Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute feiert Herr Bundesminister Schwarz seinen 65. Geburtstag. Ich darf ihm die Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Ich begrüße die für den Abgeordneten Dr. Fritz in den Bundestag eingetretene Frau Kollegin Ackermann in unserer Mitte.
Sie kennt dieses Haus, und ich wünsche ihr wieder eine gute Zusammenarbeit.
Anläßlich des 700. Geburtstages des House of Commons hat der Präsident des Deutschen Bundestages ,dem Speaker das nachfolgende Telegramm gesandt:
Dem House of Commons und seinem Speaker entbiete ich im Namen des Deutschen Bundestages den herzlichen und respektvollen Glückwunsch zum 700. Geburtstag. Der Deutsche Bundestag ist sich dessen bewußt, was er mit dem Parlamentarismus der Welt der Mutter der Parlamente verdankt. Mit ,diesem Glückwunsch verbinde ich meine kollegialen herzlichen Grüße für Euer Exzellenz.
Gerstenmaier
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident,
ich danke Ihnen für die freundliche Botschaft an das House of Commons anläßlich des 700. Jahrestages des Simon de Montfort Parlaments. Wir sind hocherfreut über Ihre Glückwünsche und auch über Ihre persönlichen Grüße. Mit aufrichtigen Grüßen,
Ihr Kollege
Harry Hylton-Foster Speaker
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident hat unter dem 20. Januar 1965 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung dem Außenhandelsausschuß die Achte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 — Drucksache IV/2960 — mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen.
Der Vorsitzende des Außenhandelsausschusses hat unter dem 18. Januar 1965 zum Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für bestimmte Verarbeitungserzeugnisse aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar sowie aus den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten — Drucksache IV/2848 — mitgeteilt, daß, nachdem der Vertreter der Bundesregierung erklärt habe, daß der Verordnungsentwurf überholt sei, da der Rat die bisherige Regelung zunächst bis 31. März 1965 verlängert und eine neue Vorlage in Aussicht gestellt habe, der Ausschuß beschlossen habe, von einer Beratung der Drucksache IV/2848 abzusehen.
Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 12. Januar 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Spitzmüller, Schmidt , Mertes, Ertl und Genossen betr. Rechtslage hinsichtlich § 35 des Bundesbaugesetzes und die Handhabung dieser Vorschrift durch die zuständigen Behörden — Drucksache IV/2851 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2977 verteilt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den 1. Punkt der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde .
Wir beginnen mit der dringlichen mündlichen Anfrage des Abgeordneten Jahn aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts:
Wie beurteilt die Bundesregierung Pressemeldungen, nach denen in diesen Tagen erneut über 100 deutsche Waffentechniker und Ingenieure in ägyptische Dienste getreten sind?
Herr Abgeordneter Jahn wird durch Herrn Abgeordneten Dr. Reischl vertreten.
Herr Staatssekretär, darf ich bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung verfügt nicht über zuverlässige amtliche Unterlagen darüber, ' wieviele Deutsche sich jeweils in einem bestimmten Land aufhalten. Sie ist daher in der Beurteilung von Pressemeldungen über die Anwesenheit deutscher Staatsangehöriger im Ausland auf allgemeine Informationen angewiesen. Hiernach sollen zum Jahresende eine größere Zahl ausländischer Techniker aus der Flugzeugproduktion der VAR wegen Auslaufens ihrer Verträge aus ägyptischen Diensten ausgeschieden und teilweise durch neue Kräfte ersetzt worden sein. Inwieweit die in der Anfrage genannten Zahlen zutreffen und in welchem Umfang es sich dabei um deutsche Staatsangehörige handelt, ist der Bundesregierung im einzelnen nicht bekannt. Es verdient in diesem Zusammenhang Erwägung,
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7724 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Staatssekretär Dr. Carstensdaß die führenden Chefingenieure der Flugzeugindustrie in der VAR nicht deutsche Staatsangehörige sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reischl!
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß, wenn die Meldungen auch nur teilweise zutreffen sollten, etwas dagegen getan werden müßte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung widmet diesem Komplex große Aufmerksamkeit. Ich möchte vorschlagen, daß die Einzelheiten dieses Fragenkomplexes im Auswärtigen Ausschuß besprochen werden.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zuerst zu der Frage IX/1 — der Frau Abgeordneten Rudoll —:
Ist der Bundesregierung die Erhebung eines katholischen Jugendverbandes bekannt, wonach die 14- bis 15jährigen Mädchen zu 47,8 % — bei den angehenden Verkäuferinnen gleichen Alters zu 68 % — über die vorgeschriebene gesetzliche Arbeitszeit von 40 Stunden arbeiten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte, die drei ersten Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Bitte sehr. Dann rufe ich auch die Fragen IX/2 und IX/3 — der Frau Abgeordneten Rudoll — auf:
Weiß die Bundesregierung, daß nach der in Frage IX/1 genannten Erhebung auch die 16- bis 17jährigen Mädchen erheblich über 44 Stunden beschäftigt werden?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die in Fragen IX/1, 2 genannte Mißachtung des Gesetzes zu verhindern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, die Ergebnisse der Erhebung sind uns bekannt. Sie beruhen, wie mir die Christliche Arbeiter-Jugend .am 7. Oktober 1963 mitgeteilt hat, auf einer privaten Erhebung und der Auswertung von etwa 2000 Antworten. Ob die Ergebnisse ein zutreffendes Bild von der Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes in allen Betrieben der Bundesrepublik geben, ist mir nicht bekannt. Dagegen ist uns von anderer Seite mitgeteilt worden, daß die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes über die Dauer der Arbeitszeit, insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben, nicht immer mit der erforderlichen Sorgfalt beachtet werden.
Nach dem Grundgesetz und dem Jugendarbeitsschutzgesetz sind für die Durchführung des Jugendarbeitsschutzgesetzes nicht der Bund, sondern die Länder zuständig. Die Bundesregierung ist daher nicht in der Lage, eine bessere Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes in den Betrieben unmittelbar durchzusetzen. Sie kann sich nur an die Länder wenden und diese bitten, die Einhaltung der Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes streng zu überwachen, soweit dies den Ländern möglich ist. Dies hat die Bundesregierung wiederholt getan, sie wird es auch in Zukunft tun.
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu den Fragen IX/4 bis IX/6 — des Abgeordneten Maucher —:
Liegt auf Grund der angeordneten Aktenüberprüfung bei der Versorgungsverwaltung für die Kriegsopfer schon ein Ergebnis vor, wobei festgestellt werden kann, in wieviel Fällen Versorgungsleistungen zu Unrecht gezahlt wurden?
Ist nicht der Verwaltungsaufwand für die in Frage IX/4 genannte Aktenüberprüfung erheblich höher als das praktische Ergebnis?
Ist das Bundesarbeitsministerium bereit, mit dem Bundesrechnungshof darüber zu verhandeln, daß bis zum Abschluß der Durchführung des Zweiten Neuordnungsgesetzes die in Frage IX/4 genannte Aktenüberprüfung ausgesetzt wird?
Herr Abgeorneter Maucher ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage IX/7 des Abgeordneten Schmidt —:
Teilt die Bundesregierung die in den „Sozialpolitischen Informationen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung" vom 26. November 1964 auf Seite 4 geäußerte Meinung, daß vermögenswirksame Leistungen in handwerklichen und Dienstleistungsbetrieben mit hohem Lohnanteil durch Überwälzung auf die Preise finanziert werden könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unsere Antwort lautet: Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau wird durch vermögenswirksame Leistungen, wie sie im Regierungsentwurf des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes vorgesehen sind, nicht erhöht; denn vermögenswirksame Leistungen werden gespart und rufen deshalb keine zusätzliche Nachfrage nach Konsumgütern hervor. Das ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen der Erhöhung des Barlohns und der vermögenswirksamen Leistungen.Eine solche Betrachtung gilt allerdings nur für das gesamtwirtschaftliche Preisniveau, nicht aber für jeden einzelnen Preis. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß es in einzelnen Gewerbezweigen je nach der Marktlage möglich ist, die durch vermögenswirksame Leistungen verursachten Mehrkosten zu überwälzen. Hierzu rechnen zum Teil die in den Sozialpolitischen Informationen meines Hauses erwähnten handwerklichen und anderen Dienstleistungszweige mit extrem hohen Lohnanteilen. Berücksichtigt man jedoch, daß es sich hier meist um Kleinbetriebe handelt, deren zusätzliche Lohnkosten durch vermögenswirksame Leistungen im Höchstfall nur etwa 1,4 % ausmachen, so wird deutlich, daß die Gesamtkosten solcher Betriebe durch vermögenswirksame Leistungen in der Regel nur um etwa 1 % erhöht werden. Wenn derart geringfügige Kostenerhöhungen ausnahmsweise überwälzt werden, so kann sich dadurch das gesamtwirtschaftliche Preisniveau nicht erhöhen; denn durch die Preiserhöhungen werden auf der anderen Seite Unternehmen gezwungen sein, ihre Preise zu
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7725
Staatssekretär Dr. Claussensenken, weil die monetäre Nachfrage insgesamt durch vermögenswirksame Leistungen nicht erhöht wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, muß ich diese Antwort so verstehen, daß Teile der von der Bundesregierung vorgesehenen Vermögensbildung durch Verbraucherbelastung bezahlt werden sollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Ich habe ja gerade versucht darzulegen, Herr Abgeordneter, daß wir der Meinung sind, daß, wenn solche Teile des Einkommens festgelegt werden, dadurch eine Steigerung der Nachfrage im Konsumbereich nicht eintreten kann.
Eine zweite Zusatz- frage!
Herr Staatssekretär, ist nach Ihrer Meinung die in dem entsprechenden Artikel angeführte Möglichkeit der Überwälzung kein Anreiz zur Preiserhöhung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ob Kosten überwälzt werden können oder nicht, hängt von der Marktlage ab. Die Preise werden in unserer expansierenden Wirtschaft heute viel mehr durch die Nachfrage und die allgemeine Marktlage bestimmt als durch die Kosten,
Damit komme ich zur Frage IX/8 — des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —:
Ist dem Bundesarbeitsminister bekannt, daß trotz der Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 21 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten vom 3. April 1964 weibliche Personen unter 21 Jahren nach wie vor in Lokalen und Bars beschäftigt werden, und zwar nicht als Tanzdamen, Eintänzerinnen, Tischdamen oder Bardamen, sondern unter den Berufsbezeichnungen „Kellnerin", „Serviererin" oder „Bedienung"?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich auch die Fragen 8 und 9 gemeinsam beantworten?
Bitte sehr! Dann rufe ich auch die Frage IX/9 — des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert — auf:
Ist der Bundesarbeitsminister bereit, den § 1 Abs. 1 und 2 der in Frage IX/8 genannten Verordnungen dahin gehend zu ändern, daß grundsätzlich allen weiblichen Personen unter 21 Jahren jegliche Beschäftigung in sittlich gefährdenden Lokalen untersagt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach Presseberichten sollen, Inhaber von Lokalen und Bars nach
Erlaß der Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 21 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten dazu übergegangen sein, weibliche Personen unter 21 Jahren, die bisher als Tanzdamen, Eintänzerinnen, Tischdame. oder Bardamen beschäftigt worden sind, zwar mit derselben Tätigkeit wie bisher, jedoch unter anderen Bezeichnungen wie Kellnerinnen, Serviererinnen usw. beschäftigt werden. Diese Umbenennung und Umgehung der Verordnung erfordert jedoch keine Änderung der Verordnung. Sie kann bereits auf Grund der geltenden Vorschriften unterbunden werden; denn die Anwendung der Verordnung hängt nicht davon ab, daß mehr oder weniger willkürliche Berufsbezeichnungen gewählt werden, sondern von der Art der ausgeübten Tätigkeit. Zuständig für die Überwachung der ordnungsgemäßen Einhaltung der Verordnung sind die Behörden, denen nach Landesrecht die Durchführung der Verordnung obliegt.
Im übrigen glaube ich, Herr Abgeordneter, daß die Verordnung, die erst seit dem 1. Juni 1964 in Kraft ist, noch einen zu kurzen Zeitraum gilt, als daß die Wirkung dieser Verordnung endgültig übersehen werden könnte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß nach den Feststellungen der Jugendämter und der jugendpflegerischen Organisationen in der Pfalz mindestens ein Drittel der Personen, die in den Lokalen der genannten Ait beschäftigt sind, weibliche Personen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren .sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Einzelheiten, Herr Abgeordneter, sind uns nicht bekannt. Aber selbst wenn sie der Bundesregierung bekannt wären, — es bleibt dabei, daß die Überwachung dieser Tätigkeiten und die Überwachung der Durchführung der Verordnung Landessache ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kennen Sie die besonderen Umstände, die durch die Konzentration alliierter Streitkräfte besonders in den Räumen Kaiserslautern, Baumholder, Bitburg, Frankfurt am Main und in anderen Orten entstanden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte man die genannte Verordnung nicht doch in der Weise ändern, daß ein allgemeines Beschäftigungsverbot erlassen wird?
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7726 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das würde zu schwierig sein, Herr Abgeordneter. Sie wissen ja, gegen welchen Widerstand diese Verordnung schon durchgeführt worden ist und welche Kritik daran in bestimmten Kreisen der Öffentlichkeit geübt worden ist. Es wird daher zur Zeit sehr schwer möglich sein, diese Verordnung zu erweitern. Abgesehen davon meine ich, daß wir noch etwas abwarten sollten, wieweit sich 'die Wirkung der Verordnung in der Praxis tatsächlich zeigt, statt nach sieben Monaten anzufangen, die Verordnung schon wieder zu ändern. Die Überwachungsbehörden müssen sich ja auch erst darauf einstellen, daß die Verordnung in der richtigen Weise durchgeführt wird.
Vierte und letzte Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie demnach bereit, diese ganze Angelegenheit in absehbarer Zeit nochmals nachprüfen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, das sind wir immer.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen IX/10 und IX/11 — des Abgeordneten Strohmayr — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß einzelne Landesversicherungsanstalten, etwa die LVA Oberbayern, sich weigern, bei Rentenberechnungen die Zeiten vor 1926 anzurechnen, wenn der Versicherte vor dieser Zeit auch nur einen Tag in Osterreich gearbeitet hat?
Was vermag die Bundesregierung in den durch das in Frage IX/10 geschilderte Verfahren besonders bei Sudetendeutschen bedingten Härtefällen zu tun, etwa in dem Fall einer Witwe, der 24 Jahre Versicherungszeit nicht angerechnet werden, weil der Ehemann im Jahre 1918 vier Monate in Wien gearbeitet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich vermute, daß Ihrer Frage folgendes Verfahren zugrunde liegt. War der Berechtigte mindestens eine Woche im heutigen österreichischen Staatsgebiet beschäftigt, so hat der österreichische Versicherungsträger nach § 229 Abs. 3 des österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes für die Berechnung der Rente ja nach dem Geburtsjahrgang des Berechtigten für die Zeit zwischen der Vollendung des 15. Lebensjahres und dem 1. Januar 1939 eine pauschale Versicherungszeit zu berücksichtigen. Damit wird das gesamte in diesen Zeitraum fallende Arbeitsleben des Berechtigten, auch soweit es außerhalb des Gebietes des heutigen Österreichs zurückgelegt ist, abgegolten.
Diese Ansicht wird auch von einem maßgebenden österreichischen Kommentar zu § 229 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes geteilt. Es handelt sich demnach bei den außerhalb Osterreichs — z. B. im Gebiet der heutigen Tschechoslowakei — zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten um solche Zeiten, die nach österreichischem Recht anrechnungsfähig sind. Insoweit ist daher deutscherseits die Anwendung des Fremdrentengesetzes nach dessen § 2 ausgeschlossen. Es kommen also keine Versicherungs- und Beschäftigungszeiten in Betracht, die von den deutschen Trägern der Rentenversicherung berücksichtigt werden könnten.
Diese Auffassung, die ein Sozialgericht in seinem Urteil gebilligt hat, habe ich den beteiligten deutschen Versicherungsträgern mitgeteilt und ihnen anheimgestellt, ebenso wie die Landesversicherungsanstalt Oberbayern zu verfahren.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, glauben Sie aber nicht, daß diese Regelung eine große Ungerechtigkeit bedeutet und es' deshalb notwendig wäre, daß die Bundesregierung mit der österreichischen Bundesregierung Verhandlungen führt, damit die Härten dieses Gesetzes, das Osterreich erlassen hat, irgendwie abgemildert werden und den Menschen, die dieses Schicksal erleiden, Recht widerfährt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da wir mit den Österreichern zur Zeit in Verhandlungen sind, Herr Abgeordneter, werden wir sehr gern auch diese Frage mit erörtern. Aber die von Ihnen als Ungerechtigkeit bezeichneten Tatbestände bleiben ja immer, weil in irgendeiner Weise die Ansprüche an den einen oder den andern Versicherungsträger auch zeitlich abgegrenzt werden müssen. Da wird es immer Fälle geben, in denen solche sogenannten Ungerechtigkeiten entstehen.
Ich rufe dann auf die Frage IX/12 — des Herrn Abgeordneten Dröscher —:
Hält es die Bundesregierung -für vertretbar und mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit für vereinbar, wenn auf einem am 6. März 1961 gestellten Antrag nach einer Ablehnung durch die LVA von dem Sozialgericht in erster Instanz am 9. Mai 1962 die Rente ab 1. März 1961 zugesprochen wurde, dann am 23. Juli 1962 von der Anstalt beim Landessozialgericht Mainz Berufung eingelegt wurde und bis heute über das Verfahren noch nicht entschieden ist, obwohl dem Antrag vom 30. August 1962, die Vollstreckung des Urteils zur Zahlung der Rente im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen, zwischenzeitlich entsprochen wurde und daher dem Versicherten die nach einem gerichtlichen Urteil ab I. März 1961 zustehende Rente wegen Berufsunfähigkeit fast 4 Jahre danach immer noch nicht gezahlt werden kann, wie dies im Falle des Jakob Julius Jung, Waldböckelheim, geschieht?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich halte es nicht für vertretbar, daß auf eine Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts, das eine Rente zugesprochen hat, binnen zweieinhalb Jahren nicht entschieden, jedoch die Vollstreckung des Urteils nach Einlegung der Berufung ausgesetzt worden ist, wenn für die Dauer des Verfahrens kein hinreichender Grund besteht, Ob in dem Fall Jung,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7727
Staatssekretär Dr. Claussenden Sie angezogen haben, ein hinreichender Grund vorliegt, kann ich nicht nachprüfen. Die Landessozialgerichte sind Gerichte der Länder und unterstehen nicht meiner Aufsicht. Ich bin nicht befugt, die Akten des Verfahrens anzufordern, um zu prüfen, ob die Dauer des Verfahrens gerechfertigt ist.
Eine Zusatzfrage!
Verstehe ich Sie richtig, Herr Staatssekretär, daß Sie der Meinung sind, daß im Grundsatz das Rechtsinteresse eines solchen Klägers, dem in der ersten Instanz die Rente zugesprochen worden ist, weitergehen muß als etwa das Vermögensinteresse der Landesversicherungsanstalt, die glaubt, wenn sie in der Berufungsinstanz gewinnt, später nicht mehr zu ihrem Geld kommen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage ist schwer zu beantworten. Solange Rechtsmittel möglich sind, werden diese Rechtsmittel selbstverständlich von beiden Seiten ausgenutzt werden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, nachdem in all diesen Fällen — oder wenigstens in der über) wiegenden Zahl von Fällen — die Einholung der ärztlichen Gutachten und deren lange Dauer eine entscheidende Rolle spielt, möchte ich wissen, ob es seitens der Bundesregierung eine Möglichkeit gibt, darauf einzuwirken, daß die Erstattung dieser ärztlichen Gutachten entweder beschleunigt wird oder eine grundsätzliche Entscheidung dahin gehend fällt, daß, wenn ärztliche Gutachten in einer bestimmten Zeit nicht eingegangen sind, zugunsten des Klägers entschieden werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich halte diesen Weg nicht für möglich. Sie können nicht sagen, daß, wenn das Gutachten in einer strittigen Frage nicht vorliegt, zunächst einmal entschieden werden muß.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, darf ich zu Ihrer Kenntnis geben —
Nein, Sie dürfen nur fragen.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Ansicht, 'daß eine Nachricht des Sozialgerichts Kassel in Ordnung ist, die zum Inhalt hat, daß in einem entsprechenden Fall, wie ihn der Herr Abgeordnete Dröscher eben dargestellt hat, ein ärztliches
Gutachten seit 1961 angefordert ist und bis heute noch nicht erstattet worden ist und daß das Sozialgericht auf die Anfrage des Betroffenen mitgeteilt hat, der Gutachter habe noch keine Zeit gefunden, das Gutachten aufzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich würde sagen, ein solcher Fall ist bedauerlich, aber ändern können Sie ihn nicht.
— Sie können einen solchen Zustand nicht ändern. Ich erinnere z. B. daran, daß man sich bei bestimmten Fragen auch in der Wissenschaft nicht klar ist und daß die Gutachter selber sagen, daß sie ein Gutachten in dieser oder jener Frage nicht abgeben können. Dann kann man den Gutachter — nehmen wir einmal den Professor Bauer —, der ein Gutachten für uns in der strittigen Frage erstatten soll, eben nicht zwingen und sagen: Liefern Sie das Gutachten ab! Wenn unser Rechtsverfahren so lange dauert und so kompliziert ist, haben beide Seiten die Möglichkeit, es 'bis zuletzt auszunutzen. Bedauerlich ist es dabei für den Betreffenden, daß das Verfahren so lange dauert. Das gibt es ja auch im Zivilverfahren, daß sich ein Prozeß über Jahre hinzieht, weil die Gutachten nicht erstattet werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich meine Frage wiederholen, ob Sie der Ansicht sind, daß es in Ordnung ist, wenn das Sozialgericht es zuläßt, daß ein Gutachter erklärt, er habe seit 1961 noch keine Zeit gehabt? Es handelt sich nicht etwa um eine wissenschaftliche Kontroverse, sondern das Sozialgericht sagt, der Gutachter habe noch keine Gelegenheit gehabt, das Gutachten abzufassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich werde den Fall nachprüfen lassen. Wenn es nur der Grund war, daß der Betreffende sagt, er habe keine Zeit, hätte man sich auf einen anderen Gutachter einigen können. Ich darf die Frage vielleicht schriftlich beantworten, wenn ich die Akten eingesehen habe.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Rechtssicherheit beim Personenkreis der Kläger und der Berufungsführer erheblich dadurch beeinträchtigt wird, daß diese lange Dauer der Verfahren — insbesondere in Bayern — Tatsache ist, wobei unter Umständen auch zu berücksichtigen wäre, daß z. B. der gegenwärtige Zustand der ist, daß in Bayern noch 8000 Klagen unerledigt sind und beinahe dieselbe Zahl von Berufungen anhängig ist, was darauf schließen läßt, daß die Dauer der Verfahren auch erhebliche Aus-
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7728 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Fritschwirkungen auf die Zahl der unerledigten Fällen haben wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, darauf kann ich eine sehr klare Antwort geben. Ich bin der Auffassung, daß die Abwicklung der Verfahren zu lange dauert, weil zu viele Rechtsmittel möglich sind. Wenn sie alle ausgeschöpft werden, dauert ein Prozeß mehrere Jahre. Das können Sie überhaupt nicht ändern.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Abgeordneter Fritsch!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß es nicht ganz richtig ist, den Grundsatz des Rechtsbehelfs und des Einlegens der Klage ins Verhältnis zum Verfahren selbst, zu dessen Dauer zu setzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicher. Das kurze Verfahren wäre sehr viel besser. Aber wenn wir eine solche Ordnung haben wie heute und wir von der Bundesregierung aus den Versuch machen, das Verfahren abzukürzen, werden wir in diesem Hohen Hause keine Mehrheit finden.
Zu einer Zusatz) frage Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort auf die schriftliche Frage von Herrn Bechert angedeutet, es gebe Fälle, wo die Wissenschaftler erklärten, der Sachverhalt sei kaum oder höchstens nach Jahren zu klären, weil es sich um eine so schwierige .und strittige Frage handle. Sind Sie nicht der Auffassung, daß in einem solchen Fall zugunsten des Betroffenen entschieden werden müßte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, meine Meinung spielt hier keine Rolle. Die Gerichte entscheiden unabhängig.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maucher!
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicher bekannt, daß die Sozialgerichte praktisch im Interesse der Kläger handeln, wenn sie eine vollständige Sachaufklärung durchführen — was ihnen auch vorgeschrieben ist —, und daß im übrigen für .die Sozialgerichtsbarkeit und deren Organisation in der Hauptsache die Länder zuständig sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Auffassung.
