Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße den für den verstorbenen Abgeordneten Heiland in den Bundestag eingetretenen Abgeordneten Hübner in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit mit uns.
Gemäß § 76 Abis. 2 der Geschäftsordnung sollen die versicherungstechnischen Bilanzen der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten für den 1. Januar 1961 und den 1. Januar 1963 nebst Beilage, das Gutachten des Sozialbeirates und der Bericht der Bundesregierung hierzu — Drucksache IV/3410 — an den Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat hat der Präsident des Bundestages in Abänderung der Überweisung vom 23. April 1965
den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rats über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik für die gemäß Artikel 201 des Vertrages zu erlassenden Bestimmungen zur Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaft,
für einen Entwurf des Vertrages zur Änderung der Artikel 201 und 203 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — Drucksache IV/3313 —
dem Haushaltsausschuß — federführend —, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig .vor dem Plenum am 25. Juni 1965.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats über den Schutz gegen Praktiken von Dumping, Prämien oder Subventionen aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern — Drucksache IV/3453 —
an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1965,
Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für gefährliche Stoffe und Zubereitungen
Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe — Drucksache IV/3454 —
an den Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1965.
Herr Abgeordneter Dr. Rutschke hat ums Wort zur Geschäftsordnung gebeten. — Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag auf Drucksache IV/3346 auf die Tagesordnung zu setzen. Unter Punkt 19 steht die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines 18. Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes auf der Tagesordnung. Zu diesem Entwurf gehört der Antrag auf Drucksache IV/3346. Ich bitte daher, ihn mitzubehandeln.
Wird diesem Antrag widersprochen? — Das ist nicht der Fall. Darf ich feststellen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß dieser Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird? — Das ist beschlossen.Zu der in 'der Fragestunde der 184. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Mai 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert Nr. XI/8 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 19. Mai 1965 eingegangen. Sie lautet:Dem Bundesverkehrsministerium liegt bisher ein Vorentwurf für die Umgehungsstraßen Hochspeyer und Fischbach im Zuge der Bundesstraßen 37 und 48 vor. Durch die Umgehungsstraße Fischbach würde auch der' schienengleiche Bahnübergang mit beseitigt werden. Wann die Baumaßnahmen zur Durchführung kommen werden, kann zur Zeit noch nicht verbindlich angegeben werden, da zunächst die Planung abgeschlossen und das Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muß. Für beide Umgehungsstraßen sind zusammen rd. 20 Mio DM erforderlich. Die Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs bei Fischbach ist die vordringlichste Maßnahme, es wird daher hierfür bereits ein baureifer Entwurf aufgestellt.Dann treten wir in die Tagesordnung ein. Wir beginnen mit derFragestunde .Ich rufe zunächst die Frage 1 — des Abgeordneten Dr. Mommer — aus der Drucksache IV/3473 auf, die den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern betrifft:Wie begründet der Bundesinnenminister seine in der Hannoverschen Presse vom 22. Mai 1965 — Seite 2 — wiedergegebene Ablehnung, sich wegen seiner Äußerungen vom 7. November 1962 zu entschuldigen, es handele sich bei der SpiegelAktion um den „ernstesten Verdacht eines Landesverrates, der in der Nachkriegsgeschichte bisher überhaupt entstanden ist" , und es handele sich „um die Verfolgung wegen des bisher schwersten Vorwurfs des Landesverrates"?Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesinnenminister.
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9378 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Ich bitte, mir zu gestatten, daß ich die beiden Fragen im Zusammenhang beantworte.
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Mommer aus der genannten Drucksache auf:
Bezieht der Bundesinnenminister seine in der Hannoverschen Presse vom 22. Mai 1965 wiedergegebene Weigerung, sich wegen der in Frage 1 erwähnten Äußerungen zu entschuldigen, auch auf seine übrigen Äußerungen in den Bundestagssitzungen vom 7. und 8. November 1962, insbesondere darauf, daß er den Redakteur Ahlers, gegen den das Verfahren inzwischen eingestellt worden ist, zweimal als Landesverräter angesprochen hat ?
Bitte, Herr Bundesinnenminister!
In der Fragestunde vom 7. November 1962 habe ich stets nur von einem V er dacht gesprochen. Ich befand mich damit in voller Übereinstimmung mit dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, der gegen die Beschuldigten wegen dringenden Tatverdachts des Landesverrats Haftbefehle erlassen hatte. Nur ein solcher dringender Tatverdacht rechtfertigt nach § 112 der Strafprozeßordnung die Anordnung der Untersuchungshaft. Ich hatte keinen Grund, an der Richtigkeit der Rechtsauffassung des zuständigen Richters beim Bundesgerichtshof zu zweifeln.
Zur Frage 2 stelle ich fest, daß der von mir gebrauchte Ausdruck „Landesverräter" nur aus dem Zusammenhang meiner Ausführungen in der Fragestunde vom 8. November 1962 zu verstehen ist. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, daß mit diesem Ausdruck im juristischen Sinne und nach dem Sachzusammenhang nur ein Beschuldigter gemeint sein konnte, der gemäß § 112 der Strafprozeßordnung im dringenden Tatverdacht des Landesverrats stand.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wird nicht das, was Sie sagen, widerlegt durch folgende Stelle in dem Protokoll der Bundestagssitzung vom 7. November 1962, wo es heißt:
Herr Kollege Sanger, es ist tatsächlich so, daß ein Teil der Ausführungen in diesem Artikel — im „Spiegel" nämlich —
auch für den Laien erkenntlicher Landesverrat war.
Haben Sie sich damit nicht ganz den Vorwurf des Landesverrats zu eigen gemacht und nicht nur von Verdacht gesprochen?
Herr Kollege Mommer, ich habe ausdrücklich an der entscheidenden Stelle, die auch Sie zitieren und auf die Bezug genommen worden ist, von Verdacht gesprochen. Es kann sein, daß im weiteren Verlauf der sehr heftigen Fragestunde die Präzisierungen nicht mehr so genau waren. Aber es kann kein Zweifel bestehen, daß juristisch immer der Verdacht im Vordergrund stand. Etwas anderes war gar nicht möglich.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Mommer!
Herr Minister, sind Sie bereit, heute auch meiner Fraktion gegenüber Ihr Bedauern darüber auszusprechen, daß Sie uns vorgeworfen haben, wir hätten in der Fragestunde damals grob fahrlässig gehandelt, weil wir den Anschein erweckt hätten, daß wir auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zumindest am Rande einwirken wollten?
Herr Kollege Mommer, ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß es außergewöhnlich ist, wenn während eines Verfahrens, das erst im Beginn steht, eine solche politische Aussprache stattfindet, weil — nicht der Absicht, aber der Wirkung wegen — nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich der eine oder andere in seiner Handlungsfähigkeit beeindruckt fühlt. Also nicht die Absicht, sondern die Wirkungen können nicht ausgeschlossen werden, und auf diese Folgen sollte man Rücksicht nehmen.
Herr Abgeordneter Mommer, noch eine Frage.
Herr Minister, ist die heutige Bundesregierung auch nicht bereit, sich dafür zu entschuldigen, daß sie in diesem Hause Personen — Herrn Augstein z. B. — vorgeworfen hat, sie hätten am Landesverrat verdient, und ihr Magazin verdiene Geld durch Landesverrat? Glauben Sie nicht, daß es die Pflicht jedes anständigen Menschen ist, sich zu entschuldigen, wenn vor Gericht bewiesen wird, daß diese Behauptungen nicht aufrechterhalten werden können?
Herr Kollege Mommer, ich bin folgender Meinung. Ich glaube,
daß zwischen demjenigen, der diese Behauptung aufgestellt hat, und dem, gegen den sie gerichtet war, in der Zwischenzeit Beziehungen aufgenommen worden sind, die anläßlich des Ausscheidens sogar zur Überreichung eines Albums geführt haben, so daß ich mir vorstellen könnte, daß durch den damaligen Akt all das bereinigt worden ist.
Keine weiteren Fragen mehr.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert — auf:Gegen welche Rechtsgrundsätze und Rechtsbestimmungen verstößt es, wenn der Bundesarbeitsminister einem wehrpflichtigen Kriegsdienstverweigerer schreibt, er werde ein anonymes Schreiben, in dem diesem Wehrpflichtigen ohne jede Begründung vorgeworfen wird, er vertrete „politisch die Interessen des Ostens", zu den Personalunterlagen des Wehrpflichtigen nehmen und gebe ihm nach § 21 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst Gelegenheit, sich zu den Ausführungen im genannten anonymen Schreiben schriftlich zu äußern, wobei von seiten des Ministeriums auf baldige Antwort gedrängt wurde?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9379
Vizepräsident SchoettleDas Wort zur Beantwortung der Frage hat der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, auf die Frage 1 darf ich folgende Antwort erteilen.
Das Verhalten des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in dem Fall, der der Anfrage offerbar zugrunde liegt, verstößt weder gegen Rechtsvorschriften noch gegen Rechtsgrundsätze. Nach § 21 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst muß der Ersatzdienstpflichtige über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakte oder Verwertung in einer Beurteilung gehört werden. Seine Äußerung ist zu den Personalakten zu nehmen.
Beide Bestimmungen dienen dem Schutz des Dienstpflichtigen. Die Behörden sollen nichts Ungünstiges über ihn wissen, ohne daß er hiervon Kenntnis hat und in der Lage ist, dazu Stellung zu nehmen. Diese Vorschriften entsprechen dem Gedanken, daß zwischen Dienstherrn und Dienstpflichtigen Offenheit herrschen muß. Diese Gründe, die für die Einführung der Vorschriften maßgebend waren, rechtfertigen es, daß auch bei anonymen Schreiben den Dienstpflichtigen Gegelenheit gegeben wird, zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Selbst dann, wenn ein anonymes Schreiben nach Prüfung des Inhalts nicht zu den Personalakten genommen werden sollte, kann der Dienstpflichtige ein berechtigtes Interesse daran haben, den Inhalt des Schreibens kennenzulernen.
Es ist unvermeidlich, daß bei einer Behörde Posteingänge stets zur Kenntnis einer Mehrzahl von Bediensteten gelangen. Der Ersatzdienstpflichtige kann verlangen, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, Anschuldigungen, die in der Erinnerung von Amtsangehörigen haften bleiben, zu entkräften. Zuweilen werden sich aus dem Inhalt anonymer Anschuldigungen und der Handschrift auch Rückschlüsse auf den vermutlichen Verfasser ziehen lassen, die dem Dienstpflichtigen die Möglichkeit geben, den anonymen Schreiber zu entlarven.
Daß die Behauptung, Herr Abgeordneter, der Ersatzdienstpflichtige vertrete politisch die Interessen des Ostens, eine Behauptung tatsächlicher Art ist, die für ihn ungünstig ist und ihm nachteilig werden kann, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Ob sich der Dienstpflichtige zu den ihm übersandten Abschriften äußert, steht in seinem Ermessen. Äußert er sich nicht oder bestreitet er die anonyme Behauptung, so werde ich keine weiteren Ermittlungen anstellen und keine Folgerungen ziehen.
Es trifft nicht zu, daß der Bundesminister für Arbeit den Ersatzdienstpflichtigen im vorliegenden Falle besonders zu einer Antwort gedrängt habe. Das Schreiben — ich habe es hier bei mir — enthält am Schluß lediglich den üblichen Satz: „Für baldige Stellungnahme wäre ich dankbar".
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, ist dem I Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nicht klar, daß sich die Bestimmungen in § 21 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst auf Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art beziehen, die über den Ersatzdienstpflichtigen wegen seines Arbeitsverhaltens beim Ableisten des zivilen Ersatzdienstes vorgebracht werden und die diesem Ersatzdienstpflichtigen gegenüber seiner im Ersatzdienst zu Weisungen berechtigten Stelle nachteilig werden können — worauf sich der genannte anonyme Brief aber keineswegs bezieht —, daß also § 21 dieses Gesetzes nicht dazu mißbraucht werden darf, einen Ersatzdienstpflichtigen über anonyme Beschuldigungen politischer Art schriftlich zu vernehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist so lang, daß es schwer ist, sie in einem Satz zu beantworten. Ich bin der Meinung, daß dieser § 21, der dem § 29 des Wehrpflichtgesetzes nachgebildet worden ist, auch das Verfahren, das wir in diesem Falle angewandt haben, deckt; denn ob eine Anschuldigung tatsächlicher Art, die in diesem Falle vorliegt, nun das Dienstverhältnis selbst oder den allgemeinen Ruf des Betreffenden gefährdet, scheint mir eine sehr subtile Unterscheidung zu sein, die hier nicht genau auseinandergehalten werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen empfehlen, den ganzen Zusammenhang im Gesetz einmal nachzulesen und dabei festzustellen, daß § 21 in einer Reihe von Paragraphen eingebettet ist, die sich sämtlich nur auf die Ableistung des Ersatzdienstes und — § 21 — auf das Verhalten des Ersatzdienstverpflichteten in diesem Arbeitsverhältnis beziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, davon gehen wir aus. Aber dieses Verhältnis ist ja vielgefächert. Sie können gerade in ,einem solchen Fall wie diesem hier, wo auch der Dienstpflichtige noch Gelegenheit hat, sich selbst zu äußern, nicht ganz genau unterscheiden, meine ich, ob 'es sich nur auf das Dienstverhältnis oder auch auf einige andere Zusammenhänge bezieht, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben.
Wir kommen zur Frage VIII/2 — des Abgeordneten Dr. Bechert —:Ist es im Bundesarbeitsministerium üblich, anonyme Schreiben zu den Personalakten zu nehmen, oder wird der Bundesarbeitsminister dafür sorgen, daß solche Briefe und Aufforderungen, wie der in Frage VIII/1 genannte Brief seines Ministeriums, nicht mehr geschrieben werden?Dazu hat der Herr Staatssekretär das Wort.Dr. Claussen; Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Auf die Frage 2, Herr Abgeordneter, darf ich wie folgt antworten.
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9380 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Staatssekretär Dr. ClaussenNach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien sind Schreiben ohne Unterschrift wie andere Eingänge zu behandeln. Im Einzelfall ist zu prüfen, was mit einem solchen Schreiben zu geschehen hat. Es kommt mehr auf die Substanz als auf die Quelle der Mitteilung an.Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung gibt es keinen Grundsatz, wonach die Verwaltung anonyme Anzeigen in den Papierkorb zu werfen hat. Auch anonyme Anzeigen können durchaus zur Aufklärung von Straftaten oder Mißständen beitragen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, hätte nach Ihrer Ansicht oder der Ansicht Ihres Ministeriums dieser Brief, wenn er schon nicht in den Papierkorb wandern sollte, an den Verfassungsschutz weitergegeben werden sollen, wenn man zu der Auffassung gekommen ist, daß an der Behauptung, der Kriegsdienstverweigerer vertrete die Interessen des Ostens, etwas dran sein könnte, oder sind Sie der Meinung, daß es Aufgabe des Sozialministeriums ist, Leute, die zivilen Ersatzdienst leisten, darüber zu hören, was sie für politische Meinungen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die politischen Meinungen interessieren das Arbeitsministerium überhaupt nicht. Aber wenn wie in diesem Fall eine solche Behauptung tatsächlicher Art aufgestellt wird, nämlich daß der Betreffende Beziehungen mit Moskau unterhalte, dann ist es nach unserer Meinung ganz zweckmäßig, das Verfassungsschutzamt zu fragen, ob der Betreffende in irgendwelcher Hinsicht bekannt sei oder nicht.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert!
Hätte das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung nicht aus der Formulierung des anonymen Briefes schließen können, der Briefschreiber sei geistig nicht ernst zu nehmen? Ich zitiere aus dem Brief: „Kriegsdienstverweigerer heißt für mich, hart ausgesprochen, Gegner des Deutschen Reiches, und solche können wir hier im Westen nicht gebrauchen."
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn man auf diese ganze Angelegenheit, namentlich auf den Briefschreiber und seine geistige Verfassung eingehen wollte — über die ich hier nichts sagen darf; ich halte ihn für einen Vollidioten —,
so müßte man sagen: die Sache ist doch etwas zu groß gemacht worden. Ich gebe zu, daß wir vielleicht etwas großzügiger hätten sein können. Aber die
Frage ist doch gerade im Zusammenhang mit den Erfahrungen, die wir hinsichtlich des Ersatzdienstes machen, so gefühlsgeladen, daß wir sehr vorsichtig sein müssen. Wenn wir den anonymen Brief in einem anderen Zusammenhang bekommen hätten, wäre daraus vielleicht nicht soviel entstanden. Aber Sie sehen ja, was darauf kommt: wir unterhalten uns jetzt schon 10 Minuten über diese Sache.
Ihr Kontingent ist erschöpft, Herr Kollege.
— Die dritte Frage ist noch gar nicht behandelt. — Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wenn aus dem Brief ersichtlich war, daß es sich um einen Vollidioten handelt, warum behandeln Sie dann den Brief des anonymen Schreibers so ernsthaft, daß Sie ihn nicht sofort dem Papierkorb anvertrauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zunächst einmal ist ein Schreiben, das mit dem Eingangsstempel versehen ist, sozusagen eine Urkunde.
Der betreffende Sachbearbeiter, der den Brief in den Papierkorb wirft, setzt sich unter Umständen der Urkundenunterdrückung im Amt aus. Ich habe den Brief nicht gesehen. Wahrscheinlich hätte ich ihn so behandelt, daß ich gesagt hätte: wir machen daraus nichts. Aber der Sachbearbeiter, der unter einem gewissen Arbeitsdruck steht, hat das nun einmal etwas zu formal behandelt.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Nachdem der Brief nach Ihrer Darstellung durch einen Stempel zu einer Urkunde geworden ist, möchte ich fragen, Herr Staatssekretär: Können Sie uns dann wenigstens die beruhigende Versicherung geben, daß der Brief nicht auch noch als Geheimsache behandelt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich, Herr Abgeordneter.
Ich rufe auf die Frage VIII/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert —:
Aufgrund welcher Rechtsbestimmungen glaubt der Bundesarbeitsminister berechtigt zu sein, wehrpflichtige Kriegsdienstverweigerer über politische Beschuldigungen, die in anonymen Schreiben ohne jede Begründung ausgesprochen werden, zur schriftlichen Äußerung aufzufordern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Ersatzdienstpflichtige ist nicht aufgefor-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9381
Staatssekretär Dr. Claussendert worden, sich zu äußern, sondern ihm ist Gelegenheit gegeben worden, dies zu tun. Die Rechtsgrundlage habe ich schon genannt.
Eine Zusatzfrage!
Hat das Ministerium den Brief wirklich so ernst genommen, daß es für richtig hielt, diesen in Fotokopie beigelegten Denunziantenbrief eingeschrieben zu schicken und um baldige Antwort zu bitten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß nicht, ob es bei uns allgemein üblich ist, solche Briefe eingeschrieben zu schicken. Wenn es sich um eine Beleidigung, eben um einen solchen Brief, handelt, kann man es vielleicht rechtfertigen, daß der Brief nicht per Einschreiben geschickt wird.
Haben Sie noch eine Frage, Herr Abgeordneter?
Darf ich fragen, wird das Ministerium wirklich diesen Denunziantenbrief, der, wie Sie sagen, für einen Vollidioten als Absender spricht, zu den Personalakten dieses Kriegsdienstverweigerers nehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das können wir mit dem Kriegsdienstverweigerer selbst vereinbaren. Deshalb bekommt er ja Gelegenheit, sich zu äußern.
Die Fragen sind beantwortet. Ich rufe die Frage VIII/4 — des Herrn Abgeordneten Josten — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele Betriebe noch auf die Rückerstattung des vorgelegten Schlechtwettergeldes bei den Arbeitsämtern warten?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Betriebe wegen verzögerter Bearbeitung auf die Erstattung vorgelegten Schlechtwettergeldes warten müssen. Nach Mitteilung der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung waren am 30. April 1965 bereits rund 92,5 % der insgesamt gestellten rund 285 000 Anträge endgültig erledigt. Die Bundesanstalt gewährt im übrigen bei Bedarf auch Abschlagszahlungen in Höhe von 80 % und, wenn die Unterlagen vollständig sind, sogar 100 % unter Vorbehalt der Nachprüfung. Auf dieses großzügige und, wie ich meine, unbürokratische Verfahren dürfte es zurückzuführen sein, daß im letzten Winter der Hauptstelle der Bundesanstalt keine Beschwerden über verzögerte Erstattung vorgelegten Schlechtwettergeldes zugegangen sind.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn ich Ihnen heute die Unterlagen von Betrieben zuleite, die noch auf die Regelung und die Rückerstattung des vorgelegten Schlechtwettergeldes warten, diese Fälle von seiten Ihres Ministeriums besonders prüfen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gern.
Wir kommen zu Frage VIII/5 — des Herrn Abgeordneten Josten —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit in Zukunft die Betriebe das vorgelegte Schlechtwettergeld schneller zurückerhalten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, das bisher bewährte Verfahren zu änderen.
Keine Frage mehr.
Die Frage VIII/6 — des Abgeordneten Matthöfer wird vom Presse- und Informationsamt beantwortet.
Trifft es zu, daß die in Köln erscheinende Deutschlandausgabe des Wochenorgans der spanischen Falange „7 fechas" aus Bundesmitteln gefördert wird?
Bitte, Herr Staatssekretär von Hase!
von Hase, Staatsekretär, Bundespressechef: Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat seit Anfang 1964 wöchentlich von der Zeitschrift „7 Pechas'' eine Anzahl von Exemplaren erworben, im Umfang von etwas über 10% der Gesamtauflage. Diese Exemplare — bei den 10 % handelt es sich um etwa 2 500 Exemplare — wurden den in Deutschland bestehenden spanischen Zentren zur kostenlosen Verteilung zur Verfügung gestellt.
Der Ankauf erfolgte im Rahmen einer allgemeinen Förderung der Verbreitung fremdsprachlicher Informationsorgane für die in der Bundesrepublik tätigen Gastarbeiter aller Nationalitäten. Da „7 fechas" bereits in einer für Deutschland bestimmten Sonderausgabe erschien und die einzige spanische Zeitschrift dieser Art von ausreichendem Umfang und nennenwerter Auflage ist, war es auch das einzige- Publikationsorgan, das zum Ankauf in Frage kam.
Wegen der von „7 fechas" veröffentlichten Angriffe auf die deutsche Gewerkschaftsbewegung wird das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung den Ankauf der Zeitschrift einstellen.
Keine Frage mehr.Wir kommen zur nächsten Frage, VIII/7 — des Abgeordneten Matthöfer —:Ist der Bundesinnenminister bereit, aufgrund der Vorkommnisse um das in Köln erscheinende Falangeblatt „7 fechas" die politischen Zusammenhänge zu überprüfen, die zwischen dem Wirken totalitärer rechtsradikaler Kräfte und dem Auftreten linksradikaler Propagandisten bei ausländischen Arbeitnehmern tatsächlich bestehen?Zur Beantwortung hat der Herr Bundesinnenminister das Wort.
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9382 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Herr Kollege Matthöfer, ich möchte diese Frage bejahen und ich werde Nachforschungen anstellen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Bundesinnenminister, werden 'Sie im Zuge dieser Nachforschungen auch feststellen lassen, ob nicht durch Propaganda im Geiste der spanischen Bürgerkriegszeit die hier bei uns beschäftigten Arbeitnehmer einem solchen Druck und solchen kaum verhüllten Drohungen ausgesetzt sind, daß eine Weiterführung solcher journalistischer Praktiken als Angriff auf die demokratischen Grundrechte angesehen werden muß?
Ich werde die Nachforschungen auf alle erheblichen Gesichtspunkte ausdehnen.
Die Frage ist beantwortet.
Die Frage VIII/8 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Ist der Bundesarbeitsminister bereit, angesichts antigewerkschaftlicher Stellungnahme durch die Deutschlandausgabe des spanischen Falangeblattes „7 fechas" zu bestätigen, daß das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung aller ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik ungeschmälert besteht, daß dieses Recht der ausländischen Arbeitnehmer ein Bestandteil der grundsätzlichen rechtlichen Gleichstellung aller Arbeitnehmer auf arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet ist und daß dieses Recht für alle Arbeitnehmer im Sinne des Grundgesetzes und unserer demokratischen Grundordnung garantiert ist?
Sie wird wieder vom Herrn Staatssekretär Claussen beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes ist das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.
Mit dieser Vorschrift gewährleistet das Grundgesetz das Recht aller Arbeitnehmer, Koalitionen zu bilden und ihnen beizutreten. Ausländer sind insoweit deutschen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung dann nicht angesichts dieser Ihrer Erklärungen durch zusätzliche Vereinbarungen zu den bisher abgeschlossenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Wanderung, Anwerbung, Vermittlung von ausländischen Arbeitnehmern eindeutig klarstellen, daß alle ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik ein ungeschmälertes Recht auf Wahrnehmung sowohl ihrer religiösen als auch ihrer gewerkschaftlichen Interessen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe ja schon gesagt, daß die Ausländer dieses Recht haben.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, dieses Recht der Ausländer auch in zwischenstaatlichen Vereinbarungen festzulegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das tun wir, dazu sind wir sogar verpflichtet. Wir können ja bei diesen Vereinbarungen nicht von den Bestimmungen des Grundgesetzes abweichen.
Keine weitere Frage. Dann komme ich zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung — die Frage 'stellt Herr Abgeordneter Dröscher —:Wie vereinbart es die Bundesregierung mit der ihr obliegenden Fürsorgepflicht für die Berufssoldaten, daß von einer mit Bundesmitteln bauenden Wohnungsbaugesellschaft für Wohnungen in einer Größe von 104 qm von jungen Berufsoffizieren Mieten in Höhe von rd. 300 DM monatlich verlangt werden können, wobei der Inanspruchnahme dieser Wohnungen mangels vorhandenen Angebots an Altbauwohnungen in der kleinen Garnisonsstadt Birkenfeld praktisch nicht ausgewichen werden kann?Beantwortet wird sie ebenfalls von Herrn Staatssekretär Dr. Claussen,Dr. Claussen, Staatssekretär im Bundesministerium für. Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter, der Herr Bundesminister der Veteidigung hat auf eine ähnliche Anfrage bereits am 29. Oktober 1964 mitgeteilt, daß die Bundesregierung im vergangenen Jahr auf Drängen von Bundesrat und Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages die Bundesbedienstetenmieten an die Mieten des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus angeglichen hat. Die Wohnungen werden in drei verschiedenen Ausstattungsklassen gebaut. Entsprechend sind auch die Mieten für diese Wohnungen gestaffelt. Sie betragen für die Ortsklasse A, zu der auch Birkenfeld gehört, in der Ausstattungsklasse I DM 2,50 pro qm Wohnfläche und in der Ausstattungsklasse II DM 1,75. Diese Mieten erhöhen sich bei Einfamilienreihenhäusern wegen des höheren Wohnwerts um 15 %. Im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Rheinland-Pfalz betragen die Mieten für das Wohnungsbauprogramm für das Jahr 1965 in Orten wie Birkenfeld — das sind also Orte unter 20 000 Einwohnern — DM 1,90 bis 2,15. Diese Mieten sind bereits um Aufwendungsbeihilfen in Höhe von 30 Pf je qm Wohnfläche monatlich verbilligt. Ferner ist in ihnen im Gegensatz zu den Bundesbedienstetenwohnungen auch nicht ein Kostenansatz für Schönheitsreparaturen in Höhe von 14 Pf je qm Wohnfläche monatlich enthalten.In Birkenfeld sind auf Wunsch der Bundeswehr zwei Baumaßnahmen mit insgesamt 16 Einfamilienreihenhäusern und 195 Geschoßwohnungen gefördert worden. Die Reihenhäuser wurden nach Ausstattungsklasse I ausgestattet, weil sie für höhere Offiziere des Luftwaffenstabes Süd vorgesehen waren. Die Geschoßwohnungen haben Ausstattun-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9383
Staatssekretär Dr. Claussengen nach allen drei Ausstattungsklassen, uni die Mieten den Einkommensverhältnissen der Soldaten anpassen zu können. Die Miete von 300 DM in Birkenfeld betrifft die Einfamilienreihenhäuser mit einer Wohnfläche von rund 106 qm. Nach den Feststellungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers werden elf Reihenhäuser von höheren Offizieren bewohnt. Fünf Reihenhäuser sind von Hauptleuten angemietet worden. In Anbetracht der Größe und Ausstattung dieser Einfamilienhäuser ist eine Miete von rund DM 300 angemessen und auch im sozialen Wohnungsbau durchaus üblich. Wenn die Einfamilienhäuser entsprechend ihrer Größe mit großen Familien besetzt sind, dürfte sich die Miete für den Fall, daß sie für die ausgewählten Familien untragbar sein sollte, durch die Inanspruchnahme von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz auf das tragbare Maß zurückführen lassen. Feststellungen hierüber sind jedoch nur bei genauer Kenntnis der tatsächlichen Voraussetzungen möglich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Wie gedenkt die Bundesregierung die Benachteiligung der Soldaten auszugleichen, die durch ihre Versetzung in einen solchen kleinen Standort ohne Wohnungsmarkt nunmehr gewissermaßen gezwungen sind, solche Wohnungen anzumieten, die sie auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse eigentlich nicht mieten könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann z. B. einem Bediensteten die Wohnung als vorläufige zugestehen. Dann wird ihm der Umzug in eine leere Wohnung noch einmal bezahlt. Man kann auch den Betreffenden auf das Wohngeld verweisen. Man kann aber auch mehr Wohnungen bauen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß von der Bundeswehr für Wohnungen, soweit es sich um Unteroffiziere und Offiziere bis einschließlich Oberleutnant handelt, besondere Beihilfen gezahlt werden, daß davon aber z. B, Hauptleute und junge Majore ausgeschlossen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage geht nicht den Herrn Bundeswohnungsbauminister, sondern den Herrn Verteidigungsminister an. Ich kann sie nicht beantworten; aber ich kann veranlassen, Herr Abgeordneter, daß eine schriftliche Antwort erteilt wird.
Besteht die Möglichkeit, daß diese Regelung auf die jüngeren Offiziere der anderen Rangklassen ausgedehnt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch das wird der Herr Bundesverteidigungsminister in seine Antwort einbeziehen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage V/1 — des Abgeordneten Dr. Besold —:
Warum wird die Dienstzeit bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bei Übernahme in den öffentlichen Dienst nicht angerechnet?
Ich bitte, mir zu gestatten, die beiden Fragen zusammen zu beantworten; sie stehen in einem Sachzusammenhang.
Bitte sehr. Frage V/2 — des Abgeordneten Dr. Besold —:
Sind Ausnahmen von dem in Frage V/1 bezeichneten Verfahren möglich, wenn die bisherige Tätigkeit wesensverwandt mit der Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist ?
Die Fragen können sich sowohl auf das Beamtenbesoldungsrecht wie auch auf das Tarifrecht für Angestellte im öffentlichen Dienst beziehen.
Besoldungsrechtlich werden hauptberufliche Tätigkeiten bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 7 des Bundesbesoldungsgesetzes berücksichtigt. Dies gilt für Beamte des gehobenen und des höheren Dienstes allerdings nur dann, wenn eis sich um Zeiten einer gleichzubewertenden Tätigkeit handelt.
Etwas anders und leichter ist die Regelung für den Tarifbereich. Nach § 20 des für Angestellte des Bundes, der Länder und der Gemeinden gültigen Bundes-Angestelltentarifvertrages sind als „Dienstzeit" auch die Zeiten anzurechnen, die der Angestellte beruflich im Beamten- oder Angestelltenverhältnis bei Körperschaften des öffentlichen Rechts verbracht hat. Voraussetzung ist aber, daß die in Frage kommende Körperschaft ebenfalls den Bundes-Angestelltentarifvertrag anwendet. Ausnahmen sind darüber hinaus in Einzelfällen möglich. Sie können aber in einer Fragestunde nicht dargelegt werden, weil diese Darstellung zu umfangreich wäre. Ich bin gern bereit, schriftlich Auskunft zu geben.
Wir kommen zur Frage V/3 — des Abgeordneten Dr. Krümmer —:
Aus welchem Grunde ist es den bei europäischen Behörden Beschäftigten verwehrt, an Wahlen für deutsche Parlamente teilzunehmen?
Herr Dr. Krümmer, Ihre Frage hat äußerlich gesehen sehr viel für sich. Ich bitte aber einmal eine Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis zu nehmen, aus der sich ergibt, daß es doch viele andere Gründe gibt, die dagegen sprechen. Ich darf9384 .Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Bundesminister Höcherlaus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren:Da Deutschland zwar nicht de jure, aber de facto geteilt ist, reicht das Merkmal der deutschen Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt nicht aus. Der Bundestag ist das repräsentative Organ der im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebenden Bevölkerung; sein Wirkungsbereich beschränkt sich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes. Das Wahlrecht kann infolgedessen nur dem Teil der deutschen Bevölkerung gewährt werden, der in diesem Wirkungsbereich lebt. Das aktive Wahlrecht ist demgemäß auf die Deutschen beschränkt, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes seßhaft sind.Es gibt Möglichkeiten, diese Seßhaftigkeit 'innerhalb einer Dreimonatsfrist vor den Wahlen zu begründen, so daß praktisch niemand ausgeschlossen ist, wenn er entsprechend den rechtlichen Bestimmungen einen zweiten Wohnsitz hier im Bundesgebiet nimmt. Aber eine allgemeine Übertragung würde wegen 'dieser Gesichtspunkte, die ein großes Gewicht haben, doch zu Fragwürdigkeiten führen.
Eine Zusatzfrage!
Darf ich fragen, ob die Beteiligten über die gegebenen Möglichkeiten in ausreichendem Maße informiert sind, damit sie davon Gebrauch machen können?
Das ist der Fall, Herr Abgeordneter. Ich habe in einem Briefwechsel mit Herrn Präsident Hallstein über diese Frage alle Gesichtspunkte dargelegt. Ich habe keinen Zweifel, daß Präsident Hallstein den Angehörigen seines Dienstbereiches, soweit sie deutsche Staatsangehörige sind, eine entsprechende Mitteilung macht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß es auch im allgemeinen Interesse unseres Landes und Staates wäre, die Ausübung dieses Bürgerrechtes zu erleichtern, anstatt sie durch Bestimmungen über Wohnsitz usw. zu erschweren?
Ich bin ganz Ihrer Meinung. Wir haben große Anstrengungen gemacht, einen Weg ähnlich dem zu finden, der für die auswärtigen Vertretungen gilt. Dort bestimmt der Dienstherr den auswärtigen Wohnsitz, so daß das Wahlrecht besteht. Angesichts des von mir zitierten Urteils war es aber nicht möglich, im vorliegenden Fall einen Weg zwischen den beiden Notwendigkeiten zu finden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, wie machen das unsere demokratischen Nachbarländer?
Ich bin überfragt, bin aber gern bereit, Ihnen das schriftlich mitzuteilen.
Noch eine Zusatzfrage!
Herr Minister, erhalten diese Aufklärung nur die Bediensteten der EWG oder auch die der Euratom?
Ich möchte annehmen — ohne mich präzise festlegen zu können —, daß es für den ganzen Bereich zutrifft.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. die deutschen Bediensteten in Ispra, Italien, von dieser Regelung noch nichts wissen?
Das ist mir nicht bekannt. Ich werde mich sofort darum kümmern. Es ist ja noch Zeit, weil die Frist noch läuft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mischnick.
Herr Minister, sehen Sie eine Möglichkeit, den berechtigten Wünschen der in den europäischen Behörden Tätigen nachzukommen, die Wahlmöglichkeiten zu erleichtern und innerhalb der Bundesrepublik endlich auch in den Ländern herzustellen, die noch kein Briefwahlrecht eingeführt haben, z. B. Hessen?
Ich werde die Frage prüfen.
Keine weiteren Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage IV/1 — des Abgeordneten Ertl — auf:
Trifft es zu, daß die meisten einheimischen Hilfskräfte der von dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Nahen Osten betroffenen Botschaften der Bundesrepublik entlassen werden sollen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär Dr. Carstens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich möchte die drei Fragen des Abgeordneten Ertl gern im Zusammenhang beantworten.
Der Fragesteller ist damit einverstanden. Ich rufe demnach auch die Fragen IV/2 und 3 — des Abgeordneten Ertl — auf :Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die in Frage IV/1 genannten Hilfskräfte weiter zu beschäftigen, um ihre Abwerbung durch die Konsulate und Handelsmissionen der sogenannten DDR zu vermeiden und sie den Botschaften der
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9385
Vizepräsident SchoettleBundesregierung bis zu einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu erhalten, wie dies nach der Suezkrise von den französischen und britischen Botschaften im Nahen Osten sichergestellt wurde?Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die in Frage IV/1 genannten Hilfskräfte bei der dringend notwendigen Verstärkung der Kulturarbeit der Bundesrepublik in den arabischen Ländern einzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es trifft nicht zu, Herr Abgeordneter, daß die meisten einheimischen Hilfskräfte entlassen werden sollen, die bisher bei den deutschen Botschaften in den arabischen Staaten tätig waren, welche mit uns die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Der Bundesregierung ist besonders daran gelegen, daß uns die Mitarbeit dieser bewährten Kräfte für den — wie wir hoffen, nicht fernen — Tag einer Wiederaufnahme normaler diplomatischer Beziehungen zwischen uns und jenen Ländern erhalten bleibt. Unser Bemühen geht deshalb dahin, ihre Weiterbeschäftigung in der Zwischenzeit möglichst ausnahmslos sicherzustellen.
Hierzu bietet sich in erster Linie an, die bisher bei den deutschen Botschaften beschäftigten Ortskräfte innerhalb der Schutzmachtvertretungen zu verwenden. Soweit sich nach dem derzeitigen Stand der hierüber geführten Besprechungen übersehen läßt, werden die meisten einheimischen Kräfte im Dienst der Schutzmachtvertretungen weiter tätig sein. An einigen Plätzen sind die Besprechungen hierüber noch im Gange.
Die Ortskräfte werden bei den Schutzmachtvertretungen in einer ihrer bisherigen Tätigkeit entsprechenden Funktion verwendet werden. Soweit eine Mitarbeit auf kulturellem Gebiet in Betracht kommt, ist auch dies in dem erwähnten Rahmen möglich.
In den wenigen Fällen, in denen Ortskräfte möglicherweise nicht von den Schutzmachtvertretungen übernommen werden können, wird geprüft werden, ob eine Beschäftigung bei den deutschen Konsulaten, die ja bestehenbleiben, möglich ist. Soweit jedoch vereinzelt einheimische Mitarbeiter weder in der einen noch in der anderen Form weiter tätig sein können, ist eine Abfindung vorgesehen, die sich auch nach der Länge der Dienstzeit bemißt, in jedem Falle aber mindestens zwei Monatsvergütungen entspricht. Die Versorgung derjenigen Kräfte, die wegen Erreichung der Altersgrenze ohnehin jetzt oder in naher Zukunft ausscheiden würden, ist gesichert.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihren Ausführungen zufolge trifft also der Bericht der Süddeutschen Zeitung Nr. 118 nicht zu, in dem es heißt — ich darf hier nur einige wenige Worte zitieren —:
Aus dem an sich lobenswerten Drang zu sparen ist Bonn im übrigen dabei, der langen Reihe der im Nahen Osten begangenen Ungeschicklichkeiten eine weitere hinzuzufügen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Behauptung stimmt nicht, Herr Abgeordneter. Auch die Prämisse, von der die Behauptung ausgeht, trifft nicht zu.
Sie selbst, Herr Staatssekretär, haben aber in Ihrer Antwortzugegeben, daß nicht alle Fachkräfte weiterbeschäftigt werden können. Darf ich Sie vielleicht fragen, um wieviel Personen es sich handelt, die nicht weiterbeschäftigt werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, sicher werden diejenigen Ortskräfte nicht weiterbeschäftigt, die die Altersgrenze erreicht haben oder unmittelbar vor Erreichung der Altersgrenze stehen und daher ohnehin ausscheiden müssen. Was die anderen Ortskräfte anlangt, so haben wir die Hoffnung, sie alle weiterbeschäftigen zu können.
Was Sie am Schluß gesagt haben, bezog sich auf den von uns nicht erhofften, aber natürlich nicht auszuschließenden Fall, daß die eine oder andere Ortskraft nicht weiterbeschäftigt werden kann.
Sie haben ein bemerkenswertes Temperament, Herr Kollege Ertl. Aber zügeln Sie sich bitte, damit der Präsident nicht eingreifen muß. Bitte fragen Sie weiter!
Ich werde Ihre Mahnung gehörig berücksichtigen.
Herr Staatssekretär, wie lange wird nach Ihrer Meinung die Interimszeit bis zum Eintritt normaler Beziehungen noch andauern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin nicht mit prophetischen Gaben ausgestattet. Ich kann Ihre Frage daher nicht beantworten.
Das wäre bei arabischen Staaten aber sehr angebracht.
Ich darf die letzte Frage an Sie stellen: Inwieweit treffen Meldungen zu, daß die Sowjetzone generell bereit ist, sowohl einheimische Beschäftigte wie aus deutsche Fachkräfte, die abgelöst werden, durch Personal der Sowjetzone zu ersetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Davon ist mir nichts bekannt, Her Abgeordneter.
Keine weiteren Zusatzfragen.Dann kommen wir 'zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die Frage VI/1 — des Abgeordneten 'Dr. Kohut — auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß der frühere Bundeskanzler Adenauer, wie bereits im „Spiegel" berichtet, anläßlich der sogenannten Spiegelaktion den damaligen Bundesjustizminister Dr. Stammberger aufgefordert hat, den Chef des Bundesnachrichtendienstes, General Gehlen, zu verhaften?Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
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9386 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut beantworte ich wie folgt.
Bei dem in Rede stehenden Vorgang handelt es sich um eine Angelegenheit des Bundesnachrichtendienstes und seiner Führungsspitze. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß über derartige Angelegenheiten ausschließlich in dem für den Bundesnachrichtendienst zuständigen parlamentarischen Gremium Auskunft erteilt werden kann. Sie ist bereit, diesem Gremium Auskunft zu geben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Glauben Sie nicht, Herr Bundesjustizminister, daß die Öffentlichkeit ein großes Interesse daran hat, zu erfahren, ob sich der damalige Bundeskanzler Adenauer an den Justizminister Stammberger gewandt und die Verhaftung des Chefs des deutschen Narichtendienstes gefordert hat, zumal er nunmehr erklärt, die Darstellung im „Spiegel" sei von A bis Z erlogen, obwohl als Zeuge dafür, daß Justizminister Stammberger recht hatte, der Bundesanwalt Kuhn vorhanden ist, der nämlich dabei war, als Adenauer das Anliegen an Bundesjustizminister Stammberger stellte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin der Meinung, daß sich die beiden Betroffenen geäußert haben.
