Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, ich darf zunächst ein paar Bemerkungen vortragen.Der Bundesminister der Finanzen hat uns unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung Vorlagen zugeleitet, die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnet sind und die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden sollen:Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.:Über- und außerplanmäßige Haushaltsausgaben im 3. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1970— Drucksache VI/1557 —Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Mehrausgaben im Haushaltsjahr 1970 bei Investitionen im Bereich der Kernforschung
— Drucksache VI/ 1630 —Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Beschaffung von Kernbrennstoffen im Rahmen des deutsch-amerikanischen Devisenausgleichsabkommens— Drucksache VI/1664 —Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 686 24
— Drucksache VI/1688 —Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist Punkt 2 von der Tagesordnung abgesetzt.Weiterhin ist interfraktionell vereinbart worden, die heutige Tagesordnung zu ergänzen um die Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost. — Das Haus ist damit einverstanden; die Ergänzung der Tagesordnung ist beschlossen.Alsdann teilt mir soeben die SPD-Fraktion mit, daß der Kollege Detlef Haase auf eigenen Wunsch als stellvertretendes Mitglied aus dem Europarat ausgeschieden ist. Für ihn benennt die SPD-Fraktion Herrn Georg Kahn-Ackermann. Es wird gebeten, die Wahl noch in dieser Woche erfolgen zu lassen. Sehen Sie Bedenken? — Ich stelle fest, daß der Kollege Georg Kahn-Ackermann an Stelle des Kollegen Detlef Haase als stellvertretendes Mitglied für den Europarat gewählt worden ist.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1970 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zur Europäischen Konvention vom 11. Dezember 1953 über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse und zum Zusatzprotokoll vom 3. Juni 1964Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 7. Juni1968 zur Befreiung der von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der LegalisationGesetz zu dem Vertrag vom 30. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Schadendeckung bei VerkehrsunfällenGesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von MinderjährigenGesetz zu dem Vierten Protokoll vom 14. November 1967, zu dem Fünften Protokoll vom 19. November 1968 und zu dem Sechsten Protokoll vom 16. Dezember 1969 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 12. November 1959 über den vorläufigen Beitritt Tunesiens zum Allgemeinen Zoll- und HandelsabkommenGesetz zu dem Protokoll vom 27. August 1963 zur Änderung des Abkommens vom 7. August 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen sowie zu dem Ergänzungsabkommen vom 24. Januar 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom EinkommenGesetz zu dem Revisionsprotokoll vom 23. März 1970 zu dem am 26. November 1964 in Bonn unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der SteuerverkürzungGesetz zu dem Vertrag vom 27. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über die gegenseitige Unterstützung ihrer ZollverwaltungenGesetz zu dem Übereinkommen Nr. 122 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli 1964 über die BeschäftigungspolitikGesetz zu dem Abkommen vom 3. September 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über den Verzicht auf die in Artikel 14 Abs. 2 EWG-Verordnung Nr. 36/63 vorgesehene Erstattung von Aufwendungen für Sachleistungen, welche bei Krankheit an Rentenberechtigte, die ehemalige Grenzgänger oder Hinterbliebene eines Grenzgängers sind, sowie deren Familienangehörige gewährt wurdenGesetz zu dem Abkommen vom 9. Dezember 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über den Verzicht auf die in Artikel 14 Abs. 2 EWG-Verordnung Nr. 36/63 vorgesehene Erstattung von Aufwendungen für Sachleistungen, welche bei Krankheit an Rentenberechtigte, die ehemalige Grenzgänger oder Hinterbliebene eines Grenzgängers sind, sowie deren Familienangehörige gewährt wurdenGesetz zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Spanischen Staates über die Erstattung der Aufwendungen für Sachleistungen der spanischen Träger, welche an die Familienangehörigen der Versicherten deutscher Krankenkassen und die Bezieher deutscher Renten, die im Hoheitsgebiet des Spanischen Staates wohnen, gewährt werdenGesetz zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes und des Knappschaftsrentenverslcherungs-NeuregelungsgesetzesPräsident von HasselGesetz zur Änderung sozial- und beamtenrechtlicher Vorschriften über Leistungen für verheiratete KinderGesetz zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der SozialversicherungGesetz über die Statistik der Straßen in den Gemeinden 1971Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Besteuerung des StraßengüterverkehrsGesetz über vordringliche Änderungen auf dem Gebiet des Steuerrechts
Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das BundesverfassungsgerichtGesetz über eine Zählung in der Land- und Forstwirtschaft
Der Bundesminister für Verkehr hat am 18. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Jobst, Engelsberger, Weber , Müller (Niederfischbach), Niegel, Dr. Ritz, Biehle und Genossen betr. Beseitigung von Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen - Drucksache VI/1496 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1640 verteiltDer Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 17. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Roser, Stücklen und Genossen betr. Europapolitik - Drucksache VI/1507 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1656 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 18. Dezember 1970 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Vogel und der Fraktion der CDU/CSU betr. deutsche Schulen in Südafrika - Drucksache VI/1527 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1657 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat am 28. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Wagner , Bremm, Dr. Gölter, Josten, Susset, Dr. Hauser (Sasbach), Dr. Jenninger, Baier und Genossen betr. Mehrwertsteuer für Wein - Drucksache VI/1561 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V I/1659 verteilt.Der Bundesminister der Justiz hat am 23. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Erhard , Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Hauser (Sasbach), Dr. Lenz (Bergstraße), Vogel und Genossen betr. Entwicklung der Verkehrsstraftaten unter besonderer Berücksichtigung des Alkoholeinflusses -Drucksache VI/1566 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1660 verteilt.Der Bundesminister der Justiz hat am 22. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Jacobi , Fritsch, Dr. Rutschke und Genossen betr. Auszahlung von Versicherungsleistungen aus dem Altbestand von Versicherungsunternehmen mit dem Sitz im Bundesgebiet an in der DDR/SBZ lebende Berechtigte - Drucksache VI/1574 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1661 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 28. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann und Genossen betr. Förderung von Fernschulen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz - Drucksache VI/1597 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1662 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 28. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schirmer, Müller , Dr. Müller-Emmert, Dr. Müller (München), Metzger, Schmidt (München), Dr. Schmitt-Vockenhausen, Wende, Wrede, Schmidt (Kempten) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Sportleistungszentren - Drucksache VI/1626 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1663 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat am 29. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider , Dr. Althammer, Dr. Riedl (München), Dr. Jobst, Biehle, Weigl, Wagner (Günzburg), Kiechle, Niegel, Dr. Fuchs und Genossen betr. Gemeindefinanzen - Drucksache VI/1608 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1668 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 30. Dezember 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Martin, Frau Dr. Walz, Dr. Gölter, Lenzer, Schulte , Weber (Heidelberg) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Wohnraum für Studenten - Drucksache VI/1622 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1670 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat am 6. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Schober, Höcherl, Stücklen, Weigl, Biehle, Dr. Kempfler und Genossen betr. Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Gefährdung kleinerer und mittlerer Presseunternehmen - Drucksache VI/1530 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1676 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 5. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schmidt , Haar (Stuttgart), Wende, Dr. Apel, Ollesch und Genossen betr. steuerliche Bewertungsfreiheit (Sonderabschreibungen im Bereich der Deutschen Luftfahrt) - Drucksache VI/1614 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1677 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 5. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Röhner, Struve, Dr. Ritz, Susset, Bittelmann, Ehnes, Kiechle und Genossen betr. Entwicklung der Erzeugergemeinschaften - Drucksache VI/1609 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1678 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 6. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Apel, Grobecker, Haar , Ollesch und Genossen betr. steuerliche Bewertungsfreiheit (Sonderabschreibungen im Bereich der deutschen Küstenschiffahrt) - Drucksache VI/1621 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1687 verteilt.Der Bundesminister der Verteidigung hat am 11. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Haehser, Dr. Schmitt-Vockenhausen, Jung, Krall, Josten, Dr. Wagner und Genossen betr. NATO-Flugplätze Bitburg und Spangdahlem - Drucksache VI/1646 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1689 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 11. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß und Genossen betr. Polenverband „Zgoda" - Drucksache VI/1528 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1692 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 13. Januar 1971 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Benda und der Fraktion der CDU/CSU betr. Untätigkeit der Frankfurter Polizei bei der „Besetzung" leerstehender Häuser - Drucksache VI/1448 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1693 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 11. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Weigl und Genossen betr. Hilfsaktion Vietnam - Drucksache VI/1607 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1694 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat am 13. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß und Genossen betr. kroatische Emigrantenorganisationen - Drucksache VI/1529 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1700 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am 11. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hubrig, Lenzer, Dr. Probst und Genossen betr. Gemeinsame Forschungsstelle der EURATOM - Drucksache VI/1576 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1701 verteilt.Die Stellungnahme des Bundesrates zumEntwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 15. Oktober 1970 zur Änderung des Protokolls über die Satzung der Europäischen Investitionsbankist als zu Drucksache VI/1546 verteilt.Zu dem von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Zuwiderhandlungen gegen weinrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften - Drucksache VI/1593 - ist eine Anlage zu § 1 Abs. 1 als zu Drucksache VI/1593 verteilt.Der Bundeskanzler hat am 12. Januar 1971 gemäß § 2 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Durchführung von Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr vom 14. Dezember 1970 die von der Bundesregierung beschlosseneErste Verordnung zur Durchführung von Richtlinien über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - 1. DVO Niederlassungsfreiheit EWG -zur Kenntnisnahme übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:EWG-VorlagenVerordnung des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Grège, weder gedreht noch gezwirnt, der Tarifnummer 50.02 des Gemeinsamen Zolltarifs- Anhang Aüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs - Anhang Büber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Garne, ganz aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.05 des Gemeinsamen Zolltarifs - Anhang C- Drucksache VI/1642 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatBeschluß des Assoziationsrates über die Anwendung von Artikel 6 des Protokolls Nr. 1 im Anhang zum Abkommen von Ankara auf die Erzeugnisse des FischereisektorsVerordnung des Rates über die Einfuhr von Fischereierzeugnissen mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei in die Gemeinschaft- Drucksache VI/1647 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Erstattung bei der Erzeugung für Olivenöl zur Herstellung von bestimmten Konserven- Drucksache VI/1648 -überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
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Präsident von HasselVerordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftskontingents für gefrorenes Rindfleisch der Tarifstelle 02.01 A II a 2 des Gemeinsamen ZolltarifsDrucksache VI/1649 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Warenüber die zeitweilige Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Waren— Drucksache VI/1650 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Ratesüber die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage A)über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosilizium der Tarifstelle 73.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage B)über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosiliziummangan der Tarifstelle 73.02 D des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage C)über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom, mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 0,10 Gewichtshundertteilen oder weniger und an Chrom von mehr als 30 bis 90 Gewichtshundertteilen (hochraffiniertes Ferrochrom) der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage D)über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Rohaluminium der Tarifstelle 76.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage E)über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Vanadiumpentoxyd der Tarifstelle 28.28 H I des Gemeinsamen Zolltarifs (Anlage F)— Drucksache VI/1665 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinien des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Einheiten im Meßwesen— Drucksache VI/1671 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1052/68 über die Regelung für die Einfuhr und die Ausfuhr von Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnissen— Drucksache VI/1672 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Tilgung gewisser Waren in der Anlage zur Verordnung Nr. 2603/69 des Rates vom 20. Dezember 1969 zur Festlegung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung (erste Serie)— Drucksache V1/1673 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Ratesbetreffend die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten der Versicherungsagenten und Versicherungsmakler
über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf demGebiet der selbständigen Tätigkeiten der Versicherungsagenten und der Versicherungsmakler
— Drucksache VI/1674 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Zusatzeinrichtungen zu Zählern für Flüssigkeiten
— Drucksache VI/1675 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung Nr. 2368!70 des Rates vom 23. November 1970 über den Abschluß eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Neuseelandüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werdenVerordnung Nr. 2528/70 des Rates vom 14. Dezember 1970 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Früchte mit Ursprung in und Herkunft aus der TürkeiVerordnung Nr. 2529/70 des Rates vom 14. Dezember 1970 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für unverarbeiteten Tabak und Tabakabfälle der Tarifnummer 24.01 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in und Herkunft aus der TürkeiVerordnung Nr. 2530/70 des Rates vom 14. Dezember 1970 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Spinnstoffe mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkeiüberwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werdenVerordnung Nr. 2527/70 des Rates vom 15. Dezember 1970 zur Festsetzung der Auslösepreise für Wein für den Zeitraum vom 16. Dezember 1970 bis 15. Dezember 1971überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werdenVerordnung Nr. 2553/70 des Rates vom 15. Dezember 1970 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1470/70 über die Anwendung von Ausgleichsbeträgen in Belgien und Luxemburg beim Handel mit bestimmten, unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallenden Warenüberwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werdenWir treten in die Tagesordnung ein. Punkt 1: Fragestunde— Drucksachen VI/ 1696, VI/ 1703 —Zunächst liegt eine dringliche mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl vor:Kann die Bundesregierung Einzelheiten über das auf den Bundeskanzler während seiner Urlaubsreise in Kenia geplanten Attentats mitteilen, und war es tatsächlich die Warnung „einer befreundeten Regierung", die dieses Attentat verhinderte?Zur Beantwortung Herr Bundesminister Ehmke.
Die Bundesregierung hat entsprechende Hinweise erhalten, die sie zwar nicht verifizieren konnte, die sie aber doch ernst nehmen mußte. Der Herr Bundesminister des Innern hat daraufhin die erforderlichen zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen für den Bundeskanzler getroffen. Die Mitteilung von Einzelheiten verbietet sich aus der Natur der Sache.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Riedl.
Herr Bundesminister, halten Sie die Verweigerung der Auskunft über Einzelheiten dieser Attentatspläne nicht für geeignet, nicht nur Unsicherheit in der Bevölkerung zu verbreiten, sondern sogar unnötigerweise Verdachtsmomente aufkommen zu lassen, die auch — insbesondere mit Rücksicht auf Meldungen im „Messagero" — zu innenpolitischen Spannungen in der Bundesrepublik führen können?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Es ist völlig unüblich, aus dem Bereich der Nachrichten- und Sicherheitsdienste Einzelheiten mitzuteilen, Herr Kollege Riedl.
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Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Riedl.
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß in früheren Fällen, wenn solche Attentatspläne bekanntgeworden sind, Roß und Reiter genannt wurden?
Ich kann nur sagen, daß uns eine Warnung gegeben worden ist. Ich habe gesagt, wir haben sie nicht verifizieren können, haben auch keine eigenen Unterlagen darüber gehabt. Aber uns sind Hinweise von verschiedener Seite in dieser Richtung zugegangen. Und das ist es schon früher allgemein so gewesen und wird es auch in Zukunft so sein, daß man eher etwas zuviel als etwas zuwenig tut. Denn derjenige, der die Verantwortung trägt, muß ja für das geradestehen, was gemacht wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Bundesminister, da es sich in unserer Frage nicht um Nachrichtendienste, sondern um den Bundeskanzler handelt, frage ich nur: sind Sie, weil ein ganz überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt, bereit, sofort Roß und Reiter zu nennen, sobald Ihre Untersuchungen abgeschlossen sind?
Wir sind bereit, das zu tun, wenn wir in dieser Sache Einzelheiten zur Verfügung haben. Ich würde allerdings vorschlagen, das im zuständigen Ausschuß zu machen. Ich darf aber hier nochmals sagen, dies beruht nicht auf eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung, sondern wir haben Hinweise von außen bekommen, die derart waren, daß wir sie ernst genommen haben. Sollten wir verifizierendes Materials darüber in die Hand bekommen, würden wir dem zuständigen Ausschuß Auskunft geben, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen 1 und 2 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Die Frage 5 wird auf Wunsch des Fragestellers zurückgezogen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bodenrechtliche Gesetzesvorlagen im Deutschen Bundestag einzubringen, die über die Bestimmungen der zur Zeit beratenen Entwürfe für ein Städtebauförderungsgesetz hinausgehen?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Lauritzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das Ziel der Bundesregierung, einer ungesunden Entwicklung auf dem Bodenmarkt entgegenzuwirken. Mit dem Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes wird ein erster Schritt zur Bekämpfung der Bodenspekulation getan. Der Entwurf stellt sicher, daß die durch städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen hervorgerufenen Wertsteigerungen des Grund und Bodens wieder der Allgemeinheit zugute kommen. Es wird eingehender Überlegungen bedürfen, in welchem Umfang diese Regelungen bei der beabsichtigten Novellierung des Bundesbaugetzes für den gesamten Städtebau nutzbar gemacht werden können.
Wie bereits in der Fragestunde am 23. September 1970 dargelegt worden ist, habe ich eine Arbeitsgruppe „Bodenrecht" einberufen. Sie hat den Auftrag, unter Verwertung der vorliegenden Vorschläge sowie der im Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes enthaltenen Rechtsgedanken eine Konzeption zur Fortbildung des Bau-, Boden- und Planungsrechts zu entwickeln. Wenn das Ergebnis der Beratungen der Arbeitsgruppe „Bodenrecht" vorliegt, wird zu entscheiden sein, welche gesetzgeberischen Maßnahmen zur Lösung des allgemeinem Baubodenproblems weiter getroffen werden müssen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß beabsichtigt ist, die bodenrechtlichen Bestimmungen, die jetzt in das Städtebauförderungsgesetz eingebaut werden, in das Bundesbaugesetz qualitativ und quantitativ zu übertragen?
Darauf wird es im wesentlichen hinauslaufen; denn wir müssen darauf bedacht sein, nicht zu einer Disparität zwischen Städtebauförderungs- und Bundesbaugesetz zu kommen. Im Interesse der Gemeinden und derjenigen, die mit diesen Gesetzen arbeiten wollen, müssen wir eine übereinstimmende Regelung des Bodenrechts in beiden Gesetzen haben.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Teilt die Bundesregierung die von Professor Gerhard Leibholz in diesen Tagen in einem Südwestfunk-Interview geäußerte Auffassung, der Gesetzgeber müsse den Mißständen am Bodenmarkt „durch eine Änderung der bestehenden Eigentumsinhaltsbestimmungen" begegnen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Ausgangspunkt des Interviews im Südwestfunk mit Herrn Professor Leibholz war nicht die Situation auf dem Bodenmarkt. Es waren vielmehr die besonderen Probleme auf dem
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Bundesminister Dr. LauritzenWohnungssektor in Frankfurt am Main. In diesem Zusammenhang hatte Professor Leibholz ausgeführt, daß angesichts offensichtlich zutage liegender Mißstände der Gesetzgeber aufgefordert ist, zu prüfen, inwieweit diesen Mißständen durch eine Änderung der bestehenden Eigentumsinhaltsbestimmung begegnet werden kann. Die mißbräuchliche Ausübung des Eigentumsrechts sei verfassungswidrig und widerstreite dem grundgesetzlichen Bekenntnis zum Sozialstaat, dem auch der Eigentümer Rechnung zu tragen habe.Mit diesen seinen Aussagen hat Herr Professor Leibholz lediglich das wiedergegeben, was auch bisher schon in Rechtsprechung und Schrifttum unbestritten war, nämlich daß Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze zu bestimmen sind und daß das Eigentum an Grund und Boden besonderen sozialen Bindungen unterliegt. So hat bereits das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von 1967 ausgeführt:Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts-und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.Das Gericht fährt fort:Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist aber nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat.Dieses in unserer Verfassung zum Ausdruck kommende Gebot der sozialgerechten Nutzung des Bodens ist also eine Anweisung an den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Wir werden diesem Gebot auch bei der Novellierung des Bundesbaugesetzes Rechnung tragen müssen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Bundesminister, welche rechtspolitischen Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Erklärung, die Bundesregierung wolle andere Formen des Eigentums entwickeln?
Ich möchte, um Mißverständnissen zu begegnen, sehr deutlich sagen, Herr Kollege Dr. Schneider, andere Formen des Eigentums heißt nicht, die vorhandenen Eigentumsformen durch andere zu ersetzen, sondern das System unserer Eigentumsformen durch neue zu erweitern, weil die Entwicklung in den Städten uns dazu zwingen wird,
neben dem Parzelleneigentum, Miteigentum und Teileigentum auch andere Formen des Eigentums und auch andere Nutzungsrechte wie etwa den Ausbau des Erbbaurechtes vorzusehen.
Dafür gibt es nach meiner Meinung zwei entscheidende Entwicklungstendenzen, die wir sehr genau beachten müssen. Wir werden in Zukunft in unseren Gemeinden zu einer Mehrfachnutzung des Grund und Bodens sowohl durch die öffentliche Hand wie durch gewerbliche Unternehmer wie durch private Eigentümer kommen. Diese Mehrfachnutzung einzelner Parzellen wird es notwendig machen, diese Nutzungsrechte auch in einer Form zu entwikkeln, daß sie eigentumsähnliche Wirkungen haben.
Das andere ist folgendes. Wir werden in unserem beruflichen Leben zu einer noch stärkeren Mobilität als bisher kommen. Da das Eigentum im Wohnungswesen nach meiner Meinung ein richtiges Prinzip auch der Vermögensbildung ist, müssen Eigentumsformen entwickelt werden, die dieser Mobilität im beruflichen Leben auch entsprechen, damit nicht durch die Eigentumsentwicklung bei der Vermögensbildung der Mobilität im beruflichen Leben entgegengewirkt wird.
Das führt nach meiner Meinung dazu, daß neben der Form des Miteigentums Anteilsrechte, Erbbaurechte und dingliche Nutzungsrechte in anderer Weise als bisher unsere Eigentumsordnung ergänzen sollten.
Gestatten Sie eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schneider.
Herr Bundesminister, da ich Ihre Ausführungen mit § 59 Abs. 4 des Bundesbaugesetzes in Verbindung bringen darf, wo ja solche besonderen Formen schon kodifiziert sind, frage ich Sie: Hält die Bundesregierung ihre im Städtebaubericht 1970 vertretene Auffassung aufrecht, wonach es keiner Änderung der gegenwärtigen Eigentumsordnung bedürfe, um auftretende Mißverhältnisse zwischen der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Bodens auszugleichen, sondern vielmehr eine Ausschöpfung des verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmens des Art. 14 GG genüge?
Das ist genau das, was ich meine.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Ich danke Ihnen für die Beantwortung.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und die Frage 60 des Abgeordneten Würtz auf:Trifft es zu, daß die bisher als stellvertretende Zugführer verwendeten Stabsfeldwebel der Feldjägertruppe nach Ernennung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes nicht als Zug-und Dienstkommandoführer eingesetzt werden?Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Berkhan.
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4916 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Wenn Sie oder der Herr Kollege Würtz einverstanden wären, würde ich gern die Fragen 60 und 61 im Zusammenhang beantworten.
Einverstanden. Dann rufe ich die Frage 61 des Abgeordneten Würtz auf:
Wie wird sichergestellt, daß die umfangreichen Fachkenntnisse dieser Fachoffiziere, die in langjährigen Ausbildungsgängen und im Einsatz auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden, der Feldjägertruppe nicht verlorengehen und sinnvoll weiter genutzt werden?
Herr Kollege Würtz, es trifft zu, daß die bisher als stellvertretende Zugführer verwendeten Stabsfeldwebel der Feldjägertruppe auch nach Ernennung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes nicht als Dienstkommandoführer eingesetzt werden. Das hat folgenden Grund:
Bis zur Fusion des Heeres mit dem Kommando der Territorialen Verteidigung im Frühjahr 1970 gliederte sich die Feldjägertruppe in Kompanien und Züge. Zugführer war immer ein Hauptmann des Truppendienstes und sein Stellvertreter ein Stabs-bzw. Oberstabsfeldwebel. Künftig gliedert sich die Feldjägertruppe in Kompanien und Dienstkommandos. Der Umfang des Dienstkommandos geht sowohl personell als auch einsatzmäßig über den des Zuges weit hinaus.
Zur Zeit befinden wir uns in einer Übergangsphase. Künftig soll Dienstkommandoführer weiterhin ein Hauptmann des Truppendienstes sein, und der Offizier des militärfachlichen Dienstes wird sein Vertreter. Das erscheint in Anbetracht der größeren Bedeutung der Dienstkommandos gegenüber den früheren Zügen angemessen. Damit wird auch sichergestellt, daß die umfangreichen Fachkenntnisse dieser Offiziere der Feldjägertruppe erhalten bleiben, solange sie noch den Dienstgrad eines Leutnants bzw. eines Oberleutnants haben.
Nach einer Beförderung zum Hauptmann werden diese Offiziere, soweit Offiziere des Truppendienstes nicht zur Verfügung stehen, auch als Dienstkommandoführer eingesetzt werden können. Als Anschlußverwendung im übrigen ist für die Hauptleute des militärfachlichen Dienstes ein Dienst in der Verkehrsführung bzw. im MAD — im militärischen Abschirmdienst — vorgesehen. Auch in diesen Funktionen werden ihre Erfahrung und ihr Wissen sinnvoll genutzt.
Keine Zusatzfragen. —Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Schulze-Vorberg auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Sicherung des Friedens Erwägungen, die Wehrpflicht in allen europäischen Staaten gleichzeitig und gleichwertig abzubauen und schließlich gemeinsam aufzuheben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bemühungen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten kon-
zentrieren sich darauf, die Sicherheit Europas durch Vereinbarungen über beiderseitige und ausgeglichene Truppenreduzierungen zu verbessern. Verschiedene Modelle und Elemente solcher Vereinbarungen werden von den Verbündeten geprüft. Gemeinsam von der Allianz festgelegte Kriterien für solche Vereinbarungen sind den Mitgliedern des Warschauer Paktes nach der Ministerratstagung der Allianz im Mai vergangenen Jahres notifiziert worden. Ob in solche Verhandlungen auch der Vorschlag einer gleichzeitigen und gleichwertigen Verkürzung des Grrundwehrdienstes einbezogen werden kann mit dem Ziel der gemeinsamen Aufhebung der Wehrpflicht zu einem späteren Zeitpunkt bedarf gewiß noch eingehender Prüfung. Da das Wehrpflichtsystem in den einzelnen Ländern der Allianz und des Warschauer Paktes eine unterschiedliche Bedeutung für den Kampfwert der von ihnen unterhaltenen Streitkräfte hat, läßt sich schon jetzt sagen, daß einem solchen Vorschlag unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit und der Aufrechterhaltung eines stabilen Gleichgewichts erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine isolierte Maßnahme handelt.
Neben der Dauer des Grrundwehrdienstes spielen für die Beurteilung des Kampfwertes von Streitkräften auch der Anteil der längerdienenden Freiwilligen und der Umfang bestehender oder aufstellbarer Berufsarmeen sowie die Bewaffnung oder Verfügbarkeit von Streitkräften in bestimmten Räumen und zu bestimmten Zeiten eine besondere Rolle.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung ihre vielfältigen Verhandlungen mit kommunistischen Staaten dazu benutzt, festzustellen, wie die Vorschläge, die innerhalb der NATO erarbeitet worden sind, dort aufgenommen werden?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, die Verhandlungen in diesem Raum werden nicht durch den Verteidigungsminister, sondern im wesentlichen durch den Außenminister geführt. Sie werden verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich mich hier überfragt fühle.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, ist die Anregung erlaubt, daß man in diesen Fragen, in Fragen der europäischen Sicherheit durch gleichwertige und gleichzeitige Reduzierung der Waffen und Truppenstärke usw. im Sinne Ihrer Ausführungen gerade bei diesen Verhandlungen eine besondere Bedeutung zumessen sollte?
Sie können sicher sein, daß bei diesen Verhandlungen, so wie Sie eben die Frage gestellt haben, Schwerpunkte gesetzt sind. Eine ganz andere Frage ist die, die Sie mir schriftlich in dieser Fragestunde vorgelegt haben, weil insbesondere für die Bundeswehr die Wehrpflichtigen das Hauptkontingent im Heer darstellen. Wir können wegen unserer in der NATO übernommenen Verpflichtungen nur sehr behutsam an der Schraube der Wehrpflichtzeit drehen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Damm auf:
Ich frage die Bundesregierung, welche Erlasse oder Befehle gibt es, in denen klargestellt wird, wie die Kommandeure und Einheitsführer in denjenigen Fällen zu verfahren haben, in denen Soldaten, insbesondere Grundwehrdienst leistende Soldaten, Rauschgift oder vergleichbare Mittel zu sich nehmen?
Der Minister hat einem Erlaß „Information für Kommandeure/Rauschmittelmißbrauch in der Truppe" zugestimmt. Der seit längerer Zeit in Bearbeitung befindliche Erlaß wird in einem informativen Teil über die Gefahren des Rauschmittelmißbrauchs aus medizinischer Sicht unterrichten, eine Orientierungshilfe zur dienst- und strafrechtlichen Würdigung des Rauschmittelmißbrauchs durch Soldaten geben und ein Verbot jeglichen Rauschmittelkonsums im Dienst und innerhalb militärischer Anlagen aussprechen. Seine Herausgabe hat sich verzögert, weil die Ergebnisse einer Tagung eines Sonderausschusses des Wehrmedizinischen Beirats abgewartet werden mußten, der sich am 5. November 1970 in Ulm ausschließlich mit dem Thema „Rauschmittelmißbrauch" beschäftigt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Damm.
Herr Staatssekretär, dann ging also das Bundesministerium für Verteidigung über das hinaus, was in den „Mitteilungen für den Soldaten" vom 14. Januar dieses Jahres als wörtliches Zitat von Ihnen gebracht worden ist, daß es sich hier nämlich nicht um eine besorgniserregende Angelegenheit handle und daß man prüfen werde, der Truppe in Einzelfällen Hilfe zu leisten.
Herr Kollege Damm, nicht alles, was in einem Erlaß geregelt wird, muß vorher besorgniserregende Zustände zum Anlaß gehabt haben. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß auch heute noch im Vergleich zur übrigen Gesellschaft der Rauschmittelmißbrauch in der Truppe relativ gering ist. Sie dürfen das so auslegen, wie Sie es ausgelegt haben. Ich bleibe aber bei dem, was ich gesagt habe: Gottlob ist die Situation in der Truppe nicht besorgniserregend.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Damm.
Ich bin dankbar, daß die Situation so ist, was den Grund für eine große Besorgnis angeht. Immerhin, könnte es nicht so sein, daß auch dem Ministerium nur die Spitze des Eisbergs — wenn ich so sagen darf — bekannt ist, wenn man im Zusammenhang mit dem Fall, ,der hier der auslösende Fall gewesen ist, nämlich Pinneberg, lesen muß, daß der Soldat, um den es da ging, dem „Hamburger Abendblatt" gesagt hat:
Ich war nur fünf Tage in der Kaserne, als ich schon drei Soldaten kannte, die innerhalb des Kasernengeländes mit Rauschgiften handelten; es gibt sicherlich noch mehr Händler ...
und wenn man lesen muß, daß der dortige Arzt ähnliche Äußerungen bestätigend gemacht hat?
Herr Kollege Damm, sicher ist in der Frage des Rauschmittelhandels und des Rauschmittelmißbrauchs nicht nur in der Bundeswehr, sondern generell auch in Schulen, in Jugendgruppen und in der Öffentlichkeit immer nur die Spitze des Eisbergs sichtbar. Das gilt selbstverständlich auch für die Bundeswehr. Dennoch können Sie sicher sein, daß Truppenärzte und Einheitsführer sehr sorgfältig darauf achten. Der Erlaß des Ministers wollte im übrigen vorwiegend den Einheitsführern, die für diese Frage weder medizinisch noch pädagogisch wesentlich ausgebildet sind, eine Hilfestellung geben, damit diese Offiziere und die ihnen unterstellen Helfer nicht in unangenehme rechtliche Verwicklungen geraten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 64 des Abgeordneten Hansen auf:
Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen, damit sich die durch technische Mängel hervorgerufene "Starfighter"-Unfallserie bei den Maschinen vom Typ "Phantom RF 4 E" nicht wiederholen kann?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, bei der Auswahl des Waffensystems Phantom sind alle Vorkehrungen getroffen worden, die mich zu der Feststellung hier ermutigen, daß sich eine Serie von Unfällen wie beispielsweise bei dem Starfighter in den ersten Betriebsjahren nicht wiederholen wird.Die Einführung der Phantom unterliegt einer umfassenden Planung und darüber hinaus einer sehr straffen Steuerung. Alle Einzelheiten der Planung sind das Ergebnis einer eingehenden Zusammenarbeit zwischen der amerikanischen und der deutschen Luftwaffe. Das Management für das neue System wurde von Anfang an von der Mannschaft übernommen, die zur Überwindung der Starfighter-Unfallserie eingesetzt worden war.Wir glauben auch deshalb mit dem Ankauf der Phantom eine gute Wahl getroffen zu haben, weil sich diese Maschine bereits seit 1963 weltweit bewährt hat und aus der Familie der Phantom-Serie stammt, von der bis heute mehr als 4000 Flugzeuge
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4918 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanproduziert worden sind. Im Vergleich mit anderen Waffensystemen hat sie im Jahr 1969 mit etwa sieben schweren Unfällen pro 100 000 Flugstunden — das ist die Meßziffer, mit der verglichen wird; es ist eine reine Rechnungseinheit und bezieht sich nicht auf die abgeflogenen Stunden — die beste Flugsicherheitsleistung erbracht, Herr Kollege Hansen.Die Phantom besitzt ausgezeichnete Flugeigenschaften, hat eine niedrige Start- und Landegeschwindigkeit, ist robust und fliegerisch gutmütig. Mit ihren zwei Triebwerken und den zwei Besatzungsmitgliedern ist sie ein weit über Durchschnitt sicheres Flugzeug. Sie wird im Gegensatz zum Starfigther auch ohne jegliche Änderungen gegenüber dem Angebot der US-Luftwaffe übernommen. Hiervon macht nur der Schleudersitz eine Ausnahme, bei dem auf Wunsch der Bundesregierung das zur Zeit modernste Rettungsgerät eingebaut worden ist.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Hansen.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Meldungen, wonach Piloten des Aufklärungsgeschwaders 52 in Leck/Schleswig-Holstein beanstanden, daß das Fahrwerk, die Gashebel und die Landeklappen vom zweiten Sitz des Flugzeugs aus nicht zu bedienen sind und deshalb die Maschine, wenn sie in eine schwierige Lage gerät, aufgegeben werden muß?
Herr Kollege, während des Einsatzes der RF 4 E, der Phantom, als Aufklärer sowohl in der Friedensausbildung als auch im Verteidigungsfall befindet sich im zweiten Sitz ein „Kampfbeobachter", der eine aufwendige Ausbildung für diese Funktion durchlaufen hat und der auch bestimmte Kriterien für diese Laufbahn besitzen .muß. Er ist also kein Flugzeugführer. Die Ausrüstung des zweiten Sitzes mit der Geräteausstattung zur vollen Übernahme der Flugzeugführerfunktion von diesem Sitz aus ist daher nicht erforderlich.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Ich darf also feststellen, daß Sie nicht bereit sind, den Forderungen der Piloten und Kampfbeobachter, daß auch der Kampfbeobachter zumindest teilweise als Flugzeugführer ausgebildet werden sollte, entgegenzukommen.
Herr Kollege Hansen, ich glaube nicht, daß man in der Fragestunde ein so schwieriges Problem abschließend behandeln kann. Sie können sicher sein, daß wir die „Neue Rhein-Zeitung" und andere Zeitungen,
die Sie wahrscheinlich zu Ihrer Information benutzt haben, auch gelesen haben.
Und Sie können sicher sein, daß wir „Bild am Sonntag" lesen.
Sie können sicher sein, daß wir mit den Piloten reden.
Ihre Frage wird ganz sicher Anlaß sein, daß die für die fliegerische und für die Kampfbeobachterausbildung verantwortlichen Offiziere noch einmal sorgfältig mit den ihnen unterstellten Flugzeugführern und Beobachtern sprechen werden. Zur Zeit ist für uns kein Anlaß gegeben, an der Planung etwas zu ändern.
Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich jedoch eine grundsätzliche Bemerkung anschließen. Herr Kollege Hansen, es ist leider so, daß es weder in der zivilen Luftfahrt — sowohl bei den Lufttransportgesellschaften als auch bei den Flugliniengesellschaften, aber auch bei der Sportfliegerei — noch in der militärischen Luftfahrt ein Flugzeug oder ein Waffensystem gibt, von dem man sagen kann, es sei absolut sicher.
Ich hoffe, daß sich die Dinge so ergeben werden, wie ich es hier vorgetragen habe.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Damm.
Herr Staatssekretär, können Sie eine Erklärung dafür abgeben, daß der Kollege Hansen so genau über die Ansichten der Piloten in Leck bezüglich der Phantom unterrichtet ist, obwohl doch überhaupt erst heute — zufällig heute - die ersten Phantom-Flugzeuge nach Deutschland eingeflogen werden, und zwar nicht in das Aufklärungsgeschwader 52 nach Leck, sondern nach Brem-garten bei Freiburg?
Herr Kollege Damm, wenn Sie später einmal sorgfältig nachlesen, was Sie mich gefragt haben, werden Sie feststellen, daß Sie von mir hellseherische Fähigkeiten verlangen. Ich bin nicht die Frau Buchela.
Ich rufe Frage 65 des Abgeordneten Heyen auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Demnach werden die Fragen 65 und 66 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe Frage 67 des Herrn Abgeordneten Dr. Geßner auf;
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4919
Präsident von HasselIst die Bundesregierung der Auffassung, daß das in der Bundesrepublik Deutschland für das Brauen von Bier gültige Reinheitsgebot durch chemische Zusätze im Zuge der EWG-Harmonisierung durchbrochen werden soll?Der Abgeordnete ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.
Herr Kollege Dr. Geßner, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Lebensmittel — und dazu gehört auch das Bier — dem Verbraucher immer nur in größter Reinheit angeboten werden sollten. Sie lehnt deshalb den unnötigen Zusatz fremder Stoffe entschieden ab.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, da der Begriff „Reinheitsgebot" im Falle des Bieres ein feststehender Begriff ist, möchte ich vorsorglich noch einmal fragen, ob Ihre Antwort bedeutet, daß Sie mit der Beibehaltung des Reinheitsgebotes bei der Herstellung von Bier einverstanden sind.
Herr Kollege Dr. Geßner, ich kann Ihnen das voll bestätigen. Es geht beim untergärigen Bier um Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und — manche sagen: wohl oder übel — um Wasser. Bei obergärigem Bier geht es zusätzlich um andere Malze. Es geht uns um nichts anderes, als daß wir das Reinheitsgebot einhalten und keine anderen Zusätze verwenden wollen.
Vielleicht darf ich hinzufügen, nichts gegen die Qualität des Bieres, das in Nordrhein-Westfalen gebraut wird, aber der Minister, den ich hier zu vertreten habe, ist ein bayerischer Abgeordneter, und dort gilt Bier als Lebensmittel.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, vermute ich mit Recht, daß Sie sich bei Ihrer Antwort auch von der Tatsache haben leiten lassen, daß im Falle der Durchbrechung des Reinheitsgebotes mehrere hunderttausend Tonnen Braugerste von der deutschen Landwirtschaft nicht mehr hätten abgesetzt werden können — mit allen Konsequenzen für die Landwirtschaft selbst und natürlich möglicherweise auch für den deutschen Steuerzahler?
Es ist sicher richtig, daß auch die wirtschaftlichen Gründe eine gewichtige Rolle spielen. Aber Vorrang hat die Überlegung, die Reinheit des Bieres auch zu einer Angelegenheit der Europäischen Gemeinschaft zu machen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Burger.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir auch darüber beunruhigt, daß nicht nur bei Bier, sondern auch bei Limonaden, Mineralwässern, Obstsäften, ja sogar im Falle des Weingesetzes in den neuen Richtlinien der EWG insbesondere hinsichtlich der gesundheitspolizeilichen und politischen Vorschriften erhebliche Verschlechterungen gegenüber dem deutschen Recht festzustellen sind?
Herr Kollege Burger, ich kann das bestätigen. Sie wissen aus den Beratungen in dem Ausschuß, in dem wir zusammenwirken, wie sehr sich die Bundesregierung für den Reinheitsgedanken bei allen Lebensmitteln, auch bei den von Ihnen genannten, einsetzt.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Dr. Geßner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, mit Nachdruck ihren Einfluß dahin gehend auszuüben, daß die Bierproduktion in den EWG-Staaten den Bestimmungen über die Reinheit des Bieres angepaßt wird, die in der Bundesrepublik Deutschland gelten?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung wird einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften über Bier nur zustimmen, wenn die in der Bundesrepublik bewährten Normen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes unverändert erhalten bleiben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, stehen Sie mit derartigen Bemühungen, die man unterstützen kann, im Raum der EWG allein? Ich hätte gern gewußt, wie die Chancen sind.
Wir stehen so ziemlich allein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 69 des Abgeordneten Baier auf:
Trifft es zu, daß dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ein Gutachten vorliegt, aus welchem hervorgeht, daß die Erfahrungen, die man in Dänemark mit der Freigabe der Pornographie gemacht hat, keineswegs positiv sind?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Baier, ein solches Gutachten liegt dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit nicht vor. Dem Ministerium sind lediglich die Forschungsergebnisse des dänischen Wissen-
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4920 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Westphalschaftlers Berl Kutschinsky über „Pornographie und Sexualkriminalität in Dänemark" bekannt, die im November 1970 als Buch in englischer Sprache veröffentlicht wurden. Das Buch kann über den Buchhandel bezogen werden. Den Darlegungen Kutschinskys läßt sich nicht entnehmen, daß die Erfahrungen, die man in Dänemark mit der Freigabe der Pornographie gemacht hat, keineswegs positiv seien.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Baier.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Ministerium andere Erfahrungsberichte aus Ländern, in denen eine Aufhebung des Pornographieverbots erfolgte?
Es gibt eine Menge von Unterlagen und Dokumentationen. Erfahrungsberichte im Sinne von Gutachten, wonach Sie gefragt haben, liegen uns sonst nicht vor. Aber vielleicht spielen Sie auf eine Dokumentation mit dem Titel „Jugendschutz und Pornographie in Dänemark und Schweden" an, die von dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erstellt wurde. Diese Dokumentation wird in Kürze durch das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlicht werden. Sie gibt einen Überblick über die Entwicklung der die Verbreitung der Pornographie betreffenden gesetzlichen Bestimmungen in Dänemark und Schweden von 1965 bis Ende 1970. Außerdem enthält die Dokumentation im Hauptteil eine Zusammenstellung der wichtigsten wissenschaftlichen Gutachten und amtliche Stellungnahmen aus Dänemark und Schweden zur Frage einer eventuellen schädlichen Wirkung der Pornographie sowie statistische Zahlen und Untersuchungsergebnisse aus Dänemark zu der Frage des Einflusses der Pornographie auf die Sittlichkeitsdelikte.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Baier.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es notwendig ist, daß die Bundesregierung und insbesondere Ihr Haus Erfahrungsberichte gerade im Hinblick auf den Schutz der Jugend in jenen Ländern sammelt, in denen eine Pornographiefreigabe erfolgte, und daß sie, bevor der Bundestag hier die Entscheidung zu treffen hat, diese Erfahrungen der Öffentlichkeit und dem Bundestag vorlegt?
Da wir, wie Sie wissen, die Absicht haben, den Jugendschutz gerade im Zusammenhang mit der Freigabe der Pornographie zu verstärken, die in der Vorlage des Justizministers für den Erwachsenenbereich vorgesehen ist, ist es sicher unsere Aufgabe, alle vorhandenen Erfahrungsberichte zu werten und uns auch selbst weiter um diese Frage zu kümmern.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß weder die Bundesregierung noch irgend jemand in diesem Hause beabsichtigt, die Pornographie im Sinne der Frage freizugeben, sondern daß vielmehr beabsichtigt ist, die Strafbarkeit zu verändern und insbesondere gewisse Dinge, die heute nicht unter Strafe stehen — wie Gewaltanwendung und ähnliches —, zum Schutz der Jugend neu unter Strafe zu stellen?
Herr Kollege, obwohl dies eine Frage ist, die eigentlich von dem Justizminister zu beantworten wäre, will ich gern bestätigen, daß dies die Absicht der Gesetzgebung der Bundesregierung ist.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Härzschel auf:
Wie hoch sind die durchschnittlichen Pflegesätze in Alters-und Pflegeheimen, die nach 1950 erbaut wurden, und wieviel Prozent betrug die Erhöhung im letzten Jahr?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Härzschel, die Höhe der Pflegesätze in Alters- und Pflegeheimen wurde bisher weder auf Bundes- noch auf Landesebene durch statistische Erhebungen erfaßt. Soweit ich auf anderem Wege einen Überblick gewinnen konnte, werden monatlich zwischen 450 DM und 600 DM für Altenheime und 850 DM bis 1000 DM für Pflegeheime in Rechnung gestellt. Auch über die Erhöhung der Pflegesätze liegen keine gesicherten Unterlagen vor. Für das Jahr 1970 kann eine durchschnittliche Steigerung der Pflegesätze von 6 bis 81)/0 angenommen werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für notwendig, daß auch auf diesem Bereich statistische Unterlagen erstellt werden?
Es wäre sicher hilfreich, darüber genauer unterrichtet zu sein. Nur ist das Problem der Statistik, noch dazu auf Bundesebene, wenn es sich um Dinge handelt, die in der Kompetenz der Länder liegen, sehr schwierig und erfordert erhebliche Mittel und auch eine gesetzliche Grundlage.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß zunehmend mehr Rentenempfänger in die Lage versetzt werden, zu-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4921
Härzschelsätzlich Sozialhilfe beanspruchen zu müssen, weil infolge der erheblichen Erhöhungen besonders im letzten Jahr die Rente nicht mehr ausreicht?
Ich kann Ihnen darüber, weil ich den Zusammenhang mit der Frage nicht genau sehen kann, keine Unterlagen nennen. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber zu korrespondieren.
Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Treffen Meldungen zu, nach denen der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit den stark linksorientierten Verband Deutscher Studentenschaften schriftlich aufforderte, um eine erneute Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplanes nachzusuchen?
Zur Beantwortung bitte.
Herr Kollege Wohlrabe, die Antwort auf Ihre Frage ist: nein. Der Verband Deutscher Studentenschaften ist nicht schriftlich aufgefordert worden, um eine erneute Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplans nachzusuchen. Entsprechende Meldungen treffen also nicht zu.
Im übrigen stammt, Herr Kollege, die einzige Meldung, die ich gelesen habe und die im Sinne Ihrer Frage von einer schriftlichen Auforderung an den VDS durch mich spricht, vom gestrigen Tage, und diese Meldung geht eindeutig — ich habe den Eindruck, Sie sind damit einverstanden — auf eine entsprechende Äußerung von Ihnen selbst zurück. Sie werden verstehen, daß ich gern den Text „meines" Briefes kennenlernen würde, den ich nicht geschrieben habe, den Sie aber in Händen haben sollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, ich nehme zur Kenntnis, daß der Brief nicht geschrieben ist. Ich würde trotzdem gern wissen, ob die Bundesregierung weiter daran festhält, daß der Verband Deutscher Studentenschaften als kommunistischer Kampfverband nicht gefördert wird.