Ich rufe auf die Fragen IX/13, IX/14 und IX/15 — des AbgeordnetenFrehsee —:Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Landschaftsgartenbau in die gesetzliche Regelung zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft einbezogen werden soll?Teilt die Bundesregierung die Auffassung der beteiligten Berufsverbände, daß die Einbeziehung des Landschaftsgartenbaus in die in Frage IX/13 genannte Regelung durch Ergänzung der 8. DVO zum AVAVG erfolgen kann?Warum hat die Bundesregierung bzw. der Bundesarbeitsminister über den Antrag der Berufsverbände des Landschaftsgartenbaus auf Einbeziehung in die gesetzlichen Winterbauförderungsmaßnahmen noch nicht entschieden, und bis wann ist mit seiner Entscheidung zu rechnen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen vom 20. Januar 1965 lautet:Zu Frage IX/13Die Bundesregierung hat am 27. September 1962 den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einen Bericht über die Auswirkungen der Vorschriften zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft erstattet . Darin hat sie sich gegen eine Einbeziehung anderer Wirtschaftszweige in die Schlechtwettergeldregelung ausgesprochen. Für die Bauwirtschaft ist diese Sonderregelung gerechtfertigt, weil für sie die Möglichkeit besteht, sich durch stärkere Technisierung von einem witterungsabhängigen Saisongewerbe zu einem von jahreszeitlichen Einflüssen mehr und mehr unabhängigen Wirtschaftszweig zu wandeln. Das Schlechtwettergeld soll dazu dienen, diesen Umwandlungsprozeß, der nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur im Interesse der am Bauen Beteiligten, sondern der gesamten Volkswirtschaft liegt, zu fördarn. Da der Landschaftsgartenbau in seiner Gesamtheit gesehen, ebenso wie z. B. die Landwirtschaft, nicht zum ,Baugewerbe gehört und eine kontinuierliche Beschäftigung durch technische Maßnahmen nicht verwirklichen kann, bestehen gegen seine Einbeziehung in die Schlechtwettergeldregelung Bedenken.Zu Frage IX/14Die Einbeziehung des Landschaftsgartenbaues in die Schlechtwettergeldregelung durch Ergänzung der Achten Verordnung zur Durchführung des AVAVG vom 9. Dezember 1959 in der Fassung der Verordnung vom 19. Oktober 1960 (Bundesgesetzbl. I S. 829), die bestimmt, in welchen Betrieben des Baugewerbes Schlechtwettergeld gewährt werden kann, setzt voraus, daß der Landschaftsgartenbau begrifflich zum Baugewerbe im Sinne des § 143 d AVAVG gehört. Der Landschaftsgartenbau in seiner Gesamtheit kann jedoch weder nach seiner Struktur, seiner Aufgabenstellung, Arbeitsweise und verbandsmäßigen Organisation noch nach den sonstigen für eine solche Entscheidung maßgeblichen Kriterien dem Baugewerbe zugeordnet werden. Allenfalls könnten landschaftsgärtnerische Betriebe, die ausschließlich tiefbauähnliche Arbeiten verrichten, dem Baugewerbe zugeordnet und in die Achte Verordnung zur Durchführung des AVAVG einbezogen werden. Eine solche Einbeziehung begegnet jedoch erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, weil im Einzelfall nicht zweifelsfrei festzustellen ist, ob ein landschaftsgärtnerischer Betrieb nur tiefbauähnliche oder auch andere Arbeiten durchführt.Die Sozialpartner des Landschaftsgartenbaues bemühen sich seit Jahren, tarifvertraglich die Betriebe abzugrenzen, die ausschließlich tiefbauähnliche Arbeiten verrichten und daher den Betrieben des Tiefbaugewerbes gleichzustellen sind. Im Sommer 1963 haben die Sozialpartner des Landschaftsgartenbaues einen Tarifvertrag abgeschlossen, der diese Betriebe des Landschaftsgartenbaues aufzählt. Auch diese von den Sozialpartnern des Landschaftsgartenbaues vorgenommene Abgrenzung konnte jedoch die Bedenken gegen die Einbeziehung dieser Betriebe in die Schlechtwettergeldregelung nicht völlig ausräumen. Ich habe daher ein Sachverständigengutachten über die Frage erstellen lassen, ob die Betriebe des Landschaftsgartenbaues, die unter diese tarifrechtliche Regelung fallen, als Betriebe des Baugewerbes anzusehen sind. Diese Frage ist von der Art der betrieblichen Tätigkeit her vom Sachverständigen bejaht worden. Zur Frage der verbandsmäßigen Organisation hat das Gutachten nicht Stellung genommen. Gewisse Bedenken gegen die Einbeziehung der erwähnten Betriebe des Landschaftsgartenbaues in die Schlechtwettergeldregelung sind daher geblieben. Unter diesen Umständen erschien es mir entsprechend den bisherigen Gepflogenheiten angebracht, eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die die Kosten einer Einbeziehung dieser Betriebe in die Schlechtwettergeldregelung tragen müßte, einzuholen.Zu Frage IX/15:Ich beabsichtige, über die Frage der Einbeziehung von Teilen des Landschaftsgartenbaues in die Schlechtwettergeldregelung für die Bauwirtschaft zu entscheiden, sobald sich die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hierzu geäußert hat. Nachdem der allgemeine Ausschuß und der
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7729
Vizepräsident Dr. JaegerNovellenausschuß des Verwaltungsrats die Angelegenheit be-raten haben, kann in Kürze mit einer Stellungnahme des Verwaltungsrates der Bundesanstalt gerechnet werden.Die Tarifpartner des Landschaftsgartenbaues sind über die Angelegenheit unterrichtet.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.Ich rufe auf die Frage X/1 — des Abgeordneten Fritsch —:Ist die Bundesregierung bereit, das Kreiswehrersatzamt Straubing mit Rücksicht auf dienstliche Erfordernisse, die Arbeitsmarktlage und im besonderen die Grenzlandsituation in Straubing zu belassen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers von Hassel vom 10. Januar 1965 lautet:Das Kreiswehrersatzamt Landshut wurde seinerzeit in Straubing errichtet, weil in Landshut kein geeignetes Gebäude zur Verfügung stand. Dem Plan, das Amt auch künftig in Straubing zu belassen, stand die bayerische Staatsregierung ablehnend gegenüber. Sie wünschte, unterstützt von der Regierung Niederbayern, die Verlegung nach dem ursprünglich vorgesehenen Dienstsitz Landshut. Ich habe diesem Wunsch zugestimmt, da er sich mit den dienstlichen Erfordernissen deckt. Landshut liegt für den überwiegenden Teil der zum Zuständigkeitsbereich dieses Amtes gehörenden kreisfreien Gemeinden und Landkreise verkehrsgünstiger als Straubing, zumal in Übereinstimmung mit der bayerischen Staatsregierung vorgesehen ist, die Landkreise Kötzting und Viechtach dem nur 30 km von Straubing entfernten Kreiswehrersatzamt Deggendorf und die Landkreise Eggenfelden und Pfarrkirchen dem Kreiswehrersatzamt in Landshut zuzuteilen.Ich habe deshalb mit Erlaß vom 31. 5. 1960 die Wehrbereichsverwaltung VI in München angewiesen, die Verlegung des Amtes von Straubing nach Landshut durchzuführen, sobald sich das Mietverhältnis für die Unterkunft in Straubing lösen läßt und in Landshut eine geeignete Unterkunft zur Verfügung steht. Die Stadt Landshut hat ein Gebäude angeboten, dessen Eignung z. Z. von der Wehrbereichsverwaltung VI geprüft wird. Falls sich das Gebäude zur Unterbringung des Amtes eignet, ist damit zu rechnen, daß das Kreiswehrersatzamt Mitte dieses Jahres nach Landshut verlegt wird. Größere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind dabei nicht zu erwarten. Für die Angestellten, die nicht von Straubing nach Landshut überwechseln wollen und wünschen, im Bundesdienst zu verbleiben, werde ich durch die Wehrbereichsverwaltung VI in München prüfen lassen, oh eine Einstellung bei der nur wenige Kilometer von Straubing entfernten Standortverwaltung Bogen möglich ist.Wir kommen zu den von dem Abgeordneten Dr. Kohut gestellten Fragen, die übernommen werden. Ich rufe zunächst die Frage X/2 auf:In welchen Ländern außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind militärische Ausbilder oder Berater der Bundeswehr tätig?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Militärische Ausbilder oder militärische Berater sind in Guinea, Nigeria und Tansania tätig.
Frage X/3:
Ist es üblich, Zivilisten, die als Verwaltungsangestellte bei der Bundeswehr arbeiten, Wehrpässe • mit Gestellungsbefehl, Erkennungsmarken, Uniform, Gasmasken, Tornister auszuhändigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist nicht allgemein üblich, Verwaltungsangestellten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung Wehrpässe, Einberufungsbescheide für den Verteidigungsfall und dergleichen auszuhändigen. Eine Ausnahme gilt jedoch für die Verwaltungsangestellten in der Truppenverwaltung, also solche Verwaltungsangestellte, die ihren Dienst im Rahmen militärischer Stäbe oder Truppenteile verrichten und die wegen ihrer Tätigkeit auch im Verteidigungsfall in diesen Stäben oder Einheiten verbleiben, dann allerdings ihren Dienst als Soldaten weiter versehen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die von dem Abgeordneten Folger gestellte Frage XI/1 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in Kürze sogenannte Wechselkennzeichen für Kraftfahrzeuge einzuführen, so daß mehrere Fahrzeuge abwechselnd mit einem Kennzeichen gefahren werden können, wie sich das z. B. in der Schweiz ausgezeichnet bewährt hat?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich muß Ihre Frage leider verneinen. Die Einführung von Wechselkennzeichen würde die Zahl der auf der Straße abgestellten Kraftfahrzeuge voraussichtlich erheblich erhöhen. Außerdem ist neben der Erschwerung der Zurückziehung nichtversicherter Fahrzeuge aus dem Straßenverkehr ein Mißbrauch der Wechselkennzeichen durch Ausborgen zur Verwendung an nichtversteuerten oder nichtversicherten Fahrzeugen nicht auszuschließen. Aus diesen Gründen soll von einer Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, die für eine Steuerermäßigung Voraussetzung wäre, abgesehen werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wie ist es zu erklären, daß Sie der Meinung sind, durch die nicht gekennzeichneten Fahrzeuge auf den Straßen würde der Parkraum noch mehr eingeengt, wenn man bedenkt, daß nach der Straßenverkehrsordnung Fahrzeuge ohne Kennzeichen und ohne Versicherung auf öffentlichen Straßen und Plätzen nicht abgestellt werden dürfen? Der Fahrzeughalter müßte also das zweite Fahrzeug 'unter allen Umständen auf seinem Privatgrundstück bzw. in seiner Garage stehen haben. Außerdem möchte ich bitten, zu erklären, worin der Mißbrauch bestehen könnte, wenn immer nur ein Fahrzeug benutzt werden kann. Das andere muß ja auf privatem Grundstück abgestellt sein.
Das waren bereits zwei Zusatzfragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist leider so, daß nur die wenigsten Kraftfahrzeugbesitzer eine Garage oder einen Hof haben, wo sie Fahrzeuge abstellen können. Zum zweiten: Diese Befürchtungen, die nach Maßgabe der in Deutschland geltenden steuerrechtlichen und versicherungsrechtlichen Bestimmungen gehegt werden, liegen nun einmal bei den Experten vor, die diese Frage bereits wiederholt geprüft haben. Sie haben diese Frage insbesondere
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7730 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Staatssekretär Dr. Seiermannauch mit Rücksicht auf Ihren Hinweis auf entsprechende Verhältnisse in der Schweiz geprüft, und es ist dabei festgestellt worden, daß gerade die steuerrechtlichen und versicherungsrechtlichen Bestimmungen in der Schweiz ganz anders sind, abgesehen davon, daß wir eine viel höhere Verkehrsdichte in Deutschland haben als die Schweiz.
Herr Abgeordneter Strohmayr zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es ausgezeichnet wäre, idem Beispiel der Schweiz zu folgen, vor .allem im Hinblick auf die Entlastung des innerstädtischen Verkehrs? Es geht mir und vielen anderen auch ja praktisch selber so, daß wir unis im Großstadtverkehr mit. größeren, schwereren Wagen zu bewegen haben. Wäre es nicht gegeben, hier das Kennzeichen auszuwechseln und den kleineren Wagen für den innerstädtischen Großstadtverkehr zu verwenden? Damit würde uch der Großstadtverkehr erleichtert, und der einzelne, der das Fahrzeug benutzt, käme besser voran und hätte bessere Parkmöglichkeiten. Ich frage Sie, ob Sie nicht auch der Auffassung sind; daß es sehr gut wäre, dem Beispiel der Schweiz zu folgen und die Steuergesetzgebung entsprechend abzuändern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage wird zweifellos erneut zur Prüfung anstehen im Rahmen der Steuerharmonisierungsverhandlungen, die zur Zeit in Brüssel stattfinden. Wir können ohnedies im Augenblick keine nationalstaatliche Sonderregelung mehr treffen, sondern müßten zumindest ein Konsultationsverfahren einleiten, und dieses würde durch die Harmonisierungsverhandlungen überrollt werden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß ,die versicherungsrechtlichen Möglichkeiten 'besonders leicht dadurch zu regeln sind, daß eben die Versicherung nicht an das Fahrzeug, sondern an das Kennzeichen geknüpft wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist eine Möglichkeit, über die man sprechen kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage XI/2 — des Abgeordneten Dr. Eppler — auf.
Trifft die Mitteilung des baden-württembergischen Innenministeriums zu, wonach der Plan für die generelle Linienführung der Umgehung von Freudenstadt im Zuge der Bundesstraßen 28 und 294 bereits vorliegt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen zitierte Mitteilung des Innenministeriums von Baden-Württemberg in Stuttgart trifft insoweit zu, Herr Abgeordneter, als jetzt die Ausweitung eines generellen Vorentwurfs für die Verlegung der Bundesstraßen 28, 294 und 462 im Raum Freudenstadt abgeschlossen werden konnte. Voraussichtlich wird die Planung meinem Hause im Laufe des kommenden Frühjahrs vorgelegt werden, so daß nach Abschluß der Prüfung und der nach Lage der Dinge dann zweifellos notwendigen weiteren Verhandlungen — der Vorentwurf wird nämlich verschiedene Variantenlösungen beinhalten — mit der Aufstellung der baureifen Entwürfe begonnen werden kann.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wie ist es möglich gewesen, daß, nachdem das Stuttgarter Ministerium die von Ihnen nun bestätigte Mitteilung' gemacht hatte, mir in der Fragestunde vom 11. Dezember 1964 eine entgegengesetzte Auskunft gegeben wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erinnere mich, daß ich eine ähnliche Frage von Ihnen erhalten und beantwortet habe. Ich nehme an, daß unser Haus über die Tatsache, daß die generellen Vorentwürfe dort abgeschlossen worden sind, noch nicht unterrichtet war. Ich ersehe auch aus den Unterlagen, daß mit der Aufstellung .dieser Vorentwürfe eine nachgeordnete Behörde des Ministeriums in Stuttgart beauftragt war. Es ist durchaus möglich, daß auch Stuttgart nicht unterrichtet war.
Aber ich werde diese Frage gern prüfen und Sie über das Ergebnis informieren.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, bleibt es, nachdem ich Ihre Antwort so verstehe, daß Sie vor sechs Wochen einfach noch nicht unterrichtet waren — das ist ja keine Schande —, bei der Zusage, die Sie am 11. Dezember gegeben haben, nach der in dem Augenblick, in dem die Trassenführung vorliegt, mit der Ausarbeitung der baureifen Pläne begonnen werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, dabei bleibt es.
Wir kommen jetzt zur ersten Frage — des Herrn Abgeordneten Dr. Wahl. Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Wahl gemeinsam beantworten?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7731
Bitte sehr, ich rufe dann die Fragen XI/3 und XI/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Wahl — auf:
Hat die Bundesregierung geprüft, ob die Aufgabe des Staates, die der Bevölkerung drohenden Verkehrsgefahren abzuwenden, nicht auch eine Vorschrift rechtfertigen könnte, die zur Verringerung der Verkehrsunfälle den Fußgängern bei Dunkelheit das Tragen lichtreflektierender oder wenigstens heller Kleidungselemente zur Pflicht machen würde?
Könnte man nicht wenigstens versuchen, durch einen großzügigen Werbefeldzug eine der Anregung in Frage XI/3 entsprechende Änderung der Bekleidungssitten herbeizuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die gesetzliche Einführung von Einrichtungen für die Sicherung von Fußgängern bei Dunkelheit auf Straßen ohne Gehweg ist bisher nicht beabsichtigt. Dagegen wurde in der Straßenverkehrsordnung vorgeschrieben, daß Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen ohne Gehweg die äußerste linke Straßenseite benutzen müssen. Wird diese Vorschrift eingehalten, dann verliert die Sicherung der Fußgänger durch Rückstrahler oder andere rückstrahlende Stoffe an Bedeutung, da der Fußgänger Fahrzeuge, die ihn gefährden könnten, rechtzeitig bemerken und ihnen ausweichen kann.
Bereits seit 1949 — das ist die Antwort auf Ihre zweite Frage — wird die Bevölkerung der Bundesrepublik in regelmäßigen Abständen über die Gefahren auf Straßen ohne Gehweg bei Dunkelheit oder Zwielicht aufgeklärt. Das geschieht durch Veröffentlichungen in der Tages- und Fachpresse, durch Merkblätter und Broschüren, durch Vorträge und Verkehrserziehungsfilme. In allen diesen Veröffentlichungen und Veranstaltungen wird auch die Zweckmäßigkeit des Linksgehens auf Landstraßen, des Tragens heller Kleidungsstücke und der Verwendung von Rückstrahlern oder lichtreflektierenden Gegenständen — z. B. Gürtel, Spangen, Armbinden, Clips — hingewiesen.
Wir kommen zur Frage XI/5 — des Herrn Abgeordneten Schmidt —.
Entspricht es den Tatsachen, daß die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot in der Hauptreisezeit 1965 stark eingeschränkt werden soll?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf Grund der vor allem im letzten Jahr gesammelten Erfahrungen ist der Bundesminister für Verkehr der Ansicht, daß die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen während der Hauptreisezeit des Jahres 1965 erheblich eingeschränkt werden sollte, da der Verkehrsfluß auf stark belasteten Bundesfernstraßen durch schwere Lastzüge erheblich gestört wird. Entsprechende Verhandlungen mit den Ländern, die übrigens allein für die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen zuständig sind, wurden aufgenommen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist schon abzusehen, in welchem Ausmaß sich die Ausnahmegenehmigungen in etwa bewegen werden und bewegen müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das ist nicht abzusehen. Es sind Besprechungen zur Vorbereitung der Abwicklung des Reiseverkehrs und des Straßenverkehrs in den Hauptverkehrszeiten mit den Ländern im Gange. Es wird auch nicht davon die Rede sein, daß Ausnahmen überhaupt unterbleiben sollen. Man wird eben auf Grund der Erfahrungen vor allem über die Verkehrsbelastung auf den einzelnen Straßen Ausnahmegenehmigungen auch daran binden, daß bestimmte Straßen nicht benutzt werden und dafür gewisse Umgehungen in Kauf genommen werden müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, teilt das Bundesverkehrsministerium die Auffassung, daß zu diesen Verhandlungen auch die betroffenen Verkehrskreise und die Vertreter der besonders betroffenen Räume mit herangezogen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darauf wird die Landesverkehrsbehörde, die ja die Ausnahmegenehmigungen erteilt, in jedem Falle Rücksicht nehmen.
Wir kommen zur Frage XI/6 — des Herrn Abgeordneten Schmidt —:
Welche Ergebnisse bezüglich einer Harmonisierung von Maßen und Gewichten von Lastkraftwagen innerhalb der EWG haben die letzten diesbezüglichen Verhandlungen ergeben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In den EWG-Ministerratssitzungen vom 22. Juni und vom 20. Oktober 1964 ist entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 22. Januar 1964 versucht worden, eine gemeinsame Regelung der Abmessungen und Gewichte der Lastkraftwagen und Lastzüge zu finden. Die deutsche Delegation hat dabei erkennen lassen, daß die Bundesregierung zu weitgehenden Zugeständnissen bereit ist, um zu einer Einigung zwischen den Partnerländern und zu einer europäischen Lösung beizutragen. Sie ist bis an die äußerst vertretbaren Grenzen gegangen durch ihre Bereitschaft zu einer Lösung auf der Grundlage einer Zuglänge von 18 m und eines Zuggewichts von 38 t. Über diese Begrenzung von Länge und Gesamtgewicht besteht jetzt im EWG-Bereich Einigkeit. Hinsichtlich des Grenzwerts für die Achslast ist von deutscher Seite mit Unterstützung durch die Niederlande und Italien mit Nachdruck betont worden, daß ein höherer Wert als 10 t mit Rücksicht auf das Aufrechterhalten eines
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7732 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Staatssekretär Dr. Seiermannzuverlässigen Straßenzustandes und die Verkehrsdichte in Deutschland nicht in Betracht kommen kann.Auch in der letzten EWG-Ministerrat-Tagung am 10. Dezember 1964 kam es in der Achslastfrage zu keiner Einigung. Es sollten Karten der Straßen vorgelegt werden, die für eine Dauerbelastung mit 13 t geeignet sind. Italien hat erklärt, solche Straßen überhaupt nicht zu besitzen. Die Niederlande und die Bundesrepublik konnten nur einige Straßen benennen, die aber kein zusammenhängendes Netz bilden. Diese drei Länder lehnten daher die Einführung der 13-t-Achse ab und waren auch nicht bereit, ihre Einführung zu einem späteren Zeitpunkt ohne nochmalige internationale Überprüfung zuzugestehen. Frankreich, unterstützt von Belgien, bestand auf sofortiger Einführung der 13-t-Achse als Norm für den Verkehr innerhalb der EWG, obwohl derartige Fahrzeuge weder nach Spanien, der Schweiz, Osterreich oder Skandinavien heute schon einfahren dürfen. Leider sind daher keine Anzeichen für eine Verständigung in der Achslastfrage vorhanden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt!
Schmidt • (FDP) : Herr Staatssekretär, ist nunmehr, nachdem mit Ausnahme der Achslastfrage eine europäische Einigung erzielt worden ist, damit zu rechnen, daß das Bundesverkehrsministerium entsprechende Veröffentlichungen herausgibt, damit die langjährige Unsicherheit in den entsprechenden Wirtschaftskreisen beseitigt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit ist zu rechnen, Herr Abgeordneter.
Noch eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, bestehen Befürchtungen, daß bei Ablehnung der 13-t-Achse — wobei ich Ihre Auffassung völlig teile — die mögliche weitere europäische Einigung auf dem Verkehrssektor seitens des Forderers Frankreich wieder auf Schwierigkeiten stößt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es mag sein, daß Schwierigkeiten auftreten. Aber ich bin überzeugt, daß sich im Laufe der Zeit doch die Vernunft durchsetzen wird.
Wir kommen damit zur Frage XI/7 — des Herrn Abgeordneten Reichmann —.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, die Bahnstrecken Neustadt — Bonndorf und Hintschingen — Oberlauchringen stillzulegen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meinem Hause liegt weder für die Strecke Neustadt — Bonndorf noch für die Strecke Hintschingen — Oberlauchringen ein Antrag der Deutschen Bundesbahn auf Stillegung vor. Es ist jedoch bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn auch für diese wie für manche andere Strecken Einzeluntersuchungen durchführt, um sich einen Überblick über die Wirtschaftlichkeit zu verschaffen. Dies ist zweifellos ihre Pflicht.
Zum Grundsätzlichen des Fragenkomplexes der Stillegung von Strecken der Deutschen Bundesbahn hat der Bundesverkehrsminister vor diesem Hohen Hause schon mehrmals, zuletzt ausführlich am 16. Dezember 1964, Stellung genommen. Ich kann nur wiederholen und versichern, daß jeder Einzelfall hinsichtlich der Auswirkungen auf die wirtschaftliche und verkehrspolitische Entwicklung eingehend geprüft wird, und zwar unter rechtzeitiger Einschaltung der zuständigen Landesbehörden. Damit wird die Berücksichtigung der örtlichen Belange gewährleistet.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich auf Grund dessen annehmen, daß die gesamtwirtschaftlichen Benachteiligungen, die entstünden, entsprechend berücksichtigt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn gesamtwirtschaftliche Benachteiligungen entstehen, die schwer ins Gewicht fallen, wird ein Stillegungsantrag nicht genehmigt, allerdings mit der Folge, daß dann nach § 28 a ides Bundesbahngesetzes ,der Bundesbahn ein entsprechender finanzieller Ausgleich für diese Ausgaben vom Bund geleistet werden muß.
Ich rufe auf die Frage XI/8 — des Abgeordneten Dr. Mommer —, die von Herrn Dr. Eppler übernommen wird:
Sind die Schiffahrtsabgaben für die Fahrgastschiffahrt auf dem Neckar für das Jahr 1965 erhöht worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die seit 30 Jahren unveränderten Schiffahrtabgaben auf dem Neckar sind im Zuge einer Revision ,der Abgabentarife für die Fahrgastschiffahrt auf den süddeutschen Wasserstraßen ab 1. Januar 1965 teilweise erhöht, teilweise ermäßigt worden. Die Ermäßigungen betragen in den nahen Entfernungen 'bis zu 80 %. Bei den sogenannten Langstreckenfahrten beträgt die Belastung mit Schiffahrtabgaben nach dem neuen Tarif z. B. bei voller Besetzung eines Schiffes mit 450 Personen 0,74 % der gesamten Fahrpreiseinnahmen, bei Besetzung mit 25 %, wenn also das Schiff nur zu einem Viertel 'der Tragfähigkeit besetzt ist, 2,95 % dieser Fahrgasteinnahmen.
Ich rufe auf die Frage XI/9 —des Abgeordneten Fritsch —:Ist die Bundesregierung bereit, die Verkehrsverhältnisse im Bayerischen Wald durch einen weiteren Ausbau der B 85 auf der Strecke zwischen Regen und Passau zu verbessern?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7733
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Bundesstraße 85 zwischen Regen und Passau schrittweise weiter zu verbessern. So wird noch in diesem Jahre bei Trautmannsdorf eine Verlegung in Angriff genommen werden. Der zwischen Tittling und Passau bereits mit Erfolg abgeschlossene Zwischenausbau wird in den nächsten Jahren im nördlich davon gelegenen Abschnitt nach Kräften fortgesetzt werden.
Eine Zusatzfrage.
Welchen finanziellen Aufwand, Herr Staatssekretär, werden die für 1965 vorgesehenen Maßnahmen in etwa haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Allein die bei Trautmannsdorf vorgesehene Verlegung wird etwa 1,5 Millionen DM beanspruchen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist in Ansehung der gesamten Verkehrsverhältnisse im Bayerischen Wald geplant, über diesen Ausbau bei Trautmannsdorf hinaus den Ausbau der gesamten B 85 auf der Strecke von Regen bis Passau vorzusehen und insoweit eine verkehrsmäßige Konzeption von Bundesseite für den gesamten Bayerischen Wald möglichst gleichzeitig durchzuführen, wobei ich an den wiederholt von mir reklamierten Ausbau der Fernverkehrsverbindungen durch die B 11, die B 8 und die Autobahn erinnern darf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß die Strecke Regen—Passau eine Länge von 48 km hat. Davon sind 12 km voll ausgebaut, weitere 22 km zwischenausgebaut. Die Verlegung bei Trautmannsdorf wird in diesem Jahre durchgeführt. In ,den nächsten Jahren wird zweifellos auch der Rest vollwertig entweder durch Grundausbau oder durch Zwischenausbau hergestellt. Aber einen genauen Termin kann ich Ihnen mit Rücksicht auf die Haushaltslage leider nicht sagen.
Ich rufe auf die Frage XI/10 — des Abgeordneten Josten —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf der Bundesbahnstrecke Andernach—Mayen—Gerolstein alte Wagen Verwendung finden, bei denen die Lichtanlagen vollkommen ungenügend sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen zusammen beantworten?
Bitte sehr! Dann rufe ich auf auch ,die Frage XI/11 — des Abgeordneten Josten —:
Bis wann können die Fahrgäste der in Frage XI/10 genannten Eifelstrecke mit einer besseren Ausstattung von Personenwagen rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen angeführten Reisezugwagen sind in erster Linie auf dem kürzeren Abschnitt Andernach—Mayen-Ost der Strecke Andernach—Mayen—Gerolstein eingesetzt. Zwischen Mayen-Ost und Gerolstein verkehren bis auf einen Zug in jeder Richtung nur Schienenomnibusse.
Nach Angabe der Deutschen Bundesbahn gehören die von Ihnen beanstandeten Wagen zu den ersten eines Umbauprogramms für dreiachsige Wagen, die Mitte .der 50er Jahre in Dienst gestellt worden sind. Die Schwäche der Beleuchtungsart dieser Wagen gegenüber den Leuchtstoffröhren ist bekannt. Eine Änderung der Beleuchtung ist aber technisch schwierig und wirtschaftlich kaum vertretbar, weil diese Wagen als nächste zur Ausmusterung anstehen. Wann der Ersatz durch andere Wagen erfolgen kann, hängt vom Wagenbeschaffungsprogramm, also von der Höhe der Investitionsmittel, ab. Er war bereits für 1966 eingeplant, wind sich jedoch aus den bekannten finanziellen Gründen wahrscheinlich etwas verzögern.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Empörung ,der Benutzer der alten Wagen der Bundesbahn auf dieser Eifelstrecke verständlich, da die Fahrgäste ja die gleichen Fahrpreise zahlen müssen wie auf gut ausgestatteten Fahrstrecken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, man kann natürlich den Fahrpreis nicht nach dem Alter und der Qualität der einzelnen Wagen berechnen. Ich kann mir gut vorstellen, daß die Fahrgäste verärgert sind, wenn sie ihre Zeitung lesen wollen und das Licht dafür zu schlecht ist. Aber ich bitte, doch auch Verständnis dafür aufzubringen, daß die Deutsche Bundesbahn für den Personenkilometer etwa 12 DPf zahlt und im Schnitt 4,5 DPf einnimmt. Irgendwo muß das Geld ja herkommen.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, nachdem Sie soeben berichtet haben, daß praktisch erst im Jahre 1966 mit einer Änderung zu rechnen sei, die berechtigten Klagen erneut überprüfen zu lassen, um wenigstens die ältesten und schlechtesten Wagen schon zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Verkehr zu ziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist auf Grund Ihrer Anfrage bereits geschehen. Ich
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7734 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Staatssekretär Dr. Seiermannkann Ihnen mitteilen, daß die ältesten Wagen — das sind die sogenannten zweiachsigen Reisewagen -bereits aus dem Verkehr gezogen worden sind und nur noch .die dreiachsigen Wagen verwendet werden.
Ich komme zur Frage XI/12 — des Abgeordneten Müller —:
Ist der Bundesverkehrsminister bereit und in der Lage, die an der Unterweser bei Blexer Hörne innerhalb der Mitteltide-Hochwassergrenze auf Strand gesetzten Schiffswracks in absehbarer Zeit zu beseitigen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Beseitigung der von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ,aus dem Fahrwasser der Unterweser geborgenen beiden Wracks der Küstenmotorschiffe „Libra" und „Dorle", die bei Blexen auf bundeseigenen Strand abgesetzt sind, ist gemäß § 25 der Strandungsordnung die Veräußerung vorgesehen. Der Termin für die Versteigerung der „Libra" ist auf den 22. März 1965 festgesetzt. Es wird beim Amtsgericht beantragt werden, den gleichen Termin auch für „Dorle" festzusetzen. Die Erwerber werden angehalten, die Wracks so bald wie möglich zu beseitigen.
Durch 'das Wrack eines Fischkutters, das auf dem privaten Gelände der Gutehoffnungshütte liegt, werden Schiffahrt und Vorflut nicht gestört, so daß für die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung kein Anlaß zum Eingreifen besteht.
Die Beseitigung eines ebenfalls bei Blexen auf Strand liegenden Wracks einer kleiner Barkasse ist Sache des Strandhauptmannes Nordenham, der entsprechend unterrichtet worden ist.