Herr Bundesanwalt Kuhn ist von mir gehört worden. Auf Grund der von ihm erteilten Information
wird die Bundesregierung das Gremium unterrichten.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Da es offenbar nicht möglich ist, Herr Bundesjustizminister, hier eine die Allgemeinheit aufklärende Antwort zu erhalten, muß ich sagen, daß der damalige Bundeskanzler gelogen hat.
Gelogen hat.
Das war keine Frage.
Dann frage ich: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß sich der frühere Bundeskanzler vor der Verantwortung drückt und versucht, hier der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen, indem er die Wahrheit nicht sagt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie werden von mir keine Antwort auf diese Frage erwarten.
Die habe ich auch nicht erwartet.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Bundesminister, können Sie erklären, warum nur ein bestimmtes enges Gremium des Deutschen Bundestages die Wahrheit in dieser Angelegenheit erfahren soll und nicht der ganze Bundestag und damit die Öffentlichkeit?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage — das habe ich in der ersten Antwort bereits gesagt — betrifft eine Angelegenheit des Bundesnachrichtendienstes und seiner Führungsspitze. Daraus ergibt sich für die Bundesregierung die Verpflichtung, diese Frage in dem Gremium zu behandeln, das mit den Fraktionen dieses Hauses für diese Dinge vereinbart worden ist.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Bundesjustizminister, wollen Sie hier im Raum stehen lassen, was der Kollege Dr. Kohut vorhin behauptet hat, daß nämlich der ehemalige Bundeskanzler Dr. Adenauer gelogen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe diese Frage entsprechend zurückgewiesen, indem ich gesagt habe: „Sie werden von mir darauf keine Antwort erwarten". Diese Antwort ist auch eine Antwort.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, teilen Sie nicht meine Ansicht, daß eine Beantwortung der Frage, ob zu einer Verhaftung aufgefordert worden ist, ohne Verletzung öffentlicher Belange dann möglich ist, wenn man die Frage nach den Gründen, weshalb eine solche Aufforderung geschehen oder nicht geschehen ist, einfach wegläßt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie unterstellen, daß eine derartige Aufforderung ergangen ist. Dazu kann ich mich hier nicht äußern. Wenn jemand verhaftet werden soll, müssen entsprechende Gründe, wie sie das Gesetz vorsieht, vorhanden sein. Ich habe keine Veranlassung anzunehmen, daß in diesem Falle anders verfahren worden ist.
Herr Abgeordneter Dürr!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9387
Herr Minister, haben Sie meinem letzten Halbsatz nicht entnommen, daß ich mit dieser Fassung — „die Frage nach den Gründen, weshalb eine solche Aufforderung geschehen oder nicht geschehen ist" — ausdrücklich ausgeschlossen habe, daß ich etwas unterstellt haben könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe Ihnen geantwortet, daß ich mich über die Gründe und den Hergang selber nicht äußern kann, sondern bereit bin, darüber in dem dafür zuständigen, mit den Fraktionen vereinbarten Gremium Auskunft zu geben. Ich kann nicht eine Teilfrage aus dem Komplex beantworten, sondern müßte dann den gesamten Komplex unterbreiten, und dafür eignet er sich nicht.
Da haben wir uns leider falsch verstanden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache „Spiegel" möchte ich fragen, ob Sie nicht der Meinung sind, daß für die Bundesregierung gelten muß, was für jeden Privatmann gilt, daß es nämlich, wenn er den Mund zu voll genommen und ehrenrührige Vorwürfe erhoben hat,
die er vor Gericht nicht begründen kann, seine Anstandspflicht ist, sich zu entschuldigen, und zwar da, wo er die Vorwürfe erhoben hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann einen Zusammenhang dieser Frage mit der hier in Rede stehenden Frage nicht erkennen. Ich bin aber der Meinung, daß sich dazu bereits der Herr Innenminister bei der Beantwortung Ihrer Fragen geäußert hat, und kann mich auf diese Antwort beziehen.
Wollen Sie noch eine Frage stellen?
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß meine Frage mit der Frage 2 des Herrn Kohut zusammenhängt?
Dr. Weber, Bundesmnister der Justiz : Die Frage 2 ist noch nicht beantwortet. Dazu werde ich mich gleich äußern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.
Herr Minister, ist zu erwarten, daß nach der von Ihnen angekündigten Aussprache in jenem Gremium die Beteiligten nachher unter dem
Druck des Geheimniszwangs nicht in der Lage sein werden, die Öffentlichkeit so aufzuklären, wie sie aufgeklärt werden müßte?
Dr. Weber, Bundesmnister der Justiz: Man wird erst, nachdem diese Aussprache stattgefunden hat, die weiteren Maßnahmen ins Auge fassen können.
Herr Abgeordneter Vogt zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich im Zusamenhang mit der Frage 1 fragen — ohne auf den materiellen Inhalt einzugehen —, ob es überhaupt möglich ist, daß der Bundesjustizminister einen Staatsbürger verhaftet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesjustizminister hat nur das Recht, das jeder Staatsbürger hat, nämlich jemanden, den er auf frischer Tat ertappt, zu verhaften und der zuständigen Behörde zuzuführen. Ein darüber hinausgehendes Recht hat auch der Bundesjustizminister kraft Amtes nicht.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Kohut gestellte Frage VI/2 auf:
In welcher Form wird die Bundesregierung dem von der Spiegelaktion betroffenen und inzwischen rehabilitierten Personenkreis für die diffamierenden, vor dem Plenum des Bundestages von dem damaligen Bundeskanzler abgegebenen Äußerungen Genugtuung geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Verfahren ist noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. In ,dem Beschluß des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 1965, durch den die Angeschuldigten Ahlers und Rudolf Augstein außer Verfolgung gesetzt worden sind, ist der für eine Eröffnung des Hauptverfahrens gesetzlich erforderliche „hinreichende Tatverdacht", nicht jedoch das Bestehen jedweden Tatverdachts verneint worden. Aus zwei weiteren Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom selben Tag ergibt sich, daß gegen beide Beschuldigte ein begründeter Tatverdacht bestand und nach Auffassung des Gerichts noch besteht.
Diese beiden Beschlüsse, ebenfalls vom 13. Mai, lauten folgendermaßen. Der erste Beschluß:Die Angeschuldigten haben keinen Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen, weil das Verfahren weder ihre Unschuld ergeben noch dargetan hat, daß gegen sie kein begründeter Verdacht vorliegt.
Auch besteht kein Anlaß, zu ihren Gunsten von der Ermessensvorschrift des § 467 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozeßordnung Gebrauch zu machen.Der zweite Beschluß:Die Bundeskasse ist nicht verpflichtet, die Angeschuldigten fürerlittene Untersuchungshaft zu
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9388 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Bundesminitser Dr. Weberentschädigen. Das Verfahren hat weder ihre Unschuld ergeben noch dargetan, daß 'ein begründeter Verdacht gegen sie nicht vorliegt.Angesichts dieser Beschlüsse, von denen ich dem Hohen Hause Kenntnis gegeben habe, hat die Bundesregierung keinen Anlaß zu weiteren Erklärungen. Zur Abrundung des Bildes darf ich aber doch noch anfügen, daß auch die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten — mit Ausnahme von Herrn Conrad — mangels Beweises eingestellt wurden bzw. durch Außerverfolgungsetzung abgeschlossen worden sind. In dem Beschluß des Dritten Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 1965, durch den der Angeschuldigte Conrad außer Verfolgung gesetzt wurde, ist ausgeführt, daß gegen Conrad kein begründeter Tatverdacht mehr besteht. Demzufolge sind die notwendigen Auslagen Conrads gemäß der Vorschrift des § 467 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung der Bundeskasse auferlegt worden. Aus demselben Grunde ist Conrad durch Beschluß des Bundesgerichtshofs vom selben Tage Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft gewährt worden.Damit ist ihm die Genugtuung zuteil geworden, auf die er nach dem Gesetz Anspruch hat.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Kohut.
Herr Minister, darf ich darauf aufmerksam machen, daß ich nicht nach der materiellen Seite gefragt habe, sondern nach der Genugtuung, alias Ehrenerklärung? Würde es nicht der Fairneß und der bei uns so viel gepriesenen Rechtsstaatlichkeit entsprechen, wenn solche schwerwiegenden, vor dem Parlament ausgesprochenen Beleidigungen vor demselben Parlament zum mindesten öffentlich zurückgenommen oder sogar durch eine Ehrenerklärung aus der Welt geschafft werden würden bei dem jetzigen Stand des Verfahrens, das zeigt, daß zum mindesten von dem früheren Chef der Regierung sehr voreilige und diskriminierende Bemerkungen gefallen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, daß gegen verschiedene Beschuldigte oder Angeschuldigte das Verfahren weiterläuft. In dem Beschluß vom 13. Mai ist bezüglich eines Angeschuldigten ausdrücklich gesagt, daß sich das Gericht die Entscheidung vorbehalten hat. Infolgedessen halte ich es, wie ich das bereits bei der ersten Antwort dargelegt habe, nicht für angebracht, jetzt bereits Erklärungen abzugeben, nachdem der Komplex als solcher noch nicht abgeschlossen ist.
Noch eine Frage, Abgeordneter Dr. Kohut.
Würden Sie es verstehen, Herr Minister, wenn ich als schlichter Staatsbürger aus dieser verklausulierten Antwort genauso wie aus der Verweigerung einer präzisen Antwort auf meine
Anfrage wegen Gehlen ein schlechtes Präjudiz für die künftige Notstandsgesetzgebung, für deren Handhabung in diesem Parlament sehe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, daß daraus Rückschlüsse von der Art gezogen werden können, wie Sie sie zu ziehen beliebten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Bundesminister, halten Sie es als Justizminister für richtig, durch Ihre Ausführungen, die Sie vorhin gemacht haben, der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, als wenn die Einstellung des Verfahrens doch auf schwachen Füßen stünde? Denn so müssen die Ausführungen, die Sie gemacht haben, jetzt aufgefaßt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe keine Veranlassung, etwas zu verniedlichen oder etwas nicht klar darzustellen. Es gehörte aber zu dem :behandelten Sachkomplex, auch die beiden weiteren vom selben Senat, der die Außerverfolgungsetzung angeordnet hat, erlassenen Beschlüsse bekanntzugeben, da deren Kenntnis zur Würdigung des Sachverhalts notwendig ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher.
Herr Bundesjustizminister, wenn ich Ihre Begründung dafür akzeptiere, daß eine Genugtuung nicht am Platze ist, so möchte ich doch fragen: Ist die Bundesregierung heute bereit zu erklären, daß es auch unter Berücksichtigung der Situation im November 1962 objektiv voreilig war, die damaligen Beschuldigten als „Landesverräter" zu bezeichnen, und daß es objektiv weit übertrieben war, vom „größten Fall des Landesverrats" zu sprechen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann dazu eine abschließende Erklärung ebenso wenig abgeben wie zu den vorhergehenden Fragen. Herr Kollege Bucher, die damaligen Äußerungen beruhten auf den Vorgängen, die durch den Erlaß der Haftbefehle, durch den Erlaß des Durchsuchungsbefehls durch die zuständigen Gerichte geschaffen worden waren. Das Gericht, der Untersuchungsrichter sah den dringenden Tatverdacht als gegeben an. Nachdem die Sache hier im Bundestag erörtert wurde, mußte und durfte von dem damals vorliegenden Sachverhalt ausgegangen werden. Es ist sicherlich erfreulich, daß sich durch die weitere Untersuchung dieser Verdacht in diesem Maße nicht als begründet herausgestellt hat.
Noch eine Frage, Abgeordneter Dr. Bucher.
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Ist es nicht so, daß auch der Untersuchungsrichter nur von „dringend Tatverdächtigen" gesprochen hat und nicht von „Landesverrätern"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In dem Haftbefehl war aber der Tatbestand des Landesverrats als gegeben bzw. -die Betreffenden als dringend verdächtig angesehen worden, Landesverrat verübt zu halben.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Justizminister, halten Sie es für zulässig, jemanden als Landesverräter zu bezeichnen, wie das hier im Bundestag geschehen ist, bevor das Urteil gesprochen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die damalige Debatte und die damaligen Fragestunden kreisten um den damals gegebenen Sachverhalt, der durch die erlassenen Haftbefehle und Durchsuchungsbefehle umgrenzt war.
Infolgedessen mußten die Dinge, nachdem sie hier behandelt wurden, so angesprochen werden, wie sie nach der damaligen Sachlage gesehen wurden.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Bundesjustizminister, darf ich darauf aufmerksam machen, daß Sie meine Frage nicht beantwortet haben, die ganz klar so lautet: Halten Sie es für zulässig, jemanden als Landesverräter zu bezeichnen, wie es hier im Bundestag geschehen ist, bevor das Urteil gesprochen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach der Strafprozeßordnung hat jeder Beschuldigte als unschuldig zu gelten, bis er durch ein Urteil überführt ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Mommer.
Herr Minister, müßte nicht gerade dieser Satz, den Sie jetzt ausgesprochen haben, dazu führen, daß sich die Bundesregierung für die Beleidigungen entschuldigt, die sie ausgesprochen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die jetzige Bundesregierung hat, wenn Sie von Beleidigungen reden, solche Beleidigungen nicht ausgesprochen. Ichhabe gesagt, die Debatte hier ist auf Grund des damals bestehenden Sachverhalts geführt worden, nachdem der Untersuchungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehle wegen dringenden Verdachts des Landesverrats und einen Untersuchungsbefehl wegen dringenden Verdachts des Landesverrats erlassen hatte. Diesen Sachverhalt mußte die Bundesregierung damals zugrunde legen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Minister, ist nicht zumindest der 'Herr Innenminister — dieselbe Person heute und damals — die Person, die die Beleidigungen ausgesprochen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu diesen Fragen hat sich der Herr Innenminister anläßlich der Dringlichkeitsfragen, die Sie 'heute 'vorgelegt haben, auch bereits geäußert. Ich habe keine Veranlassung, den Herrn Innenminister dieserhalb zu korrigieren ader eine andere Meinung zu vertreten, als er für sein Ressort vertreten hat.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Bundesjustizminister, billigen oder mißbilligen Sie nach der eben erteilten Auskunft die damalige Äußerung des damaligen Bundeskanzlers?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist nicht meine Aufgabe, Zensuren zu erteilen.
Noch eine Frage.
Ich frage den Justizminister, ob er eine solche Haltung des damals verantwortlichen Bundeskanzlers in seiner Eigenschaft als Wahrer des Rechts, als Justizminister, billigt oder mißbilligt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich antworte Ihnen, daß nach den Richtlinien in der Fragestunde Vorgänge, Tatsachen erörtert und nicht Urteile abgegeben werden sollen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Bundesminister, würden Sie die Tatsache verstehen, daß ein klares Bekenntnis zum Irrtum und eine klare Entschuldigung der Bundesregierung uns im Ausland heute eine größere Genugtuung verschaffen würden als die Antworten, die Sie uns gegeben haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der gesamte Sachverhalt, der Beschluß des Bundesgerichtshots vom 13. Mai über die Außerverfolgsetzung ist ja veröffentlicht worden. Ich habe die beiden er-
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Bundesminister Dr. Weber.gänzenden Beschlüsse soeben bekanntgegeben. Daraus ergibt sich, daß die Sachlage nicht so zu beurteilen ist, wie Sie sie in Ihrer Frage ansprechen.
Wir kommen zur nächsten Frage, der Frage VI/3 — des Herrn Abgeordneten Schwabe —:
Wie hoch beziffern sich die dem Bund seither im Zusammenhang mit der Spiegelaffäre erwachsenen Ausgaben?
Bitte, Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Schwabe wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich weiter auf die Frage VI/4 — des Herrn Abgeordneten Schwabe —:
Welche weiteren Ausgaben im Zusammenhang mit der Spiegelaffäre sind noch zu erwarten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist zur Zeit nicht in der Lage, auch nur annähernd Auskunft darüber zu geben, welche Kosten dem Bund bisher in Zusammenhang mit dem vorbereitenden Verfahren erwachsen sind und welche weiteren Kosten noch entstehen werden. Wie ich bereits ausgeführt habe, schwebt das Verfahren gegen einige Beschuldigte noch. Erst nach Abschluß des gesamten Verfahrens wird festgestellt werden können, welche Kosten den Bund endgültig treffen.
Ich rufe zusätzlich noch die Frage VI/5 — des Abgeordneten Schwabe — auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, sofern es möglich ist, dritte Personen zum Ersatz der im Zusammenhang mit der Spiegelaffäre entstandenen Ausgaben heranzuziehen?
Bitte, Herr Bundesjustizminister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur dritten Frage des Herrn Abgeordneten Schwabe nehme ich wie folgt Stellung:
Bei dem gegenwärtigen Sachstand, wie er auch in den von mir in meiner Antwort auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut im Wortlaut mitgeteilten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck kommt, sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit, dritte Personen zum Ersatz der dem Bund erwachsenen Kosten heranzuziehen.
Abgesehen davon, daß nach diesen Beschlüssen ein begründeter Tatverdacht heute noch besteht,
darf ich Sie daran erinnern, daß das Vorgehen der Bundesanwaltschaft zu Beginn des Verfahrens auf richterliche Haftbefehle und richterliche Durchsuchungsbefehle gestützt war und daß im übrigen richterliche Beschlagnahmebeschlüsse sowie richter-
liche Haftprüfungsentscheidungen ergangen sind, in denen damals dringender Tatverdacht des Landesverrats bejaht worden ist.
Nach eine Frage? — Bitte Herr Abgeordneter Schwalbe.
Darf ich auf Grund der Beantwortung der seitherigen Fragen, Herr Bundesminister, und auch auf Grund der Stellungnahme zu den jetzt vorliegenden Fragen feststellen, daß der derzeitige Bundesjustizminister gegen den Ablauf der ganzen Affäre keine Einwendungen hat und daß er auch im Augenblick keine Möglichkeiten sieht, diejenigen Personen zur Verantwortung zu ziehen, die, wie viele Menschen glauben, nicht nur dem Ansehen der Bundesrepublik, sondern auch der Rechtsstaatlichkeit wirklichen Schaden zugefügt
und trotz der gebotenen Sparsamkeit der Verwaltung für die Bundesrepublik erhebliche Ausgaben veranlaßt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich folgendes sagen. Ich habe erklärt, daß die damals ergriffenen Maßnahmen auf richterlichen Handlungen beruhten. Ich halte mich als Exekutivorgan nicht für berechtigt, diese richterlichen Handlungen und Entscheidungen einer Kritik zu unterziehen. Ich muß sie genauso wie jetzt hinnehmen, ohne daß ich mich dazu äußern kann, ob sie vom damaligen Standpunkt aus gesehen richtig waren oder nicht. Es sind ja Beschwerden gegen die Beschlüsse eingelegt worden. Wie ich Ihnen mitgeteilt habe, sind diese Beschwerden verworfen worden.
Ein abschließendes Urteil — um damit zum zweiten Teil Ihrer Frage zu kommen — wird erst möglich sein, wenn das gesamte Verfahren durchgeführt ist und wenn alle in diesem Komplex anhängigen Verfahren abgeschlossen sein werden. Dann wird die Bundesregierung pflichtgemäß prüfen müssen, ob sie irgendwelche Personen wegen Amtspflichtverletzung oder sonstiger Tatbestände haftbar machen kann oder haftbar machen muß.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Schwabe.
Zur Erhellung meiner Auffassung darf ich Sie fragen, ob nicht z. B. die Hingabe von, ich glaube, 85 Verdachtsmomenten bei der Einleitung des Verfahrens aus heutiger Sicht auch als recht leichtfertig bezeichnet werden muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe einen Teil Ihrer Frage nicht verstanden, Herr Kollege Schwabe. Würden Sie Ihre Frage bitte wiederholen?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9391
Glauben Sie nicht, daß man bei der Hinreichung der Verdachtsgründe — es war von 85 die Rede —, bevor die Sache auf Gerichtsebene gelangt war, bereits recht leichtfertig vorgegangen ist und daß hier durchaus nicht nur im Bereich des Gerichts, sondern auch im Bereich der Staatsorgane gehandelt worden ist? Und um Ihnen gleich eine weitere Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, darf ich Sie fragen: Glauben Sie nicht, daß, wo doch kleine Bedienstete zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie unnötig telefonieren,
auch nächtliche Telefongespräche nach Spanien einer Kritik zu unterliegen haben?
Können Sie ihre Fragen nicht kürzer fassen, Herr Kollege?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte Ihnen antworten, daß wir auch diese Fragen überprüfen werden. Sie wissen doch, daß in dem zuletzt angesprochenen Komplex noch ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist. Ich werde mich hüten, vor Erledigung dieses Verfahrens zu dem Fragenkomplex Stellung zu nehmen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Bundesminister, gilt Ihre soeben gegebene Darstellung auch für alle Handlungen des früheren Verteidigungsministers Strauß in der „Spiegel"-Affäre?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gerade in meiner letzten Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Schwabe erwähnt, daß insoweit noch ein Ermittlungsverfahren anhängig ist. Vor dessen Abschluß bedauere ich, mich nicht äußern zu können.
Herr Abgeordneter Börner!
Ich darf die Frage vielleicht noch einmal konkretisieren: Gilt Ihre Darstellung, daß alle Handlungen auf richterliche Anweisungen bzw. Haftbefehle und Ähnliches gestützt seien, auch für das Verhalten des Bundesverteidigungsministers Strauß in der „Spiegel"-Affäre?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe Ihnen erklärt und bleibe dabei, daß gerade dieses Verhalten des früheren Bundesministers Dr. Strauß Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens ist, dessen Ausgang abgewartet werden muß. Es wäre ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren, wenn ich mich zu dieser Frage jetzt schon äußerte.
Herr Abgeordneter Vogt zu einer Frage.
Herr Justizminister, glauben Sie nicht, daß es außerordentlich leichtfertig ist, hier im Hause — wie es der Herr Kollege Schwabe getan hat — davon zu sprechen, daß die Bundesanwaltschaft im Verfolg der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen leichtfertig vorgegangen sei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß die Bundesanwaltschaft leichtfertig vorgegangen ist, und habe mich deshalb auch hinter die Erklärung gestellt, die der Generalbundesanwalt nach Abschluß des Verfahrens abgegeben hat.
Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet. Der Herr Bundesjustizminister hat nicht die dankbarste Aufgabe gehabt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Drucksache IV/3437).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Winter. — Herr Dr. Winter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft hat der Bundestag in seiner 174. Sitzung am 19. März novelliert. Der Bundesrat hat wegen einer Bestimmung den Vermittlungsausschuß angerufen. In dem Gesetz ist die Errichtung eines Stabilisierungsfonds als Körperschaft des öffentlichen Rechts bestimmt. Nach bisherigem Recht wird der Stabiliserungsfonds von einem Vorstand verwaltet, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht. De facto, also auch noch gesetzesmäßig, besteht der Vorstand aus vier Mitgliedern, von denen zwei nur nebenberufliche Vorstandsmitglieder dieses Stabilisierungsfonds sind. Der Bundestag hat in seinem Beschluß diesen tatsächlichen Zustand sanktioniert, indem er festgelegt hat, daß der Vorstand in Zukunft höchstens aus vier Personen bestehen soll, von denen zwei ehrenamtliche oder nebenberufliche Mitglieder sein sollen.Im Vermittlungsausschuß ist auf Anregung des Bundesrats beschlossen worden, § 11 Abs. 1 Satz 1 die Fassung zu geben:Der Vorstand besteht aus höchstens drei Personen. Damit sind in Zukunft nebenberufliche Mitglieder nicht mehr möglich. Die drei Personen des Vorstands müssen in Zukunft hauptberufliche Vorstandsmitglieder des Stabilisierungsfonds sein.Ich muß Sie als Berichterstatter bitten, dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
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9392 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Werden zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses Erklärungen der Fraktionen abgegeben? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Drucksache IV/3438).
Berichterstatter wäre Herr Minister Lemmer. Ich sage: „wäre"; Herr Minister Lemmer hat mitteilen lassen, daß sein Wagen infolge großer Verkehrsstauungen auf der Autobahn eingeklemmt ist und er deshalb nicht rechtzeitig hier sein kann. Er hat seinen Bericht schriftlich vorgelegt. Der Bericht könnte zu Protokoll gegeben werden, wenn das Haus damit einverstanden wäre. — Ich nehme an, daß das der Fall ist. Der Bericht wird also zu Protokoll genommen. *)
Werden dazu Erklärungen der Fraktionen abgegeben? — Das ist nicht der Fall. Über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses ist im ganzen abzustimmen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Vorschläge sind einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
a) Dritte Beratung ides von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Aktiengesetzes
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
b) Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wilhelmi. *) Siehe Anlage 2
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vor der allgemeinen Aussprache noch einige Anträge zu stellen. Es handelt sich dabei zunächst um den Antrag, die Berichtigung eines Schreibfehlers vorzunehmen. Im § 178 Satz 1 bitte ich hinter die Worte „die Bekanntmachung" die Worte „der Eintragung" zu setzen. Das ist vergessen worden.
Ich darf ferner — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — gleich zu einem Änderungsantrag aller Fraktionen sprechen. Es handelt sich um den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 653**). In Ziffer 1 geht es um eine kleine sachliche Ergänzung. Sie werden sich erinnern, daß in der zweiten Lesung dieses Gesetzes über § 122 a Abs. 5 eine Aussprache stattgefunden hat, weil die Aktionärsvereinigungen glaubten, durch diesen Absatz Pflichten auferlegt zu bekommen, die sie nicht tragen könnten. Ich habe damals den Standpunkt vertreten, daß das nicht der Fall sei, sondern daß das Anliegen über den § 121 Abs. 1, auf den Bezug genommen wurde, sachlich erledigt sei.
Die Aktionärsvereinigungen haben trotzdem Bedenken und haben um Klarstellung dieser nicht ganz unstreitigen Frage im Gesetz gebeten. Ich darf Ihnen deshalb vorschlagen, und zwar im Einverständnis aller Fraktionen, dem § 122 a Absatz 5 Satz 1 folgende Fassung zu geben :
Gehören einer Vereinigung von Aktionären Aktionäre der Gesellschaft als Mitglieder an, so hat die Vereinigung die Mitteilungen nach § 121 Abs. 1 an diese Mitglieder auf deren Verlangen unverzüglich weiterzugeben.
Neu sind die Worte: „auf deren Verlangen".
Ich darf bitten, hierüber abzustimmen.
Das ist also der Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 1. — Ich bin in einer etwas schwierigen Lage. Die Herren Abgeordneten fangen bereits mit der Begründung der Anträge an. Im allgemeinen geht der dritten Beratung eine allgemeine Aussprache voraus. Ich muß versuchen, mit diesem Problem fertig zu werden. Ich schlage vor, daß wir jetzt einfach die Anträge nacheinander behandeln und die Vorlage so bereinigen, daß schließlich die Aussprache über die vollbrachte Tat stattfinden kann.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Umdruck 653 Ziffer 1 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Bitte, Herr Abgeordneter Wilhelmi.
Zu dem Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 2 ist eine sachliche Begründung nicht erforderlich, weil es sich lediglich**) Siehe Anlage 3
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9393
Dr. Wilhelmium die Berichtigung von Druckfehlern handelt. Ich glaube, daß über die Ziffern 2 a und 2 b zusammen abgestimmt werden kann.
Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 653 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelmi zur Begründung des Antrags Umdruck 659 *).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle diesen Antrag nicht gern, und zwar deshalb nicht, weil die zweite Lesung ergeben hat, daß der Gesetzentwurf von den verschiedenen beteiligten Ausschüssen in sachlicher Weise sehr sorgfältig vorbereitet worden ist. Obwohl in der zweiten Lesung immerhin noch ungefähr 20 Anträge gestellt worden sind, hat sich eigentlich keine sachliche Änderung von wesentlicher Bedeutung ergeben. Meine Freunde waren deshalb der Auffassung, daß das Gesetz ohne zusätzliche Anträge in der dritten Lesung verabschiedet werden sollte.
Da aber von anderer Seite sehr wichtige Anträge gestellt worden sind, über die wir in der zweiten Lesung schon abgestimmt haben, und auch ein neuer Antrag, der Gegenstand eingehender Beratungen in den Ausschüssen gewesen ist, nunmehr in der dritten Lesung gestellt wird, was selbstverständlich geschäftsordnungsmäßig durchaus denkbar ist, hat sich auch meine Fraktion entschlossen, ihrerseits einen Änderungsantrag zu stellen.
Er bezieht sich auf den § 97 Abs. 2. In der zweiten Lesung ist beschlossen worden, die Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten, die ein Einzelner auf sich vereinigen kann, von 15 auf 10 herabzusetzen. Meine Freunde beugen sich dieser Entscheidung des Hohen Hauses, obwohl sie anderer Ansicht sind. Sie wollen an diesem Grundsatz nichts ändern. Wir sind aber der Auffassung, daß der Antrag, der angenommen worden ist, in einem Punkt zu sachlichen Schwierigkeiten führt, nämlich dann, wenn in einer Muttergesellschaft mehrere Töchter vorhanden sind und diese Töchter naturgemäß von Vorstandsmitgliedern betreut werden müssen. Es kommt häufig vor, daß ein besonderes Vorstandsmitglied mit der Betreuung dieser Töchter beauftragt wird.
Wir sind in unserer Fraktion der Auffassung, daß dieser Fall grundsätzlich anders liegt als der Normalfall. Die Herabsetzung von 15 auf 10 Sitze wurde damit begründet, daß niemand neben seiner normalen Arbeit in der Wirtschaft auch noch die Arbeit für mehr als 10 Aufsichtsratssitze bewältigen könne. Dem stimmen wir zu, und daran wollen wir auch gar nichts ändern. Aber wir sind der Auffassung, daß es möglich sein muß, daß jemand aus seiner Stellung in der Wirtschaft — weil er nämlich Vor-
*) Siehe Anlage 4
standsmitglied einer Muttergesellschaft ist — mehr als 10 Aufsichtsratssitze innehaben kann.
Auch hier wollen wir die Kirche im Dorf lassen. Ich habe Ihnen deshalb einen Antrag vorzulegen, der eine Ausnahme von der Höchstzahl von 10 Sitzen nur für den Fall vorsieht, daß es sich um Konzerngesellschaften handelt, und auch da haben wir die Höchstgrenze von 15 Sitzen bestehen lassen, so daß ich glaube, daß gegen diesen Antrag sachlich nichts einzuwenden ist und er faktisch den Entschlüssen dieses Hauses in der zweiten Lesung Rechnung trägt.
Wird zu diesem Antrag weiter das Wort gewünscht? Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch diesen Antrag auf Umdruck 659 soll der in der vorigen Woche gefaßte Beschluß praktisch wieder aufgehoben werden. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Aktiengesetz gilt für alle Gesellschaften gleich. Es macht keine Unterschiede zwischen großen und kleinen oder zwischen abhängigen und unabhängigen Gesellschaften. Dazu ist zu sagen, daß die abhängigen Gesellschaften durchaus nicht immer die kleinen sein müssen, ja, daß sie sogar häufig sehr groß sind. Jedes Mitglied eines Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft hat also gleiche Rechte und Pflichten, und es sollte deswegen im Gesetz nicht unterschieden werden zwischen wichtigen Aufsichtsräten und unwichtigeren, die man sozusagen mit der linken Hand führen kann.
Ich bitte deswegen im Namen meiner Fraktion, diesen Antrag auf Umdruck 659 abzulehnen.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag habe ich namens meiner Fraktion folgendes zu sagen. Auch die Fraktion der FDP hat in der zweiten Lesung erklärt, daß sie aus Gründen, die ich nicht wiederholen möchte — insbesondere aus Gründen der Praktikabilität —, der Auffassung sei, daß eine Beschränkung auf 10 Sitze eine zu starke Beschränkung sei. Wir waren vielmehr der Auffassung, 15 sei die richtige Zahl. Diese Auffassung haben wir vorgetragen. Wir haben keine Veranlassung, sie zu ändern. Wir haben aber ebenso, wie der Herr Kollege Wilhelmi vorgetragen hat, unsererseits die Entscheidung dieses Hohen Hauses akzeptiert und hatten nicht die Absicht, sie zu verändern.Die Stellungnahme unserer Fraktion ergibt sich also einmal aus der Tatsache, daß wir ursprünglich eine größere Zahl für zweckmäßig hielten, zum anderen daraus, daß wir der Meinung waren, daß in dieser Lesung keine Änderungen erfolgen sollten. Wir werden also aus unserer Grundhaltung zu diesem Antrag in der Abstimmung Stellung nehmen.
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9394 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 659.
— Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die
Unterhaltungen einzustellen und Platz zu nehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 659. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erstere war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Beratungen fortführe, darf ich Gelegenheit nehmen, Gäste zu begrüßen. Es sind Mitglieder der Finanzkommission der französischen Nationalversammlung, die oben auf der Tribüne sitzen. Ich begrüße die Herren von Herzen als Vertreter eines befreundeten Landes.
Wir fahren in der Beratung fort. Zu § 104 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 656 *) vor. Soll dieser Antrag begründet werden? — Das Wort hat der Abgeordnete Matthöfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der dritten Lesung schlägt Ihnen die SPD jetzt auf Umdruck 656 vor, in § 104 Abs. 1 nach Satz 1 einen neuen Satz einzufügen, der vorschreibt, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder ein Stellvertreter ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer sein soll.Zu § 104 Abs. 2 beantragen wir, daß in allen Fällen, in denen im Aufsichtsrat auch Mitglieder der Arbeitnehmer vertreten sind, jedem Ausschuß mindestens ein Aufsichtsratsmitglied der Kapitaleigner und ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören müssen, es sei denn, der Aufsichtsrat beschließt mit mehr als zwei Dritteln seiner Mitglieder eine andere Regelung.Ich möchte hier nicht noch einmal die sachlichen Gründe vortragen, die für eine solche Regelung sprechen. Ich darf aber auf einige politische Zusammenhänge verweisen, die, so glaube ich, mit dem Selbstverständnis und mit der tatsächlichen Funktion eines Teils der CDU/CSU-Fraktion zu tun haben. Auf der Bundeskonferenz des Ständigen Ausschusses der christlich-sozialen Arbeitnehmerkongresse erklärte Herr Wolfgang Vogt — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:Die Sicherung und der Ausbau der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb und' auf überbetrieblicher Ebene ist nur die logische Konsequenz der tatsächlichen betrieblichen, wirtschaftlich-technischen Partnerschaft und der Anforderungen an die Verantwortungsbereitschaft der Arbeitnehmer heute ... Beim derzeitigen Stand unserer gesellschaftlichen Entwicklung stellt sich also die Frage nach der Sicherung und dem Ausbau der Positions- und Bestimmungsrechte der Arbeitnehmerschaft, nach*) Siehe Anlage 5der institutionell verankerten betrieblichen und überbetrieblichen Partnerschaft, nach größerer Selbstverantwortung und Selbstbestimmung ... der Arbeitnehmer in Wirtschaft und Gesellschaft.Das sind gute Worte. Denen kann man zustimmen. Das ist sozialdemokratische Terminologie.
Herr Vogt sagt dann weiter:
Die Diskussion um die Aktienrechtsreform hat aber auch erwiesen, daß eine Neugestaltung des Gesellschaftsrechts eine vordringliche Aufgabe des nächsten Deutschen Bundestages sein muß. Bei dieser Reform muß das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer organisch in das Gesellschaftsrecht eingefügt werden. Unsere Betriebs- und Unternehmensverfassung darf nicht ausschließlich auf dem Eigentumsrecht aufgebaut sein. In ihm müssen die Positions- und Bestimmungsrechte der Arbeitnehmerschaft verankert werden. Nur so können wir dem tatsächlichen Stand unserer Wirtschaft und den modernen Entwicklungen Rechnung tragen.Meine Damen und Herren, wir wollen ja mit unserem Antrag gar nicht das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer organisch in das Gesellschaftsrecht einfügen. Wir wollen nur einige tatsächliche Verschlechterungen, die durch das Aktienrecht für die Mitbestimmung gebracht werden, durch einen winzigen Fortschritt auf einem anderen Gebiet einigermaßen kompensieren.Herr Vogt — und das ist das letzte Zitat — stellt unter anderem drei Grundsätze auf; er sagt:1. Die paritätische wirtschaftliche Mitbestimmung muß auf alle Großunternehmungen ausgedehnt werden, die den Unternehmen der Montanindustrie gleichartig sind.2. Das Mitbestimmungsrecht des Arbeitnehmers muß auch die Gestaltung seines persönlichen Arbeitsverhältnisses umfassen.3. Die im Betriebsverfassungsgesetz und in den Personalvertretungsgesetzen verankertenMitbestimmungsrechte in personellen Fragen, die zum Teil nur eine Mitwirkung vorsehen, sollten ausgeweitet werden. Dabei muß sichergestellt sein, daß der Grundsatz der Demokratie im Betrieb gewährleistet wird.Jeder von uns wird dem zustimmen. Aber was sind diese Worte — „Das Mitbestimmungsrecht des Arbeitnehmers muß auch die Gestaltung seines persönlichen Arbeitsverhältnisses umfassen" — wert? Das sind Worte, die mir aus dem Herzen gesprochen sind, genauso wie die betreffenden Passagen der Enzyklika „Mater et magistra" mir und meinen Freunden aus dem Herzen gesprochen sind.
— Christliche Politik hat sich nicht nur auf demGebiete von Schmutz und Schund zu bewähren.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9395
MatthöferChristliche Politik ist kein Abstraktum. Christliche Politik konkretisiert sich in jeder tagespolitischen Entscheidung, auch in der Entscheidung über das Mitbestimmungsrecht.
Der Abgeordnete Katzer erklärte auf dem Parteitag der CDU nach dem Industrie-Kurier vom 1. April 1965:
Meine Damen und Herren, ich muß doch bitten, daß die Unterhaltungen im Saal eingestellt werden. Nicht mal hier oben kann man den Redner genau verstehen. Ich glaube, das ist eine Mißachtung des jeweils Sprechenden, die wir uns nicht leisten sollten. Man kann doch die Unterhaltungen auch in den Nebenräumen stattfinden lassen; dafür sind diese nämlich da.
Der Abgeordneter Katzer erklärte nach dieser Pressemeldung, daß man gegen einen kalten Abbau der Mitbestimmung im Zuge von Unternehmensfusionen sei. Der Bundesarbeitsminister Blank erklärte nach einer Meldung des Handelsblatts vom 1. April 1965, die Mitbestimmung habe sich ganz zweifellos bewährt; sie dürfe nicht auf kaltem Wege ausgehöhlt werden.
Der Abbau der Mitbestimmung im Zuge von Unternehmensfusionen findet aber doch statt; er vollzieht sich vor unseren Augen. Und was tun Sie, was tut die Regierungskoalition dagegen? Mit der Verabschiedung dieser Aktienrechtsreform werden die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer weiter verschlechtert. In § 55, Herr Dr. Wilhelmi, in § 81, im § 95 und im Einführungsgesetz wird die Mitbestimmung ausgehöhlt.
Was ist das Wort eines Ministers dieser Regierung wert, man dürfe die Mitbestimmung nicht auf kaltem Wege aushöhlen, wenn die Regierungskoalition ganz andere Dinge beschließt. Wird hier das alte Spiel gespielt, das man in Lateinamerika mit dem Sprichwort bezeichnet: Die politische Macht ist wie eine Geige: man ergreift sie mit links und spielt sie mit rechts? Das ist sicher nicht die Absicht derjenigen, die sich in Ihren Reihen für die Mitbestimmung aussprechen.
Ich bitte die konservative Mehrheit der CDU- Fraktion dringend, ihr Verhältnis zu dieser kleinen Minderheit, die das Mitbestimmungsrecht ausdehnen will, zu überprüfen; ich bitte Sie, gemeinsam mit dieser Minderheit für unsere Anträge zu stimmen.
Ich beantrage, Herr Präsident, getrennte Abstimmung und namens meiner Fraktion zu Ziffer 2 des Umdrucks 656 namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelmi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Je länger wir über den § 104 sprechen, desto hitziger werden wir. Einige meiner Freunde — nicht die, die Sie soeben angesprochen haben, sondern andere — haben gemeint, ich hätte mich schon in der zweiten Lesung über den § 104 ungebührlich aufgeregt. Ich werde mich also bemühen, das heute zu unterlassen.Trotzdem kann ich nun einmal nicht anders, als sagen, daß mir diese Angelegenheit vom rechtlichen Standpunkt, also als Jurist, der ich nun einmal bin, und als Politiker, der ich gern sein möchte, gleich stark am Herzen liegt.Meine Damen und Herren, glauben Sie mir doch, daß es schlecht ist, wenn sich der Gesetzgeber auf Einzelheiten einläßt, die nicht in ein großes richtungweisendes Gesetz, sondern in die Geschäftsordnung eines Aufsichtsrats gehören. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Wir versuchen hier, einen Gesetzesperfektionismus zu treiben, der uns manchmal schon große Schmerzen gemacht hat und der ganz gewiß nicht gut ist.Es ist Aufgabe eines Gesetzgebers, Weichen für ein Menschenalter zu stellen. Wir hoffen, daß unsere Gesetze so lange wirksam bleiben, wenn sie modern und gut gestaltet werden. Ich glaube, im ganzen kann man das über dieses Aktienrecht sagen.Nun wird von Ihnen gesagt: Wir müssen das Mitbestimmungsrecht berücksichtigen. Natürlich berücksichtigen wir es, wenn wir das jetzt geltende Mitbestimmungsrecht da, wo es logisch notwendig ist, einbauen. Aber wir haben ebenso klar zum Ausdruck gebracht, daß die Frage, wie und in welcher Form das Mitbestimmungsrecht weiter zu gestalten ist, nicht Gegenstand dieses Gesetzes ist.Meine Damen und Herren, ich habe selber an der Verhandlung zwischen dem Präsidium der Gewerkschaften und meiner Partei, der CDU, teilgenommen. Wir sind uns völlig darüber klar geworden, daß die Überprüfung des Mitbestimmungsrechts in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden muß; das ist eine ganz selbstverständliche Sache.Glauben Sie uns, daß es hier nicht darum geht, irgend etwas gegen das Mitbestimmungsrecht zu tun. Es geht vielmehr darum, eine saubere rechtliche und politische Lösung zu finden, politisch in dem Sinne, daß wir keine Barrieren zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrats aufrichten. Ich kann nur auf das verweisen und es wiederholen, was ich in der zweiten Lesung gesagt habe: Aufsichtsratsmitglieder sind in dem Augenblick, in dem sie im Aufsichtsrat sind, völlig gleichberechtigt. Es wäre ein grundsätzlicher Fehler, vom Rechtlichen und vom Politischen her Verschiedenheiten aufzurichten.Ich darf Sie deshalb bitten, beide Anträge auf Umdruck 656 abzulehnen.
