Abschlußnovelle zum Heimkehrergesetz wird von uns in der nächsten Legislaturperiode als vordringlich angesehen werden.
Der Entwurf für das Kriegsgefangenenentschädigungsabschlußgesetz wird von allen gegebenen Zusagen der drei Bundestagsfraktionen gedeckt. Er unterbietet gegebene Zusagen sogar um ein Beträchtliches, um eine Zustimmung aller Fraktionen zu ermöglichen. Wir sind es der Glaubwürdigkeit unserer parlamentarischen Demokratie schuldig, daß alle diese Versprechungen und immer wieder von allen Parteien genährten Hoffnungen endlich eingelöst werden, weil die Altersstruktur des betroffenen Personenkreises eine weitere Hinausschiebung schließlich nicht mehr zuläßt. Das war eine Frage, wie sie mir vor kurzem von jungen Soldaten gestellt wurde. Da kann man nur zustimmen.
Die Antragsteller, meine Damen und Herren, waren bemüht, eine interfraktionelle Initiative zu ermöglichen. Leider ist das, wie Sie wissen, nicht gelungen; ich habe schon darauf hingewiesen. Wir hoffen, daß wir trotzdem zu einem guten Abschlußergebnis kommen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß in den Ausschüssen, wie schon erwähnt, in konstruktiver Zusammenarbeit eine Verabschiedung auch dieser Gesetzesvorlage gewährleistet werden kann.
Um eine Annahme zu erleichtern, haben wir materiell von ,den ursprünglich erhobenen Forderungen erhebliche Abstriche gemacht, indem die analog zum Häftlingshilfegesetz vorgezogene Zusatz- und Ausgleichsentschädigung auf den Personenkreis der eigentlichen ehemaligen Kriegsgefangenen beschränkt wird.
Meine Damen und Herren, die außerordentlich hohe Sterblichkeit der Heimkehrer hat außerdem den Personenkreis auf mindestens die Hälfte der Entlassenen reduziert. Alle bisherigen Berechnungen waren fälschlicherweise von ,den effektiven Entlassungszahlen ausgegangen.
Schließlich glauben wir, daß die Vererblichkeit der vorgezogenen Zusatz- und Ausgleichsentschädigung aufgehoben werden kann, nachdem ja die Witwen verstorbener Antragsberechtigter im Sinne



Josten
des Dritten Abschnitts des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes selbst zu Antragsberechtigten geworden sind und im Notfall oder zum Erhalt zinsloser Darlehen Anträge auf Unterstützung oder Darlehensgewährung an die Heimkehrerstiftung richten können.
Hier möchte ich unseren neuen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag sagen: Wir hatten in der letzten Legislaturperiode ein Fünftes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes verabschiedet. Dieses war damals ein interfraktioneller Antrag, wobei die Witwen verstorbener Kriegsgefangener im Rahmen der Vorschriften antragsberechtigt bei der Heimkehrerstiftung wurden.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf eines Schlußgesetzes zur Kriegsgefangenenentschädigung erfordert statt, wie bisher angenommen, 1 Milliarde DM nur noch höchstens 300 Millionen DM. Ich darf übrigens darauf hinweisen, daß eine Schriftliche Frage unseres Kollegen Lenzer von der CDU/CSU- Fraktion in der 24. Sitzung am 23. März dieses Jahres beantwortet wurde, wobei der Parlamentarische Staatssekretär Baum auch wieder von diesen geschätzten Kosten von 1 Milliarde DM ausging. Ich darf also sagen, daß hier die Heimkehrer wieder in einer Form entgegengekommen sind, die man doch auch in diesem Bundestag anerkennen soll.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Angesichts der finanziellen Situation soll diese Summe sogar noch auf 10 Haushaltsjahre verteilt und die ersten 30 Millionen DM erst im Haushaltsjahr 1974 eingeplant werden. Da wir von den bereits 1964 für die bisherige Zusatzentschädigung bewilligten Mitteln in Höhe von 200 Millionen DM nur die Hälfte in Anspruch genommen haben, wäre, glaube ich, meine Damen und Herren, die Deckung für die ersten Haushaltsjahre aus jenen 100 Millionen DM gesichert. Wir wissen natürlich, daß sie praktisch nicht da sind, aber Sie wissen, daß sie einmal bewilligt und nicht verausgabt wurden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der Überweisung beider Gesetzentwürfe, wie in der Tagesordnung vom Ältestenrat vorgesehen, zuzustimmen. Eine Stabilitätsgefährdung und ein Präjudiz hierzu ist nicht gegeben. Hier handelt es sich um die Begleichung einer alten Schuld, die aus Altersgründen der betroffenen Generation keinen Aufschub mehr zuläßt. Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist. Ich bitte urn Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703925000
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 19 c der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Beseitigung etwaiger Nachteile bei der Alterssicherung von Personen mit langen Zeiten der Kriegsgefangenschaft
— Drucksache 7/668 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Hofmann.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703925100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für die Fraktionen der SPD und FDP zu den Punkten 19 a, b und c zu sprechen.
Mit der Drucksache 7/637 wurde uns im Entwurf die Änderung eines Gesetzes vorgelegt, bei dem die Antragsteller selbst nicht dei Höhe der Kosten genau angeben können. Es heißt hier:
Die finanzielle Belastung kann nicht mit einiger Genauigkeit geschätzt werden.
Auch in der allgemeinen Begründung fehlt die konkrete Angabe. Statt dessen heißt es auch hier: „Möglichkeiten".
Die anfänglich schwersten Bedenken gegen die Einführung der flexiblen Altersgrenze haben die Antragsteller nun nicht nur überwunden, sondern sie versuchen auch den Anschluß an das zu finden, was eine SPD/FDP-Regierung durchgesetzt und verwirklicht hat und was die CDU/CSU in ihrer zwanzigjährigen Regierungszeit nicht zu geben bereit war. Es kann für die Antragsteller gewiß kein Trost und auch keine Beruhigung sein, wenn sie heute nach dem Motto handeln wollten: wahrlich, wir kommen spät, aber wir kommen, und weil wir spät kommen, müssen wir optisch große Schritte machen. Das ist Ihr gutes Recht. Dazu gehört aber auch die Pflicht, zu sagen, was das kostet, welche Folgeleistungen aufzubringen sind und was für präjudizierende Wirkungen davon ausgehen können.
Darüber war nichts zu lesen und auch jetzt nichts zu hören. Das ist verständlich, wenn man den kurzfristigen und ultimativen Werdegang dieses Gruppenantrags im Auge behält.

(Abg. Maucher: Das stimmt gar nicht!)

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, betone ich: was ich hier im Namen der SPD/ FDP-Koalition sage, ist nicht gegen die Heimkehrer gerichtet, sondern bezieht sich allein auf die Art der Antragseinbringung und auf die für unsere Begriffe nicht ausreichende Überprüfung des Inhalts der Gesetzentwürfe.

(Abg. Burger: Was ist denn hier nicht legal? — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch legal!)

- Das ist Ihre Angelegenheit, wie Sie es machen.
Das ist völlig legal, wie Sie es machen, das streite ich Ihnen doch nicht ab!

(Abg. Rawe: Wenn Sie schon eine solche Formulierung wählen, sollten Sie es wenigstens begründen, Herr Kollege!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703925200
Herr Kollege Kliesing möchte eine Zwischenfrage stellen, die möglicherweise allen hilft, die Sache zu klären. Herr Abgeordneter Hofmann, gestatten Sie die Zwischenfrage?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703925300
Bitte!




Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0703925400
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß diese beiden vorliegenden Gesetzentwürfe seit mehreren Jahren im Parlamentarischen Beirat des Heimkehrerverbandes unter Mitwirkung von Kollegen Ihrer Fraktion vorbereitet worden sind, daß auch in dieser Legislaturperiode bereits mehrere Besprechungen auch mit Kollegen Ihrer Fraktion stattgefunden haben, daß es also durchaus unberechtigt ist, hier von einer Kurzfristigkeit zu sprechen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703925500
Herr Kollege Dr. Kliesing, ich muß zurückfragen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der Parlamentarische Beirat in einer seiner letzten Sitzungen bei diesem Antrag von 1 000 Millionen gesprochen hat und dieser Antrag von Ihnen plötzlich auf 300 Millionen heruntergeht? Das ist das Kurzfristige dabei, was mir zuwenig überprüft zu sein scheint.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703925600
Herr Abgeordneter Hofmann, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703925700
Bitte!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0703925800
Sollte es nicht von Ihrem Standpunkt aus sehr begrüßenswert sein, daß diese Summe herabgesetzt worden ist, und könnten Sie uns vielleicht sagen, warum gerade diese Herabsetzung von 1 000 Millionen auf 300 Millionen für Sie Anlaß zur Kritik ist?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703925900
Nein, das ist für mich kein Anlaß der Kritik. Ich sagte Ihnen, das steht Ihnen vollkommen frei, wie Sie das handhaben. Aber Ihre Frage ging zuerst darauf hinaus, daß dies lange vorbereitet sei. Die Abrundung von 1 000 Millionen auf 300 Millionen ist jedoch kurzfristig erfolgt; darin sind wir uns wohl einig.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703926000
Herr Abgeordneter Hofmann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rawe?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703926100
Ja, wenn es nicht von der Redezeit gestrichen wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703926200
Herr Kollege, das werden wir berücksichtigen.

Wilhelm Rawe (CDU):
Rede ID: ID0703926300
Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, das sei nicht legal, wenn eine Gruppe von Abgeordneten hier einen Gesetzentwurf einbringt? Falls ich mich verhört habe oder falls Sie sich versprochen haben sollten, würden Sie dann bitte dem Hohen Hause sagen, daß Sie sich dafür entschuldigen? Denn wenn eine Gruppe von Abgeordneten hier einen Gesetzentwurf einbringt, ist das sehr legal.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703926400
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß das eine nicht legale Einbringung sei.

(Abg. Rawe: Das haben Sie gesagt! — Zuruf von der CDU/CSU: Das können Sie nachlesen!)

Ich will es Ihnen noch einmal sagen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, betone ich: was ich im Namen der SPD/FDP-Koalition hier sage, ist nicht gegen die Heimkehrer gerichtet, sondern bezieht sich allein auf die Art der Antragseinbringung und auf die für unsere Begriffe nicht ausreichende Überprüfung des Inhalts der Gesetzentwürfe. Wo steckt da das Wort „legal"? Herr Windelen schüttelt selbst mit dem Kopf.

(Abg. Rawe: Das haben Sie gesagt!)

— Ich habe Ihnen gesagt, es ist Ihr gutes Recht, dies so zu tun, wie Sie es tun.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0703926500
Herr Abgeordneter Hofmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Josten?

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703926600
Bitte!

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0703926700
Herr Kollege Hofmann, wollen Sie dem Hause erstens bestätigen, daß ich im Auftrage des Parlamentarischen Beirats ein Rundschreiben an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages mit den Unterlagen der beiden Gesetzesvorlagen eingereicht habe — das ist sicher legal —, und wollen Sie zweitens hier bekunden — auch wenn Sie glauben, es war kurzfristig —, daß wir genauso wie auch Sie vorhaben, im Interesse der Sache in den Ausschüssen zu einer Zusammenarbeit zu kommen? Ich würde doch Wert darauf legen, daß gerade vor dem Deutschlandtreffen in Essen hier nicht ein Ton aufkommt, der den Eindruck entstehen läßt, als seien wir im Parlament zerstritten, wenn es darum geht, diese Probleme zu lösen.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0703926800
Ganz im Gegenteil, Herr Kollege. Sie greifen schon einen meiner Schlußsätze heraus, die ich zur Zusammenarbeit im Ausschuß sagen wollte.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja natürlich! Sie haben hier etwas in die falsche Kehle bekommen. Sie haben hier etwas eingeworfen von „legal" und „nicht legal". Ich bin durchaus der Meinung — ich werde das auch noch sagen —, daß wir uns am Ende wahrscheinlich zusammenraufen werden, damit die ewigen Versprechungen aufhören. Das ist doch meine ganz klare Meinung dazu.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Das betrifft die eine wie die andere Seite — in jeder Weise!
Ich muß nun allerdings weiterhin auf das eingehen, was Herr Josten da von Renten usw. gesagt



Hofmann
hat. Meine Damen und Herren, es ist weiß Gott nicht so, daß für die Heimkehrer in der letzten Zeit nichts getan worden wäre. Das muß auch einmal herausgestellt werden. Was in den letzten vier Jahren für die Heimkehrer geschaffen wurde, wird von ihnen anerkannt.
Es sei mir erlaubt, nur auf einige Punkte aus dem Rentenbereich zu verweisen. Nach dem bis zum Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes geltenden Recht werden die Zeiten des Wehr- und Kriegsdienstes sowie der Kriegsgefangenschaft als Ersatzzeiten dann angerechnet, wenn entweder vor Beginn der Ersatzzeit wenigstens ein anrechenbarer Beitrag entrichtet worden ist oder innerhalb von drei Jahren nach dem Ende der Ersatzzeit oder einer durch sie aufgeschobenen oder unterbrochenen Ausbildung eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wurde. — Darüber sind wir uns klar: Das ist eine Verbesserung, die in dieser Zeit erfolgt ist.
Danach sind die Ersatzzeiten künftig auch dann anrechenbar, wenn nach Ablauf der Dreijahresfrist eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen worden und die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Versicherungsfall, also der Gesamtzeitraum, mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten mit Pflichtbeiträgen oder gleichgestellten freiwilligen Beiträgen belegt ist, wobei der Gesamtzeitraum um die in diesen Zeitraum fallenden Ersatz- und Ausfallzeiten ohne Rücksicht auf deren Anrechenbarkeit zu reduzieren ist. — Darüber sind wir uns auch einig: Auch das ist in dieser Zeit geschehen.
Sind nach vorstehenden Anrechnungsalternativen die Voraussetzungen nicht erfüllt, so gelten sie als erfüllt, wenn bis zum Versicherungsfall oder bis zu einer bis zum Versicherungsfall reichenden Ausfallzeit Rentenversicherungspflicht bestanden hat und die Zeit vom 1. Januar 1973 bis zum Versicherungsfall — reduziert um die in diesen Zeitraum fallenden Ersatz- und Ausfallzeiten — mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Pflichtbeiträgen belegt ist. — Das müssen wir auch dazusagen; denn es wird ja draußen immer wieder so argumentiert, als ob dies alles nicht anerkannt würde — nicht von uns, auch nicht von Ihnen, sondern von Leuten, die zuwenig von der Materie verstehen. Wir erleben das doch draußen in Versammlungen immer wieder; das müssen Sie zugeben.
Eine weitere Regelung im Rentenreformgesetz sieht vor, daß Personen, die vor dem 19. Oktober 1972 das 60. Lebensjahr vollendet, bis zum Versicherungsfall eine selbständige Erwerbstätigkeit von wenigstens fünf Jahren aufgegeben und von der durch das Rentenreformgesetz geschaffenen Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung Gebrauch gemacht haben, die Ersatzzeiten ohne weitere Voraussetzung angerechnet erhalten, jedoch höchstens im Umfang der anrechenbaren Beitragszeiten.
Diese Anrechnungsvoraussetzungen sind so weitgehend, daß insbesondere nach der Öffnung der Rentenversicherung für weitere Personenkreise durch das Rentenreformgesetz praktisch alle Personen die Anrechnung ihrer Wehr- und Kriegsdienstzeiten sowie der Zeiten der Kriegsgefangenschaft in der Rentenversicherung erreichen können. — Darin sind wir uns auch alle miteinander einig.
In der Rentenversicherung werden die Ersatzzeiten grundsätzlich mit dem Durchschnitt aus allen Beitragszeiten bis 1964 bewertet. Diese Bewertung führt für die Betroffenen im allgemeinen zu befriedigenden Ergebnissen. — Und jetzt sage ich noch einmal etwas zu dem, was wir draußen in Versammlungen immer wieder hören. Die immer wieder zu hörende Behauptung, daß wegen der Bewertung der Ersatzzeiten die Kriegsteilnehmer gegenüber den Nichtkriegsteilnehmern in der Rentenversicherung benachteiligt seien, trifft also in dieser Allgemeinheit, wie auch von den Heimkehrern bereits eingeräumt und gewürdigt worden ist, nicht zu. — Sind wir uns darüber einig?
Zugegeben, es gibt Ausnahmefälle: etwa ein qualifizierter Arbeiter, der bis 1964 den Anschluß nicht gefunden hat. Sehen Sie, unser Antrag geht dahin, das zu überprüfen und diese Fälle herauszufinden. Deswegen sollten wir uns heute hier nicht streiten, sondern prüfen lassen, was da zu machen ist.

(Abg. Josten: Das wollen wir ja gemeinsam!)

Aber lassen Sie mich ein weiteres erwähnen, nämlich die flexible Altersgrenze. Sie ist Wirklichkeit geworden, was vor 1969 auf Seiten der damaligen CDU/CSU-Vertreter in der Regierung kaum jemand für möglich gehalten hat. Damit haben auch Heimkehrer und Kriegsopfer eine Berücksichtigung gefunden. Aber wie heute eine Erweiterung der flexiblen Altersgrenze von Abgeordneten der CDU/CSU vorgeschlagen werden kann, ohne daß alle Schwerbeschädigten mit eingeschlossen würden, das bleibe mir unverständlich.

(Abg. Josten: Verbesserungen sind möglich!)

— Genau, da wollen wir uns in den Ausschüssen zusammensetzen, um zu sehen, wie wir da abgrenzen sollten. Das ist Sache der Ausschußarbeit.
Lassen Sie mich viertens zur Heimkehrerstiftung noch etwas sagen. Bis zum 31. Januar 1973 wurden 22,2 Millionen DM für Heimkehrer bewilligt. Das Finanzvolumen der Stiftung von 81,8 Millionen DM wurde dadurch fast nicht geschmälert. Für das Jahr 1973 stehen insgesamt 15,7 Millionen DM zur Verfügung. Das heißt, bis zum Jahresende werden den Heimkehrern aus der Stiftung rund 38 Millionen DM zugeflossen sein.
Wenn wir nun einmal zusammenzählen, was an Renten mit bewilligt wurde, was an Mitteln aus der Stiftung hinzugekommen ist, dann können wir sagen, wir haben einen Teil der berechtigten Restforderungen schon mit erfüllt.

(Zuruf des Abg. Josten.)

— Einen Teil; da sind wir uns auch einig, Herr Josten.



Hofmann
Lassen Sie mich aber mil einem Rückblick auf die Aussprache über die Heimkehrerstiftung zum Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes — Drucksache 7/636 — überleiten. Mit diesem Entwurf wird eine lineare Anhebung gefordert. Falls all die ausgabenmindernden Kalkulationen der Antragsteller stimmen sollten, was sie ja auch noch nicht hundertprozentig sagen können, sollen 300 Millionen DM, verteilt auf zehn Jahre, ausreichen. Da gibt es noch Fragezeichen; das wissen wir alle miteinander.
Mit diesem Entwurf wollen wir aber sehen, ob wir uns noch an das halten, was vor Jahren hier in diesem Hause gesagt wurde, und wir wollen zum anderen folgendes vergleichen. Diese 300 Millionen DM sind nicht ganz das Doppelte von dem, was von der Regierung Erhard gestrichen wurde. Damals lauteten die Forderungen auf 360 Millionen DM; 160 Millionen wurden abgelehnt. Das wissen wir auch alle miteinander, und wir alle fügen wohl heute hinzu: leider; denn sonst hätten wir das Problem gelöst.
Wohl damals begann ein Überdenken der früheren Haltung zu linearen Anhebungen. Das ist bereits in der Regierungserklärung vom 13. September 1966 erkennbar. Um das zu verdeutlichen, bitte ich den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis zu zitieren.
Im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden — Drucksache V/4312 — schreibt der Herr Kollege Burger:
Nach der Erklärung der Bundesregierung vom 13. Dezember 1966 sollten bei der Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen neue Zahlungen für die Vergangenheit nur noch geleistet werden, wenn die wirtschaftliche Lage des Empfängers eine Hilfe erfordert. Da der überwiegende Teil der ehemaligen Kriegsgefangenen aber bereits wieder in das Wirtschaftsleben eingegliedert ist, erscheint es nicht vertretbar, die Entschädigungssätze des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1964 linear anzuheben.
Meine Damen und Herren, das war die Zeit der Großen Koalition; da waren wir uns auch über diese Form einig.