Eine Zusatzfrage? — Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, wann wollen Sie das Wrack des Küstenmotorschiffes „Dirk" beseitigen lassen? Das ist das größte Schiffswrack, das dort liegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist die von mir genannte „Libra" ; „Dirk" ist der frühere Name.
Ich komme zur Frage XI/13 — gleichfalls des Abgeordneten Müller —:
Trifft es zu, daß die Bundesbahndirektion Hannover entgegen anderslautenden Erklärungen der Bundesregierung auf der Strecke Hude—Blexen ab Sommerfahrplan 1965 statt der jetzt täglich verkehrenden 46 Personenzüge nur noch 23 Personenzüge einsetzen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wie die Deutsche Bundesbahn mitteilt, wird 'sich auf der Strecke Hude-Blexen im Sommerfahrplan 1965 an der Zahl der Personenzüge nichts ändern. Nach den Fahrplanvorentwürfen werden , ebensoviele Züge verkehren wie jetzt, nämlich 23 Zugpaare oder 46 Züge.
Eine Zusatzfrage? — Bitte sehr!
Wie ist dann die Erklärung des Herrn Präsidenten Völker von der Bundesbahndirektion Hannover vom 15. Januar dieses Jahres zu verstehen, daß 'die Bundesbahndirektion den Auftrag erhalten habe, mit dem Fahrplanwechsel am 29./30. Mai den Bezirkspersonenverkehr um rund 9 v. H. einzuschränken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich isehe darin keinen Widerspruch; denn die 9 v. H. können, wenn sie eingespart werden sollen, auf anderen Strecken eingespart werden. Jedenfalls habe ich ,die Mitteilung der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn, die ich Ihnen bekanntgegeben habe, daß es auf der von Ihnen genannten Strecke bei der bisherigen Anzahl von Zugpaaren bzw. 'Zügen verbleibt.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Müller .
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehört die Nordseeküste zu den grenznahen Gebieten, in denen nach den Erklärungen des Herrn Bundesverkehrsministers am 16. Dezember 1964 hier in diesem Hause Einschränkungen im Personenverkehr nicht vorgenommen werden sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich im Augenblick nicht mit aller Gewißheit sagen, weil ich den Wortlaut des Kabinettsbeschlusses und der entsprechenden Erlasse unseres Hauses nicht im Kopfe habe. Ich werde Ihnen aber diese Frage schriftlich beantworten.
Ich rufe auf die Frage XI/14 — des Abgeordneten Müller —:
Was hat die Bundesregierung an Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit an Kreuzungen von Eisenbahn und Straßen getan, nachdem das Eisenbahnkreuzungsgesetz am 1. Januar 1964 in Kraft getreten ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Deutsche Bundesbahn hat nach den bis jetzt vorliegenden Meldungen im Jahre 1964 an 270 Bahnübergängen Blinklichtanlagen errichtet und 410 Bahnübergänge beseitigt, davon 160 Bahnübergänge durch den Bau von Überführungen, 250 Bahnübergänge durch sonstige Maßnahmen, z. B. Anlegen von Parallelwegen. Außerdem hat sie an 70 Bahnübergängen Anrufschranken in fernbediente Schranken umgewandelt. Für diese Maßnahmen sind 60 bis 65 Millionen DM aufgewandt worden. Ferner sind rund 50 Überführungen mit einem Kostenaufwand von etwa 1i1 Millionen DM verbessert worden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7735
Staatssekretär Dr. SeiermannIm Straßenbauhaushalt des Bundes waren für das Haushaltsjahr 1964 hei Kap. 12 10 far Maßnahmen an Kreuzungen rund 46,8 Millionen DM bewilligt. Die Abrechnungen der Länder liegen noch nicht vor; aber es ist anzunehmen, daß dieser Betrag auch im wesentlichen ausgegeben worden ist.Für die Fortführung des Baues von Überführungen zur Beseitigung von Bahnübergängen im Zuge von Bundesstraßen, die schon in früheren . Jahren begonnen waren, wurden etwa 25,3 Millionen DM ausgegeben. Davon entfallen knapp 7 Millionen DM — die der Bund vorlegt — auf den Kostenanteil der Deutschen Bundesbahn.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, mit wieviel Baumaßnahmen ist im Haushaltsjahr 1965 zu rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte annehmen, Herr Abgeordneter, daß per Saldo der Stand von 1964 erreicht werden kann, und zwar deswegen, weil sich das Eisenbahnkreuzungsgesetz im Laufe der Monate eingespielt hat und die Schwierigkeiten, die bei der Handhabung dieses Gesetzes in diesem Jahre noch aufgetreten sind, allmählich verschwinden werden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, daß die Bundesbahn auf Grund der bekannten Finanzierungssituation nicht in der Lage ist, den auf sie entfallenden Kostenanteil zu tragen. Haben Sie die Absicht, dementsprechend das Eisenbahnkreuzungsgesetz zu ändern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Eisenbahnkreuzungsgesetz soll im Augenblick nicht geändert werden. Diese spezielle Frage der Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen Bund und Bundesbahn ist, wie Sie ja wissen, in diesen Wochen Gegenstand sehr eingehender Überlegungen. In diesem Rahmen wird sicher auch die Frage der Handhabung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes besprochen werden.
Eine weitere, Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Frage XI/15 — des Abgeordneten Strohmayr -:
Was hat die Bundesregierung bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn unternommen, um Verhandlungen über die Einführung des „EURAILpasses" für Europäer zu veranlassen, wie dies vom Bundesverkehrsminister vor einem Jahr angekündigt wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesminister für Verkehr hat im Anschluß an die Fragestunde vom 5. Februar 1964 die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn schriftlich aufgefordert, im Sinne der Ihnen gegebenen Zusage nochmals über die Einführung eines dem EURAIL-Paß ähnlichen Fahrausweises für europäische Benutzer mit den Eisenbahnverwaltungen Westeuropas zu verhandeln und über das Ergebnis zu berichten. In ihrer Antwort hat die Deutsche Bundesbahn im Juli 1964 mitgeteilt, daß sie diese Frage nochmals bei den in Betracht kommenden 13 europäischen Bahnen zur Diskussion gestellt habe und daß man nach eingehender Prüfung zu dem Schluß gekommen sei, daß sich gegenwärtig die Eisführung eines solchen Fahrausweises nicht empfehle. Auch eine von mir erneut gestellte Rückfrage hat keine Änderung der Haltung der europäischen Eisenbahnverwaltungen ergeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es, da dieser EURAIL-Paß in Amerika und in Europa für Amerikaner möglich ist, doch auch möglich sein müßte, ihn im freien Westen Europas einzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Entstehungsgeschichte des EURAIL-Passes ist ja — diese Sache spielt seit 1949 — in der Fragestunde des Bundestages wiederholt klargelegt worden. Ich darf kurz in Erinnerung bringen, daß der EURAIL-
Paß deswegen auf die amerikanischen Staaten — Nord-, Mittel- und Südamerika — beschränkt ist, weil es bei allen Reiseländern Europas eine Erfahrungstatsache ist, daß die Amerikaner, wenn sie nach Europa kommen, nur ganz wenige Strecken befahren, praktisch nur die Strecke nach Rom und die Strecke nach Paris.
Die Überlegung, den EURAIL-Paß auch in Deutschland einzuführen, geht doch zweifellos von der Hoffnung aus, daß es damit möglich sei, nun alle möglichen Reisen beruflicher, privater, geschäftlicher Art usw. durchzuführen. Bei dieser Inanspruchnahme eines Fahrtausweises wäre es weder der Deutschen Bundesbahn noch den anderen 12 beteiligten Eisenbahnen möglich, einen EURAIL-Paß für Europäer zu annähernd auch nur gleichen oder ähnlichen Beförderungsbedingungen einzuführen. Allein, Herr Abgeordneter, können wir nichts machen; denn das ist ein Verbandstarif, zu dem alle beteiligten Bahnen zustimmen müßten. Selbst wenn wir wollten, ist das eben im Augenblick nicht zu verwirklichen, wenn die anderen dagegen sind; und sie sind dagegen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es auch politisch ein großer Vorteil wäre, wenn es möglich wäre, daß sich Europäer innerhalb Europas beispielsweise in der Ferienreisezeit die Hauptstädte Europas ansehen könnten?
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7736 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
StrohmayrIch bin davon überzeugt, daß dieser EURAIL-Paß nicht zu Geschäftsreisen benützt würde. Ich stehe vielmehr auf dem Standpunkt, daß, wer Geschäftsreisen in Europa machen muß, das Flugzeug verwendet und sich nicht in die Bundesbahn setzt und die mühevolle Reise mit der Bundesbahn macht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicher, Herr Abgeordneter. Wir haben aber Erfahrungen, und mir ist gerade in diesem Zusammenhang berichtet worden, daß Züge, die besonders für Rundreisen der von Ihnen genannten Art mit ganz großen Fahrpreisermäßigungen eingelegt worden sind, außerordentlich schlecht in Anspruch genommen werden.
Ich habe leider keine Zusatzfrage mehr.
Meine Damen und Herren! Dieser Abschnitt ist 'beendet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und komme nun noch zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.
Frage XII/1 — des Abgeordneten Riedel —:
Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit der Förderung der Althaussanierung gemacht?
Bitte, Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch unmittelbare Förderung der Althaussanierung hat der Bund von 1957 bis Ende 1964 allein für einkommensschwache Althauseigentümer 247 Millionen DM zinsgünstige Darlehen bereitgestellt, außerdem zur Verbilligung von nahezu 1,2 Milliarden DM Kapitalmarktdarlehen Verpflichtungen für Annuitätszuschüsse in Höhe von 183 Millionen DM übernommen. Damit konnten die Instandsetzung bzw. Modernisierung von insgesamt rund 220 000 Einfamilien- und Zweifamilienhäusern und 63 000 Mehrfamilienhäusern gefördert werden. Landwirtschaftliche Wohngebäude sind hierbei nicht eingerechnet.
Wenn also die Sanierung des Althausbesitzes insgesamt gesehen auch nur ein verhältnismäßig geringes Volumen erreicht hat, so kann doch gesagt werden, daß mit diesen Maßnahmen zufriedenstellende Erfahrungen gemacht worden sind und laufend gemacht werden. Obwohl das Schwergewicht der Althaussanierung in der Modernisierung des Wohnungsbestandes vor allem bei der Schaffung sanitärer Einrichtungen liegt, so trägt doch die gezielte Verbesserung des Althausbesitzes zweifellos zur Entlastung des Wohnungsmarktes bei, weil dadurch Wohnungen, die sonst dem Markt verlorengehen könnten, erhalten bleiben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Bundesminister, halten Sie den Betrag von 6000 DM pro Althaus, . der auf
Antrag hin gewährt wird, für ausreichend, um in den vielen Fällen der Althaussanierung ausreichende Ergebnisse zu erzielen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun, die öffentliche Hand kann lediglich einen bestimmten Beitrag leisten. Außerdem ist bei diesen Modernisierungsmaßnahmen zu berücksichtigen, daß sie auch Wertverbesserungen sind, vor allem bei preisrechtlich gebundenen Mieten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß insbesondere in Bayern und da wieder im Bayrischen Wald der Bedarf an Mitteln für die Althaussanierung besonders hoch ist, sich ergebend aus schlechten Wohnungsverhältnissen? Wären Sie bereit, dem Land Bayern eine gewisse Vorzugsstellung in der Hingabe von entsprechenden Mitteln einzuräumen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Trotz meiner Sympathie für Bayern bin ich leider nicht in der Lage, Sonderzuteilungen deshalb nach Bayern zu geben. Aber ich bin in Verhandlungen mit den Ländern bemüht, daß auch die Länder ihrerseits verstärkt diese Aktion fördern.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Bundesminister, darf ich in diesem Zusammenhang fragen, wann die Bundesregierung beabsichtigt, 'das schon längst angekündigte und immer wieder zurückgezogene Städtesanierungsgesetz dem Bundestag zuzuleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich hoffe, daß das in wenigen Wochen der Fall sein kann.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind in ,dem Entwurf des Städtesanierungsgesetzes auch Vorschriften enthalten, die einen erleichterten Ankauf von Grundstücken, woran ja zur Zeit Sanierungen im wesentlichen scheitern, ermöglichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage kann ich in der Fragestunde nicht beantworten. Bei der komplexen Materie möchte ich Ihnen die Frage schriftlich beantworten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7737
Wir kommen zur Frage XII/2 — des Abgeordneten Riedel —:
Sieht die Bundesregierung in der Ausweitung des Althaussanierungsprogramms eine echte Hilfe für die Beschaffung modernen Wohnungsbestandes zum marktgerechten Ausgleich des Wohnungsfehlbedarfs?
Herr Bundesminister, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet: ja. Die starke Inanspruchnahme der Zuschüsse des Bundes für die Instandsetzung und Modernisierung des Wohnungsbestandes hat den Haushaltsausschuß des Bundestages bei den Verhandlungen über den Bundeshaushalt 1965 bereits veranlaßt, die Bindungsermächtigungen von 10 auf 15 Millionen DM — erste Jahresrate — zu erhöhen. Damit werden 1965 rund 500 Millionen DM Kapitalmarktdarlehen für ,die Instandsetzung und Modernisierung gegen-
über rund 330 Millionen im Jahre 1964 verfügbar gemacht werden können.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe nunmehr den zweiten Punkt der Tagesordnung, die Fortsetzung der Wehrdebatte, auf:
a) Fortsetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. die Lage in der Bundeswehr ,
b) Fortsetzung der Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksachen IV/2305, IV/2795),
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964 hier: Einzelplan 14 — Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — (Drucksachen IV/2940, zu IV/2940, Umdruck 429).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wienand begründete gestern in seinen Ausführungen seine Publikation in einer deutschen Illustrierten unter anderem damit, er glaube, er könne damit die Diskussion in diesem Hohen Hause vorbereiten, auflockern und interessant gestalten. Rückblickend glaube ich sagen zu dürfen, daß der Kollege Wienand mit seiner Prognose recht gehabt hat. Das ist politisch insofern nicht ohne Interesse, weil die gestrige Debatte einmal gewisse Nebelschleier zerrissen und gezeigt hat, daß die Umarmungstaktik nicht die letzte Wahrheit darstellt. Wenn hier so diskutiert wird, wie es gestern geschah, wird dem deutschen Volke wieder einmal klargemacht, wo die eigentlichen Gegensätze sind und daß sie noch vorhanden sind. Ich glaube, daß ist gut und richtig, insbesondere angesichts der vor uns liegenden Zeit.Der Kollege Erler hat, als er hier als Fraktionsvorsitzender der SPD sprach, auf eine Zwischenfrage meines Freundes Rasner, ob er den Trend dieser Veröffentlichung in der Illustrierten billige, in einer Art und Weise geantwortet, die man durchaus als eine Distanzierung ansehen kann. Es wäre fairerweise dem Kollegen Erler auch nicht zuzumuten, daß er diese Distanzierung in einer deutlicheren und krasseren Form vorgetragen hätte. Aber es bleibt natürlich noch die Frage nach dem Verhältnis des Kollegen Wienand zur Wahrheit und zu seinem eigenen Artikel. Das ist eine Frage, die im Interesse des Ansehens dieses Hohen Hauses vom Kollegen Wienand in Übereinstimmung mit seinen Freunden klar und befriedigend noch beantwortet werden muß. Darauf haben wir zu bestehen.
Der Kollege Erler hat sodann aus Gründen, für die ich nach dem Verlauf der gestrigen Debatte volles Verständnis habe, versucht, dieser „Stern"- Stunde ein möglichst 'schnelles Ende zu bereiten und das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. Das war eine durchaus verständliche Taktik und sein gutes Recht. Aber er hat dabei einen Weg gewählt, zu dem einiges zu sagen ist. Er hat den Weg in die Vergangenheit angetreten, und hier begegneten wir gestern abend einem Versuch, der nicht unwidersprochen bleiben darf, nämlich dem nunmehr schon wiederholten Versuch, die Vergangenheit der wehrpolitischen Diskussion in diesem Hohen Hause in einer Art und Weise darzustellen, die auch bei einiger Großzügigkeit und bei bestem Willen nicht mit der historischen Wahrheit in Einklang zu bringen ist. Um hier einer neuen Legendenbildung vorzubeugen, sehe ich mich veranlaßt, dazu noch einige Bemerkungen zu machen.Herr Kollege Erler hat zum Beispiel die These aufgestellt, in den großen Diskussionen der 50er Jahre sei es den Sozialdemokraten nicht um den Verteidigungsbeitrag schlechthin, sondern nur um die Form des Verteidigungsbeitrags gegangen; es habe sich im wesentlichen nur um einen Kampf um die Wehrpflicht gehandelt. Wenn dem so gewesen sein soll, dann möchte ich fragen, was die sozialdemokratischen Abgeordneten des Deutschen Bundestags am 31. Januar 1952 zu dem Antrag beim. Bundesverfassungsgericht veranlaßt hat, gemäß Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes festzustellen, daß „das Bundesrecht, welches die Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht regelt oder Deutsche zu einem Wehrdienst verpflichtet, ohne vorangegangene Ergänzung oder Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist". Hier ist also nicht nur die Rede von der Wehrpflicht, sondern schlicht und einfach und allgemein von der „Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht". Politisch gesehen bedeutete ein derartiger Antrag in Karlsruhe doch, daß man von vornherein klarstellen wollte, daß es 'so etwas nicht geben sollte und nicht geben durfte.
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7738 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Dr. Kliesing
Wie wäre es sonst auch verständlich, daß der damalige stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, unser inzwischen verstorbener Kollege Mellies, im Auftrag seiner Fraktion bei der Beratung des Personalgutachterausschußgesetzes am 15. Juli 1955 folgende Erklärung abgab:Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält nach wie vor die außen- und innenpolitischen Voraussetzungen für den Aufbau von Streitkräften— schlechthin also —in der Bundesrepublik Deutschland für nicht gegeben. Sie lehnt daher alle Gesetze ab, die unter den augenblicklich gegebenen Voraussetzungen Streitkräfte zu schaffen bestimmt sind.Das Protokoll bemerkt an dieser Stelle „Beifall bei der SPD". Das heißt, es handelt sich klar und eindeutig um die Verneinung eines Verteidigungsbeitrages schlechthin, ungeachtet der Frage der Wehrverfassung.Nun sagt uns der Kollege Erler: Ja, damals war die außenpolitische Situation noch anders als nachher, und er fügt hinzu, daß selbtverständlich nach dem Eintritt der Bundesrepublik in die NATO auch für die SPD der Grundsatz Geltung gehabt hätte: pacta sunt servanda. Nun, wie es damit steht, ergibt eine Fülle von Äußerungen von sozialdemokratischen Sprechern, die alle zu zitierten einen ganzen Vormittag in Anspruch nehmen würde. Infolgedessen beschränke ich mich auf einige wenige Äußerungen.Wie es mit dem Verhältnis der SPD zur NATO stand, selbst noch nachdem die furchtbaren Dinge in Ungarn geschehen waren — vor der Bundestagswah 1957 —, ergibt sich beispielsweise aus folgender Äußerung. Die Pariser Tageszeitung „Combat" enthält in ihrer Nummer vom 3. Mai 1957 ein Interview mit dem Herrn Bundestagsvizepräsidenten Professor Carlo Schmid, in welchem dieser wörtlich sagt:Wenn wir nach den Wahlen zur Regierung kommen, werden wir sofort die Initiative ergreifen,d. h. wir werden einfach die NATO verlassen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?
Bitte schön!
Ist Ihnen bekannt, daß damals nach Erscheinen dieses Artikels Professor Schmid ausdrücklich klargestellt hat, daß er diese Äußerung dem „Combat" gegenüber nicht abgegeben hat?
Nein, das ist mir bisher noch nicht bekannt.
Dann bitte ich, das endlich zur Kenntnis 2u nehmen.
Aber, Herr Kollege Erler, ich will Ihnen gleich sagen, daß Sie persönlich noch zu einem späteren Zeitpunkt hier Wert darauf gelegt haben, daß Sie mit der NATO absolut nichts zu tun hätten. Denn Sie selbst haben hier am 26. Juni 1958 ausdrücklich festgestellt:Wir waren weder für den Eintritt in die NATOnoch für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, zu keiner Stunde. Das ist die Wahrheit.
Und Ihr Fraktionsfreund und damaliger Wehrexperte Kollege Hans Merten erklärte auf Ihrem Stuttgarter Parteitag im Mai 1958:Die Bundesrepublik ist Mitglied des Militärbündnisses der NATO. Wir Sozialdemokraten bedauern das. Wir haben mit allen Mitteln versucht, diese Entwicklung zu verhindern.Sie selbst, Herr Kollege Erler, haben auf dem gleichen Parteitag erklärt:Da starrt man immer wieder auf die sowjetischen Divisionen, die angeblich das Herz Europas bedrohen.Das geschah anderthalb Jahre , nach Ungarn und ungefähr lei. Jahr nach dem Sputnik, dem Sie gestern abend in Ihren Ausführungen eine so entscheidende Bedeutung für die Änderung der weltpolitischen Lage und die daraufhin von Ihnen zu ziehenden Konsequenzen beigemessen haben.
Selbst im Jahre 1959, und zwar am 9. Juli, enthielt der Pressedienst Ihrer Partei, Herr Kollege Erler, noch folgende Meldung':In Kürze werden amerikanische Flugzeuggeschwader aus Frankreich nach 'Deutschland verlegt, die mit Atombomben ausgerüstet sind. Es wird sich wohl schwerlich jemand in der Bundesrepublik finden, der ernsthaft behaupten könnte, .daß sich unsere Sicherheit durch diese Maßnahmen erhöht. Durch diese Verlegung wird die Bundesrepublik in verstärktem Maße exponiert, und ihr Charakter einer militärischen Basis im Spannungsfeld der weltpolitischen Gegensätze tritt wieder einmal deutlich zu Tage. Wir fragen nur: Wie lange soll dieses Spiel mit den Waffen eigentlich noch dauern?Wohlgemerkt, im Jahre 1959, zwei Jahre nach dem Erscheinen des Sputnik, war das das einzige, was der sozialdemokratische Pressedienst zur Wehrpolitik und zur deutschen Verteidigungspolitik zu sagen hatte: „Wie lange soll dieses Spiel mit den Waffen eigentlich noch dauern?"Ich will es mir im Hinblick auch auf die Tagesordnung des Hohen Hauses versagen, hier noch im einzelnen auf den Kampf gegen den Atomtod und
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7739
Dr. Kliesing
auf die damalige Debatte im Jahre 1958 in diesem Hause einzugehen. Ich möchte Ihnen nur noch einmal die Lektüre eines Interviews empfehlen, das in der Zeitschrift „Kultur", die damals in 'München erschien, zu lesen war und das der von Ihnen in Aussicht genommene Verteidigungsminister Helmut Schmidt dieser Zeitschrift gegeben hatte.Herr Kollege Erler, es war Ihr gutes Recht, hier gestern abend zu versuchen, taktisch von dieser Stern-Affäre loszukommen. Aber Sie haben dabei leider die Methode „Haltet den Dieb!" angewandt, und das ist nicht zulässig. Es ist vor allen Dingen nicht zulässig, daß Sie versuchen, hier ein Geschichtsbild aufzurichten, das der historischen Wahrheit einfach entgegengesetzt ist.
Ich glaube abschließend dazu bemerken zu dürfen, daß jener Delegierte auf Ihrem Parteitag in Bad Godesberg 1959 ein ehrliches Bekenntnis abgelegt hat, der, konsterniert durch die plötzliche Wendung, die seine Partei dort antrat,
sagte:Die Bejahung der Landesverteidigung bedeutet die Bejahung der Bundeswehr, die wir bis zu ihrem Aufbau konsequent bekämpft haben. Ich meine, wir haben keinen Grund, sie nachträglich gutzuheißen. Das wäre ein billiger Opportunismus.
— Herr Kolleger Wehner, es ist selbstverständlich so: Daß Ihnen diese Dinge nicht gefallen, ist mir klar. Es ist ähnlich wie beim Zahnarzt.
— Moment! Moment! Es ist so wie beim Zahnarzt: der eine zieht, der andere zittert; beides kann für den Patienten schmerzhaft sein.
Diese Äußerung eines sozialdemokratischen Delegierten auf dem Godesberger Parteitag zeigt, wie Ihren Leuten damals ums Herz gewesen ist.
— Herr Präsident, ich möchte doch bitten, mich gegen diese Unterstellung, ich möchte Deutschland kaputt haben, zu schützen. Ich meine, wenn manschon so weit kommt, dann ist wohl jeder sachlichen Erörterung der Boden entzogen.
Immerhin sind wir dem Kollegen Erler verpflichtet, daß er uns gestern abend gezeigt hat, welche Taktik die SPD in dieser Frage im Wahlkampf — und vielleicht überhaupt in der Zukunft — einzuschlagen gedenkt. Es wird für unsere Partei Veranlassung sein, in nächster Zeit eine historisch und wissenschaftlich einwandfreie Dokumentation herzustellen, die in der Lage ist, dem deutschen Volk die geschichtliche Wahrheit unverfälscht zu geben, und jedem Versuch einer Legendenbildung entgegentritt.
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?
Bitte schön!
Darf dann damit gerechnet werden, daß in dieser Dokumentation auch zum Ausdruck kommt, daß nach Ihrem heißinnigen Begehren die Sozialdemokratie lieber der Stimme des einzelnen Delegierten in Godesberg folgen sollte und nicht den dort gefaßten Beschlüssen?
Ich glaube, sowohl der Herr Bundesverteidigungsminister wie der Herr Kollege Strauß haben gestern abend hier dargestellt, daß wir es begrüßen, daß Sie sich von dem Standpunkt eines ewigen Nein — aus welchen Gründen auch immer — inzwischen zu einer anderen Haltung durchgerungen haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eschmann?
Selbstverständlich!
Herr Dr. Kliesing, sind Sie bereit, an die Spitze dieser Dokumentation, von der Sie soeben gesprochen haben, das Zitat von Herrn Dr. Adenauer zu setzen: „Niemals soll wieder ein junger deutscher Mann Soldat werden" ?
Ich glaube, wir werden dann, wenn wir die historische Zitatensammlung erstellen, noch etwas mehr in die Vergangenheit zurückgehen müssen. Dieses von Ihnen erwähnte Zitat ist inzwischen in so vielen Wahlkämpfen so weit verschlissen, daß es eigentlich sein historisches Pendant nur noch in der „verdorrten" Hand Scheidemanns findet.Meine Damen und Herren, ich möchte auf die Rede des Herrn Kollegen Wienand hier nicht wieder eingehen. Aber ich glaube, doch eines feststellen zu dürfen, daß nämlich die gestrige Debatte gezeigt
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7740 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Dr. Kliesing
hat, wie gefährlich der Weg in die Illustrierten sein kann, und daß nicht jeder berufen ist, ,das zu tun. Ich gebe ohne weiteres zu, daß es für den einen oder anderen vielleicht verlockend sein mag, diesen Weg zu größerer Publizität im Rahmen der Gesellschaft von Filmschauspielern usw. anzustreben. Unsere parlamentarische Demokratie mag demgegenüber vielleicht etwas hausbacken, schlicht und einfach erscheinen. Aber ich glaube, der Irrgarten der Illustrierten-Demokratie in aller seiner schillernden Pracht und Herrlichkeit ist doch wohl nicht das angemessene Forum der Diskussion.