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9396 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß eine Wiederholung von Argumenten die Grundsatzfrage der Lösung näherbringen würde. Ich darf mich auf folgende Bemerkungen beschränken.
Herr Kollege Matthöfer, Sie haben davon gesprochen, wir stünden im Begriff, die Mitbestimmung bis zu einem gewissen Grade auszuhöhlen, und meinten, es sei organisch, daß in dieser Sache etwas im Sinne Ihrer Anträge gemacht werden müsse. Wir sind genau der umgekehrten Meinung: daß es völlig unorganisch ist, hier eine Teillösung — wenn sie eine solche darstellen sollte — vorzuziehen, die in die grundsätzliche Rahmenbetrachtung der Mitbestimmung gehört.
Ich bin nicht dazu berufen, darüber zu sprechen, ob die Wege, die Sie vorgeschlagen haben, überhaupt in Ihrem Interesse die richtigen sind. Vielleicht kann eine ruhigere Betrachtung der Mitbestimmung im nächsten Bundestag zu ganz anderen Konstruktionen kommen, die der Versöhnung zwischen Kapital und Arbeit wesentlich dienlicher sind.
Ich glaube auch nicht, daß es nützlich wäre, nunmehr einzelne Erklärungen vorzulesen, die der eine oder andere in dein letzten Tagen der Presse gegenüber abgegeben hat. Meine Herren, diese Erklärungen sind meistens, wie sich herausstellt, wenn sie im einzelnen nachgeprüft werden, vom Redner so oder so ganz anders definiert, oder sie werden von ihm anders ausgelegt. Sie berufen sich dann darauf, daß sich die Aushöhlung darin zeige, daß wir z. B. die Vorschrift des § 55 eingeführt hätten. Man kann doch nur eines. Wenn wir mit dieser Aktienrechtsreform den Grundsatz verwirklichen, die Stellung des Aktionärs und damit der Hauptversammlung zu stärken, können Sie diesen Grundsatz nicht in dem Augenblick verlassen, wo Sie meinen, diese Bestimmung aus Gründen der Mitbestimmung anders fassen zu sollen.
Wir sind also nicht in der Lage, einem nach unserer Auffassung unorganischen Vorziehen in diesem Gesetze Rechnung zu tragen, zumal materiell auch gar kein Anlaß dafür vorliegt, weil nach unserer Auffassung keine Verschlechterung eintritt. Namens der Fraktion der FDP erkläre ich daher, daß wir beide Anträge ablehnen werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 656 ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist nicht ganz einfach zu entscheiden. Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Es ist auch jetzt noch nicht ganz klar.Wir müssen auszählen. Ich bitte, den Saal zu verlassen.Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt.Insgesamt haben abgestimmt 351 Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 166, mit Nein 183 Abgeordnete, zwei haben sich der Stimme enthalten. Der Änderungsantrag Umdruck 656 Ziffer 1 ist abgelehnt.Zu Ziffer 2 ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist genügend unterstützt. Wir kommen. zur Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, die Urnen in Bewegung zusetzen.Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Insgesamt sind 351 Stimmen sowie 16 Stimmen von Berliner Abgeordneten abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 167 Mitglieder des Hauses und 12 Berliner Abgeordnete; mit Nein haben gestimmt 177 Mitglieder des Hauses und 4 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich 7 Abgeordnete. Der Antrag auf Umdruck 653 ist demnach abgelehnt.Ja CDU/CSUArndgenBaldaufBalkenhol BrückDr. Even ExnerDr. Gossel Gottesleben HärzschelHahn Harnischfeger HeixKlein Lenz (Brühl) MaucherMeisMüller Müller (Remscheid) Dr. PoepkeRollmann Rommerskirchen Scheppmann Schneider Frau Stommel TerieteVarelmann Verhoeven WinkelheideBerliner Abgeordnete Müller
SPDFrau AlbertzAnders AugeBading Bäuerle Bäumer BalsBauer Dr. BechertBehrendt BergmannBerkhan BerlinBeusterFrau Beyer BiermannBlachsteinDr. BleißBörnerDr. h. c. BrauerBruseBuchstallerCorterierCramer DiekmannFrau DöhringDröscherFrau EilersDr. EpplerErlerEschmannFiggen Flämig Folger Franke Dr. FredeFrehseeFrau Freyh FritschGerlachHaage
Hansing Hauffe HeideDr. Dr. Heinemann HellenbrockFrau HerklotzHermsdorf
HöhneHörmann
Hübner HufnagelHussongJacobi
Jacobs JahnDr. h. c. JakschJürgensenJunghansJunker Kaffka Kahn-Ackermann
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 3997
Vizepräsident SchoettleFrau Kettig Frau Kipp-KauleDr. KochKoenen KohlbergerKrausDr. Kübler Kurlbaum Lange Langebeck LautenschlagerLemperLücke Maibaum MarquardtMarxMatthöfer Matzner Frau MeermannDr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Dr. MommerDr. MorgensternMüller Müller (Nordenham) Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Dr. Müller-Emmert NellenPaulPeiterDr. Pohlenz PorznerPriebeRavensRehsDr. Reischl ReitzDr. RinderspacherRitzelDr. Roesch RohdeRossFrau RudollSängerSaxowski Dr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenDr. Schmid Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Schmidt (Offenbach) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchwabe Seidel
SeifrizSeitherFrau SeppiDr. Stammberger Steinhoff StephanStriebeck Strohmayr Dr. Tamblé Wegener WelkeWelslauWeltner
Frau WesselWilhelm WolfFrau Zimmermann
Berliner AbgeordneteBartschFrau Berger-Heise BraunFrau KrappeLiehr
Frau Lösche Neumann
Dr. SchellenbergDr. Seume UrbanWellmannNeinCDU/CSUDr. AignerDr. AlthammerDr. ArtzingerDr. Barzel Bauknecht BauschDr. Becker
Becker BerberichDr. Besold BewerungeBiecheleDr. BirrenbachFrau Dr. BleylerBlöckerBlumenfeldDr. Böhm Böhme (Hildesheim)Dr. Brenck BreseBühlerDr. Conring van Delden DeringerDr. Dichgans Diebäcker EhnesEichelbaumDr. ElbrächterFrau EngländerEtzelFalkeDr. Franz FranzenDr. Frey
Gaßmann GedatGehringFrau GeisendörferDr. Gerlich GibbertDr. GleissnerGlüsing
Dr. GötzDr. h. c. GüdeFrau Haas Haase
Dr. von Haniel-Niethammer Dr. HauserHöcherlHörnemann
HöslHolkenbrink HornDr. Huys Illerhaus Frau Jacobi
Dr. Jaeger Frau KalinkeDr. Kanka Frau KleeDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr Dr. Kopf KrügerKrugFrau Dr. KuchtnerKühn
Kuntscher KurtzLeichtLemmrich Leonhard LeukertMajonica Memmel MengelkampMenkeNieberg Niederalt Dr. Dr. OberländerFrau Dr. PannhoffDr. Pflaumbaum Dr.-Ing. PhilippFrau Pitz-Savelsberg Dr. PreißFrau Dr. ProbstRasnerRauhausDr. ReinhardRufSchleeSchlickDr. Schmidt SchmückerSchulhoffDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Dr. SerresDr. Siemer SpiesStauchDr. Stecker SteinStooßStormStraußStruveDr. SüsterhennTobabenDr. Dr. h. c. Toussaint Dr. Freiherrvon Vittinghoff-Schell VogtWagner Dr. WahlDr. Weber WeiglWeinkamm WeinzierlFrau Welter WernerDr. WilhelmiDr. Willeke Windelen Dr. Winter Wittmann Wittmer-EigenbrodtDr. WuermelingZieglerDr. ZimmerBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlFrau Dr. Maxsein StinglFDPDr. Aschoff Dr. Bucher Burckardt BusseDr. Danz Dr. Dehler DenekeFrau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. DörinkelDornDürrEisenmann ErtlFrau Funcke
Dr. Hamm HammersenDr. Hellige Dr. Hoven Dr. ImleDr. Kohut Kreitmeyer Dr. KrümmerKubitzaDr. Löbe Logemann MaukDr. h. c. Menne MertesMischnickFreiherr von Mühlen MurrOlleschPeters RammsReichmann Dr. Rutschke SanderSchmidt
SchultzSoetebier Spitzmüller Dr. SupfWächter WalterWeber
EnthaltenCDU/CSUBaier
Häussler JostenLenze
Dr. LudaFrau Schroeder
Fraktionslos GontrumWir fahren in der Beratung fort. Zu § 122 a ist bereits ein Antrag aller Fraktionen angenommen worden.Ein weiterer Antrag liegt auf Umdruck 657 *) vor. Nach diesem Antrag soll nach § 381 b ein § 381 c eingefügt werden. Wird dieser Antrag begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.*) Siehe Anlage 6
Metadaten/Kopzeile:
9398 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts dieser Stimmungslage und dieser festgefahrenen Fronten des Hohen Hauses ist es wohl nicht sehr sinnvoll, die Anträge ausführlich zu begründen. Ich möchte zunächst zwei Druckfehler im Umdruck 657 berichtigen. Auf Seite 2 muß es im Absatz 2 in der dritten Zeile statt „daß der Vertrag nach § 131 c Abs. 3" heißen: „daß der Vertrag nach § 381 c Abs. 3". Ferner muß es in der viertletzten Zeile dieses Abs. 2 statt „uns zu erklären" heißen: „nur zu erklären".
Bei diesem Antrag geht es nicht so .sehr um die Aktienrechtsreform, sondern vielmehr um das Kontrollrecht dieses Hauses, um das Kontrollrecht auch der Länderparlamente. Nach der Reichshaushaltsordnung und auch nach deren Novellen von 1930 und 1933 hatte der Rechnungshof die Möglichkeit, Bundesvermögen auch in Aktiengesellschaften, an denen der Bund beteiligt war, zu kontrollieren, und zwar nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung und den Bestimmungen der Satzung des Bundesrechnungshofs. In der jetzigen Vorlage haben Sie dieses Recht gestrichen.
Dafür, daß dieser Passus nicht wieder aufgenommen wurde, wurden zwei Gründe angeführt. Zunächst wurde gesagt, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn hier das öffentliche Vermögen anders behandelt werde als das private Vermögen. Es gibt hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das zitiert wird. Dieses Urteil sagt aber ausdrücklich, daß diese Kontrolle möglich sei, wenn es sich nicht um eine widernatürliche Ausnahme handle. Hier in der Frage des Bundesvermögens handelt es sich meiner Ansicht nach absolut nicht um eine widernatürliche Ausnahme, sondern um eine sich aufdrängende Ausnahme; denn das Vermögen des Bundes, bestehend sozusagen aus Steuergeldern, muß in der Frage des Kontrollrechts schließlich anders behandelt werden als das private Vermögen.
Zweitens wird zur Begründung der Ablehnung dieses unseres Antrages gesagt, man sollte diese Änderung in die Reform des Haushaltsrechts einbauen. — Meine Damen und Herren, wenn wir darauf warten wollen, bis ein neues Haushaltsrecht geschaffen wird, dann glaube ich nicht, daß wir unserem Auftrag, die Kontrolle des Parlaments bei öffentlichem Vermögen zu behalten, gerecht werden.
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Der Bund hat es sehr bedauert, daß die Stiftung des Volkswagenwerks, obwohl es in der Satzung steht, die Ausübung des Kontrollrechts abgelehnt hat. 'Das ist genau die Frage, auf die es bei diesem Antrag ankommt.
Ich begründe diesen Antrag nicht nur für meine Fraktion, obwohl meine Fraktion ihn aufgenommen hat. Es gab einmütige 'Meinungen und einstimmige Beschlüsse sowohl im Rechnungsprüfungsausschuß als auch im Haushaltsausschuß, daß man dieses Kontrollrecht wieder verankern sollte.
Ich halbe die Kollegen der CDU, die die Anträge im Haushaltsausschuß mit behandelt haben, gefragt, warum wir nicht ,zu einem interfraktionellen Antrag kommen könnten. Man sagte: Wir haben es prinzipiell abgelehnt, in der dritten Lesung Anträge zu stellen, und aus diesem Grunde können wir das nicht. In der Sache sind sie aber nach wie vor der Meinung, daß hier das Kontrollrecht des Parlaments erhalten bleiben sollte.
Meine Damen und Herren, das Bestreben, sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben außerhalb der Behörden stehender Einrichtungen zu bedienen, wird immer größer. Es werden Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stiftungen und Vereine errichtet, und der Bund ist immer mit dem öffentlichen Vermögen, sei es zu 50%, sei es 25%, beteiligt. Wir haben bisher die Möglichkeit gehabt, über die Berichte des Bundesrechnungshofs auch die Geschäftsführung zu kontrollieren. Nun will man uns darauf verweisen, daß der Bund durch die Wirtschaftsprüfer die Möglichkeit habe, die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung 'zu kontrollieren. Meine Damen und Herren, nennen Sie mir einen Fall, wo es heute noch bei so großen Gesellschaften die Möglichkeit gibt, Fehler in der Bilanz oder in der Gewinn- und Verlustrechnung festzustellen. Die Wirtschaftsprüfer sind inzwischen so geschult, daß man dieses Recht nicht mehr als ein Kontrollrecht des Parlaments und überhaupt als ein Kontrollrecht ansehen kann.
Uns kommt es darauf an, daß der Bund dort, wo er mit 25 % an solchen Aktiengesellschaften beteiligt ist, entweder durch Beschluß mit Dreiviertelmehrheit der Generalversammlung oder durch die Satzung die Möglichkeit hat, auch die Geschäftsführung zu überprüfen und in die Details der Rechnungsführung zu gehen. Das ist der entscheidende Punkt. Nachdem wir es bei dem großen Volumen des Bundeshaushalts generell sowieso immer schwieriger mit der Kontrolle durch dieses Haus haben, wäre es angebracht, dem Antrag Umdruck 657 zuzustimmen, weil dadurch in unserem Interesse, im Interesse des Kontrollrechts der Gebietskörperschaften, d. h. insbesondere der Länderparlamente, die Möglichkeit geschaffen würde, daß der Rechnungshof uns als Abgeordnete jederzeit Aufklärung über die vermögensrechtliche Seite und über die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung gibt.
Ich möchte Sie bitten, dem Antrag Umdruck 657 zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere es und finde es einigermaßen überraschend, daß erst in der dritten Lesung ein so wichtiger Antrag, der allerhand Probleme aufwirft, gestellt wird,
so daß die Gelegenheit nicht — wie es im Ausschußder Fall gewesen wäre — gegeben ist, sich im ein-
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Bundesminister Dr. Weberzelnen mit den durch diesen Antrag aufgeworfenen Problemen auseinanderzusetzen.Um eins vorweg zu sagen: Es geht durchaus nicht darum, daß die in der Haushaltsordnung verankerten Rechte beseitigt werden. Sie sind — das will ich nicht leugnen — durch gewisse Gutachten, die in den letzten Jahren erstattet worden sind, in Zweifel gezogen worden. Entscheidungen von Gerichten liegen bisher zu dieser Frage überhaupt noch nicht vor. Nach der Auffassung der Bundesregierung sollte die Regelung dieses Problems einer Reform des Haushaltsrechts vorbehalten bleiben.Der als Hauptantrag gestellte Antrag auf Umdruck 657 soll, wenn ich ihn recht verstehe, die für die Haushaltskontrolle als erforderlich angesehenen Prüfungsrechte im Aktiengesetz selbständig, d. h. ohne Verweisung auf die Prüfungsvorschriften der Reichshaushaltsordnung regeln. Der Antrag geht anscheinend davon aus, daß die im wesentlichen aus dem Jahre 1922 stammenden Vorschriften der Reichshaushaltsordnung über die Prüfungsrechte bei rechtlich selbständigen Unternehmen durch die Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Aktienrechts überholt sind und daher für Aktiengesellschaften nicht mehr passen. Wenn man auch diesen Ausgangspunkt für richtig hält, so darf ich schon hier sagen, daß die Bundesregierung dem hilfsweise gestellten Antrag auf Umdruck 658, der die Prüfungsrechte bei Aktiengesellschaften durch Verweisung auf die Prüfungsvorschriften der Reichshaushaltsordnung regeln will, doch nicht zuzustimmen vermag. Denn die Prüfungsvorschriften der Reichshaushaltsordnung sind mit den aktienrechtlichen Prüfungsvorschriften, die durch die jetzt vorzunehmende Reform noch wirksamer und moderner ausgestaltet werden sollen, in keiner Weise abgestimmt.Seit 1931 unterliegt der Jahresabschluß aller Aktiengesellschaften unter Einbeziehung der Buchführung und des Geschäftsberichts der aktienrechtlichen Pflichtprüfung. Das wird man berücksichtigen müssen. Diese Pflichtprüfung soll im Interesse aller Aktionäre und der sonst an der Gesellschaft Beteiligten eine ordnungsgemäße Verwaltung und Rechnungslegung sicherstellen. Sie erfolgt durch öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die aktienrechtliche Pflichtprüfung hat in mehr als dreißigjähriger Prüfungspraxis einen hohen Leistungsstand erreicht.Die Entwicklung und heutige Bedeutung der aktienrechtlichen Pflichtprüfung schließen es meines Erachtens in der Tat aus, im künftigen Aktiengesetz ohne weiteres auf die -Prüfungsrechte nach der Reichshaushaltsordnung zu verweisen. Das Gesetz würde damit neben der aktienrechtlichen Pflichtprüfung eine zweite Prüfung vorsehen, die — mag sie auch in der Praxis regelmäßig zugleich mit der aktienrechtlichen Pflichtprüfung durchgeführt werden — rechtlich eine doppelte Prüfung der Gesellschaften bedeuten würde. Es wäre schlechte Gesetzgebungsarbeit, wenn wir, wie es der Hilfsantrag — zu dem ich gleichzeitig Stellung nehmen darf — vorsieht, zwei Prüfungsformen, die zwar im Ansatz unterschiedlich, in ihrer praktischen Zielsetzung aber doch ähnlich sind, beziehungslos nebeneinanderstellen würden.Wenn ich mithin auch .den Ausgangspunkt des Hauptantrags für richtig halte, daß die für die Haushaltskontrolle erforderlichen Prüfungsrechte im Aktiengesetz selbständig, also ohne Verweisung auf die Prüfungsvorschriften der Reichshaushaltsordnung geregelt werden sollten, so habe ich doch gegen die im Umdruck 657 beantragten Vorschriften erhebliche rechtliche und auch rechtstechnische Bedenken. Meines Erachtens zeigt der vorliegende Antrag deutlich, daß das Verhältnis der haushaltsrechtlichen zur aktienrechtlichen Prüfung vor einer Neuregelung noch gründlich durchdacht werden muß. Bereits eine erste Durchsicht des Antrags, der in den Ausschußberatungen ja noch nicht einmal dem Grundgedanken nach gestellt worden ist, zeigt, daß er grundsätzliche Probleme aufwirft. Nach dem neuen § 381 c Abs. 1 sollen Gebietskörperschaften einen gesetzlichen Anspruch auf Aushändigung der Prüfungsberichte haben. Nach § 381 c Abs. 4 sollen Gebietskörperschaften — wenn ich die Vorschrift recht verstehe — auch unmittelbar auf Grund des Gesetzes berechtigt sein, zum Zweck der Rechnungsprüfung — was mit diesem im Aktienrecht sonst nicht gebräuchlichen Ausdruck gemeint ist, ist mir etwas unklar — Einsicht in den Betrieb und in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen. Derartige gesetzliche Rechte von Gebietskörperschaften würden sich von den Prüfungsrechten nach der Reichshaushaltsordnung grundsätzlich unterscheiden. Die Reichshaushaltsordnung hat bewußt von gesetzlichen Sonderrechten der öffentlichen Hand abgesehen. Das wird man nicht außer acht lassen dürfen. In der Begründung des Regierungsentwurfs der Reichshaushaltsordnung heißt es eindeutig, daß der öffentlichen Hand bei Beteiligung an einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen nur diejenigen Rechte zustehen sollen, die einem Gesellschafter oder Aktionär als solchem eingeräumt sind. Es ist dort ausdrücklich gesagt, daß eine Erweiterung dieser Rechte als Eingriff in allgemeine Rechtsgrundsätze die Zusammenarbeit von privatem und öffentlichem Kapital erschweren könnte.
Die Reichshaushaltsordnung hat sich daher bewußt mit einer Vorschrift begnügt, nach der die öffentliche Hand sich durch die Satzung ,gewisse Rechte einräumen lassen kann. Sie hat in Kauf genommen, daß die erforderliche satzungsändernde Mehrheit unter Umständen nicht zustande kommt. Es ist meines Erachtens eine grundsätzliche Frage, ob wir die Beschränkung der Reichshaushaltsordnung auf satzungsmäßige Prüfungsrechte aufgeben und statt dessen — jedenfalls bei Aktiengesellschaften — gesetzliche Prüfungsrechte vorsehen. Ich will zu dieser Frage nicht eingehender Stellung nehmen; vor ihrer Beantwortung müßte eingehend geprüft werden, ob die von der Reichshaushaltsordnung vorgesehenen satzungsmäßigen Prüfungsrechte heute nicht mehr ,ausreichen. Ich halte es aber fürausgeschlossen, daß wir diese wesentliche haushaltsrechtliche Frage bei der dritten Lesung des Entwurfs eines Aktiengesetzes entscheiden.
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Bundesminister Dr. WeberIn den Absätzen 2 und 3 kehrt der auf Umdruck 657 beantragte § 381 c allerdings zu dem System der satzungsmäßigen Prüfungsrechte, wie sie auch die Reichshaushaltsordnung vorsieht, zurück. Die Satzung soll der Gebietskörperschaft das Recht einräumen können, dem Abschlußprüfer Aufträge zu einer Prüfung der Geschäftsführung oder einzelner Geschäftsvorgänge zu erteilen. Meines Erachtens müßte vor einer solchen Regelung geklärt werden, welche Aufgaben die Prüfung nach der Reichshaushaltsordnung über die Aufgaben der aktienrechtlichen Pflichtprüfung hinaus hat. Ich habe den Eindruck, daß auch die Prüfung nach der Reichshaushaltsordnung letztlich nur die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung und Rechnungslegung sichern oder etwaige Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht der Verwaltung aufdecken soll. Wenn sie sich auf diese Aufgaben beschränken, also namentlich nicht den Zweck haben soll, Eingriffe in die Geschäftsführung vorzubereiten und herbeizuführen, dann scheinen mir die in § 381 c Abs. 2 des Antrags auf Umdruck 657 vorgesehenen besonderen Rechte nicht erforderlich zu sein. Dann dürften die besonderen Aufgaben der haushaltsrechtlichen Prüfung im Rahmen einer aktienrechtlichen Pflichtprüfung und gegebenenfalls einer von der Gebietskörperschaft beantragten Sonderprüfung miterledigt werden können.Von dieser Grundsatzfrage abgesehen scheint mir aber auch die Fassung der Vorschrift erheblichen Bedenken zu begegnen. Ich möchte nur auf zwei Gesichtspunkte hinweisen. Wenn ich § 381 c Abs. 2 und 3 recht verstehe, sollen die dort vorgesehenen satzungsmäßigen Prüfungsrechte an die Stelle der Prüfungsrechte nach § 48 der Reichshaushaltsordnung treten. Es ist aber an keiner Stelle des Antrags gesagt, daß die Prüfungsvorschriften der Reichshaushaltsordnung, namentlich die Verpflichtung des Bundes nach § 48 Abs. 2 der Reichshaushaltsordnung, sich durch die Satzung bestimmte Prüfungsrechte einräumen zu lassen, auf Aktiengesellschaften künftig nicht mehr angewandt werden sollen. Die Zweifel über das Verhältnis des auf Umdruck 657 beantragten § 381 c zu den Prüfungsvorschriften nach der Reichshaushaltsordnung werden noch dadurch verstärkt. daß auf Umdruck 657 auch die Einfügung eines § 21 a in das Einführungsgesetz beantragt wird. der die Satzungsbestimmungen über die Einräumung von Rechten nach § 48 Abs. 2, § 113 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung ausdrücklich aufrechterhält. Mithin würden bei Gesellschaften, deren Satzung beim Inkrafttreten des neuen Aktienrechts die Prüfungsrechte nach § 48 Abs. 2 und § 113 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung vorsieht, nebeneinander drei verschiedene Formen von Prüfungsrechten bestehen, nämlich einmal die satzungsmäßigen Prüfungsrechte nach § 48 Abs. 2 und § 113 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung, zweitens die gesetzlichen Prüfungsrechte nach § 381 c Abs. 1 und 4 und drittens die satzungsmäßigen Prüfungsrechte nach § 381 c Abs. 2. Ich brauche hier nicht im einzelnen darzustellen, welche rechtlichen Unklarheiten sich aus einem solchen Nebeneinander von Prüfungsvorschriften ergeben würden.Andere rechtliche Unklarheiten ergeben sich aus dem Verhältnis der auf Umdruck 657 vorgesehenen besonderen Prüfungsrechte von Gebietskörperschaften zur aktienrechtlichen Sonderprüfung. Die in § 381 c Abs. 2 vorgesehene Prüfung der Geschäftsführung oder einzelner Geschäftsvorgänge ist der Sache nach eine aktienrechtliche Sonderprüfung, wie sie in den §§ 135 bis 139 des Aktiengesetzentwurfs geregelt ist. Dementsprechend fragt sich, ob und in welchem Umfang auf die von einer Gebietskörperschaft veranlaßte Prüfung die aktienrechtlichen Vorschriften über die Sonderprüfung anzuwenden sind. Von Bedeutung ist namentlich, ob der Prüfungsbericht — wie bei der Sonderprüfung — auch den übrigen Aktionären zugänglich gemacht werden muß.Ich darf davon absehen, auf weitere rechtliche Zweifel und Unklarheiten der vorliegenden Anträge hinzuweisen. Die von mir als Beispiele genannten Fragen zeigen, daß die auch nach meiner Auffassung gebotene Neufassung der haushaltsrechtlichen Prüfungsrechte nicht bei der dritten Lesung des Entwurfs eines Aktiengesetzes möglich ist. Sie kann und muß vielmehr bei einer Neufassung der haushaltsrechtlichen Prüfungsvorschriften erfolgen. Es ist zwar richtig, daß in den Jahren 1955 und 1960 — ich habe das schon kurz gestreift — Rechtsgutachten vorgelegt worden sind, die gegen die Einräumung der haushaltsrechtlichen Prüfungsrechte bei Aktiengesellschaften Bedenken äußern. Diese Gutachten haben aber, soweit mir bekannt ist, für die Praxis der haushaltsrechtlichen Prüfung kein solches Gewicht erlangt, daß sie Anlaß geben müßten, die Frage sofort und im Rahmen der Aktienrechtsreform zu klären. Möglicherweise wird es sich bei der Neufassung der haushaltsrechtlichen Prüfungsvorschriften erweisen, daß die aktienrechtliche Pflichtprüfung und die aktienrechtliche Sonderprüfung für alle Belange der öffentlichen Hand ausreichen. Wenn aber zwingende Interessen der öffentlichen Hand eine Ausdehnung der aktienrechtlichen Prüfung nach der einen oder anderen Richtung erfordern sollten, werden die ergänzenden aktienrechtlichen Vorschriften unschwer im Anschluß an die Reform der haushaltsrechtlichen Prüfungsvorschriften geschaffen werden können. Dann erhalten wir rechtlich und sachlich aufeinander abgestimmte Prüfungsvorschriften im Aktienrecht und im Haushaltsrecht. Hingegen enthalten die vorliegenden Anträge nur eine unorganische Teilregelung. Sie sollten daher nach Auffassung der Bundesregierung abgelehnt werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wilhelmi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auch mit Genehmigung des Herrn Präsidenten über beide Anträge zusammen sprechen. Wir haben im Rechtsausschuß zwar nicht den jetzt vorgelegten Antrag Umdruck 657 gehabt, wohl aber haben wir uns über das Problem unterhalten. Es sind im Grunde genommen zwei Probleme gewesen.Es war einmal das Problem, ob ein Beamter, der für sein Ministerium im Aufsichtsrat sitzt, seinem
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Dr. WilhelmiMinister Bericht erstatten darf oder ob die Schweigepflicht, die grundsätzlich für Aufsichtsratsmitglieder gilt, auch in diesem Falle gilt. Ich war persönlich immer der Auffassung, daß man das gesetzlich nicht zu regeln braucht. Es ist eine Selbstverständlichkeit, wenn ein Beamter aus einer Behörde in den Aufsichtsrat geschickt wird, daß er im Rahmen dieser Behörde seinen Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern Rede und Antwort stehen muß und daß der Minister also auch berechtigt ist, den Prüfungsbericht beispielsweise zu lesen, was ich immer persönlich getan habe, ohne daß ich mich da als Gesetzesverletzer fühlte.Aber da nun einige Beamte Hemmungen haben und sagen: Wir kommen da hinsichtlich der Haushaltsordnung und der Schweigepflicht des Aufsichtsratsmitglieds in eine merkwürdige Lage, haben wir diesem Wunsch des Haushaltsausschusses Rechnung getragen und eine besondere Bestimmung aufgenommen.Nun bleibt das Problem Haushaltsordnung — Aktiengesetz in bezug auf die Prüfung. Es ist soeben sehr eingehend vom Herrn Justizminister vorgetragen worden, was da für Bedenken bestehen. Wir haben im Rechtsausschuß einhellig die Meinung vertreten, das ist ein Problem, das irgendwann einmal angegriffen werden muß. Es ist nur jetzt sehr schwer zu machen; denn wir sind keine Experten der Reichshaushaltsordnung. Irgendwie hätten wir das vielleicht im Einführungsgesetz machen können. Aber da hätten dann der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß zweckmäßigerweise eingeschaltet werden müssen. Ich glaube, dieses Problem muß in absehbarer Zeit dadurch geregelt werden, daß man die ältere Haushaltsordnung an die inzwischen neuen Bestimmungen des Aktiengesetzes anpaßt. Es kann sein, daß auch die eine oder andere Bestimmung des Aktiengesetzes angepaßt werden muß; das kann ich im Augenblick selbst nicht übersehen. Jetzt wäre es jedenfalls nicht gut, ein Gesetz, das vor 1931 — ich glaube, etwa im Jahre 1922 — ergangen ist, wie die Reichshaushaltsordnung, ohne Berücksichtigung der neuen Prüfungsbestimmungen, die 1931 in das Aktiengesetz eingeführt und 1937 verbessert worden sind und jetzt noch weiter verbessert werden, zu ändern.Ich glaube also dem Hohen Hause versichern zu können, daß wir an dieses Problem herangehen werden. Aber ich bitte Sie, im Augenblick diese Vorlagen abzulehnen. Das ist keine Angelegenheit des Aktiengesetzes, ganz sicher nicht allein des Aktiengesetzes, sondern überwiegend der Haushaltsordnung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl die Ausführungen des Bundesministers der Justiz als auch .die Ausführungen des Herrn Wilhelmi haben gezeigt, daß man an dem Problem nicht ohne weiteres vorbeigehen kann. Ich möchte dazu ein paar kurze Bemerkungen machen.
Erstens. Herr Justizminister, es ist nicht richtig, daß die Angelegenheit hier in der dritten Lesung aufgebracht wurde und von ihr vorher nicht geredet worden ist. Es ging hier um einen Antrag des Haushaltsausschusses bzw. des Rechnungsprüfungsausschusses. In beiden Ausschüssen, im Wirtschaftsausschuß und im Rechtsausschuß, ist darüber geredet worden. Die Ergebnisse der Diskussion in beiden Ausschüssen liegen sozusagen in dem Antrag Umdruck 657 hier auf dem Tisch des Hauses.
Zweitens. Sie können nicht umhin, zuzugeben, daß diese Frage geregelt werden muß. Es ist meiner Auffassung nach nicht die Aufgabe der Opposition, wenn die Regierung etwas verschläft, das hier nachzuholen. Die Regierung hätte sich für dieses sehr ernste Problem schon lange etwas einfallen lassen müssen. Es wäre ihre Pflicht gewesen, sich etwas einfallen 'zu lassen, um die Kontrolle des Parlaments hinsichtlich der öffentlichen Mittel zu gewährleisten. Daß das nicht geschehen ist, ist ihre Schuld, nicht unsere. Wir haben den Antrag nur vorgelegt, um eine Lücke zu schließen.
Drittens. Sie müssen zugeben, daß im Zuge der Entwicklung der letzten Jahre immer mehr Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Stiftungen usw., Mittel der öffentlichen Hand zur Verfügung haben, und zwar in einem Ausmaß, daß wir darüber nicht immer sehr glücklich sind. Diese öffentlichen Mittel bedürfen einer Kontrolle. Das ist doch in jedem Geschäft ein normales Vorgehen. Diesem Grundsatz sollte auch hier Rechnung getragen werden, indem unserem Antrag auf 'Umdruck 657 zugestimmt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP lehnt beide Anträge alb.
Es ist richtig, daß im Wirtschaftsausschuß über dieses Problem gesprochen worden ist. Ich darf aber in meiner Eigenschaft als Vorsitzender dieses Ausschusses darauf hinweisen, daß der geschäftsordnungsmäßige Vorgang für mich doch etwas neu war. Im Regierungsentwurf stand davon nichts. In einer fast dreijährigen Beratung — —
— Bitte sehr!
Darf ich folgende Frage stellen. Es ist zwar richtig, daß in dem Regierungsentwurf nichts davon stand. Ist Ihnen aber nicht bekannt, daß der Finanzminister und das Finanzministerium in dieser Frage eindeutige Aussagen gemacht haben, die in die Richtung dieses Antrages gingen?
Das bestreite ich nicht. Ich stelle nur fest, daß nach fast zweieinhalbjähriger Beratung im Wirtschaftsausschuß eines Tages die-
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Dr. Aschoffses Problem über den Haushalts- und den Rechnungsprüfungsausschuß auf den Tisch kam. Dann ist über diese Frage geredet worden, ohne daß meiner Erinnerung nach — wir können die Protokolle nachsehen — innerhalb des Ausschusses über formelle Anträge im einzelnen debattiert worden ist. Von den mitbeteiligten anderen Ausschüssen und vom federführenden Rechtsausschuß lag bis dahin noch nichts vor. Man hat dann, entsprechend der von Herrn Wilhelmi vorgetragenen Auffassung, gesagt: Wenn Bedenken bestehen, ob ein Beamter als Aufsichtsratsmitglied irgendwelche erschwerenden Schweigepflichten hat, dann wollen wir das klarstellen.Zur Sache: Die Problematik würde vermutlich weniger auftauchen, wenn man unserem grundsätzlichen Petitum nachgeben würde, nämlich die Betätigung der öffentlichen Hand in wirtschaftlichen Vermögen immer weiter einzuschränken. Dann würde sich das von allein ergeben. Das möchte ich bei der Gelegenheit feststellen.Wir gehen davon aus, daß vom Staat entsandte Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder nicht nur dem Durchschnitt entsprechen, sondern über dem Durchschnitt stehen. Sie haben also genau wie bei der gewöhnlichen Aktiengesellschaft alle Rechte und Möglichkeiten, sich zu orientieren und das Ergebnis denjenigen vorzutragen, die sie entsandt haben. Zudem haben wir mit diesem Aktienrecht auch die Möglichkeit von Sonderprüfungen geschaffen. Wir glauben, daß damit das Interesse der öffentlichen Hand — aktienrechtlich gesehen — gewahrt ist.Bezüglich des letzen Punktes schließe ich mich den Ausführungen des Kollegen Wilhelmi an. Wir glauben nicht, daß man sich jetzt bezüglich einer sehr komplexen Problematik der zukünftigen Haushaltsordnung durch eine Einzelregelung festlegen sollte, weil man vielleicht nachher im Haushaltsrecht — das gebe ich Ihnen zu — auf anderen Gebieten zu erheblich anderen Überlegungen kommen wird. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn wir uns auf den Standpunkt stellen, daß eine solche Ergänzung jetzt nicht wünschenswert ist, und daher die Anträge ablehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen zu dem Punkt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 657 Ziffer 1 zu Abs. 1 bis 4. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 657 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Kann der Eventualantrag der Fraktion der SPD Umdruck 658 *) ohne weitere Diskussion zur Abstimmung gestellt werden? — Gut, wer dem Eventualantrag Umdruck 658 der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. —
*) Siehe Anlage 7
Gegenprobe! — Das ist die gleiche Mehrheit; auch der Eventualantrag ist abgelehnt. Damit sind die Änderungsanträge zu § 381 erledigt.
Wie steht es mit dem Änderungsantrag 657 II?
— Ich bedanke mich für die Hilfe durch die Herren Sachverständigen. Dann haben wir keine weiteren Änderungsanträge mehr.
Wir können nun umgekehrt, als es die Geschäftsordnung vorschreibt, zur allgemeinen Aussprache kommen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wilhelmi.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute ein großes Reformgesetz, das den Bundestag lange Zeit beschäftigt hat. Die ersten Gesetze, die sich mit der Aktienrechtsreform befaßten, haben wir bereits 1958, also im 3. Bundestag, als Entwürfe vorgelegt bekommen, und zwar in Form der „kleinen Aktienrechtsreform", die am 23. Dezember 1959 abgeschlossen wurde.Damals sind schon drei Probleme angerührt worden, deren Lösung vordringlich erschien und auch heute noch entscheidend ist: 1. die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, 2: Publizitätsverbesserungen, 3. Erleichterungen für die Ausgabe von Arbeitnehmeraktien. In der ganzen Lesung dieses Gesetzes haben wir über die Arbeitnehmeraktien nie gesprochen, weil wir Lösungen gefunden haben, die von allen Parteien angenommen wurden. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß auch dieses Gesetz in der Frage der Schaffung von Arbeitnehmeraktien weiter gegangen ist und diese Frage in die Bestimmungen über das genehmigte Kapital eingebaut hat.Wir haben dann gewisse Entwicklungen gehabt, die schon vor dem eigentlichen Gesetz lagen. Ich nenne die Ausgabe der Preußag-Aktien, Es handelt sich um die Privatisierung großer Aktiengesellschaften des Staates. Wir haben vor allem ein Gesetz gemacht, das das Aktienrecht für eine bestimmte Gesellschaft änderte, nämlich im Jahre 1960 das Gesetz über die Privatisierung des Volkswagenwerks. Damals sind auf dem Gebiet des Depotstimmrechts sowie überhaupt des Stimmrechts gewisse Experimente gemacht worden, wovon Sie in diesem Gesetz nichts wiederfinden. Aber im großen und ganzen ist es ein Gesetz gewesen, das seinen sehr wichtigen gesellschaftspolitischen Zweck erfüllt hat, nämlich die breite Streuung der Aktien.Nunmehr beraten wir ein Gesetz, das das Gesetz vom 30. Januar 1937 ablösen soll. Das Gesetz vom 30. Januar 1937 beruht seinerseits wieder auf einem Vorschlag der Regierung aus dem Jahre 1930. Die Ausgangslagen damals, 1930, und jetzt sind sehr verschieden. Der Gesetzentwurf von 1930, der sieben Jahre gebraucht hat, um Gesetz zu werden, hatte einen ähnlichen Ablauf. Auch hier ist eine kleine Aktienrechtsreform — im Jahre 1931 — dazwischengekommen und eine Unzahl von Notverordnungen und Gesetzen, die einzelne Bestimmungen herausgriffen. Aber die Ausgangslage war ganz
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Dr. Wilhelmianders. Damals war die Wirtschaft zusammengebrochen, lag am Boden. Sie wissen, daß sich aus dieser Wirtschaftskrise auch das politische Unheil für unser Volk entwickelte. Heute gehen wir an die Arbeit und wir sind an sie in den letzten Jahren herangegangen bei einer blühenden Wirtschaft, in einer aufwärts gerichteten Konjunktur. Es hat sich nicht darum gehandelt, irgendwelche Mißstände zu beseitigen, sondern es hat sich darum gehandelt, nunmehr das geltende Aktiengesetz an unsere neuen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen anzupassen.Bevor ich im einzelnen auf die Grundgedanken des Gesetzes eingehe, möchte ich mich einer angenehmen Pflicht entledigen. Ich möchte nämlich denen danken, die uns Abgeordneten sieben Jahre lang geholfen haben, dieses sehr schwierige Reformwerk durchzuarbeiten. Da darf ich vor allem den Herren vom Justizministerium, Herrn Geßler und seinen Mannen, danken, die in allen Ausschüssen gewesen sind und die allen Fraktionen bei der Formulierung ihrer Anträge geholfen haben. Ich darf auch noch ein persönliches Wort zu den Mitgliedern des Unterausschusses des Rechtsausschusses sagen, die zunächst zahlreich, dann etwas weniger zahlreich die ganzen Jahre hindurch an diesem Gesetz gearbeitet haben. Vor allem möchte ich der Assistentin dieses Unterausschusses, Frau Oberregierungsrat Vogt, Dank sagen, die es uns neben ihrer vielen Arbeit im Wirtschaftsausschuß praktisch überhaupt ermöglicht hat, im Unterausschuß einigermaßen hinzukommen.