Herr Kollege Wohlrabe, die Bundesregierung ist nach wie vor daran interessiert, daß es möglichst bald wieder einen leistungsfähigen repräsentativen Dachverband der Studenten gibt, der auf demokratischer Grundlage und damit auf breiter Basis die Studentenschaft repräsentiert. Nur ein solcher Verband kann ein kompetenter Partner für die Bundesregierung insbesondere in hochschulpolitischen und bildungspolitischen, aber natürlich auch in sozial-und jugendpolitischen Fragen, soweit sie die Studenten betreffen, sein. Die Bundesregierung würde einen solchen Verband gern wieder fördern.
In bezug auf den VDS ist unsererseits gesagt worden, daß die Bundesregierung bereit ist, mit dessen Vertretern Gespräche zu führen, also auch erneut zu prüfen, ob sich eine Änderung der Situation gegenüber dem damaligen Beschluß der früheren Bundesregierung ergeben hat. Eine Förderung kommt selbstverständlich nur dann in Betracht, wenn sich die Bundesregierung davon überzeugt, daß der VDS eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit leistet, wie es in § 9 JWG, der unsere Rechtsgrundlage ist, heißt.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Da Herr Staatssekretär Dohnanyi offensichtlich andere Vorstellungen hat, würde ich von Ihnen, Herr Staatssekretär, sehr gern wissen, ob Sie die Auffassung teilen, daß der Verband Deutscher Studentenschaften einen solchen Verband, wie Sie ihn eben schilderten, bis zum heutigen Tage noch nicht darstellt und deshalb auch im derzeitigen Stadium seiner programmatischen wie personellen Diskussion nicht förderungswürdig ist.
Herr Kollege, Sie haben zwei Dinge in Ihre Frage einbezogen.
Das eine ist auch schon aus gestrigen Pressemeldungen zu erkennen. Sie haben offensichtlich den Eindruck, daß mein Kollege und Freund von Dohnanyi mich in dieser Frage unter Druck setzt. Ich habe nichts davon gespürt. Ich habe im Gegenteil gestern abend mit ihm gesprochen und dabei festgestellt, daß er die Ansicht, von der Sie meinen, daß er sie habe, gar nicht hat. Das ist der erste Teil der Antwort, die ich geben möchte.
Der zweite Teil der Antwort betrifft die inhaltliche Seite. Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, erneut in eine Prüfung einzutreten, und zwar ganz einfach auch schon deshalb, weil wir mit Interesse festgestellt haben, daß sich der Verband Deutscher Studentenschaften nach seiner Marburger Tagung, seiner letzten Versammlung, wieder in dem Bereich, an dem auch gerade unsererseits ein besonderes Interesse besteht, nämlich dort, wo es um die Äußerungen zu sozialpolitischen, jugendpolitischen, hochschul- und bildungspolitischen Fragen geht, engagiert, was er lange Zeit nicht getan hat. Das heißt, man könnte gerade auch von dieser Frage her mindestens überlegen, ob sich eine neue, andere Situation ergeben hat.
Das, was der VDS selbst in einem Brief äußert, den er jetzt an mich gerichtet hat, geht dahin, daß er von sich aus weg ist von der Vorstellung, sozialistischer Kampfverband zu sein oder sein zu wollen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
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4922 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Herr Staatssekretär, halten Sie es nach Ihren Erfahrungen für möglich, daß Meldungen erfunden werden, um die Fragestunde zu bereichern?
Meine Erfahrungen sprechen ein wenig dafür, daß so etwas vorkommen kann, aber ich möchte das natürlich nicht generalisieren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre vorletzte Antwort auf die zweite Zusatzfrage des Kollegen Wohlrabe, daß die Bundesregierung von ihrer Antwort auf meine Frage vom 16. Juni abrückt, in der sie ausgeführt hat, daß bezüglich des VDS die Aussagen hinsichtlich der Stellung des Verbandes zum Grundgesetz und hinsichtlich der eigenen demokratischen Struktur unklar sind und daß die vom VDS gezeigte antipluralistische Haltung des Verbandes im Widerspruch zum Anspruch steht, der legitimierte Sprecher der Studentenschaft zu sein?
Das bedeutet es insofern, als wir erneut erklärt haben: Wir sind bereit, eine neue Lage zu prüfen. Aber es gibt noch nichts, was uns in irgendeiner Weise in den Stand setzt, neue Entscheidungen zu treffen. Es muß erst geprüft und dann gewertet werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, Sie sagten in der vorletzten Antwort, Sie hätten den Eindruck, der jetzige VDS engagiere sich neu. Sie haben hinzugefügt: sozialpolitisch, bildungspolitisch, wissenschaftspolitisch. Ich frage Sie: Auf Grund welcher neuen Kenntnisse sind Sie zu dieser Formulierung, daß sich der VDS jetzt neu engagiere, gekommen?
Wir haben z. B., genau wie andere studentische Organisationen, auch den Verband Deutscher Studentenschaften angehört, als es um den Referentenentwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes ging. Da ist der VDS gekommen. Früher, in einer bestimmten Periode seiner Entwicklung, hat er so etwas starr abgelehnt.
— Wenn Ihre Kollegen freundlich darauf reagieren, möchte ich gern hinzufügen, daß die Vermutung, die Ihr Kollege Wohlrabe in Herrn Dohnanyis Auffassung zu hochschulpolitischen Meinungen gelegt hat, leider gar nicht zutrifft. Es gibt beim VDS offensichtlich keine Zustimmung zu den hochschulpolitischen Vorstellungen der Bundesregierung.
Aber das ist natürlich eine Frage, die der andere Kollege weiter beantworten müßte.
Die Frage 72 wird beim Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern behandelt.
Die Frage 73 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Hält die Bundesregierung eine Förderung des Studiums deutseher Ärzte in den Vereinigten Staaten mit dem Ziel der Erlernung moderner Methoden zur Behandlung von Hirnschäden für erforderlich, oder glaubt sie, daß entsprechende Rehabilitationszentren in der Bundesrepublik Deutschland auch ohne Ärzte mit dieser Ausbildung eingerichtet werden können?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Walkhoff, die Fortbildung deutscher approbierter Ärzte in den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Rehabilitation von Hirnschäden ist nicht Voraussetzung für die Einrichtung von Rehabilitationsstätten für Hirngeschädigte. Mit der Bereitstellung von Rehabilitationszentren für Hirngeschädigte und damit entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten wird sich voraussichtlich eine ausreichende Zahl von Ärzten diesem Spezialgebiet der Medizin zuwenden und in der Bundesrepublik auch fortgebildet werden können.
Zweifellos bedeutet die Besichtigung amerikanischer Rehabilitationszentren, die in der Regel nicht e i n Krankheitsgebiet behandeln und die Rehabilitation von Hirnschäden neben anderen Dingen betreiben, für deutsche Ärzte einen Gewinn. Dies gilt für jeden Erfahrungsaustausch. Die gegenseitige Information der auf einem Fachgebiet tätigen Wissenschaftler und Kliniker geschieht laufend durch Veröffentlichungsaustausch und Kongreßbesuche, so daß die neuesten Erkenntnisse sehr schnell über die Landesgrenzen hinweg Verbreitung finden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Walkhoff.
Herr Staatssekretär, sind nach Ihrer Meinung gegenwärtig in der Bundesrepublik genügend entsprechende Fachärzte und Rehabilitationszentren vorhanden?
Ich habe bereits in der ersten Äußerung zum Ausdruck gebracht, daß wir bei uns eine Entwicklung haben, die in diese Richtung geht. Man kann sicher nicht davon sprechen, daß wir jetzt schon genügend Einrichtungen hätten. Es ist, wie Sie wissen, eine Angelegenheit der Länder, entsprechende Einrichtungen zu schaffen. Die Bundesregierung bemüht sich, durch die Schaffung von Modelleinrichtungen auf diesem Gebiet zu helfen. Wenn es Sie inter-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4923
Parlamentarischer Staatssekretär Westphalessiert, will ich Ihnen später gern eine Ubersicht geben, aus der hervorgeht, an welchen solchen Einrichtungen wir durch Förderung beteiligt sind.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Walkhoff.
Herr Staatssekretär, Sie sind also bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß immer noch sehr viele Eltern darauf angewiesen sind, ihre Kinder in die USA zu schicken, was bei sozial weniger privilegierten Eltern große Schwierigkeiten bereitet?
Herr Kollege Walkhoff, ich kann das nicht bestätigen, was Sie mich jetzt gefragt haben, sondern bin der Auffassung, daß es durchaus möglich ist, den Eltern von so geschädigten Kindern auch schon in der Bundesrepublik zu helfen.
Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die Sperrung der Gelder für den Verband Deutscher Studentenschaften aufzuheben?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege, es geht noch einmal um den Verband Deutscher Studentenschaften.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit wird ein Gespräch mit Vertretern des Verbandes Deutscher Studentenschaften zum Anlaß nehmen, die Situation erneut zu prüfen. Es besteht der Wunsch, daß der Verband von sich aus und vor der Öffentlichkeit sein Demokratieverständnis klar macht. Dazu sind im Hinblick auf § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes, den ich vorhin schon zitiert habe, konkrete Aussagen nötig.
Die Bundesregierung hat mit Interesse zur Kenntnis genommen — dies habe ich eben schon auf eine Zusatzfrage eines Kollegen von der CDU/CSU geantwortet —, daß der Verband Deutscher Studentenschaften sich in jüngster Zeit wieder zu studentischen Sozialproblemen geäußert hat und auch der Einladung des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit zur Anhörung von Sachverständigen bei der Beratung des Referentenentwurfs für ein Bundesausbildungsförderungsgesetz gefolgt ist. Das Ergebnis des beabsichtigen Gesprächs und seine Wertung durch die Bundesregierung ist abzuwarten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Walkhoff.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungstreue des Verbandes Deutscher Studentenschaften, der die überwiegende Mehrheit der Hochschüler vertritt und in dem die
Repräsentanten des Sozialdemokratischen Hochschulbundes eine wichtige Rolle spielen, noch nicht erwiesen ist,
während beispielsweise die Deutsche Jugend des Ostens, offenbar auf Grund ihres rechten Demokratieverständnisses, finanzielle Mittel von der Bundesregierung erhält?
Herr Kollege, ich lasse diese Zusatzfrage nicht zu. Sie bezieht sich nicht auf die eigentliche Frage bezüglich des Verbandes Deutscher Studentenschaften. Das ist mein Eindruck.
Vielleicht können Sie den zweiten Teil herauslassen und nur auf den ersten Teil abheben. — Bitte sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Der erste Teil läßt sich nur erneut so beantworten, wie ich es vorhin schon getan habe, daß wir uns in eine neue Prüfung begeben. Wir haben immer zur Verfügung gestanden, um neue Lagen in diesem Felde zu prüfen. Wir haben ein Interesse daran, daß es irgendwann und möglichst bald wieder einen repräsentativen Dachverband der Studenten gibt. Wir hoffen und erwarten, daß es ohne Abhängigkeit, Aufforderung oder Bindung zu eigenen, für die deutsche Öffentlichkeit verständlichen Erklärungen des Verbandes ,Deutscher Studentenschaften kommt, die sein Demokratieverständnis auf der Basis des Grundgesetzes so klar machen, daß man der Bundesregierung vorschlagen kann, zu neuen, anderen Entscheidungen zu kommen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir die Meinung teilen, daß der Verband Deutscher Studentenschaften zum gegenwärtigen Zeitpunkt, obwohl einige SHB-Leute im Vorstand sind, ein klares inhaltliches Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht abgelegt hat?
Herr Kollege Wohlrabe, am liebsten würde ich aus einem Brief des Verbandes Deutscher Studentenschaften zitieren, den er uns jetzt geschrieben hat. Ich bin aber auch bereit, Ihnen den Brief nachher zur Verfügung zu stellen und dann zu sagen, dies werden wir in Gesprächen prüfen. Ich bin nicht bereit, jetzt schon zu sagen: wir verdammen eine Organisation, die möglicherweise auf dem Wege dazu ist, neue, andere Positionen einzunehmen.
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4924 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, als jemand, der niemanden verdammen will, frage ich, ob Sie bereit sind, diese Passagen vorzulesen.
Wenn der Herr Präsident es gestattet, würde ich es gern vorlesen.
Keine Bedenken.
Ich nehme einen Abschnitt aus dem Brief:
Nicht nur die in Köln 1969 bestätigte Charta der Studentenschaft, sondern auch das Mar-burger Aktionsprogramm von 1970 geben unmißverständlich Auskunft über den politischen Standort des VDS.
Der verstärkte Kampf gegen den Vormarsch nationalistischer und neofaschistischer Kräfte in der Bundesrepublik ist nach Aussage des Aktionsprogramms die entscheidende Grundlage und Erfolgsbedingung für die Durchsetzung der Mitbestimmung und für die Demokratisierung der Hochschule im Interesse der arbeitenden Bevölkerung. Im Zentrum der Bemühungen stehen hierbei der Kampf gegen rassistische, imperialistische und neofaschistische Lehrinhalte, gegen Kriegsforschung, aber auch gegen die herrschenden Bestrebungen in der staatlichen Bildungspolitik, die den studentischen Mitbestimmungsinteressen zuwiderlaufen.
Der andere Abschnitt, der, glaube ich, für die Sache wichtig ist, steht vorher:
Der VDS ist die Dachorganisation der überwiegenden Mehrheit der Studentenschaften in der BRD mit einem derzeitigen Gesamtmitgliederstand von ca. 280 000 Studierenden.
Sein Vorstand ist — wie das Statut und die Protokolle der Mitgliederversammlungen beweisen — demokratisch ,gewählt und setzt sich auf Grund der herrschenden politischen Mehrheitsverhältnisse aus Sozialisten zusammen. Die Aufgabenbestimmung des VDS, wie sie in dem zur Zeit gültigen Marburger Aktionsprogramm festgelegt ist, ist Ausdruck der Tatsache, daß ein derart übergreifender Verband in keinem Fall Ersatz für die politische Organisation von Sozialisten wie auch anderer Gruppen sein kann. In der Begründung des Aktionsprogramms wird deshalb hervorgehoben, daß „die Konzeption für die VDS-Arbeit ... in der Abgrenzung von Vorstellungen eines sozialistischen Kampfverbandes einerseits und einer ständisch kleinbürgerlichen Lobby andererseits, als gewerkschaftliche Orientierung bestimmt werden" müsse.
Ich will mich darauf beschränken. Ich möchte nur deutlich machen, ich identifiziere mich in keiner Weise mit dem, was hier steht, sondern ich halte es für eine Notwendigkeit, daß man in Prüfung und Gespräch eintritt. Dies hat das zuständige Ministerium immer erklärt und hält es aufrecht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, da Sie die Sache zweimal angeführt haben: Stimmen Sie mir zu, daß die Äußerung zu sozialpolitischen und bildungspolitischen Themen und das Erscheinen zu einem Hearing vor einem Bundestagsausschuß noch nichts über eine pluralistische und demokratische Grundeinstellung aussagt?
Es kommt natürlich auf die inhaltliche Äußerung an. Über die pluralistische Einstellung sagt das selbstverständlich nichts aus. Was die Frage des Demokratischen betrifft, so ist es für mich ein wichtiger Hinweis, wenn ein Verband, der vorher gesagt hat, wir haben mit dieser Ordnung überhaupt nichts zu tun und bekämpfen sie revolutionär, jetzt sagt: Wir nehmen die Ordnung zur Plattform und gehen von ihr aus, um sie inhaltlich zu verändern.
Das ist eine neue, andere Position.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß sich die von Ihnen eben aus dem Brief zitierten programmatischen Äußerungen von denen der Deutschen Kommunistisen Partei und des SDAJ nicht unterscheiden?
Ich würde Ihnen weitgehend darin zustimmen, daß es dort sehr weitgehende Ähnlichkeiten gibt.
Keine weitere Zusatzfrage mehr.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4925
Präsident von HasselIch rufe nunmehr die Frage 76 auf:Welche Möglichkeiten sieht die Regierung auf Grund jüngster Äußerungen der europäischen Jugendorganisationen und der offiziellen Verhandlungen über die Errichtung eines Europäischen Jugendwerkes, daß eine geeignete Form gefunden wird, die von Anfang an auch eine Beteiligung osteuropäischer Staaten als Mitglieder unter Einbeziehung osteuropäischer Jugendorganisationen und Jugendlicher gewährleistet?Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Slotta! Nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen im Europarat ist vorgesehen, daß auch Nichtmitgliedstaaten des Europarates — somit auch die südost- und osteuropäischen Staaten — dem Abkommen über das Europäische Jugendwerk als Mitglieder beitreten können, sobald das Jugendwerk gegründet ist. Im Falle des Beitritts haben die genannten Länder die gleichen Rechte und Pflichten wie die Gründungsstaaten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß ein deutsch-polnisches Jugendwerk dann nicht sinnvoll wäre, wenn es zu der in meiner Frage angeschnittenen allgemeinen europäischen Regelung kommt?
Nein, das möchte ich so auf keinen Fall sagen. Lassen Sie mich eine Bemerkung vorweg sagen! Der Begriff „Jugendwerk" ist eine deutsche sprachliche Wendung, die in den anderen Ländern, auch in unseren westeuropäischen Partnerländern, nicht mehr und nicht gern verwendet wird. Sie hat etwas mit Behördencharakter zu tun, und es geht hier um eine Zusammenarbeit zwischen Staat und freien Organisationen. Die anderen sprechen von „Stiftung", „Foundation” oder „Fondation” .
Auch die polnische Seite ist, wie wir wissen, an einer Intensivierung des Jugendaustausches interessiert, aber sicher noch nicht oder vorläufig nicht an einer Institutionalisierung. Wir werden das zu bereden haben und werden uns darum bemühen.
Aber — jetzt direkt zum Inhalt Ihrer Frage — ein Europäisches Jugendwerk weist eine andere Qualität auf als bilaterale Abkommen, die dann auch weiterhin notwendig sein werden und um die wir uns weiter ständig bemühen. Es geht bei den bilateralen Abkommen um den breiten Jugendaustausch zwischen zwei Staaten und die Förderung auf Gegenseitigkeit. Bei einem Europäischen Jugendwerk wird es darum gehen, europäische internationale Veranstaltungen und die Arbeit der Jugend zusammen international zu fördern.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Slotta.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, würde Ihr Haus Initiativen in bilateraler und multilateraler Weise begrüßen, auch wenn sie von diesem Hause kämen.
Ja, wir tun dies laufend und wir bemühen uns ständig um einen Ausbau. Wir werden dieses Thema natürlich in Zukunft auch gegenüber ost-und südosteuropäischen Staaten verstärkt zur Diskussion bringen.
Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf, zunächst die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Gruhl. Ist der Abgeordnete anwesend? — Er ist nicht anwesend. Die Frage 6 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 7.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Koenig auf. Ist der Abgeordnete anwesend? — Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Storm auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern und den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden ergreifen, um eine sichere und schnelle soziale und berufliche Eingliederung der in den nächsten Monaten und Jahren aus der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland zu repatriierenden Deutschen im Augenblick und auf Dauer zu erreichen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Die Frage des Kollegen Storm beantworte ich namens der Bundesregierung wie folgt. Allgemein darf festgestellt werden, daß die derzeitigen und alle etwaigen künftigen Maßnahmen zur gesellschaftlichen, sozialen, beruflichen und schulischen Eingliederung sich auf alle Aussiedler erstrecken, gleichgültig, aus welchen Bereichen sie in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln. Zusätzliche Maßnahmen allein für die in den nächsten Monaten und Jahren aus dem polnischen Bereich einreisenden Aussiedler sind nicht geplant; sie sind angesichts der Tatsache, daß alle bisher eingetroffenen Aussiedler — in den letzten fünf Jahren immerhin noch rund 125 000 — im wesentlichen ohne besondere Schwierigkeiten eingegliedert werden konnten, auch nicht erforderlich.Über die Frage dagegen, ob und inwieweit die zur Zeit bereits bestehenden Eingliederungsmaßnahmen ausgeweitet bzw. intensiviert werden müssen, wird erst entschieden werden können, wenn die künftigen Verhandlungen des Deutschen und des Polnischen Roten Kreuzes Aufschluß über den Umfang und den zeitlichen Ablauf der Familienzusammenführung und Aussiedlung erbracht haben.Ungeachtet dessen haben Bund und Länder in zwei Konferenzen am 17. und 21. Dezember 1970 bereits über die möglichen Auswirkungen des er-
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4926 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Bundesminister Genscherwarteten verstärkten Zugangs an Aussiedlern beraten. Diese Beratungen werden in zwei gemischten Bund-Länder-Kommissionen fortgesetzt, von denen sich eine mit der vorläufigen und endgültigen wohnungsmäßigen Unterbringung der Aussiedler und die zweite mit Fragen der gesellschaftlichen, sozialen, beruflichen und schulischen Eingliederung befassen wird.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Burger auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob in den Vorbereitungsdienst einer Laufbahn des einfachen Dienstes grundsätzlich neben Absolventen einer Hauptschule aus Gründen der Chancengleichheit auch Absolventen einer Sonderschule zugelassen werden können?
Zur Beantwortung, Herr Bundesminister.
Die Bundesregierung führt die von Ihnen erbetene Prüfung durch, Herr Kollege. Sie hat dies bereits in der Antwort auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Baier am 16. Oktober 1970 angekündigt. Die Prüfung erstreckt sich darauf, ob Maßstäbe oder typisierende Merkmale ermittelt werden können, nach denen der der Leistungsstand und die berufliche Leistungsfähigkeit von Sonderschülern bewertet und mit dem Bildungsstand von Hauptschülern in Beziehung gesetzt werden können. In dieser Frage hat sich mein Haus zunächst an die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland gewandt. Deren Stellungnahme steht noch aus. Ich bin gern bereit, Sie über das Ergebnis der Prüfung zu unterrichten, sobald es mir vorliegt. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß es im Einzelfall durch eine entsprechende Feststellung des Bundespersonalausschusses schon heute möglich ist, einen Absolventen einer Sonderschule, der die erforderliche Befähigung durch Lebens- und Berufserfahrung gewonnen hat, einzustellen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Burger.
Herr Minister, würden Sie bei dieser Prüfung die besonderen Erfahrungen der letzten Jahre berücksichtigen, die dahin gehen, daß die Absolventen von Sonderschulen für diese einfacheren Tätigkeiten besonders geeignet sind, daß sie sich mit großer Sorgfalt diesem Aufstieg widmen würden und daß auch diese Schüler einen Anspruch auf ein berufliches Erfolgserlebnis haben?
Herr Kollege, ich will die in Ihrer Fragestellung liegende Anregung gern aufnehmen.
Danke.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Bühling auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Rock stellt die Fragen 13 und 14:
Ich frage die Bundesregierung, ob ihr bekannt ist, daß die Standesämter den Heimatvertriebenen bei der Ausstellung von Familienbüchern nicht unerhebliche Schwierigkeiten machen und trotz ausdrücklicher Betonung, daß Urkunden nicht mehr vorliegen, auf die Vorlage solcher Urkunden drängen, ohne von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Familienbuch auf Grund eidesstattlicher Versicherungen anzulegen.
Ist die Bundesregierung bereit, auf einem ihr geeignet erscheinenden Wege die Standesbeamten der Bundesrepublik Deutschland hier nochmals nachdrücklichst auf die gesetzlichen Bestimmungen hinzuweisen?
Er hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Müller auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit der Zuschauer, den Zustand der Großstadien in der Bundesrepublik Deutschland?
Die Trägerschaft für Großstadien liegt in der Bundesrepublik Deutschland — mit einer Ausnahme — nicht beim Bund. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung über den Zustand der zirka 15 Großstadien der Bundesrepublik im einzelnen nicht unterrichtet.
Im Eigentum des Bundes befindet sich nur das Olympiastadion in Berlin, das entsprechend seiner baulichen Beschaffenheit, die im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 1974 noch weiter verbessert werden soll, einen Unglücksfall wie den in Glasgow aller Voraussicht nach ausschließt. Darüber hinaus hat der Herr Bundesminister der Finanzen auf Grund des Unglücks in Glasgow eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen im Olympiastadion in Berlin veranlaßt.
Auch für das Olympiastadion in München wird diese Frage aufgegriffen.
Mein Haus hat die Sportressorts der Bundesländer um Unterrichtung über die Sicherheitsvorkehrungen für Zuschauer in den einzelnen Stadien gebeten. Außerdem wird das Auswärtige Amt auf meine Bitte die zuständige Auslandsvertretung ersuchen, die genauen Ergebnisse der Untersuchungen über das Unfallgeschehen in Glasgow, insbesondere im Hinblick auf bauliche Unzulänglichkeiten in der Beschaffenheit des Stadions, anzufordern. Sobald diese Unterlagen vorliegen, wird mein Haus diese unverzüglich an die zuständigen Stellen des Bundes und der Bundesländer weiterleiten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller .
Herr Minister, sind Sie bereit, die Ergebnisse der Ermittlungen, die sie jetzt angekündigt haben, ebenfalls dem Fachausschuß des Bundestages, dem Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele, zugänglich zu machen?
Ich halte das für selbstverständlich, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Müller auf:Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die geltenden Rechtsvorschriften und Sicherheitsbestimmungen für die aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft 1974 neu- oder auszubauenden Stadien ausreichen?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4927
Präsident von HasselZur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Die gewonnenen Erkenntnisse bei den genannten Untersuchungen sollen erforderlichenfalls vor allem beim Aus- und Neubau von Stadien anläßlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 berücksichtigt werden. Der Sicherheit des Zuschauers dienen außer den allgemeinen landesgesetzlichen Bestimmungen auch die Ausschreibungsbedingungen des Deutschen Fußballbundes, die u. a. besondere Anforderungen an den Zu- und Abgang der Zuschauer stellen. Dem Ausbau der Stadien zur Fußballweltmeisterschaft 1974 liegt eine moderne Konzeption zugrunde, die der Sicherheit der Zuschauer besondere Bedeutung beimißt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller .
Herr Minister, halten Sie es für denkbar, daß, nachdem bisher als einziges Kriterium für die Bezuschussung des Baus der Stadien für die Fußballweltmeisterschaft durch den Bund die Überdachungsfrage eine zentrale Rolle gespielt hat und nachdem hierauf insbesondere die Förderungsbestimmungen abgestellt worden sind, im Blick auf die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen auch diese als Kriterium für die Bezuschussung durch den Bund in Betracht gezogen werden können?
Herr Kollege, ich will jetzt unseren Entscheidungen nicht vorgreifen. Aber wenn das Ergebnis der angestellten Überprüfungen das als notwendig erscheinen läßt, werden wir keine Sekunde zögern, in dem von Ihnen vorgeschlagenen Sinne zu verfahren.
Danke. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.Wir sind am Ende der 60minütigen Fragestunde angelangt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beginnen das neue Jahr mit der traurigen Pflicht, dreier Kollegen zu gedenken, die seit unserer letzten Sitzung verstorben sind.Am Abend des 21. Dezember ist unser Kollege Hermann Haage, zwei Tage vor seinem 58. Geburtstag, in München an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.In München geboren, besuchte er nach seiner Lehrzeit als Tapezierer und Autosattler die Handelsschule und gründete 1932 einen eigenen Betrieb. Wegen seiner mutigen politischen Haltung wurde Hermann Haage von 1934 bis 1937 in das Konzentrationslager Dachau gebracht, in dem er zusammen mit Kurt Schumacher und anderen leiden und dulden mußte. Nach seiner Freilassung konnte er ein Jahr als selbständiger Transportunternehmer wirken und wurde 1939 zur Wehrmacht eingezogen.Nach dem Zusammenbruch widmete er sich dem Wiederaufbau des deutschen Transportwesens. Tatkräftig arbeitete er in den verantwortlichen Stellungen zahlreicher Verbände und wurde 1954 Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr und 1961 Aufsichtsratsmitglied der Deutchen Transportbank. Unser Kollege Haage war seit 1957 Mitglied der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages, in der letzten Wahlperiode ordentliches Mitglied des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und für das Fernmeldewesen und gehörte als deutcher Abgeordneter dem Europäischen Parlament an. Seine Vorstellungen verfolgte er unermüdlich und hat sich dabei dann verzehrt.Der Deutsche Bundestag hat mit Hermann Haage einen hervorragenden Kenner des Verkehrswesens und der Verkehrspolitik verloren. Ich habe der Witwe des verstorbenen Kollegen, seinen beiden Kindern und der SPD-Fraktion die aufrichtige Anteilnahme des ganzen Hauses ausgesprochen.Am letzten Tag des vergangenen Jahres starb unser Kollege Franz Xaver Unertl im 59. Lebensjahr an einem Herzinfarkt in seinem niederbayerischen Wohnort Birnbach an der Rott.Franz Xaver Unertl wurde am 23. September 1911 in Grottham geboren. Nach dem Besuch der Volksschule, der Fortbildungsschule in Birnbach und der Landwirtschaftsschule in Passau wurde er führend im Bayerischen Jungbauernbund tätig. Von 1940 bis 1945 war er Kriegsteilnehmer.Nach dem Zusammenbruch entschied sich Unertl für die Christlich-Soziale Union, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Als Mitglied des Kreistags Griesbach im Rottal begann er seine erfolgreiche politische Laufbahn. 1953 wurde Unertl nach langjähriger kommunalpolitischer Tätigkeit als Abgeordneter der Christlich-Sozialen-Union im Wahlkreis Griesbach in den Deutschen Bundestag gewählt, dem er seit dieser Zeit ununterbrochen angehört hat. In der 6. Legislaturperiode hat er als ordentliches Mitglied dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, als stellvertretendes Mitglied dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen und dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost angehört.Der Deutsche Bundestag hat mit Franz Xaver Unertl nicht nur einen anerkannten und fachkundigen Mittelstandspolitiker verloren, er betrauert darüber hinaus einen originellen und schlagfertigen Politiker. Seine Urwüchsigkeit, sein Humor, seine Menschlichkeit haben ihn zu einem der farbigsten und beliebtesten Mitglieder unseres Hauses werden lassen. Im Namen des ganzen Hauses habe ich der Witwe und seinen fünf Kindern sowie der CDU/ CSU-Fraktion unser aller Anteilnahme ausgesprochen.Gestern nun, am 19. Januar 1971, verstarb in Luxemburg unser Kollege Dr. Udo Hein im Alter von 56 Jahren, ebenfalls an den Folgen eines Herzleidens. Er hatte noch am Tage zuvor als Mitglied des Europäischen Parlaments an Sitzungen in Luxemburg teilgenommen.
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4928 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Präsident von HasselUdo Hein wurde am 27. Dezember 1914 in Hirschberg im Riesengebirge geboren. Er studierte Rechts-und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin und Paris. 1940 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und 1945 als Fallschirmjägeroffizier entlassen. Sein zweites juristisches Staatsexamen bestand er 1948. Im gleichen Jahr promovierte er zum Dr. jur. an der Universität in Köln.1946 trat Udo Hein in den Staatsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Drei Jahre später arbeitete er als Referent für Kabinetts-, Landtags- und Bundestagsangelegenheiten in der Staatskanzlei. 1957 wurde er zum Ministerialdirigenten und Abteilungsleiter befördert. Seit 1947 war Udo Hein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In den Bundestag wurde er 1965 gewählt und 1966 zum Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit berufen. 1969 zog Dr. Hein erneut als Abgeordneter in den 6. Deutschen Bundestag ein. Als ordentliches Mitglied im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit widmete er sich mit großer Sachkunde und Leidenschaft den Problemen der Dritten Welt, wobei er nicht müde wurde, für eine stärkere partnerschaftliche Solidarität zwischen den reichen und den armen Völkern zu plädieren.Im Namen des Hauses habe ich der Witwe, den beiden Kindern und der Bundestagsfraktion der SPD unser aller Mitgefühl ausgesprochen.Der Deutsche Bundestag wird die Kollegen, die uns verlasse haben, nicht vergessen und sie ehrend in Erinnerung bewahren. — Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben; ich danke Ihnen.Meine Damen und Herren! Am 18. Januar vor hundert Jahren wurde im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles das Deutsche Reich gegründet. Mancher wird sich die Frage stellen, ob es nach allem, was in den letzten hundert Jahren geschah, angebracht ist, dieses Tages in einer besonderen Form zu gedenken.Ich denke dabei vor allem an den Teil der jüngeren Generation, dem es schwerfällt, ein unmittelbares Verhältnis zur deutschen Geschichte zu finden, das pauschale Urteile vermeidet. Kein Volk kann seine eigene Vergangenheit leugnen — in ihren Höhepunkten wie in ihren Irrtümern und Fehlern. Weder ist eine kritiklose Glorifizierung am Platze noch eine grenzenlose Verurteilung.Die Geschichte eines Volkes läßt sich eben nicht als eine Kausalkette aufeinanderfolgender verhängnisvoller Irrtümer begreifen; es gibt aber auch keinen Nullpunkt, der es zuließe, gleichsam von neuem zu beginnen. Das ungebrochene Verhältnis anderer Völker und Staaten zu ihrer durchaus wechselvollen und nicht gradlinig verlaufenen Vergangenheit zeigt, daß alle Ereignisse im Guten und Bösen als historisches Erbe angenommen werden können und angenommen werden müssen.Es ist deshalb auch für uns eine Selbstverständlichkeit, daß der Deutsche Bundestag dieses Tages vor hundert Jahren gedenkt.Es ist jetzt nicht der Augenblick, das Werk Bismarcks, die Reichsgründung, die bisherige Geschichte des deutschen Reiches darzustellen und zu würdigen. Es waren vielfältige und vielschichtige Motive und Absichten, die zur Einigung der deutschen Einzelstaaten zu einem Reich führten. In ihm erlebten die Deutschen die industrielle Revolution, bildeten sich die Parteien und Verbände der modernen Industriegesellschaft. In ihm wurde unser Volk im ersten Weltkrieg auf die bis dahin größte Existenzprobe gestellt. Die so gewachsene bindende Kraft des Reiches wurde auch durch die furchtbare Niederlage des ersten Weltkrieges nicht aufgelöst, als die deutschen Dynastien versanken, das Haus Hohenzollern Thron und Kaiserkrone verlor und damit die ursprüngliche Klammer des Reiches zerbrach. Vielmehr wurde offenbar, daß die von Bismarck als Reichsfeinde titulierten demokratischen Kräfte, unter ihnen die Sozialdemokratie, das Zentrum und der Freisinn, längst eine staatstragende Rolle übernommen hatten, die sie bis 1932 verteidigen konnten.Unvergessen ist das große Verdienst Friedrich Eberts, des ersten Reichspräsidenten, um die Erhaltung der deutschen Einheit. In einer zum fünfzigjährigen Bestehen des Deutschen Reiches gehaltenen Rede hat er seiner tiefen Bindung Ausdruck gegeben, indem er sagte: „In allen schmerzlichen Verlusten, die uns in Krieg und Frieden getroffen haben, ist uns fast als einziges das eine große Unglück erspart geblieben, daß die deutschen Länder wieder auseinandergefallen sind. Sie halten aneinander fest."Was dem deutschen Volk nach der Niederlage von 1918 erspart blieb, wurde durch die verhängnisvolle Politik des nationalsozialistischen Regimes Wirklichkeit: Die widernatürliche Teilung Deutschlands, die Spaltung seiner Hauptstadt das Aufreißen einer tiefen Kluft zwischen dem westlichen und östlichen Teil des europäischen Kontinents.Wenn wir heute nach hundert Jahren des Tages der Reichsgründung gedenken, dann geht es nicht um historische Erinnerungen von dieser oder jener Verbindlichkeit. 25 Jahre nach der deutschen Katastrophe von 1945, der Spaltung Deutschlands, ist das natürliche Zusammengehörigkeitsgefühl in unserem ganzen Volke lebendig und ungebrochen. Erneut wurde während des Aufenthaltes des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland in Erfurt im März 1970 deutlich: auch in der auferlegten staatlichen Trennung ist der Wille aller Deutschen zur Einheit der Nation eine politische Realität. So stehen wir heute wie die Deutschen im vorigen Jahrhundert vor der Aufgabe, die Einheit der Nation zu wahren, dies freilich nicht in nationalstaatlichen Denkkategorien des 19. Jahrhunderts. Gerade die bitteren Erfahrungen der vergangenen hundert Jahre haben gezeigt, daß es keine vernünftige Alternative zu einer europäischen Friedensordnung gibt, die alle Nationen unseres Kontinents zusammenführt.Die Bundesrepublik Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren dem ihr angehörenden Teile Deutschlands eine freiheitliche Ordnung gegeben
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4929
Präsident von Hasselund ist auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung ein großes Stück vorangekommen. Nach der Präambel des Grundgesetzes ist das ganze Volk aufgerufen, in freier Selbstbestimmung die Einheit und die Freiheit Deutschlands zu vollenden. Diesen Zielen, der Einigkeit, dem Recht und der Freiheit für alle Deutschen mit den Mitteln und den Möglichkeiten unserer Zeit zu dienen, ist Aufgabe unserer Politik und Sinn unseres Gedenkens an die Gründung des Deutschen Reiches vor einhundert Jahren.Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort.Ich teile zunächst folgendes mit. Der Abgeordnete Dr. Rutschke hat mit der Wirkung vom 7. Januar 1971 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.Für den verstorbenen Abgeordneten Haage ist am 28. Dezember 1970 der Abgeordnete Kahn-Ackermann, für den verstorbenen Abgeordneten Unertl ist am 7. Januar 1971 der Abgeordnete Schedl in den Bundestag eingetreten. Für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Rutschke ist am 12. Januar 1971 der Abgeordnete Spitzmüller in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße diese Kollegen, die uns ja zum Teil aus der früheren Arbeit im Deutschen Bundestag bekannt sind, auf das herzlichste und wünsche ihnen eine gute, erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag.
Zur Geschäftsordnung liegt nunmehr die Bitte der CDU/CSU-Fraktion hinsichtlich eines Antrages vor. Dazu hat der Abgeordnete Dr. Althammer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich den Antrag zu stellen, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Alternativrechnungen zum Finanzplan 1970 bis 1974 auf Drucksache VI/1632 auf die Tagesordnung dieser Sitzung zu setzen.Ich möchte den Antrag wie folgt begründen. Seit der ersten Lesung des Haushalts 1971 haben wir uns darum bemüht, daß dem Parlament die Alternativrechnungen zur Kenntnis gebracht würden, die bei der Regierung vorhanden sind. In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. Oktober 1970 hat der Bundesfinanzminister Möller auf meine Frage erklärt:Herr Kollege Althammer, wir haben — das Kabinett würde sich einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht haben, wenn es sich anders verhalten hätte — alle Möglichkeiten durchgespielt. Wir haben uns überlegt: Wie sieht es bei einem Kern- und Eventualhaushalt aus? Wie sieht es bei einem Haushalt aus, in dem bestimmte Beträge gesperrt sind? Wie sieht es aus, wenn wir von Grundbeträgen ausgehen und diese dann aufstocken? Wenn im Jahre 1971 beispielsweise eine konjunkturpolitische Situation einträte, die eine andere Haushaltführung vorschriebe, hätten wir sofort das erforderliche Material an der Hand, um in der Bundesregierung und mit dem Haushaltsausschuß und dem Bundestag darüber zu beraten und zu entscheiden, welche Varianten wir dann wählen und welche Varianten konjunkturpolitisch richtig sind.Auf meine weitere Frage, wann der Herr Minister und wann die Regierung diese Alternativen vorlegen, kam die Antwort: „Dann, wenn die Situation das erfordert."Seit dieser Zeit bemühen wir uns, für das Parlament diese Alternativen zu erhalten. Wir haben im Haushaltsausschuß Anträge gestellt, und wir stellen hier jetzt den Antrag, dieses Verlangen hier in der Sitzung des Bundestages zu behandeln.Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Würdigung der Gründung des Zweiten Reiches haben viele Kommentatoren die Frage aufgeworfen, welche Funktion und welche Bedeutung das Parlament, die Volksvertretung, im Zweiten Reich hatte. Welche Bedeutung die Volksvertretung im Verhältnis zur Regierung heute hat, dafür haben wir in diesen Tagen ein sehr anschauliches Beispiel erhalten. Seit Oktober 1970 berät der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages den Bundeshaushalt 1971. Am 18. Januar, an diesem Montag, faßte das Kabinett einen Beschluß, der Änderungen in Höhe von rund 2 Milliarden DM für diesen Haushalt 1971 beinhaltet. Gestern abend haben wir mit Eilboten die Einzelheiten nur in ihrer Ubersicht zur Kenntnis bekommen. Morgen und übermorgen soll der Haushaltsausschuß endgültig über diese Änderungen entscheiden.
So sieht die Situation aus, wenn man sich weigert, Alternativrechnungen, Alternativvorschläge dem Parlament vorzulegen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Parlament befindet sich hier in der Situation, das, was die Regierung am Montag beschlossen hat, übernehmen zu sollen. Weil die Bundesregierung aus zeitlichen Gründen keinen Ergänzungshaushalt mehr einbringen kann, sollen jetzt die Abgeordneten diese Beschlüsse aufnehmen und soll das Parlament sie im Zeitraum von zwei Tagen beschließen.
Das ist der Hintergrund unseres Antrages, und das ist der Grund, aus dem wir nicht nur für jetzt, sondern auch grundsätzlich für die Zukunft die Forderung erheben, daß mit der Vorschrift, die in § 50 des Haushaltsgrundsätzegesetzes enthalten ist, Ernst gemacht wird, daß nämlich dem Parlament auf Verlangen Alternativrechnungen vorgelegt werden.Wir haben damals — ich war Berichterstatter für das Haushaltsgrundsätzegesetz - diese Bestimmung geschaffen, weil wir wußten, daß das Parlament kein vergleichbares Instrumentarium für die mitttelfristige Finanzplanung und für Alternativrechnun-
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Dr. Althammergen hat. So wollte wir mit diesem Hilfsmittel die Regierung veranlassen, uns solche Alternativen vorzulegen. So wollten wir diesen Zweck erreichen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedauere es ganz außerordentlich, daß die Koalitionsfraktionen nicht bereit sind, dem Parlament diese Möglichkeit zu geben,
auf Grund von Alternativrechnungen hier auch echte Alternativen zu beschließen.
Es gibt keine rechtlichen Gründe, die gegen diesen Antrag ins Feld geführt werden könnten. Es ist klar gewesen, daß solche Alternativen nicht nur für einzelne Gesetzesvorlagen gezielt vorgelegt werden können, sondern daß das Parlament verlangen kann, auch grundsätzlich die vorhandenen Alternativrechnungen der Regierung zu erhalten.Ich darf noch auf einen Punkt hinweisen. Falls der Antrag deswegen als unzulässig erachtet werden sollte, weil die Fristen in unserem Antrag jetzt zu knapp sind, wären wir, wenn der Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird, bereit, die Fristen so neu zu formulieren, daß sie noch zeitlich gerechtfertigt sind und daß die Regierung durch sie nicht überfordert ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der soeben begründete Antrag der CDU/CSU kann nur auf § 50 Abs. 3 Satz 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes gestützt werden. Nach dieser Bestimmung kann eine Alternativrechnung nur für den gesamten Zeitraum der Finanzplanung verlangt werden. Diese rechtliche Voraussetzung erfüllt der Antrag der CDU/CSU nicht. Er stützt sich nur auf einen Zeitraum von einem Jahr. Eine solche Alternativrechnung kann also in diesem Hause aus reinen Rechtsgründen gar nicht verlangt werden. Schon aus diesen rechtlichen Gründen müssen wir dem Verlangen, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, widersprechen.
Der zweite Punkt ist, daß sich Herr Dr. Althammer auf die Konjunkturlage stützt. Hier sind die Koalitionsfraktionen der Auffassung, daß sowohl der Haushalt 1970 als auch der Haushalt 1971 der Konjunkturlage entsprechen. Wir sehen deshalb keine Möglichkeit und keine Notwendigkeit, von der Regierung aus sachlichen Gründen eine Alternativrechnung zu fordern. Ich bitte deshalb, das Verlangen der CDU/CSU-Fraktion abzulehnen.
Herr Kollege Kirst, die Geschäftslage ist klar. Dem Begehren, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, ist widersprochen
worden. Wollen Sie trotzdem noch das Wort? — Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich im wesentlichen den Ausführungen des Herrn Kollegen Hermsdorf anschließen und bitte ebenfalls darum, dem Verlangen der Antragsteller nicht zu entsprechen. Herr Hermsdorf hat darauf hingewiesen, daß § 50 Abs. 2 den hier gestellten Antrag nicht deckt; ich will das hier nicht wiederholen.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Antrag zeitlich ja gar nicht mehr zurechtkommt. Ich würde formulieren: wer mit dem Kalender umgehen kann, kann einen solchen Antrag überhaupt nicht einbringen, denn es war zum Zeitpunkt der Einbringung völlig klar, daß der Antrag — wenn überhaupt — erst heute hier beraten und über ihn entschieden werden könnte. Es ist unmöglich, eine Woche vor Abschluß der Beratungen des Haushalts, die seit langem auf diesen Termin festgelegt sind, einen solchen Antrag annehmen zu wollen. — Im übrigen besteht dafür keine Notwendigkeit, da der Haushaltsausschuß alle erforderlichen Aufklärungsunterlagen im Laufe der Beratung bekommen wird. Ich bitte also, diesen Antrag nicht anzunehmen, damit wir möglichts schnell im Haushaltsausschuß die sachliche Arbeit fortsetzen können.