Ich meine deshalb, wenn die Erfahrungen der gestrigen Debatte mit dazu beitragen, den einen oder andern darüber nachdenken zu lassen, ob es nicht zweckmäßiger wäre, den Irrweg der Illustrierten-Demokratie zu verlassen und wieder zur schlichten, sachlichen, oft etwas schwerfälligen und — wie gesagt — hausbackenen parlamentarischen Demokratie zurückzukehren, dann hätte die gestrige und heutige Debatte wenigstens auch ein kleines staatsbürgerliches Positivum.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Morgenstern. — Sie waren als Redner gemeldet. — Statt dessen Herr Dr. Schäfer!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fragen der Beschaffungsprogramme der Bundeswehr sind jedes Jahr bei den Haushaltsberatungen Gegenstand der Erörterungen gewesen. Wir Sozialdemokraten haben seit Jahren darauf gedrängt, Maßnahmen zu realisieren, die die Gewähr in sich schließen, daß die Planungen, die angestellt werden müssen, langfristig ausgerichtet werden und sachgerecht durchgeführt werden können.Den ersten großen Anlaß dazu hatten wir bei der Erörterung des Beschaffungsprogramms für den Schützenpanzer Hispano-Suiza. Es genügt, wenn ich das Haus an diese Vorgänge erinnere.Der zweite große Fragenkomplex war die Beschaffung des Starfighters. Ich habe damals in der Sitzung des Bundestages am 6. April 1962 namens der SPD-Fraktion zehn Fragen vorgetragen und habe dazu auch gesagt, daß der Minister diese Fragen wohl nicht alle in der Öffentlichkeit beantworten könne. Es ist daraufhin dem Verteidigungsausschuß und dem Haushaltsausschuß auch eine Information zuteil geworden, eine Information, die aus der Sache heraus zum Teil in vertraulicher Sitzung gegeben werden mußte. Die Sorge, die wir damals vorgetragen haben, ist heute noch die gleiche. Ich darf aus dem zitieren, was ich am 6. April 1962 von diesem Platz aus gesagt habe:Wir befürchten, daß Vorgänge der letzten Jahre auf dem Beschaffungssektor noch nicht dazu geführt haben, daß solche Milliarden-Beschaffungsprogramme mit der entsprechenden Gründlichkeit durchgeführt werden. Herr Minister, wir sind der Meinung, daß jede Mark. — wiees mein Freund Erler heute schon hier gesagt hat —, die hier vergeudet wird, eine Schwächung unserer deutschen Verteidigungskraft bedeutet. Das ist der Grund unserer Sorgen und unserer Fragen, ob hier auch alles richtig gemacht worden ist.Das ist auch der Grund der Sorge, die uns heute nach wie vor beschäftigt.Wir Sozialdemokraten haben es nicht dabei bewenden lassen; unsere Sorge zum Ausdruck zu bringen. Unser Freund Dr. Alex Möller hat am 9. Januar letzten Jahres bei der ersten Lesung des Haushaltsplans sehr konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, wie man die Frage der Wirtschaftlichkeit, der Effiziens der Ausgaben auf dem Rüstungssektor in den Griff bekommen kann. Er hat darauf hingewiesen, daß man in Amerika Methoden entwickelt hat, die eine Gewähr dafür geben, daß man diese Fragen langfristig und volkswirtschaftlich nutzbringendst lösen kann.
Zunächst hat man damals auf die Vorschläge von Herrn Dr. Möller erklärt: Nun ja, davon nehme man Kenntnis, aber das sei ja alles in Ordnung. Später hat man dann auf Antrag der SPD-Vertreter im Verteidigungsausschuß beschlossen, es sei doch nützlich, daß man nach Amerika reise und daß man sich in Amerika diese Dinge ansehe und sich von den zuständigen Referenten im Pentagon unterrichten lasse. Ich darf hier sagen, daß uns — ich war mit auf dieser Reise — der amerikanische Finanzminister Dillon sagte, daß es McNamara mit diesem neuen System gelungen sei, rund 10 % der Verteidigungskosten — das sind 4,5 Milliarden Dollar — bei gleicher Wirksamkeit der Verteidigungsmaßnahmen einzusparen. Nun, meine Damen und Herren, Sie werden mit mir einig sein, daß das für uns Anlaß genug sein sollte, das auch wirklich ernsthaft auf deutsche Verhältnisse zu übertragen.
Die Reise von sieben Mitgliedern dieses Hauses nach Amerika konnte natürlich nicht dazu führen, daß nun selbständig aus diesem Hause heraus diese Vorschläge gemacht werden. Das ist auch gar nicht Sinn dieser Reise gewesen, und es ist auch gar nicht Aufgabe des Parlaments, sondern es ist nun die Aufgabe des Verteidigungsministeriums, hier konkrete Vorschläge zu machen. Wir wollten uns soweit informieren, daß wir diese Vorschläge dann auch in die richtige Richtung lenken können.Der Herr Verteidigungsminister war dann vor einigen Monaten in Amerika. Wir konnten Zeitungsnachrichten entnehmen, daß er mit amerikanischen Stellen vereinbart hat, daß eine größere Zahl von amerikanischen Experten hierher in die Bundesrepublik kommen sollen. Nun, Herr Verteidigungsminister, man wird prüfen müssen, ob das der richtige Weg ist oder ob es nicht vielleicht besser wäre — man wird vielleicht beides tun müssen —, auch die entsprechenden deutschen Sachbearbeiter und Sachverständigen nach Amerika zu schicken, und zwar in ausreichender Anzahl — ich weiß, einer oder zwei sind seit zwei Jahren dort —, um dort Er-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7741
Dr. Schäferfahrungen zu sammeln und. sie sinnvoll auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. Denn man kann nicht kurzerhand das übernehmen, was die Amerikaner tun; man kann nur davon lernen.So darf ich also feststellen, daß die Sorge, die wir Sozialdemokraten um diese Fragen haben, dazu geführt hat, daß wir ganz konkrete Vorschläge gemacht haben und daß wir damit auch die Voraussetzungen mit geschaffen haben, so daß wir nun eigentlich erwarten, daß die Regierung auch hier sehr konkret vorschlägt, wie diese Dinge in Zukunft gemacht werden sollen. Wir meinen, daß die Übertragung wirtschaftlicher Prinzipien, wirtschaftlicher Überlegungen, so wie man es in Amerika gemacht hat, gerade auf dem Gebiete der Verteidigungspolitik am notwendigsten ist, und wir meinen, daß man das in Kürze realisieren muß. Das wird nicht so sehr einfach sein. Man wird sich auch — Herr Minister, ich weiß, daß Sie Personalsorgen haben — im Bundestag zu Ihren Personalsorgen richtig einstellen und Ihnen die richtigen Leute bewilligen müssen; denn die erste Voraussetzung ist selbstverständlich, daß Sie die notwendigen Leute engagieren können. Da es sich um hochintelligente Leute handelt, die an anderer Stelle, in der Wirtschaft, viel mehr verdienen können, muß man vielleicht auch einmal den Weg wählen, außerhalb des allgemeinen Besoldungsrahmens eine Möglichkeit zu schaffen, um wirkliche Sachverständige — vielleicht auch nur auf Zeit — zu bekommen.Wir haben in Amerika gesehen, daß man sehr geschickt die Erfahrungen von Männern ausnützt, die in der Industrie ihre Erfahrungen gesammelt haben, daß man diese Männer einige Jahre in die Ministerien holt und daß sie dann wieder zurücktreten. Wir werden vielleicht Ähnliches machen müssen. Dann müssen wir aber auch andere Wege finden, um uns die Kenntnisse dieser Leute nutzbar zu machen. Daß wir auf diesem Gebiet immer gedrängt haben, Herr Minister und meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, wissen Sie. Sie werden unsere Unterstützung in diesen Punkten haben.Im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß wurde über diese Frage wiederholt gesprochen. Die Punkte, die in dem „Stern"-Artikel erwähnt worden sind, kenne ich großenteils aus den Beratungen im Haushaltsausschuß. Ich hätte es für richtiger gehalten, wenn man diese Punkte ,auf dem parlamentarischen Weg im Haushalts- und Verteidigungsausschuß geklärt und nicht den Weg über die Illustrierte gewählt hätte.
Meine Damen und Herren, wenn ich den Artikel lese, dann stelle ich doch fest — ich mag mich täuschen, glaube das aber nicht —, daß kein Punkt darin enthalten ist, der nicht auch schon im Ausschuß angeschnitten worden wäre.Nun müssen wir uns, meine Damen und Herren — ich nehme an, daß Sie das gleiche Interesse haben wie wir und das Haus also gleicher Auffassung sein müßte —, wenn solche Zweifel entstehen oder möglicherweise Fehler entstanden sind, als das offizielle und oberste Kontrollorgan um diese Dinge kümmern. Dafür ist in erster Linie der Verteidigungsausschuß zuständig; auch der Haushaltsausschuß, aber doch in erster Linie der Verteidigungsausschuß,
der — und das ist (in der Verfassung mit Bedacht so gemacht worden —, wenn sich die Notwendigkeit ergäbe, weitere Untersuchungen anstellen könnte. Darin sind wir, vom Herrn Minister angefangen,
hoffentlich alle der gleichen Meinung, Herr Barzel, daß es nämlich unsere Pflicht ist, diesen Fragenkomplex zu klären.
— Meine Damen und Herren, wir sind uns also, wie ich Ihren Zwischenrufen entnehmen darf, einig, daß man diesen Fragenkomplex klären muß.Ich darf die wesentlichsten Punkte noch einmal aufführen. Wir müssen endgültig die Hispano-Suiza-Angelegenheit klären. Die ist nicht gut. Das liegt aber zur Zeit nicht am Parlament, sondern das liegt etwas am Verteidigungsministerium. Sie wissen, daß die Untersuchungen durch den Rechnungshof geführt werden. Ich hoffe, Herr Minister, daß da — soweit ,es noch nicht geschehen ist — alle Aufklärungshilfen gegeben werden, damit sich der Haushaltsausschuß und ,der Verteidigungsausschuß möglichst bald abschließend damit befassen können.Der zweite Punkt ist der Starfighter. Meine Damen und Herren, es besteht doch kein Zweifel, daß sich die Voraussetzungen, unter denen der Starfighter damals beschafft wurde, mehrfach geändert haben. Ich habe in der Sitzung vom 6. April 1962 — wie ich schon anführte — zehn Punkte vorgetragen. Daraufhin hat man uns informiert; in der Zwischenzeit hat sich aber wiederum vieles geändert. Allein für die Weiterentwicklung mußten 'einige hundert Millionen DM eingesetzt werden, von denen man anfangs gar nichts wußte. Man wird in den Ausschüssen darüber sprechen müssen.
Man wird — das ist der dritte Punkt — darüber sprechen müssen, wie es möglich war, daß die Stahlbeschaffung für den U-Bootbau auf diese Weise vor sich ging. Man wird sich überlegen und prüfen müssen, ob ein Verschulden vorliegt, wenn fünf U-Boote nach dem Stapellauf wieder zurückgezogen werden und wenn andere eine neue Stahlhaut bekommen mußten. Ob es an der Methode der Beschaffung liegt oder ob menschliches Versagen vorliegt, wird man prüfen müssen.
— Genau, es sind 30 Millionen DM Schaden ,entstanden. Aber man wird das prüfen müssen.
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7742 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Dr. Schäfer— Ich gestatte jetzt keine Zwischenfragen; ich möchte das geschlossen darstellen.Man wird prüfen müssen, wie es dazu kam, und bei diesem Prüfen ist es für uns sehr wichtig, daß das Ministerium dort, wo es sich um Aufträge handelt, die man nicht ausschreiben kann, wo also kostendeckende Preise mit entsprechenden Unterlagen die Kalkulationsgrundlage bilden, auch die Nachprüfbarkeit garantiert.In dieser Frage des Prüfungs- und Feststellungsrechts gibt es immerhin einen Vorgang, der erfreulich und bedenklich zugleich ist. Bei einem Beschaffungsprogramm in einer Höhe von etwas über 2 Milliarden DM hat man sich einmal durchgesetzt und das System angewandt, daß dais Verteidigungsministerium selber die Festsetzung durchführen kann und man nicht auf die Länder allein angewiesen ist. Dabei hat man mehr als 10 % — 240 Millionen DM — einsparen können.Wenn dann der Vertreter des Verteidigungsministeriums in der letzten Woche in Berlin dazu gesagt hat, man habe dieses Recht im Kabinett nicht durchsetzen können, so ist es doch Sache des Parlaments, hier nachzuhelfen; denn eine Einsparung um mehr als 10 % ist doch ein enormer Faktor,
dem Sie bestimmt nicht im Wege sein wollen. Also das sollte man im Verteidigungsausschuß sehr ernsthaft prüfen.Ich komme zum nächsten wesentlichen Punkt. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat sich hier gestern positiv zu den Überlegungen eines Organisationsgesetzes geäußert. Wir nehmen gern davon Kenntnis; denn wir haben jedes Jahr von neuem den Zustand moniert und ein solches Gesetz verlangt. Es ist eine wichtige, hochpolitische Sache, wie ein Verteidigungsministerium organisiert ist. Daß wir Sozialdemokraten uns sehr ernste Gedanken darüber machen, Herr Verteidigungsminister, das haben Sie gestern selber vorgetragen. Ihre Randbemerkungen dazu sind Ihre eigene Angelegenheit. Aber Sie werden nicht in Abrede stellen, daß wir uns sehr gewissenhaft überlegt haben, wie das Verteidigungsministerium effektiv gemacht und wie auch die Führung der Truppe sinnvoll gestaltet werden kann.Die von mir soeben angeführten Punkte sollten im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß behandelt werden. Man sollte diese Fragen sehr gründlich prüfen. Regierung und Parlament müssen ein Interesse daran haben, sie zu klären.Wir Sozialdemokraten haben, unabhängig von früheren politischen Entscheidungen, die gefallen sind, immer unsere positive Haltung dahin präzisiert, daß wir uns darum bemühen, daß jede Steuermark sinnvoll angewandt und gleichzeitig — auf das zweite kommt es uns ganz wesentlich an — die Bundeswehr mit einer bestmöglichen Ausstattung versehen wird.
Bei dieser bestmöglichen Ausstattung denken wirinsbesondere daran, daß man innerhalb der NATOauch eine möglichst einheitliche Ausstattung haben muß. Wenn man in dieser Beziehung die Entwicklung verfolgt und an die Beschaffung des Standard-Panzers denkt, muß man zugeben, daß das nun wirklich keine sehr gute Sache gewesen ist. Also auch diese Frage wird man untersuchen müssen.Wenn Sie die Entschließungen studieren — Sie tun es ja offensichtlich; es gehört ja auch zu Ihren Pflichten —, die die SPD auf Ihrem Parteitag in Karlsruhe gefaßt hat — einstimmige Entschließungen des höchsten Parteiorgans —, werden Sie zu der Feststellung kommen, daß die SPD sich positiv und ernsthaft mit den hier aufgeworfenen Fragen befaßt und ihren Beitrag dazu leistet.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Erler am gestrigen Abend veranlaßt mich, hier noch einmal das Wort zu ergreifen, wenngleich zur Beratung unserer Großen Anfrage über die Lage in der Bundeswehr das Wort .zu ergreifen mir ohnehin möglich gewesen wäre. Aber vielleicht ist es möglich, schon mit dieser meiner Wortmeldung auch diesen Punkt abzuschließen.Herr Kollege Erler sagte gestern, daß er meinem Kollegen Kreitmeyer nicht folgen könne in dem Bestreben, aus der Bundeswehr, aus der Organisation der Streitkräfte, wie wir sie augenblicklich haben, ein Berufsheer mit Freiwilligen zu machen. Ich möchte hier ganz eindeutig feststellen, Herr Kollege Erler, daß mein Kollege Kreitmeyer das gestern nicht gesagt hat und daß es auch nie die Absicht gewesen ist, die er mit seinen Vorschlägen, die dann letzten Endes den Fraktionsantrag der FDP ausgemacht haben, verfolgt hat. Wir haben immer unterstrichen, daß wir uns Streitkräfte in unserem Volk nicht ohne eine allgemeine Wehrpflicht vorstellen können. Strittig war seinerzeit in den Anfängen der Wehrgesetzgebung immer nur die Frage, wann dieses Gesetz für die allgemeine Wehrpflicht gemacht werden sollte, wann es verabschiedet werden sollte. Aber das Prinzip als solches ist nicht strittig. Wenn Sie das Parteiprogramm der Freien Demokraten nachlesen, das 1957 verabschiedet wurde und seitdem nicht verändert worden ist, werden Sie gerade diesen Punkt dort sehr deutlich unterstrichen finden.Im Gegenteil, wir gingen sehr viel weiter als andere Parteien in diesem Hause. Wir haben damals schon gesagt, daß die Aufgaben der Verteidigung in unserem Volk in unserer geographischen Lage nur im Rahmen einer allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht gelöst werden können. Ich darf darauf hinweisen, daß gerade in der Debatte über die Novellierung des Wehrpflichtgesetzes, die meiner Erinnerung nach im Jahre 1959 stattgefunden hat, unterstrichen wurde, daß wir mit dieser Novellierung in Richtung auf eine allgemeine Verteidigungs-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7743
Schultzdienstpflicht vorgehen wollten. Das hat dann die verabschiedete Novelle auch etwas angefangen. Damals wurde von den Sprechern nicht nur meiner Fraktion, sondern insbesondere auch der christlich-demokratischen Fraktion auf die Ausführungen hingewiesen, die unser Parteivorsitzender Mende seinerzeit bei der Wehrgesetzgebung gemacht hatte, wo er schon diesen Gedanken entsprechend vertreten hat.Wir müssen wissen, daß eine militärische Verteidigung auch im Rahmen des Bündnisses der NATO nur möglich sein wird, wenn wir sie als Ganzes sehen, sowohl die militärische Seite wie die zivile Seite. Es ist ein unteilbares Ganze und, ich glaube, dann im Prinzip auch etwas Gerechtes; denn zur Verteidigung beitragen sollen wir alle, jeder muß einen kleinen Teil der Last auf seine Schultern nehmen.In diesem Zusammenhang möchte ich besonders die Frage stellen — und das kann man gerade, wenn man über Wehrfragen spricht, tun —: Wie steht es mit der Verabschiedung der Notstandsregelung in diesem Bundestag? Ich möchte dabei an die Sozialdemokratie die Frage richten, wieweit nun bei ihr die Probleme geklärt sind und wann es gelingen wird, in diesem Hause die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen und auch die entsprechenden Änderungen des Grundgesetzes vorzunehmen.Aus dieser Haltung heraus ist auch unser Drängen auf den Ausbau der Territorialverteidigung zu verstehen und zu werten, so wie wir das in unserem Antrag vom April vorigen Jahres, der ja mit den Entschließungen des Verteidigungsausschusses, die nachher angenommen werden sollen, einen Abschluß findet, ausgesprochen haben. Mit unseren Vorschlägen, die wir zur Reform des Wehrsystems und der Verteidigungsstrukturierung bei uns gemacht haben, wollen wir nicht, wie uns unterstellt worden ist, eine Umorganisation in Richtung auf das Schweizer Vorbild. Wir wollen also nicht mit Milizen die Bundesrepublik verteidigen, wir wollen auch nicht die Bundeswehr auflösen, sondern wir wollen das Potential der gedienten Wehrpflichtigen, soweit es nicht für die assignierten Verbände bestimmt ist, für Reservistenverbände nutzbar machen. Das noch einmal hier klar herauszustellen, halte ich mich für verpflichtet, weil sowohl vom Koalitionspartner als auch von der Sozialdemokratie in der Diskussion unserer Vorschläge in der Öffentlichkeit hier falsche Meinungen vertreten und uns falsche Absichten unterstellt worden sind.Wenn insbesondere Herr Senator Schmidt nach dem „Bonner Generalanzeiger" vom 9. Oktober 1964 unsere Vorschläge als kaum besonders originell bezeichnete, dann wird, so meine ich, die Nützlichkeit dieser Vorschläge wohl durch den Ihnen vorliegenden Bericht des Abgeordneten Adorno unterstrichen. Ich stehe nicht an, dem Abgeordneten Adorno meinen Dank für die sehr in die Tiefe gehende Arbeit zu sagen, die er sich mit der Berichterstattung über diesen Problemkreis gemacht hat. Es ist doch immerhin von Bedeutung, wenn in dem Bericht Drucksache IV/2940 gesagt wird, daß deutlich geworden sei, „wie notwendig und fruchtbar eine Diskussion immer wieder ist, die sich aus der ständigen Beschäftigung mit den uns aufgezwungenen verteidigungspolitischen Problemen ergibt und die gleichzeitig die gefundenen Lösungen an Hand der neuesten politischen, militärischen und technischen Erkenntnisse stets überprüft".Es gibt selbstverständlich eine Reihe Menschen, die in Illustrierten schreiben. Wir haben uns in diesem Hause schon manchmal darüber unterhalten. Auf dem verteidigungspolitischen Gebiet waren es vor allem zwei Artikel in Illustrierten, die sich mit verteidigungspolitischen Problemen befaßten. Das eine war der Artikel meines Freundes Kreitmeyer, das andere der Artikel des Kollegen Wienand. Wenn ich diese beiden Artikel gegeneinander abwäge, dann muß ich sagen, ich glaube, daß der Artikel des Kollegen Kreitmeyer zum Nachdenken anregt, daß aber .der Artikel des Kollegen Wienand nur zum Kopfschütteln anregen kann.
Herr Senator Schmidt wirft der FDP indem vorhin von mir zitierten Artikel des „Bonner Generalanzeigers" vor, daß die FDP durch ihre Vorschläge an dem Aufbau der 'Bundeswehr summativ Kritik geübt und doch die Milliarden mittbewilligt habe, die zu diesem Aufbau führten. Er hat damit recht; es ist richtig, wir halben sie mitbewilligt, obwohl wir uns in der Zeit, als der Aufbau im wesentlichen vonstatten ging, in Opposition zu der Regierung befunden haben. Wir haben aber bei jeder Haushaltsdebatte unsere Auffassung dargelegt und unsere Änderungsvorschläge vorgebracht. Wir haben uns also nichts vorzuwerfen. Wir haben diese Änderungsvorschläge nicht erst im Jahre 1965 erfunden.
Wir haben aber auch damals, als wir nicht der Meinung waren, daß alles so verlaufe, wie wir es für richtig gehalten hätten, diesem Haushalt zugestimmt, um den Willen dieses Volkes zur Selbstverteidigung zu unterstreichen, und ich glaube, daß interne parteipolitische Erwägungen in einem Volke dem Gesamtinteresse dieses Volkes untergeordnet werden sollten.
Wir haben nun .als Partner in dieser Regierung versucht, unsere Vorschläge zu verwirklichen, und ich glaube, wir sind in loyaler Zusammenarbeit ein ganzes Stück weitergekommen. Die Sozialdemokratie versucht heute, durch Vorschläge, die den Soldaten — das gestehe ich offen; ich war früher auch ,einmal Soldat, wenn auch einer der Reserve — wie Honigseim eingehen müssen, .die Soldaten zu gewinnen. Das ist das gute politische Recht jeder Partei. Aber mit solchen Artikeln, wie sie im „Stern" erschienen sind, geht einher ein Zerstören ,des Vertrauens der Soldaten in die Führung.
Dadurch wird im Volk der Keim des Mißtrauens bezüglich des Sinns und des Zwecks der Verteidigung gelegt.
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7744 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
SchultzDadurch wird der Keim des Mißtrauens bezüglich des Funktionierens der Demokratie in unserem Volk gelegt,
und dadurch wird der Keim des Mißtrauens bezüglich des Werts dieses Parlaments, dieses Hohen Hauses hier, gelegt.
Auch das muß, glaube ich, einmal festgestellt werden.Ich habe immer gesagt, daß die Gebiete der Außenpolitik und der Verteidigungspolitik einer behutsamen, deswegen aber keineswegs verschleiernden Diskussion bedürfen, und zwar gerade in diesem Parlament und gerade durch die für diese Dinge verantwortlichen gewählten Vertreter dieses Parlaments. Ich habe nichts gegen Kritik. Wir üben sie auch; das haben .Sie ja feststellen können und feststellen müssen. Es ist unsere Aufgabe, Kritik zu üben; denn wozu wären wir als Parlamentarier, als Volksvertreter sonst gewählt? Aber ich meine, daß die Kritik, die geübt wird, dann auch durch Substanz unterstrichen werden muß. Und das ist, meine ich, bei der gestrigen Diskussion von seiten der SPD nicht der Fall gewesen.Ich möchte mich nicht mehr all den Einzelproblemen zuwenden, die schon gestern abgehandelt worden sind. Nur eines glaube ich sagen zu dürfen: Die Diskussion über den Starfighter kann der Vergangenheit angehören. Das einzige, was man sagen kann, ist, daß ein Flugzeug, das für drei Aufgabenstellungen gerüstet sein soll, mehr kostet als das, was wir uns seinerzeit bei der Bewilligung des Beschaffungsprogramms vorgestellt haben. Daß das so ist, ist aber wohl kaum ein Verschulden der für die Auswahl Verantwortlichen. Das liegt vielmehr darin begründet, daß ein solches neues Waffensystem Anforderungen stellt, denen man nicht von vornherein gewachsen sein kann, sondern denen man nur auf Grund 'der Erfahrung für die Zukunft gewachsen sein wird.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch zu einem anderen Problem übergehen, das gestern auch kurz angeschnitten worden ist, nämlich zur Frage der Atomminen. Ich will jetzt hier nicht den militärischen Wert oder Unwert untersuchen, sondern möchte mich nur sozusagen selbst verteidigen gegenüber einigen Meldungen, die ich über das, was ich angeblich dazu gesagt habe, in der Presse gelesen habe. Es wurde so dargestellt, als hätte ich danach gerufen, den Staatsanwalt zu bemühen, um denjenigen, der über diese Dinge berichtet habe, hinter Schloß und Regel zu setzen. Das war nicht meine Absicht. Ich war nur der Meinung, daß es das Recht und auch die Pflicht der Soldaten ist, sich über die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten der Verteidigung Gedanken zu machen — das ist doch wohl nicht zu bestreiten —, daß es dann aber — das habe ich schon bei der Begründung unserer Großen Anfrage ausgeführt — an dem Politiker ist, zu entscheiden, ob die Verwirklichung der Gedanken, die der Soldat sich gemacht hat, politisch möglich oder unmöglich ist.Mit meiner Kritik an der Veröffentlichung der Diskussion aus dem militärischen Komitee beim NATO-Rat wollte ich nur unterstreichen, daß es ein fragwürdiges Unternehmen journalistischer Art ist, Teile von Überlegungen aus der Sitzung eines militärischen Gremiums zu veröffentlichen, ehe die politisch zuständigen Instanzen mit den Dingen befaßt worden sind und sich dazu geäußert haben.
