Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich Glückwünsche zum Geburtstag aus. Herr Abgeordneter Nieberg ist heute 77 Jahre alt.
Herr Kollege, ich sehe, Sie sind sogar am 77. Geburtstag hier, und das auch noch am Freitag.
Ich kann nur sagen: leuchtendes Vorbild! Ich bedanke mich.
Dann begrüße ich als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Dr. von Brentano heute — auf meinem Sprechzettel heißt es „erstmals anwesend" — Herrn Abgeordneten Dr. Preiß. Aber wir erinnern uns, daß Herr Dr. Preiß schon einmal Mitglied dieses Hauses war und insofern kein Neuling ist. Herzlich willkommen!
Gemäß Ziffer 3 der Richtlinien für die Fragestunde setzte ich für Mittwoch, den 16. Dezember, und Donnerstag, den 17. Dezember, jeweils 14.30 Uhr, eine Fragestunde an. Es sind nicht so viele Fragen, daß man auch am Freitag, dem 18. Dezember, um 9 Uhr eine Fragestunde ansetzen müßte. Bis jetzt sind es 26 Fragen. Infolgedessen glaube ich, guten Gewissens dabei bleiben zu können, die Präsenzpflicht für den 18. Dezember nicht ansetzen zu müssen. Es bleibt also bei dem, was auf dem grünen Zettel steht.
Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß nach einer Bekanntgabe des amtierenden Präsidenten in der Plenarsitzung am 9. Dezember, heute, um 10 Uhr die Wahl des Wehrbeauftragten stattfinden soll.
Soweit die Bemerkungen vor Eintritt in die Tagesordnung.
Nun zur Tagesordnung! Punkt 1:
1. Fragestunde .
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Frage X/1 — des Abgeordneten Killat —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes eine schuldhafte Amtspflichtverletzung eines Bediensteten eines Versicherungsamtes darin gesehen hat, daß dieser Bedienstete die von einem Versicherten begehrte Auskunft nicht unmißverständlich, klar und vollständig gegeben hat?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet Ja, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage!
Ich darf vielleicht bitten, die zweite
Frage gleich mit zu beantworten. Sie steht in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit der ersten Frage:
Dann rufe ich Frage X/2 — des Abgeordneten Killat — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Versicherungsträger trotz der in § 1324 RVO vorgeschriebenen Aufklärungspflicht über die Rechte und Pflichten der versicherten Bevölkerung sich weigern, Auskunft über den individuellen Rentenstatus des Versicherten zu geben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf die Frage X/2 darf ich folgende Antwort erteilen. Nach § 1324 der Reichsversicherungsordnung obliegt den Trägern der Rentenversicherung die allgemeine Aufklärungspflicht gegenüber der versicherten Bevölkerung. Eine Verpflichtung des Versicherungsträgers, dem Versicherten Auskunft über seinen individuellen Rentenstatus zu erteilen, enthält das Gesetz nicht. Eine solche Verpflichtung, Herr Abgeordneter, könnten die Rentenversicherungsträger auch gar nicht übernehmen, weil sie ja in jedem Falle dann das vollständige Beitragskonto ausarbeiten und eine vorläufige Rentenberechnung durchführen müßten. Der Arbeitsaufwand für eine solche Auskunftserteilung wäre genauso groß wie für den Fall der Rentenberechnung in dem Augenblick, wo der Versicherungsfall eintritt. Die Versicherungsträger, die bereits jetzt mit der Rentenberechnung im Rückstand sind, könnten eine zusätzliche Arbeit überhaupt nicht leisten.
7572 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für einen berechtigten Anspruch, daß ein Versicherter, beispielsweise ein freiwillig Versicherter, der jährlich beinahe 2000 DM Beitrag leistet, in die Lage versetzt werden muß, wenigstens beim Umtausch der Versicherungskarten alle drei Jahre von dem Versicherungsträger zu erfahren, wie hoch seine persönliche Bemessungsgrundlage und wie hoch sein prozentualer Anspruch auf eine Altersrente ist, weil erst diese Tatsache ihm ermöglicht, gewisse Dispositionen hinsichtlich seiner Beitragsleistungen zu treffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich gehe sogar noch weiter. Das Arbeitsministerium hat sich zum Ziel gesetzt, dem Versicherten möglichst jährlich eine Abrechnung über seinen Rentenstatus zu geben. Das setzt natürlich erstens eine Änderung der Gesetzgebung voraus, zweitens eine Änderung der Buchführung der Versicherungsträger und drittens die Einführung der Versicherungsnummer. Wir sind mit der Einführung der Versicherungsnummern schon ziemlich weit gekommen. Wir können davon ausgehen, daß dem Hohen Hause in absehbarer Zeit die notwendigen Änderungen der Gesetze vorgelegt werden, damit erreicht wird, daß der Versicherte ständig über den Stand seines Rentenkontos unterrichtet ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß dadurch Schwierigkeiten oder unter Umständen sogar Regreßansprüche entstehen können, daß heute die Versicherungsämter nach einem Urteil, das Ihnen bekannt ist, erschöpfend und ausreichend Auskunft zu geben haben, aber bei der gegebenen Sachlage diese Auskunftserteilung nicht möglich ist und auch noch nicht ausreichende Maßnahmen eingeleitet worden sind, um eine erschöpfende und ausreichende Auskunftserteilung sicherzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das glaube ich nicht, Herr Abgeordneter. Bei der gegebenen Rechtslage ist es so, daß die Versicherungsämter allgemeine Auskünfte erteilen müssen, während das Interesse des Versicherten, wie Sie richtig sagen, darauf gerichtet ist, eine individuelle Auskunft zu erhalten, und das ist zur Zeit eben nicht möglich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann etwa werden nach Ihrer Ansicht die Grundlagen so weit erarbeitet sein, daß mit einer gesetzlichen Regelung gerechnet werden kann, mit der sichergestellt wird, daß die Versicherten tatsächlich einen beinahe
rechtsmittelfähigen Bescheid beim Umtausch der Versicherungskarte erhalten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben uns bemüht gehabt, Herr Abgeordneter, noch in dieser Legislaturperiode dem Hohen Haus die notwendigen Änderungen vorzuschlagen. Aber das ist leider nicht möglich gewesen, weil, wie Sie selber wissen, das Arbeitsministerium mit Aufgaben belastet ist, die etwas vordringlicher sind. Außerdem hat sich herausgestellt, daß es doch ziemlich schwierig ist, diese Versicherungsnummer zu finden und die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Aber das ist jetzt geschehen, und wir werden stufenweise die Versicherungsnummern einführen und eine zeitgemäße Berechnung des Rentenstatus dem Versicherten zuleiten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Büttner.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen: Wenn Sie sich in Ihrem Ministerium dankenswerterweise Mühe geben, für die Versicherten eine Übersicht zu erstellen, damit sie sich über den Rentenstatus unterrichten können, würden Sie dann in diese Überlegungen auch einbeziehen, einmal eine Änderung der Rentenbescheide vorzunehmen, damit sich die Rentner auch ohne „Kompaß" durch den Rentenbescheid durchfinden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich, Herr Abgeordneter. Es ist unsere Absicht, das Recht und die Übersichten durchsichtig und klar zu machen. Aber das hängt davon ab, wie kompliziert und wie perfektionistisch die Gesetzgebung ist.
Zu der Frage 2, Herr Kollege Killat, haben Sie bloß zwei Zusatzfragen. Die Frage 1 haben Sie passieren lassen. Man kann nicht alle drei Fragen addieren und sagen: Das gibt sechs Zusatzfragen. Das ist nicht im Sinne der Erfinder. Der Sinn der Regelung ist, daß hinter jeder Frage zwei Zusatzfragen kommen. Sie haben ja noch eine Frage. Da können Sie noch zwei Zusatzfragen plazieren.
Jetzt kommt Frage X/3 — —
Herr Staatssekretär, — —
Nein, nein, jetzt kommt erst die Antwort auf Ihre Frage 3, und dann kommen Ihre zwei Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage X/3 — des Herrn Abgeordneten Killat - auf:
Warum hat der Bund weder im Nachtragshaushalt 1964 noch für den neuen Haushalt 1965 den sog. Reichszuschuß nach § 205 d RVO in Höhe von etwa 230 Millionen DM in Ansatz gebracht, obwohl er zu dieser Zahlung an die gesetzlichen Krankenkassen auf Grund eines Bundessozialgerichtsurteils vom Juli 1964 verpflichtet worden ist?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7573
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf die Frage 3 kann ich Ihnen wie folgt antworten. Sowohl bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts für 1964 wie bei der Aufstellung des Haushalts für 1965 waren uns die Forderungen der Krankenkassen ihrer Höhe nach nicht bekannt. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Juli 1964 ist der Bundesregierung erst im Oktober 1964 zugestellt worden. Substantiierte Forderungen der Krankenkassen liegen bei uns bisher nicht vor.
Jetzt Ihre Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für eine substantiierte Forderung, wenn die Krankenkassen auf Grund eines Rechtsanspruchs — also auf gesetzlicher Grundlage — und durch höchstrichterliches Urteil für die Zeit von 1950 bis 1962 beinahe eine Viertelmilliarde D-Mark zugesprochen erhalten haben? Hätte dann die Bundesregierung nicht Veranlassung gehabt, nunmehr im Nachtragshaushalt 1964- oder meinetwegen im Haushalt 1965 die Beträge einzusetzen, auf die die Krankenkassen angewiesen sind, zumal auch für die kommenden Jahre diese Erstattungsansprüche bestehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dem Grunde nach werden die Ansprüche anerkannt, bezüglich der Höhe werden wir uns mit den Verbänden der Krankenkassen noch unterhalten. Außerdem wird es wichtig sein festzustellen, in welcher Form solche hohen Beträge den Kassen jeweils überwiesen werden. Wir haben die Absicht — wenn ich das ergänzend dazu bemerken darf —, in Kürze mit den Krankenkassen über diese Frage zu verhandeln.
Zusatzfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einverstanden. Bitte sehr! Ich rufe also auch die Fragen XI/5 und XI/6 — des Abgeordneten Haase — auf:
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß durch die in Frage XI/4 genannte Maßnahme der Fährverkehr erheblich eingeschränkt wurde und dadurch für Gewerbebetriebe und Arbeitnehmer beiderseits des Kanals erhebliche betriebliche Störungen und Benachteiligungen aufgetreten sind?
Ist die in Frage XI/4 genannte Maßnahme, auch wenn sic nur vorübergehend ist, mit dem Ziel vereinbar, die Verkehrsverbindungen über den Nord-Ostsee-Kanal im Rahmen der Verbesserung der Verkehrsstruktur im Land Schleswig-Holstein verstärkt auszubauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist bekannt, daß die moderne Spitzfähre bei Burg zur Zeit gegen eine Kettenfähre vorübergehend ausgewechselt ist. Die Maßnahme mußte im Rahmen der Herbstüberholung der Fähren auf dem Nordostseekanal getroffen werden, wobei auf einen älteren Fährentyp, der an dieser Stelle bis 1962 in Betrieb war, zurückgegriffen werden mußte. Nennenswerte Störungen des Fährbetriebs sind nicht eingetreten, weil der Fernverkehr auf die 4 km entfernte leistungsfähige Fähre „Hochdonn" ausgewichen ist und somit nur der Ortsverkehr bedient zu werden braucht.
Die Maßnahme ist im Rahmen der Verbesserung des Querverkehrs über den Nordostseekanal insofern zu vertreten, als hierdurch der gegenwärtig schwierigste Zeitabschnitt in dem Modernisierungsprogramm der Fähren schneller überwunden werden kann. Vom nächsten Jahr an werden als Reserve nur freifahrende Fähren zur Verfügung stehen, so daß dann die Kettenfähren aus dem Nord-OstseeKanal vollkommen verschwinden werden.
Keine Zusatzfragen?
Dann kommen wir zur Frage XI/7 — des Abgeordneten Sander —:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, daß der Landkreis Holzminden lange Anfahrten zur Autobahn Nord-Süd und Ost-West hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der relativ ungünstigen Lage des Landkreises Holzminden zum Netz der Bundesautobahnen wird im Ausbauplan durch Berücksichtigung der entsprechenden Zubringerstraßen Rechnung getragen. Es handelt sich um die B 64 von Holzminden zur Anschlußstelle Seesen der NordSüd-Autobahn in Fahrtrichtung Norden, die B 83/80 von Holzminden zur Anschlußstelle Hannoversch-Münden der Nord-Süd-Autobahn in Richtung Süden und die B 83 von Holzminden zur Anschlußstelle Bad Eilsen in Richtung Westen.
Diese Straßen, die als Fremdenverkehrsstraßen zum Grünen Netz des Ausbauplangesetzes vom 27. Juli 1957 gehören, wurden in den letzten Jahren mit erheblichen Beträgen verbessert; der Ausbau wird in den nächsten Jahren fortgesetzt.
Ein günstiger Anschluß an die Ost-West-Autobahn in Richtung Osten ist von Holzminden über die B 217/442 zur Anschlußstelle Lauenau neu geschaffen.
Die künftige Autobahn Kassel—Hamm wird im Raum Warburg einen günstigen Anschluß in Richtung Westen und Nordwesten ermöglichen.
Ich gebe Ihnen zu, Herr Abgeordneter, daß selbst die besten Zubringerstraßen an der Tatsache nicht vorbeiführen, daß die Luftlinienentfernung zu den drei tangentialen Autobahnen, die ich genannt habe, 50 km beträgt und die virtuelle Entfernung wegen der Schleifen, Kurven und Höhenunterschiede natürlich noch größer ist. Aber diese Schwierigkeiten wären in dem morphologisch stark zerklüfteten Gelände, das Ihnen ja bekannt ist, selbst durch eine später vielleicht mögliche Querautobahn kaum zu überwinden.
Ich rufe Frage XI/8 — des Abgeordneten Sander — auf:
Bis wann kann mit dem zugesagten Ausbau der Bundesstraße Holzminden-Neuhaus mit Anschluß an die Autobahn Nord-Süd gerechnet werden?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Mertes übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie Ihnen auf Ihre Frage schriftlich am 30. April 1964 mitgeteilt wurde, ist zwar beabsichtigt, die Landesstraße 570 HolzmindenNeuhaus Schönhagen zur Bundesstraße aufzustufen, jedoch ist der Zeitpunkt der Aufstufung noch offen gelassen. Auch heute kann angesichts der Knappheit der für den Ausbau aufgestufter Straßen verfügbaren Mittel noch kein endgültiger Termin für die Aufstufung genannt werden. Ich hoffe aber, daß die Aufstufung spätestens 1966 erfolgt und daß dann mit dem Ausbau im Rahmen des dritten Vierjahresplans 1967 begonnen werden kann.
Ich rufe die Fragen XI/9 und XI/10 —des Abgeordneten Kubitza — auf:
Auf Grund welcher kalkulatorischen Überlegungen ist bei den Kraftfahrzeuguntersuchungen durch den TÜV für eine 5- bis 10minütige Überprüfung eine Gebühr von 8 DM zuzüglich 0,30 DM Umsatzsteuer und 0,50 DM für die Zuteilung der Prüfplakette zu zahlen?
Weshalb ist bei der — noch kürzeren als in Frage XI/9 angegebenen — Nachprüfung über die Behebung der vorgefundenen Mängel eine Gebühr von 4,40 DM zu zahlen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Es handelt sich bei Ihrer Frage um Gebühren nach Artikel II der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr in der Fassung vom 18. Mai 1961. Die Gebühren wurden festgesetzt nach einem durchschnittlichen Zeitaufwand, der bei allen Technischen Prüfstellen für die Untersuchung der einzelnen Fahrzeuggruppen ermittelt wurde.
Dieser Zeitaufwand umfaßt nicht nur die Untersuchung der Kraftfahrzeuge und Anhänger, sondern
7576 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Staatssekretär Dr. Seiermann
auch den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand und beträgt daher heute bei Personenkraftwagen etwa 15 bis 18 Minuten. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß eine gleichmäßige Auslastung der Prüfstellen nicht möglich ist, weil die Bestimmung des Prüftermins weitgehend vom Fahrzeughalter abhängt. Ferner sind der Bau von modernen Prüfanlagen und die Anschaffung von hochwertigen Prüfgeräten zu berücksichtigen. Hierfür müssen die Technischen Prüfstellen erhebliche Mittel aufwenden. Aus diesen Gründen .beträgt die Gebühr bei Personenkraftwagen acht D-Mark.
Die Abwälzung der Umsatzsteuer ergibt sich aus § 10 des Umsatzsteuergesetzes. Danach darf die Steuer demjenigen in Rechnung gestellt werden, der die Leistung in Anspruch nahm.
Die Plakettengebühr enthält die Kosten für die Herstellung, Vorratshaltung und Verwaltung der Prüfplaketten.
Bei der Nachprüfung über die Behebung der festgestellten Mängel können von den Technischen Prüfstellen je nach dem Aufwand Gebühren im Verhältnis zu den genannten Untersuchungsgebühren erhoben werden. Sie betragen bei Nachprüfung am gleichen Tag und bei Sichtprüfungen zwei D-Mark, bei Nachprüfung an anderen Tagen unter Zuhilfenahme der Prüfgeräte vier D-Mark.
Ein Arbeitsausschuß der Länder unter Vorsitz eines Vertreters meines Hauses prüft gegenwärtig, ob es zweckmäßig ist, § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung dahin zu ändern, daß bei geringen Mängeln auf die Nachprüfung verzichtet werden kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir jetzt oder schriftlich die Einnahmen und Ausgaben einer technischen Prüfstelle sowie die Gesamteinnahmen und -ausgaben aller Prüfstellen im Bundesgebiet nachzuweisen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich nehme an, daß ich diese Feststellung auf dem Wege über die Landesbehörden werde treffen können.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, trozdem alles zu tun ,damit die Gebührensätze entsprechend den tatsächlich entstehenden Kosten erhoben werden, und insbesondere zu prüfen — das haben Sie ja angedeutet —, ob die Nachprüfungsgebühr ganz wegfallen könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin dazu nicht nur bereit, sondern nach dem Gebührenprinzip auch dazu verpflichtet.
Wie erklären Sie es sich, daß in Göppingen einem Kfz-Besitzer bei den Nachprüfungen — Sie gaben vorhin wesentlich niedrigere Beträge an — dreimal 8,30 DM „abgeknöpft" wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, mir Genaueres über diesen Tatbestand mitzuteilen. Ich werde ihn nachprüfen lassen.
Jetzt kommt die vierte Zusatzfrage!
Welche Maßnahmen gedenken Sie zu treffen, um dem hier festzustellenden Ermessensmißbrauch zu begegnen, damit der Bürger nicht das Gefühl hat, der TÜV könne schalten und walten, wie es ihm gerade beliebe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn ein Ermessensmißbrauch festgestellt wird, wird er abgestellt werden.
Ich rufe die Frage XI/11 — des Abgeordneten Kubitzka — auf:
Warum wurde bei der Einweihung des letzten Teilstückes der Autobahn Frankfurt—Nürnberg die Einladung für die am Bau tätigen Arbeiter und Ingenieure wieder zurückgezogen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesminister für Verkehr ist grundsätzlich der Auffassung, daß bei Verkehrseröffnungen auch die Bauausführenden der Firmen und die der Verwaltung in geeigneter Weise beteiligt werden sollen. Es war meinem Hause nicht bekannt, daß die am Bau beteiligten Arbeiter und Angestellten der Firmen und der Verwaltung im vorliegenden Fall nicht eingeladen worden sind. Ich bedaure das und werde dafür sorgen, daß sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt. Ich bitte aber um Ihr Verständnis, Herr Abgeordneter, daß sich der Organisator der Veranstaltung dadurch in Schwierigkeiten befunden hat oder befunden zu haben glaubt, daß die zur Verfügung stehenden Mittel nach den geltenden Richtlinien sehr knapp bemessen sind. Zum Ausgleich haben eine Reihe von bauausführenden Firmen und ebenso Dienststellen der Verwaltung im Zusammenhang mit der Fertigstellung der Bauarbeiten für ihre Angehörigen besondere Veranstaltungen durchgeführt, so daß insoweit wenigstens ein gewisser Ausgleich geschaffen werden konnte.
Jetzt lese ich zur Abwechslung einmal etwas aus den Richtlinien für die Fragestunde vor. In Ziffer 6 dieser Richtlinien heißt es:
Die Anfragen müssen kurz gefaßt sein — so weit, so gut —
und eine kurze Beantwortung ermöglichen. Herr Staatssekretär!