Meine Damen und Herren, es ist üblich, davon auszugehen, daß wir einen Antrag nur auf die Tagesordnung bringen können, bevor die Tagesordnung festgestellt ist. Wie mir soeben mitgeteilt wurde, soll interfraktionell vereinbart sein, daß wir das infolge der nicht großen Anwesenheit um 9 Uhr erst jetzt um 10 Uhr machen. Das würde bedeuten, daß wir abstimmen müßten. Ist das richtig so?Dann lasse ich abstimmen. Wer dem Antrag zustimmt, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion Drucksache VI/1632 auf die Tagesordnung zu setzen, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt worden.Wir fahren nunmehr in der Tagesordnung fort. Ich teilte heute morgen mit, daß Punkt 2 der Tagesordnung abgesetzt worden ist.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:a) Beratung der Sammelübersicht 14 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen— Drucksache VI/ 1639 —b) Beratung der Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusse über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen— Drucksache VI/1679 —Das Wort zu einer kurzen Erklärung hat der Abgeordnete von Bockelberg.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4931
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegen Anträge des Petitionsausschusses vor, der in den Sammelübersichten 14 mit 181 Fällen und 15 mit 79 Fällen — das sind zusammen 260 — vorgeschlagenen Erledigung von Petitionen zuzustimmen. Von diesen Petitionen sollen der Bundesregierung 34 als Material und 3 zur Kenntnisnahme zugewiesen werden. Das Hohe Haus wird gebeten, 2 Petitionen als erwägenswerte Anregungen zur Kenntnis zu nehmen. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage sind 207 Petitionen erledigt, zur Tagesordnung übergegangen wurde bei 2 Petitionen, und 12 Petitionen wurden als erledigt angesehen, weil dem Anliegen des Einsenders entsprochen worden war.Meine Damen und Herren, hinter jeder Petition steht ein Mensch, ein Mensch mit seinen Sorgen, mit seinen Anliegen, mit seinen Klagen, aber auch mit seinen Anregungen. Wir konnten wenig Unsachlichkeit und wenig Querulantentum feststellen, was aus der geringen Zahl von 2 Petitionen, über die zur Tagesordnung übergegangen wurde, zu erkennen ist.Ich darf mir gestatten, wie in den vorigen Sitzungen von anderer Seite geschehen, wiederum auf eine Petition einzugehen, die typisch für eine größere Zahl von Fällen zu sein scheint. Ich möchte in Kürze, aber auch mit der notwendigen Klarheit auf die Petition eingehen, die in Ziffer 19 der Sammelübersicht 15 aufgeführt ist, weil sie für eine Reihe von Fällen aller Dienstgrade typisch ist.Bei dem Petenten handelt es sich um einen 76 Jahre alten Mann, der bis zum Ende des zweiten Weltkrieges Offizier gewesen ist. Er wurde am 1. Mai 1941 zum Oberst befördert, und mit den Personalveränderungen des Heerespersonalamts vom 15. März 1945 wurde seine Beförderung zum Generalmajor mit Wirkung vom 1. April 1945 ausgesprochen. Die Beförderungsurkunde für den Beförderten wurde vom Heerespersonalamt richtig auf den Weg gebracht. Die Bekanntgabe durch den zuständigen Vorgesetzten unterblieb, da die Beförderungsurkunde auf Grund der Turbulenz dieser letzten Kriegswochen nicht die vorgesetzte Dienststelle erreichte. Eine inoffizielle Bekanntgabe an den Betroffenen ist nach den bestehenden Bestimmungen wirkungslos. Die behaupteten Aussagen des Petenten sind durch Beurkundungen des Heeresarchivs Kornelimünster und durch eidesstattliche Erklärungen der Dienstvorgesetzten belegt. — Soweit ,zur Person.Die Rechtslage ist so, daß Berufsbeamte und Berufsoffiziere erst dann rechtswirksam — ich wiederhole das Wort „rechtswirksam", weil es wichtig ist — befördert sind, wenn die Bekanntgabe durch den zuständigen Vorgesetzten erfolgt ist und die Beförderungsurkunde übergeben worden ist.Diese Handhabung wurde für die Wehrmacht des letzten Krieges ausdrücklich noch zweimal bestätigt, und zwar einmal durch eine Verfügung des Oberkommandos des Heeres — Heerespersonalamt — vom 26. November 1940. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:Beförderungen werden erst mit der dienstlichenBekanntgabe durch den zuständigen Vorgesetz-ten rechtsgültig, rechnen jedoch von dem Tage ab, der in der Beförderungsverfügung festgelegt worden ist.Die zweite Bestätigung ist in einer Verfügung des Heerespersonalamts vom 1. Juli 1944 enthalten:Die Beförderungen sind von den Truppenteilen und Dienststellen auf Grund der Beförderungsverfügung des OKH/HPA — durch den für die Bekanntgabe zuständigen Vorgesetzten dem Beförderten bekanntzugeben. Jede Beförderung wird erst durch die dienstliche Bekanntgabe von berufener Stelle rechtswirksam.Welchen Sinn haben diese beiden Verfügungen, die noch während des Krieges erlassen worden sind, für den Offizier gehabt? Der Sinn lag darin, daß der unmittelbare Vorgesetzte noch bis zur Übergabe der Beförderungsurkunde die Möglichkeit haben sollte, für den Fall, daß dieser Offizier versagt, die Beförderung anzuhalten. Er hätte dann die Streichung der Beförderung beim Heerespersonalamt beantragen müssen, und dann hätte das Heerespersonalamt die Streichung genehmigt und durchgeführt. — Dies ist in dem vorliegenden Fall nicht geschehen.Anders ist die Behandlung bei den Beamten. Dort ist der Grundsatz der Bekanntgabe durch die „Verordnung über die Ernennung und Beförderung der Beamten während des Krieges" vom 23. September 1942 aufgehoben worden. Ich darf auch hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:Die Berufung in das Beamtenverhältnis, die Einstellung in das außerplanmäßige Beamtenverhältnis, die Anstellung auf Widerruf, auf Lebenszeit oder auf Zeit und eine Beförderung werden während des Krieges schon mit dem Tage der Vollziehung der Ernennungsurkunde bewirkt. Einer Zustellung der Urkunde und der Einweisungsverfügung bedarf es zur Rechtswirkung nicht.Meine Damen und Herren, wir sehen also, daß hier zwischen dem einen Teil der Staatsdiener, den Offizieren, und einem anderen Teil der Staatsdiener, den Beamten, für die Dauer des Krieges ein Unterschied gemacht worden ist. Die Begründung, die der auf Beschluß des Petitionsausschusses zur Auskunftserteilung anwesende Vertreter des Innenministeriums gegeben hat, gibt eine gewisse Erklärung, aber nicht eine Erklärung für die unterschiedliche Behandlung. Die Begründung lautet nämlich: Diese aufhebende Verordnung ist erfolgt, weil während des Krieges nicht in jedem Fall feststellbar war, wo sich der Beamte aufhielt.Wenn wir uns — jedenfalls wir Älteren hier — einmal durch den Kopf gehen lassen, was sich seit etwa Januar/Februar 1945 bis Kriegsende abgespielt hat, so können wir doch sehen, daß zwischen der einen Gruppe von Staatsdienern, den Offizieren, und der anderen Gruppe von Staatsdienern, den Beamten, hinsichtlich der Erreichbarkeit zur Übergabe einer Ernennungs- und Beförderungsurkunde kein Unterschied mehr festzustellen ist. Die Ernennungsurkunde hat unseren Petenten nicht erreicht. Die
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4932 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
von BockelbergStreichung beim Heerespersonalamt ist nicht erfolgt, also ist diese Beförderung nicht nichtig, sondern höchstens schwebend unwirksam.Der Berichterstatter — der vor Ihnen steht — und der Mitberichterstatter, Herr Abgeordneter Scheu, haben den Antrag gestellt, einen Vertreter des Innenministeriums zur Auskunftserteilung vor den Petitionsausschuß zu laden. Es hat mit diesem Herrn im Petitionsausschuß eine etwa einstündige, sehr lebhafte Unterredung stattgefunden. Ich darf dem Hohen Hause die hauptsächlichen Gegenargumente gegen eine Gleichbehandlung der ehemaligen Offiziere mit den ehemaligen Beamten bekanntgeben und Ihnen meine Stellungnahme dazu mitteilen.Erstens wird ein rechtliches Gegenargument gebracht, indem man sagt, das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes habe an die Rechtsstellung, wie sie am 8. Mai 1945 bestanden habe, anzuknüpfen, und am 8. Mai 1945 sei die Ernennungsurkunde ja nicht in der Hand des Petenten gewesen. Hierzu ist zu sagen, daß Art. 131 des Grundgesetzes keine Einzelheiten über die Ausfüllung dieses Artikels enthält. Das Parlament, der Gesetzgeber, ist also vom Verfassungsgeber nicht eingeengt worden; es hat freie Hand bei der Regelung gemäß Art. 131 des Grundgesetzes. Ich darf daran erinnern, daß schon einmal in einem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes eine Abweichung von der damaligen Rechtsstellung der Betroffenen statuiert worden ist, indem man die Betroffenen nicht nach ihrem Dienstgrad, sondern nach einem sogenannten Beförderungsstopp behandelte, nach dem für alle sechs Jahre nur eine Beförderung3) anerkannt wurde. Hier hat das Hohe Haus also selbst von der freien Hand Gebrauch gemacht und hat sich nicht an den Rechtszustand vom 8. Mai 1945 gehalten. Ich glaube, damit dürfte erwiesen sein, daß dieser rechtliche Grund in sich zusammenfällt.Zum zweiten wird angeführt, daß die Zahl der Betroffenen zu hoch sei. Zunächst einmal eine grundsätzliche Feststellung: Wenn es um Recht und Gerechtigkeit geht, dann darf das Argument der großen Zahl keine Rolle spielen. Außerdem glaube ich kaum, daß heute genaue Feststellungen über die Zahl der Betroffenen vorliegen; denn bei weitem nicht alle, die ihre Ernennungsurkunde nicht zugestellt erhielten, leben heute noch. Oder sie stehen nicht mehr zu Debatte, da sie irgendwie anders untergebracht worden sind. Diese Auslassung ist also zunächst einmal als Hypothese zu behandeln, die in keiner Weise bewiesen ist.Der dritte Gegengrund lautet, daß eine korrekte Überprüfung heute nicht mehr möglich sei. Der hier vorliegende Fall mit seinen Unterlagen zeigt aber, daß ein korrekter Nachweis durchaus möglich ist und in diesem Falle auch geführt worden ist. Es ist zuzugeben, daß an den Nachweis erhebliche Anforderungen gestellt werden müssen. Ich glaube aber, daß es besser ist, wenn einmal ein Nichtberechtigter etwas erhält, als wenn man Hunderte oder gar Tausende ungerecht behandelt.Der Vorschlag des Berichterstatters und des Mitberichterstatters, dem der Ausschuß einstimmig zugestimmt hat, geht dahin, das Hohe Haus mögediesen Fall als erwägenswerte Anregung zur Kenntnis nehmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Petitionsausschuß empfiehlt, beide Vorlagen anzunehmen. — Dem wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Benda, Berger, Wagner , Dr. Stoltenberg, Stücklen und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts (Drittes Besoldungsneuregelungsgesetz — 3. BesNG)
— Drucksache VI/1573 —
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern
— Drucksache VI/1684 — Das Wort wird nicht begehrt.
Gemäß der Ihnen vorliegenden Tagesordnung wird vorgeschlagen, die beiden Entwürfe an den Innenausschuß — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Keine Bedenken; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs
— Drucksachen VI/1549, zu VI/ 1549 —
Zur Einbringung hat das Wort Herr Bundesjustizminister Jahn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notlage auf großen Teilen des Wohnungsmarktes ist derzeit eines der brennenden innenpolitischen Probleme. Der sich insbesondere in Ballungsgebieten verstärkende Nachfrageüberhang, dem ein für den Wohnungsneubau, aber auch für das allgemeine Preisgefüge auf dem Mietsektor besorgniserweckender Anstieg der Bau-und Bodenkosten gegenübersteht, haben das — jedenfalls für Teilbereiche — nach wie vor ungelöste Wohnungsproblem wieder verschärft in das allgemeine Bewußtsein gerückt.Um den damit verbundenen sozialen Gefahren zu begegnen, hat die Bundesregierung bereits im August 1970 ein Gesamtprogramm beschlossen, dessen Ziel langfristig die Beseitigung der Wohnungsnot und kurzfristig der Schutz des Mieters vor den durch die heutige Marktsituation ermöglichten Mißständen und Auswüchsen ist. Wesentliches Teilstück dieses Programms ist der Ihnen vorliegende Entwurf
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4933
Bundesminister Jahneines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserungdes Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs.Übersteigt die Wohnungsnachfrage erheblich das Angebot, kann der Marktmechanismus nicht wirksam werden. Bei einem solchen Nachfrageüberhang geht der Vermieter mit einer Kündigung oder der Abweisung eines Mietinteressenten kein Risiko ein, weil er mit einer alsbaldigen anderweitigen Vermietung rechnen darf. Der Mieter dagegen wird in der Wahrnehmung seiner Mietrechte und in der Abwehr ungerechtfertigter, insbesondere überhöhter finanzieller Forderungen dadurch gehindert, daß er befürchten muß, seinen Wohnbedarf anderweitig nicht befriedigen zu können.Die Marktlage führt also zu einer völligen Ungleichheit der Marktstellungen von Mieter und Vermieter, die im Interesse der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Friedens in einem Bereich des notwendigen Lebensbedarfes nicht hingenommen werden kann. Die Bundesregierung hält es daher für erforderlich, bis zur Herstellung ausgeglichener Marktverhältnisse die Stellung des Mieters durch besondere Schutzmaßnahmen so weit zu verstärken, daß die sich aus der mangelnden Angebotskonkurrenz ergebenden Nachteile ausgeglichen werden.Zur Erreichung dieses Ziels sieht der Entwurf für das materielle Mietrecht einen verstärkten Bestandsschutz vor. Art. 1 enthält eine Ergänzung der Sozialklausel des § 556 a BGB. Fehlt es dem Mieter an der Möglichkeit, sich anderweitig eine angemessene Wohnung zu beschaffen, so liegt auf der Hand, daß die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine einschneidende Verschlechterung seiner sozialen Lage wäre; für diese Feststellung bedarf es keiner Entscheidung im Einzelfall. Durch die vorgeschlagene Ergänzung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches wird klargestellt, daß ein Fehlen von Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen immer eine Härte für den Mieter bedeutet, also in jedem Fall zu einer Abwägung gegen die Belange des Vermieters zwingt.Art. 2 des Entwurfs sieht in Gebieten mit erheblichem Wohnungsfehlbestand einen besonderen Kündigungsschutz für Mieter vor. Ich muß an dieser Stelle im Hinblick auf Mißdeutungen, die dieser Vorschlag in der Öffentlichkeit teilweise gefunden hat, ein klärendes Wort zur Zielsetzung gerade dieser Regelung sagen. Auch insoweit ist nicht an eine Besserstellung der Mieter zu Lasten berechtigter Belange des Vermieters gedacht. Die Regelung dient vielmehr allein einem gerechten Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern. Der Mieter muß erwarten können, daß er sich seiner Wohnung als Grundlage seiner Existenz in gebotenem Umfang sicher fühlen darf. Er muß also vor willkürlichen und unmotivierten Kündigungen, die bei ausgeglichenen Marktverhältnissen schon auf Grund der Interessenlage des Vermieters ausgeschlossen wären, gesichert sein; das gilt um so mehr, als ein notwendiger Umzug neben allen anderen Unzuträglichkeiten eine erhebliche finanzielle Belastung mit sich bringen würde. Desgleichen darf der Mieter ungerechtfertigten Forderungen des Vermieters — so etwa nicht zu rechtfertigenden Mieterhöhungsforderungen — nicht schutzlos ausgesetzt sein. Erscheint demnach ein freies Kündigungsrecht des Vermieters nach den besonderen Umständen nicht sachgerecht, so muß sich andererseits der Vermieter bei Vorliegen triftiger Gründe aus dem Mietverhältnis lösen können. Art. 2 sieht daher vor, daß in Gebieten mit einem erheblichen Wohnungsfehlbestand die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nur noch möglich sein soll, wenn der Vermieter ein berechtiges Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen sollen, sind im Gesetz beispielhaft aufgezählt. Kündigungsgrund kann auch das gerechtfertigte Streben nach einer Mieterhöhung sein. Dabei stellt der Entwurf entgegen einer zum Teil erhobenen Forderung nicht auf eine Kostenmiete als Obergrenze ab. Grundlage der Kostenmiete, deren Begriff durch die Zweite Berechnungsverordnung eine besondere Ausprägung erfahren hat, stellen die ursprünglichen Herstellungskosten dar. Diese geben aber nach Auffassung der Bundesregierung bei einer Vielzahl der betroffenen Wohnungsverhältnisse — nämlich bei Altbauwohnungen — keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die heute gerechtfertigte Miethöhe ab. Nach dem Entwurf soll der Vermieter zur Kündigung mit dem Ziel der Mieterhöhung unter anderem dann berechtigt sein, wenn die Kapital- und Bewirtschaftungskosten steigen oder das Eigenkapital bei einer Beibehaltung der bisherigen Miethöhe keinen angemessenen Ertrag mehr erbringen würde. Damit wird für den Vermieter in jedem Fall ein angemessenes wirtschaftliches Ergebnis der Vermietung sichergestellt.Gegen den in der Vorlage in diesem Zusammenhang verwandten Begriff der ,,marktgerechten Verzinsung des Eigenpakitals” sind in der bisherigen Diskussion des Entwurfs Einwände erhoben worden. Die Bundesregierung wird im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens um eine Verdeutlichung der vorgeschlagenen Regelung insoweit bemüht sein.Durch den besonderen Bestandsschutz des Artikels 2 bleibt der Schutz des Mieters nach der Sozialklausel des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches unberührt. Liegen für den Vermieter Gründe für die Kündigung vor, so kann sich also der Mieter gegebenenfalls noch darauf berufen, daß die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte darstellen würde, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters nicht gerechtfertigt ist.Die Gebiete besonderen Wohnungsbedarfs, in denen Art. 2 Geltung haben soll, sollen durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates im Wege einer Rechtsverordnung bestimmt werden. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, daß nach Möglichkeit bereits im Gesetzgebungsverfahren Klarheit darüber besteht, welche Gebiete nach den in der Ermächtigungsnorm angeführten Kriterien unter die Regelung fallen.Die Art. 3 und 4 des Entwurfs sehen eine Änderung der strafrechtlichen Wuchertatbestände sowie eine Neufassung der Vorschriften des Wirtschaftsstrafgesetzes über Preiserhöhungen vor. Hierdurch soll ein wirksameres Einschreiten gegen mißbräuch-
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4934 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Bundesminister Jahnlich hohe Mietforderungen sichergestellt werden. Die gegenüber dem geltenden Recht weitere Fassung der strafrechtlichen Vorschrift über den Mietwucher wird es insbesondere auch ermöglichen, Fällen einer Ausbeutung der besonderen Lage bestimmter Bevölkerungsgruppen, wie sie bedauerlicherweise etwa bei Gastarbeitern nicht selten festzustellen sind, besser zu begegnen.Bedingt durch die Wohnungsknappheit kommt der Wohnungsvermittlung eine besondere Bedeutung zu. Dabei wird die sich aus den Marktverhältnissen ergebende Situation von einzelnen Vermittlern — sei es durch mißbräuchliche Vertragsgestaltung oder durch unlautere Geschäftsmethoden — zum Nachteil der Wohnungsuchenden ausgenutzt. Diese Mißstände sollen durch das in Art. 5 enthaltene Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung ausgeschlossen werden.Das in Art. 6 vorgeschlagene Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen schafft die Voraussetzungen für den Erlaß eines neuen Honorarrechts für diese Berufsstände. Anlaß für eine solche Neuregelung sind — was ich hier ausausdrücklich betonen möchte — nicht Mißbrauchsfälle bei Honorarforderungen durch Architekten oder Ingenieure. Durch den Entwurf soll vielmehr unter anderem die im geltenden Recht für Architekten bestehende Unbilligkeit beseitigt werden, daß rationalisierungswirksame besondere Leistungen dann, wenn sie zur Senkung der Bau- und Nutzungskosten führen, möglicherweise eine Schmälerung des Honorars bewirken. Der Entwurf sieht daher vor, daß bei der Neuordnung des Honorarrechts für solche Leistungen besondere Honorare festgesetzt werden können. Damit soll zugleich für Architekten und Ingenieure ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, künftig in vermehrtem Umfang derartige rationalisierungswirksame Leistungen zu erbringen und so zu einer allgemeinen Kostensenkung auf dem Bausektor beizutragen.Die vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen stellen nach Auffassung der Bundesregierung einen notwendigen Beitrag zur Erhaltung des sozialen Friedens und zur Sicherung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse dar. Ich bitte Sie daher namens der Bundesregierung um Unterstützung des Entwurfs.
Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Abgeordnete Erpenbeck das Wort. Es sind 30 Minuten angemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs ist der Offenbarungseid dieser Regierung in der Wohnungsbaupolitik. Bevor ich das heute als Sprecher der Opposition dem Hohen Hause deutlich machen kann, hat bereits der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Wirtschaft in nicht zu überbietender Härte Kritik an der Konzeption der Regierung geübt. Dieser Wissenschaftliche Beirat, der in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung nicht von einem Minister der CDU/CSU, sondern von keinem geringeren als dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Schiller berufen ist, hat eindringlich auf die Gefahren für die Wohnungswirtschaft und den Wohnungsmarkt hingewiesen, die durch das mit diesem Gesetz angestrebte Abweichen von der marktwirtschaftlichen Grundordnung hervorgerufen werden. Niemand in diesem Hohen Hause sollte darüber hinweggehen, daß der Beirat geradezu beschwörend vor ,einem offenen oder verdeckten Mietenstopp warnt. Wie der Beirat überzeugend darlegt, würde dies — ich zitiere —: nur zu einem weiteren schwerwiegenden Rückgang des privaten Wohnungsbaus führen, den Nachfrageüberhang nicht beseitigen, sondern steigern und sich letzten Endes damit absolut unsozial auswirken.
Dieses Gesetz ist in der vorliegenden Form geeignet, das in der Gesellschaft weitgehend überwundene Klassendenken und -verhalten im Bereich der Wohnungswirtschaft nunmehr verschärft einzuführen.Die CDU/CSU war sich von Anfang an dessen bewußt, daß die Marktwirtschaft in der heutigen Zeit nur funktionieren kann, wenn sie ihre soziale Komponente hat. Gerade das haben wir im Wohnungswesen in beispielhafter Form — so glaube ich sagen zu dürfen — praktiziert.
Schließlich war es eine CDU/CSU-Regierung, die dasWohngeld und das soziale Mietrecht eingeführt hat.
Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, bewegen sich dabei nur auf eingefahrenen Spuren, wenn Sie sich etwa mit dem Zweiten Wohngeldgesetz die inzwischen gewonnenen Erfahrungen nutzbar machten, wobei wesentliche Verbesserungen erst auf unsere konstruktive Mitarbeit in den Ausschußberatungen zurückzuführen sind. Ich darf nur an die von uns geforderten Verbesserungen der Tabellensätze und den besonderen Schutz der Kriegsopfer, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen erinnern. Auch die von Ihnen beabsichtigten Korrekturen der Sozialklausel, wie sie in diesem Gesetzentwurf angekündigt sind, ,die Sie in Art. 1 des neuen Gesetzentwurfs vornehmen wollen, knüpfen nur an das an, was wir geschaffen haben, und sind keine weltumstürzend neuen Ideen. Hier von „inneren Reformen" zu sprechen, wäre, meine Damen und Herren, wohl etwas zu anspruchsvoll.
Ob diese Korrekturen allerdings überhaupt nötigund zweckmäßig sind, darüber werden wir währendder Ausschußberatungen eingehend sprechen müssen.Wir haben nichts etwa gegen die Verschärfung der Mietwuchervorschriften einzuwenden. Ich habe für meine Parteifreunde in diesem Hause mehrfach
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Erpenbeckerklärt, daß wir jede Form des Mietwuchers auf das schärfste verurteilen und daß die Opposition immer zur Mitwirkung bereit sein wird, wenn praktikablere Formen zur Bekämpfung gefunden werden sollen. Nur haben wir gleichzeitig stets auf die Grenzen der Wuchervorschriften hingewiesen. Einer Mietpreisentwicklung, die ihre tieferen Ursachen in der allgemeinen Verteuerung hat, kann man nicht durch den Staatsanwalt oder durch die Preisbehörde begegnen. Das sollte sich jeder einmal ernstlich vor Augen führen.Meine Damen und Herren! Wir wollen ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Selbstverständlich weiß der Mieter, daß das Gut Wohnung seinen Preis hat. Und der Vermieter muß wissen, daß es auch gegen ihn selbst ausschlägt, wenn er mit der Vermietung ungerechtfertigte Gewinnabsichten verbindet. Durch eine Verallgemeinerung aber der auch von uns verurteilten Einzelerscheinungen in der Entwicklung der Wohnungsmieten ist in der Bevölkerung weitgehend Beunruhigung entstanden.Ich werfe der Bundesregierung vor, daß sie durch spektakuläre Ankündigungen den Eindruck verstärkte, als ob wirklich partielle Ausnahmetatbestände die Regel wären. Allerdings wird das nunmehr von ihr selbst widerrufen durch die Mitteilungen des Bundesministeriums für Städtebau und Wohnungswesen vom 15. Januar 1971, wonach die Mietpreissteigerung im Jahre 1970 der Steigerungsrate des Preisindexes der Lebenshaltung mit 4,3 % entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Großteil dieser Mietpreissteigerungen auf die Erhöhung der öffentlichen Steuern, Abgaben und Gebühren und auf die extrem hohen Kapitalzinsen und Baupreissteigerungen zurückzuführen ist.Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion ist bereit, anzuerkennen, daß Ausnahmesituationen auch auf die Ausnahmen abgestimmte Regelungen erfordern. Jede Verallgemeinerung wäre jedoch von der Sache her verfehlt und verschlimmerte nur das Übel. Um diesem Grundsatz gerecht zu werden, müßte diesem Haus eine sorgfältig vorbereitete Gesetzesvorlage zugeleitet werden. Ein Ausnahmerecht aber, das sich auf fast den gesamten Bereich der Bundesrepublik erstreckt, lehnen wir ab.Aus Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers vor der Bundespressekonferenz, die nach der Verabschiedung des Entwurfs durch das Bundeskabinett stattfand, sollen von Art. 2 dieses Gesetzentwurfs etwa 75 bis 80 % der Bevölkerung betroffen werden.
Nach anderen Äußerungen, die aus dem Hause des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen kamen und bisher unwidersprochen geblieben sind, sollen von den 544 Stadt- und Landkreisen der Bundesrepublik 509 von dieser gesetzlichen Regelung erfaßt werden.Schon der Bundesrat hat mit Recht darauf hingewiesen, daß eine solche unbestimmte Gesetzesermächtigung, die alles und nichts zuläßt, mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren ist. Wir stimmen dem Bundesrat auch darin zu, daß bei diesen Ausnahmeregelungen nicht auf einen einzelnen Kreis mit einer statistisch errechneten Durchschnittszahl abgestellt werden darf, sondern unbedingt auf die einzelne Gemeinde abzustellen ist. Die Beantwortung der Frage, ob die Einführung der Maßnahme nach Art. 2 notwendig ist oder nicht, meine Damen und Herren, darf nicht allein von statistischen Berechnungen abhängen, sondern muß eine Fülle anderer Umstände berücksichtigen, die mit der Statistik allein überhaupt nicht zu erfassen sind. Darüber allerdings kann allein die Gemeinde entscheiden.Außerdem müßte die Einführung des Ausnahmerechts vom Gesetzgeber zeitlich befristet werden, wobei eine Verlängerung nur dann zulässig sein darf, wenn nach Ablauf der Frist die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Ausnahmerechts noch weiter gegeben sind.Mit allem Nachdruck aber, meine Damen und Herren, wehren wir uns dagegen, daß die Bundesregierung sich mit Artikel 2 dieses Entwurfes die Rechtsgrundlage dafür schafft, um für einen großen Teil der Bundesrepublik durch Rechtsverordnung die Spielregeln der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft zu setzen. Damit würde eine verhängnisvolle Entwicklung eingeleitet werden, zu der wir niemals unsere Hand reichen.
Ich stimme hier uneingeschränkt der scharfen Kritik des Wissenschaftlichen Beirates . beim Bundeswirtschaftsministerium am Konzept der Bundesregierung zu. Mit Recht weist er darauf hin, daß die Spannungen auf dem Wohnungsmarkt, vor allem in Ballungsgebieten, auch durch Fehlverhalten in der Stadtplanung, Regionalpolitik und öffentlichen Subventionspolitik hervorgerufen bzw. verschärft worden sind und die Knappheitssituation darauf zum großen Teil zurückzuführen ist. Kurzsichtige Bodenvorratspolitik und zu geringe Bodenerschließung haben die Baulandknappheit erhöht. Regionalpolitische Maßnahmen haben die Attraktivität von Standorten in Ballungsgebieten gefördert, die durch Wohnungsbausubventionen manipulierten Mietpreise für Sozialwohnungen haben den in Ballungsgebieten bestehenden Nachfragesog verstärkt.Dazu kommt, daß die schleichende Inflation die Erwartungen mehr und mehr prägt und auch auf dem Wohnungsmarkt ein inflationsbewußtes Verhalten erzeugt. Aber — so sagt der Wissenschaftliche Beirat — mit der Mietpreisbindung ist es schon in der Vergangenheit und auch in anderen Ländern nicht gelungen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Eine administritative Begrenzung der Preisentwicklung beseitigt nicht den Nachfrageüberhang und wirkt — wenn auch in anderer Hinsicht — ebenfalls unsozial. Die knappen Güter müssen mehr und mehr bürokratisch zugewiesen werden, wobei der Verdacht der Willkür an der Tagesordnung sein wird und Fehlentscheidungen nicht ausgeschlossen werden können. Gleichzeitig erhöht sich der Nachfragedruck auf den freien Märkten, so daß hier die Tendenzen zur Preissteigerung verstärkt werden. Der Inflationsprozeß läßt sich durch Maßnahmen partieller Preisbindung nicht aufheben.
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4936 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
ErpenbeckZwar sieht der Gesetzentwurf formell keinen absoluten Mietstopp vor, in Wirklichkeit laufen die Bestimmungen jedoch weitgehend auf einen Mietstopp bei bestehenden Mietverhältnissen hinaus.
Meine Herren, das ist keine Unterstellung meinerseits, sondern in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates expressis verbis zu lesen.
Die vorgeschlagenen Regelungen beseitigen die freie Preisbildung und unterwerfen nunmehr die bestehenden Mietverhältnisse zur Gänze einer Reglementierung mit Kostenpreisen, die sich weder im Bereich der Wohnungswirtschaft noch anderwärts bewährt hat.Es ist hier auch — und das möchte ich mit aller Eindringlichkeit tun — auf die Gefahr für die soziale Gerechtigkeit hinzuweisen. Die verbreitete Vorstellung, durch eine Bindung der Mietpreise an historische Kosten und an durch Rechtsverordnung pauschalierte oder durch die Rechtsprechung in unterschiedlicher Weise berücksichtigte Kostensteigerung die soziale Gerechtigkeit fördern zu können, ist irrig. Dieses Vorgehen vergrößert vielmehr bestehende und schafft neue soziale Ungerechtigkeiten. Auch das ist keine böse Oppositionsbehauptung, sondern steht in der von mir schon mehrfach zitierten Stellungnahme.Meine Damen und Herren, der Beirat stellt übrigens schlicht fest, daß die vorgesehenen Maßnahmen zunächst geeignet seien, die behauptete Angebotslücke bzw. den Mietwohnungsfehlbestand beträchtlich zu erhöhen, falls der Staat nicht bereit ist, die dem Wohnungsbau gewidmeten öffentlichen Finanzierungsmittel erheblich zu steigern.Wenn heute Mißstände auf dem Gebiet des Wohnungswesens in Erscheinung treten, so können sie nur dadurch beseitigt werden, daß das Wohnungsangebot vergrößert wird.
Der Artikel 2 in der jetzigen Fassung würde aber das Gegenteil erreichen. Er würde weitgehend den Bauwillen und die private Initiative lähmen und damit im Ergebnis nicht zu einer Vermehrung des Wohnungsangebots, sondern zu einer geradezu katastrophalen Verringerung des Wohnungsangebots führen. Sie werden sich im klaren darüber sein, daß Sie hierfür unsere Unterstützung nicht erfahren werden.Wir haben, meine Damen und Herren, als wir noch nicht in der Opposition waren, den Wohnungsbau nach dem Kriege dadurch zur größten Blüte gebracht, daß wir den Gesetzen der sozialen Marktwirtschaft auch in diesem Bereich zum Durchbruch verholfen haben. Unter der CDU/CSU-Regierung hat der Wohnungsbau im vergangenen Jahrzehnt einen noch nicht dagewesenen Stand bis zu 625 000 Wohnungen Jahresleistung erreicht, davon zwischen 200 000 bis 300 000 Sozialwohnungen in einem Jahr. Die einzelnen Zahlen sind so oft in diesem Hause genannt worden, daß ich sie nicht noch einmal zu wiederholen brauche. Diese Bauleistung — und dassollte man wohl merken — ist in den sechziger Jahren trotz der so oft von den heutigen Regierungsparteien kritisierten Degression der Bundesmittel erzielt worden, weil die damalige Wohnungs- und Wirtschaftspolitik alle Finanzierungsquellen auch außerhalb der öffentlichen Haushalte für den Wohnungsbau mobilisierte und weil sie die private Initiative im Bereich des Wohnungswesens auf breitester Front geweckt hat.
Wir empfinden Genugtuung darüber, daß diese Glanzzeit, so darf man ruhig sagen, des Wohnungsbaus in die Amtsperiode des CDU-Wohnungsbauministers Paul Lücke fiel.
Seine erfolgreichen Leistungen können gar nicht genug hervorgehoben werden. Sie werden aber hervorgehoben, jeden Tag und auch noch für die Zukunft — eben in dieser Wohnungsbauleistung der sechziger Jahre.Es ist dem sozialdemokratischen Städte- und Wohnungsbauminister Dr. Lauritzen vorbehalten geblieben, daß in seiner Amtszeit sowohl der gesamte Wohnungsbau wie auch der soziale Wohnungsbau in erschreckendem Maße abgesunken ist.
Wir haben es Ihnen oft genug vorgehalten, daß im Jahre 1969 nur noch 500 000 Wohnungen gebaut wurden und nur etwas über 130 000 Sozialwohnungen gefördert werden konnten. Vom Jahre 1970 kennen wir die endgültigen Zahlen noch nicht, haben aber keinen Zweifel daran, daß auf Grund der verfehlten Wirtschafts- und Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung die mageren Zahlen des Jahres 1969 noch erheblich unterschritten werden.Nun kann man nur sagen: Der Karren ist festgefahren. Da kommt als der Weisheit letzter Schluß der Ruf nach Einführung eines Mietenstopps und einer neuen Mietgesetzgebung. Dieser Mietenstopp ist schon einmal, meine Damen und Herren, im Jahre 1937 eingeführt worden. Seine verheerenden Auswirkungen zusammen mit einem starren Mieterschutzgesetz sind noch in allzu frischer Erinnerung. Ich kann es mir ersparen, darauf näher einzugehen.Die Forderung nach einem allgemeinen Mietstopp wurde selbst dem sozialdemokratischen Bundeswirtschaftsminister zu bunt. In einer Erklärung im Bulletin sah er sich veranlaßt, dem mit Nachdruck zu widersprechen. Aber offenbar ist sein politischer Einfluß im Bundeskabinett nicht stark genug, um Art. 2 des Entwurfs zu verhindern oder ihn zumindest in dem gebotenen Maße zu beschränken. Wir als Opposition werden uns nicht mitschuldig daran machen, daß durch diesen Art. 2 des neuen Gesetzentwurfs die rückläufige Entwicklung des Wohnungsbaues in einem nicht abzusehenden Ausmaß verstärkt wird und damit die Mißstände vergrößert werden. Wir lassen uns auch durch die vagen Versprechungen eines langfristigen Wohnungsbauprogrammes, für das die reale finanzielle Grundlage fehlt, keinen Sand in die Augen streuen. Wenn durch diesen Gesetzentwurf die private Initiative des
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4937
ErpenbeckWohnungsbaus abgewürgt wird, werden wir nie dem Wahn verfallen, zu glauben, daß die öffentliche Hand dann die entstehenden riesigen Finanzierungslücken ausfüllen könnte.Selbstverständilch waren wir uns bei Inkraftsetzung des Lücke-Plans im klaren, daß es auch nach der Überprüfung des Wohnungswesens in die soziale Marktwirtschaft keinen einheitlichen Wohnungsmarkt, sondern immer mir Teilmärkte geben werde und daß auf Teilmärkte auch häufiger ein Wohnungsmangel entstehen könne. Wenn Großstädte wie z. B. München
immer wieder neue Industrien in größerem Ausmaß und damit auch Legionen von Arbeitskräften, insbesondere von Gastarbeitern, an sich ziehen, dann hört die angespannte Lage im Wohnungsmarkt selbstverständlich nicht auf.
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Bitte schön!
Herr Kollege Erpenbeck, darf ich Ihre Kritik an der Industrieansiedlung in München so verstehen, daß Sie die bayerische Staatsregierung kritisieren wollen, die von der CSU gestellt wird und die in ihrem Bayernplan genau dies vorsieht?
Herr Kollege Schmidt, ich habe hier nur einen Zusammenhang deutlich gemacht, der mit der Ansiedlung von Industrien in Ballungsräumen au f dem entsprechenden Teilmarkt des Wohnungsmarktes immer entstehen wird und dem man nicht mit einer Gesetzesregelung, wie sie uns hier vorgelegt worden ist, entgegentreten kann.
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Bitte sehr!
Herr Kollege Erpenbeck, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Oberbürgermeister Vogel, der bekanntlich der Sozialdemokratischen Partei angehört, alles tut, um die Landeshauptstadt München aufzublähen?
Meine Damen und Herren, ich will mich hier weder in die Kommunalpolitik von München noch in die Landespolitik von Bayern einmischen, sondern ganz klar und deutlich sagen, daß sowohl unsere Kommunalpolitiker als auch unsere Landespolitiker, wenn sie ihren Teil zur Behebung von Mangelerscheinungen auf Teilmärkten des Wohnungsmarktes beitragen wollen, hinsichtlich sowohl der Stadtentwicklungsplanung als auch der Landesplanung das Ihre tun müssen. Sonst helfen uns auch keine Bundesgesetze.Wir erkennen an, daß für derartige Ausnahmegebiete auch Ausnahmeregelungen erforderlich sind.Sie müssen aber auf diese Ausnahmetatbestände beschränkt bleiben.Was versteht der Bundeswohnungsbauminister oder was versteht die Bundesregierung unter einer marktgerechten Verzinsung des Eigenkapitals, von der ja soeben auch der Herr Bundesminister der Justiz noch einmal gesprochen hat? Wie soll sie berechnet werden? Sollen bei einem Mietgebäude, das vor dem ersten Weltkrieg gebaut ist, die damaligen Baukosten zugrunde gelegt werden, nachdem dieses Gebäude inzwischen zwei Währungsreformen überstanden hat? Oder soll in jedem einzelnen Fall der heutige Verkehrswert der Gebäude zugrunde gelegt werden und auf dieser Basis das in dem Gebäude steckende Eigenkapital berechnet werden? Wer soll diese Werte bei jeder einzelnen Mieterhöhung feststellen? Will man dafür die Preisbehörden wieder zum Leben erwecken, oder soll diese Aufgabe vielleicht den Gerichten überlassen bleiben? Will man etwa für diese Zwecke die völlig ungeeigneten Sätze des steuerlichen Einheitswertes zugrunde legen? Welche Eigenkapitalverzinsung sieht die Bundesregierung als marktgerecht an? Ist z. B. der heutige, anomal hohe Kapitalmarktzins die Grundlage? Man könnte damit sicher manchem Althausbesitzer eine Freude bereiten; denn er würde sehr bald feststellen, daß die von ihm genommenen Mieten danach viel zu gering sind. Nur wäre dann dieses Gesetz kein Gesetz zur Bindung der Mietpreishöhen bzw. zur Verhinderung von Mietpreiserhöhungen; dann könnte man es viel eher geradezu als eine Aufforderung zur Erhöhung der Mietpreise ansehen.Das alles sind Fragen über Fragen, auf die dieser Gesetzentwurf keine Antwort gibt. Offenbar will man ihre Lösung gnädig dem Parlament überlassen. Ich kann der Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Vorwurf nicht ersparen, daß sie die Kernfrage des Gesetzentwurfes mit einer unglaublichen Leichtfertigkeit behandelt hat. Derartig unausgereifte und nicht durchdachte Gesetzesvorlagen bedeuten, schlicht gesagt, eine Zumutung für das Parlament und seine Ausschüsse.Aus wohnungspolitischen und wohnungswirtschaftlicher Sicht habe ich festzustellen, daß zumindest Art. 2 als der Kernpunkt dieses Entwurfs den seit 1960 aus der Bewirtschaftung entlassenen Wohnraum wieder in die Reglementierung zurückführen will, ja daß er darüber hinausgehen will, indem er sogar die frei finanzierten Wohnungen in die Reglementierung einbezieht. Damit führt der Entwurf im Ergebnis zu dem Zustand, der vor 1950 bestand. Meine Damen und Herren, diese Regierung und die Regierungsparteien, insonderheit die SPD, berufen sich immer so sehr auf progressive Einstellungen. Bei diesem Vorgehen auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft und der Mieten kann man aber nichts von Progressivität spüren.
Wir vertreten nach wie vor die Meinung, daß eine befriedigende Ordnung des Wohnungswesens nur erreicht werden kann, wenn die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft auch für diesen Bereich gel-
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4938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Erpenbeckten. Die Wiedereinführung einer Wohnungszwangswirtschaft — in welcher Form auch immer — lehnen wir ab. Wir haben 50 Jahre lang in Deutschland die Wohnungszwangswirtschaft mit all ihren Unzulänglichkeiten und oft unerträglichen Ungerechtigkeiten am eigenen Leibe verspüren können und denken nicht daran, bei einer Wiedereinführung Pate zu stehen. Auch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wissen ganz genau, daß keine noch so sinnvoll gestaltete Zwangswirtschaft eine einzige zusätzliche Wohnung schaffen, sondern daß sie nur den Mangel mehr schlecht als recht verteilen kann. Auf die abschreckenden Beispiele im Ausland, vor allem in Österreich und auch in Schweden, brauche ich nicht besonders hinzuweisen.Ich kann an dieser Stelle wiederum nur den wissenschaftlichen Beirat zitieren, der in der Bekämpfung der Inflation das einzige Heilmittel sieht:Gegen die inflatorische Komponente der Mietpreissteigerung gibt es langfristig keine andere Abhilfe als die auch aus vielen anderen Gründen notwendige Bekämpfung der Inflationsursachen. Ein Rückfall in die Bewirtschaftung würde jedenfalls keines der durch den Inflationsprozeß aufgeworfenen Probleme lösen; eher wäre zu vermuten, daß der Inflationsprozeß noch gefördert wird.Meine Damen und Herren, warum hat uns die Regierung in diesem Gesetz keine Vorschläge zur Lösung des Fehlbelegungsproblems gemacht? Die Fehlbelegung ist bereits so groß, daß eine bedeutende soziale Wohnungsreserve vorhanden ist. Wiederum darf ich dazu zitieren und damit, weil ich die rote Lampe leuchten sehe, auch zum Abschluß kommen:Ein weiteres Hinausschieben derartiger Maßnahmen sollte nicht durch den Rückfall in die Wohnungsbewirtschaftung für die Mehrzahl der Einwohner überdeckt werden.Zu den juristischen Problemen wird sicherlich in der Diskussion noch Stellung genommen werden. Ich wollte aus der wohnungspolitischen und wohnungswirtschaftlichen Sicht zu diesem Gesetzentwurf einiges sagen. Ich darf wiederholen und damit abschließen: Art. 2 darf nur als Ausnahmeregelung für Ausnahmetatbestände ausgestaltet werden. An einem Ermächtigungsgesetz für die Bundesregierung, das ihr die Handhabe gibt, alle Errungenschaften von zwei Jahrzehnten auf dem Gebiet des Wohnungswesens zunichte zu machen, werden wir nicht mitwirken. Aber eines, Herr Bundesminister Dr. Lauritzen, nehmen Sie doch bitte für die ganze Bundesregierung zur Kenntnis: Jeder Bürger in unserem Land, der auch nur eine einzige Wohnung baut, tut mehr zur Erreichung einer befriedigenden Wohnungsversorgung als die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf, der uns heute vorgelegt worden ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Meermann. Ihre Fraktion hat um eine Redezeit von 40 Minuten gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der Opposition hat seine Rede damit eingeleitet, daß er behauptete, der Gesetzentwurf, den wir heute zu beraten haben, sei ein Offenbarungseid. Erstens ist er kein Offenbarungseid. Zweitens können Offenbarungseide ihre Ursache in Schulden haben, die man gestern gemacht hat, und in Schulden, die man vor zehn Jahren gemacht hat.
Vielleicht überlegen Sie sich das einmal. Im übrigen werde ich darauf noch einmal zurückkommen.
Der Herr Kollege Erpenbeck hat des langen und breiten ein Gutachten zitiert. Ich verstehe Ihre Freude über dieses Gutachten, denn es hat Ihr Entree erleichtert.
— Ob es richtig ist, darüber reden wir nachher noch.Erstens geht es heute hier nicht um die Beurteitung von Professorengutachten, zu denen andere Professoren andere Meinungen haben.
Hier geht es darum, welche Entscheidung die Bundesregierung getroffen hat und welche dieses Parlament treffen wird. Die politische Entscheidung der Bundesregierung mit allen ihren Mitgliedern ist klar. Der Wirtschaftsminister hat sich in Äußerungen im Fernsehen, im Rundfunk, in der Presse mehrfach hinter diesen Gesetzentwurf gestellt.
— Das ist wahr. Lesen Sie seine Äußerungen in der „Süddeutschen Zeitung", lesen Sie andere Veröffentlichungen nach!Wenn der Wirtschaftsminister, von dem jeder weiß, daß er kein Freund von Zwangsmaßnahmen ist, erklärt, daß dieser Gesetzentwurf keine Behinderung des privaten Wohnungsbaus darstellt — das hat er erklärt —, dann dürfte das wohl Gewicht haben. Der wissenschaftliche Beirat hat seine eigenen Schlußfolgerungen gezogen. Nebenbei— was wohl bei einem wissenschaftlichen Gutachten ungewöhnlich ist —: ohne seine eigene Ausgangsposition zu fixieren. So nimmt z. B. der wissenschaftliche Beirat weder von den Ergebnissen der Wohnungszählung 1968 Kenntnis noch davon, daß es inzwischen 2 Millionen Gastarbeiter bei uns in der Bundesrepublik gibt, damals gab es 1 Million. Ich kann nur sagen, Herr Erpenbeck, der Wirtschaftsminister hat eine hohe Achtung vor der Freiheit öffentlicher Diskussion, und damit unterscheidet er sich vorteilhaft von manchen anderen, was wir aus früheren Jahren gewohnt sind.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4939
Frau MeermannSie benutzen, Herr Erpenbeck, das Professorengutachten als Munition gegen die Regierung. Ich wäre da ein bißchen vorsichtiger. Der Schuß könnte nämlich sehr leicht nach hinten losgehen. Dieses Gutachten greift in weiten Teilen politische Entscheidungen und Maßnahmen an, die dieses ganze Haus gemeinsam getroffen hat. Dem Beirat ist die Vorstellung eines Sozialwohnungsbestands offensichtlich ein Greuel. Damit steht aber auch die gesamte Wohnungspolitik der fünfziger und sechziger Jahre unter einer von der CDU geführten Regierung, auf die Sie stolz sind, am Pranger. Damals haben Sie mit dieser Politik demonstriert, daß Sie wegen der sozialen Blindheit eines freien Marktes einen sozial gebundenen Wohnungsbestand für notwendig halten. Deswegen sollte dieses ganze Haus einstimmig die Forderungen des Beirats — die auch in diesem Gutachten steht — nach einer Überführung des Sozialwohnungsbestands in die Marktwirtschaft ablehnen.Der Beirat spricht weiterhin von einem unaufhebbaren Gegensatz zwischen den sozialpolitischen Konzeptionen der Mietenbindung und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Ballungsgebieten und den regionalpolitischen Zielen für den ländlichen Raum. Er redet also hier einer Entballungstheorie das Wort, die auch Sie schon lange nicht mehr so vertreten. Wenn man dieses Argument konsequent weiter verfolgt und einmal Ihren München-Komplex aus dem Spiel läßt, müßte die Folgerung sein: Laßt doch die Ballungsgebiete in ihrem Verkehrschaos, in ihrem Lärm, in ihrer Luftverschmutzung, in ihren hohen Mietsteigerungen und in den hohen Lebenshaltungskosten so lange verharren, bis ihre Attraktivität zurückgeht! Das wäre ein Rückfall in frühkapitalistische Methoden, die mit einer sozialen Marktwirtschaft, auch wie Sie sie sehen wollen, nichts zu tun haben.