Erst im Falle einer falschen politischen Entscheidung ist die Zeit für die Herren der öffentlichen Meinung, in der Öffentlichkeit Alarm zu schlagen. Ich möchte also unterstreichen, daß ich nicht nach dem Staatsanwalt rufe gegen den Korrespondenten, der dafür verantwortlich zeichnete, sondern daß ich nur an das journalistische Verantwortungsgefühl appellieren wollte.Ein Weiteres möchte ich zu der Diskussion von gestern sagen. Mit dem Artikel des Kollegen Wienand ist auch ein Mann in die Schußlinie geraten, der lange Zeit dem Ministerium angehört hat. Wenn er auch inzwischen ausgeschieden ist, möchte ich doch für meine Fraktion erklären, daß die Verdienste dieses Mannes für den Aufbau der Streitkräfte nicht weggewischt werden können:
Wir sind alle Sünder, wir machen alle Fehler, keiner von uns ist vollkommen, und ich glaube nicht, daß der Betreffende verdient, weil er gerade in diesem inkriminierten Artikel 'apostrophiert worden ist, nun mit der in diesem Artikel enthaltenen Kritik bedacht zu werden.Lassen Sie mich zum Schluß ein Letztes noch bemerken. Es hat einigen Staub aufgewirbelt, als der neugewählte Wehrbeauftragte sein erstes Interview gab. Wir alle wissen, daß Interviews immer eine gefährliche Angelegenheit sind und daß dabei auch mancher Lapsus linguae unterlaufen kann. Wir sind deshalb sehr befriedigt,- daß der Lapsus linguae inzwischen in einer Aussprache auch mit dem Minister der Verteidigung geklärt worden ist und daß, wenn es zunächst den Anschein haben konnte, daß aus der militärischen Vergangenheit der Deutschen nun aber auch rein gar nichts zu übernehmen und zu lernen sei, mit diesem Mißverständnis aufgeräumt worden ist. Ich bin sehr froh, daß in dem Kommuniqué, das darüber veröffentlicht wurde, steht, daß in der Vergangenheit in der deutschen Armee menschenwürdige und gerechte Behandlung der Soldaten zu den vornehmsten Aufgaben des Vorgesetzten gehört hat. Ich könnte das an Hand mancher militärischer Vorschriften und wohl auch an Hand meines eigenen Erlebens noch unterstreichen. Ich glaube, es ist nicht notwendig, sondern es genügt, wenn ich feststelle, daß der Kernsatz dieses Kommuniqués richtig ist und daß er, was insbesondere meine Fraktion angeht, von uns voll unterstrichen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rommerskirchen.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Infolge der notwendigen Auseinandersetzungen mit den unverantwortlichen Behauptungen des Herrn Kollegen Wienand in der Illustrierten ist die Aussprache über die Berichte des bisherigen Wehrbeauftragten bislang leider etwas zu kurz gekommen, obwohl sie der Ausgangspunkt der Aussprache über die Lage in der Bundeswehr waren. Um den Ring noch einmal zu schließen, und damit auch nicht der Eindruck entstehen kann, die Probleme der Inneren Führung interessierten das Parlament im Grunde nicht oder zumindest zuwenig, scheint es mir angebracht zu sein, noch einmal darauf zurückzukommen.„In Sorge um die Bundeswehr", unter dieses Motto wird so gern die Kritik an ihr gestellt. Wer jedoch wirklich um die Bundeswehr positiv besorgt ist, ihre Existenz also innerlich bejaht, der sollte sich mit dafür einsetzen, daß sie endlich einmal von argwöhnischer Durchleuchtung verschont bleibt; der sollte auf jeden Fall, so meine ich, aber verlangen, daß sie mit angemessenem, d. h. sach- und situationsgerechtem Maßstab kritisiert 'wird.Es ist sicher — und manche Zustimmung in Illustrierten-Erklärungen ließ das ganz deutlich erkennen —: Nicht alle in unserem Lande, die so tun, als meinten sie es mit ihrer Sorge um die Bundeswehr gut, wollen ihr wirklich helfen. Oft ist die Kritik bewußt darauf angelegt, die Verteidigungsbereitschaft und die Verteidigungskraft zu zersetzen. Ich pflichte meinem Kollegen Dr. Seffrin, dem Herrn Berichterstatter, bei, der in der Dezember-Beratung vor übertriebenen Erwartungen und. Anforderungen gegenüber der Bundeswehr warnte. Wer immer übertreibt, so meine ich, sei es mit perfektionistischen Zielsetzungen oder mit überdosierter Kritik, der 'stört und hemmt eine positive Entwicklung.Die Bundeswehr und ihre Führung wurden in letzter Zeit mit einer ,derartigen Fülle von Anregungen, Wünschen, Umstellungsbegehren usw. überhäuft, daß es meines Erachten richtig ist, zu sagen: das beste ist, sie endlich einmal in Ruhe zu lassen. Wer dauernd neue Vorschläge unterbreitet und nicht abwarten kann, bis vorher gemachte zunächst einmal verwirklicht werden konnten, mit anderen Worten: wer das Gras bei der Bundeswehr wachsen sehen will und zugleich dauernd an den jungen Pflänzchen zieht und zerrt, um das Wachstum zu beschleunigen, der schadet ihr viel mehr, als er ihr nutzt.Nach unzähligen Gesprächen mit Soldaten aller Dienstgrade, die redlich 'bemüht sind, zielstrebig bemüht sind, die ihnen gestellten unsagbar schweren Aufgaben gewissenhaft und verantwortungsbewußt zu erfüllen, kann ich nur feststellen: lassen wir doch endlich einmal ,das argwöhnische Fragen; stärken wir vielmehr die notwendige Selbstsicherheit durch achtungsvolles Vertrauen und durch vertrauendes Arbeitenlassen!Das war doch zweifellos das Tragische an dem Schritt des zurückgetretenen Wehrbeauftragten, daß nach Verkündung der Phase der Konsolidierung durch den Bundesverteidigungsminister ausgerechnet er durch seine spektakulären Illustrierten-Erklärungen die allergrößte, störende Unruhe in der Truppe auslöste. Es wird gar nicht bestritten: es gibt heilsame Schocks. Aber es ist wohl auch richtig, wenn ich sage: es gibt auch lebensgefährliche Schocks. Wenn sie nicht richtig dosiert sind, werden sie immer mehr schaden als nutzen. Die Erklärungen des von mir sehr geschätzten Herrn Admirals a. D. Heye, der nach seinen eigenen Erläuterungen übertreiben wollte, um Wirkung zu erzielen, gingen nach meiner Auffassung weit über die Grenze des Zumutbaren hinaus. Deshalb kann ich, so leid es mir tut, dem Mitberichterstatter, Herrn Kollegen Paul, nicht zustimmen, der damals im Dezember meinte, man müsse auf jeden Fall dem früheren Wehrbeauftragten für seine Anstöße dankbar sein. Ich kann das, Herr Kollege, nur für seine gerechtfertigte Kritik, vornehmlich in dem offiziellen Bericht, anerkennen.Aus dem vorzüglichen Bericht des Kollegen Dr. Seffrin, dem ich im übrigen die gleiche Verbreitung wie dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten wünschen möchte — und ich schließe auch den Bericht des Mitberichterstatters ein —, geht klar hervor, daß zwischen dem offiziellen Bericht an den Deutschen Bundestag — das sollte noch einmal festgestellt werden — und dem Illustrierten-Alarmschlag nicht nur, wie gesagt worden ist, ein formaler, sondern ein essentieller Unterschied bestand. Es ist doch etwas wesentlich anderes, ob ich feststelle, daß hier und da manches nicht in Ordnung ist, oder ob ich feststelle, daß vieles oder alles nicht in Ordnung ist. Leider meinte der Herr Wehrbeauftragte in der Illustrierten, es sei alles nicht in Ordnung. Daß manches nicht in Ordnung ist, wurde und wird von niemand Einsichtigem inner- und außerhalb der Bundeswehr bestritten. Wie sollte es anders sein? Es wurde schon oft gesagt — ich wiederhole es, um es zu unterstreichen —: in welchem Bereich, in dem Menschen wirken, ist denn alles in Ordnung?Mir scheint es entscheidend zu sein, noch einmal festzustellen, daß es der erklärte Wille der Volksvertretung, dieses Hauses war und ist, daß die Bundeswehr ganz fugenlos ein Stück des Staats- und Gesellschaftsganzen ist. Wenn sie demgemäß die Stärken und Schwächen, die positiven und negativen Erscheinungen der Gesamtöffentlichkeit widerspiegelt, sollte man das viel gelassener, mit größerem Verständnis entgegennehmen und feststellen. Auf keinen Fall darf ein prinzipiell anderer Maßstab an sie angelegt werden als an vergleichbare Vorgänge und Leistungen innerhalb der übrigen Gesellschaft.In unmittelbarem Zusammenhang damit möchte ich bemerken, daß mir die große Aufregung des damaligen Wehrbeauftragten und manches durch ihn angeregten Verwunderns darüber, daß es in der Bundeswehr noch Anhänger überholter Erziehungs- und Führungsmethoden gebe, schlechthin nicht verständlich ist. Es gehört doch zum Wesen unserer Freiheit, sogar über Normen und Postulate, um so mehr über Bildungsinhalte, -formen und -methoden verschiedener Auffassung sein zu können. Dieser möglichen Pluralität der Anschauungen und Meinungen begegnen wir im Bereich der schulischen
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Rommerskirchenund außerschulischen Bemühungen, der Erwachsenen- und allgemeinen Volksbildung, im ganzen Berufsleben allenthalben. Wenn wir im Bereich der offenen Gesellschaft diese Pluralität tolerieren — und ich bekenne mich ausdrücklich zu dieser Toleranz —, dürfen wir es konsequenterweise einem Teilstück nicht versagen oder gar verargen. Das kann doch nur bedeuten, daß die ständige Diskussion über die Grundsätze der Inneren Führung geradezu begrüßenswert ist Um so klarer schält sich das wirklich Fruchtbare heraus. Wenn diese oder jene prinzipielle oder methodische Regelung oder Akzentuierung jemand nicht paßt, sollte er es frei sagen können und deshalb nicht gescholten werden. Was im Bereich von Erziehung und Bildung, Führung und Ausbildung, Betreuung und Fürsorge für jedermann verbindlich ist und nicht in Frage steht, steht klipp und klar in Gesetzen und Verordnungen, in Erlassen und Dienstvorschriften. Ich meine, wir sollten auch der Öffentlichkeit sagen, daß der Prozeß in Nagold die rechtliche Verankerung der verfassungskonformen Grundsätze der Menschenbehandlung und -führung überzeugend ausgewiesen hat. Wer gegen die rechtlich gesicherte Ordnung innerhalb der Bundeswehr verstößt, zieht die entsprechenden Konsequenzen auf sich. Aber ich verhehle auch nicht zu sagen: Derjenige, der die ganze Richtung glaubt ablehnen zu müssen, sollte selber — und das würde ich für ehrenhaft halten — die Folgerung durch Ausscheiden aus unserer Bundeswehr ziehen.Es wird meines Erachtens viel, ja zuviel von der Auseinandersetzung zwischen Reformern und Traditionalisten gesprochen. Ich sage offen, nicht jede fortschrittliche Vorstellung ist richtig und nützlich, und nicht jeder Rückgriff auf Erprobtes und Bewährtes ist falsch.Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorher Gesagten, möchte ich meinen, daß es gar nicht ausbleiben konnte, daß auch tatsächlich retardierende Elemente in der Bundeswehr anzutreffen sind. Aber sie gibt es ebenso z. B. auch im Bereich der schulischen Erziehung und Bildung. Es ist Sache aller Verantwortlichen, dafür zu sorgen, daß sie nicht tonangebend werden. Und das ist eben der erklärte Wille dieses Hohen Hauses wie der Bundeswehrführung, dem zu mißtrauen keine Veranlassung besteht.Die zumeist positiven Kräfte in der Bundeswehr — und das sind auch die meisten von denen, deren Bemühungen mit Holpern und Stolpern verbunden ist — sollten wir fortan zielbewußter stärken und fördern. Das tun wir aber nur, wenn wir nicht versäumen, immer wieder die imponierenden Leistungen, die in der Bundeswehr alltäglich vollbracht werden — und die aus ihr zurückkehrenden Wehrpflichtigen sind der beste Beweis dafür —, zu würdigen und öfter, aber nicht nur deklamatorisch, zu belobigen. Alle miteinander sollten den Eindruck vermeiden, als handle es sich bei den Grundsätzen der Inneren Führung um eine Art Ideologie. Damit ist der Sache am wenigsten gedient, weil es zu Recht Widerspruch herausfordert. Wir wollen keine Ideologie. Es handelt sich nicht um einen abgegrenzten und abgrenzbaren geschlossenen Komplex mit Eigengesetzlichkeit und Eigenwert, sondern um Erziehungs-, Führungs- und Gestaltungsprinzipien bei allem, wo es um den Menschen geht.Wenn Innere Führung den Menschen in seiner personalen Würde in Freiheit und Verantwortung, in allen Bereichen des Umgangs mit ihm und zwischen den Menschen zum Gegenstand hat und ihn als ständige Aufgabe ausweist, dann muß jedoch auch hinzugefügt werden, daß wir Freiheit mit Rechten und Pflichten meinen und daß es um Verantwortung nicht nur bei Vorgesetzten, sondern auch um Mitverantwortung beim Untergebenen geht. Die Grundsätze der Inneren Führung können nur aufgehen — das ist wahr —, wenn Freiheit von allen als Möglichkeit der Bewährung innerhalb der Gemeinschaft erkannt und verwirklicht wird und sich Verantwortung als Mitwirkung aller an der Erfüllung der gestellten Gesamtaufgabe vollzieht.Wer meint, das Moderne, das Neue unter dem Stichwort der Inneren Führung müsse darin zum Ausdruck kommen, daß die Bundeswehr aus Debattierklubs bestehe und eine Lehranstalt für Gruppenpädagogik, ein normaler Dienstleistungsbetnieb oder ein Fürsorgeverein sei, ,der liegt schief und verkennt den Auftrag dieser Bundeswehr. Sie soll und muß sein ein präzise ineinandergreifendes Ganzes von vielen geschlossenen Kampfeinheiten, von verläßlichen Einsatzgruppen, eine wirklich überzeugende Verteidigungsgemeinschaft auf der Grundlage von Einsicht und Gehorsam. Das macht ihre besondere Spannung aus; und sie muß ertragen werden.Ich möchte nicht mißverstanden werden. Im Einsatz zur Erhaltung der freiheitlichen 'demokratischen Rechts- und Lebensordnung darf niemand ihre Grundlagen und Prinzipien mißachten. Das war gesagt worden. Aber wir müssen auch das Notwendige tun, um mit Menschen, die vielfach mehr, vielfach leider auch weniger ein- und umsichtig, selbst- und mitverantwortlich, dienst- und opferbereit sind, das erforderliche Maß an Verteidigungsfähigkeit, d. h. an 'geschlossener Kampfkraft, zu erreichen.Innere Führung will und darf die notwendige Selbst- und Gemeinschaftsdisziplin nicht beeinträchtigen. Sie will und muß sie vielmehr in Formen fassen, die unserem Bild vom freien mitverantwortlichen Menschen, aber auch unseren Vorstellungen von möglichen Kampfanforderungen im modernen Krieg mit einer bisher nicht abgeforderten Beanspruchung der Leistungskraft sowohl des einzelnen wie des kleinen und großen Verbandes gerecht werden. Es geht also um das Wohl ,des einzelnen wie um das Wohl der Gemeinschaft.Alle, die sich wirklich verantwortungsbewußt um die Bundeswehr kümmern, sollten ohne Zorn und Eifer und ohne überdimensionale Linsen das Leben und Treiben in der Bundeswehr beobachten, ihr vor allem aber mit Rat und Tat und Hinweisen und praktischen Hilfen beistehen. Wo es nottut, bösen Anfängen zu wehren, sollte das ohne Aufheben und Aufsehen geschehen, damit ,es erst gar nicht zu alarmierenden Epidemien oder für das Ganze gefährlichen Infektionsherden kommt.
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RommerskirchenWir vertrauen in dieser Hinsicht — ich möchte das ausdrücklich und aus Überzeugung sagen — ganz besonders auch auf den neuen Wehrbeauftragten, unseren bisherigen Kollegen Ho o g e n. Im vertrauensvollen Miteinander mit der Bundeswehr selber, mit dem Verteidigungsminister und nicht zuletzt mit 'dem Parlament, ,dessen Hilfsorgan 'er 'ist und bleiben soll, wird er wesentlich — davon sind wir überzeugt — mit bemüht sein, alles Störende in den Streitkräften zu beseitigen, ehe es virulent wird, und alles Aufbauende und Stärkende zu fördern. Ich freue mich, daß er bereits zum Ausdruck gebracht hat, daß er das auch in engster Verbindung mit der Militärseelsorge tun will, die einen gar nicht zu überschätzenden Dienst am Menschen im einzelnen wie an der Bundeswehr insgesamt leistet, so daß wir ihr gar nicht genug danken können.Mir scheint ,es nicht deplaciert zu sein, noch einen weiteren Gedanken ganz kurz anzusprechen. Jeder vermag nur zu geben, was er ist, was er hat und was er kann. Das gilt gleichermaßen für den Vorgesetzten wie für den Untergebenen in der Bundeswehr, für Offizier, Unteroffizier und Mannschaft. Wenn wir aber im Hinblick auf die Grundsätze und Ziele der Inneren Führung fordern, daß sich die Autorität der Vorgesetzten wesentlich auf Persönlichkeit, der Gehorsam der Untergebenen auf Einsicht und Mitverantwortung gründet, daß sich überhaupt alle Dienstleistungen ,aus den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers ableiten, dann wird doch angesichts unserer gesamtgesellschaftlichen Situation jedem Einsichtigen klar, mit welch unerhörten Schwierigkeiten die Bundeswehr Tag für Tag zu kämpfen hat.Aus der Gesellschaft muß der Bundeswehr viel mehr geistige, moralische und politische Kraft zufließen, wenn sie überhaupt in der Lage sein soll, ihren umfassenden Auftrag zu weitestgehender Zufriedenheit zu erfüllen. Insofern ist und bleibt das schon oft zitierte Wort absolut richtig, daß in 18 bis 20 Jahren weitgehend an staatsbürgerlicher Bildung und Befähigung geleistet und erreicht werden muß, was auch bei bestem Willen in 18 Monaten nicht nachzuholen ist. Jedes System ist im ganzen und in seinen Teilen nun einmal letztlich nur so stark wie die Menschen ' und Bürger, die seine lebendige Grundlage sind. Diese Feststellung, diese lapidare Feststellung will zugleich — und deswegen habe ich sie noch einmal ausgesprochen — erneuter Anruf an alle in unserem Volke sein, die in besonderer Verantwortung gegenüber der Jugend unseres Volkes stehen. Ich meine, daß wir sagen sollten: Führt der Bundeswehr möglichst die jungen Staatsbürger zu, damit der Staatsbürger in Zivil draußen nur noch Staatsbürger in Uniform werden muß.Ich sagte bereits, daß nach allgemeiner und übereinstimmender Auffassung die Grundsätze der Inneren Führung insbesondere den unmittelbaren Vorgang der Erziehung, der Bewußtseinsbildung, der Einsatz- und Kampfbefähigung wie besonders auchder sozialen Fürsorge betreffen. Ich glaube befugt zu sein, auch namens meiner Fraktionskollegen mit Freude und Genugtuung festzustellen, daß die Bundesregierung den Boden bereitet und die Saat aus-gestreut hat, um wirklich gute Früchte ernten zu können.Es konnte einfach nicht alles auf einmal geschehen. Die hinterlassene Hypothek, die unbewußten und bewußten, ungewollten und willentlichen Erschwerungen vor und bei der Aufstellung von Streitkräften, die erwartungsvollen außenpolitischen Forderungen und die begrenzten innenpolitischen Möglichkeiten, alles das beeinflußt entscheidend die bisherigen Bemühungen. Als der damalige Herr Wehrbeauftragte in der Sitzung des Verteidigungsausschusses kurz vor seinem Ausscheiden seine Anregungen und Vorschläge für eine Verbesserung der Grundlagen unterbreitete, konnte und mußte jeder Einsichtige objektiv feststellen, daß geradezu ausnahmslos innerhalb des Bundesverteidigungsministeriums, der Bundeswehrführung oder des Ausschusses für Verteidigung gleiche Erwägungen angestellt und die erforderlichen Maßnahmen mindestens eingeleitet worden waren, sich zumeist aber bereits in der Verwirklichung befanden. Die entsprechenden Bemühungen wurden doch auch überzeugend deutlich, als der Herr Verteidigungsminister im Dezember hier in der Debatte die Große Anfrage der Fraktion der FDP namens der Bundesregierung beantwortete.Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt und unterstützt auch weiterhin alles, was der Verbesserung des geistigen Niveaus wie des sozialen Status aller Bundeswehrangehörigen dient. Wir haben zu wiederholten Malen — jüngst erst wieder auf unserem Verteidigungspolitischen Kongreß in Kassel — Kataloge von diesbezüglichen Maßnahmen unterbreitet:Wir wissen, daß unkomfortable, helle und saubere Kasernen mit entsprechenden Lehrsälen, Stuben und Freizeiträumen, mit gut ausgestatteten Sport- und Trainingsansagen und auch mit genügend Parkraum für eigene Kraftfahrzeuge nicht unwesentlich die Gesamtatmosphäre bestimmen. Wir wollen sie im Rahmen des Notwendigen und Möglichen mitgestalten helfen. Wir wissen, daß der Gemeinschaftsgeist oder, wenn ich so sagen darf, Korpsgeist — der sich aber nicht durch Abkapselung auszeichnen sollte, sondern durch den Willen, zur Integration der größeren Gemeinschaft geradezu beispielhaft beizutragen — der Pflegestätten bedarf. Darum sind wir für den verstärkten Ausbau von Soldaten-, Unteroffiziers- und Offiziersheimen, wo immer sie angebracht und vonnöten sind.Wir wissen, daß die Wohnung, das Heim der Familie, für das Wohlbefinden und dementsprechend für das Wohlverhalten von wesentlicher 'Bedeutung ist. Darum wollen wir, daß der Wohnungsbau für die Angehörigen der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung höchst intensiv fortgesetzt, die Wohnungsfürsorge weiter verbessert, die damit zusammenhängende Kinderbetreuung und schulische Erziehung von vornherein mit bedacht und großzügig eingeplant wird.Wir wissen, daß es ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit ist, den Lohn, das Gehalt, die Besoldung möglichst der geforderten Verantwortung und Leistung anzupassen. Wir wollen deshalb die entspre-
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Rommerskirchenchenden Verbesserungen »da, wo sie gerechtfertigt sind, und setzen uns für Zulagen als Ausgleich für längere Arbeitszeit, eine noch weitergehende Gewährung von Aufstiegschancen und die damit wiederum verbundene materielle Besserstellung einschließlich von Prämien für diejenigen, die sich für länger verpflichten, ein.Wir wissen, daß Bildung und Wissen zum Wertvollsten gehören, was man besitzen kann. Darum wollen wir einen ständigen weiteren Ausbau des gesamten Bildungswesens im engsten Zusammenwirken mit Wissenschaft und allgemeiner Volksbildung.Zu all dem haben wir, wie gesagt, ganz konkrete Vorschläge unterbreitet und werden solche auch weiterhin vorlegen. Auch in dieser Hinsicht — das sage ich aus Überzeugung — lassen wir uns seit Bestehen der Bundeswehr von niemandem den Rang ablaufen, allerdings immer verantwortlich bedenkend, was ohne unzulässige Beeinträchtigung des Ganzen realisierbar oder möglich ist. Wir wissen, wie notwendig eine Konsolidierungsphase ist nach dem schnellen Aufbau der Bundeswehr, für den wir nach wie vor — das wurde auch gestern abend, vornehmlich durch Herrn Kollegen Strauß, zum Ausdruck gebracht — voll und ganz die Verantwortung zu tragen bereit sind in dem Bewußtsein und »der Überzeugung, daß dieser schnelle Aufbau und nur er uns das stärkste Beistandsbündnis eingetragen hat, das es je gab.An dieser Stelle darf aber auch ich das Wort von der Verfälschung aussprechen. Wir müssen uns — dafür muß man Verständnis haben — gegen Verfälschungen wenden und wehren. Viele der Schwierigkeiten und Mängel, die uns Sorge und Kummer bereiten, gehen auf die Zeit vor und nach dem Start zurück, auf Diffamierungen des Soldatendienstes, auf unverantwortliche Dreckschleuderei, auf die jederzeit leicht nachweisbare Tatsache, daß viele prachtvolle junge Menschen .durch Verdächtigungen und Hetzerei »davon abgehalten wurden, freiwillig Soldat zu sein. Welchem jungen Mann in unserem Volke konnte man denn Mut machen, wenn es damals z. B. heißen konnte, daß die Ausbildung zum Unteroffizier der Ausbildung zum Massenmörder gleichzusetzen »sei?! Ich meine, wir sollten darüber nachdenken, ob das Fehlen an Unteroffizieren nicht auch ganz wesentlich auf diese damaligen Äußerungen, Diffamierungen und Diskriminierungen zurückzuführen ist.Wir begrüßen es, daß die Aufbauphase so konsequent zur Verbesserung und Vervollkommnung des Erreichten genutzt wird, und danken dem Herrn Verteidigungsminister für die diesbezüglichen Befehle und Anordnungen.Lassen Sie mich ganz zum Schluß noch einmal zusammenfassend feststellen: Wenn wir alle miteinander wollen, daß die Bundeswehr kein Eigenleben führt, dann darf die Gesellschaft die Bundeswehr nicht isolieren, auch nicht isoliert betrachten; dann muß alle unsere Sorge um sie zugleich auch Sorge für sie, mit ihr sein. Die Bundeswehr ist Aufgabe des ganzen Volkes, für das sie wiederum geschaffen und da ist. Namens der CDU/CSU-Fraktion danke ich auch heute wieder allen Angehörigen der Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung für ihren großen, das ganze Volk verpflichtenden Einsatz.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß ich, was in diesem Hause sonst gar nicht üblich ist, unmittelbar nach einem Parteifreund sprechen muß. Ich nahm natürlich an, daß von der anderen Seite inzwischen noch Redner hier heraufkommen würden, aber ich habe den Eindruck, nach den ausgezeichneten Reden meiner Freunde von Hassel, Strauß, Dr. Kliesing und Rommerskirchen hat es der Opposition die Sprache verschlagen.
Nun, meine Damen und Herren, Sie können sich schon wieder beruhigen. Ich habe vorerst nicht vor, mich so auseinanderzusetzen, wie das bisher sieben oder acht Stunden hindurch geschehen ist. Ich möchte mich vielmehr zuerst und in der Hauptsache in meinen Ausführungen als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses mit der Kritik befassen, die an diesem Ausschuß merkwürdigerweise sogar von zwei Mitgliedern, einem ehemaligen und einem jetzigen Mitglied, geübt worden ist.Es war der verflossene Wehrbeauftragte — der immerhin acht Jahre Mitglied des Ausschusses war —, der erklärt hat, die maßgebenden Männer des Parlaments hätten nicht Laut gegeben bei den, wie er glaubt, großen Gefahren, die infolge des, wie er glaubt, Ungeistes der Offiziere und Unteroffiziere in der Bundeswehr vorhanden sind. Eine solche Kritik kann sich nur an den Verteidigungsausschuß richten; denn wer sind die maßgebenden Männer des Parlaments in Wehrfragen, wenn nicht die 27 Mitglieder dieses Ausschusses? Auch der zweite Vorsitzende dieses Ausschusses, der gestern ja so oft genannte Herr Kollege, hat mindestens die Mehrheit des Ausschusses in einem Artikel in einer Illustrierten in einer Weise attackiert, die er im Ausschuß noch nie angewendet hat. Glücklicherweise hat nur ein sehr kleiner Teil der deutschen Presse daraufhin Kritik am Ausschuß geübt. Die Mehrheit hat erfreulicherweise sowohl die Bedeutung als auch die Tätigkeit des Ausschusses anerkannt, aber eine Minderheit der Presse hat uns mehr oder minder Untätigkeit, sei es auf dem Gebiete der Rüstung, sei es auf dem Gebiete der Inneren Führung, sei es überhaupt, vorgeworfen.Meine Damen und Herren, es scheint mir angebracht, hier vor der Öffentlichkeit in gebotener Kürze, aber doch mit einigen Beispielen, einmal folgendes zu sagen. Der Bundestagsausschuß für Verteidigung ist von der Arbeit her neben dem Haushaltsausschuß, dem Rechtsausschuß, dem Ausschuß für Inneres und vielleicht noch dem einen oder anderen Ausschuß, der mir im Augenblick nicht
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Dr. Jaegergegenwärtig ist, einer der am meisten mit Arbeit belasteten Ausschüsse und damit zwangsläufig einer der fleißigsten Ausschüsse dieses Hauses. Heute findet die 100. Sitzung statt, und mit der Anzahl unserer Sitzungen halten wir uns im oberen Fünftel der Ausschüsse dieses Hauses.Der Verteidigungsausschuß hat zuerst die Aufgaben, die jeder Ausschuß hat, nämlich das zu erledigen, was ihm das Plenum überweist. Das ist in erster Linie die Gesetzgebung. Jeder in diesem Hause und jeder, der mit der Bundeswehr befaßt ist, weiß, daß auf kaum einem anderen Gebiet in den letzten zehn Jahren eine solche Fülle von Gesetzen zu verabschieden war wie auf dem der Verteidigung. Dazu kommen — wie auch bei anderen Ausschüssen — die Anträge und Anfragen, die überwiesen werden, sowie die Beratung des Haushalts des Verteidigungsministeriums. Allein das ist eine ungeheure Aufgabe. Dazu tritt aber nun als eine Sonderaufgabe, die von allen Ausschüssen des Bundestages allein dem Verteidigungsausschuß obliegt, die Durchführung von Untersuchungsverfahren, eine Angelegenheit, die nicht von der Mehrheit beschlossen werden muß, sondern von einer Minderheit gefordert werden kann, von der Minderheit auf der einen wie auf der anderen Seite. Die Folge ist, daß diese Sonderaufgabe einen ganz großen Teil der Beratungszeit des Ausschusses in Anspruch nimmt. Schließlich haben wir die allgemeine parlamentarische Kontrolle mit Initiativrecht unseres Ausschusses, außerhalb der besonderen Kontrolle der Untersuchungsverfahren.Wenn ich mir nun die Sachgegenstände, über die wir hier zu beraten haben, vor Augen führe, dann scheinen es mir vier Hauptkomplexe zu sein: Erstens die allgemeine Militärpolitik, worunter ich strategische Planung, das Gebilde und die Politik der NATO, die Planungen für die Zukunft — etwa die MLF —, überhaupt den Rahmen unserer nationalen Wehrpolitik, der durch die NATO gesetzt ist, verstehe. Ich bleibe der Auffassung, daß von allen Gebieten, mit denen sich der Ausschuß zu befassen hat, diese allgemeine Militärpolitik, die strategische Planung und die Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten, die wichtigsten sind; denn wenn die strategische Planung versagt oder die NATO nicht mehr funktioniert, dann brauchen wir uns über Einzelheiten von Rüstung oder Innerer Führung nicht mehr zu unterhalten.