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7577
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ich rufe auf die Frage XI/12 — des Abgeordneten Fritsch —:
Ist die Bundesregierung bereit, die Trassierung der Autobahn Regensburg—Passau im Raume Deggendorf auf das rechte Donauufer zu verlegen, da nunmehr die Stadt Deggendorf erklärt hat, dieser Lösung den Vorzug zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich nehme Bezug auf die Antwort, die Ihnen der Herr Minister vor jetzt etwa vier Wochen, am 6. November, erteilt hat. Ich kann Ihnen auch heute noch keine Entscheidung über die Linienführung der künftigen Autobahn im Raum Deggendorf mitteilen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß das Autobahnamt München — ebenfalls nach Presseverlautbarungen — als Ergebnis eines Gesprächs mit dem Regierungspräsidenten von Niederbayern zu erkennen gegeben hat, daß ihm als die beste Lösung die erschiene, die Autobahn ab Metten rechts der Donau zu führen und sie vor der Isareinmündung wieder auf das linke Donauufer zurückzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kenne diese Meldung nicht, aber ich halte sie durchaus für möglich. Es gibt
Gründe, die für diese Lösung sprechen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, dürfen wir aus Gründen der Raumordnung und insbesondere mit Rücksicht darauf, daß die Regierung von Niederbayern gehalten ist, bis zum 31. Januar nächsten Jahres einen Raumordnungsplan aufzustellen, der vor allem auch das Straßensystem ausweisen soll, damit rechnen, daß die in Aussicht gestellte zügige Planung der Trassierung insbesondere im Raum Deggendorf vorgenommen wird und daß nicht eventuelle personelle Schwierigkeiten diese zügige Planung verhindern, wie es bereits einmal von Ihnen bzw. vom Herrn Verkehrsminister Seebohm dargestellt worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann mich natürlich auf einen festen Termin innerhalb der nächsten zwei Monate nicht festlegen. Wenn es aber ein zwingender Termin ist, ist er sicherlich der obersten Baubehörde in München bekannt, und die oberste Baubehörde wird uns dann ihre Vorschläge rechtzeitig vorlegen.
Wir kommen zu der Frage XI/13 — des Abgeordneten Weigl —:
Wann ist mit dem Ausbau der Ortsdurchfahrt von Waldsassen im Rahmen der Bundesstraße 303 zu rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Entwurf für die bauliche Verbesserung der Ortsdurchfahrt von Waldsassen ist bereits ausgearbeitet. Gemeinsam mit der bayerischen Straßenbauverwaltung werden wir uns bemühen, für die Durchführung der Bauarbeiten baldmöglichst Mittel bereitzustellen. Ich hoffe, daß uns das schon im nächsten Jahr gelingen wird. Endgültig wird es erst im Frühjahr übersehbar sein, wenn das Ausmaß dier Winterschäden zu überblicken ist.
Keine Zusatzfrage!
Wir kommen zu der Frage XI/14 — des Abgeordneten Seibert —:
Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag ihre Stellungnahme zu den Vorschlägen betreffend eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn zuleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister für Verkehr hat dem Bundeskabinett am 14. Oktober 1964 Vorschläge zu den „Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn" vorgelegt und damit zu den Vorstellungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn Stellung genommen. Die Bundesregierung berät diese Vorschläge. Sie ist bemüht, dem Bundestag ihre Stellungnahme sobald wie möglich zuzuleiten. Sie wissen aber selbst, Herr Abgeordneter, daß es sich hier tim sehr komplexe Probleme handelt, deren Prüfung und Lösung einen angemessenen Zeitaufwand erfordern.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Lage, dem Deutschen Bundestag mitzuteilen, welche der Anregungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn oder Herr Bundesverkehrsminister in seine Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn übernommen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Seibert.
Herr Staatssekretär, wie ist es zu erklären, daß der Herr Bundeskanzler vor wenigen Wochen in der Öffentlichkeit zugab, daß er kein Rezept zur Lösung der Probleme der Bundesbahn habe, obwohl in den vergangenen fünfzehn Jahren ausreichende Unterlagen zur Verfügung standen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In den vergangenen fünfzehn Jahren, Herr Abgeordneter, sind eine Reihe von Veränderungen, nicht zuletztstruktureller Art,
7578 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Staatssekretär Dr. Seiermann
eingetreten. Sie wissen ebenso ,gut wie ich, wie die Lage der Bundesbahn heute ist und daß außerordentliche Maßnahmen erforderlich sind, um ihr gerecht zu werden.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Börner.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die weitere Verzögerung der Entscheidung der Bundesregierung über diesen wichtigen verkehrspolitischen Fragenkomplex auch die verkehrspolitischen Entscheidungen dieses Hauses außerordentlich erschwert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter, daß man von einer Verzögerung sprechen kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ross.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, daß bereits im Haushaltsjahr 1965 der Deutschen Bundesbahn die außerordentlichen Belastungen wie z. B. die überhöhten Versorgungslasten vom Bund abgenommen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie wissen, daß die überhöhten Versorgungslasten bereits in dem Umfange vom Bund übernommen werden, wie das bisher haushaltsmäßig möglich war. Sie wissen ferner, daß die Bundesregierung bereit ist, diesen Betrag soweit wie möglich zu erhöhen.
Eine weitere und letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seibert.
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß die ungenügende Übernahme dieser Lasten durch den Bund entscheidend dazu beigetragen hat, daß die Deutsche Bundesbahn ein unechtes Defizit hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie hat dazu beigetragen — nicht entscheidend.
Frage XI/15 — des Abgeordneten Seibert —:
Vertritt die Bundesregierung — besonders auch im Rahmen der Beratungen des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — die Auffassung, daß die Frage der finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund und der Deutschen Bundesbahn im Sinne der von der Europäischen Verkehrsministerkonferenz gebilligten einheitlichen „Normalisierung der Konten der Eisenbahnen" geregelt werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen den Staaten und den staatlichen Eisenbahnunternehmen im Sinne einer Normalisierung der Eisenbahnkonten ist unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Verkehrsministers
in den Jahren 1956 und 1957 im Rahmen der
Europäiischen Konferenz der Verkehrsminister erörtert und in Form einer Resolution den Mitgliedstaaten der CEMT zur Annahme empfohlen worden.
Die Grundgedanken des Vorschlags der EWG Kommission zu der Normalisierung der Konten sind in der Bundesrepublik bereits weitgehend verwirklicht; ich verweise auf § 28 a des Bundesbahngesetzes. Im übrigen berät die EWG-Kommission gerade in diesen Tagen dieses Thema. Die Bundesregierung stimmt den Artikeln 8 bis 11 der Harmonisierungsvorlage, die die Normalisierung der Konten beinhaltet, im Grundsatz zu, hält aber die Prüfung einiger Fragen noch für notwendig.
Frage XI/16 - des Abgeordneten Ritzel —:
Ist es richtig, daß durch die Nichtverwendung von Gelblicht bei Fahrten von Kraftfahrzeugen in der Dunkelheit erhebliche Wildschäden verursacht werden und daß auch sehr erhebliche Sachschäden an Autos und selbst Personenschäden entstehen, die vermeidbar wären, wenn an Stelle von Klarlicht Gelblicht verwendet würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, bisher fehlt jeder exakte Nachweis darüber, daß das Gelblicht Einfluß auf das Verhalten des Wildes hat. Der Deutsche Jagdschutz-Verband führt Versuche durch, die voraussichtlich im Spätherbst nächsten Jahres abgeschlossen sein werden.
Eine Zusatzfrage.
Kann die Regierung nicht einmal den Versuch machen, festzustellen, ob das normale Licht — ich möchte es als Weißlicht bezeichnen — irgendwie lähmend auf das Wild wirkt, zumal da man ja doch beobachten kann, daß jeder Autofahrer ähnliche Feststellungen zu treffen vermag?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin gern bereit, diese Anregung aufzugreifen und die Prüfung durchführen zu lassen, wenn sie nicht bereits im Gange sein sollte.
Frage XI/17 — der Frau Abgeordneten Schanzenbach —:
Gedenkt der Herr Bundesverkehrsminister die Bemühungen der Stadt Kehl zu unterstützen, beim Ausbau der B 28 zwischen Kehl und Willstädt eine zweite Zufahrt vorzusehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von der Stadt Kehl im Wege des_ Planfeststellungsverfahrens geforderte Herstellung einer zusätzlichen Anschlußstelle an der Kreuzung der Landstraße 9043 mit der neuen Bundesstraße 28 östlich von Neumühl läßt sich wegen der sehr beengten örtlichen Verhältnisse nicht verwirklichen. Um jedoch in Zukunft dem von Süden auf der Bundesstraße 36 ankommenden Verkehr eine günstige Verbindung zur Autobahnanschluß-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7579
Staatssekretär Dr. Seiermann
stelle Appenweier anbieten zu können, sieht die Planung der Straßenbauverwaltung eine spätere Verlegung der Bundesstraße 36 vor. Die neue Bundesstraße 36 soll zwischen Neumühl und Kork einen Anschluß an die Bundesstraße 28 erhalten und wird damit die von der Stadt Kehl geforderte Verkehrsverbindung herstellen und die Durchfahrt Kehl im Zuge der B 36 entlasten.
Bis zur späteren Verwirklichung dieser Planung muß von den Verkehrsteilnehmern zunächst noch die Landesstraße 90 b und die 'bestehende Bundesstraße 28 benutzt werden. Umwege ergeben sich daraus nicht.
Eine Zusatzfrage.
Ist dem Herrn Staatssekretär für Verkehr bekannt, daß die Stadt Kehl sich gerade nach Süden ausdehnt, wo ein Wohngebiet für 15 000 Einwohner geplant ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, das ist mir bekannt. Aber, wie gesagt, ich habe aus den mir vorliegenden Unterlagen ersehen, daß an der von der Stadt Kehl gewünschten Stelle eine Einfädelung nicht möglich ist, da die Bundesstraße sich hier unmittelbar an den Hochwasserdamm der Kinzig anlehnt und da auch die Bebauung der Gemeinde Neumühl fast bis an die Trasse der Bundesstraße heranreicht.
Frage XI/18 — des Abgeordneten Dr. Eppler —:
Billigt es der Herr Bundesverkehrsminister, daß mit der Ausarbeitung baureifer Pläne für die Umgehung von Freudenstadt im Zuge der Bundesstraßen 28 und 294 noch nicht begonnen wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Umgehung des Kurortes Freudenstadt sind großräumige Verlegungen der Bundesstraßen 28, 294 und 462 in Aussicht genommen. Der Umfang dieser Maßnahmen macht es erforderlich, die möglichen Linienführungsvarianten zunächst im Rahmen eines Vorentwurfes näher zu untersuchen. Diese Arbeiten sind gegenwärtig noch im Gang. Es ist vorgesehen, die Ausarbeitung der baureifen Pläne durchzuführen, sobald die notwendigen Voruntersuchungen abgeschlossen sind und mit den beteiligten Gemarkungsgemeinden über die zu wählende Trassenführung Einvernehmen besteht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt auf die Schwierigkeiten der Planung hinweisen, — wie würden Sie Stellung nehmen zu einer Antwort des Innenministeriums in Stuttgart auf eine Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten, in der es heißt: „Da jedoch die Finanzierung der sehr umfangreichen Maßnahmen noch nicht sichergestellt ist, wurde bisher mit der Ausarbeitung der baureifen Pläne noch nicht begonnen." ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf dazu wie folgt Stellung nehmen. Baureife Pläne liegen noch nicht vor, sondern die Prüfung befindet sich noch im Stadium der Voruntersuchungen. Selbstverständlich spielt die Finanzierungsfrage bei jedem größeren Bauvorhaben eine entscheidende Rolle. Daß es sich um technische Schwierigkeiten handelt, werden Sie daraus entnehmen — das wird Ihnen auch bekannt sein —, daß z. B. bei der Südumgehung im Rahmen der Bundesstraße 12 wahrscheinlich eine Untertunnelung vorgesehen werden muß. Das sind Arbeiten, für die sehr weitgehende technische Untersuchungen, Bohrungen usw. notwendig sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Eppler.
Herr Staatssekretär, was würden Sie tun, um den Eindruck zu beseitigen, der entsteht, wenn man in Stuttgart sagt: Wir können die baureifen Pläne nicht fertigen, weil die Mittel noch nicht zur Verfügung gestellt werden können, während Sie sagen: Wir können die Mittel nicht zur Verfügung stellen, weil die Vorlage der baureifen Pläne noch nicht möglich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, hier liegt ein Mißverständnis vor. Herr Abgeordneter, Sie müssen unterscheiden zwischen dem Stadium der Voruntersuchungen und dem Stadium der baureifen Pläne. Im Stadium der baureifen Pläne befinden wir uns noch nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir darin einig, daß die Fertigung des Vorentwurfs auch dann zügig vorangetrieben werden muß, wenn die Finanzierung eines solchen Planes in späteren Haushaltsjahren noch nicht im einzelnen feststeht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, ich bin dieser Auffassung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frage XIII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer —:
Hält die Bundesregierung die Schrift „Der Feldzug gegen die Zigarette" von Paul Seufert für einen Beitrag zur Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Zigarettenrauchen?
Herr Kollege, die von Ihnen genannte Schrift ist mir bekannt. Ich bin dankbar für
7580 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Bundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
jeden Beitrag zur Aufklärung über die Schädlichkeit des Zigarettenrauchens.
Frage XIII/2 — des Herrn Abgeordneten Hilbert —:
Sind der Frau Bundesgesundheitsministerin die Verfahren des Dr. Kober, Lichtenfels, bekannt, die den Nikotinentzug bei Tabak zum Ziele haben?
Die Antwort lautet: Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hilbert.
Ist Ihnen wengstens das Verfahren bekannt, und haben Sie nicht Untersuchungen angestellt, ob dieses Verfahren überhaupt irgendwelche Konsequenzen haben könnte?
Ich habe im Jahre 1961 ein sehr allgemein gehaltenes Schreiben von Herrn Kober bekommen. Das Verfahren als solches ist mir nicht bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir müssen noch einmal zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr zurückkehren. Auf der Drucksache IV/2815 befinden sich noch zwei Fragen aus diesem Geschäftsbereich. Ich rufe die erste Frage — des Herrn Abgeordneten Folger — auf:
Was wird die Bundesregierung tun, um ein so gefährliches Versagen der Autobahnverwaltung bei Schneefall in Zukunft zu verhindern, wie es am letzten Wochenende in Bayern der Fall war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man kann bei den Folgen der am letzten Wochenende plötzlich eingetretenen Schneefälle kaum von einem Versagen des Straßenwinterdienstes auf den Autobahnen sprechen. Vielmehr war der Straßenwinterdienst auch in Bayern vom Donnerstag bis Sonntag Tag und Nacht ununterbrochen eingesetzt. Das Schneeräumen und Streuen war jedoch stellenweise deswegen mehr oder weniger wirkungslos, weil der Schneefall von Sturm begleitet war und die eben geräumte Fahrbahn sofort wieder zugeweht und das Streugut vom Schnee wieder bedeckt wurde.
Herr Abgeordneter, ich bitte anzuerkennen, daß es sich hier um Fälle höherer Gewalt handelt, die nicht nur im Straßenverkehr, sondern bei allen Verkehrsmitteln eingetreten sind. Ich selber habe in den späten Abendstunden des Donnerstag bei einer Fahrt durch die Eifel diese Schwierigkeiten erlebt. Mir sind aber auch noch während dieser Fahrt die Räumwagen der Straßenbauverwaltung begegnet.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß dieser plötzliche Überfall vorauszusehen war, weil er erstens jedes Jahr kommt und zweitens die Wettervorhersage das schon tagelang vorausgesagt hat, daß aber der Beginn der Räumungsaktion viel zu spät angeordnet worden ist und dann das Personal nicht mehr durchgekommen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter, daß die Maßnahmen zu spät angeordnet worden sind. Ich habe, wie gesagt, das selbst erlebt. Ich bin während der Fahrt nach Einsetzen des Sturmes und des Schneefalls bereits den Räumungswagen auf der einen Strecke begegnet.
Im übrigen hat sich herausgestellt — das geht auch aus den vorliegenden Berichten hervor —, daß teilweise die Räumungswagen zwischen Pkws und Lkws eingekeilt worden sind, die mangels Schneereifen steckengeblieben sind, sich quergestellt haben und erst wieder herausgeholt werden mußten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß gerade in solchen Fällen der Rundfunkwarndienst noch ausgebaut wird, zumal er sich in anderen Fällen durchaus bewährt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter, das will ich tun.
Ich rufe die Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Lemmrich — auf :
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf die Deutsche Bundesbahn einzuwirken, um an den großen Bahnhöfen geeignete Warteräume für jugendliche Berufstätige einzurichten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht leider keine Möglichkeit, im Sinne Ihrer Frage auf die Deutsche Bundesbahn einzuwirken. Nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn gehört es nicht zu ihren Aufgaben, besondere Warteräume für jugendliche Berufstätige — dies gilt selbstverständlich auch für Schüler — in den Empfangsgebäuden einzurichten. Es wäre in solchen Fällen wohl eher Sache der Firmen, ihre auswärts wohnenden Jugendlichen bis zur Abfahrt der Verkehrsmittel zu betreuen, ähnlich wie das viele Schulen tun, die ihren auswärtigen Schülern dafür Schulzimmer zur Verfügung stellen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß es zahlreiche kleine Betriebe gibt, die solche Räume nicht einrichten können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir bekannt, Herr Abgeordneter. Mir ist aber auch bekannt, daß für solche Fälle die Gemeinden Abkommen mit der
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7581
Staatssekretär Dr. Seiermann
Deutschen Bundesbahn getroffen haben und die Kosten der Einrichtung und Unterhaltung dieser Räume übernehmen.
Eine zweite und letzte Zusatzfrage!
Ist der Bundesregierung bewußt, daß hier ein dringendes Problem vorliegt, weil heute viele ausländische Arbeitskräfte ihren Aufenthalt auf den Bahnhöfen nehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir durchaus bekannt, Herr Abgeordneter. Aber ebenso ist Ihnen die Wirtschafts- und Ertragslage der Deutschen Bundesbahn bekannt, die sich auf die unmittelbar notwendigen und dringenden Aufgaben beschränken muß.
Damit sind die Fragen an den Herrn Bundesminister für Verkehr erledigt.
Wir kehren zurück zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe .die Frage XIII/3 — des Herrn Abgeordneten Hilbert — auf:
Hält die Frau Bundesgesundheitsministerin das in Frage XIII/2 genannte Verfahren für erprobt und praktisch anwendbar?
Zur Beantwortung die Frau Gesundheitsministerin.
Herr Hilbert, ich habe Ihnen schon gesagt, daß Herr Dr. Kober mir 1961 in einemallgemein gehaltenen Schreiben mitgeteilt hat, daß es ein derartiges Verfahren gibt. Zu der Frage, ob das Verfahren erprobt und praktisch anwendbar ist, kann ich mich leider nicht äußern.
Zusatzfrage!
Frau Ministerin, würden Sie sich angesichts der Bedeutung, die das Verfahren für die Volksgesundheit haben könnte, wenigstens darum kümmern?
Es ist die Frage — und ich bin
gern bereit, sie durch das Bundesgesundheitsamt prüfen zu lassen —, ob das Verfahren gegenüber den anderengebräuchlichen Verfahren auf diesem Gebiet Vorteile hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.
Frau Ministerin, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Gefährlichkeit des Zigarettenrauchens — nach dem amerikanischen Bericht „Rauchen und Gesundheit" — gar nicht so sehr im Nikotin liegt, weil sich das Nikotin sehr rasch im Körper zersetzt, vielmehr in den krebserzeugenden Kohlenwasserstoffen, die im Tabak und im Zigarettenpapier bei der Verbrennung entstehen?
Das ist uns durchaus bekannt, Herr Dr. Bechert. Deshalb richten wir unsere Öffentlichkeitsarbeit sehr darauf aus, vor allem Jugendliche vor einem starken Zigarettenrauchen zu warnen.
Wir kommen zur Frage XIII/4 — des Herrn Abgeordneten Hilbert -:
Ist die Frau Bundesgesundheitsministerin — bei Bejahung der Frage XIII/3 - bereit, aus diesen Erfahrungen Nutzanwendungen zu ziehen durch Empfehlungen an die Tabakindustrie oder gar durch entsprechende Verordnungen oder Gesetze?
— Die Frage ist erledigt.
Ich rufe dann die Frage XIII/5 — dies Herrn Abgeordneten Büttner — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der unterschiedlich beurteilten Lage der Fleischbeschauer, die arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer, sozialversicherungsrechtlich als Angestellte, steuerrechtlich als selbstandige Unternehmer und strafrechtlich wie Beamte behandelt werden, dafür einzutreten, im Einvernehmen mit den Ländern zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen?
Die Bundesregierung hält eine Neuregelung für nötig, durch die die Rechtsstellung der nebenberuflich tätigen Beschauer eindeutig bestimmt wird. Eine Besprechung über diese Neuregelung hat Mitte November dieses Jahres mit den leitenden Veterinärbeamten der Länder stattgefunden.
Herr Abgeordneter Büttner zu einer Zusatzfrage!
Frau Bundesminister, darf ich fragen, in welcher Richtung diese Besprechung gegangen ist und welches Ergebnis dabei schon herausgekommen ist?
Herr Kollege Büttner, wir würden die Sache selbst nicht fördern, wenn ich Ihnen in dem augenblicklichen Stadium der Beratungen bereits Ergebnisse vortragen würde. Daß es uns auf eine eindeutige Klärung der Rechtslage ankommt, ist klar. Sie ist etwas schwierig, wie sich ja auch aus den Entscheidungen des obersten Gerichts ergibt.