Zu den Befürchtungen, die Sie geäußert haben, daß dieses Gesetz eine Verringerung des Wohnungsbaus zur Folge haben könnte, möchte ich zur Ehrenrettung derjenigen, die Wohnungen bauen, folgendes feststellen. Wohl die wenigsten Bauherren bauen Mietwohnungen aus der Erwartung, eine überhöhte Miete zu erzielen. Die meisten haben doch ganz andere Vorstellungen dabei. Neben der Mieterwartung spielt sicherlich auch eine große Rolle, was es sonst an Anreizen gibt, die Geldanlage und die weiteren Anreize von der Bausparförderung bis zur steuerlichen Abschreibung. Das alles spielt eine wesentliche Rolle bei der Überlegung, ob jemand bauen will oder nicht. Dagegen dürfte die Erwägung, ob unter Umständen eine unangemessen hohe Miete aus der Marktsituation heraus erzielt werden kann, doch wirklich nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Wer so kalkuliert, wer sich also zu diesen Wohnungshyänen gesellt, von denen der anständige Wohnungsbesitzer sowieso Abstand hält, auf dessen Bautätigkeit -daß muß ich ganz offen sagen — können wir auch verzichten.Von den weiteren Zitaten von Herrn Erpenbeck möchte ich jetzt nur noch eines herausgreifen. Sie greifen den Vorwurf des wissenschaftlichen Beirats gegenüber der kurzfristigen Bodenpolitik der Gemeinden auf. Das wundert mich in der Tat sehr. Denn Sie müßten erstens wissen, daß die Gemeindefinanzen häufig einer großzügigen Bodenpolitik im Wege standen. Zum zweiten finde ich es erstaunlich, daß Sie das heute hier verkünden, nachdem sich Ihre Partei viele, viele Jahre hindurch dagegen gewehrt hat, durch ein vernünftiges Bodenrecht dazu beizutragen, daß die Gemeinden eine Vorratspolitik zu angemessenen Preisen treiben können. Das ist doch der springende Punkt.
Zu Ihrer generellen Betrachtung noch eines.
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Bitte sehr.
Frau Meermann, sind Sie mit mir der Meinung, daß dieser Gesetzentwurf sehr große Mängel aufweist, weil er in Bereichen, wo es nicht notwendig ist, die Wohnungszwangswirtschaft wieder einführt, während er hinsichtlich der Ballungsräume - ich muß hier München ansprechen — in manchen Bereichen nicht weit genug geht, nämlich die Mißstände bei der Umwandlung von Althäusern in Eigentumswohnungen und Gastarbeiterschlafstellen und Massenquartiere nicht in den Griff bekommt?
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Nein, ich bin nicht dieser Ansicht. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich glaube, daß der Gesetzentwurf auch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen deckt. Wenn wir bei der Ausschußberatung zu der Überlegung kommen sollten, daß das noch etwas präziser gefaßt werden sollte, werden wir dazu alle Möglichkeiten haben.
Eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer.
Frau Meermann, darf ich Sie bitten, unsere Gesetzentwürfe diesbezüglicher Art, die im Ausschuß vorliegen, mit zu unterstützen?
Ich kann Ihnen sagen, daß ich Ihren Gesetzentwurf im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf prüfen werde. Dann wird sich erweisen, ob Ihr Gesetzentwurf noch notwendig und unterstützungsbedürftig ist.Herr Erpenbeck, Sie haben sich bei Ihrer Rede zwar in die sehr kleidsame Robe sozialer Marktwirtschaft auch für die Wohnungspolitik gehüllt, aber das, was Sie dann im einzelnen ausführten,
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4940 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Frau Meermannwar der Ausdruck reiner marktwirtschaftlicher Interessen.
Es war nicht sehr viel von der sozialpolitischen Komponente zu spüren.Deswegen möchte ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit feststellen ich hoffe, daß Sie dem zustimmen werden —, daß wir uns bei allem, was wir auf diesem Gebiet weiter überlegen und weiter tun werden, darüber im klaren sein müssen, daß auch in der Marktwirtschaft die Wohnung ein besonderes und mit gar keiner anderen Ware vergleichbares Gut ist, daß man sie nicht durch etwas anderes ersetzen kann und daß sie für die meisten Menschen eine andere Rolle spielt als fast alle übrigen Güter. Sie ist doch einfach das Lebenszentrum! Durch die Vorlage der Bundesregierung sind wir nun alle aufgefordert, uns mit den sozialen Problemen des Wohnungsmarktes auseinanderzusetzen, die Begleiterscheinungen gewaltiger Umwandlungen sind, Begleiterscheinungen, von denen natürlich die Großstädte seit Jahren in besonderem Maße betroffen sind.Da Sie das ganze Gebiet der Konjunkturpolitik angesprochen haben, erlauben Sie mir, zu der Ausgangsposition, die zu diesem Gesetz geführt hat, etwas mehr zu sagen. Schon ein ganz kurzer Blick auf sehr globale Statistiken zeigt, daß die Freigabe der Mieten nicht ausgereicht hat, um die Wohnungsknappheit zu beseitigen. Preiswerte Wohnungen für mittlere und untere Einkommensschichten sind auch nach rund acht Jahren Marktwirtschaft auf dem Wohnungsmarkt immer noch Mangelware.
— dazu sage ich nachher gern etwas , obwohl die staatliche Förderung, wenn auch im Umfang unzureichend, weitergelaufen ist.Nun sprechen Sie von vergangenen Leistungen früherer Regierungen. Herr Erpenbeck, ich bin Hausfrau und weiß, daß man Glanz nicht nur erzielen, sondern auch erhalten muß. Der Einbruch in die staatliche Förderung und auch in die effektive Wohnungsfertigstellung im sozialen Wohnungsbau ist 1966, in Ihrer Regierungszeit, erfolgt. Damals ist nämlich die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im sozialen Wohnungsbau gegenüber 1960 genau halbiert worden. So ist die Situation.
Wir haben dann in den folgenden Jahren höhere Zahlen erreicht. Auf die konjunkturellen Schwierigkeiten, die im vergangenen Jahr zu einer gewissen Zurückhaltung Veranlassung gaben, will ich jetzt nicht näher eingehen. Sie wissen, daß das langfristige Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung ab 1971 zu höheren Förderungszahlen führen wird.Wie sieht es nun mit den Mieten aus? Seit 1962 stiegen die Mieten im Durchschnitt um rund 6,5 %. Die Mietbelastung der einkommensschwächerenHaushalte, die ganz besonders stark ist, wirkt sich über die Durchschnittszahlen hinaus aus. Nebenbei gesagt: 1966, in Ihrer Zeit, haben sich die Altbaumieten um 12 % erhöht. Bei den einkommensschwächeren Haushalten, insbesondere bei den Rentnern, sieht es nach der amtlichen Wirtschaftsberechnung so aus, daß sie im Durchschnitt 19 % ihrer verbrauchsfähigen Ausgaben für die Miete bezahlen. Das ist der Durchschnitt und sagt nichts darüber aus, in wie starkem Maße andere noch mehr bezahlen müssen. Es ist gut, daß wir die Einrichtung des Wohngeldes haben, die da doch eine ganz wesentliche Hilfe gibt.
— Das erste ging auf Ihre Initiative zurück.
Sie werden aber zugeben, daß das so war, daß man es nicht sehr lange halten konnte. Dann kam das Wohngeldgesetz 1965. Daß die Regierung eine Initiative ergriff, ist ja wohl selbstverständlich. Aber fragen Sie einmal die Kollegen, die damals im Ausschuß waren, wer ganz intensiv an diesem Gesetz mitgewirkt und auf höhere Leistungen hingewirkt hat! Sie werden zugeben, daß die damalige Opposition sehr intensiv zu den Verbesserungen der damaligen Regierungsvorlage beigetragen hat.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer? —
Frau Meermann, können Sie sich erinnern, daß die CDU/CSU schon 1968 einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Wohngeldes eingereicht hat, der dann im Ausschuß von der SPD kaputtgemacht wurde, und daß der zweite Gesetzentwurf am 29. Oktober 1969 eingereicht wurde, der dann elf Monate verzögert wurde, so lange, bis die Regierungsvorlage kam?
Herr Kollege Geisenhofer, Sie schmeicheln uns. Im Jahre 1968 waren Sie die stärkste Gruppe im Ausschuß, und es wäre Ihnen ein leichtes gewesen, das durchzusetzen, was Sie für richtig hielten.Ich komme auf die Ausgangssituation zurück. Nach der Wohnungszählung 1968 lebten rund 800 000 Haushalte in unzureichenden Wohngelegenheiten. Inzwischen — ich sagte es vorhin schon — ist die Zahl der in der Statistik sowieso unzureichend erfaßten Gastarbeiter um rund eine Million gestiegen. Die Einwohnerzahlen in den Verdichtungsgebieten stiegen an. Demgegenüber ist die Angebotsreaktion des Marktes zu träge. Selbst wenn wir zur Zeit ausreichende Kapazitäten für den Bau zusätzlicher Wohnungen hätten, wären freifinanzierte Neubauwohnungen z. B. für Rentner oder für kinderreiche Familien unerschwinglich.Diese Tatsache zwingt trotz allem, was Herr Erpenbeck aus dem wissenschaftlichen Gutachten zitiert hat, zu der Erkenntnis, daß in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums in Regionen mit stark steigender
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Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4941
Frau MeermannEinwohnerzahl auf dem freien Wohnungsmarkt im wesentlichen nur Wohnungen für die Wohlhabenden entstehen. Die unteren Einkommensschichten sind auf den vorhandenen Althausbestand und auf den sozialen Wohnungsbau angewiesen. So entstehen die extremen Versorgungsunterschiede und so entstehen Dauerengpässe auf dem Wohnungsmarkt. Was wir 1970 an Unruhe über die Lage auf dem Wohnungsmarkt erlebt haben, ist ein Ausdruck dieser sich über lange Jahre hinziehenden Entwicklung und kann auf keinen Fall als einmalige Erscheinung einer angespannten Konjunkturlage interpretiert werden. Den besten Beweis dafür haben Sie selber angeführt, nämlich daß die Mieten im Jahre 1970 im Durchschnitt weniger gestiegen sind als in irgendeinem anderen Jahr seit 1962.Die Bundesregierung und auch die sie tragenden Fraktionen sind sich dessen bewußt, daß diese Situation nachhaltig nur geändert werden kann durch eine entsprechende Ausweitung des Angebots an Wohnungen zu erschwinglichen Preisen. Deshalb müssen wir das, was heute hier zur Diskussion steht, im Zusammenhang mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus sehen, die ja erheblich ausgeweitet wurde und zu einer entsprechenden Steigerung im sozialen Wohnungsbau führen wird. Sehr verehrte Herren Kollegen von der Opposition, der Bewilligungsrahmen für 1971 ist gegenüber 1970 auf das Doppelte gestiegen, und auf den Bewilligungsrahmen kommt es im Wohnungsbau ja an. Wir kommen zum erstenmal wieder auf einen Anteil des Bundes, der weit über die 30 % hinausgeht, nachdem Sie ihn auf 8 % haben absinken lassen. Im Jahre 1970 wurde wieder ein Bauvolumen von fast 500 000 Wohnungen erreicht. Das Volumen an sich konnte also erhalten werden und kann nun verstärkt auf den sozialen Wohnungsbau umgeleitet werden. Schließlich kann die Bundesregierung jetzt auch deshalb stärker in die Wohnungsförderung einsteigen, weil durch die konjunkturpolitischen Maßnahmen die von uns vorausgesagte Bremsung des Bauauftriebes eingetreten ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?
Bitte.
Frau Kollegin Meermann, können Sie mir mal erklären, inwiefern wir mehr Wohnungen für Bezieher geringer Einkommen oder sogenannte Sozialwohnungen hätten, wenn der frei finanzierte Wohnungsbau nicht in dem Umfang erfolgt wäre?
Das verstehe ich überhaupt nicht.
Das habe ich auch niemals behauptet.
— Nein. Ich habe gesagt: das Bauvolumen — also
die 500 000 Wohnungen, die langfristig angestrebt
sind — ist auch unter den erschwerten Finanzierungsbedingungen des vergangenen Jahres gehalten worden. Nun, nachdem die Bundesregierung mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau hineinstecken kann, muß es möglich sein, einen Teil dieses Bauvolumens auf den sozialen Wohnungsbau umzulenken. Das heißt — um es grob zu sagen —: wenn 1971 wieder 500 000 Wohnungen gebaut werden, dann ist der Anteil der Sozialwohnungen in diesem Jahr größer. So sieht es aus.
Eine Zusatzfrage!
Frau Abgeordnete Meermann, darf ich nach dem, was bisher von der Regierung und von Ihnen bekannt geworden ist, sagen, daß wir dann erst den Stand im sozialen Wohnungsbau erreichen, den wir im Laufe der 60er Jahre schon hatten.
Tut mir leid, Herr Kollege; ich muß Ihnen widersprechen. Den Tiefstand von 1966 hatten wir schon 1967 und 1968 wieder überschritten.
Da drüben noch eine Zusatzfrage!
Herr Kollege Müller, wir werden uns darüber sicherlich im Ausschuß noch unterhalten können.
Frau Kollegin, darf ich noch eine Frage stellen. Sie haben mit Recht noch einmal von der Angebotsseite gesprochen. Wäre es nicht richtig, ebenso auch davon zu sprechen, daß die Nachfrageseite nicht künstlich angeheizt werden darf — sie wird es, was nachgewiesen werden kann und daß man in Räumen, die, wie wir wissen, laut Bundesraumordnungsgesetz nicht mehr überfüllt werden sollen, sondern wo die Entwicklung moderiert werden soll, einfach der Wohnungsnot nicht Herr wird, wenn die Entwicklung immer wieder an erster Stelle und die Sanierung eben an zweiter, dritter oder letzter Stelle steht? So sieht es doch aus.
Ich kann jetzt darauf wirklich nicht im einzelnen antworten. Dazu müßte man sehr viel sagen. Nur kurz: Wir sind für erhöhte Mobilität, wir sind aber nicht der Auffassung, daß man erhöhte Mobilität der Mieter im wesentlichen mit Zwangsmaßnahmen erreichen kann, sondern man kann sie dann erreichen, wenn man dem Mieter vernünftige Wohnungen anbietet. Das ist doch das Problem. Man kann darüber sprechen, ob es vernünftig ist, daß z. B. eine Witwe noch in einer großen Sozialwohnung übriggeblieben ist. Aber das Problem ist doch nicht, wie ich sie herausbekomme, sondern das Problem ist: Wie schaffe ich eine kleine Wohnung, die für sie bequem ist, die sie bezahlen kann, zu vernünftigen Bedingungen? Das ist die Frage. Von der Angebotsseite müs-
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4942 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Frau Meermannsen wir herangehen, nicht etwa durch einen Druck auf den Suchenden.Aber ich möchte jetzt wirklich hier keine Ausschußberatung machen, sondern meine Gedanken zur Konjunkturpolitik zu Ende führen.Die Bundesregierung kann jetzt auch deshalb stärker in die Wohnungsförderung einsteigen, weil durch die konjunkturpolitischen Maßnahmen die von uns vorausgesagte Bremsung des Baupreisauftriebes eingetreten ist. Während im August 1970 die durchschnittliche Baupreiserhöhung gegenüber August 1969 noch 16,5 % betrug, war sie im November 1970 auf 14,5 % abgesunken. Und das widerspricht allem, was Sie noch im Oktober in der konjunkturpolitischen Debatte gesagt haben. Es ist ein eindeutiger Erfolg der Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung.Ferner wird die gewerbliche Nachfrage 1971 nicht mehr expandieren. Für den Wohnungsbau entstehen zusätzliche Angebotsreserven. Außerdem deuten viele Anzeichen darauf hin, daß wir in absehbarer Zeit mit einer Senkung der Hypothekenzinsen rechnen können. Die konjunkturellen Preissteigerungen auf dem Baumarkt sind also beseitigt. Was wir jetzt noch beobachten, sind Preissteigerungen, die wir hinnehmen müssen, solange die technischen Fortschritte in der Bauwirtschaft geringer sind als in anderen Wirtschaftszweigen. Wenn wir die beiden Teile der Schere zusammenbringen wollen, dann muß diese Bundesregierung neben der stärkeren Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit Nachdruck das tun, was frühere Bundesregierungen versäumt oder nicht ausreichend gemacht haben, nämlich neben einer vernünftigen Bodenordnung, für die wir jetzt die ersten Schritte im Städtebauförderungsgesetz unternehmen, zur langfristigen Stabilisierung der Preise durch Maßnahmen zur Verstärkung der Produktivität der Bauwirtschaft, zur Verbreiterung des Angebots bis hin zur Koordinierung des Einsatzes der öffentlichen Mittel in Bund, Ländern und Gemeinden und zur Vereinheitlichung der Bauvorschriften beitragen, auch bis hin zu etwas, was unter anderem in diesem Gesetzentwurf steht, nämlich daß Ingenieure und Architekten, die durch Rationalisierungsmaßnahmen Baukosten einsparen, dafür durch ein höheres Honorar belohnt werden können, was bisher nicht möglich war. Im übrigen werden wir bestimmte Vorstellungen der Architekten in den Ausschußverhandlungen noch besprechen müssen.Diese längerfristigen Maßnahmen der Bundesregierung brauchen aber Zeit, um ihre stabilisierende Wirkung auf Baupreise und Mieten auszuüben. So lange können die Mieter in Problemgebieten nicht warten. Deshalb müssen wir jetzt und heute die Konsequenz aus unserem System ziehen, das das Etikett „soziale Marktwirtschaft" trägt. Niemand in diesem Hause wird leugnen, daß dort, wo die Konkurrenz um den knappen Wohnraum groß ist, insbesondere die Alten, die Kinderreichen, die jungen Ehepaare, die Gastarbeiterfamilien und auch die Studenten in Not geraten sind oder in Not geraten können, sei es, daß sie bereits überhöhte Mieten zahlen, sei es, daß sie sich vor überhöhten Mieten und willkürlichen Kündigungen fürchten. Jeder von uns weiß, daß ein Umzug, der durch eine Kündigung erzwungen ist, eben nicht nur die Brieftasche belastet, sondern auch die Nervenkraft und die Arbeitskraft der betroffenen Mieter bis über die Grenzen des Erträglichen strapaziert. Die Kündigung darf kein Instrument sein, das nach Lust und Laune eingesetzt werden kann. Ich treffe damit nicht die Mehrheit der Hausbesitzer, die Mehrheit der Vermieter, denn die Mehrheit tut das nicht; wir wissen aber, daß einzelne Fälle von Vermieterwillkür wirklich ganze Mietergruppen in Unruhe versetzt haben.Sie fragen nun: Ist der Weg richtig, den wir da einschlagen? Herr Erpenbeck findet ihn nicht richtig. Ich weiß aber aus längerer Erfahrung in diesem Hause, daß aus der Situation ihrer Wahlkreise heraus auch Abgeordnete der Opposition Anträge stellen oder sich an Anträgen beteiligen, die einen stärkeren Mieterschutz fordern, als Sie ihn selbst während der Großen Koalition zu gewähren bereit waren. So fordern z. B. die Münchner Abgeordneten aller Fraktionen einen verstärkten Schutz der Mieter in Sanierungsgebieten.
Es liegen Gesetzesinitiativen zum besseren Schutz der Mieter bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen vor. Herr Erpenbeck, wenn Sie nicht wissen, wie der Begriff „marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals" interpretiert werden soll, fragen Sie Ihren Herrn Orgaß. Der hat schon vor längerer Zeit angekündigt, daß er im Bundestag einen Initiativantrag auf Verbindlichmachung der Kostenmiete einbringen will. Wir warten noch darauf, aber ich nehme an, daß er einige Mühe auf der Suche nach Mitunterzeichnern hat.Es würde mich reizen, jetzt an dieser Stelle nachzuweisen, wie heute die Folgen früherer, von Ihnen zu verantwortender Entscheidungen deutlich werden und wie sich gerade hier eine Politik der Verunsicherung auswirkt. Ich will das nicht tun, ich meine aber, das ganze Parlament sollte die Chance dieses Gesetzentwurfes ergreifen, um daran mitzuwirken, daß die Beruhigung endlich eintritt, die nötig ist, wenn ein partnerschaftlich gutes Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern geschaffen oder gewahrt werden soll. Dazu zeigt dieser Gesetzentwurf den Weg, der neben einer generellen Verbesserung der Sozialklausel im BGB, neben Gesetzesänderungen zur besseren Erfassung von Mietüberhöhungen und Mietwucher und neben einer generellen neuen Regelung der Wohnungsvermittlung für eine begrenzte Zeit Mieter in Gebieten mit besonderem Wohnungsbedarf vor unangemessenen Mietsteigerungen und unangemessenen Kündigungen schützt und der gleichwohl allem, was ein Vermieter vernünftigerweise fordern kann und was auch derjenige, der sein Geld in den Wohnungsneubau steckt, vernünftigerweise an Ertrag erwarten kann, Rechnung trägt. Eine Behinderung stellt dieser Gesetzentwurf nicht dar.Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt daher voll und ganz das Bestreben der Bundesregierung, dort, wo der Wohnungsmarkt besonders schlecht funktio-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4943
Frau Meermannniert und solange er schlecht funktioniert, dem Mieter ein rechtliches Äquivalent gegenüber der starken Machtposition des Vermieters zu geben, wobei gleichzeitig dem Vermieter die Wirtschaftlichkeit seiner Wohnung gesichert ist. Ich meine, daß sich zu dieser grundsätzlichen Konzeption alle Fraktionen dieses Hauses verstehen müßten. Über Formulierungen kann man mit uns reden.Man kann mit uns darüber reden, wie Art. 2 § 1 Abs. 3 konkretisiert werden soll. Wir wissen auch, daß die Bestimmung der marktgerechten Verzinsung des Eigenkapitals eine schwierige Frage ist, über die wir im Ausschuß nachdenken müssen und zu der die Bundesregierung ihre Vorstellungen entwickeln wird. Im übrigen gibt es da immerhin ja auch schon ein ganz interessantes Urteil des Bundesgerichtshofs.Was nun die Abgrenzung des Gebietes anbelangt, so meine ich, daß wir zu einer praktikablen Regelung kommen müssen, wobei wir durchaus auch die Vorschläge des Bundesrates in unsere Überlegungen einbeziehen müssen. Herr Erpenbeck schlug vor, daß auch andere, außerhalb der Statistik liegende Umstände berücksichtigt werden sollten. Das müssen wir uns einmal durch den Kopf gehen lassen. Nur müssen wir uns über eine Konsequenz, Herr Erpenbeck, klar sein: Das abzugrenzende Gebiet wird dann mit Sicherheit nicht kleiner, sondern größer. Ich erinnere mich an die Zeit, als die sogenannten Lücke-Gesetze in Kraft traten. Damals war es z. B. so, daß alle CDU-Abgeordneten hier in Bonn diese Gesetze richtig fanden, daß aber die Gemeinderäte in den Städten, die vor der Liberalisierung standen, einschließlich der von der CDU geführten, nachwiesen, daß das für ihre Stadt doch wohl nicht ganz das Richtige sei, und zwar wegen der besonderen Umstände, die bei ihnen vorlägen.
Lassen Sie mich zum Schluß namens der SPD-Bundestagsfraktion der Bundesregierung dafür danken, daß sie so bald nach der Vorlage des Zweiten Wohngeldgesetzes, das die Wohnung für alle Bürger, gleichgültig, ob sie zur Miete, im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung leben, wirtschaftlich sicherer macht, nun auch für einen besseren rechtlichen Schutz der Mieter sorgt. Das ist keine leichte Aufgabe, aber ich meine, es ist eine schöne Aufgabe, die das Parlament an diesem seinem ersten Sitzungstag im neuen Jahr in seine Hände nimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Wurbs. Seine Fraktion hat um eine Redezeit von 20 Minuten gebeten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Meine Frau Kollegin ist schon auf die Eingangsworte des Kollegen Erpenbeck hinsichtlich der Formulierung „Offenbarungseid" eingegangen. Ich tue dies auch — nicht, weil ich schockiert bin, denn von dieser Seite bin ich ja allerlei gewöhnt. Ich halte es für vermessen, wennder Bundesregierung die derzeitig bestehende Wohnungs- und Mietsituation angelastet wird.
Herr Erpenbeck, Sie sind genauso Wohnungspolitiker wie ich und wissen, daß Wohnungsbaupolitik nicht eine Angelegenheit von heute auf morgen, sondern ein langwieriger Prozeß ist. Man darf nicht außer acht lassen, daß zu dieser Maßnahme weitere, flankierende Maßnahmen hinzutreten müssen. Ich denke nur an das langfristige Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung, an das sich in der Bearbeitung befindliche Städtebauförderungsgesetz und das Wohngeldgesetz. All diese Komponenten muß man zusammen sehen, man darf die Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht isoliert betrachten.Darüber hinaus bin ich der Auffassung, daß die Polemik der Sache nicht dient; denn im Wohnungsausschuß haben wir die Dinge bisher immer sachlich betrachtet und haben, soweit es möglich war, auch entsprechende Lösungen gefunden.Mit ein Anliegen dieses Gesetzes ist es, das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zu verbessern und dabei das Recht der einzelnen Gruppen zu sichern. Meine Damen und Herren, es ist nicht zu bestreiten, daß in den letzten Wochen und Monaten die Mietpreissituation in breiten Kreisen unserer Bevölkerung Besorgnis erregt hat. Es ist aber auch nicht zu bestreiten — das möchte ich hier in aller Deutlichkeit feststellen —, daß man die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht verallgemeinern darf, sondern fairerweise zugeben sollte, daß sich die Auswüchse auf einige Gebiete mit besonderem Wohnbedarf beschränken. Es dient nicht der Behebung der Not und der Verbesserung der Lage, schon gar nicht der Versachlichung der Diskussion, wenn man die Vermieter insgesamt — seien es Wohnungsbaugesellschaften, seien es private Vermieter — für die Entwicklung verantwortlich macht. Es wird nicht verkannt, daß es in den Ballungsräumen zu Auswüchsen in der Mietpreissituation gekommen ist. Man sollte aber zugleich mit den berechtigten Vorwürfen auch die Masse der Vermieter nennen, die die Mangellage nicht ausnutzen, sondern sich durchaus korrekt verhalten. Ich meine, es ist unser aller Anliegen und Aufgabe, die bestehenden Mißstände so schnell wie möglich zu beseitigen und dabei nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die den Interessen sowohl der Mieter wie der Vermieter gerecht werden.Die Bundesregierung hat sich eingehend mit den anstehenden Problemen befaßt und dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs vorgelegt. Der Bundesrat hat zu dem Regierungsentwurf eine Reihe von Gegenäußerungen gemacht und Änderungsvorschläge vorgetragen. Es würde zu weit führen, in der heutigen, ersten Lesung auf jede geplante Einzelmaßnahme einzugehen. Der Entwurf wird eingehender Beratungen in den zuständigen Ausschüssen bedürfen.Obwohl der Rechtsausschuß als federführender Ausschuß mit der Beratung betraut wurde, erscheint es mir zweckmäßig und logisch, daß bereits heute
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4944 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Wurbsauch die Wohnungspolitiker zu einigen Punkten Stellung nehmen. Ich darf mir hier die Anregung erlauben — eben wegen des wohnungspolitischen Aspekts dieser Vorlage - ,zu überlegen, ob nicht künftig der Wohnungsausschuß federführend sein sollte.
— Das ist keine Streitfrage, Herr Dr. Hauser. Es ist nur die Frage, ob nicht hier der Wohnungsbauausschuß doch — —
— Gut, gut, aber deswegen wollen wir uns hier nicht streiten.Meine Damen und Herren, mein Kollege Kleinert wird nachher noch zu den Bestimmungen des BGB, insbesondere zu dem geplanten Kündigungsschutz, die Stellungnahme der Fraktion vorlegen, so daß ich mich hier auf ein paar wenige Punkte beschränken kann.Zunächst zum Kündigungsschutz, Art. 2. Der Entwurf sieht vor, daß der Vermieter unter folgenden Voraussetzungen kündigen kann, nämlich dann,wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt. Als berechtigtes Interesse ist insbesondere auch anzusehen, wenn bei einer Kündigung zum Zwecke der Erhöhung des Mietzinses ein Mietzins angestrebt wird, der eine marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals sicherstellen, eine Steigerung von Kapital- und Bewirtschaftungskosten, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, ausgleichen oder die durch Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der vermieteten Räume oder Gebäude entstandenen Kosten decken soll.Zu diesem Punkt noch eine kurze Bemerkung. Der Regierungsentwurf sieht vor — wie ich soeben schon andeutete —, daß eine Kündigung zum Zwecke der Erhöhung des Mietzinses erfolgen kann, um eine marktgerechte Verzinsung sicherzustellen. Der Bundesrat hat in seiner Gegenäußerung die Kostenmiete gefordert. Diesem Anliegen hat die Bundesregierung widersprochen. Eine Kostenmiete generell einzuführen, scheint sich auf den ersten Blick als eine Lösung anzubieten, wenn alle Kosten — sowohl die Kapital- als auch die Bewirtschaftungskosten — nach der Zweiten Berechnungsverordnung berücksichtigt werden, dies auch unter der Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals, z. B. nach den jeweiligen marktüblichen Konditionen des Hypothekenzinses bzw. — darüber läßt sich sprechen — des Habenzinses. Es ist aber nicht einzusehen, warum ein Hauseigentümer unter gewissen Voraussetzungen — nämlich auf Grund einer Mangellage — eine höhere Verzinsung seines Eigenkapitals erhalten soll, sofern alle übrigen Kosten in der Miete enthalten sind, als beispielsweise ein Sparer, der sein Geld bei einer Bank angelegt hat.Bei Neubauten eine Kostenmiete festzulegen, stellt kein Problem dar. Zum Beispiel ist im sozialenWohnungsbau bei einer angenommenen Eigenkapitalbeteiligung von etwa 15 °/o eine angemessene Verzinsung jederzeit zu erzielen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? —
Herr Kollege Wurbs, sind Sie nicht in Sorge darüber, daß man, wenn man von einer gerechten Verzinsung spricht und die Bewegungen des Kapitalmarktes mitmachte, in einen Mietenwirrwarr, in ein Auf und Ab hineinschliddern würde, das mit dem Ausdruck „Unruhe" nur schwach gekennzeichnet wäre?
Herr Kollege Mick, ich gebe Ihnen insofern recht: wenn man die Bewegung der Hypothekenzinsen jeweils als Grundlage für die Eigenkapitalverzinsung zugrunde legte, würde dauernd eine Variabilität, eine dauernde Mieterhöhung oder Mietsenkung — je nach Lage der Zinsen — eintreten. Aber man könnte sich gegebenenfalls vielleicht an den Habenzinsen orientieren — ein Problem, das im Ausschuß bestimmt noch eingehender Erörterung bedarf — oder vielleicht eine gewisse Limitierung beim Zinsniveau einfügen. Das ist ein Punkt, über den im Ausschuß in jedem Fall noch zu sprechen sein wird.Die Eigenkapitalverzinsung wird allerdings bei Altbauten zu einem Problem werden. Hier ist eine Berechnung des Eigenkapitals nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Möglich wäre sie schon. Der Abs. 3 des § 1 wird ohnehin noch einer Konkretisierung bedürfen.Wir Freien Demokraten unterstreichen die Forderung, eine Verzinsung des Eigenkapitals zu den jeweils geltenden Konditionen zu erreichen, nachdrücklich; einen generellen Mietstopp lehnen wir ab.Einen weiteren Punkt des Gesetzentwurfes möchte ich hier noch kurz behandeln, nämlich den § 2 desselben Artikels. Die Bundesregierung wird mit dem § 2 ermächtigt,mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Städte und Landkreise im Geltungsbereich dieses Gesetzes als Gebiete besonderen Wohnbedarfes zu bezeichnen, wenn und solange dies erforderlich ist, um soziale Härten infolge eines erheblichen Fehlbestandes an Mietwohnraum in diesen Gebieten zu vermeiden.Der Gesetzentwurf hebt ausdrücklich auf Städte und Landkreise ab, die einen erheblichen Wohnungsfehlbestand an Mietwohnraum aufweisen. Es kann jedoch nicht Zweck dieses Gesetzes sein, daß der überwiegende Teil der Bundesrepublik in diese Regelung mit einbezogen wird. Dem Vorschlag des Bundesrates, den Fehlbestand auf die einzelne Gemeinde abzustellen, muß widersprochen werden, weil der Fehlbestand einer Gemeinde zwangsläufig auf benachbarte Gemeinden einwirkt. Auch dieser Punkt bedarf einer Präzisierung. Ich stelle auch hier ausdrücklicht fest, daß es auch nicht Ziel dieses
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WurbsGesetzes sein kann, die Wohnungszwangswirtschaft wieder einzuführen.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Erpenbeck.
,Herr Kollege Wurbs, haben Sie nicht die Befürchtung, daß der Gesetzentwurf, der uns vorgelegt worden ist, in der Praxis für die größten Teile der Bundesrepublik zu einer Zwangsbewirtschaftung führen wird, wenn dieser Fehlbestand von 2 % auf die Kreise bezogen wird? Damit wird ja auch eine Aussage des Bundesministers für Justiz in der Pressekonferenz deutlich, der meinte, 75 bis 80 % der Bevölkerung würden betroffen werden.
Herr Kollege Erpenbeck, Sie wissen genau, daß es verschiedene Berechnungsmöglichkeiten gibt, den Fehlbestand festzulegen. Es kommt ja darauf an, welche Gebäude usw. man mit einbezieht. Man wird also hier diesen Begriff „erheblicher Wohnungsfehlbestand" konkretisieren und modifizieren müssen.
Eine Zusatzfrage.
Wären Sie dann, Herr Kollege Wurbs, mit mir der Meinung, daß die Frage, wie diese berühmten 2 % zu errechnen sind, noch einer ganz besonderen Konkretisierung bedarf?
Ich deutete ja schon an, Herr Erpenbeck, daß sich der Ausschuß über diese zwei Probleme, die ich soeben angeschnitten habe, noch unterhalten wird. In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung bereits Überlegungen angestellt, um diesen Punkt zu konkretisieren. Ich glaube, der Herr Bundesjustizminister hat in seinen einleitenden Bemerkungen zu diesem Punkt schon Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, abschließend noch ein paar generelle Bemerkungen zur Wohnungssituation.
Erstens. Es ist statistisch festgestellt, daß die Mietpreissteigerungen in den Jahren 1969 und 1970 nicht größer gewesen sind als in den Jahren zuvor. Neubaumieten und die Erhöhung der Kapitalmarktzinsen werden jedoch auch künftighin den Durchschnitt aller Mieten beeinflussen. Mit einem weiteren Ansteigen muß auch schon im Hinblick auf die sich abzeichnende Lohnsituation in der Bauwirtschaft gerechnet werden, eine notwendige Entwicklung infolge der stark zurückgegangenen Beschäftigtenzahl im Baugewerbe und trotz der Tendenz sinkender Kapitalmarktzinsen.
Zweitens. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird meines Erachtens nicht wesentlich verbessert werden können, ohne der Fehlsubventionierung von Wohnungen tatkräftig zu begegnen. Eine Reihe von Vorschlägen verschiedener Seiten liegt bereits vor. Es wird dem Wohnungsbauministerium anempfohlen, hier baldmöglichst tätig zu werden.
Drittens. Trotz der angespannten Haushaltslage ist der Wohnungsbau in den Ballungsräumen zu verstärken. Ein Preisstopp würde die Initiative privater Bauherren beeinträchtigen. Der Staat allein wird aber auf den privaten Sektor nicht verzichten können, weil er selbst nicht in der Lage ist, die fehlende Baunachfrage zu befriedigen.
Viertens. Wiederholt habe ich schon von dieser Stelle ausgeführt - und ich tue es heute erneut —, daß man zu einer flexibleren Objektförderung übergehen sollte. Denn nur so kann man die Wohnungen, die wie jedes andere Wirtschaftsgut behandelt werden sollten, je nach Lage, Beschaffenheit, Größe usw. preislich differenziert anbieten.
Fünftens. Bei den begleitenden Maßnahmen ist vorgesehen, künftighin ein kontinuierliches Bauen zu gewährleisten, um die Baukosten zu senken. Um dieses Ziel mit zu erreichen, erscheint es mir hilfreich zu sein, nicht nur auch im Winter zu bauen, sondern man sollte zusätzlich die Baubeginne — das gilt insbesondere für die Behörden — über das Jahr verteilen. Heute ist doch die Praxis so, daß mit der Zuteilung der Haushaltsmittel und mit Beginn des offenen Wetters die Masse der Bauvorhaben begonnen wird und daß mit Beginn des Winters zum Teil der Auftragsbestand erheblich ausläuft, so daß erhebliche Kosten entstehen. Durch eine Phasenverschiebung der Baubeginne könnte diesem Anliegen eines kontinuierlichen Bauens Rechnung getragen werden.
Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf kann somit nur eine Übergangsregelung darstellen bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt normalisiert hat. Wir Freien Demokraten sind aber der Auffassung, daß die derzeitige Situation es erfordert, schnell zu handeln, um die Wohnungssituation in den Griff zu bekommen.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Lauritzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man das Gesetz, das wir heute beraten, in seiner Tragweite und in seiner Bedeutung richtig würdigen will, muß man zunächst erkennen, daß es nur Teil eines umfassenden Gesamtprogramms ist, eines umfassenden Gesamtprogramms, das erstens aus einem langfristigen Wohnungbauprogramm besteht und das zweitens aus einem Gesetz zur wesentlichen Verbesserung der Leistungen des Wohngeldes besteht, einem Gesetz, das bereits am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Meine Damen und Herren, das Wohngeld hat im Jahre 1965 150 Millionen DM für Bund und Länder gekostet. Es steigt im Jahre 1971 durch die wesentlichen Verbesserungen um 425 Millionen DM auf 1,3 Milliarden DM und bringt damit eine ganz enorme wirtschaftliche Sicherung der Mieter.Zu dieser wirtschaftlichen Sicherung kommt drittens eine bessere rechtliche Sicherung. Sie soll dieses
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Bundesminister Dr. LauritzenGesetz erreichen, von dem wir heute sprechen. Viertens gehört zu diesem umfassenden Gesamtprogramm eine entscheidende Förderung der Rationalisierung und Technisierung der Bauwirtschaft, eine Verbesserung auch der kontinuierlichen Arbeit durch das ganze Jahr — Herr Kollege Wurbs hat eben davon gesprochen —, um einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der Baukosten zu nehmen.Das langfristige Wohnungsbauprogramm ist keine Ankündigung und keine Wunschvorstellung, sondern Sie finden es abgesichert im Haushaltsplan des Jahres 1971, der Anfang Februar hier im Hause verabschiedet werden soll, und Sie finden es abgesichert in der mittelfristigen Finanzplanung.Was bedeutet dieses langfristige Wohnungsbauprogramm? Wir möchten wieder auf einen Förderungsrahmen von 250 000 Wohnungen im Jahr kommen. Dafür sind erheblich mehr Mittel eingesetzt, Mittel im Rahmen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in Höhe von 180 Millionen DM, zusätzlich also 30 Millionen DM mehr als bisher, 250 Millionen DM zusätzlich für ein Intensivprogramm, 45 Millionen DM zusätzlich zur Modernisierung des Althausbestandes. Damit steigt der Bewilligungsrahmen des Ministeriums für Städtebau und Wohnungswesen von rund 500 Millionen DM im Jahre 1970 auf 1,2 Milliarden DM im Jahre 1971. Das sind nicht Ankündigungen, sondern effektive Leistungen, die im Jahre 1971 zur Verfügung stehen. Wenn ich das Regionalprogramm hinzurechne, für das eine Laufzeit von 18 Jahren vorgesehen ist und das 50 000 Wohnungen allein aus Bundesmitteln fördern will, dann bedeutet das für den Bund mit jeder Jahresrate eine Belastung in Höhe von 1,7 Milliarden DM, für fünf Jahre also ein zusätzliches, allein vom Bund zu verwirklichendes Programm mit einem Bewilligungsrahmen von 8,5 Milliarden DM. Wann sind in den letzten zehn Jahren so erheblich mehr Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden als allein im Haushaltsplan 1971? Das werden Sie seit zehn Jahren nicht feststellen können.
Jetzt darf ich etwas zu der „Glanzleistung" sagen, die heute morgen hier so herausgestellt wurde.
— Bitte!
Herr Minister, würden Sie meine Meinung teilen, daß mit der Zurverfügungstellung von mehr Mitteln noch nicht festgelegt ist, daß diese Mittel auch verbaut werden, und würden Sie mir zugeben, daß im Jahre 1970 ,erhebliche Wohnungsbaumittel nicht verbaut werden konnten?
Ich bin sicher, daß diese Mittel im Jahre 1971 abfließen werden. Heute morgen konnte man gerade de Äußerungen der Bauwirtschaft hören, und Herr Brunner weist darauf hin — das konnte man in den Zeitungen lesen —, daß die
Bauwirtschaft dringend Aufträge braucht. Sehen Sie sich den Rückgang der Baupreiserhöhungen an; nach der letzten Aussage beträgt die Steigerung 14,2 % gegenüber mehr als 17 % vor einem halben Jahr. Sehen Sie sich die Entwicklung der Zinsen an. Ob heute eine weitere Entscheidung fällt, weiß ich nicht, aber daß in Angleichung an die Entwicklung im Ausland — die Amerikaner und die Japaner sind mit ihren Zinssätzen wieder heruntergegangen — auch das deutsche Zinsniveau sinken wird, ist auf die Dauer sicher. Wir werden für die Finanzierung des Wohnungsbaus 1971 also eine ganz andere Situation haben als 1970. Und das wollten wir ja auch erreichen. Deswegen haben wir das Wohnungsbauprogramm erst 1971 vorgelegt. 1970 wäre es sicher prozyklisch gewesen; das muß doch zugegeben werden.
Aber nun darf ich etwas zu der so viel gepriesenen „Glanzleistung" der vorangegangenen Jahre sagen. Jeder, der mit dem Wohnungsbau zu tun hat, weiß, daß die Herstellung von Wohnungen im Jahre 1971 von den Bewilligungen des Jahres 1970 abhängig ist. Das bedeutet, nicht das Fertigstellungsergebnis zeigt die politischen Entscheidungen, die Bund und Länder treffen, sondern die Mittel, die sie jeweils bewilligen, sind der Indikator. Sie bestimmen nämlich erst das Fertigstellungsergebnis des nachfolgenden oder des übernächsten Jahres. Denn es dauert auch heute noch ein bis anderthalb Jahre, eine Wohnung zu bauen.
Wir müssen also darauf abstellen, wie groß in den einzelnen Jahren der Bewilligungsrahmen jeweils gewesen ist. und hier muß ich Ihnen eine ganz betrübliche Mitteilung machen. Sie wissen das anscheinend immer noch nicht. Im Jahre 1960 haben Bund und Länder Mittel für 327 000 Wohnungen zur Verfügung gestellt, im Jahre 1966 nur noch Mittel für 172 000.
Im sozialen Wohnungsbau waren es nur noch 152 000. Das heißt, der Bewilligungsrahmen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau ist in der Bundesrepublik von 1960 bis 1966 auf weniger als 50 %, gemessen an der Ausgangszahl von 1960, zurückgegangen. Was heißt das? Neben dem Abbau der Wohnungsbewirtschaftung vollzog sich parallel ein Abbau des Wohnungsbaus.
Da von „Glanzzeit" zu sprechen scheint mir etwas kühn zu sein. Daß muß man einmal ganz deutlich sehen.
Eine Zwischenfrage, Herr Mick.
Herr Minister, kann man nicht bei Ihrer Darstellung dem Trugschluß erliegen, daß allein die Höhe der öffentlichen Mittel für die Leistung im Wohnungsbau maßgebend ist? Kann denn nicht auch — und so war es ja wohl — trotz einer geringeren Summe öffentlicher Mittel eine sehr
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Mickgroße Summe auf dem Kapitalmarkt ausgelöst werden, etwa bei einem flüssigen Kapitalmarkt durch Zinssubventionen?
Diese Frage geht genau am Problem vorbei, Herr Mick. Ich habe von der Zahl der geförderten Wohnungen gesprochen, unabhängig davon, ob diese über Darlehen, Zinszuschüsse oder Kapitalmarktmittel gefördert worden sind. Hier ist in den Jahren von 1960 bis 1966 im sozialen Wohnungsbau ein so entscheidender Einbruch geschehen, daß einfach festgestellt werden muß: nicht nur die Wohnungsbewirtschaftung ist abgebaut worden, sondern auch der soziale Wohnungsbau. Denn der Rückgang von 327 000 auf 152 000 sozial geförderte Wohnungen ist doch erschreckend. Das muß man doch sehen! In den folgenden Jahren sind wir dann wieder auf 200 000 gekommen. Wodurch? Durch die Konjunkturprogramme der Bundesregierung. Als die ausliefen — 1970 —, hat sich natürlich wieder die Zahl 150 000 ergeben. Wir haben in dieser Zeit gewisse Mittel aus konjunkturellen Gründen nicht einsetzen können, sondern setzen sie jetzt ein.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß die heutigen Schwierigkeiten und die Tatsache, daß wir immer neue Maßnahmen brauchen, im wesentlichen darauf zurückzuführen sind, daß in der von Herrn Erpenbeck apostrophierten sogenannten glanzvollen Epoche einfach fälschlich von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt ausgegangen wurde und darauf alle Maßnahmen abgestellt wurden, nämlich sowohl der Mieterschutz aufgehoben als auch die entscheidende Förderung des sozialen Wohnungsbau eingestellt wurde?
Es ist doch die entscheidende Grundlage der damaligen Politik gewesen, daß man glaubte, man sei jetzt so weit, von Jahr zu Jahr die öffentlichen Mittel um 10% abbauen zu können, weil der Wohnungsmarkt so gut wie ausgeglichen sei. Damals war man ja auch der Meinung, ein Wohnungsmarkt sei ausgeglichen, wenn ein Fehlbestand von 3 % vorhanden ist. Dann war die Voraussetzung geschaffen, einen schwarzen Kreis weiß zu machen. — Das waren nach meiner Meinung die entscheidenden Fehler der damaligen Zeit. Und wenn jetzt wieder gesagt wird
-ich komme gleich darauf; Sie kommen jetzt wahrscheinlich wieder mit den 100 000 —, im Jahre 1970 werde der Wohnungsbau um 100 000 Einheiten niedriger liegen als vorher, dann ist es gerade die Differenz zwischen 150 000 und 152 000, die dabei sichtbar wird. Dieses Spekulieren mit 100 000 in den letzten Jahren stimmt einfach nicht. Denn der Einbruch war 1966 am Ende der damaligen Regierungszeit, bevor die Große Koalition kam.