Nun zu den Grundgedanken des Gesetzes! Ich sagte vorhin schon, es sind wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Aspekte, die uns veranlaßt haben, diese große Reform durchzuführen. Ich möchte zu den wirtschaftspolitischen Aspekten sagen, daß wir versucht haben, die Grundgedanken, die für die Aktiengesellschaft gelten und die in den wirtschaftlichen Wirren ein bißchen verlorengegangen sind, wieder auf ihre eigentliche Natur zurückzuführen. Die Aktiengesellschaft ist und soll das Sammelbecken für Kapital sein, das von vielen Unternehmern gegeben wird, die nunmehr durch eine Gesellschaft als Unternehmer, und zwar sowohl als Eigentümer als auch als Mitglieder dieser Gesellschaft, das Risiko dieser Gesellschaft tragen. Dieser Gedanke war durch die Finanzierungsnotwendigkeiten etwas verlorengegangen, die in zweierlei Hinsicht liefen. Einmal wurde die Selbstfinanzierung der Unternehmen groß geschrieben, zum anderen wurde die Finanzierung der Unternehmung auf andere Weise, nämlich durch die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, groß geschrieben. Wir sind der Überzeugung, daß es gut ist, daß in diesem Aktienrecht die Dinge wieder auf die Grundgedanken zurückgeführt werden und daß es eben nicht „das Unternehmen an sich" ist, wie wir juristisch eine Zeitlang sagten, das in der Aktiengesellschaft auftaucht, sondern daß es ein Unternehmen ist, an dem eine Vielzahl von Eigentümern beteiligt ist, die ihr Geld in diesem Unternehmen arbeiten lassen, also die Aktionäre. Das deckt sich mit unseren gesellschaftspolitischen Vorstellungen.Wir von der CDU/CSU haben an vielen Stellen und immer wieder darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, das Eigentum zu schützen, das Eigentum zu fördern. Hier gilt es nun ganz besonders, die breite Masse unseres Volkes an das Eigentum an den Produktionsstätten heranzuführen.
Das ist praktisch nur durch Vermittlung der Aktie möglich. Es ist also ein ganz wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel meiner Freunde, das in diesem Gesetz seinen Niederschlag findet.Sie werden fragen, wie das geschehen soll, was man da in einem solchen Gesetz überhaupt machen könne. Zunächst darf ich sagen: Ein solches Gesetz, wie es das Aktiengesetz ist, ist zwar sicherlich zum großen Teil eine Organisationsangelegenheit, aber nicht nur; vielmehr hat es auch wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Aspekte. Es ging hier um die Frage: Wie kann man den Eigentümer, sprich Aktionär, mehr in den Vordergrund spielen, ohne die Unternehmensführungen, die sich ja in unseren großen Gesellschaften überall bewährt haben, an die Wand zu drücken?Es liegt am nächsten, das Problem einfach dadurch zu lösen, daß man dem Aktionär mehr Macht als bisher gibt. Man kann ihm aber nicht in der Weise Macht geben, wie das im parlamentarischen Leben ist, etwa indem man ihm die Möglichkeit gäbe, in demokratischer Weise in die Führung des Unternehmens einzugreifen. Das ist unmöglich. Das Unternehmen muß vom Unternehmer geführt werden, und der Unternehmer hat ganz bestimmte Eigenschaften, ganz bestimmte Funktionen. Diese Funktionen kann man nicht auf einen großen Kreis von Personen übertragen, die ihr Geld in dem Unternehmen arbeiten lassen.Alber wir haben uns sehr darum bemüht, dasjenige Organ der Gesellschaft, in dem der Aktionär legitim tätig wird, nämlich die Hauptversammlung, zu stärken. Wir haben uns zunächst überlegt, ob man die Hauptversammlung nicht dadurch griffiger machen könne, daß man sie verkleinert, etwa in dem Sinne, wie im Genossenschaftsrecht Vertreterversammlungen gebildet werden können, wenn die Zahl der Genossen so groß ist, daß man in der eigentlichen Versammlung der Genossen Beschlüsse nicht mehr fassen kann. Wir haben diesen Gedanken fallenlassen müssen, weil sich bei näherer Prüfung ergeben hat, daß man, wenn man unter dem Gedanken antritt, dem Aktionär mehr Rechte zu geben, nicht damit anfangen kann, daß man die unmittelbare Einwirkung des Aktionärs in der Hauptversammlung abschafft.Wir haben uns dann weiter Gedanken gemacht, wie das Depotstimmrecht, das in der Praxis eine große Bedeutung hat, behandelt werden sollte. Dabei ist niemals der Gedanke aufgetaucht, das Depotstimmrecht prinzipiell abzuschaffen. Das ist eine Einrichtung, die bei unserem ganzen Bankenaufbau und nach der Gestaltung unseres ganzen aktienrechtlichen Lebens unbedingt notwendig ist. Daran wollte also niemand etwas ändern. Allerdings sind wir der Auffassung, daß das Depotstimmrecht verbessert werden sollte, und zwar dahin,
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9404 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Dr. Wilhelmidaß durch die Ausübung des Stimmrechts in den Hauptversammlungen der Wille des Aktionärs klarer zum Ausdruck kommt. In unserer Fraktion waren die Auffassungen darüber, ob der in diesem Punkte sehr weitgehende Vorschlag des Regierungsentwurfs der richtige sei, geteilt. Ich selbst bin heute noch der Überzeugung, daß er durchführbar gewesen wäre. Aber ich bin in der Minderheit geblieben, und als guter Demokrat muß man sich dann fügen.Der Regierungsentwurf sah vor, daß der Aktionär eine Vollmacht für die Ausübung des Depotstimmrechts erst dann gelben kann, wenn er weiß, was in der Hauptversammlung gespielt wird, wenn er die Anträge hat und wenn die Bank sich geäußert hat, wie sie abzustimmen gedenkt. Meine Freunde haben diesen Gedanken aus praktischen Gründen fallen lassen, und diesen Gründen konnte ich mich letzten Endes auch nicht verschließen. Es würde eine ungeheure Zusammenballung von Arbeit bedeuten, wenn man die Erteilung der Vollmacht an die Bank nur innerhalb eines Zeitraumes von etwa 14 Tagen vor der Hauptversammlung zuließe. Infolgedessen haben wir diese Regelung des Regierungsentwurfs nicht unterstützt und statt dessen Vorschriften in das Gesetz eingearbeitet, die dazu dienen sollen, den Aktionär besser über das zu informieren, was in der einzelnen Hauptversammlung vor sich geht. Das finden Sie alles im Gesetz. Insofern ist das in der Tat ein Schritt vorwärts. Wir haben es aber dabei belassen, daß der Aktionär eine Dauervollmacht für 15 Monate wie bisher für alle Gesellschaften geben kann und daß er widerrufen muß, wenn er etwa, nachdem er die Mitteilungen bekommen hat, anderer Ansicht geworden ist. Das kann er jederzeit. Ich glaube, daß sich diese Lösung in das Gesamtgefüge unseres Rechts richtig einfügt.Die zweite wichtige Angelegenheit zur Stärkung des Einflusses des Aktionärs ist zweifellos seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Das ist vielleicht die wichtigste Position. Deshalb haben wir in unserer Fraktion an dieser Frage, wie wir den Minderheitsaktionär in den Aufsichtsrat bekommen, eigentlich am längsten gearbeitet. Wir hatten besondere Ausschüsse gebildet, die sich mit diesem Problem befaßt haben, und es sind eine Reihe von Vorschlägen in unseren Kreisen diskutiert worden. Wir sind und bleiben der Ansicht, daß es richtig wäre, wenn eine Lösung dahin gefunden würde, daß der echte Minderheitsaktionär, das heißt also der Kleinaktionär, den wir ja in viel größerem Maße schaffen wollen, im Aufsichtsrat vertreten werde. Wir sind nach sehr eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Frage im Augenblick nicht gelöst werden kann, jedenfalls nicht in befriedigender Weise. Deshalb haben wir auch Ihren Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, abgelehnt, weil wir nicht der Ansicht sind, daß das d'Hondtsche Verfahren, das uns als Parlamentariern geläufig ist, in einer Aktiengesellschaft eingeführt werden kann. Eine Aktiengesellschaft ist nicht ein Parlament — ich sagte es vorhin schon —; sie tritt unter anderen Gesetzen an, und man muß sich da etwas anderes einfallen lassen. Ich bekenne ganz offen: es ist uns noch nichts eingefallen; ich hoffe aber, daß das geschieht und daß wir in absehbarer Zeit an dieser Stelle eine Novellierung vornehmen können.
Ein weiterer Punkt, in dem man dem Aktionär wirklich helfen kann und in dem dies auch, glaube ich, in wirklich guter Weise geschehen ist, ist die Frage der Publizität und der Verbesserung der Publizität. Das ist eigentlich das Hauptproblem des Gesetzes. Das fängt schon an mit der berühmten Mitteilungspflicht, wenn sich Vorgänge innerhalb der Gesellschaft verändern. Es wirkt sich aber selbstverständlich hauptsächlich in den Bestimmungen über die Rechnungslegung aus. Es war nicht ganz einfach, ein richtiges Mittelmaß zu finden. Denn hier gilt es ja, denjenigen Gesellschaften, die nach diesem Gesetz arbeiten — und das sind unsere großen Gesellschaften —, nicht Dinge aufzuerlegen, die sie irgendwie in der Konkurrenz mit dem Ausland behindern, ihnen nicht Auflagen zu machen, die unbillig sind. Das mußten wir also immer im Auge behalten: auf der einen Seite ein berechtigtes Interesse der Verwaltung und auf der anderen Seite das Publizitätsbedürfnis des Aktionärs.Wir sind da ganz wesentlich vom Regierungsentwurf abgewichen, haben ihn eigentlich grundsätzlich umgebaut, und zwar insofern, als wir die immer beanstandeten sogenannten stillen Reserven oder stillen Rücklagen abgeschafft und weitestgehend auf das amerikanische System umgeschaltet haben. Es gibt keine stillen Rücklagen mehr. Es können in den Bewertungen des Einzelgegenstandes, des Einzelteilvermögens noch gewisse Reserven stecken; aber auch das ist beschränkt.Wir haben insbesondere zwar die Bewertungsfreiheit des Vorstandes einer Aktiengesellschaft normiert, ihr aber die Bewertungskontinuität gegenübergestellt und deshalb in einem der wichtigsten und auch umstrittenen Paragraphen, nämlich dem über den Geschäftsbericht — § 148 — zum Ausdruck gebracht, daß der Unternehmer zwar die Bewertungsmethode frei wählen kann, daß aber immer die Kontinuität gewahrt werden muß. Das heißt, wenn er schon von der einmal gewählten Form der Bewertung abweicht, muß er das im Geschäftsbericht sagen und unter Umständen, wenn die Abweichung groß ist, sogar in Zahlen zum Ausdruck bringen. Das hat uns einige Schwierigkeiten gemacht, weil von der Wirtschaft eine Schutzklausel im bisherigen Umfang verlangt wurde. Sie ist nur in beschränktem, aber, wie ich glaube, in ausreichendem Umfang gewährt worden.Aber das Prinzip ist gut. Denn die Bilanz soll nicht ein Status sein, der den augenblicklichen Vermögensstand wiedergibt, sondern die Bilanzen werden dazu aufgestellt, um die Vermögensveränderungen in den einzelnen Rechnungslegungsabschnitten vergleichen zu können. Das wird damit ermöglicht, daß Abweichungen in der Bewertung angegeben werden müssen. Wir glauben, damit das richtige Mittelmaß getroffen zu haben. Wir haben eis abgelehnt, auf die Steuerbilanz abzustellen, weil auch die Steuerbilanz nicht unbedingt die richtige Auskunft gibt und weil
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Dr. Wilhelmigrundsätzlich die Handelsbilanz etwas anderes ist als die Steuerbilanz.Nun, meine Damen und Herren, ich will hier nicht weiter auf Einzelheiten eingehen. Lassen Sie mich nur noch ein Wort über den ganz neuen Teil dieses Gesetzes sagen, nämlich über das Konzernrecht. Das Konzernrecht ist in diesem Gesetz erstmalig kodifiziert. Das scheint mir eine sehr wichtige Angelegenheit zu sein. Um eines gleich vorweg zu sagen: Hier wird nicht geregelt, ob ein Konzern erwünscht ist oder ob er unerwünscht ist. Die Bestimmungen des Konzernrechts sind in diesem Hinblick völlig wertneutral, und ich glaube, daß das auch richtig ist. Denn eis gibt selbstverständlich wichtige Konzerne, und eine Konzernbildung ist bei uns in der Bundesrepublik nicht nur dringend notwendig; da ist meiner Ansicht nach sogar noch eine Menge nachzuholen, wenn man die Größenordnungen von Unternehmen im Ausland betrachtet. Auf der anderen Seite gibt es selbstverständlich auch Konzerne, die überflüssig und in ihrem Aufbau vielleicht nicht richtig sind. Unsere neuen Bestimmungen sind also völlig wertneutral.Wir haben uns im Konzernrecht nur, grob gesagt, mit dem Schutz der Außenseiteraktionäre beschäftigt. Wenn also ein Konzern gebildet wird, dann sollen die ausscheidenden oder auch die darin bleibenden Aktionäre durch diese Bestimmungen geschützt werden. Wir haben auch hier an die Publizität gedacht und nunmehr die konsolidierte Konzernbilanz, die sich in der Wirtschaft schon weitgehend durchgesetzt hat, gesetzlich eingeführt, weil wir der Ansicht sind, daß für einen Konzern überhaupt nur die Konzernbilanz Aussagewert hat und der Aussagewert der Bilanzen der Einzelunternehmen verhältnismäßig gering ist.Beim Konzern spielt natürlich wieder die Mitteilungspflicht, die ich vorhin schon in anderem Zusammenhang erwähnt habe, eine Rolle. Die Pflicht zur Mitteilung aus § 19 von einer Beteiligung von mehr als 25 % eines Unternehmens an einem anderen Unternehmen gibt dem Aktionär ein Signal. Sie hat im Konzernrecht zweifellos ihre besondere Bedeutung.Eine weitere wichtige Bestimmung aus dem Konzernrecht ist die Regelung der wechselseitigen Beteiligung.Im übrigen ist das Konzernrecht in zwei große Gruppen aufgebaut. Bei dem Konzern, der durch Eingliederung oder durch Beherrschungsvertrag geordnet ist, gehen wir weitgehend davon aus, daß die Muttergesellschaft echt beherrscht, echte Anweisungen gibt und daß da der Schutz des Unternehmens, das formell noch ein Einzelunternehmen ist, nicht so wichtig ist. Auf der anderen Seite haben wir die große Gruppe der faktischen Konzerne. Wir haben uns im Laufe der sieben Jahre, die über dieses Gesetz nachgedacht worden ist, entschlossen, den faktischen Konzern gleichzubehandeln, nicht zu erschweren, wie es ursprünglich bei Beginn der Beratungen einmal aussah, denn der faktische Konzern hat den Vorteil, daß die einzelne Gesellschaft, auch wenn sie von einem Konzern, also von oben gesteuert wird, doch eine größere. Selbstständigkeit behält, und gerade auf diese größere Selbständigkeit kommt es uns naturgemäß an. Man sollte es also der Wirtschaft ermöglichen, den sogenannten faktischen Konzern mit relativ selbständigen Untergesellschaften beizubehalten.Allerdings haben wir hier nun auch erhebliche Sicherheiten eingebaut, um zu gewährleisten, daß diese Selbständigkeit eine echte ist. Wir haben den Bericht des Vorstandes über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen eingeführt. Wir haben den Grundsatz aufgestellt, daß im faktischen Konzern die einzelnen Unternehmen nicht geschädigt werden dürfen. Wir haben den Wunsch der Wirtschaft abgelehnt, so eine Gesamtbilanz auf viele Jahre, auf einen langen Zeitraum vorzusehen, ob es von Vorteil für die einzelne Gesellschaft ist, in dem Konzern zu sein. Wir haben diese Frage ganz streng an ein Geschäftsjahr gebunden, weil nämlich dieses eine Geschäftsjahr von den Prüfern tatsächlich geprüft wird und man da also auf einem festen Boden stehen kann. Aber wir haben es zugelassen, daß, wenn eine Gesellschaft etwa in der Anfangszeit zunächst einmal dadurch benachteiligt ist, daß sie im Konzern ist, ein Vertrag geschlossen wird, aus dem sich ergibt, daß sie à la longue nicht benachteiligt wird. Also auch hier haben wir, glaube ich, die Weichen so gestellt, daß die Wirtschaft mit dem Gesetz arbeiten kann.Überhaupt haben wir uns, ganz allgemein gesagt, bemüht, die Dinge so zu regeln, daß die Wirtschaft mit dem Gesetz arbeiten kann, und nicht auf Grund von Theorien umstürzlerische Maßnahmen getroffen. Denn das darf man bei Wirtschaftsgesetzen nicht tun. Lieber machen wir in ein paar Jahren ein neues Gesetz. Zunächst muß der Gesetzgeber einmal auf wirtschaftlichem Gebiet die tatsächlich eingetretene Entwicklung nachzeichnen. Und das haben wir getan. Es gibt heute schon Gesellschaften, die in der Publizität viel weiter gehen, als wir es hier im Gesetz festgelegt haben. Aber so weit wollten wir nicht gehen. Wenn wir ein Gesetz machen, gilt das für alle Gesellschaften. Man muß also ein gewisses Mindestmaß, das vernünftig und verständig ist, einhalten und darf sich nicht nach den vordersten, nach den Vorreitern ausrichten. Ich glaube, in dieser Beziehung ist das Gesetz ausgewogen.Wir sind auch beim Einführungsgesetz von dem Gedanken ausgegangen, daß, nun, sagen wir einmal ganz allgemein, wohlerworbene Rechte nicht einfach über den Haufen geworfen werden dürfen. Das kommt zum Ausdruck bei der Frage der Auflösung stiller Reserven, die jetzt bestehen. Beim Anlagevermögen werden diese überhaupt nicht aufgelöst. Beim Umlaufvermögen haben wir uns auf den Standpunkt gestellt: Wäre die Bildung der jetzt bestehenden Rücklagen nach dem neuen Gesetz zulässig, so sollen sie zulässig bleiben; alle anderen müssen aufgelöst werden. Sie kommen aber dann in die offene Rücklage und brauchen nicht etwa bei der Gewinnverwendung berücksichtigt zu werden.Noch ein Wort zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Das Gesetz tritt zwar als Ganzes am 1. Januar 1966 in Kraft. Eine ganze Reihe von Bestimmungen treten aber erst später in Kraft, nämlich
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Dr. Wilhelmidie Bestimmungen über die Rechnungslegung sowohl 'der einzelnen Gesellschaft wie des Konzerns. Diese gelten erstmalig für das Geschäftsjahr, das nach dem 31. Dezember 1966 beginnt. Auch die Bestimmungen über die Aufsichtsratssitze usw. sind mit Übergangsbestimmungen versehen. Soweit die Zahl der Aufsichtsratssitze In der einzelnen Gesellschaft beschränkt ist, tritt die entsprechende Bestimmung erst mit Beendigung der Hauptversammlung in Kraft, die über das Geschäftsjahr beschließt, das am 31. Dezember 1965 endet. Soweit das einzelne Aufsichtsratsmitglied auf Grund der ein der zweiten Lesung und auch heute wiederbeschlossenen Bestimmung des § 97 — die besagt, daß niemand mehr als 10 Sitze haben darf — Mandate niederlegen muß, gilt das erst für das Ende der jetzt laufenden Amtszeit.Ich glaube also, wir haben auch hier die Regelungen so getroffen, daß es in der Wirtschaft nicht zu Schwierigkeiten kommt. Auf der anderen Seite glaube ich, daß wir den wirtschaftspolitischen und gesellschaftspolitischen Zielen, die meinen Freunden vorgeschwebt haben, in diesem Gesetz wieder ein Stückchen nähergekommen sind. Ich will in dieser Beziehung bescheiden sein, aber ich denke: etwas haben wir in dieser Richtung getan. Dafür sollten wir dankbar sein und dem Gesetzentwurf die Zustimmung geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wilhelmi hat — er war ja zugleich Berichterstatter für dieses Gesetz — bereits einen so umfassenden Überblick über den Inhalt der uns jetzt in der dritten Beratung vorliegenden Vorlage gegeben, daß ich mich darauf beschränken kann, nunmehr die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem Gesetz im ganzen und zu einigen besonders wichtigen Abschnitten zu umreißen.Lassen Sie mich zu Beginn der Stellungnahme in dritter Lesung noch einmal zurückblenden auf die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs im Januar 1962. Damals hat mein leider sehr früh verstorbener Freund Heinrich Deist erklärt, daß unsere Fraktion die Notwendigkeit einer so umfassenden Aktienrechtsreform in diesem Zeitpunkt verneine. Deshalb haben wir lediglich zwei Novellen zum geltenden Aktienrecht vorgelegt, um die wichtigsten Teile des Aktiengesetzes der jetzigen Entwicklung anzupassen. Nachdem nun die Beratungen in den Ausschüssen abgeschlossen sind und .die Vorlage jetzt zur Schlußabstimmung steht, muß ich feststellen, daß sich an dieser Grundeinstellung unserer Fraktion eigentlich nichts geändert hat. Ich muß nach wie vor die Notwendigkeit bezweifeln, eine so umfassende Aktienrechtsreform im jetzigen Zeitpunkt durchzuführen.Das Aktiengesetz von 1937 ist sicherlich reformbedürftig, und zwar insbesondere hinsichtlich derRegelungen, die aus dem Gedankengut der nationalsozialistischen Zeit entspringen, vor allem hinsichtlich der Bestimmungen, die auf die Einführung des sogenannten „Führerprinzips" im Gesellschaftsrecht wie in der ganzen Wirtschaft abzielten. Als Beispiel darf ich nur die Bestimmung über das sogenannte Generaldirektorprinzip anführen, nach der es möglich war, daß der Vorsitzende des Vorstands seine Entscheidungen gegen den Willen aller übrigen Mitglieder des Vorstands fällen konnte, eine Regelung, die ganz sicher nicht in unsere Zeit paßt und die also auf jeden Fall hätte novelliert werden müssen. Dringend erforderlich erschien uns ferner auch eine Verbesserung der Publizität, wie sie ja schon in der sogenannten kleinen Aktienrechtsreform von 1959 in Angriff genommen worden war. Aber alles das, was notwendig gewesen wäre, wäre auch möglich gewesen im Wege einer Novellierung des geltenden Rechts.Ich darf die Gründe hierfür ganz kurz angeben.Erstens: Wirklich reformbedürftig waren eigentlich nur einzelne Bestimmungen, allenfalls einzelne Abschnitte des Aktiengesetzes von 1937. Ich habe zwei Beispiele angeführt: das Generaldirektorprinzip und die Vorschriften über die Rechnungslegung.Zweitens: In der EWG geht die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts voran. Die erste Richtlinie des Rates der EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter lag in einem Entwurf vom 21. Februar 1964 dem Bundestag bereits vor, und der Bundestag hat damals zu ihm auch Stellung genommen. In dieser Richtlinie waren bereits weitere Richtlinien angekündigt. Alle diese Richtlinien des Rates der EWG zwingen die einzelnen Mitgliedstaaten zur Anpassung des jeweiligen nationalen Gesellschaftsrechts an die Richtlinien der EWG. Es wird also — auch wenn wir jetzt eine noch so schöne große Reform verabschieden — in der Folgezeit immer wieder notwendig werden, das Gesetz zu ändern, so daß es schon aus diesem Grunde nach unserer Auffassung zweckmäßiger gewesen wäre, den Abschluß der Entwicklung in der EWG abzuwarten und dann an eine grundlegende Neufassung des Gesetzes zu gehen.Ein dritter Einwand, den wir gegen die vorzeitige Reform haben, ist der, daß sie des Einbaus in eine Gesamtkonzeption ermangelt. Ich darf das im einzelnen dann später noch ausführen, darf aber hier schon darauf hinweisen, daß Heinrich Deist in der ersten Lesung dazu grundlegende Ausführungen gemacht hat. Er rügte, daß das Gesetz allein vorgelegt worden ist, ohne daß gleichzeitig die übrigen gesellschaftsrechtlichen Gesetze mit vorgelegt wurden, und daß es sich somit nicht vermeiden läßt, daß in zunehmendem Maße unterschiedliche Regelungen Gesetz werden und die Reform des Gesellschaftsrechts nicht aus einem Guß sein wird.Damit komme ich schon zur zweiten grundlegenden Frage: Ist das vorliegende Gesetz nun wirklich eine Reform? Dazu muß ich nach sehr sorgfältiger Prüfung aller Bestimmungen sagen, daß sich das für das Gesetz im ganzen sicher nicht behaupten läßt.
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Dr. ReischlEs läßt sich allerdings für einen Teil des Gesetzes sagen; darauf werde ich gleich noch im einzelnen eingehen. Aber der erste und wichtigste Grund, warum wir es hier mit keiner echten Reform zu tun haben, ist der, den ich soeben schon kurz angesprochen habe; es fehlt nämlich an einer übergeordneten Gesamtkonzeption eines Unternehmensrechts, aus dem dann erst wieder die Organisationsgesetze des Gesellschaftsrechts, also das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz usw. abgeleitet werden. Nach unserer Auffassung geht vor und müßte über allem stehen eine grundlegende einheitliche Reform des Unternehmensrechts, und erst als Teil dieser Reform des Unternehmensrechts könnten dann die einzelnen Organisationsgesetze — aber auch da aus einheitlichem Guß und aus einer einheitlichen Auffassung heraus — erlassen werden.So war es z. B. doch sicherlich ein großer Mangel, daß wir das Aktienrecht behandelt haben und nunmehr verabschieden, ohne daß uns die Grundlinien der Reform des GmbH-Gesetzes bekannt sind. Es ist zwar eine Kommission eingesetzt; aber die Vorlage ist noch nicht da. Der Bundestag, der nun über das Aktiengesetz beschließen soll, hat keinerlei Kenntnis von dem, was auf dem Gebiete des GmbH-Rechts geschehen soll. Die Folge davon ist, daß es zu einer nicht sehr glücklichen Schematisierung gekommen ist, indem nämlich überhaupt nicht berücksichtigt wurde, daß bei den einzelnen Gesellschaften in ihrer wirtschaftlichen Betätigung, wenn sie also als Unternehmer auftreten, die Gesellschaftsform der einzelnen Gesellschaft heute gar nicht mehr so wichtig ist, sondern sehr viel mehr ihre Bedeutung in der Gesamtwirtschaft und die Größenordnung, in der sie sich bewegt. Auf die Rechtsform sollte man nicht mehr in erster Linie abstellen. Deswegen zeigt sich auch der Mangel der Gesamtkonzeption des Unternehmensrechts hier ganz besonders deutlich, indem wir nämlich jetzt ein Aktienrecht mit einheitlichen Vorschriften für alle Aktiengesellschaften schaffen, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß man sie eigentlich zweiteilen müßte, nämlich einmal in Aktiengesellschaften, die infolge ihrer Größe und wirtschaftlichen Bedeutung eine Sonderstellung einnehmen und vielleicht auch einer besonderen Kontrolle durch die Öffentlichkeit in Form einer scharfen Publizität unterliegen müßten, die dem neuen Aktienrecht etwa entspräche. Umgekehrt gibt es aber auch eine ganze Reihe von Aktiengesellschaften, bei denen das Geschütz der Publizität, mit dem nach ihnen geschossen wird, zu groß ist. Das wäre vermieden worden, wenn wir die einheitliche Konzeption eines Unternehmensrechts gehabt und daraus erst die Reform der einzelnen Gesellschaftsrechte abgeleitet hätten. Auch ist es bei dieser Reform eben mangels der Grundkonzeption unterblieben, stärker auf unsere pluralistische Gesellschaftsordnung Rücksicht zu nehmen. Ich darf bloß auf die Ablehnung der Bestimmungen hinweisen, die im bisherigen Recht enthalten waren und die klargelegten, daß bei der Leitung einer Aktiengesellschaft die Faktoren Kapital, Arbeit und öffentliches Interesse zu berücksichtigen sind. Die Bestimmung ist gestrichen worden. Unser Versuch, sie in einer der modernen Zeit angepaßten Fassung wieder in das Gesetz hineinzubringen, ist bedauerlicherweise an der Haltung der Mehrheit dieses Hauses gescheitert.Eine wirkliche Reform stellt das vorliegende Gesetz nur in einigen Richtungen dar: einmal sicherlich hinsichtlich der Publizitätsvorschriften einschließlich der Mitteilungspflicht für Beteiligungen, zum anderen sicherlich auch hinsichtlich des Ausbaus des Depotstimmrechts der Banken. Wir haben uns bemüht — ich stimme Herrn Wilhelmi darin zu, daß uns das großes Kopfzerbrechen bereitet hat —, dem Aktionär mehr Möglichkeiten zur Einflußnahme zu geben. Doch haben wir wohl immer noch keine befriedigende abschließende Lösung gefunden. Jetzt wird erst einmal ein Versuch gemacht, durch eine verschärfte Verpflichtung zu Mitteilungen den Aktionär stärker zu interssieren. Ob dies wirklich gelingt und es dann später die Möglichkeit gibt, neue Formen der Vertretung des Aktionärs in der Hauptversammlung zu finden, ist eine Frage der Zukunft. Da müssen wir zunächst die Entwicklung abwarten. Nun, dazu läßt sich ruhig sagen: solche Gesetze macht man niemals für die Ewigkeit. Wir werden eben zu gegebener Zeit eine Anpassung vornehmen müssen. Ein großer Fortschritt, eine echte Reform ist sicher auch das Konzernrecht. Ich werde darauf noch zurückkommen. Aber leider zeigt sich eben, wie gesagt, bei dem ganzen Entwurf das Fehlen des übergeordneten Unternehmensrechts.Noch etwas zum Grundsätzlichen: An einigen Stellen des Entwurfs ist ein Versuch gemacht worden, den meine Freunde und ich immer sehr unglücklich finden, der Versuch nämlich, eine Rechtsprechung, die doch ihrer Natur nach auf den Einzelfall abgestellt ist, an einem bestimmten Zeitpunkt einzufangen und zu zementieren, oft in der durchaus erkennbaren Absicht, die Gerichte an einer weiteren Fortentwicklung des Rechts zu hindern. Diese Absicht ist berechtigt, wenn eine Entwicklung auszuufern droht. Aber die Frage, ob der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nun wirklich ein Regelgrund für die Abberufung eines Vorstandsmitglieds sein soll — wir haben dazu Anträge gestellt —, oder die Frage, ob der Vorstand gegen den Aufsichtsrat an die Hauptversammlung appellieren kann, hätte man vielleicht doch lieber der weiteren Entwicklung überlassen sollen. Soviel zum Allgemeinen.Lassen Sie mich nun noch kurz auf einige Abschnitte des Gesetzes eingehen, die uns besonders wichtig erscheinen. Da ist zunächst die Frage der Publizität. Das Gesetz enthält in dieser Beziehung eine wirklich fortschrittliche Regelung. Wir begrüßen insbesondere die Einführung der Mitteilungspflicht, bedauern allerdings, daß diese Mitteilungspflicht erst für Beteiligungen von mehr als 25% besteht. Wir hätten es sehr begrüßt, wenn der Weg beschritten worden wäre, den die USA und Frankreich schon gegangen sind. Dort besteht bereits von einer Beteiligung von 10% an die Mitteilungspflicht. Das wird in dem Jenkins-Bericht auch für England vorgeschlagen. Wir sind mit unserem Anliegen bei der Beratung in den Ausschüssen in der Minderheit geblieben. Um die Verabschiedung die-
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Dr. Reischlses für uns so wichtigen Teils nicht zu gefährden, haben wir uns in der zweiten Lesung mit 25% begnügt. Ich muß aber hier noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir diesen Prozentsatz für ungenügend halten. Wirksam wird die Regelung erst dann sein, wenn dabei auf 10% abgestellt wird.Sehr zu begrüßen sind auch die neuen Bewertungsvorschriften des Gesetzes in den §§ 146 bis 146 c, die doch in einem weit größeren Maße, als das bisher der Fall war, die Bildung stiller Reserven und vor allem auch die Auflösung stiller Reserven unterbinden. In der Bildung stiller Reserven und ihrer Auflösung liegt eine große Gefahr für die Publizität, für die Durchsichtigkeit der Bilanzen, vor allem aber auch eine große Gefahr für den Aktionär und den Gläubiger und jeden Dritten, der von außen mit der Gesellschaft zu tun hat.Wir freuen uns sehr, daß diese Verbesserung der Bewertungsvorschriften eine Möglichkeit gibt, dem Prinzip der gläsernen Taschen etwas stärker zum Durchbruch zu verhelfen und dem Aktionär wie dem Gläubiger, aber auch der interessierten Öffentlichkeit einen stärkeren Einblick in die Verhältnisse der Aktiengesellschaften zu geben.Ein Mangel liegt allerdings darin — ich habe ihn ja schon von Anfang an im ganzen gerügt; er kommt eben aus der mangelhaften Gesamtkonzeption —, daß es nicht gelungen ist, in diese fortschrittlichen Publizitätsvorschriften gleich die großen GmbHs miteinzubeziehen. Alle unsere Anträge, die in diese Richtung zielten, sind mit der Begründung abgelehnt worden: „Wir machen hier nur ein Aktiengesetz". Aber, meine Damen und Herren, Sie sehen eben hier schon, daß man nicht nur ein Aktiengesetz machen kann, weil das an der Tatsache vorbeigeht, daß die Grenze der Größenordnung, für die eine verschärfte Publizität notwendig wäre, quer durch alle Rechtsformen läuft und es infolgedessen richtiger gewesen wäre, die Regelung für die große GmbH zu übernehmen und vielleicht dafür ein paar kleine Aktiengesellschaften mehr aus der Regelung herauszulassen.Hierin liegt also ein echter Mangel. Aber er kann ja noch behoben werden, und wir hoffen, daß die GmbH-Reform diesem Mangel — jedenfalls für die großen Gesellschaften mit beschränkter Haftung — abhelfen wird.Ein gewisser Mangel liegt auch in der Behandlung der Pensionsverpflichtungen. Sie hätten an sich passiviert werden sollen. Wir haben eingesehen, daß das nicht möglich ist, aber es ist ein Mangel, daß es nicht gelungen ist, den gesamten Gegenwartswert dieser Pensionsverpflichtungen genauso wie den der Lastenausgleichsverpflichtungen unter dem Strich auszuweisen. Damit wäre hier ein noch klareres Bild über den Stand der Aktiengesellschaft möglich gewesen. Wir können auch hier nur hoffen, daß die weitere Entwicklung eines Tages die Möglichkeit gibt, diese Bestimmung zu vervollständigen.Ich darf mich dann noch dem Konzernrecht zuwenden, das Herr Kollege Wilhelmi schon sehr eingehend behandelt hat. Hier ist zu sagen, daß es in unserem deutschen Recht neu ist und daß es in der Form, in der es vorgelegt und verabschiedet worden ist, sehr zu begrüßen ist. Es ist—da muß dem Justizministerium schon der Blumenkranz geflochten werden — eine sehr gut durchdachte Regelung gewesen, die dem Bundestag vorgelegt wurde. Der Erfolg ist ja auch nicht ausgeblieben, indem nämlich an den Grundlinien dieses Rechts praktisch nichts geändert worden ist. Das ist ja eigentlich für die Referenten, die es ausgearbeitet haben, der beste Beweis, daß es eine gute Arbeit war, und ich möchte das hier ausdrücklich betonen.
Dieses Konzernrecht bedarf natürlich — das muß ich in diesem Zusammenhang auch anmerken, ohne jetzt auf Einzelheiten noch einmal eingehen zu wollen und 'hier nur Herrn Kollegen Wilhelmis Worte zu wiederholen — auch noch eines Ausbaues insofern, als in seinem Einbau in das Aktienrecht eine gewisse Selbstbeschränkung liegt, die bei einem Erlaß eines selbständigen Konzerngesetzes nicht notwendig gewesen wäre. Denn es ist doch sicher nicht zu bestreiten, daß bei der Bedeutung, die der Konzern in der Wirtschaft hat, die Anwendung der verschärften Publizitätsvorschriften nicht davon abhängig sein sollte, ob zufällig an der Spitze des Konzerns eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien oder über das Einführungsgesetz eine GmbH oder bergrechtliche Gewerkschaft steht oder ob eine der Tochtergesellschaften die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien hat.Hierin liegt eine gewisse Anomalie, die sicherlich dadurch bedingt ist, daß die Regelung ins Aktiengesetz eingebaut ist. Wir haben versucht, sie in zwei Richtungen zu beheben. Wir haben zunächst vorgeschlagen, den Abschnitt herauszunehmen und als eigenes Konzerngesetz zu erlassen. Das haben wir zum Schluß nicht weiter verfolgt, weil wir die Verabschiedung des Konzernrechts nicht gefährden wollten. Das Konzernrecht im Aktiengesetz ist immer noch besser als kein Konzernrecht. Darüber brauchen wir gar nicht zu reden, noch dazu, da es sich um eine, wie ich schon sagte, gute Regelung handelt. Aber Sie werden verstehen, daß es uns etwas schmerzlich berührt, daß es nicht gelungen ist, das Konzernpublizitätsrecht auf alle Konzerne ohne Rücksicht auf die Rechtsform oder wenigstens, so wie es der Bundesrat gewollt hat, auf alle Konzerne, an deren Spitze eine Kapitalgesellschaft steht, auszudehnen, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Rechtsform die Töchter haben.Ansonsten möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen, daß dieses Konzernrecht gut ist. Wir können nur hoffen, daß diese Richtung auch im GmbH- Gesetzentwurf weiter verfolgt wird. Das ist der Merkpunkt, den ich hier für die dem nächsten Bundestag sicher obliegende GmbH-Reform setzen möchte. Ich möchte die Hoffnung aussprechen, daß in den GmbH-Gesetzentwurf auch ein entsprechendes Konzernrechts aufgenommen werden wird.Lassen Sie mich nun noch auf das sehr wichtige Gebiet des Mitbestimmungsrechts kommen. Hier zeigt sich ganz besonders das Fehlen einer Konzeption eines Unternehmensrechts, das die Beteiligung der Faktoren Kapital, Arbeit und öffentliches Inter-
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Dr. Reischlesse berücksichtigt hätte und das gleichzeitig eine Begrenzung nach der Größe vorgenommen hätte; denn — und das ist sicher richtig — die Mitbestimmungsregelung soll ja nur für Gesellschaften von einer bestimmten Größenordnung an gelten. Hier haben die Regierungsparteien zu Beginn der Beratungen den Grundsatz verkündet: Keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung des Mitbestimmungsrechts. Dieser Grundsatz ist leider nicht durchgehalten worden, und alle unsere Versuche bis in die dritte Lesung hinein, das zu korrigieren, sind leider an der Mehrheit dieses Hauses gescheitert. Der einzige Fortschritt, den die mitbestimmungsrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs bringen, ist der, daß die Mitbestimmungsgesetze nunmehr im Aktiengesetz ausdrücklich erwähnt sind, daß also überall der Merkposten gesetzt ist: „Hier muß noch im Mitbestimmungsrecht nachgeschaut werden", und daß ein schleuniges Verfahren für die Feststellung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats in den §§ 27, 28 und 9.3 bis 96 des Entwurfs eingeführt ist, und zwar ein Verfahren, das vor der Zivilkammer stattfinden soll, die ja nur mit Berufsrichtern besetzt ist. Das ist ein Fortschritt. Ebenso ist ein Fortschritt die Verbesserung der Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat und die grundsätzliche Verpflichtung zur Aushändigung aller Berichte und Prüfungsberichte an alle Aufsichtsratsmitglieder.Diesen Verbesserungen stehen auf der anderen Seite erhebliche Verschlechterungen des Mitbestimmungsrechts gegenüber, die ich hier noch einmal ausdrücklich anmerken möchte. So ist das Antragsrecht der Gewerkschaften zur Feststellung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats entgegen unserem Antrag und abweichend von der gegenwärtigen Rechtsprechung nicht auf die Gesellschaften ausgedehnt worden, deren Aufsichtsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz zusammengesetzt sind.Ferner ist es leider auch in dritter Lesung wieder abgelehnt worden, die Position der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu stärken, indem bestimmt wird, daß wenigstens einer der Stellvertreter des Vorsitzenden Arbeitnehmer sein muß und daß den Ausschüssen des Aufsichtsrats jeweils mindestens ein Vertreter beider Seiten angehören muß.Es ist sicher richtig, daß, wie Herr Kollege Wilhelmi sagt, der ideale Endzustand natürlich der wäre: Aufsichtsrat ist gleich Aufsichtsrat, ganz gleich wo er herkommt, und eine Gleichbehandlung aller. Aber das setzt voraus, meine Damen und Herren, daß die gesellschaftspolitische Entwicklung noch ganz gewaltige Sprünge nach vorn macht und daß sich dieser Gedankengang — Aufsichtsrat ist gleich Aufsichtsrat — bei allen — auf Unternehmer-und Arbeitnehmerseite — endgültig durchsetzt. Wenn das der Fall wäre, würden wir, glaube ich, alle in diesem Hause einhellig dafür stimmen, daß jede Sondervorschrift unterbleibt. Solange das aber nicht der Fall ist, bedaure ich sehr, daß dieser Richtungsweiser nicht in das Gesetz eingebaut worden ist; denn er hätte die gesellschaftspolitische Entwicklung in dieser Richtung sicherlich beeinflussen können. Das ist leider unterlassen worden.Es scheint uns auch sehr bedenklich zu sein, daß der Vorstand in den mitbestimmten Gesellschaften gegen den mitbestimmten Aufsichtsrat an die Hauptversammlung appellieren kann. Denn solange die Hauptversammlung eben nicht der Mitbestimmung unterliegt, liegt darin ein Ausschalten des mitbestimmten Organs durch das nicht mitbestimmte. Deswegen bedauere ich es sehr, daß unsere Anträge abgelehnt worden sind, die darauf abzielten, eine solche Anrufung der Hauptversammlung auszuschalten.Sehr bedauerlich ist es auch, daß das passive Wahlrecht der Arbeitnehmer der Töchter eines Konzerns nicht durchgesetzt werden konnte. Es ist doch eigentlich merkwürdig, daß Leute aktiv an der Wahl teilnehmen dürfen, aber von der passiven Wahl ausgeschlossen sind. Das ist etwas, was es sonst nirgends gibt.