Ich rufe die Frage XIII/6 — des Abgeordneten Büttner -- auf:
Hält die Bundesregierung die folgende Ergänzung des § 4 des Fleischbeschaugesetzes vom 29. Oktober 1940 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 15. März 1960 für zweckmäßig:
„Die Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer üben, soweit sie nicht als Beamte oder BAT-Angestellte tätig sind, auf Grund der Bestellung durch die zuständige Bestellungsbehörde ihre Tätigkeit in einem abhängigen Arbeitnehmerverhältnis zum Kostenträger der Schlachttier- und Fleischbeschau aus. Die arbeitsrechtlichen Fragen des vorgenannten Personenkreises werden durch Tarifvertrag geregelt."?
7582 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Herr Kollege Büttner, hier muß der Bundestagspräsident sich selber kritisieren und mißbilligen, daß er diese Frage in dieser Form zugelassen hat; denn sie entspricht nicht der Vorschrift der Ziffer 6 der Richtlinien für die Fragestunde:
Die Anfragen müssen kurz gefaßt sein und eine kurze Beantwortung ermöglichen.
Ich habe sie also laufen lassen. Aber jetzt zur Beantwortung!
Herr Präsident, ich 'bin trotzdem bereit, sie kurz zu beantworten.
Das ist ausgezeichnet. Ich wollte nur die Frage kritisieren.
Der Ihrer Frage zugrunde liegende Gedanke war bereits Gegenstand der bisherigen Erörterungen. Eine abschließende Stellungnahme kann ich noch nicht abgeben. Die unterschiedliche höchstrichterliche Rechtsprechung zeigt, welche Schwierigkeiten in der Frage stecken.
Herr Abgeordneter, eine Zusatzfrage? —
Ich rufe die Frage XIII/7 — des Abgeordneten Büttner — auf:
Falls Frage XIII/6 bejaht wird: Welche Initiativen sind bisher ergriffen?
Wir haben mit den beteiligten Ressorts, den Ländern und den interessierten Verbänden verhandelt.
Zusatzfrage!
Können Sie mir, Frau Minister, sagen, wann etwa mit einem Abschluß zu rechnen ist?
Wann ein Gesetzentwurf vorgelegt werden kann, kann ich Ihnen mit einiger Sicherheit nicht sagen, weil das von dem Verlauf der Verhandlungen abhängt.
Zweite Zusatzfrage!
Darf ich Sie Frau Minister, weil das Durcheinander in dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik ziemlich groß ist und weil eine einheitliche Auslegung und eine einheitliche Anwendung der Bestimmungen im gesamten Gebiet dringend erforderlich sind und weil auch von Ihrem Ministerium schon vor Jahren die Anregung gegeben wurde, initiativ zu werden, bitten, die Sache forciert zu bearbeiten, damit sie endlich zum Abschluß kommt?
Herr Kollege, meine Mitarbeiter und ich sehen durchaus die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Lösung, und wir bemühen uns, sie sobald wie möglich zu finden.
Ich rufe auf die Fragen XIII/8, XIII/9 und XIII/10 — des Abgeordneten Leicht:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß nach dem BundesSeuchengesetz für die Einstellungsuntersuchung und für die jährliche Wiederholungsuntersuchung in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Gebühren erhoben werden?
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß die Gebühren für die Einstellungsuntersuchung und die jährliche Wiederholungsuntersuchung nach dem Bundes-Seuchengesetz im ganzen Bundesgebiet von der öffentlichen Hand übernommen werden sollten, da diese Untersuchungen als öffentliche Aufgaben anzusehen sind?
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß für die Einstellungsuntersuchung und die jährliche Wiederholungsuntersuchung nach dem Bundes-Seuchengesetz im ganzen Bundesgebiet einheitliche Gebühren erhoben werden sollten, wenn es sich nicht erreichen lassen sollte, die Untersuchungen als öffentliche Aufgaben zu erklären?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 11. Dezember 1964 lautet:
Zu Frage XIII/8
Das ist der Bundesregierung bekannt.
Zu Frage XIII/9
Die Bundesregierung vermag nicht die Auffassung zu teilen, daß die Kosten für die Einstellungs- und Wiederholungsuntersuchungen von der öffentlichen Hand zu tragen sind.
Zu Frage XIII/10
Es erscheint der Bundesregierung wünschenswert, daß für die Einstellungs- und Wiederholungsuntersuchungen nach dem Bundes-Seuchengesetz im ganzen Bundesgebiet einheitliche Gebühren erhoben werden.
Ich rufe die Frage XIII/11 — des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm — auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es angesichts der wirtschaftlichen Lage der deutschen Krankenhäuser nicht zu vertreten ist, die Änderung der Bundespflegesatzverordnung, für die seit 18. Juni 1953 ein verabschiedungsreifer Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vorliegt, durch Kompetenzstreit zwischen zwei Bundesressorts weiter zu verzögern?
Herr Kollege Hamm, die Verzögerung, die auch ich bedauere, beruht nicht auf Kompetenzstreitigkeiten; die gibt es nicht. Sie beruht darauf, daß noch Sachfragen zu lösen sind. Die Bundesregierung hält u. a. noch eine Lageanalyse für erforderlich.
Zusatzfrage.
Frau Ministerin, wie läßt sich Ihre Antwort damit vereinbaren, daß mir mitgeteilt worden ist, seit dem 18. Juli 1953 liege ein verabschiedungsreifer Entwurf zur Änderung der Bundespflegesatzverordnung beim Bundeswirtschaftsministerium vor?
Dieser Entwurf ist in einer Kabinettssitzung besprochen worden. Die Bundesregierung hielt, wie ich Ihnen sagte, noch eine Lageanalyse für erforderlich.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7583
Ich rufe auf die Frage XIII/12 — des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der anerkannten Notwendigkeit einer Novellierung der Bundespflegesatzverordnung unverzüglich nachzukommen?
Die Verhandlungen zwischen den Ressorts werden beschleunigt. Außer der Novellierung der Pflegesatzverordnung müssen auch noch andere Möglichkeiten für eine sachgerechte Regelung der Pflegesätze geprüft werden. Dies nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch.
Zusatzfrage.
Welche anderen Möglichkeiten faßt die Bundesregierung neben der Novellierung der Bundespflegesatzverordnung ins Auge?
Die andere Möglichkeit, die jedenfalls zu erörtern ist, ist die, ob man die Regelung nicht Verträgen zwischen den Krankenanstalten und den Versicherungsträgern überlassen soll.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Hamm.
Ist das ein neuer Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums?
Nein, das ist nicht richtig, aber das ist eine Möglichkeit, die in die Debatte gekommen ist und die erörtert werden muß, — nicht als Vorschlag meines Hauses.
Ich rufe die Frage XIII/13 — des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm — auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Einfuhr ohne Registrierung, die Abgabe angeblich zu Forschungszwecken und die Anpreisung eines gelben Pulvers, das Bamfolin heißt und gegen Krebs helfen soll?
Herr Kollege Hamm, Bamfolin ist im Herstellungsland Japan noch in der Erforschung. Ob es gegen Krebs hilft, ist noch nicht festzustellen. Eine Abgabe zu Forschungszwecken ist in Deutschland erlaubt, nicht dagegen eine Anpreisung als Krebsmittel in der Öffentlichkeit.
Eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, würden Sie die meines Erachtens großzügige Auslegung des Arzneimittelgesetzes in diesem Punkte aufrechterhalten, wenn Sie folgendes wüßten: Erstens, daß die Illustrierte, die dieses angebliche Krebsmittel in großer Aufmachung herausgestellt hat, bei Leserzuschriften darauf hinweist, man solle sich an die Deutsche Forschungsgemeinschaft für Bamfolinwenden, und zweitens, daß den Ärzten von dieser angeblichen Forschungsgemeinschaft nahegelegt wird, Mitglieder dieser Forschungsgemeinschaft zu werden. Das geschieht mit dem Hinweis, sie oder ihre eventuell todkranken Patienten könnten bei Knappheit von Bamfolin besser berücksichtigt oder gar bevorzugt werden, wenn ,sie Mitglieder dieser Forschungsgemeinschaft seien?
Herr Kollege, ich trete in dieser Frage keineswegs für eine großzügige Auslegung des Arzneimittelgesetzes ein. Soweit sich diese Forschungsgemeinschaft an Ärzte mit der Bitte um Mithilfe bei der Erforschung wendet, ist sie im Einklang mit der Rechtslage. Soweit sich diese Forschungsgemeinschaft oder etwa illustrierte Zeitungen mit einer Anpreisung an die Öffentlichkeit, insbesondere an die Laienwelt wenden, würde dies der Polizeiverordnung über Heilmittelwerbung widersprechen. Es ist also z. B. verboten, daß dieses Mittel als ein Mittel gegen Geschwulstkrankheiten angepriesen wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Ministerin, wären Sie bereit, ,an die zuständigen Landesbehörden mit der Bitte heranzutreten zu prüfen, ob hier mit der Behauptung „Forschung" eine Umgehung der Abgabevorschriften des Arzneimittelgesetzes vorliegt?
Ich werde die Unterlagen, die ich habe, unter diesem Gesichtspunkt prüfen und bin auch dankbar für alle Unterlagen, die mir in dieser Hinsicht beigebracht werden können.
Wir kommen zu den Fragen auf Drucksache IV/2815. Ich rufe auf die Frage I — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Hält der Herr Bundesfinanzminister es für richtig, daß Paketsendungen nach Mitteldeutschland nur dann steuerlich begünstigt werden, wenn die Pakete an Angehörige verschickt werden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf Drucksache IV/2815 auf. Zunächst die Frage III/1 — des Herr Abgeordneten Dr. Kübler —:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Sprechfunk zwischen Funkamateuren verschiedener Länder der internationalen Verständigung dient?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bun-
7584 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Staatssekretär Bornemann
desregierung ist durchaus der Auffassung, daß die Funkveribindungen zwischen Funkamateuren verschiedener Länder auch der internationalen Verständigung dienen können. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es die eigentliche Aufgabe des Amateurfunks ist, technisch besonders interessierten Personen die Möglichkeit zu geben, sich mit der Funktechnik und dem Funkbetrieb praktisch zu befassen.
Ich rufe die Frage III/2 — des Abgeordneten Dr. Kübler — auf:
Warum fordert die Bundesregierung als Voraussetzung für die Genehmigung einer Amateurfunkstelle die Prüfung des Antragstellers im Morsen, obwohl die Vollzugsordnung für den Funkdienst zum Internationalen Fernmeldevertrag, Genf 1959, dies bei Frequenzen über 144 MHz nicht mehr verlangt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch die Vollzugsordnung für den Funkdienst zum internationalen Fernmeldevertrag, Genf 1959, werden die Mitgliedsländer keineswegs verpflichtet, auf den Prüfungsteil „Hören und Geben von Morsezeichen" zu verzichten.
Für die Bundesrepublik Deutschland gelten demgemäß zur Zeit das Gesetz über den Amateurfunk vom 14. März 1949 und die Verordnung zur Durchführung dieses Gesetzes vom 23. März 1949, wonach die Ablegung der sogenannten Morseprüfung eine rechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Amateurfunkgenehmigung ist. Es ist jedoch beabsichtigt, die vorstehend erwähnte Verordnung durch eine Neufassung zu ersetzen, mit der eine zusätzliche Amateurfunkgenehmigung — die sogenannte Klasse C — eingeführt wird. Diese Genehmigung soll nur den Betrieb auf Frequenzen über 144 Megahertz gestatten, und in der Amateurfunkprüfung, die zum Erwerb dieser Genehmigung abzulegen ist, soll auf den Prüfungsteil „Hören und Geben von Morsezeichen" verzichtet werden. Die Neufassung der Verordnung ist in Arbeit. Es ist damit zu rechnen, daß sie im Laufe des ersten Halbjahres 1965 erlassen werden kann.
Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung — des Herrn Abgeordneten Wagner —:
Auf welche Beschlüsse des Wissenschaftsrats begründet sich die Kritik, die der Präsident Prof. Raiser im Namen des Gremiums an dem Gesetzgebungsprogramm der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen vor Journalisten geübt hat?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, den Äußerungen, die der Vorsitzende des Wissenschaftsrates — er heißt bescheiden „der Vorsitzende", nicht „der Präsident" — vor der Presse abgegeben hat, liegen keine ausdrücklichen Beschlüsse des Wissenschaftsrates zugrunde, sondern nur allgemeine Empfehlungen, das Problem anzusprechen.
Präsidena D. Dr. Gerstenmaier: Zusatzfrage!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, halten Sie die von Herrn Professor Raiser ausgedrückte Befürchtung, daß am Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr genügend Mittel für die Wissenschaftsförderung zur Verfügung stehen, für begründet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich halte sie vielleicht nicht direkt für begründet, aber ich verstehe die Sorge, die den Vorsitzenden des Wissenschaftsrates bewogen hat, sie so auszudrücken.
Keine weitere Zusatzfrage! Meine Damen und Herren, ich breche ab. Die Fragestunde ist vorüber. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf:
Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
Nach § 13 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages vom 26. Juni 1957 wählt der Bundestag den Wehrbeauftragten in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Die Berliner Mitglieder des Hauses sind stimmberechtigt. Eine Aussprache findet nicht statt. Es können deshalb jetzt nur Wahlvorschläge gemacht werden.
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen vor, den Kollegen Matthias Hoogen zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages zu wählen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Vorgeschlagen ist Herr Matthias Hoogen, derzeit Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Werden andere Vorschläge gemacht? — Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, es liegt dem Hause also nur ein Wahlvorschlag vor — den Sie soeben gehört haben —, in dem der Bundestagsabgeordnete Matthias Hoogen vorgeschlagen wird.
Ich habe festgestellt, daß der Vorgeschlagene die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten erfüllt, d. h. insbesondere, daß er mindestens ein Jahr lang Soldat gewesen ist.
Gewählt werden kann nur der vorgeschlagene Kandidat. Stimmkarten, die andere Namen tragen, sind ungültig.
Ich bitte zunächst die Schriftführer, sich zur Listenkontrolle zu melden und die Stimmzettel entgegenzunehmen.
— Einen Augenblick, erst müssen die Schriftführer dasein: Herr Abgeordneter Giencke, Herr Abgeordneter Spies und Frau Kettig als Schriftführer.
Ich eröffne die Wahl. Ich bitte Sie, die weißen unbedruckten Stimmkarten zu benutzen und sie in die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7585
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
bereitliegenden Umschläge zu stecken. Ich schlage vor, wie folgt abzustimmen. Wer für den Vorschlag Hoogen ist, schreibt „Ja". Wenn Sie „Hoogen" schreiben, dann schreiben Sie eben ein paar Buchstaben mehr; das gilt auch. Wer dagegen ist, schreibt „Nein". Wer sich der Stimme enthalten will, gibt eine weiße Stimmkarte ab. — Das Haus ist damit einverstanden. Es wird so verfahren.
Die Damen und Herren Schriftführer sind an der Urne. Ich bitte nunmehr den Schriftführer an meiner Rechten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.
Der Namensaufruf ist beendet. Sind noch Mitglieder im Hause, die ihre Stimmkarte nicht abgegeben haben? — Die Abstimmung ist geschlossen. Die Auszählung beginnt.
Ich unterbreche die Sitzung für eine Viertelstunde.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Für Herrn Hoogen haben 270 Mitglieder des Hauses gestimmt.
Mit Nein haben 174 Mitglieder des Hauses gestimmt, der Stimme enthalten haben sich 11 Mitglieder des Hauses.
Nach § 13 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages — das sind mindestens 261 Stimmen — auf sich vereinigt. Ich stelle fest, daß Herr Hoogen mit 270 Stimmen und somit mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zum Wehrbeauftragten des Bundestages gewählt ist.
Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Hoogen, nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
Ich stelle hiermit die Annahme der Wahl zum Wehrbeauftragten fest.
Herr Abgeordneter — noch immer Abgeordneter! —, da Sie die Wahl zum Wehrbeauftragten angenommen haben, müssen Sie Ihr Mandat als Bundestagsabgeordneter niederlegen. Ich frage, ob Sie jetzt Ihren Mandatsverzicht gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 5 des Bundeswahlgesetzes zur Niederschrift erklären.
Dazu bin ich bereit.
Dann bitte ich Sie, zu mir heranzutreten.
Meine Damen und Herren, die Niederlegung eines Mandats kann über einen Notar oder vor dem
Bundestagspräsidenten enfolgen. Der Bundestagspräsident ist gegenwärtig. Das Haus ist Zeuge. Das entspricht etwa der gehobenen Position, die Sie, Herr Kollege Hoogen, in diesem Hause elf Jahre lang als Vorsitzender eines der wichtigsten Ausschüsse, nämlich des Rechtsausschusses, eingenommen haben. Herr Kollege Hoogen, ich möchte Sie nicht aus Ihrem Mandat scheiden lassen, ohne Ihnen den Dank des Hauses für die treue Arbeit auszusprechen, die Sie diesem Haus in diesem Amt in elf Jahren geleistet haben.
Sie gehören dem Deutschen Bundestag seit seinem ersten Zusammentreten im Jahre 1949 an, Sie sind 15 Jahre Bundestagsabgeordneter, davon elf Jahre Vorsitzender des Rechtsausschusses. Herr Kollege Hoogen, ich freue mich, daß Sie diesem Hause nunmehr in anderer Weise und in anderem Dienst erhalten bleiben.
Ich darf fragen, ob Sie die folgende Erklärung zu unterzeichnen bereit sind:
Ich erkläre hiermit dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, daß ich auf meine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichte.
Bitte sehr. — Meine Damen und Herren, der Herr
Abgeordnete Hoogen hat sein Mandat niedergelegt.
Der Wehrbeauftragte hat nach § 14 Abs. 4 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten bei der Amtsübernahme den im Grundgesetz in Art. 56 vorgeschriebenen Eid zu leisten. Sind Sie dazu bereit? — Ich bitte Sie, den Eid zu leisten.
Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Herr Wehrbeauftragte den nach Art. 56 des Grundgesetzes vorgeschriebenen Eid vor dem Bundestag geleistet hat.
Herr Wehrbeauftragter, ich spreche Ihnen die Glückwünsche des Hauses aus und wünsche Ihnen Gottes Segen für Ihre Amtsführung.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
a) Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. die Lage in der Bundeswehr ,
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verteidigung über den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksachen IV/2305, IV/2795).
7586 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wer wünscht das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP? — Herr Abgeordneter Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt ein altes Soldatenwort, das heißt: „Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens." Das war so am Mittwoch, als wir nicht mehr dazu kamen, die Wehrdebatte zu führen, die wir heute vorhaben, und das war ein bißchen auch heute früh so. Aber heute haben wir alle für eine gute Sache gewartet. Ich freue mich, daß es gelungen ist, in so kurzer Zeit das Amt des Wehrbeauftragten wieder zu besetzen. Ich möchte namens der Fraktion der Freien Demokraten dem neuen Wehrbeauftragten Glück und Erfolg für die unabhängige Führung seines Amts wünschen.
Die Unterstützung meiner Fraktion wird er haben.
Lassen Sie mich nun zur Begründung der Großen Anfrage der Freien Demokraten übergehen.
In die Geschichte der Bundeswehr, wenn sie einmal geschrieben werden sollte, wird ohne Zweifel das Jahr 1964 als das Jahr eingehen, in dem die Politiker begannen, sich mit dem inneren Aufbau und den Details innerhalb der Bundeswehr zu beschäftigen.
Frühere Wehrdebatten in diesem Hause standen ganz unter dem Zeichen der großen strategischen Überlegungen. Es wurde gesprochen vom Schlag, vom Gegenschlag, von der massiven Vergeltung, und besonders gut klangen alle diese Worte, wenn sie in Englisch ausgesprochen wurden. Hinterher konnte man sich dann im Bundeshausrestaurant von der Schlacht in diesem Saal „relaxen".
Sich mit der inneren Verfassung der Streitkräfte zu beschäftigen, war mehr oder weniger den Debatten im Ausschuß für Verteidigung überlassen, wo wir uns recht intensiv bei der Beratung der verschiedenen Haushalte mit den internen Problemen der Bundeswehr beschäftigten. Wurden diese internen Probleme der Bundeswehr aber hier an diesem Pult der Öffentlichkeit bekanntgemacht, dann mußte man feststellen, daß das Interesse der Öffentlichkeit für diese internen Probleme nicht so groß war. Das Interesse galt mehr den großen Dingen der Strategie, über die jeder sprechen konnte. Deswegen hatten wir Freien Demokraten es nicht nötig, uns den Schuh anzuziehen, den verschiedene für uns bereitgehalten hatten, daß nämlich die für die Bundeswehr verantwortlichen Politiker in diesem Hause sich in den vergangenen Jahren nicht genügend mit den Berichten des Wehrbeauftragten beschäftigt hätten.
Unsere Große Anfrage, die wir gestellt haben, ist ein weiterer Beitrag, um die Diskussion über die internen Probleme der Bundeswehr in dieses Haus und damit auch in die Öffentlichkeit zu verlagern.
