Protokoll:
4151

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 151

  • date_rangeDatum: 9. Dezember 1964

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:56 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 151. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1964 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten der Republik Korea 7445 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Kempfler, Dr. Frey (Bonn) und Dr. Willeke 7417 A Abg. Frau Stommel tritt in den Bundestag ein 7417 B Fragestunde (Drucksachen IV/2810, IV/2817) Frage der Abg. Frau Beyer (Frankfurt) : Schweinefleischpreise Schwarz, Bundesminister . 7418 D, 7419 B Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 7419 B Fragen des Abg. Dr. Wuermeling: Forderungen der SPD für die Wohnungsbaupolitik Lücke, Bundesminister 7419 C, 3420 A, B, C, D, 7421 A, B Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 7420 A Frau Berger-Heise (SPD) . . . 7420 B, C Frau Meermann (SPD) 7420 C, D Hauffe (SPD) 7421 A Strohmayr (SPD) 7421 B Fragen des Abg. Baier (Mosbach): Richtlinien für Kleinsiedlungen — Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart Lücke, Bundesminister 7421 C, D Frage des Abg. Baier (Mosbach) : Anteil der Kleinsiedlungen am Gesamtbauvolumen 1960 bis 1964 Lücke, Bundesminister 7422 A Fragen des Abg. Strohmayr: Beiträge zum Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG Dr. Dahlgrün, Bundesminister 7422 B, C, D, 7423 A Strohmayr (SPD) . . . 7422 B, C, 7423 A Fragen des Abg. Sanger: Sicherung der deutschen Staatsangehörigkeit von Angehörigen einer Botschaft im Ausland — Wiedergutmachungsgesetze 7423 A Frage des Abg. Josten: Soldatenheim in Koblenz Gumbel, Staatssekretär . . . 7423 B, C Josten (CDU/CSU) 7423 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Belastung des Telefonnetzes Stücklen, Bundesminister . . . . . 7423 D Dr. Mommer (SPD) 7423 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Vereinheitlichung der Notruf-Fernsprechnummern Stücklen, Bundesminister . 7424 A, B, C, D Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . 7424 B, C Neumann (Berlin) (SPD) . . . . 7424 C, D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Fragen des Abg. Flämig: Radioaktive Stoffe in der oberbayerischen Pechkohle Lenz, Bundesminister 7425 A, B Flämig (SPD) . . . . . . . 7425 A, B Frage des Abg. Kaffka: Roman Henry Millers „Wendekreis des Steinbacks" Dr. Carstens, Staatssekretär . 7425 C, D Kaffka (SPD) 7425 C, D Frage des Abg. Spies: Ratifizierung des Kriegsgräberabkommens durch Griechenland 7425 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Entschädigung im „Brandaris"-Komplex Dr. Carstens, Staatssekretär 7426 A, B, C, D Dr. Müller-Emmert (SPD) 7426 A, B Dröscher (SPD) 7426 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 7426 C Frage des Abg. Börner: Ratifizierung des deutsch-französischen Abkommens über die Wehrpflicht von Doppelstaatlern Dr. Carstens, Staatssekretär . . 7426 D, 7427 A, B, C Börner (SPD) 7427 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7427 B Dr. Mommer (SPD) 7427 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Versorgung von Angestellten vorge- rückten Alters im öffentlichen Dienst Höcherl, Bundesminister . 7427 D, 7428 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7427 D Brück (CDU/CSU) 7428 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes Höcherl, Bundesminister . . . . 7428 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7428 A Bühler (CDU/CSU) 7428 B Frage des Abg. Strohmayr: Überwachung gewerblicher Altersheime, Pflegeheime und Altenpensionen Höcherl, Bundesminister . . . . 7428 C, D Strohmayr (SPD) 7428 C Frage der Abg. Frau Funcke (Hagen) : Eheschließung von Frauen mit einem über 65jährigen Ruhestandsbeamten Höcherl, Bundesminister 7428 D, 7429 A, B, C, D Frau Funcke (Hagen) (FDP) . . . 7429 A Wehner (SPD) 7429 B Jahn (SPD) 7429 B, C Moersch (FDP) 7429 C Fragen des Abg. Bauer (Würzburg) : Versicherung und Altersversorgung von Verfolgten, Kriegsversehrten und Spätheimkehrern Höcherl, Bundesminister . 7429 D, 7430 A Bauer (Würzburg) (SPD) . 7429 D, 7430 A Frage des Abg. Iven (Düren) : Erbrecht im Selfkant-Gebiet Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 7430 B Fragen des Abg. Stingl: Durchsuchungen des Echo-Verlages, Berlin, und weiterer Stellen durch die Berliner Polizei Dr. Bucher, Bundesminister . . . 7430 C, D, 7431 A, B Stingl (CDU/CSU) 7430 D Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . 7431 A, B Dr. Kohut (FDP) 7431 B Sammelübersicht 38 des Ausschusses für Petitionen (Drucksachen IV/2774, zu IV/2774) 7431 B Entwurf eines Vierten Umstellungsergänzungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2808) — Erste Beratung — 7431 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Überwindung des Bildungsnotstandes (Drucksache IV/2611) in Verbindung mit dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Errichtung eines Bildungsrates (Drucksache IV/2601) und mit dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik über die Anträge (SPD, CDU/CSU, Abg. Dr. Dichgans u. Gen. und FDP) zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung der wissenschaftlichen Forschung Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 III und Aufgaben der Bildungsplanung (Drucksachen IV/2773, IV/1829, Umdrucke 396, 399, 402, 403) Erler (SPD) 7431 D Dr. Martin (CDU/CSU) 7438 B Höcherl, Bundesminister . 7441 B, 7467 A Moersch (FDP) . . . . . . . . 7450 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 7453 D Dr. Lohmar (SPD) 7462 B Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers . . . . . . . . . . 7466 C Frau Funcke (Hagen) (FDP) . . . . 7470 A Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . . 7473 D Dr. Dichgans (CDU/CSU) 7476 D Dr. Bechert (SPD) 7479 B Lenz, Bundesminister 7480 D Antrag betr. Verfolgung von NS-Mordtaten (CDU/CSU, SPD) (Drucksache IV/2823) Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 7457 A Dr. Bucher, Bundesminister . . . 7458 A Jahn (SPD) 7460 A Busse (FDP) 7461 B Spies (CDU/CSU) 7462 A Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen IV/1965, IV/834, IV/846, IV/2176, zu IV/2176) — Zurückverweisung — . . 