(Abg. Maucher: Man kann doch klüger werden! Abg. Burger: Das war die einheitliche Meinung des Ausschusses!)

— Ja, natürlich, Herr Burger, Sie haben das als Berichterstatter objektiv wiedergeben müssen, und da steckt ja die Meinung Ihrer Fraktionskollegen genau mit drin.
In der mündlichen Ergänzung dazu sagte Herr Burger am 13. Juni 1969 von dieser Stelle aus:
Der Ausschuß war der Auffassung, daß die flexible Form der Stiftung für eine gezielte Hilfe für ehemalige Kriegsgefangene günstig sei, und begrüßt darin die Abkehr vom bisherigen Gießkannenprinzip.
Von dem wollten wir damals alle miteinander weg. Sind wir uns da auch noch einig?
Herr Kollege Mick, der damalige Vorsitzende des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden, hat in derselben Sitzung von diesem Platz aus unter anderem ausgeführt:
Der Gesetzentwurf, den wir beraten, kreiert, so möchte ich sagen, einen neuen Stil und neue Möglichkeiten in der Beseitigung von Kriegs- und Nachkriegsschäden. Der Berichterstatter hat schon davon gesprochen, daß wir hier vom sogenannten Gießkannenprinzip ich hätte
„Warmer-Regen-Prinzip" gesagt abgewichen sind und nicht ein schematisches Gesetz gemacht haben, wonach allen, die unter ein bestimmtes Datum fallen, dieses oder jenes gewährt wird, was für den einen zuviel und für den anderen zuwenig ist.

(V o r sitz : Vizepräsident Frau Funcke)

Darin waren wir uns damals in der Großen Koalition einig, daß wir nicht mehr Gießkannengesetze schaffen sollten. Doch die Erkenntnis aus dieser Zeit hielt nicht an. Mit dem Gesetzentwurf Drucksache 7/636 greift die Union, nun als Opposition, nach den alten Gießkannen, um dem „Warmen-RegenPrinzip" zu huldigen. Damit werden viele Heimkehrer erfaßt. „Was für den einzen zuviel und für den anderen zuwenig ist", spielt keine Rolle mehr.
Meine Fraktion ist bereit, gezielt zu helfen. Wir wollen dem Hilfe gewähren, der sie nötig hat. Dabei wollen wir so helfen, daß es tatsächlich Hilfe auf Dauer ist. Im Antrag Drucksache 7/668 der Koalitionsfraktionen, der Ihnen vorliegt, ersuchen wir die Regierung um eine Prüfung, welche Personen durch lange Zeiten eines militärischen oder militärähnlichen Dienstes und die Kriegsgefangenschaft Nachteile in ihrer Alterssicherung aufzuweisen haben. Die Regierung wird ersucht, Vorschläge zur Beseitigung solcher Nachteile vorzulegen. Dann muß von uns geprüft werden, was für notwendige gesetzgeberische Maßnahmen unverzüglich eingeleitet werden müssen. Dann soll der zuständige Ausschuß prüfen, ob eine tatsächlich spürbare Hilfe für die Benachteiligten besser ist als der „warme Regen" einheitlich für Groß- und Kleineinkommensbezieher. Hier kommt der Satz, den Sie vorher von mir hören wollten: Ich hege die Hoffnung, daß es dabei zu einer Gemeinsamkeit in der Beratung kommt. Ich betone das ausdrücklich noch einmal. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wie auch die Fraktion der FDP wird sich dabei wie bisher ihrer besonderen sozialpolitischen Verantwortung für die Heimkehrer, insbesondere für die Spätheimkehrer, bewußt sein und entsprechend handeln. Um das ohne Verzögerung voranzubringen, bitte ich Sie um die Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703926900
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung. Aus der Tagesordnung und der Zusatztagesordnung ersehen Sie die Vorschläge des Ältestenrates für die Überweisung. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das



Vizepräsident Frau Funcke
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kehren dann zum Tagesordnungspunkt 3, dritte Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts, zurück. Das Wort hat Herr Bundesminister Jahn.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703927000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von der Bundesregierung im Jahre 1970 eingeleitete Reform des Sexualstrafrechts soll heute zum Abschluß gebracht werden. Das bis jetzt noch gültige Sexualstrafrecht stammt aus dem vergangenen Jahrhundert. Es ist überholt und auf weite Strecken auch unglaubwürdig geworden. Unsere Aufgabe ist es, die Übereinstimmung mit dem Selbstverständnis unserer Zeit wiederherzustellen. Unseren Einsichten von Sinn und Zweck staatlichen Strafens war zu entsprechen. Auch in diesem Bereich der Rechtsordnung war dem Grundgesetz Genüge zu tun, das den Freiheitsrechten des Bürgers in gleichem Maße mehr Raum gibt, wie es dessen Verantwortung für seine eigene sittliche Existenz stärkt.
Das Strafrecht dient dem Schutz der ganzen Gesellschaft. Es darf nicht dazu benutzt werden, sittliche Wertvorstellungen einzelner Gruppen unserer Gesellschaft durchzusetzen. Strafvorschriften sind nicht dazu da, die Sittlichkeit um ihrer selbst willen zu schützen. Das können sie auch nicht. Aufgabe und Ziel der Reformarbeiten mußte es deshalb sein, das Strafrecht von Aufgaben zu entlasten, die es seiner Natur nach nicht erfüllen kann. Es ist eine alte Erkenntnis, daß das Strafrecht nur ein ethisches Minimum fordert, also nur die grundlegenden Bedingungen für das äußere Zusammenleben der Menschen garantieren kann. Zumal im Zusammenhang mit dem sexuellen Verhalten, das wie kein anderes dem persönlichsten Lebensbereich des Menschen zugehört, sind dem Strafrecht und seiner Wirkung enge Grenzen gezogen: Das Strafrecht eignet sich weder dazu, überkommene Regeln des individuellen Sexualverhaltens zu stützen, noch kann es ein Vehikel für Forderungen nach sexueller Emanzipation und Befreiung sein. Es geht bei der Reform des Sexualstrafrechts um Probleme des Strafrechts und seiner Grenzen, aber nicht um eine Umwälzung des sexuellen Verhaltens — was immer man darunter verstehen mag.
Unverzichtbar bleibt die zentrale Aufgabe des Strafrechts: Es soll Verhaltensweisen abwehren, die die Belange des einzelnen oder der Gemeinschaft schädigen oder erheblich gefährden. Im Bereich des Sexualstrafrechts kommt dabei dem Schutz unserer Jugend besondere Bedeutung zu.
An die Beantwortung der Frage, ob das Strafrecht seine Schutzaufgabe erfüllen kann, müssen jedoch strenge Maßstäbe angelegt werden. Auch im Bereich des Sexualstrafrechts muß klar bleiben, daß das staatliche Strafrecht das äußerste und schärfste Mittel unserer Rechtsordnung ist. Es darf erst dann eingreifen, wenn andere Mittel zum Schutze der Rechtsgüter des einzelnen oder der Allgemeinheit nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen.
Und es muß sich bescheiden. Gerade im Bereich der Sexualität geht es häufig um höchstpersönliche Lebensbereiche. Sie unterliegen der Verantwortung des einzelnen und entziehen sich jedem Anspruch auf staatliche Gängelei. Hier geht es um Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit unseres Rechts.
Es ist also zu prüfen, ob eine ärztliche Therapie nicht die präventiven Funktionen des Strafrechts zu übernehmen, zumindest aber zu ergänzen vermag. Im Hinblick auf den Exhibitionismus ist mit dem vorliegenden Entwurf ein erster, vorsichtiger Schritt in diese Richtung getan worden. Eine sachgemäße Sexualerziehung wird den Jugendlichen unter Umständen besser schützen als ein Übermaß strafrechtlicher Regelungen. Der vom Grundgesetz vorgeschriebene Schutz der Ehe und Familie wird durch fachkundige Beratung besser gewährleistet als durch strafrechtliche Verbote. Die Förderung guter und altersgerechter Jugendlektüre ist mindestens ebenso wichtig wie der strafrechtliche Schutz vor pornographischer, gewaltverherrlichender und sonst jugendgefährdender Literatur. Schließlich ist hier erneut daran zu erinnern, wie sehr gesunde und leistungsfähige Bedingungen der sozialen Umwelt einer Gefährdung der Jugend entgegenwirken können.
Diesen Leitlinien war der Entwurf der Bundesregierung gefolgt. Die Fassung, die er durch die Beschlüsse des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform erhalten hat, ist denselben Grundsätzen verpflichtet. Das Ergebnis ist ein Gesetzesvorschlag, der modernen Erkenntnissen entspricht und auf der Höhe der rechtspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion des In- und Auslandes steht. Unter Fachleuten gibt es über die tragenden Grundsätze der Rechtspolitik, die ich genannt habe, keinen ernsthaften Streit.
Demgemäß war man sich auch im Sonderausschuß über die Grundprinzipien einer Reform einig. Es darf einer emotionalen Polemik, wie wir sie gehört haben und neuerdings wieder hören, nicht gelingen, diesen Sachverhalt zu verdunkeln. Die Bundesregierung sieht die von ihr verfolgte Linie dadurch bestätigt, daß die sorgfältigen und gründlichen Beratungen im Sonderausschuß den von ihr vorgelegten Entwurf bestätigt haben. In einzelnen Fragen ist der Ausschuß zu abweichenden und nach meiner Überzeugung auch besseren Lösungen gekommen. In den Grundsatzfragen sind Alternativen nicht aufgezeigt worden, es sei denn, daß als Alternative auf das geltende Recht verwiesen worden ist.
Das gilt nicht zuletzt für die umstrittenste Regelung, nämlich für die Frage, wie pornographische Schriften strafrechtlich behandelt werden sollen. Zu den Zielen der Bundesregierung gehört hier die Verbesserung des Jugendschutzes. Dieses Ziel ist erreicht worden. Wir haben neuerdings den Vorwurf gelesen und heute auch wieder gehört, daß die Vorschriften des Strafgesetzbuches keinen Jugendschutztatbestand mehr enthielten. Die Verbreiter solcher Auffassungen haben die Vorlage jedoch nicht zu Ende gelesen. Sie übersehen, daß nach den Beschlüssen des Sonderausschusses der Schutz der Jugend vor pornographischen Schriften im Gesetz
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 39, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1973 2175
Bundesminister Jahn
gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften geregelt ist.

(Unruhe.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703927100
Herr Bundesminister, darf ich Sie einen Moment unterbrechen.
Meine Herren und Damen, ich bitte doch mit Rücksicht auf den Redner und das Thema ein bißchen mehr Ruhe zu halten.

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703927200
Dieses Gesetz, das Gesetz, gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, ist überdies im Interesse der Jugendlichen entscheidend verbessert worden. Künftig gelten die Strafvorschriften dieses Gesetzes auch für öffentliche Filmveranstaltungen. Das führt dazu, daß neben gewaltverherrlichenden oder -verharmlosenden oder pornographischen jetzt auch offensichtlich sittlich schwer jugendgefährdende Filme nicht vor Jugendlichen vorgeführt werden dürfen. Das Verbot ist durch eine Strafvorschrift und nicht nur wie bisher durch eine Vorschrift des Ordnungswidrigkeitenrechts abgesichert. Da die neue Regelung außerdem ein totales Werbeverbot für solche Filme vorsieht, was es im geltenden Recht nicht gibt, führt sie gerade auf diesem Gebiet zu einer entscheidenden Verbesserung des Jugendschutzes. Wer dennoch die gegen Pornographie gerichteten Strafbestimmungen für unzureichend hält und auch Erwachsene in die Strafandrohung des § 184 StGB einbeziehen will, wird damit den Jugendschutz nicht verbessern. Die unbefriedigenden Auswirkungen des geltenden Rechts sollten uns vor solchen Fehlentscheidungen bewahren. Zudem muß dieser Auffassung entgegengehalten werden, daß sich das Strafrecht davor zu hüten hat, einen berechtigten Zweck, hier die Wahrung des Jugendschutzes, mit einem Übermaß an Mitteln durchzusetzen. Das wäre so, so hat der Richter Frankfurter in einer Entscheidung des Supreme Court der Vereinigten Staaten ausgeführt, als wolle man „das Haus anzünden, um das Schwein zu rösten".
Im Hinblick auf die heftigen Debatten, die der vorliegende Entwurf ausgelöst hat, tut es auch sonst gut, einen Blick auf das Ausland zu werfen: Die Bundesrepublik Deutschland hat mit diesem Reformvorhaben im internationalen Vergleich keine radikale Linie eingeschlagen. Es gibt westeuropäische Staaten, die in der Entkriminalisierung bisher strafbaren Verhaltens weitergegangen sind; andere Staaten werden folgen. Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen, daß in der Mehrzahl der westeuropäischen Staaten, anders als bei uns, nicht das Legalitäts-, sondern das Opportunitätsprinzip gilt. Jeder kann sich davon überzeugen, wie zurückhaltend die Strafverfolgungsorgane in vielen unserer Nachbarstaaten hinsichtlich der Pornographie sind. Die Bundesrepublik Deutschland wird mit ihrer neuen Gesetzgebung nicht gegen die Grundsätze internationaler Solidarität verstoßen.
Die Arbeiten an der Reform dürfen nicht allein unter dem Stichwort Liberalisierung oder besser Entkriminalisierung gesehen werden. Sicher sieht die Vorlage dort von Strafvorschriften ab, wo die
Strafbarkeit zu sehr ausgedehnt ist oder wo Strafvorschriften sich als unpraktikabel erwiesen haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703927300
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703927400
Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703927500
Herr Bundesminister, wie vereinbart sich Ihre Erklärung, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht gegen die internationale Solidarität verstößt, mit der Tatsache, daß Sie auf Grund der Freigabe der Pornographie ein Abkommen kündigen müssen, das alle zivilisierten Staaten abgeschlossen haben und von dem sich bisher einzig Dänemark losgelöst hat?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0703927600
Herr Kollege Jaeger, wenn Sie zugehört hätten oder vielleicht auch hätten zuhören können, wäre Ihnen aufgefallen, daß diese Bemerkung und dieser Hinweis auf die internationale Solidarität sich ausdrücklich auf die allgemeine rechtspolitische Entwicklung in vergleichbaren Ländern bezieht, die, soweit das erforderlich, wie wir ihre Haltung zu dem internatinalen Übereinkommen, auf das Sie Bezug nehmen, kritisch werden überprüfen müssen.
Die Behauptung, die Reform habe zu einem „Kahlschlag" geführt, ist falsch. Wo es kriminalpolitisch geboten ist, ist die Strafbarkeit verschärft oder auch erst begründet worden. Der für den Schutz junger Menschen so wichtige Tatbestand der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ist nicht nur präzisiert, sondern durch Erhöhung der Schutzaltersgrenze erweitert worden. Der Tatbestand der Zuhälterei ist entgegen Forderungen aus der Wissenschaft nicht ersatzlos gestrichen, sondern modernen kriminalpolitischen Erkenntnissen entsprechend auf die besonders gefährlichen Erscheinungsformen zugeschnitten worden.
Bei den pornographischen Schriften, die besondere Gefahren für Jugendliche, aber auch Gefahren für erwachsene Bürger befürchten lassen, ist ein totales Herstellungs- und Verbreitungsverbot vorgesehen. Es handelt sich um die sadistischen, pädophilen und sodomitischen pornographischen Schriften. Ohne Vorbild ist schließlich der neu konzipierte § 131 StGB, der ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für exzessive Gewaltdarstellungen enthält.
Alles in allem verwirklicht der Entwurf eine geschlossene und abgewogene Konzeption, die unnötige Strafvorschriften zur Aufhebung vorschlägt, notwendigen Strafschutz dafür aber mit um so größerem Nachdruck fordert. Ein baldiges Inkrafttreten des Gesetzes dient der Glaubwürdigkeit des Strafrechts, aber auch derer, die das Recht anzuwenden haben.
Sicher gibt es wenige Rechtsvorschriften, bei denen Zeile für Zeile so eingehend geprüft worden



Bundesminister Jahn
ist, wie es bei den Bestimmungen dieses Gesetzes der Fall war. Die Gründlichkeit der Beratungen wird der künftigen Anwendung und Auslegung der neuen Vorschriften zugute kommen. Mehr als sonst werden die Beteiligten in der Lage sein, die grundsätzlichen Konzeptionen, die hinter den einzelnen Vorschriften stehen, zu erkennen und zur Geltung zu bringen. Den Mitgliedern des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, insbesondere dem Herrn Vorsitzenden und den Herren Berichterstattern, danke ich für ihre intensive Gesetzgebungsarbeit. Dank schulden wir auch all den Vertretern aus Wissenschaft und Praxis, die durch ihre Diskussionsbeiträge und ihren sachverständigen Rat die Arbeiten an diesem Gesetz gefördert haben. Wir werden diese Mitarbeit auch in Zukunft benötigen. Denn die Strafrechtsreform ist eine Aufgabe, die uns zwar immer wieder Zwischenstationen erreichen läßt, in der es aber keinen Schlußpunkt gibt. Das Vierte Strafrechtsreformgesetz wird jedoch ein wichtiger Abschnitt sein, zu dem ich die Zustimmung des Hauses erbitte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703927700
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Beratung. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Bevor ich die Abstimmung eröffne, möchte ich darauf hinweisen, daß wir so abstimmen wollen, wie das bereits am 11. Mai geschehen ist. Wir haben drei verschiedene Urnen, zu meiner Linken die Urne für die Ja-Stimmen, zu meiner Rechten die Urne für die Nein-Stimmen, in der Mitte die Urne für Stimmenthaltungen. Ich bitte Sie, nach vorn zu kommen, den Schriftführern die Karten zu übergeben und dann den Platz möglichst schnell den anderen frei zu machen. Ich eröffne die Abstimmung.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer mit dem Zählen zu beginnen.
Meine Damen und Herren, es hat sich eine Schwierigkeit für die Mitglieder des Haushaltsausschusses ergeben. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß ich die Abstimmung für die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß noch einmal eröffne. Da es eine namentliche Abstimmung ist, ergeben sich auch keine Schwierigkeiten bezüglich einer Scheinhaltung. Ich bitte die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß, die noch nicht haben abstimmen können, die Abstimmung jetzt noch vorzunehmen.
Ich schließe die Abstimmung nunmehr endgültig und bitte, auch noch die restlichen Karten zu zählen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der Schlußabstimmung über das Vierte Gesetz zur Reform des Strafrechts bekannt. Es haben insgesamt 458 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 19 Berliner Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 254 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 13 Berliner Abgeordnete, mit Nein 203 uneingeschränkt stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete. Zahl der Stimmenthaltungen: 1.
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen 456 und 19 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 252 und 13 Berliner Abgeordnete Nein: 203 und 6 Berliner Abgeordnete
Enthalten 1
Ja SPD
Adams Ahlers Amling Anbuhl Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid) Augstein (Hattingen) Baack
Bäuerle Barche
Dr. Bardens
Batz
Dr. Bayerl
Becker (Nienberge)