Das wesentliche Merkmal des Neuaufbaus der Streitkräfte war ohne Zweifel die Forderung nach dem Vorrang der Politik, ausgedrückt mit dem Wort „Primat der Politik". Ich glaube, wir sind uns alle klar darüber, daß Streitkräfte schon immer die Diener der Politik gewesen sind. Daß sie auch in dem neuen Staat, den wir haben, wiederum Diener der Politik sein müssen, ist wohl unbestritten. Aber der Vorrang der Politik für die Streitkräfte ist gerade in dieser unserer Zeit bei unserer Wehrgesetzgebung besonders stark betont und immer wieder herausgestellt worden. Wir sind der Auffassung, daß die politische Kontrolle, die politische Leitung auch für die Zukunft unangetastet bleiben muß, daß aber auf der anderen Seite dieser politische Auftrag und die politische Kontrolle auch den Kontrollierenden, nämlich den Politiker, verpflichten, sich zu überlegen, ob der von ihm gegebene Auftrag auch durchgeführt werden kann.
Auf dieses Problem zielt unsere Frage 3. Sie lautet:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß festgestellte Mängel und Mißstände nicht auf den Geist der Offiziere und Unteroffiziere der Truppe im allgemeinen schließen lassen, sondern vielmehr das Ergebnis eines überstürzten Aufbaus der Bundeswehr unter unseren besonderen Voraussetzungen und damit einer nicht ausreichenden Ausbildung und Anleitung in der modernen Menschenführung sind?
Ich kann mir die Antwort des Herrn Ministers, die er später geben wird, ausrechnen, soweit es das Wort „überstürzt" betrifft. Aber ich möchte doch sagen, daß hier ein Denkvorgang einsetzen muß, den ich mit dem „Grundsatz der inneren Führung für den Politiker" kennzeichnen möchte. Auch Soldaten sollen keine Aufträge erteilt werden, deren Durchführung die Grenzen allgemeiner menschlicher Leistungskraft übersteigt.
Im militärischen Bereich gibt es einen Grundsatz, der heißt: „Kein Befehl ist zu geben, dessen Undurchführbarkeit von vornherein feststeht." Ebenso sollten wir es im Verhältnis vom Politiker zum Soldaten halten.
Bis 1958 hatte die noch junge Truppe eine hohe Schlagkraft. Das war eigentlich als ganz erstaunliches Ergebnis festzustellen; das hatte man sich so nicht vorgestellt. Der Rückgang dieser Schlagkraft der Truppe begann mit den forcierten Neuaufstellungen 1959, wo, um nur in Beispiel zu nennen, aus einer Division zwei weitere aufzustellen waren. Die erforderliche Anzahl an Führern und Unterführern für diese neuen Vorhaben war nicht vorhanden. So meine ich, daß sich daraus ergebende Mängel in der Ausbildung und Anleitung auch im Rahmen der inneren Führung nicht dem militärischen Führer anzulasten sind, sondern daß für die politische Führung die letzte Verantwortung tragen muß.
Die Ausfüllung vorhandener Lücken an Personal durch Betrauung Wehrpflichtiger mit Unterführeraufgaben, wie es gemacht werden mußte, bringt natürlich eine organisatorische Lösung, aber ohne daß dieser Lösung ein qualitativer Inhalt verliehen würde.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7587
Schultz
Wir können heute sagen, daß dieses Problem schon im vergangenen Jahr erkannt worden ist, als Minister von Hassel sein Amt übernommen hatte. Denn er sagte: Die Streitkräfte müssen in eine Phase der Konsolidierung eintreten. Wir haben diese Initiative des Ministers ,sehr begrüßt, und wir haben auch durch den Entschließungsantrag vom April dieses Jahres gezeigt, daß wir den Weg, den er vorgeschlagen hat, zu gehen entschlossen sind.
Ein wesentliches Moment der Abschreckung ist die Schlagkraft der Truppe, mit der der Gegner zu rechnen hat. Bin langsameres Erreichen der Endzahl der Aufstellungsvorhaben, d. h. ein langsameres Erfüllen der NATO-Forderungen wäre ein Mehr gewesen, weil dadurch erreicht worden wäre, daß das Vertrauen der Soldaten in die politische Führung gestärkt worden wäre. Sie dürfen sich nicht dem Irrtum hingeben, daß man draußen, wenn man mit den Soldaten spricht, erfährt, daß von den Soldaten die politische Führung immer als bestens in Ordnung befunden wird. Vielmehr werden gerade die kleinen Schwierigkeiten, die durch den Unterführermangel als solchen entstehen, gegenüber dem Politiker als nicht notwendige bezeichnet.
Ohne nun in diese Dinge der Vergangenheit allzu tief einzusteigen, kann man heute doch wohl sagen, daß für dieses Aufstellungstempo zwar politische, außenpolitische Gründe maßgebend gewesen sind, daß man sich aber dieser Richtung geirrt hat. Man muß bereit sein, nun die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Die politische Führung gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn man auch einmal einen Irrtum zugibt, genauso wie wir im Rahmen der inneren Führung vom Soldaten verlangen, den Mut zu haben, einen von ihm begangenen Irrtum gegenüber den Untergebenen zuzugeben.
In der Frage 1 unserer Großen Anfrage haben wir gefragt:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um in der deutschen und ausländischen Öffentlichkeit den unberechtigten Vorwurf, in der Bundeswehr bestehe ein Trend zum Staat im Staate, nachdrücklich und überzeugend zu widerlegen?
In Frage 2 haben wir weiter gefragt:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die in der Truppe vorhandene Unruhe zu beseitigen, die durch eine verallgemeinernde Darstellung und Betrachtung vorhandener Mißstände entstanden ist?
Die Antwort auf diese beiden Fragen wurden diesem Hohen Hause an sich schon erteilt, und zwar in der 133. Sitzung am 25. Juni, in der die hier zitierten Vorwürfe von dem Bundeskanzler und den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und der FDP zurückgewiesen worden sind. Es erübrigt sich also fast, darüber noch etwas zu sagen.
Manche Dinge sollte man aber vielleicht noch unterstreichen. Wir sind davon überzeugt, daß in der Bundeswehr, im soldatischen Bereich, nicht die Absicht besteht, einen politischen Führungsanspruch anzumelden oder ein politisches Eigenleben zu führen. Gefahren bestehen jedoch — und sie werden immer bestehen — im psychologischen und im gesellschaftspolitischen Bereich, wenn es nicht gelingt, die Bundeswehr in unser demokratisches Leben als eine Selbstverständlichkeit einzuordnen. So hat es unser Fraktionsvorsitzender von Kühlmann-Stumm in der vorhin genannten Sitzung formuliert, indem er gesagt hat: „Die Bundeswehr ist kein notwendiges Übel, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit."
Zu dieser Erklärung, die ich noch einmal unterstreichen möchte, erlaube ich mir, vier Feststellungen zu treffen. Die deutsche Wiederbewaffnung ist, sowohl was die Nachkriegszeit als auch was die aktuellen politischen Verhältnisse zur Zeit der grundlegenden Gesetzgebung betrifft, unter schweren psychologischen Belastungen begonnen worden. An alle, die mit den Mitteln der öffentlichen Kommunikation über die Bundeswehr berichten, ist der Appell zu richten, diese Grundsituation bei den Berichten über die Bundeswehr gebührend in Rechnung zu stellen. Manchmal scheint es mir, daß man diese psychologischen Belastungen aus den Anfängen der Bundeswehr bei der Kritik an der Bundeswehr etwas aus dem Auge verliert. Die Freiheit der Meinungsäußerung, auf die wir stolz sind und die wir auf gar keinen Fall vermissen möchten, ja, für die wir kämpfen wollen, soll nicht bedeuten, daß man das Gebot der Fairneß außer acht läßt. In den Sendungen, die gebracht werden, muß der Unterschied zwischen Nachricht und Kommentar sowie die Person desjenigen, der den Kommentar gibt, immer erkennbar sein.
Große Worte im Bereich dieser Berichterstattung, wie z. B. die Bezeichnung „Luftrowdies" und „Luftganster" für Piloten, die einen Tiefflugauftrag durchführen, sind fehl am Platze.
Eine zweite Feststellung. Dem Satz: Wir können Vertrauen zur Bundeswehr haben, d. h. zu den Soldaten, den wir glücklicherweise sehr oft von namhafter Stelle hören, muß auch die Tat folgen. Ich will hierzu ein Beispiel geben; ich kann das um so eher tun, als ich mich zu diesem Punkt schon früher einmal geäußert habe. Ich bedauere, daß die im Laufe dieses Jahres mögliche Neubesetzung der Personalchefstelle im Ministerium durch einen Soldaten nicht erfolgt ist. Damit ist kein Werturteil über den jetzigen Inhaber der Stelle ausgesprochen; das ist zwar selbstverständlich, aber ich möchte es — damit keine Mißverständnisse entstehen — doch noch einmal unterstreichen. Ich möchte damit nur das Prinzip als solches ansprechen, das Prinzip nämlich, daß die wechselseitige Besetzung wichtiger Stellen durch zivile Beamte und Soldaten als möglich angesehen werden muß. Hier wäre eine Möglichkeit dafür gewesen, ein solches Vertrauen zu den Soldaten nach außen hin öffentlich zu dokumentieren. Ich glaube, das hätte manche Sorge um die Nachwuchsprobleme von uns genommen.
Wir müssen uns in dieser Frage mehr Unbefangenheit angewöhnen und mehr Vertrauen in die
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demokratische Struktur unserer Gesellschaft haben. Der Vorrang der Politik wird dadurch nicht angetastet. Es wird vielmehr gezeigt, daß wir Vertrauen zum Soldaten haben. Meiner Auffassung nach besteht die Gefahr, daß die von den Soldaten als zu Recht bestehend empfundene politische Kontrolle von diesen als politisches Mißtrauen gedeutet wird, und das ist es ja nicht, was wir wollen. Ich glaube, keiner hier im Hause will das. Das kann sonst nämlich zur Resignation, zur Abkapselung und zur inneren Emigration führen..
„Am Anfang des Aufbaus der Bundeswehr stand ein Maximum an juristischen und politischen Sicherheiten." Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Adalbert Weinstein. Ich teile seine Auffassung, die er jetzt äußert, daß wir hier wieder das rechteMaß finden müssen.
Weiter muß, so scheint mir, deutlich gemacht werden, daß Verteidigung Sache des ganzen Volkes ist. Es gibt heute keine Trennung zwischen Kampfzone und Heimatgebiet mehr. Soldat und Zivilist sitzen in einem Boot. Zur militärischen Gesetzgebung gehört daher die Notstandsgesetzgebung. Die militärische Verteidigung ist nur sinnvoll bei einer gleichzeitig vorhandenen zivilen Verteidigung. Man kann sagen, diese beiden Dinge sind die beiden Seiten der gleichen Medaille. Der Gedanke, daß nur ein Teil des Volkes Opfer für die Allgemeinheit bringt, ist auf die Dauer unerträglich. Wenn. die Notstandsgesetzgebung auch erst im 4. Bundestag in ein akutes Stadium getreten ist und Gestalt gewonnen hat, so meine ich doch, daß dieser Bundestag es als seine Aufgabe ansehen muß, dieses Gesetzgebungswerk zu vollenden.
An meine drei bisherigen Feststellungen möchte ich schließlich noch eine vierte anschließen. Sie richtet sich an die Bundeswehr. Ich habe so etwas den Eindruck, daß bei der Bundeswehr in manchen Orten eine gewisse Überempfindlichkeit festzustellen ist. Diese Überempfindlichkeit hat gerade im. Laufe dieses Jahres zu Reaktionen auf die Diskussion in der .Öffentlichkeit über interne Probleme der Bundeswehr geführt, die vielleicht besser unterblieben wären. Auch die Soldaten müssen sich daran gewöhnen, daß an ihnen — wie an allen Organisationen, die wir in unserem Staatsleben haben — in der Öffentlichkeit Kritik geübt wird. Auch die Landwirte, die Beamten usw. werden ja kritisiert, und es warnicht notwendig, daß sich nun jede Einheit den Schuh, der in der „Quick" fabriziert worden war, angezogen hat. Also etwas mehr Selbstsicherheit sollten wir auch auf dieser Seite wünschen.
Kritik am Soldaten gab es auch schon vor 1914, also in den, wie wir Jüngeren sagen, goldenen, seligen Zeiten, die nie mehr wiederkehren. Ich erinnere nur an das, was über den Leutnant mit Monokel und über den Kasinoton im „Simplicissimus" veröffentlicht worden ist.
Unsere Frage 4 lautet:
Ist die Bundesregierung bereit, den Truppen-
und Einheitsführern, insbesondere den mit der
Awsbildung unmittelbar Betrauten, die Selbständigkeit des Handelns und die Vertiefung der menschlichen Kontakte mit den auszubildenden Wehrpflichtigen durch eine Entbürokratisierung und eine übersichtliche, klare, einfache und gestraffte Verwaltung zu erleichtern und daraus die notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen?
Über die Entbürokratisierung hat Herr Minister von Hassel ja schon im Februar 1964 hier berichtet. Er sagte damals, der Papierkrieg sei um 60 % auf 40% vermindert worden, und er bat das Haus, es möge bei der weiteren Verminderung helfen. Diese Frage muß in der Tat immer wieder geprüft werden. Wir sind der Auffassung, daß die Beanspruchung der Truppe durch die zivile Verwaltung, durch eigene, militärische Stellen und vielleicht auch durch dieses Haus, also durch uns selber, reduziert werden muß. Wir sollten auch hier eine Faustzahl anstreben: der Kompaniechef nicht länger als zwei Stunden täglich am Schreibtisch.
Ich meine, da könnte man noch manches tun. Fehlmeldungen könnten auch durchs Telefon abgegeben und brauchten nicht formularmäßig weitergeleitet zu werden. Wir werden uns überlegen müssen, ob wir nicht das Disziplinarrecht vereinfachen können. In diesem Bereich hat es ja schon einmal eine Novelle gegeben; aber mir scheint, daß es damit noch nicht getan ist. Wir sind bereit — das darf ich hier erklären —, in diesem Hause und im Ausschuß für Verteidigung Wünsche des Ministeriums und Möglichkeiten in dieser Beziehung wohlwollend zu diskutieren und die entsprechenden Folgerungen zu ziehen.
Ich stimme hier wahrscheinlich mit Ihnen überein, wenn ich sage, der Verteidigungsausschuß kann das nicht allein machen, sondern wird hier mit anderen Ausschüssen zusammenwirken müssen.
In den Fragen 5 und 6 fragen wir:
Was beabsichtigt die Bundseregierung zu tun, um den Mangel an Offizieren und Unteroffizieren schnell und wirksam zu beheben?
Ist die Bundesregierung bereit, die Laufbahnrichtlinien für Offiziere und Unteroffiziere sowie die Fürsorgemaßnahmen durchgreifend zu verbessern und Vorschläge für die Besoldung vorzulegen, die der Verantwortung, der Funktion und den Spezialkenntnissen des einzelnen Offiziers und Unterofifziers mehr als bisher Rechnung tragen?
Ein wesentlicher Punkt in dieser Frage ist das Problem des Mitdenkens und der Mitverantwortung. Wir wissen, daß ein wesentlicher Ausdruck der Inneren Führung die Forderung ist, den Soldaten zum mitdenkenden und mitverantwortlichen Mitkämpfer zu erziehen. Ich darf hierbei allerdings auf die für den Soldaten gegebene Einschränkung des Art. 17 a des Grundgesetzes hinweisen und daran die Bemerkung knüpfen, daß ich manchmal den Eindruck gewinne, daß das Mitdenken nicht so ganz erwünscht ist, insbesondere wenn es sich um Überlegungen handelt, die nicht ganz konform mit der Meinung des Hauses sind. Wir sollten hier als
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Politiker den Mut haben, diese Dinge etwas leichter zu nehmen und zu sagen, daß auch in Verteidigungsfragen Diskussion nur von Nutzen sein kann. Demokratisches Leben, demokratisches Regieren kann sowieso nur gestaltet werden, wenn man diskutieren kann, und das brauchen wir auch im Verteidigungsbereich.
Das Ansehen der Offiziere und Unteroffiziere in der Öffentlichkeit hängt von ihrer Leistung ab. Eine höhere Leistung kann aber nur durch eine längere und intensivere Ausbildung erzielt werden. Die Ansätze dazu sind in der Phase der Konsolidierung gesetzt; wir müssen uns aber überlegen, was wir für die weitere Entwicklung dieser Ansätze noch tun können.
Ich möchte auch dazu ein Beispiel geben. Ich bin nicht sicher, daß die Laufbahnrichtlinien nicht bald überprüft werden müssen. Ich weiß nicht, ob in den Laufbahnrichtlinien für Offiziere und Unteroffiziere dem Übergewicht der Technik in den Streitkräften entsprechend Rechnung getragen wird. Wir denken immer noch in dem Bilde des Einheitsoffiziers, d. h. des Rundum-Offiziers, der alles beherrschen muß, und dasselbe gilt auch für den Unteroffizier. Ich glaube, daß wir damit nicht den Problemen gerecht werden, sondern daß wir uns eine frühere Differenzierung, eine frühere Spezialisierung, die aber trotzdem die Möglichkeit des Aufsteigens in der Stufenleiter enthält, überlegen müssen. Das sind keine Dinge, für die wir sehr lange Zeit haben, sondern sind Dinge, die kurzfristig angegangen werden müssen.
Ich bin weiter der Auffassung, daß wir ähnliche besondere Richtlinien, wie wir sie für die Ausbildung der Sanitätsoffiziere haben, auch im technischen Bereich anwenden müssen. Wie soll das Pensioniertwerden der Offiziere in höheren technischen Stellen, die neben dem Offiziersdienstgrad auch den Grad des Diplomingenieurs haben, sonst ausgeglichen werden? Ich will damit nicht ein Wort aufgreifen, das vorgestern in der kulturpolitischen Debatte gefallen ist, nämlich das Wort vom „Fachidioten". So ist es nicht. Aber wir haben doch sehr gewichtige Gründe dafür, eine bessere Berücksichtigung der Technik in den Streitkräften zu fordern.
Ich bin des weiteren der Meinung, daß wir uns neue Gedanken auch über das Zulagenwesen in der Bundeswehr machen müssen. Hier sind sowohl das Haus und seine verschiedenen Ausschüsse aufgerufen wie natürlich auch die verschiedenen Ressorts in der Regierung, die mit den Fragen ja alle etwas befaßt sind. In der Fragestunde ist vor einiger Zeit insbesondere über den Mangel an Sanitätsoffizieren gesprochen worden. Ich habe mich inzwischen belehren lassen, daß z. B. Militärpfarrer bestimmte Zulagen bekommen — das hat, glaube ich, der Haushaltsausschuß beschlossen —, damit der Unterschied zwischen dem Dienst in der Bundeswehr und dem Dienst in den Landeskirchen ausgeglichen wird. Ich glaube, wir müssen den entsprechenden Unterschied auch bei den Ärzten in Rechnung stellen, insbesondere nachdem jetzt die PREUGO-Sätze erhöht worden sind, wodurch sich die Diskrepanz zwischen dem
Sanitätsoffizier und dem draußen praktizierenden Arzt noch sehr verstärkt.
Wir fragen dann in den Ziffern 7 und 8:
Wie will die Bundesregierung in Zukunft vermeiden, daß die Familien von Berufssoldaten, insbesondere aber die schulpflichtigen Kinder, durch zu häufige Versetzungen der Ehegatten und Väter Schaden nehmen?
Was will die Bundesregierung tun, um den Offizieren und Unteroffizieren in den Bereichen, in denen sie stationiert sind, einen engeren und dauernden Kontakt mit den Angehörigen aller anderen Berufe zu ermöglichen?
Die Häufigkeit von Versetzungen ist in diesem Hause von Sprechern aller Fraktionen immer wieder beklagt worden, und es ist immer wieder eine Änderung gewünscht worden. Als Zeugen dafür darf ich besonders Herrn Kollegen Kliesing benennen, der dieses Kapitel immer wieder als ein Zentralproblem angesprochen hat. Es ist zwar sicher, daß in diesen Dingen eine gewisse Beruhigung eingetreten ist. Wir müssen aber immer wieder fordern, daß in dieser Hinsicht noch mehr als bisher geschieht. Wir wissen, daß eine Versetzung einen Schwanz von Versetzungen nach sich zieht; denn durch jede Versetzung wird ein Loch aufgerissen, das natürlich wieder gefüllt werden muß, und das pflanzt sich weiter fort.
Ein wirksames Gegenmittel gegen allzu häufige Versetzungen wäre eine Regelung dahin gehend, daß die Planstellen auch mit einem höheren Dienstgrad als dem, für den die Planstelle als solche ausgewiesen ist, besetzt werden können, daß also auch auf diesen Planstellen befördert werden kann. Ein Beispiel: Besetzung einer Bataillonskommandeurstelle, die im allgemeinen eine M-Stelle, also eine Majorsstelle ist, durch Major, Oberstleutnant oder Oberst; einer Kompaniechefstelle z. B. durch Hauptmann oder Major. Dadurch würden Versetzungen wegfallen, die sonst notwendig werden, weil anders eine Beförderung des betreffenden Offiziers — oder auch Unteroffiziers; bei den Unteroffizieren ist es ähnlich — nicht möglich ist.