7482 B Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes (Drucksache IV/1346) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/2696) — Zweite und dritte Beratung — Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . . 7482 C Scheppmann (CDU/CSU) . . . . . 7483 B Ravens (SPD) . . . . . . . . . 7483 D Dürr (FDP) 7484 B Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . . 7485 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlage. gesellschaften (Abg. Dr. Luda, Katzer, Winkelheide, Wullenhaupt u. Fraktion CDU/CSU) (Drucksache IV/2049) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/2716, zu IV/2716) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Luda (CDU/CSU) 7485 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes (SPD) (Drucksache IV/2331) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/2724) — Zweite und dritte Beratung — 7485 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. August 1962 mit dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (Drucksache IV/2351); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/2749, zu IV/2749) — Zweite und dritte Beratung —, in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 30. August 1962 mit dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (Drucksache IV/2352) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/2750, zu IV/2750) — Zweite und dritte Beratung — 7486 A Entwurf eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 14. September 1961 über die Anerkennung der Vaterschaft und vom 12. September 1962 über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder (Drucksache IV/1933); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/2760) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 7486 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. März 1964 mit der Republik Chile über den Luftverkehr (Drucksache IV/2641); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2766) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 7486 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Juni 1963 mit dem Königreich Griechenland über den planmäßigen gewerblichen Luftverkehr (Drucksache IV/2651); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/2767) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 7486 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. April 1964 mit dem Königreich Griechenland über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen (Drucksache IV/2643) Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/2788) — Zweite und dritte Beratung — 7487 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Ubereinkommen vom 17. Dezember 1962 zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates über die Ausgabe eines internationalen Gutscheinheftes für die Instandsetzung von Prothesen und orthopädischen Hilfsmitteln an militärische und zivile Kriegsbeschädigte (Drucksache IV/2778) — Erste Beratung — . . . . 7487 B IV Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (Drucksache IV/2787) — Erste Beratung — . . . . . 7487 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Drucksache IV/2813) — Erste Beratung — . . . . 7487 C Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2784) — Erste Beratung — . . . . 7487 C Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren bei Änderungen des Gebietsbestandes der Länder nach Artikel 29 Abs. 7 des Grundgesetzes (Drucksache IV/2746) — Erste Beratung — 7487 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen über den Antrag der Fraktion der SPD und den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU hierzu betr. Enquete über die Situation der Frau im Beruf, Familie und Gesellschaft (Drucksachen IV/2771, IV/837, Umdruck 247) Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 7488 A Frau Schanzenbach (SPD) . . . . . 7489 A Kubitza (FDP) . . . . . . . . . 7490 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen über den Antrag (SPD) betr. europäisches Jugendwerk (Drucksachen IV/1855, IV/2772) in Verbindung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/2798) Frau Klee (CDU/CSU) 7491 B Liehr (SPD) 7492 D Memmel (CDU/CSU) 7494 D Kubitza (FDP) 7495 C Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 7496 A Dr. Heck, Bundesminister . . . 7497 A Vogt (CDU/CSU) 7497 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über die EURATOM-Forschungsstätten (Drucksachen IV/1934, IV/2791) . . . . 7498 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Durchführung einer Erhebung über Struktur und Verteilung der Löhne im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe (Drucksachen IV/2674, IV/2800) in Verbindung mit dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Einführung gemeinschaftlicher Analysemethoden für die amtliche Untersuchung von Futtermitteln (Drucksachen IV/2706, IV/2801) und dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Ergänzung der Verordnungen Nrn 3 und 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Stellung der Hilfskräfte bei den Europäischen Gemeinschaften) (Drucksachen IV/2734, IV/2807) 7499 A Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Siebenundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2675, IV/2805) 7499 B Bericht des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Dreiundneunzigste Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2700, IV/2802) in Verbindung mit dem Bericht des Außenhandelsausschuses über die von der Bundesregierung erlassene Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2763, IV/2803) und dem Bericht des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Sechsundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2683, IV/2804) . . 7499 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Fabrikgrundstücks in Mechernich (Eifel) (Drucksache IV/2806) 7499 D Antrag betr. bundeseinheitliche Tierseuchenbekämpfung (Abg. Logemann, Dr. Siemer, Mauk, Ehnes, Reichmann u. Gen.) (Drucksache IV/2799) . . . . . .. . 7499 D Nächste Sitzung 7500 A Anlagen 7501 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7417 151. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigung: Es ist zu lesen: 148. Sitzung, Seite 7276 C Zeile 12 von unten statt „an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten" : an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 12. Arendt (Wattenscheid) 10. 12. Dr. Atzenroth 31. 12. Bading * 11. 12. Dr.-Ing. Balke 9. 12. Bazille 15. 12. Dr. Besold 31. 12. Blachstein 31. 12. Blumenfeld 11. 12. Dr. Dittrich 19. 12. Dopatka 11. 12. Frau Dr. Elsner * 12. 12. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 9. 12. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 11. 12. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 9. 12. Dr. Furler * 12. 12. Gaßmann 31. 12. Gedat 15. 12. Dr. Gossel 19. 12. Hahn (Bielefeld) 31. 12. Hammersen 30. 1. Dr. Hellige 11. 12. Hesemann 11. 12. Hilbert 9. 12. Kahn-Ackermann 9. 12. Dr. Knorr 9. 12. Dr. Kreyssig * 18. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 1. Leber 11. 12. Lenz (Bremerhaven) 11. 12. Frau Lösche 11. 12. Maier (Mannheim) 11. 12. Mauk * 15. 12. Metzger * 11. 12. Freiherr von Mühlen 11. 12. Dr. Müller-Hermann * 12. 12. Peters (Poppenbüll) 19. 12. Rademacher 11. 12. Reichhardt 17. 12. Richarts * 12. 12. Seuffert 9. 12. Dr. Sinn 11. 12. Storch * 11. 12. Strauß 9. 12. Frau Strobel * 13. 12. Unertl 11. 12. b) Urlaubsanträge Kriedemann 18. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 516 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik - Drucksache IV/2773 -- über den Antrag der Fraktion der SPD - Umdruck 396 -, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Umdruck 399 -, den Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen - Umdruck 402 - und den Antrag der Fraktion der FDP - Umdruck 403 -- zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD - Drucksache IV/1829 - betreffend Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Aufgaben der Bildungsplanung. Der Bundestag wolle beschließen: Der Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik - Drucksache IV/2773 - wird unter III. wie folgt ergänzt: „Der Bundestag hält es für wünschenswert, Stoff und Ausbildungsleistung der Schulen, Hochschulen und des Vorbereitungsdienstes so zu gestalten, daß bei normalem Studiengang das letzte Examen, das zur vollen Berufsreife führt, auch bei Ableistung des Wehrdienstes spätestens mit 26 Jahren abgelegt werden kann." Bonn, den 3. Dezember 1964 Dr. Dichgans Katzer Frau Dr. Bleyler Frau Klee Brand Kühn (Hildesheim) Diebäcker Lenz (Brühl) Dr. Elbrächter Meis Gottesleben Mick Hoogen Scheppmann Illerhaus Verhoeven Frau Jacobi (Marl) Frau Welter (Aachen) Anlage 3 Umdruck 527 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD - Drucksache IV/2611 - betreffend Überwindung des Bildungsnotstandes. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, 1. im Zusammenwirken mit den Bundesländern einen langfristigen nationalen Bildungsplan zu erarbeiten, der sich an einer Bedarfsschätzung bis 1980 orientiert, den Zusammenhang der Bildungs-und Wissenschaftspolitik mit der Wirtschafts-und Sozialpolitik berücksichtigt und das bestehende Bildungsgefälle zwischen den Bundesländern beseitigen kann; 7502 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 2. darauf hinzuwirken, daß der Anteil der öffentlichen Ausgaben in Bund, Ländern und Gemeinden für Aufgaben in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik bis 1970 auf mindestens 5,5 % des Bruttosozialprodukts gesteigert werden kann. Der Vorrang der Bildungs- und Wissenschaftspolitik muß in der 'Gestaltung der öffentlichen Haushalte sichtbar werden; 19. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern eine Bedarfsplanung und eine Koordinierung der Maßnahmen in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik einerseits und der Wirtschafts- und Sozialpolitik andererseits sicherzustellen und die Gründung eines Bildungsrates zu fördern. Die Mitglieder des Bildungsrates sollen aus den Bereichen der Wissenschaft, der Erziehung und 'des Bildungswesens, 'der Wirtschaft und der Politik kommen. Der Bildungsrat soll die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens in seinen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen verfolgen und die Ergebnisse der Forschung für die Politik nutzbar machen. Seine Gutachten stehen den Parlamenten und Regierungen des Bundes und der Länder zur Verfügung und sollen die wesentliche Grundlage einer Planung in der Bildungspolitik sein; 20. gemeinsam mit den Regierungen der Bundesländer jährlich über den Stand von Bildung und Wissenschaft in der Bundesrepublik zu berichten; 21. alle Aufgaben des Bundes in der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Ausbildungsförderung und der Bedarfsplanung dem Bundesminister für wissenschaftliche Forschung zu übertragen und dieses Ministerium entsprechend auszustatten; 22. sich stärker an der Finanzierung des Ausbaues der bestehenden und des Baues neuer Universitäten und Hochschulen zu beteiligen. Über die Gründung weiterer neuer Universitäten und Hochschulen soll spätestens 1966 im Zusammenwirken mit den Ländern und dein. Wissenschaftsrat 'entschieden werden; 23. den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung wissenschaftlicher Forschung vorzulegen, das die Zusammenarbeit mit den Ländern in der Wissenschaftsförderung sichert und Schwerpunkte für die Wissenschaftspolitik des Bundes im nationalen und internationalen Rahmen zu setzen erlaubt; 8. darauf hinzuwirken, daß die Ausbildungsförderung einheitlich und in einer Weise gestaltet wird, daß sie jedem Bürger der Bundesrepublik gestattet, eine Ausbildung zu wählen, die seinen Neigungen, Fähigkeiten und Leistungen entspricht. Bonn, den 8. Dezember 1964 Erler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 515 Änderungsantrag der Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt (Gellersen), Logemann und Genossen zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik — Drucksache IV/2773 — über den Antrag der Fraktion der SPD — Umdruck 396 —, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU — Umdruck 399 —, den Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen — Umdruck 402 — und den Antrag der Fraktion der FDP — Umdruck 403 — zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache IV/1829 — betreffend Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Aufgaben der Bildungsplanung. Der Bundestag wolle beschließen: Im Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik — Drucksache IV/2773 — werden in I. Nr. 1 hinter den Worten „der Wirtschaft" die Worte „für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten" eingefügt. Bonn, den 3. Dezember 1964 Bauknecht Berberich Bewerunge Ehnes Dr. Frey (Bonn) Gehring Gibbert Dr. Pflaumbaum Dr. Siemer Sühler Dr. Schmidt (Gellersen) Dröscher Frehsee Müller (Worms) Dr. Roesch Saxowski Seither Logemann Walter Anlage 5 Umdruck 530 (neu) Änderungsantrag der Abgeordneten Schmidt (Kempten) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes (Drucksachen IV/1364, IV/2696). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird § 10 Abs. 4 wie folgt geändert und ergänzt: 1. Satz 3 erhält folgende Fassung: „Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Ausbildung von Jugendlichen in Lehrwerkstätten, im Werkstattunterricht sowie im Rahmen der überbetrieblichen Fachausbildung." 2. 'In Satz 4 wird „bis 3" durch „und 2" ersetzt. Bonn, den 9. Dezember 1964 Schmidt (Kempten) Busse Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dürr Frau Dr. Heuser Dr. Hoven Dr. Imle Frau Dr. Kiep-Altenloh Dr. Löbe Logemann Moersch Opitz Reichmann Schultz Spitzmüller Dr. Supf Walter Weber (Georgenau) Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7503 Anlage 6 Umdruck 528 Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Klee, Frau Welter (Aachen), Vogt, Frau Pitz-Savelsberg und Genossen und Fraktion der CDU/CSU, Kubitzka und Fraktion der FDP zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend europäisches Jugendwerk (Drucksachen IV/1855, IV/2772). Der Bundestag wolle beschließen: Die Eingangsworte des Ausschußantrags — Drucksache IV/2772 — sind wie folgt zu fassen: „Die Bundesregierung wird ersucht, den Austausch und die Zusammenarbeit der jungen Generation in Europa in einer Weise zu fördern, die im Interesse des europäischen Zusammenschlusses liegt." Bonn, den 8. Dezember 1964 Frau Klee Frau Welter (Aachen) Vogt Frau Pitz-Savelsberg Dr. Artzinger Baier (Mosbach) von Bodelschwingh Dr. Dichgans Frau Engländer Frau Haas Dr. Hauser Dr. Hesberg Dr. Dr. Oberländer Stein Dr. Wilhelmi Dr. Wuermeling Dr. Barzel und Fraktion Kubitza Mischnick und Fraktion Anlage 7 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen vom 8. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Killat (Drucksache IV/2776, Fragen X/1, X/2 und X/3) : Wieviel umgestellte Renten nach Artikel 2 § 34 der Übergangsvorschriften zum ArVNG bzw. AnVNG sind seit 1957 aufgrund der angezogenen Bestimmungen gekürzt worden, weil sie die Höchstgrenze überschritten? Wieviel neu festgestellte Renten sind seit 1957 aufgrund des § 1255 ArVNG Abs. 1 letzter Halbsatz und § 32 AnVNG gekürzt worden? Wie hoch beläuft sich der Kürzungsbetrag im Durchschnitt für jeden der gemäß Frage X/1 umgestellten und gemäß Frage X/2 neu festgestellten und von der Kürzung betroffenen Rentenfälle? Die Fragen beantworte ich wie folgt: Frage X/1: Abzüglich der inzwischen wieder weggefallenen Renten sind von diesen Renten in der Rentenversicherung der Angestellten rund 52 500 Normalrenten begrenzt, das sind 5,4 v. H. aller umgestellten Versicherten- und Witwenrenten. Dazu kommen nach einer Untersuchung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte noch rund 500 begrenzte Renten an Handwerker. Die Angaben für die Rentenversicherung der Arbeiter können nicht gegeben werden. Es dürfte jedoch nur eine geringe Zahl sein. Frage X/2: Abzüglich der inzwischen wieder wegegefallenen Renten sind in der Rentenversicherung der Angestellten rund 108 600 Normalrenten begrenzt, das sind 18,6 v. H. aller neu festgesetzten Versicherten- und Witwenrenten. Nach der Untersuchung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gibt es außerdem rund 3 000 begrenzte Renten an Handwerker. Auch hier können die Angaben für die Rentenversicherung der Arbeiter nicht gegeben werden. Frage X/3: Die durchschnittliche Höhe des begrenzten Betrages war 1964 (unter Berücksichtigung des 6. Rentenanpassungsgesetzes) bei den umgestellten Renten 80,40 DM pro Monat, bei den neu festgesetzten Renten 139,80 DM pro Monat. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen vom 8. Dezember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Huys (Drucksache IV/2776, Frage X/4) : Hält die Bundesregierung es für angebracht, während der Ableistung der 11/2 jährigen Wehrpflicht nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Waisenrente auf Antrag weiterzuzahlen? Die Waisenrente wird u. a. nach Vollendung des 18. Lebensjahres an ein unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt, wenn sich dieses in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder gebrechlich ist. Die Waisenrente wird im Falle einer Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehroder Ersatzdienstpflicht für einen entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt. Damit soll sichergestellt werden, daß durch die Wehrdienstleistung der Waise kein Nachteil entsteht. Es ist nicht beabsichtigt und scheint auch nicht gerechtfertigt, die Waisenrente während der Dauer der Wehrdienstleistung selbst zu zahlen. Die Waisenrente hat eine Unterhaltsersatzfunktion, das heißt, sie soll den durch den Tod des Versicherten für das Kind weggefallenen Unterhalt ersetzen. Für den Wehrdienstleistenden ist aber für diese Zeit der Unterhalt sichergestellt. Für die Gewährung einer Waisenrente in dieser Zeit ist deshalb kein Raum. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen vom 8. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeord- 7504 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 neten Frau Dr. Heuser (Drucksache IV/2776, Fragen X/5, X/6 und X/7) : Sind der Bundesregierung die von der Ärztekammer Nordrhein veröffentlichten Daten über den Gesundheitszustand der Jugendlichen auf Grund der Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz bekannt, wonach jeder zehnte Jugendliche an Haltungsfehlern bis zur schweren Rückgratverkrümmung leidet? Ist die Bundesregierung bereit, unverzüglich Untersuchungen darüber anzustellen, ob die in Frage X/5 genannten Ergebnisse für die gesamte Bundesrepublik repräsentativ sind? Wäre die Bundesregierung im Falle eines positiven Ergebnisses der in Frage X/6 angeregten Untersuchungen zu einer Überprüfung der Bestimmungen über die Nachuntersuchungen im Jugendarbeitsschutzgesetz bereit? Die Veröffentlichung der Ärztekammer Nordrhein ist der Bundesregierung bekannt. Soweit ich weiß, liegen ihr jedoch nicht eigene Feststellungen der Ärztekammer Nordrhein, sondern Arbeiten einer Ärztin aus dem Lande Niedersachsen zugrunde. Die Ergebnisse dieser privaten Erhebung halte ich nicht für repräsentativ, weil sie — wie auch ähnliche Arbeiten — eine zu kleine Zahl von Jugendlichen erfaßt und sich nur auf bestimmte Gegenden erstreckt. Es erscheint daher zweckmäßig, das geltende Gesetz nicht abzuändern, ehe nicht mehr Erfahrungen gesammelt sind, denn die Bestimmungen über die ärztliche Betreuung der Jugendlichen gelten in vollem Umfange erst seit dem 1. Oktober vorigen Jahres. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Claussen vom 8. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Glombig (Drucksache IV/2776, Fragen X/8, X/9 und X/10) : Trifft es zu, daß Personen, die im Jahre 1964 für einen der ersten drei Monate Kindergeld für ein drittes Kind oder für einen der ersten sechs Monate Kindergeld für ein viertes Kind oder weitere Kinder bezogen haben, auf Antrag von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung den Betrag rückwirkend ab 1. Januar 1964 nachgezahlt erhalten, um den das tatsächlich bezogene Kindergeld niedriger gewesen ist als das nach dem Bundeskindergeldgesetz zustehende Kindergeld? Trifft es dem in Frage X/8 bezeichneten Sachverhalt gegenüber zu, daß eine derartige Nachzahlung für Personen, die Kinderzulage zur Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten, nicht rückwirkend ab 1. Januar 1964, sondern nur rückwirkend ab 1. April 1964 durch die zuständigen Unfallversicherungsträger gezahlt wird? Wenn Fragen X/8 und X/9 zutreffen: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Diskrepanz bei der Gewährung der Leistungen auf Grund des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 zu beseitigen? Ihre Fragen beantworte ich wie folgt: Frage X/8: Ja. Frage X/9: Ja. Frage X/10: Die aufgezeigte Diskrepanz beruht auf Beschlüssen, die das Plenum des Deutschen Bundestages auf Grund von Abänderungsanträgen bei der 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Bundeskindergeldgesetzes gefaßt hat. Die Bundesregierung ist an diese gesetzliche Regelung gebunden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 4. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Bading (Drucksache IV/2776, Fragen XII/6 und XII/7) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesbahnverwaltung im Jahre 1965 den Ankauf von Buchenschwellen um 35 bis 40 % gegenüber der im Jahre 1964 gekauften Menge kürzen will? Gedenkt die Bundesregierung zur Vermeidung einer weiteren Verschärfung der Lage der Buchenholzwirtschaft ihren Einfluß auf die Bundesbahnverwaltung geltend zu machen, Buchenholzschwellen im bisherigen Umfang weiterzubeziehen? Auf Grund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Gesamtlage, aber auch zwecks Vermeidung einer konjunkturellen Überhitzung in diesem Frühjahr war die Deutsche Bundesbahn gezwungen, ihre Investitionen einzuschränken. Diese Verhältnisse bestimmen auch die Planungen für 1965. Da die Deutsche Bundesbahn der größte Auftraggeber der Bundesrepublik ist, wirken sich diese Kürzungen auf den gesamten Bauhaushalt der Deutschen Bundesbahn, also auf Hochbau, Tiefbau, aber auch Maschinenbau aus. Auch der Oberbau und damit die Schwellenbeschaffung sind dabei betroffen. Der Bundesregierung ist diese Entwicklung bekannt. Sie beobachtet zwar sorgsam, daß die Deutsche Bundesbahn den ihr gesetzlich auferlegten Pflichten der Unterhaltung der Betriebseinrichtungen nachkommt, aber sie sieht sich zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, gesonderte Schritte für ein Teilgebietder Deutschen Bundesbahn zu unternehmen, zumal das Bundesbahngesetz die Erteilung von Einzelweisungen an die Deutsche Bundesbahn ausdrücklich untersagt. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 4. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Strohmayr (Drucksache IV/2776, Fragen XII/8, XII/9 und XII/ 10) : Bis wann ist mit dem Baubeginn der Westumgehungsstraße Augsburg zu rechnen? Ist die Neutrassierung der B 13 im Bereich von Augsburg und Umgebung bis an die Anschlußstelle an die B 12 bereits vorgenommen worden? Bis wann ist mit dem Baubeginn der Umgehungsstraße der B 2 in Gersthofen bei Augsburg zu rechnen? Nach den ursprünglichen Überlegungen der zuständigen Planungsbehörden, nämlich Bayern und Stadt Augsburg, sollte die vorgesehene Westumgehung im Zuge der Bundesstraße 17 bekanntlich ab Siedlung Bärenkeller der Staatsstraße 2036 folgen, um bei Hirblingen Anschluß an die Bundesautobahn zu finden. Verkehrliche Voraussetzung für diese Lösung wäre es gewesen, daß die für später geplante Umgehung Gersthofens im Zuge der Bundesstraße 2 unter Auflassung der vorhandenen Anschlußstelle Augsburg/West einen neuen Vollanschluß an die Bundesautobahn erhält; dieser Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7505 Anschlußknoten hätte jedoch nur zwischen der bestehenden Bundesstraße 2 und dem geplanten Anschluß der Westumgehung liegen können. Für die Planung jenes Anschlusses der Westumgehung bei Hirblingen und die anschließende Teilstrecke des Nordabschnitts war bereits das Feststellungsverfahren eingeleitet. Angesichts der deutlich gewordenen örtlichen Entwicklungstendenzen, insbesondere aber auch aus verkehrstechnischen und verkehrsstrukturellen Gründen mußte diese Lösung zugunsten einer für die Zukunft besseren werkehrlichen Ordnung des Raumes nördlich Augsburgs aufgegeben werden: Vom Süden her wird die Westumgehung Augsburgs nunmehr mittig zwischen Hirblingen und der Bundesbahn — also östlich der ursprünglich vorgesehenen Stelle — an die Bundesautobahn angeschlossen werden. Diese Lösung macht es