— Danach, und diese Pleite habe ich übernehmen müssen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, ich will nicht auf das Wort „Pleite” eingehen. Die Bundesrepublik ist als ein relatives Musterland des Wohnungsbaus bekannt. Ich will auch nicht darauf eingehen, daß Sie Zahlen rein isoliert betrachten, weil das jetzt zu weit führen würde. Ich habe eine andere Frage. Sie haben Städte und Orte genannt, die den Wohnungsschutz doch weitgehend gehabt haben. Wir tun so, als ob in München und Hamburg schon alles aufgehoben gewesen wäre. Trotz der noch vorhandenen Bestimmungen sind diese Mißstände geblieben, weil auch kommunal etwas nicht in Ordnung ist, weil Sie doch auch diese Gebiete in Ihre Planungen, in Ihre Bauausweisungen übernehmen, weil Sie das Raumordnungsgesetz nicht einhalten, weil Sie das Bundesbaugesetz nicht einhalten, Herr Minister. Da liegt doch -die Quelle.
Meine Damen und Herren, ich werde solche Zwischenfragen, die keine sind, sondern die Kurzreden sind, nicht mehr zulassen.
Eine kurze Antwort. Aus Ihrem Einwurf, der ja eigentlich eine Rede war, ergibt sich, daß wir zweierlei tun müssen: langfristig Wohnungen bauen — deswegen das langfristige Wohnungsbauprogramm — und gleichzeitig den Mieterschutz kurzfristig verstärken, wirtschaftlich durch das Wohngeldgesetz, rechtlich durch soziales Mietrecht. Beides gehört zusammen, und deswegen spreche ich so ausführlich über das langfristige Wohnungsbauprogramm.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erpenbeck?
Herr Minister, können Sie mir nicht zustimmen, daß die Wohnungsbauleistungen in den Jahren 1960 bis 1966, die immer zwischen 500 000 und 600 000 und zum Teil darüber gelegen haben, hinsichtlich der Leistungen mehr bedeuten als Wohnungsbauzahlen nach 1966 und vor allen Dingen ab 1969 mit insgesamt knapp 500 000 Wohnungen und rund 130 000 Sozialwohnungen?
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4948 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Herr Erpenbeck, ich muß noch einmal wiederholen: Das Volumen von 500 000 Wohnungen haben wir durch all die Jahre etwa durchgehalten. Wir werden auch 1970 wieder etwa 500 000 haben; ich habe die Schlußzahl noch nicht, aber man sagt mir, das Fertigstellungsergebnis liegt zwischen 490 000 und 500 000. Nur der Anteil des sozialen Wohnungsbaus hat bis 1966 einen entscheidenden Rückgang erlebt. Wir haben ihn 1967 und 1968 wieder anheben können. Dann kam die schwierige Konjunktursituation, und jetzt werden wir 1971 wieder auf dasselbe Volumen gehen. Daran kommen Sie nicht vorbei. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, die Zahlen sprechen gegen Sie.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Minister, wird es im Wohnungsbau nicht letzten Endes darauf ankommen, wieviel Wohnungen erstellt werden, und nicht allein darauf, ob es mit öffentlichen Mitteln erstellte Wohnungen sind oder auch allgemein und privat finanzierte Wohnungen?
Das würde ich durchaus akzeptieren. Ich bin der Meinung, wir sollten alle Bemühungen machen, um das Volumen bei 500 000 zu halten. Ich würde aber gern aus wohnungspolitischen Gründen den Anteil des sozialen Wohnungsbaus wieder auf 200 000 bis 250 000 Wohnungen heraufführen. Deswegen meine ich, daß wir mit den großen finanziellen Anstrengungen, von denen ich gesprochen habe, die Voraussetzungen dafür schaffen, um das zu erreichen.Meine Damen und Herren, es wird immer von dem Gesetz gesprochen. Ich habe aber den Eindruck, die ganze Kritik, die lautgeworden ist, erstreckt sich nur auf den Art. 2.
— Im wesentlichen doch. Alles, was über Wohnungsvermittlung usw. gesagt wurde und was ich gehört habe, erstreckte sich im wesentlichen auf Art. 2. Herr Kollege Erpenbeck hat hier vorhin die Frage gestellt: Wer hat denn dauernd von Mieterhöhungen geredet? Da muß ich ihn etwas an seine eigenen Ausführungen erinnern. Als wir hier über die Erhöhung des Diskontsatzes diskutierten, war es die Opposition, die sagte: Jetzt werden die Mieten in die Höhe gehen. Herr Erpenbeck, ich weiß nicht, ob Sie all Ihre schriftlichen Ausarbeitungen des Jahres 1970 noch in Erinnerung haben. Vor mir liegt ein Artikel aus dem „Bayernkurier" vom 15. August 1970 von Ferdinand Erpenbeck. Da sagt er unter Ziffer 4:Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen versucht, die Mietpreisentwicklung herunterzuspielen. Er beruft sich auf ein Abflachen der Mietkurve.Wer redet also seit längerer Zeit von Mieterhöhungen? Wir sind es doch nicht gewesen.
Das ist ein etwas eigenartiger Wandel, den ich hier feststellen kann.Nun, Sie wären vielleicht in tödliche Verlegenheit gekommen, Herr Erpenbeck, wenn Ihnen das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats nicht gewissermaßen als Weihnachtsgeschenk auf den Tisch geflattert wäre. Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, die Bundesregierung teilt die Auffassung, die in diesem Gutachten vertreten wird, nicht,
und zwar teilt sie diese Auffassung in ihrer Gesamtheit nicht.
Wir werden morgen den Jahreswirtschaftsbericht verabschieden und darin auch zu diesen Äußerungen des Gutachtens klar und deutlich Stellung nehmen. Hier geht es nicht um einen Mietstopp. Hier geht es auch nicht um Zwangswirtschaft oder, wie Sie etwa meinen, darum, Klassenverhalten oder Klassendenken wieder zu festigen.Wir wollen keineswegs eine pauschale Verurteilung der einen Seite, etwa der Vermieter. Wir wissen, daß überwiegende Teile der Vermieterschaft durchaus verantwortungsbewußt ihre Miete berechnen und ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihrer Mieterschaft haben. Was wir bekämpfen wollen, sind die Auswüchse. Dabei bemühen wir uns doch gerade um einen wohlabgewogenen Interessenausgleich zwischen den Belangen der Mieter und der Vermieter. Nur der vertragstreue Mieter wird geschützt. Wer sich etwas zuschulden kommen läßt, kann die Schutzbestimmung dieses Artikels nicht für sich in Anspruch nehmen. Den Belangen der Vermieter wird voll und ganz Rechnung getragen, möge es sich um Eigenbedarf oder um die Kostenentwicklung bei seiner Miete handeln. Das bedeutet keineswegs Mietstopp, sondern einen wohlabgewogenen Interessenausgleich und bedeutet, daß der vertragstreue Mieter nun auch eine gewisse Gewähr hat, daß er sicher in seiner Wohnung wohnen kann.Es wird immer wieder gesagt, meine Damen und Herren, Vorschriften dieser oder anderer Art beeinträchtigten die privaten Investitionen im Wohnungsmarkt. Wir haben 50 Jahre lang eine stramme Wohnungsbewirtschaftung gehabt — Sie nennen es gern Wohnungszwangswirtschaft — ,und der Wohnungsbau hat darunter doch keineswegs gelitten. Gucken Sie sich doch die großen Leistungen nach 1948 an, als wir eine ausgesprochene Wohnungsbewirtschaftung hatten! 10 Millionen Wohnungen sind gebaut worden, die meisten durch private Initiative. Was da immer wieder gesagt wird, stimmt einfach nicht. Jeder, der ein Haus baut, weiß, daß er einen Vermögenswert in der Hand hat, der an allen Wertsteigerungen teilnimmt, und daß dieser Vermögenswert ihm viel sicherer ist als manche andere Vermögensbildung. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4949
Bundesminister Dr. LauritzenIch fand es sehr überraschend, als ich bei der Vorbereitung dieser Debatte in dem neuen Programm der CDU, wie es jetzt vom Bundesvorstand für den Düsseldorfer Parteitag vorgelegt wird, mit einemmal das Wort „Dauerwohnrecht" fand. Hier wird also in dem neuen Programm der CDU von den Wohnungsgesellschaften verlangt, für ihre Mieter ein Dauerwohnrecht zu schaffen. Ich wünsche das schon lange, und die Wohnungsgesellschaften haben es weitgehend schon freiwillig gemacht. Nur warum beschränken Sie es auf die Wohnungsgesellschaften? Warum nicht für alle? Mir scheint das ziemlich inkonsequent zu sein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister, wenn Sie schon den Programmentwurf der CDU zitieren, wäre es dann nicht fair, wenn Sie ihn ganz zitierten?
Er ist ein bißchen lang!
Haben Sie dann nicht festgestellt, daß hier vom Eigenheim bis zum Dauerwohnrecht die Rede war; also eine ganze Fächerung von Maßnahmen und nicht nur das, was Sie hier allein herausgreifen, das Dauerwohnrecht?
Nein, ich sage nur: es ist interessant, daß Sie eine Anregung, für die ich mich schon seit längerer Zeit einsetze, jetzt in Ihrem Programmentwurf aufgreifen. Ich bin ja auch für Privateigentum im Wohnungsbau. Aber daß auch in Ihrem Programm das Dauerwohnrecht als neue Form zusätzlich dazukommt, finde ich wahnsinnig interessant, Herr Mick.
Ich bin nur noch nicht ganz sicher, ob diese Formulierung den Düsseldorfer Parteitag überstehen wird. Das scheint noch eine andere Frage zu sein.Nun, meine Damen und Herren, die ganze Debatte hat sich in der Breite im wesentlichen mit dem Art. 2 des Gesetzentwurfs befaßt, und nach meiner Meinung auch mit einem gewissen Recht. Hier sind zwei Punkte, die besondere Beachtung verdienen, nämlich die Frage der marktgerechten Verzinsung des Eigenkapitals und die des Geltungsbereichs dieses Gesetzes. Lassen Sie mich dazu noch ein paar Ausführungen machen; ich werde dafür nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich möchte sehr deutlich sagen: Die Bundesregierung will mit der Ausrichtung der Mieten auf eine marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals den, wie mir scheint, notwendigen Versuch unternehmen, die einander gegensätzlich gegenüberstehenden Interessen der Mieter und Vermieter gerecht abzuwägen, und damit — das ist etwas, was auch Sie wollen — ein partnerschaftliches Verhältnis anstreben. So, wie der Mieter Bestandsschutz für seine Wohnung und Sicherung vor ungerechtfertigten finanziellen Forderungen des Vermieters erwarten darf, so wird auch der Vermieter verlangen können, daß sein Eigentum ein angemessenes wirtschaftliches Ergebnis erbringt. Ob man dieses Ergebnis nun als „marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals", „Kostenmiete" — wie es der Bundesrat tut — oder „Vergleichsmiete" nennt — vielleicht erfindet man noch andere Namen —, ist eine rechtliche und technische Frage, die nach sachlichen und zweckmäßigen Notwendigkeiten entschieden werden sollte.Es kommt entscheidend darauf an, daß wir einen Ausgangswert für die Mietberechnung haben, der dem Ziel des Gesetzes gerecht wird. Das Ziel des Gesetzes ist doch, ungerechtfertigte Mietsteigerungen zu verhindern. Oder wollen Sie, weil Sie dieses Gesetz ablehnen, daß die Mieten so weiter steigen sollen? Ich glaube, diese Frage können Sie doch nicht mit Ja beantworten. Es ist sehr deutlich gemacht worden — auch durch den Kollegen Jahn, der das Gesetz eingebracht hat —, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, mit einem Formelkompromiß unbestimmter Art die Verantwortung der Auslegung den Gerichten zu überlassen. Es geht sicherlich nicht an, die Entscheidung darüber, ob ein Zinssatz von 3, 4 oder 9 % angemessen ist und ob der Zinssatz vom Herstellungswert, Verkehrswert, Sachwert oder Kaufwert zu berechnen ist, den Richtern zu überlassen.Die Bundesregierung möchte daher den von ihr vorgelegten Gesetzentwurf so verstanden wissen, daß vom Sachwert ausgegangen wird, bei dessen Berechnung die Faktoren Standort, Art, Größe, Lage, Alter und Ausstattung die entscheidenden Bezugsgrößen sind. Da diese Sachbezüge innerörtlich und überörtlich vergleichbar sind, stellen sie, wie mir scheint, praktikable und justiziable Ausgangsgrößen dar. Dabei ist es gleichgültig, ob man von dem bekannten Herstellungswert eines Gebäudes oder von einer Fiktion dieses Wertes ausgeht und Zu- und Abschläge berechnet oder ob man, von oben gesehen, vom Wiederbeschaffungswert ausgeht und alle Sachfaktoren, die ich genannt habe, abrechnet. Ich verkenne keineswegs, daß unter Umständen andere Bezugsfaktoren möglich sind. Im Augenblick sehe ich sie aber nicht. Um dieses Thema endgültig und sorgfältig zu prüfen, ist ein Forschungsauftrag erteilt worden, und die Ergebnisse werden noch Ende dieses Monats vorliegen.Ich darf zusammenfassend noch einmal mit Nachdruck betonen, daß das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, die gegenläufigen Interessen von Vermietern und Mietern soweit wie möglich partnerschaftlich anzunähern, gerade durch diesen Gesetzentwurf erreicht werden soll. Der Gesetzentwurf wird dazu beitragen, Millionen von Mietern Unruhe und Angst vor unberechtigten und unkontrollierten Mietsteigerungen zu nehmen.Nun noch etwas zur Frage des räumlichen Geltungsbereichs. Ich möchte ganz deutlich im Gegen-
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4950 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Bundesminister Dr. Lauritzensatz zur CDU/CSU, die einmal eine dreiprozentige Unterversorgung der Bevölkerung mit Wohnraum als einen ausgeglichenen Markt bewertet hat, davon ausgehen, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien einen Fehlbestand von 2% immer noch als eine erhebliche Unterversorgung des Marktes ansehen.
Deswegen muß der schwächere Partner so lange geschützt werden, bis durch einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage wirklich gleichwertige Marktchancen für alle Interessentengruppen bestehen. Deshalb legen wir nicht nur dieses Gesetz vor, sondern, um das Ziel zu erreichen, wirklich gleiche Marktchancen und damit die Voraussetzungen für einen freien Wohnungsmarkt zu haben, auch das umfassende Programm, von dem ich einleitend sprach.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauser .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Den Mieter vor unerträglichen Folgen in der derzeitigen Marktsituation und den durch sie ermöglichten Auswüchsen zu sichern" — so hat der Herr Bundesjustizminister in der schriftlichen Begründung zu der Vorlage ausgeführt —, soll das nun vorliegende Mietrechtspaket erreichen. Sicher und das darf ich auch für alle meine Fraktionskollegen sagen — gilt es, immer wieder nach Wegen zu suchen, auch den Mieter vor Auswüchsen, vor Willkür und Wucher zu schützen, da es leider im Leben immer Unzuträglichkeiten gibt, die es auszugleichen gilt, und zwar auf beiden Seiten eines Mietvertrages. Hierbei denke ich nicht zuletzt an die erhöhten Mieten, wie sie leider von den Arbeitnehmern aus den anderen Ländern für ihre oft mehr als primitive Unterkunft kassiert werden. Bestehende Mißstände in dieser Richtung müssen in Ordnung gebracht werden, selbst wenn hier strafrechtliche Maßnahmen gegen Mietwucher erforderlich sein sollten. Es ist zwar — auch das darf man heute einmal anführen — dankenswerterweise auf diesem Gebiet schon sehr viel geschehen, nicht zuletzt dank der Initiative der Bundesanstalt für Arbeit, durch die auch ein guter Teil der Gastarbeiter zu normalen Preisen in angemessenen Wohnungen untergebracht werden konnte. Aber wie gesagt, noch nicht alle Schwierigkeiten in dieser Richtung sind behoben.Ist aber, Herr Minister, — so müssen wir fragen — dieser beklagenswerte Zustand auch darüber hinaus in unserer Bundesrepublik festzustellen, und haben wir viele derartige Fälle, die nach einem Eingreifen des Gesetzgebers rufen? Es war niemand weniger als der Präsident des Mieterbundes, der erst vor kurzem feststellte, daß es nur ein kleiner Teil der Mieter sei, der von einem kleinen Teil der Vermieter terrorisiert werde. Wenn aber selbst Herr Nevermann einräumt, daß es praktisch nur Ausnahmefälle sind, in denen — um das Wort aus der Begründung der Vorlage zu wiederholen — „unerträgliche Folgen" zu verzeichnen sind; rechtfertigt sich dann ein derartig nachhaltiger Eingriff in das soziale Mietrecht, wie er mit dieser Vorlage beabsichtigt ist? Sind solche Auswüchse, von denen auch Herr Minister Lauritzen soeben sprach, die es zu beseitigen gelte, nicht mit einer griffigeren Fassung der Straftatbestände gegen Wucher und der Bestimmung des Wirtschaftsstrafrechts zu beseitigen, sofern die bisher einschlägigen Vorschriften nicht hinreichen, statt nun in die Bestimmungen des Mietrechts erneut einzugreifen, das wir ja erst vor drei Jahren novelliert haben?Diese Frage, Herr Minister Jahn, stellt sich um so mehr, als beide Herren Minister, Schiller und Lauritzen, — ich darf das Argument wiederholen — erst kürzlich mit einiger Genugtuung sogar feststellten, daß die Mietanhebungen im letzten Jahr nur 4,2 % betrugen und sich damit nicht über die sonst ermittelte Erhöhung der Lebenshaltungskosten hinaus bewegten, ja daß dieser Mietanstieg sogar unter den Zahlen der vorausliegenden acht Jahre liege. Dabei kann darüber hinaus nicht außer acht bleiben, daß nach dem letzten Wohngeldbericht, den der Herr Wohnungsbauminister im Februar des vergangenen Jahres vorlegte, nach seinen Ausführungen viele Mietanpassungen lediglich durch gesetzliche Maßnahmen, so durch auslaufende Grundsteuervergünstigungen, so durch die Anhebung der Mieten an die Kostenmiete bei den bis 1956 geförderten Wohnungen, bedingt waren oder durch Gebührenerhöhungen der Gemeinden bis hin zu den Kanal- und Schornsteinfegergebühren verursacht wurden, also nicht so sehr durch Preiserhöhungen von seiten des Vermieters eingetreten sein müssen, wenn diese Darstellung des Herrn Bundeswohnungsbauministers richtig ist.Es stellt sich also wirklich die Frage, ob diese Gesetzesvorlage mit ihren zweifellos tiefen Eingriffen in die mietrechtlichen Bestimmungen des BGB, mit denen sich der Gesetzgeber in Widerspruch zu seinem früheren eigenen Verhalten setzen würde, jetzt notwendig ist. Ich darf darauf aufmerksam machen und dankend erwähnen, daß doch der Wohnungsmarkt in unserem Lande nach seiner recht schwierigen Überführung in die freie Marktwirtschaft einen beispielhaften Aufschwung erlebt hat, was dank der weitschauenden und behutsamen Führung des Herrn Ministers Lücke unter Beachtung aller notwendigen sozialen Belange möglich war. Sind die Befürchtungen der Regierung in bezug auf große Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt ohne ein solches Gesetz wirklich so drängend oder aber will man die Wohnungswirtschaft in die ausgefahrenen Gleise eines Mietnotrechts, wie es einst einmal erforderlich war, zurückführen? Man muß dies schon fragen, nachdem Herr Minister Lauritzen laut Spiegel-Zitat in diesem Gesetz ja „nur einen Anfang" sieht — das Zitat ist nie dementiert worden — und gar vor dem Kongreß der Bundesarbeitsgemeinschaft für Städtebau und Wohnungspolitik der SPD von einem Dauerrecht als Ziel gesprochen hat. Ich möchte den Herrn Minister bitten, diesen Begriff tatsächlich zu umkreisen, ihn deutlich zu machen und nicht nur mit Schlagworten zu operieren. Zur Frage nach der Notwendigkeit des Gesetzes im jetzigen Zeitpunkt hat sich
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Dr. Hauser
ja auch der wissenschaftliche Beirat — der heute schon mehrfach angesprochen wurde — geäußert. Ich will das gar nicht mehr im einzelnen darlegen.Aber in der Tat war auch die Bundesregierung, mindestens in vorausgehenden Zeiten, keineswegs einer Meinung gewesen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hätte sonst nicht sagen können, der Entwurf sei „ordnungspolitisch bedenklich", und er bediente sich mit diesem seinem Vorbehalt einer gehobenen wissenschaftlichen Sprache, anders als etwa der Sprecher seines Ministeriums, der allzu drastisch diesen Entwurf abgelehnt hat. Bitte lesen Sie dessen Äußerung etwa im „Stern" nach. Ich zitiere Nr. 47 aus 1970, Seite 34.An den Herrn Kollegen Kleinert darf ich die Frage richten: Steht denn die FDP voll und ganz hinter dieser Vorlage? Entsinne ich mich doch noch recht gut jener Ausführungen, die der stets geschätzte, leider verstorbene Kollege Busse vor drei Jahren für seine Fraktionsgemeinschaft hier von dieser Stelle aus machte, als wir um eine Neufassung der Sozialklausel rangen. Mit der dringenden Warnung, am BGB nicht zu viel zu ändern, begründete Herr Busse damals seine Ablehnung jener Novelle mit den Worten: „Sie greifen wieder in Millionen bestehender Mietverträge ein, ohne daß dafür eine zwingende Notwendigkeit vorliegt." Damals allerdings, Herr Kollege Kleinert, war viel eher eine Neufassung der Sozialklausel notwendig geworden, weil die Rechtsprechung den Intentionen des Gesetzgebers nicht in vollem Umfang gefolgt war und so recht bedauernswerte Härtefälle auftraten, die nur durch eine Novellierung bereinigt werden konnten. Heute aber ist dies nicht zu verzeichnen. Ist also die FDP so weit von ihrem früheren Standpunkt abgerückt, und übernimmt sie dieses ganze Bündel von Gesetzesbestimmungen ohne Abstriche? Es gilt wirklich, die Warnung zu beherzigen, die der Herr Kollege Busse vor drei Jahren mit dem ganzen Nachdruck seiner Persönlichkeit zu Recht ausgesprochen hat, daß nämlich das BGB, das in den mehr als 70 Jahren seines Bestehens seine volle Gültigkeit erwiesen hat, nur dann geändert werden soll, wenn hierzu eine ernste Notwendigkeit besteht.Hier ist der erste Vorbehalt gegen diese Vorlage bei der Erweiterung der Sozialklausel. Soll doch nun in das BGB besonders aufgenommen werden, daß ein Mieter seinen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses erheben kann, wenn ihm eine Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen nicht zur Verfügung steht. In der schriftlichen Begründung der Vorlage räumen Sie aber, Herr Minister Jahn, ein, daß die Schwierigkeit einer Ersatzraumbeschaffung auch jetzt schon von der herrschenden Rechtsprechung als Härtefall respektiert wird. Wenn aber die Gerichte diesen Spezialtatbestand bereits in die Interessenabwägung zwischen Mieter und Vermieter übernommen und nicht außer acht gelassen haben, erscheint es dann erforderlich, erneut am BGB herumzubasteln und diesen Sachverhalt expressis verbis in § 556 a zu verankern?Nicht anders ist auch die zweite Änderung zu beurteilen, die bei §§ 556 a und 564 a des Bürgerlichen Gesetzbuches in Aussicht genommen wird. Der Vermieter soll danach nicht erst auf Verlangen des Mieters die Kündigungsgründe bekanntgeben, wie dies jetzt im Gesetz steht, sondern diese Kündigungsgründe bereits im Kündigungsschreiben selbst mitteilen. Nachgeschobene Gründe dürfen auch vom Gericht nicht mehr berücksichtigt werden, selbst dann nicht, wenn diese Gründe offenkundig sind. Lehnt dieser Ihr Gesetzesvorschlag sich nicht an die zu Recht heftig kritisierte Präklusionsklausel an, die Sie in der Zivilprozeßnovelle so gerne eingeführt wissen wollen?Erst recht bestehen rechtliche Bedenken gegen die Bestimmungen des Art. 2, nach denen in Gebieten besonderen Wohnungsbedarfs nur noch gekündigt werden darf, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Lösung des Mietverhältnisses nachweisen kann. Diesen Nachweis eines berechtigten Interesses hat der Vermieter selbst dann zu erbringen, wenn der Mieter keine persönlichen Härtegründe vortragen kann. Selbst dem Millionär z. B., der über eigene Miethäuser verfügt, soll praktisch absoluter Kündigungsschutz zugute kommen, wenn er in einem Gebiet mit besonderem Wohnungsbedarf eine Mietwohnung besitzt, obwohl er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ein ausreichendes Angebot an Eigenheimen oder Eigentumswohnungen vorfindet und sich damit ohne Schwierigkeit versorgen könnte. Ein derartiger Bestandsschutz im Mietrecht muß unweigerlich auf den privaten Mietwohnungsbau zurückwirken; denn sieht ein Bauinteressent, welche Beschränkungen er als Hausbesitzer in Kauf zu nehmen hat, wird er es sich in der Tat zweimal überlegen, ob er sein Geld noch im Miethausbau anlegen soll. Die private Initiative ist aber unerläßlich. Dies bewiesen schon die rückliegenden 20 Jahre in unserer Bundesrepublik, da der Staat den Bedarf nicht allein decken kann, es sei denn, er stellte andere dringende Reformen zurück.
Eine Zwischenfrage, Frau Meermann.
Bitte, Frau Kollegin!
Herr Kollege Hauser, halten Sie das wirklich für eine so unerträgliche Beschränkung des Vermieters, wenn er erstens bei einer Kündigung angeben soll, warum er kündigt, und wenn er zweitens keine Mieterhöhungen vornehmen darf, die ein vernünftiges, die Wirtschaftlichkeit sicherndes Maß überschreiten? Halten Sie das für einen Vermieter und für einen künftigen Hausbauer für unerträglich?
Darf ich Sie, Frau Kollegin, an die Überlegungen erinnern, die wir vor drei Jahren zu diesem gleichen Problem angestellt haben.
Es ging uns darum, nicht unnötig Zwist zwischenden Parteien in den Prozeß der Auflösung eines
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4952 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Dr. Hauser
Mietvertrages hineinzutragen, sondern zu versuchen, durch ein vorprozessuales Gespräch zwischen den beiden die gegenseitigen Interessen auszugleichen.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Noch kurz ein Punkt: Groß ist die Verwirrung, Herr Minister, bei den vorgesehenen Änderungskündigungen, wenn es darum geht, eine marktgerechte Verzinsung des Eigenkapitals zu umschreiben. Hier näher darzulegen, nach welchen Gesichtspunkten, nach welchen Kriterien ein Richter da zu urteilen hat, Herr Minister, wird eine Aufgabe der kommenden Beratungen in den Ausschüssen bleiben. Ich bitte beide Herren Minister, hier einmal klar ihre Konzeption darzulegen, was sie darunter verstehen: Ist es die Rendite von Spareinlagen, ist es die Rendite von Schatzbriefen? Wenn das nicht klargestellt wäre, Herr Minister, hätten wir in der Tat eine babylonische Sprachenverwirrung in der Rechtsprechung zu erwarten.
Dieses Gesetz noch ein Satz, Herr Präsident —
ist in der Tat mit einer allzu heißen Nadel genäht worden, und man kann beiden Herren Ministern zum Schluß nur einen Rat für die Zukunft mit auf den Weg geben: recht viel zu tun, ist gut, aber noch viel besser ist, viel recht zu tun.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Beratung dieses Tagesordnungspunktes bis 15 Uhr. Nächster Redner ist der Abgeordnete Gnädinger.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Behandlung des Punktes 5 der heutigen Tagesordnung fort. Ich erteile das Wort dem Herren Abgeordneten Gnädinger.
— Herr Kollege, wir werden es gebührend würdigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon heute morgen ist gesagt worden — und ich wiederhole es —, daß die Initiativen der Bundesregierung zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs von der sozialdemokratischen Fraktion begrüßt werden. Wir sind uns dabei mit der Bundesregierung einig, daß die vorgeschlagenen gesetzlichen Maßnahmen richtig nur beurteilt werden können, wenn man sie im Zusammenhang mit den übrigen Anstrengungen auf dem Sektor des Wohnungswesens sieht.Ich meine auch, daß die in der Regierungsvorlage im einzelnen angesprochenen Sachgebiete das Problem des Mietrechts und des Mietanstiegs von verschiedenen Seiten her angehen. Das gilt sowohl für die Verbesserung der Sozialklausel, für den Kündigungsschutz in Gebieten mit besondern Wohnbedarfes, für die neuen Wuchervorschriften als auch für die Regelung zur Wohnungsvermittlung und für Ingenieur- und Architektenleistungen.Nun, Herr Hauser, ganz kurz zu dem, was Sie heute morgen zur Verbesserung der Sozialklausel gesagt haben. Der Entwurf enthält eine Klarstellung der Sozialklausel dahin, daß das Fehlen angemessenen Ersatzwohnraums zu zumutbaren Bedingungen als eine besondere Härte gewertet werden muß. Diese Klarstellung, Herr Hauser, ist notwendig, weil in der Vergangenheit ein kleiner Teil unserer Gerichte die Sozialklausel des § 556 a BGB in diesem Punkt zuungunsten der Mieter ausgelegt hat. Diese Fälle geben Anlaß zu den jetzt vorgeschlagenen Verdeutlichungen.Auch die im Gesetz vorgesehene Pflicht des Vermieters, die Gründe der Kündigung anzugeben, nützt dem Mieter. Er kann sich so besser auf die Argumentation seines Partners einstellen. Von einer Vergiftung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter aus diesem Grunde kann, so glaube ich, Herr Hauser, nicht gesprochen werden.Über Art. 2 des Gesetzentwurfs ist heute morgen ausgiebig diskutiert worden. Ich möchte nicht mehr darauf zurückkommen.Eine Bemerkung zum Thema „Fehlbelegung" möchte ich mir jedoch gestatten. Dieses Thema ist zwar nicht neu, jedoch muß man darauf hinweisen, daß frühere CDU-Regierungen jahrelang keine Lösung gefunden haben. Herr Erpenbeck hat nunmehr kritisiert, daß die derzeitige Bundesregierung zur Lösung der Frage keinen Beitrag leiste. Er hätte sich nur genau Seite 16 der vorliegenden Drucksache ansehen müssen, um festzustellen, daß dort längere Ausführungen zur Fehlbelegung der Sozialwohnungen gemacht werden und Lösungsvorschläge zu finden sind.Ich bedauere eigentlich, daß die Debatte von heute morgen die Probleme des Mietwuchers und der Wohnungsvermittlung etwas zu kurz behandeln hat, und möchte mich deshalb im Nachfolgenden damit befassen.Gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Änderungen der Wuchervorschriften des Strafgesetzbuchs und zu den Vorschriften über Preiserhöhungen im Wirtschaftsstrafgesetz. Selbstverständlich können mit einer neuen Fassung dieser Paragraphen und mit höherer Strafdrohung die Wohnungs- und Mietprobleme in der Bundesrepublik nicht gelöst werden. Diese Bestimmungen zielen aber immerhin darauf ab, Mietforderungen, die im Einzelfall einen kriminellen oder ordnungswidrigen Charakter angenommen haben, durch wirksame Sanktionen zu begegnen; und es kann nicht bestritten werden, daß davon präventive Wirkungen ausgehen, die nicht ohne jeden Einfluß auf das Mietniveau sein dürften.
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GnädingerEs ist auch außer Zweifel, daß die derzeit geltenden Bestimmungen wenig geeignet sind, dem Mietwucher zu begegnen. Das lag meiner Meinung nach im wesentlichen an drei Dingen.Einmal haben den Richtern Maßstäbe zur Beurteilung der Frage, ob wucherische Forderungen vorliegen oder nicht, gefehlt. Ich bin der Auffassung, daß die Konkretisierung dessen, was man unter marktgerechter Verzinsung des Eigenkapitals versteht, hier hilfreich sein kann.Eine weitere Unzulänglichkeit des Gesetzes war, daß Mietwucher nur bestraft werden konnte, wenn der Täter Bewerbs- und gewohnheitsmäßig gehandelt hat. Der Verzicht auf dieses Merkmal bedeutet sicherlich eine Verbesserung bei der Bekämpfung des Mietwuchers.Drittens. Der bisherige Gesetzesbegriff der Notlage bezieht sich auf die gesamte wirtschaftliche Situation des vom Wucher Betroffenen. Das neu eingefügte Merkmal „Zwangslage" meint jedoch nur einen Teilbereich dieser wirtschaftlichen Situation, z. B. die wohnungsmäßige Versorgung. Ich bin der Auffassung, daß sich dieser neu einzuführende Begriff besser zur Bekämpfung des Mietwuchers eignet als das, was bisher in dem Gesetz stand. Man sollte anerkennend in diesem Zusammenhang würdigen, daß die gesamten Wuchervorschriften des Strafgesetzbuches nunmehr in eine neue, übersichtliche Fassung gebracht werden und daß dies als ein Teil der insgesamt in Gang befindlichen Strafrechtsreform angesehen werden kann.Bei den vorgeschlagenen Regelungen zur Wohnungsvermittlung geht es darum, meine Damen und Herren, ärgerliche Mißstände zu beseitigen, was auch dringend notwendig ist angesichts der Unruhe, die wir darüber im Lande erleben. Es ist erschrekkend zu sehen, wie in den vergangenen Monaten die Not von Wohnungssuchenden durch manche Makler in schamloser Weise ausgenutzt wurde. Es geht aber hier nicht darum, die seriösen Makler in Verruf zu bringen. Gerade sie haben immer wieder ihr Interesse daran bekundet, daß jene Kollegen, die mit unsauberen und fragwürdigen Geschäftsmethoden arbeiten, in ihre Schranken gewiesen werden. Die Maklerorganisationen haben sich erfreulicherweise schon immer von solchen Praktiken distanziert. Das führt dazu, daß der Entwurf nicht nur den Wohnungssuchenden dient, sondern daß er auch im Interesse der rechtsbewußten Makler hier vorgelegt wird.Die Vorschriften im einzelnen verbessern die Transparenz des Marktes auf dem Gebiete der Wohnungsvermittlung. Wir begrüßen auch, daß in Zukunft Provisionsvorschüsse nicht mehr gefordert werden dürfen. Gerade diese Praktiken haben in der Vergangenheit immer wieder zu großen Verärgerungen Anlaß gegeben. Der Makler soll in Zukunft nur noch Anspruch auf ein Entgelt haben, wenn seine Tätigkeit zur Vermittlung einer Wohnung geführt hat. Wir halten die Einführung des Erfolgshonorars für sachgerecht.Schon bisher war es unüblich, daß Makler öffentlich geförderte Wohnungen vermittelt haben. Dazu waren die entsprechenden Dienststellen wesentlichgeeigneter. Wir begrüßen daher ganz besonders den Vorschlag, daß bei der Vermittlung von Sozialwohnungen vom Makler ein Entgelt nicht mehr gefordert werden darf.Nun noch einige Bemerkungen zur Regelung der Ingenieur- und Architektenleistungen. Hier gilt es zu betonen, daß im Gegensatz zu den Bestimmungen über die Wohnungsvermittlung die Regelung dieses Komplexes nicht durch Mißstände im Bereich der angesprochenen Berufsgruppe veranlaßt ist. Es geht vielmehr darum, die Gelegenheit der Vorlage dieses Gesetzes zu nutzen.Bisher richteten sich die Honorare der Ingenieure und Architekten bekanntlich nach der Bausumme. Rationelles und kostensparendes Planen konnten bei der Bemessung der Honorare nicht in Anschlag gebracht werden, ja, man kann sagen, ein Architekt oder Ingenieur wurde geradezu bestraft, wenn er solche Leistungen erbrachte.Nun soll die Rechtsgrundlage für eine Gebührenordnung geschaffen werden, die solche besonderen Leistungen im Sinne der Rationalisierung — ausdrücklich im Honorar anerkennt.Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal sagen, daß der vorliegende Gesetzentwurf nicht isoliert von den anderen Initiativen auf dem Gebiete des Wohnungswesens gesehen werden kann. Seine Einordnung in die übrigen Initiativen wie Städtebauförderungsgesetz, langfristiges Wohnungsbauprogramm, Wohngeldgesetz und begleitende Maßnahmen zur Durchsetzung von Rationalisierung und Industrialisierung am Bau muß deutlich erkannt werden. Am wichtigsten in diesem Zusammenhang scheint mir das Bemühen um eine neue Bodenordnung in der Bundesrepublik zu sein. Wenn wir von dieser Perspektive aus das Gesetz betrachten, glaube ich, verliert manche Kritik erheblich an Gewicht. Wir, meine Damen und Herren, sind sicher, daß mit diesem Gesetz allen bedrängten Mietern geholfen werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Kollegen Gnädinger zu seiner ersten Rede in diesem Hause beglückwünschen und ihm alles Gute für seine weitere parlamentarische Arbeit wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hauser war so liebenswürdig, der Fraktion der Freien Demokraten nicht nur einige Fragen zu stellen, sondern mir auch gleich sein Protokoll aus dem Jahre 1967 zur Verfügung zu stellen, das es mir jetzt erheblich leichter macht, Ihnen Antwort auf ,das zu geben, was Sie uns gefragt haben. Ich habe nämlich mit Interesse nicht nur die Ausführungen des Herrn Kollegen Busse gelesen, zu denen wir nach wie vor stehen, sondern auch Ihre eigenen Ausführungen, die Sie damals gemacht haben. Damals haben Sie sich sehr bemüht, bei grundsätzlicher Betonung des Standpunktes, möglichst wenig zu reglementieren, und
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Kleinertbei einer gewissen Betonung, wenn ich das richtig sehe, des Grundsatzes, daß das Eigentum möglichst wenig mit Vorschriften belastet werden sollte, doch dem Hause darzulegen, daß hier eine Abwägung zwischen den Vermieter- und Mieterinteressen erforderlich ist. Sie haben gesagt, diese Abwägung sei bei dem von der damaligen Großen Koalition beschlossenen Entwurf in günstiger und glücklicher Weise geschehen. Darüber hinaus, Herr Kollege Hauser, haben Sie damals bedauert, daß es in einigen Punkten vielleicht doch nicht gelungen sei, dem Richter genügend klare Richtlinien an die Hand zu geben. Dasselbe hat auch Herr Kollege Busse damals gesagt. Ich meine, wenn wir jetzt hier im Art. 1 des vorliegenden Gesetzes in zwei Punkten kleine Änderungen der bisherigen Formulierungen vornehmen, dann ist das kein Herumbasteln an dem Gesetz, wie Sie gesagt haben, sondern es sind aus den Erfahrungen der letzten Jahre vernünftige Schlüsse gezogen worden, und es ist das geschehen, was damals sowohl Sie wie auch Herr Busse begehrt haben. Es ist den Richtern mehr Klarheit gegeben, welche Voraussetzungen er bei der Beurteilung des Kündigungsbegehrens berücksichtigen soll. Das ist hier geschehen, und wir sind ganz sicher, daß das keine überflüssige oder zu sehr belastende Reglementierung ist, sondern lediglich eine Klarstellung. Wir sind auch sicher, daß mit der Formulierung „zumutbare Ersatzwohnung" an die Grenze dessen gegangen worden ist, was bei der von Ihnen erwähnten Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Mieter zugemutet werden kann. Das liegt ja schon im Wortsinn.Des weiteren sind wir der Meinung — das ist eben von Herrn Gnädinger dargestellt worden —, daß wegen des Gesamtzusammenhanges dieses Gesetzes mit einer Fülle von weiteren wohnungspolitischen Maßnahmen dieser Bundesregierung die Bestimmung in möglichst kurzer Zeit fast nur noch theoretischen, allenfalls mahnenden Charakter, aber keine praktische Bedeutung haben wird. Das gleiche gilt in noch höherem Maße — das ergibt sich in diesem Fall auch klar aus dem Gesetz — von den Regelungen des Art. 2. Diese Regelungen sind ja ausdrücklich als Sonderregelungen bezeichnet und im § 2 dieses Artikels von dem Vorliegen ganz bestimmter Umstände abhängig gemacht, die Bundesregierung und Bundesrat gemeinsam festzulegen haben. Die Art dieser Festlegung ist noch nicht genau beschrieben. Der Klammervermerk „2 %” wird nicht ausreichen, hier den Tatbestand endgültig zu umreißen. Wir werden bei der Beratung des Gesetzes darauf sicherlich noch erhebliche Mühe verwenden müssen. Ich meine aber, mich klar genug ausgedrückt zu haben, wenn ich sage, wir halten dies für eine Ausnahmeregelung zur Bekämpfung bedauerlicherweise entstandener Notsituationen. In solchen Situationen ist die Regelung nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Aber es ist für mich als Juristen eine Selbstverständlichkeit, daß Ausnahmen stets sehr eng begrenzt werden müssen. Das ist auch die erklärte Absicht der Bundesregierung. Wie wir es schließlich formulieren müssen, werden wir im weiteren Gang der Beratung sehen. Wegen dieser in seinem § 2 noch näher zu treffenden Eingrenzung ist der Art. 2 für uns unproblematisch.Der Gesetzentwurf sieht ferner in Art. 3 die Novellierung des Strafgesetzbuchs vor und geht insofern über das hinaus, was der Herr Bundesjustizminister heute morgen zur Bekämpfung des Mietwuchers gesagt hat. Ob über die Bekämpfung des Mietwuchers, die in diesem Gesetz zweckmäßig zu regeln ist, hinaus auch der gesamte Bereich des Sachwuchers, der bisher weitgehend straflos ist, jedenfalls soweit er nicht gewerbsmäßig betrieben worden ist, in dieser Form und in diesem Umfang bei der Verabschiedung dieses Gesetzes geregelt werden sollte oder ob dazu noch weitere, gründlichere Beratungen erforderlich sind und ob bei der Beratung dieses Gesetzes nicht die Zuständigkeiten sich ungeschickterweise vertauschen, indem der Rechtsausschuß, der ja sinnvollerweise als für dieses Gesetz federführend vorgesehen ist, plötzlich in die Kompetenz des Strafrechtssonderausschusses hineingerät, das werden wir allerdings auch zu beraten haben. Ich glaube, daß hier eine Reihe grundsätzlicher Erwägungen rechtspolitischer Art angestellt werden müssen, mit denen wir uns vielleicht leichter tun, wenn wir den nur den Mietwucher betreffenden Teil vorweg behandeln.Ich möchte aber hierzu jetzt nichts Abschließendes sagen. Grundsätzlich ist es ja so, daß wir die Gesetze hier zur Beratung bekommen. Dann werden wir sie auch beraten. Dabei steht sicher nicht jeder Buchstabe fest. Das ist die Meinung ganz gewiß aller Kollegen in diesem Hause. Darum ist anläßlich der ersten Lesung auch nicht so weitgehend, wie Sie das heute morgen angedeutet haben, auf die Haltung der einzelnen Fraktionen zu schließen. Erst am Ende wird sich zeigen, ob alles wörtlich so bleiben muß, wie es hier vorgeschlagen worden ist.Wir sind aber der Meinung, daß der Bundesregierung großer Dank dafür gebührt, daß sie mit der notwendigen Eile hier überhaupt etwas getan hat. Die Mißstände sind in einigen Punkten offenbar geworden. Selbstverständlich ist weder der Mehrheit der Vermieter noch der Mehrheit der Mieter ein verallgemeinernder Vorwurf zu machen. Wenn aber einige Sünder da sind, die sich bisher auch durch die nachhaltige öffentliche Diskussion nicht haben beeinflussen lassen, dann ist es die Pflicht der Regierung zu handeln. Sie muß ein Signal setzen, sie muß ein Zeichen geben. Das ist meiner Meinung nach mit diesem Gesetz in erster Linie beabsichtigt. Wir danken dafür, daß der Entwurf so schnell und in durchaus griffiger Form hier vorgelegt worden ist, und werden die Vorlage in diesem Sinne positiv mitberaten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen. Wenn man die Redner der sozialdemokratischen Fraktion hier anhörte, konnte man den Eindruck gewinnen, als wenn wir
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Mickmit der anstehenden Materie in der Stunde Null angefangen hätten. Ich glaube, diesem Eindruck muß man entgegenwirken und sich vergegenwärtigen, in welchem Jahr das soziale Mietrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch übergeführt worden ist. Es ist mir noch genau gegenwärtig, wie Juristen aller Fraktionen
die Übernahme dieses Mietrechts — eines nach Meinung mancher Juristen so vulgären Rechts —in das BGB fast als einen schwarzen Tag in der deutschen Justizgeschichte ansahen. Ich entsinne mich z. B. noch einiger Redewendungen der sonst von mir sehr verehrten Kollegin Diemer-Nicolaus zu diesem Thema,
aber mehr noch des allgemeinen Gesprächsganges in Privatunterhaltungen.Es gebührt Ihnen, Herr Kollege Kleinert, zweifellos Dank dafür, daß Sie die Problematik dieses Gesetzes allein hinsichtlich seiner Bestimmungen gegen den Wucher aufgezeigt haben, die ja in der Tat weit über den Mietwucher hinausgehen, wie wir uns überhaupt nicht von dem Eindruck leiten lassen sollten, es handele sich bei dieser Vorlage der Bundesregierung inhaltlich nur um ein einziges Gesetz. In Wahrheit geht es ja um eine ganze Menge gesetzlicher Bestimmungen, die verschiedene Rechtsmaterien betreffen und zum Teil in keinem sachlichen Zusammenhang stehen, wenn sie auch — das konzediere ich — in einem politischen Zusammenhang gesehen werden können.Wir werden uns bei der Beratung dieses Gesetzes — ich habe darüber schon mit einigen Juristen gesprochen — sehr wohl zu überlegen haben, wie man die Beratungen in diesem Hause gestalten soll. Ich kenne da eine Praxis, die im Obstbau geübt wird. Dort sortiert man das Obst in einem sogenannten Spiegel, d. h. die ansehnlichen Teile des Obstes — das trifft insbesondere bei Weintrauben zu — legt man an die Oberfläche, damit der Konsument dieses günstige Angebot wahrnimmt. Das, was man in meiner Heimat „Geschräppel” nennt, wird hingegen unter diesen Spiegel sortiert und dem Käufer somit in die Tüte gejubelt, ohne daß der recht weiß, was geschieht. Auch darauf haben wir bei der Beratung dieses Gesetzes ein aufmerksames Auge zu werfen. Ich glaube, schon heute sagen zu können, daß das eine, was hier gefordert wird, mir nicht unvernünftig erscheint, während man über das andere sehr wohl wird diskutieren können.Mir ist z. B. völlig unverständlich, wie man eine Situation von 3 % Wohnungsdefizit in alle Ewigkeit verteufelt und hier nun von 2 % spricht, ohne daß man auch nur ein Sterbenswort darüber aussagt, was sich die heutige Bundesregierung unter 2 % Wohnungsdefizit vorstellt.