Dr. Beermann
Berkhan Biermann
Blank
Dr. Böhme (Freiburg) Börner
Frau von Bothmer Brandt (Grolsheim) Bredl
Brück Buchstaller
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Conradi Coppik
Frau Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr
Eckerland
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Frau Eilers (Bielefeld) Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Engholm
Dr. Eppler
Esters Ewen
Dr. Farthmann Fellermaier
Fiebig
Dr. Fischer
Flämig
Frau Dr. Focke Franke (Hannover) Frehsee
Friedrich
Gansel Geiger
Gerlach (Emsland) Gerstl (Passau) Gertzen
Dr. Geßner
Glombig
Dr. Glotz
Gnädinger
Grobecker Grunenberg
Dr. Haack
Haar
Haase (Fürth)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Dr. Haenschke
Halfmeier Hansen
Hauck
Dr. Hauff Henke
Hermsdorf Herold
Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker Immer
Jahn (Marburg)

Jaschke
Jaunich
Dr. Jens
Junghans Junker
Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Koblitz
Konrad
Kratz
Dr. Kreutzmann
Krockert Kulawig Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen Lautenschlager
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Löbbert
Dr. Lohmar Lutz
Mahne
Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinicke (Oberhausen) Metzger
Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller (Bayreuth)

Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Müller (Schweinfurt)

Dr. Müller-Emmert
Nagel
Neumann Dr. Nölling
Dr.-Ing. Oetting
Offergeld Freiherr
Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Dr. Penner



Pensky
Polkehn
Porzner
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Ravens
Reiser
Frau Renger Reuschenbach
Richter
Frau Dr. Riedel-Martiny Rohde
Rosenthal Sander
Saxowski
Dr. Schachtschabel
Schäfer (Appenweier)

Dr. Schäfer (Tübingen) Scheffler
Frau Schimschok
Schinzel
Schirmer Schlaga
Schluckebier
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte (Unna)

Schwabe
Dr. Schweitzer
Dr. Schwencke
Seefeld
Seibert
Simon
Simpfendörfer
Dr. Slotta Dr. Sperling
Spillecke
Staak (Hamburg)

Stahl (Kempen)

Dr. Stienen Suck
Sund
Frau Dr. Timm
Tönjes
Urbaniak Vahlberg Vit
Dr. Vogel (München) Vogelsang
Walkhoff Waltemathe
Walther
Dr. Weber (Köln) Wehner
Wendt
Dr. Wernitz
Westphal Dr. Wichert
Wienand Wilhelm Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolf
Wolfram Wrede
Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander
Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt (Berlin)

Bühling
Dr. Dübber Egert
Heyen
Löffler
Mattick
Dr. Schellenberg
Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt
Wurche
FDP
Dr. Bangemann
Baum
Christ
Engelhard Flach
Frau Funcke Gallus
Geldner
Genscher
Groß
Grüner
Dr. Hirsch Hölscher
Hoffie
Jung
Kirst
Kleinert
Krall
Dr. Graf Lambsdorff
Dr. Dr. h. c. Maihofer
Mertes (Stuttgart)

Mischnick Möllemann Moersch
Ollesch
Opitz
Ronneburger Scheel
Schmidt (Kempten)

von Schoeler Frau Schuchardt
Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Zywietz
Berliner Abgeordneter Hoppe
Nein CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger Baier
Dr. Becker (Mönchengladbach) Frau Benedix
Benz
Berger
Bewerunge Biechele
Biehle
Dr. Dr. h. c. Birrenbach
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm
von Bockelberg Böhm (Melsungen) Braun
Breidbach Bremer
Bremm
Dr. Burgbacher
Burger
Carstens (Emstek)

Dr. Carstens (Fehmarn) Dr. Czaja
Damm
Dr. Dollinger
Dreyer
Eigen
Eilers (Wilhelmshaven) Engelsberger
Entrup
Dr. Erhard
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Dr. Evers Ey
Dr. Eyrich Ferrang
Freiherr von Fircks Franke (Osnabrück)

Dr. Franz Dr. Freiwald
Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs
Geisenhofer
Gerlach (Obernau) Gerster (Mainz) Gewandt
Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Gruhl
Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Dr. Hammans
Handlos von Hassel Hauser

(BN-Bad Godesberg) Hauser (Krefeld)

Dr. Hauser (Sasbach) Dr. Heck
Höcherl Hösl
Dr. Hornhues Horstmeier
Frau Hürland
Dr. Hupka Dr. Jaeger Jäger (Wangen)

Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Katzer
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein (Göttingen) Dr. Klein (Stolberg)
Dr. Klepsch
Dr. Kliesing
Dr. Köhler (Duisburg) Dr. Köhler (Wolfsburg) Köster
Krampe
Dr. Kraske Kroll-Schlüter
Dr. Kunz (Weiden) Lagershausen Lampersbach
Leicht
Lemmrich
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenzer
Link
Löher
Dr. Luda
Dr. Martin
Maucher
Memmel
Dr. Mende
Dr. Mertes (Gerolstein) Dr. Mikat
Dr. Miltner
Milz
Möller (Lübeck)

Dr. Müller (München) Müller (Remscheid) Mursch (Soltau-Harburg) Dr. Narjes
Frau Dr. Neumeister Niegel
Nordlohne
Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß
Pfeffermann
Pfeifer
Picard
Pieroth
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Probst
Rainer
Rawe
Reddemann
Dr. Riedl (München) Dr. Ritgen
Dr. Ritz
Röhner
Rollmann
Rommerskirchen
Roser
Sauer (Salzgitter)

Sauter (Epfendorf) Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schedl
Frau Schleicher Schmidhuber
Schmitt (Lockweiler) Schmitz (Baesweiler) Schmöle
Dr. Schneider
Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Sick
Solke
Spilker
Spranger
Springorum
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Starke (Franken) Graf Stauffenberg Dr. Stavenhagen
Frau Stommel
Stücklen
Susset
de Terra
Thürk
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Frau Tübler
Dr. Unland
Vehar
Frau Verhülsdonk Vogel (Ennepetal) Vogt
Volmer



Dr. Waffenschmidt Wagner (Günzburg) Dr. Wagner (Trier) Dr. Waigel
Dr. Wallmann
Wawrzik
Weber (Heidelberg) Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld Windelen
Wissebach
Dr. Wittmann (München) Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Dr. Wulff
Dr. Zeitel
Zeyer
Damit ist das Gesetz in dritter Lesung angenommen.
Wir haben noch über den Entschließungsantrag unter Nr. 2 des Ausschußantrages abzustimmen. Wer für die Annahme dieses Entschließungsantrages ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
In Nr. 3 des Antrages des Ausschusses wird beantragt, die Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Zusatzpunkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach
Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Steueränderungsgesetz 1973
— Drucksache 7/680 — Berichterstatter: Minister Becker
Der Berichterstatter ist nicht anwesend. Ist ein Mitglied des Vermittlungsausschusses bereit und in der Lage, uns einen kurzen Bericht über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu geben? — Herr Kollege Wienand!

(Buh-Rufe bei der CDU/CSU.)


Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0703927800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bezüglich dieses Punktes herrschte gestern im Vermittlungsausschuß Einmütigkeit. Ich glaube, man kann dem Hohen Haus empfehlen, auf Grund dessen dem Vermittlungsausschuß zu folgen und das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu akzeptieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703927900
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0703928000
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU/CSU- Fraktion dieses Hauses darf ich zu diesem Vermittlungsvorschlag folgende Erklärung abgeben.
Die Bundesregierung ist im Vermittlungsausschuß gescheitert. Zu Recht wurde ihr vorgeworfen, daß sie es mit der Stabilität nicht ernst meine und nur an ihre eigene Kasse denke.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung hat bis zum heutigen Tage keine schlüssige Erklärung dafür abgeben können, warum sie nicht das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz aus dem Jahre 1967 anwenden will. Die Abfuhr, die sie sich im Vermittlungsausschuß daraufhin geholt hat, ist verdient. Es ist im Vermittlungsausschuß wegen des Widerstandes von SPD und FDP nicht gelungen, die volle Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes für den Konjunkturzuschlag in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu erreichen. Dem Inhalt nach entspricht der gefundene Kompromiß in etwa gewissen stabilitätspolitischen Gesichtspunkten. Da es in der kritischen Konjunkturlage des Sommers 1973 vor allem aber darauf ankommt, schnell zu handeln, hat die Opposition ihre berechtigten rechtlichen Bedenken wegen der mangelnden Gesetzestreue der Regierung zurückgestellt und dem Kompromiß zugestimmt. Die stabilitätspolitischen Maßnahmen können also zu dem von der Regierung vorgeschlagenen Zeitpunkt in Kraft treten. Die Regierung hat jetzt kein Alibi, um anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn ihre .unausgewogenen und unzureichenden Maßnahmen den Preisauftrieb und die Konjunktur nicht im erforderlichen Umfang dämpfen sollten.
Die CDU CSU-Fraktion hat wiederholt erklärt, zu weitergehenden Stabilitätsmaßnahmen bereit zu sein. Hierauf ist die Regierung keinen einzigen Augenblick eingegangen.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703928100
Ich bitte um Ruhe.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0703928200
Zeitverlust und unnötige Hast hätten bei den Beratungen vermieden werden können, wenn die Regierung sich von Anfang an an die bestehenden Gesetze gehalten und nicht versucht hätte, in ihre eigene Tasche zu wirtschaften.

(Oho-Rufe und Lachen bei der SPD. — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU.)

- Wenn es Ihnen auch weh tut, ich kann an dem Sachverhalt nichts ändern!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703928300
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Höcherl (CDU, CSU) : Ja.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0703928400
Darf ich Sie, sehr verehrter Herr Kollege Höcherl, fragen, ob dieser Ausdruck so gewertet werden darf wie jener damals, daß Sie etwas außerhalb der Legalität gehandelt hätten?

(Lebhafter Beifall bei den Regierungspartei en.)

Ziegler
Zink
Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Dr. Gradl
Kunz (Berlin) Müller (Berlin) Frau Pieser
Straßmeir
Enthaltungen SPD
Scheu




Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0703928500
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß die Regierung versucht hat, hier außerhalb der Legalität Stabilitätspolitik zu machen. Das ist meine Meinung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD. — Abg. Wehner: Unerhört!)

Die Zweifel an der Wirksamkeit der geplanten konjunkturpolitischen Maßnahmen wachsen. Weder der Verbrauch noch der Export werden in erforderlichem Umfang gedämpft. Zahlreiche Probleme der außenwirtschaftlichen Absicherung bleiben offen. Auch die Tatsache, daß durch die ergriffenen Maßnahmen vor allem die mittleren und kleineren Unternehmungen sowie der Mittelstand am härtesten getroffen werden, geht zu Lasten der Regierung und der von ihr zu verantwortenden Kette von konjunkturpolitischen Fehlentscheidungen während der letzten dreieinhalb Jahre. Die seit Ende 1969 verfehlte Konjunkturpolitik der Regierung Brandt ist die Ursache dafür, daß jetzt der Steuerzahler schmerzhaft zur Kasse gebeten werden muß. Mit dieser fahrlässigen Politik wurde die Chance vertan, mit leichten Maßnahmen zur richtigen Zeit die Konjunktur in den Griff zu bekommen. Die Erhöhung der Mineralölsteuer, die ein sinnloser Fremdkörper im Stabilitätspaket ist, wird weiterhin von der CDU/CSU als preistreibend und konjunkturwidrig abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Eine bedenkliche Mißachtung gesetzten Rechts scheint der neue Stil der Regierung und der sie tragenden Fraktionen zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hierzu gehört die unbegreifliche Nichtanwendung des Stabilitätsgesetzes, die Verwendung eilbedürftiger und nicht eilbedürftiger gesetzlicher Regelungen sowie die zunehmende Vorlage sogenannter Artikelgesetze. Dinge, die nicht zusammengehören, werden in Artikelgesetzen, über die dann im Zusammenhang abgestimmt werden muß, zusammengefaßt. So mußte z. B. gleichzeitig über die Stabilitätsabgabe, die Investitionszulage, die Investitionsteuern und sonstige Änderungen zum Teil nicht ungefährlicher Art, was die Zuschüsse aus der öffentlichen Hand betrifft, abgestimmt werden, so daß die Opposition gezwungen war, in der dritten Lesung auch diejenigen Teile des Programms abzulehnen, denen sie sich in der zweiten Lesung zugewandt hatte. Dieser Stil bedeutet nicht mehr Demokratie, sondern eine empfindliche Behinderung der parlamentarischen Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Gesetze können auf diesem Wege nicht mehr ordnungsgemäß beraten werden, und eine gezielte Abstimmung, die den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers deutlich macht, wird verhindert. Die Politik des Junktims, die sich die Regierung Brandt immer mehr zu eigen macht, gefährdet langsam, aber stetig das verfassungsgerechte Funktionieren unseres Gemeinwesens.

(Oh-Rufe von der SPD.)

Mit der zunehmenden Ausschaltung des Parlaments
oder mit der Behinderung seiner Arbeit werden die
Interessen unserer Bürger unmittelbar beschnitten. Es ist Aufgabe der Opposition, darauf hinzuweisen und das in aller Öffentlichkeit zu erklären.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703928600
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID0703928700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Fraktion der Freien Demokraten habe ich zu erklären, daß im Gegensatz zur Auffassung der Opposition meine Fraktion der Meinung ist, daß die Regierung sich mit ihrer Stabilitätspolitik und ihrer Stabiltätsvorlage parlamentarisch erfolgreich durchgesetzt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Nölling: Inflation! Abg. Rawe: Gott erhalte Ihnen den guten Glauben!)

Zweitens. Meine Fraktion wendet sich mit aller Deutlichkeit und allem Nachdruck — um weitere Schärfe nicht hineinzubringen gegen den Vorwurf, daß die Politik der Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung verhindert. Die Fraktion und die Koalition haben das Grundgesetz stets vor Augen, wenn auch nicht dauernd unter dem Arm.

(Beifall bei den Regierungspartei en. Abg. Rawe: Aber weit genug von den Augen entfernt!)

Wir haben bereits in der ersten und zweiten Lesung des Stabilitätsgesetzes vorgetragen, daß schon die ersten stabilitätspolitischen Beschlüsse der Bundesregierung schneller hätten Gesetzeskraft erfahren können, wenn die Opposition sich ihnen angeschlossen hätte oder wenn sie brauchbare Alternativvorschläge zu diesen Gesetzen gemacht hätte.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : 1969 hätten Sie anfangen müssen!)

Wir waren uns im klaren darüber, daß die Mehrheit des Bundesrates erst dann die Zustimmung geben würde, wenn sie — wie wir es einmal formuliert haben — nicht mit 5 %, sondern mit 43% dabei ist. Erst nachdem diese Taschen gefüllt worden waren, war die Zustimmung zu erreichen. Meine Fraktion bedankt sich bei den SPD/FDP-geführten Ländern, daß sie ohne Rücksicht auf eigene Taschenfüllung bereit waren, den Maßnahmen der Bundesregierung schneller zum parlamentarischen Erfolg zu verhelfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Fraktion der Freien Demokraten hut niemals bestritten und bezweifelt, daß es auch an diesem Stabilitätspaket einiges auszusetzen gibt und daß wir eine völlige Abschottung und Abdichtung etwa der außenwirtschaftlichen Flanke und der Exportflanke nicht erreichen können.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




Dr. Graf Lambsdorff
— Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie das schon früher hören können, nämlich in der zweiten und dritten Lesung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir halten es jedoch im Sinne der Stabilitätspolitik, im Sinne der notwendigen Inflationsbekämpfung für ausgesprochen unangebracht, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen, von denen Sie angeblich einen Teil bejahen, aber leider in der dritten Lesung nun doch wieder nicht billigen können, immer weiter in Zweifel zu ziehen. Jeder von uns weiß, daß die Inflationsmentalität und die psychologische Seite dieses Unternehmens von ausschlaggebender und entscheidender Bedeutung sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein typischer Hinweis, den meine Fraktion zurückweist,

(Abg. Rawe: Wer hat denn gerade nicht zugehört? Das haben wir doch gesagt!)

ist die Kritik an dem Artikelgesetz und an der Zusammenfassung notwendiger Maßnahmen. Eben deswegen, weil wir ein Paket vorgelegt haben, das in sich ausgewogen und erfolgversprechend ist, haben wir uns dagegen wehren müssen — von Anfang an; wir erkannten Ihre Absicht —, dieses Paket aufzuschnüren und zu zerbröseln. Deswegen waren das Artikelgesetz und die Zusammenfassung dieser Vorschriften die richtige und notwendige Maßnahme.
Meine Fraktion begrüßt das Ergebnis der Sitzung des Vermittlungsausschusses.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703928800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0703928900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sitzungen des Vermittlungsausschusses sind vertraulich. Andernfalls müßte ich darauf aufmerksam machen, welch ein erheblicher Unterschied zwischen dem sachlichen Auftreten des Herrn Kollegen Höcherl im Vermittlungsausschuß und seinem heutigen Auftreten vor dem Plenum des Deutschen Bundestages besteht.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Höcherl hat ebenso wie die anderen Mitglieder der CDU — ganz gleich, ob sie vom Bundestag entsandt wurden oder Vertreter der Länder waren -- mit dazu beigetragen, daß wir ein Ergebnis erarbeiten konnten, das — wie Herr Kollege Wienand richtig sagte —

(Zurufe von der CDU/CSU)

ein einstimmiges Votum des Vermittlungsausschusses für diesen Fragenkomplex des Steueränderungsgesetzes darstellt. Wenn man ein einstimmiges Ergebnis nun so verteidigt, wie Herr Kollege Höcherl das hier getan hat, muß entweder eine eigenartige Einstellung der CDU/CSU-Fraktion zu solchen erarbeiteten Ergebnissen vorliegen, oder Herr Höcherl ist plötzlich — aber das kann ja passieren — vom Saulus zum Paulus geworden; besser wäre es, zu sagen: vom Paulus zum Saulus.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, worum hat es sich gehandelt? — Es hat sich darum gehandelt, daß eine Stabilitätsabgabe von einem abgegrenzten Einkommen erhoben werden soll. Bei dieser besonderen Abgabe, die wir nur anders genannt haben, und der Abgrenzung ist es geblieben. Man hat sich darüber unterhalten müssen, ob man nun den Bestimmungen entspricht, die das Stabilitätsgesetz für die Festlegung eines Konjunkturzuschlages vorsieht. Wie Sie der Vorlage entnehmen können, ist hier eine besondere Formulierung gewählt worden, die wiederum die Zustimmung aller Mitglieder des Vermittlungsausschusses gefunden hat, die Formulierung nämlich, daß die angesammelten Mittel nur durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates freigegeben werden können. Dies ist nur zur Förderung der Ziele des § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 zulässig; keines dieser Ziele darf durch die Freigabe beeinträchtigt werden.
Das bedeutet also, daß wir den entscheidenden Punkt bei der Stabilitätsabgabe nicht verändert haben: daß es durch ein Gesetz möglich ist, unter den hier festgelegten Voraussetzungen über die Stabilitätsabgabe zu verfügen, ohne daß die bindende Vorschrift für die Freigabe des Konjunkturzuschlages in diesem Falle in Frage kommt. Das war ein ganz gewichtiger Streitpunkt, den wir mit dieser Formulierung, wie ich glaube, sehr glücklich und übereinstimmend aus der Welt geschafft haben.
Aber das war ja nicht alles, sondern entscheidend war auch die alte Streitfrage: Will sich die Bundesregierung einen besonderen Fonds für Zwecke, die nicht mit der Stabilität zusammenhängen — ich drücke das sehr vornehm aus; von der Opposition und in den Polemiken ist das etwas deutlicher gesagt worden , schaffen, und sollen und müssen wir das nicht zu verhindern versuchen?
All unsere Beteuerungen, daß das nicht der Fall sein kann und nicht der Fall sein darf, haben nichts genutzt. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung in erster Linie auch daran denkt, die hier zur Verfügung stehenden Beträge für einen ersten Einstieg in die Vermögensbildung, die mit dem Zuwachs des Produktionsvermögens unter Beteiligung der Arbeitnehmer gemeint ist, zu verwenden.
Nun, dieses Ziel wird sich wahrscheinlich nicht realisieren lassen. Und warum wird es sich nicht realisieren lassen? Weil wir den Wünschen und Vorstellungen der Länder gefolgt sind, sie selbst auch bei der Ausschüttung der Stabilitätsabgabe so zu beteiligen, wie es die Einkommensteuerregelung vorsieht. Das bedeutet die Beteiligung der Länder und der Gemeinden in demselben Umfang, wie es das Einkommensteuergesetz vorsieht, so daß die Stabilitätsabgabe bei ihrer Auflösung zu 43 °/o vom