— Doch, doch. Es ist offengelassen; aber es sollte endgültig in dieser Richtung geregelt werden.
— Bitte sehr.
Herr Abgeordneter van Delden, zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Dr. Reischl, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie jetzt gegensätzlich zu dem argumentieren, was Sie vorhin gesagt haben? Vorhin wollten Sie, daß nicht alles zementiert wird. Jetzt wollen Sie, daß es zementiert wird.
Ich habe gesagt, man soll die Rechtsprechung da einfangen, wo sich zeigt, daß sie jetzt einen Stand erreicht hat, bei dem sie sich eigentlich kaum mehr weiterentwickeln kann. Das ist bei der vorliegenden Sache der Fall. Hier wäre es richtig gewesen, zu sagen: wir entscheiden diese Frage ein für allemal, um zu verhindern, daß es unterschiedliche Urteile gibt und die Sache bei dem einen Konzern anders gehandhabt wird als bei dem anderen. Es gibt andererseits wieder Fragen, die so komplex und schwierig sind, daß es besser ist, die Entwicklung durch die Rechtsprechung weiter laufen zu lassen. Ich glaube nicht, daß ich mich in Gegensatz zu meinen vorherigen Ausführungen gesetzt habe.Als letztes möchte ich zu der Mitbestimmung sagen, wir bedauern es sehr, daß die Zusammenrechnung aller Arbeitnehmer, die für den Vertragskonzern für die Frage anerkannt worden ist, ob bei der Konzernspitze das Mitbestimmungsrecht Anwendung findet oder nicht, nicht auch auf den faktischen Konzern ausgedehnt worden ist; denn gerade der faktische Konzern hat in der Wirtschaft eine große Bedeutung. Es wäre sicherlich richtiger gewesen, auch hier das Mitbestimmungsrecht dieser Lage anzupassen.Ich habe also jetzt schon fünf Punkte aufzählen müssen, in denen das Mitbestimmungsrecht gegen-
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Dr. Reischlüber dem geltenden Rechtszustand verschlechtert oder mindestens verwässert worden ist. Ich muß noch einmal für meine Fraktion sagen, daß wir das sehr bedauern und nur hoffen können, daß der Zeitpunkt kommt, zu dem diese Rechtslage geändert werden kann.Mit der Frage der Minderheitenrechte hat sich der Herr Kollege Wilhelmi schon eingehend befaßt. Er hat — was mich nach der Behandlung des Entwurfs in .den Ausschüssen ein bißchen gewundert hat — sich plötzlich mit aller Entschiedenheit gegen den Grundsatz der Aktionärsdemokratie gewandt, obwohl ich manchmal den Eindruck hatte, daß der Regierungsentwurf und auch die Behandlung im Ausschuß schon ein bißchen in Richtung auf die Aktionärsdemokratie zielten. Wie anders soll man z. B. den § 55 des Entwurfs verstehen, nach dem die Aktionäre über die Behandlung der Hälfte des Gewinns — Einstellung in Rücklagen usw. — entscheiden 'sollen? Hier wird doch an einer sehr gefährlichen Ecke Aktionärsdemokratie exerziert. Dabei kann es zu endlosen und recht fruchtlosen Debatten über die Gewinnverwendung und über eine notwendige — das möchte ich gar nicht verhehlen — Polsterbildung durch geeignete offene Rücklagen kommen. In diesem Punkte wäre es gescheiter, man wäre bei der gegenwärtigen Regelung geblieben, nach der der Vorstand und der Aufsichtsrat das miteinander machen und die Aktionäre dann nur darüber entscheiden, wie der tatsächlich übriggebliebene Gewinn verteilt wird.Hier ist ein Schritt in Richtung auf die Aktionärsdemokratie gemacht worden, während auf der anderen Seite unsere Anträge in bezug auf eine Vertretung der Minderheiten im Aufsichtsrat leider abgelehnt worden sind. Ich gebe zu, Herr Kollege Wilhelmi, daß wir das eingehend behandelt haben. Der Vorschlag — wir haben dann noch einmal sehr eingehend darüber nachgedacht —, das d'Hondtsche System einzuführen, das sicherlich in erster Linie für politische Wahlen in Frage kommt, hätte den Vorteil gehabt, daß die Minderheiten im Aufsichtsrat vertreten wären, daß aber querulatorischen Minderheiten der Eintritt in den Aufsichtsrat verweigert worden wäre. Es wäre immer notwendig gewesen, daß sich diese Minderheiten zusammenschließen, um eine Liste aufzustellen. Dazu bedarf man — das kennen Sie aus der Politik — immerhin einer bestimmten Übereinstimmung und einer bestimmten Organisation, die natürlich ad hoc geschaffen werden kann.Ich glaube, daß unser Vorschlag hier schon den richtigen Weg gewiesen hätte. Sie werden mir doch sicher alle zugeben, daß es eine höchst ungute Sache ist, wenn ein Aktionär, der 38% der Aktien einer Gesellschaft hat — ein Fall, wie er an uns herangetragen wurde —, von dem Mehrheitsaktionär zusammen mit der Bank, die das Depotstimmrecht ausübt, überstimmt wird und nicht einen Vertreter in den Aufsichtsrat hineinbekommt mit dem Erfolg, daß die Verwaltung, die schließlich die Geschäftspolitik bestimmt, den betreffenden Aktionär sozusagen am steifen Arm aushungern kann, wann sie es immer will. Das ist doch kein schönes Ergebnis.Deswegen waren wir der Meinung: Gerade hier sollte eine Minderheitenvertretung geschaffen werden. Sie sind diesem Antrag leider nicht gefolgt. Ich wollte das hier noch einmal anmerken.Zum Schluß lassen Sie mich noch einmal kurz auf die Strafvorschriften eingehen, auf die Herr Kollege Wilhelmi nicht eingegangen ist — oder nur ganz kurz; entschuldgien Sie bitte, wenn ich es überhört haben sollte.
Wir begrüßen es ganz besonders, daß es gelungen ist, eine starke Bereinigung der aktienrechtlichen Strafvorschriften durchzuführen, daß es uns gelungen ist, aus dem Kriminalstrafrecht alles herauszuwerfen, was genaugenommen — wenn es eines gewissen Gewichtes auch nicht entbehrt — nur zu den Ordnungswidrigkeiten gehört und übrigens mit einer Geldbuße viel empfindlicher geahndet wird als mit einer Gefängnisstrafe. Hier ist eine sehr saubere Abgrenzung zwischen kriminellem Unrecht bei bedeutenden Vergehen und dem Ordnungswidrigkeitenrecht für alle Verstöße gegen die aktienrechtliche Ordnung geschaffen worden, die wir sehr begrüßen.Zum Abschluß darf ich für die SPD-Fraktion folgendes feststellen: Das Gesetz weist, wie ich im einzelnen dargelegt habe, von unserem Standpunkt aus eine Reihe von Mängeln auf. Aber wir haben eine sehr eingehende Abwägung des Für und Wider vorgenommen. Am Schluß dieser Güterabwägung steht der Gesichtspunkt, daß die Fortschritte in diesem Gesetz die Mängel doch überwiegen. Weil dies so ist, stimmt die SPD-Fraktion dem Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine persönliche Bemerkung. Ich bin von Freunden darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich in der zweiten Lesung gegen die mir sonst zugeschriebene Höflichkeit verstoßen hätte, indem ich bei der Anrede des Hohen Hauses dreimal nur „meine Herren" gesagt hätte. Meine Damen, ich bitte um Entschuldigung. Ich bitte, mir als Entschuldigung abzunehmen, daß nach meiner Kenntnis der deutschen Sprache — so wurde ich früher belehrt — in gewissen Spannungsmomenten der Begriff „Herr" als Gattungsbegriff für „Mensch" zu betrachten ist. Es sollte also nicht etwa eine Diskriminierung der Damen sein.
Zur Sache. Meine Damen und Herren, Sie werden dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gestatten, daß er einen Augenblick bei dem verweilt, was an Arbeit hinter uns liegt. Ich bin dem Herrn Kollegen Wilhelmi sehr dankbar, daß er die Liebenswürdigkeit hatte, der Mitwirkung der Assistentin
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Dr. Aschoffdieses Ausschusses zu gedenken; denn wir sind — deshalb möchte ich eine Bemerkung machen — bei der Ausstattung unserer Ausschüsse fast an der Grenze der Überforderung gewesen.Wenn der Wirtschaftsausschuß nach zweieinhalbjähriger Beratung Ende vorigen Jahres ein Ergebnis vorlegen konnte, das, wie sich nachher gezeigt hat, von den Ergebnissen der Beratungen des Rechtsausschusses doch nur in nicht sehr entscheidenden Punkten abwich, so war das nur möglich, weil der Kollege Wilhelmi unserem Ausschuß als Berichterstatter zur Verfügung stand. Ich halte mich für legitimiert, dem Herrn Kollegen Wilhelmi für diese Mitarbeit unseren Dank zu sagen.
Die Beratungsweise hat aber auch noch etwas ergeben, zu dem ich vorweg eine Bemerkung machen möchte. Man müßte im Interesse einer verantwortlichen Beratung doch überlegen, großen Ausschüssen bei der Beratung solcher Gesetze zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen, weil wir, nicht nur ich und Herr Wilhelmi, sondern fast alle von uns, nicht nur durch die Ausschußsitzungen, sondern durch Besprechungen mit Wirtschaftskreisen, mit Sachverständigen in einer Form Wochen und Nächte überfordert worden sind, daß es so praktisch nicht durchführbar ist. Ich meine auch, man sollte den Mut haben, bei einem solchen Gesetz zu sagen, daß die Rücksprache und Aussprache mit Interessenten und Sachverständigen bei dem Parlamentarier, der auf Selbstachtung hält, auch eine gewisse Grenze hat. Ich bin der letzte, der nicht der Auffassung ist, daß ich mir den fehlenden Sachverstand bei Gelegenheit durch Besprechungen mit Sachverständigen verschaffen muß und daß ich verpflichtet bin, die Interessenlage aller verschiedenen Zweige zu erörtern. Das darf aber nicht so weit gehen, daß die Grenze zwischen sachverständiger Beratung und sehr konkretisierter Forderung bis in die letzten Stunden überschritten und damit das Ansehen des Abgeordneten fast gefährdet wird.
Zur Sache! Bei aller gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebung, insbesondere beim Aktienrecht, stehen wir leider immer wieder vor der Tatsache, daß wir hinter der Zeit sind. Wir bemühen uns, eine Entwicklung, die im Fluß ist, an irgendeinem Punkte aufzufangen. Wir setzen bei diesen Gesetzen nicht einen theoretischen Neupunkt. Bei einem Vergleich der Geschichte des Aktienrechts seit 1870 werden Sie feststellen, daß die grundlegenden Reformen jedesmal kamen, wenn sie sich aus der Praxis als notwendig erwiesen. Daraus ergibt sich aus der Sache, daß wir zu einem Ergebnis kommen, das ich genau wie Sie, Herr Reischl, beurteile, mit Plus- und Minuspunkten. Sowohl auf Ihrer Seite als auch in den Kreisen der Wirtschaft wird nirgendwo eine absolute Zustimmung zu diesem Gesetz vorhanden gewesen sein, selbst in den Fraktionen ist zu einzelnen Punkten die Beurteilung verschieden.Ich meine aber, daß ich für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgendes feststellen kann.Wir sind genau wie Herr Wilhelmi der Meinung, daß entscheidend für diese Reform der Gedanke war, durch eine verstärkte Publizität und eine Klärung der verantwortlichen Führungsverhältnisse in den Aktiengesellschaften in Verbindung mit einem Schutz des Kleinaktionärs der gesellschaftspolitischen Situation der Zeit gerecht zu werden. Ob uns das in allen Punkten entsprechend den Wünschen der Interessenten gelungen ist, werden wir aus dem Widerhall der Veröffentlichungen in der nächsten Zeit merken.Meine Fraktion hat sich jedenfalls nicht nur entschlossen, an dem Reformwerk mitzuarbeiten, sondern sie war auch der Auffassung, daß das Reformwerk notwendig sei. Herr Reischl, ich bin nicht ganz Ihrer Meinung, daß man heute sagen kann, man könnte teilreformieren. Ich darf das kurz begründen. Meine Herren, Sie sagen, man müsse erst ein Unternehmensrecht schaffen. Aus Ihren Ausführungen geht ganz klar hervor, daß der Schwerpunkt auch Ihrer unternehmensrechtlichen Überlegungen natürlich auf der endgültigen Gestaltung der Mitbestimmung beruht. Ich erkläre, daß wir absolut und vorbehaltlos bereit sind, über diese Frage im nächsten Bundestag mit Ihnen zu diskutieren.
— Ich spreche von mir persönlich nicht in einem Pluralis majestatis. Wir kommen wieder, zu Ihrem Leidwesen und zu Ihrer Freude! Das ist jedenfalls sicherer, Herr Kollege, als die Antwort auf die Frage, ob jede einzelne Bestimmung dieses Gesetzes richtig ist.Herr Kollege Reischl, da diese Frage völlig offen im Raum steht, sind wir der Meinung, man sollte dieses Gesetz zunächst einmal machen, weil sich eine Fülle von Regelungen anbot, die Sie selbst als zweckmäßig und notwendig bezeichnet haben. Wir haben gewisse Bedenken mehr unter dem Gesichtspunkt gehabt, ob man alles praktizieren kann, was wir an Bestimmungen vorgesehen haben. Wir sind ja oft in der Gefahr, zu perfektionistisch zu werden. Ich habe deshalb schon in der zweiten Lesung angekündigt, daß wir genau beobachten werden, ob z. B. das Konzernrecht so funktioniert. Ich schließe mich durchaus dem Dank an den Herrn Referenten des Justizministeriums an und war auch der Meinung, man konnte nicht weiterkommen. Trotzdem glauben wir, daß sich beim faktischen Konzern in der Praxis eine Diskriminierung ergeben wird und daß hier Bestimmungen geschaffen worden sind, die den Notwendigkeiten der Wirtschaft vielleicht nicht gerecht werden. Wir glauben auch, daß bei diesem ersten Versuch eines Konzernrechts der Wirtschaftsprüfer in bezug auf seine Entscheidungsbefugnis etwas überfordert sein könnte. Die Praxis wird zeigen, ob es so ist. Wir sollten uns jedenfalls darüber klar sein, daß wir mit dieser Gesetzgebung ein Neuland betreten haben und daß wir uns, wenn sich in der Zukunft die Notwendigkeit irgendwelcher Ergänzungen zeigt, nicht scheuen sollten, diese Ergänzungen vorzunehmen.In bezug auf die EWG bin ich genau der entgegengesetzten Auffassung wie Sie. Es mag sein,
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9412 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Dr. Aschoffdaß die EWG Richtlinien zum Gesellschaftsrecht herausgeben wird, die uns zu Maßnahmen zwingen. Aber, Herr Kollege, bei der EWG gilt für deutsche Belange meiner Ansicht nach der alte Grundsatz: wer überhaupt schon eine Idee hatte und sie zu Papier gebracht hat, liegt immer vorn im Rennen. Ich bin sehr beeindruckt von dem gewesen, was mir Herr Dahlgrün bezüglich der Besprechungen in Rom über unseren Mehrwertsteuerentwurf gesagt hat. Nach dem, was ich in Europa beobachtet habe, ist man besser daran, wenn man zunächst einmal eine Ausgangsposition fest in der Hand hat, als wenn man mit leeren Händen kommt und die Diktate der andern entgegennehmen muß. Auch aus diesem Grunde ist meine Fraktion der Ansicht, daß wir dieses Gesetz trotz der Entwicklung in der EWG verabschieden sollten.Im übrigen darf ich mich darauf beschränken, zu sagen, daß die Punkte, die Herr Wilhelmi angeführt hat, auch die für uns maßgebenden sind. Ob allerdings der — auch von mir geteilte — Wunsch voll erfüllt wird, durch die verstärkte Publizität und den Schutz der Aktionäre das Eigentum näher an die Produktionsmittel zu bringen, weiß ich nicht. Die Aktie ist im wesentlichen auf Grund einer guten Ertragslage attraktiv, nicht auf Grund von theoretischen Organisationserwägungen. Wir werden sehen, was die Entwicklung bringt. In den Grundüberlegungen sind wir also durchaus mit dem Herrn Berichterstatter einig. Wir sehen gewisse Punkte notwendigerweise anders als Sie, Herr Kollege Reischl. Wir sind aber aus den von mir angeführten allgemeinen Gründen bereit, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seidl .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen der CSU-Landesgruppe ein paar kurze Bemerkungen zu dem Gesetz machen.Wir waren der Meinung, daß ein Reformwerk vielleicht besser warten sollte, bis die Situation in der EWG sich geklärt hat.Wir waren aber der Meinung: nachdem schon mehrere Änderungen und Reformen am Aktienrecht vorgenommen worden sind, konnte man das Aktiengesetz nicht wiederum nur mit Flickwerk ausbessern. Deshalb waren wir bereit, an diesem Reformwerk mitzuarbeiten, durch das das ganze Aktienrecht aus einem Guß neu gestaltet werden sollte, wenn man den gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt als richtig ansehen wollte. Daß eine Reihe von Gründen dafür gesprochen haben, ist in Erklärungen meiner Herren Vorredner zum Ausdruck gekommen.Selbstverständlich begrüßen auch wir, daß in diesem Gesetz Bestimmungen vorgesehen sind, die die Publizität erweitern sollen, daß der Schutz des Aktionärs erhöht und seine Rechte gestärkt werden sollen und daß das Konzernrecht in diesem Gesetz eine Gestaltung gefunden hat. Dabei gestatten Sie mir zu Anfang aber doch auch ein paar kritische Hinweise auf Punkte, in denen wir nicht ganz mit dem einverstanden sind, was im Gesetz niedergelegt ist.Es betrifft zunächst die Publizität. Wir sind der Meinung, daß man in der Publizität auch etwas zu viel tun kann und eine zu starke Publizität der Gesellschaft und damit auch den Aktionären, den Eigentümern, unter Umständen sogar Schaden zufügen kann.Wir sind also im Gegensatz zum Kollegen Reischl, der die untere Grenze für die Mitteilungspflicht in § 19 noch herabsetzen möchte — wobei der Vergleich zwischen den deutschen und den französischen und auch amerikanischen Verhältnissen meiner Ansicht nach nicht in dieser einfachen Form gezogen werden kann, wir haben darüber in den Ausschüssen gesprochen, ich brauche darauf nicht näher einzugehen und möchte es nur anklingen lassen—, eher der Meinung, daß diese Mitteilungspflicht bei 25 % Beteiligung sich unter Umständen schädlich auswirken kann. Wir denken dabei insbesondere an die Fälle der Sanierung, daran, daß eine Sanierung manchesmal besser und leichter vorzunehmen ist, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, ja, daß solche Dinge manchesmal an der Publizität scheitern können. Es kann unserer Ansicht nach auch im allgemeinen nicht immer im Interesse der Gesellschaft liegen, wenn man erfährt, daß eine starke Beteiligung, insbesondere nach einer Sanierung, die Gesellschaft wieder verläßt, und wenn dadurch unter Umständen der Kredit und die Existenz der Gesellschaft gefährdet worden.Wir sind des weiteren — es gäbe noch einiges andere dazu auszuführen, ich will mich aber kurz fassen nicht glücklich darüber, daß auch eine Bestrafung der Gesellschaft vorgenommen wird, wenn die Mitteilung durch denjenigen, der sie hätte machen müssen, nicht gemacht wird. Die Gesellschaft erleidet dann einen Schaden, weil ein Anfechtungsrecht gegeben ist, wenn ohne die erforderliche Mitteilung, für deren Unterlassung sie nichts kann, Rechte ausgeübt werden.In diesen Rahmen der Publizität gehört selbstverständlich auch das Depotstimmrecht hinein. Diese Bestimmung des § 129 und der ihn umgebenden Paragraphen — § 121 usw. — dient einmal der Stärkung der Rechte des Aktionärs, zum anderen auch der größeren Publizität. Er soll den Aktionär zur Mitarbeit an der Gesellschaft anregen und überhaupt die breite Öffentlichkeit auffordern und es ihr erleichtern und ihr einen Anreiz geben, Aktien und damit Mitgliedschaftsrechte, Eigentumsrechte an den großen Wirtschaftsgütern unseres Volkes zu erwerben. Wir glauben, bei all diesen Fragen der Publizität sollte in einem gewissen Sinne doch auch der Arbeitsaufwand im Verhältnis zum Erfolg berücksichtigt werden. Wir haben zwar diesen Bestimmungen zugestimmt, sind aber nicht ganz sicher, db es unbedingt einen besonderen Anreiz auf den Aktionär ausüben wird, wenn er mit allzuviel Papier überflutet wird. Wir hoffen es,
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und vielleicht sind ausländische Beispiele eine Anregung dafür gewesen.Daß man die Bereitwilligkeit des Aktionärs, an der Hauptversammlung teilzunehmen und seine Weisungen zu geben, durch diese vielen Mitteilungspflichten anreizt — gut, das nehmen wir hin. Wir glauben aber nicht, daß es gut wäre, dem Aktionär dieses Recht, das man ihm nun so anpreist, seine Teilnahme an der Hauptversammlung, praktisch in manchen Fällen unmöglich zu machen, dann nämlich, wenn er die Frist nicht einhalten kann, weil er zu dieser Frist eben nicht da ist oder wenn er die Dinge vergißt und nicht einmal mehr Zeit ist, daß man ihn daran erinnert.Deshalb sind wir mit dem, was beim Depotstimmrecht gemacht worden ist, gerade noch zufrieden und einverstanden.Etwas, das unserer Meinung nach noch hätte geschehen können und sollen, betrifft ein Problem, das auch in der zweiten Lesung schon angesprochen worden ist und auf das ich noch einmal kurz hinweisen möchte: das Problem der Erhaltung von Anlageerhaltungsrücklagen. Bei allen Besprechungen und bei allen Diskussionen in den Ausschüssen ist immer wieder gesagt worden, daß das an sich ein berechtigtes Anliegen sei, daß es aber sehr schwer zu verwirklichen sei. Nun, es mag zugegeben werden, daß die Lösung vielleicht etwas schwierig war, vor allem auf dem Wege, den wir versucht haben, wenngleich wir glauben, daß auch auf dem Wege, den die Sachverständigen gewiesen hatten, eine Lösung möglich gewesen wäre. Die Bewertungsbestimmungen sind sehr streng. Mit den Abschreibungen, die nur von 100 gemacht werden können, kann vielfach das neue Wirtschaftsgut einfach nicht angeschafft werden. Da hätte man es vermeiden können und sollen, daß unter Umständen Scheingewinne ausgewiesen werden und eine Ertragslage vorgetäuscht wird, die in Wirklichkeit nicht da ist. Auch im Verhältnis zu ausländischen Gesellschaften wirkt das sicherlich nicht gut.Es ist auch von seiten der Regierung darauf hingewiesen worden, daß man das Problem im Auge behalten werde und daß man unter Umständen auch den steuerlichen Weg gehen könnte, zumal eine Regelung dieses Problems in fast allen Ländern unseres europäischen Wirtschaftsraumes vorhanden ist und damit unsere Wirtschaft im Konkurrenzkampf benachteiligt ist. Wir werden dieses Problem jedenfalls beobachten und wären sehr dankbar, wenn auch von der Regierungsseite her ein Augenmerk darauf gerichtet würde, das Problem baldigst einer Lösung zuzuführen.Wir begrüßen es, daß das Konzernrecht geschaffen wurde und daß zum erstenmal die Kodifikation dieses Rechts vorliegt. Herr Kollege Aschoff hat schon ausgeführt, daß wir Neuland betreten haben und dabei auch scharfe Bestimmungen geschaffen haben, mit denen man in der Praxis vielleicht nicht fertig wird. Wir haben vor allem Bedenken bei den Bestimmungen über den faktischen Konzern. Wenn die Berichtspflicht so verstanden werden sollte, daß tatsächlich jede Einzelheit berichtet werden müßte, daß also zum Schluß möglicherweise derjenige, der die Geschäfte dieses Unternehmens führt oder sie vom Konzern aus steuert, nur mehr Zeit hat, Berichte zu machen, und nicht mehr, unternehmerisch tätig zu sein, dann wäre das unserer Ansicht nach nicht gut. Wir glauben, daß diese Berichtspflichten nur dann praktikabel sind, wenn die betreffenden Bestimmungen sehr großzügig ausgelegt werden und wirklich nur das Wesentliche berichtet wird.Wir fürchten, daß auch die von Herrn Kollegen Wilhelmi zitierte Bestimmung, daß in einem Jahr der Ausgleich gefunden werden muß und daß über den Ausgleich in verschiedenen Jahren eine vertragliche Regelung nötig ist, in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bringen könnte. Denn es steht auch geschrieben, daß ein Rechtsanspruch zu gewähren ist. Wie sich das in der Praxis bei einem solchen Vertrag und bei den auch von Herrn Wilhelmi angeführten Dingen besonders im Stadium der Gründung und des Anfangens, wo unter Umständen einmal Nachteile hingenommen werden müssen, die später durch Vorteile ausgeglichen werden, auswirken wird, kann man noch nicht sagen. Wir jedenfalls befürchten, daß das Schwierigkeiten bringt.Diese beiden Probleme zusammen könnten — und das ist unsere Hauptbefürchtung — den faktischen Konzern überhaupt zum Erliegen bringen und damit dort, wo es nicht notwendig ist, zu einer Konzentration führen. Man könnte all diesen Berichts- und Ausgleichspflichten ausweichen, indem man einfach eine stärkere Beteiligung erwirbt. Das wäre unserer Ansicht nach sicherlich nicht gut, weil wir dafür sind, daß möglichst viele selbständige Unternehmen aufrechterhalten bleiben.Wir haben auch Bedenken bezüglich der Barabfindung gemäß § 309 und der noch vorgeschriebenen Abfindung in Aktien. Wir haben vor allem das Bedenken, daß hier die ausländischen Gesellschaften besser gestellt sind, die nur eine Barabfindung zu leisten brauchen. Diese oft sehr schwierigen Bewertungen werden nun mehrfach gefordert, und wir bedauern, daß wir hier nicht die einfachere Lösung haben finden können.Sehr begrüßen wir, daß die Anfechtungs- und Nichtigkeitsbestimmungen und auch die Regelung der Sonderprüfung so gelungen sind, daß es bei den wichtigen Entscheidungen hinsichtlich der Aufrechterhaltung und der Sicherheit der Gesellschafterbeschlüsse nunmehr in vielen Fällen doch möglich wird, eine vernünftige Lösung durch Einführung der Sonderprüfung zu finden.Im übrigen sind wir der Meinung, daß unsere Wirtschaft und gerade unsere Kapitalgesellschaften — und deshalb begrüßen wir das Reformwerk — in der Zukunft immer noch mehr Kapital benötigen werden. Dieses Kapital können und sollten sie unserer Meinung nach in der Hauptsache durch die Mitwirkung breiter Kreise unserer Öffentlichkeit — durch Aktienbesitz, durch Sparen in Aktien — erhalten. Wir sind dankbar — und begrüßen es —, daß die Kreditinstitute bisher schon Bemühungen in dieser Richtung unternommen haben. Wir wären noch dankbarer, wenn diese Bemühungen verstärkt
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Seidl
würden, damit dieses Bestreben nicht nur vom Parlament und von der Regierung, sondern auch von dort her popularisiert würde.Wir sind der Meinung, daß die Wirtschaft wohl im großen und ganzen mit diesem Gesetz wird arbeiten können. Bei all den Grundlagen und Grundsätzen dieser Reform — Sicherung der Eigentumspolitik, Publizität, Schutz der Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre — ist doch ein mindestens ebenso wichtiger Gesichtspunkt für die Verabschiedung dieses Gesetzes der, daß die Wirtschaft mit ihm arbeiten kann. Wir wollen der Wirtschaft insbesondere in dem auf sie zukommenden Konkurrenzkampf — sie steht schon in diesem Konkurrenzkampf — im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in der immer stärker um sich greifenden Verflechtung der Wirtschaften dieser Länder ein Gesetz an die Hand geben, das sie nicht fesselt und nicht stört, sondern mit dem sie arbeiten kann.Wir haben einige Mängel aufgezeigt, die unserer Meinung nach nicht geeignet sind, in dieser Richtung besonders günstig zu wirken. Wir hoffen, daß, wenn sich dies herausstellen sollte, entsprechende Änderungen des Gesetzes erfolgen. Im übrigen sind wir aber der Meinung, daß das Gesetz im großen und ganzen Zustimmung finden kann, und werden ihm deshalb auch unsere Zustimmung geben.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesjustizminister haben um das Wort gebeten. Es ist etwas nach 13 Uhr. Eigentlich wollten wir um 13 Uhr Pause machen. Die Herren haben aber versichert, daß sie nicht lange sprechen. Was will das Haus?
- Meine Damen und Herren, was wollen Sie? Pause?
— Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das Schicksal vieler großer Reformwerke, daß sie weder von der Bank dort drüben noch vom Parlament her den Rahmen bekommen, den sie eigentlich verdienen. Es steckt eine ungeheure Arbeit in diesem Gesetzeswerk. Ich möchte meine Ausführungen deshalb auch mit einem Dank an die beiden Herren Ausschußvorsitzenden, Herrn Aschoff und Herrn Wilhelmi, aber auch mit einem Dank an den Sprecher der Opposition beginnen dürfen, der hier so viele Bedenken — einige mehr als der Kollege Seidl —
vorgetragen hat, aber Gott sei Dank auch zu der Schlußfolgerung gekommen ist, daß dieses Gesetz angenommen werden kann,Zweitens wollte ich ganz kurz die wesentlichen Punkte des Gesetzes hervorheben: Beseitigung des Mißtrauens gegenüber der Aktie, mehr Publizität, Stärkung der Rechtsstellung des Aktionärs, Wiederbelebung der Aktie als Finanzierungsmittel, breite Eigentumsstreuung. Diese Stichworte enthalten einige unserer wesentlichen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen. Das ist also der Ausgangspunkt der Überlegungen, nach dem Sie sehr häufig gefragt haben, Herr Kollege.Von den neuen Vorschriften, die das Reformwerk bringt, nenne ich besonders die Einführung der Mitteilungspflicht beim Erwerb der Sperrminorität, die wesentliche Verbesserung der Vorschriften über das Rechnungswesen und damit die Ertragsverhältnisse, insbesondere die Einschränkung der Möglichkeit, stille Reserven zu 'bilden, die Vorschriften über die Mitteilungs- und Informationspflichten der Gesellschaften und der Banken zur Vorbereitung der Hauptversammlung, das Depotstimmrecht und nicht zuletzt die erstmalige Kodifikation des Konzernrechts.Ich darf noch einmal auf Ihre Ausführungen zurückkommen und gerade das unterstreichen, was Herr Aschoff gesagt hat. Aus europapolitischen Gründen begrüße ich diese Vorlage sehr; denn es stellt sich immer wieder heraus, daß die Ausgangsbasis nachher sehr wesentlich ist. Die Verhandlungen landen sehr oft beim arithmetischen Mittel, was nicht unbedingt immer richtig zu sein braucht. Wenn wir aber eine gute Ausgangsposition haben, ist das sehr, sehr vorteilhaft.Ich nannte die wesentlichsten Punkte und möchte, da Sie schon so freundlich waren, uns jetzt noch sprechen zu lassen, noch einen dritten Punkt herausstellen, der nach meiner Meinung noch nicht genügend behandelt worden ist. Das ist der wirtschaftspolitische Punkt, der bei Herrn Seidl sehr bescheiden angeklungen ist: Der Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft ist ungeheuer groß, und zwar in allen Bereichen, in den Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben. Ich möchte demgegenüber sofort kurz feststellen, daß wir in dem Geld- und Kapitalmarkt eine Einheit vor uns haben. Wir haben ein sehr großes Angebot. Irgendwer hat es einmal so formuliert: Wir haben sehr viel Geld, aber zuwenig haftendes Kapital. Die Frage ist: Wie bekommen wir mehr haftendes Kapital? Das geht doch nur dann, wenn wir die Hergabe von haftendem Kapital für die Unternehmen und für die Geldgeber attraktiver machen. Es muß sich lohnen. Ich möchte der Dividendenrendite, der Vermögensrendite hier ausdrücklich den klaren Vorrang einräumen. Der Bedarf ist so groß, daß wir ihn nur befriedigen können, wenn sich möglichst viele beteiligen, möglichst viele als Einzelpersonen — nicht über den Staat, wie ich feststellen möchte — über Sparen und Eigentumsbildung beteiligen. Dazu sind viele andere Gesetze notwendig, Steuergesetze und weitere Gesetze, die heute nicht zur Behandlung stehen. Hier sprechen wir über die Aktienrechtsreform. Es ist aber notwendig, vom Aktienrecht her die Voraussetzung zu schaffen.
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Bundesminister SchmückerDie notwendige Voraussetzung, um auch gesellschaftspolitisch unsere Ziele erreichen zu können, ist, daß wir mehr Publizität schaffen. Wir müssen dem einzelnen einen Überblick geben über das, was er tut. Nur dann hat er auf die Dauer auch Lust, dieses Geschäft mitzubetreiben. Darum betrachte ich die Publizität als eine dringend notwendige Voraussetzung, und ich beklage eigentlich eher ein Zuwenig an Publizität, als daß ich Sorge hätte, Herr Kollege Seidl, vor einem Zuviel.Ich möchte den Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft auch deswegen noch ansprechen, weil mit der wachsenden Integration des europäischen Wirtschaftsraums und mit der wachsenden Verflechtung der Weltwirtschaft deutlich wird, in welchem Ausmaß Kapitalbedarf wird befriedigt werden müssen. Ich bin davon überzeugt, daß dieses Gesetz — wenn auch nicht in vollem Ausmaß; ich erwähnte ja vorhin schon die anderen Maßnahmen — doch wesentlich dazu beiträgt, diesen Kapitalbedarf zu befriedigen und zu helfen, dieses Kapital zur Verfügung zu stellen.Meine Damen und Herren, so einfach und so lapidar es auch klingen mag und so häufig es auch gesagt wird: wir müssen bedenken, daß wir nur in einer starken Wirtschaft in der Lage sein werden, all unsere übrigen sozialen, kulturellen und sicherheitspolitischen Aufgaben zu erfüllen. Und zu einer starken Wirtschaft gehört es nun einmal, daß sich möglichst viele Eigentümer beteiligen. Sie tun es, wenn es von der finanziellen Seite für sie attraktiv ist. Sie tun es aber auch nur dann, wenn sie, soweit es nur irgendwie geht, die Verfügungsgewalt über das Geld behalten, das sie zur Verfügung stellen. Das ist das Anliegen des Gesetzes, und damit begrüße ich dieses Gesetz.Ich habe viel weniger Vorbehalte als die meisten meiner Vorredner. Ich sehe in diesem Gesetz einen Schritt nach vorn, und ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie es einstimmig beschließen wollen. Aber sagen Sie draußen nicht: Nun ja, ihr werdet damit umgehen können, sondern sagen Sie draußen: Hier ist der deutschen Wirtschaft ein neues Instrument in die Hand gegeben, das zeitgemäß ist, das modern ist, das in die Zukunft weist und uns Politiker hoffentlich in die Lage versetzen wird, die Wirtschaftskraft zu stärken, damit wir die übrigen Aufgaben erfüllen können.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorlage, über die Sie gleich anschließend endgültig abstimmen werden und der Sie — wie von den verschiedenen Fraktionsrednern angekündigt worden ist — einstimmig zustimmen wollen, stellt ein sehr umfangreiches, aber auch ein sehr bedeutendes Reformwerk dar. In der vorigen Legislaturperiode konnte das Werk nicht abgeschlossen werden. Ich freue mich, heute feststellen zu können, daß es trotz vieler Befürchtungen, die noch bis in die letzten Wochen hinein auch in diesem Hause geäußert wurden, nun doch dazu gekommen ist, daß dieses Werk verabschiedet wird. Es scheint mir deshalb angebracht zu sein, daß vor der Schlußabstimmung auch von seiten des federführenden Ressorts noch ein paar ganz kurze Bemerkungen gemacht werden.Die Bundesregierung hat bei der Aktienrechtsreform vor allem das Ziel verfolgt, das gegenwärtige Aktiengesetz mit unserer freiheitlichen und auf Eigentum beruhenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen. Den Großunternehmen unserer Wirtschaft sollte mit dem neuen Gesetz ein modernes, in sich geschlossenes Organisationsrecht zur Verfügung gestellt werden, das es ihnen erlaubt, ihren Zukunftsaufgaben gerecht zu werden. Zugleich aber sollte — und das ist kein Gegensatz, sondern fast eine notwendige Folge — das Aktienrecht so gestaltet werden, daß breite Bevölkerungskreise am Erwerb von Aktien interessiert werden und der Ballung des Kapitals in den Händen einiger weniger entgegengewirkt wird.Der Entwurf ist in den Ausschußberatungen an zahlreichen Stellen umgestaltet worden. Viele dieser Änderungen haben nur rechtstechnische Bedeutung. Andere Änderungen sind einschneidender.
Ich verweise auf die neuen Bewertungsvorschriften, mit denen ein völlig neuer Weg beschritten wird, um der Bilanzwahrheit näherzukommen. Die Bundesregierung hält diese Lösung für glücklich und für eine wesentliche Verbesserung ihres Entwurfs. Bei der Regelung des Depotstimmrechts ist zwar erfreulicherweise entsprechend den Vorschlägen der Bundesregierung die Pflicht zur Unterrichtung der Aktionäre vor der Hauptversammlung wesentlich erweitert worden, entgegen dem Entwurf jedoch die vorherige Vollmachtserteilung zugelassen worden. Ob damit das so überaus schwierige Problem des Bankenstimmrechts als endgültig gelöst angesehen werden kann, bleibt zunächst offen. Wir werden sorgfältig beobachten müssen, wie sich die Regelung bewährt, ob sie entsprechend dem Wunsch der Bundesregierung dem Bankenstimmrecht eine nicht mehr umstrittene Grundlage gibt.Daß auch sonst bei einem Gesetz dieses Umfangs Meinungsverschiedenheiten über die beste Lösung verbleiben, ist nicht auszuschließen. Blickt man jedoch aufs Ganze, so kann mit großer Befriedigung festgestellt werden, daß der Entwurf in der jetzt vorliegenden Gestalt eine wirkliche Reform, ein Schritt nach vorn ist, wie Herr Kollege Schmücker soeben schon gesagt hat. Dieser Entwurf ist geeignet, die Ziele zu erreichen, von denen die Bundesregierung ausgegangen ist.Ich darf mich dem Dank der Vorredner, insbesondere auch des Herrn Kollegen Schmücker, an alle diejenigen, die in diesem Hause in fünfjähriger Arbeit an der Vollendung des Werkes mitgewirkt haben, anschließen. Von dem Umfang dieser Arbeit macht man sich in der Öffentlichkeit meist keine rechten Vorstellungen. Die Öffentlichkeit horcht
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9416 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Bundesminister Dr. Weber.meist nur auf, wenn die Lesungen im Plenum stattfinden. Was die Ausschüsse bei der Aktienrechtsreform geleistet haben, das führt der Bericht des Rechtsausschusses durch Aufzählung der abgehaltenen Sitzungen nüchtern auf. Welche gewaltige Arbeit hier aber tatsächlich geleistet worden ist, läßt die Aufzählung nicht erkennen. Mein besonderer Dank gilt deshalb den beiden beteiligten Ausschüssen, dem Rechtsausschuß und dem Wirtschaftsausschuß, insbesondere deren Vorsitzenden, die die Hauptarbeit bei diesem Reformwerk geleistet haben.Lassen Sie mich auch an die kleinen, in Wirklichkeit aber unentbehrlichen Dinge denken, nämlich die vorbildlichen Synopsen, die dafür gesorgt haben, daß wir uns in dem Wirrwarr immer wieder zurechtfanden.Jedes Gesetz, und damit möchte ich schließen, ist zunächst nur ein Stück Papier. Was aus ihm wird, wie es sich auswirkt, entscheidet sich erst in der praktischen Anwendung. Ich bin zuversichtlich, daß dieses Gesetz die Hoffnungen erfüllen wird, die wir ihm mit auf seinen Weg geben.
Bevor wir zur Schlußabstimmung kommen, möchte ich mich den Dankesworten des Herrn Ministers anschließen und den beteiligten Ausschüssen den Dank des Hauses für die dornenvolle Arbeit aussprechen, die dort geleistet worden ist. Auch den Vorsitzenden dieser Ausschüsse gilt unser Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den beiden Gesetzentwürfen im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung, im übrigen einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe nunmehr den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Drucksache IV/270) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/3401, zu IV/ 3401)
,
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Verwertungsgesellschaften auf
dem Gebiet des Urheberrechts (Drucksache IV/271) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksachen IV/3402, zu IV/ 3402)
.
Berichterstatter für beide Gesetzentwürfe ist der Abgeordnete Dr. Reischl. Er hat in beiden Fällen einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Wünscht er zur Ergänzung das Wort? — Ich erteile dem Herrn Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich also im ganzen auf den Schriftlichen Bericht, und zwar zu den beiden Gesetzesvorlagen und auch zu den drei Verträgen, die ja auch zu der Sache im ganzen gehören, und ich bitte, den Antrag zu dem Urheberrechtsgesetz — Drucksache IV/3401 — zu ergänzen. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf — Drucksache IV/270 —in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen.
Der Antrag muß ergänzt werden durch die Worte „und die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären."