Das sind natürlich Probleme, die auch dieses Haus beschäftigen müssen, die den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß insbesondere angehen, und ich möchte an unsere Kollegen dort appellieren, wenn sie sich mit diesen Fragen befassen, unvoreingenommen an diese Dinge heranzugehen und entsprechende Wünsche, die vom Verteidigungsausschuß oder von Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß vorgebracht werden, ernsthaft zu prüfen.
Auch die Differenzierung der Laufbahnen in den Laufbahnrichtlinien, von der ich vorhin gesprochen habe, würde, glaube ich, die Versetzungshäufigkeit vermindern.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen.
Wir sollten im Jahre 1964, im Jahre 8 der Bundeswehr, so viel Erfahrung angesammelt haben, um zu wissen, daß die Bundeswehr — hier meine ich nicht nur die Soldaten, sondern den Begriff, die Organisation als Ganzes — eine Einrichtung in un-
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serem Staat ist von eigener Art und Prägung von der Aufgabenstellung her. Sie ist mit den anderen Bundesverwaltungen nicht ohne weiteres zu vergleichen. Es werden immer wieder Vergleiche gebracht, und es wird gesagt: Wenn wir hier im Besoldungsgefüge oder in anderen Dingen — Zulagenwesen — etwas ändern, dann lösen wir eine Lawine in anderen Bundesverwaltungen aus. Dieser Satz ist einfach nicht richtig. Es liegen andere Voraussetzungen für den Dienst in den Streitkräften vor als für den Dienst bei Bundesbahn und Bundespost. Alle sind wichtig, alle haben eine Aufgabe, aber man muß sie vom einzelnen, von der Art der Aufgabe her sehen. Wir als Politiker haben die Aufgabe, diesen Gesichtspunkt, wenn wir ihn für richtig erkannt haben — ich weiß nicht, wie sehr Sie sich ihm anschließen —, dann auch gegenüber unseren Freunden und den anderen Berufen zu vertreten.
Weiter bin ich der Meinung, daß die Bundeswehr nicht ein gesellschaftspolitisches Exerzierfeld sein darf. Allzu oft wird vergessen, daß die Bundeswehr mit ihren Menschen, mit ihren Männern, die in ihr Dienst tun, das Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Allzu leicht wird versucht - weil man hier so ein schönes Modell an der Hand hat, das überschaubar ist, das klar gegliedert ist —, bestimmte gesellschaftspolitische Vorstellungen — nämlich die von der klassenlosen Gesellschaft — zu verwirklichen. Ich möchte davor warnen, auf diesem Wege weiterzuschreiten. Ich sage das bewußt deswegen, weil ich in vielen Diskussionen, auch in Forumsdiskussionen aus dem Zuhörerkreis, immer wieder die Frage gehört habe: „Warum ist eigentlich der Offizier und der Unteroffizier gesellschaftlich, warum sind Offiziersheime und Unteroffiziersheime getrennt, warum nimmt man das nicht zusammen? Sie müssen doch im Dienst zusammenarbeiten!" Ich möchte warnen, hier etwas ausprobieren zu wollen, nämlich die Überwindung der Klassen innerhalb einer Gesellschaft. Das würde, glaube ich, der Aufgabe schlecht bekommen. Die Soldaten sind in drei großen Gruppen unterteilt: Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere. Es muß klar gesehen werden, daß alle drei verschiedene Aufgaben haben und daß sie zunächst einmal in einem in sich geschlossenen Lebenskreis leben und dort ihre Aufgabe erfüllen. Das muß man respektieren, und man soll nicht versuchen, hier nun eine Gruppe daraus zu machen. Ich bin deswegen mit vielen Vorschlägen nicht einverstanden, die der zurückgetretene Wehrbeauftragte Admiral Heye seinerzeit gerade in dieser Richtung gemacht hat. Wo von der Sache her ein enger Kontakt, der im Dienst vorhanden ist, im Persönlichen in der Zeit nach dem Dienst fortgesetzt wird, ist das zu begrüßen. Man soll das aber nicht von oben her steuern wollen.
Abschließend darf ich sagen, daß wir unsere Vorstellung von einer dem ganzen Volk verpflichteten Bundeswehr nur verwirklichen können, wenn wir im achten Jahr der Streitkräfte beginnen, noch vorhandene Ressentiments zwischen Soldaten und Zivilisten, zwischen der Bundeswehr und dem gesamten Volk abzubauen.
Meine Damen und Herren! Die Begründung der Großen Anfrage ist erfolgt.
Für das weitere Verfahren ist folgendes vorgeschlagen worden. Es sollen zunächst die Herren Berichterstatter des Verteidigungsausschusses für den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten des Bundestages zu Wort kommen. Dann soll der Herr Bundesminister für Verteidigung die Große Anfrage beantworten. Die Debatte über die Große Anfrage und die Beratung des Berichts des Ausschusses sollen miteinander verbunden werden.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Seffrin als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich um eine kleine Korrektur bitten. In dem Schriftlichen Bericht muß es auf Seite 11 in der rechten Spalte unter Nr. 14 -statt „militärische Fürsorge" „militärärztliche Fürsorge" heißen.
Zum zweitenmal in diesem Jahr befaßt sich das Plenum des Bundestages im Zusammenhang mit der Beratung des Berichts des Wehrbeauftragten mit Fragen der Bundeswehr. Das erstemal war dies der Fall in der 117. Sitzung am 21. Februar 1964. Das war gleichzeitig jene Sitzung, in welcher der Bericht des Wehrbeauftragten erstmals im Mittelpunkt einer Plenardebatte stand. Der heutigen Beratung des Berichts des Wehrbeauftragten für das Jahr 1963 gingen vier ganztägige Sitzungen am 4., 5. und 6. August und am 5. November voraus, in denen sich der Verteidigungsausschuß eingehend und umfassend mit der Situation der Bundeswehr beschäftigte.
Wenn man die Vorarbeiten für die Bundestagsberatungen vom 21. Februar dieses Jahres und die Ausführungen von heute überschauend wertet, kann man wohl sagen, daß kaum ein Gebiet unseres staatlichen Lebens genauer durchforscht und dargestellt sein dürfte als der Komplex der Bundeswehr.
Das erscheint im Blick auf die hervorragende allgemeine und politische Bedeutung der Bundeswehr erfreulich und berechtigt. Gleichwohl sollte man darauf achten, daß nicht gewisse Erscheinungen im Informationswesen unserer Tage zu einer künstlichen Überhöhung und Übertreibung der tatsächlichen Zustände führen. Sicherlich, wir Menschen von heute, fortwährend von einer Vielfalt von Anregungen, Reizvorgängen und Bildern überflutet, wir brauchen wohl eine heftigere, erregendere, farbigere Ansprache, damit unser Interesse herausgefordert werde. Deshalb bedienen sich manche unserer Publikationsorgane gern extremer Formulierungen, und der Griff zum Begriff „Katastrophe" ist dann oft schneller getan, als die Sachverhalte ihn rechtfertigen.
Mit diesem Hinweis auf eine allgemeine Erscheinung möchte ich daran erinnern, daß auch die Bundeswehr ein bevorzugtes Kind dieser Vorliebe für publizistische Hypertrophie ist. Aber in diesem Fall wie in anderen Fällen ist es doch so, daß mit zenti-
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Dr. Seffrin
meterhohen Schlagzeilen und mit Schlagwortdiskussionen wenig oder nicht geholfen werden kann. Nur mit sachlichen Überlegungen und zäher Arbeit, oft Kleinarbeit, sind Verbesserungen zu erreichen,
Vor solchen Überlegungen stand auch der Verteidigungsausschuß bei der Beratung des diesjährigen Berichts des Wehrbeauftragten. Es lag nämlich nicht nur der gesetzlich geforderte amtliche Bericht vor, sondern noch eine Art Privatbericht, den der am 10. November 1964 auf eigenen Wunsch aus dem Amt geschiedene Wehrbeauftragte Admiral Heye in einer Illustrierten veröffentlicht hat. Nicht um die ganze Diskussion über diese Angelegenheit nochmals anzufachen, sondern um Unklarheiten und Mißdeutungen zu begegnen, erlauben Sie mir dazu noch ein paar Sätze.
Es ist nicht zutreffend, daß man dem Wehrbeauftragten formaler Fehler wegen hat Schwierigkeiten machen wollen, um so den Sachwert seiner Aussagen zu verschleiern. Daß er diese Aussagen subjektiv ehrlich und bona fide gemacht hat, sei hier zusätzlich festgestellt. Aber um die formale Seite ging es dabei dem Verteidigungsausschuß gar nicht, allenfalls nur ,ganz am Rande. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stand vielmehr die materielle Seite, und dazu ist als Meinung der Ausschußmehrheit festzustellen, a) daß der gleichzeitig mit dem amtlichen Bericht erschienene Privatbericht zu extrem anderen und gefährlichen Schlußfolgerungen und Aussagen kam als der amtliche Bericht und b) daß die Sachbasis für die Folgerungen des Privatberichts ungenau, ja teilweise unrichtig und deshalb unzuverlässig sind. Eine Minderheit im Ausschuß war der Meinung, daß kein derart krasser Widerspruch zwischen dem amtlichen und dem privaten Text besteht.
Der Ausschuß war sodann der Ansicht, daß der amtliche Jahresbericht 1963 die Grundlage der Berichterstattung sein müsse, weil er der Bericht des Wehrbeauftragten ist, dem er nichts hinzugefügt und an dem er auch nichts abgeschwächt hat, und weil er der Bericht ist, hinter dem die Sachlichkeit und die nüchterne Verantwortung der Institution stehen, während die Berichte in der Illustrierten von Herrn Heye wiederholt kommentiert oder korrigiert wurden.
Als Ergebnis der Beratungen des amtlichen Berichtes wurde festgestellt: Erstens. Der Wehrbeauftragte hat seine Aufgabe im Sinne und in der Absicht des Gesetzes richtig aufgefaßt und erfüllt. Zweitens. Aus dem amtlichen Bericht des Wehrbeauftragten ergibt sich das Bild einer trotz Schwierigkeiten um Leistung und innere Festigung mit Erfolg bemühten Truppe. Diese Feststellungen waren einhellig und bildeten die Grundlage für die einstimmige Annahme des Teils A des Ihnen vorliegenden Antrags.
Von den Urteilen des Wehrbeauftragten seien einige hervorgehoben. So heißt es in dem amtlichen Bericht auf Seite 26:
Im äußeren Aufbau der Bundeswehr zeichnete
sich im Berichtsjahr eine gewisse Konsolidierung ab. Die Verbände waren zwar weiterhin, aber nicht mehr in dem Umfang wie in den Vorjahren, mit Personalabgaben belastet. In der Personalbewegung wurde dadurch erfreulicherweise eine relative Beruhigung erreicht.
Auf Seite 26 heißt es, daß die Truppe trotz Schwierigkeiten im allgemeinen gute Erziehungs- und Ausbildungserfolge erzielt habe. Der Wehrbeauftragte stellt weiter fest, daß der Bundesminister der Verteidigung die Gründe für den Mangel an Unteroffizieren eingehend untersucht und Maßnahmen eingeleitet habe, um im Rahmen des Möglichen abzuhelfen. Der Wehrbeauftragte berichtet weiter, daß die Unteroffiziere erfreulicherweise — häufig mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Kommandeure — mehr und mehr bemüht sind, zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen. Er sagt schließlich, daß er bei seinen Truppenbesuchen auch der Frage der Traditionsbildung und Traditionspflege sein Augenmerk geschenkt und den Eindruck gewonnen habe, daß viele gute und erfreuliche Ansätze vorlägen.
Ich glaube, daß aus guten Gründen auch auf die für den ganzen Komplex sehr wichtigen Sätze hingewiesen werden sollte, wie sie sich auf Seite 4 des amtlichen Berichtes finden. Es heißt dort:
Wie in früheren Jahren, so hat der Wehrbeauftragte auch in diesem Bericht Einzelfälle dargestellt, die in ihrer Gesamtheit nicht nur einen Einblick in seine
— des Wehrbeauftragten —
Tätigkeit geben, sondern die auch geeignet sind, als Lehrbeispiele zu dienen. Es ist jedoch zu beachten, daß sich der Wehrbeauftragte entsprechend der Natur seiner Aufgabe vorwiegend mit negativen Erscheinungen befassen muß. Sein Bericht ist zwangsläufig davon bestimmt. Daher würde sich ein unzutreffendes Bild von der inneren Situation der Bundeswehr ergeben, wenn das in Einzelfällen wiedergegebene Fehlverhalten von Soldaten verallgemeinert würde. Denn für jedes Beispiel des Versagens eines Soldaten ließen sich zahlreiche Beispiele vorbildlichen Verhaltens nennen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstens. Der Vorschlag der Errichtung einer Akademie mit der Aufgabe, die berufliche Bildung der Offiziere auf eine angemessene geistige Grundlage zu stellen, entspricht dem Plan des Bundesministeriums der Verteidigung, eine Wehrakademie für junge Berufsoffiziere ab 1969 einzurichten.
Zweitens. Der Vorschlag, die Ausbildungszeit für Berufsoffiziere sollte bei allen drei Teilstreitkräften auf drei Jahre ausgedehnt werden, deckt sich mit dem Plan des Bundesministeriums der Verteidigung, die Berufsoffiziere einheitlich nach drei Jahren zum Leutnant zu befördern.
Drittens. Der Vorschlag, die einzurichtende Unteroffiziersschule sollte sich vor allem die mensch-
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Dr. Seffrin
liche Bildung und die berufliche Allgemeinbildung angelegen sein lassen, ist an den bestehenden Unteroffiziersschulen bereits in die Tat umgesetzt worden, indem vom Gesamtstoff rund 18 % auf Bildungsarbeit entfallen.
Viertens. Der Vorschlag, die Ausgangsbestimmungen für alle Unteroffiziere denen für Offiziere anzugleichen, wird zur Zeit im Truppenversuch über Aufhebung des Zapfenstreichs erprobt.
Fünftens. Die Forderung, die materielle Stellung der Unteroffiziere alsbald nachhaltig zu verbessern, ist bereits vom Bundesministerium der Verteidigung erkannt. Folgendes ist geschehen oder wird angestrebt: Die Darlehensgewährung an Unteroffiziere und Mannschaften auf Zeit ist bereits in Kraft. Die Militärfahrkarte für Unteroffiziere auf Zeit bis zum Feldwebel einschließlich ist ebenfalls in Kraft. In Bearbeitung sind die Gewährung einer Weiterverpflichtungsprämie, die Gewährung einer Zulage für die ständige Mehrbelastung im Truppendienst, die Gewährung einer Zulage für Feldwebel, um eine gerechte Relation zwischen der Besoldung eines Stabsunteroffiziers und eines Feldwebels herzustellen, sowie die Verbesserung des Ortszuschlages für ledige Soldaten.
Der Verteidigungsausschuß befaßte sich des weiteren sehr ausführlich mit dem Sachgehalt der Veröffentlichungen des Wehrbeauftragten in einer Illustrierten. Dafür waren die Prüfungsbefunde eines vom Bundesminister der Verteidigung gebildeten Ad-hoc-Arbeitsstabes ebenso wichtig wie die um
fangreichen und gründlichen Darstellungen der Probleme durch folgende Persönlichkeiten, deren Meinung und Urteil wegen ihrer besonderen Stellung und ihres besonderen Auftrages von Bedeutung sind. Es waren dies der erste und zweite Sprecher des Beirates für Innere Führung des Bundesministeriums der Verteidigung, die Herren Pfarrer Stammler und Professor Dr. Bohnenkamp, der Kommandeur der „Schule der Bundeswehr für Innere Führung", Brigadegeneral Hinkelbein, der „Leiter des wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes bei der Schule für Innere Führung" der Bundeswehr, Professor Dr. Möbus, der damalige Kommandeur der Führungsakademie, früher Kommandeur der „Schule der Bundeswehr für Innere Führung" und derzeitige Inspekteur des Heeres, Generalleutnant de Maiziere, der Präsident des Wehrdienstsenates beim Bundesdisziplinarhof, Dr. Barth, ferner zu dem besonderen Thema „Tagesbefehl vom 26. Juli 1964" Generalinspekteur Trettner. Der Bundesminister der Verteidigung von Hassel war bei allen Sitzungen anwesend und hat sich wohl zu allen Fragen selbst geäußert.
Es dürfte sinnvoll sein, Teile der Ausführungen dieser Herren auch für das Protokoll der Plenarsitzung festzuhalten. So erklärte Pfarrer St a m m 1 e r u. a., er stehe nicht an zu meinen, daß in einer unerhörten Anständigkeit, Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit eine Fülle von Offizieren um den richtigen Weg kämpften. Er 'bedaure es, daß vor allem durch die Veröffentlichung in der Illustrierten der Eindruck erweckt werden konnte, diese ganze Bundeswehr sei ein in sich morscher Apparat.
Er
— Pfarrer Stammler also —glaube, sie sei in vieler Hinsicht besser, vorbildlicher als eine Menge anderer Institutionen im zivilen Bereich.
Er würde bei dem anfangen, was in der Bundeswehr an staatsbürgerlicher Bildung getrieben werde, bis hin zu der Frage, wie hier Vorgesetzte sich für ihre Untergebenen bis in die Freizeit hinein einsetzten und engagierten, eine Erscheinung, die im zivilen Bereich nur selten zu finden sei. Er sei auch nicht der Meinung, daß fortgefahren werden sollte, in dem Soldaten, in dem Offizier den Eindruck zu erwecken, als ob er der Prügelknabe der Nation wäre.... Man könne von der Bundeswehr nicht erwarten, daß sie besser sei als die Gesellschaft. Sie sei in vielem besser und könne sich im Hinblick auf ihre Fortschrittlichkeit sehen lassen. Das Ergebnis einer etwaigen Kontrolle der demokratischen Gesinnung und der Fähigkeit zu zeitgemäßer Menschenführung im Lehreroder Richterstand durch einen Parlamentsbeauftragten würde zu noch ungünstigeren Ergebnissen führen.
Professor Bohnenkamp formulierte u. a.:
Das Experiment einer inneren Verfassung für die Bundeswehr könne indes nicht gelingen, wenn sie nicht von einem sie grundsätzlich bejahenden öffentlichen Interesse fortgesetzt getragen werde. Es müßte nicht so sein, daß sich erst bei Ereignissen, die fast krisenartige Züge trügen, plötzlich das Interesse wieder auf die Bundeswehr stürze. Sie müßte überall, in allen Schichten, an allen Orten, vor allem aber im Bundestag ein Gegenstand ständiger Beachtung, ständiger Sorge sein; denn an ihrem inneren Zustand lasse sich ablesen, wie wir alle zur Demokratie gereift seien.
Brigadegeneral Hinkelbein stellte u. a. fest, daß der Grundsatz der Inneren Führung bei dem weitaus größten Teil der Offiziere unbestritten und anerkannt ist. Das Erfüllen des soldatischen Dienstes in der heutigen Zeit habe das ständige Ringen um die Dinge im täglichen Tun zur zwingenden Voraussetzung. Er vermöge darin nur etwas sehr Positives zu sehen. Bei dem größten Teil der Offiziere habe die Anerkennung der Institution des Wehrbeauftragten von Jahr zu Jahr zugenommen.
Professor Möbus erklärte,
er könne auf Grund seiner Erfahrung an der Schule für Innere Führung sagen, gegenüber der Anfangszeit sei die Diskussion über die Institution des Wehrbeauftragten in der Sache zwar zurückgetreten. Es werde jedoch ständig darüber gesprochen, was man tun könne, um die Konzeption der Inneren Führung zu realisieren und welche Hilfe man dem Einheitsführer in die Hand geben könne. Hier sei die Gefahr nicht ganz von der Hand zu weisen, die sich daraus ergebe, daß die betreffenden Offi-
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Dr. Seffrin
ziere zwar die Konzeption bejahten, wenn es um ihre Verwirklichung gehe, aber überfordert seien.
General de Maizière stellte fest, auf Grund seiner Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre müsse er natürlich sagen, daß Einzelfälle vorgekommen seien, daß die Zahl der Einzelfälle auf dem Gebiete der Menschenführung möglicherweise größer als vorher geworden sei. Und nun wörtlich:
Man kann aber nicht sagen, es müsse ein völlig neuer Kurs gesteuert werden oder es sei fünf Minuten vor zwölf. Ich
— General de Maizière! —
darf noch einmal auf das hinweisen, womit ich vorhin geschlossen habe. Soweit ich es übersehen kann, ist das Zentralproblem der Bundeswehr die Frage der Zahl und der Qualität ihrer Führer und Unterführer. Das Wichtigste, was zu tun ist, ist, Mittel zu finden, mit denen man der Bundeswehr genügend und genügend qualifizierte Unteroffiziere und Jungoffiziere verschaffen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man könne kein generalisierendes Urteil fällen, wohl aber könne man sagen, daß die Verhältnisse nicht so schlecht seien, wie es nach den Kritiken in der Illustrierten erscheinen könne, aber auch nicht so gut, daß sie keiner Verbesserung bedürften. ... Die Schule für Innere Führung sei eine der Einrichtungen der Bundeswehr, an denen überhaupt nichts auszusetzen sei. Es müsse alles getan werden, um die Kurse dieser Schule zu fördern.
