Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich der Frau Kollegin Albertz zum Geburtstag.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfrage hat mit Schreiben vom 13. Juni 1966 mitgeteilt, daß der Ausschuß die Verordnung Nr. 42/66 EWG des Rates vom 21. April 1966 über die zeitlich begrenzte Aussetzung der Abschöpfungen auf die Einfuhren von zur Verarbeitung unter Zollaufsicht bestimmtem Rindfleisch ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen habe.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 16. Juni 1966 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Verordnung Nr. 55/66/EWG des Rates vom 18. Mai 1966 zur Änderung der Verordnung Nr. 55/65/EWG hinsichtlich der Mengen Cheddar-Käse, die auf dem Markt der Mitgliedstaaten abgesetzt werden können, keine Einwendungen habe.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 13. Juni 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wurbs und Genossen betr. Schwarzarbeit — Drucksache V/658 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/721 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Vierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/717 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Achtunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V!722 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Oktober 1966.
Zu der in der Fragestunde der 46. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. Juni 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Prinz von Bayern, Drucksache V/681 Nr. III/6 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Carstens vom 16. Juni 1966 eingegangen. Sie lautet:
Die französische Regierung hat durch den Herrn Minister für ehemalige Frontkämpfer erklären lassen, daß keine ausländischen Delegationen, weder frühere Verbündete noch ehemalige Gegner, nach Verdun eingeladen würden. Es handele sich um die letzte Schlacht, die Frankreich ohne die Hilfe fremder Truppen gewonnen habe. Deshalb wolle Frankreich diesen ausschließ-
*) Siehe 46. Sitzung, Seite 2242 C
lieh französischen Sieg allein feiern. Tatsächlich haben die Veranstaltungen am 29. und 30. Mai in einem ausschließlich französischen Rahmen stattgefunden.
Zu der in der Fragestunde der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Juni 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Rollmann, Drucksache V/681 Nr. VIII/5 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 20. Juni 1966 eingegangen. Sie lautet:
Das Nadelholz hat von 1948 bis 1961 um 1,1% der Fläche zugenommen, während das Laubholz um 1,1% der Fläche zurückgegangen ist. Die Verschiebungen sind also — von regionalen Besonderheiten abgesehen — nur sehr geringfügig.
Die Auffassung, daß Nadelholz dem Wasserhaushalt eines Landes mehr Wasser entzieht als Laubholz, ist auf Grund internationaler wissenschaftlicher Untersuchungen heute nicht mehr haltbar. Zwar nimmt die Verdunstung des Niederschlagwassers in der Reihenfolge Kiefer/Lärche Buche/Eiche — Fichte zu. Der unmittelbare Wasserverbrauch (Transpiration) steigt jedoch nach wissenschaftlichen Feststellungen in fast umgekehrter Reihenfolge, nämlich Lärche/Kiefer —Fichte — Buche/Eiche.
Meine Damen und Herren, wir beginnen mit Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache V/720 —
und kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die beiden Fragen zusammen zu beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich die Fragen I/1 und I/2 des Herrn Abgeordneten Zerbe auf:
Treffen die Pressemeldungen zu, daß das Bundeskabinett Mitte Mai 1966 Richtlinien für kommunale Kontakte zwischen Instanzen der Bundesrepublik und der SBZ beschlossen hat?
Handelt es sich bei den in Frage I/1 erwähnten Bestimmungen um jene Richtlinien für die kommunalen Behördenleiter an der Zonengrenze, die der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen erstmalig am 18. April 1964 und danach wiederholt als nahe bevorstehend angekündigt hat, ohne daß sie bisher herausgegeben worden sind?
Bitte, Herr Minister!
Bei den am 18. April 1964 erwähnten Richtlinien handelt es sich um die Wiederholung und erneute Bestätigung der Bestimmungen über den Amtshilfeverkehr beiderseits der Zonendemarka-*) Siehe 48. Sitzung, Seite 2316 D
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2368 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Bundesminister Dr. Mendetionslinie aus dem Jahre 1954. Das ist nach der Ankündigung vom April 1964 im Mai 1964 geschehen und aus gegebenem Anlaß mehrfach wiederholt worden. .Bei den nunmehr zur Debatte stehenden Richtlinien geht es um wesentlich mehr, Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am 11, Mai 1966 den vom Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vorgelegten Richtlinien für den Verkehr in Verwaltungsangelegenheiten zwischen Verwaltungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland und Dienststellen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Grundsatz zugestimmt. Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen wurde in der gleichen Sitzung beauftragt, strittig gebliebene Einzelfragen im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesressorts zu klären und abzustimmen. Diese Klärung ist erfolgt.Bei der Vorlage handelt es sich, wie schon aus der Überschrift hervorgeht, nicht primär und nicht ausschließlich um kommunale Verwaltungskontakte. Die Vorlage regelt vielmehr unter Aufhebung früherer Bestimmungen in umfassender Weise den Verkehr in Verwaltungsangelegenheiten mit Dienststellen der sowjetischen Besatzungszone. Die Richtlinien sind den Ministerpräsidenten zugegangen und werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie sind außerdem den obersten Landesbehörden und den. kommunalen Spitzenverbänden zugeleitet. Sie sind heute in Bonn auch der Presse übergeben worden.
Eine Zusatzfrage.
Fürchten Sie nicht, Herr Bundesminister, daß die in den letzten Tagen mehrfach erfolgte öffentliche Ankündigung von neuen Richtlinien über kommunale Kontakte zwischen Instanzen der Bundesrepublik und der SBZ in der Praxis zusätzliche Schwierigkeiten schaffen wird, einfach deshalb, weil jeder Landrat, Oberkreisdirektor, Bürgermeister oder Oberstadtdirektor, der jetzt die Verbindung mit einem Behördenleiter in der SBZ sucht, als erstes dem Vorwurf begegnen wird: Sie wollen ja gar nicht kommunale Probleme erörtern zum Wohle der Bevölkerung beiderseits der Demarkationslinie, sondern handeln nur als „Handlanger" der „imperialistischen, revanchistischen" Bundesregierung. Ganz konkret möchte ich fragen: Wäre etwas weniger Publicity der ganzen Sache nicht dienlicher gewesen?
Herr Kollege Zerbe, in Verunglimpfungen, Verdächtigungen oder Unterstellungen gegenüber demokratischen Institutionen ist die Propaganda eines totalitären Staates immer so frei, wie sie es sein will. Dagegen gibt es bei den Richtlinien der Bundesregierung ebensowenig einen Schutz wie bei den gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten um die Rednerbegegnungen zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der SED in Chemnitz und in Hannover. Die Richtlinien mußten schon deswegen in breiter Öffentlichkeit der deutschen Bevölkerung
bekanntgemacht werden, um jegliche Mißdeutung auszuschließen. Und wenn sämtliche Verwaltungsinstanzen die Richtlinien erhalten, sind sie ohnehin — nach allem, was wir über die subversive Tätigkeit der Kommunisten wissen — auch den Behörden in Ostberlin bekannt.
Zweite Zusatzfrage.
Wenn man — wie Sie es tun, Herr Bundesminister — eine Neufassung der Richtlinien für diese kommunalen Kontakte für notwendig hält, ist es dann nicht auf alle Fälle so, daß diese Richtlinien wenigstens zwei Jahre zu spät kommen und deshalb heute nur einen Bruchteil der Wirkung und Bedeutung haben können, die sie vielleicht bei einer Herausgabe im Jahre 1964 gehabt hätten?
Man kann natürlich darüber streiten, ob nicht manches hätte früher geschehen können. Ich darf daran erinnern, daß auch politische Parteien dieses Hauses im Jahre 1966 sich beispielsweise zu der Annahme gewisser Angebote aus Ostberlin anders verhalten, als sie es bis zum Jahre 1966 getan haben.
Ich kann nur feststellen, daß diese Richtlinien, die im übrigen auch auf Drängen des Deutschen Städtetages und des Deutschen Gemeindetages erlassen wurden, eine wesentliche Bewegungsfreiheit für die kommunalen Instanzen schaffen. Damit wird gerade einem alten Wunsch der Bürgermeister und Landräte entlang der Zonendemarkationslinie Rechnung getragen, aber nicht nur entlang der Zonendemarkationslinie. Es ist höchste Zeit, daß die Bürgermeister und Landräte in der Lage sind, in Mitteldeutschland das zu sehen und zu erörtern, was die Bürgermeister und Landräte aller anderen europäischen Länder bereits seit Jahren tun können. Insofern ist in der Tat die Frage gerechtfertigt, ob man sich nicht früher zu dieser Haltung hätte durchringen können. Aber offensichtlich will in einem demokratischen Staat gut Ding eben Weile haben.
Sie hatten noch eine Zusatzfrage? Wenn es unbedingt sein muß, bitte sehr!
Meinen Sie nicht, Herr Bundesminister, daß die frühere Verfahrensweise, bei der man es bis in die Jahre 1962/1963 hinein weitgehend den kommunalen Behördenleitern überlassen hat — ohne daß von Behörden der Bundesrepublik oder gar von einem Bundesminister Stellung genommen wurde —, mehr Aussicht auf Erfolg hatte als diese laufenden öffentlichen Ankündigungen, die nach meiner Erfahrung doch eine gewisse Gefahr für diese Kontakte bedeuten?
Herr Kollege Zerbe, nach Errichtung der Mauer haben sich Bürgermeister und Landräte entlang der Zonendemarkationslinie vergeblich bemüht,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2369
Bundesminister Dr. Mendeunmittelbare Vereinbarungen mit den kommunalen Vertretern der anderen Seite zu treffen. Wenn man weiß, daß in einem kommunistisch gelenkten Zwangsstaat nichts ohne zentralistische Koordinierung und letztliche Zustimmung der SED geschehen kann, ist es ziemlich gleichgültig, ob man etwas mehr oder weniger laut sagt. In jedem Falle geschieht in Mitteldeutschland nichts, auch nichts gegenüber kommunalen Beziehungen, was nicht durch die kommunistischen Behörden Ostberlins freigegeben wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauck.
Herr Minister, sind diese Richtlinien nach ihrer Bekanntgabe allgemein verbindlich und direkt anwendbar oder bedarf es noch zusätzlicher Vorschriften und Richtlinien der zuständigen Länderregierungen?
Sie sind dadurch verbindlich, daß sie von der Bundesregierung beschlossen und den Ministerpräsidenten zugeleitet wurden, auch den entsprechenden Instanzen, also hier dem Städtetag, dem Gemeindetag, als den Spitzenverbänden auf kommunaler Ebene. Einer besonderen Interpretation der Länder bedarf es nicht. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der eine oder andere Innenminister der elf Länder natürlich noch seinerseits gewisse Ergänzungen macht; das liegt durchaus in der Hoheit der Länder, aber nur im Rahmen der Richtlinien, die die Bundesregierung auch für die elf Länder verbindlich erlassen hat.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zerbe.
Sind Sie nicht doch der Meinung, Herr Bundesminister, daß die von Ihnen erwähnte zentrale Lenkung und Erfassung aller kommunalen Kontakte entlang der Demarkationslinie vor zwei, drei oder vor vier Jahren noch bei weitem nicht so straff gehandhabt wurde wie heute nach der Schaffung eines besonderen Staatssekretariats für diese Fragen in Pankow?
Alle Beobachtungen der letzten zwei Jahrzehnte deuten darauf hin, daß in einem kommunistischen System nichts ohne Kenntnis und Weisung der kommunistischen Zentrale geschehen kann. Das war gestern so, ist heute so und wird morgen so sein.
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage VIII/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele:
Weshalb erfolgt der Beginn von Straßenbauarbeiten — z. B. jetzt des Zwischenausbaus der B 31 zwischen Engen und Stockach — so spät im Jahr, daß die erforderlichen Verkehrsbeschränkungen den Hauptverkehr im Sommer treffen?
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen wegen des sachlichen Zusammenhanges gemeinsam beantworten zu dürfen.
Einen Augenblick! Ist der Abgeordnete Dr. Häfele im Saal? — Er ist nicht da. Ich rufe auch Frage VIII/2 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Was will die Bundesregierung tun, damit Straßenbauarbeiten künftig unverzüglich nach der Frostperiode einsetzen?
Beide Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage VIII/3 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Wieviel Verkehrsunfälle werden jährlich durch Wild verursacht?
Herr Kollege, in der amtlichen Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes wird nicht nachgewiesen, wieviel Unfälle durch Wild verursacht werden, sondern es wird als Unfallursache nur ausgewiesen: „Tiere auf der Fahrbahn". Es kann sich also auch um Tiere anderer Art handeln, die aus der Weide ausgebrochen sind oder aus anderen Gründen die Fahrbahn betreten haben. Die amtliche Unfallstatistik hat diese Ursache für das Jahr 1964 wie folgt registriert: 28 Unfälle mit Getöteten, 1977 Unfälle mit Personenschaden und 2877 Unfälle mit Sachschaden, insgesamt daher 4882 Unfälle durch Tiere auf den Fahrbahnen der Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen und anderen Straßen. In Bayern sind einem Bericht des Bayerischen Statistischen Landesamtes zufolge im Jahre 1964 789 Unfälle durch Wild zu verzeichnen gewesen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist es nicht künftig möglich, bei den Vierbeinern Unterscheidungen zwischen Wild und Hunden usw. zu treffen?
Ich weiß nicht, ob das jedes Mal möglich ist. Aber so differenzierte Statistiken können wir wirklich beim besten Willen wohl nicht aufstellen. Leider sind ja auch die anderen Statistiken der Unfälle nicht so genügend aufgegliedert, daß wir in jedem Fall die Einzelursachen so exakt ermitteln können, wie es notwendig wäre. Bei den anderen Unfallursachen wäre das viel wichtiger als beim Wild, bei dem die Zahlen insgesamt doch verhältnismäßig niedrig sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie in diesem Zusammenhang einmal fragen, ob wir, da ja bekanntlich die Haftpflichtangelegenheit nicht zur Zufriedenheit der Verkehrs-
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2370 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Brück
nutzer geregelt ist, nicht einen Weg finden können, um diesem Anliegen für die Zukunft sinnvoll zu entsprechen?
Herr Kollege Brück, diese Haftpflichtfrage wird auf unsere Veranlassung zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Verband der Versicherungsträger behandelt. Es besteht die Aussicht, daß das Sachschadenrisiko, das bei Verkehrsunfällen entsteht, an denen Wild beteiligt ist, in absehbarer Zeit in die Teilkaskoversicherung einbezogen werden darf. Für das Personenschadenrisiko besteht schon gegenwärtig die Möglichkeit des Versicherungsschutzes durch Abschluß einer allgemeinen Lebens-, Unfall- oder Insassenversicherung.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Bundesminister, glauben Sie, daß noch in diesem Jahre die Regelung Platz greifen wird, die Sie jetzt eben hier erläutert haben?
Ich möchte hoffen, aber ich kann keine Zusage geben, weil die Verhandlungen nicht bei mir geführt werden.
) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Bundesminister, darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, wieweit die Untersuchungen über die Benutzung von gelbem Licht in den Autoscheinwerfern mittlerweile gediehen sind und ob dadurch die Gefahr der Verkehrsunfälle nicht herabgemindert werden kann.
Auf Grund unserer Untersuchungen und Überprüfungen sind wir nicht der Meinung, daß durch das gelbe Licht eine nennenswert geringere Unfallgefahr als bei dem weißen Licht entsteht.
Ich rufe die Frage VIII/4 der Frau Abgeordneten Freyh auf:
Wann ist im Bundesverkehrsministerium mit einer Entscheidung über das Projekt Verbindungsbahn Frankfurt zu rechnen?
Frau Kollegin, der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn hat in seiner Sitzung am 12. Mai das Projekt „V-Bahn Frankfurt" erneut behandelt. Er hat auf Vorschlag seines Technischen Ausschusses zustimmend Beschluß gefaßt, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Finanzierung vorher zu klären sei. Ein Antrag ist in dieser Angelegenheit seitens des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn beim Bundesminister für Verkehr noch nicht gestellt worden; auch liegen mir bisher keine Einzelunterlagen vor, um mich etwa in Vorverhandlungen einschalten zu können.
Die Finanzierung dieses Projektes von rund 800 Millionen DM ist sehr schwierig und kann daher nicht für sich allein betrachtet werden. Sie muß — das ist auch die Auffassung des Herrn Bundesministers der Finanzen — in die allgemeinen Überlegungen im Zusammenhang mit der Prüfung und der Durchführung von Maßnahmen einbezogen werden, welche die Sachverständigenkommission zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden empfohlen hat. Es muß ein gemeinsames Anliegen von Bund, Ländern und Gemeinden sein, hier möglichst bald zu konstruktiven Lösungen zu kommen.
Eine Zusatzfrage.
Sehen Sie sich nicht veranlaßt, Herr Bundesverkehrsminister, nachdem durch den Beschluß des Verwaltungsrates die sachliche Notwendigkeit und technische Durchführbarkeit dieses Projektes bestätigt worden und damit sozusagen ein Planungsgleichstand zwischen München und Frankfurt erreicht worden ist, München und Frankfurt gleich zu behandeln?
Das ist wohl gar nicht mehr möglich, weil der Bau der V-Bahnen, soweit es sich also um eine Maßnahme der Bundesbahn handelt, in München bereits begonnen hat und die Finanzierung dort sichergestellt ist, während in Frankfurt erst noch über die Finanzierung verhandelt werden muß und wir noch keine rechte Möglichkeit sehen, diese Finanzierung in gleicher Weise sicherzustellen wie in München, wo bekanntlich auch ein entsprechender besonderer Titel im Haushalt aufgenommen worden ist. Dieser ist für 1966 gar nicht mehr nachzuholen. Er würde allerdings für 1967 einzubringen sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage.
Was werden Sie, Herr Bundesverkehrsrninister, tun, um die Finanzierung gegebenenfalls auch in Teilabschnitten sicherzustellen, ,da ja bekanntlich ,die Stadt Frankfurt bereits an der Hauptwache einen Bahnhof baut, an dem sowohl die V-Bahn der Bundesbahn als auch die U-Bahn der Stadt Frankfurt beteiligt sein werden?
Frau Kollegin, ich habe schon wiederholt gesagt, daß ,der Bundesminister für Verkehr hier nur Genehmigungsbehörde ist. Ausführendes Organ ist die Deutsche Bundesbahn, die ja, wie das Bundesbahngesetz es bestimmt, für das Sondervermögen in eigener Zuständigkeit zu handeln hat. Wenn die Bundesbahn Maßnahmen im Rahmen kleinerer Bauvorhaben trifft, für die sie meine Genehmigung nicht benötigt, dann ist das ihre Angelegenheit. Es ist
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2371
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmsicher richtig und zweckmäßig, wenn solche Dinge auch getan werden. Ich werde sie dafür jedenfalls nicht tadeln. Aber ich muß zunächst einmal von ihr den Antrag auf das Gesamtobjekt bekommen, bevor ich selbst tätig sein kann, denn sonst greife ich in die Zuständigkeiten ein, die durch Gesetz mit Willen dieses Hohen Hauses dem Bundesbahnvorstand zuerkannt worden sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt.
Herr Minister, sind Sie denn in Kenntnis der besonderen Verkehrssituation in Frankfurt und im Ballungsraum der Umgebung von Frankfurt bereit, sich für eine baldige Realisierung .dieses Projekts beim Verwaltungsrat der Bundesbahn einzusetzen?
Ich kann mich nicht beim Verwaltungsrat der Bundesbahn einsetzen, Herr Kollege. Ich bitte, das Bundesbahngesetz nachzulesen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, wie steht es mit dem Projekt Limesbahn, das ja in einer mittelbaren Verbindung mit den gesamten
Projekten steht? Hier sind ja die Unterlagen vorgelegt.
Das Projekt ist dem Grundsatz nach genehmigt, und darüber ist von mir auch persönlich mit Herrn Ministerpräsident Zinn schon verhandelt worden. Hier habe ich den Antrag vorliegen und kann auf Grund des Antrages mit allen mir zugänglichen Stellen über die Angelegenheit sprechen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Wann, Herr Minister, ist nach Ihrer Meinung in dieser Angelegenheit mit einer Entscheidung zu rechnen?
Das kann ich nicht sagen. Es hängt davon ab, wann ich die Unterlagen seitens der Bundesbahn vorgelegt bekomme. Sie müssen bedenken, der Verwaltungsrat hat beschlossen, daß er zustimmend Beschluß faßt, wenn die Finanzierung geklärt ist. Das heißt, der Bundesbahnvorstand wird genötigt sein, zuerst diese Frage der Klärung der Finanzierung zu behandeln — ich weiß nicht, ob die Bundesbahn darüber schon Verhandlungen geführt hat — und mir darüber berichten. Sie wird mich einschalten, wenn sie dies für notwendig und zweckmäßig erachtet.
Ich rufe die Frage VIII/5 des Abgeordneten Kulawig auf:
Gibt die Äußerung des Bundeskanzlers über die Als-ob-Tarife zugunsten der Saarwirtschaft, daß bei einer Ablehnung dieser Tarife durch die Hohe Behörde und die EWG-Kommission die Bundesregierung Unterstützungstarife für die Saarwirtschaft verlangen werde, die Auffassung der Bundesregierung wieder, oder die Erklärung des Bundesverkehrsministers vor dem Bundestag, wonach Unterstützungstarife weder für die Bundesbahn noch für die Bundesregierung in Frage kommen?
Herr Kollege, der Herr Bundeskanzler hält mit der Bundesregierung an der Auffassung fest, daß es sich bei den von der Deutschen Bundesbahn im Wettbewerb gegen den geplanten Saar-Pfalz-Kanal eingeführten Tarifen nicht mit Unterstützungstarife, sondern um Wettbewerbstarife handelt. Der Herr Bundeskanzler hofft, daß die Hohe Behörde und — nach ihrer endgültigen Entscheidung — wohl auch die EWG-Kommission dann die Als-ob-Tarife nicht beanstanden werden.
Eine Zusatzfrage.
Hat sich demnach der Herr Bundeskanzler bei der Abgabe seiner Erklärung vor der Pressekonferenz geirrt, Herr Minister?
Darüber bin ich nicht unterrichtet. Ich war in der Pressekonferenz nicht anwesend. Es kann sich meines Erachtens nur um ein Mißverständnis handeln. Nach dem vorliegenden Protokoll der Pressekonferenz ist diese Frage von ihm so beantwortet worden, daß die Frage, ob es sich um Unterstützungs- oder Wettbewerbstarife handelt, gar nicht geklärt ist. Es kommt hinzu, Herr Kollege — Sie wissen das wahrscheinlich genauso gut wie ich —, daß in der Tarifklassifizierung der Römische Vertrag und der Montanunionvertrag völlig verschieden sind. Der Montanunionvertrag kennt die Unterstützungstarife nicht, so daß, soweit es sich um Montanuniontarife handelt — und das ist der überwiegende Teil der Tarife —, die Frage von Unterstützungstarifen gar nicht entsteht.
Eine zweite Zusatzfrage.
Stimmen Sie, Herr Minister, damit überein, daß es in dieser für die Saarwirtschaft so wichtigen Frage der Koordination zwischen Bundesverkehrsminister und Bundeskanzler zu ermangeln scheint und daß man daraus Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit der Bemühungen der Bundesregierung zur Verbesserung der Standortlage des Saarlandes ziehen kann?
Aber, Herr Kollege! Derartige polemische Äußerungen stehen der Opposition wohl an. Aber Sie werden mir eine Antwort darauf ersparen.
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2372 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Wir kommen zur Frage VIII/6 des Abgeordneten Kulawig:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Hohe Behörde die gleiche Auffassung wie die EWG-Kommission vertritt, daß die Als-ob-Tarife gegen die einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Verträge verstoßen?
Herr Kollege, wie kann die Bundesregierung die Auffassung der Hohen Behörde kennen, bevor diese ihre Auffassung bekanntgegeben hat? Soweit wir wissen, prüft die Hohe Behörde auf Grund der Bestimmungen des Montanvertrages noch die Sach-
und Rechtslage. Ich wiederhole, daß der Montanvertrag und der Römische Vertrag in diesen Fragen nicht übereinstimmen, also durchaus verschiedene Auffassungen und Auslegungen zu dem Problem erlauben.
Eine Zusatzfrage.
Sie haben demnach noch keine Informationen, Herr Minister, ob die Hohe Behörde eine positive Haltung in der Frage der Als-ob-Tarife einnehmen wird?
Nein, eine solche Information habe ich nicht. Ich kann sie mir auch gar nicht verschaffen, weil die Verhandlungen innerhalb der Hohen Behörde genauso wie jede Kabinettsberatung vertraulich oder — wenn Sie wollen — sogar geheim sind und ich nicht die verschiedenen Standpunkte der Mitglieder der Hohen Behörde kenne. Eines scheint mir aber sicher zu sein: daß die Hohe Behörde sich im Grundsatz der besonderen Lage an der Saar voll bewußt ist, daß dort etwas geschehen sollte oder müßte.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kulawig.
Werden Sie nach Eingang der Entscheidungen der EWG-Kommission und der Hohen Behörde bei der Bundesregierung dem Bundestag die Studie über die Schiffbarmachung der Saar vorlegen, Herr Minister?
Das kann man natürlich tun. Aber zunächst haben wir abzuwarten, wie sich diese Angelegenheiten entwickeln.
Herr Kollege, die Dinge sind nicht so einfach, wie Sie sie in Ihrer Frage darstellen. Die EWG-Kommission hat uns jetzt erstmalig ihre Gründe bekanntgegeben. Das Verfahren ist dort ganz anders als bei der Hohen Behörde. Wenn wir diese Gründe nicht anerkennen — soweit ich das bei der ersten Prüfung überblicken kann, werden wir diesen Gründen gewichtige Gegengründe entgegensetzen —, dann wird es in der Entscheidung der EWG-Kommission liegen, ob sie uns beim Europäischen Gericht verklagt. Dann wird erst einmal das Verfahren beim Gericht laufen. In dieses Verfahren möchten wir natürlich nach Möglichkeit nicht eingreifen. In
der Zwischenzeit mag ganz unabhängig davon die Hohe Behörde in Luxemburg zu anderen Auffassungen und Erklärungen kommen. Dann müssen wir sehen, wie wir mit diesen Dingen weiterkommen.
Im übrigen können wir über die Frage der SaarPfalz-Kanalisierung ohne weiteres sprechen. Darüber ist im Verkehrsausschuß ja auch schon früher gesprochen worden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hussong.
Herr Minister, wird die Bundesregierung in der Frage der Ablehnung der Als-obTarife durch die EWG-Kommission von sich aus den in der Presse angekündigten Klageweg beschreiten?
Ich habe das doch eben ausgeführt, Herr Kollege. Diese Möglichkeit besteht gar nicht. Es ist vielmehr so, daß uns die Kommission jetzt erstmalig mitgeteilt hat, welche Gründe ihrer Auffassung zugrunde liegen, daß es sich hier nicht um Wettbewerbstarife handelt. Wenn wir diesen Gründen entgegentreten und nach wie vor der Auffassung sind — und warum sollten wir es nicht sein? —, daß es sich um Wettbewerbstarife handelt, dann ist nur die EWG-Kommission in der Lage, gegen uns zu klagen, nicht wir gegen sie.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ich darf die Kernfrage stellen: Wenn diese Streitereien vor den Gerichten für die Bundesrepublik oder für die Erhaltung der Als-ob-Tarife negativ ausgehen sollten, wird dann nach Ihrer Meinung die Bundesregierung zu dem von ihr gegebenen Wort stehen, den Saar-Pfalz-Kanal zu bauen?
Herr Kollege, ich möchte erklären, daß ich es mißbilligen muß, daß Sie das Festhalten der Bundesregierung an einem gegebenen Wort bezweifeln.
— Wieso interessant? Das ist selbstverständlich!
Ich rufe die Frage VIII/7 des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, eine gesetzliche Verpflichtung für alle Führerscheinerwerber und später auch für Führerscheininhaber zur Ausbildung in „Sofortmaßnahmen am Unfallort" einzuführen?
Herr Präsident, der Fragesteller hat drei Fragen gestellt, die ich gern zusammen beantworte, wenn der Herr Kollege einverstanden ist.
Er ist einverstanden. Demnach rufe ich auch die Fragen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2373
Präsident D. Dr. GerstenmaierVIII/8 und 9 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:Beabsichtigt die Bundesregierung, eine gesetzliche Verpflichtung für Berufskraftfahrer und Führerscheininhaber zur Fahrgastbeförderung zur Ausbildung in „Erste Hilfe" einzuführen?Sind gesetzliche Maßnahmen vorgesehen, alle Kraftfahrzeughalter 7u verpflichten, ihre Kraftfahrzeuge mit Kfz.-Verbandskästen auszurüsten?
Die 8. Gemeinsame Verkehrssicherheitskonferenz vom 24. Juni 1965, in der u. a. die für den Verkehr, die Polizei, die Justiz und das Gesundheitswesen zuständigen Minister des Bundes und der Länder unter meinem Vorsitz die Probleme der Verkehrssicherheit und der Unfallfürsorge gemeinsam beraten haben und über die auch ein Protokoll veröffentlicht worden ist, hat die Frage der Verbesserung der Ersten Hilfe für Unfallverletzte im Straßenverkehr erörtert und folgenden Empfehlungen zugestimmt:
Erstens. Für den Erwerb der Fahrerlaubnis aller Klassen sollte die Teilnahme an einer Unterrichtung über „Sofortmaßnahmen am Unfallort" vorgeschrieben werden.
Zweitens. Wie schon die Führer von Kraftomnibussen sollten auch die Führer von Kraftdroschken und Mietwagen verpflichtet werden, sich einer Ausbildung in Erster Hilfe zu unterziehen. Kraftfahrer im öffentlichen Dienst sollten in Erster Hilfe ausgebildet sein. Den Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden sowie den Körperschaften des öffentlichen Rechts wird empfohlen, dies durch entsprechende Anordnungen sicherzustellen. Die privaten Unternehmen werden aufgerufen, entsprechend zu verfahren.
Drittens. Das Mitführen eines Verbandskastens nach DIN A 13 163 oder DIN B 13 164 sollte für alle Kraftfahrer vorgeschrieben werden.
Die Verwirklichung dieser drei Empfehlungen macht eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 erforderlich. Die Vorbereitungsarbeiten dafür sind eingeleitet. Der Entwurf eines Änderungsgesetzes wird den gesetzgebenden Körperschaften nach Abschluß der Vorarbeiten vorgelegt werden.
Ich darf bereits in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß sich der Straßenverkehrssicherheitsausschuß in seiner Sitzung am 28. und 29. Juni dieses Jahres mit diesen Vorlagen beschäftigen wird.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, werden Sie dafür Sorge tragen, daß die Organisationen, die die Ausbildung übernehmen, diese Ausbildung nach einheitlichen Gesichtspunkten vornehmen?
Das können wir natürlich nicht durch eine Anordnung, sondern nur durch Richtlinien machen.
Werden Sie weiter dafür sorgen, daß in der Prüfung diesem Gebiet besondere Aufmerksamkeit zugewendet wird?
Das können wir ebenfalls nur durch Richtlinien erreichen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brück.
Herr Bundesverkehrsminister, sollte man nicht, nachdem demnächst der Verbandskasten zwingend vorgeschrieben werden soll, in diesem Zusammenhang auch gewisse andere Dinge regeln? Ich denke z. B. daran, daß auch bei allen Pkws eine Blinkleuchte vorgeschrieben wird. Sollte in diese Überlegungen nicht auch das kleine Minimax-Gerät einbezogen werden, das man im Wagen haben muß, wenn man in bestimmte Länder fährt?
Herr Kollege Brück, diese Dinge werden grundsätzlich mitgeprüft werden. Wir werden eine Novelle vorlegen, die nicht nur diesen Empfehlungen entspricht, sondern die den Gesamtkomplex regelt. Dabei ist es allerdings zweifelhaft, ob man bei der Größe des Minimax damit tatsächlich etwas erreichen kann. Mir scheint es wichtiger zu sein, daß die Automobilfabriken anfangen, die Polsterungen statt aus reinem Schaumstoff aus imprägniertem Schaumstoff herzustellen, der schwer entflammbar ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Frage aufrufe, begrüße ich in diesem Hause Mitglieder der Cortes aus Madrid und Rektoren hochangesehener spanischer Universitäten. Meine Herren, Sie sind uns in diesem Hause willkommen.
Frage VIII/10 des Abgeordneten Prinz von Bayern:
Sind Verhandlungen mit welchen Zielsetzungen und welchen bisherigen Ergebnissen zwischen der Bundesregierung, dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München im Gange über die Errichtung eines neuen Flughafens für München his zu den Olympischen Spielen 1972?
Herr Kollege, zwischen der Bundesrepublik, dem Freistaat Bayern und der Stadt München sind wegen eines neuen Flughafens im Raume München bisher nur zwanglose Vorbesprechungen geführt worden, zumal der Bund an der Münchner Flughafengesellschaft nicht beteiligt ist. Sie führten zur Bildung eines „Arbeitskreises Flughafen München", dem sachverständige Vertreter der genannten Körperschaften angehören. Die Vorschläge dieses Arbeitskreises sollen der Entscheidung, für die allein die Landesregierung in München zuständig ist, zugrunde gelegt werden. Der Bundesminister für Ver-
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2374 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmkehr wird dabei von der Landesregierung beteiligt. Der Arbeitskreis hat vor kurzem einen begrenzten Ausbau von München-Riem empfohlen. Über die Anlegung eines neuen Flughafens wird der Arbeitskreis noch seine Vorschläge unterbreiten.
Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, stimmen Sie mir zu, wenn ich feststelle, daß die Flugverkehrslage Münchens schon heute als Brücke in den europäischen Süd- und Südostraum besondere Bedeutung hat und daß morgen im Bereich eines gesamteuropäischen Verkehrsraumes München das natürliche Verkehrskreuz für die Nord-Süd- und Ost-West-Flugstrecken sein wird?
Den letzten Teil Ihrer Frage möchte ich verneinen, Herr Kollege. Das Flugkreuz wird München nicht sein. München ist aber ein sehr wesentlicher und wichtiger Flughafen und bleibt es auch. Deswegen sind wir sehr daran interessiert, daß der Flughafen den Anforderungen genügt. Falls seine Kapazität erschöpft ist, muß er — wie das im Raum Hamburg der Fall ist — durch einen anderen Flughafen ersetzt werden.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wären Sie in Anbetracht der drängenden Termine — ich denke hier an die Bauzeit eines Flughafens und die bevorstehende Olympiade 1972 — bereit, sich gegebenenfalls für die Überlassung eines militärischen Flughafens im Raume München an die zivile Luftfahrt einzusetzen?
Herr Kollege, die Sachverständigen, die sich mit der Neuanlage des Flughafens München 2 beschäftigen, haben ihre Auffassung dahin präzisiert ich habe das in der Antwort nur ganz kurz zusammengefaßt —, daß die erste Ausbaustufe von München 2 so rechtzeitig fertiggestellt werden kann, daß eine ausreichende Start- und Landebahn und die dazu erforderlichen provisorischen Abfertigungsanlagen für die Olympiade 1972 zur Verfügung stehen können und es daher nicht erforderlich sein wird, einen militärischen Fliegerhorst für den zusätzlichen Olympia-Verkehr vorzusehen. Sie sind im übrigen der Meinung, daß der Flughafen München-Riem noch eines gewissen Ausbaus bedarf und daß dieser Ausbau — insbesondere eine Verlängerung der Startbahn um weitere 200 m — möglichst schnell vorgenommen werden sollte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Börner.
Herr Minister, sind Sie bereit, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Verkehrsausschuß des Hohen Hauses eine positive Erklärung hinsichtlich des Bundesengagements zu dem Flughafen München 2 abgegeben hat, Ihre vorher präzisierte Haltung noch einmal im Laufe des Jahres zu überprüfen, damit gegebenenfalls bei der Beratung des Haushalts 1967 entsprechende Konsequenzen gezogen werden können?
Herr Kollege Börner, dann möchte ich zumindest erst einmal von den Sachverständigen hören, wo und in welcher Form, damit man sieht, was das Ganze kostet. Dann möchte ich ferner von der bayerischen Landesregierung hören, ob sie bereit ist, das zu machen. Sie ist letzten Endes der entscheidende Träger. Wir können nur Hilfestellung leisten. Von dieser Basis aus muß ich dann an den Finanzminister herantreten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich also Ihre eben gegebene Antwort so auffassen, daß Sie grundsätzlich mit mir in der positiven Bewertung übereinstimmen, daß Sie aber meinen, daß jeder Tag, der bis zur endgültigen Entscheidung der bayerischen Landesregierung vergeht, praktisch nachher verlorene Zeit sein könnte?
Ich glaube, wenn man das intensiv betreibt, könnte man bis 1972 mit der Sache bequem fertig sein.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Minister, gibt es in Ihrem Hause Überlegungen, die militärischen Flugplätze, die im Zuge der Entwicklung frei werden könnten, nämlich dadurch, daß Flugplätze mit langen Landebahnen überflüssig werden, dem zivilen Bedarf zuzuführen?
Wir würden uns sehr freuen, wenn uns die Militärbehörde jemals einen solchen Flughafen andienen sollte. Uns ist jeder vorhandene Flughafen, der sich für den zivilen Luftverkehr eignet, sehr angenehm. Sie wissen, daß wir darum bemüht sind, die Militärbehörden zu ersuchen, weitestgehend auch Flughäfen, die sie benutzen, zeitweise oder tageweise für den zivilen Luftverkehr zur Verfügung zu stellen.
Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage VIII/11 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Wie lange gedenkt die Bundesregierung es hinzunehmen, daß die Bundesbahn einstimmig gefaßte Beschlüsse des Deutschen Bundestages, wie im Falle des Bahnhofs Bingerbrück, nicht beachtet oder aber mindestens nicht mit der gebührenden Eile durchzuführen bemüht ist?
Herr Kollege Dröscher, in der Fragestunde vom 17. Februar wurde auf Ihre Frage geantwortet, daß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2375
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmLösungsvorschläge für einen gemeinsamen Fernbahnhof Bingerbrück ausgearbeitet und Informationsgespräche mit den Beteiligten geführt werden.Was nun die Durchführung einer von der Deutschen Bundesbahn zu erarbeitenden Lösung betrifft, so heißt es in dem Beschluß des Bundestages, daß bei Änderung und Erneuerung der Bahnanlagen darauf hinzuwirken ist, daß ein gemeinsamer Fernbahnhof dort entsteht. Dies wird auch beachtet.Da aber die Finanzlage der Deutschen Bundesbahn, wie Sie ja auch wissen, zur Zeit so schwierig ist, daß ,die Investitionen auf das für die Betriebsführung Allernotwendigste beschränkt werden müssen — für Neuanlagen besteht ein Investitionsstopp , und da zu diesen dringendst notwendigen Anlagen Umbauten dieser Art nicht gehören, so wünschenswert sie auch sind, kann leider vorläufig ein Termin für den Beginn des Baues eines neuen gemeinsamen Fernbahnhofs nicht angegeben werden. Die Kosten dafür müßten im Bundeshaushalt gesondert ausgebracht werden, denn die laufenden hohen Bundesleistungen an die Deutsche Bundesbahn können für diesen Zweck leider nicht erhöht werden,
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, verstehen Sie — nachdem Ihnen sicher bekannt ist, daß Bingerbrück als Verkehrsknotenpunkt zu 86 % kriegszerstört war —, daß die Bingerbrücker Bürger die bisherigen Bemühungen der Bundesbahn, den Bahnhof in einen menschenwürdigen Zustand zu versetzen, angesichts der Bedeutung als Knotenpunkt, auch für den Fremdenverkehr, für völlig unzureichend halten und daß daher ja auch die Ungeduld kommt, mit der man das Problem betrachtet?
Herr Kollege Dröscher, wir sind dabei völlig einer Meinung. Ich verstehe die Bürger von Bingen und Bingerbrück außerordentlich gut. Sie wissen ja, daß wir uns seit vielen Jahren um diese Frage bemühen, daß aber die Bundesbahn leider Gottes immer noch in der Klemme sitzt und infolgedessen Bahnhofsneubauten eigentlich nur dort durchgeführt hat, wo ihr von den entsprechenden kommunalen oder Landesbehörden zu günstigen Bedingungen dafür Kredite eingeräumt worden sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, angesichts des beschämenden Zustandes der Empfangsgebäude und der sich abzeichnenden langen Zeit bis Fertigstellung des Großprojekts einmal mit der Landesregierung dahin zu verhandeln — oder die Bundesbahn zu solchen Verhandlungen anzuregen —, daß für das Empfangsgebäude als Vorauslösung etwas getan wird?
Ja, ich will das gern sowohl der Bundesbahn wie der Landesregierung mitteilen und sie darauf aufmerksam machen. Bisher hat man eben derartige Arbeiten unterlassen in der Hoffnung und Erwartung, daß die endgültige Lösung kurz bevorsteht.
Ich rufe die Fragen VIII/12 und VIII/13 des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé auf:
Trifft es zu, daß der Technische Überwachungsverein die Gebühren für die Prüfung von Kraftfahrzeugen und von überwachungsbedürftigen Anlagen um durchschnittlich 20 Prozent erhöhen will?
Wird die Bundesregierung die in Frage VIII/12 erwähnten Erhöhungsanträge genehmigen?
Die Fragen werden übernommen von Herrn Abgeordneten Schwabe.
Herr Kollege Schwabe, ich darf die Fragen, die der Herr Präsident eben aufgerufen hat, gemeinsam beantworten.
Für die Tätigkeit der amtlich anerkannten Sachverständigen und Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr sind in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr Höchstgebühren festgesetzt. Die Vereinigung der Technischen Überwachungsvereine hat bereits am 1. Februar 1965 eine Erhöhung dieser Gebühren beantragt. Dieser Antrag ist nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und in technischer Hinsicht in dem Länderausschuß „Technische Kraftfahrzeugüberwachung" und in anderen Ausschüssen eingehend geprüft worden mit dem Ergebnis, daß mit den jetzt aufkommenden Gebühren die Verpflichtungen der Technischen Überwachungsvereine nicht mehr gedeckt werden können. Die Anforderungen an den Umfang der Prüfungen von Führerscheinbewerbern und Kraftfahrzeugen sind durch die Richtlinien des Bundesministers für Verkehr im Interesse der Verkehrssicherheit fortlaufend verschärft worden. Es muß deshalb voraussichtlich mit einer Erhöhung der Gebührensätze für Sachverständige und Prüfer im Kraftfahrzeugwesen gerechnet werden. Über das Ausmaß und den Zeitpunkt der Erhöhung läßt sich jedoch noch nichts Endgültiges sagen, da die Beratungen hierüber mit dem Bundeswirtschaftsministerium noch andauern.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß ja gerade — wenn wir etwa dazu kommen, daß die Fahrzeuge auf die Entwicklung von Geräuschen und Abgasen von den Technischen Überwachungsvereinen geprüft werden — neue, sehr umfangreiche Investitionen erforderlich sein werden, die in irgendeiner Form aufgebracht werden müssen.
Keine Zusatzfrage.Ich rufe die Frage VIII/14 des Herrn Abgeordneten Seibert auf:Ist der Bundesregierung bekannt, ob und gegebenentails in welchem Ausmaße die Wirtschaftsergebnisse auf den Nebenbahnstrecken der Deutschen Bundesbahn in letzter Zeit durch eine Konzentration der Verkehrsbedienung verbessert werden konnten?
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2376 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Ich möchte die Fragen 14 und 15 von Herrn Seibert gemeinsam beantworten, wenn er einverstanden ist.
Dann rufe ich auch die Frage VIII/15 des Herrn Abgeordneten Seibert auf:
Ist sichergestellt, daß vor der weiteren Anordnung von noch Ende 1964 von der Bundesregierung ursprünglich ausdrücklich mißbilligten globalen Streckenstillegungen zunächst einmal von der Deutschen Bundesbahn überprüft wird, wie sich eine solche Konzentration der Verkehrsbedienung allgemein auf den Nebenbahnen auswirken würde?
Es ist der Bundesregierung bekannt, Herr Kollege Seibert, daß sich die Deutsche Bundesbahn bemüht, durch Maßnahmen der Konzentration und Rationalisierung der Verkehrsbedienung eine Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses zu erreichen. Vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1965, also in zwei Jahren, wurden durch diese Maßnahmen jährlich wiederkehrende Einsparungen von rund 25,2 Millionen DM erzielt. Die Untersuchungen erstrecken sich auf Haupt- und Nebenbahnstrecken. Bis zum 31. Dezember 1965 waren auf Hauptbahnen 4676 km und auf Nebenbahnen 2773 km untersucht. Die Untersuchungen werden mit Nachdruck fortgeführt.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich sagen, daß sich auf den Strecken, die der Vorstand in die Stufenpläne für Stillegung aufgenommen hat oder aufnehmen wird, die Wirtschaftsergebnisse durch weitere Konzentrationen der Verkehrsbedienung nicht
mehr verbessern lassen. Von globalen Streckenstillegungen kann man nicht sprechen, da ja jede einzelne Stillegung nach den zu ihr gehörigen spezifischen Prüfungsergebnissen beurteilt wird. Somit kann ich Ihre zweite Frage mit Ja beantworten.
Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn die Bahn nach den Ausführungen, die Sie soeben gemacht haben, im letzten Jahr durch die Konzentration und Rationalisierung der Verkehrsbedienung auf Nebenstrecken rund 25 Millionen DM einsparen konnte und weitere Einsparungen von mindestens 100 Millionen DM für möglich gehalten werden, können Sie mir dann sagen, in welchem Verhältnis dieser sich jährlich wiederholende Einsparungserfolg zu den Resultaten steht, die man sich von der Stillegung von etwa 8000 km Strecken erhofft?
Herr Kollege Seibert, dies sind ja Einsparungen, die nicht durch Stillegungen, sondern durch Punktrationalisierungen und ähnliche Maßnahmen erfolgt sind. Deswegen kommen zu diesen Einsparungen nicht auch noch die Einsparungen, die bei Stilllegungen entstehen, hinzu, wenn eben die Strekken nicht mehr weiter unterhalten oder erneuert werden müssen. Insgesamt ist nach dem Gutachten der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG errechnet worden, daß durch die Einstellung dieser Nebenstrecken ein rechnerischer Effekt von rund 600 Millionen DM an Einsparungen im Jahr erzielt
werden kann. Hier sind die Einsparungen durch den Betrieb und die Einsparungen durch Neuerungen zusammengefaßt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, hat Ihr Haus in konkreten Fällen überprüft, welche Änderungen in der Verkehrsbedienung bzw. Verteuerung sich bei der Aufgabe von Verkehrsdiensten bei der Deutschen Bundesbahn ergeben haben?
Wie Sie als Mitglied des Verwaltungsrates wissen, wird das von der Bundesbahn im einzelnen vorgelegt. Ich glaube, es wäre gut, Herr Kollge Seibert, wenn wir diese Frage im Verwaltungsrat besprechen würden, wo alle einschlägig beteiligten Beamten vorhanden sind, die die einzelnen Sonderfragen beantworten können.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Minister, glauben Sie nicht auch, daß die Frage der Verteuerung der Verkehrsbedienung für die Wirtschaft und für das Allgemeinwohl nicht im Verwaltungsrat beantwortet werden kann, sondern eine Antwort durch die davon betroffenen Stellen finden muß? Ich denke hier an das Land oder an die Kreise.
Ja, aber Sie wissen ja, daß wir im Zusammenhang mit den Fragebogen, die die Bundesbahn uns vorlegt, wenn Sie im Verwaltungsrat über die Stillegung zu beschließen haben, auch diese Frage erörtern, und zwar in jedem einzelnen Fall. Die Nachprüfung kann erst dann erfolgen, wenn die Stilllegung abgeschlossen ist und der Verkehr auf den Ersatzverkehr umgestellt worden ist. Zur Zeit sind wir erst dabei, einmal diese ganzen Anträge durchzuarbeiten. Die Bahn benötigt ja einen gewissen Zeitraum, bis sie den Verkehr auf einer Strecke eingestellt hat. Dann kann man erst genau ermitteln, ob tatsächlich Verteuerungen eingetreten sind. Bei den Einstellungen, die wir in nicht zu großem Umfang, aber immerhin schon durchgeführt haben, habe ich bisher niemals gehört, daß die Einstellung von Strecken zu echten Verteuerungen für Personen und für die Wirtschaft geführt hat, wenn eine entsprechende Ersatzverkehrsbedienung aufgenommen wurde.
Ich rufe die Frage VIII/16 des Abgeordneten Seibert auf:
Wie lassen sich die von der Deutschen Bundesbahn vorgesehenen globalen Streckenstillegungen mit der Erklärung des Bundesverbandes Deutscher Eisenbahnen in Einklang bringen, daß die Privatbahnen ohne weiteres in der Lage seien, solche Strecken unter vereinfachten Bedingungen weiterzuführen?
Herr Kollege, es trifft lediglich zu, daß der Bundes-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2377
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmverband Deutscher Eisenbahnen sich grundsätzlich bereit erklärt hat, zu prüfen, ob der Schienenverkehr bei stillgelegten Strecken der Deutschen Bundesbahn durch die in dem Verband zusammengeschlossenen nichtbundeseigenen Bahnverwaltungen übernommen werden kann. Es wird sich dabei jedoch nur um solche Strecken handeln können, die im unmittelbaren Verwaltungsbereich einer dieser Bahnverwaltungen liegen und an deren Restverkehren Interesse seitens des Verbandes besteht. Bei den Stellungnahmen der obersten. Landesverkehrsbehörden nach § 44 des Bundesbahngesetzes bei jeder Einzelstillegung besteht ohne weiteres die Möglichkeit, dem Wunsch des Verbandes Geltung zu verschaffen, zumal ja die nichtbundeseigenen Eisenbahnen der Aufsicht der Länder unterstehen.Bei den bisher von mir genehmigten Stillegungsanträgen ist eine solche Absicht von keiner der nichtbundeseigenen Eisenbahngesellschaften geäußert worden. Im übrigen ist auch die Deutsche Bundesbahn durchaus in der Lage — und tut dies auch —, den Schienenverkehr unter vereinfachten Bedingungen aufrechtzuerhalten, wenn der Restverkehr dies rechtfertigen sollte. Sie wissen, daß wir auf zahlreichen Strecken den Güteranschlußverkehr oder auch den Güterverkehr weiter in Betrieb halten.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Haar auf.
Darf ich noch eine Zusatzfrage zu dieser Frage stellen, Herr Präsident?
Im Unterschied zu den anderen haben Sie ja ein Recht darauf. Wenn Sie also darauf bestehen, dann haben Sie noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, daß Stillegungen in der genannten Größenordnung im Gegensatz zu den Vorstellungen der Bundesländer stehen, wie sie in der Entschließung des Bundesrates vom 9. Juli 1965 zum Ausdruck gekommen sind, und wie gedenkt die Bundesregierung dem Inhalt dieser Entschließung in der kommenden Zeit Rechnung zu tragen?
Dieser Entschließung der Bundesländer wird ja schon dadurch Rechnung getragen, Herr Kollege Seibert, daß nach § 44 des Bundesbahngesetzes bei jeder Einzelstillegung das Land gefragt wird. Dann können die Länder sich ja im Rahmen ihres Beschlusses im Bundesrat entsprechend verhalten. Aber ein großer Teil der Länder hat den bisherigen Stillegungsanträgen ja zugestimmt und nur bei einer Reihe von Stillegungsanträgen Schwierigkeiten gemacht. Daß aus einem Lande, in dem Sie kandidieren, Schwierigkeiten kommen, brauchen wir uns ja nicht gegenseitig zu erzählen.
Keine weitere Zusatzfrage.
— Wenn es unbedingt sein muß, — nicht gern, aber Sie können noch eine Frage stellen.
Herr Bundesminister, in dem Zusammenhang darf ich einmal fragen, ob es bisher schon ein Land gegeben hat, das, wenn die Befragung erfolgte, gegebenenfalls bereit war, von sich aus, wenn bisher unter dem roten Strich gefahren worden war, einen Zuschuß zu geben, um eine Bahn aufrechtzuerhalten. .
Herr Kollege Brück, in einzelnen Fällen ist das geschehen. Das Land Baden-Württemberg hat das in einigen Fällen getan, und Bayern hat es bei der Strecke nach Wegscheid in indirekter Form für die Neubeschaffung von Zahnradlokomotiven getan.
Fragen VIII/17 und VIII/18 des Abgeordneten Haar :
In welchem Umfange mußte die Deutsche Bundesbahn 1965 und inwieweit muß sie 1966 ihr Investitionsprogramm auf Grund nicht erhältlicher Kapitalmarktmittel gegenüber dem betriebsbedingt erforderlichen Ausmaß kürzen?
Stimmt die Bundesregierung der Meinung zu, daß eine Besserung der Kapitalmarktsituation allenfalls die Erwartung zuläßt, in absehbarer Zeit das reguläre Investitionsprogramm annähernd vollständig finanzieren zu können?
— Das hätten Sie vorher melden müssen; aber — bitte !
Meine Damen und Herren, irgendwie muß die Abwicklung der Fragestunde ein bißchen anders werden. Wir kommen sonst einfach nicht durch. Ich finde es nicht ganz korrekt gegenüber den Kollegen, die ihre Fragen rechtzeitig eingereicht haben, wenn diese Fragen, die gedruckt sind und deren Beantwortung auch vorbereitet ist, einfach hinten herunterfallen, d. h. sich mit schriftlicher — und damit eben nicht öffentlicher — Beantwortung bescheiden müssen. Das ist irgendwie nicht korrekt. Wir müssen also wahrscheinlich, solange man so viele Fragen hat, wie wir sie gegenwärtig bekommen, die Zusatzfragen etwas beschränken, damit diejenigen, die Fragen schriftlich vorlegen, auch eine öffentliche Antwort bekommen.
Bitte sehr, Herr Minister!
Herr Präsident, darf ich dann die Frage VIII/17 beantworten.
17 und 18!
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2378 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Antwort auf die Frage 17:
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat das betriebsbedingt erforderliche Ausmaß der Jahresinvestitionen auf rund 3 Milliarden DM beziffert. Im Jahre 1965 konnten trotz der geringen Ergiebigkeit des Kapitalmarktes noch Investitionen in Höhe von 2,2 Milliarden DM durchgeführt werden; das zur zügigen Rationalisierung und Modernisierung wünschenswerte Optimalprogramm mußte also im Jahre 1965 um rund 0,8 Milliarden DM gekürzt werden.
Nachdem sich die Kapitalmarktlage im Jahre 1966 weiterhin außerordentlich verschlechtert hat, ist leider nicht zu erwarten, daß das Investitionsvolumen des Vorjahres erreicht werden kann. Die Deutsche Bundesbahn hat zwar in ihrem Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 1966 Investitionen in Höhe von 2,3 Milliarden DM vorgesehen. Es ist jedoch bisher nicht erkennbar, ob wenigstens die zur Deckung eines Teiles des Investitionsprogramms 1966 eingeplanten Anleihen von 0,5 Milliarden DM begeben werden können. Nach dem gegenwärtigen Stand muß daher leider mit einer weiteren Einschränkung des Investitionsvolumens gerechnet werden. Von dieser allgemein festzustellenden Entwicklung ist bekanntlich ,die Investitionstätigkeit der gesamten öffentlichen Hände, und nicht nur die der Bundesbahn, betroffen.
Auf die Frage 18 darf ich antworten:
Für die Durchführung eines „regulären Investitionsprogramms hält der Vorstand der Deutschen
Bundesbahn nach dem von ihm entwickelten VierJahres-Investitionsplan jährliche Ausgaben von rund 3 Milliarden DM für notwendig. Etwa die Hälfte dieser Summe wird aus den Abschreibungen gedeckt, die, soweit sie nicht selbst verdient werden können, der Deutschen Bundesbahn über den Verlustausgleich vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Infolge der bekannten Kapitalmarktsituation in der Bundesrepublik wird es in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht möglich sein, das danach verbleibende Investitionsvolumen von ebenfalls rund 1,5 Milliarden DM mit Hilfe von langfristigem Fremdkapital zu erreichen. Vom Ausmaß einer Besserung der allgemeinen Kapitalmarktlage wird es abhängen, ob und inwieweit die Investitionslücke bei der Deutschen Bundesbahn geschlossen werden kann. Gerade im Hinblick hierauf hat die Bundesregierung nunmehr in Aussicht genommen, die Verwirklichung der dringendsten Rationalisierungs-
und Modernisierungsinvestitionen durch Sonderinvestitionsmittel zu unterstützen, soweit die Haushaltslage es gestattet. Sie hofft auf diese Weise einen gewissen Ausgleich für den Ausfall eines Teils der Deckungsmittel für das reguläre Investitionsprogramm schaffen zu können.
Frage VIII/19 des Abgeordneten Tönjes:
Hat die Bundesregierung und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis überprüft, in welchem Verhältnis die Herstellungs-
bzw. Selbstkosten von Reparaturen und Neufertigung im Rahmen der Regiearbeit der Deutschen Bundesbahn zu den Preisen fremdbezogener Anlagen und den Kosten für von Dritten ausgeführten Reparaturen stehen?
Herr Präsident, ich bitte, auch die beiden Fragen des Herrn Kollegen Tönjes, die den gleichen Sachverhalt betreffen, gemeinsam beantworten zu dürfen.
Bitte sehr! Ich rufe auch die Frage VIII/20 des Abgeordneten Tönjes auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Deutsche Bundesbahn hinzuwirken, daß sie im Interesse einer erhöhten Wirtschaftlichkeit und Entlastung des Bundeshaushaltes bei kostenmäßiger Überlegenheit von Regietätigkeiten die darin liegenden Möglichkeiten verstärkt ausnutzt?
Ob Reparaturen und Neufertigungen wirtschaftlicher als Regiearbeit der Deutschen Bundesbahn oder als Unternehmerarbeit durchgeführt werden können, ist schon oft und sehr eingehend geprüft worden. Insbesondere hat die von diesem Hohen Hause eingesetzte Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn, die sogenannte Brand-Kommission, eine recht klare Stellungnahme hierzu abgegeben. Während die Durchführung der Reparaturen in der Regie der Bundesbahn als die wirtschaftlichste Lösung angesehen wird, ist für die Neufertigung die Kommission zu der Überzeugung gelangt, daß mit Rücksicht ,auf den für die Deutsche Bundesbahn erforderlichen Sozialaufwand und die Pensionsverpflichtungen der Vorteil bei einer Vergabe an Unternehmer läge. In jüngster Zeit ist die Frage von der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG — Treuarbeit — in ihrem kürzlich vorgelegten Gutachten aufgegriffen worden. Die Treuarbeit spricht aber die Vermutung aus, daß in den Berechnungen der Deutschen Bundesbahn nicht alle Gemeinkosten ordnungsgemäß erfaßt worden sind. Wir sind zur Zeit im Zuge der Auswertung dieses Gutachtens damit beschäftigt, auch diese Frage zu klären.
Es ist in diesem Zusammenhang zu Recht immer wieder darauf hingewiesen worden, .daß die Anpassung der vorzuhaltenden Kapazitäten an den jeweiligen Bedarf bei Unternehmerbetrieben sehr viel leichter durchzuführen ist als bei Regiebetrieben. Bei letzteren wird dann häufig erforderlich, Mittel bereitzustellen, um die vorhandenen Leute wieder zu beschäftigen.
Man wird die Frage der Regiearbeit auch nicht ausschließlich unter dem Blickwinkel der Deutschen Bundesbahn betrachten ,dürfen. Wir sind ein Industrieland, das auf seinen Export angewiesen ist, und man wird der deutschen Industrie, die diesen Export betreiben soll, auch auf dem Gebiet des Eisenbahnfahrzeugbaus den Binnenmarkt nicht allzusehr verschließen dürfen.
Alle diese Überlegungen haben seit 1951 dazu geführt, eine grundsätzliche Arbeitsteilung in ,dem Sinne vorzunehmen, daß .die Industrie die Neufertigung und die Bundesbahn die Ausbesserung durchführt.
Keine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2379
Präsident D. Dr. GerstenmaierHerr Bundesminister, der Herr Abgeordnete Dr. Marx ist mit der schriftlichen Beantwortung seiner Frage VIII/21 einverstanden.
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die bereits in der Fragestunde vom 10. März 1966 behandelten Tatsachen endgültig zu eliminieren, wonach verschiedentlich Bundesbahnbusse und die Deutsche Bundesbahn auf übereinstimmenden Strecken nicht mit der gleichen Fahrkarte benutzt werden können und sich daraus unzumutbare finanzielle Mehrbelastungen, vor allem für Schichtarbeiter, ergeben?Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Die Frage VIII/22 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen ist vom Fragesteller zurückgezogen.Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zunächst die Frage II/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar:Wann gedenkt die Bundesregierung, den neuen Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts zu ernennen?Zur Beantwortung der Herr Bundesaußenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bestellung des Leiters der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts wird so schnell wie möglich erfolgen. Die Besetzung, die uns im Augenblick vorschwebt, hat leider zur Voraussetzung, daß etwa ein Dutzend anderer personeller Züge und Bewegungen gemacht werden, um sie durchführen zu können. Das ist der Grund für eine gewisse Verzögerung. Ich kann Ihnen auch noch kein bestimmtes Datum nennen. Gehen Sie aber bitte davon aus, daß es eine interne Entscheidung darüber gibt und daß sie nur zu ihrer Durchführung eine gewisse Zeit erfordern wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeodneten Lohmar.
Herr Bundesminister, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, darf ich Sie fragen: Was erweist sich bei der Suche nach einem geeigneten Leiter als schwieriger, die Suche nach einem sachlich qualifizierten Mann oder die Suche nach jemandem, der in den Proporz unter verschiedenen Gesichtspunkten hineinpaßt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, den Proporz nehme ich nicht tragisch. Ich halte von dem Proporz an sich gar nichts. Ich halte etwas — und da werden Sie mir hoffentlich alle zustimmen — von einer gewissen Harmonie.
— Sie werden es doch hoffentlich für richtig halten, daß wir auf Harmonie und nicht auf Gegensätze bedacht sind. Es ist nach der Art der Ausstattung dieser Stellung und nach der Schwierigkeit der Aufgabe tatsächlich sehr schwer, einen überzeugenden Leiter der Kulturabteilung zu finden. Unter uns gesagt, werden öffentlich auch ganz übertriebene Erwartungen an die Fähigkeiten gestellt, die ein Leiter dieser Abteilung haben sollte. Ich hoffe, daß die Lösung, wie sie mir jetzt vorschwebt, auch bei Ihnen Zufriedenheit erwecken wird.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar.
Herr Bundesminister, erlauben Sie mir bitte, mir Ihre terminologische Bereicherung unserer Sprache nicht zu eigen zu machen, aber Ihrer Antwort zu entnehmen, daß konfessionelle oder andere formale Gesichtspunkte bei der Besetzung dieser Stelle keine Rolle spielen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, davon können Sie ruhig ausgehen.
Herr Kollege Lohmar, wo bleibt das Fragezeichen?
— Das Fragezeichen muß ich hören, sonst braucht der Minister gar nicht darauf zu antworten. Aber wenn er will, — —
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Außenminister, könnte es sein, daß auch Fragen des Dienstgrades eine Rolle gespielt haben bei der Auswahl der Persönlichkeit und bei eventuellen Ablehnungen, die Sie vielleicht auch von einem Mitglied dieses Hauses aus diesem Grunde bekommen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verehrter Herr Kollege, kein Mitglied dieses Hauses ist gebeten worden, kein Mitglied dieses Hauses wird gebeten werden, kein Mitglied dieses Hauses hat die Möglichkeit gehabt, eine Absage zu erteilen.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Es besteht auch nicht die Absicht, diese Stelle eventuell zu einer Staatssekretärstelle anzuheben, um eine entsprechend qualifizierte Persönlichkeit gewinnen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Gewinnen qualifizierter Menschen hängt nicht unbedingt von der Einstufung von Stellen ab. Glücklicherweise gibt es sehr viele Menschen, denen auch noch mit der Ehre gedient ist, die in der Aufgabe liegt.