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur zweiten Beratung der Drucksache IV/3401. Ich rufe auf die .§§ 1 bis 52. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Wir kommen zu § 53 und zugleich zum Streichungsantrag des Abgeordneten Nellen auf Umdruck 655 *). Wird der Streichungsantrag begründet? — Herr Abgeordneter Nellen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünsche nicht, die Beratung dieses Hohen Hauses durch ungebührliche Eloquenz zu stören, und ich bin gern bereit, mich besseren Einsichten und besseren Argumenten zu beugen. Sie werden aber verstehen, daß ein Abgeordneter, der im Sonderausschuß für Urheberrecht und im Rechtsausschuß ernste Bedenken angemeldet hat, diese Bedenken auch ganz kurz hier im Plenum vortragen möchte. Meine Bedenken in bezug auf das Urheberrechtsgesetz konzentrieren sich auf den § 53, nämlich auf die alte Frage, wie weit die geldwerten Rechte der Urheber durch Ausnahmen — ich möchte sagen — durchlöchert werden dürfen, und zwar unter dem Gesichtspunkt etwa der Unentgeltlichkeit ,der Auf-*) Siehe Anlage 8
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Nellenführung oder gewisser Interessen, die die Gemeinschaft an ihnen haben kann.Dazu möchte ich dem Hause folgenden Gedanken vortragen. Es ist zweifellos so, daß die Autoren in der Wahrnehmung ihrer Rechte besonders leicht zu kränken sind und daß sie in bezug auf ihre Rechte besonders empfindlich sind. Das gilt vor allem für die Musikautoren und für die Schriftsteller. Die Frage hängt eng damit zusammen, daß wir uns seit langem damit befassen, wie es mit dem „geistigen Eigentum" bestellt ist. Es ist bekannt, ,daß schon rechtssystematisch .die Frage nach geistigem Eigentum gegenüber dem materiellen Eigentum und gegenüber den Eigentumsvorstellungen römisch-rechtlicher und zivilrechtlicher Art in Deutschland sehr schwer zu fassen ist. Aber es ist eine interessante Rechtsentwicklung, daß man vor allem im Anschluß an das Arbeitsrecht — ich verweise nur auf einen so großen Juristen wie den verstorbenen Heinrich Lehmann — doch immer mehr dazu gekommen ist, gerade das ,geistige Erzeugnis im emphatischen Sinne als Eigentum und wegen seiner Verletzbarkeit als besonders schutzbedürftig zu deklarieren.Ich will Sie nicht lange aufhalten; aber eines ist doch zu überlegen. Beim Wortkünstler, beim Komponisten bedarf es eines Minimums an materiellem Substrat, um eine geistige Schöpfung zu setzen; er braucht, plastisch gesprochen, nur ein Blatt Papier und einen Bleistift, und dann tritt sein Ingenium in Kraft, dann notiert er, dann schreibt er, dann produziert er ein Werk. Dieses Werk ist einmalig, ich möchte sagen, im emphatischen Sinne Eigentum, engstens an seine Person gebunden.Wir leben im Dante-Jahr. Sie wissen, daß von Dante ein sehr ernstes Wort stammt, daß die Kunst die Enkelin Gottes sei. Welcher Rückschluß auf den, der zu den auserwählten Göttersöhnen gehört, die uns solche Werke schenken und die Menschheit um diese Werke bereichern!Ich glaube, der Schutz des Eigentums muß sich gerade auch auf dieses Eigentum konzentrieren. Sie wissen, daß das neue, uns vorliegende Urheberrecht in bezug auf diese Frage weitgehende Verbesserungen — das muß anerkannt werden — zugunsten der Autoren, der schöpferischen Menschen und ihrer Leistungen und vor allem ihrer geldwerten Rechte, ihrer Nutzungsrechte, gebracht hat. Um so mehr halte ich es für eine Inkonsequenz, wenn trotz erheblicher und anerkennenswerter Verbesserungen doch in dem § 53, wie er uns jetzt vorliegt, wieder Einschränkungen vorgenommen werden. Das gilt ganz besonders für den Teil der Bestimmung, die sich mit den Ausnahmen für die kirchliche Musik, für die Musica sacra befaßt. Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, burschikos zu sein; aber ich bitte, doch einmal zu bedenken: alles, was im gottesdienstlichen, im liturgischen Raum zur Erbauung der Gläubigen — nun wirklich nicht gegen Entgelt, das kann man ja wohl sagen — ohne Erwerbszweck getan wird, muß bezahlt werden: die Blumen und Kerzen auf den Altären, der Wein und die Hostie für das Abendmahl, der Lutherrock, der auch zur Erbauung der Gläubigen da ist und vom Schneider nicht umsonst geliefert wird, das Parament, das nicht umsonst gestickt wird; erst recht nicht zu sprechen vom Architekten, der die Kirche baut, vom Maler, vom Glasmaler, vom Goldschmied etc. Nur der kirchliche Musiker, der wird wieder ausgenommen! Wir wollen uns doch darüber klar sein, daß die Musica sacra die strengste Form der sogenannten ernsten Musik ist, mit der sowieso kein Geschäft zu machen ist; sie leidet natürlich unter dieser Ausnahme ganz enorm. Ich würde wirklich ernsthaft zu bedenken bitten, ob wir diese Ausnahme im Gesetz wollen.Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die beiden Kirchen vor etwa zehn Jahren freiwillig auf diese Ausnahme verzichtet haben, und zwar — das ist ein ganz offenes Geheimnis — weil sie auf andere Ausnahmen einwirken und ein Beispiel — wenn Sie wollen: gesellschaftspolitischer Art — geben wollten. Es ist bekannt, daß z. B. in der Schweiz die Katholische Kirche lange Zeit gesagt hat: Es werden überhaupt keine tantiemepflichtigen Musikstücke aufgeführt. Die beiden Kirchen in Deutschland haben sich vor zehn Jahren freiwillig mit der Verwertungsgesellschaft, mit der Gema, akkordiert und sind zu einer Pauschalabgeltung dieser geldwerten Rechte und der Nutzungsrechte ihrer Kirchenkomponisten gekommen.Ich darf noch ein letztes kulturpolitisches Moment anfügen. Sie alle wissen, daß z. B. der Evangelische Kirchentag wieder eine begrüßenswerte Ausschreibung zur Erstellung neuer Werke der Choralmusik gemacht hat. Im katholischen kirchlichen Raum wird das Bedürfnis nach in der deutschen Sprache textierter Kirchenmusik enorm anwachsen. Es haben schon Kongresse stattgefunden, und die prominentesten Kirchenmusiker sind angesprochen worden. Auch diese Leute müssen ihre Brötchen haben, auch diese Kunst geht doch nach Brot, und nicht alle Komponisten geistlicher Musik sind nebenher Akademieprofessoren.Wollen wir nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, grundsätzlich eine meines Erachtens inkosequente Einschränkung in dem sonst verbesserten Gesetz auszubügeln, und uns vielleicht dazu entscheiden, den § 53 ersatzlos zu streichen? Es werden dagegen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht: daß man den Kirchen nicht abverlangen könne, daß sie zahlen müßten, wenn man im Absatz vorher andere Ausnahmen gelten lasse. Ich glaube, das Argument zieht nicht. Aber um ihm entgegenzutreten, geben wir zu erwägen, ob wir nicht das Ganze ersatzlos streichen sollten.Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt vielleicht fragen: Warum redet der überhaupt? Das kann ich verstehen. Ich tue das mit dem größten Respekt, weil ich mir durchaus vorstellen kann, daß dieser Vorschlag sachkundig und mit guten Argumenten von meinem Nachredner abgeschmettert wird. Aber ich glaube, auch dann ist dem Hause durchaus ein Dienst erwiesen, weil auf dem Hintergrund meiner bescheidenen Ausführungen die Stärke anderer Argumente um so lichtvoller und überzeugender zum Ausdruck kommt und wir uns sagen
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Nellenkönnen, daß wir eine ganz unverkürzte Debatte geführt haben.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen meines Freundes Peter Nellen fällt es mir etwas schwer, ihm als Berichterstatter entgegenzutreten. Aber ich muß das tun, um die ausgewogene Lösung zu verteidigen, die sämtliche beteiligten Unterausschüsse und Ausschüsse — zuletzt auch der Rechtsausschuß — in dieser Frage gefunden haben.Wir haben, als wir vor der Frage standen, wie wir mit den Einschränkungen des Urheberrechts verfahren sollten, von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß jede Einschränkung, die nicht durch ganz besondere Gründe gerechtfertigt ist, von uns gestrichen werden soll. Deswegen haben wir auch — ich darf dabei auf den Schriftlichen Bericht verweisen — z. B. an der dem § 53 des Entwurfs entsprechenden Bestimmung des geltenden Rechts eine ganze Menge abgestrichen.Nach dem geltenden Recht ist sogar auf einem Volksfest ausgerechnet die Musik vergütungsfrei, während alles andere nur gegen Bezahlung möglich ist. Das ist ein wirklich anormaler Zustand, den zu beseitigen wir für dringend erforderlich hielten.Genauso war es bisher auch bei Wohltätigkeits-und Vereinsveranstaltungen. Auch diese haben wir aus dem Katalog gestrichen. Im § 53 des Entwurfs bleiben nur noch solche Veranstaltungen übrig — wie auch schon nach dem Entwurf der Regierung —, in denen keinerlei Eintritt verlangt wird und die mitwirkenden ausübenden Künstler keinerlei Vergütung erhalten, also Veranstaltungen, die keinerlei Erwerbszwecken dienen, z. B. Schulabschlußfeiern, Jugendgruppenfeiern, kurz, völlig interne Veranstaltungen.An uns sind bereits während der Beratung des Entwurfs im Unterausschuß und auch im Rechtsausschuß eine Unmenge von Wünschen herangetragen worden, die Bestimmung wieder zu erweitern. Wir haben alle diese Wünsche abgelehnt, da wir der Auffassung waren, daß der Urheber einen möglichst weitgehenden Schutz haben muß und daß es nicht ausgerechnet der geistig Schaffende sein muß, der vom Staat zur Wohltätigkeit gezwungen wird; das ist auch ein Gesichtspunkt, den man in diesem Zusammenhang berücksichtigen muß. Einen anderen kann man nämlich nicht zur Wohltätigkeit zwingen. Ausgerechnet da würde man es — ich möchte fast sagen — als Relikt aus der Zeit des Privilegiensystems hinsichtlich des Urheberrechts noch tun.Was nach dem Regierungsentwurf noch übrigblieb, sind Veranstaltungen, die nach dem geltenden Stand der Entwicklung kaum auszuschließen sind. Nach Abs. 1 Nr. 1 sind es einmal sämtliche öffentliche Wiedergaben, „wenn die Wiedergabe keinemErwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und ... den ausübenden Künstlern ... keine besondere .Vergütung gezahlt wird". Wenn aber ein Dritter — das muß ich noch ausdrücklich betonen — daran verdient, wenn also die Veranstaltung z. B. in einer Gastwirtschaft stattfindet und ausgeschenkt werden darf, dann muß an den Urheber eine Vergütung gezahlt werden, in diesem Beispiel vom Gastwirt. Wir haben somit alle Fälle einbezogen, in denen irgend jemand daran verdient, um auf diese Weise dem Urheber seinen gerechten Anteil am Entgelt zukommen zu lassen.Nun enthält der Regierungsentwurf eine Bestimmung, wonach bei kirchlichen Feiern, also beim Gottesdienst, bei sonstigen kirchlichen Feiern und anderen Veranstaltungen der Kirchen oder Religionsgesellschaften, die Wiedergabe zwar ohne Genehmigung des Urhebers stattfinden dürfe, die Kirchen aber immer eine Vergütung zu zahlen hätten, auch dann, wenn die Voraussetzungen von Nr. 1 vorliegen, wenn also jeder andere Veranstalter die Vergütung nicht zu zahlen hätte. Hier haben sowohl der Unterausschuß des Rechtsausschusses als auch der Rechtsausschuß selbst ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gehabt; ausgerechnet die Kirchen sollen schlechter gestellt werden als jeder andere Veranstalter.Deswegen, nur deswegen haben wir in Nr. 2 die gleiche Ausnahme eingebaut wie in Nr. 1. Wir haben also gesagt: Die Kirche zahlt dann, wenn sie Eintritt verlangt oder wenn sie einen ausübenden Künstler bezahlt, was ja bei einer ganzen Reihe von Veranstaltungen vorkommt, vor allem bei großen Konzerten, die es doch auch in Kirchen gibt. In solchen Fällen wird an die ausübenden Künstler eine Vergütung gezahlt, und es wird auch Eintritt verlangt. Jedenfalls muß in all diesen Fällen gezahlt werden. Aber da, wo die Wiedergabe in einem Gottesdienst oder einer unentgeltlichen kirchlichen Veranstaltung geschieht, sollten nach unserer Auffassung die Kirchen und jede Religionsgesellschaft nicht anders gestellt sein als alle anderen Veranstalter.Der Antrag meines Freundes Peter Nellen bezweckt, die ganze Bestimmung zu streichen. Das ist an sich die logische Konsequenz; denn die Ausnahme für die Kirchen wäre nicht gerechtfertigt. Es wäre aber sehr wohl — das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen — zu rechtfertigen, daß alle Beteiligten, also auch der Staat bei seinen Schulfeiern, für die Aufführung einer noch tantiemepflichtigen Musik oder für das Sprechen tantiemepflichtiger Gedichte etwas zahlen. Wir haben aber angesichts der zahllosen Eingaben diese Möglichkeit nicht für durchsetzbar gehalten und haben es deswegen als Realisten bei der augenblicklichen Fassung belassen. Im Endeffekt aber sollte auch bei der Verabschiedung dieses Gesetzes und in diesem Hause klar sein, daß die Weiterentwicklung dahin gehen muß, wohin die Entwicklung beim Schulbuch gegangen ist. Beim Schulbuch haben wir die Tantiemepflicht in diesem Entwurf bereits eingeführt. Das Endziel muß sein, daß die Tantiemepflicht nicht nur
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Dr. Reischlfür die Kirchen, sondern für alle, auch bei derartigen kostenlosen öffentlichen Veranstaltungen, gilt.Wir halten dies aber angesichts der allgemeinen Auffassungen im Lande in diesem Hause nicht für durchsetzbar und haben uns deshalb darauf beschränkt, den Regierungsentwurf in der angegebenen Weise zu modifizieren. Ich darf also bei allem Verständnis, das ich für das Anliegen habe — ich bin mir völlig im klaren darüber, daß das das ideale Endziel wäre — darum bitten, den Änderungsantrag jetzt abzulehnen und das Gesetz im augenblicklichen ausgewogenen Zustand zu belassen. Ich darf aber, sicher auch für alle Mitglieder des Unterausschusses, die vornehmlich bei der Beratung mitgewirkt haben, sagen, daß wir alle als Endziel den Zustand vor Augen haben, den dieser Antrag herbeiführen will.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Wünscht noch jemand das Wort? — Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Nach der Übung dieses Hauses kann über den Streichungsantrag nur so abgestimmt werden, daß über den Paragraphen selbst abgestimmt wird. Wer also für die Streichung ist, wie sie der Kollege Nellen bean- tragt hat, der muß gegen den Paragraphen selbst stimmen. Wer für den § 53 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist schwierig zu entscheiden. Ich darf bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für § 53 ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, es steht hier die Fläche gegen die Masse.
Es ist nicht recht festzustellen, welches die Mehrheit ist. Ich muß leider auszählen lassen. Ich bitte Sie, den Saal zu räumen. Wer für § 53 ist, den bitte ich, durch die Ja-Tür zu gehen, wer gegen den § 53 und damit für den Streichungsantrag des Abgeordneten Nellen ist, den bitte ich, durch die Nein-Tür einzutreten.
Meine Damen und Herren, ich darf das Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben. Es haben mit Ja gestimmt 164 Mitglieder des Hauses, mit Nein 118. Der § 53 ist damit angenommen und zugleich der Streichungsantrag des Abgeordneten Nellen .abgelehnt.
Wir kommen zu § 54. Hierzu liegt ein interfraktioneller Änderungsantrag Umdruck 654 *) zu Abs. 6 vor. Zur Begründung Herr Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag auf Umdruck 654 betrifft eine Änderung des § 54 Abs. 6 des Entwurfs. Dieser Absatz
*) Siehe Anlage 9 ist so ungefähr die umstrittenste Bestimmung des Entwurfs gewesen. Es handelt sich um die berühmte Frage der Tonbandüberspielung, die Sie ja alle aus zahllosen Presseerklärungen und Eingaben kennen. Bei dieser Frage hat .der Ausschuß eine, wie wir alle glauben, in sich abgewogene Lösung gefunden. Er hat dabei aber eine Möglichkeit zum Mogeln übersehen — um es einmal milde zu sagen. Wir haben nämlich in der Bestimmung festgelegt, daß für alle Geräte der Hersteller zunächst einmal zahlen muß, wobei das an sich nicht auf das Inland beschränkt ist; es heißt einfach: „der Hersteller solcher Geräte". Es ist dann aber in Satz 2 eine Ausnahme folgenden Inhalts geschaffen:
Sind die Geräte nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestellt, so haftet neben dem Hersteller als Gesamtschuldner, wer die Geräte in dieses Gebiet gewerblich einführt.
Nun ist uns gesagt worden, daß es da eine wunderbare Umgehungsmöglichkeit gebe, nämlich die, die Geräte im Inland herzustellen, sie zunächst zu exportieren, womit sie von der Abgabe frei sind, und sie dann, wie man so nett sagt, zu re-importieren. Dann könnte man sie abgabefrei auch im Inland verkaufen. Um das auszuschalten — denn das wollen wir ja nun nicht, daß das Mogeln sozusagen belohnt wird —, haben wir gebeten — und zwar interfraktionell —, dem § 54 Abs. 6 Satz 2 die aus dem Umdruck 654 zu ersehende Fassung zu geben, wonach neben dem Hersteller immer als Gesamtschuldner haftet, wer die Geräte in den Geltungsbereich des Gesetzes gewerblich einführt oder wiedereinführt.
Damit sind — soweit das Juristen überhaupt fertigbringen — alle Löcher zugestopft. Wir hoffen also, daß die Bestimmung nunmehr lückenlos ist.
Ich bitte um Annahme des Änderungsantrages.
Wird zu diesem Paragraphen und zu dem Änderungsantrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir zuerst über die Absätze 1 bis 5 ab, an denen ja nichts geändert wird. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Absätze 1 bis 5 sind angenommen.Nunmehr stimmen wir ab über den Änderungsantrag zu Abs. 6, der soeben begründet worden ist. Es ist ein interfraktioneller Antrag. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.Ich lasse nunmehr über den Abs. 6 als ganzen mit der beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abs. 6 ist angenommen.Nun ist noch über § 54 als ganzen abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —§ 54 ist angenommen.Wir kommen nunmehr zu den §§ 55 bis 152, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht?
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Vizepräsident Dr. Jaeger— Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr auf Punkt 5 b der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Verwertungsgesellschaften auf dem Gebiet des Urheberrechts (Drucksache IV/271).Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/3402, zu IV/3402).
.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 28, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Der Herr Berichterstatter hat gewünscht, daß wir jetzt auch noch die Punkte 6, 7 und 8 in zweiter Beratung behandeln und anschließend die dritte Beratung aller dieser Punkte verbinden, was wahrscheinlich zeitsparend wirkt.Ich rufe also nunmehr auf Punkt 6:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in Brüssel am 26. Juni 1948 beschlossene Fassung der Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/3405).
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Der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. Reischl, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich danke und der nicht ergänzt werden muß.Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe auf die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Abkommen vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/3406).
.
Zum Bericht wird das Wort nicht gewünscht. In der Einzelberatung zu Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift liegt auch keine Wortmeldung vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung.Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Europäische Abkommen vom 22. Juni 1960 zum Schutz von Fernsehsendungen ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/3407)
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Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Dr. Reischl, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, nunmehr rufe ich, falls kein Widerspruch gegen die dritte Beratung eingelegt wird — ich stelle fest, daß kein Widerspruch eingelegt wird —, diedritte Beratungaller unter den Punkten 5, 6, 7 und 8 der Tagesordnung aufgeführten Gesetzentwürfe auf.Ich beginne mit der allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Nellen, der sich bisher als einziger gemeldet hat. Ich bitte, die Wortmeldungen vorzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Haus noch einmal um einen kurzen Augenblick der Aufmerksamkeit, und zwar aus demselben Grunde, den ich eben bereits dargelegt habe. Ich habe sowohl im Fachausschuß als auch bei den Beratungen des Rechtsausschusses auch schriftlich zu Protokoll gegebene, wie ich hoffe, ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gegen einige Paragraphen angemeldet. Ich bitte, auch diese Ausführungen so zu betrachten, daß möglicherweise auf diesem Hintergrund die besseren Argumente und die vernünftigeren Vorschläge um so lichtvoller hervortreten. Aber ich glaube, es gereicht dem Hause nicht zur Schande, wenn alle bestehenden Bedenken angemeldet werden, und zwar um so mehr, als dem Rechtsausschuß und auch dem Fachausschuß bekannt war, daß — aber das braucht uns als Legislative selbstverständlich in keiner Weise zu schrekken — eine Verfassungsbeschwerde zu erwarten ist. Wir wissen schon heute, daß ein sehr prominentes rechtskundiges Mitglied dieses Hauses möglicherweise das Mandat für diese Verfassungsbeschwerde übernehmen wird. Aber auch das kann uns gleichgültig sein. Bemerkenswert ist aber, daß an der Objektivität der Beratungen im Rechtsausschuß deswegen nicht gezweifelt wurde, weil dieses Mitglied des Hauses sachkundig zu einzelnen Änderungsvor-
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Nellenschlägen Stellung genommen hat und Vorschläge dieses Mitgliedes auch vom Rechtsausschuß in die endgültige Vorlage übernommen worden sind.Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es ernsten Bedenken begegnen kann, ob es zulässig ist, daß freie mitbürgerliche Zusammenschlüsse mit dem Ziel, die eigenen wirtschaftlichen Belange wahrzunehmen und zu verbessern, hier also geldwerte Nutzungsrechte usw. durch eine Gesellschaft wahrnehmen zu lassen, einer staatlichen Erlaubnispflicht unterstellt und daß objektive und subjektive Kriterien für eine solche Erlaubnis im Gesetz festgelegt werden. Man kann ernsthaft der Meinung sein, daß Freiheitsrechte, die im Grundrechtskatalog klar formuliert sind, durch einen solchen Erlaubniszwang tangiert werden.Dazu kommt, daß man sich zum Teil über die Verwertungsgesellschaften, vor allem über „die" Verwertungsgesellschaft, die im Augenblick „den Markt beherrscht" — so hätte ich beinahe gesagt —, nämlich die GEMA, zum Teil sensationelle Vorstellungen macht. Ich darf Ihnen sagen, daß ich 1946/47, als ich als der schlichte Regierungsrat, der ich geblieben bin, als Dezernent für Jugendfragen und Volksbildung mit heftigen Klagen gegen die GEMA befaßt wurde, auch im ersten Augenblick und einige Monate lang gesagt habe: Nein, da werden der Volksbildung, dem Kulturleben usw. drückende Lasten zugemutet; das geht nicht. Wenn man sich aber etwas näher damit befaßt hat, stellte man ganz nüchtern fest, daß gerade der Personenkreis, dessen Nutzungsrechte hier wahrgenommen werden, einer besonders intensiven Pflege seiner Belange bedürftig ist. Die Künstler selbst können ja gar nicht ihre Rechte wahrnehmen, die Musiker, die Dichter usw. Die Inhaber sogenannter großer Rechte, also die Bühnenautoren, Opernkomponisten scheiden sowieso aus; da ist die Sache viel einfacher zu kontrollieren.Es ist also zu begrüßen, wenn Mitbürger aus freier Initiative, die grundgesetzlich extensiv geschützt ist, sich — ich sage es einmal ganz primitiv, aber deutlich — eine „Inkassogesellschaft" gründen. Diese Inkassogesellschaft sollte meines Erachtens in ihrer ganzen Gestaltung und Geschäftsführung dem freien Willen der Genossen dieser Gesellschaft unterstellt sein. Eine Staatsaufsicht, wie sie hier begründet wird, kann doch nur dann Platz haben, wenn ein ungewöhnlich ernstes Gemeinschaftsgut berührt oder gefährdet ist. Man darf sich doch wohl fragen, ob ein solches Gemeinschaftsgut wie etwa die Volksgesundheit — das wäre so etwas, und da haben wir ja auch entsprechende Gesetze — hier geschützt werden soll.Die andere Frage ist, ob es nach unserer Grundkonzeption des Verhältnisses vom Bürger in der Gesellschaft und im Staat angängig ist, den Bürger in dieser Form, wie das Gesetz es meines Erachtens vorsieht, sozusagen vor sich selbst zu schützen. Die Organe der Verwertungsgesellschaften sind genau fixiert, ihre Zuständigkeiten, die Kontrollmöglichkeiten durch Aufsichtsrat und Generalversammlung und was weiß ich alles. Ich bin davon überzeugt, daß wir hier zu weit gehen.Ich möchte diese Bedenken anmelden, und sei es mit dem Ziel, daß eine mögliche gegenteilige Argumentation um so überzeugender hier zum Ausdruck kommt, was auch den Bundesverfassungsgerichtshof sehr interessieren dürfte.Dieses allgemeine Problem kann man an einigen Einzelfragen noch erläutern, z. B. an der Frage .einer dort vorgesehenen Schiedsstelle, die meines Erachtens das grundgesetzlich geschützte Recht auf den ganzen Rechtsweg in einer für mich peniblen Weise einschränkt. Man kann noch eine andere Frage ansprechen, nämlich die eines gegenüber der Zivilprozeßordnung veränderten Gerichtsstandes. Von der doppelten, der kartellrechtlichen und der angeblichen Fachaufsicht will ich schweigen.Ich habe es für notwendig gehalten, diese Bedenken vorzutragen. Ich möchte aber nicht versäumen, zu sagen, daß der Bundestag sich dazu beglückwünschen kann — verzeihen Sie, das ist keine Anmaßung; ich habe hier kein Werturteil zu sprechen —, daß eine Rechtsmaterie, die kultur-, gesellschafts-und rechtspolitisch von größter Bedeutung ist und die seit über einem Jahrzehnt im Ministerium geschmort hat, jetzt endgültig gestaltet wird. Ich zögere nicht, Ihnen, meine Damen und Herren, zu empfehlen, besonders unserem Kollegen Dr. Reischl, der diese Materie in einer ungewöhnlich zügigen und kenntnisreichen Weise nach 10 Jahren endlich gesetzgebungsreif hier auf den Tisch gebracht hat, einen speziellen Blumenstrauß zu überreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Deringer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In einer Zeit, in der Leistung und Fortschritt vorwiegend in Kapazitäten und Jahrestonnen oder in Umsätzen von Millionen und Milliarden ausgedrückt werden, in der der Mensch mit seiner Technik ins Weltall dringt, kann es nur allzu leicht geschehen, daß der Schöpfer geistiger Werte, der Dichter und Künstler, ins Hintertreffen gerät, weil er als ein auf sich allein gestellter Individualist den Kräften der Massen und der Technik nicht gewachsen ist. Vielleicht gilt er auch heute vielen gar nichts mehr, weil sich seine Leistung — von einigen Erfolgsautoren und Schlagermillionären abgesehen — eben nicht in großen Zahlen oder wirtschaftlichen Erfolgen messen läßt.Um so mehr hat er einen Anspruch darauf, und die Gemeinschaft ist um ihrer selbst willen verpflichtet, auch seine Stellung zu sichern und zu stärken. Die Fraktion der CDU/CSU hat es deshalb von Anfang an aufrichtig begrüßt, daß die Bundesregierung nach jahrelangen sorgfältigen Vorbereitungen zu Beginn dieser Legislaturperiode endlich den Entwurf eines neuen, modernen Urheberrechts vorgelegt hat, und sie hat diesen Entwurf und seine Tendenz mit voller Überzeugung unterstützt. Es bereitet ihr deshalb eine besondere Genugtuung, daß es gelungen ist, auch dieses Reformwerk noch in dieser Legisla-
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Deringerturperiode zu verabschieden. An dieser Genugtuung kann es nichts ändern, daß bei manchen Vorschriften ein Mittelweg zwischen einander widerstreitenden Interessen gewählt werden mußte oder daß man bei manchen Neuerungen nur zaghafte erste Schritte in die Zukunft machen konnte.Der Regierungsentwurf, der jetzt Gesetz wird, hat nicht nur in zahlreichen Fällen die bisherige Rechtsprechung in bindende Vorschriften übernommen, sondern darüber hinaus das Urheberrecht in entscheidenden Punkten neu gestaltet. Er hat anstelle der früheren Aufzählung einzelner Rechte des Urhebers ein umfassendes Urheberrecht gesetzt und den schon bisher bekannten und in der Rechtsprechung entwickelten Rechten noch im besonderen das Recht des öffentlichen Vortrags, das Folgerecht als Beteiligung an der Wertsteigerung von Werken der bildenden Kunst und das Recht der Beteiligung an der Nutzung von Vermietungsstücken hinzugefügt.Sicher dringen manche dieser Vorschriften in Neuland vor, so daß es durchaus vertretbar ist, wenn nur vorsichtige Schritte gemacht wurden. Das gilt z. B. für das eben erwähnte Folgerecht, bei dem der Anspruch des Urhebers aus Gründen der praktischen Durchsetzbarkeit auf 1 % des jeweils für ein Kunstwerk erzielten Veräußerungserlöses begrenzt wurde, obwohl eine Beteiligung an der Wertsteigerung gerechter gewesen wäre. Das gilt weiter etwa für die Vorschrift des § 36 über das Recht des Urhebers auf angemessene Beteiligung am unerwarteten Erfolg, bei der der Rechtsausschuß den geäußerten Bedenken durch Objektivierung der Vorschrift entgegengekommen ist. Bei dieser wie bei mancher anderen neu geschaffenen Vorschrift wird es Aufgabe der Gerichte sein, sie sinnvoll anzuwenden und dann, wenn z. B. ein Autor mehrere Werke beim gleichen Verlag erscheinen läßt, auf das Gesamtergebnis seiner Werke und nicht auf den Erfolg eines einzelnen abzustellen.Eine andere, entscheidende Neuerung des Gesetzes ist, daß das Urheberrecht als solches in Zukunft nicht mehr übertragbar ist, sondern nur noch Nutzungsrechte daran eingeräumt werden können. Das führt natürlich in gewissen Fällen zu Schwierigkeiten, mit denen wir uns im Ausschuß befassen mußten, z. B. bei dem Gemeinschaftswerk, bei dem es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, den Organisator oder Herausgeber allein als den Urheber anzusehen. Es widerspräche aber dem Grundgedanken des neuen Gesetzes, Urheberrechte nur in der Person des geistigen Schöpfers entstehen zu lassen, wenn man die Miturheber an einem solchen Gemeinschaftswerk ihrer Rechte entkleiden und sie allein dem Organisator übertragen wollte.Ein besonderer Ausdruck für den Schutz, den das neue Urheberrecht dem Urheber gegenüber seiner Umwelt gewährt, sind die verschiedenen Bestimmungen, die es ihm verwehren, auf bestimmte Rechte für die Zukunft zu verzichten. In allen diesen Fällen bestände die Gefahr, daß der Urheber als der in der Regel wirtschaftlich Schwächere gegenüber einem starken Nutzer auf diese Rechte verzichten könnte. Um ihr vorzubeugen, sieht das neue Gesetz vor, daß diese Rechte unverzichtbar sind.Der Rechtsausschuß ist in seinen Beschlüssen — und die Fraktion der CDU/CSU billigt das voll und ganz — an einer ganzen Reihe von Stellen sogar über den Regierungsentwurf hinausgegangen. Er hat sich dabei von dem Wunsch leiten lassen, den Grundgedanken des Regierungsentwurfs noch stärker zu verwirklichen. Deshalb hat er z. B. in dem Gesetz vorgesehen, daß bei der Übertragung von Nutzungsrechten im Zweifel nur diejenigen Nutzungsrechte übertragen sein sollen, die der Zweck der jeweiligen Übertragung erfordert. Damit wird der unerfahrene Urheber dagegen geschützt, daß er durch eine pauschale Vereinbarung Nutzungsrechte überträgt, die er gar nicht übertragen wollte und deren der Benutzer auch gar nicht bedurfte.Dem gleichen Ziel der Stärkung der Stellung des Urhebers dienen etwa die Wiedereinführung des alten Melodienschutzes, die Ausdehnung der Erlaubnispflicht bei Bearbeitungen und die Abkürzung der Fristen für das Rückrufsrecht wegen Nichtausübung bei Zeitungen und Zeitschriften.Von größerem Gewicht ist die vom Rechtsausschuß im Interesse der freien Journalisten beschlossene Änderung der Vorschrift über die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Artikel aus Zeitungen; nicht nur, daß diese Vorschrift auch auf den Rundfunk ausgedehnt wurde, so daß Presse und Rundfunk in dieser Hinsicht im Urheberrecht völlig gleichbehandelt werden, sondern vor allem sieht die Vorschrift in der jetzt beschlossenen Fassung vor, daß der Urheber, d. h. der Journalist, für die Wiedergabe einzelner Artikel aus Zeitungen und ähnlichen Blättern sowie einzelner Rundfunkkommentare, wenn sie schon ohne seine Genehmigung zulässig sein sollen, so jedenfalls doch eine angemessene Vergütung zu erhalten hat. Diese Bestimmung wird dem gelegentlich anzutreffenden Mißbrauch entgegenwirken, nicht nur Auszüge aus Aufsätzen, sondern diese ganz in andere Zeitschriften zu übernehmen.Die entscheidenden Punkte aber, in denen der Rechtsausschuß vom Regierungsentwurf abgewichen ist, sind die Vorschriften über die gesetzlichen Lizenzen, über die private Überspielung auf Tonbänder und über die Verlängerung der Schutzfrist.Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, daß Urheber, die einem Hersteller von Tonträgern die gewerbliche Übertragung und Verbreitung ihres Werkes gestattet hatten, jedem anderen Hersteller von Tonträgern die gleiche Erlaubnis geben mußten. In ähnlicher Weise sah der Regierungsentwurf eine Regelung für die Sendeunternehmen vor. Der Rechtsausschuß hat diese sogenannte gesetzliche Lizenz für den Rundfunk völlig gestrichen, weil er der Auffassung war, daß auch ohne diese Vorschrift die Rundfunkanstalten in der Lage sein werden, ihre Hörer mit den zeitgenössischen Werken der Literatur und Musik bekanntzumachen. Denn in der Regel wird der Urheber sein Recht freiwillig zur Verfügung stellen. Tut er das aber nicht, so besteht kein Anlaß und so würde es dem Grundgedanken dieses Gesetzes widersprechen, ihn durch eine gesetzliche Lizenz dazu zu zwingen. Für die Tonträger dagegen hat der Rechtsausschuß an Stelle der ge-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9423
Deringersetzlichen Lizenz die bisher schon übliche Zwangslizenz wiedereingeführt, bei der der Urheber jedenfalls die Möglichkeit hat, über die Höhe der Vergütung zu verhandeln, ehe sein Werk übernommen wird.Die umstrittenste Bestimmung des neuen Gesetzes war die über die private Vervielfältigung von Bild- oder Tonträgern. Zu dieser Frage sind uns so viele und so entgegengesetzte Gutachten mit klingenden Namen vorgelegt worden, daß es wohl keine verfassungsgemäße und rechtspolitische mögliche Lösung gäbe, wollte man allen vorgetragenen Argumenten folgen. Der Gesetzgeber ist aber nun einmal in der weniger angenehmen Situation als die Gutachter, zwischen allen Bedenken hindurch eine. Entscheidung zu treffen, die einen, wie er glaubt, gerechten Ausgleich der Interessen herbeiführt.Dabei war bei dieser Frage davon auszugehen — was meist übersehen wird, meine Damen und Herren, auch von einigen Gutachtern —, daß das Urheberrecht grundsätzlich auch das Recht umfaßt wie es jetzt auch wieder festgelegt wird —, „Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Zahl" dies geschieht. Ohne eine besondere gesetzliche Vorschrift wäre daher, auch schon nach dem bisher geltenden Recht, selbst die Vervielfältigung im privaten Bereich und zum persönlichen Gebrauch unzulässig. Bisher hat der Gesetzgeber allerdings das Urheberrecht insoweit eingeschränkt, weil die private Vervielfältigung bei dem früher bekannten Stand der Technik keine Beeinträchtigung der Rechte des Urhebers bedeutete. Die Frage, die jetzt zu entscheiden war, war die, ob diese frühere Einschränkung in vollem Umfang aufrechterhalten bleiben konnte. Es ging also nicht darum, wie es ein Gutachter schrieb, ob das Verbietungsrecht des Urhebers weiter ausgedehnt werden sollte, sondern darum, ob eine bisher schon übliche Einschränkung auch in Zukunft aufrechterhalten werden könnte. Deshalb steht die Vorschrift, um die es hier geht, mit Recht hinten in dem Abschnitt über die Schranken des Urheberrechts und nicht vorn bei den Vorschriften über Umfang und Inhalt des Urheberrechts.Das Schicksal dieser Vorschrift hat nun im Laufe der Vorarbeiten und des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach gewechselt. Während noch der Regierungsentwurf vorsah, daß die private Übertragung auf Bild- oder Tonträger zwar zulässig, aber gebührenpflichtig sein sollte, wurde diese Vorschrift dann von der Bundesregierung auf Grund des Einspruchs des Bundesrates gestrichen. Damals schrieb eine angesehene Zeitung: „ ... und niemand erwartet, daß das Parlament von sich aus die unpopuläre Bestimmung wieder einfügen wird."Meine Damen und Herren, der Rechtsausschuß hat sich nach sehr sorgfältiger Beratung und Prüfung doch entschlossen, die Bestimmung — wenn auch in abgewandelter Form — wiederaufzunehmen, denn er ist zu der Überzeugung gekommen, daß der Gesetzgeber hier eine Entscheidung treffen muß, die auch der voraussichtlichen technischen Entwicklung der nächsten 50 Jahre gerecht wird. Die Vervielfältigung von Werken der Bild- oder Tonkunst, die bisher im gewerblichen Raume stattfand und dort selbstverständlich gebührenpflichtig war, kann nicht deshalb morgen von einer Gebühr freigestellt werden, weil sie infolge der technischen Entwicklung im privaten Bereich vorgenommen wird. Wollte man das zubilligen, so würde das in wenigen Jahrzehnten, so wie die technische Entwicklung läuft, zu einer völligen Aushöhlung der Rechte der Urheber führen. Die Fraktion der CDU/CSU hat daher nach sorgfältiger Prüfung die Entscheidung des Rechtsausschusses gebilligt, hier eine Weichenstellung für die Zukunft vorzunehmen.Auf der anderen Seite kann und darf natürlich die Gebührenpflicht bei der privaten Vervielfältigung nicht dazu führen, daß nun die Organisationen der Urheber ständig in die Privatsphäre des einzelnen eingreifen müssen. Die Fraktion der CDU/CSU hält es deshalb für einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und denen der privaten Nutzer solcher Geräte, daß nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses ein unmittelbarer Anspruch der Urheber gegen die Hersteller von zur privaten Vervielfältigung von Musikwerken geeigneten Geräten gegeben wird; denn diese Hersteller schaffen ja die Voraussetzungen dafür, daß andere in die Rechte der Urheber eingreifen können. Es ist daher nur billig, wenn in einer gewissen Parallele zu dem Gedanken der mittelbaren Patentverletzung ein Anspruch der Urheber gegen die Hersteller dieser Geräte geschaffen wird. Im übrigen erscheint diese Lösung auch wirtschaftlich sinnvoll, da sie den Anspruch auf solche Geräte begrenzt, die für die Vervielfältigung geeignet sind — damit also reine Diktiergeräte ausnimmt — und innerhalb der Bundesrepublik benutzt werden sollen. Außerdem dürfte — so hoffen wir jedenfalls — die leidige Auseinandersetzung um das Problem der privaten Tonbandübertragung damit beendet sein. Auf der anderen Seite erwarten wir allerdings von den Verwertungsgesellschaften, die diesen Anspruch geltend machen können — und nur sie allein können es nach dem Gesetz —, daß sie sich bei ihren Ansprüchen der wirtschaftlichen Entwicklung maßvoll anpassen und den im Gesetz vorgesehenen Höchstrahmen nicht immer mit aller Gewalt auszuschöpfen suchen; sonst könnte es dazu führen, daß diese Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die in der ganzen Welt des Urheberrechts eine Neuheit, eine Wende bedeutet, keine Nachfolger in anderen Staaten findet.Die CDU/CSU billigt schließlich auch die Entscheidung des Rechtsausschusses, die Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre zu verlängern. Es ist unbestritten, daß die Vorsorge für die Familien und Nachkommen der Urheber einer Verbesserung bedurfte. Die dafür vom Regierungsentwurf vorgeschlagene Urhebernachfolgeverhütung begegnete jedoch so vielen rechtlichen und praktischen Bedenken, daß sie mit Recht gestrichen wurde. An ihrer Stelle die Schutzfrist zu verlängern, ist eine Entscheidung, die der internationalen Entwicklung im Augenblick zwar ein wenig vorgreift, aber ihrer Tendenz durchaus entspricht. Und warum sollen wir nicht auf diesem Gebiet avantgardistisch sein!
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9424 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
DeringerEine unerläßliche Voraussetzung gerade für die beiden zuletzt behandelten Beschlüsse ist jedoch, daß gleichzeitig mit dem Urheberrechtsgesetz das Gesetz über die Verwertung von Urheberrechten beschlossen wird; denn die in dem neuen Urheberrecht den Verwertungsgesellschaften eröffneten oder sogar rechtlich zugestandenen Möglichkeiten lassen sich — mindestens politisch — nur dann vertreten, wenn gleichzeitig eine klare gesetzliche Regelung der Verwertungsgesellschaften, deren Organisation, deren Tätigkeit und deren Verantwortung nach außen, aber auch nach innen gegenüber den einzelnen Urhebern, geordnet wird. Von Vertretern der Urheber und vor allem von einer Verwertungsgesellschaft sind gegen dieses Gesetz heftigste Bedenken geltend gemacht worden. Ich sage mit Vorsicht, meine Damen und Herren — aber ich sage es —: die Form der Bedenken und die Art und Weise, wie sie uns gelegentlich vorgetragen wurden, haben manches Mitglied des Unterausschusses „Urheberrecht" wie des Rechtsausschusses in seiner Überzeugung von der Notwendigkeit dieses Gesetzes bestärkt.