Ich fürchte, Herr Lauritzen — und ich gönne es Ihnenfast —, daß Sie über diese 2 % in eine furchtbareAuseinandersetzung mit Ihren Jungsozialisten geraten werden, die sich darunter ja wahrscheinlich auch etwas anderes vorstellen als Sie.Ich habe das letztemal das Angebot gemacht, wir sollten bei der Diskussion um den Wohnungsbau endlich aufhören, uns hier innerhalb unserer eigenen Fraktion Erfolge zu bescheinigen und sie den anderen Fraktionen jeweils abzusprechen. Verehrter Herr Minister Lauritzen, ich bin aber ohne jede Polemik der Meinung, daß wir vor fünf Jahren näher am Ende der Wohnungsnot waren, als wir es heute sind.
Das liegt an Umständen, die weder Sie noch ich vertreten haben, sondern der Grund liegt allein darin, daß wir in der Bundesrepublik Verhältnisse bekommen haben, die zu übersehen jedenfalls ich — das gebe ich in Offenheit zu — nicht in der Lage war. Ich habe es mir im Traum nicht einfallen lassen, daß wir im Jahre des Herrn 1971 rund 2 Millionen Gastarbeiter in der Bundesrepublik haben würden. Denn damals hatten wir einen Stand von 800 000 bis 900 000. Sie mögen aber auch daraus ersehen, Herr Minister, auf welch ungesichertem Pfad Sie in der Wohnungspolitik und beim Wohnungsbedarf wandern, wenn diese Ihre Wohnungspolitik auf die heutige Situation abgestellt wird. Bleiben wir nun einmal bei 2 Millionen Gastarbeitern,
und nehmen wir an, es kommt heute oder morgen das geringste Sausen in unsere Wirtschaft — wir haben das ja alle erlebt; ich sage das nicht, weil ich den Drang, Wohnungen zu bauen, abschwächen will; wer mich kennt, weiß, daß ich dazu gar nicht imstande bin —, dann könnte es passieren, daß wir auf einen Bedarf hin gebaut haben, der vielleicht in drei Jahren nicht mehr vorhanden ist, der aber in sechs Jahren wieder vorhanden sein könnte usw. Ich will das hier nicht näher ausmalen. Ich könnte Ihnen dann noch etwas über sich wandelnde Gewohnheiten sagen, etwa die frühere Eheschließung unserer jungen Leute, die heute in einem bedeutend höheren Maße als damals Wohnungsuchende auf dem Markt erscheinen läßt. Ich will es bei diesen wenigen Bemerkungen bewenden lassen.Mir scheint trotz aller Polemik diese Debatte in einem Punkt konstruktiv gewesen zu sein, daß nämlich kein Redner hier die Ansicht vertreten hat, daß wir durch die vorliegenden Gesetzesmaßnahmen in der Lage wären, Wohnungsnot zu beseitigen. Insbesondere der Kollege Kleinert von der FDP hat das in seiner Rede mit bemerkenswerter Klarheit und Deutlichkeit gesagt. Zu diesem Punkt, wie wir Wohnungsnot beseitigen und wie wir sie am schnellsten beseitigen, verehrter Herr Lauritzen, fiel Ihre Bemerkung über das Dauerwohnrecht. Das war eine sehr überspitzte Polemik, die Sie hier gegen besseres Wissen gebracht haben. Denn das Dauerwohnrecht ist nicht etwa eine Sache, die nach dem Kriege installiert worden ist. Wenn Sie sich z. B. in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft umsehen, dann werden Sie im Genossenschaftswesen Gründungsdaten um 1870 feststellen. Dieses Dauerwohnrecht wurde also schon zu einer Zeit praktiziert, als wir uns hier noch mit nichts herumzuschlagen brauchten.
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4956 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
MickWenn Sie aber, Herr Minister, glauben, daß Sie mit Dauerwohnrecht die Eigentumspolitik aus dem Felde schlagen können, werden Sie unsere erbitterte Gegnerschaft finden. Das kündige ich Ihnen hier in aller Form an.
Meine Damen und Herren, das Wort hat die Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mick, Ihre letzten Ausführungen veranlassen mich doch zu einer oder zwei klärenden Bemerkungen. Sie haben gefragt, wieso wir nun in einem Gesetz etwas über einen zweiprozentigen Wohnungsfehlbestand schreiben, der zu bestimmten politischen Schlußfolgerungen zwingt, während wir früher Ihre Festlegung auf einen dreiprozentigen Fehlbestand angegriffen haben. Die Antwort ist sehr einfach. Sie haben bei dem dreiprozentigen Fehlbestand unterstellt, daß alles in bester Ordnung ist, daß der Mieter keines besonderen Schutzes mehr bedarf außer dem, was Sie nachher dann ins BGB genommen haben, und daß man dann gleichzeitig die öffentliche Wohnungsbauförderung, abbauen kann. Das war Ihre Konsequenz.
Wir ziehen genau den umgekehrten Schluß. Wir sagen: Wenn irgendwo Wohnungsnot ist, wenn irgendwo 2 % Wohnungen fehlen, dann heißt das,
daß der Mieter in eine andere, in eine bessere rechtliche Situation kommen muß, dann heißt das, daß ihm nicht mehr ohne berechtigten Grund gekündigt werden darf. Über die anderen Folgerungen, die diese Bundesregierung und die die SPD-Bundestagsfraktion für den Wohnungsbau ziehen, haben wir ausgiebig gesprochen.
Das Dauerwohnrecht, Herr Mick, ist eine Einrichtung, die wir alle sehr begrüßen; darüber brauchen wir gar nicht zu streiten. Es bildet einen Stabilisierungsfaktor in dieser Zeit, in der große Gruppen von Mietern in Unruhe geraten sind, und wir wollen sehr froh darüber sein, daß es bei Genossenschaften und bei gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften praktiziert wird. Das Dauerwohnrecht ist kein Gegenpol zur Bildung von Eigentum, sondern das Dauerwohnrecht bedeutet, daß sich nicht nur der Mensch in seiner eigenen Wohnung und in seinem eigenen Haus sicher fühlen muß, sondern auch der andere, der mit Glücksgütern nicht so gesegnet ist und kein eigenes Haus oder keine eigene Wohnung hat oder noch nicht hat.
Über den Grundsatz, Eigentum im Wohnungswesen auch für die Bezieher kleiner Einkommen zu ermöglichen und dafür staatliche Förderung zu geben, sind wir uns ganz einig. Es fragt sich nur, in welcher Form. Daß man heute nicht mehr bevorzugt das Eigenheim fördern kann, um das man herumgehen kann, folgt schon aus den Forderungen des Städtebaus. Wir müssen uns in diesem Parlament den Kopf darüber zerbrechen, welche neuen Formen des Eigentums im Wohnungsbau man dem Mann mit kleinem und mittleren Einkommen anbieten kann. Aber damit sind wir über diese Gesetzesvorlage hinausgeraten.
Ich stelle am Schluß immerhin mit Befriedigung fest, daß nahezu der ganze Gesetzentwurf, der aus sehr verschiedenen Teilen besteht, mit Nuancen vom ganzen Parlament akzeptiert wird — mit Ausnahme des Art. 2; da ergeben sich Meinungsverschiedenheiten.
Ich möchte aber auch der Hoffnung Ausdruck geben, daß es aus den Erfahrungen, die jeder bei sich zu Hause in seinem Wahlkreis hat sammeln können, und aus dem, was er selber über die schwierige Lage von Mietern dort, wo Wohnungsbedarf drükkend ist, weiß, zu Überlegungen kommt, die uns ein gutes Gesetz zustande bringen lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Lauritzen, ich will auf die Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache VI/ 1256 Bezug nehmen, in der damals verschiedene Kollegen meiner Fraktion einige Fragen an Ihr Haus gerichtet haben.Die eine Frage war, ob eine Möglichkeit bestünde, durch gewisse Förderungsmaßnahmen Mieter, die heute in Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues wohnen, obwohl sie einkommensmäßig längst daraus hinausgewachsen sind, zu veranlassen, zu einer Eigentumsmaßnahme zu kommen, und mit einer kleinen Spritze an Darlehen nachzuhelfen. In der Vergangenheit, zur Zeit des Herrn Bundeswohnungsbauministers Lücke, ist eine gute Erfahrung damit gemacht worden. Sozialwohnungen, die fehlbelegt waren, sind für andere Personenkreise, die berechtigt waren und notwendig eine Wohnung brauchten, durch gewisse Anreize freigeworden. Sie haben das in Ihrer Antwort vom 9. Oktober 1970 mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daß Sie nicht diese Absicht haben. Ich wollte diese Gelegenheit benutzen, Sie zu bitten, noch einmal zu prüfen, vor allem auf Grund der Erfahrungen, die in früheren Perioden damit gemacht worden sind, ob hier nicht doch eine Chance besteht, und wenn es nur 10 000 oder 20 000 fehlbelegte Wohnungen im Jahr wären, die auf diese Weise vorzeitig freigemacht würden.Die Frage war, ob bei einem höheren Einsatz von Eigenkapital bei den Bauträgern — und hier kann es sich nur um gewisse große gemeinnützige Mammutbauträger handeln — nicht doch eine größere Effektivität der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel gewährleistet wäre. Das wäre durchaus möglich. Aber Sie schreiben in Ihrer Antwort bereits selber, daß bei einem größeren Eigenkapitalanteil, als er gegenwärtig verlangt wird, etwa bis zu 12 oder 15 %, wobei dieser Eigenkapitalanteil dann sogar nur mit 4 % verzinst wird, —
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4957
Herr Kollege Ott, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Aber ich muß Sie geschäftsordnungsmäßig darauf aufmerksam machen, daß wir den Punkt 5, erste Beratung eines Gesetzentwurfs über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs, behandeln. Die Grenzen sind natürlich etwas fließend. Aber ich wäre Ihnen dankbar, nachdem Sie nun eine Reihe andere Fragen anschneiden, wenn Sie sich der geschäftsordnungsmäßigen Grenzen der Debatte etwas bewußt bleiben.
Herr Präsident, der Zweck dieses Beitrags besteht darin, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß mehr Wohnungen gebaut werden. Dann würden nämlich die automatischen Folgen einer zu geringen Wohnungsproduktion in dem Maße gar nicht eintreten. Mangel beseitigt man nur durch größere Angebote und nicht durch Bewirtschaftungsmaßnahmen.
— Ja, meine Herren, das geht vor allem Sie an! Sie sind immer noch Anhänger der Zwangswirtschaft, wenn auch einer Zwangswirtschaft in anderen Formen.
Vor allem die Neue Heimat baut mit sechs und sieben Prozent Eigenkapital ganze Stadtviertel, während es für die privaten eigentumswilligen Bauherren — die kleinen Leute, die Putzfrau mit 10 000 und 12 000 DM — kein öffentliches Darlehen mehr gibt; denn es ist viel bequemer, bei einem großen Bauträger mit sechs Prozent Eigenkapital einmal 100 Wohnungen zu finanzieren, als 20, 30, 40, 50 oder 60 kleine Bauherren zu betreuen, bei denen man sich in jedem einzelnen Fall um die Finanzierung kümmern muß. In diesem Bereich liegen ungeahnte Chancen.
Sie könnten mit gleichen öffentlichen Mitteln 20 % mehr Wohnungen bauen entschuldigen Sie, Herr Präsident, daß ich das noch abschließend sage; ich höre dann auf, weil diese Ausführungen anscheinend nicht zur Erörterung dieses Tagesordnungspunktes gehören —, wenn Sie von den Bauträgern mehr Eigenkapital verlangten. Das würde durchaus nicht Teuerungen verursachen, wie das in der Beantwortung der Kleinen Anfrage angedeutet wurde, sondern zur Hälfte würde die Aufnahme der ersten Hypothek und zu anderen Hälfte würden öffentliche Mittel eingespart. Das Eingesparte könnten Sie dann mit dem halben Zinssatz — mit dem Schnittzinssatz — über die Eigenkapitalausstattung besser ausnützen.
Abschließend möchte ich sagen: Sie werden zu gegebener Zeit von uns hören. Unser Ziel ist, daß die kleinen Leute zu einer Eigentumswohnung kommen. Es darf nicht so sein, daß große Bauträger, die nicht einmal Steuern zahlen und deshalb schon gar nicht gemeinnützig sein können, die gesamten öffentlichen Mittel in Anspruch nehmen. Wo kämen wir schließlich hin, wenn niemand in der Bundesrepublik Steuern zahlen würde? Aber genau diejenigen, die
keine Steuern zahlen, die beispielsweise 16 Millionen DM den Rücklagen zuführen und 1 1/2 Millionen DM Gewinn ausweisen, schreiben stolz wie die Neue Heimat: Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen: 200 DM.
Herr Wohnungsbauminister, fangen Sie bei sich selbst einmal an, zu prüfen, wo man mehr tun könnte, wo man nicht nur technisch rationalisieren muß, sondern wo man auch bei der Verteilung des Geldes rationalisieren muß und wo man die Effektivität der öffentlichen Mittel fördern kann. Aber in diesem Bereich müßte man eigenen Freunden weh tun, und das tut man immer nur ungern.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die erste Beratung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Rechtsausschuß federführend — und an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen sowie an den Ausschuß für Wirtschaft beide mitberatend — zu überweisen. Es werden keine anderen Vorschläge gemacht. Es ist so beschlossen.
Ich darf die Beratung dieses Punktes damit als beendet erklären. Herr Minister, da Sie heute Geburtstag haben, hoffe ich, daß Sie noch einen angenehmen Nachmittag haben. Alles Gute!
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Geisenhofer, Varelmann, Köster, Dr. Riedl , Frau Schroeder (Detmold), Müller (Remscheid), Dr. Böhme, Dr. Fuchs, Ziegler, Müller (Berlin), Weigl, Dr. Jobst, Winkelheide, Härzschel, Dr. Schulze-Vorberg, Ehnes Burger, Häussler, Krampe und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes
— Drucksache W1625 —
Zur Begründung der Vorlage hat das Wort der Herr Abgeordnete Geisenhofer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache VI/ 1625 beinhaltet eine Verbesserung des Bundessozialhilfegesetzes für Kleinrentner durch die Einführung eines Rentenfreibetrages. Ich bitte Sie — vor allem Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition — herzlich und dringend, diesen Gesetzentwurf, dieses ernste Anliegen nicht zum Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen werden zu lassen, denn das würden die Betroffenen, die zweifellos zu den Bedürftigsten unserer Gesellschaft gehören, einfach nicht verstehen.Ich glaube, wir alle wären gut beraten, wenn wir diesen Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen noch verbesserten und dann sehr bald in dritter Lesung in diesem Hohen Hause verabschiedeten.
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4958 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
GeisenhoferNach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion ist das Bundessozialhilfegesetz, das sich zweifellos in der Vergangenheit segensreich ausgewirkt und auch bewährt hat, in einigen Bereichen reformbedürftig. Die Kleinrentner, die gleichzeitig Sozialhilfe empfangen, können es einfach nicht verstehen — und sie sind darüber verbittert —, daß ihre Rentenbeträge, die sie sich in einem oft 20jährigen und längeren Arbeitsleben erarbeitet haben, vollkommen in der Sozialhilfe untergehen, d. h. als Einkommen angerechnet werden.Lassen Sie mich ein paar Beispiele anführen. Ein Sozialhilfeempfänger, der keine Rente erworben hat, erhält beispielsweise mit Regelsatz, Mehrbedarfszuschlag und Wohnungskosten monatlich 250 DM Sozialhilfe zum laufenden Lebensunterhalt. Ein Sozialhilfeempfänger aber, der 240 DM Monatsrente erworben hat, erhält den gleichen Betrag von 250 DM Sozialhilfe; sein ganzer Rentenbetrag in Höhe von 240 DM geht unter. Seine Arbeitsleistung ist ignoriert. Deswegen diese Verbitterung!Ein weiteres Beispiel: Ein Rentner erhält von seiner Versicherungsanstalt die Mitteilung über eine Rentennachzahlung in Höhe von 200 DM monatlich für einen Zeitraum von sechs Monaten, für den er auch Sozialhilfe von 250 DM monatlich empfangen hat. Diese Rentennachzahlung von sechs mal 200 DM, also 1 200 DM, bringt für den Rentner keine Verbesserung, weil dieser Nachzahlungsbetrag von dem Sozialhilfe-Träger verrechnet wird. Der Rentner bekommt keinen Pfennig von diesen 1200 DM Nachzahlung.Auch die laufenden jährlichen Anpassungsbeträge werden verrechnet, mit Ausnahme der ersten fünf Monate.Das, glaube ich, müssen wir ändern. Der Sozialhilfeempfangende Rentner, der eigene Vorsorge für sein Alter getroffen hat, ist gegenüber denen benachteiligt, die keine Vorsorge getroffen haben. Daher unsere Forderung in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf: Wer in seinem Leben eigene Anstrengungen unternommen hat, sein Schicksal zu meistern, darf als Sozialhilfeempfänger nicht bestraft werden, sondern muß zum mindesten eine kleine Anerkennung seiner Arbeitsleistung erhalten.Damit das Leistungsprinzip wenigstens zum Teil eine Anerkennung findet, sieht der Gesetzentwurf vor, daß von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und der gesetzlichen Unfallversicherung 50 v. H., höchstens jedoch 40 v. H. des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes, bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zum Einkommen gezählt werden; wird Hilfe zum Lebensunterhalt in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen gewährt, so vermindert sich der Prozentsatz auf 25 v. H. der Rente, höchstens auf 20 v. H. des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes.Nach diesem Gesetzentwurf würden etwa 318 000 Sozialhilfeempfänger einschließlich der durch den Rentenfreibetrag neu hinzukommenden 95 000 Personen zusätzliche Hilfen in Höhe von monatlich 50 bis 60 DM erhalten. Auch Insassen von Altersheimen und Anstalten erhalten eine Verbesserung.Diese gezielten Maßnahmen treffen den bedürftigsten Personenkreis unserer Gesellschaft. Keine Mark ist hier fehlgeleitet.Die Kosten dieses Gesetzentwurfs belaufen sich auf rund 160 Millionen DM. Sie sollen nach unserem Gesetzentwurf je zur Hälfte von Bund und von den Ländern getragen werden. Wir vertreten die Meinung, daß die Hilfe des Bundes zur Entlastung der Sozialhilfeträger dringend notwendig und auch geboten ist, weil sich die Sozialhilfeempfänger die gleichzeitig Rentner sind, meist in wirtschaftlich schwachen Gebieten konzentrieren. Es ist unmöglich, die Kosten dieser Verbesserung den meist finanzschwachen Sozialhilfeträgern aufzubürden.Man könnte mit Recht einwenden, daß es eine Anzahl Sozialhilfeempfänger gibt, die eigene private Vorsorge, z. B. durch eine Lebensversicherung, getroffen haben und, da nicht Sozialrentner, von diesem Gesetzentwurf keine Hilfe erfahren würden. Auch hierüber haben wir Überlegungen angestellt.Lassen Sie mich dazu zunächst folgendes sagen. Es gibt kaum einen Personenkreis, der mit den Rentnern vergleichbar wäre. Niemand hat so mühsam durch Pflichtbeiträge und durch freiwillige Beiträge für seine Altersversorgung vorgesorgt und Opfer gebracht wie diese Rentner, ohne - und das ist die Tragik — in der Sozialhilfe auch nur einen Pfennig davon zu verspüren. Die Lebensversicherung und sonstiges Eigentum, das der Altersvorsorge dienen soll, sind vererbbar, die Rente dagegen nicht.Wir sehen aber auch das Problem der privaten Vorsorgeleistung und nehmen es sehr ernst. Unser Anliegen, zunächst den Rentnern zu helfen, ist so vordringlich, daß es auf keinen Fall bis zu einer erforderlichen großen Reform zurückgestellt werden kann. Bei einer großen Reform werden auch andere Formen der Altersvorsorge berücksichtigt und sonstige Verbesserungen vorgenommen werden müssen, um den Willen zur Selbsthilfe und zur Altersvorsorge nicht zu beeinträchtigen. So werden Freibeträge und sonstige Verbesserungen unter anderem in folgenden Fällen dringend erforderlich: Ausdehnung der Freibeträge auch auf Hilfen in besonderen Lebenslagen, Freibetrag bei Renten aus der Lebensversicherung, beim Altersgeld für Landwirte, bei der Elternrente, bei der Kriegsschadenrente und beim Kindergeld, Freibetrag von 10 % des Einkommens aus selbständiger und unselbständiger Arbeit, Verbesserung der Sozialhilfe für Behinderte und Milderung der Heranziehung der Angehörigen und Verwandten bei der Kostentragung.
— Herr Professor Schellenberg, wenn Sie mich auf die kostenmäßige Auswirkung ansprechen, kann ich Ihnen nur das eine sagen: Ich bin der Meinung — und hoffentlich auch Sie —, daß die Stabilitätspolitik, wie immer sie auch aussehen möge, nicht auf Kosten dieser Kleinrentner und der Sozialhilfeempfänger ausgetragen werden darf.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4959
GeisenhoferBei der Durchführung so weittragender Verbesserungen im Rahmen einer großen Reform — ich sage noch einmal, das muß einer großen Reform vorbehalten sein müssen auch einschlägige Sozialgesetze, welche die Anrechnung von Einkünften vorschreiben, dem BSHG angeglichen werden, um den Nachrang der Sozialhilfe nicht in das Gegenteil zu verkehren. Das muß ganz klar gesagt und angesprochen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bei Einreichung dieses Gesetzentwurfs auch ernsthaft geprüft, ob nicht die Anhebung der Regelsätze nach § 22 des BSHG und die Verbesserung der Mehrbedartssätze nach § 23 des BSHG zum gleichen, ja vielleicht zu einem besseren Ergebnis führen könnten, weil dann nicht nur die Rentner, sondern alle Sozialhilfeempfänger eine Verbesserung erhalten würden und somit dieses Gesetz vielleicht überflüssig wäre. Aber wir kommen zu der Feststellung, daß die Erhöhung des Regelsatzes durch die Länder — der Bundestag hat ja hierauf keinen Einfluß — die Ungerechtigkeiten und Härten gegenüber den Rentnern nicht beseitigen würde, ja im Gegenteil, diese Härten würden durch eine solche Maßnahme ohne Einführung des von uns vorgeschlagenen Rentenfreibetrags noch wesentlich größer, weil dann noch größere Rentenbeträge in der Sozialhilfe untergehen würden. Zweifellos werden die Mehrbedarfssätze und die Regelsätze rascher als bisher erhöht und angepaßt werden müssen, weil der Geldwertschwund den Bedürftigsten gegenüber umgehend ausgeglichen werden sollte. Die Benachteiligung der Rentner aber — ich sage es noch einmal — kann eben nur gezielt durch einen Freibetrag beseitigt werden.Wir kennen auch die Gegenargumente, die jetzt wie auch in der Vergangenheit gegen solche Regelungen vorgebracht werden. Bereits die Einführung des Freibetrags für die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz — diesen Freibetrag haben wir ja Gott sei Dank — wurde damals heftig kritisiert. Es wird gesagt, daß die Rücksichtnahme und Verbesserung der Hilfen für Rentner und für besondere Geschädigtengruppen nicht Aufgabe der Sozialhilfe sei, sondern zur Aufgabe der Rentenversicherung und zur Versorgung gehöre.Wieder andere dagegen sagen, das Problem der Kleinrentner, vor allem derjenigen, die nur 15 oder 20 Jahre versicherungspflichtige Tätigkeit nachzuweisen haben, kann nur über die Bundessozialhilfegesetzgebung gelöst werden und nicht über die Rentenversicherung. Die Betroffenen stehen im Meinungsstreit beider Gruppen und leiden, weil niemand hilft.Ich meine — und damit komme ich zum Schluß — dieses Problem muß in unserem Wohlfahrtsstaat bei einigermaßen gutem Willen doch zu lösen sein. Wir betonen noch einmal, daß dieser Gesetzentwurf einen ersten Schritt zur Beseitigung von besonderen Härten für einen besonders schwer betroffenen Personenkreis darstellt. Wenn es ohne Verzögerung — und ich betone jetzt: ohne Verzögerung — der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes möglich wird, mit diesem Gesetzentwurf auch noch andere Härten zu bereinigen, sollten wir das tun.Ich bitte um Überweisung des Gesetzentwurfs an die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Ausschüsse.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich zu dem von der CDU/CSU vorgelegten Gesetzesantrag folgende Erklärung abgeben.
.Die Frage der Nichtanrechnung von Rentenbeträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung auf andere Sozialleistungen und damit auch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz, war ein altes Anliegen der SPD-Fraktion. Sie hat sich seit 1959 wiederholt um entsprechende Lösungen bemüht, war aber stets — daran sollten Sie heute erinnert werden — auf die ablehrende Haltung der CDU/CSU-Fraktion gestoßen. Ich erinnere daran, daß die SPD-Fraktion bereits bei der Behandlung des Ersten Rentenanpassungsgesetzes den Antrag gestellt hatte, die Rentenanpassungsbeträge ohne zeitliche Begrenzung von Anrechnungen auf andere Sozialleistungen frei zu lassen. Dieser Antrag wurde von der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. Das gleiche wiederholte sich in den folgenden Jahren. Die CDU/CSU-Fraktion sprach sich sogar ausdrücklich gegen eine Nichtanrechnung von Rentenleistungen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz aus, wie sich aus dem Bericht der von der CDU/CSU gestellten Bundesregierung über die Prüfung der Anrechnungsbestimmungen vom 5. Juni 1962 ergibt. Ich verweise auf die Bundestagsdrucksache IV/446.
Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß auch der Kollege Varelmann von der CDU/CSU-Fraktion sich in den vergangenen Jahren immer wieder um die Lösung dieses Problems bemüht hat. Er ist ebenso wie die SPD-Fraktion an seiner eigenen Fraktion gescheitert.
Deswegen verwundert es natürlich um so mehr, daß nach jahrelangem Sträuben die CDU/CSU-Fraktion heute in der Opposition so tut, als habe sie in diesem Punkte ihr Herz für die Rentner entdeckt. Ihr völlig unzureichender Lösungsvorschlag beweist jedoch, daß sie die in der Zwischenzeit vollzogene und die von ihr selbst mitgetragene Entwicklung aus ersichtlichen Gründen ignorieren will. — Bitte schön, Herr Kollege Geisenhofer!
Herr Kollege Glombig, ich habe mich jeder polemischen Ausführung enthalten, aber auf Grund Ihres Angriffs darf ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, daß damals der Rentenbetrag ganz klein war und daß diese Gesetzesnovellierung bzw. dieser Gesetzesvorschlag u. a. deswegen so dringend notwendig ist, weil der Geldwertschwund, den auch diese Regierung weitestgehend mit ausgelöst hat, die Kleinrentner am härtesten trifft? Das muß durch Gesetz ausgeglichen werden.
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4960 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Herr Kollege Geisenhofer, ich möchte mit allem Nachdruck sagen, daß das, was von mir eben zum Ausdruck gebracht worden ist, kein polemischer Ausfall war, sondern eine Wiedergabe der geschichtlichen Entwicklung auf diesem Felde. Das können Sie nachlesen. Ich könnte Ihnen das aus den ganzen Jahren heraus hier noch einmal ins Gedächtnis rufen, aber dazu reicht die Zeit nicht. Wir haben uns geeinigt, nur Erklärungen abzugeben.
Was den zweiten Punkt Ihres Einwandes angeht, so müssen Sie doch zugeben, daß natürlich auch die Kleinrenten im Rahmen der Dynamisierung erhöht worden sind und daß auch diese Renten aus dem Niveau der Zeit der Rentenreform des Jahres 1957 herausgehoben werden konnten. Nun können wir doch diese Personen, die eine Rente aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung beziehen — auch wenn sie im Einzelfall nicht so hoch sind wie andere Renten — nicht, soweit es sich um Leistungen der Sozialhilfe handelt, besserstellen als die anderen Sozialhilfeempfänger.
Lassen Sie mich noch einmal darauf zurückkommen, weshalb der Bundesgesetzgeber diesen neuen Weg im Zusammenhang auch mit dem Bundessozialhilfegesetz gegangen ist. Das muß man wissen, wenn man diesen Antrag der CDU/CSU-Fraktion richtig würdigen will. Der Bundesgesetzgeber hat die auf landesrechtlichen Vorschriften beruhenden Regelungen, nach denen für bestimmte Personengruppen, vor allem für Sozialrentner, bestimmte Einkommensbeträge von einer Anrechnung ausgenommen waren, bereits seit Jahren beseitigt. Er billigte statt dessen diesen Personen einen Mehrbedarfszuschlag zum Regelsatz in der Sozialhilfe zu.
— Allen, ja sicher. Ich habe auch von allen gesprochen. Ich habe gesagt, vor allem für Sozialrentner. Das ist doch der Sinn der ganzen Geschichte gewesen, hier keine „gehobene Fürsorge" für Sozialrentner am Leben zu erhalten, sondern allen, die die Voraussetzungen erfüllen, eine erhöhte Sozialhilfe zu geben. Das scheint mir auch der gerechtere Weg zu sein; denn wir haben doch auch andere Berechtigte in der Sozialhilfe. Hier handelt es sich ja nicht nur um Asoziale oder Antisoziale, sondern auch um solche, die aus Gründen, die sie selbst nicht zu verantworten haben, Leistungen aus der Sozialhilfe beanspruchen können. Diese Berechtigten könnten wir doch mit einer solchen Regelung diffamieren, meine Damen und Herren. Darum geht es uns. Denken Sie doch auch einmal an die Selbständigen, die ebenfalls oftmals aus Gründen, die sie selbst nicht zu vertreten haben, eine Vorsorge nicht treffen konnten, z. B. deswegen, weil in den vergangenen Jahren auch für sie eine bestimmte gesetzliche Regelung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgenommen worden ist.
Die Regelung des Mehrbedarfszuschlages wurde vor allem für erwerbsunfähige Personen und für solche getroffen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.
Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Bitte sehr!
Herr Kollege Glombig, darf ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie — zumindest im weiteren Gesetzgebungsverfahren über diesen Vorschlag — die Gruppen, die Sie soeben genannt haben, einbeziehen wollen?
Darauf komme ich noch. Sie sind sehr unruhig; ich will diese Unruhe gern besänftigen.
Wir werden uns im zuständigen Ausschuß hoffentlich treffen, und ich glaube, daß wir gemeinsam eine vernünftige Regelung für alle zustande bringen werden.
Ich möchte Ihnen dazu auch einen Vorschlag machen. Ich will vorher nur sagen, daß dieser von uns vor allem nach Verabschiedung der ersten Novelle zum Bundessozialhilfegesetz eingeschlagene Weg durch diese erste Novelle zum Bundessozialhilfegesetz im Jahre 1965 ausdrücklich bestätigt worden ist. Der Mehrbedarfszuschlag, der vorher nur 20 % betrug, wurde damals auf 30 % erhöht. Ich will das einmal als ein neues Prinzip hier besonders herausstellen.
Dieses Prinzip der Gewährung eines Mehrbedarszuschlags zum Regelsatz in der Sozialhilfe hat sich dann in der Folgezeit bewährt, weil diese Regelung nicht nur den Rentenbeziehern eindeutige Vorteile bringt, sondern in gleicher Weise auch die übrigen Sozialhilfeempfänger begünstigt. Darauf aber kommt es uns bei diesem Prinzip besonders an.
Die SPD-Fraktion ist daher der Auffassung, daß diese Regelung weiter ausgebaut werden muß, um die soziale Stellung aller Sozialhilfeempfänger ohne Unterschied entscheidend und dauerhaft zu verbessern. Das ist jedoch mit dem von der Opposition gemachten Vorschlag nicht möglich; das wird jeder nachprüfen können. Im Gegenteil: Dieser Vorschlag bedeutet für alle anderen Sozialhilfeempfänger eine große soziale Ungerechtigkeit. Das ist die Schwäche Ihres Antrages.
- Warum? — Das habe ich Ihnen soeben des längeren und breiteren darzulegen versucht: einfach deswegen, weil Sie hier für die Sozialrentner zusätzlich zu dem Mehrbedarfszuschlag von 30 % noch einen Zuschlag von bis zu 40 % geben wollen, an sich 50 % des Rentenanpassungsbetrags, höchstens 40 % des Regelsatzes. Das ist doch eine Besserstellung der Sozialrentner und der Unfallrentner gegenüber den anderen Sozialhilfeempfängern; das müssen Sie doch zugeben.
Glombig
Ich möchte Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß das für uns Sozialdemokraten untragbar ist. Hier bieten sich für uns bessere Lösungsmöglichkeiten an. Zu denken wäre an eine Erhöhung des Mehrbedarfszuschlags für alle, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, und an eine Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen selbst, insbesondere die Herabsetzung der Altersgrenze. Das müssen wir in den zuständigen Ausschüssen prüfen, und wir werden es prüfen.
Das wäre eine sehr gute Lösung.
Das ist keine Illusion, sondern eine gerechte Lösung. Es ist auch keine Ersatzlösung, sondern eben eine bessere Lösung, der wir den Vorzug geben müssen und, wie ich hoffe, auch geben werden.
Beide Lösungsmöglichkeiten, nämlich die Erhöhung des Mehrbedarfszuschlags und auch die Verbesserung der Anspruchsvoraussetzungen, sind in jedem Fall besser und auch gerechter als das, was hier von der Opposition präsentiert wird.
Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Köster?
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Glombig, daß Sie nicht bereit sind, die Leistung der Sozialrentner, die sie in einem langen Arbeitsleben durch die Beiträge zur Rentenversicherung selbst erbracht haben, zu honorieren?
Nein, das will ich und kann ich auch so nicht zugeben, weil es nicht stimmt. Die Einführung des Mehrbedarfszuschlags war ein Ersatz für die „gehobene Fürsorge", die damals nur für Kleinrentner galt. Wir haben uns gesagt, daß wir nicht nur eine bessere Stellung für die Sozialrentner erreichen müssen, sondern auch für die anderen Berechtigten, die aus Gründen, welche sie selbst nicht zu verantworten haben, zu einer Vorsorge ein Leben lang keine Möglichkeit hatten. Sie müssen doch wissen, daß es z. B. Menschen gibt — und wir beschäftigen uns mit ihnen im Augenblick —, die leider aus Gründen, die in ihrer körperlichen oder geistigseelischen Beschaffenheit liegen, dazu nicht in der Lage sind. Warum wollen wir diese Personen, wenn sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen, bestrafen und schlechter stellen als andere? Das ist doch das Problem, mit dem wir es zu tun haben.
Über die einzelnen Fragen, die hiermit in Zusammenhang stehen, werden wir uns in den zuständigen Ausschüssen federführend ist der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, mitberatend der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — allein deswegen zu beschäftigen haben, weil auch der Rentenversicherungsbericht zur Beratung ansteht. Wenn wir uns mit diesem Antrag beschäftigen, müssen wir natürlich auch die Frage der Finanzierung untersuchen, zumal Deckungsvorschläge, meine Damen und Herren von der Opposition, für die vom Bund geforderten Mehraufwendungen nicht gemacht worden sind. Das ist sicherlich kein Zufall. Aber hier ist natürlich auch hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiet ein Wort der Klärung zu sagen. Bisher jedenfalls war es nicht Sache des Bundes, die Mehrkosten der Sozialhilfe in den Bundeshaushalt zu übernehmen.
— Sie wollen beides?
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich glaube, wir sind jetzt in der Gefahr, in die Ausschußarbeit zu verfallen.Ich habe mir bei den Worten all meiner Vorredner noch einmal Revue passieren lassen, was in den Jahren 1959, 1960 und 1961 im damaligen Kommunalpolitischen Ausschuß, als das Bundessozialhilfegesetz geschaffen wurde, eigentlich alles ausgeführt wurde, auch seitens der CDU. Es wäre reizvoll, aus dem Nähkörbchen von damals zu plaudern; dann würden nämlich einige Widersprüchlichkeiten zwischen den damaligen Ausführungen und dem heutigen Gesetzentwurf zum Ausdruck kommen.Meine Damen und Herren, das Problem, das hier ansteht, ist nicht neu. Solange ich Herrn Varelmann als Mitglied dieses Parlaments kenne, hat er um diese Dinge gerungen und gekämpft. Neu ist nur, daß er die Unterschrift der ganzen Fraktion unter seinen oder einen Vorschlag bekommen hat.Was mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, hätte genausogut schon 1961 in dieser oder jener Form in das Bundessozialhilfegesetz eingebaut werden können. Die CDU hat es damals nicht gewünscht. Sie hat zwar einen Ausnahmekatalog für Kleinbesitz in das Bundessozialhilfegesetz aufgenommen, der nicht angegriffen werden kann, aber sie hat mit Ausnahme der Grundrente keine laufenden Einnahmen unter Ausnahmerecht gestellt. Meine Damen und Herren, warum? Weil es der CDU im Jahre 1961 einfach nicht möglich war, das einzugestehen, was dieser Antrag jetzt deutlich werden läßt, nämlich daß das von der CDU im Jahre 1957 mit Mehrheit durchgesetzte neue Rentensystem auch bei einem langen Arbeitsleben nicht zu dem verkündeten Ziel einer ausreichenden Alterssicherung führt, sondern zahlreiche Betroffene an die Sozialhilfe verweist.Sowohl die FDP als auch die SPD — auch das muß man einmal in Erinnerung rufen — hatten vor der Rentenreform und bei den Debatten zur Rentenreform ein System der Alterssicherung vorgeschlagen, das für die Rentner einen Rentensockelbetrag vorsah. Die CDU hat es zu verantworten, daß damals dieser Rentensockelbetrag nicht nur nicht ver-
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Spitzmüllerbessert, sondern beseitigt wurde. Auf die Dinge wollen wir nicht mehr eingehen, aber das sind eben Unterlassungssünden des Jahres 1957, die Sie im Jahre 1961 beim Bundessozialhilfegesetz — wenn ich Ihren heutigen Antrag betrachte — noch einmal getätigt haben.Die CDU hat — und das beweist dieser Antrag — offensichtlich erkannt, daß dieser Mangel in der Rentengesetzgebung des Jahres 1957 auch langfristig gesehen trotz der früheren Hoffnungen und Versprechungen nicht verschwinden wird.Nun versuchen Sie, mit diesem Einzelantrag diesem Problem zu Leibe zu rücken. Ihre Argumentation, es sei ein unbefriedigendes Ergebnis, daß Sozialhilfeempfänger, die während ihres Arbeitslebens nach gesetzlicher Vorschrift Vorsorgemaßnahmen treffen mußten, insgesamt das gleiche erhalten wie jene, die allein auf die Sozialhilfe angewiesen sind, ist ein Punkt, mit dem man sich auseinandersetzen muß. Auch wir sind der Meinung, daß man der Frage der Leistung, die jemand für die Alterssicherung erbracht hat, großes Gewicht beizumessen hat.Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie nun sagen, daß — und das kam in den Begründungsausführungen des Kollegen Geisendörfer zum Ausdruck — viele die jetzige Regelung als unangenehm empfänden, dann ist das für mich ein weiterer Beweis, daß manche Hoffnungen, die wir alle in diesem Hause an die Verabschiedung des Sozialhilfegesetzes geknüpft haben, nicht eingetroffen sind. Denn damals war die CDU der Meinung, Zielsetzungen und Vorstellungen des Bundessozialhilfegesetzes würden dazu führen, daß der Gang nun nicht mehr zur Fürsorge, sondern zum Sozialhilfeamt nicht mehr als diskriminierend empfunden werden würde. Leider mußte ich aus den Ausführungen des Kollegen Geisendörfer entnehmen, daß es manche doch noch mindestens als ungemütlich ansehen, weil ja über die Umlage im Bezirksverband dann auf die Gemeinden wieder Lasten zukämen. Dieses Ziel ist also offensichtlich auch nicht ganz erreicht worden.Man kann sich darüber unterhalten, ob bestimmte Einkünfte und bestimmte Leistungen - subsidiäre Einkünfte in diesem Falle — im Rahmen der Sozialhilfe berücksichtigt werden sollen oder nicht. Der CDU-Vorschlag ist jedoch darin inkonsequent. Mein Kollege Glombig von der SPD hat schon darauf hingewiesen. Es gibt eben zahlreiche Personen — und nicht nur solche, die durch das Lastenausgleichgesetz betroffen sind, sondern auch zahlreiche ehemals Selbständige — auf dem Gebiete der Bundesrepublik, die nicht Vertriebene oder Flüchtlinge sind, die einen Teil oder alles verloren und in dem Versuch, ihre Existenz zu erhalten, auch die letzten Reserven eingesetzt haben, die eigentlich zur Alterssicherung und Altersvorsorge gedacht waren. Wir müssen über dieses Problem im Ausschuß sprechen. Daran kommen wir gar nicht vorbei.In einem aber scheint mir der Gesetzentwurf völlig inkonsequent, und zwar im Hinblick auf die Aufbringung der Mittel. Mit der Belastung des Bundesdurch einen Teil der Finanzierungskosten werden nämlich die Zuständigkeiten völlig verwischt. Hier müssen wir mit den Ländern und mit den Kommunalverbänden sprechen, ob eine wie immer geartete Regelung nicht doch von den Ländern und von den Kommunen getragen werden kann. Denn ich glaube, wir würden hier einen Zustand schaffen, der höchst unerfreuliche Konsequenzen hätte, Ich habe vorhin schon einmal auf den Katalog von Vermögenswerten hingewiesen, die nicht angegriffen werden müssen und bei deren Vorhandensein trotzdem Sozialhilfeleistung gewährt wird. Wir haben einen solchen Katalog von Vermögenswerten, ohne daß der Bund deshalb irgendwie zur Kasse gebeten wurde. Ich kann mir denken, daß man auch andere Einkünfte als die Grundrente aus der Kriegsopferversorgung in das Gesetz mit einer Ausnahmeregelung hineinbringen kann, ohne daß deshalb der Bund dazu beitragen muß.
Aber was Sie hier anbieten, meine Damen 'und Herren, läßt die Deckung im Haushalt vermissen.Wir können uns im Ausschuß darüber unterhalten, ob und in welcher Form Übergangsregelungen gefunden werden; denn die vorgelegte Form des Entwurfes kann als Dauerlösung nicht überzeugen. Auch den Weg, Mehrbedarfssätze vorzusehen, den Kollege Glombig gewiesen hat, müssen wir prüfen.Meine Damen und Herren, tun wir doch nicht so, als ob einer sozialer wäre als der andere. Ich darf daran erinnern: Die meisten Paragraphen des Bundessozialhilfegesetzes sind 1961 einstimmig verabschiedet worden. Es gab da einige Paragraphen, wo es harte Auseinandersetzungen gegeben hat. Aber bei den Paragraphen, die die Sozialleistungen betrafen, war Einstimmigkeit. Wir haben die erste und die zweite Novelle im Jahre 1965 und 1969 einstimmig verabschiedet. Ich glaube, wir werden uns auch über diesen Antrag und über die zu erwartende Novelle des Bundesministeriums für Familie und Gesundheit im Ausschuß in einer sehr sachlichen Weise unterhalten, denn uns allen in allen drei Fraktionen liegt ja daran, soziale Ungerechtigkeiten und Unterschiede auszugleichen, Schwierigkeiten zu beseitigen, die Dinge zu verbessern. Ich glaube, dazu werden wir uns im Ausschuß schon in irgendeiner vernünftigen Form zusammenfinden.
Damit sind die im Ältestenrat vereinbarten Erklärungen der Fraktionen zu diesem Tagesordnungspunkt abgegeben. — Herr Kollege Varelmann, vom Altestenrat war keine Aussprache, sondern nur die Abgabe von Erklärungen der Fraktionen zu diesem Tagesordnungspunst vorgesehen.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen— Nein, ich habe hier stehen: Erklärungen der drei Fraktionen. Aber ich lasse mich gern berichtigen, wenn Sie das anders in Erinnerung haben.
— „Erklärungen" steht bei mir. Aber wenn es gewünscht wird, werde ich die Aussprache eröffnen. Das Wort hat der Kollege Varelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Beginn des Jahres 1970 ist von einem Punkt hier im Hause am allermeisten gesprochen worden, und das ist die Hochkonjunktur, in der wir uns zur Zeit befinden. Soziale Fortschritte und Verbesserungen lassen sich nur im Zeitpunkt einer Hochkonjunktur und nicht im Zeitpunkt einer wirtschaftlichen Schwäche durchführen. Dieser Umstand hat auch der CDU/CSU einen gewissen Anlaß gegeben, diese dringliche Vorlage einzubringen.
Die Reform der Rentenversicherung im Jahre 1957 war ein großer Schritt nach vorn. Unbefriedigend ist dieses Rentensystem für den Personenkreis, der von einem kleinen Einkommen leben muß. Feststellungen im norddeutschen Bereich haben ergeben, daß bei fünfundzwanzigjähriger Dauer der Pflichtversicherung 24 % der Frauen und 8 % der Männer mit dem Ergebnis ihrer Beiträge die Ansätze der Sozialhilfe nicht erreichen. Rund 35 % der Empfänger von Sozialhilfe sind Rentner. Bei diesem Personenkreis deckt die Rente 60 % des laufenden Aufwandes; unter Einbeziehung der ärztlichen Leistungen sind es mehr als 70 %. Diese erhebliche Eigenvorsorge, die wir in sonstigen Fällen nirgends kennen, rechtfertigt es, dem Rentner in der Sozialhilfe eine Sonderstellung zu geben. Eigenvorsorge ist zu pflegen und zu belohnen. Auf dieses Ziel ist unser Antrag abgestellt. Wir kennen heute bereits verschiedene Freibeträge, z. B. bei der Kriegsschadenrente, für die Spargeschädigten oder bei der Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich. Warum sollten wir nicht auch in der Sozialhilfe für Rentner einen gewissen Freibetrag einführen?
Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Einzelhändler. Er sagte: Ich habe fünf bis sechs Jahre Beiträge zur Rentenversicherung geleistet und bin jetzt 40 Jahre alt; welche Beiträge muß ich entrichten, wenn ich mit meiner Frau mit 65 Jahren in der Rentenversicherung mindestens die Sätze der Sozialhilfe erreichen will? Ich mußte ihm darauf antworten: einen Mindestbeitrag von 150 DM. Leisten Sie diesen Beitrag nicht, dann haben Sie später aus der Sozialhilfe genau soviel! Darin steckt nach meiner Meinung etwas Unvernünftiges.
In dieser Gesetzesvorlage sieht die CDU/CSU-Fraktion in bezug auf die Kleinstrentner nur einen gewissen Schritt nach vorn. Meine Freunde und ich wissen, daß in der Rentenversicherung noch verschiedene andere strittige Punkte vorhanden sind, die zu bereinigen wir uns bemühen müssen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, sie im einzelnen aufzuzählen.