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2380 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Geisendörfer.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, daß die Besetzung dieser Stelle auch mit der Einschätzung der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik zusammenhängt, mit anderen Worten: daß Außenpolitik in zunehmendem Maße über Kulturpolitik gemacht wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich, Frau Kollegin. Ich stimme Ihnen darin durchaus zu. Es geht wirklich nur darum, unter den verfügbaren Menschen den am besten Geeigneten auszuwählen.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde wird morgen fortgesetzt.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung Berichterstatter: Fritsch (Deggendorf)
b) Beratung der Sammelübersicht 6 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 31. Mai 1966 eingegangenen Petitionen
— Drucksache V/683 —
Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Fritsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 113 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sieht vor, daß der Petitionsausschuß dem Plenum vierteljährlich einen Mündlichen Bericht über seine Tätigkeit erstattet. Die Ausschußarbeiten, über die ich zu berichten habe, konnten erst nach Konstituierung des Ausschusses mit Beginn dieser Legislaturperiode fortgesetzt werden. Da außerdem die neugewählte Ausschußvorsitzende, Frau Kollegin Jacobi, die absprachegemäß den ersten Bericht der 5. Wahlperiode geben sollte, sich verständlicherweise zunächst einen Überblick über die Ausschußtätigkeit verschaffen wollte, war es nicht möglich, den vorgesehenen Berichtszeitraum einzuhalten. Wir bitten dafür um Verständnis. Frau Kollegin Jacobi ist bedauerlicherweise seit einiger Zeit erkrankt. Daher hat der Ausschuß mich beauftragt, dem Hohen Hause über die sich aus Artikel 17 des Grundgesetzes ergebenden Aufgaben und Tätigkeiten zu berichten.Gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche, dem Wesen des Petitionsrechts gewidmete Betrachtung. Das Recht und die Möglichkeit, sich an die Volksvertretung zu wenden, schaffen eine unmittelbare Beziehung des Bürgers zu diesem Parlament. Ohne instantielle Erschwernisse oder bürokratische Einschränkungen kann und soll er seine Anliegen und Sorgen, aber auch seine Überlegungen zur bestehenden und zukünftigen Gesetzgebung der gesetzgebenden Körperschaft unterbreiten. Das Parlament wird hierdurch nicht nur zum Helfer des Bürgers in seinen ihn bedrückenden vielschichtigen Notständen, sondern es erfährt durch den Sachverstand des Bürgers, welche Lücken in der Gesetzgebung geschlossen und welche Maßnahmen getroffen werden sollten, um das geltende Recht den Erfordernissen der Gerechtigkeit gegenüber jedermann anzugleichen. Gerade diese Möglichkeit ist in der Arbeit des Petitionsausschusses in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. Wie ich nachher noch an einzelnen Beispielen erläutern werde, ist in vielen Fällen über das eigentliche Petitum hinaus geprüft worden, ob und inwieweit über eine Änderung der bestehenden gesetzlichen Vorschriften dem Anliegen einer größeren Zahl von Bleichgelagerten Beschwerden entsprochen werden kann. Alle Bemühungen des Ausschusses gelten somit dem Menschen und seiner Wohlfahrt; er setzt — und das als Mitglied dieses Ausschusses immer wieder zu erfahren, ist ein unschätzbarer Gewinn — das Bild vom Menschen und seiner Würde, wie es das Grundgesetz postuliert, über rechtstechnische und verwaltungsmäßige Gegebenheiten.Sicher finden die Möglichkeiten der individuellen Hilfe ihre Grenzen im geltenden Recht und in dem Respekt vor den geteilten Gewalten. Es scheint mir aber gut zu sein, zu wissen, daß es den fortwährenden Versuch gibt, nach neuen Wegen und Möglichkeiten zu suchen, die Last, die dem Bürger dieses Landes und dem Menschen unserer Zeit aufgebürdet ist, zu vermindern oder sie ihm abzunehmen und damit sein Vertrauen zu diesem unserem Staate zu befestigen.Mein Bericht schließt an an die mit der Sammelübersicht 1 vom 17. Dezember 1965 — Drucksache V/132 — gegebene systematische Übersicht über die beim Bundestag in der 4. Wahlperiode eingegangenen Petitionen. Er nimmt ferner Bezug auf die Ihnen mit dieser Sammelübersicht gegebene systematische Übersicht über die in der 5. Wahlperiode bis Ende Mai dieses Jahres eingegangenen Petitionen.Ich habe nicht die Absicht, Sie mit Statistiken aus diesen Übersichten zu behelligen. Ich darf bezüglich des Gesamtstandes, der Aufgliederung nach Sachgebieten und der Erledigungsart auf die genannte Drucksache verweisen. Nur so viel sei bemerkt, daß sich durch die rund 30 000 Petitionen zuzüglich etwa 555 000 Massenzuschriften in der 4. Wahlperiode und die etwa 4000 Eingaben seit Beginn der
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2381
Fritsch
5. Wahlperiode die Gesamtzahl der seit dem Bestehen der Bundesrepublik beim Bundestag eingegangenen Petitionen auf rund 140 000 Bitten und Beschwerden zu unterschiedlichen Anliegen aus 74 Sachgebieten und auf 850 000 — meist organisierteMassenzuschriften erhöht hat.Die rund 140 000 Petitionen verteilten sich in ihren Schwerpunkten — wie dies auch auf die etwa 4000 Eingaben der Berichtszeit zutrifft — auf die Sozialversicherung, die Kriegsopferversorgung, das öffentliche Dienstrecht und die Lastenausgleichsgesetzgebung. Die Massenzuschriften dagegen befassen sich vornehmlich mit der Rote-Kreuz-Konvention gegen Atomwaffen, mit der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr, der Urheberrechtsreform, dem Ablauf der Verjährungsfristen für NS-Verbrechen, der Notstandsgesetzgebung, der Verkehrssicherheit, der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel und schließlich der Reform der Krankenversicherung.In den letzten 71/2 Monaten war auch festzustellen, daß von dem in Art. 17 GG verbrieften Recht, sich in Gemeinschaft mit anderen an den Bundestag zu wenden, zunehmender Gebrauch gemacht wurde. In 101 Sammelpetitionen haben sich 114 000 Bürger eingetragen. Sie betrafen hauptsächlich die Forderungen nach „Sauberer Leinwand" und guten Illustrierten, das Ersuchen der ÖTV um Revision des NATO-Truppenstatuts zur Verbesserung der Rechtsstellung der deutschen Arbeitnehmer, die Besoldungsanpassung des öffentlichen Dienstes des Bun-d des, den Ausbau des Hochschulwesens und der Forschungseinrichtungen, den Verzicht der Bundesrepublik auf eine Beteiligung an einer multilateralen Atommacht, die Errichtung einer Abrüstungsbehörde in der Bundesrepublik und den Vietnam-Krieg.Die am Ende der 4. Wahlperiode nicht abschließend behandelten — etwa 1600 — Petitionen, darauf möchte ich in diesem Zusammenhang verweisen, gelten als Ausnahme von dem in § 126 der Geschäftsordnung des Bundestages festgelegten Grundsatz der Diskontinuität nicht als erledigt. Sie wurden vielmehr in dieser Wahlperiode, ohne daß es einer erneuten Einbringung bedurft hätte, weiter bearbeitet und konnten im wesentlichen erledigt werden.Die Bearbeitung und Erledigung der genannten, sicher beeindruckenden Zahlen von Petitionen oblagen vornehmlich den 27 Mitgliedern des Petitionsausschusses und dem Büro für Petitionen mit 25 Bediensteten als parlamentarischem Hilfsdienst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es für meine Pflicht, an dieser Stelle den verehrten Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für diese an Zahlen meßbare, in ihrem Gewicht aber nicht wägbar Arbeit im Dienste des Mitmenschen aufrichtigst zu danken.
Gleichermaßen meine ich, dem Parlamentarischen Hilfsdienst, also dem Büro für Petitionen die dankbare Anerkennung für die hervorragenden Leistungen in der Unterstützung des Ausschusses, derfachlichen Beratung und der selbständigen Arbeit ausdrücken zu sollen.
Es mag sicher Ausschüsse dieses Hohen Hauses geben, deren Wirken noch mehr in das öffentliche Bewußtsein gerückt ist. Ich glaube aber, daß das über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsame Ringen um das Wohl des Bürgers dem Glanz dieses Parlaments den Hauch der Menschlichkeit hinzufügte.Ich habe davon gesprochen, daß über das Einzelanliegen eines Petitums hinaus der Ausschuß sich zunehmend darüber Gedanken macht, wie über die Fortentwicklung der Gesetzgebung den Bitten und Beschwerden entsprochen werden kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Eingaben, die Entwürfe der laufenden Gesetzgebung betreffen, und Petitionen, für die noch keine Gesetzesinitiative vorliegt oder zu erwarten ist. Im ersten Fall werden die Eingaben in aller Regel den zuständigen Fachausschüssen des Bundestages als Material überwiesen. Bei Vorschlägen zu Gesetzesinitiativen soll nach übereinstimmender Meinung der Mitglieder des Petitionsausschusses künftig mehr als bisher der Bundestag selbst befaßt werden. Dies könnte dadurch geschehen, daß solche Eingaben zur Ausarbeitung einer interfraktionellen Initiative der Mitglieder des Petitionsausschusses benutzt oder den Fraktionen zur Kenntnis überstellt werden.Lassen Sie mich zur Untermauerung dessen, was ich hier ausführen durfte, einige Beispiele bringen, Beispiele dafür, wie sehr Einzelpetitionen durchaus in der Lage sind, sowohl den Stand der Gesetzgebung zu beeinflussen, als auch Anlaß zu neuen Initiativen auf allen Gebieten der Gesetzgebung zu sein.Ein — wenn Sie so wollen — einfacher Einsender hat kürzlich eine Petition an uns gerichtet, die seine persönlichsten Verhältnisse betraf. Diese Petition führte zu einem Antrag der Abgeordneten Frau Jacobi , Frau Wessel, Wächter und Genossen in Drucksache V/359 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Folgender Sachverhalt liegt zugrunde.Der deutsche, evangelische, von einem deutschen Gericht rechtskräftig geschiedene Petent hatte den Ausschuß um Hilfe gebeten. Er wollte eine ledige spanische Gastarbeiterin römisch-katholischer Konfession heiraten und war durch den zuständigen Standesbeamten aufmerksam gemacht worden, daß diese Eheschließung in der Bundesrepublik mit Rücksicht auf Artikel 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nicht möglich sei. Artikel 13 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum BGB lautet:Die Eingehung der Ehe wird — sofern nur einer der Verlobten ein Deutscher ist — in Ansehung eines jeden der Verlobten nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er angehört.
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2382 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Fritsch
In Spanien wie auch in anderen romanischen Ländern ist das katholische Eherecht zugleich staatliches Recht. Nach katholischem Eherecht gibt es keine Scheidung einer gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe, auch dann nicht, wenn die Eheleute nicht der römisch-katholischen Kirche angehören. Der Petent wurde daher trotz der nach deutschem innerstaatlichem Recht gültigen Entscheidung weiterhin als verheiratet angesehen. Es ist ihm zwar zwischenzeitlich ermöglicht worden, in Dänemark die gewünschte Ehe zu schließen. Der Ausschuß war und ist jedoch der Auffassung, es nicht bei der Lösung dieses Einzelfalles bewenden zu lassen und dem im Hinblick auf die zahlreichen seit Jahren in der Bundesrepublik ansässigen spanischen und italienischen Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen allgemeinen Anliegen durch eine Änderung des Artikels 13 des Einführungsgesetzes zum BGB zu entsprechen. Der Ausschuß ist der Meinung, daß eine Gesetzesnovelle entsprechend der in Drucksache V/359 vorgesehenen Fassung notwendig ist, um weitere menschliche Tragödien auf Grund der bestehenden gesetzlichen Regelungen zu vermeiden. Er wird hierin bestärkt durch die verschiedenen Zuschriften, die er inzwischen erhalten hat und die auf die Dringlichkeit dieses Anliegens hinweisen. Ein entsprechender Gesetzesantrag war bereits im 4. Bundestag als Drucksache IV/3088 eingebracht und dem Rechtsausschuß zur Beratung überwiesen worden, mit dem Ende der Wahlperiode aber, weil er nicht mehr behandelt werden konnte, als erledigt angesehen worden. Der nunmehrige Antrag in der Drucksache V/359 wurde in der 30. Bundestagssitzung am 16. März dieses Jahres dem Rechtsausschuß zur Beratung überwiesen. Im Interesse aller Betroffenen und Interessierten hofft der Ausschuß, daß er zügig beraten und bald verabschiedet werden kann.Dieser Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nicht den Eindruck erwecken, daß all das Material, das in Petitionen an den Ausschuß herangetragen wird, in gleicher Weise durch den Gesetzgeber ausgewertet werden könnte. Es mag aber als Beispiel gelten und aufzeigen, welche Möglichkeiten vorhanden sind und genutzt werden sollten.Ich werde Ihnen zur Verwertung in den zuständigen Gremien einige weitere Fälle skizzieren, die kundtun, wo der Schuh drückt, wo Abhilfe not tut oder als möglich erscheint oder wo eine Überprüfung der bisherigen Auffassungen am Platze ist. An dieser Stelle ist schon mehrmals auf die Notwendigkeit der baldigen Verabschiedung eines Gesetzes zur Regelung von Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden entsprechend dem Vorbehalt in § . 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. November 1957 aufmerksam gemacht worden. Der in zahlreichen Petitionen immer wieder geforderte, in der 4. Wahlperiode nicht mehr verabschiedete, inzwischen aber überarbeitete Gesetzentwurf sollte im Interesse der Geschädigten bald wieder im Bundestag eingebracht und beraten werden.Lassen Sie mich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Fälle dieser Art dar-legen, um unter Beweis zu stellen, wie sehr es über das Anliegen des Einzelfalles hinaus notwendig ist, immer wieder die gegebenen gesetzlichen Grundlagen erneut zu prüfen, zu überdenken oder zu neuen Ergebnissen in der Frage der Initiierung neuer Gesetze zu gelangen.Auf dem Gebiete der Miet- und Lastenbeihilfen ist Anlaß zu Beschwerden seitens unserer Mitbürger immer wieder § 29 des Wohngeldgesetzes. Nach dieser Bestimmung darf ein Wohngeld nicht gewährt werden, wenn der Antragsberechtigte für sich und für die zu seinem Haushalt rechnenden Familienmitglieder Leistungen nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes erhält und diese Leistungen dazu bestimmt sind, die Miete oder Belastung für seine Wohnung ganz oder teilweise aufzubringen. Durch diese Bestimmung werden die sozial Schwächsten, die Empfänger von Sozialhilfe, rechtlich und tatsächlich benachteiligt. Das darf ich an folgenden Beispielen noch näher erläutern.Die Sozialhilfe ist nach Maßgabe des § 92 des Bundessozialhilfegesetzes vom Empfänger und seinen Erben zurückzuerstatten, während das Wohngeldgesetz eine Rückerstattungspflicht nicht vorsieht.Das Sozialhilfegesetz erfordert im Unterschied zum Wohngeldgesetz eine Heranziehung Unterhaltspflichtiger. Auch auf sonstige Ansprüche gegen Dritte greift die Sozialhilfe im Rahmen der §§ 2, 90 und 91 des Bundessozialhilfegesetzes zurück.§ 24 Nr. 7 des Wohngeldgesetzes sieht eine Vermögensfreigrenze von 5000 DM zuzüglich je 2000 DM für das zweite und jedes weitere zum Haushalt rechnende Familienmitglied vor. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes jedoch in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 88 kann ein alleinstehender Sozialhilfeempfänger für die Hilfe zum Lebensunterhalt nur eine Freigrenze von 1000 DM beanspruchen. Er muß also seine Spargroschen bis auf einen Betrag von 1000 DM einsetzen, während der Wohngeldempfänger einen Betrag bis zu 5000 DM für die Mietzahlung nicht anzutasten braucht. Im Interesse der Betroffenen sollten auch hier baldmöglichst die der Bundesregierung bekannten unbefriedigenden Regelungen der Verhältnisse auf dem Gebiet des Wohngeldes einer Revision unterzogen und geändert werden.Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihnen noch ein Beispiel auf dem Gebiet der Rentengesetzgebung darstellen! Eine Witwe, die sich wieder verheiratet hatte, deren zweite Ehe ohne ihr Verschulden im Jahre 1946 geschieden worden war, begehrte nunmehr eine Witwenrente aus der Angestelltenversicherung ihres ersten Mannes. Nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen kann die frühere Witwenrente nur wiederaufleben, wenn die neue Ehe nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, also nach dem 31. Dezember 1956, aufgelöst worden ist. Das Anliegen der Petentin konnte daher nach geltendem Recht zwar nicht erfüllt werden; der Ausschuß befaßte sich jedoch in einer der letzten Sitzungen eingehend mit dem allgemeinen Fragenkomplex der Rückwirkung von Leistungsverbesserungen bzw. von günstigeren Voraussetzungen
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Fritsch
für die Gewährung von Leistungen auf Grund gesetzlicher Neuregelungen. Es ist unbefriedigend und für die Betroffenen meist nicht verständlich, daß — auf den vorliegenden Fall angewandt — eine Witwe, deren Zweitehe vor dem Inkrafttreten des einschlägigen Gesetzes geschieden worden ist, keine Rente nach ihrem ersten. Ehemann erhalten soll, während die Witwe, deren Ehe nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgelöst worden ist, eine Rente beanspruchen kann. Man war im Ausschuß einhellig der Meinung, daß diese Problematik zumindest nochmals überdacht werden sollte.Die Tariferhöhungen bei der Deutschen Bundesbahn haben eine Reihe von Petitionen ausgelöst, insbesondere zur Einführung der Altersgrenze von 27 Jahren für die Ausgabe verbilligter Schülerfahrkarten. Die Eingaben werden anläßlich der Beratung des Fragenkomplexes im Verkehrsausschuß, dem sie überwiesen worden sind, mitberaten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gäbe noch eine Reihe von Beispielen, die ich mir vorgemerkt habe und die aus der gemeinsamen Arbeit in diesem Ausschuß stammen. Ich möchte mich jedoch bescheiden und nicht mehr alles das, was sich aus der Arbeit des Petitionsausschusses zum Vortrag anbietet, hier darstellen.Ich möchte jedoch noch einen Fragenkomplex herausgreifen, der es mir wert erscheint, hier dargelegt zu werden, und zwar betrifft er das Verhältnis solcher Petenten zum Petitionsausschuß, die sich als Angehörige des öffentlichen Dienstes an das Parlament wenden. Ich möchte betonen, daß die Unmittelbarkeit des Petitionsrechtes nach Art. 17 des Grundgesetzes nicht der Tatsache entgegensteht, daß bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes, denen der Dienstweg vorgeschrieben ist, dieser Dienstweg auch vor der Einbringung von Petitionen eingehalten werden muß.Der Ausschuß hat des öfteren festgestellt, daß Petitionen von Bundesbediensteten, die in der Form — das mag aus der Situation des einzelnen heraus verständlich sein — vielleicht etwas scharf abgefaßt wurden, ohne daß das allerdings vom Ausschuß beanstandet worden wäre, zur Einleitung von Disziplinarverfahren durch die eigene Verwaltung des Bediensteten geführt haben. Der Ausschuß hat bei vielen Anlässen stets den auch früher an dieser Stelle vertretenen Standpunkt bekräftigt, die Ausübung des Petitionsrechts dürfe nicht dadurch eingeengt werden, daß der Petent Nachteile durch seine Petition zu befürchten habe. Das Petitionsrecht darf unter keinen Umständen durch ein Vorgehen irgendwelcher Art gegen den Petenten beeinträchtigt werden.Beim Einbringen von Petitionen müssen zwar die allgemeinen Gesetze, insbesondere die Strafgesetze, bei Beamten auch die Beamtengesetze, beachtet werden. Hinsichtlich der Form und des Tons in Petitionen sollte jedoch großzügig verfahren werden, und Beamte bzw. Angehörige des öffentlichen Dienstes sollten wie alle anderen Petenten behandelt werden.Der Ausschuß lehnt es grundsätzlich ab, Petitionsakten an Behörden oder Gerichte auszuhändigen, wenn Nachteile für den Petenten zu befürchten wären.Darüber hinaus bittet der Ausschuß die Bundesregierung und die Bundesministerien, den mit dem Ersuchen um Stellungnahme in der Regel übermittelten vollen Wortlaut der Petitionen nicht zum Nachteil des Petenten zu verwenden bzw. vor der Einleitung von Maßnahmen gegen den Einsender den Ausschuß zu unterrichten.In diesem Zusammenhang möchte ich im Namen des Ausschusses und seiner Frau Vorsitzenden eine weitere Bitte an die Adresse der Bundesregierung richten, nämlich das Ersuchen, die Stellungnahmen zu den Petitionen zügiger und bevorzugt zu behandeln und zu beantworten, um dadurch die Dauer der Bearbeitung der Petitionen abzukürzen. Denn es ist unbefriedigend, wenn ein Petent eine sehr lange Zeit warten muß, bis in eine abschließende Regelung seines Anliegens eingetreten wird.Die angeführten Beispiele und die dargestellten Wünsche ließen sich noch fortsetzen. Sie sind eine kleine Auswahl aus dem Katalog der Sorgen des berichterstattenden Ausschusses, aber auch der Bürger draußen im Lande. Sie sind stellvertretend zitiert für die vielfältigen Anliegen, mit denen sich der Mitbürger vertrauensvoll und mit viel Hoffnung an das Parlament wendet. Die Frau in Koblenz, der bei einem Unfall beide Beine abgefahren wurden, der Heimkehrer aus dem Bayerischen Wald, der auf eine Verbesserung seiner Entschädigung hofft, und die heimatvertriebene Familie, die ihr Schicksal dem Parlament anvertraut, sie alle machen unser Volk aus, dem zu dienen unsere Aufgabe ist.Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den in der Sammelübersicht 6 Drucksache V/683 enthaltenen Anträgen zu den aufgeführten Petitionen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Beratung. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kübler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wunde heilt bestimmt nicht, wenn man immer darin herumrührt. Aber das berühmte Gras darüber wachsen zu lassen, ist auch keine Art, Dinge zu erledigen. Ich möchte deshalb im Zusammenhang mit diesem Petitionsbericht nochmals etwas in die Erinnerung rufen.Das Gute in diesem Bericht war die Feststellung, daß der Petitionsausschuß nicht nur ein karitatives Unternehmen ist, sondern als Teil des Parlaments auch an der Gesetzgebung mitarbeitet und mitarbeiten soll. Das Petitionsrecht sollte nicht nur eine Notbremse für Pannen in der Verwaltung sein, wie sie in einem modernen Staat zwangsläufig immer wieder vorkommen, sondern es sollte wesentlich mehr sein. Mir geht es bei meiner Wortmeldung um dieses Mehr. Ich will nicht sagen: wir wollen im
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Dr. KüblerPetitionsausschuß Fehler der Verwaltung korrigieren. Es geht um die Konstruktion der Verwaltung und der Regiernug in einem modernen Staat, die wir 'als Parlament mit zu verantworten und zu kontrollieren haben.Im Rahmen der von uns erlassenen und der bestehenden Gesetze werden von den zuständigen Behörden Verordnungen erlassen, Durchführungsbestimmungen fixiert und von den einzelnen zuständigen Behörden immer wieder an andere Instanzen weitergegeben. In der Kombination dieser Verordnungen oder Erlasse entsteht immer wieder modernes, von uns selbst legalisiertes Unrecht, das aber der Petitionsausschuß — und das ist mein Anliegen, das ich dem gesamten Parlament vortragen möchte — unmöglich allein ausbügeln kann, weil er — und jetzt kommt die Schwierigkeit — von jedem Ministerium nur für den Teilaspekt einer Teilfrage eine korrekte, richtige Antwort bekommt. In der Summe dieser Teilantworten wird das Ganze einfach Unfug und Unrecht. Das Problem ist, ob wir das, was sich auf Grund des den Ministerien zu Recht zustehenden Spielraums bei dem Erlaß von Verordnungen ergibt, wieder einmal zusammenfassend kontrollieren. Die Frage ist, wie wir das tun. Wir müssen es als Parlament tun und dürfen es nicht dem armen Petitionsausschuß als einer Art Kleinparlament, als Notparlament für Sonderfälle usw., überlassen.Mein Freund Fritsch hat in seinem Bericht erwähnt, daß Petitionen auch an die Fraktionen weitergeleitet werden könnten, aber leider nur zur Kenntnisnahme. Wenn Sie sich in der Ihnen vorliegenden Sammelübersicht anschauen, auf welche Art die Petitionen erledigt worden sind, sehen Sie, daß keine einzige Petition an die Fraktionen des Hauses überwiesen wurde.Ich glaube, wir müssen alle miteinanter überlegen, wie wir die Fülle der Tatsachen, der Unrechtstatbestände, die im Petitionsausschuß zusammenlaufen, in der Gesetzgebung fruchtbar machen könnten. Echte Pannen, also Verwaltungspannen, bügelt die Regierung meist selber aus, wenn sich der Ausschuß darum kümmert. Karitative Hilfe leistet der Petitionsausschuß immer wieder durch Ratschläge, mit denen er die zuständigen Instanzen aufzeigt. Konstruktionsfehler in unserer modernen Welt können wir nicht allein ausbügeln, weil wir als kleiner Ausschuß gegen die Windmühlen der Zuständigkeit allein ankämpfen. Wir müssen oft monatelang warten, bis wir zu einer Teilfrage eine Teilantwort bekommen, die dann das eigentliche Problem gar nicht berührt, weil die Sache zur Lösung des Problems an ein anderes Ministerium weitergegeben wurde.Die Frage ist, ob wir die Unrechtssituationen, die laufend entstehen, als Parlament stillschweigend ertragen oder ob wir als Petitionsausschuß das Recht bekommen, solche Tatbestände den Fraktionen zur weiteren Bearbeitung zu übergeben, damit, wie mein Freund Fritsch sagte, weitere menschliche Tragödien im Rahmen der bestehenden Gesetze vermieden werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Orgaß.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Dr. Kübler für den Mut danken, daß er zu einem Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses das Wort ergriff, um den politischen Akzent und die Wertigkeit dieses Ausschusses einmal in aller Deutlichkeit herauszustellen.Aus einem Koalitionsgefühl der Mitglieder des Petitionsausschusses heraus und mit der Unbefangenheit eines Neulings in ,diesem Parlament und in diesem Ausschuß möchte ich mein Unbehagen über verschiedene Dinge zum Ausdruck bringen, ohne daß ich lange darüber reden werde. Vielleicht habe ich später, wenn ich einmal im allgemeinen Trott bin, nicht mehr den Mut, das in dieser Form zu sagen.Ich meine, daß dieser Ausschuß einfach kein Notventil ist und sein kann für das Grundrecht, das der Bürger hat, nämlich das Petitionsrecht, daß wir aber auch keine Gnadenstelle sind, sondern eine wirkliche Kontroll- und Überwachungsfunktion haben. Ich meine, von dort her sollte sich das Parlament die Möglichkeit nicht entgehen lassen, sich hier um die Dinge zu kümmern, die im Ausschuß auf das Parlament zukommen, wo man nämlich sehen kann, wie die krausen Maschen, die nur das Leben stricken kann, durch manche Gesetzeslücke und durch manche Kompetenzüberschneidung der einzelnen Instanzen entstanden sind. Das können wir oftmals nicht in einer 08/15-Form abtun, wie es leider oft der Verwaltung eigentümlich ist.Ich muß sagen, daß es für mich persönlich mit das Beklemmendste ist, wenn man beispielsweise eine Vorlage eines Bürgers bekommt, der mit irgendeiner Instanz seiner Ortsverwaltung nicht klargekommen ist, abgeschmettert wurde und dann von seinem höchsten Recht, nämlich dem Petitionsrecht, Gebrauch macht, und wenn man dann sehen muß, daß dann die Petition in einem langen, langen Weg wieder heruntergeht bis genau auf den Schreibtisch dessen, über den sich der Bürger beschwert hat, und wenn man dann durch alle Aktenstücke hindurch spürt, wie hier — entschuldigen Sie — fast eine Kameraderie der Verwaltung einsetzt, indem durch alle Instanzen bis zu den letzten Ministerien versucht wird, den ersten abwehrenden Grundgedanken beizubehalten. Es ist die Pflicht des Parlaments, den Petitionen eine größere Bedeutung zuzugestehen.Ich möchte auch sagen, daß der Petitionsausschuß vielleicht in manchen Dingen dem Parlament eine Unterstützung bei künftigen Gesetzesnovellierungen geben könnte, wie es Herr Dr. Kübler ebenfalls angesprochen hat. Es wäre manches wesentlich leichter zu schaffen, wenn die Abgeordneten im Petitionsausschuß die Möglichkeit hätten — wenn sie nach eingehender Beratung empfinden, daß hier eine echte Gesetzeslücke ist oder daß hier etwas zu novellieren ist —, gleichsam auf dem „Dienstwege" den Parlamentsfraktionen kurzerhand Petitionen solcher Art zuzuschicken.
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OrgaßHaben Sie deswegen keine Sorgen, daß etwa der Ältestenrat oder gar das ganze Parlament dann mit so dicken schwarzen Aktenkästen umherlaufen müßte, wie es die Mitglieder des Petitionsausschusses tun. Der Ausschuß wird von einem solchen Recht nur in weiser Beschränkung Gebrauch machen, schon allein deswegen, weil wir diese Möglichkeit und uns selbst damit nicht entwerten wollen. Aber ich meine — damit sei hier kein Antrag gestellt —, es sollte doch einmal im Ältestenrat überlegt werden, ob wir nicht über eine solche Form, nämlich Überweisung von besonders geeigneten Petitionen an die Fraktionen, beraten könnten. Nach meiner Meinung wäre das des Schweißes unserer Edlen im Ältestenrat wert und wir als Parlament
könnten insgesamt damit sowohl dem Bürger helfen als auch unserem Ansehen selbst.
Ich wollte Ihnen schon sagen, Herr Kollege Orgaß, daß wir es gehört haben.
Herr Kollege Dr. Schäfer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Kollegen Dr. Kübler und Orgaß haben hier ein Problem angeschnitten, mit dem wir uns sicherlich sehr ernsthaft zu beschäftigen haben. Wenn sich der Bürger an den höchsten Vertreter wendet, darf er auch die Erwartung haben, daß diese höchste Vertretung, das Parlament, sein Begehren, seine Sorge ernsthaft prüft. Das ist bei dem derzeitigen System nicht der Fall. Es ist so, wie Sie, Herr Kollege Orgaß, es richtig gesagt haben: Es landet wieder auf dem Schreibtisch dessen, über den man sich beschwert hat. Ich will jetzt die Zuständigkeit der Länder hier nicht berühren; sie haben bei sich selbst genau das gleiche Problem. Wenn es bei den Haushaltsfinanzen um eine Mark oder um einen Pfennig geht, dann prüft und untersucht der Rechnungshof. Wenn es aber darum geht, daß sich ein Bürger in seinem Recht verletzt fühlt, ohne daß er den Rechtsweg zu beschreiten hat oder ohne daß man ihm im Rechtsweg helfen kann, dann beschränkt sich das Parlament darauf, eine Berichterstattung derjenigen Stelle zu verlangen, gegen die sich dieser Vorwurf richtet. Deshalb gibt es zur Zeit einige Überlegungen und Bemühungen, die dahin gehen, daß das Parlament nicht nur solche Berichte entgegennehmen soll, sondern daß es selber die Möglichkeit zu prüfen und zu untersuchen haben soll — lassen Sie es mich ungefähr so sagen — nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten, der sich auch um die Rechtsposition des einzelnen Soldaten unmittelbar kümmert. Ich meine, daß es gut ist, daß neue, junge Kollegen im Ausschuß, die — wie sie ganz richtig sagen — das jetzt noch ganz deutlich empfinden, diese ihre Gedanken nun einmal ernsthaft prüfen und uns dann — der Herr Präsident erwartet jetzt von mir, daß ich das sage, und ich sage es als Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses — mit Vorschlägen zur Verfügung stehen.
Der Geschäftsordnungsausschuß hat unmittelbares Initiativrecht. Es wäre meines Erachtens nicht richtig, das im Ältestenrat zu behandeln, der die laufenden Geschäfte und sonstigen Dinge zu ordnen hat, sondern es sollte im Geschäftsordnungsausschuß überlegt werden, was wir ändern müssen und ob wir nicht nur die Geschäftsordnung, sondern vielleicht auch gesetzliche Bestimmungen ändern müssen, daß wir z. B. jemanden hinschicken können, der selber die Leute anhört und der selber auch unter Umständen verlangen kann, daß eine Disziplinarrüge erfolgt. Das sind lauter sehr delikate Fragen, die wiederum die Teilung der Gewalten berühren. Aber ich meine, daß diese Frage ranggleich in die Reihe der großen Fragen, die wir in der letzten Woche hier behandelt haben — Aussprache: Regierung, Regierungsmehrheit, Opposition, finanzielle Verantwortung des Parlaments —, hineingehört: Wie kann das Parlament seiner Verpflichtung, den Sorgen der Bürger nachzugehen, gerecht werden? Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir uns auf diesem Wege zur gemeinsamen Arbeit finden würden.
Keine weitere Wortmeldung. Die Geschäftsordnung dieses Hauses erlaubt nicht, daß auch der Präsident etwas dazu sagt, obwohl er in diesem Fall den dringenden Wunsch hat. — Die Aussprache ist geschlossen.Meine Damen und Herren, es liegt ein Antrag des Ausschusses zur Verabschiedung der Sammelübersicht 6 -vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Damit ist der Antrag angenommen.Ich rufe den Punkt 3 a) bis d) auf:a) Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDPbetr. auswärtige Kulturpolitik auslandsdeutsche Schulen— Drucksache V/439 —b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. deutsche Auslandsschulen— Drucksache V/435 —c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. europäische Schulen— Drucksache V/533 —d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kulturarbeit im Ausland— Drucksache V/692 —Ich glaube, wir haben vereinbart, daß zunächst die Begründung erfolgt. Danach soll die Antwort und sodann die Begründung der Anträge erfolgen; für die Aussprache sollen dann alle Punkte verbunden werden.
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2386 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Präsident D. Dr. Gerstenmaier— Herr Kollege Kahn-Ackermann, sind Sie damit nicht einverstanden?
— Ja, das ist klar. Erst erfolgt die Begründung der Großen Anfrage, dann kommt die Beantwortung und dann die zusammenhängende Begründung der drei Anträge der Fraktion der SPD und schließlich die verbundene Debatte. Haben wir uns da nicht richtig verstanden? — Bitte, Herr Kollege Schäfer!
— Daß vor der Beantwortung der Großen Anfrage Ihre Anträge begründet werden und dann der Minister spricht? Ist das Haus damit einverstanden?