Als Ergebnis der Beratungen im Verteidigungsausschuß ist folgendes festzustellen.
Erstens. Die Verhältnisse in der Bundeswehr lassen zwar Schwächen erkennen, aber sie sollten überwunden werden und können überwunden werden, sie geben aber keinerlei hinreichenden Grund für den von dem ausgeschiedenen Herrn Wehrbeauftragten ausgelösten Alarm.
Zweitens. Das Prinzip der Inneren Führung gilt als die geistige Grundlage der Bundeswehr. Das Prinzip der Inneren Führung ist grundsätzlich unbestritten. Soweit die Innere Führung noch in der Diskussion steht, dient diese Diskussion der endgültigen Klärung und dem Abbau möglicherweise noch vorhandener Bedenken.
Drittens. Die Institution des Wehrbeauftragten wird nach wie vor allgemein als ein besonders wertvoller Bestandteil in der Konstruktion der Bundeswehr angesehen. Es dürfte indes an der Zeit sein, durch die Ausarbeitung und den Erlaß der Richtlinien der Institution selbst schärfere Konturen zu geben. Die Zuständigkeit des Amts des Wehrbeauftragten bedarf einer sinnvollen Begrenzung. Eine Allzuständigkeit wäre diesem Amt nicht zuträglich. Es liegt im Interesse der Institution, sie in ihrer Entwicklung vor einer Überfülle von Aufgaben zu bewahren, damit sie ihre eigentlichen Aufgaben erfüllen kann. Es wäre unsinnig, in einer solchen Auffassung eine Abwertung der Institution des Wehrbeauftragten zu sehen. Dahin geht weder die Intention einzelner noch das Denken im Bereich und im Zusammenhang mit der Bundeswehr.
In Ergänzung zu meinem Bericht möchte ich noch folgendes mitteilen. Der zurückgetretene Wehrbeauftragte Admiral a. D. Heye hat in der Nr. 46 der namentlich bekannten Illustrierten auf Seite 15 noch folgende Behauptung aufgestellt — ich zitiere wörtlich -:
Würde in einigen Einheiten ein anderer Geist, ein nicht so rüder Ton herrschen, hätte mancher Soldat den Freitod nicht gesucht.
Der Verteidigungsausschuß hat auch diese Behauptung untersucht und nach Vorträgen des Bundesministeriums der Verteidigung und der Dienststelle des Wehrbeauftragten selbst festgestellt, daß diese Behauptung jeglichem Sachstand widerspricht und einfach unhaltbar ist.
Im Gegensatz zu der Bewertung des amtlichen Berichts sahen sich eine Reihe von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses nicht in der Lage, den Folgerungen aus diesen Berichten und der Formulierung in den Punkten B) und C) des Ihnen vorliegenden Antrags zuzustimmen. Sie waren der Meinung, daß das Vorgehen- des Wehrbeauftragten die Öffentlichkeit weitgehend auf das Thema Bundeswehr aufmerksam gemacht und zu fruchtbarer Diskussion geführt habe und daß durch die Feststellungen in B) und C) des Antrags eine Abwertung des Amts des Wehrbeauftragten zu sehen sei und dem künftigen Wirken des Wehrbeauftragetn Fesseln angelegt würden.
Wertvolles Ergebnis der Beratungen ist die Fülle von Vorschlägen für Hilfe und Besserung, Vorschläge, deren Durchführung zum Teil schon seit Anfang 1963 von der Bundeswehrführung in die Wege geleitet ist, wie überhaupt hier einmal festgestellt werden muß, wie wach und aufmerksam das Bundesministerium der Verteidigung Situation und Entwicklung in der Truppe beobachtet und Fehlentwicklungen durch zweckmäßige Maßnahmen zu begegnen sucht.
Die gemachten Vorschläge sind so zahlreich und vielseitig, daß eine Konzentration auf die wichtigsten Gebiete notwendig erscheint. Diese Gebiete sind meines Erachtens folgende.
Erstens das soziale Gebiet. Hier geht es vorwiegend um Wohnungs- und Familienfragen, um das Sanitäts- bzw. Gesundheitswesen einschließlich Sport und um eine allgemeine Hebung der sozialen und materiellen Verhältnisse der Unteroffiziere.
Dazu gehört zweitens der Komplex der Schulen und der Schulung in der Bundeswehr. Außer einer allgemein stärkeren Betonung der geistig-humanitären Bildung innerhalb des an sich umfangreichen, leistungsfähigen und eindrucksvollen Schulsystems der Bundeswehr ist deshalb die Errichtung weiterer Schulformen notwendig, wozu die Unteroffiziersschulen, die Akademie der Bundeswehr für Stabsoffiziere und die Wehrakademie gehören dürften.
7594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964
Dr. Seffrin
Es ist eine schwierige Aufgabe, ein richtig bemessenes Neben- und Miteinander von militärischer
Ausbildung und menschlicher Bildung zu finden.
Drittens wären Überlegungen anzustellen, wie durch eine straffere Organisation kürzere Befehlswege und größere Beweglichkeit und damit insgesamt ein leichteres Funktionieren zu erreichen wären. Sicherlich trägt dazu die Anfang 1963 angelaufene Konsolidierung bei. Wir übersehen aber auch nicht Meinungen und Kritiken, die heute — anders als vor Jahren — einer gewissen Lockerung des Prinzips „So viel Militär wie nötig, so viel Zivil wie möglich" das Wort reden. Hier darf man ruhig die Frage stellen: Warum erst heute?, und mit Schiller sagen: Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt, Graf Isolan.
Schließlich möchte ich Ihnen den in Drucksache IV/2795 enthaltenen Antrag, dessen Teil A im Verteidigungsausschuß einstimmig, dessen Teile B und C mit Mehrheit verabschiedet wurden, zur Annahme empfehlen.
Das Wort als Berichterstatter für die Minderheit hat der Abgeordnete Paul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muß ich sehr bedauern, daß diese so wichtige Aussprache am heutigen Tag in einer ungünstigen Stunde stattfindet und auch unter einem ungünstigen Vorzeichen. Es wäre um der Sache willen zu wünschen gewesen, daß wir einen besseren Zeitpunkt gefunden hätten. Ich bedaure es zum andern, daß zum ersten Male der Bericht des Wehrbeauftragten nicht von beiden Berichterstattern gemeinsam behandelt werden kann. Als Mitberichterstatter habe ich mich nicht in der Lage gesehen, mit dem Berichterstatter gemeinsam den Bericht auszuarbeiten. Das lag in erster Linie daran, daß die Mehrheit des Verteidigungsausschusses einen Beschluß gefaßt hat, der hier als Antrag vorliegt, der von meiner Fraktion nicht zur Gänze unterzeichnet werden kann.
Worum geht es eigentlich bei der heutigen Debatte? Um gar keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich vorweg eines erklären. Wir wissen, daß in der Bundeswehr die große Mehrheit der Vorgesetzten aller Dienstgrade in ausgezeichneter Weise ihre Pflicht tun, und daß auch die Mehrheit es verstanden hat, mit dem sehr schwierigen Problem der Inneren Führung in ein richtiges Verhältnis zu kommen. Weil wir dies 'wissen, erklären wir ausdrücklich und nachdrücklich — und man kann es nicht oft genug sagen —: die Bundeswehr genießt auch das Vertrauen der Oppositionsfraktion in diesem Hause.
Aber worum geht es bei dem Problem, bei der Arbeit des Wehrbeauftragten? Der Wehrbeauftragte des Bundestages ist nicht dazu eingesetzt worden, daß er sagt, was selbstverständlich ist. Er ist auch nicht dazu eingesetzt worden, daß er sagt, was den Verantwortlichen gut in den Ohren klingt. Wenn wir das hätten haben wollen, hätten wir uns die Schaffung der Institution des Wehrbeauftragten ersparen können.
Der Wehrbeauftragte soll das feststellen, was falsch gemacht wird, und soll es uns mitteilen, damit wir mithelfen können, dies abzustellen.
Darum finde ich, daß die Kritik, die am zurückgetretenen Wehrbeauftragten, Herrn Heye, geübt wurde, in mancher Hinsicht nicht nur ungerecht, sondern der Sache auch nicht dienlich war.
Nicht jedes kritisierende Wort darf gleich als ein Angriff gegen die Bundeswehr gewertet werden.
— Ich darf Ihnen gleich ein Beispiel nennen. Sehen Sie, da haben wir die „Wehrpolitische Information", ein Blättchen, das vermutlich nicht erscheinen könnte, wenn das Bundesministerium den Subventionshahn zudrehen würde. In diesem Blättchen wird behauptet: „Während die allgemeine Aufregung über die Heye-Attacke gegen die Bundeswehr allmählich ... abklingt ..." Dann kommt ein Werturteil über den Bundestag, der sich nicht hinreichend um die Verteidigungsprobleme kümmere. Wer jahrelang im Ausschuß für Verteidigung gesessen hat, weiß — und Sie alle wissen es mit —, wie viele Tage unseres parlamentarischen Lebens wir in ernster Sorge um die Bundeswehr in diesem Ausschuß verbracht haben.
Wenn man sich schon darüber beschwert, daß in anderen Organen manche Pauschalurteile über die Bundeswehr gefällt werden, dann sollte man sich auch solche Veröffentlichungen ansehen. Ich würde es wünschen, daß sich der Haushaltsausschuß bei der Anwendung des Rotstifts auch einmal mit diesen Publikationen beschäftigt.
Meine Damen und Herren, um den Wehrbeauftragten ist mehr geschrieben worden, als er selbst geschrieben hat. Daß um den Wehrbeauftragten geschrieben wurde und daß er selbst schrieb, ist begrüßenswert.
Es wurde schon gesagt, daß wir am 21. Februar dieses Jahres hier im Hause über den Wehrbeauftragten gesprochen haben, und wir hatten auch eine erste Aussprache über seinen Bericht. Machen Sie eine Rundfrage bei der Bundeswehr — ich habe es bei verschiedenen Anlässen getan— und fragen Sie, was von dieser Aussprache überhaupt bekannt geworden ist! Das ist ja der Öffentlichkeit nicht unter die Haut gegangen. Wenn jemand, der mit Recht glaubte, eine große Verantwortung zu tragen, in Erfüllung seiner Pflichten und in Verfolgung seiner Absichten vielleicht einmal „überdreht" hat, dann muß man prüfen, ob es in guter Absicht geschehen ist oder nicht.
Wenn wir die Aufgaben und die Stellung der Bundeswehr von heute richtig verstehen wollen, dann ist es vielleicht nützlich und sinnvoll, ein bißchen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7595
Paul
an die Quellen zu gehen. Wir haben uns im Verteidigungsausschuß vor zehn Jahren und noch früher sehr eingehend mit diesen Fragen beschäftigt. Damals hat Graf Baudissin - es war am 21. Januar 1954, also vor mehr als zehn Jahren — einen Vortrag gehalten, dessen Inhalt wir uns im Verteidigungsausschuß praktisch zu eigen gemacht haben, und folgendes gesagt:
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß nur der überzeugte Soldat heute brauchbar ist, nur derjenige Soldat, der die Verteidigungswerte anerkennt und der begriffen hat, daß er nicht für andere die Verteidigung übernehmen soll, sondern die seiner eigenen Existenz. Derjenige, der lediglich handwerklich ausgebildet ist, der sich nur widerstrebend unterordnet und nur passiv gehorcht, ist kriegsuntüchtig und eine Gefahr für die Truppe und darüber hinaus auch für die Gemeinschaft.
Ich wünschte, meine Damen und Herren, daß diese Worte in den Kasernen der Bundeswehr plakatiert würden; denn darin kommt das geistige Kernproblem der Bundeswehr von heute zum Ausdruck.
Nun ist es sicher nicht leicht, nach diesen Prinzipien zu leben. Es gibt die „Schule für Innere Führung", es gibt die Erlasse des Ministeriums. Ich bin sehr begierig darauf, vom Herrn Minister zu hören, wie viele Zeilen an Erlassen im Laufe dieser Jahre hinausgegangen sind. Die Frage ist aber: was wird daraus? Mein Vorredner, der Herr Berichterstatter, hat Schiller zitiert. Ich erinnere mich, daß ich in meiner „grünen Jugend" das Epigramm von Lessing gelesen habe:
Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? — Nein. Wir wollen weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein.
Das möchte ich diesen Erlassen wünschen, und ich möchte wünschen, daß ihnen nachgelebt wird. Dann könnten Unzuträglichkeiten, wie sie im Bericht des Wehrbeauftragten festgestellt wurden, nicht vorkommen; dann wären jene scheinbar „kleinen Dinge", die zu beanstanden sind, nicht zu verzeichnen.
Ich will das jetzt nicht alles noch einmal vortragen. Jeder von Ihnen kennt das, und in der Öffentlichkeit ist es hinreichend dargestellt worden. Wir müssen aber verstehen, daß auch das Leben in der Kaserne von kleinen Dingen abhängt. Es hängt davon ab, daß die Vorgesetzten den richtigen Ton finden. Daß das gerade heute notwendig ist, haben wir bereits am 21. Februar nachgewiesen. Der Bundesminister für Verteidigung hat sich viel Mühe gegeben und hat den Bericht des Wehrbeauftragten und dessen andere Veröffentlichungen in geradezu beckmesserischer Art untersuchen lassen. Er hat einen Generalsausschuß eingesetzt, der sich sehr viel Mühe gegeben hat und der uns sehr viele Stunden im Verteidigungsausschuß berichtet hat. Ich hätte es lieber gesehen, wenn wir an Stelle dieses Berichts endlich einmal einen Bericht des Ministeriums über die geistige und körperliche Verfassung der Jugend von heute bekommen hätten. Um die geht es doch. Weil
wir einen solchen Bericht nicht haben, entsteht ein falsches Bild. Bei der Grundausbildung in der Bundeswehr z. B. haben wir in der ersten Woche vier Stunden Sport, in der zweiten Woche fünf Stunden, in der dritten Woche wieder vier, in der vierten Woche fünf Stunden, und so geht das weiter während der ganzen Zeit der Grundausbildung. Wir alle wissen, daß die jungen Menschen von heute, die zur Bundeswehr kommen, nicht in der gleichen körperlichen Verfassung sind wie Rekruten in früheren Zeiten. Darum ist es notwendig und nützlich, diese Menschen erst körperlich fit zu machen, ehe man sie den Anstrengungen unterwirft, die mit der Ausbildung verbunden sind.
Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, heute sehr ausführlich zu sprechen. Es ist so leicht, jetzt nachträglich Erkenntnisse zu haben. Wir haben uns seinerzeit sehr mit der Frage, ob eine „zu" rasche Aufstellung der Bundeswehr erfolgt sei, beschäftigt. Der Vorgänger des heutigen Herrn Verteidigungsministers hat in einer Illustrierten das wiedergegeben, was wir damals — gegen den Widerspruch einer Seite des Hauses — im Ausschuß gesagt haben. Er hat bestätigt, daß die Bundeswehr zu rasch aufgestellt worden ist, und hat gesagt, das hätte nach dem Prinzip der Zellteilung geschehen sollen. Ich frage mich nur: Warum hat der Vorgänger des heutigen Verteidigungsministers zu der Zeit, da er selbst Minister war, nicht nach dieser seiner Erkenntnis gehandelt? Dann wäre uns vielleicht manches erspart geblieben.
Lassen Sie mich zum Wehrbeauftragten und zu seinem Bericht zurückkehren. In der Diskussion um den Wehrbeauftragten ist gesagt worden, der Wehrbeauftragte könne kein Nebenverteidigungsminister sein. Stimmt es, Herr Kollege Rommerskirchen? Ich bin Ihrer Meinung! Wie könnte er es auch? Er hat gar nicht den Stab dazu und hat gar nicht die Aufgabe, es zu sein. Aber ich möchte sagen, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages kann auch keine Nebenstelle des Verteidigungsministeriums sein.
Er ist ein Beauftragter des Bundestages, er ist ein Hilfsorgan des Bundestages. Er soll auch nicht ein Organ einer Koalitionsmehrheit sein.
Er ist auch kein Ableger des Petitionsausschusses. Der Wehrbeauftragte ist dazu da, hinauszugehen zur Bundeswehr, zu prüfen, wie die Lage ist, und dem Bundestag und seinen Organen zu berichten. Es gibt Dinge in der Bundeswehr, die ihr schaden; das muß immer bedacht werden.
Lassen Sie mich ein kurzes Wort zu der Behauptung sagen — in diesem Fall stimme ich mit Herrn Heye in keiner Weise überein —, daß die Bundeswehr ein Staat im Staate sei. Eine Gefahr, daß sie es wird, gibt es immer. Aber ich sehe sie heute nicht. Ich fürchte nur, daß, wenn es nicht anders wird, die Bundeswehr in eine Selbstisolierung hineingetrieben wird. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die wichtigsten Menschen in der Bundeswehr, nämlich die Ausbilder, geradezu wie in
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Paul
Gettos untergebracht werden. Bei den Kasernen, in der Nähe der Kasernen, oft abseits der Wohnsiedlungen der anderen Bürger, befinden sich die Wohnungen der Männer der Bundeswehr. Die anderen Bürger haben keinen Kontakt mit ihnen. Wir wünschen, daß sie unter uns wohnen, damit wir mit ihnen so leben, wie wir das mit dem Polizeibeamten oder dem Buchhalter oder mit irgendeinem anderen Menschen als Nachbarn tun, damit wir ihre Familien kennenlernen, damit wir sehen, wie ihre Kinder aufwachsen, damit wir zu jenem engen menschlichen Verhältnis zu den Angehörigen der Bundeswehr kommen, das eine gesellschaftliche Isolierung der Bundeswehr verhindert.
Wir wünschen, daß der Wehrbeauftragte, wenn er hinausgeht, nicht nur in die Kasernen schaut, sondern auch mit den Bürgermeistern in den Gemeinden redet, in denen die Bundeswehr untergebracht ist. Er wird dabei in einer halben Stunde mitunter viel mehr erfahren, als er in langen Besichtigungen feststellen kann.
Es gibt in der Bundeswehr Erscheinungen, für die man die Bundeswehr nicht verantwortlich machen kann. Ich habe im Ausschuß darauf hingewiesen, daß z. B. der Stab und das Fernmeldebataillon der 1. Luftlandedivision von Eßlingen nach Bruchsal verlegt wurden. Dort waren seit April des vergangenen Jahres zwar die Wohnungen, aber nicht die Kasernen fertig, und erst im Oktober dieses Jahres, eineinhalb Jahre später, konnte die Verlegung erfolgen. Dann habe ich gefragt: Ja, wie schaut's denn aus? Habt ihr denn endlich den Sportplatz, den ihr braucht, in Kasernennähe? Da wurde mir gesagt: Jawohl, den Sportplatz haben wir, aber was uns fehlt, das ist die Sporthalle. Das bedeutet also, daß während der Wintermonate kein Sport getrieben werden kann und während dieser Zeit gerade dieser Teil der körperlichen Ausbildung wegfällt, auf den wir doch heute besonderen Wert legen müssen.
Ich frage mich: wo bleibt denn da die Planung, wer ist schuld daran? Das kann doch nicht die Opposition sein! Die Verantwortung dafür muß bei der politischen Führung liegen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Wir wollen der Bundeswehr helfen. Wir wünschen ihr eine moderne Führung und nicht zuletzt eine moderne Menschenführung. Denn auf diese kommt es an. Die besten Waffen und Geräte helfen uns nichts, wenn wir nicht denn geeigneten Menschen haben, sie zu bedienen, und wenn nicht dieser Mensch das nicht als reiner Sklave, bloß aus Gehorsam tut, sondern in der Erkenntnis einer inneren Notwendigkeit dieser seiner Dienstleistung an der Gemeinschaft.
Wir verlangen ferner eine sorgfältigere Untersuchung der Rekruten bei der Musterung und verlangen eine sofortige ,sorgfältige Nachuntersuchung dieser Menschen bei der Einziehung. Dann kann man ihnen die körperlichen Strapazen, die mit dieser Umstellung verbunden sind, leichter zumuten als heute.
Wir verlangen eine vermehrte und verbesserte Ausbildung der Ausbilder, die oft zu Unrecht gescholten werden, weil sie einfach nicht die Zeit hatten, sich mit den Problemen der modernen Menschenführung vertraut zu machen. Man sage mir nicht, es gehe nicht, eine genügende Anzahl von Ausbildern auszubilden. Wir haben auch in unserer Volksschule und in den höheren Schulen heute nicht mehr den Pauker von einst; wir haben den modernen Lehrer, der in der Lage ist, mit den Kindern unserer Tageauszukommen. Warum soll es uns nicht gelingen, auch bei der Bundeswehr den Ausbilder zu schaffen, der mit den schwierigeren Menschen von heute zurechtkommt, sie ausbilden und sie zu den Trägern der Bundeswehr machen kann?
Wir wünschen auch, daß die Berichte des Wehrbeauftragten nicht Makulatur bleiben, sondern als Lehrstoff bei der Bundeswehr verwendet werden. Die bisherigen Berichte — und ich hoffe, das wird auch bei den künftigen der Fall sein — waren geradezu ausgezeichnetes Lehrmaterial, von dem man nur wünschen konnte, daß es hinreichend Beachtung gefunden hätte.