Nach meiner Meinung rechtfertigt das Prinzip sozialer Gerechtigkeit, insbesondere wenn wir Vergleiche zu anderen sozialen Leistungen ziehen, den Antrag der CDU/CSU, dem Rentner in der Sozialhilfe einen gewissen Freibetrag zu geben. Alle Abgeordneten dieses Hauses huldigen dem Grundsatz, Eigenvorsorge zu pflegen und zu belohnen. Weichen wir von diesem Schritt ab, sind wir z. Z. nicht auf falschem Wege. Wir brauchen nicht die Befürchtung zu haben, daß durch unsere Bestrebungen der Aufwand immer größer wird. Ich möchte sogar annehmen, daß er im Laufe der Jahre kleiner wird.
Ich hoffe, daß wir in den zuständigen Ausschüssen ein ausreichendes Verständnis für diese Vorlage finden.
Vielen Dank, Herr Kollege Varelmann. Damit stehen wir am Ende der ersten Beratung des eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes.Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. — Weitere Anträge werden nicht gestellt. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Heute morgen haben wir die Tagesordnung ergänzt um dieWahl eines stellvertretenden Mitglieds desVerwaltungsrates der Deutschen BundespostDie Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 19. Januar 1971 für den verstorbenen Abgeordneten Unertl den Abgeordneten Dr. Riedl als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; damit ist der Abgeordnete Dr. Riedl (München) als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost gewählt.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei baulichen Maßnahmen auf ehemals in Anspruch genommenen Grundstücken —Wertausgleichsgesetz— Drucksache VI/1615 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Innenausschuß und dem Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschüssen zu überweisen. — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
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4964 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten von Bockelberg, Ott und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer-Steuerberater— Drucksache VI/1617 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates lautet, den Gesetzentwurf dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Entwurf auch dem Rechtsausschuß als mitberatendem Ausschuß überwiesen werden. Wegen des Sachzusammenhangs müßte dann allerdings auch der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes Drucksache VI/1424, den wir bereits am 19. Dezember 1970 dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaft als mitberatendem Ausschuß überwiesen haben, noch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hauser , Lampersbach, Gewandt, Bremm und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schaumweinsteuergesetzes— Drucksache VI/ 1635 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit als mitberatenden Ausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die künstliche Besamung von Tieren
— Drucksache VI/ 1616 —Das Wort wird nicht gewünscht.Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. Juli 1969 über die gegenseitige Anerkennung der Beschußzeichen für Handfeuerwaffen— Drucksache VI/1641 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft vor. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Börsengesetzes— Drucksache VI/1683 —Das Wort wird nicht gewünscht.Nach dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaft überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren bei Änderungen des Gebietsbestandes der Länder nach Artikel 29 Abs. 1 des Grundgesetzes— Drucksache VI/1643 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf dem Innenausschuß als federführendem Ausschuß und dem Rechtsausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu der Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten— Drucksache VI/ 1658 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Vorschlag des Ältestenrates lautet, den Gesetzentwurf dem Innenausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, dem Auswärtigen Ausschuß und dem Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschüssen zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Februar 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur über den Luftverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus— Drucksache VI/ 1653 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über den Luftverkehr— Drucksache VI/1654 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Dezember 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indonesien über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus— Drucksache VI/ 1655 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung— Drucksache VI/1680 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates geht dahin, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen als federführenden Ausschuß sowie an den Innenausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Haushaltsausschuß als mitberatende Ausschüsse zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes— Drucksache VI/1681 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Verteidigungsausschuß als federführenden Ausschuß, an den Innenausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als mitberatende Ausschüsse sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes— Drucksache VI/1682 —Das Wort wird nicht gewünscht.Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Verteidigungsausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Innenausschuß und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als mitberatenden Ausschüssen überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 15 der heutigen Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost
— Drucksache VI/1385 —Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Gesetzentwurf über eine neue Unternehmensverfassung für die Deutsche Bundespost, der in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigt worden ist. Er folgt in seinem Inhalt dem Auftrag der Regierungserklärung, in der es heißt:Das Post- und Fernmeldewesen kann seine Aufgaben für unsere Gesellschaft besser erfüllen, wenn die ministerielle Aufsicht sich auf das politisch Notwendige beschränkt. Dadurch wird die Eigenständigkeit der Bundespost gestärkt und eine wirtschaftliche Unternehmensführung erleichtert.Mit diesen beiden Sätzen ist das Ziel der Postreform klar genug umrissen: weniger staatlicher Einfluß, weniger Amtscharakter, mehr Kundennähe und Kundendienst, mehr wirtschaftliche Methoden in der Leitung und Führung des Unternehmens.
Die Deutsche Bundespost ist ein wesentlicher Bestandteil unserer sich wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen. Sie ist hineingestellt in eine Umwelt, die sich in noch nie dagewesener Weise verändert, in der die Zugluft des Wettbewerbs, wie sie draußen in der Wirtschaft weht, immer mehr wirkt.Wie sehr sich diese Bundespost wandelt und wie sie sich verändert hat, erlaube ich mir, Ihnen an ein paar Daten darzustellen. Der Wert des gesamten Unternehmens mit all seinen Anlagen, Grundstücken, technischen Einrichtungen, mit allem, was es darstellte, betrug im Jahre 1950 2,3 Milliarden DM. Der Eigenkapitalanteil betrug damals 73 % dieses Wertes. Dieser Eigenkapitalanteil sank und erreichte im Jahre 1964, als er nur noch 12,1 % betrug, seinen
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Bundesminister Lebertiefsten Stand. Der Wert dieser Deutschen Bundespost mit allem, was sie darstellt, lag Ende 1970 bei rund 27 Milliarden DM, und er wird sich im Zuge der Entwicklung, vor der wir stehen, in den kommenden drei bis vier Jahren auf schätzungsweise 47 Milliarden DM erhöhen.Durch diese Zahlen und die Explosion, die sich in ihnen abzeichnet, wird sichtbar, welche Veränderungen sich in diesem Unternehmen vollziehen. Wir werden den genannten Wert der Bundespost mit Sicherheit erreichen, wenn wir das vollbringen, was aus dem Lande verlangt wird. Vieles deutet darauf hin, daß wir 1974 mit rund 15 Millionen eingerichteten Fernsprechanschlüssen in unserem Lande zu rechnen haben. Wir hätten dann einen Zustand erreicht, der die Bundesrepublik mit einer fernmeldetechnischen Einrichtung für unsere Bevölkerung so ausstattet, wie es heute in manchen Industrieländern schon erreicht ist. Das wär also gar nichts Besonderes.Aber hier liegt die große Aufgabe. Hier drückt sich auch aus, was mit diesem Unternehmen zu verbinden ist. Dies ist eine große Herausforderung, der sich die Deutsche Bundespost stellt. Sie weiß, daß sie nur durch einen ständigen Erneuerungsprozeß ihren Leistungsstandard halten und das hohe Ansehen bewahren kann, das sie nicht nur im Lande, sondern auch weltweit besitzt. Sie wird nicht versuchen, im Zeitalter der Satelliten Vorstellungen und Bedingungen des Postkutschenzeitalters zu konservieren. Die Post aus Großvaters Zeiten ist tot, und sie kann auch von niemandem zu neuem Leben erweckt werden oder in ihrer alten Form erhalten bleiben.In dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf ist die Marschrichtung für den künftigen Weg der Deutschen Bundespost vorgezeichnet. Diese Richtung ist im wesentlichen durch zwei Prinzipien bestimmt, erstens durch die Trennung von Unternehmensleitung und politischer Aufsicht, zweitens durch die Stärkung der selbstverantwortlichen und unternehmerischen Initiative.Erlauben Sie mir, dazu ein paar kurze Bemerkungen zu machen. Der Leiter des Wirtschaftsunternehmens Bundespost ist seit Jahrzehnten ein Kabinettsmitglied, also der Inhaber eines politischen Mandats. Das hat, ob wir es zugeben oder nicht, zwangsläufig zur Folge, daß in die Bundespostpolitik auch beachtliche äußere politische Einflüsse mit hineinwirken. Solche Einflüsse machen das Unternehmen schwerfällig, sie stören seine wirtschaftliche Entfaltung und Entwicklung, weil mit ihnen auch Abhängigkeiten von politischen Überlegungen im Vordergrund stehen.Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß in einem Unternehmen, das allen Bürgern des Landes zu dienen hat, die Politik draußen vor der Tür zu bleiben hat. Mit der Trennung von Unternehmensleitung und politischer Aufsicht wird ein Weg beschritten, der vom politischen Mandat des Postministers wegführt und der hinführt zum künftigen Vorstand und Aufsichtsrat, die das Unternehmen zu leiten haben. In diesem Punkt sehe ich auch eine der wesentlichen Aufgaben, die zu leisten ist, und eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß die unternehmerischen Kräfte der Bundespost mit dem Ziel gestärkt werden, unserer Gesellschaft ein Optimum an Dienstleistungen mit einem Minimum an Aufwand zur Verfügung zu stellen.Es kommt noch ein weiteres hinzu. Ich traue mir persönlich-, wie wir alle, eine ganze Menge zu. Ich halte es aber persönlich nicht für tragbar, daß ein derart großes Unternehmen mit einer so vielseitigen Aufgabenstellung von einer einzigen Person verantwortlich geleitet wird. Ich bin auch nicht der Überzeugung, daß irgend jemand das als Person kann; das überschreitet und übersteigt ganz einfach die Kräfte eines einzelnen. Wenn ein Unternehmen in der Wirtschaft mit 30 000 Beschäftigten in der Regel einen Vorstand hat, der sich aus sechs, neun oder wieviel auch immer Personen zusammensetzt, dann kann ein Unternehmen mit rund einer halben Million Beschäftigten nicht leichterdings von einer Person geleitet werden, ein Unternehmen, wie es die Deutsche Bundespost heute darstellt, das mehr Beschäftigte hat als der gesamte deutsche Kohlenbergbau, nämlich doppelt so viel.Dazu kommt noch ein weiterer Mangel; ich nenne es jedenfalls so. Das ist ein Mangel in der Kontinuität der Unternehmensleitung. Es ist nicht gut, daß die Leitung dieses Unternehmens, daß dieser eine Mann je nach den Wechselfällen der politischen Entwicklung unserer Demokratie dann auch noch alle paar Jahre ausgetauscht wird. Es ist zwangsläufig, daß das geschieht, aber das ist nicht gut für das Unternehmen. Ein einzelner Mann kann ein solches Unternehmen schon nicht gut leiten, erst recht nicht dann, wenn dieser eine Mann noch, wie es in den letzten 20 Jahren geschehen ist, mindestens sechsmal ausgetauscht wird.Die Bundespost braucht eine Leitung, die der eines Großunternehmens in der Wirtschaft vergleichbar ist. Sie braucht einen Vorstand, der aus guten Sachkennern der Unternehmensleitung besteht, und sie braucht außerdem einen Aufsichtsrat, dessen Befugnisse wesentlich weiter gehen als die des bisherigen Verwaltungsrats. Beides ist in dem vorliegenden Gesetzesentwurf vorgesehen.Sie wissen, daß der Bundesrat eine stärkere Vertretung im Aufsichtsrat wünscht. Hinzu kommt der Wunsch des Personals der Deutschen Bundespost auf ebenfalls stärkere Beteiligung im Aufsichtsrat. Ich gehe davon aus, daß beide Fragen bei den Beratungen der Gesetzesvorlage in den Ausschüssen des Bundestages eine Rolle spielen werden und dort noch einmal betrachtet werden.Die Trennung von Unternehmensleitung und politischer Aufsicht und die geänderte Struktur der Unternehmensleitung allein reichen aber noch nicht aus, die Bundespost für die großen Aufgaben bereitzumachen, vor denen sie in der Zukunft steht. Es müssen noch einige Maßnahmen hinzukommen. Dazu gehört im besonderen die Finanzverfassung des Unternehmens, die das Eigenkapital der Bundespost auf einen Stand bringt, der dem großen Wirtschaftsunternehmen vergleichbar ist. Solange das Eigenkapital nicht eine Größe erreicht hat, wie sie in vergleichbaren Unternehmen der Wirtschaft vor-
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Bundesminister Leberhanden ist, nämlich ein Drittel des Gesamtkapitalsdies ist vorgesehen , soll der Bund auf die ihm geschuldete Ablieferung verzichten. Ich bin mit meinem Kollegen, dem Herrn Bundesminister der Finanzen, darüber einig, und ich bin ihm dafür dankbar, daß er diesen schwierigen und dornigen Weg der Entwicklung der Vorlage mitgegangen ist.
— Wir kommen wenigstens, Herr Kollege Stücklen; bis jetzt war das ja überhaupt schwierig. Aber Sie werden das alles noch verbessern können. Ich hoffe sehr auf Sie.
— Das habe ich bis jetzt mit keinem Wort bestritten, oder wollen Sie etwas provozieren?
Schließlich wird die Bundespost eine größere Bewegungsfreiheit im Personalbereich benötigen. Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, die Bestimmungen der Regierungsvorlage ständen der Absicht entgegen, die Beamtenbesoldung zu vereinheitlichen. Die Bundesregierung und mit ihr der derzeitige Postminister denken nicht daran, für die Bundespost ein eigenes, autonomes, von den allgemeinen Regeln abweichendes Dienstrecht zu schaffen. Aber wenn von der Bundespost Leistungen verlangt werden, die in einer herkömmlichen Verwaltung, in einem Landratsamt, in einem Amtsgericht, in einer Bezirksregierung oder auch in einer Bundesverwaltung nicht üblich sind, dann muß die Post auch in die Lage versetzt werden, sich der jeweiligen Leistung entsprechend, also leistungsgerecht, verhalten zu können.
Die Post von heute ist keine öffentliche Verwaltung mehr, auch nicht mehr so etwas Ähnliches wie eine öffentliche Verwaltung. Man darf sie auch nicht weiter allein in dieses Schema pressen und ihre spezifischen Probleme, die von denen der öffentlichen Verwaltung abweichen, zusammendrängen und zurechtpressen wollen in der Waffeltorte, in der üblicherweise die Bedingungen, die im allgemeinen in Verwaltungen üblich sind, gepreßt werden. Durch das, was hier vorgesehen ist, wird die himmlisch hohe Philosophie von der Einheit des Beamten- und Besoldungsrechts nicht in Frage gestellt. Es wird aber versucht, die irdischen und die sehr erdnahen täglichen postalischen Probleme einer großen Leistungsgemeinschaft auf eine bessere Basis zu stellen.Das, was wir hier mit dem größten deutschen Unternehmen beginnen, liegt seit Jahren gewissermaßen in der Luft. Auf Wunsch des 4. Deutschen Bundestages wurde vor mehr als 5 Jahren von einer Sachverständigenkommission ein Gutachten ausgearbeitet. Daraus sind damals keine Konsequenzen gezogen worden,
obwohl das Gutachten gut war.Ich habe gemäß dem Antrag der Regierungserklärung Ende 1969 eine Kommission berufen, die einen neuen Anlauf genommen hat. Dieser Kommission haben auch Damen und Herren aller Fraktionen dieses Hauses angehört und in sachverständiger und guter Weise mit den übrigen berufenen Mitgliedern dieser Kommission eine meiner Auffassung nach brauchbare und gute Vorlage entwickelt. Darauf basiert der dem Hohen Hause heute vorgelegte Gesetzentwurf. Die Bundesregierung verbindet große Hoffnungen damit, daß der Entwurf des Gesetzes heute in die Hände des Deutschen Bundestages gelegt wird.
Meine Damen und Herren, damit hat die Bundesregierung die Vorlage eingebracht.
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weber .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Frage der Umwandlung der Deutschen Bundespost haben sich fast alle bisherigen Bundesregierungen befaßt. Sie sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß bei der Bedeutung der Deutschen Bundespost ein Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen notwendig ist. Auch die Bundesregierung der Großen Koalition war der Auffassung, daß die Deutsche Bundespost als selbständiges Ministerium beibehalten werden sollte. Sowohl die staats- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte als auch die Fragen der Organisation, der Betriebswirtschaft, des Personalwesens, des Haushaltsrechts und der Investitionspolitik wurden in eine umfangreiche Prüfung einbezogen. Bei dieser Untersuchung ist man seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, daß die von der damaligen Sachverständigenkommission aufgezeigten Zielsetzungen auch ohne eine Änderung der Organisationsform der Deutschen Bundespost erreicht werden können.Gleichwohl hat die jetzige Bundesregierung bald nach ihrem Amtsantritt am 17. Dezember 1969 die Kommission Deutsche Bundespost berufen, die ein Modell für eine Umstrukturierung der Bundespost erarbeitet bat. Dieses Modell lag den Beratungen im Kabinett wohl zugrunde. Was im Regierungsentwurf, der uns in der Drucksache VI/1385 vorliegt, dann aber herauskam, weicht in entscheidenden Punkten vom Kommissionsentwurf ab. Die CDU/CSU wird den Regierungsentwurf in den Ausschußberatungen, die mit ausführlichen Hearings verbunden sein werden, sorgfältig prüfen und dort zu den Einzelfragen Stellung nehmen. Daß meine Fraktion erhebliche Bedenken und Vorbehalte hat, kann aber schon jetzt gesagt werden.Bedenken müssen aber auch bei demjenigen entstehen, der den Entwurf an der Zielsetzung der Bundesregierung mißt, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 wie folgt umschrieben hat — ich darf das gleiche Zitat wie der Herr Bundespostminister verlesen —:
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Weber
Das Post- und Fernmeldewesen kann seine Aufgaben für unsere Gesellschaft besser erfüllen, wenn die ministerielle Aufsicht sich auf das politisch Notwendige beschränkt. Dadurch wird die Eigenständigkeit der Bundespost gestärkt und eine wirtschaftliche Unternehmensführung erleichtert. Die Veränderungen werden den Rechten der Postbediensteten ebenso wie den Interessen der Postkunden gerecht werden.Wer sich nun mit dem zur Diskussion stehenden Regierungsentwurf eingehend auseinandersetzt, stellt sich allerdings vergeblich die Frage, inwieweit diesen Zielsetzungen im Entwurf Rechnung getragen ist. Auf den ersten Blick erweckt der Regierungsentwurf zwar den Anschein, eine wirkliche Reform der Deutschen Bundespost einzuleiten — allerdings nur auf den ersten Blick. Der zweite Blick zeigt, daß das Wort „Reform" hier offensichtlich nicht ganz am Platze ist; denn Reform bedeutet ja schließlich, das Bestehende so umzugestalten oder so zu ordnen, daß es entscheidend verbessert wird. Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt diese Forderungen im Grundsatz aber nicht.Die vorgesehene neue Organisationsform — die Trennung von Leitung und Aufsicht — beinhaltet weder eine Besserstellung des Personals der Deutschen Bundespost noch eine Verbesserung für die Allgemeinheit.Die Deutsche Bundespost — das muß hier auch einmal gesagt werden — ist eine der modernsten Postverwaltungen in der Welt, deren international führende Stellung unbestritten ist. Ihr hat es trotz ihrer bisherigen Organisationsform nie an Flexibilität und der rechtzeitigen Erkenntnis der Entwicklungstendenzen für die einzelnen Dienstzweige gefehlt. Ich erinnere an den Telex-Dienst, an die Einführung der Postleitzahlen und die frühzeitige Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung, um nur drei Beispiele zu nennen.Durch eine Trennung von Unternehmensleitung und -aufsicht wird unsere Post — so meine ich — kaum funktionsfähiger. Sie wird höchstwahrscheinlich auch nicht billiger und nicht schneller; eher schwerfälliger durch eine Verlängerung des Instanzenweges. Insbesondere auch die in der Regierungserklärung angestrebte Eigenständigkeit der Post wird durch die weitgehenden Eingriffrechte des zuständigen Ministers, vor allem aber durch die Beibehaltung der ständig beklagten Einflüsse der anderen Ressorts auf die Post nicht verbessert. Der in § 20 Abs. 3 des Entwurfs aufgeführte Katalog zeigt das wohl in aller Deutlichkeit.Gerade in diesem Punkt läßt ein Vergleich des Kommissionsentwurfs mit dem heute vorliegenden Regierungsentwurf unschwer erkennen, daß eine ganze Reihe von Fragen, die für die Post und für ihr Personal von Bedeutung sind, während der Kabinettsberatungen offenbar nicht die notwendige Resonanz gefunden hat. Bei vielen entscheidenden Fragen soll es nach der Vorstellung der Regierung vom Einvernehmen des Innen-, Finanz- oder Wirtschaftsministers abhängig gemacht werden, ob und in welchem Umfang die Beschlüsse des Aufsichtsrats verwirklicht werden können. Man muß fragen: Wo ist hier die größere Selbständigkeit? Wo wird hier die Eigenständigkeit der Bundespost gestärkt? Da kann selbst der geneigte Leser nur Fehlanzeige konstatieren.
— Ich stelle überhaupt keinen Antrag. Ich versuche nur, den Entwurf an der Zielsetzung in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers zu messen. Wir haben ja darüber gesprochen, und wir werden noch weiter darüber sprechen müssen: Wenn wir reformieren, dann streben wir eine Verbesserung an, dann wollen wir nicht den gegenwärtigen Zustand beibehalten.
Das können wir nicht nur hinsichtlich der Finanzfragen und der Gebührenpolitik feststellen — gerade bei der Gebührenpolitik haben wir jetzt leider wieder gesehen, wie verschieden die Vorstellungen des Post- und des Wirtschaftsministers sein können; das ist übrigens in früheren Zeiten auch schon so gewesen, wie man fairerweise hinzufügen muß —, sondern auch im besoldungsrechtlichen Bereich. Nicht einmal über Zulagen und Belohnungen, die in den Besonderheiten des Post- und Fermeldewesens mit seinen Dienstleistungen an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit begründet sind, darf die Deutsche Bundespost allein entscheiden. Von einer größeren Selbständigkeit kann daher auch hier meines Erachtens nicht die Rede sein. Kurzum, der Inhalt bleibt der gleiche, nur die Verpackung soll geändert werden.Mit Erstaunen und etwas Verwunderung muß man auch zur Kenntnis nehmen, daß entgegen den Vorstellungen, die führende Vertreter der SPD seit langem zur Mitbestimmung entwickelt und geäußert haben, die Vertreter der Postbediensteten im Aufsichtsrat nur ein Drittel der Sitze erhalten sollen.
— Das habe ich nicht behauptet. Wir werden am kommenden Montag und Dienstag einen Parteitag haben; da werden Sie hierzu unsere Stellungnahme erfahren. Ich darf aber hier doch wohl fragen, ob dem Kabinett bei seinen Beratungen vielleicht das Biedenkopf-Modell nicht ganz gegenwärtig gewesen ist. Das ist doch wohl eine Frage, die erlaubt ist. Oder sollten hier gar andere Kräfte gewaltet haben?
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch anmerken, daß die CDU bei den Beratungen im Ausschuß unabhängig von ihrer grundsätzlichen Einstellung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf darauf achten wird, daß für das Personal der Deutschen Bundespost aus dem Vorhaben der Regierung keinerlei Verschlechterungen resultieren, weder im Status noch im sozialen Bereich.
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Weber
Welche Vorteile hätten nun die Postkunden durch die neue Postverfassung? Würden sie in Zukunft bei dem größten Dienstleistungsunternehmen Europas, dessen Bedeutung für den einzelnen Bürger und die Wirtschaft immer mehr zunimmt — der Herr Postminister hat ja soeben auch Zahlen genannt —, besser und billiger bedient werden? Ich glaube nicht; denn eine Verbesserung der Leistungen der Deutschen Bundespost durch die Einführung einer neuen Verfassung ist kaum zu erwarten. Nach dem Gutachten der Sachverständigenkommission vom 6. November 1965 ist unsere Post ein gut durchrationalisiertes Unternehmen, so daß auch eine Umstrukturierung der Führungsspitze nicht zu einer Kostensenkung und einer etwa daraus folgenden Gebührenermäßigung führen würde. Im Gegenteil, neben den ständig steigenden Sachkosten und den höheren Ausgaben für Löhne und Gehälter, die wohl in absehbarer Zeit zu einer Gebührenerhöhung führen werden, um das wachsende Defizit der Deutschen Bundespost wenigstens teilweise auszugleichen, würde meines Erachtens zum mindesten im personellen Bereich dazukommen, daß der Verwaltungsapparat durch die Bestimmungen im Regierungsentwurf nicht nur schwerfälliger und umständlicher, sondern durch die damit verbundene Vierstufigkeit auch teurer werden könnte.Ich darf vielleicht mit diesen wenigen Punkten, die ich jetzt schon, ohne ins Detail gehen zu können, angeschnitten habe, deutlich machen, daß dieser Entwurf der Bundesregierung schwache Stellen hat. Er hat schwache Stellen nicht nur im Vergleich zu den Forderungen der Deutschen Postgewerkschaft und den Vorstellungen des Deutschen Postverbandes — auf den Widerstand dieser beiden Verbände, die immerhin mehr als 80 % des Postpersonals repräsentieren, stößt der Entwurf ja auch —; dieser Entwurf hat vor allen Dingen, und das scheint uns das Wichtige zu sein, schwache Stellen gegenüber dem Entwurf der von Herrn Minister Leber eingesetzten Kommission. Wir wollen gar nicht bestreiten, daß z. B. in bezug auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Deutschen Bundespost im Absatz 4 des § 20 bei der Übernahme politischer Lasten vertretbare Überlegungen in den Regierungsentwurf Eingang gefunden haben. Sie werden im Ausschuß sicherlich unter positiven Aspekten ausführlich diskutiert werden. Ich möchte aber anmerken, daß diese Änderungen z. B. gerade in diesem Punkte nicht unbedingt und zwangsläufig mit einer Änderung der Führungsspitze der Deutschen Bundespost einhergehen müssen. Es scheint aber auch unbestritten zu sein — und darüber, meine Damen und Herren, werden wir noch viel sprechen müssen —, daß der gesamte Komplex der politischen Abhängigkeit der Post durch diesen Entwurf nicht verbessert wird. Ich bin anderer Ansicht als Sie, Herr Minister, der Sie vorhin sagten, die Politik bleibe draußen vor der Tür. Ich bin der Meinung, sie sollte draußen bleiben. Nach diesem Entwurf wird sie nicht draußen bleiben. Ob es überhaupt möglich ist, sie draußen zu halten, ist eine weitere Frage.Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich zum Schluß noch sagen, was ich zum Anfang gesagt habe: daß wir diesen Entwurfan dem messen, was der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat. Schließlich ist es ein Reformvorhaben dieser Regierung, ein Reformvorhaben allerdings, das nicht viel Neues bringt, eine Änderung ohne wesentliche Fortschritte. Die Beratungen im Ausschuß werden zeigen, was man daraus machen kann.
Meine Damen und Herren, auch der Herr Kollege Weber hat seine erste Rede in diesem Hohen Hause gehalten. Ich darf ihn dazu beglückwünschen und ihm alles Gute in seiner weiteren parlamentarischen Arbeit wünschen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuttke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entsprechend der Regierungserklärung hat das Kabinett am 30. Juli 1970 den Gesetzentwurf über die neue Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost verabschiedet. Heute wird dieser Entwurf in der ersten Lesung behandelt, und ich darf sagen, daß meine Fraktion die Vorlage begrüßt, zumal schon seit Jahren über die Notwendigkeit der Prüfung der Verhältnisse bei der Deutschen Bundespost kein Zweifel bestand.
Auf die Ausführungen meines Herrn Vorredners möchte ich nur ganz kurz eingehen; denn daß die Opposition mit der Vorlage nicht einverstanden ist, war abzusehen. Es wäre ja das erste Mal, daß sie etwas schon zu Beginn der Beratung bejaht.
— Herr Stücklen, Sie hätten seinerzeit die Reform beginnen können, als das Gutachten vorlag. Dann wären wir heute schon ein ganz schönes „Stücklen" weiter.
Ob es uns gelingen wird, die Oppositionsfraktion von der Notwendigkeit dieser Reform zu überzeugen, werden die Beratungen zeigen. In der Frage der Besetzung des Aufsichtsrats steht jedenfalls fest, daß Herr Kollege Weber konträr zur Auffassung von Dr. Dollinger ist, der, wie ich aus der Presse entnehmen konnte, das Personal schon bei einer Drittelparität überrepräsentiert sieht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Weber?
Ja, bitte schön.
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4970 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Herr Kollege, haben Sie mich vorhin richtig verstanden? Ich habe gesagt, es sei verwunderlich und etwas erstaunlich, daß sich der Regierungsentwurf nicht etwas mehr dem Biedenkopf-Modell angenähert habe. Auf den Zwischenruf Ihres Kollegen Dr. Schäfer, der mich gefragt hat, habe ich geantwortet, wir seien in der kommenden Woche auf einem Parteitag, wo wir in diesen Fragen der Mitbestimmung unsere Stellung beziehen würden. Sie haben sicherlich, wenn ich fragen darf, nicht gehört, daß ich gesagt hätte, ich sei der Auffassung, daß hier paritätisch verfahren werden müsse.
Herr Kollege Weber, wenn Sie sich über den Regierungsentwurf wundern, werden Sie mir doch gestatten, daß ich mich über die Ausführungen Ihres Kollegen Dr. Dollinger wundere.
— Ja, Sie stecken recht oft Wunderkerzen an.Bereits im Jahr 1965 lag ein Sachverständigengutachten über die Deutsche Bundespost diesem Hause vor. Aufgabe der betreffenden Kommission war es, zu untersuchen, wie die Deutsche Bundespost auf die Dauer in optimaler Weise und ohne Defizit ihre Aufgaben erfüllen könnte.
Schon damals wiesen die Sachverständigen darauf hin, daß nur durch gründliches Umdenken über eine Neuordnung eine Gesundung der Deutschen Bundespost erfolgen kann.Die sozialliberale Koalition hat sich nicht nur bemüht, gründlich umzudenken, sie hat auch gehandelt und erstmals einen Gesetzentwurf für eine neue moderne Postverfassung vorgelegt. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß diese Regierung nicht nur von Reformen spricht, sondern sie auch durchführt.
— Sie haben manchmal ähnliches kritisiert, Herr Kollege, und das war wesentlich dünner.
Es ist ja nicht so, daß heute in der ersten Lesung zum erstenmal in der Öffentlichkeit über eine neue Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost gesprochen wird. Wie brisant das Thema ist, spiegelt das Echo aus der Öffentlichkeit wider. Das Interesse ist weit gespannt, schon heute haben Verbände und Vereine, Unternehmen und Gewerkschaften unaufgefordert Stellung bezogen und sich geäußert. Wissenschaftler und Politiker haben Meinungen kundgetan, Bedenken geäußert und Anregungen gegeben. Es kann nicht Sinn der ersten Lesung sein, diese Äußerungen und Beiträge auszuwerten, denn dazu ist die Zeit noch zu früh. In den kommenden Wochen werden sich Arbeitskreise und Ausschüsse mit dieser Vorlage eingehend befassen. Hierbei wird dann auch das vorliegende Material gesichtet werden. Verwertbare Beiträge werden ihre Beachtung finden. In zwei öffentlichen Anhörungen im Monat März werden die verschiedenen Interessenvertretungen zu Wort kommen und ihren Standpunkt eingehend darlegen können. Dadurch wird die breite Basis für eine hoffentlich fruchtbringende Diskussion geschaffen. Deshalb meine ich, daß heute ein Beitrag, der sich in Einzelheiten zum Für und Wider der Postverfassung ergeht, verfrüht ist. Eine endgültige Meinungsäußerung wird erst später erfolgen.Grundsätzlich kann ich jedoch schon heute erklären, daß sich bei den Beratungen innerhalb der SPD-Fraktion volle Übereinstimmung über die Frage der Notwendigkeit einer Reform der Deutschen Bundespost ergab. Begrüßt wird die Absicht, die ministerielle Aufsicht auf das politisch notwendige Maß zu beschränken und
die Post als Unternehmen zu betrachten und zu leiten. Die Absicht, die Eigenständigkeit der Bundespost zu stärken und die wirtschaftliche Unternehmensführung zu erleichtern, findet unseren ungeteilten Beifall. Die Post steht im Wirtschaftsleben und ist ökonomischen Gesetzen unterworfen. Deshalb muß das Prinzip der Wirtschaftlichkeit eine Maxime sein.Herausgehoben werden muß auch, daß die neue Verfassung den bei der Deutschen Bundespost Beschäftigten in gleichem Maße gerecht werden soll wie den Interessen der Postkunden. Diese Aussage erhält besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, daß die Deutsche Bundespost mit über 480 000 Beschäftigten nicht nur das größte Unternehmen in der Bundesrepublik, sondern in ganz Europa ist. Dabei ist zu sagen, daß die Wahrung der Belange des Personals z. B. erheblichen Einfluß auf die Frage des erforderlichen qualifizierten Nachwuchses für dieses große Unternehmen haben wird.Besonders begrüßenswert erscheint uns die im Gesetz dargelegte Absicht, die Kapitalstruktur zu verbessern. Die Stärkung und Festigung der Eigenkapitaldecke ist erforderlich, wenn man bedenkt, daß das Eigenkapital der Bundespost von 75% im Jahre 1950 auf 13,8 % im Jahre 1965 zurückgegangen und bis heute wieder auf 21,8 % angestiegen ist. Das Gesetz sieht eine Eigenkapitaldecke von 33 1/3 % vor.Bei den kommenden Beratungen werden die Richtlinien der Unternehmenspolitik, der Finanzverfassung und der Personalverfassung eine zentrale Rolle spielen. Es ist schon jetzt erkennbar, daß wir die Beschlußrechte des Aufsichtsrats vorrangig in die Diskussion einbeziehen werden. Hier geht es darum, daß die Befugnisse des Aufsichtsrats verstärkt werden, damit ihm die Möglichkeit einer echten Kontrolle eingeräumt wird. Auch die Ver-
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Wuttketeilung der Aufsichtsratssitze auf die verschiedenen Gruppen muß eine allen Anforderungen gerecht werdende Regelung erfahren. Ich sage das besonders im Hinblick auf die Personalvertreter im Aufsichtsrat und lehne eine Aussage ab, die im Zusammenhang mit der Postverfassung gemacht wurde, daß nämlich derjenige, der der Allgemeinheit dient, nicht mitbestimmen soll, wie er ihr zu ,dienen hat.
Sicherlich wird die Einflußnahme anderer Ressorts auf die Bundespost ebenfalls ausdiskutiert werden müssen. Optisch sieht das zur Zeit so aus, daß wohl die politische Einflußnahme auf das Unternehmen Bundespost auf ein Mindestmaß beschränkt wird, daß sich aber an der Abhängigkeit ides Personals dieses Unternehmens nichts geändert hat. Es wird begrüßt, daß sich eine Regelung abzeichnet, die die Beteiligung anderer Ressortminister nur an der Ausübung des Genehmigungsrechts durch den zuständigen Minister, eben den Minister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, bei im Gesetz festgelegten Tatbeständen vorsieht.
Ich habe nun doch einige Kriterien aus der Gesetzesvorlage anklingen lassen. Ich sprach von einem weit gespannten Bogen, von einer Fülle von Material für die Diskussion um dieses Gesetz. Die Spannweite der Diskussion wird die Broschüre des Verbandes der Postbenutzer, die mit den Worten „Willkür gesetzlich geschützt" überschrieben ist, ebenso einbeziehen wie das Bekenntnis der Deutschen Postgewerkschaft, die ihre Forderungen mit den Worten „Für eine moderne Postverfassung" überschreibt. Ich kann für meine Fraktion nochmals unterstreichen, daß wir die Gesetzesvorlage im Grundsatz voll bejahen, daß wir die Aussage in der Regierungserklärung mit in die Tat umsetzen wollen und dazu beitragen werden, daß die neue Rechtsform der Deutschen Bundespost den Postkunden ebenso wie den Interessen des Personals gerecht werden wird.Wir bitten, den Gesetzentwurf der Bundesregierung wie vorgeschlagen an die Ausschüsse zur Beratung zu überweisen, damit wir mit der Arbeit beginnen können.
Herr Kollege Wuttke, auch Ihnen herzlichen Glückwunsch des Hauses zur Jungfernrede!
Das Wort hat der Abgeordnete Kienbaum.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Das Regierungsprogramm enthielt als Vorhaben — in etwas anderen Worten formuliert —: Modernisierung der Post, Weiterentwicklungihrer Führungsstruktur, Ausbau unternehmerischer Flexibilität. Die jetzige Gesetzesvorlage leitet die eigentliche Gestaltungsarbeit des Parlaments ein. Die erste Lesung bietet die Gelegenheit — unter Verzicht auf Details — zur Präsentation wichtiger Anliegen. Ich darf die Anliegen der FDP vortragen.Es ist schon zum Ausdruck gekommen, daß die Deutsche Bundespost das Unternehmen mit dem größten Jahresumsatz in der Bundesrepublik ist. Hier wurde bisher nicht vorgetragen, daß die zwei großen Zweige der Geschäftstätigkeit durch einen völlig unterschiedlichen Verlauf der Entwicklung gekennzeichnet sind. Der Postdienst und der Fernmeldedienst unterscheiden sich deutlich. Der Fernmeldesektor kann wachsender Anschlußfrage nicht zeitgerecht folgen. Der Postdienstsektor verzeichnet dagegen schnell wachsende Verluste. Die Vermehrung arbeitssparender Anpassung der Leistungsstrukturen und der Arbeitsabläufe stößt schließlich an Finanzierungsgrenzen, wie der Jahresbericht 1969 der Deutschen Bundespost ausgewiesen hat.Meine Damen und Herren, eine solche Ausgangslage erfordert, gleichgültig, ob es sich um .ein Bundes- oder ein Privatunternehmen handelt, die Überprüfung der unternehmerischen Konzeption. Dazu möchte ich die Vorstellungen der FDP vortragen.Die Post muß in die Lage kommen — so steht es im ersten Abschnitt der Begründung , alle Möglichkeiten der stürmischen technischen Entwicklung im Postdienst wie im Fernmeldedienst in vollem Umfang unternehmerisch zu nutzen. Sie muß berechtigt sein, ihr Leistungsangebot, ihre Leistungsgestaltung den sich fortwährend ändernden Marktbedürfnissen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ anzupassen. Sie muß wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen die Erlaubnis erhalten, mit jedem geeigneten Partner zu kooperieren, um auf diese Weise Doppelarbeit zu vermeiden, Chancen der Arbeitsteilung vermehrt zu nutzen und Verbesserungen für die Wirtschaftlichkeit zu erzielen.Die FDP schätzt die in diesem Maßnahmenpaket enthaltenen Chancen für ,das Unternehmen Bundespost als Ganzes, für seine Mitarbeiter und seine Kunden so hoch ein, daß eine Prüfung des Verfassungsgesetzes, das uns heute vorliegt, auf diese Kriterien in der ersten Lesung gerechtfertigt erscheint. Die Kriterien einer solchen Prüfung, so scheint mir, sind die Führungsstruktur und die vorgesehenen Organe, sind die Verantwortung und die Zuständigkeiten und schließlich die unternehmerische Zielsetzung, die verfügbaren Mittel und die Strategie.Bezüglich der Führungsstruktur war ich über die Darlegungen des Vertreters der CDU/CSU-Fraktion erstaunt. Zur Führungsstruktur und zu den Organen hat er hier vorgetragen, daß in diesem Gesetz etwas ganz Ungewöhnliches vorgesehen sei. In Wirklichkeit ist jedes mittelgroße Unternehmen exakt mit den drei Organen ausgestattet, die hier präsentiert werden. Geschäftsführung oder Vorstand — das ist neu in diesem Gesetz und ist ein eindeutiger Fortschritt.
Der Aufsichtsrat könnte etwa wie bisher der Verwaltungsrat gesehen werden, obwohl dieser Auf-
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Kienbaumsichtsrat eine andere Aufgabenstellung erhält. Dies ist schon von mittelgroßen Unternehmen an allgemein üblich. Ich kann also die Kritik, die Sie hier vorgetragen haben, nicht verstehen. Aber vielleicht werden noch mehr Einzelheiten vorgebracht.Als drittes Organ ist der Gesellschafter vorgesehen, in anderen Fällen die Gesellschafterversammlung, dann nämlich, wenn mehrere Gesellschafter das Kapital aufgebracht haben. Hier ist ein Gesellschafter, der hundertprozentiger Eigentümer ist; es ist der Bund. Das Organ „Gesellschafterversammlung" wird bei einer Reihe von Tätigkeiten — und damit bin ich bei dem Kriterium Verantwortung und Zuständigkeiten — in einer anderen Form wahrgenommen, als Sie das gern hätten.Wenn ich nämlich das, was Sie vorgetragen haben, richtig verstehe, dann möchten Sie als drittes Organ nur einen Mann sehen, der sich vielleicht irgendwann - im Gesetz nicht dargelegt — im Kabinett oder in Einzelgesprächen mit seinen Partnern in der Regierung unterhält, der aber nach dieser Verfassung keiner Verpflichtung unterliegt, sich mit ihnen zu unterhalten und in bestimmten Entscheidungen Einvernehmen zu erzielen.
Das, scheint mir, war Ihr Argument; aber ich lasse mich gern berichtigen.
— Was stört Sie eigentlich daran?
— Entschuldigen Sie mal, haben Sie überhaupt schon jemals ein privatwirtschaftliches Unternehmen und die dort bestehenden Zuständigkeiten des dritten Organs, der Gesellschafterversammlung, in einer Synopse nebeneinandergestellt? Es gibt unzählige Beispiele, in denen Gesellschaftsverträge — und das ist exakt dasselbe, was wir hier in der Verfassung vorlegen — bestimmte Zuständigkeiten aus der Zuständigkeit Organ — Vorstand und aus der Zuständigkeit Organ — Aufsichtsrat herausnehmen. Genau das steht hier in diesen Punkten, den §§ 17 bis 20, und den anderen Bestimmungen. Man kann sich darüber unterhalten, Herr Stücklen, ob das zweckmäßig ist, aber ungewöhnlich ist es nicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen?
Herr Stücklen immer.
Herr Kollege Kienbaum, der Unterschied ist ja der, daß die Absicht besteht, die Organisation der Deutschen Bundespost so zu gestalten, daß sie von politischen Einflüssen frei ist. Jede Maßnahme kann ich mittelfristig anlegen. Das
heißt also: Genau das, was erreicht werden soll,
wird durch Ihre Begründung bewußt nicht erreicht.
Sie sind mir sicher nicht böse, wenn ich darin ganz und gar anderer Auffassung bin. Wir müßten jetzt einen Disput darüber anstellen, was denn eigentlich politischer Einfluß ist und ob beispielsweise der Eigentümer Bund, der nach der uns heute gegebenen Rechtssituation durch die Regierung, das Parlament und den Bundesrat repräsentiert wird, sich jeder Zielsetzung, jeder Richtlinie enthalten sollte.
Gestatten Sie eine zweite Frage des Herrn Abgeordneten Stücklen?
Aber selbstverständlich.
Herr Kollege Kienbaum, glauben Sie, daß es kein politischer Einfluß auf dieses Unternehmen ist, wenn der zuständige Minister, an Kabinettsbeschlüsse gebunden, diesem Unternehmen Zielsetzungen gibt, die mit der betriebswirtschaftlichen Erkenntnis dieses Betriebes nicht im Einklang stehen?
Sie unterstellen einen Fall, den ich erst noch erleben möchte.
Vielleicht haben Sie, weil Sie mehrere Jahre auf diesem Sessel gesessen haben, diesen Einfluß so negativ empfunden.
Aber darüber werden wir uns in Zukunft zu unterhalten haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel?
Herr Kollege Kienbaum, können Sie Herrn Kollegen Stücklen darauf aufmerksam machen, daß, wenn die Bundesregierung dies wirklich wollte, nämlich dem Unternehmen Bundespost Auflagen machen wollte, die betriebswirtschaftlich aus der Sicht der Post negativ sind, dann die Bundesregierung laut ihrem Gesetzentwurf zur Kasse gebeten würde, so daß dieser Fall konstruiert ist und nicht stimmt?
Herr Kollege Stücklen hat ja in der Vergangenheit so negative Erfahrungen gesammelt, daß er dieser Änderung offenbar nicht das nötige Gewicht beimißt.
— Darauf komme ich gleich noch. Die letzten vier Wochen sind ja noch nicht zu Ende.
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KienbaumIch hatte als letztes Kriterium der unternehmerischen Zielsetzung die Mittel und die Strategie erwähnt. Ich will auf Einzelausdeutungen heute in der ersten Lesung verzichten. Aber ich möchte doch klarstellen, daß die FDP mit allem Nachdruck darauf hinwirken wird, daß in der Reihe der unternehmerischen Zielsetzung die beste Problemlösung für den Kunden, für den Markt, seine quantitativen und qualitativen Anforderungen an erster Stelle steht. Das ist sicher kein Dissens zu Ihnen oder zu anderen Partnern in diesem Bundestag. Aber es sollte festgehalten werden, und das scheint mir notwendig zu sein, weil mehr und mehr Dienste dieses großen Unternehmens in Wettbewerbssituationen hineinrücken.Unter der Strategie könnte ich mir als jemand, der beruflich mit Unternehmensgestaltungen zu tun hat, vorstellen, daß die Post mit ihrer bekanntgewordenen Idee, über Leistungszentren die Entfaltung der Leistung und die Produktivitätssteigerung zu verstärken, recht gute Erfolge erzielen wird. Daß sie die modernen Methoden und Instrumente anzuwenden willens ist und das schon tut, ist bekannt. Alle drei Problemlösungen, die Leistungsgruppen, moderne Methoden und Instrumente sind stets das Ergebnis von Ideen, Vergleich von Lösungen und anschließender Verwirklichung von Geist-Arbeit. Sie kann nicht in Verordnungen gefaßt werden, Herr Stücklen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Diese Geist-Arbeit — da sind wir guten Mutes — erwarten wir von dem neu installierten Organ Vorstand, aber auch von den Mitarbeitern der Post wie bisher und, wie ich glaube, wegen Freisetzens von Kräften und ihrer Auswirkungsmöglichkeit sogar verstärkt. Ich sehe die Frustration, von der Sie eben gesprochen haben, und die Frustrationsgefahr effektiv nicht. Wir erwarten diese Geist-Arbeit natürlich auch vom Aufsichtsrat als integriertem Instrument, wenn auch der Aufsichtsrat aus unterschiedlichen Gruppen zusammengesetzt wird, und schließlich von dem Wechselspiel der Organe Vorstand und Aufsichtsrat.Zu prüfen haben wir allerdings, ob das Gesetz etwa unseren Vorstellungen und dem Ziel, das formuliert wurde, nicht entsprechende Hindernisse enthält. Die FDP bewertet die bislang bekanntgewordenen Fragen und auch die Bedenken, die hier und da in der Fachpresse erschienen sind, nicht als solche Hindernisse. Denn bei den bisher vorgetragenen Problemkreisen ging es immer um die Befugnisse des Gesellschafters Bund.Sorgen bereiten der FDP dagegen angekündigte Erhöhungen nahzu aller Postgebühren. Sorgen bereitet vor allem die angekündigte Sprungsteigerung, die sich in den Prozentsätzen von 25 %, von 33 %, von 50 %, in einem Fall von 100 % und im Spitzenfall sogar von 115 % niederschlägt. Die Bekanntgabe solcher Sätze, die noch nicht beschlossen sind und die nach Auffassung der FDP in dieser Form auch nicht beschlossen werden dürfen, zum Zeitpunkt der ersten Beratung des Gesetzes bedauert die FDP. Die Vorhaben der Postverwaltung lassen in diesem Zusammenhang leider nicht erkennen, daß sie die Gefahr einer Abwanderung derNachfrage berücksichtigt. Sie lassen auch nicht erkennen, daß sie der Forderung nach Steigerung der Produktivität den Vorrang vor dem Verlangen nach Gebührenerhöhung einräumt. Die Berücksichtigung beider Kriterien gehört aber zum Selbstverständnis moderner Unternehmenspolitik und Unternehmensführung.Es wird das Hohe Haus daher sicher nicht verwundern, daß die FDP zur Berücksichtigung solcher Wirtschaftlichkeitskriterien die Mitwirkung des Wirtschaftsausschusses beantragt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß als mitberatende Ausschüsse. Wer diesen Überweisungsvorschlägen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
— Das ist der Vorschlag des Ältestenrates. Er liegt hier vor.