— Gut, dann verfahren wir so. Zur Begründung der Großen Anfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Huys das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Drucksache V/439 haben die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eine3) Große Anfrage eingebracht, die sich mit der auswärtigen Kulturpolitik, insbesondere mit der Situation der auslandsdeutschen Schulen, beschäftigt. Wir haben uns in den früheren Jahren schon mehrfach mit der auswärtigen Kulturpolitik beschäftigt, und wir haben gesagt, es sei die dritte Bühne in der auswärtigen Politik. Wie sehr sie an Boden gewinnt, hat ja eben noch die Fragestunde gezeigt.Diesmal geht es uns nicht darum, die politischen Linien aufzuzeigen, die für die auslandsdeutschen Schulen richtungsweisend sind, sondern es geht uns mehr um die Klärung einiger ausgewählter konkreter Einzelfragen. Unser Anliegen ist es, hier noch einmal sehr eindringlich von den Aufgaben und Wirkungen der deutschen Auslandsschulen zu sprechen und dem Hohen Hause Fragen und Probleme dieser Auslandsschulen vorzutragen, die tatsächlich von Jahr zu Jahr dringlicher geworden sind und die darum baldmöglichst entschieden werden müssen, wenn wir uns nicht vorwerfen lassen wollen, wir hätten versagt, staatliche Fürsorge zu treffen an einer Stelle, an der die Repräsentanz der Bundesrepublik so wichtig und notwendig ist.Vorweg möchte ich dem Schulreferat des Auswärtigen Amts und dem Auslandsschulausschuß der Kultusministerkonferenz unseren Dank für die große Leistung beim Neuaufbau des auslandsdeutschen Schulwesens aussprechen. Augenblicklich werden etwa 160 Schulen im Ausland von der Bundesrepublik unterstützt. An diesen Schulen arbeiten ungefähr 1200 deutsche Lehrer. Sie werden von ihren Ländern für diese Aufgabe freigestellt unddann vom Auswärtigen Amt an die einzelnen deutschen Schulen im Ausland vermittelt.Wir haben heute eine Vielfalt von Auslandsschulen: Botschaftsschulen, Expertenschulen und insbesondere Begegnungsschulen, die mehr oder weniger an die Schulgesetze ihrer Gastländer gebunden sind. Nur wenige Schulen können die deutschen Lehrpläne ohne wesentliche Änderungen übernehmen. An manchen Schulen ist es möglich, durch Koordinierung der Pläne des Gastlandes und der deutschen Pläne eine vermittelnde Arbeitsgrundlage zu finden.Träger der deutschen Auslandsschulen sind Schulvereine, in denen meistens auch Angehörige des Gastlandes Sitz und Stimme haben, d. h. die deutschen Auslandsschulen sind Privatschulen und unterstehen den Gesetzen des Gastlandes. Da die Schulvereine, die in der Vergangenheit und auch heute gute Arbeit geleistet haben und noch leisten, vielfach nicht mehr in der Lage sind, die Mittel zum Unterhalt und zum Ausbau ihrer Schulen aus eigenen Kräften aufzubringen, werden sie fast alle vom Bund unterstützt oder völlig unterhalten.In diesen Schulen — sie umfassen im allgemeinen Kindergärten, Volksschulen, Mittelschulen und gymnasiale Oberschulen — sitzen deutsche Kinder mit denen des Gastlandes auf derselben Schulbank zusammen. Sie lernen einander kennen im Alter des Heranreifens und knüpfen Beziehungen an, die frei sind von den Vorurteilen der Rasse, der Nationalität und des Bekenntnisses. Hier kommt es zu einer intensiven Begegnung von jungen Menschen aus den verschiedensten Lebens- und Kulturbereichen, zu einem Sichkennenlernen, das mehr ist als nur ein Bekanntwerden mit den fremden Kulturgütern. Es muß nur darauf geachtet werden, daß die deutsche Auslandsschule nicht in die Isolation gerät, indem sie zur Privilegierten- oder Prominentenschule wird und für die minderbemittelten, aber im Aufstieg befindlichen Schichten des Gastlandes verschlossen bleibt.
Dieser Typ der Auslandsschule ist im allgemeinen zweisprachig, d. h. die Kinder des Gastlandes erlernen vom Kindergarten an neben ihrer eigenen die deutsche Sprache. Es ist ja eine Tatsache, daß erst die Kenntnis einer Sprache engere Bindungen zwischen den Menschen erlaubt. Daraus wird ganz klar, wie groß die Intensität einer solchen Schularbeit ist. Sie ist breit und nachhaltig. Deutsche Sprachkenntnisse sind das Fundament für die Beziehungen, die Angehörige fremder Staaten zu Deutschland knüpfen, sei es nun auf kulturellem, sei es auf wirtschaftlichem oder sonstigem Gebiet. Wenn man im Kindesalter die deutsche Sprache lernt, ist die Wirkung größer und nachhaltiger und auch unmittelbarer als in späteren Lebensjahren. Alle deutschen Auslandsschulen sind zugleich Mittelpunkte des deutschen kulturellen Lebens für die deutschen Menschen in diesem Lande, ja, sie sind für sie eine Brücke zur Heimat.Ich bin fest davon überzeugt — und viele Aussagen von auslandsdeutschen Lehrern wie auch
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Dr. Huysmeine eigenen Erfahrungen auf den Reisen zu auslandsdeutschen Schulen haben mir das immer wieder bestätigt —, daß diese Wirkung der deutschen Schule im Ausland, die man wohl mit Recht eine völkerverbindende nennen kann, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.Darum liegt uns die Sorge um die Auslandsschulen und ihre Lehrer am Herzen, und deswegen glauben wir auch, daß wir uns immer wieder fürsorglich mit der Gesamtsituation dieses bedeutsamen Teiles unserer auswärtigen Kulturpolitik beschäftigen müssen. Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus stellen wir auch die Ihnen vorliegende Große Anfrage. Dabei setzen wir voraus, daß die Drucksache IV/3672 vom 23. Juni 1965 zum mindesten den interessierten Kollegen bekannt ist.Über die Darlegungen dieser Drucksache hinausgehend müßte nun geprüft werden, ob die Millionen des Auswärtigen Amts tatsächlich richtig verwandt werden. Da wir im Jahre ca. 70 Millionen DM für den Schuletat des Auswärtigen Amts ausgeben, kann wohl mit Recht unsere erste Frage gestellt werden, in der wir vom Auswärtigen Amt wissen wollen, was es zu tun gedenkt, um sicherzustellen, daß Aufwand und Erfolg der bisher geförderten auslandsdeutschen Schulen in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen.Wenn man die Übersicht über die Bundeszuwendungen für die einzelnen Schulen in Europa, Amerika, Asien und Afrika miteinander vergleicht, stellt man fest, daß hier ein sehr großer Unterschied zwischen den Aufwendungen pro Schüler im Jahr in den einzelnen Kontinenten besteht. Uns ist durchaus klar, daß es eine einheitliche deutsche Auslandsschule nicht geben kann und daß die Kosten aus den verschiedensten Gründen verschieden hoch sein müssen. Das mag zum Beispiel damit zusammenhängen — um nur einen Grund herauszugreifen —, daß der prozentuale Anteil an den Gesamtkosten, die die Bundesrepublik zahlt, in den einzelnen Ländern verschieden hoch ist. Trotzdem scheint uns dieser Unterschied so eklatant zu sein, daß wir mit Recht zu fragen meinen, was getan wird, damit Aufwand und Erfolg der Schulen in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen. Es müßte eine praktikable, zeitnahe, zukunftweisende und die soziale Entwicklung des betreffenden Landes berücksichtigende und zugleich den einzelnen Kontinenten gemäße Konzeption deutscher Schularbeit erreicht werden, die zugleich die kulturelle Zusammenarbeit zwischen diesen Kontinenten und der deutschen Bundesrepublik unterstützt.Es wäre vielleicht notwendig, eine gründliche Strukturanalyse anzufertigen und zu untersuchen, wo — aus deutscher Sicht — einige Schulen besonders gefördert werden müßten und wo andere, z. B. in Chile, zusammengelegt werden könnten, weil sie der Zielsetzung und dem Ergebnis nach wenig ertragreich sind. Mir scheint auch, man sollte ernsthaft überlegen, ob man an den Orten, an denen EuropaSchulen bestehen, eine nationale deutsche Schule bestehen lassen sollte. Es müßten bei diesen Überlegungen die Gründe für das Bestehen einer nationalen Schule neben einer Europa-Schule, insbesondere im EWG-Raum, dargelegt und prüfend durchleuchtet werden, vor allem darauf hin, ob das deutsche Kulturgut in den Europa-Schulen hinreichend berücksichtigt wird. Im übrigen stellt sich hier unmittelbar die Frage, ob nicht gerade aus den Europa-Schulen der deutsche Nachwuchs für die europäischen Gremien hervorgehen könnte, den wir so nötig brauchen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, scheint mir diese Frage auch überlegenswert zu sein, zumal der Aufwand pro Schüler im Jahr z. B. an der deutschen Schule in Brüssel laut Drucksache IV/3672 2956 DM, hingegen für den deutschen Schüler an der Europa-Schule in Brüssel nur 374 DM beträgt. Hier stellt sich wieder unsere Frage, ob Aufwand und Erfolg in der richtigen Relation zueinander stehen. Sollte man nicht hier weniger ausgeben, um in Ländern mit Analphabetentum und Mangel an Schulen und Lehrern im besten Sinne notwendige, wünschenswerte und intensive Entwicklungshilfe zu leisten? Hier scheint mir die Repräsentanz der Bundesrepublik dringend notwendig zu sein, während sie in Europa durch die Verflechtung in den europäischen Gemeinschaften nicht durch eine teure nationale Schule noch betont zu werden braucht. Es müßte überlegt werden, ob hier nicht die nationale Repräsentanz durch ein Kulturinstitut hinreichend gewährleistet wäre.Die von uns gestellte Frage, ob Aufwand und Erfolg der bisher geförderten Auslandsschulen in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen, bezieht sich auch auf solche Schulen, die weitgehend an die Schulgesetze ihrer Gastländer gebunden sind und in denen die deutsche Sprache und das Kulturgut Deutschlands nur noch am Rande oder außerhalb des regelrechten Unterrichts behandelt werden können, in denen z. B. der Deutschunterricht nur noch nachmittags fakultativ gegeben wird.In der eben zitierten Drucksache IV/3672 sind die Projekte für den Neu- und Ausbau von deutschen Schulen im Ausland schon behandelt; in der Anlage 7 ist auch eine Übersicht über den geschätzten Bedarf an Mitteln für den Schulbau für die Jahre bis 1971 beigefügt. Es wird dazu gesagt, daß die Aufnahme eines Bauvorhabens keine bindende Festlegung seiner Priorität und des Zeitpunkts seiner Verwirklichung bedeutet, sondern unter dem Vorbehalt sich möglicherweise ändernder Umstände steht.Durch unsere zweite Frage wollen wir zunächst einmal festgestellt haben, ob sich die Situation gegenüber 1965 gewandelt hat und ob die in der Drucksache angegebenen Projekte auch heute noch in der vorgesehenen Weise durchgeführt werden sollen. Grundsätzlich wollen wir dazu bemerken, daß der Neubau und Ausbau deutscher Auslandsschulen nur dort vorgenommen werden sollte, wo die Gastländer ihre Existenz begrüßen und auch bereit sind, den deutschen Auslandsschulen solche Rechte einzuräumen, wie sie ungefähr die staatlich anerkannten innerdeutschen Schulen besitzen. Es ist ernsthaft zu prüfen, ob eine stillschweigende, wenn auch wohlwollende Duldung eine Grundlage ist, Millionen zu investieren, wenn jeder Regierungswechsel oder jeder sonstige Anlaß zu einem Verbot
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2388 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. Huysder Schule oder zu ihrer Verstaatlichung führen kann. Ich gestehe zu, daß es zwischen den Entwicklungsländern und den Ländern mit hochentwickeltem Schulwesen Unterschiede gibt. In Ländern, in denen man einen Beitrag zur Entwicklung des Schulwesens des Gastlandes leisten will, muß man weitgehende Konzessionen hinsichtlich der Lehrpläne und der Sprache machen; aber in Ländern mit hochentwickeltem Schulwesen, wo die deutsche Auslandsschule mehr eine kulturpolitische Aufgabe zu erfüllen hat, muß die deutsche Sprache als Unterrichtssprache und die Befolgung der deutschen Lehrpläne gefordert werden.Durch die dritte Frage möchten wir klargelegt haben, wie weit der Stand der Planungsarbeit einer Zentralstelle für deutsche Auslandsschulen gediehen ist. Der jetzige Zustand ist nicht sehr erfreulich. Obgleich eine Vermehrung der Stellen im Schulreferat des Auswärtigen Amts inzwischen eingetreten ist, besitzt es immer noch zu wenig Stellen, um die gewaltige Arbeit mit der Vielfältigkeit ihrer Aufgaben zu bewältigen. Auch das Delegieren einiger Gebiete an andere Stellen — z. B. der finanziellen Betreuung der Auslandslehrer einschließlich der Reise- und Umzugskosten für Ausreise und Rückführung an das Bundesverwaltungsamt in Köln oder der Versorgung der Auslandsschulen mit Lern- und Lehrmitteln und Büchern an den Dokumentations- und Auskunftsdienst beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz in Bonn — hat die Arbeitsüberlastung des Schulreferats noch nicht beseitigt. Die Aufgaben der Auslandsschulen sind gegenüber früher wesentlich komplizierter geworden. Diese Zentralstelle sollte die bis jetzt noch fehlende Koordinierung durchführen, damit die pädagogische, finanzielle, verwaltungsmäßige und politische Betreuung der Auslandsschulen sowie die pädagogische und soziale Förderung und Betreuung der Auslandslehrer gesichert wird. Es müßte geprüft werden, ob. die Aufgaben, die zur Zeit dem Bundesverwaltungsamt, der Dokumentationsstelle usw. übertragen sind, in die Zentralstelle beim Auswärtigen Amt hineingenommen werden sollten. Die Zentralstelle müßte allerdings die Situation der Auslandsschulen und ihrer Lehrer in allen Teilgebieten überschauen und untersuchen können, damit eine sorgfältige Planung auf längere Sicht möglich wäre. Es darf nicht dabei bleiben, Bestehendes nur mehr oder weniger gut am Funktionieren zu erhalten. Gerade von einer solchen Zentralstelle könnte es abhängen, ob Aufwand und Erfolg der deutschen Auslandsschulen in der richtigen Relation zueinander stehen. Aufgabe der Zentralstelle müßte es auch sein, die Erfahrungen der Auslandslehrer zu sammeln und zu nutzen, was bisher in den meisten Fällen leider unterblieb.Voraussetzung einer Zentralstelle ist allerdings die richtige Abgrenzung der Aufgaben zwischen ihr und dem Auswärtigen Amt. Alle Grundsatzentscheidungen müssen dem Auswärtigen Amt wegen seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament vorbehalten bleiben, d. h. die Zentralstelle erhält ihre Weisungen vom Auswärtigen Amt.Das Fehlen einer koordinierenden Zentralstelle macht sich, so scheint es mir, auch darin negativ bemerkbar, daß zur Zeit die auslandsdeutschen Volks-, Mittel- und höheren Schulen pädagogisch nicht ausreichend betreut werden. Aus diesem Grunde haben wir die vierte Frage gestellt, deren Formulierung in der Drucksache V/439 geändert werden muß. Das Wort „deutschen" muß durch das Wort „auslandsdeutschen" ersetzt werden.Uns ist bekannt, daß die pädagogische Betreuung dieser Schulen bisher sozusagen nebenamtlich erfolgt und daher Mängel aufweist. Sie erfolgt durch Mitglieder des Auslandsschulausschusses der Kultusministerkonferenz. Im Augenblick werden fast nur die Schulen pädagogisch betreut, zu denen Mitglieder des Auslandsschulausschusses als beauftragte Prüfungskommissare zur Abnahme der Reifeprüfungen und der mittleren Reife kommen. Von Zeit zu Zeit werden auch Schulleiter eines Landes, z. B. in Spanien, Portugal und Chile, zusammengerufen und mit ihnen in Anwesenheit von Mitgliedern des Auslandsschulausschusses und des !Auswärtigen Amts organisatorische und pädagogische Fragen besprochen.Das ist sehr anzuerkennen. Bisher aber nahmen nur ehemalige Gymnasiallehrer, die in Ministerien aufstiegen, an den deutschen Auslandsschulen Prüfungen ab. Diese besitzen jedoch meist keine eigene Auslandsschulpraxis. Prüfungskommissare mit eigener Auslandsschulbewährung prüfen anders als die ohne eigene Erfahrung auf diesem Gebiet.Noch im mer fehlt die fachliche Betreuung. Es fehlt auch ein Fachmann für die Volksschularbeit an den auslandsdeutschen Schulen in der Schulabteilung des Auswärtigen Amts. Volks- und Realschullehrer werden anläßlich der Prüfungen nur ganz kurz von den fachfremden Prüfungskommissaren besucht, erhalten keine fachdidaktischen Ratschläge und keinen Einblick in die Beurteilungen, die Nichtfachleute zu ihren Personalakten geben.Unsere beiden letzten Fragen beschäftigen sich mit der wirtschaftlichen und besoldungsmäßigen Situation der deutschen Auslandslehrer. Es soll anerkannt werden, daß durch den Richtlinienerlaß vom 11. Januar 1966 manches verbessert wurde. Fest steht aber, daß erstens die von den verschiedenen Ministerien ins Ausland entsandten Lehrer und Fachkräfte wirtschaftlich und besoldungsmäßig unterschiedlich behandelt werden und daß zweitens einige von den durch die Länder entsandten Lehrern, die während dieser Zeit als Bundesbedienstete gelten, nicht in die ihnen zustehende Regelbeförderung einbezogen werden können, weil das Land mit der Besoldungserhöhung nicht die entsprechende Amtsbezeichnung verleihen wollte. So kommt z. B. die groteske Situation zustande, daß der stellvertretende Direktor einer Auslandsschule, der aus Niedersachsen stammt, die Amtsbezeichnung „Studienrat" führt und die ihm eigentlich zustehende Regelbeförderung nicht erhält, sondern nur eine Ausgleichszulage, die ihm aus Billigkeitsgründen gewährt wird. Hingegen erhält der ihm nachgeordnete, aus Nordrhein-Westfalen kommende Lehrer, der sich „Oberstudienrat" nennen kann, die Bezüge aus der höheren Besoldungsgruppe. Wir meinen, solche
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Dr. Huysunmöglichen Situationen müßten in Ordnung gebracht werden.Obwohl bei den ins Ausland entsandten Lehrern keine so unterschiedlichen Auslandszulagen wie bei den vom Goethe-Institut entsandten Lehrkräften gezahlt werden, besteht dennoch ein Unterschied gegenüber den sonstigen im Ausland beschäftigten Angestellten und Beamten des Bundes insofern, als sie nur 60 % der Auslandszulage bekommen. Das entspricht dem Wortlaut des Erlasses des Auswärtigen Amts vom 11. Januar 1966 zu den Richtlinien, die am 1. Januar 1966 in Kraft getreten sind. Die fehlenden 40 % sollen dadurch ausgeglichen werden, daß die Bezüge der Auslandslehrer wie bisher steuerfrei bleiben. Auf den ersten Blick ist das eine ansprechende Lösung. Aber in der Praxis wirkt sich das als eine soziale Ungerechtigkeit aus, deren Beseitigung schon lange von den Auslandslehrern gefordert worden ist. Als Junggeselle kann ein Auslandslehrer nach dem neuen Verfahren günstiger abschneiden als ein Auslandsbeamter. Aber als Vater von vier Kindern wird der Auslandslehrer gegenüber dem Auslandsbeamten erheblich benachteiligt. Der verheiratete Auslandslehrer hat nämlich keinen Anteil an Steuersenkungen, und es ist ihm insbesondere die Möglichkeit versagt, von Steuervergünstigungen Gebrauch zu machen, über Werbungskosten, Sonderausgaben — z. B. Bausparen — und außergewöhnliche Belastungen. Durch die Beseitigung der Steuerfreiheit bestünde die Möglichkeit, solche Ungerechtigkeiten auszugleichen, weil dann der Familienvater in den Genuß der familienpolitischen Steuervergünstigungen käme, der Junggeselle aber nicht.Die Auslandslehrer wissen, daß sie wegen der besonderen Struktur der Auslandsschule nicht als Beamte geführt werden können. Das darf aber nicht ausschließen, daß sie de facto wie Beamte behandelt werden. Das heißt, sie müßten nach unserer Meinung wie die Beamten, die im Auftrage anderer Ministerien draußen tätig sind, besoldet werden, und es müßten ihnen dieselben Regelbeihilfen zustehen, und zwar nicht aus Billigkeitsgründen, sondern als Rechtsanspruch.Wir wären der Regierung daher dankbar, wenn sie uns darlegte, von welcher Konzeption sie bei der Besoldung der Auslandslehrer ausgegangen ist und wie und wann sie die tatsächlichen Ungerechtigkeiten in der wirtschaftlichen und besoldungsmäßigen Stellung auszugleichen gedenkt.
Damit ist die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP begründet.
Zur Begründung der Anträge der sozialdemokratischen Fraktion hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Rede über die staatliche Kulturpolitik und kulturelle Außenpolitik hat der Vorsteher des Eidgenössischen Departementsdes Innern, der Bundesrat Tschudi, kürzlich folgendes gesagt: Eine gewisse Schwierigkeit für die staatliche Kulturpolitik liege in der Tatsache, daß sie nicht Erfolge garantieren kann. Wie kaum auf einem anderen Gebiet staatlicher Tätigkeit müßten Risiken und Mißerfolge in Kauf genommen werden. Wesentlicher als Risiken sei aber die Tatsache, daß die staatliche Intervention notwendigerweise eine gewisse obrigkeitliche Aufsicht nach sich ziehe. Allerdings sei eine geistige Tyrannei nach totalitärem Muster in der Schweiz undenkbar. Doch könnten sich Mißgriffe auch in einer Demokratie einstellen, namentlich hinsichtlich der Beurteilung der experimentierenden Avantgarde. Das hier Gesagte möchte ich der Bundesregierung im Bewußtsein der Schwierigkeit ihrer heute hier diskutierten Aufgabe sozusagen als Vorgabe einräumen, ohne es als Entschuldigung für die Hemmnisse und Unterlassungen gelten zu lassen, die wir heute hier erörtern wollen, um der Sache einen Dienst zu erweisen.Daß dies nicht von ungefähr geschieht, ersehen Sie, Herr Minister, daraus, daß dieses Haus zum erstenmal in seiner Geschichte im vergangenen Jahr einen kleinen Fachausschuß für die auswärtige Kulturpolitik etabliert hat, und daraus, daß sich nahezu alle führenden Tages- und Wochenzeitungen der Bundesrepublik in den letzten Wochen an hervorragender Stelle ausführlich und kritisch mit unserem heutigen Thema befaßt haben.Schließlich ist dieses Thema für Sie selbst ungewöhnlich aktuell geblieben, weil die Bundesregierung seit vier Monaten aus den verschiedensten Gründen — von der Harmonie, mit der Sie die Konfessionsarithmetik umschrieben haben, ganz abgesehen — vergeblich versucht hat, für den ausgeschiedenen Botschafter Dr. Dieter Sattler einen neuen Leiter der Kulturabteilung von Format zu finden. Dazu lassen Sie mich vorweg sagen: wer in seinem Betrieb, bildlich gesprochen, niemandem die Gelegenheit gibt, in die Ränge mit Prokura aufzusteigen, sondern für die Leitung seiner zahlreichen und zum Teil recht großen Filialen bestenfalls Werkmeisterstellen vorsieht, braucht sich nicht zu wundern, wenn. es keinen passablen Direktorennachwuchs im eigenen Haus gibt.Ich möchte zunächst einige Bemerkungen zu einem Problem machen, das keine zufriedenstellende Lösung erfahren hat, seit wir vor 10 Jahren hier mit Ihrem Vorgänger um die Anerkennung Bert Brechts als großen deutschen Dichter und Dramatiker gestritten haben. Vielleicht ist es besonders schwer im Sinne des Auftrags unseres Grundgesetzes und unseres Alleinvertretungsrechts, jenseits unserer Grenzen im unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Auftrag kulturell zu wirken. Aber es geht mir nicht in den Kopf, daß Theaterensembles, Orchester, Künstler, Schriftsteller, denen wir bei ihrem Auftreten in der Bundesrepublik Anerkennung und Beifall zollen, die aus der Zone kommen — und ähnliches gilt übrigens im Bereich des Sports —, außerhalb unserer Staatsgrenzen rasch in die Kategorie feindlicher Ausländer eingereiht werden. Das nimmt zuweilen groteske Formen an. Ich habe noch jenen Legationsrat in Nicosia in wenig erfreulicher
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Kahn-AckermannErinnerung, der den Mitgliedern des Gewandhausorchesters unter nachträglicher Billigung der Bundesregierung auf dem Briefpapier der Botschaft empfahl, Zuflucht bei diplomatischen Missionen unserer alliierten Freunde zu suchen. Auf der anderen Seite haben gestern in Bonn tagende Leiter von deutschen Kulturinstituten aus Übersee in einem sehr beachtenswerten Papier dargelegt, es sei für sie selbstverständlich, in ihren Bibliotheken, die der deutschen Literatur zugehörenden Autoren der Zone zu führen. Wenige Stunden zuvor hatte ein Beamter Ihres Hauses, Herr Minister, auf die Frage, was die Institutsleiter tun sollen, wenn der Leiter eines Zonenkulturinstituts an ihre Tür klopfe, diesen Männern zugedonnert: „Rausschmeißen natürlich!" Da bliebe also in Ihrem Hause noch etwas am gesamtdeutschen Kultur-Knigge zu feilen. Oder — eine andere Frage — darf sich unser durch sein Mäusemitgefühl auf den Filmfestspielen in Cannes ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückter Kulturattaché in Paris die Aufführung von Jewgenew Schwarz „Drachen" durch das Ensemble des Deutschen Theaters von Ostberlin, die zu den größten Theatererfolgen in den letzten Jahren in der französischen Hauptstadt gehört hat, ansehen oder darf er das nicht? Das Stück war ja auch in Bonn ein großer Erfolg.Ein Letztes. Da, wo Sie vielleicht hart sein sollten, schlägt die Kraft oft nicht durch. Mußte Wilhelm Girnus als Mitglied des Zentralkomitees der SED und Berufsringer gegen geistige Freiheit in der Zone in der Verkleidung eines PEN-Club-Mitglieds ein Visum in die Vereinigten Staaten bekommen? Konnte das nicht verhindert werden? Wo wir doch statt eines sogar zwei Kulturbotschaftsräte in Washington hatten, weil sich der eine — ich hoffe, das macht keine Schule im Auswärtigen Dienst —nahezu acht Monate lang weigerte, seinem ihn ablösen sollenden Nachfolger Platz zu machen.
Meine Damen und Herren, hinter dem Begriff „Kulturarbeit im Ausland" verbirgt sich ein sehr komplexes Tun und Lassen, und wir sollten uns davor hüten, unsere Augen lediglich auf die längst vertrauten Instrumente unter der Jurisdiktion des Auswärtigen Amtes zu richten. Dazu nämlich gehört viel mehr; vieles, was in den Arbeitsbereich anderer Ressorts, z. B. des Kanzleramts, des Ministeriums Scheel, des Innen-, des Wissenschafts- und des Wirtschaftsministeriums gehört, und vieles, was sich glücklicherweise ohne jede staatliche Förderung vollzieht, weil es kraft seiner Qualität, seines eigenen Wertes und seiner universellen Bedeutung von selbst über die deutschen Grenzen dringt. Das gilt sogar, wie wir mit Genugtuung feststellen können, für unsere Beziehungen zu östlichen Nachbarn, einschließlich der Sowjetunion. Das gilt leider nicht für einen nicht unerheblichen Teil der sogenannten Dritten Welt, in der auch der Kulturaustausch nicht ohne die helfende Hand des Staates auskommt. Wir sollten da besonders mit der großen Tradition, für das Gastland fruchtbare wissenschaftliche Leistungen zu erbringen, fortfahren.Ein gutes Beispiel aus jüngster Zeit ist die kürzlich abgeschlossene deutsche geologische Mission in Jordanien, um nur ein Unternehmen unter vielen zu nennen, das manche Anwesende vielleicht nicht in den klassischen Bereich unserer Kulturarbeit rechnen würden, obwohl es in besonders originärer Weise dazu gehört.Im Bundeshaushalt 1966 ist dieses ganze Operationsfeld quer durch die Ressorts mit rund 650 Millionen DM verbucht; eine stattliche Summe! Natürlich stellt sich da bei vielen Einzel- und Sammelposten, nicht nur immer wiederkehrend, die Frage nach Aufwand und Wirkung, die Frage nach dem besten Instrument, die Frage nach dem Motiv und der Mentalität der am Kulturaustausch beteiligten Partner und schließlich in sehr vielfältiger Weise die Frage der Zusammenarbeit. Vielfältig, weil es sich nicht nur uni die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung oder um die in vielen Fällen nicht zureichende Zusammenarbeit zwischen Bonn und den Ländern handelt, sondern auch um die Bewältigung jenes Bereichs, in dem sich z. B. kulturelle Auslandsarbeit, kulturpolitische Repräsentanz, außenpolitische Erfordernisse und wirtschaftliche Interessen überschneiden, überlagern oder gar völlig ineinanderfließen. Die Weltausstellung in Kanada ist z. B. ein solches Operationsfeld.Die Frage der Effektivität stellt sich z. B. auch, wenn wir mit vielen Millionen irgendwo draußen Rundfunkstationen errichten, was aus vielerlei Gründen nützlich und löblich ist, dabei aber vergessen, daß zur materiellen Wirksamkeit eines Senders auch Empfangsapparate gehören, mit denen er empfangen werden kann.Um bei der Sparte Rundfunk im Felde der administrativen Zusammenarbeit in der Bundesregierung zu bleiben: zur gleichen Zeit, als die Bundesrepublik einem nordafrikanischen Staat, der uns in der Nahostkrise behilflich war, einen neuen Rundfunksender versprach und wobei, weil der Finanzminister kein Geld hatte, wie auf einem Basar schier um jeden Pfennig gefeilscht wurde, baute eine kirchliche Organisation aus Bundesmitteln, über die sie verhältnismäßig autonom verfügen kann, für 12 oder 14 Millionen DM einen Sender in einem fernöstlichen Land. Hier mangelt es sichtlich an politischer und administrativer Koordination.Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil es besonders typisch ist, typisch übrigens auch für das Talent des Bundeskanzlers, im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz durch Abgrenzungs- und Zuständigkeitsorders die Dinge eher zu ver- als zu entwirren. Wenn der Außenminister also künftig für diese breitgefächerte Kulturarbeit im Ausland die Übersicht nicht verlieren will manchmal denke ich, er hat sie schon verloren —, wird auch ein Genie auf Dieter Sattlers Stuhl künftig wenig ausrichten können. Wie Sie das Problem lösen, mit der Vielfalt und Ordnung dieser Dinge im Kabinett fertigzuwerden, ist Ihre Sache. Mit meinem Laienverstand würde ich halt einen weiteren Staatssekretär einstellen. Sie brauchen im Bereich des Auswärtigen Amtes ohnehin noch ein Kabinettsmitglied zur Be-
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Kahn-Ackermannwältigung der „protokollarischen Frühstücksverpflichtungen".Wie sehr mangels solcher koordinierenden Aufsicht sogar wichtige und erfolgreiche Institutionen unter die Räder kommen oder Opfer von sich im Paragraphendickicht sinnlos bekämpfenden Ressortkriegern werden können, beweist das Schicksal der Ausländerkreise der Carl-Duisberg-Gesellschaft. Letztere waren bisher die einzigen wirklich hervorragend funktionierenden Begegnungsstätten mit Nestwärme, in denen sich zwanglos farbige und europäische Praktikanten, aber auch Studenten aus allen Ländern treffen und das Gastland wirklich durch das Medium menschlicher Begegnung und Freundschaft kennenlernen konnten, so wie wir uns das wünschen. Bei den zuvor erwähnten Zuständigkeitsabgrenzungen ist die Carl-Duisberg-Gesellschaft, weil sie sich überwiegend um Praktikanten aus den Entwicklungsländern kümmert, unter die Zuständigkeit des Bundesministeriums für wirtschaftlich Zusammenarbeit geraten. Dieses weigert sich, in Zukunft Geld für die Ausländerkreise zu geben, falls sich dort künftig weiterhin farbige Praktikanten einerseits mit europäischen Praktikanten und Deutschen, andererseits mit Studenten treffen, weil die beiden letzten Gruppen nicht in die Kompetenz des Ministeriums Scheel fallen und die Zuschüsse nicht gegen die Verwendungsrichtlinien dieses Hauses gegeben werden dürfen. Was für ein Schildbürgerstreich, was für ein Unsinn, was für eine bürokratische Blindheit! Das Auswärtige Amt darf nicht mehr zahlen, und so wird eine wichtige innerdeutsche Aufgabe unserer auswärtigen Kulturpolitik einfach liquidiert. Leider wimmelt es in diesem Teil des Gartens unserer Außenpolitik von solchen Selbstschüssen, mit denen wir nicht nur hoffnungsvolle Pflänzlein, sondern auch ein gerüttelt Maß von Arbeit, das der Achtung und dem Renommee unseres Landes dient, zum Erliegen bringen.In die Frage von Aufwand und Wirkung mischen sich gelegentlich auch Stil- und Geschmacksfragen. Auch dazu möchte ich stellvertretend für vieles mit einem Beispiel dienen. In Paris, der Hauptstadt des Landes, mit dem wir durch kulturelle Bande ganz besonderer Art verbunden sind, hat die Bundesrepublik in der Avenue d'Iena auf einem von der französischen Regierung Deutschland zurückgegebenen Grundstück ein Goethe-Institut errichtet. Es ist im vergangenen Herbst fertig geworden und hat rund 8 Millionen DM gekostet. Es sollte ein Schaufenster der kulturellen Persönlichkeit unseres Landes und des deutschen Geistes sein. Es ist leider innerlich wie äußerlich eher das Schaufenster der deutschen Versicherungsbranche — sagen wir einmal: die Bezirksdirektion einer Feuer- und Lebensversicherung in einer Stadt mit 150 000 Einwohnern.