Im Namen der Fraktion der CDU/CSU darf ich daher bitten, beide Gesetze gemeinsam miteinander zu verabschieden.Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit einer allgemeinen Bemerkung schließen. Diesem Hohen Hause wird immer wieder der Vorwurf gemacht, daß ihm die Spannung der Auseinandersetzung im Plenum fehle. Vielleicht übersehen die Kritiker dabei, daß viele wertvollen Gesetze nicht oder jedenfalls nicht so zustande kämen, wenn sie in allen Einzelheiten Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung wären. Dieses neue Urheberrecht z. B. enthält mindestens zwei Entscheidungen, die ganz neue Wege gehen und in der internationalen Welt des Urheberrechtes Beachtung finden werden. Ich habe jedenfalls bereits am letzten Wochenende Gelegenheit gehabt, mich mit Fachjuristen anderer Länder darüber zu unterhalten, die mir alle ihr Erstaunen über diese Schritte in die Zukunft bestätigt haben. Diese Entscheidungen sind vielleicht nur dadurch möglich geworden, daß sie in der sachlichen Atmosphäre der beteiligten Unterausschüsse und Ausschüsse sorgfältig beraten werden konnten und dann die Mitglieder dieser Ausschüsse jeweils in ihren Fraktionen das vertraten, was vorher gemeinsam einmütig erarbeitet worden war. Aber vielleicht sollte von dieser Stelle aus einmal unterstrichen werden, daß diese Arbeitsweise in 80 oder 90 % aller Fälle in diesem Hause die vorherrschende ist, auch wenn sie nicht zu großen politischen Auseinandersetzungen geeignet ist. Aber man sollte den Wert der Arbeit dieses Hauses nicht immer nur an den großen Debatten, sondern auch an den sachlichen Ergebnissen der Arbeit in den Ausschüssen messen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich persönlich meiner Freude darüber Ausdruck gebe, daß dieses Reformwerk, das ich von der Regierungsbank her einzubringen noch die Ehre hatte, heute verabschiedet wird, und zwar in einer Form, die zweifellos gegenüber dem Regierungsentwurf wesentliche Verbesserungen enthält, an denen vor allem dem Unterausschuß und hier wieder dessen Vorsitzenden, dem Herrn Kollegen Reischl, ein wesentliches Verdienst zukommt.
Man nimmt den Mund nicht zu voll, wenn man hier von einem Gesetzgebungswerk spricht; denn es ist eine sehr komplexe Aufgabe, die vielen Interessen, um die es hier geht, abzuwägen und aufeinander abzustimmen: erstens die Interessen der Urheber und — wie wir sehr deutlich vernehmen — ihrer Verwertungsgesellschaften, zweitens .die Interessen der mit der Verbreitung der Kunstwerke im weitesten Sinne befaßten gewerblichen Wirtschaft - Verleger, Schallplatten- und Tonbandhersteller, Konzertagenturen —, drittens die Interessen der Kunstkonsumenten, wenn ich so sagen darf, und zwar auch hier wieder in sich sehr verschiedener Gruppen — sowohl der einzelne Zuhörer, Leser und Betrachter wie gewisse Vereinigungen und Organisationen —, und schließlich viertens das Hauptinteresse, das Interesse unseres kulturellen Lebens in der Gegenwart und Zukunft. Wenn man sie alle auf einen Nenner bringen will, so liegt es auf der Hand, daß hier Schwierigkeiten entstehen und daß es manche Lösungen geben wird, die nicht alle befriedigen und auch nicht einer hundertprozentigen Gerechtigkeit entsprechen können.Es ist auch nicht möglich, diese Lösung nach vorgefaßten Schlagworten zu finden, etwa mit der doch sehr vereinfachenden Behauptung, daß das geistige Eigentum genauso wie das materielle, das Sacheigentum behandelt werden müsse. Sicher sollten wir — und das haben wir auch getan — danach streben, weitgehende Benachteiligungen des geistigen Eigentums gegenüber dem materiellen aufzuheben. Aber manche solche Nachteile ergeben sich einfach aus der Natur der Sache; sie ergeben sich schon aus dem primitiven Unterschied, daß derjenige, der Sacheigentum hat, danach trachtet, jeden anderen von diesem Eigentum fernzuhalten, während umgekehrt der, der geistiges Eigentum hat, dieses sein Werk und Eigentum möglichst weit verbreitet und unters Volk gebracht haben will.Ich glaube, das Hauptkennzeichen dieses nun vorliegenden endgültigen Entwurfs besteht darin, daß er einmal — wie ich soeben sagte — die Rechte des Urhebers verstärken will und daß er dabei auch Erfolg gehabt hat, daß er aber zweitens damit in vielen Punkten eine möglichst praktikable Lösung verbindet. So ist z. B. die Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre verlängert worden. Das ist zweifellos ein Schritt, um die bisherige Benachteiligung des geistigen Eigentums etwas abzuschwächen. Im Zusammenhang damit haben es die Ausschüsse für angebracht gehalten, die im Entwurf vorgesehene sogenannte Nachfolgevergütung fallenzulassen, eine
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9425
Dr. BucherEinrichtung, die ich damals als Einbringer des Entwurfs pflichtgemäß begrüßt habe, von der ich persönlich aber nie etwas gehalten habe, einfach auch deshalb, weil sie nicht praktikabel wäre. Wer sollte darüber entscheiden, wer begabt und wer verdienstvoll im Bereich der Künstler ist? Wenn wir so etwas unternehmen, besteht doch die Gefahr, daß wir in die Nähe solcher Institutionen kommen, wie man sie anderswo etwa unter dem Titel „verdienter Urheber des Volkes" kennt. So war es zweifellos eine praktikablere Lösung, statt dessen die Schutzfrist zu verlängern.Ebenso verhält es sich mit der beim Folgerecht gefundenen Lösung, wobei man darauf Wert legt, daß Käufe und Verkäufe, die sich im Bereich von Privaten abspielen, nicht einbezogen werden. Das Folgerecht soll vielmehr nur an Verkäufe im Kunsthandel anknüpfen.Das Hauptproblem, um das sehr viel diskutiert wurde, war schließlich die Tonbandüberspielung. Auch hier finde ich, daß die Lösung, die getroffen wurde, praktikabel ist. Sie mag sicher in wenigen Einzelfällen nicht gerecht sein, wo tatsächlich ein Tonbandgerät nur angeschafft wird, um Aufnahmen aus dem privaten Leben, aber keine Musikaufnahmen zu machen. Doch das dürften so verschwindend wenige Fälle sein, daß wir diese Lösung, die im übrigen einer Anregung des Bundesgerichtshofs entspricht, verantworten können. Wir stellen hier eine Erscheinung fest, die wir auch sonst bei anderen Gelegenheiten beobachten, nämlich die Erscheinung, daß eine zunehmende Vervollkommnung und Verfeinerung der Technik zwangsläufig zu einer Vergröberung des Rechts führen muß.Ich nenne als Parallele die rechtliche Lösung bei der Feststellung des Blutalkoholgehalts. Auch da müssen wir es zwangsläufig in Kauf nehmen, daß jemand wegen eines bestimmten Blutalkoholgehalts bestraft wird, obwohl er von seiner individuellen Konstitution her den betreffenden Promillesatz vielleicht durchaus verträgt. Solche Erscheinungen wird es noch öfter geben. Das liegt aber im Wesen der Technik. Auch der Gesetzgeber kommt nicht umhin, sich solchen Entwicklungen anzupassen. Hier ist es in einer Art und Weise geschehen, die, das können wir sagen, nicht etwa einer gerechten Vorstellung widerspricht.Schließlich bringt der Gesetzentwurf wesentliche Verbesserungen dadurch, daß er manche Privilegien, die es bisher gab — Volksfeste, gemeinnützige Organisationen —, abschafft und auch hier den Urhebern zu ihrem Recht verhilft, was bei den genannten Veranstaltungen bzw. Organisationen sicher nicht gerade mit großer Begeisterung aufgenommen wird. Aber wir können hier immer nur wieder das heute schon erwähnte Beispiel der beiden Kirchen nennen, die ohne gesetzliche Verpflichtung vorangegangen sind, indem sie den Urhebern zu ihrem Recht verholfen haben.Meine Damen und Herren, zum Schluß ein Wort zu dem Verwertungsgesellschaftengesetz. Wir haben Zuschriften von einem Aktionsausschuß der Komponisten bekommen. Der Presse entnehme ich, daß noch eine weitere Zuschrift vorliegen soll. Ich habe sie aber nicht bekommen und konnte sie hier im Hause auch bei anderen Kollegen nicht auftreiben. Wenn jedoch das, was in der Zeitung steht, stimmt, muß ich sagen: Ich habe dabei nichts versäumt. Denn darin soll stehen, daß dieses Gesetz an das „Tausendjährige Reich" erinnere, und an einer anderen Stelle wird ein Vergleich mit der Sowjetzone gezogen und gesagt, daß die Musikverwertungsgesellschaft AWA der Dienstaufsicht des Zonenministeriums für Bildung unterstellt worden sei. Vielleicht darf ich auch annehmen, daß die Verfasser dieser Denkschrift letztlich davon abgesehen haben, sie uns zukommen zu lassen, Denn die Töne, die darin angeschlagen werden, sind wirklich nicht dazu angetan, eine sachliche Diskussion zu führen.Es geht hier darum, daß die GEMA, wenn auch keine rechtliche, so doch eine faktische Monopolstellung besitzt und sie wohl auch für absehbare Zeit behalten wird.
Diese Monopolstellung wird z. B. besonders wieder durch den neuen § 54 Abs. 6 hervorgehoben — der die Tonbandüberspielung regelt —, worin bestimmt wird, daß die Ansprüche der Komponisten auf diese Gebühr nur durch eine Verwertungsgesellschaft — und das ist heute eben d i e Verwertungsgellschaft, die GEMA — geltend gemacht werden können. Schließlich besteht das Wesen dieser Verwertungsgesellschaften darin, daß sie Treuhänder sind. Wenn jemand eine Treuhänderstellung innehat, dann muß er sich auch eine Aufsicht gefallen lassen. Das hat nichts mit einer Diskriminierung zu tun.In dieser Eingabe wird vergleichsweise die Aktienrechtsreform herangezogen und gefragt, ob die etwa von einer staatlichen Aufsicht abhängig gemacht werde. Nun, schon sprachlich ist der Satz etwas unklar. Aber wir können, da wir gerade heute auch die Aktienrechtsreform verabschiedet haben, ruhig darauf hinweisen, daß dort gerade die Publizitätspflichten verstärkt worden sind und die Prüfungsvorschriften auch sehr scharf und eindeutig sind. Dieser Vergleich zieht also nicht.Schließlich hat sich der Ausschuß bemüht, auch den Umfang der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften — § 19 — gegenüber der Regierungsvorlage wesentlich einzuschränken.Ich bedauere sehr, daß ich das hier sagen muß, da unter diesem Schriftstück sehr gute und von mir sehr hoch geschätzte Namen von Komponisten stehen. Aber solche Kollektiveingaben haben es in sich. Ich habe bei anderer Gelegenheit auch diese Erfahrung gemacht. Ich möchte mich zwar nicht auf den alten Kommißstandpunkt stellen, daß Kollektiveingaben verboten und Meuterei seien; aber es kommt häufig nichts Gutes dabei heraus, wenn man etwas unterschreibt, was jemand aufgesetzt hat. Wer das aufgesetzt hat, ist an dem Tenor deutlich zu erkennen. Ich möchte also sagen: Nicht solche Töne!
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9426 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Dr. BucherVor allem ein Vergleich dieses Gesetzes mit Gesetzen und Maßnahmen im „Dritten Reich" ist höchst unangebracht. Im „Dritten Reich" gab es ein Arbeitsverbot für Künstler. Da gab es einen Nichtskönner, Adolf Ziegler, der bestimmte, was Kunst war und was nicht. Hier geht es uns darum, daß die Freiheit des Künstlers, zu arbeiten, nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß man ihm materiell Schwierigkeiten macht. Das ist der Sinn dieser Gesetze. Von einer Beeinträchtigung der Freiheit des Künstlers kann man nicht reden, wenn man gewisse Vorschriften für die Gesellschaften über die Art und Weise erläßt, in der seine Einkünfte von diesen Treuhändern verwertet werden.Da die beiden Gesetze, im ganzen gesehen, eine wesentliche Verbesserung der Rechte des Urhebers bringen, da sie außerdem eine brauchbare und praktikable Lösung bringen, stimmt die FDP-Fraktion diesen Gesetzen sowie den drei vorliegenden Abkommen zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann bei meiner Stellungnahme namens der SPD-Fraktion zum Abschluß der Beratungen über die Urheberrechtsreform weitgehend den Ausführungen meiner beiden Vorredner zustimmen. Sie sehen allein schon hieraus, in welcher erfreulichen Zusammenarbeit im Unterausschuß und anschließend auch im Rechtsausschuß dieses Gesetz zustande gekommen ist.Ich darf einleitend sagen, daß sich die SPD-Fraktion zum Ziel des Entwurfs, nämlich zur Verstärkung der Rechtsstellung und des Rechtsschutzes des geistigen Eigentums bekennt. Ich möchte nicht verfehlen, mich genau wie in der ersten Lesung gerade mit dem letzteren Begriff noch einmal auseinanderzusetzen. Der Begriff des geistigen Eigentums setzt zwei Dinge gleich, die eigentlich nicht ganz miteinander vergleichbar sind. Beim Sacheigentum, das außerhalb der Persönlichkeit besteht, gibt es die Möglichkeit, es zu erwerben, es wieder wegzugeben, während das, was man unter dem geistigen Eigentum versteht, die urheberrechtliche Schöpfung, aus der Person des Urhebers selbst entspringt. Sie ist ein Stück seiner menschlichen Persönlichkeit und damit — das möchte ich mit aller Klarheit für unsere Fraktion feststellen — etwas, was eigentlich noch höher bewertet werden muß als das Sacheigentum. Denn es ist ein Stück des schöpferischen Menschen, und als solches sollte es auch in der Rechtsordnung in jeder Beziehung gewertet werden. Es ist also mehr als materielles Eigentum.Man muß natürlich auch die Sonderstellung berücksichtigen, die sich daraus ergibt, daß die urheberrechtliche Schöpfung auf dem — ich will einmal den abgegriffenen Ausdruck benutzen — Kulturgut der Vergangenheit ruht und gleichzeitig in dieses Kulturgut des deutschen Volkes eingehen soll, daß also das ganze Werk darauf abgestellt ist, der Öffentlichkeit zugänglich zu werden, der Öffentlichkeit im breitesten Maße, auch im Unterricht usw., beigebracht zu werden und so wirklich Gut der Allgemeinheit zu werden.Aus dieser Erkenntnis des Wesens des Urheberrechts heraus war es für uns auch klar, daß es jedenfalls beim jetzigen Stand unserer Rechtsentwicklung keine Möglichkeit geben kann, etwa ein ewiges Urheberrecht einzuführen. Einmal würde das dem Gedanken des Eingehens in das allgemeine Kulturgut des Volkes widersprechen. Vor allem aber kommen einige praktische Gründe hinzu. Es würde schon nach wenigen Generationen sehr schwierig sein — da wir hier ja nicht so etwas haben, wie es für Grundstücke das Grundbuch ist, in das der Eigentümer eingetragen werden muß —, den Berechtigten zu ermitteln, und damit würde es sehr viel schwieriger werden, das Werk auszuwerten und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Außerdem wäre festzustellen, daß spätere Generationen der Erben des Urhebers lange nicht mehr die Verbindung zu dem Werk haben, wie es bei der Ehefrau und den Kindern des Urhebers noch der Fall ist. Es ist daher sicherlich gerechtfertigt, eine zeitliche Begrenzung des Urheberrechts vorzunehmen, wie das ja auch international nahezu allgemein, mit ganz wenigen Ausnahmen üblich ist.Wir haben aber zwei sehr wichtige Schritte unternommen, um das Urheberrecht zu verbessern, und zu diesen Schritten darf ich mich namens unserer Fraktion eindeutig bekennen.Es handelt sich einmal um die Verlängerung der Schutzfrist auf 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers. Diese Verlängerung ist einmal notwendig als Folge der inzwischen eingetretenen längeren durchschnittlichen Lebensdauer, die dazu geführt hat, daß beim Ablauf der gegenwärtigen Schutzfrist von 50 Jahren des öfteren die Witwe, auf jeden Fall aber die Kinder des Urhebers noch leben. Es ist doch wirklich nicht gerecht, diesen Erben die Nutzung des Werkes ihres verstorbenen Ehemanns bzw. Vaters zu entziehen.Es ist sicher richtig, daß die Bundesrepublik damit auf internationaler Ebene vorprellt, aber hier sollten wir dieses Vorprellen allgemein unterstützen. Dies ist auch ein deutscher Beitrag für die Stockholmer Konferenz zur Revision des Berner Abkommens, die für das Jahr 1967 vorgesehen ist. Für diese Revisionskonferenz hatte schon einmal ein -inzwischen wieder zurückgezogener — Antrag vorgelegen, die Schutzfrist auf 80 Jahre zu verlängern. Ich kann mir vorstellen, daß der Schritt, den heute der Bundestag unternimmt, nämlich die Schutzfrist auf 70 Jahre zu verlängern, avantgardistisch wirkt und andere Länder dazu veranlaßt, sich dem international anzupassen und das Berner Abkommen entsprechend zu ändern.Dieser Schritt wirkt sich auch nicht nur zugunsten der Nachkommen aus, sondern bewirkt auch eine bessere Pflege des Werkes durch den ursprünglichen Verleger. Denn wenn die Aussicht besteht, das Werk länger im Ausschließlichkeitsrecht zu haben, wird natürlich der Verleger größere Aufwendungen machen. Dieser Nutzen, den eine solche
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9427
Dr. ReischlSchutzfristverlängerung bringt, sollte auch nicht ganz übersehen werden.Der zweite Grundsatz, zu dem wir uns mit allem Nachdruck bekennen, ist eine starke Einschränkung der freien Verwertung eines Werkes. Hier ging der Ausschuß — ich glaube, ich kann ruhig sagen: mit Zustimmung aller Beteiligten — noch erheblich über den Regierungsentwurf hinaus. Ich will die wichtigsten Punkte hervorheben.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/3452).
Berichterstatter sind Herr Abgeordneter Dr. Artzinger und Herr Abgeordneter Windelen. — Das Haus verzichtet auf einen mündlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1, — 2, — 3, —4, — die Einleitung und die Überschrift auf. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Eine Stimme dagegen. Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 12:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abkommens über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und des Abkommens über die Internationale Finanz-Corporation ;Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/3428).
Kein mündlicher Bericht? — Keine Wortmeldung? — Dann kommen wir zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe Art. 1, — 2, — 3, — 4 — sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmt, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Drei Enthaltungen. Im übrigen stelle ich einstimmige Annahme fest.Punkt 13:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache IV/3443).
Kein Bericht? — Das Haus ist einverstanden. Ich rufe in zweiter Beratung Art 1, — 2, — 3 — sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer einverstanden ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Einstimmige Annahme.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Punkt 14:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt , Dr. Effertz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutgesetzes (Drucksache IV/3370) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache IV/3446).
Soll ein Bericht gegeben werden?
— Der Berichterstatter verzichtet, das Haus ebenfalls.Dann kommen wir zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe zurdritten Beratungauf. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Einstimmige Annahme.Punkt 15:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache IV/3376) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache IV/3457).
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9434 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Vizepräsident Dr. SchmidDas Haus verzichtet auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, — 2, — 3 — sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 16:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (Drucksache IV/3400);Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/3468).
Das Haus verzichtet auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts. — Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — bis 22, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir treten in diedritte Beratungein. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe Punkt 17 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag vom 21. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Äthiopien über die Entschädigung für das deutsche Vermögen in Äthiopien ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
(Drucksache IV/3460).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Meis. Das Haus verzichtet auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts. Dann rufe ich in zweiter Beratung auf Art. 1 bis 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir treten in diedritte Beratungein. Wer dem Gesetz zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Punkt 18:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache IV/3459).
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Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Stecker. Auch hier verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines Berichts. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen in zweiter Beratung ab. Ich rufe auf Art. 1 bis 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Ich rufe auf zurdritten Beratung.Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf. Nun, meine Damen und Herren, ist in dieser Gymnastik eine kleine Pause zu erwarten; denn zu diesem Punkt ist eine Debatte vorgesehen. Es handelt sich um dieErste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache IV/ 3383).Die Tagesordnung ist durch folgenden heute eingebrachten Antrag zu ergänzen:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Rutschke, Weber , Schmidt (Kempten), Dr. Danz, Reichmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (18. ÄndG LAG) (Drucksache IV/3346).Wird der Entwurf der Bundesregierung begründet? — Die Ministerbank ist leer.
Dann werden wir wohl entgegen einer Regelung unseres bescheidenen Protokolls zunächst den Antrag aus dem Hause begründen lassen. Wer begründet den Antrag der FDP? — Das Wort zur Begründung des Antrages auf Drucksache IV/3346 hat der Abgeordnete Dr. Rutschke,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9435
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen wieder einmal vor der Novellierung des Lastenausgleichsgesetzes durch eine Novelle. Wenn man die Zahl 18 hört, ist man der Auffassung, daß dem Kreis der Betroffenen in 18 Novellen immer mehr Gutes getan worden ist. Man müßte meinen, hier sei vielleicht schon zu viel des Guten getan. Aber dem ist leider nicht so.Als im Jahre 1952 das Lastenausgleichsgesetz durch dieses Hohe Haus beschlossen wurde, kam man zu einer sehr sparsamen Lösung. Man mußte vielleicht zu einer so sparsamen Lösung kommen, weil im Jahre 1952 noch nicht zu übersehen war, daß durch eine gute Wirtschaftspolitik ein wirtschaftlicher Fortschritt erreicht werden könnte, der sich auch auf das Aufkommen des Lastenausgleichs auswirkte. Lassen Sie mich nur drei Zahlen anführen. Im Jahre 1952 betrug die Unterhaltshilfe für einen Geschädigten monatlich 70 DM. Damit mußte er einen Monat lang leben. Heute haben wir eine erfreuliche Anhebung zu verzeichnen, die natürlich auch darauf zurückzuführen ist, daß nach der Rentendynamisierung die Unterhaltshilfeempfänger nicht vor der Tür gelassen werden konnten. Heute bekommen sie 175 DM pro Monat. Auch dieser Betrag ist wirklich nicht übertrieben hoch. Wir haben in unserem Entwurf wiederum eine bescheidene Erhöhung vorgesehen — und auch im Regierungsentwurf ist das wohl der Fall, aber den habe ich nicht zu begründen —, so daß man wohl davon ausgehen kann, daß nach Verabschiedung der 18. Novelle der monatliche Unterhaltshilfebetrag 190 DM beträgt.Angesichts der großen Zahl der Betroffenen ist hier natürlich jede Erhöhung der Leistungen schwierig, weil sie gleich in die Millionen und Milliarden geht; man muß hier von einer Tragik der großen Zahl sprechen. Auf der anderen Seite — das nur zur Bestätigung dessen, was ich gesagt habe — ist es dort, wo es sich nur um einen kleinen Personenkreis handelt, natürlich leichter, auch größte Zuwendungen zu geben. Wir werden uns morgen über einen Gesetzentwurf zu unterhalten haben, durch den das Bundesentschädigungsgesetz wiederum aufgestockt werden soll. Ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die Leistungen des Bundesentschädigungsgesetzes ein Vielfaches dessen ausmachen, was im Lastenausgleich gewährt wird.Ich habe gesagt, im Jahre 1952 seien nur sehr sparsame Leistungen möglich gewesen, weil man nicht übersehen hat, daß die wirtschaftliche Entwicklung sich so positiv gestalten würde. Von der Verwaltung wird eingewendet, daß durch die ständige Novellierung eines Gesetzes dessen Durchführung erschwert werde. Demgegenüber muß ich darauf hinweisen, daß man von seiten des Bundesausgleichsamts nie gewagt hat, einmal einen großen Schritt vorwärts zu tun. Die Schätzungen des Bundesausgleichsamts waren immer viel zu pessimistisch und wurden dann von den Tatsachen stets überrundet. So darf sich die Verwaltung also nicht wundern, wenn ständig Novellierungen notwendig werden. Wenn man einmal zu einer Schätzung gekommen wäre, die die zukünftige Entwicklung wirklich erfaßt hätte; und nicht immer in Pessimismus gemacht hätte, dann wären wir jetzt wahrscheinlich nicht bei der 18. Novelle, sondern hätten uns einige Novellen sparen können. Soviel also zu dem Einwand, daß die Verwaltung durch die zahlreichen Novellen überlastet werde. Sicher ist die große Zahl der Novellen schlecht, aber wir haben uns hier in der Gesetzgebung für die Geschädigten einzusetzen, und dem muß auch die Verwaltung Rechnung tragen, indem sie entsprechende Vorlagen macht.Jetzt ist z. B. wieder ein großer Streit über die Höhe der Reserven des Ausgleichsfonds entstanden. Ich möchte hier einmal ganz offen sagen, daß in der Vergangenheit die von den Geschädigtenverbänden vorgenommenen Schätzungen der Reserven des Ausgleichsfonds wesentlich zuverlässiger waren als die, die das Bundesausgleichsamt vorgelegt hatte. Ich hatte bereits bei der Beratung einer früheren Novelle die Ehre, hier in diesem Hause darzulegen, welcher Mißgriff seinerzeit bei den Schätzungen gemacht worden ist: Milliardenbeträge sind durch die Schätzung des Bundesausgleichsamts einfach unter den Tisch gefallen.Unsere Auffassung ist Ihnen bekannt. Wir glauben, Kriegs- und Kriegsfolgeschäden haben den Vorrang vor anderen sozialen Leistungen. Das muß hier einmal ganz deutlich gesagt werden. Aber das 'bedeutet natürlich auch, daß wir auf anderen Gebieten der Gesetzgebung, auch in der Sozialpolitik nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun sollten. Ich will diese Gesetze gar nicht kritisieren. Sie sind sicherlich ein sozialer Fortschritt. Wir haben die Dynamisierung der Renten durchgeführt, wir haben Kindergeld mit den verschiedenen Verbesserungsvorschlägen, mit dem Schülergehalt beschlossen. Wir haben eine Unfallrentenreform durchgeführt, haben auch hier dynamisiert. Wir kommen jetzt zur Novellierung des Bundesentschädigungsgesetzes — ich habe bereits darauf hingewiesen —, und wie ich hörte, haben Sie, meine verehrten Damen und Herren der SPD, Anträge vorliegen, die Mehrausgaben von etwa 6 bis 10 Milliarden DM bedeuten. Das muß man hier auch einmal sagen dürfen, wenn man darauf hinweist, daß die Kriegs- und Kriegsfolgeschäden vorrangig sein müssen und daß eine gewisse Relation zwischen den Entschädigungsgesetzen auf allen Seiten bestehen muß. Sie können nicht ständig immer nur ein Gesetz, das ohnehin wesentlich besser ist, vorziehen und dann die Tatsache feststellen, daß die Kasse damit geleert wird und kein Geld mehr vorhanden ist für die Kriegsfolgeschäden, die uns betreffen und die wir auch zu erledigen haben.Nun, meine Damen und Herren, ich möchte es kurz machen, um Sie nicht lange aufzuhalten; ich möchte den Antrag von mir und meinen Freunden auf Drucksache IV/3346, den Entwurf einer Achtzehnten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz kurz beleuchten.Wir haben im Hinblick auf die Tatsache, daß wir ein Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz für die Sowjetzonenflüchtlinge haben, das vor einigen
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9436 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Dr. RutschkeMonaten hier beschlossen worden ist, in unserer Vorlage gebeten, wenigstens einen kleinen Schritt zugunsten der Sowjetzonenflüchtlinge zu tun, die bisher auf gewisse soziale Leistungen keinen Anspruch geltend machen konnten, und den Sowjetzonenflüchtlingen wenigstens die Vermögensabgabe zu stunden, die nachweisen können, daß sie erhebliche Schäden in der Sowjetzone zu beklagen haben. Ich glaube, das ist dringend notwendig. Dieser Personenkreis ist bisher wirklich hintendran gestanden. Wir müssen in dieser Richtung etwas tun.Wir haben in unserem Gesetzentwurf auch die Gewährung von Krediten und Erleichterungen bei Verzinsung und Tilgung vorgesehen. Ich glaube, daß man hier wenigstens schon einen ersten Schritt tun sollte, um diesem Personenkreis den guten Willen des Parlaments zu zeigen.Wir haben dann im Rahmen der LAG-Berechtigten alten Stils in § 245 die Verbesserung der Bewertung der kleineren Betriebsvermögen vorgesehen. Ich würde meinen, da hier jeweils nur Einheitswerte der Entschädigung zugrunde gelegt werden und gerade bei den kleinen Betriebsvermögen oft sehr schwierige Situationen entstehen, sollten wir hier etwas tun.Wir haben auch die Anhebung der Staffel bei der Hauptentschädigung im Hinblick auf die Degression vorgesehen. Gerade in den mittleren Schadenbereichen ist ein starker Knick der Kurve der Entschädigung im Hinblick auf die Degression, so daß hier ein Ausgleich stattfinden sollte.Wie die Regierungsvorlage, so haben auch wir uns dafür eingesetzt, ,daß die Unterhaltshilfe erhöht wird, — aktualisiert wird, wollen wir sagen; mehr kann man schwer dazu sagen. Eine Forderung habe ich, solange ich diesem Hohen Hause angehöre, im Rahmen des Lastenausgleichs immer wieder gestellt: Nichtanrechnung der Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung, ferner Nichtanrechnung des Selbständigenzuschlages auf die Hauptentschädigung. Ich glaube, es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, daß derjenige, der zu seinem Existenzverlust noch erhebliches Vermögen verloren hat, nicht gezwungen ist, dieses Vermögen mit der Zeit selbst aufzuzehren, während anderen, die keinen Anspruch auf Hauptentschädigung haben, die Unterhaltshilfe frei gewährt werden kann.Noch etwas zur Hausratsentschädigung. Wir haben vorgesehen, daß die Stufung bei dem besonders wertvollen Hausrat verbessert wird. Wir wollen damit auch einer gewissen Gesetzeslogik entsprechen. Die letzte Stufe der bisherigen Stufung von 1200, 1600 und 1800 DM wollen wir von 1800 auf 2000 DM erhöhen. Dadurch würde eine bessere Folge entstehen: 1200 DM, 1600 DM, 2000 DM. Wir hätten dann jeweils einen Unterschied von 400 DM bei all diesen Gruppen.Wir haben vor einigen Tagen ein Vermögensbildungsgesetz verabschiedet, das sogenannte 312-DM-Gesetz.
— Also, das ist wohl eine Tatsache. Daß das verabschiedet worden ist, wird wohl kaum bestritten werden können. — Nun, meine Damen und Herren, wenn also hier Lieschen Müller, weil sie gesund ist und arbeiten kann, ein Geschenk von 312 DM gemacht wird, sollten wir auch daran denken, denen, die Vermögen verloren haben, im Rahmen ihrer Verluste entgegenzukommen. Hier sollten wir einen Ausgleich schaffen, indem wir allen unmittelbar Geschädigten, die im Rahmen des § 295 LAG Anspruch auf eine Leistung haben, eine Starthilfe zur Vermögensbildung geben. Hier sollen diejenigen Anträge stellen können, die nun wirklich nicht in der Lage waren, sich das Vermögen zu schaffen, das sie einmal verloren haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Lastenausgleichsrecht gehört für viele zu den sibyllinischen Bereichen. Ich selbst habe es einmal einen Dschungel genannt, in dem sich nur alte Trapper und Forschernaturen zurechtfinden. Dieses Recht wird durch andauernde, aber unzulängliche Novellierungen, die sich immer auf kleine Portionen beschränken, statt mit einigen entschlossenen großen Anstrengungen vernünftig anzupacken, was geregelt werden kann und doch einmal geregelt werden muß, nicht besser.Ich nehme es daher den Kollegen persönlich nicht übel, die auch der heutigen Debatte darüber keinen großen Reiz abgewinnen. Von der Sache her ist es aber sicher tief zu beklagen, wenn man sich die Größe der Bevölkerungsgruppe vergegenwärtigt, um die es dabei geht. Es geht um rund 16 Millionen Menschen, um die Kriegssachgeschädigten, die rund 3 1/2 Millionen Sowjetzonenflüchtlinge, fast 10 Millionen Heimatvertriebene, zusammen so viel, wie das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen, Einwohner hat. Es ist um so mehr zu beklagen, wenn man die Rechtserwartungen dieser Menschen, ihre Enttäuschungen, ihre Sorgen und auch ihre Unruhe ernst nimmt. Schließlich sollte auch die finanzielle Größenordnung mehr als nur ein registrierendes Interesse erwecken.Aus allen diesen Gründen hat die sozialdemokratische Fraktion darauf bestanden, daß in der ersten Lesung zu der Regierungsvorlage gesprochen werden muß. Die Millionen Betroffenen haben ein Recht darauf, v o r der Ausschußberatung zu erfahren, wohin die Reise gehen soll und wo die Regierungsparteien in dieser Sache wirklich stehen, nachdem das bengalische Feuer des CDU-Vertriebenenkongresses in Nürnberg zu erlöschen beginnt und nachdem Herr Rasner das Antragsfeuer einiger FDP- Streitgenossen gestern schon dadurch auszupusten versuchte, daß der Antrag heute gar nicht mehr auf die Tagesordnung kommen sollte. Damit ist ja der halbe Offenbarungseid schon geleistet.
Meine Damen und Herren, es ist beschämend, daß eine Gesetzesmaterie von so weittragender mensch-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9437
Rehslicher, sozialer und auch finanzieller Bedeutung erst in diesem Stadium der Legislaturperiode, während der Bundestag praktisch schon in den letzten Zügen liegt, in die erste Lesung kommt. Alles, was damit an Schwierigkeiten in der Beratung vor uns steht, wird von der Bundesregierung und den Regierungsparteien zu vertreten sein. Denn eine wirklich erschöpfende Beratung der sehr vielen komplizierten Fragen, die mit dieser Materie verbunden sind, wird kaum durchführbar sein.Daß es so ist, liegt eben an der inneren und äußeren Zwiespältigkeit im Regierungslager über das, was in der Sache zu tun ist, und auch an der Novellentaktik der Bundesregierung. Daß die Bundesregierung z. B. mit ihrer jetzigen Vorlage des Entwurfs einer 18. Novelle bis auf den Erbenstichtag nur das — und auch das noch nicht einmal ganz — aufgreift, was bereits der SPD-Entwurf einer 17. Novelle vorsah und von den Regierungsparteien noch in der Schlußlesung am 4. Juni 1964 abgelehnt wurde, kann doch nur entweder als blamabel oder als albsichtlich verschleppend angesehen werden.Der Kollege Rutschke hat vor einem Jahr bei der Beratung der 17. Novelle erklärt, es sei sehr schwer, unsere Anträge abzulehnen, weil sie — so sagte er wörtlich — „sachlich durchaus zu rechtfertigen" seien. Aber sowohl er für die FDP wie auch der Kollege Leukert für die CDU/CSU begründeten die Ablehnung damit, daß für unsere Anträge die Mittel nicht ausreichten.Heute bringt die Bundesregierung dieselben Anträge ein. Ich wiederhole die Frage, die ich vorgestern auf dem Arbeitskongreß des Bundes der Vertriebenen und des Bauernverbandes der Vertriebenen gestellt habe: Was hat sich in diesem einen Jahr seit der 17. Novelle — außer daß jetzt im Herbst Wahlen vor uns stehen — hinsichtlich der Mittel des Lastenausgleichsfonds geändert? Jetzt gibt ja die Bundesregierung mit ihrer Vorlage, deren Gesamtbetrag sie auf 1,9 Milliarden DM beziffert, selber zu, daß die Mittel für die damaligen sozialdemokratischen Anträge durchaus vorhanden waren und sind. Sind diese Mittel inzwischen vom Himmel gefallen? Denn sonst ist an neuen Quellen zum Lastenausgleichsfonds ja nichts hinzugekommen.
Und wenn, wie es zwar noch nicht in diesem Plenum ausgesprochen worden ist, wie es aber doch inzwischen bekanntgeworden, durchgesickert ist — wir würden das begrüßen —, die CDU-Kollegen von der Bundesregierung inzwischen ermächtigt worden sein sollten, in den Ausschußberatungen über die 1,9 Milliarden DM der Regierungsvorlage hinaus noch für weitere Verbesserungen in Höhe von mehreren Milliarden DM zu stimmen, so wird doch damit alles, was bisher — auch in diesem Hohen Hause — über die fehlenden Mittel erzählt worden ist und womit man unsere Anträge bei der 16. und 17. und bei früheren Novellen immer wieder zu Fall gebracht hat, von der Bundesregierung und den Regierungsparteien selbst erneut Lügen gestraft. Denn niemand von ihnen wird doch wohl sagen wollen, daß sie diese Milliarden-Verbesserungen wider besseresWissen, etwa nur aus politischer Angst, zu beschließen bereit sein werden.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei der Kardinalfrage dieser Lastenausgleichsnovelle, nämlich der Frage — Kollege Rutschke hat sie bereits angerührt —: Wie groß sind die noch nicht verteilten Reserven des Lastenausgleichsfonds, und in welchem finanziellen Umfang können also weitere Verbesserungen beschlossen werden? Darum ging es ja auch bei dem Streit im Regierungslager, und das war auch der Punkt, weshalb seitens der FDP- Fraktion im Ältestenrat ungerührt erklärt wurde: „Der Antrag Rutschke und Genossen ist nicht unser Antrag, ist kein FDP-Antrag", und weshalb man beiseite sah, als Herr Rasner sich anschickte, dem Antrag das Lebenslicht auszublasen.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist schuld daran, daß das Zahlenspiel mit den Lastenausgleichsreserven bis zum Augenblick noch nicht beendet worden ist. Um dem Streit hierüber vorzubeugen, habe ich für meine Freunde wiederholt, zuletzt in der dritten Lesung der 17. Novelle im vergangenen Jahr, von dieser Stelle aus die Bundesregierung aufgefordert, sich Vorstellungen darüber zu machen, wie es mit dem Lastenausgleich weitergehen soll. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir, d. h. insbesondere auch der Bundestag, eine zuverlässige, wirklich objektive Bestandsaufnahme hinsichtlich des Lastenausgleichsfonds, des Ausmaßes der noch erforderlichen Verbesserungen und der dafür benötigten Mittel brauchen. Ich wiederhole meine Frage: Warum hat die Bundesregierung in der ganzen Zeit — mindestens seit der Verabschiedung der 17. Novelle — nicht ein objektives wissenschaftliches Gutachten über den Lastenausgleich, die Reserven, seine Entwicklung und seine Verbesserungsmöglichkeiten, die Beschleunigungswege usw. erstellen lassen, nachdem sich erwiesen hat, daß die Exekutive objektiv nicht imstande ist, für die Parlamentsarbeit ausreichende und uns alle befriedigende verläßliche Unterlagen zu liefern? — Entweder deshalb, weil sie an Weisungen gebunden ist, oder deshalb, weil sie sich eben zu sehr ressortgebunden fühlt. Sollte nicht allein die zahlenmäßige Größenordnung der Betroffenen und die Tatsache, daß bald ein Drittel der ursprünglich Anspruchsberechtigten gestorben sein wird,
ehe sie in den Genuß der Entschädigung gelangen, die Anstrengungen und auch die Kosten für ein solches, wirklich objektives Gutachten rechtfertigen?
Warum ist die Bundesregierung — und hier frage ich auch speziell das Bundesvertriebenenministerium — nicht längst auf diesen Gedanken gekommen, obwohl ein höchster Beamter der drei beteiligten Ministerien zugegeben hat, daß man sich mindestens bei drei entscheidenden Novellen in den Schätzungen geirrt hat? Der Bundesfinanzminister selber hat ja auch bei früheren Novellen trotz aller vorherigen Kassandrarufe Verbesserungen, die im Lastenaus-
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9438 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Rehsgleichsausschuß zum Teil bis zum doppelten und dreifachen Betrag über die ursprünglichen Regierungsvorlagen hinaus, und zwar teilweise gemeinsam von uns allen — das ist unbestritten —, durchgekämpft worden sind, hinterher ohne Einspruch hingenommen und die Schätzungen der Exekutive damit stillschweigend doch selber desavouiert.
Meine Damen und Herren, es geht in dieser Frage um den Ausgangspunkt für alle weiteren Einzelentscheidungen in bezug auf diese Novelle. Damit alle Kolleginnen und Kollegen im Hause sich darüber selber ein Urteil bilden können, auch die, die nicht anwesend sind — vielleicht liest der eine oder andere das hinterher doch im Protokoll nach —, und auch, um Mißdeutungen, Verzerrungen und falschen Beschuldigungen vorzubeugen, halte ich es doch für notwendig, einiges zu diesem Problem der Reserven hier ausdrücklich festzuhalten.Das Bundesausgleichsamt hat vor sechs Monaten die Reserven des Ausgleichsfonds auf 451 Millionen, also rund eine halbe Milliarde DM geschätzt. Die Sachverständigen des Lastenausgleichsausschusses des Bundes der Vertriebenen haben demgegenüber 10,4 Milliarden DM errechnet. Mitglieder des. Kontrollausschusses haben sogar bis zu 13 Milliarden DM
sehr sorgfältig errechnet, von darüber hinausgehenden Schätzungen ganz abgesehen.
— Nun, vielleicht an einer anderen Stelle, als es manche der Kollegen, auf die Sie sich verlassen, gelernt haben, Herr Kollege Bausch.
Die in der Zwischenzeit über diese Fragen geführten Diskussionen im Vertriebenenausschuß, im Kontrollausschuß des Bundesausgleichsamts und an anderen Stellen haben die Berechnungen der Sachverständigen im Lastenausgleichsausschuß des Bundes der Vertriebenen nicht erschüttert. Wir haben uns damit aber nicht begnügt. Meine sachverständigen sozialdemokratischen Freunde haben das alles sehr sorgfäftig nachgeprüft. Wir stimmen im Endergebnis mit den Berechnungen der Sachverständigen des Lastenausgleichsausschusses beim Bund der Vertriebenen überein.