Das zweite, was dem Ausschuß als großer Komplex beschäftigt, sind Aufbau und Struktur der Bundeswehr selbst, ihre taktische und ihre logistische Führung, die Infrastruktur, alles, was damit zusammenhängt, um den äußeren Aufbau der Bundeswehr zu vollenden. An dritter Stelle kommt dann die Innere Führung, ein Schlagwort, das heute so allgemein bekannt ist, daß man es kaum zu erläutern braucht, das aber vielleicht mit den Worten einer modernen Menschenführung in der Truppe etwas näher umschrieben werden kann. An vierter Stelle steht schließlich die Rüstung, über die wir uns in dieser Debatte am längsten unterhalten haben.Wenn ich davon ausgehe, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Ausschuß am 1. Dezember 1961 seine erste Sitzung in dieser Wahlperiode hatte, dann bleibt festzustellen, daß wir in dieser Legislaturperiode bisher drei Jahre gearbeitet haben. Ich gehe nicht auf die Einzelheiten der Gesetze ein, weil ich annehme, daß Gesetze, die in diesem Hohen Haus verabschiedet worden sind, allen Mitgliedern des Hohen Hauses bekannt sind. Von dem Umfang der Gesetzgebungsarbeit allein einer einzigen. Novelle wie der Wehrpflicht-Novelle haben sie vielleicht eine gewisse Ahnung.Ich möchte aber bemerken, daß von den 99 Sitzungen, die wir in dieser Wahlperiode hatten, allein zwölf durch Untersuchungsverfahren blockiert waren und damit nicht für andere Arbeit verwende: werden konnten. Wir haben rund ein halbes dutzendmal — meist in ganztägigen Sitzungen, weil die Probleme sehr kompliziert sind — die Fragen der Strategie, der allgemeinen Wehrpolitik, der NATO, Fallex und alles, was damit zusammenhängt, erörtert. Ich möchte hier aus naheliegenden Gründen nicht auf die Einzelheiten eingehen.Was aber die Struktur der Bundeswehr, ihre taktische und logistische Führung, was auch die Infrastruktur anbetrifft, so darf ich Ihnen nur einmal die Haushaltskapitel nennen, über die wir gesprochen haben, um in Erscheinung treten zu lassen, was dort für Probleme bestehen. Ich nenne etwa das Kapitel Rechtspflege oder das Kapitel Sanitätswesen — dies allein ist ein ungeheuerer, tagefüllender Komplex —, das Kapitel Verpflegung, zu dem natürlich viele Abgeordnete auf Grund dessen, was sie von draußen hören, etwas zu sagen haben, die Kapitel Bekleidung, Unterbringung — vielleicht einer der schwierigsten Punkte —, Pionierwesen, Fernmeldewesen, Feldzeugwesen, ABC-Schutz, Quartiermeisterwesen, allgemeines logistisches System, Sozialversicherungsbeiträge und Fürsorgemaßnahmen. Damit wollte ich hier nur einige Haushaltsgebiete erwähnen, die wir während der laufenden Wahlperiode in drei Jahren dreimal durchbehandelt haben und die nun ein viertes Mal behandelt werden.Es gibt auch Fragen allgemeiner Art, etwa die Errichtung eines Instituts für Wehrwissenschaften. Es gibt auch Fragen der einzelnen Teilstreitkräfte; ich brauche nur etwa an die zweimalige Aussprache über den Flugplatz Nörvenich und den Unfall, der damals dort geschah, zu erinnern, an die U-Boot-fahrten, an die Territorialverteidigung, die uns mehrfach beschäftigt hat. Ich erinnere weiter an die Mitbenutzung militärischer Einrichtungen im Ausland und die damit verbundenen Kasten, an die Aufbauplanung der Marine, der Marinearsenale, an den Aufbau der Marine überhaupt, an die Mobilmachungsordnungen und Alarmübungen, an die Aussiedlung und Umsiedlung in den Ortschaften Oberbolheim, Langwinkel und Rehbach, die auf Grund des intensiven Einschaltens der von dort stammenden Abgeordneten eine sehr erhebliche Zeit in Anspruch genommen hat. Weiter nenne ich die Flugkörperzerstörer, die Erprobung von Panzern, das Unglück in Bergen-Hohne, das gestern hier
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Dr. Jaegerzitiert wurde, die Arbeit des militärischen Abschirmdienstes und die Wiedereinführung der Militärfahrkarte. Ich gebe hier nur eine keineswegs vollständige, aber recht bunte Palette, um Ihnen zu zeigen, was alles 'behandelt worden ist.Meine Damen und Herren, es kommen dann die Probleme der Inneren Führung. Allein in zehn Sitzungen hat sich der Ausschuß mit den Jahresberichten des Wehrbeauftragten, die in dieser Zeit fällig wurden, befaßt. Wir hatten uns mit dem Schicksal eines Soldaten zu beschäftigen, der bei einer Übung an einem Baum gefesselt wurde, mit dem Kapitel Bildungswesen im Haushalt, mit einem Sonderbericht des Wehrbeauftragten über Nagold, mit der Soldatenzeitschrift „Visier", mit der Vorlage über ein deutsches Soldatenbuch, mit dem Kapitel Seelsorge 'im Haushalt, mit einem Zwischenbericht des Wehrbeauftragten — von den Jahresberichten selbst habe ich schon gesprochen —, mit einem Sonderbericht des Wehrbeauftragten im Falle des Oberst Barth, mit den Truppenfahnen, mit der Petition eines Verlages, der eine Zeitschrift — genannt „Garnison" — herausgibt, mit der Reservistenbetreuung, mit der die Innere Führung betreffenden Petitionen von einzelnen Angehörigen der Bundeswehr, sowohl von Offizieren als auch von Unteroffizieren und Mannschaften, mit der Frage einer Ergänzung der Geschäftsordnung betreffend das Rederecht des Wehrbeauftragten, schließlich mit dem Rücktritt des Wehrbeauftragten und mit einem Antrag des Kollegen Paul, der sich auch mit dem Gesetz über den Wehrbeauftragten befaßt.All das ist nur ein Ausschnitt, um Ihnen zu zeigen, zu wieviel Tagesordnungspunkten wir uns in dieser Zeit allein auf dem Gebiet der Inneren Führung befaßt haben.Nun kommt noch das Riesenkapitel der Rüstung, das ich, nachdem wir in diesen Tagen soviel darüber gesprochen haben, Ihnen nun nicht vom Panzer über die Flugzeugbeschaffung bis zu den berühmten amagnetischen Stählen der Bundesmarine hier im einzelnen enthüllen will; denn ich habe den Eindruck, wir haben ausführlich genug über dieses Kapitel gesprochen. Ich kann nur festhalten: es ist nicht möglich, zu sagen — wie es leider gelegentlich geschieht —, der Ausschuß befasse sich zuwenig mit den Problemen der Rüstung, aber mehr mit anderem, um dann später zu sagen, er befasse sich zuviel mit Fachfragen der Rüstung, er sollte sich um den Geist der Truppe, um die Innere Führung kümmern. Der Ausschuß kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn er den vier Problemen, der allgemeinen Militärpolitik, der Struktur der Bundeswehr, der Inneren Führung und der Rüstung, einigermaßen gleichmäßig seine Aufmerksamkeit widmet, natürlich je nachdem, wo gerade die Schwerpunkte der Arbeit liegen.Es scheint mir jedoch notwendig zu sein, für den Ausschuß zu sagen, daß uns die Kontrolle der Rüstung vor ein ganz besonderes Problem stellt. Einmal — und das muß hier zur Verteidigung des Ministeriums gesagt werden — haben sich die zehn Jahre Unterbrechung militärischer Arbeit in der Bundeswehr auf keinem Gebiet so verhängnisvoll ausgewirkt wie auf dem der militärischen Rüstung. Gerade hier — ich brauche nur an das gestern so oft genannte Stichwort „Elektronik" zu erinnern — ist die Entwicklung in den zehn Jahren Pause am meisten vorangekommen, bei unseren Verbündeten wie vermutlich auch bei unserem Gegner. Wir mußten wieder anfangen; wir sind im Rückstand und müssen vieles aufholen. Wir mußten Fachleute sammeln und diese Fachleute, die vorher auf zivilem Gebiet tätig waren, in das Gebiet der militärischen Technik einweisen; wir mußten ihnen die Möglichkeit geben, sich bei unseren Verbündeten 'die Ausbildung zu holen, die 'sie brauchen.Aber der Bundestagsausschuß für Verteidigung steht noch vor einem ganz anderen Problem. Er ist wie jeder Ausschuß Ides Hohen Hauses ein politisches Gremium. Er ist 'kein Gremium der Spezialisten; 'denn das würde ja auf dem Gebiet der Rüstung heißen, daß er sich aus Ingenieuren zusammensetzen müßte. Die Zahl der Ingenieure ist im Bundestag naturgemäß nicht allzu groß. In jeder Fraktion gibt es den einen oder anderen, aber es gibt nicht viele.Wenn wir wirklich vor der Frage stehen, ob ein Stahl magnetisch oder amagnetisch ist oder ob dieses oder jenes Flugzeug am besten geflogen wird — wir kennen schließlich die Marine nur davon, daß wir gelegentlich auf einem Schiff fahren, die Luftfahrt nur daher, daß wir gelegentlich mit der Lufthansa fliegen —, so sind wir doch alle miteinander überfordert. Vielleicht sind sogar diejenigen unter uns überfordert, die im letzten Krieg Offizier der Marine oder Flieger der Luftwaffe waren, weil sich eben auch an diesen Dingen inzwischen sehr viel Neues getan hat. Das wollen wir doch hier einmal in aller Klarheit 'festhalten. Es ist notwendig und gut, daß die Offiziere und die Beamten des Minister'ium's einen Diensteid 'geleistet 'haben, daß sie also verpflichtet sind, das zu sagen, was der Wahrheit und was dem Interesse der 'Bundeswehr entspricht.
Auf diese Aussagen muß 'sich der politische Minister und muß sich erst recht der mit den Fragen befaßte Ausschuß verlassen können. Als Politiker sind und bleiben wir überfragt und überfordert, wenn wir uns zu 'derartigen technischen Detail's äußern oder darüber ein Urteil fällen sollen.In 'der einen oder anderen Zeitung, meist in Illustrierten, kse ich gelegentlich: Diese oder jene Wahl eines Waffensystems, in der Luft, auf dem Wasser oder auf der Erde, sei falsch; dies oder jenes sei doch bestimmt billiger. Dabei habe ich den Eindruck, daß bei den 'betreffenden Zeitungen —ich stelle es jetzt 'gar nicht auf den Artikel ab, über den wir gestern hier gesprochen haben, sondern möchte es noch etwas erweitern — nicht immer gerade besondere Fachleute sitzen. Vielmehr habe ich die Sorge, daß die interessierten Vertreter der beteiligten Firmen, die im Parlament und im Ministerium kein Glück hatten, sich irgendwo einer Illustrierten bemächtigen und dann auf diese Weise in der Lage sind, für einen 'sensationellen Stoff zu sorgen. Meine Damen und Herren, für mich sind die
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Dr. JaegerOffiziere und Beamten des Bundesministeriums der Verteidigung wesentlich objektiver und damit urteilsfähiger als die Vertreter irgendeiner Firma, die schließlich legitimerweise in erster Linie Geld verdienen will.
Im übrigen haben Sie, meine Damen und Herren, in der gestrigen technischen Debatte, von der ich weiß, daß sie vielen der Anwesenden zu weit gegangen ist, einfach weil sie der Meinung waren, solche Einzelheiten gehörten nicht unbedingt zur Arbeit des Plenums, einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie bei uns im Bundestagsausschuß für Verteidigung bis in noch viel kleinere Details hinein die Dinge verhandelt werden. Ich halte es auch für gut, daß das dort geschieht; denn .der Verteidigungsausschuß ist verfassungsmäßig — das hat auch Herr Kollege Dr. Schäfer hier mit Recht gesagt —der Schwerpunkt der Kontrolle der Bundeswehr, schon deswegen, weil ein Plenum mit diesen offenen Zuhörerbänken gar nicht der geeignete Ort ist, um in alle Einzelheiten hineinzugehen. Ich hatte gestern auch das Gefühl — und ich weiß, daß viele meiner Kollegen das gleiche Gefühl haben —, daß — unabhängig davon, daß wahrscheinlich sehr viele der Tatsachen, die hier vorgetragen worden sind, schon einmal in der oder jener Militärzeitung gestanden haben oder daß sie, weil es sich um Vorgänge handelt, die schon fast um ein Jahrzehnt zurückliegen, gar nicht mehr im formellen Sinne der Geheimhaltung bedürfen — über diese Dinge hier zuviel geredet worden ist und daß es nicht Aufgabe des Bundestages sein kann, sich über Waffensysteme in so weitgehenden Einzelheiten zu unterhalten.Vielleicht, meine Damen und Herren, sollten wir uns überhaupt in unserem Lande etwas mehr Zurückhaltung in Fragen gerade der Rüstung angewöhnen.
Bei Fragen der Inneren Führung steht ja solche militärische Geheimhaltung kaum in Frage. Aber gerade bei diesen militär-technischen Dingen möchten wir bitten, daß auch die gesamte deutsche Presse, die seriösen und die weniger seriösen Zeitungen, die in den letzten Jahren alle gesündigt haben, sich etwas mehr zurückhält, weil es noch höhere Pflichten gibt als die Unterrichtung der Leser, nämlich die Verteidigung unseres Landes und des Bündnissystems des Westens.
Allerdings sollte dies dann auch im Plenum dieses Hauses weiterhin oder erneut beachtet werden.Ich muß mich nun noch mit dem Vorwurf auseinandersetzen — und ich gebe zu, daß ich in diesem Punkte nicht mehr nur als Vorsitzender des Ausschusses, sondern auch als ein Vertreter der Ausschußmehrheit spreche —, der dahin geht, die Mehrheit des Ausschusses decke immer den Minister und das Ministerium, die Ausschußmehrheit sei keine Kontrollinstanz mehr, sondern Parteigängerin des Ministers oder des Ministeriums geworden. Die Ausschußmehrheit, meine Damen und Herren, ist die Mehrheit nicht etwa der CDU/CSU, sondern derCDU/CSU und der FDP, der Koalition; denn die Unionsparteien allein verfügen in diesem Hause bedauerlicherweise nicht mehr über die absolute Mehrheit.
— Ich hoffe es auch. Aber es ist diese Koalition! Was von einer Mehrheit dm Ausschuß beschlossen worden ist, ist von dieser Koalition beschlossen worden. Was ,einstimmig beschlossen wurde, wurde von allen beschlossen; das wurde aber hier nicht angegriffen.Im übrigen darf ich sagen, daß die weitaus meisten Abstimmungen im Ausschuß einstimmig erfolgen, nicht zuletzt weil auch ich als Vorsitzender versuche und weil auf allen Seiten die Neigung dazu vorhanden ist, strittige Punkte, wenn möglich, auszusparen und zu einer Verständigung zu kommen. Aber, meine Damen und Herren, wie steht es denn nun? Es ist doch keineswegs so, ,daß dieser Ausschuß das, was die Regierung vorlegt, passieren läßt. Es gibt kaum ein Gesetz — ich glaube, man kann solche Gesetze innerhalb der zehn Jahre, die wir jetzt an der Gesetzgebung arbeiten, an den Fingern einer Hand herzählen —, das ohne eine Änderung, und zwar ohne durchgreifende Änderung, den Ausschuß passiert hat. Anregungen, die von rechts und links und von der Mitte kommen, sind berücksichtigt, manche Anregungen sind auch abgelehnt worden. Jedenfalls aber hat der Ausschuß seine Gesetzgebungspflicht ausgesprochen ernst genommen und eine Fülle von Initiativen bei diesen Gesetzen selbst an den Tag gelegt, zum Teil Gesetze durch seine Mitglieder initiativ einbringen lassen oder neue Gedanken in eine 'schon bestehende Vorlage hineingebracht.Allerdings will ich nicht leugnen, daß in der Mehrzahl der Fälle und vor allem in grundlegenden Fragen der Ausschuß jedenfalls in seiner Mehrheit mit der Regierung einig geht. Aber, meine Damen und Herren, woran liegt das denn? Es gibt doch zwei Möglichkeiten: entweder handelt es sich um Grundsatzfragen der Militärpolitik, oder es handelt sich um technische Einzelheiten. Bei den Grundsatzfragen der Militärpolitik sind wir mit dem vergangenen und dem gegenwärtigen Verteidigungsminister nicht deshalb einig, weil wir ihnen treue Gefolgschaft leisteten, sondern deshalb, weil die Herren Minister Strauß und von Hassel die Wehrpolitik der CDU/CSU und der Regierungskoalition durchgeführt haben.
Es war und ist unsere Politik, für die diese Herren einstehen, und deshalb haben sie für diese Politik unsere Zustimmung. Wenn es aber um technische Einzelheiten geht, in denen wir gelegentlich durchaus verschiedener Meinung sind, dann, meine Damen und Herren, decken wir meistens deswegen das Ministerium, weil seine Argumente besser sind als die der Opposition. Das zu erleben hatten Sie gestern fünf Stunden Gelegenheit. Denn in diesen fünf Stunden haben eben die Argumente des Ministeriums und der Koalition ihre Durchschlagskraft
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Dr. Jaegergegenüber den immer schwächer werdenden des genannten Herrn bewiesen.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses sagen: Wir sind Herrn Minister von Hassel zu Dank verpflichtet, weil er, wie er in seiner Begrüßungsrede als Minister im Ausschuß gesagt hat, als ein geborener und überzeugter Parlamentarier für diesen Ausschuß so viel Zeit zur Verfügung gestellt und so viel Informationsbereitschaft bewiesen hat, daß wir uns hier ein Mehr gar nicht mehr wünschen könnten, weil das, was wir uns wünschen, von ihm erfüllt wird.
Ich möchte aber doch noch einige Bemerkungen über das Verhältnis des Ausschusses zum Wehrbeauftragten machen. Meine Damen und Herren, nachdem mein Freund Rommerskirchen die grundlegenden Auffassungen zum Bericht des Wehrbeauftragten, zum Jahresbericht, den wir bejahen, und zum „Quick"-Bericht, den wir verneinen, ganz ausgezeichnet zum Ausdruck gebracht hat, habe ich nicht die Absicht, alles zu wiederholen. Ich möchte jedoch noch auf eines hinweisen: Das Schlimmste an den Veröffentlichungen in der „Quick" ist nicht einmal die unsachliche oder übertriebene Kritik an der Bundeswehr, sondern ist der Mangel an Achtung vor dem Parlament, der dadurch zum Ausdruck gekommen ist, daß man mit anderen Worten, mit anderen Argumenten und in anderer Tonart zur gleichen Zeit in eine Illustrierte geht, in der man diesem Haus einen gemäßigten, ruhigen, objektiven Jahresbericht vorlegt.
In ungezählten Gesprächen mit Offizieren der Bundeswehr vom General bis zum jüngsten Leutnant habe ich immer wieder gefunden, daß gerade auch in der Bundeswehr dieser Punkt als der schwerstwiegende empfunden worden ist. Ich freue mich, daß im Offizierskorps und im Unteroffizierskorps der Bundeswehr das Verfassungssystem unseres demokratischen Staates so lebendig ist, daß man dort weiß, daß der Beauftragte eines Parlaments für das Parlament da ist und nicht zum Vergnügen irgendeiner Illustrierten und zur Erhöhung ihrer Auflagenzahl.
Ich will gar nicht auf die berühmte Sache vom „Staat im Staate" eingehen. Sie ist von dem Herrn Wehrbeauftragten selbst zurückgezogen und von den drei Fraktionsvorsitzenden und noch schärfer von dem Herrn Bundestagspräsidenten und dem Herrn Bundeskanzler zurückgewiesen worden. Nein, meine Damen und Herren, es gibt doch auch sonst Dinge, die eine schwere Belastung unserer Armee dargestellt haben. Formulierungen wie „Es ist 5 vor 12" und „Das Steuer muß herumgerissen werden" bedeuten doch, daß Herr Heye die Meinung verbreitet hat, es sei etwas faul im Staate Dänemark, grundlegend faul in unserer Bundeswehr. Und seine letzte Behauptung in der „Quick", daß durch das rüde Verhalten der Unterführer, also wahrscheinlich meistens der Unteroffiziere, vielleicht auch der jungen Offiziere, manche Selbstmorde veranlaßt worden seien, trifft nicht das Ministerium, trifft nicht den politisch verantwortlichen Minister, sondern trifft eben das Offizier- und vor allem das Unteroffizierkorps der Bundeswehr selbst und stellt einen Angriff gegen dieses Führer- und Unterführerkorps dar.Der Verteidigungsausschuß hat es sich nicht leicht gemacht. Wir haben einen Bericht der Dienststelle des Wehrbeauftragten, wir haben einen Bericht des Ministeriums entgegengenommen und haben festgestellt, daß es unter den Selbstmorden keinen einzigen Fall gibt, der auch nur einen Hinweis darauf böte, daß falsche Menschenbehandlung der Grund gewesen wäre. Interessanter- und merkwürdigerweise sind die Hauptgründe Liebeskummer und familiäre Zerrüttung, liegen also außerhalb der Bundeswehr selbst.Wenn nun aber jener Herr Kollege, der im „Stern" der letzten Woche jenen Brandartikel geschrieben hat, hier im Bundestag erklärt hat: „wir" — und er meinte damit die Sozialdemokraten — „stehen zur Bundeswehr", dann kann man mit meinem Freund Dr. Kliesing antworten: Seit wann? Ich will die Frage nicht erneut stellen. Wir müßten dann, wenn ich Herrn Erler folgen wollte, sagen: Nun gut, seit 1960. Ich will die historische Frage nicht vertiefen. Herr Kliesing hat sie deutlich genug angesprochen. Er hat im wunden Zahn der SPD gebohrt. Es war ihr unangenehm. Ich will das nicht wiederholen.Aber, meine Damen und Herren, ich wäre ja bereit, einen Schlußstrich zu ziehen und zu sagen: „Das w a r einmal bei der SPD so, daß sie gegen die Bundeswehr war; nun ist es anders", wenn es wirklich anders wäre. Wenn aber Herr Wienand hergeht und in „Quick" einen Artikel schreibt: „Ich verteidige Heye" und damit alle diese unqualifizierten Angriffe, die ich hier dargelegt habe, die nicht nur die politische Führung, sondern das Offizierskorps und das Unteroffizierskorps treffen, verteidigt, dann sehe ich eben, daß Herr Wienand immer noch — mindestens für seine Person — in der Front gegen die Bundeswehr steht. Aber er ist ja nicht irgendeine Person, er ist der Obmann seiner Fraktion im Ausschuß, und er ist der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses. — Bitte sehr, Herr Kollege Erlen
Nur eine Zwischenfrage! Darf ich aus Ihrer Erklärung schließen, daß Sie der Meinung sind, der frühere Wehrbeauftragte Heye stehe also in der Front gegen die Bundeswehr?
Ich würde sogar noch etwas weiter gehen und sagen: er hat mit seinen Artikeln in unserem Volk und sogar im Ausland eine ganze, gegen die Bundeswehr gerichtete Welle in die Wege geleitet.
Ich möchte auf ein weiteres Wort zurückkommen und damit meine Ausführungen schließen. Einer der
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Dr. Jaegersozialdemokratischen Redner hat gestern gesagt: „Die Bundeswehr ist die Bundeswehr des ganzen Volkes". Er hat damit etwas gesagt — und die Herren, die damals hier gearbeitet haben, wissen es —, was ich im Jahre 1956 oder 1957 in diesem Bundestag erklärt habe. Ich glaube, es war bei der Beratung des Wehrpflichtgesetzes, als ich gesagt habe: Es handelt sich nicht um eine Armee der Koalition, es handelt sich um eine Armee des ganzen Volkes! Wenn dem so ist, möchte ich aber wünschen, daß die Maßgebenden und die weniger Maßgebenden, die Experten und die Nichtexperten der Sozialdemokratischen Partei sich daran, daß die Bundeswehr die Bundeswehr des ganzen Volkes ist, nicht nur dann erinnern, wenn Wahlen kommen, sondern auch wenn abgestimmt wird und wenn sieKritik in Illustrierten üben.
Das Wort hat
der Herr Bundesverteidigungsminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache über die Lage in der Bundeswehr geht zu Ende. Meines Wissens liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Es ist üblich, daß der Verteidigungsminister dann selber noch einiges zu den Fragen sagt, die sich während der Debatte als besonders wichtig herausgestellt haben. Ich möchte hier etwa vier oder fünf Fragen herausgreifen und vorweg zunächst folgendes sagen:
Der Sprecher der SPD heute morgen, der Abgeordnete Dr. Schäfer, hat gesagt, in dem Artikel, der gestern die Grundlage der Aussprache bildete, also in dem Artikel des Abgeordneten Wienand, sei kein Punkt enthalten, der nicht schon im Ausschuß behandelt worden sei. Ich darf etwas hinzufügen und sagen: In dem Artikel ist kein Punkt genannt worden, der nicht im Ausschuß nicht nur behandelt, sondern im Grunde genommen auch ausgeräumt worden ist. Wenn man nach einer Behandlung im Ausschuß, bei der die übrigen Ausschußmitglieder den Eindruck hatten: „das Thema ist geordnet", noch einen solchen Artikel schreibt, kann man nicht sagen, es sei kein Punkt darin enthalten, der nicht behandelt worden sei.
Der Abgeordnete Schäfer spricht dann erneut über den Starfighter und sagt, man könne nicht bestreiten, daß er um einige hundert Millionen DM teurer geworden sei, und zwar deshalb, weil bei der Auswahl die weiteren Entwicklungen nicht übersehbar gewesen seien. Dazu möchte ich erneut folgendes sagen: Der Starfighter war mit weitem Abstand das bestgeeignete Modell, das vorhanden war. Alle übrigen in der Konkurrenz stehenden Modelle waren nicht weiterentwicklungsfähig. Es war das einzige Modell, das man nach den militärischen Forderungen weiterentwickeln konnte. Gemessen an dem Preis, den wir ursprünglich festgesetzt haken und der in der Endabrechnung erscheinen wird, ist eine Steigerung von insgesamt 10 % zu verzeichnen. Darin aufgefangen sind die auf Grund unserer Forderungen entstandenen weiteren Entwicklungen, und in diesen ,10 % aufgefangen sind auch die Kostensteigerungen, die während dieser vierjährigen Bauperiode durch Lohnerhöhungen und Materialpreiserhöhungen überall, auch beim Starfighter, entstanden sind. Insofern glaube ich also, daß heute am Ende dieser Debatte eigentlich zur Kenntnis genommen werden muß, daß die Sozialdemokraten das Starfighter-System anerkennen und wie wir der Meinung sind, daß es gegenwärtig in der Welt kein besseres System gibt, so daß diese Vorwürfe ausgeräumt sind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön, Herr Dr. Schäfer.
Herr Minister, darf ich fragen: Sind in diesen 10 %, die Sie hier nennen, auch die Entwicklungskosten einbezogen, die ursprünglich in dieser Größenordnung nicht bekannt waren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist darin enthalten, was wir für den Starfighter zu zahlen haben. Damit kein Irrtum entsteht: diese 10 % sind nicht identisch mit jenen 10 %, von denen Herr Wienand als Lizenzgebühr an Lockheed gesprochen hat; diese 10 % sind etwas ganz anderes. Die Angabe von Herrn Wienand von gestern war völlig falsch. Statt der 500 Millionen DM Lizenzgebühr waren es 59 Millionen. Gestern hat Herr Strauß gesagt, Herr Wienand habe sich im Komma geirrt.
Herr Minister, nur zur Präzisierung: Sie sagen, gegenüber dem ersten Vortrag im Verteidigungsausschuß mit dem ersten Kostenanschlag und der Schlußabrechnung, die die Entwicklungskosten einschließen wird, sind nur Verteuerungen pro Flugzeug von 10 % eingetreten, also gegenüber der ersten Zahl, die dem Verteidigungsausschuß genannt wurden? Darf ich das so auffassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wiederhole noch einmal: Zwischen dem ursprünglichen Programm und den Neuentwicklungen im Laufe von vier Jahren eine Kostensteigerung — ich habe mich, glaube ich, klar genug ausgedrückt— von 10 %,
— der Aufwand des Bundes! — von plus 10 % entstanden.