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Bund, zu 43 % von den Ländern und zu 14% von den Gemeinden in Anspruch genommen wird.
Diese neue Aufteilung für die Auflösung der Stabilitätsabgabe war entscheidend dafür, daß eine Übereinstimmung erzielt werden konnte und daß man all das, was hier vom Kollegen Höcherl vorgetragen worden ist, nicht mehr ernst genommen, sondern infolge dieser Regelung und dieser Leistung aus der Stabilitätsabgabe den Mut gefunden hat, dem jetzt zur Entscheidung stehenden Vorschlag die Zustimmung zu geben. Man sollte die Einstimmigkeit der neu gefundenen Regelung nicht durch solche Erklärungen im Bundestag diffamieren;

(Zustimmung bei der SPD)

man sollte zu solchen Entscheidungen, die man übereinstimmend getroffen hat, wirklich stehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und auch den Mut haben, das in der Öffentlichkeit,
nämlich hier vor diesem Hohen Hause, zu bekunden.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703929000
Meine Damen und Herren, der amtierende Präsident ist etwas tolerant gewesen bezüglich der Art und Weise,

(Zurufe von der CDU/CSU: Tolerant?)

in der an sich Vermittlungsausschußberichte hier behandelt werden müssen, und zwar um der Gerechtigkeit willen bei allen Fraktionen. Ich wäre aber dankbar, wenn wir uns, sowohl was die Zeit als auch was die Form der Erklärungen angeht, in der Folge an die Geschäftsordnung halten würden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem dürfen dann Zwischenfragen nicht zugelassen werden!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache 7/680. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen und bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr von den Zusatzpunkten zur Tagesordnung Punkt 5 auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts
— Drucksache 7/681 —
Berichterstatter: Senator Dr. Heinsen
Zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Wienand.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0703929100
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 11. Mai 1973 das Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts beschlossen, das die Anwendung der Einheitswerte 1964 des Grundbesitzes ab 1. Januar 1974 nur bei der Grundsteuer vorsieht. Inzwischen hat der Finanzausschuß des Bundestages die Beratung der Erbschaftsteuerreform begonnen, damit auch bei der Erbschaftsteuer die neuen Einheitswerte ab 1. Januar 1974 angewendet werden. Sobald die Beratung der Erbschaftsteuerreform abgeschlossen ist, wird die Vermögensteuerreform beraten werden.
Der Bundesrat hat das Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts in der Sitzung am 25. Mai 1973 beraten und dabei beschlossen, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel anzurufen, das Gesetz um Vorschriften über die Anwendung der Einheitswerte 1964 ab 1. Januar 1974 auch bei der Vermögensteuer zu ergänzen. Einwendungen gegen die Reform des Grundsteuerrechts selbst wurden im Bundesrat nicht erhoben. Der Bundesrat begründete seine Maßnahme mit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der alten Einheitswerte 1935 über den 31. Dezember 1973 hinaus bei der Vermögensteuer. Nach seiner Auffassung muß damit gerechnet werden, daß der Bundesfinanzhof ebenso wie bereits bei der Erbschaftsteuer auch bei der Vermögensteuer die Verfassungsmäßigkeit der alten Einheitswerte 1935 in Frage stellt. Damit würde neben der derzeitigen Blockierung der Erbschaftsteuererhebung die Vermögensteuer gleichermaßen nicht erhoben werden können. Im übrigen sieht er in der gleichzeitigen Geltung unterschiedlicher Einheitswerte eine schwere, überflüssige und nicht zu verantwortende Belastung für die Steuerzahler und für die Finanzämter. Bei allen Änderungen, die ein Grundstück betreffen, müßten zwei Einheitswerte vermittelt, geprüft und angewendet werden.
Um die Anwendung der Einheitswerte 1964 insbesondere mit Rücksicht auf den Zuschlag von 40 v. H. beim Grundvermögen insgesamt im wesentlichen aufkommensneutral zu halten, hat der Bundesrat den Steuersatz gesenkt und die persönlichen Freibeträge erheblich angehoben. Der Vermittlungsausschuß hat nach Erörterung des Fragenkomplexes mit Mehrheit beschlossen, dem Antrag des Bundesrates aus den von diesem dargelegten Gründen zu folgen. Die Minderheit des Vermittlungsauschusses hat ihre Ablehnung im wesentlichen wie folgt begründet: Die vom Bundesrat vorgeschlagene Senkung des Steuersatzes und die Anhebung der persönlichen Freibeträge einschließlich der Altersfreibeträge betreffen die politisch bedeutsamsten und in ihrer finanziellen Auswirkung gewichtigsten Regelungen des Vermögensteuerrechts. Das vom Bundesrat praktizierte Verfahren führt dazu, daß weder der Finanzausschuß des Bundestages noch der Deutsche Bundestag selbst wichtige Fragen der Reform und ihre Auswirkungen im einzelnen prüfen und mit gebotener Sorgfalt beraten können. Darauf kann aber, so meinte die Minderheit, im Interesse der Gesamtreform nicht verzichtet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703929200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0703929300
Frau Präsidenten! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 11. Mai 1973 wegen des



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
vom Bundestag angenommenen Gesetzes zur Reform des Grundsteuerrechts den Vermittlungsausschuß angerufen. Angestrebt wurde mit diesem Verfahren, daß nicht allein für die Grundsteuer die neuen Einheitswerte 1964 gelten sollen, sondern ebenfalls für die Vermögensteuer; dies ungeachtet der Tatsache, daß die Fragen der Vermögensteuer weder im Bundestag noch in seinem Finanzausschuß beraten und hierzu Beschlüsse gefaßt worden sind. Der Vermittlungsausschuß hat sich der Meinung des Bundesrats mit Mehrheit angeschlossen. Die Fraktion der SPD lehnt diesen Vorschlag aus folgenden Gründen ab:
Erstens. Gesetze werden gemäß Art. 77 Abs. 1 Grundgesetz vom Bundestag beschlossen. Sie sind dem Bundesrat zuzuleiten. Wenn der Bundesrat einem Gesetz nicht. zustimmen will, kann er den Vermittlungsausschuß anrufen. Aufgabe des Vermittlungsausschusses ist es dann, für den Sachbereich, der durch das vorliegende Gesetz behandelt wird, Änderungen als Empfehlung zu beschließen und diese Empfehlung Bundestag und Bundesrat zu übermitteln.
Aufgabe des Vermittlungsausschusses kann es nicht sein, über diesen Sachbereich hinaus andere, nicht in unmittelbarem Sachzusammenhang damit stehende Fragen zu regeln.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Vermittlungsausschuß hat nicht das Recht, jedwede Sache an sich zu ziehen und mit dem zur Beratung stehenden Gesetze zu verbinden.

(Beifall bei der SPD.)

Genau das ist aber im vorliegenden Fall geschehen. Das Grundsteuergesetz hat mit dem Vermögensteuergesetz nur das eine gemeinsam; auch das Vermögensteuergesetz legt, soweit es vom Grundvermögen ausgeht, den Einheitswert zugrunde. Aber gerade diese Frage wurde im Deutschen Bundestag noch nicht behandelt. Es war deshalb überhaupt nicht zulässig, daß der Vermittlungsausschuß einen solchen Beschluß faßte, der darüber hinaus auch wesentliche Neuregelungen des Vermögensteuergesetzes vorsieht, z. B. andere Freibeträge und Änderung des Vermögensteuersatzes selbst.
Zweitens. Seit vielen Jahren ist der Bundestag an der Arbeit, eine Reform unseres Steuerwesens voranzutreiben. Das Zweite Steuerreformgesetz ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Es beinhaltet Reformvorhaben an den Gesetzen, die einheitswertabhängig sind: das Grundsteuergesetz, das Vermögensteuergesetz und das Erbschaftsteuergesetz. Alle drei Gesetze sind eminent wichtig.
Wir haben mit den Beratungen zur Reform des Grundsteuergesetzes nicht zuletzt auch deshalb begonnen, weil die Gemeindefinanzen durch diese Reform aufgebessert werden sollten. Es handelt sich um einen Betrag von etwa 800 Millionen DM jährlich. Dieses Gesetz hat der zuständige Finanzausschuß beraten, und der Bundestag hat entsprechend den Ausschußempfehlungen beschlossen.
Wenn jetzt der Bundesrat diesen Gesetzentwurf ablehnt und sich eine Mehrheit des Vermittlungsausschusses diesem Votum anschließt, und zwar mit der Begründung, wir hätten sonst verschiedene Einheitswerte bei der Berechnung der Grundsteuer einerseits und der Vermögensteuer andererseits, so ist das zwar sachlich richtig, aber keine hinreichende Begründung für diese bedenkliche Verfahrensweise.
Ich traue der Finanzverwaltung sehr wohl zu, in einer Übergangszeit mit zwei verschiedenen Einheitswerten zu arbeiten. Auf keinen Fall jedoch erlaubt eine negative Einschätzung der Leistungsfähigkeit unserer Finanzämter einen derartigen Eingriff in das Gesetzgebungsrecht des Deutschen Bundestags.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der andere Einwand, der vom Bundesrat vorgebracht wurde und dem sich eine Mehrheit des Vermittlungsausschusses angeschlossen hat, betrifft die Befürchtung, auf Grund ,der Regelung des Art. 1 Abs. 1 des Bewertungsänderungsgesetzes aus dem Jahre 1971 könnten die Einheitswerte aus dem Jahre 1935 bei den einheitswertabhängigen Steuern — das schließt die Vermögensteuer ein - nur noch bis zum 31. Dezember 1973 zugrunde gelegt werden. Wenn also die Vermögensteuer heute nicht im Sinne der Mehrheit des Vermittlungsausschusses geregelt würde, könnten im Januar 1974 überhaupt keine Vermögensteuerveranlagungen mehr durchgeführt werden.
Diese Auffassung halten wir für einen Irrtum. Nach wie vor sind wir der Meinung, daß die Anwendung des Einheitswerts aus dem Jahre 1935 bei der Vermögensteuer über den 31. Dezember 1973 hinaus durch eine Korrektur des Bewertungsänderungsgesetzes des Jahres 1971 geregelt werden kann. Das soll dann geschehen, wenn eine ordnungsgemäße Verabschiedung eines neuen Vermögensteuergesetzes in diesem Jahr nicht mehr rechtzeitig erfolgt.
Eine Regelung des wichtigen Komplexes ,,Vermögensteuer" auf derart kurzem Wege hält die sozialdemokratische Bundestagsfraktion für ein unmögliches Verfahren. Sie lehnt deshalb den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ab.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir werden alles versuchen, meine Damen und Herren, das Gesetz zur Reform der Grundsteuer noch so rechtzeitig zu verabschieden, daß hier die neuen Einheitswerte ab 1. Januar 1974 wirksam werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703929400
Das Wort hat der Abgeordnete Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0703929500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU folgendes erklären: Meine Fraktion stimmt dem Antrag des Vermittlungsausschusses im Ergebnis zu.

(Zuruf von der SPD: Oho!)

Es ist immer schon das Anliegen unserer Fraktion
gewesen, die neuen Einheitswerte von 1964 ab 1974
für alle einheitswertabhängigen Steuern in Kraft

Dr. Häfele
treten zu lassen. Eine isolierte Verabschiedung des Grundsteuergesetzes ohne die anderen einheitswertabhängigen Steuern ist ungerecht und vor allem für die Finanzverwaltung untragbar.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es darf nicht ab 1974 praktisch dreierlei Einheitswerte geben, nämlich die von 1964 für die Grundsteuer, für die Vermögensteuer jene von 1935 und für die Erbschaftsteuer womöglich die von 1964 mit einem Zuschlag von 40 %.
Um den Zusammenhang mit der Steuerreform insgesamt zu wahren, ist es auch richtig, daß Vorschaltgesetz bezüglich der Vermögensteuer aufkommensneutral zu gestalten. Sonst bekämen wir Steuermehreinnahmen von rund 1,9 Milliarden DM, welche uns als Verfügungsmasse bei der Steuerreform nicht mehr dienen könnten.
Leider ist die Regierungskoalition in den letzten Monaten auf unsere wiederholten Vorstellungen und damit auf dieses berechtigte Anliegen der Opposition nicht eingegangen. Schon bei der ersten Lesung des Zweiten Steuerreformgesetzes in diesem Hause am 22. Februar dieses Jahres haben wir ein solches Vorschaltgesetz auch für die Vermögensteuer gefordert. Im Finanzausschuß lehnte die Regierungskoalition den entsprechenden Antrag der CDU/CSU am 14. März 1973 ab.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Hört! Hört!)

Bei der zweiten und dritten Beratung des Zweiten Steuerreformgesetzes am 11. Mai 1973 haben wir in diesem Hause noch einmal auf dieses dringende Anliegen hingewiesen. Es ist eindeutig, meine Damen und Herren: die Regierungskoalition trägt die Verantwortung dafür, daß wir verfahrensmäßig in diese mißliche Lage geraten sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Verwaltung muß sehr rasch in den Stand gesetzt werden, die Änderungen bis zum 1. Januar nächsten Jahres vorzubereiten. Deshalb stimmt die Fraktion der CDU/CSU dem Antrag des Vermittlungsausschusses zu, obwohl ihr das Verfahren äußerst bedenklich erscheint.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr richtig!)

Infolge der ablehnenden Haltung der Regierungsfraktionen seit Februar dieses Jahres ist der Finanzausschuß und damit dieses Hohe Haus, der Deutsche Bundestag insgesamt, vor die beinahe unzumutbare Lage gestellt worden, eine vorgeschaltete Vermögensteuerreform praktisch ausschließlich über den Vermittlungsausschuß zu verabschieden, ohne daß das Gesetz gehörig in den Gremien des Deutschen Bundestages beraten worden ist. Auch unser Versuch, wenigstens gestern noch im Finanzausschuß eine solide Einzelberatung zu beginnen, ist durch Mehrheitsentscheidung der Regierungsfraktionen abgelehnt worden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir haben praktisch nur noch die Wahl, ja oder nein zum Antrag des Vermittlungsauschusses zu sagen, ohne irgendwelche Änderungen prüfen oder gar vornehmen zu können,
und dies, obwohl es sich praktisch um ein selbständiges Gesetz handelt, eben das Vermögensteuergesetz, das im Rahmen des Zweiten Steuerreformgesetzes nur einen Artikel darstellt. Es zeigt sich auch hier in diesem Fall, wie fragwürdig eine Artikelgesetzgebung ist.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, wir sagen das in aller Klarheit: Ein solches Verfahren darf sich nicht wiederholen! Wir fordern die Regierungskoalition auf, künftig früher auf berechtigte Oppositionsvorschläge einzugehen, statt bloß ihre eigenen Vorstellungen mit Mehrheitsentscheidungen im Finanzausschuß durchzupeitschen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dies gilt besonders dann, wenn Oppositionsvorschläge wie hier mit dem einstimmigen dringenden Wunsch aller Bundesländer, auch der von der SPD regierten, übereinstimmen.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, hören Sie künftig bei der Steuergesetzgebung mehr auf die berechtigten Forderungen der Steuerpraxis draußen an der Front und damit auch auf die Bundesländer.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703929600
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Loben Sie auch mal die von der SPD und FDP regierten Länder, Herr Kollege!)


Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0703929700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verteilen Lob und Tadel von Fall zu Fall, wie es sich ergibt.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Ich will — eingedenk Ihrer eindringlichen Ermahnung Frau Präsidentin der Versuchung widerstehen, auf die Ausführungen des Kollegen Häfele einzugehen, so lohnend das wäre; aber wir werden über dieses Thema ja noch häufig genug zu sprechen haben.
Die FDP-Fraktion sieht sich nicht in der Lage, diesem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Der Vorschlag bedeutet, gelinde gesagt, eine Überforderung unseres parlamentarischen Selbstverständnisses.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich kann deshalb auch kein Verständnis dafür aufbringen, daß die Opposition, wie soeben durch den Kollegen Häfele angekündigt, trotz der gleichen scherwiegenden formalen Bedenken offenbar die Absicht hat, diesem Vorschlag zuzustimmen. Hier wird einfach eine Umkehr der Verhältnisse zwischen den gesetzgebenden Gewalten im Bund herbeigeführt.

(Abg. Rawe: Das ist ja eine ganz neue Methode! Herr Wehner durfte vorhin!)




Kirst
Es fehlt dem Bundestag bei dieser — man muß es schon einmal so formulieren - Friß-Vogel-oderstirb-Methode, die uns hier vorexerziert werden soll, die Möglichkeit, seiner Verantwortung, seiner Aufgabe, die ihm das Grundgesetz zuweist, gerecht zu werden. Es wäre eigentlich vernünftigerweise nur eine einzige denkbare Reaktion: daß dieser Bundestag ohne Parteischranken Mann für Mann, Frau für Frau, Mitglied für Mitglied ein solches Ansinnen. zurückweisen würde.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier wird die Rolle des Vermittlungsausschusses völlig auf den Kopf gestellt.
Man muß aber dazu doch noch eines sagen. Wir sollten bedenken, daß durch dieses Verfahren, durch diese Taktik des Bundesrates oder der Mehrheit des Vermittlungsausschusses das Ergebnis der aufopferungsvollen Arbeit gefährdet wird, die der Finanzausschuß und in ihm alle drei Fraktionen das sei anerkannt; insofern sage ich ein Lob, Herrn Professor Carstens in den letzten Monaten, seit Februar war es wohl, geleistet haben. Denn das Inkraftsetzen der neuen Einheitswerte für die Grundsteuer wird ja gefährdet, je länger man dieses Spiel betreibt.
Ich will auch noch darauf hinweisen, daß es mir fraglich erscheint, ob wir überhaupt nach der Verfassung und nach der Geschäftsordnung diesem Vorschlag zustimmen könnten, wenn wir wollten. Fraglich erscheint, ob wir nicht z. B. die Rolle des Haushaltausschusses nach § 96 unserer Geschäftsordnung — unabhängig davon, daß es eine Steuer ist, die uns nicht zufließt — berücksichtigen müssen. Ich will in die Sachfrage, die hier dahintersteht, jetzt nicht einsteigen. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß es in keiner Weise erwiesen ist, daß ab 1. Januar 1974 alle drei einheitswertabhängigen Steuern auf die neuen Einheitswerte umgestellt werden müssen. Das ist nicht erwiesen und kann zu Recht bestritten werden. Ob man es will, ist eine rein politische Entscheidung, über die wir uns in diesem Hause, so wie es uns zukommt, zu unterhalten haben werden. Dann ist die Rolle des Bundesrates gegeben. Nur so kann man den logischen Zusammenhang und den logischen Ablauf sehen.
Lassen Sie mich abschließend nur noch folgendes sagen. Ich habe den Eindruck, daß die Gemeinden, um deren Finanzen es ja in diesem Augenblick geht, sicherlich kein Verständnis für das Verhalten der Länder haben. Denn deren Aufgabe ist es im Interesse der Gemeinden zu handeln. Die Länder sollten, wenn sie endgültig über diesen Gesetzentwurf zur Reform des Grundsteuerrechts entscheiden, auch an ihre Obhutspflicht für die Finanzen der Gemeinden denken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703929800
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Stimmenthaltungen? Das zweite war die Mehrheit. Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Antrag abgelehnt.
Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung rufe ich jetzt den Zusatzpunkt 1 zur Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksache 7/531 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 7/685 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß)

— Drucksache 7/655 —Berichterstatter: Abgeordneter Braun (Erste Beratung 34. Sitzung)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Zur zweiten Lesung liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/670 vor, der mehrere Artikel umfaßt. Wird Gesamtbegründung oder Einzelbegründung gewünscht? -Bitte schön, Herr Kollege Braun!