Ich darf zum Schluß, meine Damen und Herren, im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dem Punkt A) des Antrages des Ausschusses unsere Zustimmung geben werden, daß wir die Punkte B) und C) jedoch ablehnen.
Ich möchte abschließend noch ein persönliches Wort sagen. Mit dem Wehrbeauftragten und der Institution habe ich im Laufe meines parlamentarischen Lebens eine ganze Menge zu tun gehabt. Ich habe immer versucht, mir Vorstellungen darüber zu machen, was der Wehrbeauftragte zu tun hat, und habe mich immer gefragt: Nützt er oder schadet er mit seiner Arbeit der Bundeswehr, und erfüllt er die Intentionen des Parlaments? Von dieser Sicht her möchte ich persönlich erklären, daß Herr Heye der Bundeswehr nicht geschadet, sondern genützt hat.
Ich vermag mich von dieser Schau her an der Schelte, die man übt, nicht zu beteiligen, sondern erkläre: Er hat den Dank des Deutschen Bundestages verdient.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit der Beantwortung der Großen Anfrage beginne, darf ich vielleicht einen Satz vorweg sagen. Ich darf, Herr Präsident, dem Hohen Hause dafür danken, daß es sehr rasch, noch vor der Weihnachtspause und damit in dem kürzestmöglichen Zeitraum, einen neuen Wehrbeauftragten bestellt hat. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, zum Ausdruck zu bringen, daß sich sowohl das Bundesministerium der Verteidigung als auch die Bundeswehr selbst bemühen werden, mit dem neuen Wehrbeauftragten zusammenzuarbeiten und ihm seinen Auftrag und seine Aufgabe zu erleichtern.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1964 7597
Bundesminister von Hassel
Ich möchte dem Hause dafür danken, daß es zu dieser raschen Entscheidung gekommen ist.
In Beantwortung der Großen Anfrage der Freien Demokratischen Partei darf ich zunächst einmal folgendes sagen.
In Punkt 1 wird gefragt:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um in der deutschen und ausländischen Öffentlichkeit den unberechtigten Vorwurf, in der Bundeswehr bestehe ein Trend zum Staat im Staate, nachdrücklich und überzeugend zu widerlegen?
Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Herrn Bundestagspräsidenten und des Herrn Bundeskanzlers in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1964 sind der Truppe als „Aktuelle Information" im Wortlaut mitgeteilt worden. Jeder Angehöriger der Bundeswehr ist dadurch in die Lage versetzt worden, Behauptungen in der Öffentlichkeit zu begegnen, in der Bundeswehr sei der Trend zum Staat im Staate unverkennbar.
Die erwähnten Erklärungen werden auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr bei jedem geeigneten Anlaß verwertet, insbesondere in den Wehrpolitischen Seminaren und Tagungen an der Schule der Bundeswehr für Innere Führung mit Vertretern der verschiedensten Berufsgruppen. Es ist ferner beabsichtigt, durch Neuauflage oder Neuherausgabe geeigneter Schriften die Eingliederung der Bundeswehr in den demokratischen Staat überzeugend darzulegen.
Der Erfolg dieser Bemühungen ist, wie in der Vergangenheit so in der Zukunft, jedoch auch davon abhängig, daß die Aufklärungsarbeit der Bundeswehr von den in Frage kommenden Institutionen im zivilen Bereich mitgetragen wird.
Das Echo im westlichen Ausland — in der Richtung geht die Frage — ist unterschiedlich. Wenn auch zum Teil der Vorwurf, die Bundeswehr drohe sich zu einem „Staat im Staate" zu entwickeln, nicht aufgenommen wurde, so ist leider in einigen Ländern eine negative Reaktion zu verzeichnen gewesen.
In den kommunistisch beherrschten Ländern, die schon immer versucht haben, die Bundeswehr als militaristisches und revanchistisches Element zu diffamieren, sind diese Tendenzen unter Zitierung von Sätzen des Wehrbeauftragten aus der „Quick" natürlich erheblich intensiviert und gegenüber dem neutralen Ausland verstärkt worden.
Die Bundesregierung verstärkt demgegenüber ihre Bemühungen, ausländischen Besuchern — Beamten, Journalisten, Politikern, Offizieren und anderen maßgeblichen Persönlichkeiten — Einblick in die Einrichtungen der Bundeswehr und ihren militärischen Beitrag zur NATO zu geben, um dadurch ein wirklichkeitsgetreues Bild von der Bundeswehr zu vermitteln. Die Militärattachés in den deutschen diplomatischen Vertretungen, die unmittelbar über die Vorgänge unterrichtet worden sind, erhalten vermehrt Filme, Broschüren und sonstiges Informationsmaterial für die Öffentlichkeitsarbeit.
Die zweite Frage lautet:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die in der Truppe vorhandene Unruhe zu beseitigen, die durch eine verallgemeinernde Darstellung und Betrachtung vorhandener Mißstände entstanden ist?
Die Bundesregierung hat bereits am 25. Juni 1964 in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag unmißverständlich festgestellt, daß mit „Überspitzungen und Verallgemeinerungen" ... „der Bundeswehr kein guter Dienst erwiesen" worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat ferner erklärt, daß „Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung ... Achtung, Schutz und Vertrauen verdienen" und „... das mit geringen Ausnahmen für die militärischen Führer aller Dienstgrade zutrifft". Der Herr Bundeskanzler bekräftigte, daß die Bundesregierung zu den Soldaten der Bundeswehr steht, so wie diese „treu und gewissenhaft diesem Staate und unserem Volk" dienen.
Die Bundesregierung hat die Erklärungen des Herrn Bundestagspräsidenten und der Vorsitzenden der Fraktionen, die in .der gleichen Sitzung abgegeben wurden, begrüßt und als besonders wertvolle Unterstüztung ihrer eigenen Bemühungen gewertet. Die Erklärungen des Herrn Bundestagspräsidenten und des Herrn Bundeskanzlers wurden den Kompanien und entsprechenden Einheiten am darauffolgenden Tage im Wortlaut zugeleitet.
Unter Ziffer 3 wird gefragt:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß festgestellte Mängel und Mißstände nicht auf den Geist der Offiziere und Unteroffiziere der Truppe im allgemeinen schließen lassen, sondern vielmehr das Ergebnis eines überstürzten Aufbaus der Bundeswehr unter unseren besonderen Voraussetzungen und damit einer nicht ausreichenden Ausbildung und Anleitung in der modernen Menschenführung sind?
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß auftretende Mängel nicht auf den Geist der Offiziere und Unteroffiziere schließen lassen. Ein Teil der Schwierigkeiten ist zweifellos auf den aus zwingender Gesamtlage heraus erforderlichen raschen Aufbau der Bundeswehr zurückzuführen. Sie mußten aus allen dem Hohen Haus bekannten Gründen in Kauf genommen werden.
Ich darf zu der mündlichen Begründung, die heute morgen der Vertreter der Freien Demokratischen Partei gegeben hat, ein paar Erläuterungen geben. Es wurde in der mündlichen Ergänzung gesagt, daß man einen Rückgang der Schlagkraft der Bundeswehr festzustellen habe und daß die letzte Verantwortung für die Lücken, die noch vorhanden sind und zu dem Rückgang geführt haben, der Politiker und nicht der junge Ausbilder trage. — Zunächst dieses: Die Schlagkraft unserer Bundeswehr hat sich trotz allem kontinuierlich erhöht. Unsere Einheiten werden wie alle Einheiten der NATO laufend von der NATO selber überprüft und bewertet. Die Ver-
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Bundesminister von Hassel
bände der Bundeswehr stehen dabei nach den Streitkräften der Vereinigten Staaten immer an zweiter Stelle.
Ich glaube, wir tun gut daran, das anzuerkennen und auch mit einem gewissen Stolz zu sagen, daß der erhobene Vorwurf nicht zutrifft.
— Dann fragen Sie vielleicht einmal bei einer anderen Gelegenheit und nicht den Bundesminister der Verteidigung, Herr Abgeordneter Wienand. Ich habe bei jeder Gelegenheit deutlich gemacht,
daß auch der Verteidigungsminister, obwohl er dafür keine Verantwortung hat, immer davon ausgehen muß, daß es nicht nur eine äußere Sicherheit, sondern auch eine innere Sicherheit gibt. Sie finden mich immer auf der Seite derer, die auch die innere Sicherheit wollen. Wenn Sie das bei uns kritisieren, dann frage ich Sie, wie lange Sie beispielsweise die Notstandsgesetzgebung verzögert haben.
— Sie haben nachher noch Gelegenheit, sich hier zu äußern.
Der Herr Abgeordnete Schultz sagte, daß letztlich
der Politiker die Verantwortung trage und nicht der junge Ausbilder. Ich stimme Ihnen, Herr Abgeordneter, uneingeschränkt zu. Die Verantwortung für die Lücken, die vorhanden sind, kann man nicht dem kleinen Mann draußen, dem Gefreiten, Unteroffizier, Feldwebel, auch nicht dem Offizier auferlegen; die Verantwortung dafür tragen wir Politiker. Bei jeder Gelegenheit — beispielsweise im Zusammenhang mit der Nagold-Affäre - habe nicht nur ich, sondern hat das Hohe Haus zum Ausdruck gebracht, daß man von uns aus die Verantwortung nicht auf den kleinen Mann abwälzen darf. Ich folge da völlig Ihrer Darstellung.
Das dritte Thema in Ihrer mündlichen Begründung zu der Frage 3, Herr Abgeordneter Schultz, war: das Vertrauen zum Soldaten, um das Sie und das Hohe Haus sich bemühen. Sie sagten, diesem Wort: Vertrauen zum Soldaten müßten auch Taten folgen. Sie verwiesen dazu auf ein Beispiel, das draußen in der Bundeswehr sehr gängig ist, nämlich die Besetzung des Postens des Abteilungsleiters für das Personalwesen. Ich darf zitieren, Herr Abgeordneter Schultz, was ich vor zwei Monaten auf der letzten Kommandeurstagung in München gesagt habe. Ich habe dort folgendes formuliert:
Eine andere Quelle des Unmutes ist die Tatsache, daß der Leiter der Personalabteilung im Ministerium ein Zivilist ist. Ich weiß, daß man diese Tatsache manchmal als einen Ausdruck des Mißtrauens in das Offizierskorps deutet. Lassen Sie mich dazu sagen: im Haushaltsplan ist seit eh und je die Stelle als eine Beamtenstelle ausgebracht. Ich bedauere dies und bemühe mich seit geraumer Zeit, aus ihr eine Wechselstelle zu machen. Meine Auffassung ist: es darf keine Ideologie sein, daß der Leiter der Personalabteilung nur ein Soldat sein darf oder nur ein Beamter sein muß. Der Minister muß den bestgeeigneten Mann berufen können, sei er Beamter, sei er Soldat.
Angesichts der Tatsache, daß der stellvertretende Leiter und vier Unterabteilungsleiter dieser Abteilung Soldaten sind, sollte die Diskussion aber darüber ein Ende haben.
Nun kommt ein besonders wichtiger Satz, Herr Abgeordneter Schultz, und Sie werden mir wahrscheinlich zugeben, daß er zutrifft:
Die Zahl der Beförderungsstellen würde unter
einem General als Leiter nicht größer werden.
Im übrigen werden sich Mängel und Mißstände bei dem Aufbau einer so großen Organisation, wie es die Bundeswehr mit zur Zeit etwa 430 000 Soldaten und 170 000 zivilen Kräften ist, nie völlig vermeiden lassen. Es wäre falsch, hieraus Schlüsse auf den Geist der Offiziere und Unteroffiziere zu ziehen. Die Bundesregierung weist deshalb jede 'kollektive Verurteilung entschieden zurück. Sie stützt diese Auffassung auch auf den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten, in dem es auf Seite 4 heißt, daß sich „für jedes Beispiel des Versagens eines Soldaten ... zahlreiche Beispiele vorbildlichen Verhaltens nennen lassen". Die Bunderegierung weiß, daß die große Mehrheit der Offiziere und Unteroffiziere trotz stärkster Anspannung und überdurchschnittlicher Belastung die ihnen auferlegten Pflichten vorbildlich erfüllt.
Was die Ausbildung und Anleitung in der modernen Menschenführung betrifft, so hat der Bundesminister der Verteidigung sofort nach Abschluß der wichtigsten durch unsere Bündnispolitik bedingten Aufstellungsvorhaben im Frühjahr 1963 eine Phase der Konsolidierung angeordnet. Sie wirkt sich in allen Bereichen aus, hat aber als 'besonderen Schwerpunkt zum Ziel, die Spannung zwischen dem Erforderlichen und dem Möglichen zu beseitigen und durch vertiefte Ausbildung und Anleitung der Offiziere und Unteroffiziere Sicherheit und Können in der modernen Menschenführung zu steigern. Der Katalog vielfältiger Maßnahmen müßte hier genannt werden. Er reicht von der Errichtung von Unteroffiziersschulen — bei Heer, Luftwaffe und Marine sind bereits je eine in Betrieb; weitere beim Heer werden errichtet — bis zur Verlängerung der Förderlehrgänge für Unteroffiziere und Feldwebel, von der schrittweisen Verlängerung der Offiziersausbildung durch einen „Aakademielehrgang" bis zur Beurlaubung zum Vollstudium ausgebildeter Offiziere auf Kosten des Staates.
Die Bundesregierung stellt in diesem Zusammenhang fest, daß die Vorschläge des Wehrbeauftragten zur Verbesserung der Ausbildung militärischer Vorgesetzter vom Herbst 1964 bereits seit langem im
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Bundesminister von Hassel
Zuge der Konsolidierung aus eigener Initiative realisiert worden sind oder realisiert werden.
Zur Frage Nr. 4: Die Bundesregierung ist nicht nur bereit, sondern insbesondere ständig und mit Erfolg bemüht, die Truppenführer, insbesondere die Einheitsführer von Verwaltungsaufgaben zugunsten ihrer Ausbildungs- und Erziehungsaufgaben zu entlasten. Es muß aber beachtet werden, daß die heutzutage in der Einheit anfallende Verwaltungsarbeit zum großen Teil bedingt ist durch unsere rechtsstaatliche Ordnung und durch die hochwertige, sehr kostspielige technische Ausstattung einer modernen Armee.
Durch die Tätigkeit einer besonderen Kommission unter Leitung eines Obersleutnants, die im Auftrage des Bundesministers der Verteidigung die Truppe laufend besucht, ist jedoch erreicht worden, daß die Zeit, die der Kompaniechef im Monatsdurchschnitt zur Erledigung des Schriftverkehrs benötigt, täglich etwa zwei bis drei Stunden nicht überschreiten muß. Auf Vorschlag dieser Kommission wurde dem Kompaniechef für sein Geschäftszimmer neben dem Kompaniefeldwebel wieder die Stelle eines Kompanieschreibers für die laufende Verwaltungsarbeit bewilligt.
Eine Reihe von Maßnahmen hat die Belastung des Einheitsführers mit Verwaltungsarbeit erheblich eingeschränkt. Ich nenne einige Beispiele: Wir haben eine radikale Einschränkung der sogenannten Dauerterminmeldungen auf logistischem Gebiet, eine Vereinfachung in der Bearbeitung von Schadensfällen, eine Vereinfachung und Koordinierung des Meldewesens auf allen Sachgebieten, eine Einschränkung der aktenkundig zu machenden Belehrungen, eine Vereinfachung der Führung der Personalunterlagen, dabei insbesondere den Wegfall des Wehrstammbuches für alle Soldaten, die Einführung der Personenkennziffer als alleinige Kennzeichnung der Soldaten, eine Delegierung der Beförderungsbefugnis für Mannschaften bis zum Hauptgefreiten auf den Kompaniechef, eine Delegierung der Unterschriftsbefugnis auf Funktionspersonal, insbesondere auf den Kompaniefeldwebel in allein 60 Fällen — weitere Delegierungen werden folgen, sobald der Bundesrechnungshof zugestimmt hat —, eine Herausgabe einer handlichen, übersichtlich geordneten Sammlung von Erlassen für den täglichen Gebrauch in der Kompanieschreibstube und die Zusammenfassung von Einzelerlassen zu zentralen Dienstvorschriften. Die Reihe der Beispiele ließe sich lange fortsetzen. Nur aus Zeitgründen verzichte ich hier darauf, all die anderen Maßnahmen darzulegen.
Oberhalb der Kompanie wird die Verwaltungsarbeit durch Beamte und Angestellte wahrgenommen, die durch ihre Sachkentnis auf dem von der Natur her außerordentlich schwierigen Gebiet der Bundeswehrverwaltung dem Soldaten die Verwaltungsarbeit abnehmen und deren Leistung auch von der Truppe selbst anerkannt wird.
In der Frage 5 heißt es:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um den Mangel an Offizieren und Unteroffizieren schnell und wirksam zu beheben?
In der münlichen Ergänzung ist in der Begründung zu den Fragen 5 und 6 gesagt worden, daß man bei dem Thema Offiziere und Unteroffiziere vor allen Dingen verlangen muß, daß man den mitdenkenden Offizier erzieht und nicht nur den, der einfach Befehle ausführt, und zwar einen mitdenkenden Offizier, der auch dann erwünscht ist, wenn er einmal eine andere Meinung vertritt als die Leitung des Hauses. Herr Abgeordneter Schultz, ich möchte Ihnen deutlich mein Prinzip auseinandersetzen. Bei mir im Ministerium hat jeder Offizier oder Beamte oder sonstige zivile Mitarbeiter nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, seinem Minister und den leitenden Herren des Hauses seine Auffassung unabhängig davon, ob sie mit der des Ministers oder der Leitung des Hauses konform geht, darzulegen. Solange eine Frage nicht entschieden ist, hat jeder Offizier und Mitarbeiter das Recht und die Pflicht — ich wiederhole es —, seine Auffassung dem Minister vorzutragen. Sie können mir nicht ein einziges Beispiel nennen, wo ein anderer Offizier, ein nachgeordneter Mann, nicht die Gelegenheit gehabt hat, seine Auffassung laut und deutlich und vernehmlich zu sagen.
Wenn die Entscheidung aber getroffen ist, dann erwarte ich, daß jeder Mitarbeiter im Ministerium und draußen diese Entscheidung seines Ministers loyal befolgt und vertritt und zu seinem eigenen Anliegen macht.
Ich brauche bis heute, Herr Abgordneter Schultz, nicht in einem einzigen Falle darüber Klage zu führen, daß das dann nicht auch geschehen ist.
Ich glaube, insofern ist die Mahnung an den Minister, daß er mitdenkende Offiziere haben müsse, unberechtigt. Ich verlange, daß sie mitdenken und nicht nur stramm stehen.
Nun zur Beantwortung dieser beiden Fragen folgendes: Der Mangel an Offizieren geht vor allem auf das Fehl an Angehörigen der „weißen Jahrgänge" zurück. Dieses Fehl kann auch angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge in absehbarer Zeit nicht ausgeglichen werden.
Der Mangel an Unteroffizieren ist vornehmlich in der Arbeitsmarktsituation begründet. Der Aufbau der Bundeswehr hat begonnen, als die Vollbeschäftigung in der Wirtschaft erreicht war. Seitdem hat die Knappheit an Arbeitskräften von Jahr zu Jahr zugenommen. In der gleichen Zeit sind, nicht zuletzt wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Arbeitsbedingungen — Arbeitszeit, 5-Tage-Woche — laufend zugunsten der Arbeitnehmer verbessert worden. Die Aufgaben der Bundeswehr lassen es aber nicht zu, den Soldaten vergleichbare Vergünstigungen zu gewähren.
Seit Bestehen der Bundeswehr ist unablässig versucht worden, mehr Offiziere und Unteroffiziere zu gewinnen. In der vergangenen Zeit sind die sozialen, die rechtlichen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Soldaten laufend verbessert worden. Ein grundlegender Wandel wurde dadurch nicht er-
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Bundesminister von Hassel
reicht. Dennoch werden auch künftig die Laufbahnaussichten, die Besoldung, die Fürsorge und die Versorgung der Soldaten verbessert werden. Man wird sich jedoch darüber im klaren sein müssen, daß es kein sofort wirksames Mittel gibt, um den Mangel an Offizieren und Unteroffizieren zu beheben. Es wird dazu vieler und langandauernder Anstrengungen bedürfen. Insbesondere kommt es darauf an, das Ansehen des Soldaten und damit die Anziehungskraft seines Berufes zu erhöhen. Gegenwärtig werden zahlreiche Maßnahmen, die diesem Ziele dienen, durchgeführt und vorbereitet.
Zur 6. Frage: Die Bundesregierung hat die Laufbahnrichtlinien für Offiziere und Unteroffiziere stetig verbessert. Die Soldatenlaufbahnverordnung ist seit 1958 mehrfach, zum Teil grundlegend geändert worden, eine Vierte Änderungsverordnung ist in der Vorbereitung. Insbesondere sind folgende Maßnahmen vorgesehen: Trennung der bisher gemeinsamen Laufbahngruppe der Unteroffiziere und Mannschaften, Verbesserungen für die Spitzendienstgrade der Unteroffiziere, also für die Stabs-und Oberstabsfeldwebel, Verbesserung der Möglichkeit zum Aufsteigen bis zum Hauptfeldwebel für Soldaten auf Zeit und Erleichterung des Aufsteigens von Unteroffizieren in die Laufbahn der Offiziere im Truppendienst.