Wenn Sie eintreten, glauben Sie sich zunächst in eine Vulkanisieranstalt versetzt, so sehr stinkt es nach verbranntem Gummi. Da werden eher Assoziationen an Dantes siebten Kreis der Hölle als an Goethes Elysium hervorgerufen,
und wenn wir schon beim Höllischen sind: an eine Walpurgisnacht erinnert in diesem ungewöhnlich scheußlichen und atmosphärelosen Bau schon gar nichts, nicht einmal die Dame am Empfang, was wenigstens gelegentlich bei Versicherungsgesellschaften der Fall ist.
— Genauso wie im obersten Stock, Herr Dr. Martin.Die Bibliothek ist eine häßliche Gruft, der jede Atmosphäre von Geborgenheit, die man zum Lesen braucht, fehlt. Sie muß jetzt, um wenigstens durch das Buch — in Form einer ständigen Buchausstellung — ein wenig Geistigkeit zu gewinnen, umgebaut werden — 8 Monate nach Eröffnung dieses Hauses! Wer hat da geplant, wer hat eingerichtet und sich darum gekümmert, daß mit 8 Millionen DM eine wirkliche Stätte der Begegnung mit deutscher Kultur und Sprache geschaffen wird?Der Kino- und Festsaal von beachtlicher Größe ist, abgesehen davon, daß es durchregnet — aber es regnet ja in Paris nicht immer — in 9 Monaten fünfmal benutzt worden. Ich meine, auch bei Kulturbauten gibt es eine Art von Ökonomie. Das alles muß man sich von vornherein überlegen. Man mietet dann besser und billiger Säle, wenn man sie nicht kontinuierlich braucht.Das Ganze ist ein Beweis dafür, daß das, was wir in Punkt 6 unseres Antrages zur Kulturarbeit im Ausland fordern, nicht einfach durch administrative Entschlüsse und die Bundesbaudirektion ersetzt werden kann.Indessen noch entscheidender als das Äußere unserer Kulturinstitute ist das, was innen vor sich geht. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Innenleben vor vielen, bisher nur als überfüllte und in vieler Hinsicht als recht veraltete Sprachschulen arbeitenden Instituten verwandeln wird, nachdem ihnen das Auswärtige Amt mit einem Erlaß vom März praktisch 80 % der Kulturarbeit im Ausland übertragen hat.Hier muß man ungeachtet der ganz ausgezeichneten und von hohem Verständnis und Einfühlungsvermögen getragenen Arbeit vieler Institute auf der ganzen Welt, die mehr als nur Sprachschulen waren, vor einem warnen, nämlich vor dem Mißverständnis, daß, weil Kultur im allgemeinen etwas mit Intellektuellen zu tun hat — übrigens, Herr Minister, spielen die Intellektuellen eines Landes auf ihre Weise auch eine recht interessante Rolle in der Außenpolitik einer jeden Nation —, man unsere Kulturarbeit ausschließlich auf die gesellschaftliche Elite des Landes ausrichtet, in dem man arbeitet. Solche Tendenzen gibt es in einigen europäischen und überseeischen Hauptstädten, Die Kultur der Industriegesellschaft ist reicher und breiter. Das Programm eines Goethe-Instituts kann eine unerhörte Breitenwirkung haben, wenn es für interessierte Arbeiter, Angestellte und eine intelligente Mittelschicht ausgerichtet ist.Ein großer Teil der Kulturarbeit im Ausland muß auf sinnvolle Weise auf ihre Integration in den Bil-
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Kahn-Ackermanndungsinstitutionen des Gastlandes zielen. So betrachtet, ist für uns in Frankreich ein Volksschullehrer als interessierter Besucher von Veranstaltungen des Goethe-Instituts wichtiger als ein Beamter des Quai d'Orsay.Was den anderen, vielleicht auch noch immer notwendigen gesellschaftlichen Sektor betrifft, so hat es an Salonlöwen im auswärtigen Dienst nie gemangelt.Aber gerade jene eben betonte Notwendigkeit, im Zeitalter der Massenmedien in der Kulturarbeit auch nichtintellektuelle und nicht akademisch gebildete Menschen anzusprechen, läßt es uns unausweichlich erscheinen, daß Sie in dieser Praxis erfahrene Männer und Frauen aus den Auftragsorganisationen Ihres Hauses in den Stellenplankreislauf der Kulturarbeit des Amtes einbeziehen.Heute morgen ist im Auswärtigen Ausschuß mit Nachdruck darüber gesprochen worden, daß einige dieser die Last der auswärtigen Kulturarbeit tragenden Auftragsorganisationen aus dem Zwangskorsett einer auf innerdeutsche Verhältnisse zugeschnittenen Bundesangestellten-Tarifordnung befreit werden müssen, wenn sich die Bundesrepublik jener Kräfte versichern will, die sie in der auswärtigen Kulturarbeit braucht, welche — und das ist eine Binsenweisheit — mit der Art von Menschen steht und fällt, die in ihr tätig sind. Keinem Bundesland und keiner Stadt würde es einfallen, einen Theaterintendanten oder gar den Leiter eines bedeutenden Museums oder gar nur einen guten Regisseur zu suchen und sich der Illusion hinzugeben, man könne jemanden gegen eine Besoldung nach BAT bekommen und mit der Angestelltenversicherung in die Pension schicken.
Draußen in den Kulturinstituten oder zumindest in einigen ganz besonders wichtigen Instituten, z. B. in New York oder in Paris oder in Rom, stellt sich genau dieses Problem. Sie, Herr Minister, müssen sich dieses Problems in einem noch weiteren Sinne schmerzlich bewußt gewesen sein, nachdem, wie ich in zwei Zeitungen gelesen habe, einige Ordinarien auf die Aussicht hin, in Ihrem Hause Ministeraldirektor zu werden, trotz der von Ihnen erwähnten damit verbundenen Ehre nur müde abgewinkt haben.Ganz am Rande die Frage: Würden Sie sich, die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses, dazu ermannen können, die Stelle der Kulturreferenten in einigen ganz besonders wichtigen Hauptstädten von A 14 nach A 16 aufzustufen, so würden Sie dafür einige Hochschullehrer von internationalem Ruf gewinnen können? Dabei denke ich u. a. besonders an Paris.Eine letzte Bemerkung über die Besonderheit der deutsch-französischen Kulturbeziehungen, die zu vertiefen man nicht genug tun kann: Ich habe mit einer gewissen Erleichterung in einer der letzten Fragestunden festgestellt, daß das Primat des Außenministers im zwischen Bund und Ländernumstrittenen Zuständigkeitsbereich der auswärtigen Kulturpolitik auch im Bereich des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages offenbar so weit geklärt ist, daß Herr Ministerpräsident Kiesinger nicht mehr mit dem sofortigen Rücktritt von seinem Amt als Beauftragter für den kulturellen Teil dieses Vertrags droht, wenn der Außenminister statt seiner eine einschlägige Frage im Bundestag beantworten will.
Meine Damen und Herren, ich messe den Punkten 2 und 9 unseres Antrags zur Kulturarbeit im Ausland eine besondere Bedeutung zu. Der eine beschäftigt sich mit der Tatsache, daß unsere deutsche Muttersprache die eine große Säule sein muß, auf der unsere Kulturbeziehungen zu der Welt ruhen. Weit über die vorläufig geringer werdende weltpolitische Bedeutung unseres Landes hinaus besitzt die deutsche Sprache neben einigen anderen großen Kultursprachen eine starke Stahlkraft als kulturvermittelndes Medium., auf das viele Menschen nicht glauben verzichten zu können. Es ist die Sprache, von der viele meinen, ihre Kenntnis sei unerläßlich, wenn man die lange Reihe bedeutender Philosophen deutscher Zunge nicht nur lesen, sondern auch begreifen wolle, ja sie sei sogar der Schlüssel zum Verständnis philosophischer Systeme und Betrachtungen schlechthin.Wie dem auch immer sei, die Entdeckung, welch geistige und politische Bedeutung unserer Sprache zukommt, hat unsere offizielle Außenpolitik leider verhältnismäßig spät gemacht. Wäre es anders, müßte sie längst die ihr noch fehlende Gleichberechtigung in vielen europäischen Institutionen haben, vor allem auch im Europarat und in der Westeuropäischen Union. Das ist ein wirklicher Schnittpunkt von Kultur und Politik, an dem die Bundesregierung mit geradezu quälendem Mangel an Durchschlagskraft herumoperiert.Zu den Instrumenten der Sprachvermittlung gehört neben Rundfunk, Fernsehen, Goethe-Instituten und Schulen auch die Entsendung von Germanisten und Sprachdozenten an nichtdeutsche Universitäten und von Sprachlehrern an fremde Schulen. Diese Instrumente deutscher Sprachverbreitung können nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn man sich über die Situation der deutschen Sprache und ihre Chancen illusionslos Rechenschaft ablegt, wie wir das in Punkt 9 unseres Antrages verlangen.Die andere wichtige Säule unserer Kulturarbeit draußen ist die wachsende Mitarbeit in der UNESCO und vielen anderen internationalen Organisationen, die dazu dienen, nicht nur eine Brücke zwischen den Kulturen zu schlagen, sondern vornehmlich auch einen Brückenschlag zwischen der Industriegesellschaft Europas und der USA und den übrigen überseeischen Kontinenten zu versuchen. Für diese Aufgabe, die zum Teil darin besteht, die Kultur des Gastlandes für die Umwelt sichtbar zu machen, haben bereits unsere Vorfahren Erstaunliches geleistet. Wir sollten an diese Tradition anknüpfen, was nur möglich ist, wenn die Hemmnisse,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2393
Kahn-Ackermanndie einer breiten Entsendung deutscher Fachkräfte und Hochschuldozenten nach draußen im Wege stehen, weggeräumt werden.Daß die Bundesregierung hier offenbar kapituliert und resigniert, entnehme ich einem amtlichen Dokument des Auswärtigen Amtes mit dem Titel „Die Problematik bei der Vermittlung deutscher Lehrkräfte an Universitäten des Auslandes", in dem unter anderem folgendes steht:Die Vermittlung deutscher Lehrkräfte in das Ausland kann sicherlich als eines der wirksamsten Mittel der auswärtigen Kulturpolitik gewertet werden. Dies gilt insbesondere für Lehrkräfte an solchen Auslandsuniversitäten, die im Aufbau begriffen sind und als höchste Ausbildungsstätten in den jungen Staaten die künftige Elite heranbilden sollen. Die Zahl dieser neuen akademischen Unterrichtsstätten ist in den letzten Jahren so stark angewachsen, daß es leider unmöglich geworden ist, den Wünschen des Auslandes auch nur annähernd zu entsprechen.Nur etwa 10 % — nur 10 %der offenen Lehrstellen an Universitäten im Ausland, für die deutsche Lehrkräfte erbeten werden, konnten in den letzten Jahren besetzt werden. Bei ausreichend zur Verfügung stehenden Mitteln sind die Gründe hierfür einerseits, daß junge Nachwuchswissenschaftler befürchten, bei längerer Abwesenheit von ihrer Universität „den Anschluß zu verlieren" und damit in ihrer Laufbahn benachteiligt zu werden, andererseits, daß der akute Mangel an Wissenschaftlernachwuchs in den üblicherweise gefragten Fachgebieten längere Beurlaubungen durch die Fakultäten bzw. Kultusverwaltungen vielfach nicht zuläßt.So geht es weiter, und es endet mit der Feststellung, daß voraussichtlich noch viele Jahre vergehen dürften, bis diesem personellen Mangel abgeholfen sein werde und die Bundesrepublik dort ihren Platz einnehmen könne.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch wenige Worte zum Abschluß über die bereits vom Kollegen Huys dargestellte Problematik unserer Schulen sagen. In unserem einen Antrag fordern wir, daß die 21 Schulen, die ausschließlich für deutsche Kinder da sind, haushaltsmäßig von den übrigen abgetrennt werden, weil sie — ich möchte mal sagen — als besonderer Dienst der Bundesrepublik gegenüber Deutschen im Ausland im Grunde nichts mit eigentlicher Kulturarbeit draußen zu tun haben. Aber gerade diese 21 Schulen sind ganz besonders kostspielig und verfälschen deswegen im Etat das ganze Bild etwas hinsichtlich der Aufwendungen, die für unsere Kulturarbeit vorgenommen werden.Ein Zweites: Hier ist heute schon von den übrigen Schulen gesprochen worden, von denen ein großer Teil sogenannte Begegnungsschulen sind, denen wir bisher eine ganz besondere kulturpoltische Bedeutung beigemessen haben. Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, den Brief eines Schulleiters vorlesen, eines Schulleiters an einer verhältnismäßig neuen, vor einigen Jahren mit einem Kostenaufwand von 7,5 Millionen DM gebauten Schule irgendwo in Europa. Er schreibt:Die Situation dieser Schule ist so erbärmlich, daß ich mir überlege, ob ich nicht die Pflicht habe, die Dinge in die Öffentlichkeit zu bringen, da die zuständigen Stellen aufs äußerste bemüht sind, alle Kritik und alle Kritiker zum Schweigen zu bringen und ich vergeblich versucht habe, die vorgesetzten Behörden dazu zu bringen, die Dinge zu reformieren. Dazu kommt, daß die innere Struktur der Schule so unsinnig ist, daß man sich fragt, wie so etwas einem Pädagogengehirn entspringen konnte.
Die Atmosphäre an der Schule ist so, daß mir der katholische Geistliche vor kurzem im Vertrauen sagte, er könne den einheimischen Eltern nicht mehr empfehlen, ihre Kinder an die deutsche Schule zu schicken.Ich möchte diese Dinge nicht dramatisieren. Ich wollte damit nur sagen: Das Problem der von der Administration so viel gerühmten Begegnungsschule ist nämlich wesentlich vielschichtiger, als es die Befürworter eines sich ständig vergrößernden deutschen Auslandsschulwesens glauben.Auf der Konferenz z. B. der deutschen Schulen in Lateinamerika, in Mexiko, war kürzlich davon die Rede, daß mangelnde Inanspruchnahme und Verwirklichungsmöglichkeit der pädagogischen Erfahrungen und Erkenntnisse der aus Deutschland entsandten Lehrer das angestrebte Ziel, nämlich eine Begegnung mit dem deutschen Bildungselement herbeizuführen, fragwürdig machen. Das Auswärtige Amt war, soviel ich weiß, aus irgendwelchen Gründen auf dieser Konferenz, die es selbst einberufen hatte, nicht vertreten. Aber ich glaube, wenn es vertreten gewesen wäre — und vielleicht, nachdem es die Berichte gelesen hat —, würde man dort auf Grund einer erneut vorgetragenen Darstellung der unguten Verquickung von kommerziellen Bedürfnissen und Standesrücksichten, die zum Mitschleppen einer Heerschar von Unbegabten führen, teilweise doch ein bißchen kritischer über die innere Situation so mancher Schule nachdenken.Schließlich und endlich haben wir dann noch die Europa-Schulen, an denen uns auch einige Probleme drücken; z. B. daß wir mit den Fristen der Entsendung unserer Lehrer an diese Schulen nicht durchkommen, daß sie viel länger an diesen Schulen tätig sein müssen und daß es angesichts der Tatsache, daß eben auch Lehrer aus anderen Partnerstaaten dort wirken, unbedingt notwendig ist, daß die Angleichung ihrer Bezüge an die Bezüge der Europa-Beamten erfolgt.Ich habe mit diesen Bemerkungen, meine Damen und Herren, die Überlegungen ein wenig zu skizzieren versucht, die uns bewegt haben, unsereKahn-Ackermanndrei Anträge einzureichen. Ich brauche die einzelnen Punkte dieser Anträge, soweit es nicht schon geschehen ist, nicht mehr zu erläutern. Sie sprechen für sich selbst.
Gewiß ließe sich noch viel Grundsätzliches zu den hier erörterten Problemen sagen. Aber wir erwarten das in erster Linie von denjenigen, die die Verantwortung für das gegenwärtige Konzept unserer auswärtigen Kulturarbeit tragen. Es ist lange her, daß ein deutscher Außenminister sich ausführlich und grundsätzlich mit den Problemen der deutschen Kulturarbeit im Ausland in öffentlicher Rede befaßt hat. Es war, wenn ich mich nicht täusche, Herr Minister, im Jahre 1928, abgesehen von den Interventionen, die Sie und Ihr Vorgänger bei Debatten, die wir zu diesem -Problem hier im Bundestag gehabt haben, gelegentlich gemacht haben. Der Außenminister hieß Gustav Stresemannn, und ich hoffe, Herr Minister Schröder, Sie werden die Stunde heute nach 38 Jahren zu nutzen wissen.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage und, wie ich annehme, zur Stellungnahme zu den drei sozialdemokratischen Anträgen hat der Herr Bundesaußenminister das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Kollegen Kahn-Ackermann enttäuschen. Eine solche Sternstunde für heute hatte ich nicht erwartet und er, glaube ich, auch nicht. Denn der Stoff, der heute hier zu behandeln ist, ist ein bißchen trocken und eignet sich dafür nicht ganz so, wie er es vielleicht meint. Ich muß ihm zugeben: Er hat eine Menge sehr interessanter Details gebracht über Personen, über Bauten und Reisen; ich weiß, daß er ein sehr weitgereister Mann ist und manches hört und viele Briefe und Zuschriften bekommt. Ich sage das nicht in einem abwertenden Sinne. Trotz mancher ironischer, skeptischer und kritischer Anmerkungen, die er gemacht hat, weiß ich seine Bemühungen um diese Fragen sehr zu schätzen. Ob alle von ihm gebotenen Details stimmen, kann ich nicht sagen; wir werden das einmal im einzelnen prüfen und können darüber dann vielleicht hier und im Ausschuß noch einmal sprechen.Eine Sache aber möchte ich richtigstellen: es gibt keine Ordinarien, die abgewinkt hätten, die Stelle des Leiters der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt zu bekleiden. Über diesen Leiter, über den armen Menschen, der da demnächst hinkommen wird, ist so viel gerätselt und geschrieben worden, daß das wirklich einen hübschen Band füllen würde. Auch das sehe ich ein bißchen nüchterner, und, wie gesagt, es ist dies nicht eine Sternstunde, sondern eine sachliche Beantwortung von gestellten Fragen.Damit das Hohe Haus den Zusammenhang behält, darf ich nochmals jeweils die Fragen aus der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP vorlesen. Die erste Frage lautete:Was gedenkt das Auswärtige Amt zu tun, um sicherzustellen, daß Aufwand und Erfolg der bisher geförderten Auslandsschulen in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen?Darauf lautet die Antwort wie folgt. Das Auswärtige Amt ist bestrebt, abgesehen von den sogenannten Botschafts- und Expertenschulen, nur solche deutschen Schulen im Ausland zu fördern, die durch ihr Bildungsziel und die in ihnen erzogenen jungen Menschen aller Schichten eine Ausstrahlung auf das öffentliche Bewußtsein im Gastland haben, die den personellen und materiellen Aufwand rechtfertigt.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat bereits in ihrem Bericht an den Deutschen Bundestag vom 23. Juni vergangenen Jahres über die Lage der deutschen Auslandsschulen dargelegt, daß die Begegnungsschule nur dann zu den bedeutendsten Medien der auswärtigen Kulturpolitik gehören kann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang zwar darauf hingewiesen, daß es keinen einheitlichen Typ der Auslandsschule gibt. Die Förderungswürdigkeit einer Schule ist daher nicht an Hand weniger starrer Kriterien zu messen, insbesondere nicht, ohne daß jeweils die besonderen örtlichen Gegebenheiten in die Beurteilung einbezogen werden. Indessen läßt sich das Auswärtige Amt von einer Reihe allgemeiner Gesichtspunkte leiten, die bei der Prüfung der Förderungswürdigkeit berücksichtigt werden müssen.In erster Linie ist unerläßliche Vorbedingung für eine wirkliche Begegnung der Kulturen die gründliche Erlernung der deutschen Sprache. Brachten einengende Schulgesetze in vielen Gastländern nach dem Krieg eine Zurückdrängung der deutschen Sprache und deutscher Lehrziele, so sind in den letzten Jahren die Möglichkeiten gewachsen, den deutschen Charakter der Schulen wieder zu verstärken. Die beispielhafte Selbstdarstellung deutscher kultureller Leistung sollte sich auf deutsche Lehrmethoden und die pädagogischen Vorstellungen spezifisch deutscher Prägung erstrecken, auf den anschaulich gestalteten Arbeitsunterricht, vor allem aber auf die Pflege der musischen Bildungselemente, auf Werken, Spiel und Sport als besondere Kennzeichen deutscher Erziehungsarbeit. Eine deutsche Schule im Ausland wird der ihr gestellten Aufgabe nur dann gerecht werden können, wenn sie hohes Leistungsniveau mit der Vermittlung solcher Bildungswerte verbindet, die gerade die deutsche Pädagogik besonders kennzeichnen.Die Bedeutung einer Auslandsschule im Rahmen der deutschen Kulturarbeit hängt ferner davon ab, inwieweit sie mit modernen Erfordernissen Schritt hält und den Begabten aller Schichten Zugang gewährt. Das Auswärtige Amt bemüht sich daher, durch entsprechende finanzielle Maßnahmen auf eine Regelung des Schulgeldes nach sozialen Ge-
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Bundesminister Dr. Schrödersichtspunkten hinzuwirken. Es ist ferner bestrebt., den Bedürfnissen mancher Gastländer dadurch besser zu entsprechen, daß die Lehrprogramme der Vielfalt der Begabungen und den wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen des Landes angepaßt werden. Hierzu gehört vor allem die Einrichtung von Sonderzweigen zur Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fertigkeiten.Zum Unterschied von den Begegnungsschulen bestehen sogenannte Botschafts- und Expertenschulen, welche vornehmlich die Kinder von nur vorübergehend im Ausland ansässigen deutschen Eltern betreuen. Da sie die deutsche Präsenz an solchen Orten sichern, an denen sich in weit verstandenem öffentlichem Interesse deutsche Fachkräfte in größerer Anzahl aufhalten, ist es gerechtfertigt, sie mit öffentlichen Mitteln zu unterhalten. Bei der Prüfung ihrer Notwendigkeit sind jedoch strenge Maßstäbe anzulegen.Die Schulen im Ausland, die gegenwärtig Bundeshilfe genießen, entsprechen nach Leistung, kulturpolitischer Bedeutung und Unterrichtsbedingungen noch nicht überall den Vorstellungen, welche die Bundesregierung — insbesondere im pädagogischen Bereich in enger Fühlungnahme mit den Kultusministern der Länder — verwirklichen möchte. Dies ist einmal auf die Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel zurückzuführen, zum anderen darauf, daß die organisatorischen Voraussetzungen bisher nicht voll gegeben waren, um den in den letzten Jahren beträchtlich gewachsenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Betreuung der Auslandsschulen ganz gerecht zu werden. Ihre vom nächsten Rechnungsjahr an vorgesehene Zusammenfassung in einer gegenüber dem Auswärtigen Amt weisungsgebundenen Zentralen Dienststelle mit ausreichendem Fachpersonal wird die Verwirklichung einheitlicher Planungs- und Betreuungsgrundsätze unter genauer Überprüfung des bestehenden Förderungsprogramms erleichtern.Weitere Voraussetzung für ein fruchtbares Wirken der deutschen Auslandsschulen, das im rechten Verhältnis zu den aufgewendeten Mitteln steht, ist ferner, daß es der Bundesregierung auch in Zukunft möglich sein wird, im Zusammenwirken mit den Ländern den Bedarf an deutschen Lehrern trotz des innerdeutschen Lehrermangels, besonders im naturwissenschaftlich-mathematischen Bereich, zu decken. Das Auswärtige Amt ist in Zusammenarbeit mit den Ländern seit Jahren bemüht, die Weiterbildung. deutschstämmiger' ausländischer Lehrkräfte zu fördern und dadurch den Bedarf an Lehrern aus Deutschland zu senken: Diese Bemühungen sollen verstärkt fortgesetzt werden.Ich komme zur zweiten Frage. Die Frage lautet:Welche Projekte für den Neubau oder Ausbau von deutschen Schulen im Ausland liegen zur Zeit vor, und welche Projekte hält das Auswärtige Amt für dringlich?Die Antwort lautet wie folgt: Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht an den Deutschen Bundestag über die Lage der Auslandsschulen auch auf den erheblichen Nachholbedarf im Bereich des Schulbaues im Ausland aufmerksam gemacht .In der Tat hängt in einer Reihe von Fällen sogar die Entscheidung, ob eine Schule weiter gefördert werden soll, davon ab, ob der Raumnot, die meist durch das Anwachsen der Schule und die Verschlechterung des Bauzustandes seit Wiederaufnahme des Schulbetriebes nach dem Krieg entstanden ist, durch einen Neubau abgeholfen werden kann.Die Bundesregierung hat dabei ausgeführt, daß Neubauten von Auslandsschulen einem sich über mehrere Jahre erstreckenden Gesamtprogramm entsprechen müssen. Sie hat dem Bundestag demgemäß im Rahmen dieses Berichts eine Übersicht über die bis zum Jahre 1971 fertigzustellenden Schulbauten vorgelegt, die eine Vorausschau über ihre künftigen Pläne ermöglicht.Von den in Verfolg dieser Bemühungen seit vergangenem Jahr vollendeten, noch im Bau befindlichen oder bereits in den Haushaltsplan aufgenommenen Vorhaben sind vor allem folgende zu nennen: die Bauten in Rom, in Addis Abeba, in Lima, in Lüderitzbucht, in Windhuk, in Amman, in Athen, in Ankara, in Istanbul, in Johannesburg, in Tokio, in Washington, in Arequipa , in Cali (Kolumbien), in Guatemala, in Quito, in Kapstadt, in St. Cruz de Tenerife und die Nedjat-Oberreal-Schule in Kabul.Es bleibt auch darüber hinaus noch vieles zu tun. Derzeit liegen mehr als 20 weitere Bauwünsche vor, von denen die Bundesregierung als besonders dringlich folgende ansieht: Schulbauten in Brüssel, in Barcelona, in Kairo, in Santiago, in Paris, in Teheran, in Den Haag, in Las Palmas und in San José . Ferner werden Neubauten u. a in La Union (Chile), in Guayaquil (Ekuador), in Buenos Aires (Villa Ballester), in Vina del Mar (Chile), in Sucre (Bolivien) und Puerto Montt (Chile) im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten errichtet werden.Zusammenfassend ist zu betonen, daß die Bundesregierung dem Bauproblem auch weiterhin ihre besondere Aufmerksamkeit widmen wird.Die dritte Frage lautet:Wie weit ist die Planung einer Zentralstelle für deutsche Auslandsschularbeit gediehen?Die Antwort: Wie schon in der Antwort auf Frage 1 erwähnt, ist mit der Arbeitsaufnahme einer mit genügend Fachpersonal mit Auslandserfahrung ausgestatteten und dem Auswärtigen Amt gegenüber weisungsgebundenen Zentralstelle für das Auslandsschulwesen unter Berücksichtigung der entsprechenden Empfehlungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Deutschen Bundestages im kommenden Haushaltsjahr 1967 zu rechnen.Die vierte Frage:Wie werden zur Zeit die deutschen Volks-, Mittel- und Höheren Schulen pädagogisch betreut?Die Antwort: Die deutschen Schulen im Ausland werden in engem Zusammenwirken zwischen dem Auswärtigen Amt und den Kultusministern der Länder pädagogisch betreut. Im Schulreferat des Auswärtigen Amts obliegen — als Zwischenlösung
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Bundesminister Dr. Schröderbis zur Errichtung der geplanten Zentralstelle für das Auslandsschulwesen — die pädagogischen Fachfragen, die Inspektionsbesuche und die pädagogische Beratung der Schulen gegenwärtig zwei von den Ländern abgeordneten, im Auslandsschulwesen erfahrenen Pädagogen. Der Ausschuß für das Auslandsschulwesen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder berät das Auswärtige Amt in ausgezeichneter Zusammenarbeit in allen pädagogischen Grundsatz- und Einzelfragen. Seine Mitglieder leisten dem Auswärtigen Amt wertvolle Hilfe. Sie verbinden ihre regelmäßigen Schulbesuche als Prüfungsbeauftragte der Kultusminister der Länder mit der Aufgabe, die anstehenden pädagogischen Schulprobleme zu untersuchen und die Schulen auf diesem Gebiet zu beraten. Sie betreuen nicht nur die etwa 30 deutschen Schulen mit anerkannter deutscher Reifeprüfung oder Schlußprüfung nach dem 10. Schuljahr, sondern auch benachbarte Schulen, die in den Reiseplan einbezogen werden können. Erst wenn nach Errichtung einer Zentralstelle für das Auslandsschulwesen genügend pädagogisch geschultes Personal zur Verfügung steht, wird eine gründlichere pädagogische Betreuung der Schulen möglich sein.Die fünfte Frage:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die besoldungsmäßige Schlechterstellung der vom Auswärtigen Amt entsandten Lehrer an deutschen Schulen im Ausland zu beseitigen gegenüber den Lehrern und Fachkräften, die von anderen Ministerien ins Ausland geschickt werden?Die Antwort: Die Neufassung der Richtlinien für die Gewährung von Ausgleichszulagen an die vom Auswärtigen Amt an allgemeinbildende Schulen im Ausland vermittelten Lehrer vom 1. Januar 1966 hat erhebliche Verbesserungen der Bezüge der Lehrkräfte gebracht; sie sind nunmehr den im Ausland tätigen vergleichbaren Bundesbeamten aller Ressorts finanziell fast gleichgestellt. Lediglich ein Bestandteil der Ausgleichszulage der Auslandslehrer, nämlich die Auslandszulage, erreicht mit 60 °/o nicht die volle Höhe der gleichen Zulage der Auslandsbeamten. Da die Ausgleichszulagen der Lehrer aber im Gegensatz zu den Bezügen der Auslandsbeamten nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, ergibt sich hieraus andererseits ein Vorteil für die Lehrer, der mit etwa 20 % der Auslandszulage anzusetzen ist. Die Auslandszulage der Lehrer entspricht daher im Ergebnis etwa 80 % derjenigen der Auslandsbeamten. Damit ist unter Berücksichtigung der Haushaltslage augenblicklich eine angemessene Angleichung der Lehrerbezüge an die Bezüge der Auslandsbeamten erreicht. Es ist beabsichtigt, auch die Vergütungen für weitere Personenkreise, die in der Kulturarbeit im Ausland tätig sind, in Anlehnung an die genannten Richtlinien für die vom Auswärtigen Amt vermittelten Auslandslehrer zu regeln. Die Vergütungen der nichtbeamteten Fachkräfte, die sich im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit für eine Auslandstätigkeit verpflichten, sind mit denBezügen der vom Auswärtigen Amt vermittelten Auslandslehrer nur mit Einschränkung vergleichbar, da es sich um Vertragsverhältnisse handelt, die unter unterschiedlichen Voraussetzungen geschlossen werden.Die sechste Frage lautet:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die Besoldungsnachteile der im Auslandsschuldienst tätigen Lehrer gegenüber ihren Kollegen im Heimatland zu beseitigen, die in die Regelbeförderung einbezogen sind?Die Antwort: Lehrer im Auslandsschuldienst, die auf Grund der für sie geltenden innerdeutschen Landesbesoldungsgesetze in den Genuß der sogenannten Regelbeförderung kommen, erleiden während ihrer Auslandstätigkeit keine Besoldungsnachteile gegenüber ihren Kollegen im Inlandsdienst. Eine solche Beförderung im Sinne des Beamtenrechts — z. B. Beförderung vom Studienrat, Besoldungsgruppe A 13, zum Oberstudienrat, Besoldungsgruppe A 14 — wird auch bei der Berechnung der Ausgleichszulage des Auslandslehrers berücksichtigt.Erhält dagegen ein Studienrat — Besoldungsgruppe A 13 — im Wege des automatischen Aufstiegs von der 9. Dienstaltersstufe ab lediglich seine Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 14 — wobei er nicht in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen wird —, liegt eine beamtenrechtliche Beförderung nicht vor. Aber auch in solchen Fällen wird die Ausgleichszulage für Auslandslehrer nach den in der Antwort zu Frage 5 angeführten Richtlinien so berechnet, daß zum jeweiligen Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 ein Zuschlag von zur Zeit 121 DM monatlich gezahlt und der für Besoldungsgruppe A 14 festgesetzte Betrag der Auslandszulage berücksichtigt wird. Solange das Bundesbesoldungsrecht keinen automatischen Aufstieg für Beamte kennt, kann eine günstigere Berechnung der Ausgleichszulage nicht vorgesehen werden.Das, Herr Präsident, meine Damen und Herren, sind die Antworten auf die Fragen, die in der Großen Anfrage gestellt worden sind. Herr Kollege Kahn-Ackermann, es tut mir aufrichtig leid, daß dies keine Gelegenheit für eine Sternstunde ist. Es war aber, glaube ich, eine Gelegenheit für sachliche Antworten auf sachliche Fragen.