Gerhard Braun (CDU):
Rede ID: ID0703929900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vorgelegt. Der Entwurf ist im zuständigen Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit eingehend beraten worden. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf ist jedoch nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion vollkommen unzureichend und macht nach unserer Ansicht nicht einmal den Versuch, die Probleme der kinderreichen Familie überhaupt anzusprechen.
Die Jahreseinkommensgrenze, die für die Gewährung von Kindergeld an Personen mit zwei Kindern gilt, soll nun von 15 000 DM Jahreseinkommen rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres auf 16 800 DM Jahreseinkommen angehoben werden. Eine solche Angleichung war und ist notwendig; sonst würde ein Teil der Anspruchsberechtigten den Anspruch auf das Zweitkindergeld verlieren. Diese Maßnahme ist auch mit der Haushaltslage vereinbar.
Die Fraktion der CDU/CSU ist der Meinung, daß wir es bei der vorhin genannten Angleichung nicht bewenden lassen dürfen. Diese Anhebung der Jahreseinkommensgrenze kann nur als Teilschritt angesehen werden. Es ist uns unverständlich, daß die Sorgen und Probleme der kinderreichen Familien von der Regierung offenbar nicht gesehen und deswegen nicht erwähnt bzw. angesprochen werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Gerade dieser Teil unseres Volkes wird von den Preissteigerungen der letzten Jahre am härtesten betroffen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Braun
Hier müssen wir Abhilfe schaffen. Aus diesem Grunde haben wir im Ausschuß einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht. Diesen Antrag haben wir hier wieder vorgelegt. Ich darf ihn hiermit begründen. Im Ausschuß sind wir leider mit unserem Antrag unterlegen. Ich hoffe und wünsche, daß auch die Damen und Herren von der SPD- und FDP-Fraktion unserem Änderungsantrag ihre Zustimmung geben.
Mit diesem Antrag bezwecken wir — ich darf das im Zusammenhang vortragen —, daß künftig für das zweite Kind die monatliche Kinderzulage 25 DM, für das dritte Kind 60 DM, für das vierte 70 DM und je 80 DM für das fünfte und jedes weitere Kind beträgt.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß wir jetzt handeln müssen. Die Erhöhung der Kinderzulage kann nicht bis zur Neuordnung des Familienlastenausgleichs hinausgeschoben oder zurückgestellt werden. Die in Verbindung mit der Steuerreform beabsichtigte Neuordnung des Familienlastenausgleichs dürfte doch vor 1976 nicht realisierbar sein. Das ist auch die Jahreszahl, die in der Entschließung der Koalitionsparteien enthalten ist. Aber ich glaube, wir sollten einsehen, daß wir mit Entschließungen — auch mit Ihrer speziellen Entschließung, meine Damen und Herren von SPD und FDP — die Probleme der kinderreichen Familie einfach nicht lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es kann den kinderreichen Familien nicht länger zugemutet werden, auf Grund der gestiegenen Lebenshaltungskosten einen immer geringeren Lebensstandard hinzunehmen. Die von uns beantragte Erhöhung der Kinderzulage soll darüber hinaus vermeiden, daß ein immer größer werdender Kreis von Mehrkinderfamilien unter das sozialkulturelle Existenzminimum absinkt, das 'bereits von der Sozialhilfe garantiert wird.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU würde nicht um Ihre Zustimmung zu diesem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag bitten, wenn dieser Antrag nicht auch finanziell abgesichert wäre. So ist beispielsweise keine rückwirkende Erhöhung vorgesehen; Art. 2 a soll erst mit Wirkung vom 1. Juli 1973 in Kraft treten. Daß und wie diese von uns beantragte Maßnahme zu finanzieren ist, wird mein Kollege Carstens aus dem Haushaltsausschuß nachher vortragen und erläutern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703930000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fiebig.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0703930100
Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! In einem seiner Romane läßt Honoré de Balzac — es sind nicht die „Tolldreisten Geschichten" ; deshalb wird mir die Frau Präsidentin sicherlich das Zitat erlauben — eine Dame zu einem Herrn folgendes sagen: „Du bist so langweilig wie ein Änderungsantrag, der im Parlament gestellt wird." Das Langweilige an dem heutigen Vorgang ist, daß die Opposition alle Jahre wieder den gleichen Antrag einbringt, nämlich den Antrag auf Erhöhung des Kindergeldes für das vierte Kind. Das war im September 1971 und im April 1972 der Fall.

(Abg. Leicht: So lange ist das schon her!)

Repetitio ist zwar mater Studiorum, aber die Wiederholung macht unrealisierbare Vorhaben noch lange nicht durchführbar.

(Abg. Härzschel: Das ist beschämend für euch!)

Mit keinem Wort wird von Ihnen gesagt, wie die zusätzlichen Haushaltsmittel in Höhe von 150 Millionen DM aufgebracht werden sollen.

(Abg. Leicht: Doch!)

Dieses Verfahren muß unsolide genannt werden.
Am 22. Mai dieses Jahres, also vor gut 14 Tagen, hat die Opposition einen Entschließungsantrag zur Stabilitätspolitik eingebracht. Ihr ,damaliger Sprecher hat behauptet, es sei falsch, das Schwergewicht auf die Zurückdrängung der privaten Investitionen zu legen, dagegen ,die Staatshaushalte von konkreten und hinreichend wirksamen Einsparungen weitestgehend zu verschonen. Warum nicht gleich in dieser Phase der Konjunktur eine Menge zusätzlicher Geldausgaben; Kriegsopfer- und Witwenrenten, Verbesserung des BSHG, Bundesjugendplan usw? Die Opposition möchte ,aus dem Bundeshaushalt ein Grimmsches Märchen machen, und zwar nach dem Motto: den „Goldesel" als permanente Geldquelle für Benachteiligte, den „Knüppel aus dem Sack" für die böse Koalition und das „Tischlein, deck dich" in Form des Wahlerfolges für die arme, ach, so verkannte Opposition.

(Abg. Dr. Götz: Das ist ja alles Feuilleton! Das sind doch keine sachlichen Argumente!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703930200
Herr Kollege Fiebig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Franke?

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0703930300
Herr Kollege, wenn Sie kritisieren, daß wir nur um 10 DM erhöhen wollen, sind Sie dann wenigstens bereit, einem größeren Betrag zuzustimmen? Sie können voraussetzen, daß wir dem zustimmen würden.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0703930400
Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Franke, daß zur Zeit im Bundeshaushalt 26 Millionen DM übrig sind. Deshalb also unser Vorschlag, die Einkommensgrenze bei Zweitkindern anzuheben. Wer nicht mehr hat, kann auch nicht mehr ausgeben. Das ist unsere Meinung.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Aber lassen Sie mich noch einmal zur Haushaltslage zurückkehren. Ich betone, ich habe nicht die Frechheit, zu sagen: Die Opposition redet mit zwei Zungen, wenn sie einerseits beim Haushalt Einsparungen fordert und andererseits Mehrausgaben beantragt, ,die noch über den Haushaltsansatz hinausgehen. Ich sage jedoch: Die Opposition ist sehr geschickt, mit mehreren Zungen zu sprechen. Man



Fiebig
merkt die Absicht, und man ist verstimmt. In den familienpolitischen Blättern rauscht es, die Opposition läßt die Goldtaler rollen und wird gelobt. Im Wirtschaftsteil mancher Zeitungen rauscht es ebenfalls; die Opposition ist so sparsam und wird ebenfalls gelobt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703930500
Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0703930600
Bitte schön!

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0703930700
Herr Kollege Fiebig, es ist richtig, daß auch wir uns den finanzpolitischen Gegebenheiten beugen. Aber glauben Sie nicht, daß das auch in der Form möglich ist, daß man klare Prioritäten setzt, und daß eine Priorität eben die Familie sein sollte?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0703930800
Darauf, was wir alles für die Familie tun, werde ich zum Schluß kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was denn? — Abg. Franke [Osnabrück]:: Meinen Sie das Sexualstrafrecht, Herr Fiebig? Meinen Sie den § 218? — Abg. Dr. Althammer: Er meint die Pornographie!)

Sie dürfen doch die Kindergeldfrage nicht isoliert von anderen gesellschaftspolitischen Maßnahmen sehen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

In den vergangenen Beratungen haben Sie uns in diesem Punkt zugestimmt. Heute nehmen Sie wieder eine andere Haltung ein.
Ich sprach eben davon, daß die Opposition auf Sparsamkeit aus ist. Sparsam, meine ich, ist sie an diesem Punkt auch mit ihrer Phantasie und Beobachtungsgabe, Herr Kroll-Schlüter. Denn die letzte Verbesserung des Ausbildungsförderungsgesetzes muß auch in familienpolitischer Hinsicht gewürdigt werden. Wer mehr für eine bessere Ausbildung junger Menschen tut, betreibt eine hervorragende Familienpolitik. Wer Wohnungseigentum fördert, um mehr Wohnraum zu schaffen, wer Wohngeld bereitstellt, sorgt für eine kinderfreundliche Umwelt.

(Abg. Nordlohne: Über das Thema Wohngeld wollen wir hier gar nicht reden!)

Auch das ist Familienpolitik. Erst die Vielseitigkeit einer familiengerechten Politik bringt Effizienz und bezeugt soziale Verantwortung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703930900
Das Wort hat der Abgeordnete Carstens.

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID0703931000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fiebig, an unseren vielen Anträgen, die Sie soeben angesprochen haben, können Sie erkennen, welche Versäumnisse die Regierung gerade auf dem Gebiet des Kindergeldes zu verantworten hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich meine, daß es ein Hohn ist, bei diesen hohen Inflationsraten alles auf 1976, auf die große Steuerreform schieben zu wollen. Meine Damen und Herren, mein Fraktionskollege Braun hat soeben — ich meine, sachlich — begründet, daß eine Erhöhung des Kindergeldes unbedingt not tut, und zwar zum baldmöglichsten Termin. Wenn nun auch durch die Steuerreform 1976 eine wesentliche, wenn auch späte, leider viel zu späte Verbesserung des Kindergeldes eingeführt werden soll,

(Abg. Leicht: Vielleicht!)

so sollten wir doch die Möglichkeit nutzen - wenn überhaupt eine Möglichkeit dazu besteht —, zwischendurch eine Erhöhung des Kindergeldes vorzunehmen, und seien es auch nur 10 DM pro Monat und sei es auch nur vom vierten Kind an ab 1. Juli 1973.
Ich hatte bisher aus den Diskussionen in den einzelnen Ausschüssen den Eindruck, daß auch die meisten Kolleginnen und Kollegen der SPD- und der FDP-Fraktion durchaus der Ansicht seien, daß man zwischendurch eine Erhöhung des Kindergeldes vornehmen sollte. Es ist uns aber immer wieder gesagt worden, daß eine Finanzierung dieses von uns gestellten Antrags nicht möglich sei. Es kann also hier nur um den Nachweis gehen, ob es möglich ist, im Rahmen der bisherigen Haushaltsansätze für 1973 und der Ansätze in der mittelfristigen Finanzplanung diese Erhöhung des Kindergeldes zu finanzieren.
Es geht im Jahre 1973 um etwa 75 Millionen DM und in den Jahren 1974 ff. um jeweils etwa 150 Millionen DM. Falls ich nun nachweisen kann, daß es möglich ist, im Rahmen dieser Ansätze die Erhöhung zu finanzieren, dann meine ich, können auch die Kollegen aus der Koalition unserem Antrag folgerichtig nur zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie sieht es nun mit den Finanzierungsmöglichkeiten aus? Wenn man die Zahl errechnen will, wäre es eigentlich am einfachsten, wenn man die effektiv gezahlten Kindergeldbeträge der ersten vier Monate nähme, um dann durch eine Hochrechnung auf das Jahresergebnis zu kommen. Nun stehen wir leider vor der Sachlage, daß uns in den letzten Wochen zwei Zahlen — zum einen von Frau Minister Focke im Haushaltsausschuß und zum anderen vom Finanzministerium — genannt wurden, die jedoch nicht herangezogen werden können, weil sie erheblich voneinander abweichen, obwohl nur zwei bis drei Wochen Zeitdifferenz dazwischen lag.
Das Jahresergebnis 1973 muß also auf eine andere Art vorausberechnet werden; denn auf Grund der Zahl von Frau Minister Focke war genug Geld vorhanden, während auf Grund der Zahl aus dem Finanzministerium der Ansatz, der zur Zeit im Haushalt steht, nicht einmal für das reichte, was sowieso schon auf uns zukommt.
Zunächst möchte ich einmal deutlich machen, daß ein Jahresfehlbetrag von 75 Milionen DM — um



Carstens (Emstek)

diese Summe geht es ja — nichts Außergewöhnliches ist. Ich glaube, daß das ein wichtiges Argument als erstes ist.
Im Jahre 1970 war das Soll, also die im Haushaltsansatz vorsehene Summe, um 104 Millionen DM höher als das tatsächliche Ergebnis. Im Jahre 1971 waren es 73 Millionen DM und im Jahre 1972 zirka 90 Millionen DM. Von meinen älteren Kollegen im Haushaltsausschuß wurde mir eindeutig bestätigt, daß das zuständige Ministerium kontinuierlich in jedem der letzten drei Jahre mit allem Nachdruck gesagt habe, daß es sich hier um realistische Einschätzungen handele.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Meine Kolleginnen und Kollegen, schon allein auf Grund dieses Erfahrungssatzes könnte man annehmen, daß sich auch 1973 ein solcher Fehlbetrag ergibt. Aber darauf brauchen wir uns nicht allein zu stützen, da es darüber hinaus genügend Argumente für die Richtigkeit unserer Berechnung gibt.
Wenn man von unten nach oben aufbauen will, muß das Ist-Ergebnis, also die tatsächliche Ausgabe des Jahres 1972, Grundlage sein. Nun stellen wir hierbei die Besonderheit fest, daß der Soll-Ansatz 1973, obwohl er gegenüber dem Ansatz 1972 um zirka 44 Millionen DM herabgesetzt wurde, trotzdem noch um zirka 46 Millionen DM über den tatsächlichen Ergebnis von 1972 liegt. Hier haben wir schon zunächst einmal die Zahl von 46 Millionen, wenn man nicht nachweisen kann, daß im Jahre 1973 mehr Ausgaben erfolgen als 1972. Ich will Ihnen nachweisen, daß wir im Jahre 1973 bei den jetzigen Ansätzen noch weniger Geld auszugeben haben, als das 1972 der Fall gewesen ist.
Es geht also nur noch um 29 Millionen DM. Nun steht in der Regierungsvorlage und auch in den Stellungnahmen des zuständigen Fachausschusses, daß die Erhöhung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld keine zusätzlichen Ausgaben mit sich bringt, weil lediglich die Einkommensgrenzen angehoben wurden. Wenn man also darangeht, diese 29 Millionen DM zu finden, braucht man sich nicht mehr stark anzustrengen; denn jeder von uns weiß doch, daß die Zahl der kindergeldberechtigten Kinder auf Grund der stark fallenden Geburtenziffern seit einigen Jahren leider ständig sinkt. Meine Damen und Herren, 1973 wächst zum Beispiel eine Jahrgangsstärke von etwa 800 000 aus dem Kindergeld heraus, während wahrscheinlich nur etwa 630 000 bis 650 000 Kinder in diesem Jahre geboren werden, wenn nicht, wie ich hinzufügen möchte — ich komme aus Norddeutschland —, die Sturmkatastrophe im November 1972 wegen des Stromausfalls noch positive Folgen zeigen wird.

(Heiterkeit.)

Hinzu kommt, meine Damen und Herren, daß bei einem Rückgang der Geburtenziffern die Zahl der kinderreichen Familien, die ja ein höheres Kindergeld bekommen, ebenfalls ständig abnimmt.
Diese Angaben von mir werden durch Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit voll bestätigt. Sowohl im Vergleich März/April 1972 zu März/April 1973 als auch im Vergleich Januar/Februar 1973 zu März/April 1973 ergibt sich eine fallende Tendenz, und es ist jetzt schon vorauszusehen, daß diese Entwicklung weiter anhalten wird, so daß auch für die Folgejahre die Finanzierung unseres Gesetzentwurfes im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung gesichert ist.
Meine Damen und Herren, nun könnte man noch sagen, daß Mehrkosten infolge längerer .Ausbildungszeiten entstehen. Diese treten in wesentlichem Umfang nicht ein, da sich die Entwicklung auf diesem Sektor mittlerweile stabilisiert hat.
Der einzige Punkt, der von uns als ausgabenträchtig und stetig steigend ins Auge gefaßt werden muß, ist die Zahl der kindergeldberechtigten Kinder von Ausländern. Bei dieser Zahl habe ich einwandfrei feststellen können, daß zunächst einmal, bis Ende April 1973, weniger kindergeldberechtigte Kinder von Ausländern hier bei uns in Deutschland sind, als es im Jahresdurchschnittsergebnis 1972 der Fall gewesen ist. Nun können diese Zahlen noch leicht ansteigen, und ich möchte durchaus annehmen, daß diese Ausländerkinderzahlen um etwa 50 000 ansteigen werden. Diese Kinder gleichen den Geburtenrückgang bei uns jedoch in keiner Weise aus.
Ich sehe dem tatsächlichen Ergebnis von 1973 und darauf kommt es ja an — mit aller Gelassenheit entgegen. Ich bin fest davon überzeugt, daß sich meine Berechnung als richtig erweist, wonach für 1973 mindestens 75 Millionen DM zur Verfügung stehen werden.
Als letztes möchte ich noch kurz auf die stabilitätsmäßige Rechtfertigung dieses Punktes eingehen, weil ich meine, daß das bei der Begründung unbedingt erforderlich ist. Gesamtwirtschaftlich ist dieser Antrag zweifelsfrei gerechtfertigt, da die für 1973 und die nächsten Jahre von der Regierung vorgesehenen Kindergeldbeträge nicht überschritten werden. Wir wollen keine Mehrausgaben, sondern uns nur im Rahmen der bisher veranschlagten Summen bewegen. Darüber hinaus ist die Kindergelderhöhung weit mehr als nur berechtigt. Ich meine, sie ist aus sozialen Gründen dringend geboten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es soll bei dieser Frage im übrigen keiner mit dem Vorwurf des Preisauftriebseffektes kommen, wenn einwandfrei feststeht, daß wir im Rahmen der ohnehin vorgesehenen Ansätze bleiben.
Fazit: Die Erhöhung des Kindergeldes ist dringend geboten. Gesamtwirtschaftlich bestehen keine nennenswerten Bedenken, und die Finanzierung ist im Rahmen der jetzigen von der Regierung vorgesehenen Haushaltsansätze gewährleistet. Meine Damen und Herren, Sie sollten in allen Fraktionen die Notwendigkeit und die Durchführbarkeit unseres Gesetzentwurfes anerkennen und der Erhöhung ab 1. Juli 1973 möglichst einstimmig zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703931100
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Westphal.




Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703931200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in besonderer Weise an die Opposition wenden und sagen: wir von der Bundesregierung verdenken Ihnen nicht, daß Sie das Thema Erhöhung von Kindergeld für größere Familien ansprechen und dazu Anträge stellen. Die Bundesregierung bestreitet nicht, daß die wirtschaftliche Entwicklung es wünschenswert macht und daß es auch eine ganze Reihe guter Gründe dafür gibt, diesen größeren Familien Entlastung zu geben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist notwendig!)

Die Bundesregierung steht gleichzeitig vor der Situation, von allen Seiten aufgefordert zu sein — und dieses auch aus eigenem Wollen tun zu müssen —, die öffentlichen Ausgaben zu drosseln, um die Konjunktur nicht von dieser Seite her noch mehr anzuheizen. Zu denen, die von uns erwarten und verlangen, daß wir öffentliche Ausgaben nicht noch mehr steigern, gehören Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, und auch die Länder, die ebenfalls einen solchen Antrag gestellt haben, den Sie sozusagen wörtlich übernommen haben. Ich meine insbesondere das Land Rheinland-Pfalz. Aber für das, was Sie hier vortragen, fehlt eindeutig und klar der Deckungsvorschlag.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703931300
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baier?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703931400
Ja, gern!

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0703931500
Herr Staatssekretär Westphal, würden Sie mir zum einen bestätigen, daß Ihre Fraktion im Jahre 1969 gemeinsam mit der CDU/ CSU eine Entschließung mit dem Ziel verabschiedet hat, in der neuen, d. h. in der sechsten Legislaturperiode unverzüglich die Kindergeldsätze anzuheben, und würden Sie mir zum zweiten bestätigen, daß im Haushaltsausschuß Ihre Ministerin — ich bin nicht sicher, ob Sie nicht auch anwesend waren — mir auf meine Frage erklärt hat, daß etwa 100 Millionen Mark in diesem Haushaltsjahr an Kindergeld wiederum nicht ausgegeben werden? Dies ist die Deckung unseres Antrages ohne eine Ausweitung des Haushalts.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703931600
Ich dachte, Sie wollten nur eine Frage stellen, Herr Kollege Baier.
Zunächst zu der Entschließung. Daß es eine solche Entschließung gegeben hat, möchte ich in gar keiner Weise bestreiten. Nur ging die Vorlage davon aus, daß der damalige Finanzminister in der mittelfristigen Finanzplanung frühestens für das Jahr 1971 200 Millionen DM Steigerung für Kindergeld vorgesehen hatte. Was hat die neue Regierung getan?
Bereits im ersten Jahr ihrer Existenz, im Jahre 1970, hat sie 400 Millionen hinzugefügt, also das Doppelte, d. h. sie hat die Entschließung gut erfüllt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zweitens, zur Aussage im Haushaltsausschuß. Ich möchte Herrn Kollegen Leicht, den ich hier sitzen sehe, als den verantwortungsbewußten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses ansprechen. Müssen sich Ihnen bei dem, was Herr Carstens (Emstek) hier soeben gesagt hat, bei dieser unseriösen Überlegung einer Deckung, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, nicht die Haare gesträubt haben? Es wurde vorgeschlagen, 75 Millionen DM für ein halbes Jahr mehr zu fordern, ohne daß auch nur ein wenig am Ansatz geändert werden sollte. Ich will Ihnen das an Hand der Entwicklung und einiger Zahlen ein wenig näher begründen.
Herr Carstens, Tatsache ist, daß der Bundesfinanzminister bei der Beratung, die Sie über diesen Antrag im Haushaltsausschuß gehabt haben, die Summe genannt hat, die von ihm für die ersten vier Monate dieses Jahres für die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg bereitgestellt worden ist, nämlich den Betrag von 1,110 Milliarden DM. Tatsache ist, daß Frau Bundesminister Focke bei den kurz vorher liegenden Haushaltsausschußberatungen über den Einzelplan 15 zu diesem Thema Beträge genannt hat, die damit nicht exakt übereinstimmen. Wir haben uns auf die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit gestützt; wir bekommen von dort nicht nur die Vorausschätzungen, sondern auch die genauen Zahlen. Für dieselben vier Monate ist uns die Summe von 1,091 Milliarden genannt worden. Die Differenz ist so „riesig", daß ich bei diesem Betrag in der Größenordnung von über 1 Milliarde DM auf einen Unterschied von 19 Millionen DM komme. Herr Carstens, das ist die erste Sache.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703931700
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703931800
Bitte sehr!

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID0703931900
Herr Staatssekretär, haben Sie sich nicht wie ich beim Finanzministerium erkundigt und erfahren, daß es sich bei den Zahlen für die ersten vier Monate nicht um voll bereinigte Zahlen handelt?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703932000
Das sage ich Ihnen ja gerade! Die Zahl des Finanzministeriums — also das, was es auf Grund der Anforderung vor der Auszahlung bereitgestellt hat — lautet 1,110 Milliarden. Aber das, was bis jetzt abgerechnet worden ist, sieht anders aus. In der Zeit, als Frau Minister Focke dazu antworten konnte, waren es 1,091 Milliarden DM. Und jetzt, ein paar Wochen später, da die exakten Zahlen vorliegen, handelt es sich um den Betrag von 1,087 Milliarden DM — also 4 Millionen DM Differenz.

Parl. Staatssekretär Westphal
Und nun zu Ihrem Hochrechnungsvorgang. Sie sagen, für dieses Jahr müßten etwa 75 Millionen DM verfügbar sein — für die Lösung, die Sie vorschlagen und die Sie von Rheinland-Pfalz übernommen haben. Erinnern Sie sich bitte in diesem Zusammenhang daran, daß das Land Rheinland-Pfalz im Bundesrat den Antrag zunächst auf das ganze Jahr abgestellt hatte. Das war noch weniger seriös. Es hätte bedeutet: 150 Millionen DM bleiben vom Ansatz übrig. Sie haben das dann bemerkt und haben auf die Hälfte reduziert. Ist aber die Hälfte verfügbar? Es wäre schön, wenn es so wäre. Leider ist dem nicht so.
Was kann eine verantwortungsbewußte Regierung nur tun? Sie kann sagen: 4 Monate sind abgelaufen; es ergibt sich aus dem, was an Rest vorhanden ist, ein Mehr im Titel.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie müssen schon zuhören. Es ist ein bißchen schwierig. Sie haben Ihre ganze Rechnung hier auch aufgemacht.
Wenn man hochrechnet: 4 Monate auf das ganze Jahr ergibt jetzt auf der neuen Basis — 38 Millionen DM im ganzen Jahr; auf der Basis, auf der Frau Minister Focke im Ausschuß vorgerechnet hatte, waren es noch 26 Millionen DM. Das ist die Differenz mit den 4 Millionen, von der ich soeben gesprochen habe. 38 Millionen auf das ganze Jahr sind aber nicht 75 Millionen — ganz abgesehen von dem, was sich im nächsten Jahr ergibt. Ich muß leider sagen: Ihre Rechnung ist nicht seriös'; es tut mir leid.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703932100
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baier?

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0703932200
Herr Staatssekretär Westphal, um Zahlen läßt sich ja trefflich streiten. Würden Sie mir wenigstens bestätigen, daß Sie in den vergangenen Jahren bei ähnlichen Anträgen der CDU ähnlich, ja genauso argumentiert haben wie heute, daß aber in jedem Jahr die von uns vorgenommenen Schätzungen sich nachträglich als zutreffend herausgestellt haben und daß jedes Jahr 70 bis 100 Millionen DM an Kindergeld übrigblieben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703932300
Herr Kollege Baier, unser Problem ist: wir haben jetzt April-Zahlen und müssen auf dieser Basis entscheiden. Wenn wir im Oktober oder November zu entscheiden hätten und dann August- oder Oktober-Zahlen vorliegen hätten, könnte es sein, daß es anders aussähe.

(Abg. Franke [Osnabrück]:: Ist das ein Angebot?)

— Das kann ich nicht machen, weil ich seriöse Haushaltspolitik zu betreiben habe, nicht nur weil ich früher dem Haushaltsausschuß angehört habe. Es geht deswegen nicht, weil ich von der jetzigen Lage auszugehen habe. Meine Damen und Herren, wenn
auf das ganze Jahr umgerechnet eventuell 38 Millionen DM übrig bleiben, kann niemand von uns — das kann auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses nicht anders sagen — anders handeln als zu bestätigen, daß es nicht ginge.
Es sind zwei gegenläufige Bewegungen, die diesen Titel beeinflussen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703932400
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703932500
Darf ich eben den Satz zu Ende führen? — Es sind zwei gegenläufige Bewegungen. Die eine, nach abwärts gerichtet: geringere Geburtenzahlen, deshalb weniger Kindergeld. Die andere, nach aufwärts gerichtet: mehr Ausländerkinder, die Anspruch auf Kindergeld haben. Daß die Zahl der Ausländerkinder nach oben geht, wird, glaube ich, nirgendwo bestritten. Daraus abzuleiten, am Ende des Jahres sei etwas übrig in der Größenordnung, wie Sie sie nennen, das kann hier leider keiner vertreten. — Bitte sehr, Herr Althammer!

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0703932600
Herr Staatssekretär, wären Sie ungeachtet der Tatsache, daß wir noch in jedem Jahr mit unserer Schätzung am Jahresende recht behalten haben, wenigstens bereit, wenn Sie wissen, daß nach Abschluß der Haushaltsberatungen, die heute erfolgt sind, insgesamt 100 Millionen DM zur Verfügung stehen, aus diesen allgemein eingesparten Mitteln dem Antrag stattzugeben?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0703932700
Herr Kollege Dr. Althammer, Sie wissen ganz genau, daß ich nicht der Finanzminister bin.

(Abg. Franke [Osnabrück]:: Sie haben von seriöser Haushaltspolitik gesprochen!)

Das, was die Koalition vorgelegt hat, ist eine Entschließung für die dritte Lesung, in der gesagt wird: Bundesregierung, prüfe! Dies möchte ich hier von mir aus ernsthaft zusagen, auch wenn wir noch nicht in der dritten Lesung sind.

(Abg. Franke [Osnabrück]:: Herr Westphal, schlicht und einfach: Sie wollen nicht!)

Ich möchte gern zum Schluß kommen und sagen, daß sich das, was die Bundesregierung auf diesen Gebieten vorzuzeigen hat, auch vor der Familie — auch vor der größeren Familie sehen lassen kann.

(Nein! bei der CDU/CSU.)

Denken Sie bitte an die Erhöhung, die ich vorhin angesprochen habe. Denken Sie an das, was Kollege Fiebig hier aufgeführt hat, an die Verbesserungen, individuell gezielt auf die Einzelfamilie, wo es um Ausbildungsförderung und Wohngeld geht.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber denken Sie bitte auch daran, daß diese Regierung sich den großen Familienlastenausgleich vor-



Parl. Staatssekretär Westphal
genommen hat. Er ist terminiert, da steht ein Datum, und dort steht auch, daß für diesen Familienlastenausgleich 4 Milliarden DM zusätzlich bewilligt werden sollen. 4 Milliarden DM zusätzlich sind eine Sache, bei der man sehen muß, daß man nicht zwischendurch kleinere Lösungen verwirklichen kann. Dies müssen auch andere einsehen, und jeder muß daraus erkennen, daß der Schritt, der jetzt getan werden kann, einzig und allein derjenige ist, der dazu führt, beim Zweitkindergeld die Einkommensgrenze anzuheben.
Dem zuzustimmen möchte ich Ihnen vorschlagen. Leider muß ich anraten, den Antrag der Opposition aus den hier dargelegten Gründen abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Marx: Gut, daß Sie „leider" gesagt haben! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703932800
Wir kommen jetzt zur Einzelabstimmung. Kann ich alle Kollegen des Hauses damit einverstanden wissen, daß wir über den Antrag der CDU/CSU im ganzen und nicht etwa abschnittsweise abstimmen?

(Zurufe von der CDU/CSU: Einverstanden!) — Dann stelle ich ihn hiermit zur Abstimmung.

Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.

(Abg. Wehner: Auszählen! — Weitere Zurufe von der SPD: Auszählen! — 31! — 38! — So wichtig ist das für die!)

Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? -
Stimmenthaltungen? — Angenommen.
Wir kommen damit zur
dritten Lesung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall, Wer dem Gesetz in dritter Beratung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP. Wird von den Antragstellern das Wort dazu gewünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Fiebig!

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0703932900
Ich benutze die Gelegenheit, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, festzustellen, wie sehr die Opposition in den letzten Minuten geschrumpft ist. Ich glaube, sie ist jetzt bei knapp Fraktions-Mindeststärke angelangt

(Unruhe bei der CDU/CSU)

und macht damit deutlich, welche ein großes Interesse sie insgesamt diesem Fragenkomplex entgegenbringt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber billig! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Mit der eingebrachten Entschließung wollen die Koalitionsfraktionen ihren Willen unterstreichen, in dieser Legislaturperiode den Familienlastenausgleich herbeizuführen. Das bedeutet, daß an die Stelle von Kindergeld plus Steuererleichterungen nach dem jetzigen System ein einheitliches Kindergeld tritt. Damit wollen wir eine Verlagerung von ,höheren zu niedrigeren Einkommen zugunsten der Kinder erreichen. Das jetzige System begünstigt die Bezieher hoher Einkommen und benachteiligt die Bezieher niedriger Einkommen.
Dieser Familienlastenausgleich bedeutet eine Wende in der Familienpolitik. 4 Milliarden DM sollen zusätzlich in den Familienlastenausgleich fließen.

(Abg. Leicht: Das ist nicht wahr! Doch nicht zusätzlich!)

Darüber hinaus wird Geld von hohen auf niedrige Einkommen verlagert. Dies wird der große Wurf sein, von dem wir uns nicht abbringen lassen.
Immer wieder werden Zwischenlösungen vorgeschlagen. So z. B. fordert der Deutsche Familienverband zusätzlich pro Kind 40 DM als monatliche Abschlagszahlung. Dies hätte einen Mehraufwand von 7,3 Milliarden DM zur Folge. Wer Forderungen erhebt, muß die Kosten nennen, muß Deckungsvorschläge machen,

(Abg. Leicht: Alles klar!)

muß aber auch wissen, daß bruchstückhafte Vorschläge die große Lösung des Familienlastenausgleichs gefährden.

(Abg. Leicht: Aha! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Genau! — Sie sagen es!)

Der Familienlastenausgleich, wie wir ihn befürworten, läßt sich nur im Zusammenhang mit dem Steuerrecht und der Steuerreform verwirklichen. Davon erwarten wir einen wesentlichen Durchbruch zu neuen Lösungen in der Kindergeldfrage. Im Namen der Koalitionsfraktionen beantrage ich die Annahme der Entschließung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0703933000
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0703933100
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU möchte ich feststellen, daß der soeben begründete Entschließungsantrag unserem heute von der Mehrheit der Regierungskoalition abgelehnten Änderungsantrag nicht gerecht wird, der die Verbesserung der Kindergeldsätze ab dem vierten Kind um 10 DM je Kind vorsieht.
Lieber Kollege Fiebig, Sie haben eben einen rhetorischen Griff, insbesondere in Ihrer ersten



Burger
Rede, in das Reich der Märchen getan. Dies mag sehr rührend gewesen sein, war aber durchaus nicht argumentativ.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Märchen

(Abg. Fiebig: Werden von der Opposition erzählt!)

haben einen tiefen Sinn. Ich möchte Ihnen doch nicht unterstellen, daß Sie mit diesen Märchenerzählungen andeuten wollten, daß die Versprechungen der Regierungskoalition von Chancengleichheit, mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr Lebensqualität auch Märchen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lebensqualität beginnt doch bei den einzelnen Menschen. Die einzelnen Menschen aber leben in einer Familie. Diese Familien sind in eine Notsituation hineingeraten; das wird doch nicht bestritten, das hatten Sie nicht bestritten, das hat der Herr Staatssekretär eben noch einmal unterstrichen. Das beweisen die zunehmenden Ausgaben der Sozialhilfe, die die Familien mit mehreren Kindern in Anspruch nehmen müssen.
Wenn Sie sagen „alle Jahre wieder kommt die Opposition", so beweist das doch, daß die Opposition bereit und gewillt ist, in ihrer Prioritätenliste die Familie an die erste Stelle zu setzen, und daß wir nicht gewillt sind, Konjunktur- und Stabilitätspolitik auf dem Rücken der kinderreichen Familien zu betreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Überkonjunktur, Hochkonjunktur oder Preissteigerungen, wie wir sie derzeit haben, sind noch niemals von kinderreichen Familien oder Familien mit Kindern verursacht worden. Es ist stabilitätspolitisch und konjunkturpolitisch durchaus sinnvoll, im Rahmen eines Bündels von Maßnahmen auch diejenigen zu bedenken, die durch die hohe Zunahme der Lebenshaltungskosten besonders geschädigt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist bei früheren Stabilitätsprogrammen immer so gewesen: Wenn sich die Schere sichtbar öffnet und so deutlich wie in der Situation der Familie öffnet, dann muß diese schlechte Entwicklung auch mit kleineren Übergangsmaßnahmen kompensiert und teilweise ausgeglichen werden. Dies ist der Sinn unserer ständigen Anträge, die wir wiederholen und immer wieder wiederholen werden.
Wir haben ja heute einen bescheidenen Teilerfolg: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu prüfen, ob eine Aufstockung der Kindergeldleistungen für das vierte Kind möglich ist. Also sind wir auf der richtigen Fährte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun noch kurz zu Ihren grundsätzlichen Ausführungen, Herr Kollege Fiebig. Erstens. Wir stimmen darin mit den Koalitionsfraktionen überein, daß die Neuordnung des Familienlastenausgleichs zusammen mit der Steuerreform zum 1. Januar 1976 in Kraft treten soll. Aus der Sicht der Koalitionsparteien finden wir es sogar begreiflich, daß bei diesen Hemmungen bestehen, die Leistungen nach dem Kindergeldgesetz vom vierten Kind ab zu erhöhen, weil nämlich eine solche Maßnahme in der Tat nur schwer mit den Eckwertbeschlüssen zur Neuordnung des Familienlastenausgleichs von 1971 in Einklang zu bringen ist. Wir sind der Auffassung, daß die Eckwertbeschlüsse in mehrfacher Hinsicht namentlich den größeren Familien nicht gerecht werden. Der vorgesehene Leistungsrahmen, nach dem für das erste Kind 50, für das zweite Kind 70, ab dem dritten Kind 90 DM gezahlt werden sollen, und zwar unter Beseitigung der heutigen Steuerfreibeträge für Kinder, trug bereits 1971 der materiellen Situation der kinderreichen Familien nicht genügend Rechnung, weil diesen selbst im günstigsten Fall eine angemessene Anpassung der Ausgleichsleistungen an die wirtschaftliche Entwicklung verweigert wurde. In vielen Fällen waren sogar Besitzstandseinsprüche vorgesehen oder würden sich ergeben.
Zweitens. Die Eckwertbeschlüsse waren auf den 1. Januar 1974 fixiert, nicht dagegen, wie es jetzt vorgesehen ist, auf den 1. Januar 1976. Wir halten es nicht für vertretbar, die Eckwertbeschlüsse von 1971 als Ausgangsüberlegungen für Reformüberlegungen anzuerkennen, da bereits im Zeitraum von 1971 bis heute die Lebenshaltungskosten für ein Kind wesentlich stärker angestiegen sind, als 1971 angenommen wurde.
Da mit einer weiteren Steigerung der Lebenshaltungskosten bis zum ursprünglich vorgesehenen Reformtermin 1. Januar 1974 -- zu rechnen ist und da sich die Einkommens- und Preisentwicklung von 1974 bis 1976 auch in den Aufwendungen der Familien für ihre Kinder sehr erheblich niederschlagen wird — auch bei einer sehr vorsichtigen Beurteilung der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung —, wird man nicht leugnen können, daß die monatlichen Mindestaufwendungen je Kind mindestens um 40 DM höher liegen werden, als bei der Konzipierung der Eckwerte im Jahre 1971 angenommen worden ist.
Dies bedeutet, daß die Gesamtheit der Familien für den Lebensbedarf ihrer Kinder jährlich mindestens acht Milliarden DM mehr aufwenden muß, als 1971 angenommen wurde.
Wir haben bei den Diskussionen im Ausschuß immer wieder gehört, daß bei der Bemessung der Kindergeldleistungen von den Kosten auszugehen ist, die für die Erziehung eines Kindes wirklich entstehen.
Auf der Basis der Eckwerte von 1971 kann auch nicht mehr davon die Rede sein, daß für die Familien jährlich zusätzlich vier Milliarden DM bereitgestellt werden sollen. Von diesen vier Milliarden DM sind zunächst einmal die Mehrwertsteuerbelastungen in Abzug zu bringen, die im Rahmen der Steuerreform vorgesehen sind und von denen die Familien auch stark betroffen sind.
Desgleichen muß berücksichtigt werden, daß die Auswirkungen der Steuerfreibeträge auf Grund der prozentual steigenden Einkommen- und Lohnsteuer-