Ich will einige Beispiele anführen, Herr Kollege Bausch. Sie werden dann vielleicht doch staunen und einen solchen Zwischenruf in diesem Zusammenhang nicht mehr machen. Sie werden sehen, daß die Schätzung der Regierung unvertretbar, übervorsichtig oder absichtlich unvollständig ist und deshalb für uns im Ausschuß nicht mehr brauchbar ist.In der Vergangenheit, Herr Kollege, haben sich alle entscheidenden Schätzungen auf der Regierungsseite als unrichtig erwiesen, wie folgendes zeigt. Nach Abschluß der Beratungen des Vermittlungsausschusses über die 8. Novelle errechnete die Bundesregierung für den Ausgleichsfonds einen Betrag von 5,5 Millarden DM als Defizit. Nachdem inzwischen einige weitere Novellen mit Gesamtkosten von mehr als drei Milliarden DM verabschiedet worden waren, schätzte die Bundesregierung in ihrer Vorlage zur 14. Novelle — sechs Novellen später, Herr Kollege Bausch —, daß im Fonds noch eine Reserve von 4,9, d. h. rund fünf Milliarden vorhanden war.
Also kein Fehlbetrag, sondern sogar ein Plus von fünf Milliarden DM!
Was sagen Sie nun zu den Berechnungskunststükken?Bei Beginn der Beratungen über die 16. Novelle legte das Bundesausgleichsamt am 1. Juni 1962 eine Neuberechnung der Reserven vor, die mit einem Überbestand von 0,6 Milliarden DM abschloß. Nachdem inzwischen die 16. und 17. Novelle mit weiteren vier Milliarden DM an Leistungsverbesserungen verabschiedet worden sind, legt nunmehr das Bundesausgleichsamt eine Neuberechnung vor, in der der Aufwand für die Unterhaltshilfe um 6,9 Milliarden DM höher liegt als bisher und die Reserve mit 0,5 Milliarden DM abschließt. Herr Kollege Bausch, ich nehme es Ihnen nicht übel, daß Sie das nicht übersehen konnten. Sie sehen aber, daß man sich mit der Materie befassen muß, ehe man sich vorschnell mit einer Bemerkung ins Spiel mischt.
Die gewichtigste Fehlschätzung des Bundesausgleichsamts betrifft jedoch das Vermögensteueraufkommen. Obwohl in der Vergangenheit das Vermögensteueraufkommen jährlich im Schnitt gegenüber dem Vorjahr um 13,5 % angestiegen ist — in allen Statistiken nachzulesen —, unterstellt das Bundesausgleichsamt in seinen Berechnungen für die kommenden Jahre einen Anstieg von nur je 3,4 %. Das inzwischen vorliegende Ergebnis für das erste Quartal 1965 straft jedenfalls schon jetzt diese übervorsichtigen Kalkulationen Lügen; denn die Vermögensteuer ist in diesem Vierteljahr sogar um 15,3 % angestiegen. Jeder räumt ein, daß natürlich für die Dauer von 15 Jahren die Prognose nicht immer auf Optimum stehen kann. Aber als Zuwachs nur die mutmaßliche Teuerungsquote in diesen Jahren — 3,4 % — anzusetzen, also die jährliche reale wirtschaftliche Fortentwicklung zu verneinen, — das kann doch einfach nicht ernst genommen werden.Der zweitgrößte Fehlposten steckt im Ansatz für die Kriegsschadenrente. Das Bundesausgleichsamt hat gegenüber seinen früheren Berechnungen die durchschnittliche Lebenserwartung bei den Kriegsschadenrenten um rund 50 % heraufgesetzt. Sollte tatsächlich die neue Berechnungsgrundlage richtig sein, so muß man sich ernstlich fragen, wie es möglich sein konnte, in einer obersten Bundesbehörde
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RehsBeamte zu beschäftigen, die über ein Jahrzehnt hindurch einen solchen Fehler nicht entdeckt haben. Was liegt da näher als die Vermutung, daß die heute zugrunde gelegte Lebenserwartung manipuliert ist?Der drittgrößte Posten aus der Vielzahl der fehlerhaften Positionen ist der Durchschnittsgrundbetrag bei den künftigen Fällen der Hauptentschädigungszuerkennung. Auch hier hat das statistische Material, das inzwischen über das letzte Quartal veröffentlicht worden ist, bewiesen, daß der Trend unvermindert nach unten geht und somit der Durchschnittsbetrag des Bundesausgleichsamtes zu hoch liegt.Ich habe das zu unserer persönlichen Rechtfertigung und zu Ihrer eigenen Urteilsbildung angeführt, damit Sie erkennen, wie die Differenz zustande kommt zwischen dem, was das Bundesausgleichsamt vor sechs Monaten angegeben hat und wovon die Verwaltung, die Bundesregierung und in einem gewissen Umfang die Regierungsparteien immer noch ausgegangen sind, und dem, was nach Abwägung aller Umstände und nach diesen wiederholten katastrophalen Fehlschätzungen auf seiten der Behörden nach unserer Meinung effektiv an Reserven vorhanden ist.Welche Schlußfolgerungen sind aus dieser Situation zu ziehen? Wir werden jedenfalls bei den Beratungen im Ausschuß für den Lastenausgleich eine Zusammenstellung von Anträgen vorlegen, um im Zusammenhang mit dem Regierungsentwurf die derzeitigen Reserven auszuschöpfen. Das, was Bundeskanzler Erhard bei dem Gespräch mit dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen gesagt hat, nämlich daß bei der 18. Novelle alle vorhandenen Reserven ausgeschöpft werden sollen, muß auch erfüllt werden und darf nicht dadurch umgangen werden, daß man die Höhe der Reserven künstlich heruntermanipuliert.Ich will unsere Anträge hier nicht im einzelnen erläutern, möchte jedoch auf einige Schwerpunkte hinweisen. An erster Stelle steht das, was Herr Kollege Rutschke schon angeführt 'hat, nämlich die unzulängliche Hauptentschädigung. Sie ist das größte und zugleich dringendste Problem im Lastenausgleich. Wir beabsichtigen, eine gerechtere Gestaltung der Hauptentschädigung durch eine Neuregelung der ,Schadensbeträge und der Schadensgruppen herbeizuführen. Das bisherige außerordentlich starke Absinken der Entschädigungen mit zunehmender Höhe des Schadens ist mit den Forderungen in der Präambel des Lastenausgleichsgesetzes heute einfach nicht mehr in Einklang zu bringen. In allen anderen vergleichbaren Gesetzen sind den geschädigten Gruppen mindestens 20% an Entschädigung zugebilligt worden, zum Teil weit darüber hinaus. Daher kann man es nicht als ungerechtfertigt ansehen, wenn die Kriegssachgeschädigten und die Vertriebenen mit größeren Vermögensverlusten sich nicht mit den ihnen heute zustehenden 6,5% zufriedengeben. Wir werden daher jeden Antrag unterstützen, der zu einer Verbesserung der Staffel führt. Die Staffelung der insgesamt 40 Schadensgruppen muß gerade im mittleren Bereich eine fühlbare Anhebung erfahren. Ich vertrete den Standpunkt, daß wir jetzt in den mittleren Bereichen im Schnitt auf eine Anhebung von mindestens 20 % kommen sollten, bis zu einem Abfallen der höchsten Stufe auf etwa 10%.Zu diesem Problem gehören insbesondere die Ungerechtigkeiten bei den Zuschlägen bezüglich der Einheitswerte. Die Zugrundelegung der sogenannten unterwertigen Einheitswerte bei der Hauptentschädigung führt dazu, daß diejenigen, die Vermögen verloren haben, bei dem der Einheitswert besonders niedrig war, gegenüber den anderen benachteiligt werden. Das hat zu erheblichen Differenzen zwischen dem Betriebs-, dem Grund- und besonders dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen geführt. Das land- und forstwirtschaftliche Vermögen ist dabei am schlechtesten weggekommen. Das Grundvermögen ist auch ungerecht behandelt worden. Wir sind der Meinung, es sollte angestrebt werden, daß die Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Vermögen mit einem um zwei Drittel, an Grundvermögen mit einem um ein Drittel und an Betriebsvermögen mit einem um ein Viertel erhöhten Betrag angesetzt werden. Wir meinen, daß das zu einer wesentlichen Verbesserung gerade auch im mittleren Bereich der Schadensgruppen führen kann und daß die dazu erforderlichen Beträge bei einem Reservebetrag von 11 Milliarden DM auch ohne weiteres vorhanden sind.Eine entscheidende Rolle spielt in diesem. Zusammenhang auch die Verselbständigung des Selbständigenzuschlags. Ich will mich in diesem Punkte kurz fassen. Ich habe aus Vorbesprechungen entnommen, daß in dieser Hinsicht selbst in den Kreisen der CDU Überlegungen angestellt werden, die die Hoffnung als aussichtsreich erscheinen lassen, daß wir hier zu einer halbwegs vernünftigen Regelung kommen werden. Meine Damen und Herren, die Sie mit der Materie nicht vertraut sind, der Selbständigenzuschlag wurde seinerzeit eingeführt, um den Vertriebenen ein annäherndes Äquivalent dafür zu geben, daß sie, soweit sie nicht wieder einen Hof erworben haben, aus dem Gesetz über die Altershilfe für die Landwirtschaft ausgeschlossen geblieben sind. Die Lösung über den Selbständigenzuschlag zur Unterhaltshilfe hatte zur Folge, daß nur solche alten Vertriebenen diesen sogenannten GAL-Ersatz erhielten, die die Voraussetzung für die, Gewährung der Unterhaltshilfe erfüllen. Da jedoch in aller Regel die vertriebenen Selbständigen ihre Altersversorgung verloren haben und wir die einheimischen Bauern gelegentlich der GAL-Rentengewährung nicht danach gefragt haben, welche sonstigen Einkünfte sie besitzen, scheint es uns gerechtfertigt, den Selbständigenzuschlag von der Unterhaltshilfe und ihren Voraussetzungen zu lösen.Meine Damen und Herren, nun die Unterhaltshilfe selbst. Die Unterhaltshilfe, die jetzt im Regierungsentwurf beantragt worden ist, entspricht dem, was wir bei der 17. Novelle für nötig hielten. Die jetzige Höhe ist bereits wieder unzureichend. Wenn Sie die inzwischen erfolgten Rentenanhebungen und das Steigen auch im Bereich der Sozialhilfe ansehen, werden Sie feststellen, daß wir den Grundsatz —
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9440 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Rehsnämlich mindestens 120 % der Sozialhilfe — schon wieder nicht mehr erreicht haben. Deshalb sollten wir nicht wieder auf halbem Wege stehenbleiben, sondern sollten mindestens so weit erhöhen, daß wir den heutigen Stand erreichen. Das bedeutet, daß wir die Unterhaltshilfe für den Berechtigten mindestens um 25 DM, für den Ehegatten uni 20 DM und für die Kinder um 10 DM anheben müssen.Eine weitere Ungerechtigkeit, die dabei ausgeräumt werden soll, ist die Anrechnung von Rentenleistungen und sonstigen Einkünften auf die Unterhaltshilfe, ebenso die Anrechnung von Unterhaltshilfeleistungen auf die Hauptentschädigung. Viele alte Mitbürger, die durch Vertreibung oder Ausbombung Haus und Hof verloren haben, sind ja gezwungen, die ihnen zustehende Entschädigung in Form von Unterhaltshilfeleistungen zu verbrauchen. Deshalb muß hier endlich eine Änderung eintreten.Meine sehr geehrten Damen und Herren, für das Hineinwachsen der Selbständigen — der Männer ab Jahrgang 1898 und der Frauen ab Jahrgang 1904 — sind im Regierungsentwurf drei weitere Jahrgänge vorgesehen. Wir halten das für zuwenig. Wir können ja nicht immer wieder nur Lösungen finden, die vor Jahr und Tag vielleicht ausreichend gewesen wären, die wir dann immer mit soundso viel Zeitverzug nachholen, sondern wir müssen doch sehen, daß die Entwicklung weitergeht. Wir dürfen nicht immer wieder hinterherhinken, wie es in den letzten Jahren bei der Regelung all dieser Fragen praktisch der Fall gewesen ist. Deshalb werden wir beantragen, daß nicht drei, sondern sechs weitere Jahrgänge eingeführt werden.Das letzte von dem, was wir in dem Bündel unserer Anträge haben, möchte ich hier ausdrücklich erwähnen. Es handelt sich dabei um die Hausratentschädigung. Sie ist in der Tat, ganz unpathetisch gesagt, die Vermögensentschädigung des kleinen Mannes. Die in mehreren Raten gegebene Hausratentschädigung ist für die Menschen, die alles verloren haben und kein Vermögen besaßen, keine echte und ausreichende Hilfe. So schwierig es für die Verwaltung ist; das unterschätzen wir nicht, aber das liegt nicht an uns, sondern daran, daß man sich nicht schon früher zu einem größeren Schritt entschlossen hat. Wir halten es mit Ihnen, Kollege Rutschke, für notwendig, daß dieses Problem aufgegriffen wird. Auch wir halten die Erhöhung der dritten Schadensstufe um 200 DM und die Gewährung einer vierten Hausratentschädigung in Höhe von 400 DM für notwendig.Schließlich das Petitum unserer Freunde aus der Sowjetzone und aus den dazugehörigen Verbänden! Ich möchte von mir aus dazu nur ganz kurz folgendes sagen: Sie wissen, daß wir durch die Vorlage unseres Flüchtlingsgesetzentwurfs Regelungen für die völlige, nicht nur soziale, sondern auch rechtliche Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen vorgeschlagen haben. Das ist an Ihrem Widerstand gescheitert. Bei der Verabschiedung des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes durch die Mehrheit dieses Hauses gegen unsere Stimmen wurde unser Gesetzentwurf für erledigt erklärt, obwohl der wesentliche Gesichtspunkt dieses Gesetzentwurfs, die Gewährung von Ausgleichsleistungen auch an die Flüchtlinge, nicht geregelt war.Jetzt muß nach unserem Dafürhalten wenigstens nach einer Richtung hin der Versuch unternommen werden, im Zusammenhang mit der 18. Novelle noch eine zusätzliche Regelung zu finden. Es handelt sich um eine der Hauptentschädigung entsprechende zinslose Darlehensgewährung, um die Verbesserung der Alterssicherung, um die Leistungen an Flüchtlinge voll und ganz den Leistungen für die Vertriebenen anzugleichen. Es handelt sich ferner um eine bessere Regelung bei der Vermögensabgabe, da die augenblicklichen Vorschriften für die Sowjetzonenflüchtlinge nur eine völlig unzureichende Vergünstigung vorsehen. Gerade zu diesem Punkt wäre noch sehr viel auszuführen und im einzelnen zu begründen.Aber ich möchte Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Unsere weitere Begründung hierzu wird im Ausschuß vorgelegt werden. Wir bedauern, daß wir diese Gelegenheit, die Beratung der 18. Novelle benutzen müssen, um hier etwas nachzuholen, was entgegen unseren Bemühungen in diesem Hause bisher noch nicht gelungen ist.Ich möchte damit schließen, daß ich sage: Wir stehen infolge der überaus verspäteten Vorlage des Regierungsentwurfs vor einer katastrophalen Situation. Es wird sehr schwer sein, in der kurzen Zeit, die noch vor uns liegt, bei diesem Komplex zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Deshalb wird es der größten Anstrengungen und des guten Willens bei allen bedürfen. Ich hoffe, daß es gelingt, auch unsere Freunde von der Regierungskoalition dazu zu bewegen, das, was hier von mir an Reserven angedeutet worden ist, wirklich ohne beschönigende Abstriche einzusetzen, damit wir zu einer Regelung, zu einer 18. Novelle, gelangen, die diesen Namen verdient. Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls alles tun, was in unseren Kräften steht, um dieses Ziel zu erreichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge, daß ich allzu lange reden werde; aber ich muß doch zu einigen Feststellungen, Vorwürfen und Anwürfen des Kollegen Rehs Stellung nehmen.Herr Kollege Rehs hat die Frage aufgeworfen: Was hat sich seit der Verabschiedung der 17. Novelle vor gut einem Jahr eigentlich verändert? Da möchte ich ihm folgendes sagen. Als wir die 17. Novelle berieten, haben wir im Ausschuß einmütig festgestellt, es sei an der Zeit, daß das Bundesausgleichsamt eine Zwischenbilanz erstelle; es solle alle ihm nur zugänglichen Quellen ausschöpfen, damit endlich einmal eine Zwischenbilanz vorliege, die man als realistisch betrachten könne. Diesen Auftrag hat das Bundesausgleichsamt durchgeführt, und wir haben dann im November diese Zwischenbilanz erhalten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9441
KuntscherDie Bilanz hat ein Aktivum von rund einer halben Milliarde DM ergeben. Nun war die Möglichkeit gegeben, daß sich alle interessierten Verbände und wir aus dem Lastenausgleichsausschuß uns mit dem Zahlenspiel der Zwischenbilanz beschäftigen. Die Zwischenbilanz ist natürlich auch ein Schätzung. Sie kommt aber der Wirklichkeit schon näher, weil nämlich inzwischen die Schadensfeststellung ziemlich weit forgeschritten ist; mehr als 70 % der Bescheide sind abgeschlossen,
und bei den Teilbescheiden beträgt der Satz 15 bis 17 %. So bekamen wir ein Bild von etwa 87% aller Schadensfälle. Erstellt wurde diese Zwischenbilanz zum 31. Dezember 1963. Die Schätzung der getätigten und der noch anfallenden Einnahmen beträgt etwa 103 Milliarden DM bis zum endgültigen Ablauf des Lastenausgleichs am 31. März 1979. Dieses Gesamtvolumen ist also etwa das Doppelte der Schätzungen von 1952. Das ist die Folge der 17 Novellen. Herr Kollege Rehs, ich weiß, daß diese Einzelwerke nicht vollkommen waren. Aber sie haben erst dazu geführt, daß wir auf den heutigen Stand des Gesamtvolumens gekommen sind.Jetzt etwas anderes. Es ist die Meinung verbreitet, daß sich im Ausgleichsfonds Milliardenreserven befinden. Es ist auch die falsche Meinung verbreitet worden, diese Reserven seien greifbar, und es bestehe die Gefahr, daß im Ausgleichsfonds ein Juliusturm entstehe. Das ist ja nicht so. Die Schätzungen klaffen weit auseinander, angefangen mit den Schätzungen des Ausgleichsamts über 1/2 Milliarde bis zu den Schätzungen des Lastenausgleichsausschusses des BdV über etwa 10 Milliarden DM. Das ist eine Differenz von 9,5 Milliarden DM.Zu dieser Differenz der Schätzungen möchte ich folgendes sagen. Bei einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden DM kann der eine optimistisch, der andere pessimistisch schätzen. Daß die Verwaltung sehr pessimistisch schätzt, ist klar; das gebe ich zu, das haben wir ja zigmal bemängelt. Daß der Lastenausgleichsausschuß des Bundes der Vertriebenen optimistischer schätzt, ist gleichfalls Wahrheit. Wenn man einmal optimistisch überspannt 3 % zu hoch schätzt und pessimistisch um 3 % unterschätzt, ergibt sich eine Differenz von 6 %. Jeder Kaufmann wird sagen, daß bei diesen Schätzungen 6 % keine Fehlschätzung sind. Diese 6 % machen 6 oder 61/2 Milliarden DM aus. Meine Freunde und ich bekennen sich dazu, daß sich eine solche Reserve im Lastenausgleichsfonds befindet.Noch etwas weiteres zu dieser Reserve. Geld kann man bekanntlich nur einmal ausgeben. Wir müssen uns bei der 18. Novelle überlegen, wie hoch wir sie verantwortlich ausstatten können. Wir müssen uns aber gleichzeitig darüber im klaren sein, daß das Jahresvolumen nicht größer wird, sondern daß sich im Rahmen des Jahresvolumens nur Verschiebungen bei der Bedienung der einzelnen Positionen ergeben können. Die Position, die da natürlich als erste in Betracht kommt, ist die Bedienung für die Auszahlung von Hauptentschädigungen.Unsere und auch des Regierungsentwurfs gute Absicht ist, die Unterhaltshilfe zu erhöhen und den Selbständigenzuschlag neu zu ordnen. Die Jahresbelastung für Unterhaltshilfe, besser für Kriegsschadenrente, beträgt jetzt insgesamt 1,3 Milliarden DM. Wenn die Jahresleistung für die Kriegsschadenrente durch die 18. Novelle auf etwa 1,5 Milliarden DM erhöht wird, werden die dafür aufgewendeten 200 Millionen DM nicht für die Bedienung der Hauptentschädigung zur Verfügung stehen. Darüber müssen wir uns im klaren sein.Ich 'habe nämlich keine allzu große Hoffnung, daß die öffentliche Hand, also Bund und Länder, Zuschüsse gewähren und den Beitrag für die Ablösung der Kriegsschadenrente erhöhen. Sie kennen die Schwierigkeiten und wissen, was sich bei der 17. Novelle abgespielt hat. Das soll kein Vorwurf für Sie von der Linken sein, aber es ist die Feststellung einer Tatsache, daß gerade das Land Hessen an alle anderen Landesregierungen herangetreten ist, um sie zur Anrufung des Vermittlungsausschusses zu bewegen.
— Aber das ist ein Faktum, Herr Kollege Jaksch. Wenn wir neuerlich an den § 6 rühren, kommen wir bestimmt in die gleiche Schwierigkeit, daß sich Bund und Länder wehren werden, einer Erhöhung ihres Anteils zur Kriegsschadenrente zuzustimmen. Deshalb werden wir von der Regierungskoalition nicht zustimmen, daß § 6 Abs. 4 angerührt wird. Das kann ich von vornherein sagen.Nun noch etwas anderes! Als Realisten müssen wir bei der Gestaltung und Ausstattung der 18. Novelle auch auf einige andere Dinge Rücksicht nehmen. Da ist zunächst die Schwierigkeit am heutigen Kapitalmarkt in Betracht zu ziehen. Ich will nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, daß durch den Beschluß des Kontrollausschusses vom Dezember des vergangenen Jahres die Vorfinanzierung für das Finanz- und Wirtschaftsjahr 1965 von 300 Millionen DM auf 500 Millionen DM erhöht worden ist und daß die Regierung dieser Erhöhung der Vorfinanzierung zugestimmt hat. Meine Damen und Herren, es ist sehr traurig — aber es muß in diesem Zusammenhang auch gesagt werden —, daß bis zur Stunde nur ein Betrag von etwa einer Million oder eineinhalb Millionen DM auf dem Kapitalmarkt hat untergebracht werden können. Die ganze Vorfinanzierung für das Jahr 1965 hängt also gegenwärtig in der Luft, so daß sich damit in kurzer Zeit beim Bundesausgleichsamt wirkliche Liquiditätsschwierigkeiten zeigen werden. Das sollten wir auch in Betracht ziehen und nicht vergessen.Weiter sollten wir bedenken, daß das Bundesausgleichsamt — wiederum sage ich: leider Gottes — gezwungen ist, zur Kursstützung ganz beachtliche Beträge, die ich hier nicht nennen möchte, auszugeben, und daß das Bundesamt, um den Kurs zu halten, in der letzten Zeit gezwungen war, neuerlich beachtliche Beträge aufzuwenden, um Papiere, die der Ausgleichsfonds ausgegeben hatte, zurückzukaufen.
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9442 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
KuntscherNun noch einige kurze Anmerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Rehs. Ich freue mich, Herr Kollege Rehs — und das stelle ich auch wieder ohne Schadenfreude fest —, über die Sinneswandlung der SPD in puncto Hauptentschädigung. Als wir 1952 das Lastenausgleichsgesetz verabschiedeten, hat Ihre Fraktion — dort in der ersten Reihe sitzt ein Zeuge— geschlossen dagegen gestimmt. Einer der Hauptgründe für die Ablehnung war, daß die Regierungsvorlage und die Vorlage des Ausschusses eine Entschädigung als Hauptentschädigung auch für die ganz großen Schäden vorsah, damals mit 1 % und 2 %, später wurden es dann 6,5 %. Sie, meine Herren, wollten damals eine Hauptentschädigung nur bis zu einer Grenze von höchstens 130 000 RM Schaden.
— O ja, das interessiert schon, Herr Kollege, und ich werde nicht müde werden, diese Dinge immer wieder zu sagen.
— Das ist ja nicht wahr.
— Nein, das stimmt nicht. Ich habe wie vielleicht. kein anderer die Protokolle über die Beratungen bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes, die damals sieben volle Sitzungstage gedauert haben, studiert.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Kuntscher, haben Sie die Zusammenhänge der damaligen Abstimmungen und Entscheidungen nicht mehr im Gedächtnis, wissen Sie nicht mehr, daß unsere Entscheidung damals zustande gekommen war, weil Sie unsere Anträge abgelehnt haben, den verbliebenen Aktienbesitz wirksam heranzuziehen, um die Quellen für den Fonds entscheidend zu vergrößern, weil Sie also an der falschen Stelle geschont und auf diese Weise aus der damaligen Situation verhindert haben, daß die Mittel in der entsprechenden Größenordnung zur Verfügung gestellt werden konnten? Wenn Sie also auf die ollen Kamellen zurückgreifen, dann greifen Sie bitte vollständig zurück!
Herr Kollege Rehs,
das stimmt nicht!
Den Streit um die Abgabe von Aktienbesitz haben wir damals bei der Verabschiedung eben so geregelt, daß es nur eine einmalige Abgabe war, entweder beim Beisitzer der Aktie oder bei dem Betrieb, aber nicht, wie Sie es wollten, beim Betrieb, bei der Aktiengesellschaft, und bei dem Aktienbesitzer persönlich auch noch. Das ist die heutige Regelung.
Herr Kollege Kuntscher, ich frage: erinnern Sie sich nicht, daß der damalige Vertriebenenminister, Ihr Parteifreund Lukaschek, in dieser Sache auf unserer Seite war und damals erklärt hat: „Es ist allen bekannt, daß ich stets für die Besteuerung der Aktien eingetreten bin. Es stand auch in der Regierungsvorlage. Aber jetzt sind die Dinge in das große Politikum geraten, ob dieses Gesetz überhaupt angenommen wird oder nicht." Darum ist es damals gegangen.
Das ist eine Feststellung, die ich mache. Aber so war der tatsächliche Sachverhalt.Also ich freue mich — ich möchte es noch einmal bestätigen —, daß Sie in puncto Hauptentschädigung anderer Meinung geworden sind,
daß Sie sogar über das, was wir als Hauptentschädigung für die Zukunft geben möchten, im Endschnitt hinaus sogar doppelt so weit gehen wollen, nämlich auf 20 %; wir werden nur den Antrag stellen, auf 10 % im Endschnitt zu gehen. Nun, aus dem Saulus ist ein Paulus geworden.
Das stelle ich mit voller Befriedigung fest.
Und jetzt noch etwas: die Anhebung der Unterhaltshilfe werden wir im Ausschuß rasch erledigen.
— Ach, Herr Kollege Matzner, die Aufregung nützt nichts,
und wer austeilt, muß auch einstecken.
Lieber Kollege Rehs, ich weiß nicht, ob das, was Sie über das Hineinwachsen weiterer sechs Jahrgänge in die Unterhaltshilfe gesagt haben, ernst gemeint war. — Aber ich will auf die Einzeldinge wie Hausratentschädigung, Zonenflüchtlingsprobleme und dergleichen nicht weiter eingehen. Nur eines möchte ich sagen. Wir haben noch zwei volle Sitzungstage, vom Ältestenrat festgelegt. Wir können nach Rücksprache mit dem Herrn Bundestagspräsidenten zu jeder Zeit als Ausschuß tagen, nur nicht während Plenarsitzungen. Wenn wir alles das, Kollege Rehs, was Sie vorhin angeschnitten haben, wirklich in einer 18. Novelle genau durchdiskutieren wollen und etwas wirklich Vernünftiges machen wollen,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9443
Kuntscherwerden wir das in den zwei Tagen nicht schaffen. Wir werden uns also, wenn wir die 18. Novelle noch in diesem Bundestag durchbringen wollen, von vornherein auf ein Programm festlegen müssen, wo wir zeitlich so verfahren, daß es noch geschafft werden kann, oder wir werden uns verpflichten müssen, an anderen Tagen — auch wenn es Tage sind, die uns draußen irgendwie wehe tun — uns hier in Bonn dieser Arbeit zu widmen.Ich möchte nur heute schon die Bitte aussprechen, daß wir diese Möglichkeit wahrnehmen und daß wir alles tun, um diese 18. Novelle noch zu verabschieden.
Das Wort hat Minister Lemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundesregierung habe ich zunächst eine grundsätzliche Erklärung zu dieser Vorlage abzugeben, die hier zur ersten Lesung steht.Wir erinnern uns wohl alle, daß vor 13 Jahren die Vorstellung allgemein war, daß in der Anfangszeit dieser ganzen Gesetzgebung die sozialen und Eingliederungsmaßnahmen neben der Hausratentschädigung den Vorrang haben würden, daß aber nach wenigen Jahren die sozialen Leistungen ihr Gewicht verlieren würden und daß dann der Lastenausgleich fast voll der Entschädigung dienen könnte. Das war die Vorstellung. Heute sehen wir, daß die Dynamik der Entwicklung auf sozialem Gebiet auch im Lastenausgleich voll wirksam ist. Die sozialen Leistungen haben also noch an Gewicht gewonnen.Die gleiche Dynamik fehlt aber auf der Einnahmeseite des Lastenausgleichs. Das müssen wir bedenken, wenn wir die Entschädigungsseite betrachten und uns dort um eine Fortentwicklung bemühen. Solange dieses Mißverhältnis zwischen den drei Faktoren nicht beseitigt ist, läßt sich das letzte und entscheidende Wort über die Entschädigung im Lastenausgleich nicht sprechen. Es war nicht möglich, dem Hohen Hause noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge zu unterbreiten, die eine Neuregelung auf der Entschädigungsseite gebracht hätten und nicht nur Stückwerk geblieben wären. Hierauf ist es zurückzuführen, daß der Ihnen heute vorliegende Regierungsentwurf keine Verbesserungen der Entschädigungsleistungen des Lastenausgleichs vorsieht.Die Bundesregierung hat sich bemüht, mit ihrem Entwurf einer 18. Novelle eine wohlabgewogene soziale Novelle vorzubereiten. Ich begrüße von meinem Ressort her weitere jetzt realisierbare Verbesserungen im Interesse der Geschädigten, auch der Zonenflüchtlinge, die hier angesprochen wurden. Ich muß jedoch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß gerade die Maßnahmen überwiegend sozialen Gehalts mit absoluter Notwendigkeit in den nächsten Monaten in Kraft treten müssen. Darauf wies auch mein Vorredner hin. Auch ich bin der Meinung, das ist das Vordringliche. Ich bitte daher dringend, die Problematik des Lastenausgleichs nicht jetzt zum Austrag zu bringen. Entscheidend ist nicht, wie hoch die Reserve des Fonds in zehn oder mehr Jahren sein wird. Ich glaube, daß die Gabe der Prophezeiung uns allen versagt ist. Entscheidend ist aber, daß der Fonds keine flüssigen Reserven hat, weder in diesem Jahr noch in den nächsten Jahren. Die Vorfinanzierung über den Kapitalmarkt ist aus den bekannten Gründen zur Zeit schwierig oder unmöglich.Ich lehne, wie gesagt, Leistungsverbesserungen, die über die Regierungsvorlage hinausgehen, nicht áb, im Gegenteil. Aber ich muß aus meiner Verpflichtung gegenüber den Geschädigten gerade hier und jetzt darauf hinweisen, daß außer für die sozialen Verbesserungen für die anderen hier zur Debatte stehenden Anhebungen beim Inkrafttreten der Novelle Mittel nicht flüssig gemacht werden können. Ich nehme an, das Hohe Haus ist mit mir darüber einig, daß die eben genannten Anhebungen entweder nicht in bar oder nur im Laufe einiger Jahre erfüllt werden können.Dazu darf ich noch folgendes bemerken. Eine Regierungsvorlage ist bekanntlich nicht nur in diesem Haus das Produkt mehrerer Ressorts, und eine Regierungsvorlage ist noch kein Gesetz. Die Vollendung dieser Vorlage liegt bei diesem Hohen Hause. Dabei habe ich nur den Wunsch, daß schnelle, undoktrinäre und möglichst unproblematische Arbeit geleistet wird.Einer der Herren Kollegen hat in der Debatte auf Irrtümer bei Schätzungen des Bundesausgleichsamts hingewiesen. Irren ist bekanntlich menschlich. Aber die Fehleinschätzungen des Bundesausgleichsamts liegen in einer Zeit, in der die Zahl der Feststellungen, die getroffen werden müssen, noch unbekannt war.Herr Kollege Rehs hat mit Recht auf die Tragik, wie ich es bezeichnen möchte, hingewiesen, daß die Entschädigungsberechtigten dahinsterben. Immerhin soll aber bemerkt werden, daß bereits seit Jahren die Bedürfnisse der über 65 Jahre alten Entschädigungsberechtigten in bar voll befriedigt werden.Was die Irrtümer bei den Schätzungen betrifft — denn das spielt hier bei der Debatte natürlich eine gewisse Rolle —, so springt ja schon in die Augen, wie schwierig es ist, zu einer exakten Feststellung zu kommen. Ich glaube auch nicht an eine wissenschaftliche Hilfestellung in dieser Frage, wenn wir feststellen müssen, daß die derzeitigen Schätzungen von 0,5 Milliarden DM über 11 bis 13 Milliarden DM gehen, wobei sich der Schätzer der 13 Milliarden DM etwa so ausdrückte: Ich habe es im Gefühl.
Ich glaube, daß das eine wenig zuverlässige Schätzung genannt werden kann. Auch das Gefühl kann täuschen.Ich möchte also hoffen, daß die Vorlage jetzt so gut und schnell behandelt wird, daß dieser Bundestag die 18. Novelle verabschiedet.
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9444 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Weitere Wortmeldungen? — Nein. Dann ist die erste Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Ausschuß für den Lastenausgleich und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Das Haus ist einverstanden?
— Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 20 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kliesing , Wienand, Schultz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache IV/3462).
Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Ausschuß für Verteidigung als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Inneres sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.
— Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade von Ihnen gehört, Herr Präsident, daß vorgeschlagen worden ist, den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes an den Verteidigungsausschuß als federführenden Ausschuß zu überweisen. Bis jetzt war es aber immer Praxis — das war schon im 2. Bundestag so, als wir einen besonderen Beamtenrechtsausschuß hatten, und das war im 3. und im 4. Bundestag, seit dieser besondere Beamtenrechtsausschuß nicht mehr besteht, so —, daß die Beratung des Bundesbesoldungsgesetzes im Ausschuß für Inneres als federführendem Ausschuß durchgeführt wurde. Ich bitte, doch an dieser guten Praxis festzuhalten und die Federführung auch in diesem Fall dem Ausschuß für Inneres zu übertragen.
Der Ältestenrat ist kein Beschlußorgan. Er kann nichts beschließen, sondern nur Vorschläge machen. Wenn hier der Antrag gestellt wird, eine andere Ausschußüberweisung vorzunehmen, müssen wir abstimmen.
Wir stimmen also über den Antrag, den Sie gestellt haben, ab, nicht, wie es der Ältestenrat vorgeschlagen hat, den Ausschuß für Verteidigung, sondern den Ausschuß für Inneres als federführenden Ausschuß zu bestimmen. Wer dieser Meinung ist, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ein einzelner Tapferer hat dagegen gestimmt.
Also die Vorlage ist überwiesen an den Ausschuß für Inneres als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Verteidigung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Mühlengesetzes .
Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll dieser Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Das Haus ist einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kempfler und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Schmitt-Vokkenhausen, Gscheidle und der Fraktion der SPD, des Abgeordneten Dr. Miessner und der Fraktion der FDP betr. Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben .
Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorschlag des Ältestenrats: Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mittberatend —. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 23:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Rückführung von Argoud (Drucksachen IV/1528, IV/3450).
Herr Abgeordneter Dr. Gradl, ich erteile Ihnen das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung zu dem Schriftlichen Bericht, ,der Ihnen vorliegt. Der Fall Argoud, der das Thema dieses Schriftlichen Berichts ist, hat seinerzeit in der Bundesrepublik größtes Aufsehen erregt. Der ehemalige französische Oberst und spätere OAS-Führer Argoud war Ende Februar 1963 aus München mit Gewalt entführt und nach Paris gebracht worden. Er ist später durch ein französisches Gericht zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden.Das Plenum des Deutschen Bundestages hat sich in einer Sitzung am 6. November 1963 mit diesem Vorgang eingehend befaßt. Sprecher aller drei Fraktionen haben in dieser Sitzung einmütig scharfe Kritik geübt an der Verletzung der Souveränität, der Gebietshoheit und der rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik. Mit seinem Beschluß, der in dem Schriftlichen Bericht wiedergegeben ist, will der Auswärtige Ausschuß die entschiedene Ablehnung jeglicher Eigenmächtigkeit oder Selbsthilfejustiz irgendeiner fremden Gewalt oder Gruppe auf deutschem Boden zum Ausdruck bringen. Nach dem schrecklichen Unrecht der nationalsozialistischen Zeit und angesichts des anhaltenden Unrechts in der sowjetischen Besatzungszone muß die Bundes-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965 9445
Dr. Gradlrepublik Deutschland besonders entschieden darauf bedacht sein, rechtsstaatlichen Schutz für jedermann gegen Illegalität zu gewährleisten.Herr Präsident, meine Damen und Herren, in diesen Zusammenhängen muß der Bericht, der Ihnen vorliegt, gesehen und gewertet werden. Das Hohe Haus ist gebeten, ihn zur Kenntnis zu nehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Haus nimmt diesen Bericht zur Kenntnis.
Punkt 24:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem BundesverfassungsgerichtAntrag der Bayernpartei e. V. auf Feststellung, inwieweit das vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedete Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 gegen die Artikel 3 und 21 des Grundgesetzes verstößt und deshalb nichtig ist, als es die Antragstellerin von der Beteiligung an dem im Einzelplan 06 Kapitel 02 Titel 612 ausgewiesenen Zuschuß an die politischen Parteien von 38 Millionen DM ausschließt
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Das Haus kennt den Antrag des Ausschusses und wird wohl keinen Wert auf einen mündlichen Bericht legen. — Keine Wortmeldungen. Das Haus ist mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden? — Es ist so beschlossen.Punkt 25:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Besetzung der Ämter des Präsidenten des Bundesrechnungshofes und des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung (Drucksachen IV/2048, IV/3440).Auch hier wird das Haus keinen Wert auf einen mündlichen Bericht legen. Der Antrag des Ausschusses lautet:Der Bundestag wolle beschließen:Der Antrag —Drucksache IV/2048 — wird wegen der inzwischen von der Bundesregierung getroffenen Entscheidung für erledigt erklärt.Kein Widerspruch? — Dann ist so beschlossen. Punkt 26:Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über die Vorschläge der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaftfür eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Bereichs „Persönliche Dienste"1. Restaurations- und Schankgewerbe
2. Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe
für eine Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten des Bereichs „Persönliche Dienste"1. Restaurations- und Schankgewerbe
2. Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe
für eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Einzelhandels
für eine Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Einzelhandels
für eine Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und der Getränkeherstellung
für eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe und der Getränkeherstellung )
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Das Haus verzichtet auf den mündlichen Bericht. Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen auf Drucksache IV/3442 vor. Erhebt sich Widerspruch? — Kein Widerspruch. Das Haus ist einverstanden; es ist dem Antrag des Ausschusses gemäß beschlossen.Punkt 27:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung Nr..../
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9446 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 25. Mai 1965
Vizepräsident Dr. Schmid65/EWG des Rats zur Änderung des Anhangs II A der Verordnung Nr. 85/63/EWG über die Festsetzung der Einschleusungspreise und der Zusatzbeträge sowie der Übergangsbestimmungen für Teilstücke von Schweinen sowie Schweinefleisch enthaltende Zubereitungen und Konserven .Auch hier verzichtet das Haus auf die Entgegennahme des mündlichen Berichts. Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist dem Antrag des Ausschusses entprechend beschlossen.Punkt 28:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die teilweise Aussetzung des Satzes des Gemeinsamen Zolltarifs, der bei der Einfuhr von gefrorenem und unter Zollaufsicht zur Verarbeitung bestimmtem Rindfleisch anzuwenden ist (Drucksachen IV/3422, IV/3465).Auch hier verzichtet das Haus auf die Entgegennahme des mündllichen Berichts und beschließt entsprechend dem Antrag des Außenhandelsausschusses. Es ist so beschlossen.Punkt 29:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Zucker (Drucksachen IV/2118, IV/ 3456, Umdruck 633).Das Haus verzichtet auf die Entgegennahme eines mündlichen Berichts. Erhebt sich Widerspruch? — Es ist dem Antrag des Ausschusses entsprechend beschlossen.Punkt 30 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofesbetr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1961 — Einzelplan 20 — .Berichterstatter ist der Abgeordnete Müller . — Das Haus wünscht keinen mündlichen Bericht.Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen:1. Der Bundesrechnungshof ist durch die gemäß § 108 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung erfolgte Vorlegung der Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofesfür das Rechnungsjahr 1961 — Einzelplan 20 — den ihm auferlegten Pflichten nachgekommen.2. Für die vorbezeichnete Rechnung wird gemäß § 108 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung Entlastung erteilt.Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist entsprechend dem Antrag des Ausschusses beschlossen.Ich rufe auf Punkt 31:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. zentrales Institut zur Ausbildung und Fortbildung von Strafvollzugsbediensteten (Drucksachen IV/3239, IV/3455).Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus. — Das Haus verzichtet auf Entgegennahme des mündlichen Berichts.Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,den Antrag — Drucksache IV/3239 - unverändert anzunehmen:Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 32:Beratung des Schriftlichen Berichts des Aussenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Zweiundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Zollkontingente 1965 — Agrarwaren — IV. Teil) (Drucksachen IV/3381, IV/3449).Berichterstatter ist der Abgeordnete Menke. —Auch hier wird auf Entgegennahme des mündlichen Berichts verzichtet.Der Antrag des Ausschusses lautet:Der Bundestag wolle beschließen,der Verordnung — Drucksache IV/3381 — zuzustimmen.Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.Punkt 33:Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Richtlinien für die Fragestunde .Nach einem Vorschlag des Ältestenrats soll der Antrag dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen werden. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.Damit ist die Tagesordnung für heute erledigt. Morgen sollen die Punkte 9 und 10 der gedruckten Tagesordnung aufgerufen werden. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 26. Mai 1965, 9 Uhr.Ich schließe die heutige Sitzung.