— Nun, der Antragsteller wollte sachliche Fragen stellen und wollte sachliche Antworten haben. Er hatte nicht um eine Sternstunde gebeten. Wenn Sie ausdrücklich um eine Sternstunde bitten, wollen wir das gern gelegentlich arrangieren.
Ich komme nun schon etwas vorausgreifend mit ein paar Bemerkungen auf den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache V/692 betreffend Kulturarbeit im Ausland. Ohne Wiederholung der dort geäußerten Wünsche gehe ich gleich auf die einzelnen Punkte in ihrer Reihenfolge ein.Zu 1: Die in Punkt 1 angesprochenen Empfehlungen sind der Bundestagsdrucksache IV/2888 Ab-
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Bundesminister Dr. Schröderschnitt B zu entnehmen. Die Empfehlungen des Ausschusses sind am 24. Februar des vergangenen Jahres ohne Aussprache vom Bundestagsplenum angenommen worden. Mir liegt darüber schon seit längerer Zeit eine Aufzeichnung vor. Ein entsprechender Bericht der Bundesregierung kann dem Bundestag sehr schnell vorgelegt werden.Zu 2: Der Austausch von wissenschaftlichen Lehrkräften ist ein Schwerpunkt der auswärtigen Kulturpolitik. Die Vermittlung deutscher Professoren und Dozenten scheitert jedoch in vielen Fällen an dem Mangel geeigneter Kräfte bzw. an der Bereitwilligkeit, für längere Zeit an unbedeutenden Universitäten oder unzulänglich ausgestatteten wissenschaftlichen Einrichtungen in den Entwicklungsländern zu arbeiten. Auch wirkt die Befürchtung, nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland den Anschluß an die hiesigen Institutionen nur unter erschwerten Umständen wieder finden zu können, oftmals hemmend.Zu 3: Bei der Besoldung der längerfristig ins Ausland entsandten Fachkräfte wird den besonderen Bedingungen der Kulturarbeit im Ausland weitestgehend Rechnung getragen. Dies gilt sowohl für die Lehrer an Auslandsschulen als auch die Angehörigen der deutschen Kulturinstitute, die entsandten Wissenschaftler und Hochschuldozenten und die Dozenten der künstlerischen Fachrichtungen. In allen grundsätzlichen Besoldungsfragen konnte das Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium hergestellt werden. Über die wenigen noch offenen Einzelfragen werden die Gespräche mit dem Herrn Bundesfinanzminister fortgesetzt.Zu 4: Die Koordinierung der auswärtigen Kulturarbeit im Bereich der Bundesregierung ist durch eine klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Bundesinnenministerium, dem Bundesministerium für Gesundheitswesen und dem Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung sichergestellt. Das Auswärtige Amt und die genannten Ministerien arbeiten reibungslos zusammen.Zu der Frage 5 habe ich bereits in der Beantwortung der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion am 11. Dezember 1963 in allgemeiner Form Stellung genommen. Damals habe ich folgendes gesagt:Die Bundesregierung hat im Auswärtigen Amt mit Mitarbeitern, die nicht Laufbahnbeamte waren, gute wie schlechte Erfahrungen gemacht. Das große Fachwissen vieler Nichtlaufbahnbeamten hat sich als belebendes und anregendes Element erwiesen. Die ihm nicht selten gepaarte Unkenntnis der für eine geordnete Verwaltung unerläßlichen Grundbegriffe und Gepflogenheiten hat sich zuweilen als Hemmnis ausgewirkt.Für die Verwendbarkeit in der auswärtigen Kulturarbeit ist aus der Unterscheidung zwischen Nichtlaufbahn- und Laufbahnbeamten schwerlich ein Maßstab zu gewinnen. Die Ausbildung und die Tätigkeit in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes gehört zum Werdegang der Laufbahnbeamten. Im Prinzip sollen künftig zu Leitern von Auslandsvertretungen nur solche Beamten bestellt werden, die sich mit der Kulturarbeit befaßt haben. Aber ich sage noch einmal: im Prinzip. Das wird nicht ganz leicht durchzuführen sein. In Bereichen, die ein besonderes Maß an Spezialwissen erfordern, wird die Bundesregierung auch in Zukunft geeignete Persönlichkeiten, die nicht Laufbahnbeamte sind, für die Kulturarbeit des Auswärtigen Amts heranziehen.Diesen Standpunkt habe ich damals vertreten. Wir haben ihn in der Zwischenzeit praktiziert; er entspricht auch heute noch der Auffassung des Auswärtigen Amts.Zu 6: Als beratendes Gremium für die Gestaltung der Auswärtigen Kulturarbeit fungiert der Beirat des Auswärtigen Amts für kulturpolitische Fragen, der halbjährlich tagt und sich jeweils mit einem bestimmten Problemkreis befaßt. So wurden auf der letzten — 12. — Sitzung im November 1965 Fragen aus dem Gebiet des Auslandsschulwesens erörtert, während die 11. Sitzung den Kultur--Instituten gewidmet war. Darüber hinaus bestehen, aus der täglichen Arbeit heraus, lebhafte Kontakte des Auswärtigen Amts zu den in seinem Auftrag in der auswärtigen Kulturarbeit tätigen Organisationen. Dies gilt nicht nur für die an Ort und Stelle im Ausland tätigen Angehörigen dieser Organisationen, sondern auch für ihre Führungskräfte.Die Kontakte auf dem Gebiet ,der kulturellen Auslandsarbeit zu Vertretern der Wirtschaft sind rege, z. B. über die Carl-Duisberg-Gesellschaft, die Volkswagenwerk-Stiftung u. a. m.Zu 7: Bund und Länder wirken in der kulturellen Auslandsarbeit Hand in Hand zusammen. Die Zusammenarbeit mit den hierfür bestehenden Institutionen, d. h. der Vertragskommission der Länder nach dem Lindauer Abkommen und dem Ständigen Sekretariat der Kultusministerkonferenz, vollzieht sich reibungslos. Das gleiche gilt auch von der Mitarbeit der Ländervertreter in den deutsch-ausländischen Gemischten Kulturkommissionen.Zu 8: Die Wissenschaftsminister haben sich dahin ausgesprochen, die Wissenschaftsministerkonferenz nicht zu institutionalisieren, sondern wie bisher unter Sekretariatshilfe der OECD in gewissen Abständen zusammenzukommen. Eine Institutionalisierung würde einen Verwaltungsapparat und finanzielle Mittel erfordern, die eingespart werden können. Diese Gesichtspunkte gelten auch, und zwar verstärkt, für die Konferenzen der europäischen Erziehungsminister. Von den Fachministern gehen wohl Initiativen und Impulse aus. Aber in letzter Instanz sollen die Außenministerien entscheiden, da es sich um Fragen ,der europäischen Einigung handelt. Die Nichtinstitutionalisierung erleichtert die Arbeit der europäischen Erziehungsminister und die Durchführung der Konferenzbeschlüsse, da die Konferenzen ohne die Schwerfälligkeit eines internationalen Apparates arbeiten und sich der bisher sehr bewährten arbeitstechnischen Erfahrung des Europarat-Sekretariats bedienen. Es wäre zudem auch be-
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Bundesminister Dr. Schröderdenklich, Landesminister als deutsche Vertreter in zwischenstaatliche Gremien zu entsenden und damit zu dokumentieren, daß der Gesamtstaat seine Generalkompetenz zur Pflege der auswärtigen Beziehungen wegen interner Schwierigkeiten in der Praxis nicht mehr zu wahren vermag — oder zu wahren vermöchte. Wir sind an den Arbeiten des Rates für kulturelle Zusammenarbeit intensiv beteiligt.Schließlich noch eine Bemerkung zu Ziffer 9. Das Auswärtige Amt wird den Bericht über die Situation der deutschen Sprache unter Darstellung kulturpolitischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten, wenn das Hohe Haus dies wünscht, zu ,dem vorgesehenen Zeitpunkt gerne vorlegen.Ich sage noch einmal, Herr Kollege Kahn-Ackermann: wenn mehr Sternstunde gewünscht wird, dann muß mir Gelegenheit dazu gegeben werden.
Wir treten nun in die Aussprache ein. Ich nehme als selbstverständlich an, daß die Aussprache gewünscht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn auch die Antwort des Herrn Ministers keine Sternstunde im Rahmen der kulturpolitischen Debatten dieses Hauses war, so hatte sie doch den großen Vorzug, nüchtern und sachlich die Dinge anzusprechen, die in dem Antrag meiner Fraktion und 'in der Anfrage der Regierungskoalition dargestellt sind.Der Herr Minister hat das Bildungsziel der Auslandsschulen in wenigen Worten darzustellen versucht. Ich will ihm zugeben, daß es nicht einfach ist, ein Bildungsziel darzustellen von Schulen, die so außerordentlich unterschiedlichen Charakter haben wie die deutschen Schulen im Ausland. Von den 28 Schulen, die wir in Europa haben — ich darf einmal von den Ordensschulen absehen, die auch aus Gründen der kirchlichen Mission bestehen —, haben 20 wesentlich mehr ausländische Kinder als deutsche Kinder; darunter ist eine — es ist eine Ordensschule , wo 355 ausländischen Kindern ein einziges deutsches Kind gegenübersteht.
Es ist auch notwendig, scharf zu scheiden zwischen den Schulen, die aus praktischen Gründen — wegen der Anwesenheit zahlreicher deutscher Beamter oder sonstiger deutscher Staatsangehöriger — gebildet worden sind, um den Kindern dieser Staatsangehörigen einen geordneten Schulunterricht zu geben, und den Schulen, die zum Teil schon vor langen Jahrzehnten aus Kulturpropagandagründen ins Leben gerufen worden sind und die heute ein bißchen ihre geistige Grundlage verloren haben, weil die damals bestimmt sehr nationalistische Kulturpropaganda heute nicht mehr die Grundlage einer Schule im Ausland sein kann; der Herr Minister hat auch dieses Wort nicht in den Mund genommen. Das Bildungsziel der deutschen Schulen, d. h. die Möglichkeit der Ausstrahlung in bezug auf die deutscheSprache und in bezug auf das deutsche Kulturgut, müßte, glaube ich, noch etwas intensiver und auch noch in Einzelheiten stärker betont beraten werden. Dazu wird im Ausschuß Gelegenheit gegeben sein.Ich möchte hier auf einen besonderen Punkt eingehen, der in dem Antrag Nr. 533 meiner Fraktion angesprochen ist und der die europäischen Schulen betrifft. Diese Schulen beruhen ja auf einem Staatsvertrag der sechs Länder der Gemeinschaft, und sie haben auch neuerlich das Europäische Parlament beschäftigt. Bei der Diskussion im Europäischen Parlament hat sich herausgestellt, daß diese Schulen in der Vergangenheit ein Dasein geführt haben, das mehr oder weniger im Verborgenen war, und daß es hier auch einige Dinge gibt, die von uns im Parlament angesprochen und durch Beschlüsse des Parlaments und der Regierung in Ordnung gebracht werden müssen. Es liegt eine eingehende Entschließung des Europäischen Parlaments vor, die der Bundesregierung auch offiziell zugegangen ist, auf die ich mich hier bei einzelnen Punkten lediglich zu beziehen brauche.Es trifft das insbesondere auch die Fragen der Entschließung, die mit unserer auswärtigen Schulpolitik zusammenhängen, wenn es darum geht, weitere Schulen dieses europäischen Typs in Europa zu errichten, und zwar an Orten, an denen sich im Gegensatz zu den bisherigen Schulen keine besonderen Einrichtungen der europäischen Gemeinschaften befinden. Ich glaube, daß diese Frage jetzt gerade besonders aktuell wird, wenn durch die Verlegung einiger Dienststellen der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft und der mitteleuropäischen Kommandobehörden der NATO die bisherigen internatinalen Schulen in Fontainebleau und bei SHAPE in Paris vermutlich aufgelöst werden müssen.Nun haben diese internationalen Schulen eigentlich überhaupt keinen internationalen Charakter; denn sie sind, obwohl sie diesen Namen führen, vom französischen Ministerium für nationale Erziehung eingerichtet worden, sie werden nach dem französischen Schulsystem geführt, und ihre Prüfungen werden auch nur dann anerkannt, wennn aus dem jeweiligen Staatsgebiet Prüfungskommissionen diese Prüfungen abnehmen. Ich glaube, hier haben wir eine klassische Gelegenheit vor uns — auch darüber müßte im Ausschuß gesprochen werden —, bei der Verlegung dieser Schulen in ein anderes Staatsgebiet, die ja mit großer Wahrscheinlichkeit zu erfolgen hat, europäische Schulen nach dem bisherigen System, das im Staatsvertrag niedergelegt ist, zu errichten und diese Schulen durch eine englische Sprachabteilung zu erweitern, weil ja die englische Sprache sowohl bei den mitteleuropäischen als auch bei den gesamtatlantischen Kommandobehörden eine große Rolle spielt. Die Entschließung des Europäischen Parlaments zeigt die Voraussetzungen auf, die für die Errichtung weiterer derartiger Schulen notwendig sind.Bei der Beschäftigung mit diesen Schulen sind den deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament und auch mir selbst als Berichterstatter einige Dinge aufgefallen, die sich auf die Lehrer deutscher Staats-
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Mertenangehörigkeit an diesen Schulen beziehen und die die Situation dieser Lehrer in einem besonderen Licht erscheinen lassen. Diese Situation ist verschieden von der der deutschen Lehrer an den deutschen Auslandsschulen, über die ja hier schon gesprochen worden ist.In Ziffer 1 unseres Antrags bitten wir die Bundesregierung bzw. die deutschen Vertreter im Obersten Schulrat, sich dafür einzusetzen, daß die Lehrer an diesen Schulen ein Personalstatut erhalten, das ihre rechtliche Stellung besser sichert, als das bisher der Fall gewesen ist. Insbesondere sollte man den Fall vorsehen, daß für alle Lehrer, die an diesen Schulen beschäftigt werden, besondere und in allen Fällen gleichformulierte Arbeitsverträge geschlossen werden, die die Rechte und Pflichten dieser Lehrer einwandfrei regeln. Das jetzige Personalstatut ist außerordentlich lückenhaft. Deswegen kommt es auch dauernd zu Streitigkeiten über diese Punkte, die durch einen Beschluß des Obersten Schulrates, in dem ja auch die Bundesregierung vertreten ist, geklärt werden könnten.Es wäre sehr gut und entspräche auch den Gegebenheiten, wenn es gelingen könnte, den Lehrern an den europäischen Schulen einen Status zu geben, der es möglich macht, sie auch nach den europäischen Gehaltsstufen zu bezahlen, je nachdem, welche Vorbildung sie mitbringen. Noch besser wäre es, sie als europäische Beamte auf Zeit einzuklassifizieren, falls diese Möglichkeit nach den Verträgen besteht. Das bisherige System, wonach die Heimatstaaten die Lehrergehälter en bloc an die Schulen zahlen und die Schulen dann die Gehälter mit gewissen Zuschlägen weiterleiten, bewirkt, daß die Gehälter je nach Staatsangehörigkeit an diesen Schulen außerordentlich verschieden sind, daß sich die Studienräte insbesondere schlechter stehen als die Dolmetscher der Gemeinschaft und daß sie auch schlechter bezahlt werden als ihre deutschen Kollegen an den entsprechenden deutschen Auslandsschulen am selben Ort. Hinzu kommt, daß sie im Gegensatz zu den deutschen Lehrern an den deutschen Auslandsschulen nicht beihilfeberechtigt sind und sonst vom Heimatstaat her kaum noch irgendwelche Unterstützung an Material für ihre Arbeit erhalten. Ich glaube, man sollte jetzt die Zeit für gekommen halten, die Dinge zu ändern.Das Personalstatut, das wir heute haben, läuft 1967 aus. Es muß ein neues Personalstatut vorbereitet werden. Wir ersuchen die Bundesregierung, bei diesen Verhandlungen den Standpunkt zu vertreten, daß diese unterschiedliche Behandlung in Zukunft wegfallen sollte. Das wäre bei der Neuformulierung des Personalstatuts möglich.Ich möchte aber noch die Bitte an die Bundesregierung richten, bei der Behandlung dieses Statuts in allererster Linie schulische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Wenn, wie der Herr Außenminister hier angekündigt hat, im Auswärtigen Amt eine Zentralstelle für die Schulen entstehen sollte, verspreche auch ich mir davon, sofern diese Zentralstelle mit Leuten aus dem Leben der Schulebesetzt wird, eine Möglichkeit, sachfremde Entscheidungen in dieser Frage zu verhindern. Ich denke da z. B. an die völlig sachfremde Entscheidung des Obersten Schulrats von 1964, durch den die Zahl der Unterrichtsstunden für Volksschullehrer von 26 Wochenstunden auf 34 Wochenstunden erhöht wurde, weil man im Rat der Finanzexperten herausbekommen hatte, daß eine Schulstunde ja nicht 60 Minuten, sondern nur 45 Minuten lang ist. Daraufhin wurde gerechnet, und es wurden aus den bis dahin üblichen 26 Schulstunden — gleich Zeitstunden — 34 Schulstunden, ohne Rücksicht darauf, daß das von der Schule her gesehen eine völlig sachfremde Entscheidung war. Das ist bis heute nicht in Ordnung gekommen, obwohl man weiß, daß die Arbeit des Volksschullehrers an diesen Schulen im Vergleich zu der seiner Kollegen in der Heimat insofern etwas schwierig ist, als er ja dort auch deutschen Sprachunterricht in frankophonen Klassen oder für italienische und niederländische Schüler zu geben hat.Ebenso sachfremd war die Entscheidung des Obersten Schulrats, im Vergleich zu dem Gehalt der Studienräte und in der Relation dazu das Gehalt der Volksschullehrer von 80 % eines Studienratsgehalts auf 70 bis 72 % eines Studienratsgehaltes zu senken. Auch hier wurde nicht berücksichtigt, daß diese Relation in den Heimatländern seit langem zu einem festen Begriff gehört und daß es für diese Senkung keinerlei Gründe von der Sache her gab, wenn es nicht ausschließlich Gründe gewesen sind, hier an dem schwächsten Punkt Geld einzusparen. Ich glaube, auch auf diese Frage sollte man die Aufmerksamkeit lenken, um das Betriebsklima an diesen Schulen wesentlich zu verbessern. Es geht hier gar nicht darum, ob das viele oder ob das wenige sind, sondern es geht einfach darum, daß auch hier eine vom schulischen Denken her bestimmte Gerechtigkeit Platz greifen muß.Der zweite Punkt, der uns in unserem Antrag beschäftigt, bezieht sich darauf, daß das Lehrpersonal dieser Schulen von den fünf anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf unbegrenzte Zeit an die europäischen Schulen abgeordnet wird. Die deutschen Lehrer sind die einzigen, bei denen diese Abordnung nur befristet erfolgt. Das führt zu einem sehr häufigen Wechsel. Das führt aber auch zu einer ständigen Unsicherheit, die die Lehrer sehr häufig veranlaßt, schon vor Ablauf ihrer Beurlaubung die europäischen Schulen wieder zu verlassen, etwa wenn der Zeitpunkt gekommen ist, daß ihre Kinder eingeschult werden müssen, oder auch aus anderen Gründen. Das hat den Nachteil, daß sich die deutschen Lehrer an diesen Schulen nicht so an der wissenschaftlichen Arbeit auf fachlichem und pädagogischem Gebiet beteiligen können, wie es erwünscht wäre, daß infolgedessen auch der deutsche Standpunkt insbesondere auf pädagogischem Gebiet nicht so zum Zuge kommt, wie er eigentlich zum Zuge kommen müßte, und wir in diesem Bereich weitgehend den anderen Nationen das Feld haben überlassen müssen. Ich glaube, daß durch Verhandlungen mit den Kultusministern — das kann auch die Bundesregierung nicht aus eigener Machtvollkommenheit entscheiden - erreicht werden sollte, daß
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Mertendiese Beurlaubungsgrenzen aufgehoben werden, die der pädagogischen Arbeit der deutschen Lehrer an diesen Schulen außerordentlich geschadet haben und die auch den Eltern der Kinder, die dauernd mit anderen Lehrern und Lehrmethoden zu rechnen haben, große Schwierigkeiten machen. Ich hoffe, daß es der Bundesregierung gelingt, hier zu einer Vereinbarung mit den Ländern zu kommen, um die Lehrer längerfristig, wenn möglich unbefristet, abordnen zu können.Der dritte Punkt betrifft die Steuer, die ja kein Mensch gern zahlt, die aber bei denen, die nie welche gezahlt haben und sie plötzlich zahlen müssen, ganz besonders unangenehme Wirkungen hat. Die deutschen Lehrer werden, wie ihnen durch die jeweiligen Botschaften mitgeteilt wurde, vom 1. Januar 1966 ab nach den nationalen Bestimmungen besteuert. Dem liegt ein Beschluß des Obersten. Schulrates zugrunde, der aber von einer der Mitgliedsregierungen, die sich gegen den Beschluß wendet, bis jetzt nicht anerkannt worden ist. Immerhin hat allein die Mitteilung an die Lehrer schon große Unruhe geschaffen, obwohl — wie ich gehört habe — die Ausführung dieses Beschlusses zunächst ausgesetzt worden ist. Die deutschen Lehrer sehen darin eine wesentliche Benachteiligung der deutschen Lehrkräfte gegenüber den anderen Lehrkräften und auch gegenüber den deutschen Auslandslehrern, über deren Besteuerung ja hier mit einigen Sätzen gesprochen worden ist. Dem Auswärtigen Amt liegen hierzu entsprechende Eingaben der Lehrer vor, auf die ich mich hier ausdrücklich beziehe, weil die deutschen Lehrer durch den Steuerabzug auch finanziell gegenüber den anderen Lehrern zu sehr ins Hintertreffen geraten würden. Ich möchte auch auf eine Eingabe verweisen, die die Lehrer in dieser Sache an den Finanzminister gerichtet haben. Es ist eine Eingabe vom 4. April 1966, die alle Details enthält, die zu wissen in diesem Zusammenhang notwendig ist.Meine Damen und Herren, ich glaube, daß auch die in dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 692 ebenso wie die in unserem Schulantrag bezeichneten Punkte nicht mit wenigen Worten erledigt werden können, sondern daß es noch einer eingehenden und detaillierten Aussprache in den Ausschüssen bedarf, um dem Anliegen gerecht zu werden, das meine Fraktion mit diesen Anträgen vorgetragen hat. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß für die Kulturarbeit der deutschen Bundesrepublik im Ausland klare Konzeptionen und klare Ziele vorhanden sein müssen und daß man sich auch darüber unterhalten muß, ob man die finanziellen Mittel für eine Kulturarbeit aufbringen will, die wirklich Hand und Fuß hat; denn gerade auf diesem Gebiet darf es nichts Halbes geben. Man muß die Dinge in ihrem vollem Umfang betreiben und muß sich dann auch bemühen, die dafür erforderlichen Mittel aufzubringen. Anderenfalls besteht die Gefahr — und das habe ich bei meinen zahlreichen Reisen gemerkt daß uns andere Nationen hier überrunden oder uns schon überrundet haben. Den Eindruck, daß dies geschieht, darf man im Ausland nicht dadurch aufkommen lassen, daß man aus Geldmangel mit ungeeigneten Personen oder mit halben Maßnahmen arbeitet.Das gilt auch für die europäischen Schulen, die ja auch darunter leiden, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft dazu übergegangen sind, die Mittel zu verknappen oder die Mittel für die Schulen beispielsweise aus dem Forschungshaushalt zu entnehmen oder an die Schülerzahl zu binden, — als ob die fixen Kosten bei einer Schule sehr viel mit der Schülerzahl zu tun hätten! Ich glaube, man sollte auch hier daran denken und versuchen, den Gedanken bei den anderen Mitgliedstaaten durchzusetzen, daß die Existenz dieser Schulen doch bis heute schon sehr viel zur Harmonisierung der Studiengänge in den einzelnen Ländern beigetragen hat, daß die Anerkennung der Diplome dieser Schulen in den sechs und einigen weiteren Ländern als außerordentlicher Erfolg angesehen werden muß, wenn man weiß, welche Schwierigkeiten dort überwunden werden mußten, und wenn man weiß, daß hier Menschen herangebildet werden, die bei aller Verwurzelung in ihrem Heimatland durch die Erziehung an diesen Schulen zum Verständnis für die Kultur anderer Völker und zu einer eingehenden Kenntnis der Geschichte und Lebensverhältnisse der anderen kommen. Hier haben wir Schulen vor uns, die nicht nur zweiseitige, sondern vielseitige Begegnungsschulen sind und Menschen im europäischen Geist erziehen, die später einmal als Diener Europas in den verschiedenen Gemeinschaften und in ihren Heimatländern Hervorragendes leisten können.Wir sollten daher auch von deutscher Seite im Rahmen unserer auswärtigen Kulturpolitik alles tun, um auch diesem Sektor große Aufmerksamkeit zu widmen. Man kann die Leistungen dieser Schulen gar nicht überschätzen. Dazu gehört, daß deutsche Pädagogen von hoher Qualität an diesen Schulen tätig werden. Wir wollen mit unserem Antrag lediglich die Voraussetzungen dafür schaffen, daß auch Pädagogen hoher Qualität, wie wir sie jetzt schon an diesen Schulen haben, in Zukunft bereit sind, nach Sicherung ihrer Lebensverhältnisse an diesen Schulen tätig zu werden.Das ist nur ein Ausschnitt der Probleme, die im Zusammenhang mit diesen Schulen gelöst werden müssen. Wir hoffen, daß bei einer späteren kulturpolitischen Debatte auch noch die anderen, mehr geistigen Probleme dieser Schulen hier behandelt werden können. Ich glaube, daß wir damit nicht nur unserem Land und seiner kulturpolitischen Ausstrahlung, sondern auch der europäischen Gemeinschaft einen großen Dienst erweisen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich einige Worte zu der Begründung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion durch den Kollegen Kahn-Ackermann sage. Herr Kahn-Ackermann, Sie haben ja
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MoerschI einen dankenswerten Fleiß an den Tag gelegt, und es wird uns sicherlich sehr nützlich sein, die Einzelheiten, die Sie hier vorgetragen haben, zur Grundlage einer Generalaussprache auch in den zuständigen Ausschüssen zu machen. Manchmal kam mir ein bißchen der Gedanke, daß Sie offensichtlich enge Beziehungen zum Detektivroman haben und als Sherlock Holmes unserer Auslandskulturarbeit durch die Welt gereist sein müssen. Wie gesagt, das ist sehr verdienstvoll. Nur vor einem möchte ich Sie doch ein bißchen warnen. Ich hatte bei Ihrem Referat das Gefühl, daß Sie ein sehr großes Vertrauen in die Organisation und in die Verwaltung im allgemeinen besitzen. Das widerspricht eigentlich ein wenig dem Wesen jeder kulturellen Arbeit, wobei ich den Wert der Organisation sicherlich nicht unterschätze. Aber es wäre doch falsch, wenn war glaubten, das Heil komme davon, daß wir organisatorisch alles richtig ordnen, daß wir die Planstellen richtig ordnen und dergl. mehr.Wir sollten uns einmal dem zuwenden, was Sie in Ihrem Antrag als letzten Punkt aufgeführt haben, dem Punkt 9: Situation der deutschen Sprache. Der Herr Bundesaußenminister hat uns in seiner klaren und knappen Antwort dankenswerterweise einen Bericht darüber angekündigt. Wir sollten uns vergegenwärtigen, was es eigentlich bedeutet, wenn wir uns über die Situation der deutschen Sprache im Ausland klarwerden wollen und daraus Folgerungen ziehen wollen.Ich meine, es bedeutet zunächst, daß wir uns einmal fragen, ob wir denn nicht ein wenig mit dem falschen Partner und auch vielleicht — verfassungsmäßig gesprochen — im falschen Saale debattieren. Denn Auslandskulturarbeit ist im Grunde nur eine Möglichkeit der inneren kulturellen Verhältnisse. Man müßte bei diesem Thema zunächst sehr gründlich über die Innenpolitik sprechen und weniger über die Außenpolitik. Die Erfolge im Ausland — Erfolge in dem Sinne, wie Sie sie uns hier skizziert haben — stellen sich doch nur dann ein, wenn wir in unseren kulturellen Institutionen, wenn wir im weiten Bereich des Geistigen in der Bundesrepublik Deutschland für die Umwelt attraktiv sind, für das Ausland attraktiv sind, d. h. wenn wir uns als Kulturnation nicht selbst darstellen müssen, sondern wenn wir ohne Schwierigkeiten als solche heute wieder in vollem Umfang anerkannt sind. Es scheint mir doch ein bedenkenswerter Zusammenhang zwischen Auslandskulturarbeit und unseren Verhältnissen im Innern zu bestehen. Es muß uns gelingen, einiges an den deutschen Universitäten zu ändern. Ich denke hier z. B. an die Studienreform als eine große Möglichkeit, den Anfang zu einer modernen Hochschule in Deutschland zu machen. Wenn es uns gelingt, wieder Modell für die moderne Wissenschaft zu sein, wenn wir sozusagen wissenschaftspolitisch ein Vorreiter sind, wenn wir in der Schule mit dem, was wir in der modernen Welt leisten, in Deutschland attraktiv sind, dann wird es gar nicht mehr so schwierig sein, den Rang zu erhalten, den wir uns wünschen.Es gibt noch etwas anderes, worauf wir von hier aus aber keinen Einfluß haben. Es handelt sich hierum den Wunsch, daß die deutsche Literatur nach sehr vielversprechenden Anläufen in den letzten Jahren — auch wenn sie von einigen amtlichen Personen nicht immer so goutiert worden sind — wieder eine breite Basis des Ansehens im Ausland bekommt; das gleiche gilt natürlich auch für die dramatische Kunst und für die bildende Kunst. Aber da können wir zunächst nur sehr wenig tun, außer daß wir die Bedingungen für ein Gedeihen schaffen.Der Bundestag darf auf diesem Gebiet die Gesamtverantwortung nicht nur sehen, sondern er muß sie auch in Anspruch nehmen. Niemand in der Welt versteht der Herr Bundesaußenminister hat das schon erwähnt —, daß, wenn es sich um die Vertretung kultureller Belange in einer Institution der Erziehungsminister handelt, dafür einer der elf Bundesminister der Länder in Frage kommt und daß wir auf diesem Gebiet keine gesamtstaatliche Verantwortung haben. Das muß man hier ebenfalls sehen.Wenn wir uns bemühen, junge Dozenten ins Ausland zu schicken, dann taucht natürlich sofort die Frage auf, wie es mit den Planstellen aussieht, wenn sie zurückkehren und ob sie nicht in ihrem Fortkommen gehindert sind. Es würde uns leichter fallen, von unserem außerordentlich knappen Nachwuchs mehr Leute für einige Zeit an neue Universitäten in Afrika oder anderswo zu schicken, wenn es gelänge, gleichzeitig in größerem Umfange junge ausländische Dozenten an deutsche Universitäten und Hochschulen zu bekommen. Auf diese Weise könnte ein gewisser Ausgleich geschaffen werden. Wenn für Ausländer noch mehr das Bedürfnis wachsen würde, in Deutschland wieder eine Forschertätigkeit auszuüben, dann wäre die Verbreitung der deutschen Sprache auch nicht mehr so einseitig. Die Lösung ergäbe sich dann sehr viel mehr aus der Nachfrage der Ausländer, die als Studenten, als junge Forscher und Dozenten zu uns kommen wollen.Hier kommen wir nun zu einem Punkt, bei dem wir uns fragen müssen, ob wir insgesamt genug und das Richtige getan haben, um dem Ausland die Information über den Stand der Wissenschaft und der Literatur in Deutschland zu vermitteln, die das Ausland braucht, wenn wir mit ihm in einen engeren Kontakt auf kulturellem Gebiet kommen wollen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur eine Sache erwähnen. Ich frage die Bundesregierung, ob es ihr bekannt ist, daß z. B. die ausländischen Universitäten keine Jahresbibliographie über die Neuerscheinungen der deutschen Literatur besitzen. Ich frage, ob die Bundesregierung bereit wäre, den dafür in Frage kommenden ausländischen Universitäten und den interessierten internationalen Buchhandlungen einen solchen Katalog zur Verfügung zu stellen. Das ist einfach das Handwerkszeug, das man dem Ausland geben muß, wenn man erwartet, daß das Ausland mehr Interesse an unseren Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Literatur nimmt.