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Bundesminister von Hassel— Ich bin bereit, die einzelnen Zahlen im Ausschuß bekanntzugeben. Ich halte es aus bestimmten Gründen nicht für richtig, daß wir diesen Zahlenkomplex hier in der Öffentlichkeit nennen. Ich bin bereit, Ihnen das im Ausschuß zu sagen.
Das zweite, meine Damen und Herren! Sie monieren die Stahlauswahl bei den U-Booten. Von Ihnen, Herr Dr. Schäfer, ist das noch einmal vorgetragen worden, und es hat sich ein Abgeordneter, Herr van Delden, zu einer Zwischenfrage gemeldet, die Sie nicht zugelassen haben, um Ihre Ausführungen nicht unterbrechen zu lassen. Die Zwischenfrage würde vermutlich gelautet haben: Herr Dr. Schäfer, ist Ihnen bekannt, daß der Bundesminister der Verteidigung dem Ausschuß schriftlich angeboten hat, den Untersuchungsbericht, den er — der Verteidigungsminister — hat anfertigen lassen, dem Ausschuß vortragen zu lassen? Dann wäre wahrscheinlich sehr schnell zur Kenntnis des Hohen Hauses gekommen, daß ich schriftlich dem Ausschuß angeboten habe, diesen Bericht dem Ausschuß bekanntzugeben. Das wollte, glaube ich, der Herr Abgeordnete van Delden fragen. Sie haben die Zwischenfrage nicht zugelassen. Ich möchte das hier noch einmal klarstellen: Schimpfen Sie nicht 'auf den Verteidigungsminister; er hat schriftlich seine Bereitwilligkeit erklärt, das darzulegen.Ein drittes, was dazu gehört: Ich teile völlig Ihre Auffassung, Herr Abgeordneter Schultz, daß Sie ein Wort für den früheren Leiter der Abteilung Wehrtechnik sagen. Der Mann hat ein großes Verdienst um den Aufbau der Wehrtechnik und ,damit auch der Bundeswehr selbst. Aber ich wehre mich dagegen, wenn draußen ,die Legende verbreitet wird, als sei er ausgeschieden, weil er mit den Methoden des Verteidigungsministers oder mit der Organisationsform des Verteidigungsministeriums nicht einverstanden sei. Die Gründe, warum er ausgeschieden ist, habe ich den einzelnen Sprechern der Fraktionen genau gesagt, und es gibt darüber keinerlei Dissens zwischen den Sprechern der Fraktionen und mir.
Das nächste, was ich ansprechen möchte, sind das noch einmal von Herrn Abgeordneten Schäfer dargelegte Beschaffungsprogramm und die Aufforderung an das Ministerium und an die Bundesregierung, endlich zu einer langfristigen und sachgerechten Planung 'überzugehen. Sie sagen, McNamara habe sie eingeführt und dabei viereinhalb Milliarden Dollar im Verteidigungshaushalt der Vereinigten Staaten gespart. Damit auch hierzu keine Legendenbildung ,bleibt, möchte ich sagen, daß dieses langfristige Verfahren einer umfassenden Planung bei mir in meinem eigenen Hause durch meine Entscheidung für Deutschland erfunden worden und in der Durchführung begriffen ist. Sie aber behaupten in jeder einzelnen Debatte zu den Haushalten oder heute zur Verteidigung selber, wir hätten das nicht.Nur der Respekt vor dem Zeitablauf des heutigen Tages mit seiner umfangreichen Tagesordnung veranlaßt mich, diesen komplexen Vorgang einer langfristigen Planung nicht im Detail darzulegen. Ich werde aber, damit .diese Legendenbildung ein für allemal ausgeräumt wird, dem Ausschuß für Verteidigung einen schriftlichen Bericht darüber geben, damit man von vornherein weiß, wie die Tatsachen sind.
— Ich habe die Stellungnahme dem Verteidigungsausschuß mündlich gegeben. Die Herren des Verteidigungsausschusses wissen . ganz genau, wie die Sache gelaufen ist.
— Herr Kollege Erler, nicht so eilig, ich komme noch auf Sie zurück! Warum werden sie jetzt aus Amerika engagiert? Weil es in Deutschland keine gibt. Ich habe über diese Frage bei meinem ersten Zusammentreffen mit McNamara im Mai 1963 eine Vereinbarung getroffen und ihn gebeten, uns eine Hilfestellung zu geben. Auf dieses Gespräch hin ist sein Mr. Hitch — Dr. Alex Möller hat ihn damals als leuchtendes Vorbild hingestellt — ein halbes Jahr vor seiner Rede bei uns gewesen und hat uns zwei Tage zur Verfügung gestanden. Daraufhin sind alle anderen Maßnahmen von mir konzipiert worden. Die verehrten Mitglieder des Haushaltsausschusses — sie sind nicht da, sie tagen, ich muß gleich noch hin — wissen selber, wie schwierig es ist, sich um die Planstellen zu bemühen, um diese Kräfte, die man braucht, zu gewinnen.
— Ja, sicher, sicher, aber nun tun Sie nicht so, als ob Sie das erfunden hätten, wenn Sie mich mit Gedanken unterstützen, die bei mir entwickelt worden sind!
— Sie sprechen von Hochmut. Was wir an Ihnen und der SPD auszusetzen haben, Herr Abgeordneter, ist, daß Sie alles besser wissen wollen und von oben herab — zum Beispiel Ihr Wehrexperte, Herr Wienand — uns Zensuren erteilen; das nennen wir Hochmut.
Der vierte Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die Fragen der Preisprüfung. Meine Herren von der SPD, mit meinem Kollegen Schmücker, dem Bundeswirtschaftsminister, habe ich persönlich ein ausgesprochen gutes Verhältnis; mit Schmücker habe ich manches Mal auch andere Dinge besprochen. Schmücker ist ein Mann, der froh ist über jede Arbeit, die nicht er in seinem Ressort zu tun hat, und der dankbar ist, wenn er eine Arbeit an andere abgeben kann.
Die Frage der Preisprüfung hat aber zwei Aspekte.Der eine ist, daß das leider nicht vom Verteidigungsministerium allein entschieden werden kann,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965 7755
Bundesminister von HasselI sondern daß die Länder — die deutschen Länder — daran mitzuwirken haben. Meine Herren von der SPD, die Hauptschwierigkeit der Übertragung des Preisprüfungsrechts auf uns geht von den Ländern aus. Da ich selber lange Landeschef gewesen bin, fühle ich mich den Ländern sehr verbunden und kenne auch die Verhältnisse. Der Hauptwiderstand gegen die Übertragung des Preisprüfungsrechts geht von den vier Küstenländern aus, von denen drei unter Ihrer Führung stehen. Sorgen Sie dafür, daß die Küstenländer bereit sind, meinem Petitum zu folgen! Dann werden wir das auch in Ordnung bringen!
Ein zweites Wort zur Preisprüfung! Wir haben uns, soweit wir das können, in den Verträgen mit Rüstungsfirmen 'ein Preisprüfungsrecht vorbehalten, und zwar haben wir das bei insgesamt etwa einem Drittel ,aller Verträge bereits zustande gebracht.Die fünfte Frage! Sie kritisieren — wenn ich noch einmal zu den Waffen 'selber zurückkommen darf — das Vergabeverfahren. Sie sagen nicht mehr: „Wir kritisieren die F 104 G", sondern: „Wir kritisieren das Vergabeverfahren." Wir 'haben gestern erklärt: die Verträge haben keinen Schutz „streng geheim" oder ähnliches, wir sind bereit — aber ich bin bisher nicht gefragt worden —, die Verträge in den Teilen, die Sie interessieren, im Ausschuß für Verteidigung darzulegen.Wir haben gestern dargelegt, ,daß Ihre Behauptungen hinsichtlich der Provisionen falsch gewesen sind. Ich möchte Ihnen heute aber eines sagen: die deutsche Wirtschaft beklagt sich sehr stark darüber, daß 'die Unterhändler des BWB, des dafür zuständigen Amtes, die Unterhändler der Bundeswehr für Fragen der Rüstungslieferungen, so außerordentlich hart seien — zum Teil sagt man: derart pinselig seien —, und fragt, ob von seiten der Bundeswehr nicht ein bißchen mehr Großzügigkeit an den Tag gelegt werden könne. Das sind die Vorwürfe, die wir bekommen.Weiter kritisieren sie die Methoden. Meine Herren von der SPD, zu ,den Methoden gehört bei'spi'elsweise auch der Lobbyismus. Vielleicht entsinnen Sie sich, daß sich der Verteidigungsausschuß bei der Entscheidung über das Flugzeug Transall vor eine sehr seltsame Situation gestellt sah, daß nämlich die Lobby der Konkurrenzfirma — bildlich gesehen — draußen vor der Tür 'stand, im „Königshof" oder wo gesessen und unablässig Kontakt mit einigen Mitgliedern oder einem 'Mitglied des Ausschusses gehabt hat, als die Entscheidung .des Ausschusses über die Transall fallen sollte,
und daß ich bei der Gelegenheit — was ziemlich einmalig ist — erklärt 'habe, 'diese Kerle kommen mir nicht wieder ins Haus. In der ganzen Welt ist dadurch bekanntgeworden, daß der Verteidigungsminister sich diese Art der Lobby verbiete. Das ist kein Angriff gegen die Firma, sondern nur gegen die paar Männer, die dafür verantwortlich waren.
Eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte!
Sind Sie bereit, Herr Minister, dem Hause den Namen des Kollegen zu nennen, der in 'ständigem Kontakt mit der Firma gestanden und aus dem Ausschuß heraus berichtet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin bereit, im Ausschuß für Verteidigung den Namen zu nennen. Ich bin aber der Meinung, daß Sie mir auch einmal den Namen Ihres Informanten nennen sollten, der die ganzen Dinge über die F 104 G mit Ihnen erörtert hat. Dann möchte ich Ihnen auch zu der Person dieses Informanten, der mir durchaus bekannt ist, einiges sagen, aber nicht in der Öffentlichkeit mit Rücksicht auf beide, sondern im Ausschuß für Verteidigung.
Eine weitere Frage!
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß meine Information über den Starfighter F 104 von dem Inspekteur der Luftwaffe stammt, der in einem Interview hier in Bonn erklärt hat, daß wir uns die Sache mit dem Litton-System selbst eingebrockt hätten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich nicht sagen. Leider hat der Inspekteur der Luftwaffe hier im Hause kein Rederecht. Aber Sie können ihn ja auffordern, in die nächste Sitzung des Verteidigungsausschusses zu kommen und dort, konfrontiert mit Ihnen, zu der Frage 'Stellung zu nehmen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Die Bemerkung, Herr Minister, es handele sich um ein Ausschußmitglied, wurde vorgetragen im Zusammenhang mit Ihrem Angriff auf die Sozialdemokratische Partei. Darf ich dann wenigstens fragen, ob es sich um ein Mitglied meiner Fraktion gehandelt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, das stimmt, das trifft zu. Ich bin bereit, Ihnen persönlich den Namen zu sagen. Es hat damals -ich glaube, Sie wissen es selber — sogar einen Presseniederschlag über die Art dieser Lobby gegeben.Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß kommen und folgendes sagen: Ich habe den Eindruck, daß die gestrige Debatte gezeigt hat, mit welcher Leichtfertigkeit und welcher Verantwortungslosigkeit dieser Zeitungsartikel geschrieben ist. Wir haben gestern dargestellt, daß die Leistungen der
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7756 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965
Bundesminister von HasselMitarbeiter des Ministeriums in Grund und Boden verdammt wurden, daß sie als unfähige Verschwender, als Männer, die von ihrer Arbeit nichts verstehen, hingestellt worden sind. Falsch waren die irreführenden Darstellungen von einer Geheimwaffe in einer .Größenordnung von zwei Milliarden DM. Falsch war, daß die Verträge über die Rüstungsgüter vor dem Verteidigungsausschuß geheimgehalten wurden. Nicht nur falsch, sondern im höchsten Maße verantwortungslos ist die Behauptung, die Starfighter seien bis heute allenfalls bedingt einsatzfähig. Falsch war die Behauptung, daß die Firma Lockheed 10 % Lizenzgebühr gefordert habe. Falsch war die Behauptung, daß die Fiat G 91 nicht herunterfallen könne, weil sie nicht 'starten könne. Unsinnig war die Äußerung, die Transall sei unbrauchbar, weil sie keinen Panzer transportieren könne. Falsch war die Auffassung, daß Rüstungsgüter im Ausland aus politischen Gründen gekauft würden. Geradezu lächerlich ist die Auffassung, daß wir eine Maschinenpistole in Israel aus Wiedergutmachungs- oder ähnlichen Überlegungen kaufen. Falsch ist es, zu fordern, daß komplizierte Waffen, mit denen technisches Neuland betreten wird, erst bis zur letzten Perfektion entwickelt sein müßten, ehe man einen Auftrag erteilt. Die Sicherheit des Staates, scheint mir, meine Damen und Herren, läßt es nicht zu, daß wir sieben oder acht Jahre an einem Gerät basteln und es erst dann in Serie gehen lassen; das Produkt wäre hoffnungslos veraltet.Falsch ist es, sich mit gewisser Freude an, Rückschlägen, die hier und da nicht ausbleiben können, ) zu weiden, statt anzuerkennen, daß tüchtige Mitarbeiter in allen Bereichen versuchen, diese Schwierigkeiten zu beheben, und sie weithin behoben haben. Falsch ist es, von einem Graben zwischen Soldaten und Beamten zu reden. Falsch ist es, meine Mitarbeiter zu verdächtigen, sie schlössen Verträge ohne Sachkenntnis und ohne die Preiskalkulation zu prüfen, ab. Falsch ist die Behauptung, daß man Milliarden hätte einsparen können.Ich wäre dankbar, wenn sich die Opposition entschließen könnte, nicht landauf, landab mit falschen Behauptungen in die Öffentlichkeit zu gehen, sondern im Verteidigungsausschuß .sachgerechte Fragen zu stellen, die dann auch im Verteidigungsausschuß sachgerecht beantwortet werden.
Zu einem Punkt möchte ich dem Abgeordneten Erler aber noch antworten. Es geht um die Frage, ob es richtig sei, daß sich der Verteidigungsminister immer nur vor seine Mitarbeiter stelle und immer nur alles als bestens darlege, indem er über Schwächen und Lücken hinweggehe, anstatt einmal zuzugeben, daß es auch Lücken gebe. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Abgeordneter Erler, daß es nicht meine Art ist, die Augen vor Schwierigkeiten, Lücken, Schwächen und Fehlern zu verschließen. Sie finden mich immer auf der Seite derjenigen, die solche Lücken, Schwächen oder Fehler zugeben.Ich habe gestern dargelegt, man könne einen großen Katalog der Maßnahmen aus den zwei Jahren, die ich im Amt bin, aufstellen. Ich glaube, wenn ich das täte, Herr Abgeordneter Erler, würden Sie sehen, daß diese Maßnahmen gerade ein Beweis dafür sind, daß ich geglaubt habe: Dort ist eine Schwäche oder ein Fehler oder eine Lücke.Ich habe z. B. die Umgliederung des Verteidigungsministeriums angeordnet, weil ich der Meinung bin, daß es so nicht griffig genug ist. Ich habe die Umgliederung der Luftwaffe angeordnet, weil ich glaube: Sie muß in eine bessere Form gebracht werden. Ich habe die Umgliederung der Marine angeordnet, weil ich glaube, daß die bisherige Gliederung nicht richtig gewesen ist. Ich habe die Konsolidierungsphase mit einem um 30 000 geringeren Aufbau angeordnet, weil ich glaube, daß all die Kritik, es sei zu schnell gegangen und es seien Lükken nachgeblieben, zu Recht besteht und man versuchen muß, zu konsolidieren. Ich habe die langfristige Planung eingeführt. Den Bericht, aus dem der ganze Phasenablauf ersichtlich ist, bekommen Sie.Ich bin vom Losverfahren abgegangen, weil ich eingesehen habe, daß das bisherige Verfahren nicht richtig gewesen ist. Ich habe den Schriftverkehr in einem großen Umfang zu vereinfachen versucht, weil ich die Vorwürfe, es gebe zuviel Papierkrieg, durchaus anzuerkennen bereit bin. Ich habe Unteroffiziersschulen eingerichtet, weil ich weiß, daß wir sie haben müssen und daß wir hier etwas nachholen mußten.Wir haben, wie die Herren Berichterstatter und die Sprecher der Koalition dargelegt haben, die Erziehung, die Bildung, die Ausbildung, die Weiterbildung vertieft. Ich habe das Programm all der Lehrgänge, die es in der Bundeswehr gibt und die dazu führen, daß unendlich viele Soldaten aller Dienstgrade zu Lehrgängen abkommandiert werden und die Zahl der eigentlichen Unterführer innerhalb einer Kompanie oder eines Bataillons geschwächt wird, gekürzt.Ich habe die Versetzungshäufigkeit eingeschränkt. Wir haben den Wohnungsbau verstärkt. Wir haben das Tabu beseitigt, daß man keine Offiziersheime, keine Unteroffiziersheime, keine Soldatenheime bauen dürfe. Ich habe den Anlagen, die dem Sport dienen, eine große Priorität gegeben, weil ich der Meinung bin, daß auf diesen Gebieten Lücken und Schwächen waren und sicherlich auch Fehler gemacht wurden.Sie werden gerade mich auf der Seite derer finden, die bereit sind, aus Fehlern zu lernen. Ich wehre mich aber dagegen, daß die Bundeswehr, das Verteidigungsinstrument unseres Staates, in nicht zu verantwortender Weise im Wahljahr in innenpolitische Auseinandersetzungen gezogen wird. Das ist geschehen,
indem man auf der einen Seite als sozialer Heilsbringer auftritt und jedem Dienstgrad alles verspricht und auf der anderen Seite in demagogischer und diffamierender Weise versucht, Führung und Truppe gegeneinander auszuspielen, das Vertrauen der Soldaten in die Waffen -- Ihr gestriger Artikel!
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Bundesminister von Hassel— und in das Gerät zu erschüttern und durch eine pauschale Verteufelung unserer Rüstung die Abschreckung des Gegners aufzuweichen. Durch solche rabulistische Methode hat man — daran darf ich Sie erinnern — schon einmal um der Macht in unserem Staate willen eine deutsche Demokratie zugrunde gerichtet.
— Nein, das tut er gar nicht!
Diese Methode der Verdrehung der Wahrheit —wie ich sie vorgestern im „Stern" gelesen habe —,
ist etwas, worüber Sie nachdenken sollten.
— Fragen Sie Ihren Hintermann, Herrn Dr. Schäfer! Er ist von der Methode dieses Illustriertenartikels hier heute morgen abgerückt. Das hätten Sie alle auch gestern tun sollen.
— Meine Herren von der SPD! Wenn es Ihnen unangenehm wird, versuchen Sie den Redner durch Zwischenrufe aus dem Konzept zu bringen. Das wird Ihnen nicht gelingen.
— Das ist z. B. ein billiger Zwischenruf. Ich sage, daß Sie versuchen, mich durch Zwischenrufe aus dem Konzept zu bringen, und Sie sagen, daß ich erst eines haben müßte. Ich glaube, ich habe bisher bewiesen — im Ausschuß, bei anderen Gelegenheiten, im Parlament und in der Öffentlichkeit —, daß ich sehr genau weiß, was ich und die Führung der Bundeswehr und die Bundesregierung wollen.
Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß zwei Worte mit auf den Weg geben. Das eine ist ein Wort des verstorbenen Präsidenten Kennedy, der im November 1963 in Dallas eine Rede halten wollte; er konnte sie dann nicht mehr halten, weil er wenige Minutenzuvor erschossen wurde. In dieser Rede heißt es:Die Staatsführung muß sich in einer Welt vielschichtiger und anhaltender Probleme, in einer Welt voll der Enttäuschung und des Verdrusses stets von der Vernunft leiten lassen; sonst werden diejenigen, die die schönen Reden mit der Wirklichkeit und das Plausible mit dem Möglichen verwechseln, im Volke mit ihren scheinbar raschen und einfachen Lösungen für alle Probleme das Übergewicht erlangen,Das zweite. Der Sprecher der SPD hat gestern mit Clausewitz begonnen. Ich möchte mit Clausewitz schließen. Ich glaube, das Zitat umfaßt die Auffassung der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union und die Auffassung der Koalition. Danach hat sie gehandelt und danach wird sie handeln. Dieses Wort von Clausewitz heißt nämlich: „Wer über Unmöglichem das Mögliche versäumt, ist ein Tor."
Das Wort hat der Abgeordnete Berkhan.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß der Minister von Hassel hier in diesem Hause seine Rede zweimal gehalten hat.
— Es „rasnert" schon wieder in diesem Hause!
Er hat weite Passagen seiner gestrigen Rede wiederholt. Ich finde, daß er darauf hätte verzichten können. Eindrucksvoll und neu war allerdings für mich die lange Reihe von Maßnahmen, die er hier aufgezählt hat, die unter seiner Führung im Ministerium zur Verbesserung der Bundeswehr durchgeführt wurden. Wie das allerdings mit der These von gestern in Zusammenhang zu bringen ist, daß eigentlich alles in Ordnung war und nichts zu verändern sei, vermag ich nicht ganz zu begreifen.
Ich muß auch ganz offen sagen, daß ich kein Verständnis dafür habe, wenn ein Minister der Bundesrepublik einem Abgeordneten in diesem Hause ein Kompensationsgeschäft anbietet
und sagt, ich werde Ihnen den Namen dann nennen, wenn Sie mir den Namen Ihres Informanten nennen.
— Wenn er es nicht so gesagt hat, dann um so besser, Herr Adorno! Ich habe es leider so verstanden. Nun will ich — —
— Nun warten Sie doch ab, was ich Ihnen zu dem Punkt zu sagen habe. Wenn ich das Grundgesetz richtig im Kopf habe — —
— Ja, wenn! Das unterstelle ich ja. Man kann ja nicht alles im Kopf haben. Einige Leute haben es ja auch woanders.
7758 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 157.. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1965BerkhanWenn ich also das Grundgesetz richtig im Kopf habe, dann gibt es auch eine Treuepflicht des Abgeordneten gegenüber Bürgern, die zu ihm kommen und sich ihm als dem Abgeordneten gegenüber offenbaren. Wo kämen wir wohl hin, wenn jeder Abgeordnete jedes Gespräch seinem „zuständigen Minister", wie ich einmal in Anführungsstrichen sagen darf, berichtete! Dann würde ja kein Mensch mehr den Mut finden, zu einem Abgeordneten zu gehen. Aber wir werden ja sehen, welcher Abgeordnete genannt wird, und wir werden dann auch sehen, wie die Sache ausgeht.Ich möchte hier noch eine Vorbemerkung machen. Ich möchte zu dem Kollegen Herrn Dr. Jaeger sagen: Auch Sie haben dankenswerterweise und sehr sorgfältig die breite Arbeit dargelegt, die der Verteidigungsausschuß im letzten Jahr geleistet hat. Es waren in dieser Legislaturperiode bisher nahezu 100 Sitzungen. Morgen soll die 100. Sitzung sein.
— Heute nachmittag? Ich bitte um Entschuldigung, Herr Dr. Kliesing, ich bin .immer etwas im Verzug. Das liegt daran, daß die Opposition immer etwas später informiert wird als die Regierungsparteien.
Ich habe also heute das große Glück, an der 100. Sitzung teilnehmen zu können.Vielleicht wären wir besser vorangekommen, wenn Sie unserem Vorschlag gefolgt wären, Unterkommissionen zu bilden. Aber das haben Sie ja leider abgelehnt. Wenn diese Unterkommissionen gebildet worden wären und die Ausschußarbeit vorbereitet hätten, dann wäre manches schneller zum Ziel gekommen.
Ich habe noch die Hoffnung, daß wir uns einigen können.Allerdings werden Sie uns, Herr Dr. Jaeger, bei unserer ständigen Arbeit an der Verbesserung der Bundeswehr, in unserem ständigen Bemühen, im Rahmen unserer außerhalb des Parlaments liegenden Tätigkeit, überall zu dokumentieren und unter Beweis zu stellen, daß wir uns nicht nur zu diesem von uns mit geschaffenen Staat und seinem Grundgesetz, sondern auch zu den Institutionen dieses Staates, z. B. zur Bundeswehr, bekennen, nicht stören können,
mögen Sie noch so — jetzt fällt mir kein richtiges Adjektiv ein; helfen Sie mir mal!; ich wollte sagen: hämische — Bemerkungen über uns machen, wie Sie das getan haben. Aber bitte, nehmen Sie das nicht so wörtlich; Sie wissen genau, wie ich das gemeint habe. Reden Sie, wie Sie wollen, Herr Dr. Jaeger! Die Sozialdemokraten werden sich in dieser Arbeit von keinem Menschen stören und — wir werden uns Mühe geben — auch von keinem Menschen so leicht übertreffen lassen.
— Sie können gleich noch reden; die Debatte ist ja wieder eröffnet.Nun darf ich noch ein paar Bemerkungen zu dem Thema G 91 machen, Herr Minister, weil es mich besonders interessiert. Stimmt es denn nicht, daß im Juli des vergangenen Jahres der Inspekteur der Luftwaffe, der schon einmal zitierte General Panitzki, vor Journalisten in Bonn ausgeführt hat, daß beispielsweise die Fiat G 91 leider eben nur bei Schönwetter geflogen werden könne, weil das Navigationssystem mangelhaft sei? Ein weiterer Mangel dieser Flugzeuge liegt nach Panitzki darin, daß sie nur von Betonflächen starten können und nicht von provisorischen Grasnarben; das sei besonders schlecht, weil das nämlich eine der Hauptforderungen gewesen sei, die die Luftwaffe aufgestellt habe. Nach den Angaben des Inspekteurs General Panitzki — ich stütze mich auf Zeitungsmeldungen, denn ich hatte keine andere Möglichkeit, mich zu informieren — war die Maschine technisch so wenig ausgereift, daß die Triebwerke oft in der Luft stehenblieben, weswegen die Fiat G 91 vier- oder fünfmal stillgelegt werden mußte.All diese Berichte haben in vielen Zeitungen gestanden, und ich kann mich nicht erinnern, Herr Minister, daß Sie einmal zu diesen Berichten Stellung genommen und sie dementiert hätten. Wenn das allerdings alles falsch ist, was die Zeitungen berichtet haben, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das in diesem Hause einmal in aller Klarheit sagen würden.Nun darf ich zu dem Bericht des Herrn Kollegen Dr. Seffrin in Drucksache IV/2795 kommen und ein paar Bemerkungen zur Abstimmung machen. Aber ich kann mir nicht verkneifen, auch das vorweg zu bemerken, Herr Dr. Jaeger: es blieb Ihnen vorbehalten, von dem „verflossenen" Wehrbeauftragten zu sprechen. Nun ja, man kann darüber streiten. Ich will Ihnen sagen: Herr Heye ist Mitglied Ihrer Partei; er hat acht Jahre für Ihre Partei in diesem Hause gesessen. Herr Heye ist auf den Vorschlag Ihrer Partei Wehrbeauftragter geworden. Wir haben selbstverständlich zugestimmt; er hatte auch unser Vertrauen. So ist also die Sache gewesen, und ich finde, Herr Heye verdient es nicht, daß man hier von dem „verflossenen" Wehrbeauftragten spricht.
Im Gegenteil, er hat es verdient, daß man ihm nicht nur Dank sagt für seinen Bericht, sondern auch Dank sagt für seine gesamte Arbeit, die er im Rahmen dieses Hauses und in seinem Auftrag als Wehrbeauftragter für die Bundeswehr geleistet hat.
Ich hoffe, daß ein Teil Ihrer Kollegen mit mir einer Meinung ist und daß Sie sich auch bei Herrn Heye für diese Arbeit bedanken.
— Dann darf ich also feststellen, daß dieser Dank ausschließlich von den Sozialdemokraten und viel-
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Berkhanleicht von den Freien Demokraten geteilt wird. — Ich bedanke mich, Herr Schultz; dann sind wir uns ja mal wieder einig. Die CDU hat sich ja durch ihren Sprecher distanziert.