Die Bundesregierung widmet der Fürsorge für den Soldaten und seine Familie ebenso wie der Fürsorge für jeden Bediensteten des öffentlichen Dienstes ihr besonderes Augenmerk. Darüber hinaus trägt sie den Besonderheiten des Soldatenberufes durch zusätzliche Fürsorgemaßnahmen Rechnung. Der Bogen der Fürsorgemaßnahmen — es können hier nur Beispiele genannt werden — spannt sich von Beihilfen für Familienheimfahrten für Ledige im Inland bis zur Familienzusammenführung für verheiratete Soldaten in den USA, die dort einen langen Lehrgang besuchen, von der Einrichtung von Werk-, Schul- und Fürsorgefahrten bis zum Bau von Soldaten-, Unteroffizier- und Offizierheimen. Hierher gehört auch das große und umfassende Gebiet der Vorbereitung auf den zweiten Beruf, die Studienförderung und vieles andere mehr bis hin zu der hier schon zitierten Militärurlauberfahrkarte und dem zinslosen Darlehen für Zeitsoldaten. Es würde zu weit führen, all die vielen Maßnahmen aufzuführen. Denken Sie an die Erhöhung der Übergangsgebührnisse und Übergangsbeihilfen, an die Zusage an ,alle Unteroffiziere, nach einer mindestens zwölfjährigen Dienstzeit in die Bundeswehrverwaltung übernommen zu werden, an Iden weitgehenden Wegfall der Gegenrechnung der Versorgungsbezüge bei Übertritt des Soldaten in den öffentlichen Dienst, an Schulbeihilfen und nicht zuletzt an die Beratung und Unterstützung der Soldaten und ihrer Familien inversorgungs- und fürsorgerechtlichen Fragen, schließlich an den Aufbau eines eigenen fürsorgerischen Beratungsdienstes.
Der Bundesminister der Verteidigung hat besondere Schwerpunkte gesetzt, in denen Wohnungsbau nach Umfang und Qualität, Betreuungseinrichtungen für Unteroffiziere und Offiziere und die Freizeitpflege, besonders durch Soldatenheime, angesprochen werden.
Die Fülle der Maßnahmen zeigt, daß die Bundesregierung auf idem Wege der Fürsorge für den Soldaten viel erreicht hat und daß sie unablässig bemüht ist, diese Maßnahmen zu .ergänzen und zu vertiefen.
Die Besoldung der Soldaten ist durch ein Gesetz an die der Beamten angeglichen. Solange dieser Grundsatz vom Gesetzgeber nicht verlassen wird, besteht nur die Möglichkeit, die Sonderverhältnisse soldatischen Dienstes durch Zulagen verschiedener Art auszugleichen. Diese werden für zahlreiche Funktionen und militärische Sonderverhältnisse bereits gewährt.
Ich erinnere an die Zulagen für Flieger und Fallschirmspringer, Maschinen-, U-Boot-Personal und Bordpersonal, Kampfschwimmer und Taucher, das Flugsicherungskontroll- und Radarleitpersonal oder die Heeresbergführer sowie an zahlreiche Verpflegungszuschüsse für besondere Dienste.
Geplant sind weitere Verbesserungen für den Soldaten, die vor allem den Unterführern zugute kommen sollen. Gedacht ist insbesondere an eine Zulage für Soldaten im Truppendienst — für Zeit- und Berufssoldaten — zum Ausgleich ihrer ständigen zeitlichen Mehrbelastung im Vergleich zu den Zivilbediensteten.
Die Bundesregierung ist auch in Zukunft bestrebt, allen Besonderheiten .des soldatischen Berufs auch auf dem Gebiete der Besoldung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Rechnung zu tragen, wobei nicht verkannt werden darf, daß sich gerade Besoldungsfragen auf den gesamten öffentlichen Dienst auswirken und deshalb mit aller erforderlichen Behutsamkeit vorbereitet werden müssen.
Ich komme zur vorletzten Frage, wie sich die Bundesregierung in Zukunft verhalten will, um die Familien von Berufssoldaten, im besonderen die mit schulpflichtigen Kindern, durch zu häufige Versetzung der Ehegatten vor Schaden zu bewahren.
Antwort: Längerdienende Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten müssen in ihrer Laufbahn verschiedene Verwendungen erhalten. Dies führt zu Versetzungen. In der Zeit des Aufbaues der Bundeswehr wechselten die Verwendungen wegen der Neuaufstellungen oder der Umgliederung von Truppenteilen häufiger, als dies aus Laufbahngründen notwendig gewesen wäre. Wie sich am Beispiel der Portepee-Unteroffiziere zeigt, ist die Versetzungshäufigkeit inzwischen aber allgemein wesentlich zurückgegangen.
Während ein älterer Unteroffizier des Heeres 1959 schon nach 17 Monaten Verwendungsdauer versetzt worden ist, betrug die durchschnittliche Verwendungsdauer 1962 immerhin schon 45 Monate und läuft seit 1963 in Richtung auf über 60 Monate. Dagegen mußten die älteren Unteroffiziere der Luftwaffe noch 1962 nach 14 Monaten Verwendung versetzt werden; seit 1963 geht es auf 33 Monate. Die besondere Versetzungshäufigkeit im Jahre 1962 war auf die Umgliederung der Luftwaffe zurückzuführen.
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In der Marine betrug die Versetzungshäufigkeit der älteren Unteroffizier, bedingt durch den hohen Anteil des Spezialpersonals, im Jahre 1963 27 Monate.
In der Konsolidierungsphase, in die die Bundeswehr eingetreten ist, wird die Versetzungshäufigkeit allgemein weiter zurückgehen. Insbesondere sollen Wege gesucht werden, vor allem die verheirateten Soldaten an ihrem Standort auf möglichst lange Dauer — etwa 4 Jahre — zu belassen. Die Sorgen um die Wohnungen für die Familien und die Schulausbildung der Kinder werden dann auch geringer.
Die Schwierigkeiten in der Schulausbildung für die Kinder der Soldaten ergeben sich aus den nicht nur von Land zu Land, sondern zuweilen von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichen Schulverhältnissen. Vor allen Dingen bei den weiterführenden Schulen entstehen wegen der Vielzahl der Schultypen besondere Probleme. Sie lassen sich oft nicht durch Beihilfen für die Unterbringung in Internaten oder durch die Schaffung von Fahrgelegenheiten zum Besuch weiter entfernt liegender Schulen lösen. Grund dafür ist einmal die Abneigung der Eltern gegen Internatserziehung oder die Überanstrengung der Kinder durch zu weite Schulfahrten. Eine wirkliche Abhilfe ist hier nur durch eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Schulwesens zu erreichen. Soweit darauf Einfluß genommen werden kann, geschieht das mit dem Ziele, durch Versetzung und Umzug bedingte schulische Nachteile für die Kinder der Soldaten nach Möglichkeit zu vermeiden.
Alle zuständigen Vorgesetzten sind angewiesen, die Laufbahn der ihnen unterstellten Soldaten mit Sorgfalt und auf möglichst lange Sicht zu planen und zu realisieren. Berechtigte Wünsche der Soldaten und ihrer Familie sind dabei nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Bei der Klage über die zur Zeit häufige Versetzungsmöglichkeit muß darauf hingewiesen werden, daß 50 % der Versetzungen auf eigenen Antrag erfolgen. Da solche Wünsche also bei vielen Soldaten vorliegen, lassen sich Härten nicht gänzlich vermeiden. Sie müssen durch Fürsorgemaßnahmen möglichst schnell beseitigt oder gemildert werden. Hierzu gehört vor allem die schnelle Familienzusammenführung am neuen Standort des Soldaten.
Zur letzten Frage:
Was will die Bundesregierung tun, um den Offizieren und Unteroffizieren in den Bereichen, in denen sie stationiert sind, einen engeren und dauernden Kontakt mit den Angehörigen aller anderen Berufe zu ermöglichen?
Meine Damen und Herren, in jedem Standort der Bundeswehr besteht ein reger Kontakt zu den örtlich maßgebenden Persönlichkeiten. Dieses positive Verhältnis kommt in zahlreichen gegenseitigen Einladungen im kleineren Kreise und in der Teilnahme der Bevölkerung an den öffentlichen Veranstaltungen der Bundeswehr zum Ausdruck.
Als besonders geeignet zur Pflege guter Beziehungen hat sich die Durchführung der „Tage der
offenen Tür" gezeigt. Die Anforderungen erwiesen, daß Gäste der Bundeswehr an kleineren Übungen sehr gern teilzunehmen wünschen. Im vergangenen Jahr wurden 10 200 Veranstaltungen durchgeführt, an denen 6 Millionen Bundesbürger teilnahmen. Allein im ersten Quartal 1964 haben 2271 Veranstaltungen der Bundeswehr der verschiedensten Art mit zivilen Teilnehmern aus allen Berufsgruppen stattgefunden und zu sehr enger Begegnung geführt. In dieser Zahl, die ich eben nannte, ist nicht die Teilnahme von Soldaten aller Dienstgrade an Veranstaltungen enthalten, zu denen von ziviler Seite eingeladen Wurde.
Mit der Aufstellung der Bundeswehr und vor allen Dingen ihrer Territorialen Reserve wird sich der Kontakt zwischen Bundeswehr und Bevölkerung auch in den sogenannten truppenarmen Räumen verstärken. Die Einheiten der Territorialen Reserve sind auf Grund ihrer Zusammensetzung ausschließlich aus Reservisten als besonders geeignet anzusehen, Mittler zwischen Bundeswehr und Öffentlichkeit im örtlich begrenzten Bereich zu sein. Jede Förderung dieses militärischen Vorhabens auch von ziviler Seite führt also ebenso wie die Förderung allgemeiner Fürsorgemaßnahmen, vor allen Dingen des Wohnungsbaus, zur Vertiefung der bereits bestehenden Kontakte.
Soweit die Antwort auf die Große Anfrage der FDP. Ich glaube, ich darf davon ausgehen, daß die Diskussion hier im Hohen Hause am Freitagmittag nicht mehr sehr viel weitergeführt werden soll. Ich brauche deshalb auf die Ausführungen des Berichterstatters und des Mitberichterstatters für die Minderheit zum Bericht des Wehrbeauftragten nicht mehr einzugehen. Ich möchte aber in einem Punkte dem Berichterstatter der Minderheit widersprechen, der sagte, diese Sitzung habe unter einem ungünstigen Vorzeichen stattgefunden. Vielleicht, was die Uhrzeit angeht; aber ich meine, daß sie unter einem günstigen Zeitpunkt stattfand, nämlich nachdem ein neuer Wehrbeauftragter bestellt worden ist. Ich halte das für einen außerordentlich günstigen Zeitpunkt.
Der Vertreter der Minderheit hat zum Ausdruck gebracht, daß wir der großen Mehrheit aller Dienstgrade der Bundeswehr für die ausgezeichnete Art zu danken haben, wie sie ihren Dienst in der Bundeswehr geleistet haben. Er hat aber auch zum Ausdruck gebracht, man habe den Wehrbeauftragten nicht zu dem Zweck, Selbstverständlichkeiten vor dem Hohen Hause auszubreiten oder nur das zu sagen, was gut sei, sondern dazu, auf die Schäden, die Schwierigkeiten, die Lücken hinzuweisen. Ich folge in dieser Auffassung dem Minderheitsberichterstatter nicht. Ich meine, daß man, wenn man im Bundestag diskutiert, nicht nur über die geringen Schäden, Schwächen und Lücken sprechen, sondern auch die große, überwiegend positive Leistung zum Ausdruck bringen soll,
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daß man also das richtige Maß setzen muß.
— Herr Wienand, daß Sie etwas anderes sagen, bin ich gewohnt. Ich sehe mit großem Interesse Ihren Ausführungen hier entgegen. Bisher haben Sie nämlich mit ungewöhnlichem Geschick persönlich jede Diskussion im Bundestag vermieden und sind anschließend zwei Stunden später vor die Presse gegangen und haben dort Ihre Weisheit und Ihre Kritik über die Bundeswehr und das Ministerium zum Ausdruck gebracht.
— Das kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter Wienand. An Hand eines langen Kriegstagebuchs kann ich Ihnen vortragen — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön.
Herr Minister, würden Sie die Freundlichkeit besitzen, mir an Hand von Daten oder überhaupt ein Beispiel zu sagen, wo ich einer 1 Diskussion hier ausgewichen bin, wenn ich etwas gesagt habe, und zwei Stunden später an die Presse gegangen bin? Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Mir ist so etwas nicht bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich Ihnen genau sagen, daß Sie z. B. in keiner einzigen Debatte über den Haushalt hier in diesem Hause das Wort genommen haben, aber nach Abschluß dieser Debatte unmittelbar vor der Sommerpause — ich glaube, am 29. Juni — in einer breiten Darlegung in die Öffentlichkeit gingen.
— Herr Präsident, ich nehme das Wort „zwei Stunden" zurück und ersetze es durch „zwei Tage" oder „zwei Wochen".
— Herr Abgeordneter, ich nehme das „zwei Stunden" gern zurück und setze dafür „zwei Tage" oder „zwei Wochen". Also, ich setze statt „zwei Stunden" „zwei Tage".
Herr Wienand, in Ihrer Art gehen Sie hinaus und reden dann über „große Schlamperei" in einem Kreise vor der Presse, wo Ihnen keiner unmittelbar begegnen kann.
Wir, die Regierung und, ich glaube, die Abgeordneten des Hohen Hauses, sehen mit Interesse Ihrer Rede hier entgegen, und Sie können sich darauf verlassen, daß wir auch antworten werden.
Meine Damen und Herren, soll ich Ihnen aus meinen Kriegstagebuch die Äußerungen des Herrn Wienand hier vor dem Hohen Hause zitieren?
— Ja, meine Herren, bitte. Dann seien Sie aber damit einverstanden, daß die Züge angehalten werden, die Sie sonst um zwei Uhr nicht mehr bekommen werden.
— Jawohl, dann werde ich Ihnen nachweisen, wie Sie durch solche unverantwortlichen Äußerungen draußen in der Öffentlichkeit — —
— Sie zensieren den Minister, wo immer Sie nur können. Dann ist der Minister wohl berechtigt, auch Sie zu zensieren.
— Das ist das Recht der Opposition. Aber es ist auch das Recht eines freien Ministers, auf Angriffe zu antworten, die unablässig gegen ihn geführt werden.
Darf ich vielleicht abschließend zu dem Thema Innere Führung eine Formulierung zitieren, die ich auf der gleichen Kommandeurstagung, die vorhin schon einmal erwähnt wurde, zu dem Thema Innere Führung vorgetragen habe. Ich habe versucht, einmal griffig zu formulieren, was wir unter Innerer Führung verstehen. Über den Beratungen des Verteidigungsausschusses über die Berichte des Admirals Heye hat ja vier Tage hindurch die Frage der Inneren Führung gestanden. Ich darf also meine Formulierung einmal vortragen. Ich kann mir vorstellen, daß jemand vielleicht den einen oder anderen Halbsatz besser formulieren würde; dann würde sich eine Diskussion darüber im Ausschuß für Verteidigung als sehr zweckmäßig erweisen. Diese drei Thesen, die ich über die Innere Führung formulierte, lauten folgendermaßen:
Die Innere Führung ist erstens Anleitung, Menschen unserer Zeit in unserer Gesellschafts- und Staatsform auszubilden, zu erziehen und zu führen.
Innere Führung ist zweitens die Art und Weise,
in der die soldatische Ordnung der Bundeswehr
auf der Grundlage der Dienstpflichten im Ein-
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klang mit den Prinzipien des freiheitlichen Rechtsstaates täglich verwirklicht wird.
Die Innere Führung ist drittens der Weg zum Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, ausgebildet als moderner .Soldat, erzogen zum freien Bürger, der aus Einsicht gehorcht und entschlossen ist, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, geführt von beispielgebenden Vorgesetzten.
Unter diesen drei Thesen versucht die Bundeswehr
den ihr vom Volke gegebenen Auftrag zu erfüllen.
Ich habe dem Haus folgendes mitzuteilen.
— Das Wort zu einer persönlichen Erklärung, Herr Wienand!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich den Abmachungen anschließen und nicht mehr das Wort ergreifen. Ich möchte hier ausdrücklich erklären, daß ich in der letzten Zeit mindestens zwei- bis dreimal ein Opfer der Abmachungen der Fraktionen geworden bin. Ich bin dann aber niemals zwei Stunden oder zwei Tage später zur Presse gegangen, sondern habe eine gewisse Zeit zugewartet, bis der Wunsch entstand, zu diesen Dingen Stellung zu nehmen, und habe es dann in einer objektiven und vertretbaren Weise getan.
Wenn mir das Wort „riesengroße Schlamperei" vorgeworfen wird, bitte ich das Hohe Haus, mir zu erlauben, das zu begründen, damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte es in bodenloser Demagogie gebraucht, wie es vom Herrn Minister in einer Presseerklärung interpretiert worden ist; es ist mir durch eine Mitteilung bekannt, die mir teilnehmende Journalisten gegeben haben. Ich will begründen, warum ich an diesem Abend — nicht im Laufe eines Vortrags im Presseclub, sondern auf Grund einer Unzahl von Fragen — dieses Wort „riesengroße Schlamperei" gebraucht habe. Ich war einige Wochen vorher bei einer Panzerbrigade gewesen. Dort hatten mir der Kommandeur und die Offiziere der Brigade erklärt, daß sie zu den einzelnen Quartalen Wehrpflichtige angefordert hätten. Man habe ihnen aber nicht die Bruttozahl — ich habe mir dann noch erklären lassen, was sie unter „Bruttozahl" verstehen — zugebilligt, sondern wesentlich weniger Wehrpflichtige gegeben, als die Brigade angefordert habe.
Daraufhin habe ich gefragt: Warum? Mir wurde von dem Brigadekommandeur und den anwesenden anderen Kommandeuren erklärt, von Bonn hätten sie über die Division die Mitteilung bekommen, es stehe nicht genügend Geld zur Verfügung, deshalb könnten die Rekruten nicht zugebilligt werden. Hier im Hause sitzt ein Kollege, der an diesen Besprechungen teilgenommen hat. Ich kann mich ausdrücklich auf ihn und auf die anwesenden Offiziere berufen.
Das habe ich damals in Erinnerung gehabt. Und 14 Tage oder einige Wochen später wurde mir im Rahmen dieser Pressekonferenz, als ich überhaupt. nicht auf diese Dinge zu sprechen gekommen war, von einem Journalisten die Frage gestellt, wie ich denn die Tatsache beurteilte, daß jetzt plötzlich 1,6 Milliarden DM übrig seien, die zur Abdeckung des Nachtragshaushalts verwandt werden könnten, obwohl im April und im Mai bei den Haushaltsberatungen erklärt worden sei, hier sei bis aufs letzte kalkuliert, keine Mark sei überflüssig; ich brauche das hier nicht im einzelnen auszuführen.
Ich habe dann gesagt: Wenn ich es jetzt aus der Sicht der Truppe, der Brigadekommandeure und der Bataillonskommandeure betrachte, denen man erklärt habe, sie bekämen die angeforderten Wehrpflichtigen, die da sind, nicht — ich will jetzt nicht auf die ganzen Ausführungen eingehen, das werde ich bei anderer Gelegenheit tun —, denen man gesagt habe, sie könnten die Wehrpflichtigen nicht bekommen, weil kein Geld in Bonn ist — —
Herr Abgeordneter, darf 'ich Sie einen Moment unterbrechen. Ich möchte Sie auf die Grenzen aufmerksam machen, die einer persönlichen Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung gesetzt sind.
Danke schön. Ich bin mit einem Satz zu Ende.
Ich habe dann erklärt: Von dem Gesichtspunkt der Truppe laus muß es als riesengroße Schlamperei erscheinen, wenn man ihr einige Wochen vorher sagt, für die Wehrpflichtigen, die sie ,angefordert habe, sei kein Geld da, und jetzt seien sogar 1,6 Milliarden DM zuviel da, um damit den Nachtragshaushalt des Bundes zu decken.
Auf die Sache und tauf die Schlußfolgerungen, Herr Minister, werde ich zur gegebenen Zeit, wenn die Gelegenheit in diesem Hohen Hause gegeben ist, eingehen.
Meine Damen und Herren, ich habe dem Hause mitzuteilen: Weil ein Tagesordnungspunkt, nämlich. die Wahl des Wehrbeauftragten, eingeschoben werden mußte, konnte die Zeit, die für die Behandlung dieses wichtigen Gegenstandes vorgesehen war, nicht eingehalten werden. Deshalb ist vereinbart worden, daß die Debatte und — damit verbunden — die Behandlung des Punktes 7 der Tagesordnung, der sächlich .damit zusammenhängt, bei erster Gelegenheit im Januar fortgesetzt werden soll.
Wir sind für heute lam Ende der Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 16. Dezember, nachmittags 14.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.