Diese Frage kann man auch in diesem Hause hierlösen. Das ist eine Aufgabe bei der Gestaltung des
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2402 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
MoerschBundeshaushaltes und sicherlich auch eine Aufgabe für den sagenhaften neuen Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt.Ich bin froh, daß heute eines nicht geschehen ist: es klingt manchmal, wenn man im Lande über diese Frage diskutiert, die ganz nüchterne Meinung an, Kulturarbeit im Ausland sei der Vorreiter für wirtschaftliche Erfolge. Ich glaube, daß das eine fatale Umschreibung der Zusammenhänge ist. Es handelt sich doch hier bei dem, was wir wollen, um eine Selbstdarstellung. Wirtschaftliche und kulturelle Betätigung sind ganz verschiedene Dinge. Wir müssen einfach erreichen, daß das Bild von uns als Kulturnation, das lange Jahrhunderte in der Welt vorhanden war, wiederhergestellt wird. Es muß möglich gemacht werden, daß wir politisch nicht so falsch eingeschätzt werden, wie das auch in jüngster Zeit immer noch geschieht. Ich glaube, so sollten wir diese Aufgabe vor allem sehen. Wir machen es der Welt leichter, uns richtig zu sehen, wenn wir dafür sorgen, daß diese Bereiche streng voneinander getrennt sind und daß man also nicht hier Nützlichkeitserwägungen banalster Art in die Debatte einführt, wie das leider jüngst — ich muß mich hier auf Presseberichte verlassen etwa von einem deutschen Auslandsvertreter in Paris offensichtlich geschehen ist. Man kann das wohl eine Entgleisung nennen. Es wäre also sehr nützlich, wenn unsere Vertreter im Ausland, und zwar nicht nur die amtlichen, sich gründlicher mit diesen Zusammenhängen vertraut machten. Das ist der Grund, weshalb ich glaube, daß das hier anzuführen ist.Bei dieser Gelegenheit muß ich eine kleine Bemerkung und Richtigstellung vornehmen. Ich hatte vor wenigen Wochen bei einer Haushaltsdebatte die Deutsche Lufthansa attackiert, und zwar wegen der mangelnden deutschen Sprachkenntnisse im Büro in London. Nun scheine ich also hier einen Fall erwischt zu haben, der sozusagen einer von tausend ist; denn in einem etwas empörten Brief des Vorstandes der- Lufthansa wurde festgestellt, daß diese 23 Damen in London habe und 22 davon deutsch sprächen. Und die eine, die nicht deutsch spricht, sei ausgerechnet diejenige gewesen, die als erste im Büro war und mich morgens um 9 Uhr bedient hat. Das nennt man natürlich Pech für beide Seiten. Ich tue das gern, und ich hoffe, daß es wirklich diese berühmte Ausnahme gewesen ist. Man macht offensichtlich als Journalist gelegentlich solche Fänge, die einem dann natürlich für eine solche Debatte sehr gelegen kommen. Das soll also hier gern an dieser Stelle geschehen, weil es nun einmal im Protokoll dieses Hauses steht. Ich habe sehr dankbar die Versicherung des Vorstandes der Lufthansa zur Kenntnis genommen, daß gerade die Lufthansa sich außerordentlich bemüht, ,die deutsche Sprache im Ausland zu pflegen. Ich kann nur hoffen, daß ,die Realität dem entspricht. Wir werden ja hoffentlich noch Gelegenheit haben, das im einzelnen einmal festzustellen; denn zweifellos sind solche Unternehmen, die als Staatsunternehmen gelten und auch künftig gelten werden, wie immer die Kapitalverhältnisse sein sollten, für unsere kulturelle Repräsentanz ebenso wichtig wie manche amtlicheInstitution. Deshalb ist es auch unsere Pflicht als Bundestag, hier die Entwicklung durchaus kritisch zu beobachten.Nun etwas anderes, das man hier aber ebenfalls anfügen sollte, wenn man von einer wirkungsvollen kulturellen Repräsentanz im Ausland spricht. Ich bin dem Herrn Bundesaußenminister sehr dankbar dafür, daß er die Laufbahn nicht so streng trennen will, wie manche unserer Freunde es hier vorgeschlagen haben, nämlich sozusagen Fachleute für Kulturarbeit zu schaffen, die nichts mit der übrigen diplomatischen Arbeit zu tun hätten. Es wäre fatal, wenn man hier eine saubere Trennung auf die Dauer einführen wollte. Es wird notwendig sein, daß sich unsere Auslandsvertreter ganz allgemein mit kulturellen und geistespolitischen Fragen intensiv befaßt haben, so daß man hier auch einen ständigen Wechsel in den einzelnen Aufgaben vornehmen kann. Nur dann werden wir nämlich zu dem Gesamtbild kommen, das wir wünschen. Es wäre nicht in unserem Interesse, wenn etwa nur ein jeweiliges Mitglied eines Generalkonsulats oder einer Botschaft sozusagen für den Geist zuständig wäre, andere aber sich dafür nicht zuständig fühlten und sich auch nicht entsprechend in der Öffentlichkeit verhielten. Die Repräsentanz des Geisteslebens im Ausland ist eine allgemeine Aufgabe; das kann man nicht nach Referaten aufteilen. Hier muß doch von uns einmal die Frage gestellt werden, ob bei uns die Akzente in der kulturellen Arbeit im Ausland so ganz richtig gesetzt sind. Ich sage das deshalb, weil ich manchmal den Eindruck hatte, daß wir uns manchmal eher von dem Gedanken der Volksbildung her da draußen darstellen und repräsentieren und zu wenig aus dem Bereich der Wissenschaft.Das Problem des Wissenschaftsattachés ist hier von Frau Kollegin Geisendörfer vor Wochen dankenswerterweise angeführt worden. Ich halte den Wissenschaftsattaché nicht nur für ebenso oder beinahe ebenso wichtig wie den Kulturreferenten der Botschaft, sondern ich halte ihn für mindestens ebenso wichtig, ja in vielen Fällen für entscheidender für das, was wir wollen: nämlich diese Internationalität im Geistesleben herstellen. Denn in der Wissenschaft heute, in dieser starken internationalen Verflechtung der Wissenschaft ergeben sich ganz zwangsläufig Anknüpfungspunkte, die man nicht erst, wie auf anderen Gebieten, etwas mühsam hier, da und dort suchen muß. Deshalb, glaube ich, ist es eine wichtige Aufgabe des Auswärtigen Amts, die Möglichkeiten des Zusammenwirkens mit den Wissenschaftsorganisationen zu verbessern, damit wir derartige geeignete Personen als Wissenschaftsattachés für unsere Auslandstätigkeit bekommen. Es wird uns sehr viel mehr helfen, als große Geldmittel an der einen oder anderen Stelle je helfen könnten, wenn wir hier nichtige und umfassend gebildete und auch in der deutschen Wissenschaft kenntnisreiche Männer und Frauen dafür zur Verfügung haben, die also hier den persönlichen Kontakt, nicht über amtliche Stellen allein, herstellen, sondern die eben dafür sorgen, daß die bereits in den wissenschaftlichen Gesellschaften bestehenden Beziehungen durch amtliche Hilfe erleichtert und verbessert werden können.
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MoerschWas für die Wissenschaft gilt, gilt im Grunde genommen natürlich auch für alle übrigen Bereiche. Man wird sagen müssen, daß die Buchmesse in Frankfurt ein sehr viel wichtigeres Instrument kultureller Auslandsarbeit darstellt als sehr vieles andere, was wir eben sonst tun könnten. Aber es ist eben eine Institution, die durchaus der privaten Initiative zu verdanken ist und die privaten Charakter hat. Deswegen verdienen alle solche Bemühungen, die dazu führen, daß sich hier in Frankfurt einmal im Jahr Verleger und Schriftsteller aus der ganzen Welt treffen und damit auch von unseren Verhältnissen Kenntnis nehmen können, jede Unterstützung.Noch einmal: Der Rang und das Ansehen unserer Kultur und der Rang und das Ansehen unseres Geisteslebens im Ausland werden entschieden von dem, was im Inland möglich ist, was hier im Inland geschieht und was hier im Inland ist. Dabei sollten wir nicht vergessen, daß die Welt von uns neben den großen naturwissenschaftlichen Leistungen, die traditionell nun einmal bei uns geworden sind — ich denke hauptsächlich an das Gebiet der Physik —, erwartet, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland alles tun, um der Germanistik in unserem Lande den Rang zu geben, den sie verdient, den sie auch nötig hat. Wenn wir die deutsche Sprache im Ausland überhaupt richtig vertreten sehen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, daß die Germanistik, die germanistische Forschung, daß die Instrumente dieser Forschung hier im Lande vorhanden sind. Es wird deswegen unter allen Umständen wichtig sein, daß wir den Neubau der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nach Kräften unterstützen. Das ist keine Institution, die nur für uns hier in der Bundesrepublik Deutschland wichtig wäre; das ist eine Institution, die Weltrang besitzen muß und besitzen wird, wenn sie auch in ihren Beständen wieder so aufgebaut werden sollte und werden kann — was ich sehr hoffe —, wie sie einmal gewesen ist. Wenn wir hier ein solches Zentrum schaffen, haben wir auf die Dauer mehr davon als von vielen kleinen Aktionen, die sich im Grunde doch nur verzetteln und verkleckern.Das Zweite, was ich hier sozusagen lokalpatriotisch anführen darf, ist das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar. Auch hier haben wir — nachdem nun einmal der erste Entschluß gefaßt ist — Gelegenheit, zu zeigen, daß wir verstanden haben, welche weltweite Aufgabe ein solches zentrales deutsches Literaturarchiv für die Germanistik hat und damit einen Anreiz für die Germanisten in der ganzen Welt bieten kann, zu uns zu kommen und hier zu arbeiten, und daß wir nicht mehr so häufig wie bisher gezwungen sind, unsere jungen Germanisten mit Stipendien ins Ausland zu schicken, weil dort eben mehr Forschungsmaterial, mehr Nachlässe, mehr Autographen und ähnliches liegen als bei uns im Inland. Das wird sicherlich Geld kosten; aber ich meine, diese Mittel sind gut angelegt. Sie sind besser angelegt als eine fast uferlose Ausdehnung kleiner Einrichtungen, deren Effekt doch manchmal — Herr Kollege Kahn-Ackermann hat das hier aus genauer Kenntnis der Dinge schon angeführt — sich nicht in dem richtigen Verhältnis zu dem Aufwand bewegen kann. Wir müssen also auch hier den Mut haben, Schwerpunkte zu schaffen und mit dem Geld, das wir haben und zur Verfügung stellen können, das Richtige zu tun. Wir müssen auf diese Weise demonstrieren — ich möchte nicht gerade das Wort von der formierten Gesellschaft hier zitieren; das wäre sicher fehl am Platze —, daß wir eine weltoffene Gesellschaft sind und daß wir den Willen haben, eine Kulturnation zu bleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat an sich einen anderen Verlauf genommen, als wir ihn ihr geben wollten.
— Ja, ich werde es gleich begründen. Unsere Anfrage lief darauf hinaus, eine Sachdebatte über Schulen zu führen. Dann hat die SPD drei Anträge nachgeschoben, und nun hat Herr Kahn-Ackermann auch diese Anträge nicht begründet, sondern generell über auswärtige Kulturpolitik gesprochen. Ich möchte das zunächst einmal feststellen; das ist die Lage, in der wir uns befinden, und deshalb hat die Diskussion einige Schwierigkeiten in sich. Vermutlich ist auch die Sternstunde deshalb nicht gekommen. Ich glaube aber, daß es meine Pflicht ist, doch noch darauf einzugehen; denn Herr Merten hat seinerseits gesagt, man müsse klare Ziele und klare Konzeptionen haben.Herr Kahn-Ackermann, um darauf gleich einzugehen: Ich bin gegenüber subjektiven Erfahrungen, einzelnen Erlebnissen und zufälligen Begegnungen außerordentlich skeptisch. Es kann Ihnen so gehen wie Herrn Moersch, daß Sie genau die falsche Dame treffen und die falsche Auskunft bekommen. Ich bin auch nicht davon überzeugt, daß man auf diese Weise ein angemessenes Bild von der deutschen Kulturpolitik im Ausland bekommt. Über vieles kann man streiten; vielleicht läßt sich einiges sogar verifizieren. Aber ich glaube, so kommt man mit der Sache nicht zurecht.Ich denke, wir müssen jetzt bei diesem Stand der Debatte einmal versuchen, die wichtigen Dinge herauszustellen und zu sagen, um was es geht. Ich glaube, in diesem Jahr ist zuerst einmal zu sagen, daß wir uns vor einer Art Wendung in der Außenkulturpolitik befinden, oder wenn Sie so wollen: Der Abgang von Dieter Sattler markiert das Ende einer Ara. Diese Ara ist gekennzeichnet durch einen ganz rapiden Aufbau der auswärtigen Kulturpolitik, den man sich einmal vergegenwärtigen muß.Es ist schwer, das an Zahlen zu tun. Am plastischsten wird es, wenn man sich konkrete Dinge vornimmt. Im Jahre 1958 hatte das Goethe-Institut einen Finanzaufwand von 1,8 Millionen DM, heute einen solchen von 38 Millionen DM. Im Jahre 1958 verfügte das Goethe-Institut über 12 Institute im
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2404 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. MartinAusland, heute über 112. Wenn man sich diese finanzielle, ideenmäßige, institutionelle und organisatorische Entwicklung ansieht, bekommt man einen Eindruck von dem politischen Impetus, der dahinter steht, und auch von dem Idealismus der Mitarbeiter, Beamten und Abgeordneten, die das Ganze zuwege gebracht haben. Ich glaube, das muß man einmal sagen, um die gegenwärtige Stunde richtig zu beurteilen.
Wir haben auch in diesem Jahr, wie Sie wissen, die Mittel für die auswärtige Kulturpolitik bedeutend erhöht. Man muß hier erst einmal von der Finanzierung ausgehen. Wir sind von etwa 170 auf 212 Millionen DM geraten. Man muß nun einmal überlegen, wie das weitergehen soll. Der naheliegende Vergleich ist der mit den Franzosen. Die Franzosen geben heute 400 Millionen DM für diesen Zweck aus.
— Die technische Hilfe eingeschlossen, aber hinzu kommen noch Verpflichtungen aus der Kolonialzeit. Aber sei dem, wie ihm sei, wir müssen uns Klarheit darüber verschaffen, was wir definitiv und endgültig wollen. Wir müssen einen klaren Prozentsatz der Ausgaben festlegen, damit die Dinge eine endgültige Gestalt bekommen.Dabei wird man davon ausgehen müssen, daß die Kulturpolitik im Ausland für die Bundesrepublik wahrscheinlich eine größere Bedeutung hat als für andere Länder. Es gibt viele Dinge, in denen wir nicht frei sind. In der auswärtigen Kulturpolitik sind wir in der Gestaltung, im Aufwand, in den Ideen völlig frei. Sie ist eine der wirklich guten operativen Basen, die man in der auswärtigen Politik hat.Wenn man an die Teilung unseres Landes denkt, an die Zerstörung des Deutschlandbildes — das ist schon zitiert worden —, an die stereotypen Vorstellungen in Ost und West von unserem Land und Volk und wenn man die psychologischen Voraussetzungen für die Außenpolitik intakt halten will, dann wird man sagen müssen: Wir müssen auf diesem Gebiet quantitativ und qualitativ mehr tun, als andere Länder mit gesicherter geschichtlicher Tradition, mit dem entsprechenden Ansehen für sich tun müssen.Es ist schwer, da etwas vorauszusagen. Aber ich würde annehmen — erschrecken Sie bitte nicht —, daß wir wahrscheinlich endgültig das Doppelte von dem brauchen, was wir jetzt haben. Als wir das vor zwei Jahren sagten, waren die Leute auch erschrocken. Heute haben wir mehr, als wir damals vorausgesagt haben. Ich denke, wir müssen uns an diesen Gedanken gewöhnen und sollten mit unseren Freunden und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß die entsprechende Klarheit zu schaffen versuchen.
— Wer war das?
— Bei Wahlkämpfen ganz besonders werde ich darauf hinweisen, daß wir nicht nur das Wirtschaftswunder, sondern auch noch andere nützliche und gute Dinge zuwege gebracht haben, Herr Blachstein, das werde ich mir doch nicht nehmen lassen. Wo denken Sie denn hin! — Ich teile die Meinung: die deutsche Sprache die Grundlage unserer Bemühungen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2405
Dr. MartinIch würde als zweiten Schwerpunkt sagen — und das ist neu auch in diesem Haushaltsplan —, daß nun der europäische Osten einschließlich der Sowjetunion seit etwa zwei Jahren konkret in den Blickpunkt der auswärtigen Kulturpolitik geraten ist. Man kann vereinfachend vielleicht etwa so sagen: die deutsche Wirtschaftspolitik gegenüber der EWG und die deutsche Verteidigungspolitik sehen aus, als ob sich alles nach Westen orientierte. Aber in der Tat ist es selbstverständlich so, daß wir damit die Voraussetzungen für ein Gespräch mit denen schaffen wollen, die die Zulassungsmächte für die großen deutschen Fragen sind, wie die Sowjetunion, und dann auch mit den osteuropäischen Staaten. So wie die Dinge jetzt liegen, ist das Eingehen in das kulturpolitische Feld die Operationsmöglichkeit, die wir haben. Die muß genutzt werden, in allen diesen Ländern gleichsinnig und mit großem Nachdruck. Und hier ist auch der Spezialfall „deutsche Sprache" gleich zu sehen. Es ist ein Gebiet, in dem wir einen Grundbestand deutscher Sprache haben; aber wir müssen ihn pflegen, schützen, entwickeln und dazu alle Möglichkeiten ins Spiel bringen, ob das das Fernsehen, die Rundfunkanstalten sind, ob das der Austausch von Büchern ist oder ob das das Gästeprogramm ist. Meine Damen und Herren, viele wissen nicht, wie groß die Bewegung ist, und zwar nach beiden Seiten hin. Es ist nicht so, als ob wir allein das Bedürfnis hätten, nach Osteuropa zu gehen, sondern die Gesetzmäßigkeiten der modernen Gesellschaft, denen sich auch kommunistische Gesellschaften nicht entziehen können, die Tatsache der Verwissenschaftlichung der Gesellschaften zwingt die Völker zum Kulturverkehr in steigendem Maße.Wir haben im Jahre 1965 vom 1. Januar bis 31. März 2500 Kulturpersonen gehabt, die aus den osteuropäischen Staaten in die Bundesrepublik eingereist sind, und es sind inzwischen sehr viel mehr geworden. Der Austausch von Wissenschaftlern ist ständig im Steigen.Ich glaube, daß das der eigentliche Schwerpunkt ist, den wir in den nächsten Jahren setzen müssen. Ich will das hier nicht begründen, will nicht auf die außenpolitischen Aspekte eingehen und vermeide es auch, die Details zu erörtern. Gegenüber den kommunistischen Staaten bedarf es großer Klugheit und auch Wendigkeit; denn auch in der Kulturpolitik geht es darum, die eigenen Positionen zu untermauern, zu halten, nach vorn zu schieben. Es gibt da Dinge, die zu diskutieren wären, die aber vielleicht zu gewichtig sind, um sie hier im einzelnen zu diskutieren. Ich würde meinen, daß der Bundestag hinsichtlich beider Ziele: deutsche Sprache und Kulturpolitik in Osteuropa, der Bundesregierung und den Beamten der Abteilung IV den Rücken stärken und zur Kenntnis nehmen sollte, daß das die übereinstimmende Meinung, glaube ich, in den einschlägigen Ausschüssen gewesen ist und daß von da her auch die entsprechenden Richtlinien abzuleiten sind.Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß sehr viel mehr dazu zu sagen ist. Man kann über unendlich viele Details sprechen; aber Details haben natürlich auch die Tücke, daß sie einen verwirren können. Der Bundestag muß einige Dinge mit Klarheit sehen, muß einige große Linien ziehen. Das ist, glaube ich, erstens, daß kulturelle Außenpolitik heute eine lebenswichtige Funktion hat. Bismarck hatte für seine große Politik eigentlich nur zwei Instrumente: er hatte die Kunst der Diplomatie und die militärische Macht. Im 20. Jahrhundert sind zu diesen zwei Dimensionen die Wirtschaftskraft eines Landes und die kulturelle Ausstrahlung hinzugekommen. Das sind heute die vier Dimensionen, die in der Außenpolitik möglich sind, das ist das unentbehrliche Instrumentarium. In unserer Lage ist es so, daß die wirtschaftliche Leistung und die kulturelle Ausstrahlung die eigentlich autonomen Gebiete sind, nämlich diejenigen, die uns im echten Sinne zur Disposition stehen, um die deutsche Situation in der Welt zu unterstreichen, zu stützen und zu bessern. Das sollte der Bundestag klipp und klar sagen, und daraus sollte er die finanziellen und die organisatorischen Konsequenzen ziehen. Das ist, glaube ich, das wichtigste, was hier zu tun ist. Ich würde nicht so sehr in die Einzelheiten gehen. Es ist mir ein Anliegen, auch nach dieser Diskussion ein Stück Vertrauen zur Bürokratie — das wird Sie verwundern, aber das ist gar nicht kulturwidrig, Herr Kollege Moersch — zum Ausdruck zu bringen.Ich habe mich in den letzten Wochen sehr mit den Einzelvorgängen der letzten zwölf Jahre beschäftigt.
— „Hört! Hört!", sagt Herr Wehner. Es war meine Pflicht, es war Pflichtlektüre. Ich weiß, Sie sind viel fleißiger als ich, Herr Wehner. Lassen Sie mich aber jetzt fortfahren. Ich habe daraus doch ersehen, welche immense Arbeit und wieviele Überlegungen dahinterstecken, und ich glaube, es ist ein wenig unsere Pflicht, das hier auch zu sagen. Wir sind alle des Irrtums fähig, und der Fleiß ist eine variable Größe, das ist sicher; aber ich glaube, in der Summe ist hier eine Arbeit geleistet worden, von der man sagen muß, daß sie Anerkennung verdient. Diese Apparatur, diese Ausstrahlung ist seit 1955 ex nihilo geschaffen worden, während die Franzosen und die Engländer über fest eingefahrene Traditionen und Testgefügte Apparaturen verfügen. Ich möchte deshalb meine kurze Intervention schließen mit einem Dank an alle, die in der Regierung, in den Organisationen und im Deutschen Bundestag den jetzigen Stand der deutschen Kulturpolitik im Ausland herbeigeführt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schulz .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die psychologische Situation dieses Hauses scheint mir, wenn ich sie recht analysiere, dahin zu tendieren, jedem, der hier noch ,auf die Tribüne steigt und zu diesem Thema sprechen will, ein unüberhörbares „Mach's kurz!" zuzurufen. Ich will mich daran halten.
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2406 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. Schulz
Ich will darum den größten Teil der Stichworte, die ich mir aufgeschrieben halbe, zwar nicht etwa in der Versenkung verschwinden lassen, aber doch symbolisch in die Ausschußschublade tun. Der Ausschuß wird ja die Anträge, die hier zur Debatte stehen, weiter beraten.Zunächst darf ich aber doch das Gedächtnis des Herrn Kollegen Martin ein wenig auffrischen, nämlich in der Frage, wer nachgeschoben hat. Der Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache V/435 betr. deutsche Auslandschulen trägt das Datum vom 15. März 1966. Die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP betr. auswärtige Kulturpolitik und auslandsdeutsche Schulen stammt vom 16. März 1966. Wenn es also nach der Chronologie geht, Herr Kollege Martin, haben die Koalitionsfraktionen den ersten Nachschub getan und nicht die SPD.
Wenn schließlich aus der Großen Anfrage der CDU und den beiden ersten Anträgen der SPD, die das Schulwesen betreffen, ein Antrag zur auswärtigen Kulturarbeit allgemein geworden ist, so zeigt das nur, welche Bedeutung wir dieser Arbeit beimessen.Deutsche Kulturarbeit im Ausland, die hier in erster Linie zur Diskussion steht, ist nicht nur ein enorm wichtiges Politikum für unser ganzes Volk. Hier möchte ich, Herr Kollege Martin, einen Dank für eine Großtat des Deutschen Bundestages anschließen. Ich darf daran erinnern, daß allein die Mittel, die im Ressort des Auswärtigen Amts für den Zweck der kulturellen Auslandsarbeit verplant werden, innerhalb von 14 Jahren sprunghaft gewachsen sind. Hier hat der Gesetzgeber ohne Zweifel ein großes Maß an Aufgeschlossenheit, Großzügigkeit und Bereitwilligkeit gezeigt. Vielleicht liegt das auch ein bißchen mit daran, daß es sich bei der auswärtigen Kulturarbeit um ein Thema handelt, dem eine traditionelle Dignität innewohnt. Niemand möchte gern in den Verruf kommen, daß er sich gerade hier verständnislos und kleinkariert gezeigt hat.Aber wenn das so ist, dann hat dieses Haus auch ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie diese stattlichen Mittel im ganzen ausgegeben worden sind, wo es zu Fehlinvestitionen gekommen ist und wo es noch eine ganze Reihe von ungenutzten Möglichkeiten gibt, von denen Gebrauch zu machen für unseren internationalen Status und unser internationales Prestige unter Umständen sehr nützlich sein kann.Insofern kann ich nur sagen, daß uns Sozialdemokraten die etwas summarische Antwort des Herrn Außenministers auf unseren Antrag in keiner Weise befriedigt hat.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2407
— Es ist nicht der Augenblick, Herr Erler.
Bitte sehr, Herr Lohmar!
Herr Kollege Schulze-Vorberg, wollen Sie damit andeuten, daß von der Sternstunde von gestern heute nur noch eine Sternschnuppe übriggeblieben ist?
Ein hübsches Wortspiel! — An sich wollte ich mich an eine große Debatte in diesem Hause über auswärtige Kulturarbeit erinnern, und zwar war es, wenn ich mich recht erinnere, am 11. Dezember 1963. Da sprach — und ich darf das als ein gutes Zeichen bei meiner ersten Rede bemerken, daß Sie, Herr Präsident, jetzt präsidieren — der Professor Carlo Schmid. Das war eine große Rede vor dem Bundestag über deutsche Kulturarbeit im Ausland. Heute können wir, glaube ich, allein, so wie wir hier sitzen, diese große Stunde nicht erwarten. Ich habe mich eben in diesem Saal umgesehen: Die Pressetribüne ist heute leer.
— Ich weiß nur eins, Herr Schäfer, daß man von der Pressetribüne in den Saal hinuntersieht. Das habe ich 15 Jahre lang gemerkt. Seit einigen Tagen weiß ich nun, daß man aus diesem Saal auf die Pressetribüne heraufschaut.
— Als Erlebnis jedenfalls nicht. Heute liegt also dieser doch verhältnismäßig leere Saal vor mir. Die Fraktionsvorstände sind bei der SPD immer — würde ich sagen -- einigermaßen regelmäßig vertreten. Bei uns, wenn ich das sagen darf, haben sie im Augenblick außerordentlich Wichtiges zu tun.
Sie sind heute nicht da.,
Das wäre aber vielleicht nicht ganz so schlimm. Sicher, die haben sehr viel zu tun. Ich weiß, was ein einzelner Abgeordneter zu tun hat; ich weiß, was ein Vorstandsmitglied zu tun hat. Aber jetzt sehe ich mir die Bundesratsbank an und denke dabei an den Anspruch der Länder auf die Kulturpolitik: Auf der Bundesratsbank kein Minister,
kein Staatssekretär, keiner von den Bevollmächtigten der Länder, keiner von denen, die die Kultusministerien hier in Bonn vertreten, nicht ein einziger, wenn ich richtig sehe.
Das ist doch ein Fall, über den man einmal nachgrübeln sollte.In diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß ich Föderalist bin —
— das werde ich bleiben —, und ich bin überzeugt, daß die Dinge gut geordnet werden sollen. Aber ich glaube, es ist nicht so, es kann nicht so sein, daß, weil einmal etwas so geregelt wurde, unter besonderen Umständen womöglich, das für alle Zeiten so bleiben muß. Der Bund muß und sollte nach unserem Willen heute Zuständigkeiten nach oben abgeben. Ich bin auch der Meinung, er kann manche vielleicht nach unten abgeben. Wir sollten die Dinge vernünf-
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2408 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. Schulze-Vorbergtig regeln. Das ist immer der oberste Gesichtspunkt. Ich glaube, daß in bezug auf die Auslandskulturarbeit das eine oder andere vernünftiger geregelt werden könnte. Unter anderem scheint mir z. B., daß die Vielzahl der Organisationen, die sich mit dieser Frage befassen, die Dinge nicht erleichtern, sondern erschweren. Ich habe manchmal den Eindruck, wer sich einen frommen Namen gibt, einen Namen mit Wissenschaft — fromm ist falsch — oder mit Europa oder irgendwie einen hochtrabenden Namen, der einschlägig paßt, wird auch irgendwo bald Geld dafür finden. Das sollte nicht sein, das darf nach meiner Meinung nicht sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus meiner Journalistenzeit ein Erlebnis erzählen; das war von einem Jahr. Ich war in Bandung auf einer Konferenz junger Afroasiaten und vorher in Lahore, auch auf einer Konferenz junger Wissenschaftler. Was ich da erlebt habe, Menschen, die in Berkeley oder Georgetown oder auch in Heidelberg oder München studiert hatten, sprühten vor Haß — das ist nicht übertrieben, sie sprühten vor Haß — vor allem gegen Amerika — Vietnam spielte dabei sicher eine entscheidende Rolle, aber es war nicht das einzige — und auch gegen Europa. Das war ein für mich schreckliches Erlebnis. Ich habe mir das nie so fürchterlich vorstellen können, daß es soviel Haß bei jungen Wissenschaftlern gibt, und dann diesen Haß gegen die Länder, die ihnen die Möglichkeit gegeben hatten zu studieren. Dann überlegt man natürlich: Sollten wir Kulturarbeit dieser Art in dieser Form weitertreiben? Müssen wir daraus nicht gewisse Korrekturen ableiten? Zu welchem Zweck soll diese Arbeit führen? Welche Ergebnisse soll sie haben? Doch sicher nicht das Ergebnis, Haß zu schüren, vor allen Dingen auch nicht Haß gegen uns. Aber überhaupt nicht Haß zwischen Völkern. Die jungen Wissenschaftler, die zu uns kommen — oft sind es keine Wissenschaftler, oft sind es Studenten in den ersten Semestern, oft sind es noch sehr ungefestigte Menschen —, werden aus völlig anderen Umständen und völlig anderen Zuständen herausgerissen und hier in Verhältnisse hineingezwängt, mit denen sie kaum fertig werden können. Es war für mich interessant, daß in unserem Kulturpolitischen Ausschuß dieser Tage ein maßgebender Mann der deutschen Kulturarbeit einer dieser Organisationen von einem Schock sprach, dem jeder ausgesetzt sei, der hier zu uns kommt, und von einem weiteren noch schlimmeren Schock, wenn er dann nach ein oder zwei Jahren von uns entlassen in seine Heimat zurückkehrt. Ich glaube, diese Schocktherapie sollte nicht der Sinn unserer Kulturarbeit im Ausland sein.Darf ich das als einen Gedanken sagen. Er ist nicht neu; aber ich glaube, hier von der Tribüne des Hohen Hauses sollte er einmal ausgesprochen werden. Mir scheint, daß wir nach einem strengen Auswahlsystem vorgehen sollten nach den Erfahrungen, die gesammelt worden sind und die nicht einfach immer wieder untergehen dürfen. Manchmal hat man -den Eindruck, daß sämtliche bösen Erfahrungen immer neu gemacht werden. Man sollte zunächst einmal die Erfahrungen sammeln und dann Men-schen auswählen, die vielleicht in ihrer eigenen Heimat schon bewiesen haben, daß sie zu wissenschaftlichen Leistungen fähig sind. Nur solche Menschen sollte man zu uns holen, während Studenten womöglich in ihrer eigenen Heimat zunächst einmal ausgebildet werden sollten.Ich bin der Meinung, daß man auch die jungen Arbeiter, Handwerker, Handelsgehilfen holen sollte, aber doch immer nur dann, wenn sie eine Ausbildung hinter sich haben, wenn die Voraussetzung erfüllt ist, die vorhin schon einmal, glaube ich, als selbstverständlich angesprochen wurde, nämlich die Beherrschung der deutschen Sprache. Dieser Unterricht kann in den Heimatländern erfolgen, und es geschieht ja oft. Ich glaube, wir würden manche Fehlentscheidung vermeiden, wenn wir grundsätzlich nur die Leute zu uns holten, die vorher in deutschen Instituten in Zusammenarbeit mit unseren Institutionen bewiesen haben, daß sie für die ihnen zugedachte Aufgabe, für die ihnen hier bei uns zugedachte Ausbildung geeignet sind.Dann ein Gedanke, den ich als ein Mann, der viel mit Rundfunk zu tun hatte und vielleicht noch zu tun hat, nicht loswerde: wir schicken sehr viele Tonbänder ins Ausland. Das geht zum Teil über das Auswärtige Amt, zum Teil über das Presseamt, zum Teil über andere Institutionen. Meine Meinung — Herr Minister, wenn ich das einmal sagen darf — ist, daß diese geschenkten Bänder, die ja große Werte darstellen, oft draußen verschludert werden. Es ist ganz klar: man redet davon, daß die Bänder immer stärker angefordert werden, und nimmt das als einen Beweis dafür, welch ungeheures Ansehen sie genießen. Ich kann nur sagen, daß ich mich darüber wundere, daß nicht viel mehr Bänder angefordert werden. Letzten Endes stellt jedes Tonband ja einen Wert von etwa 20 DM dar. Warum verlangen diese kleinen Stationen draußen statt 10 nicht 100 Bänder? Dann hätten sie ja viel mehr davon. Daß diese Bänder dann so gesendet werden, wie wir sie schicken, daran habe ich gewisse Zweifel. Oft sollte man allerdings froh sein, daß sie nicht so gesendet werden, wenn z. B., wie es oft vorgekommen ist, ungeeignete Sprecher genommen werden. In Ägypten hat man z. B. Sendungen ausgestrahlt, deren Sprecher tunesisches Arabisch sprachen, usw. Solche Fehler kann man vermeiden. Sie werden zum Teil sicher abgestellt. Ich würde es prinzipiell für richtig halten, Gegenleistungen zu erwarten. Es muß nicht der volle Gegenwert sein; aber eine Gegenleistung sollte man erwarten. Eine Gegenleistung sollten wir auch von all denen erwarten, die zu uns kommen, auch hier nicht immer materieller Art, sondern vielleicht geistiger, vielleicht wissenschaftlicher Art. Aber ich weiß nicht, ob das, was man einfach verschenkt, so gut ist.Dann noch vielleicht ein Gedanke, den ich zu dieser Debatte beitragen darf. Es scheint mir, daß all die Menschen, die ohnehin zu uns kommen, in der kulturellen Beziehung zum Ausland ganz wichtig sind. Sie hier anzunehmen, aufzunehmen, mit ihnen zu sprechen, Kontakte zu haben, das ist, glaube ich, etwas ganz Wesentliches. Wir haben z. B. das Problem unserer Gastarbeiter. Millionen solcher Gast-
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Dr. Schulze-Vorbergarbeiter haben wir hier. Kümmern wir uns wirklich so darum, wie wir es tun sollten? Im Grunde genommen ist jeder von ihnen so gut oder so schlecht wie einer jener jungen Arbeiter, die wir mit viel Geld hierher holen und hier ausbilden lassen. Viele Gastarbeiter können hervorragende Botschafter für uns sein, für das Leben in dieser Bundesrepublik, für die Ordnung, die wir haben, die wir uns aufgebaut haben, alle miteinander. Ich glaube, wir tun zu wenig. Das ist ein Eindruck, den ich einfach nicht loswerden kann.In dieser ganzen Kulturarbeit ist das Geld sicher wichtig. Aber zu viel Geld — und ich darf auf das, was ich vorhin von meinen Eindrücken in Lahore gesagt habe, hinweisen — zerstört eher die Dinge, als daß es hilft. Ich würde sagen, das Geld ist nur insofern' vertretbar und richtig, als es menschlich verkraftet werden kann, als Menschen dahinterstehen, die dieses Geld auch sinnvoll ausgeben, die bereit sind, sich mit ihrer Persönlichkeit einzusetzen. Darum kann ich nichts anderes tun, als hier vor allen Dingen den Damen und Herren, die ich zum Teil erst gestern kennengelernt habe — z. B. vom Goethe-Institut — für die Arbeit herzlich zu danken, die sie draußen unter sehr schwierigen Verhältnissen leisten. Wir müssen vielmehr junge Männer und Frauen finden, die diese Arbeit im Ausland temporär — für einige Jahre vielleicht — betreiben, wir müßten immer mehr Künstler, Wissenschaftler und Studenten dafür finden.