Ich sage das insbesondere deshalb, Herr Dr. Jaeger, weil Herr Heye in diesem Hause nicht mehr reden kann; er kann sich gegen manches, was gegen ihn gesagt wird, nicht mehr wehren.Nun zu der Abstimmung. Die Sozialdemokraten werden für die Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Seite 13 der Drucksache IV/2795 eine getrennte Abstimmung über die einzelnen Abschnitte A, B und C beantragen. Wir werden dem Abschnitt A unsere Zustimmung geben, weil es für uns selbstverständlich ist, daß dem Wehrbeauftragten für seinen Jahresbericht und für seine in dem Jahr geleistete Arbeit gedankt wird.Wir werden auch dem Abschnitt C unsere Zustimmung geben. Dort heißt es, daß auch weiterhin die Grundsätze der Inneren Führung unumstritten gelten. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat der Minister mal gesagt, das sei ja Befehl, und es wäre ja eine schöne Armee, wo Befehle nicht mehr unumstritten gelten und wo man anfinge, an Befehlen herumzudeuteln. Das traue ich der Bundeswehr nicht zu. Für uns ist es ganz selbstverständlich, daß wir überhaupt niemals Einzelheiten verallgemeinern. Daher werden wir dem Abschnitt C, den ich sonst nicht für so bedeutungsvoll halte, unsere Zustimmung geben.Aber in bezug auf Abschnitt B muß ich Ihnen nun sagen, daß wir Sozialdemokraten es für stilwidrig halten, wenn ein Parlament sich in Verbindung mit einem Antrag zu dem amtlichen Bericht des Wehrbeauftragten mit Artikeln einer Illustrierten beschäftigt. Eben weil wir das für stilwidrig halten, werden wir uns nicht an der Abstimmung beteiligen.
Keine weiteren Wortmeldungen! Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, es ist getrennte Abstimmung beantragt. Ich lasse .zunächst abstimmen über den Absatz A des Antrages des Ausschusses auf Drucksache IV/2795 Seite 13. Wer diesem Absatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle leinstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur Abstimmung über Absatz B. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
— Herr Kollege Erler, das ist Enthaltung. Wenn Sie nicht teilnehmen wollen, müssen Sie hinausgehen. Absatz B ist also bei zahlreichen Enthaltungen angenommen
— Sie haben dagegen gestimmt; also ist der Absatz B gegen einige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Absatz C! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist wiederum einstimmig.
Damit, meine Damen und Herren, ist diese Drucksache zu Tagesordnungspunkt 2 b) erledigt. Es folgt die Drucksache IV/2940 zu Tagesordnungspunkt 2 c). Hierzu liegt ein Antrag des Ausschusses für Verteidigung auf Drucksache IV/2940 vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ehe ich in der Tagesordnung fortfahre, gebe ich folgendes bekannt. Über die weitere Behandlung unserer Tagesordnung ist eine interfraktionelle Übereinstimmung erzielt worden. Das Wichtigste dabei ist, daß der Tagesordnungspunkt 11 mit den Buchstaben a), b) und c) — das sind die Gesetzentwürfe über die Förderung 'der Vermögensbildung — nicht heute, sondern morgen vormittag nach der Fragestunde behandelt werden soll. Morgen um 10 Uhr geht es mit der großen Debatte über 'diesen Punkt der Tagesordnung weiter.
Daran schließt sich der wahrscheinlich keine längere Beratung erfordernde Punkt 26 der Tagesordnung — Buchstaben a) und b) — an. Mir ist gesagt worden, daß auch darüber eine interfraktionelle Vereinbarung besteht.
Das wird also morgen im Anschluß an die Debatte über die Vermögensbildung behandelt. Alle anderen Punkte werden wir 'heute noch zu erledigen versuchen.
Ich rufe jetzt Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts 'des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung 'des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964 hier: Einzelplan 04 — Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzlersamtes — (Drucksache IV/2936, Umdruck 419).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Dr. Kliesing, ob er dazu das Wort wünscht.
— Bitte sehr, Herr Dr. Kliesing!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unseren Beratungen liegt der SPD-Entschließungsantrag zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 1964 zugrunde, so-
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Dr. Kliesing
weit dieses den Einzelplan 04 für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes betrifft — Umdruck 419 —, der dem Auswärtigen Ausschuß als federführendem Ausschuß und dem Verteidigungsausschuß zur Mitberatung überwiesen worden ist.In beiden Ausschüssen wurde eine einstimmige Auffassung erzielt, die im übrigen auch in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesregierung 'steht. Diese gemeinsame Meinung hat ihren Niederschlag in dem Ihnen vorliegenden Antrag des Auswärtigen Ausschusses — Drucksache IV/2936 — gefunden.Ich hoffe, daß ich mich in Übereinstimmung mit dem Hohen Hause befinde, wenn ich erkläre, daß es die Bedeutung des Gegenstandes unserer Beratung —nämlich die Frage der Albrüstung und der Rüstungsbeschränkung — rechtfertigt, wenn ich über den Gang der Verhandlungen im Ausschuß und die Begründung des Antrages einige Bemerkungen mache.Der Antrag der SPD-Fraktion sah vor, din Abrüstungsamt im Bundeskanzleramt zu errichten, das die Fragen unserer militärischen Sicherheit, außenpolitische Fragen usw. prüfen sollte. Es sollte der Bundesregierung bei der Prüfung von Vorschlägen anderer Länder und der Erarbeitung eigener deutscher Vorschläge ,auf diesen Gebieten behilflich sein. Es sollte sich bei der Durchführung seiner Aufgaben der Einrichtungen der Bundesregierung und ,der vorhandenen oder zu diesem Zweck unter Umständen auch neu zu schaffenden unabhängigen Forschungseinrichtungen bedienen.Was ist bisher vorhanden? Ein Referat im Auswärtigen Amt, ein Referat im Verteidigungsministerium. Was ist an Forschungseinrichtungen in Deutschland vorhanden? Leider muß ich sagen: nur eine einzige, nämlich die außerordentlich begrüßenswerte Studiengruppe für Rüstungskontrolle, Rüstungsbeschränkung und internationale Sicherheit in der Gesellschaft für auswärtige Politik: Um es vorweg zu sagen: es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung sich der Ergebnisse dieser Arbeit bedienen wird.Der Gedanke, ein eigenes Amt für Abrüstung im Bundeskanzleramt zu begründen, fand keine Zustimmung. Der Auschuß hat sich — übrigens im Einverständnis mit den Antragstellern — diesem Vorschlag nicht anschließen können. Das sagt aber nichts über die wachsende Bedeutung der Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle für die deutsche Politik aus. Mindestens seit dem Moskauer Vertrag über das Atomteststopp-Abkommen sollte es jedem klar geworden sein, in welchem Maße die internationale Diskussion über Rüstungsbeschränkung und -kontrolle geeignet ist, in die Lebensinteressen der deutschen Politik einzugreifen. Die Frage der europäischen Sicherheit wird zweifellos in ganz entscheidendem Maße durch dieses Problem berührt, und die Frage, ob und inwiefern die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch internationale Abmachungen oder beispielsweise durch ein Disengagement in Europa gefährdet oder berührt werden könnte, ist so wichtig, daß die Bundesregierung dem zweifellos eine erhöhte Aufmerksamkeit widmen muß.Das wichtigste Argument, das wir bei der Erörterung des hier zur Debatte stehenden Komplexes vor uns haben, ist aber, daß die Frage der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle unlösbar mit der Frage der deutschen Wiedervereinigung, der deutschen Frage schlechthin, verknüpft ist. Im internationalen Gespräch auf Abrüstungskonferenzen können so plötzlich Situationen entstehen und sich verändern, daß die Bundesregierung, weil es eben so wichtig für unsere Politik ist, schnell eine sorgfältige und gründliche Prüfung vornehmen muß. Dazu bedarf sie aber des notwendigen exekutiven und wissenschaftlichen Instrumentariums. Es ist die allgemeine Auffassung der Bundesregierung und der beteiligten Ausschüsse, daß die derzeitigen Einrichtungen dem nicht genügen.Es soll also etwas geschehen. Die Kernfrage lautet im Zusammenhang mit dem Antrag, ob ein eigenes Abrüstungsamt beim Bundeskanzler ein geeignetes Instrument wäre. Diese Frage ist nach eingehender Prüfung verneint worden, und zwar aus folgenden Gründen:Zunächst einmal macht es stutzig, daß unsere Verbündeten im allgemeinen davon abgesehen haben, ein solches Abrüstungsamt zu schaffen. Sie haben Einrichtungen innerhalb ihrer auswärtigen Ämter und ihrer Verteidigungsministerien. Selbst die Labour-Regierung, die vorher erklärt hatte, sie werde ein derartiges Abrüstungsamt schaffen, hat es, um zu einer größeren Effektivität zu gelangen, für richtiger gehalten, einen Staatsminister für diese Fragen in das Foreign Office einzubauen. In den USA gibt es zwar eine eigene Agency für diese Fragen, die Arms Control and Disarmament Agency, aber auch sie untersteht dem Außenministerium, und es ist interessant, daß das nach den Auffassungen der Beteiligten nicht ausreicht, sondern daß es an der nötigen Koordinierung der Arbeit fehlt.Die Gründe, die uns bewogen haben, von einem. Antrag auf Einrichtung eines Abrüstungsamtes abzusehen, sind folgende:Diesem Amt würden nicht die vielen Erkenntnisquellen unmittelbar zur Verfügung stehen, die das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium besitzen. Es würde schwerfällig arbeiten müssen, da ihm die Möglichkeit einer technisch-operativen Tätigkeit fehlen würde. Es würde isoliert sein, und es würde bald Klage über eine mangelnde Koordinierung geführt werden müssen, insbesondere da dieses Amt ja nicht selbst unmittelbar in die Verhandlungen auf internationaler Ebene eingreifen könnte, die im allgemeinen nur von Diplomaten geführt werden. Vor allem würde es aber, wie schon erwähnt, nicht den notwendigen Zusammenhang mit den übrigen Fragen der auswärtigen Politik, insbesondere der Deutschlandfrage haben. Die Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle müssen daher nach Auffassung der beteiligten Ausschüsse wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit der Deutschlandfrage an ein und derselben Stelle zusammengefaßt sein,
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Dr. Kliesing
Damit stehen wir vor der Tatsache, daß einerseits aus ,der erhöhten, stets wachsenden Bedeutung des Problems der Abrüstung und der Rüstungskontrolle für die deutsche Politik Konsequenzen gezogen werden müssen, daß aber andererseits die Schaffung eines Abrüstungsamtes nicht die hierfür geeignete Organisationsform zu sein scheint. Die Lösung des Problems ist deshalb nach der einmütigen Auffassung beider Ausschüsse darin zu finden, daß diese Fragen in den gleichen Ressorts wie bisher belassen bleiben, daß ihnen aber dort durch eine deutliche personelle Ausgestaltung — Vermehrung des Stellenplans usw. — eine solche Beachtung und Würdigung gewährleistet wird, wie es ihrer Bedeutung zukommt, daß die Bundesregierung also künftig besser als 'bisher in die Lage versetzt wird, diese Fragen auch entsprechend ihrer Bedeutung für unsere Politik bearbeiten zu lassen, und daß dies als Ausdruck unserer. ,grundsätzlich positiven Einstellung gegenüber den Fragen der Abrüstung nach außen hin auch deutlich sichtbar gemacht wird. Das ist die Interpretation der Ziffer 1 unseres Antrags.Zu Ziffer 2 kann ich nur sagen, daß wir es alle seit Jahren 'bedauern, daß es in Deutschland nicht ein derartiges wissenschaftlich unabhängiges Institut gibt wie in allen anderen Nachbarländern des Westens, und daß wir mehr und mehr erkannt haben, daß es ein dringendes Gebot ist, auch in Deutschland, hier in der Bundesrepublik, ein solches Institut einzurichten.Dieses Hohe Haus hat sich wiederholt und einmutig zur Idee der allgemeinen und kontrollierten Abrüstung sowohl der konventionellen wie der nuklearen Waffen bekannt. Wir wissen, die Abrüstung ist die große Sehnsucht der Völker. Hinter dieser Idee verbirgt sich nach den furchtbaren Katastrophen unseres Jahrhunderts die Hoffnung der geängstigten Menschheit auf Frieden und Sicherheit. Die Abrüstung gehört zu den wichtigsten sittlichen Forderungen unseres Zeitalters. Deshalb bejahen wir sie. Zugleich sind wir uns aber auch darüber klar, daß der bisherige Verlauf der internationalen Abrüstungsdiskussion nicht geeignet ist, allzu große Hoffnungen auf die Verwirklichung unseres Zieles in nächster Zukunft zu eröffnen. Im Gegenteil, man wäre eher 'berechtigt, die Entwicklung der Abrüstungsfrage mit einem gewissen Pessimismus zu beurteilen. Dennoch darf uns diese Situation nicht dazu verleiten, den Glauben an den Sieg der Vernunft aufzugeben. Wir bleiben bei dem, was wir als sittlich notwendig und politisch vernünftig erkannt haben. Angesichts der bestehenden Situation und der Wichtigkeit, welche die Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle für die Freiheit und Sicherheit unseres Volkes 'haben, wäre es in jedem Falle falsch und verantwortungslos nach Auffassung der beteiligten Ausschüsse, wenn wir versuchten, in unserem Volke und draußen in der Welt einen unberechtigten Euphorismus zu erwecken. Wir müssen im Gegenteil alle Gedanken und Vorschläge zur Abrüstung, zur Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle, mögen sie von draußen oder aus unseren eigenen Reihen kommen, nüchtern und sachlich prüfen und werten, um zu wissen, ob sie geeignet sind,zur Realisierung unserer Ideen und Ideale beizutragen, oder ob sie die Freiheit und Sicherheit unseres Volkes gefährden.Es ist der Sinn des vorliegenden Antrags, die Möglichkeiten für eine solche Prüfung zu verbessern. Daher bitte ich Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn 'Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Im Auftrage meiner Fraktion, die sich seit Jahren darum bemüht, daß auch der Apparat der Bundesregierung besser ausgestattet wird, um den vielfältigen Bedingungen der weltweiten Abrüstungsdiskussion und ihrer Verflochtenheit mit der deutschen Frage besser gewachsen zu sein, begrüße ich es, daß heute der Bundestag eine positive Entscheidung zu fällen sich anschickt. Verteidigungsbemühungen und das Ringen um Abrüstung sind zwei Seiten derselben Medaille — der Medaille unserer Sicherheit. Es entspricht jenem Konzept, das der ermordete amerikanische Präsident Kennedy einmal vorgetragen hat, daß man sich der eigenen Kraft sicher sein müsse und sie nicht vernachlässigen dürfe, um gestützt auf diese Kraft bereit zu sein, in ehrlichen Verhandlungen die großen Streitfragen unserer Zeit anzugehen. Dies etwa war die Definition seiner „Strategie des Friedens". Mit Recht haben wir immer davor gewarnt, zu glauben, man könne aus dieser Strategie nur eine Seite herausnehmen. Wer nur die Rüstungsanstrengungen sieht und die Politik dabei vernachlässigt, der riskiert einen gewaltsamen Zusammenprall und läßt es günstigstenfalls beim Status quo, also bei einem für unser Volk sehr unbefriedigenden Zustand. Wer unter Vernachlässigung der eigenen Kraft und der notwendigen Verteidigungsanstrengungen nur das Verhandeln sieht, der würde sich am Konferenztisch der erbarmungslosen Erpressung eines hochgerüsteten Gegners gegenübersehen. Deswegen also gehören die beiden Dinge zusammen.So ist es auch bei dem Doppelproblem Abrüstung und Verteidigung. Die praktische Schritte zur Abrüstung dürfen unsere Sicherheit nicht gefährden. Wir wissen daher, daß Kontrolle, Gegenseitigkeit, Aufrechterhaltung des weltpolitischen Gleichgewichts unvermeidliche Bestandteile vernünftiger Abrüstungsvorkehrungen sind, und das Verteidigungsinstrument selbst darf auch in seiner Anlage, seiner Zielsetzung, seiner Methode nicht so beschaffen sein, daß es jede Aussicht auf wirksame Abrüstungsvereinbarungen zerstört. Daher z. B. die weltweite Diskussion über die sogenannte Proliferation, die Austeilung der Verfügungsgewalt über Kernwaffen in eine Vielzahl von nationalen Händen und damit das Ende jéder Hoffnung, diesen Teil des Wettrüstens noch einzufangen und unter Kontrolle zu bringen.Alle Völker sind an der Abrüstung interessiert, aus den verschiedensten Gründen: um den Frieden
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Erlerzu sichern, um die Gefahren unserer Zeit zu mindern. Sicher ist das Wettrüsten Folge der Spannungen in dieser Welt; aber gleichzeitig verschärft es auch diese Spannungen und wird damit eine weitere, zusätzliche Spannungsursache. Außerdem sind die Völker daran interessiert, daß die schweren Lasten, die ihnen die Rüstung auferlegt, vielleicht doch in absehbarer Zeit etwas gemindert werden können.Für das deutsche Volk kommt zu diesen Gründen noch hinzu, daß, wie der Berichterstatter sehr eingehend dargelegt hat, die deutsche Frage eng mit den Sicherheitsproblemen verknüpft ist. Solange das Wettrüsten allgemein und auch auf deutschem Boden weitergeht, gibt es keine Hoffnung auf friedliche Wiederherstellung der deutschen Einheit in gesicherter Freiheit. Aber die Abrüstung, oder bescheidener: die Begrenzung und Kontrolle der Rüstungen führt auch nicht automatisch zur Lösung der deutschen Frage im Sinne der Wiederherstellung der deutschen Einheit und des Selbstbestimmungsrechtes für das ganze deutsche Volk. Eine solche Abrüstung könnte sich auch auf den Irrglauben stützen, daß Abrüstung und Entspannung auf die Fortdauer der Spaltung Deutschlands gegründet werden könnten. Daher ist es die Aufgabe und die schwierige Kunst deutscher Politik, vornehmlich der deutschen Diplomatie, auf die internationale Abrüstungsdiskussion einzuwirken. Deshalb ist es z. B. schade, daß der Platz unseres französischen Freundes am Genfer Konferenztisch immer noch leer ist. Damit fehlt eine Stimme, die auch für die Wahrnehmung unserer eigenen Interessen wichtig wäre.Es ist unsere Aufgabe, zu erkennen, welche Vorschläge auf diesem Gebiet unsere Sicherheitsinteressen berühren und welchen Einfluß solche Vorschläge auf die deutsche Frage haben. Sie können die Spaltung zementieren helfen, sie können die deutsche Frage unberührt lassen, sie können sie aber auch positiv in Bewegung bringen. Deshalb können wir nicht beinahe automatisch auf nahezu jeden Gedanken ablehnend reagieren, sondern müssen angemessen, d. h. sachlich richtig, reagieren. Dazu ist es notwendig, unter Umständen auf Gedanken anderer mit Ergänzungsvorschlägen, Gegenvorschlägen, auch, falls nötig, mit Korrekturen zu antworten. Wir müssen unser Interesse an der Problematik bekunden; denn wie wollen wir sonst wahrmachen, daß wir unsere Fragen ausschließlich mit politischen Mitteln lösen wollen?
Die weltweite Diskussion ist im Gange zwischen der Wissenschaft, der Publizistik, den Regierungen. Bei komplizierten, langwierigen Verhandlungen — Genf ist beinahe eine der wichtigsten permanenten Friedenskonferenzen unserer Zeit geworden, der es mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden gilt, als es normalerweise in unserem Lande geschieht — tauchen sehr schwierige Zusammenhänge auf zwischen der Technologie unserer Zeit und ihrer Einwirkung auf die Waffenmöglichkeiten, der Geographie, d. h. der Lage einzelner Länder in der Reichweite bestimmter Waffensysteme, den wirtschaftlichen Möglichkeitenund den Auswirkungen der Rüstungsproduktion und der Technik, den Kosten, der politischen Landschaft, die sich durch das Unabhängigwerden von Völkern in anderen Kontinenten verändert, den Veränderungen innerhalb der Allianzsysteme sowohl im Westen wie auch im Osten, der Einwirkung der Vereinten Nationen mit ihren wenn auch begrenzten Möglichkeiten, eine friedenssichernde Funktion zu übernehmen; daher auch die Diskussion übernationaler Methoden der Friedenssicherung, sosehr sie noch in den Anfängen steckt.All dies bedarf sorgfältiger Sammlung und Verarbeitung aller einschlägigen Daten, gründlicher Beobachtung der Verhandlungen, der Entwicklungen, der Diskussionen anderer und Prüfung der Auswirkungen auf die deutsche Frage und auf unsere Sicherheit. Nur so ist es möglich, auch deutsche Beiträge zu dieser Diskussion zu leisten, deutsche Vorschläge zu entwickeln und der Führung unserer Außen- und Verteidigungspolitik an die Hand zu geben.Dies, meine Damen und Herren, war das Motiv für den Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 14. April 1964, der jetzt in Form des Berichts der Ausschüsse an das Plenum zurückgeht. Wir haben seit vielen Jahren eine entsprechende Apparatur gefordert. Es geht nicht um den Namen der Einrichtung, sondern um den Inhalt. Wir freuen uns, daß heute positiv entschieden wird: Es soll einen entsprechend auch mit einer Apparatur ausgestatteten Abrüstungsbeauftragten geben. Wir halten es für richtig, daß er ins Auswärtige Amt eingebaut wird, damit er am Fluß der Informationen teilnehmen kann, damit er direkten Zugang zum Minister und zu den beteiligten Ressorts hat und wirklich auch Einfluß auf die Entscheidungen im Bereiche der Diplomatie und der auswärtigen Politik ausüben kann.Wir halten es weiter für richtig, daß für diesen Abrüstungsbeauftragten eine korrespondierende Stelle im Verteidigungsministerium geschaffen wird; denn ohne eine solche korrespondierende Stelle kann der Abrüstungsbeauftragte nicht an dem Fluß der Informationen im Verteidigungsministerium teilnehmen. Auch das gehört zu seiner sorgfältigen eigenen Arbeit. So soll gewährleistet werden, daß sich seine Arbeit nicht aus dem Bereich unserer Sicherheitsinteressen herauslöst; denn diese müssen bei allen Problemen der Rüstungskontrolle gleichfalls beachtet werden. Umgekehrt kann der Abrüstungsbeauftragte auch nur so auf die Ausformung der Verteidigungspolitik angemessenen Einfluß nehmen und dafür sorgen, daß dort auch die internationale Verhandlungslage auf dem Gebiete der Rüstungskontrolle bedacht wird.
Wir sind weiter der Meinung, daß es richtig ist, die Forschung zu nutzen, weil nicht alle hier von mir geschilderten Aufgaben im Ministerium selbst gemeistert werden können. Daher ist die Schaffung einer unabhängigen Forschungsstelle, die über die entsprechenden Daten verfügen muß, richtig. Es wird auch notwendig werden, andere Forschungs-
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Erlerinstitute heranzuziehen und ihnen entsprechende Aufträge zu erteilen. So werden wir den Anschluß an die Entwicklung in anderen Ländern finden und besser vorbereitet sein für jenen Teil unserer Politik, der aufs engste mit der Zukunft unseres Landes verbunden ist.Diese Zusammenhänge sind mir — das darf ich hier sagen — besonders deutlich geworden in einer nahezu dreijährigen Arbeit als Vorsitzender der Studiengruppe für Fragen der Abrüstung und Sicherheit im Bereiche der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Ich bin sehr froh, daß neben diesen privaten und notwendigerweise etwas beengten Anfang nunmehr auch eine offizielle Einrichtung der Bundesregierung treten wird, die sich dann selbstverständlich auch aller anderen Forschungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten bedienen wird.Ich hoffe, daß die Bundesregierung, deren Vertreter in den Ausschüssen eine sehr positive Haltung eingenommen haben, bald in der Lage sein wird, dem Parlament praktische Vorschläge zur Durchführung vorzulegen,
und ich möchte das Haus darauf aufmerksam machen, daß es mit der Zustimmung zu dem Ausschußbericht sich selbst natürlich auch bindet, bei der Beratung des Haushaltsnachtrags 1965 die erforderlichen Beschlüsse zu fassen.
In diesem Sinne stimmen wir dem Ausschußbericht sehr gern zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wichtigkeit dieses Antrags und des Ausschußberichts macht es nach meiner Auffassung und der meiner Freunde notwendig, daß wir .die Zustimmung der Freien Demokraten zur Annahme dieses Berichtes und dieses Antrags aussprechen. Wir sind sehr froh, daß der Antrag der SPD diese Erledigung, wie es .geschehen ist, in den zuständigen Ausschüssen gefunden hat.
Besonders unterstreichen möchte ich den Punkt 2 dieses Antrags, in dem ,der Vorschlag für die Schaffung einer unabhängigen Forschungsstelle für Fragen der Abrüstungskontrolle usw. gemacht wird. Ich möchte dabei den Wunsch aussprechen, daß sich die Abklärungen für die Schaffung dieses Instituts nicht bis in das Jahr 1966 hinein verzögernd hinziehen, sondern daß noch in diesem Jahr, 1965, der Anfang gemacht wird. Wir Freien Demokraten stimmen dem Antrag zu.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt den vorliegenden Antrag sehr. Es ist in der Tat so, wie heute und bei früheren Gelegenheiten oft hervorgehoben worden ist, daß die allgemeine kontrollierte Abrüstung das einzige Mittel, das wir sehen, für die Herstellung und dauerhafte Sicherung .des Friedens ist. Schon daraus ergibt sich ihre ungeheure Bedeutung.Hinzu kommt feiner, daß jede Abrüstungsfrage unter zwei weiteren Gesichtspunkten geprüft werden muß, nämlich einmal unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkungen, die sie auf die Sicherheit der Länder, vor allem unseres eigenen Landes, hat, und zum anderen unter dem Gesichtspunkt ihrer möglichen Rückwirkungen auf die deutsche Frage. Das alles ist hier ausgeführt worden; ich brauche es nicht zu wiederholen. Ich darf nur daran erinnern, daß es keinen einzigen Plan zur Lösung .der Deutschlandfrage, der seit Kriegsende vorgelegt und diskutiert worden ist, gibt, in dem nicht Fragen der Abrüstung und Fragen der Rüstungskontrolle behandelt und mit angeschnitten werden. Schon daraus geht die besonders enge und wichtige Verbindung zwischen diesen beiden Fragenkomplexen hervor.Nun ist die Abrüstung im Laufe der Jahre eine immer kompliziertere Materie geworden. Ich glaube, man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß sie zu den kompliziertesten Materien gehört, mit denen sich die modernen Staaten überhaupt zu befassen haben; denn hier wirken sich natürlich sowohl in starkem Maße politische und militärische Komponenten .als aber auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Überlegungen aus. Aus diesen Faktoren jeweils ein Ganzes herzustellen, erfordert die Mitarbeit qualifizierter Fachleute in allen diesen Bereichen und natürlich einen entsprechenden organisatorischen und personellen Apparat. Deswegen begrüßt die Bundesregierung dankbar die Initiative, die aus diesem Hause in Richtung auf die Schaffung eines solchen Apparates ausgegangen ist.Es ist auch richtig, wenn hier hervorgehoben wurde, daß die Abrüstungspolitik Teil der auswärtigen Politik ist, daß kein Land sie allein, sondern daß jedes Land sie nur im Zusammenwirken mit anderen Ländern verwirklichen kann. Ich darf daran erinnern, daß sich die Bundesregierung seit Jahren in die Abrüstungsgespräche eingeschaltet hat, die sowohl in New York wie in Genf stattgefunden haben. Ich selbst bin mehrere Male in Genf gewesen und habe mit den Leitern der einzelnen Delegationen dort Fühlung genommen, um unsere Vorstellungen, unsere Gesichtspunkte in der Diskussion zur Geltung zu bringen.Ich halte es daher auch für richtig, wenn vorgeschlagen wird, daß die organisatorischen Maßnahmen, die hier zu treffen sein werden, im Rahmen des Auswärtigen Amts getroffen werden. Es ist selbstverständlich, daß das Auswärtige Amt die Mitwirkung anderer Ressorts, vor allem des Verteidigungsministeriums, aber auch weiterer Ressorts der Bundesregierung braucht. Ich glaube, daß diese Mitwirkung sichergestellt und daher das Zusam-
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Staatssekretär Dr. Carstensmenwirken der verschiedenen beteiligten Ressorts in jedem Zeitpunkt gewährleistet wird.
Keine weiteren Wortmeldungen. Schluß der Aussprache., Wir kommen zur Abstimmung über Drucksache IV/2936, Antrag des Ausschusses. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, nun ist die Lage wieder einmal anders — ich bedaure, das mitteilen zu müssen —: jetzt soll Schluß gemacht werden. Dafür bin ich auch — immer unter der Voraussetzung, daß die Ausschüsse um 15 Uhr zu arbeiten beginnen.
Alles andere, was jetzt noch auf der Tagesordnung steht — Punkt 4 bis zum Schluß —, muß morgen erledigt werden.
Nächste Sitzung des Deutschen Bundestages: morgen 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.