Burger
belastungen der Erwerbseinkünfte stärker zu Buche schlagen, als 1971 angenommen wurde. Von einer Mehrleistung für die Familien von vier Milliarden DM kann also nicht mehr die Rede sein, wenn nicht die Eckwerte für den Familienlastenausgleich korrigiert werden.
Bei allen Überlegungen hinsichtlich möglicher Verbesserungen der Leistungen für die Familien mit Kindern und insbesondere die kinderreichen Familien sollten zunächst einmal seitens der Bundesregierung die Eckwerte neu festgesetzt werden. Dann wird sich nämlich herausstellen, daß Vorabverbesserungen der Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz in einem bescheidenen Rahmen möglich sind, ohne ein vernünftiges Konzept der Neuordnung des Familienlastenausgleichs zu behindern.
Die CDU/CSU hält Vorabverbesserungen der Leistungen, insbesondere für die kinderreichen Familien, vor der Neuordnung des Familienlastenausgleichs für unerläßlich, weil nicht hingenommen werden kann, daß ein wachsender Anteil dieser Familien im Lebensstandard unter die Sozialhilfeschwelle absinkt.
Wir können auch nicht hinnehmen, daß wegen Untätigkeit des Bundes die Sozialhilfeträger allmählich die Funktion des Familienlastenausgleichs übernehmen müssen, um den größeren Familien wenigstens den sozial-kulturellen Normbedarf zu sichern. Hier sind die Gemeinden und Gemeindeverbände auch finanziell überfordert.
Die von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entschließung wird den Ansprüchen der Familien in keiner Weise gerecht. Der Entschließungsantrag sollte nach unserer Auffassung — ich möchte dies jetzt beantragen — dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit überwiesen werden, um dort eine gemeinsame parlamentarische Basis für einen an die Bundesregierung gerichteten, dahin gehenden Auftrag zu suchen, daß den kinderreichen Familien in angemessener Weise geholfen werden kann.
Sollte sich die Mehrheit dieses Hauses der Ausschußüberweisung widersetzen, würde sich meine Fraktion bei der Verabschiedung des Entschließungsantrags der Stimme enthalten, weil er der behandelten Materie nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703933200
Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0703933300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde Ihre Zeit nicht strapazieren. Sie wissen, was heute hinter uns liegt.
Ich stelle den Antrag, daß der Antrag meines Vorredners, den Entschließungsantrag auf Drucksache 7/672 an den Ausschuß zu überweisen, abgelehnt wird, und bitte um Annahme des Entschließungsantrages.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703933400
Wird des weiteren das Wort gewünscht? Dann können wir zur Abstimmung kommen. Es ist beantragt, den Antrag an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. Dieser Antrag ist als geschäftsordnungsmäßiger Antrag zuerst zu behandeln. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ,das Handzeichen. Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; die Überweisung ist abgelehnt.
Damit kommen wir zum Antrag selbst. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, den interfraktionellen Vereinbarungen folgend wird nunmehr Punkt 20 aufgerufen:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Rollmann, Dr. Eyrich und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze von Kindern als Zeugen im Strafprozeß
— Drucksache 7/649 —
Wer begründet den Antrag? — Niemand begründet den Antrag.
Ich komme zur Aussprache. Wünscht jemand das Wort? — In meinen Unterlagen ist vermerkt, hierzu werde gesprochen. Das ist offenbar nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
— Drucksache 7/658 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte
— Drucksache 7/660 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Auswärtiger Ausschuß
Werden die Gesetzentwürfe von der Bundesregierung begründet? — Da ist niemand 'anwesend; also offenbar nicht.

(Abg. Dr. Marx: Die Bank ist leer!)

Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Mertes.




Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0703933500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU- Fraktion legt Wert darauf, bei der ersten Lesung der beiden internationalen Pakte vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte einerseits, über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte andererseits einige Grundsatzüberlegungen vorzutragen, weil die Menschenrechte Maßstab jeder deutschen Politik sein und bleiben müssen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die beiden Pakte unter Bundeskanzler Kiesinger bereits am 9. Oktober 1968 unterzeichnet. Jahre zuvor hatte sie die europäischen Gegenstücke dieser internationalen Verträge, nämlich die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 nebst fünf Zusatzprotokollen ratifiziert, desgleichen die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961. Schon am 5. August 1950 hatten unsere Heimatvertriebenen in ihrer historischen Charta den Vorrang von Menschenwürde und Menschenrechten zum Gesetz ihres politischen Handelns erhoben, jene Heimatvertriebenen, die durch ihre Integrationsbereitschaft zum Frieden in unserem Land und in Europa so entscheidend beigetragen haben.

(Abg. Dr. Marx: Sehr gut!)

Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es, daß die zweite Regierung Brandt nunmehr — leider erst fast fünf Jahre nach der Unterzeichnung — dem Deutschen Bundestag die Entwürfe zu den Gesetzen über die parlamentarische Zustimmung zu den beiden internationalen Menschenrechtspakten vorlegt. Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, daß die Zustimmung zu diesen Gesetzentwürfen in diesem Hohen Hause keine Schwierigkeiten bereiten wird; denn seine Mitglieder sind insbesondere im Gegensatz zu der Ostberliner Volkskammer keine verordneten Abgeordneten, sondern frei und geheim gewählte, d. h. wirkliche Abgeordnete, deren Mandat auf der ungehinderten Ausübung gerade jenes Selbstbestimmungsrechts beruht, das im Artikel 1 Absatz 1 beider Pakte mit gleichen Worten herausgehoben und in übrigen Einzelrechten vorangestellt wird.
Ich darf zitieren:
Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie
- also die Völker, nicht die staatlichen Machtapparate
über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.
Die Denkschrift der Bundesregierung erinnert zu Recht daran, daß bei uns der Schutz der Menschenrechte nicht nur durch den Grundrechtsteil des Grundgesetzes schon jetzt umfassend sichergestellt ist, sondern auch durch europäische und internationale Übereinkommen, die wir ratifiziert haben. Leider trifft eine Feststellung der Denkschrift nicht zu, nämlich die, der Schutz der Menschenrechte sei im deutschen Rechtsbereich sichergestellt; es sei denn, dieser Satz der Denkschrift meint zutreffend, die DDR und Ost-Berlin seien de facto Bereiche fremden
Rechts, kein Bereich deutschen Selbstbestimmungsrechts.
Eine ähnliche Meinung liegt offensichtlich dem Brief der Bundesregierung zur deutschen Einheit zugrunde, den sie im Zeitpunkt der Unterzeichnung den Partnern des deutschsowjetischen Vertrages und des innerdeutschen Grundvertrages zugestellt hat. Denn dort wird das politische Ziel der Bundesrepublik Deutschland verbindlich mit den Worten festgehalten: ein „Zustand des Friedens, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt". Gerade weil wir mit der Regierung und den Koalitionsparteien dieses Ziel als verpflichtigende Norm unseres Handelns teilen — und an dieser Feststellung unseres demokratischen und nationalen Konsenses liegt mir sehr, Herr Kollege Wehner und Herr Kollege, Mischnick —, stimmen wir mit besonderem Nachdruck der Feststellung der Denkschrift zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu, wonach das Hauptanliegen der Bundesrepublik Deutschland bei der Ratifizierung darin bestehe — ich zitiere —
ihre Achtung vor den Grundrechten im weltweiten Raum zu unterstreichen und ihre Solidarität mit den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen bei der Förderung und Durchsetzung der Ziele der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu bekunden.

(Abg. Dr. Marx: Sehr gut!)

Das aber heißt: innerdeutsche Entkrampfung und Entspannung, echter Friede entstehen dann, wenn die international geltenden Menschenrechtsverpflichtungen in ganz Deutschland strikt eingehalten und voll angewendet werden. Diese jüngste Definition der Vertragstreue gilt auch hier. Der aktive politische Einsatz der Bundesrepublik Deutschland für die Menschenrechte beruht nach geltendem Völkerrecht, insbesondere nach der Ratifizierung der uns vorliegenden internationalen Menschenrechtspakte, nicht nur auf einem moralischen Anspruch, sondern auf einer vertraglichen Verpflichtung.
Das eigentliche Problem, das uns in Zukunft wohl noch oft beschäftigen wird, ja in Pflicht nehmen muß, ist die konkrete Verwirklichung der nur abstrakt gesicherten Menschenrechte, da nämlich, wo sie namens einer Theorie vom Vorrang der Staatsmacht mißachtet werden, die den elementarsten Wertvorstellungen unseres Volkes und seiner Nachbarvölker zuwiderläuft. Wenn schon törichterweise klare Rechtspositionen in der Deutschlandfrage als „Formelkram" abgewertet werden, übrigens ganz im Gegensatz zur östlichen Einschätzung solcher Rechtspositionen als Instrumenten von Politik und Diplomatie,

(Abg. Dr. Marx: Sehr wahr!)

so muß angesichts der geistigen Verwirrung unserer Tage rechtzeitig gewarnt werden. Menschenrecht und Selbstbestimmung dürfen nicht auf dem Papier bleiben, in der politischen Wirklichkeit aber zum deklamatorischen und zudem noch mehrdeutigen „Formelkram" absinken, mit dem man seine Resignation und sein Schweigen rechtfertigt. Die Ge-



Dr. Mertes (Gerolstein)

schichte der europäischen Völker zeigt, daß Freiheit und Recht sich nicht durch automatische Prozesse einen Weg bahnen, sondern durch beharrliches Ringen nicht resignierender Männer und Frauen mit den Kräften der Reaktion, welcher Farbe auch immer, kraft ungebrochener Zuversicht in den Sieg des Rechtes über das Unrecht, der Würde des Menschen über die Mißachtung des Menschen. Denn neben den vordergründigen Realitäten der Macht, die der Verwirklichung der Menschenrechte entgegenstehen, gibt es eine andere, tiefere, geschichtsmächtigere Realität. Sie gehört zu jenen Kräften der europäischen Geschichte, die allen Widerständen zum Trotz zuletzt stets den Sieg davontrugen: der ungebrochene Wille zu Freiheit und Recht. Die sowjetischen Führer, die offenkundig ein besonders starkes Gespür für langfristige Willensbewegungen haben und ein starkes nationales Traditionsbewußtsein pflegen, sollten und — so hoffen wir immer noch — werden eines Tages erkennen, daß die Verweigerung der Menschenrechte in Europa, in Deutschland auf die Dauer naturwidrig ist und Spannung zeugen muß, nicht aber Entspannung und Frieden.
Fortschritt ist in Europa stets an der Ausweitung der politischen und sozialen Menschenrechte gemessen worden. Wenn schon in den Auseinandersetzungen unter uns um den besten Weg zur Sicherung des Friedens mit den Schlagwörtern „reaktionär" und „progressiv" argumentiert und agitiert wird, dann muß in aller Deutlichkeit einmal gesagt werden: Reaktionär ist nach den Maßstäben der europäischen Kultur der, welcher sich der Verwirklichung von Freiheit und Menschenrecht entgegenstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Reaktionär ist deshalb auch der, welcher die Macht der Tyrannis im Namen eines kurzatmigen Realismus legalisiert oder stabilisiert, wer das Unrecht dann nicht mehr Unrecht zu nennen wagt, wenn es sich zynisch im Gewande einer pervertierten Friedensideologie oder eines säkularisierten Zarismus gibt.

(Abg. Dr. Marx: Sehr gut!)

Fortschrittlich ist nach den Wertvorstellungen unserer Kultur — und diese sind uns je gemeinsam , bei Lichte betrachtet, wer Recht und Freiheit gewährt, wer keiner Tyrannis nachgibt, welche Rechtfertigungsideologie sie auch verkünden mag. In seinem Maifest über den Zusammenhang von Fortschritt, Freiheit und Frieden fordert Andrej Sacharow daher konsequent die Aufhebung aller Gesetze und Verordnungen, welche die Menschenrechte verletzen.
Meine Damen und Herren, indem wir zu den beiden Internationalen Menschenrechts-Pakten ja sagen, bekunden wir unsere feste Zuversicht in die weiterwirkende Kraft der besten Grundrechtstraditionen des deutschen Parlaments, an die am 125. Jahrestag des Zusammentritts der Frankfurter Nationalversammlung die Präsidentin des Deutschen Bundestages kürzlich eindrucksvoll erinnert hat.

(Abg. Wehner: „Eindrucksvoll"!)

— Ja. Ich finde, es war sehr eindrucksvoll, Herr Kollege Wehner. Aber dieses Bekenntnis muß sich künftig in den Auseinandersetzungen um die Verwirklichung der Menschenrechte konkret bewähren.
Bei allem Engagement für Gerechtigkeit und Freiheit in aller Welt wird sich die CDU/CSU-Fraktion dagegen wenden, wenn der Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte in unserem eigenen Vaterland als eine Belastung anderer Völker mit „querelles allemandes" — das ist der Ausdruck Richelieus für die Zänkereien engstirniger deutscher Duodezfürsten gewesen — abqualifiziert wird. Wer anders als die freien Deutschen soll sich vor der Weltöffentlichkeit für Selbstbestimmung und Freiheit der Deutschen einsetzen, die sie nicht haben? Selbst wenn wir uns, durch Wohlstand und Zeitablauf in unserem politischen Willen müde geworden, von der Last der Verantwortung für die Menschenrechte in ganz Deutschland lossagen wollten: wer gäbe uns das Recht zu solchem Schweigen, zu solcher Resignation?
Gerade nach .der Verabschiedung der uns vorliegenden Menschenrechtspakte werden wir beharrlich einige konkrete Fragen immer wieder aufwerfen: so die Frage nach einem Bericht der Bundesregierung über die Wahrung der Menschenrechte in ganz Deutschland an die Vereinten Nationen, ,die Frage der Fortentwicklung der Menschenrechtspakte in Richtung Schutz der Volksgruppenrechte und Minderheitenrechte, die Frage nach der Einsetzung eines Hochkommissars für Menschenrechte, die Frage nach der Kontrolle der strikten Einhaltung und vollen Anwendung der Menschenrechtsbestimmungen des Völkerrechts oder die Frage der Sanktionen gegen ,die Verletzung der Menschenrechte. Denn es darf einfach nicht wahr bleiben, was Alexander Solschenizyn in seiner Rede zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur 1970 in großer Bitterkeit sagte:
Vor einem Vierteljahrhundert entstand die UNO als eine große Hoffnung der ganzen Menschheit. Doch leider ist auch sie unmoralisch geworden. In selbstsüchtiger Parteilichkeit wacht die Mehrheit der UNO eifrig über die Freiheit einiger Völker und läßt 'die Freiheit anderer Völker im Stich. Durch liebedienerische Stimmabgabe hat sie private Klagen abgelehnt, dieses Stöhnen, Schreien und Bitten der einzelnen Menschen, die eben einfach Menschen sind. Die UNO hat sich nicht darum bemüht, die Erfüllung ihrer eigenen Charta der Menschenrechte zu einer unumgänglichen Bedingung für ihre Mitgliedschaft von den Regierungen zu verlangen; auf diese Weise hat sie die einfachen Menschen an die von ihnen nicht gewählten Regierungen verraten.
Meine Damen und Herren, das Recht war und bleibt die Waffe des Schwachen, solange er selbst nicht an der Macht des Rechtes zweifelt, Jede Variante des Gedankens „Macht geht vor Recht" ist verhängnisvoll. Weder durfte deutsche Macht jemals das Recht anderer verachten noch darf deutsche Ohnmacht eigenes Recht vor der Macht anderer verleugnen oder gar beugen. Nach den Erfahrungen



Dr. Mertes (Gerolstein)

mit zwei totalitären Systemen auf deutschem Boden, die ,die Menschenrechte mit Füßen traten — im anderen Teil Deutschlands geschieht das heute noch —, gibt es eine klare Definition unseres nationalen Interesses: die Verwirklichung der Menschenrechte in ganz Deutschland; nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die CDU/CSU befürwortet die Überweisung der Zustimmungsgesetze an die zuständigen Ausschüsse.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703933600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0703933700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den wirklich beinahe erschöpfenden, wenn auch nicht ganz neuen und uns nicht unbekannten Ausführungen meines Herrn Vorredners kann ich mich jetzt ganz besonders kurzfassen. Vielleicht aber werden sich in meinen Ausführungen doch einige Akzentverschiebungen ergeben, denn es gibt neben dem Problem der Selbstbestimmung gerade im Zusammenhang mit diesen beiden Pakten, deren Ratifizierungsverfahren wir heute einleiten, doch noch etliches Neue und Bedenkenswerte, auf das wir vielleicht noch kurz zu sprechen kommen sollten.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Können Sie einen Kollegen ernst nehmen?)

Lieber Herr Mertes, einen Moment bitte; Sie können ja eine Zwischenfrage stellen.
Beide Pakte, zu denen uns heute die Ratifizierungsgesetze vorliegen, versuchen, die in der allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Menschenrechte in eine etwas greifbarere juristische Form zu gießen; sie wollen sie in Form eines völkerrechtlichen Übereinkommens festlegen, das sämtlichen Mitgliedern der UNO, ihrer Sonderorganisationen und auch weiteren Staaten offensteht.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD begrüßt beide Übereinkommen. Sie hält sie als Ausdruck des weltweiten Bemühens, Menschen- und Grundrechten mehr Geltung als bisher zu verschaffen, für bedeutsam, und sie wird versuchen, auch auf diesem Wege, wie wir das schon immer — auch auf anderen Wegen — getan haben, ihren Beitrag zur Erreichung dieses Zieles zu leisten. Dies gilt zum einen für den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der für die individuelle und die soziale Existenz — dies ist ja ziemlich neu — des einzelnen ebenso unabdingbare Voraussetzungen enthält wie für die Entwicklung der einzelnen Staaten und der Völkergemeinschaft hin zu einer Gesellschaft der freien, mündigen und eigenverantwortlich gestaltenden Bürger. Hervorheben möchte ich — dies ist bei Ihnen vielleicht etwas zu kurz gekommen, Herr Mertes — in diesem Rahmen nur die Grundrechte auf Arbeit und Koalitionsfreiheit,

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ich habe keine Einzelrechte erwähnt!)

auf Bildung und Teilhabe am kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt, das Recht auf Existenzminimum und auf Teilhabe des einzelnen am wirtschaftlichen Fortschritt, die zwar durch den einzelnen nicht unmittelbar eingeklagt werden können, moralisch und politisch jedoch ohne Zweifel den Bereich der abwehrenden Ausgrenzungsrechte der Grundrechte verlassen und echten Teilhabecharakter entwickeln. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703933800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0703933900
Bitte schön!