— Ich glaube, Herr Schäfer, das Ganze müßte noch breiter aufgefächert werden, und ich meine auch, daß sich das Auswärtige Amt hinsichtlich der Aufnahme von Außenseitern nicht so sehr zieren sollte. Wenn ich richtig sehe, hat das Auswärtige Amt mit Außenseitern ganz hervorragende Griffe gemacht. Das geht bis zum Staatssekretär hinauf. Es sind nicht nur die Leute in den Presseabteilungen und in den Kulturabteilungen draußen sondern auch in der Zentrale hat man ganz hervorragende Außenseiter, was gewiß nichts gegen die Karrierediplomaten sagt. Es scheint mir aber nützlich zu sein, diese gerade in der Kulturarbeit durch hervorragende Außenseiter zu ergänzen.Ein Schlußwort! Wir Deutschen haben in der Welt — wir haben das neulich im Kulturpolitischen Ausschuß in einem Bericht gehört — nicht nur Freunde; ganz im Gegenteil, wir haben viele, viele Stimmen gegen uns. Die Kulturarbeit zu nutzen, um ein gutes, günstiges und richtiges Bild von uns darzustellen, ist, glaube ich, unsere gemeinsame Aufgabe, und wir sollten uns dieser Aufgabe auch in der Erkenntnis annehmen, die Hans Freyer einmal ausgesprochen hat; und Hans Freyer wird oft von Kurt-Georg Kiesinger zitiert, an den ich auch einmal erinnern möchte. Und wenn ich mit Carlo Schmid angefangen habe, so möchte ich ganz bewußt mit Kiesinger aufhören.
— Nein, aber mit Rücksicht darauf, daß Kiesingerein Mann ist, der uns hier in diesem Hause großeStunden geschenkt hat. Das ist das eine, und das zweite ist, daß ich froh bin, daß ein solcher Mann auf der kulturellen Seite unserer Politik jetzt eine deutsche Aufgabe übernommen hat; darüber bin ich sehr froh. Hans Freyer hat in seinen Büchern immer wieder das Wort zitiert: „Europa hat die Welt auf dem Gewissen". Ich glaube, daraus erwachsen für uns alle Verpflichtungen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellige.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer als achter oder neunter Redner dieses Podium besteigt, der leidet unter allen möglichen Belastungen. Ich höre noch im linken Ohr die Mahnung meines Kollegen Dr. Schulz aus Berlin, es kurz zu machen, und im rechten Ohr das Wort meines Freundes aus dem Nachbarhaus, Berthold Martin, doch zum eigentlichen Thema zurückzukommen, nämlich zu den Auslandsschulen. Sie werden also Verständnis dafür haben, daß ich darauf verzichte, eine neunte Theorie der Auslandskulturarbeit hier darzulegen, sondern mich der Aufgabe widme, die, wie ich glaube, in einer solchen Debatte nicht übersehen werden darf: die Antwort des Ministers zu überprüfen, hier zu mahnen, dort zu fördern, dort vielleicht zu kritisieren.Man darf zunächst unterstreichen, daß in der Auslandskulturarbeit im letzten Jahrzehnt sehr, sehr viel geleistet worden ist. Wir standen mit den Auslandsschulen am Schluß des Krieges nahezu vor einem Nichts. Inzwischen haben wir wieder 160 größere Auslandsschulen, 240 werden von uns unterstützt. Es ist eine erhebliche Aufbauleistung erfolgt, und ich teile die Ansicht meines FreundesBerthold Martin, daß man die Mittel verdoppeln sollte. Ich habe das ja während seiner Rede auf die kürzeste Art und Weise zum Ausdruck gebracht.Diese Debatte hätte eigentlich früher stattfinden sollen. So war es wohl auch geplant, und ich meine, das wäre eine nette Gelegenheit gewesen, den heute so oft zitierten Herrn Dr. Sattler auf gebührende Weise in diesem Hause „abzufeiern". Das ist nun leider nicht gelungen.
— Aber gern, mein Teurer, wollen wir gemeinsam nach Rom wallfahrten, um mit ihm zu feiern? Ich bin jederzeit dazu bereit.Als das Hohe Haus im Dezember 1963 zum letztenmal die auswärtige Kulturpolitik diskutierte, waren die Stellung der Lehrer und die Organisation des Auslandsschulwesens noch gänzlich im dunkeln. Inzwischen haben das Auswärtige Amt und die Kultusministerkonferenz in einer, wie ich glaube, recht fruchtvollen Zusammenarbeit eine Reihe von Einverständnissen erzielt, die hier erwähnt werden sollten. Sie sind im Februar 1965 der Öffentlichkeit übergeben worden. Nach diesen Übereinstimmungen ist das Auswärtige Amt für die deutschen Schulen im Ausland zuständig. Sie wissen, daß das jahrzehntelang strittig war. Kultusministerkonferenz
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2410 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. Helligeund Auswärtiges Amt wirken in der Förderung der Auslandsschulen zusammen. Die Kultusministerkonferenz hat dabei die Aufgabe der Anerkennung einer deutschen Schule im Ausland als „Deutsche Auslandsschule" und die Aufgabe der Beurteilung der Lehrpläne übernommen.Herr Minister, ich hoffe, daß die Beurteilung der Lehrpläne, die sehr, sehr schwierig ist, da von Land zu Land sehr verschiedene und sehr häufig wechselnde Auflagen der örtlichen Kultusverwaltungen gegeben werden, nicht allzu streng gefaßt wird.Zum dritten hat die Kultusministerkonferenz das Recht zur Verleihung von Prüfungsberechtigungen erhalten. Dabei wird oft die Frage gestellt, warum so wenige von unseren Auslandsschulen das deutsche Abitur geben können. Ich habe bei meiner Reise, die ich mit einigen Kollegen dieses Hohen Hauses unternommen habe, immer wieder die Erfahrung gemacht, daß das deutsche Abitur nicht so begehrt ist, wie man es bei uns meint. Es wird eigentlich nur von den Bundesbürgern verlangt. Den übrigen genügt ihr Schulabschluß nach den einheimischen Vorschriften.Die deutsche Auslandsschule — so will es diese Abmachung — muß von innerdeutschen Bildungszielen bestimmt werden. Ihre Lehrpläne müssen den Anforderungen angeglichen sein, die an inländische Schulen gestellt werden. Auch diese Erklärung, meine Damen und Herren, hat theoretischen Charakter.Wir leben mit den Auslandsschulen in vielen Gebieten der Welt eigentlich nur davon, daß die Verlangen der betreffenden Kultusverwaltungen sehr großzügig interpretiert werden. In vielen Ländern ist man recht unbürokratisch gesinnt, und von Amigo zu Amigo lassen sich oft Lösungen finden, die mit den Vorschriften nicht ganz übereinstimmen.In stets wachsendem Maße verlangen die Kultusbehörden aller Länder, daß ihre eigenen Lehrpläne zugrunde gelegt werden.Nun hat der Kollege Huys — er hat so schnellgesprochen, daß ich eigentlich nicht recht mithören konnte, aber ich habe mich hinterher bei ihm erkundigt — gemeint, wir sollten die deutschen Schulen dort, wo eine genügende Berücksichtigung der deutschen Lehrpläne nicht erfolgen könne, zusammenlegen und vereinfachen. Ich habe dagegen einige Bedenken anzumelden. Der Beweis für die Existenzberechtigung einer Schule ist immer dann gegeben, wenn ihr Schulverein erhebliche Opfer bringt, wenn also wirklich der Wille dokumentiert wird, mit diesem letzten Mittel der Verbindung zur Heimat nicht zu brechen, sondern es sich zu erhalten. Wenn das getan wird, dann sollten auch wir alles, was in unserer Macht steht, tun, damit solche Schulen erhalten bleiben. Das gilt ganz besonders für die von Ihnen zitierten Schulen in Chile.Bedenken Sie dabei das eine: Die einzige deutsche Schule in Nordamerika, die in Washington, kostet uns erheblich mehr Geld als alle 35 Schulen, die in Chile existieren und die zum erheblichen Teil von den Schulvereinen, d. h. von den Bürgern des Landes selbst getragen werden. Dorthin gehört unsereUnterstützung, dorthin gehört unsere gesamte Sympathie.Sehr bedeutsam für die weitere Arbeit der deutschen Auslandsschulen sind die Abmachungen, die über die rechtliche Behandlung der Auslandslehrer getroffen worden sind. Ihre Stellung ist lange Zeit recht kompliziert gewesen. Sie sind auf der einen Seite Landesbeamte. Sie sind mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Stelle durch den Bund an einen Schulverein vermittelt worden. Der Schulverein ist nun sozusagen ihr Dienstvorgesetzter. Sie haben dort die Stellung eines Angestellten.Diese Schulvereine — wer sie besucht hat, weiß es — haben oft eine außerordentlich heterogene Zusammensetzung. Da sind die Nachkommen alter 48er, die damals das Vaterland aus politischen Gründen verlassen mußten und die Deutschland heute noch aus der Perspektive des Liberalismus des vorigen Jahrhunderts sehen. Da gibt es Auswanderer aus der Zeit vor 1914, die sich eigentlich noch nicht ganz von Wilhelm I. oder Wilhelm IL getrennt haben. Da gibt es Auswanderer aus der Hitlerzeit. Ich kenne einen solchen Schulverein, dessen Vorsitzender sehr nahe mit dem seligen Dr. Goebbels verwandt war. Ich könnte mir denken, daß dessen Vorstellungen von einer deutschen Schule sehr von denen der alten 48er divergieren. Das Deutschlandbild ist im Ausland in der Tat sehr problematisch. Wir erleben es dort als einen Spiegel der Wege und Abwege unserer Geschichte im ganzen letzten Jahrhundert.Mit all diesen Kräften hat sich der Schulleiter auseinanderzusetzen. Dazu kommen die Schwierigkeiten, die sich aus den Differenzen mit den örtlichen Schulbehörden ergeben. Es gehört sehr viel diplomatisches Geschick dazu, eine Auslandsschule zu leiten. Bei Differenzen ist es oft schwierig, die Hilfe des zuständigen Konsuls oder Botschafters zu erhalten; denn selbstverständlich sehen Konsul und Botschafter nicht in erster Linie in der Austragung von Differenzen mit dem Gastland ihre Aufgabe. Daher braucht der Lehrer im Ausland eine besonders gefestigte rechtliche Basis.Nun, das ist in diesen Abmachungen geschehen. Es wird jetzt eine Planstelle offengehalten. Die Zeit seiner Auslandstätigkeit wird auf das Besoldungsdienstalter und die ruhegehaltfähige Dienstzeit angerechnet. Er wird, wenn er es noch nicht war, als er ins Ausland ging, in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen, sobald er dafür ansteht. Auch für seine Beförderung sollen ihm nach den Vorschriften keinerlei Nachteile entstehen. Fürsorge wird ihm gewährt wie einem Bundesbeamten. Diese Dinge sind neu; uns klingen sie selbstverständlich.Die Vertragsdauer wird viel diskutiert. Die Abmachungen sehen drei Jahre vor. Drei Jahre sind eine kurze Zeit. Man kann die erste Verpflichtung nicht länger ausdehnen, weil man die Möglichkeit haben muß, Blindgänger nach Hause zu schicken. Verlängerungen sollen gewährt werden. Es besteht dabei natürlich ein Interesse am Wechsel im Lehrerkollegium; die Lehrer sollen nicht allzu fest im Gastland verwurzeln.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2411
Dr. HelligeFür die Wiederverwendung sehen die Abmachungen Möglichkeiten vor. Man wird trotzdem auf den Auslandsschulen klagen. Man hört von Kollegen, die nachher in entlegene Gegenden ihres Heimatlandes versetzt wurden. Es gibt in jedem deutschen Flächenstaat Gegenden, auf die der Dichter „traurig — schaurig" reimen würde und in die einheimische Lehrer nur ungern gehen. Dort findet sich der zurückgekehrte Auslandslehrer häufig wieder, wenn man bei der Schulverwaltung meint: Wer so lange Gelegenheit hatte, sich im Ausland zu amüsieren, kann auch dorthin gehen, wo andere sich nicht recht wohlfühlen. Ich glaube, daß das ein Schicksal ist, das man hinnehmen muß und gegen das sich verwaltungsmäßig sehr wenig tun läßt.Der aus der Bundesrepublik an die deutsche Auslandsschule entsandte Lehrer ist das Rückgrat der Schule. Er allein stellt die Verbindung mit dem deutschen Schulwesen her. Er ist freilich recht teuer. Auf 30- bis 40 000 DM belaufen sich im Durchschnitt die Kosten, die für ihn aufgewendet werden müssen. So überlegt man sich, ob man nicht die Anzahl reduzieren könnte, um mit den ersparten Mitteln andere Leistungen zu erbringen, z. B. Stipendien an einheimische Schüler. Die Schulvereine sind nicht so gestellt, daß sie das in sehr reichem Maße machen können.Daher hat man die entsandten Lehrer durch Ortskräfte ergänzt. Diese Ortskräfte sind örtlich Ansässige, die vom Schulverein angestellt werden. Die Bundesrepublik kümmert sich nicht viel um sie. Sie hat nur in die Abmachungen hineingesetzt, daß ihre Dienstzeit, falls sie später in den Dienst des Bundes treten sollten, anerkannt wird. Das ist ein sehr schwacher Trost. Es gibt außerdem eine sehr große. Zahl von fremdsprachigen Lehrern. Sie wird sich erheblich vergrößern, da ja in einer immer wachsenden Anzahl von Fächern in der Landessprache unterrichtet werden muß und man vom entsandten Lehrer nicht erwarten kann, daß er diese Sprache gleich beherrscht.Eine bedeutsame Rolle spielt die Vergütung der Lehrer. Hier wurde gesagt, daß der entsandte Lehrer sein Gehalt und dazu 60 % der Auslandszulage bekommt. Sie wissen, daß diese 60 % der Auslandszulage — infolge der Steuerfreistellung sind das rund 80 % — den Lehrern nicht ganz genügen. Es kommt der Kaufkraftausgleich dazu. Immerhin steht sich der Auslandslehrer verhältnismäßig gut.Herr Kahn-Ackermann hat vorhin darauf hingewiesen — ich meine, das ist ein Verdienst —, daß man Leute, die in der Auslandskulturarbeit tätig sind, genügend bezahlen sollte. Dabei ist ihm nur ein Lapsus unterlaufen. Er hat gemeint, in Deutschland würde ein Museumsdirektor nicht nach BAT bezahlt. Im empfehle ihm eine Reise in das Land Niedersachsen; da wird er Zeichen und Wunder erleben.
— Sehr wohl!Die entsandten Lehrer stehen sich natürlich besser als Ortskräfte. Ich meine, daß das auch gut und richtig sei, denn im Ausland lebt man teurer; das ist eine allgemeine Erfahrung. Die Ortskräfte erhalten nur das Lehrergehalt des Landes. Das ist oft außerordentlich wenig. Ich habe eine ganze Reihe von solchen sogenannten Ortskräften erlebt, die an mehreren Schulen gleichzeitig unterrichten, weil sie da nach Stunden bezahlt werden. Ich meine, eine Zulage wäre nötig. Sie wird zum Teil gegeben; sie sollte durchgängig gegeben werden. Freilich ist sie nicht ganz problemlos. Die örtlichen Kultusministerien sehen nämlich nicht gern, wenn man ihnen mit Zulagen, die sie selber nicht gewähren können, die besten Lehrer abwirbt.Das Problem der Verwaltung, der Versorgung, der Betreuung, der Beaufsichtigung der Auslandslehrer ist bis zum heutigen Tage noch nicht gelöst. Wir halben gehört, daß die Lösung unmittelbar bevorsteht. Es geht um die seit vielen Jahren diskutierte Zentralstelle. Ich habe mit Freuden gehört, daß sie dem Auswärtigen Amt und nicht dem Bundesverwaltungsamt unterstellt werden soll. Meine Damen und Herren, man wünscht sich an der Spitze einer solchen für 'die Schulen bedeutenden Stelle einen Pädagogen. Ich habe die allergrößte Ehrfurcht vor den Juristen. Ich meine, es gibt keine .größere Gottesgabe als einen gebildeten Juristen. Aber der liebe Gott ist in der Verteilung seiner Gaben sehr vorsichtig. Man findet für Schulfragen sehr viel mehr Verständnis bei Leuten, die von der Pike auf im Schulwesen gedient haben.
Die Verwaltungstätigkeit ist nicht die Aufgabe eines Ministeriums. Ich meine nicht, daß sich ein Ministerialrat mit Aufgaben wie der befassen sollte, einen Hausvater für Windhuk ausfindig zu machen und ihn wieder zurückzuziehen, wenn er nicht mehr will. Das macht normalerweise eine untere Verwaltungsstelle. Die Schulabteilung ist für solche Aufgaben nicht ausgestattet. Man hat im Ausland dar-übergeklagt, es dauere oft lange, bis man seine Antwort bekommt. Mir ist das völlig verständlich. Denn mit vier Beamten des höheren Dienstes kann man diese Arbeit nicht bewältigen.Ich möchte den heutigen Tag benutzen, um der Schulabteilung meine Glückwünsche auszusprechen. Wie ich bei Einsicht meiner Unterlagen festgestellt habe, wird sie in diesem Jahre 60 Jahre alt, und 60 Jahre sind eine recht respektable Spanne.Was erwarten wir nun von dieser Zentralstelle, die eingerichtet werden muß? Ich meine in erster Linie — und das ist bisher noch nirgends gesagt worden — die Entwicklung einer Auslandspädagogik. Ich verstehe nicht eben viel von Pädagogik. Aber man hat mir in den Schulen draußen überall erzählt, daß man mit der normalen, für den Inlandsgebrauch aufbereiteten Pädagogik im Ausland nicht ganz durchkäme. Dort werden laufend besondere Erfahrungen gemacht, und diese besonderen Erfahrungen dürfen nicht mit dem Lehrer abgehen, der in die Heimat zurückkommt. Sie müssen irgendwo gesammelt werden, müssen irgendwo verarbeitet werden
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2412 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Dr. Helligeund müssen den Lehrern, die ins Ausland gehen sollen, zugeleitet werden.Die Auswahl der Lehrer, die hinausgehen wollen, müßte ebenfalls von der Zentralstelle durchgeführt werden. Eine sehr eingehende Einweisung ist notwendig. Einige Wochen auf dem Sonnenberg tun es eben nicht. Die Verhältnisse sind von Land zu Land sehr verschieden, und man muß eine Menge lernen, wenn man dort zur Geltung kommen will.Wichtig ist auch die Betreuung der Lehrer während der Zeit, in der sie draußen sind, insbesondere der Rechtsschutz. Wenn der Schulleiter mit seinen Lokalbehörden, mit seinen Schulvorständen Schwierigkeiten hat, hat er nicht den Schutz, den er hier jederzeit finden würde. Da geht es auch um Gesetze, die er nicht im einzelnen kennt. Die Zentralstelle muß sich auch dieser Seite der Betreuung der Lehrer annehmen.Schließlich zur Delegation von Schulberatern. Ich bin nicht im einzelnen im Bilde, wie viele es davon gibt. Ich habe in Chile einen kennengelernt, Oberstudienrat Werner. Er wurde von allen Seiten gelobt, und man war sehr froh, daß ein Mann für einen bestimmten, übersehbaren Bereich da ist, der als Schulfachmann die Lehrer berät.Ich sprach eben von Südamerika. Wir haben großzügige Hilfe des Bundes bei den erdbebengeschädigten Gebieten feststellen dürfen. Meine Damen und Herren, wer nicht gesehen hat, wie ein Erdbeben Bauten vernichten kann, der kann gar nicht ermessen, was da geleistet werden muß. Schulvereine haben ihre Schulen zum zweiten, manchmal zum dritten Male wieder neu aufbauen müssen. Man schätzt es sehr, daß der Bund ihnen zu Hilfe gekommen ist.Ich freue mich sehr, daß in Ihren Bemerkungen, Herr Minister, der Ausbau von Lima genannt wird. Ich halte ihn für absolut notwendig. Die Schule hat vor zwei Jahren von 800 Bewerbern nur 100 aufnehmen können und 700 abweisen müssen. Abweisungen im Ausland, besonders Abweisungen von nicht deutschstämmigen Angehörigen der Oberschicht, bringen aber politische Probleme, die für die deutschen diplomatischen Vertretungen mitunter außerordentlich ärgerlich sein können. Wir freuen uns, daß die Schule in San José gebaut werden soll, die zur Zeit in gemieteten Gebäuden sehr unzulänglich untergebracht ist. Ich freue mich über den Namen La Union, wo eine hervorragende Schule, aber ohne Internat, besteht. Solche Internate sind die Vorbedingung, Herr Kollege Huys, für die Zusammenlegung von Schulen. Ich hoffe, daß die Schule in Puerto Montt nicht allzu weit hinten auf der Liste steht. Wenn man diese alte chilenische Kavalleriekaserne sieht, wo es überall durchregnet, weil sie erhebliche Risse in den dünnen Wänden hat, nachdem Erdbeben den benachbarten Hafen in den Boden versinken ließen, wenn man weiß, daß der dortige Schulverein, ohne die Zusage des Bundes zu haben, mit dem Schulbau begonnen hat, dann sollte man die notwendigen Mittel möglichst bald bereitstellen.Die Wichtigkeit der Auslandsschularbeit wird noch nicht überall gesehen. Wir haben 1200 Lehrer im Ausland. Sie nannten vorhin die Mittel, die Frankreich aufwendet; lassen Sie mich die Anzahl der Lehrer nennen. Es sind 35 000!
— Ja, Sie wissen das, aber ich darf das sagen. Von den 35 000 Lehrern sind 30 000 in den Kolonien tätig. Aber wenn man die abzieht, dann bleiben noch 5000 übrig, und das ist die vierfache Zahl der Lehrer, die wir im Ausland haben. Meine Damen und Herren, das sollte der Haushaltsausschuß zur Kenntnis nehmen: Weltgeltung kostet Geld, kostet sehr viel Geld, ist aber auch unsäglich wertvoll.Wir hatten vor 1914 2000 deutsche Schulen; jetzt haben wir nach einem fast toten Punkt am Ende des letzten Krieges 240 deutsche Schuler,. Unsere Mittel sind nicht derart, daß wir sie mit vollen Händen ausgeben könnten. Es fehlt uns an Lehrern; das wissen wir alle. Auf der anderen Seite aber wächst die Nachfrage nach der deutschen Sprache, vielleicht mehr als ein Zugangsmittel zur Zivilisation, als ein Zugangsmittel zu unseren literarischen Werten. Das technische Handbuch ist das am meisten ausgeliehene Buch in den Büchereien unserer Schulen; den Faust lesen die Leute dann vielleicht später einmal. Das mag bei uns auch so sein.Diese Aufgabe muß gelöst werden — und ich glaube, das ist auch die Meinung dieses Hauses —, wenn die deutsche Sprache und die deutsche Kultur in der, Welt ihre Geltung behalten sollen.
Es sind keine Redner mehr eingeschrieben; wir können abstimmen.Es wird vorgeschlagen, den Antrag unter Punkt 3 b der Tagesordnung an den Auswärtigen Ausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik, den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
Zu Punkt 3 c wird die Überweisung des Antrags an den Innenausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik und an den Auswärtigen Ausschuß vorgeschlagen. Ist das Haus einverstanden?
Zu Punkt 3 d wird die Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß — federführend an den Innenausschuß und an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik vorgeschlagen.
Dann ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2413
Vizepräsident Dr. SchmidGesetzes zu dem Vertrag vom 4. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache V/332 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksachen V/660, zu V/660 — Berichterstatter: Abgeordneter Matthöfer
Herr Abgeordneter Matthöfer bezieht sich auf seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift! — Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir kommen zurdritten Beratung.Wer für die Annahme des Gesetzes insgesamt ist, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 5 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. April 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Sierra Leone über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache V/415 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksachen V/661, zu V/661 — Berichterstatter: Abgeordneter Matthöfer
Auch hier bezieht sich der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Matthöfer, auf seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Wir kommen zurdritten Beratung.Wer das Gesetz im ganzen annehmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 6 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Juni 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ecuador über die Förderungund den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache V/508 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksachen V/662, zu V/662 —Berichterstatter: Abgeordneter Matthöfer
Auch hier bezieht sich der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Matthöfer, auf seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. —Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. .Wir kommen zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 7 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unterbringung von Rüböl aus inländischem Raps und Rübsen— Drucksache V/320 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/697 —Berichterstatter: Abgeordneter Breseb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/631 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen
Wollen die beiden Herren Berichterstatter, Herr Abgeordneter Brese und Herr Abgeordneter Dr. Ritgen, den Bericht mündlich erstatten? — Nein, sie beziehen sich auf ihre Schriftlichen Berichte.Ich rufe in zweiter Beratung auf: § 1 — Abs. 4 entfällt—,—§ 2,—§ 3,—§ 4,—§ 5,—§ 6,—§ 7, —§8,—§9,—§ 10 entfällt —,— § 11,—§ 12, — § 13, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen angenommen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen angenommen.
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2414 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Vizepräsident Dr. Schmid Ich rufe Punkt 8 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik— Drucksache V/610 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/706 —Berichterstatter: Abgeordneter Schröder
Offenbar verzichtet der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schröder , auf die Erstattung seines Berichts.Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmt, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 9:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand— Drucksache V/624 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen
— Drucksache V/699 —
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Freiwald. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme des Berichts? — Das ist der Fall.Ich rufe auf in zweiter Beratung §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wer dem Gesetz indritter Beratungzustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 10:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes— Drucksache V/267 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit
— Drucksache V/713 —
Berichterstatter ist der Abgeordnete Liehr.
— Er verweist auf den Schriftlichen Bericht.Der Abgeordnete Schmidt will zur dritten Beratung eine Erklärung zu Protokoll geben.Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — 2, —3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wollen Sie die Erklärung mündlich abgeben, Herr Abgeordneter Schmidt ?
— Man kann auch eine Erklärung zu Protokoll geben, indem man von hier aus spricht. Dann kommt es ja auch ins Protokoll.
— Ach so, er ist nicht im Saal. Dann wird er sie schriftlich abgeben.Wir stimmen über das Gesetz im ganzen ab. Wer zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen angenommen.Punkt 11, Patentanwaltsordnung, soll abgesetzt werden. Dazu liegt ein Brief des Rechtsausschusses vom 22. Juni vor. Ist das Haus einverstanden? — Das ist der Fall. Punkt 11 ist abgesetzt.Die Punkte 12 und 13 werden morgen aufgerufen. Punkt 14:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. November 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ceylon über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache V/676 —Wird das Wort in der ersten Beratung gewünscht?— Das ist nicht der Fall.Der Ältestenrat schlägt vor, den Entwurf zu überweisen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Auswärtigen Ausschuß und den Ausschuß für Entwicklungshilfe zur Mitberatung. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966 2415
Vizepräsident Dr. Schmid Punkt 15:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über einen Währungsausgleich für Reichsmarksparguthaben von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem Sowjetsektor von Berlin
— Drucksache V/636 —Frau Korspeter will eine Erklärung zu Protokoll geben. Sie hat sie vorgelegt. In diesem Fall wissen Sie also, was erklärt werden soll.Ich eröffnet die Aussprache zur ersten Lesung. — Keine Wortmeldungen!Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden — federführend — und an den. Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung sowie den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? — es ist so beschlossen.Punkt 16 der Tagesordnung!
— Ist das Haus damit einverstanden? — Dann wird dieser Punkt morgen aufgerufen.Soll Punkt 17 ebenfalls morgen behandelt werden, Herr Abgeordneter Mommer?
— Dann werden die Punkte 16 und 17 heute abgesetzt und morgen aufgerufen.Punkt 18 der Tagesordnung:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Standortübungsplatzes Tübingen-Waldhausen an das Land Baden-Württemberg und an die Stadt Tübingen— Drucksache V/669 — — Mit diesem Platz verknüpfen mich Erinnerungen— es ist lange her.Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen — federführend — und den Haushaltsausschuß. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.Punkt 19:Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen der ehemaligen Telegrafen-Kaserne in Karlsruhe an den Katholischen Kirchenfonds St. Konrad— Drucksache V/672 —Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen. Ist hier nicht der Haushaltsausschuß ebenfalls zu beteiligen?
Ist das Haus mit dem Vorschlag einverstanden? —Es ist so beschlossen.Punkt 20:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über .den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Standortübungsplatzes Burgholzhof an die Stadt Stuttgart— Drucksachen V/482, V/702 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrWer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Ausschußantrag ist angenommen.Ich rufe dann die Punkte 21 und 22 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Artillerie-Kaserne in Münster an die Stadt Münster— Drucksachen V/486, V/703 — Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Flakkaserne in Berlin-Lankwitz, Gallwitz-Allee 115, an die Stiftung „Maria Immaculata"— Drucksachen V/550, V/704 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrIst das Haus damit einverstanden, daß wir über beide Anträge des Ausschusses gemeinsam abstimmen? — Das ist der Fall.Wer den Ausschußanträgen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Dann rufe ich gemeinsam die Punkte 23 und 24 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für die Verordnung des Rats Nr. . . . über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterverkehr der Eisenbahn, des Straßenverkehrs und der Binnenschiffahrt— Drucksachen V/30, V/718 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. ApelBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft undForsten über den von derBundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für
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2416 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Juni 1966
Vizepräsident Dr. Schmideine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über landwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern
— Drucksachen V/547, V/719 — Berichterstatter: Abgeordneter WelslauDas Wort wird vom Herrn Berichterstatter nicht gewünscht. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die beiden Anträge gemeinsam abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch.Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge in den Schriftlichen Berichten Drucksache V/718 und Drucksache V/719. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Damit ist die Tagesordnung für heute erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Donnerstag, den 23. Juni 1966, 9 Uhr.Ich schließe die heutige Sitzung.