— Wollen Sie einen anderen Antrag stellen? — Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Gesetzentwurf schon an eine ganze Reihe von Ausschüssen überwiesen werden soll, von denen man vermuten kann, daß sie für dieses Gesetz in irgendeiner Weise zuständig sind, dann muß man korrekterweise auch den Rechtsausschuß einschalten. Ich sehe nach wie vor nicht ein, was der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen mit diesem Gesetz zu tun hat. Es kann ja sein. daß im Ältestenrat infolge eines falschen Zungenschlags von irgendeiner Seite der vorliegende Überweisungsvorschlag gemacht worden ist. Ich würde sagen, dieser Ausschuß ist zu streichen und an seine Stelle ist der Rechtsausschuß zu setzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Apel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überweisung an den innerdeutschen Ausschuß zur Mitberatung wird deshalb vorgeschlagen, weil dieses Gesetz natürlich auch das Land Berlin betrifft und weil indirekt natürlich auch die Fragen des innerdeutschen Postverkehrs und seiner Gebühren berührt werden. Natürlich kann man darüber hinaus auch weitere Ausschüsse einbeziehen. Ich warne nur davor, das zu tun. Die Be-
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Dr. Apelratung und die Beschlußfassung werden schwerfälliger. Wir Mitglieder des Verkehrsausschusses werden natürlich gutachtlich eine ganze Reihe von Ausschüssen hören. Ich bitte deswegen darum, daß wir bei dem Vorschlag des Ältestenrates bleiben und den Katalog weder einengen noch ausweiten.
Wir müssen zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Stücklen, den Überweisungsvorschlag einerseits zu erweitern, andererseits einzuengen, abstimmen. Wer dem Antrag des Herrn Abgeordneten Stücklen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Überweisungsvorschlag des Ältestenrats ist damit angenommen. Oder muß ich darüber noch einmal abstimmen lassen?
— Wir stimmen jetzt über den Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Kienbaum ab. Wer ohne Einschränkung der bisherigen Überweisungsvorschläge für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hirsch, Dichgans, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Beamtenrechtsrahmengesetzes
— Drucksache VI/775 —
Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache VI/1570 —
Berichterstatter: Abgeordneter Berger
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer diesem Gesetz in dritter Lesung die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Es ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Fahrpersonal im Straßenverkehr
— Drucksache VI/1060 — Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache VI/1624 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haage
Der Herr Berichterstatter ist verstorben; der Ausschuß verzichtet auf eine mündliche Ergänzung des Berichts. Ich rufe in zweiter Lesung die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, Einleitung und Überschrift auf. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Es ist so beschlossen.
Ich rufe die
dritte Lesung
auf. Wird das Wort gewünscht? — Zu einer Erklärung in der dritten Beratung Herr Kollege Haar. Bitte schön!
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gebe ich folgende Erklärung ab.Die vorliegende Fassung des Gesetzes über das Fahrpersonal im Straßenverkehr steht in engem Zusammenhang mit der im März 1969 vom Rat der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Verordnung über die Vereinheitlichung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Seit August 1969 gilt die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Durchführungsverordnung über die Zusammensetzung des Fahrpersonals im Güter- und Omnibusverkehr, die höchstzulässige Lenkzeit, die erforderlichen Ruhepausen und die Verpflichtung zur Kontrollbuchführung. Die Mitgliedstaaten der EWG sind nach Art. 18 dieser Verordnung verpflichtet, die zur Durchführung, Überwachung und Ahndung von Zuwiderhandlungen erforderlichen Vorschriften oder Rechtsverordnungen selbst zu erlassen.Bisher war es nicht möglich, die wirksame Durchführung der vereinbarten Sozialvorschriften zu sichern, Umgehungsversuche zu erschweren oder ihre Mißachtung zu ahnden. Die Lücke wird mit der Verabschiedung des Fahrpersonalgesetzes geschlossen. Steigende Unfallziffern und steigende Kraftfahrzeugzahlen machen es erforderlich, ständig nach neuen und wirksamen Mitteln zu suchen, die der Sicherheit im Straßenverkehr dienen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt nachdrücklich die mit diesem Gesetzentwurf verfolgte Absicht der Bundesregierung, die Harmonisierung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr wirksam zu vollziehen.An Mitglieder des Fahrpersonals dürfen demnach keine Akkordlöhne, Prämien oder Zuschläge gezahlt werden, die sich auf die Kilometer- bzw. Fahrstrecke oder auf beförderte Gütermengen beziehen. Dabei haben die Sozialpartner bestätigt, daß auch sie Vergünstigungen ablehnen, die das Fahrpersonal im Zusammenhang mit der Begrenzung der Lenkzeit zur Erhöhung der Kilometerleistungen an-
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Haar
halten und dadurch Verstöße gegen die Vorschriften über die Fahrgeschwindigkeiten herausfordern. Nicht in den Verbotskatalog fallen Prämien für gute Fahrzeugpflege oder unfallfreies Fahren. Zulässig bleibt auch die Entlohnung von Taxifahrern nach dem erzielten Umsatz. Das Verbot von Akkordlohn wird erst zum 1. Oktober 1971 in Kraft gesetzt werden, damit den Unternehmern und Gewerkschaften ausreichend Zeit zur Verfügung steht, die Entlohnungssysteme neu zu vereinbaren bzw. umzustellen.Die Ausweitung des Kontrollrechts der Gewerbeaufsichtsbehörden auf die Betriebe der Bundesbahn und Bundespost halten wir nicht für erforderlich, da die notwendige Einheitlichkeit der Regelung der Dienstverhältnisse und die Berücksichtigung der Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes bei beiden Sonderverwaltungen sichergestellt ist. Sie haben sich auch bisher bei überregionalen Regelungen bewährt.Der vorliegende Gesetzentwurf sieht Geldbußen, Geldstrafen und Freiheitsstraßen bei Zuwiderhandlungen vor. Die nach der EWG-Verordnung von den Mitgliedstaaten erwarteten wirksamen Maßnahmen werden ergänzt durch die Eintragung von Bußgeldbescheiden und Strafurteilen im Verkehrszentralregister. Bei der Wiederholung von Ordnungswidrigkeiten besteht außerdem die Möglichkeit des Entzugs der Konzession nach den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes. Die Erfahrung zeigt, daß die Androhung solcher Maßnahmen nicht zu umgehen ist.Im Vordergrund müssen aber auch künftig Maßnahmen der Verkehrsaufklärung und Verkehrserziehung stehen, um alle Bevölkerungskreise über Gefahren und Gefahrenabwehr im Straßenverkehr aufzuklären.Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Vehar.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In unseren Bemühungen um eine fortschreitende Harmonisierung der Verkehrspolitik in der EWG spielt das Problem einer Harmonisierung der Sozialvorschriften eine wichtige Rolle. Einseitige Regelungen bringen die Gefahr von Benachteiligungen im Wettbewerb mit sich. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat am 25. März 1969 bestimmte Sozialvorschriften für den Straßenverkehr erlassen, die sich auf die Beschäftigung des Fahrpersonals im Güterverkehr und im Omnibusverkehr auf den Straßen beziehen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist in Ausführung dieses Beschlusses des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom Verkehrsausschuß einstimmig beschlossen worden.
Die CDU/CSU begrüßt diesen Beschluß und damit auch das heute zur Entscheidung anstehende Gesetz. Sie begrüßt es insbesondere deshalb, weil wir glauben, daß mit diesem Gesetz gleichzeitig ein wesentlicher Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen geleistet wird. Im Zuge der Beratungen konnten einige gesetzliche Bestimmungen geändert werden, was meine Fraktion ebenfalls begrüßt. Insbesondere geht es da um das generelle Verbot von Vergütungen für geleistete Fahrstrecken oder Gütermengen. Dazu haben wir im Verkehrsausschuß bei § 2 den Zusatz aufgenommen, daß von diesem Verbot Vergütungen ausgenommen sein sollen, die nicht geeignet sind, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen.
Wir haben im Verkehrsausschuß weiter einstimmig beschlossen, daß der § 6, der sich mit den Strafen befaßt, nicht generell den Unternehmer bestraft, der ein Mitglied des Fahrpersonals in seiner Arbeitskraft oder Gesundheit durch bestimmte Vorschriften gefährdet, sondern daß der Unternehmer nur dann bestraft werden kann, wenn er durch seine Anweisungen nachweisbar ein Mitglied des Fahrpersonals in seiner Arbeitskraft oder Gesundheit schädigt.
Meine Damen und Herren, ich möchte im Namen der CDU/CSU-Fraktion den Wunsch aussprechen, daß auch die übrigen Staaten der EWG solche nationalen Vorschriften, soweit das bisher nicht geschehen ist, schnellstens erlassen, damit auf dem gesamten Gebiet der EWG diese Vorschriften zur Hebung der Verkehrssicherheit im europäischen Raum beitragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Für die Fraktion der Freien Demokraten habe ich zur dritten Beratung des Fahrpersonalgesetzes folgende Erklärung abzugeben.Das heute vorliegende Fahrpersonalgesetz steht in engem Zusammenhang mit der EWG-Verordnung über Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, die unter anderem Vorschriften über die Zusammensetzung des Fahrpersonals im Güter- und Omnibusverkehr sowie über Lenkzeiten und erforderliche Ruhezeiten beinhaltet. Das Fahrpersonalgesetz soll die Rechtsgrundlage schaffen für die Ahndung von Verstößen gegen die EWG-Verordnung, für die Überwachung und die Durchführung der notwendigen Vorschriften.Besondere Beachtung erfuhr in der Beratung der vorliegenden Vorlage der § 2, in dem die Regierungsvorlage ein generelles Verbot von Akkordlöhnen und Fahrtstreckenprämien für das Fahrpersonal vorsah. Es wurde in der Beratung darauf hingewiesen, daß dieses generelle Verbot unter anderem die Möglichkeit von Prämien für Wagenpflege und unfallfreies Fahren ausschlösse. Die Freien Demokraten konnten sich mit den übrigen Mitgliedern des Verkehrsausschusses diesen Einwendungen nicht ganz verschließen und haben das strenge Verbot der Gewährung von Akkordlöhnen gelockert. Dies kommt zum Ausdruck in der Über-
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4976 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Olleschschrift, in der nur vom Verbot bestimmter Akkordlöhne, Prämien und Zuschläge gesprochen wird, aber auch im Text des § 2, in dem es nunmehr heißt, daß Vergütungen ausgenommen sind, die nicht geeignet sind, die Sicherheit zu beeinträchtigen. Die Freien Demokraten sind der Auffassung, daß diese Änderung auch den Taxibetrieben beispielsweise die Möglichkeit gibt, eine Entlohnung ihrer Fahrer zu finden, die den Eigenarten dieses Gewerbes entspricht.Zu § 3, in dem die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften behandelt wird, hatte der Bundesrat vorgeschlagen, daß auch die Betriebe der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost der Aufsicht unterliegen sollen, die für den übrigen gewerblichen Kraftfahrzeugverkehr zuständig ist. Die Freien Demokraten konnten dieser Anregung nicht zustimmen. Sie gehen aber von der Erwartung aus, daß auch hier die gleichen Maßstäbe in der Durchführung der Aufsicht angelegt werden, wie nach diesem Gesetz beim privaten Gewerbe vorgesehen ist.Eine Korrektur gegenüber der Regierungsvorlage hat der Ausschuß auch in § 6 vorgenommen, in dem festgelegt wird, welche Strafen ausgesprochen werden können, wenn der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig Vorschriften über Ruhezeiten usw. verletzt. Eine Gefährdung der Arbeitskraft oder Gesundheit allein soll nunmehr nicht zur Strafverfolgung ausreichen, weil die Gefährdung allein nicht Grundlage für strafrechtliche Sanktionen sein kann. Hier sollen Strafen erst ausgesprochen werden, wenn eine Schädigung der Gesundheit oder der Arbeitskraft des Arbeitnehmers vorliegt.Von Kollegen des Rechtsausschusses wurde Kritik daran geübt, daß hier kriminelle Tatbestände aufgenommen und Strafen vorgesehen wurden; Straftatbestände für kriminelle Vergehen sollten in Zukunft im Rahmen der Strafrechtsreform behandelt werden. Diese Einwände sind gewichtig. Wir waren aber der Meinung, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht verzögert werden sollte.Mit den gegenüber der Regierungsvorlage eingetretenen Veränderungen wird das Fahrpersonalgesetz den Auflagen der EWG-Verordnung zur Harmonisierung gerecht, ermöglicht aber auch den Unternehmern die Einhaltung der in diesem Gesetz enthaltenen Vorschriften trotz besonderer Eigenart vieler Betriebe.Die Freien Demokraten stimmen dem Gesetentwurf in der dritten Lesung zu.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wer dem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt— Drucksache VI/1137 -Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache VI/ 1645 —Berichterstatter: Abgeordneter Schulte
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsklassengesetzes— Drucksache VI/ 1135 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache VI/ 1637 —Berichterstatter: Abgeordneter Susset
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten— Drucksache VI/1333 —
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971 4977
Vizepräsident Frau FunckeSchriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache VI/1644 —Berichterstatter: Abgeordneter Killatvon Coreth
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung— Drucksache VI/695 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache VI/1644 —Berichterstatter: Abgeordneter Killatvon Coreth
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Bitte schön, Herr Kollege Killat-von Coreth.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, daß wir auf dem Vorblatt der Drucksache VI/1644 eine Berichtigung vornehmen müssen. Das Gesetz heißt nicht „Gesetz über Unfallverhütung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten", sondern es muß heißen: „Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten". Das ist später in ,der Drucksachenzusammenstellung richtig ausgedruckt worden.
In diesem Zusammenhang darf ich die Gelegenheit wahrnehmen, auch darauf hinzuweisen, daß wir mit der Einbeziehung der Schüler und Studenten sowie der Kindergärtenbenutzer in ,die gesetzliche Unfallversicherung nicht primär die Versicherungsleistung in den Vordergrund gestellt sehen wollen, sondern daß alle Fraktionen des Bundestages bei den Beratungen im Ausschuß die Erwartung zum Ausdruck gebracht haben, daß die Träger der schulischen Einrichtungen und der Kindergärten mit ihren Berufsgenossenschaften durch gezielte Vorsorgemaßnahmen Unfälle verhüten helfen.
Ich möchte ferner auf folgendes hinweisen. Wir glauben nicht, daß das Schwergewicht der Unfallverhütung allein auf bauliche Maßnahmen in den Schulen, auf Spiel- und Sportplätzen zu legen ist, sondern — das ergibt sich aus der Erfahrung — auf ,die Verkehrssicherung der Schulwege. Die Schulwege werden durch die Zentralisierung länger, und es steht fest, daß sich fast die Hälfte aller schweren Unfälle auf dem Wege zur oder von der Schule ereignet. Mit einer solchen Schwerpunktmaßnahme haben die Gemeinden und auch die Länder die Gelegenheit, mit ihren Trägern der Berufsgenossenschaften die Kosten senken zu helfen.
Frau Präsidentin, ich darf in diesem Zusammenhang auch gleich im Auftrag der Fraktion einen gemeinsamen interfraktionellen Änderungsantrag begründen. Es handelt sich bei dem Antrag auf
Umdruck 100 *) um eine Regelung der Renten für Kinder — ich möchte beinahe sagen: für Kleinstkinder. Nach der Reichsversicherungsordnung wird die Rentenleistung, soweit eine notwendig wird, generell nach dem Erwerbseinkommen festgelegt. Für noch in Schul- und Berufsausbildung stehende Verletzte muß aber eine andere Regelung vorgesehen werden, weil für sie erst nach dem 25. Lebensjahr ein Einkommen zugrunde gelegt wird, 'das ihrer schulischen oder beruflichen Ausbildung entspricht. Für Kinder - und wir haben durch die Einbeziehung von Kindergärten selbst mit Kleinkindern zu rechnen —, für diese Ungelernten wird vorerst, wenn es sich um schwere Beschädigungen handelt, ein Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt, der dem ortsüblichen Lohn nach der Reichsversicherungsordnung entspricht. In dem Schriftlichen Bericht habe ich bereits darauf hingewiesen, daß sich der Ausschuß auch mit der Frage der Ortslohngestaltung für die Zukunft befaßt hat und die Regierung gebeten worden ist, hier eine Prüfung vorzunehmen, weil wir glauben, daß die bisherige Regelung, die seit 1911 besteht, angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr ausreicht und geändert werden muß. Die Bundesregierung hat eine solche Prüfung zugesagt. Mit dem jetzt vorliegenden Änderungsantrag soll insoweit abgewichen werden, daß für die Kleinstkinder und Kinder bei Unfallschäden nicht so unterschiedliche Berechnungsgrundlagen zugrunde ,gelegt werden, wie sie teilweise in den Ortslöhnen heute zum Ausdruck kommen. Die Ortslöhne differieren teilweise zwischen 7,20 DM und 22 DM Tageslohn. Wir sind der Meinung, daß für diese geschädigten Kinder, soweit solche Leistungen in Frage kommen, zwar je nach Alter ein bestimmter Prozentsatz festgelegt, aber für alle Kinder die durchschnittliche Brutto-Lohnund Gehaltssumme als die Grundlage für die Berechnung der Geldleistungen genommen werden sollte, unabhängig davon, an welchem Ort — Berufs-, Wohn- oder Schulort — der Unfall geschehen ist.
Abschließend darf ich vielleicht noch darauf hinweisen, daß durch die Einbeziehung von Schülern, Studenten und Kindergartenbenutzern in die gesetzliche Unfallversicherung mit ihren sozialen Leistungen, mit ihren medizinischen und beruflichen Hilfen sowie ihren Maßnahmen zur Unfallverhütung die soziale Sicherung für die junge Generation gestärkt und auch der Forderung des Bundesgerichtshofs vom November 1968 entsprochen wird, für solche Schäden eine öffentlich-rechtliche Entschädigung sicherzustellen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der zweiten Lesung den § 1 und damit in Verbindung den soeben begründeten Änderungsantrag auf. Wird das Wort dazu begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Umdruck
*) Siehe Anlage 2
4978 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 90. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1971
Vizepräsident Frau Funcke
100 ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich stimme dann über den § 1 in der soeben durch den Änderungsantrag erweiterten Fassung ab. Wer dem § 1 in dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die §§ 2, — 3, — 4, — 5, - Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fuchs.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren. Für die Fraktion der CDU/CSU gebe ich zur Dritten Beratung des Gesetzentwurfs über die Unfallversicherung von Schülern und Studenten sowie von Kindern in Kindergärten folgende Erklärung ab:Die CDU/CSU-Fraktion hat am 28. April 1970 einen Initiativgesetzentwurf eingebracht, der zum Ziel hatte, durch eine entsprechende Änderung der Reichsversicherungsordnung Schüler aller Schulgattungen in die gesetzliche Unfallversicherung einzubeziehen. Die Bundesregierung hat nach der Stellungnahme im Bundesrat dem Bundestag am 30. Oktober 1970 mit Drucksache VI/1333 einen Gesetzentwurf über die Unfallversicherung von Schülern und Studenten zugeleitet. Das Kernanliegen in beiden Gesetzentwürfen ist gleich. Es geht darum, Schüler vor allem bei schweren, lang dauernden, vielleicht sogar lebenslangen Schädigungen einen ausreichenden Unfallversicherungsschutz zu gewähren. Zu einigen Schwerpunkten darf ich kurz Stellung nehmen. Zuvor aber noch ein Hinweis! Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Januar 1967 angeregt, daß für Schüler ein öffentlich-rechtlicher Anspruch für den Fall des Unfalls gegeben wird. Die CDU/CSU-Fraktion war sich darüber im klaren, daß dem entsprochen werden sollte. Außerdem hat der Bundestag am 27. November 1968 einstimmig einen Entschließungsantrag gefaßt, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden ist, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.Meine Damen und Herren! Leider gibt es bei9 Millionen Schülern und etwa 430 000 Studenten immer wieder Fälle, wo durch einen Unfall außerordentlich schwere, Jahrzehnte, vielleicht das ganze Leben lang dauernde Schädigungen erfolgen. Ich glaube, mit einer Versicherungssumme von 100 000 DM kann für Jahrzehnte, vielleicht für 70 Jahre keine entsprechende Ausgleichsregelung getroffen werden. Wenn wir bedenken, daß sich innerhalb von10 Jahren die Einkommen verdoppelt haben und daßin 30, 40 Jahren eine Vervierfachung eintreten kann,dann erkennen wir: es war bis jetzt kein ausreichender Versicherungsschutz gegeben. Wir können das Problem nur lösen, wenn wir diese Fälle in die Regelung der dynamischen Anpassung der sozialen Rentenversicherung einbeziehen.Ich darf auf ein weiteres Moment hinweisen. Sie haben sicher in der Presse öfter gelesen, daß die Frage der Haftpflicht außerordentliche Schwierigkeiten bei der Feststellung gemacht hat, es handle sich um einen schweren Verstoß der Aufsichtsperson; diese war dann regreßpflichtig. Dann ist wiederum das Land eingetreten; aber es waren jahrelange Prozesse die Folge, bei denen dann eindeutig der Betroffene zugleich der Leidtragende gewesen ist. Das wird aber jetzt in der Weise geändert, daß nur mehr bei einer vorsätzlichen Schädigung der Haftpflichtfall gegeben ist. Ich glaube, Vorsatz ist wohl in den aller-, allerseltensten Fällen hier im Spiele.Ich muß noch ein weiteres Argument vorbringen. Bis jetzt waren wohl die Schüler, die Berufsschulen und Fachschulen besucht haben, nach der Reichsversicherungsordnung versichert, nicht hingegen die Schüler allgemeinbildender Schulen. Nun müssen wir feststellen, daß die Grenze zwischen ,diesen beiden Schulgruppen außerordentlich fließend geworden ist, daß z. B. etwa der Berufsaufbauschüler später in die Fachoberschule, die eine allgemeinbildende Schule ist, und dann an die Fachhochschule geht, so daß während seines Schulbesuches unterschiedliche Deckungen gegeben sind. Auch das, glaube ich, muß man bei dieser Frage berücksichtigen.Schließlich, meine ich, sollte auf die Heilbehandlung und auf die Berufshilfe, also die Rehabilitation, besonderer Wertgelegt werden. Dazu sind nun eben die RVO-Kassen ganz besonders eingerichtet. Sie haben entsprechende Erfahrungen und können dadurch sicher auch das Beste für den Geschädigten tun.Auf eines möchte ich allerdings hinweisen. Ich glaube, wir von der CDU/CSU-Fraktion können auch erwarten, daß die etwas enge Auslegung nach der Reichsversicherungsordnung hinsichtlich der ärztlichen Versorgung möglichst liberal gehandhabt wird, d. h. daß z. B. gerade bei Kindern auch die Hausärzte mit herangezogen werden, damit man ihnen möglichst umgehend Hilfe angedeihen lassen kann; denn sonst würde sich das Ganze nicht in dem Sinne auswirken, wie es notwendig ist.Wir stimmen auch der Ausdehnung auf den Bereich der Studenten zu; nur muß darauf hinweisen, daß die Einbeziehung dieser Gruppe nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt, und zwar deswegen, weil die Frage, ob ein Unfall mit einer Lehrveranstaltung in Verbindung steht oder nicht, bei den Studenten an Hochschulen nicht so leicht zu beantworten ist wie im Schulbereich. Ich hoffe aber, daß es hier eine genügend elastische und doch ausreichend klare Abgrenzung gibt.
Schließlich darf ich auch noch sagen, wir stimmen ebenso der Einbeziehung der Kinder in Kindergärten zu. Das war eine Anregung, die vom Bundesrat in der Stellungnahme zum Regierungsentwurf gegeben
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Dr. Fuchsworden ist. Wenn wir bedenken, daß die vorschulische Erziehung der Kinder ein ganz bedeutendes Gewicht erhalten wird, wie übrigens die Bildungsdebatte im Bundestag im vorigen Herbst eindeutig bewiesen hat, dann kann man, glaube ich, dem unbedingt zustimmen.Einen Gesichtspunkt lassen Sie mich noch besonders hervorheben. Das Entscheidende ist sicher, daß man vorbeugt; denn wir können durch den Versicherungsschutz wohl die Folgen erträglicher machen, wir können sie mildern, aber wir können sie leider nicht mehr rückgängig machen. Deshalb gilt hier ganz besonders: Vorbeugen ist besser als Heilen. Ich wünsche auch für die Fraktion, daß gerade auf diesem Sektor die neue Regelung Erfolge aufweisen wird. Ich wünsche und hoffe, daß in dem jährlichen Bericht der Bundesregierung über die Unfallverhütung gerade diesem Sektor des Schulwesens und der Auswirkung, die möglicherweise dieses Gesetz hat, Bedeutung beigemessen wird und daß das dann auch vor dem Hohen Hause erörtert werden kann. Ich meine, die Möglichkeiten, die durch die Reichsversicherungsordnung gegeben sind, sind weitergehend als die teilweise nur über private Abmachungen getroffenen. Die Möglichkeiten müssen ganz ausgeschöpft werden, wenn das Gesetz einen Sinn haben soll.Ein letztes Wort zu den Kosten. Sicher, meine Damen und Herren, das ist immer das Unerfreulichste; aber wenn wir einen ausreichenden Versicherungsschutz haben wollen, dürfen wir die Kosten jetzt nicht einfach als die entscheidende Position betrachten. Ich hoffe, daß durch eine möglichst unbürokratische Verwaltung und durch den Rückgang der Unfälle die Belastungsquote möglichst gering zu halten ist. Das sollte unbedingt der Hauptpunkt dieses Gesetzes sein.Meine Damen und Herren, unter Würdigung dieser Gesichtspunkte kann ich für die CDU/CSU-Fraktion die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf erklären. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß den Schülern und daß den Familien, die betroffen sind, eine große Sorge, wenn nicht abgenommen, so doch wenigstens erleichtert wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Bredl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe die Aufgabe, im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eine Erklärung zum vorliegenden Gesetzentwurf abzugeben.Die SPD-Bundestagsfraktion stellt mit einer gewissen Genugtuung fest, daß mit diesem Gesetzentwurf die im Sozialbericht der Bundesregierung erklärte Zusage, baldmöglichst einen Gesetzentwurf über eine umfassende Sicherung der Schulkinder im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung vorzulegen, zügig verwirklicht wurde; dies um so mehr, als der jetzt vorliegende Gesetzentwurf eine lange Vorgeschichte hat. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat nämlich bereits am 17. Januar 1968 aus Anlaß der Debatte über die Situation des Kindes in der Bundesrepublik einen Antrag an die damalige Bundesregierung gerichtet. Daraufhin hat der Bundestag am 27. November 1968 die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf über die Unfallversicherung der Schulkinder vorzulegen. Leider hat der frühere Bundesarbeitsminister diesem Auftrag des Deutschen Bundestages nicht entsprochen.Der vorliegende Gesetzentwurf ist von erheblicher sozialer, gesundheitspolitischer und auch gesellschaftspolitischer Bedeutung. Von ihm begünstigt werden rund 10,5 Millionen Kinder, Schüler und Studenten, in erster Linie aber auch deren Eltern. Der Gesetzentwurf über die Unfallversicherung für Schüler, Studenten sowie Kinder in Kindergärten beendet endlich den unbefriedigenden und sozialstaatlich bedenklichen Zustand, daß die Betroffenen bei Unfällen sehr unterschiedliche und — besonders bei bleibenden Körperschäden — oft unzureichende Leistungen in den einzelnen Ländern und Gemeinden erhielten. Vor allem die Heilverfahren und die Berufshilfe, die die gesetzliche Unfallversicherung gewährt, wurden im Rahmen der bisherigen Rechtszersplitterung kaum berücksichtigt.Das Gesetz gewährleistet erstmals, daß eine wirksame Unfallverhütung im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung betrieben werden kann. Durch die Einbeziehung der Schüler und Studierenden in den nach der RVO versicherten Personenkreis werden die Unfallversicherungsträger verpflichtet, in Schulen und Hochschulen eine gezielte Unfallverhütung zu betreiben. Wir würden es begrüßen, wenn die Bundesregierung in die jährlich vorzulegenden Berichte über den Stand der Unfallverhütung und des Unfallgeschehens in der Bundesrepublik auch besonders die für Schüler, Studenten und Kinder in Kindergärten getroffenen Unfallverhütungsmaßnahmen einbezöge.Künftig erhalten die betroffenen Kinder, Schüler und Studenten die gleichen Leistungen wie alle anderen Unfallversicherten. Ihre Existenz wird gesichert, sie erhalten eine optimale Heilbehandlung und kommen in den Genuß von Berufshilfemaßnahmen. Bei bleibender Erwerbsunfähigkeit erhalten sie im berufsfähigen Alter eine Versorgung wie vergleichbare Berufstätige. Sie sind damit den Erwerbstätigen, die einen Unfall erleiden, rechtlich und sozial gleichgestellt.Wir sind froh, den Eltern damit große Sorgen abnehmen zu können. Wer die Praxis im sozialpolischen Bereich kennt, weiß, welche Bedeutung und welches Gewicht diese Sorgen der Eltern in der Vergangenheit gehabt haben. Es ist aber auch für Lehrer und Schüler untereinander beruhigend, zu wissen, daß künftig nach einem Unfall nicht mehr die oft sehr schwierigen Rechtsfragen des Verschuldens oder Mitverschuldens mit den bekannten Haftungsfolgen aufgeworfen werden. Insoweit darf ich auf meinen Vorredner verweisen.Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt diesem Gesetzentwurf in Überzeugung zu. Sie ist der Auf-
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Bredlfassung, daß mit diesem Entwurf ein sehr wesentlicher Schritt zur Verwirklichung des Sozialstaats getan wird.
Meine Damen und Herren, auch der Abgeordnete Bredl hat heute zum erstenmal an diesem Pult gestanden. Unseren herzlichen Glückwunsch!
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal habe ich die Ehre und die Freude, zu einem sozialpolitischen Gesetzentwurf als Dritter für die Freien Demokraten die Zustimmung mitzuteilen, einem Gesetzentwurf, der im Ausschuß einstimmig verabschiedet wurde, dem Bundestag vorgelegt wurde und in seiner Substanz schon dadurch begründet ist — um das allen Kritikern und all denen zu sagen, die daran das eine oder andere zu deuteln hatten —, daß er einstimmig verabschiedet wurde, womit deutlich ist, daß es notwendig war, hier etwas zu tun.Die unterschiedliche Situation, die sich bereits vor Jahren für verschiedene Schüler- und Studentengruppen ergab, war auf die Dauer nicht tragbar. Der Gesetzgeber mußte eingreifen, nachdem im Jahre 1968, wie schon gesagt wurde, der Bundestag zunächst einmal den Auftrag gegeben hatte: Jetzt kümmert euch um eine einheitliche Regelung! Leider lief es nicht so, wie wir Freien Demokraten es uns gewünscht hätten, daß sich die Versicherungsträger, die dafür zuständig waren, die Träger der Unfallversicherung für die Schulen, für die Hochschulen zu einer einheitlichen Lösung von selbst zusammengeschlossen hätten. So blieb der Bundesregierung und diesem Hohen Hause nichts anderes übrig, als den Weg zu gehen, den wir allein gehen können, nämlich den über die Reichsversicherungsordnung.Zweifellos wäre es gerade für uns Freie Demokraten besser und angenehmer gewesen, wenn sich die Lösungen von selbst aus der Versicherungswirtschaft heraus in Zusammenarbeit mit den Kommunen und anderen Schulträgern ergeben hätten. Das war aber nicht so. Deshalb ist es vielleicht richtig, wenn ich ein paar der kritischen Bemerkungen, die zu diesem Gesetzentwurf und zu diesen Beratungen gekommen sind, noch einmal kurz aufgreife und dazu Stellung nehme.Da heißt es einmal: trotz Mehraufwendungen keine Besserstellung. Nun, das ist nicht ganz so. Was die Mehraufwendungen betrifft, so wird es in Zukunft in der Tat sicher etwas mehr kosten. Dafür werden aber eben auch die langfristigen Unfallfolgen, die lebenslänglichen Unfallfolgen entsprechend abgesichert sein.
Das scheint doch gerade für ein Kind von vielleicht6 oder 7 oder 12 oder 14 Jahren notwendig zu sein,das für sein ganzes Leben lang nicht mehr seine beruflichen, seine geistigen und anderen Möglichkeiten so ausschöpfen kann wie derjenige, der gesund über diese Schuljahre gekommen ist.Deshalb scheint mir auch der zweite Einwand, die Reichsversicherungsordnung sei ungeeignet, da sie nur Renten und nicht Pauschalleistungen ermögliche, wenig treffend zu sein. Denn was sind 100 000 DM — nehmen wir einmal diesen Höchstbetrag - für das sechsjährige Kind, das auf Grund eines Unfalls querschnittgelähmt wird und möglicherweise sein Leben lang berufsunfähig ist! Da ist nun einmal — leider ist von anderer Seite diese Möglichkeit nicht eher ergriffen worden — die dynamisch an die Unfallversicherung, an die Berufsentwicklungen und an die Lohnentwicklung gebundene Rente das Sichere bis zu seinem Lebensende. Das müssen wir anerkennen und haben wir in diesem Hause auch einstimmig anerkannt.Zum dritten Vorwurf: daß damit ein neuer Schritt zur Verstaatlichung, zur Sozialisierung, zur Einschränkung des privaten Versicherungsbereiches getan worden sei! Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn dem so wäre, hätten wir Freien Demokraten mit Sicherheit diesem Gesetz nicht zugestimmt; denn wir sind der Meinung, daß dort, wo es nur möglich ist, dieser freie Bereich weitgehend ausgeschöpft werden soll
— Moment, Herr Kollege Schulhoff, ich komme gleich auf Sie zurück; Sie geben mir damit das Stichwort —, daß hier die Konkurrenz, die auf dem Markt ist, auch sehr viele Möglichkeiten positiver Art bewirkt hat und bewirken kann. Es bestand ja seit 1968 die Möglichkeit, diesen Bereich auszuschöpfen — das müssen wir auch deutlich sagen — und das ist leider nicht geschehen. Seit 1968 war der Bundestag, war die Bundesregierung aufgefordert, hier etwas zu tun, und alle Fraktionen haben das im Ausschuß einstimmig festgestellt. Das soll nicht bedeuten, daß damit ein neuer Pflock in Richtung mehr Verstaatlichung, mehr Sozialisierung usw. geschieht, Herr Kollege Schulhoff, sondern das bedeutet, daß wir in diesem Bereich — nämlich der Schulkinder und der Studenten —, wo die Lehrer mit eine Verantwortung haben — der Kollege Fuchs hat die Probleme der Haftpflicht in diesem Zusammenhang angesprochen —, wo die Öffentlichkeit, praktisch wir alle, mit Verantwortung haben, wir eben auch eine entsprechende Lösung finden mußten.
— Moment, das ist das Nächste, das auf meinem Waschzettel steht. Ich glaube, daß das auch von der Öffentlichkeit und von den Versicherern der privaten Wirtschaft verstanden wird. Sie haben ihre Chance vielleicht zu spät gesehen — nun gut, dann haben wir eben die Beschlüsse gefaßt.Was mir leid tut, Herr Kollege Schulhoff — und da sind wir uns wieder einig —: daß man den Versicherern nicht die Möglichkeit gegeben hat, vor
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Schmidt
dem Ausschuß ihre Vorstellungen vorzutragen. Ob wir zu einer anderen Lösung gekommen wären, ist eine andere Frage. Herr Kollege Schulhoff, trotzdem muß ich natürlich sagen — es tut mir leid —: dieser Antrag, der von uns gestellt worden ist, ist unter dem Vorsitz des stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses, den Ihre Fraktion stellt, abgelehnt worden.
Ja, Herr Kollege Schulhoff, so war es leider — nachzulesen in dem entsprechenden Protokoll.
Ich hielte es für richtiger — und das möchte ich auch für alle anderen in den Ausschüssen notwendigen Sachverständigenanhörungen sagen —, daß wir wirklich alle betroffenen Kreise, alle damit verbundenen Gruppen in unserer Bevölkerung hören —lieber einen mehr —, weil das Bild, das wir uns dann für unsere Entscheidung machen können, breiter, vielfältiger ist und damit auch unsere Entscheidung besser ermöglicht. Ich hätte diese Anhörung lieber gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das möchte ich noch einmal für die Freien Demokraten sagen. Wir hatten ja auch diesen Antrag gestellt.Ganz besonders begrüßen wir es noch, daß es gelungen ist, eine von uns schon oft vorgetragene Vorstellung mit einzubeziehen, die ursprünglich im Regierungsentwurf nicht vorhanden war, nämlich auch den Weg zum Kindergarten und den Aufenthalt im Kindergarten mit in diese Unfallversicherung für Schüler und Studenten einzubeziehen, weil infolge des Verkehrsgeschehens und auch der Weiterentwicklung der Technik heute leider auch schon in diesem Bereich der Unfall nicht mehr ausgeschlossen ist.Ich darf zum Abschluß die Zahlen anführen: Nach der Vorlage der Bundesregierung wird bei 9 Millionen Schülern mit 172 000 Unfällen und bei 430 000 Studenten mit 17 000 Unfällen gerechnet — von denen natürlich viele ohne Folgen sind und nur ein kleiner Prozentsatz mit langfristigen Folgen verbunden ist. Dennoch zeigen die Zahlen, wie notwendig und richtig es ist, daß wir hier gemeinsam eine Lösung gefunden haben, die denjenigen, die im jungen Alter vor einer Berufsausbildung, vor der Möglichkeit, ihre beruflichen und geistigen Entwicklungsbahnen zu durchlaufen, in einen Unfall verwickelt werden, der sie einschränkt, in ihren Entwicklungen hemmt und behindert, in der Form hilft, wie wir es gemeinsam hier in diesem Ausschuß und anschließend wohl auch in diesem Hohen Hause beschließen werden. Namens der Freien Demokraten stimme ich dem Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulhoff.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will eine kurze persönliche Erklärung abgeben. Ich will den Burgfrieden hier nicht allzusehr stören. Das Stichwort, das ich meinem Vorredner zugerufen habe, war: Man hat die private Versicherungswirtschaft nicht einmal gehört. Darauf ist dann hier der Zwischenruf erfolgt: Ja, aber der Vorsitzende war zu der Zeit ein CDU-Mann.
— Aber Sie kennen mich doch so weit, daß Sie wissen, daß ich das sage, was ich für richtig halte
— gleichgültig, wem ich das sage. — Ich war selbst bei diesem Hearing anwesend, und zwar habe ich hier einen Kollegen vertreten; ich bin nicht ordentliches Mitglied des Ausschusses, sondern Stellvertreter. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, daß einer der sehr stark Betroffenen, nämlich die private Versicherungswirtschaft, nicht zu Wort kam. Ich stellte weiter fest, daß ein Herr, der dort für die privaten Gesellschaften hätte sprechen sollen, dort saß, aber nicht zu Wort kam. Darauf habe ich Herrn Schellenberg gesagt, den ich als Menschen sehr schätze — als Politiker weniger —: Hier sitzt ja ein Herr, der sachverständig ist, lassen Sie ihn doch sprechen! Herr Schellenberg hat in seiner bekannten freundlichen Art nein gesagt.
Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet. Ich
halte das für völlig falsch. Ich hätte mich zugegebenermaßen sonst gar nicht weiter darum gekümmert
— meine Heimat ist der Finanzausschuß — und hätte sonst nichts in der Sache getan. Aber auf diesen Vorfall hin habe ich mir aber von den verschiedenen Gesellschaften die Unterlagen geben lassen und festgestellt, daß das, was Sie für 40 DM anbieten, dort für 20 DM angeboten wird. Ich will nicht den vergleichenden Katalog hier vorlegen. Ich bin auch nicht so sachverständig, um feststellen zu können, ob jeder Punkt, den Sie hier als Vorteil hervorheben, auch wirklich ein Vorteil ist. Aber was hätte es denn geschadet, wenn man den Mann hätte sprechen lassen und dann seine Überlegungen, seine Mitteilungen mit einbezogen hätte? Wahrscheinlich hätte ich auch mit Ihnen gestimmt. So bin ich leider persönlich nicht in der Lage, für das an sich gute Gesetz zu stimmen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Rohde.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie sind im Begriff, ein Gesetz zu verabschieden, dem die Bundesregierung eine große soziale Bedeutung beimißt.Mit dem Gesetz über die Unfallversicherung für Studenten und Schüler sowie Kinder, die Kindergärten besuchen, schaffen wir für über 10 Millionen junger Menschen eine wesentliche Verbesserung
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Parlamentarischer Staatssekretär Rohdeihrer sozialen Sicherung. Die Verbesserungen dieses Gesetzes werden sich schon in diesem Jahr für Kinder und Jugendliche auswirken, denen wir einen eigenständigen Rechtsanspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung schaffen. Die Anregung des Bundesrates, auch die Kinder in Kindergärten in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, betrachten wir als willkommene Ergänzung des Regierungsentwurfs.Der Gedanke, Schülern nach Schulunfällen materielle Hilfe zu gewähren, ist sicherlich nicht neu. In irgendeiner Form hat in vielen Fällen eine Beihilfemöglichkeit für die Eltern verunglückter Schüler bestanden. Aber diese Einrichtungen haben bei schweren Unfällen mit bleibenden Körperschäden nicht ausgereicht, und weitere wichtige Aufgaben, wie Unfallverhütung und Berufshilfe, konnten sie überhaupt nicht durchführen. Bei den studentischen Unfallversicherungen ist es ähnlich.Nach unserer Meinung genügt es aber nicht, Heilkosten in beschränktem Umfang zu ersetzen und bleibende Schäden mit einer mehr oder weniger hohen Kapitalsumme abzufinden. Unsere Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, zeigen uns, daß mehr geleistet werden muß. So müssen z. B. gleich nach dem Unfall diesen Verletzten die umfangreichen Rehabilitationshilfen des Systems der sozialen Sicherheit eröffnet werden. Auch ist es vielfach sinnvoller, erforderlichenfalls durch eine lebenslange, der Einkommensentwicklung ständig angepaßte Rente für den Unterhalt zu sorgen als durch eine einmalige Kapitalabfindung. Auf diese Weise sollen diese Kinder und Jugendlichen vor gesellschaftlicher Isolierung bewahrt werden.Und wenn durch die Verletzungsfolgen die Schul-und Berufsausbildung erschwert wird, dann soll durch individuelle Berufshilfemaßnahmen selbst in schwierigen Fällen noch ein optimaler Erfolg erreicht werden.Meine Damen und Herren, es sollen aber nicht nur Leistungen erfolgen — und das ist hier schon von den Vertretern der Fraktionen unterstrichen worden , wenn Unfälle eingetreten sind. Entscheidend kam es uns bei der Entwicklung der Regierungsvorlage darauf an, die Unfallverhütung für Schüler und Studenten auszubauen. So sollen künftig Schüler und Studenten als Sicherheitsbeauftragte aktiv an der Beseitigung von Unfallgefahren mitwirken. Ich verspreche mir viel davon, daß Kinder während ihrer Schulzeit in sicherheitsgerechtem Verhalten unterwiesen werden und daß ihr Bewußtsein für die Gefahren des Straßenverkehrs und des täglichen Lebens geschärft wird. Dies kann sich auch im späteren Berufsleben nur positiv auswirken.Meine Damen und Herren, mit den Leistungen der Rehabilitation und vor allem auch der Unfallverhütung stärken wir den Gedanken der vorsorgenden und rechtzeitigen Hilfe in der Sozialpolitik und eröffnen ihm ein neues Feld, auf dem er sich verwirklichen kann.Die Versicherungsträger der Gemeinden und der Länder, die dieses Gesetz durchführen werden, haben übrigens schon intensiv überlegt, durch welche konkreten Schritte die Unfallsicherheit im Schul- und Hochschulbereich verbessert werden kann.Man hat in der vergangenen Zeit viel von den Kosten gesprochen, die dieses Gesetz verursachen wird. Ich möchte aber hier noch einmal mit aller Deutlichkeit auf den in den Ausschußberatungen unterstrichenen Gesichtspunkt hinweisen, daß niemand diesen Leistungsstandard des Gesetzes, den wir wohl alle für erforderlich halten, billiger erreichen kann als die öffentlich-rechtlichen, von der Selbstverwaltung kontrollierten Körperschaften, in denen ja die Gemeinden selbst vertreten sind.Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben, im Namen der Bundesregierung aufrichtig danken. Vor uns liegt zur Verabschiedung ein Gesetzeswerk, mit dem für die jungen Menschen ein neues Angebot für soziale Sicherheit gemacht wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetz seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.Wir haben noch über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrags, den Gesetzentwurf Drucksache VI/695 und die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Roser, Dr. Martin Lemmrich, Dr. Probst, Röhner und Genossenbetr. europäische Hochschulpolitik— Drucksache VI/1420 —Wird das Wort zur Begründung oder zur Diskussion gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft als federführenden Ausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe die Punkte 28 bis 30 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Beteiligung des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1971— Drucksachen VI/1184, VI/1590 — Berichterstatter: Abgeordneter Solke
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Vizepräsident Frau FunckeBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung einer Prämienregelung für die Abschaffung von Kühen und die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen— Drucksachen W1185, VI/1595 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates betreffend die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die in Zollagern und Freizonen zulässigen üblichen Behandlungen— Drucksachen VI/ 1371, W1613 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wagner
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist ebenfalls nicht der Fall. Sind Sie damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die aufgerufenen Punkte gemeinsam abstimmen? — Kein Widerspruch. Wer diesen Entwürfen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Damit, meine Herren und Damen, sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf morgen, Donnerstag, den 21. Januar 1971, 14.00 Uhr, zu einer Fragestunde.Die Sitzung ist geschlossen.