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0703934000
Frau Kollegin, eine Frage zur Klarstellung: Haben Sie bemerkt, daß ich ganz bewußt keine Einzelrechte aus den beiden Konventionen herausgegriffen habe, um nicht selektiv zu verfahren?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0703934100
Ja, lieber Herr Kollege Dr. Mertes, ich habe Ihrem Vortrag sehr konzentriert gelauscht. Sie haben sehr viele Einzelheiten gebracht, auch manches, das uns in diesem Saal wirklich nicht neu war. Vielleicht hätte es sich doch empfohlen, auf einige wichtige Punkte hinzuweisen, die wir noch nicht kannten.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein]: Wir werden noch beraten! Das ist die erste Lesung!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus dem Bereich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte noch auf einige Punkte hinweisen. Es ist sehr zu hoffen, daß die dort niedergelegten Verbote von Folter und Sklaverei, von willkürlicher Verhaftung und von unmenschlichen Haftbedingungen endlich überall Wirklichkeit werden. Daß eine Verletzung dieser Verbote auf Grund des vorliegenden Abkommens durch einzelne ebensowenig eingeklagt werden kann wie die des Diskriminierungsverbots, der Freizügigkeit und der Versammlungsfreiheit, habe ich schon erwähnt. Ich halte es jedoch jedenfalls für eine Illusion, zu glauben, daß selbst die bestehenden diesbezüglichen Staatenverpflichtungen dieser Pakte sofort erfüllt werden. Bei Berücksichtigung des Fehlens von wirksamen Sanktionen in diesem Bereich spricht einiges dagegen. Dagegen spricht weiter die Erfahrung, daß sich Folter, unmenschliche Haftmethoden, willkürliche Verhaftungen und die je nach Opportunität gehandhabte Außerkraftsetzung individueller oder kollektiver Grundrechte keinesfalls nur in Staaten finden, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind und diese Pakte nicht unterzeichnet haben.
Dennoch, so meinen wir, sinkt die Bedeutung, die wir beiden Übereinkommen zuerkennen, keineswegs völlig ab. Vielmehr setzen wir unsere Hoffnungen auf die in beiden Pakten vorgesehenen Pflichten zu regelmäßigem Bericht und Prüfung sowie auf die zwischenstaatlichen Hinweismöglichkeiten und deren Folgen. Wir setzen unsere Hoffnung auch darauf, daß die öffentliche Meinung in allen Staaten, die



Frau Däubler-Gmelin
wie wir diese Pakte ratifizieren, in immer stärkerem Maße kontrollierend und propagierend dafür eintritt, daß Grund- und Menschenrechte ohne Diskriminierungen nicht nur gewährleistet, sondern auch umfassend verwirklicht werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703934200
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID0703934300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin an die Aussprache über die beiden vorliegenden Verträge in der Hoffnung herangegangen, man würde sagen können: Hätten wir doch in manchen anderen Punkten der heutigen Tagesordnung eine gleiche Übereinstimmung erzielen können wie in diesem Punkt! Ich kann nicht verhehlen, Herr Kollege Mertes, daß einige Ihrer Ausführungen mir nun Veranlassung geben, zwar die äußere Übereinstimmung nach wie vor als gegeben anzusehen, aber zugleich festzustellen, daß in den aktuellen Bezügen, die Sie hergestellt haben, doch so viel Einseitigkeit war, daß die innere Übereinstimmung in den angeschnittenen Fragen nicht in der von mir erhofften Weise eingetreten ist.
Sie haben aktuelle Bezüge zu dem Problem der von Ihnen und Ihrer Fraktion abgelehnten Ostpolitik und der Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition hergestellt. Sie haben von daher einige Schlußfolgerungen in bezug auf die vorliegenden Verträge gezogen. Hätte es nicht eigentlich nähergelegen, Herr Kollege Mertes, zunächst einmal die aktuellen Bezüge zu dem zu erwartenden UNO-Beitritt der beiden deutschen Staaten herzustellen? Der aktuelle Zusammenhang zwischen der Ratifizierung jener von der Vollversammlung der UNO beschlossenen Verträge und diesem UNO-Beitritt ergibt sich doch nun sehr viel zwingender als die anderen Bezüge, die Sie genannt haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703934400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mertes?

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0703934500
Herr Kollege, sind wir uns einig, daß nicht der UNO-Beitritt Gegenstand der Debatte ist, sondern die beiden internationalen Menschenrechtskonventionen?

Uwe Ronneburger (FDP):
Rede ID: ID0703934600
Jawohl, aber genausowenig ist, Herr Kollege — und auch darüber sollten wir uns einig sein —, das rechtliche Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten Gegenstand dieser Debatte. Was allerdings Gegenstand der Debatte sein sollte — und darauf bestehe ich nun doch —, sind die aktuellen Bezüge, auf die Sie in der einen Richtung und ich in der anderen Richtung Bezug nehmen.
Diese beiden Pakte haben eine sehr lange Geschichte. Sie gehen auf einen Beschluß der Vollversammlung des Jahres 1946 zurück. Es folgten 20 Jahre Vorbereitungszeit, zwei Jahre bis zur Unterschrift durch die Bundesrepublik und nun — auch darauf haben Sie hingewiesen — der abermalige zeitliche Abstand bis zur Ratifizierung. Aber vielleicht wäre es gut gewesen, Sie hätten bei dieser Gelegenheit auch erwähnt, daß der Zeitpunkt der Ratifizierung das Inkrafttreten der beiden Verträge in keiner Weise behindert hat. Denn Sie wissen so gut wie ich, daß erst mit der Hinterlegung der 35. Ratifizierungsurkunde diese Verträge in Kraft treten, ein Zeitpunkt, von dem wir leider noch entfernt sind.
Was aber erwähnt werden sollte und was nun auch den aktuellen Bezug zur Deutschland- und Ostpolitik aus meiner Sicht wiederherstellt, Herr Kollege Mertes, ist die Tatsache, daß die DDR am 27. März dieses Jahres beide Pakte unterschrieben hat. Offenbar nun doch in Erwartung des UNO-Beitrittes, der allerdings — das sollte unbestritten bleiben — eine Folge der Ost- und Deutschlandpolitik dieser Koalition ist.
Die Aufgabe der beiden Verträge — um auf ihren Inhalt und Ihre Gesamtdarstellung ganz kurz einzugehen ist eine Präzisierung der Menschenrechte aus der Menschenrechtserklärung vom Dezember 1948 und ist zugleich der Versuch, aus dieser mehr oder weniger unverbindlichen Erklärung die Menschenrechte zu einem völkerrechtsverbindlichen Bestandteil des allgemeinen Völkerrechtes zu machen.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Darin sind wir uns einig!)

Ich meine — darin werden wir uns sicher wieder einig sein —, daß wir als Deutsche ein besonderes Interesse daran haben müssen, daß es zu einer solchen Präzisierung und zu einer solchen weitergehenden Verbindlichkeit kommt.
Unser spezielles deutsches Interesse beruht einmal auf der Tatsache, daß wir in einem durch außenpolitische Einflüsse geteilten Lande leben, daß wir die beiden Teile des deutschen Volkes nicht in einem Staat vereint haben. Es beruht zum anderen darauf — die Erwähnung hätte ich an sich von Ihrer Seite erwartet, Herr Kollege —, daß heute nicht allen Deutschen die Rechte, die in diesen beiden Pakten genannt werden, tatsächlich gewährt werden.
Ich nehme dabei Bezug auf einen weiteren Artikel der beiden Pakte. Das ist Art. 12 Abs. 2 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte, in dem es z. B. heißt — ich halte das für ganz entscheidend wichtig —:
Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen.

(Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Einverstanden!)

Wir befinden uns sicherlich in Übereinstimmung in der Betonung dieser Tatsache. Aber ich mache Sie, Herr Kollege, darauf aufmerksam, daß unser Recht, die DDR an solche Bestimmungen zu erinnern und sie an ihre Innehaltung heute und in Zukunft immer wieder zu mahnen, nicht erreicht worden ist durch das Festhalten an leer und hohl gewordenen Rechtspositionen, von denen Sie vorhin gesprochen haben, sondern durch unsere Bereitschaft, eine Ost- und



Ronneburger
Deutschlandpolitik zu treiben, die die Einheit der Nation im Mittelpunkt ihrer Absichten hat und insofern auch den — ich zitiere Sie — ungebrochenen Willen zu Freiheit und Recht dokumentiert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier ist nicht von Schweigen und nicht von Resignation die Rede, Herr Kollege Mertes, sondern von dem bewußten Aufnehmen und Aufrechterhalten nationaler Möglichkeiten, über die wir uns im Grunde genommen beide einig sein sollten. Ich kann daher die Ratifizierung dieser beiden Pakte im Namen der FDP-Fraktion dem Deutschen Bundestag nur mit allem Nachdruck empfehlen und befinde mich insoweit in Übereinstimmung mit den Sprechern der beiden anderen Fraktionen. Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen: Hier geht es um Rechte, die dem ganzen deutschen Volk, die allen Menschen in dieser Welt gewährt werden sollten.
Ich möchte an dieser Stelle allerdings noch eine Bemerkung hinzufügen. Ich habe hingewiesen auf die Nichtgewährung eines Teiles dieser Rechte durch die DDR. Insofern werden Sie mir zustimmen. Aber ich möchte zugleich auch darauf hinweisen, daß dem aufmerksamen Leser beider Pakte eine Reihe von Punkten auffallen müssen, bei denen auch wir in der Bundesrepublik alle Veranlassung haben werden, den Text dieser Verträge mit dem Inhalt unserer Verfassung und unserer Gesetze zu vergleichen und zu verbessern, was auch bei uns diesem Idealzustand noch nicht entspricht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : Ich bin einverstanden!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0703934700
Wird des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, Sie ersehen die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates aus der Tagesordnung. — Es wird diesen nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 5 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 31. März 1973 eingegangenen Petitionen
— Drucksache 7/589 —
b) Beratung der Sammelübersicht 6 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
— Drucksache 7/617 —
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich abstimmen, und zwar gemeinsam, wenn kein Widerspruch erfolgt. — Widerspruch erfolgt nicht. Wer den Anträgen des Petitionsausschusses in den Sammelübersichten 5 und 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/73 — Zollpräferenzen 1973 gegenüber Entwicklungsländern-EGKS)
— Drucksachen 7/428, 7/578 — Berichterstatter: Abgeordneter Suck
Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Suck, für seinen Schriftlichen Bericht.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß schlägt vor, der Verordnung zuzustimmen. Wer diesem Wunsch entspricht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Punkte 24 und 25 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 6/73 — Angleichungszoll für Trinkweine)
— Drucksachen 7/310, 7/579 — Berichterstatter: Abgeordneter Suck
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß)

zu der von der Bundesregierung erlassenen Dreiundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —
zu der von der Bundesregierung erlassenen Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -
- Drucksachen 7/311, 7/309, 7/582 — Berichterstatter: Abgeordneter Suck
Es handelt sich um Berichte des Ausschusses für Wirtschaft, von denen das Haus nur Kenntnis zu nehmen braucht, wenn nicht Anträge aus der Mitte des Hauses gestellt werden. Werden Anträge gestellt? — Das ist nicht der Fall. Das Haus hat von den Berichten auf den Drucksachen 7/579 und 7/582 Kenntnis genommen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Nunmehr rufe ich Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
betr. Veräußerung des ehemaligen Schießstandsgeländes Dornhalde in Stuttgart an die Stadt Stuttgart
— Drucksache 7/595 -
Die Begründung ist schriftlich beigegeben. Wird hierzu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Burger, Maucher, Härzschel, Frau Schroeder (Detmold) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Einführung von Krankenscheinheften für die vorsorgeberechtigten Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen (Zugeteilte)

— Drucksachen 7/230, 7/627 —
Berichterstatter: Abgeordneter Ziegler
Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneter Ziegler, für seinen Schriftlichen Bericht.
Der Antrag des Ausschusses lautet auf unveränderliche Annahme. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen der SPD, FDP und der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1973 der Bundesregierung
— Drucksachen 7/220, 7/221, 7/621 —Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle
Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Kiechle, für seinen Schriftlichen Bericht.
Der Antrag des Ausschusses in zwei Ziffern liegt Ihnen vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr die Punkte 30 bis 41 auf:
30. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EG-Kommission für Verordnungen des Rates
über die Finanzierung der Beihilfe für die Seidenraupenzucht
zur Änderung der Verordnung Nr. 1059/69 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellten Waren
über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird
über die Einfuhr von Olivenöl aus Tunesien über die Einfuhr von Olivenöl aus Marokko über die Einfuhr von Olivenöl vom Libanon
über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Libanesischen Republik
über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Republik Zypern
zur Regelung der Einfuhr von Wein, der unter der Bezeichnung „Cyprus sherry" mit Ursprung in und Herkunft aus Zypern ausgeführt wird, sowie zur Einführung von Beihilfen für gleichartige Weine, die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erzeugt und nach Irland und dem Vereinigten Königreich ausgeführt werden
— Drucksachen 7/164, 7/381, 7/279, 7/236,
7/285, 7/380, 7/305, 7/385, 7/384, 7/585 —Berichterstatter: Abgeordneter Zeyer
31. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für Verordnungen bzw. eine Entscheidung des Rates
über die Befreiung von Zöllen innerhalb der erweiterten Gemeinschaft für Gemeinschaftswaren in Kleinsendungen ohne kommerziellen Charakter
zur zeitweisen Erweiterung der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen um 10 %
über eine 10%ige Erhöhung der Kontingentbeträge oder Plafonds, die für die Anwendung der allgemeinen Präferenzen im Jahre 1973 festgelegt worden sind
über eine 10%ige Erhöhung der Kontingentbeträge oder Plafonds, die für die Anwendung der allgemeinen Präferenzen im Jahre 1973 bezüglich der Eisen- und Stahlerzeugnisse des EGKS-Vertrags festgelegt worden sind zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Spinnfasern, der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Zypern
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung
des Gemeinschaftszollkontingents für Oberkleidung für Männer und Knaben, der Tarif-



Vizepräsident Dr. Jaeger
nummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Zypern
zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle, der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Republik Libanon
zur Festsetzung der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei
- Drucksachen 7/150, 7/163, 7/382, 7/391, 7/383, 7/586
Berichterstatter: Abgeordneter Zeyer
32. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für
eine Verordnung (EWG) über das Schiedsgerichtsverfahren für die aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten öffentlichen Aufträge
einen Beschluß des Assoziationsrates über die Regelung von Streitigkeiten bei der Vergabe und der Durchführung der vom EEF finanzierten öffentlichen Aufträge auf dem Wege der Schiedsgerichtsbarkeit
eine Verordnung (EWG) des Rates über die Durchführung des Beschlusses des Assoziationsrates
einen Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses vom 29. September 1970 über die Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 859/72 des Rates vom 25. April 1972 über die Regelung für bestimmte Obst- und Gemüsesorten mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten
Verordung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 860/72 des Rates vom 25. 'April 1972 über die Regelung für bestimmte Obst- und Gemüsesorten mit Urspung in der Vereinigten Republik Tansania, der Republik Uganda und der Republik Kenia
eine Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Durchführung des Beschlusses Nr. 43/72 des Assoziationsrates, der im Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Assoziierten Afrikanischen Staaten und Madagaskar vorgesehen ist
eine Empfehlung zu der Verordnung (EWG)

des Rates über den Abschluß eines Protokolls
zur Festlegung bestimmter Vorschriften betreffend das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
eine Empfehlung zu der Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Protokolls zur Festlegung bestimmter Vorschriften betreffend das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Änderung von Artikel 5 des Anhangs I des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko
eine Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zur Änderung von Artikel 5 des Anhangs I des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik
eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Ägypten vorgesehenen Schutzmaßnahmen
eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Libanon vorgesehenen Schutzmaßnahmen
eine Verordnung (EWG) des Rates über die im Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern vorgesehenen Schutzmaßnahmen
— Drucksachen 7/70, 7/205, 7/278, 7/210, 7/299, 7/286, 7/304, 7/593 —
Berichterstatter: Abgeordneter Russe
33. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dritten Ländern betreffend die Regelung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs mit Kraftomnibussen
— Drucksachen 7/144, 7/629 — Berichterstatter: Abgeordneter Mahne
34. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung



Vizepräsident Dr. Jaeger

(EWG) Nr. 1192/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Einsenbahnunternehmen

— Drucksachen 7/59, 7/630 — Berichterstatter: Abgeordneter Seibert
35. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2829/72 des Rates über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten
— Drucksachen 7/423, 7/631 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt (Lockweiler)

36. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis von Fahrrädern mit Hilfsmotor
— Drucksachen 7/161, 7/632 —Berichterstatter: Abgeordneter Mahne
37. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie des Rates über die Aufstellung einiger gemeinsamer Regeln für den internationalen Verkehr (gewerblicher Güterkraftverkehr)
— Drucksachen 7/16, 7/633 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt (Lockweiler)

38. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG hinsichtlich des Erfassungsbereichs und der Zahl der Buchführungsbetriebe, die beim Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen der EWG zu berücksichtigen sind
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1675/72 für die Festsetzung der Beihilfe auf dem Saatgutsektor für das Wirtschaftsjahr 1972/73 für Dänemark
eine Änderung des im Anhang der Entschließung des Rates vom 20. Juli 1972 enthaltenen Entwurfs einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Getreide (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 86 vom 10. August 1972, S. 16) eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung betreffend den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
— Drucksachen 7/143, 7/160, 7/166, 7/204, 7/639 —Berichterstatter: Abgeordneter Büchler (Hof)

39. Beratung des 'Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aerosole
— Drucksachen 7/461, 7/646 —Berichterstatter: Abgeordneter Maucher
40. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Erhebung von Zinsen im Rahmen des EAGFL und der Nahrungsmittelhilfe gezahlter Beträge, die wieder einzuziehen sind
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Verlängerung der Aussetzung der Einfuhrabgaben und Ausgleichsbeträge
eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1964 betreffend den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung ,der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Feststellung der Preise für geschlachtete Schweine in der Gemeinschaft
— Drucksachen 7/291, 7/406, 7/438, 7/493, 7/662 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen
41. Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzausschusses (7. Ausschuß) zu den Vorschlägen ,der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Verordnung des Rates über die vollständige Aussetzung von Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs, Abgaben gleicher Wirkung und Abschöpfungen für in Form unentgeltlicher Zuwendungen aus Drittländern eingeführte Waren, die dazu bestimmt sind, unentgeltlich an Katastrophenopfer weitergegeben zu werden
eine dritte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern im Reiseverkehr



Vizepräsident Dr. Jaeger
eine Richtlinie des Rates über Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen an Privatpersonen
eine Verordnung (EWG) des Rates über die zolltarifliche Behandlung von Waren, welche Reisende in den Verkaufsstellen der Flughäfen sowie in Flugzeugen, auf Schiffen oder Luftkissenfahrzeugen erwerben, die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten verkehren
eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den passiven Veredelungsverkehr
— Drucksachen 7/140, 7/139, 7/141, 7/137, 7/664 —
Berichterstatter: Abgeordneter Schreiber
Es handelt sich um Berichte und Anträge der Ausschüsse über von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegte Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. — Von den Berichterstattern wünscht niemand das Wort. Wird es zur Aussprache verlangt? — Auch das ist nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/585, 7/586, 7/593, 7/629, 7/630, 7/631, 7/632, 7/633, 7/639, 7/646, 7/662 und 7/664. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Es ist noch Punkt 29 aufzurufen:
Beratung der Ubersicht 2 des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache 7/628 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Rechtsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen noch Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, die restlichen Punkte der Tagesordnung, 42, 43 und Zusatzpunkt 3, sollen erst morgen behandelt werden.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Beratungen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 8. Juni, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.