möglich, die Westumgehung in späterer Zeit nach Norden zu verlängern. Aufgabe des sodann entstehenden und rd. 20 km langen Straßenzuges, der entlang der Schmutter führen würde, ist vor allem die Entlastung der in einigem Abstand parallel dazu verlaufenden Bundesstraße 2. Im Vordergrund steht zunächst der Bau des Südabschnitts der Westumgehung, der gleichzeitig den ersten Neubauabschnit der Bundesstraße 17 in Richtung Landsberg einschließt und der für sich allein einen hohen Verkehrswert erbringt, da er eine harfenförmige Aufspaltung des überaus starken Südverkehrs und dessen verteilte Einführung in das Stadtgebiet Augsburgs ermöglicht: Er wird sich von der Gabelsbergerstraße in Göggingen bis zum Südende Königsbrunns erstrecken. Wir hoffen sehr, daß es uns gelingen wird, hier noch gegen Ende dieses Vierjahresplanes mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Für die Weiterführung der neuen Bundesstraße 17 bis Landsberg sind Voruntersuchungen durchgeführt worden. Die Durchführung der Bauarbeiten kann in diesem südlichen Streckenabschnitt jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Da die vielschichtige expandierende Entwicklung rasch voranschreitet und damit immer wieder zu Überprüfungen und oftmals zu Anpassungen der Planung zwingen wird, muß erfahrungsgemäß im einzelnen noch mit Änderungen gerechnet werden. Da die Ortsdurchfahrt Gersthofen ausgebaut ist und darum eine dem Verkehrserfordernis noch entsprechende Leistungsfähigkeit aufweist, muß der Bau der Umgehungsstraße gegenüber vordringlicheren Bauaufgaben im engeren Raum Augsburg zurückstehen. Vorsorglich ist jedoch die künftige Trasse, die schon einmal wegen der sich ausbreitenden Bebauung geändert werden mußte, ermittelt und in den Flächennutzungsplan der Gemeinde zur Freihaltung aufgenommen worden. Die im Vorfeld Augsburgs durchzuführenden Maßnahmen, der Bau der Westumgehung und der von der Stadt geplante Ausbau von Tangenten lassen sich nur abschnittsweise verwirklichen. Ein Ingenieurbüro ist beauftragt, durch eine umfassende verkehrswirtschaftliche Untersuchung festzustellen, in welcher Weise und durch welche zeitliche Reihenfolge durch jeden einzelnen Bauabschnitt der höchste Verkehrswert erzielt werden kann. Die Vorrangigkeit der Südeinführung der neuen Bundesstraße 17 und der bereits begonnene Ausbau der städtischen Nordtangente bleiben von den zu erwartenden Ergebnissen unberührt. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 8. Dezember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache IV/2776, Frage XIV/1) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in vielen Stadt- und Landkreisen die Bearbeitung von Anträgen auf Wohnbeihilfen von den Sozialämtern durchgeführt wird? Dieser Sachverhalt ist der Bundesregierung bekannt. Sie hält die Bearbeitung dieser Anträge durch die Sozialämter nicht für tunlich. Die Bundesregierung hat jedoch keine Möglichkeit, dies zu verhindern. Da die Durchführung der einschlägigen Vorschriften Aufgabe der Länder ist, kann sie den Ländern nur empfehlen, die Bearbeitung der Wohnbeihilfen von der Sozialhilfe zu trennen. Dies ist mehrfach durch Rundschreiben und auf andere Weise geschehen. Die meisten Länder haben diesem Wunsche auch entsprochen. In einigen Ländern sind aber, namentlich in kleineren Gemeinden und Landkreisen mit überwiegend ländlichem Charakter, personelle Schwierigkeiten aufgetreten. Soweit aus diesem Grunde für Angelegenheiten der Wohnbeihilfe und der Sozialhilfe ein- und derselbe Sachbearbeiter zuständig ist, habe ich gebeten, nach außen hin erkennbar zu machen, daß es sich um verschiedenartige Leistungen handelt. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 8. Dezember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache IV/2776, Frage XIV/2) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in vielen Stadt- und Landkreisen noch keine einzige Wohnbeihilfe ausgezahlt wurde, obwohl das Gesetz über Wohnbeihilfen bereits seit einem Jahr in Kraft ist? Dieser Sachverhalt ist der Bundesregierung nicht bekannt. Einzelheiten werden zuverlässig erst festgestellt werden können, wenn die ersten statistischen Ergebnisse über die Durchführung der Vorschriften über Miet- und Lastenbeihilfen vorliegen. Dieses Material ist jedoch vor Ende dieses Jahres nicht zu erwarten. 7506 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 8. Dezember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Riedel (Frankfurt) (Drucksache IV/2776, Frage XIV/6) : Hält die Bundesregierung Selbsthilfeleistungen bei einem privaten Bauvorhaben, die ein Dritter gegen Entgelt erbringt, deshalb für gesetzlich legitimiert, weil das vom Bauherrn gewährte Entgelt "unter den Kosten einer entsprechenden Unternehmerleistung liegt"? Der Begriff der „Selbsthilfe" bei Bauvorhaben ist in § 36 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes festgelegt. Danach gehören zur Selbsthilfe die Arbeitsleistungen, die vom Bauherrn selbst oder von seinen Angehörigen zur Durchführung des Bauvorhabens erbracht werden. Arbeitsleistungen Dritter rechnen nur dann als Selbsthilfeleistungen, wenn sie unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erbracht werden. Danach fallen Leistungen gegen Entgelt, auch wenn dieses unter den Kosten einer entsprechenden Unternehmerleistung liegen würde, nicht unter den gesetzlichen Selbsthilfebegriff. Die Frage ist danach zu verneinen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 4. Dezember 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache IV/2777, Frage II) : Warum wurde dem Antrag der Stadt Marienberg (Westerwald) um Aufnahme in die Vorwegweiser der Autobahnabfahrten bei Montabaur sowie in Wegweiser bzw. Vorwegweiser an bestimmten Stellen der B 255, B 8 und B 54 nicht stattgegeben? Auf den Vorwegweisern und Wegweisern der Bundesstraßen sowie auf den Wegweisern an den Anschlußstellen der Bundesautobahnen werden als Nahziele Ortschaften angegeben, die für den weiteren Fahrtverlauf in Richtung der Wegweiser charakteristisch sind. Diese Ziele sind von den zuständigen Behörden der Länder festgelegt worden. Es ist nicht möglich, alle bemerkenswerten Ortschaften auf den Vorwegweisern und Wegweisern der Bundesstraßen und Bundesautobahnen anzugeben. Ich bin jedoch bereit, mit den zuständigen Länderbehörden zu prüfen, ob dem Wunsche der Stadt Marienberg nachgekommen werden kann. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 7. Dezember 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Dichgans (Drucksache IV/2777, Fragen III/1 und 111/2): Sind der Bundesregierung konkrete Einzelfälle bekannt, aus denen sich ergibt, daß die geltende Begrenzung des pharmazeutischen Studiums auf 6 Semester zu Fehlern bei der Ausgabe von Arzneimitteln geführt hat? Ist die Bundesregierung — bei Bejahung der Frage III/1 — bereit, solche Einzelfälle dem Bundestag vorzulegen? 1. Der Bundesregierung sind einige seltene Fälle von Fehlern bei der Abgabe von Arzneimitteln bekannt. Ein Teil dieser Fälle dürfte auf mangelnde Sorgfaltspflicht zurückzuführen sein. Auch bei der Herstellung von Arzneimitteln sind in sehr geringem Umfang Fehler unterlaufen, die wohl auf einer veralteten Unterweisung im Rahmen der jetzigen Praktikantenzeit beruhen. Es läßt sich aber nicht mit hinreichender Genauigkeit nachweisen, daß die Begrenzung pharmazeutischen Studiums auf 6 Semester für diese Fehler ursächlich ist. 2. Ich bin bereit, die mir zur Verfügung stehenden Unterlagen dem Ausschuß für Gesundheitswesen vorzulegen. Anlage 18 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Gscheidle zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes (Drucksache IV/2782) *) Zu 1. a) In § 12 Absatz 1 des Postverwaltungsgesetzes sind die dem Verwaltungsrat übertragenen Beschlußfunktionen aufgeführt. Sie sollten um die Punkte 7 und 8 erweitert werden. Die zur Erhaltung der Anlagen und zur Sicherung der Betriebsbereitschaft notwendigen Investitionen für das Post- und Fernmeldewesen haben nach ihrem Umfang eine derart große Bedeutung, daß die Entscheidung hierüber nicht im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Exekutive liegen kann. Auch organisatorische Maßnahmen über Errichtung, Verlegung, Aufhebung oder wesentliche organisatorische Veränderungen einer Oberpostdirektion, zentraler Ämter oder sonstiger zentraler Dienststellen haben eine weitreichende Bedeutung. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost bietet die Gewähr für eine alle Interessen berücksichtigende Entscheidung. Zu 1. b) Nach der bisherigen Fassung des Postverwaltungsgesetzes in § 12,2 beschließt der Postverwaltungsrat nur, wenn der Bundespostminister eine Vorlage einbringt. Diese Beschränkung verhinderte in der Vergangenheit Beratungen von Anregungen aus dem Verwaltungsrat, die einer gesunden Entwicklung der Deutschen Bundespost durchaus dienlich gewesen wären. Das nunmehr durch die Ergän- *) Siehe 150. Sitzung, Seite 7399 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7507 zung des Absatzes 2 vorgesehene Initiativrecht wurde auf folgende Aufgaben beschränkt: die Bedingungen für die Benutzung der Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens einschließlich der Gebührenbemessung, die Übernahme neuer, die Änderung oder die Aufgabe bestehender Dienstzweige, die Durchführung grundlegender Neuerungen oder Änderungen technischer Anlagen sowie die Beschlußfassung über die in unserem Entwurf vorgesehenen neuen Absätze 7 und 8. Zur Vorlage des Verwaltungsrates hätte der Bundespostminister nach etwa notwendiger Rücksprache mit dem Bundesminister der Finanzen seine Stellungnahme dem Verwaltungsrat vor der Beratung zuzuleiten. Zu 2. Nach § 13 des Postverwaltungsgesetzes hat der Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen das Recht, einen Beschluß des Verwaltungsrates, der nach seiner Auffassung im Interesse des Bundes nicht verantwortet werden kann, der Bundesregierung zur Entscheidung vorzulegen. Die Entscheidung hierüber obliegt seiner alleinigen Zuständigkeit. Die Bundesregierung entscheidet binnen einer bestimmten Frist. Der Deutsche Bundestag hat mit der Verabschiedung des Postverwaltungsgesetzes dem Verwaltungsrat eine Reihe von Beschlußfunktionen sowie das Recht zu Stellungnahmen zugewiesen. Durch das Einspruchsrecht des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen und die endgültige Entscheidung der Bundesregierung können diese Funktionen unwirksam gemacht werden. Bei voller Beachtung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen erscheint es notwendig, die Stellung des Verwaltungsrates zu stärken. Nach dem Vorschlag ist der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen gehalten, die Ausübung seines Einspruchsrechts daran zu orientieren, ob wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Bundespost gefährdet sind. Will er eine Entscheidung der Bundesregierung herbeiführen, muß er neben dem schriftlich begründeten Beschluß des Verwaltungsrates auch seinen abweichenden Antrag begründen, sofern dieser von der Vorlage abweicht, die bereits vor Einbringung im Postverwaltungsrat Gegenstand der Erörterung im Bundeskabinett war. Der Bundesregierung wird innerhalb einer Frist von 6 Wochen, im Gegensatz zur bisherigen Regelung, auch das Recht eingeräumt, dem Verwaltungsrat einen Vermittlungsvorschlag zuzuleiten. Zu 3. Auch dieser Vorschlag begründet die grundsätzliche Verpflichtung der Deutschen Bundespost zu einer zumindest weitgehend kostenorientierten und insgesamt kostendeckenden Gebühren- und Tarifgestaltung. Zum Ausgleich der Betriebsrechnung werden jedoch Zuschüsse aus Bundesmitteln vorgesehen, wenn erforderliche Gebührenmaßnahmen aus Gründen des allgemeinen Wohles nicht durchgeführt werden oder Einnahmeausfälle oder Ausgabenvermehrungen auf Grund betriebsfremder Sonderlasten entstehen. Die wirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Bundespost zeigt, daß eine Notwendigkeit besteht, die den Rechten des Bundes als Unternehmer entsprechende Verantwortung gesetzlich festzulegen. Die Aufzehrung des Eigenkapitals bei der Deutschen Bundespost ist die Folge eines Widerspruchs im Postverwaltungsgesetz. Es hat die Deutsche Bundespost als Sondervermögen des Bundes mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung ausgestattet und verpflichtet, so zu wirtschaften, daß sie die zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Verpflichtungen erforderlichen Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten kann. Der Gesetzgeber hat sich damit an die früheren Organisationsstatuten in der Überzeugung angeschlossen, daß die Deutsche Bundespost trotz völlig veränderter Verhältnisse diesen Verpflichtungen nachkommen könne. Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Ertragskraft der Deutschen Bundespost kann nur beschränkt den betrieblichen Aufgaben nutzbar gemacht werden, weil ihr eine Reihe von Verpflichtungen auferlegt werden, die systemgerecht der Bundeshaushalt zu tragen hätte. Die Bundesregierung zeigte sich jedoch an dem eingetretenen Substanzverzehr der Deutschen Bundespost bis vor kurzem uninteressiert. Die vorgeschlagene Mindestkapitalausstattung will nunmehr eine Grenze für den Substanzverzehr festlegen, bei deren Überschreitung der Bund einzuspringen hat. Die vorgesehene teilweise Ablösung des Kapitaldienstes ermöglicht es dem Bund, durch eine für ihn langfristige, für die Deutsche Bundespost jedoch sofort voll wirksame Sanierungsmaßnahme zu helfen. Die vorgeschlagene Regelung begründet einen automatisch wirksamen Zusammenhang zwischen der Höhe der gesamten Betriebseinnahmen und dem Finanzbedarf der Deutschen Bundespost einerseits und dessen Deckung andererseits. Zu 4. Um eine Gewinn-Thesaurierung zu verhindern, ist eine obere Begrenzung des Eigenkapitalanteils in § 15 Absatz 2 vorgesehen. Durch diese Begrenzung der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten mußte in § 20 festgelegt werden, was mit dem nach Bildung der Rücklage verbleibenden Gewinn zu geschehen hat. Die gesetzliche Rücklage von 100 Millionen DM wird im Hinblick darauf für ausreichend erachtet, daß sie zukünftig nur zur Deckung von Fehlbeträgen der Betriebsrechnung vorgesehen ist. Zu 5. Für die Tätigkeit der Deutschen Bundespost bleibt nach ihrer Aufgabenstellung in der Daseinsvorsorge grundsätzlich eine konkurrierende Beteiligung am Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Der Aufgabenbereich der Deutschen Bundespost ist ein wichtiger Teilbereich der Infrastruktur. Es kann deshalb nicht ihre Aufgabe sein, eine Rentabilität des investierten Kapitals zu erzielen und den Kapitalbestand ständig zu erhöhen. Der obere Grenzwert der Ertragsstärke von Gemeinschaftsunternehmen muß bei der Dek- 7508 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 kung der Ausgaben durch die Einnahmen liegen und eine Verzinsung und Tilgung des investierten Kapitals ermöglichen. Bei dieser Betrachtung ist es selbstverständlich, daß die Bundespost keine betriebsfremden Sonderlasten tragen oder systemwidrig belastet werden kann. Somit kann als alleinige Bezugsgröße für eine Ablieferungspflicht der Deutschen Bundespost an den Bund nur das Eigenkapital in Frage kommen, zu dem gegebenenfalls auch der vom Bund zuzuwendende Fremdkapitalanteil gerechnet werden kann. Durch die Verzinsung des Eigenkapitals könnte auch ein über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehendes Interesse des Bundes an einer gesunden Kapitalstruktur der Deutschen Bundespost begründet werden. Andere Gesichtspunkte, wie etwa eine Monopolabgabe oder der Ausgleich von Steuerpräferenzen der Deutschen Bundespost, sollten mit einer Ablieferung an den Bund nicht verbunden werden. Zu 6. Die bisherige Regelung im Postverwaltungsgesetz über den Abschluß von Tarifverträgen ging davon aus, daß der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen in weiten Teilen der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister des Innern Tarifpartner sein kann. Die sich daraus entwickelnde Praxis erschwerte die Anpassung der Lohn- und Arbeitsbedingungen an die betrieblichen Erfordernisse und führte zu erheblichen Schwierigkeiten in der Personalpolitik. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Verantwortung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen nicht ausreichen soll, ohne eine ausdrückliche gesetzliche Festlegung im Postverwaltungsgesetz bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung das Einvernehmen im Bundeskabinett mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister des Innern herbeizuführen, wenn er dies für notwendig erachtet. Mit der vorgeschlagenen Regelung würden erhebliche Verzögerungen beim Abschluß von Tarifverträgen und eine unbegründete Gleichmacherei in der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst vermieden.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Glückwünsche des Hauses und meine persönlichen Glückwünsche drei Kollegen auszusprechen: dem Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler zu seinem 60. Geburtstag am 6. Dezember,

(Beifall)

dem Herrn Abgeordneten Dr. Frey (Bonn) ebenfalls zum 60. Geburtstag am 7. Dezember

(Beifall)

und dem Herrn Abgeordneten Dr. Willeke zum 71. Geburtstag am 7. Dezember.

(Beifall.)

Für den verstorbenen Abgeordneten Ehren ist mit Wirkung vom 4. Dezember 1964 die Abgeordnete Frau Stommel in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße die neue Kollegin in unserer Mitte und wünsche eine angenehme Zusammenarbeit.

(Beifall.)

Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht der Bundesregierung betreffend die Wettbewerbssituation in der Spirituosenindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Umsatzsteuerpräferenzen des Berlinhilfegesetzes — Drucksache IV/2812 — an den Finanzausschuß überwiesen werden. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 4. Dezember 1964 zu den nachstehenden Gesetzen einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 nicht gestellt:
Gesetz zu dem Abkommen vom 23. Juli 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 11. Dezember 1963 zu dem Abkommen vom 8. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 30. November 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Dr. Hesberg, Dr. Weber (Koblenz) und Genossen betr. Verstärkter Winterbau — Drucksache IV/2735 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2809 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses fur Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 3. Dezember 1964 mitgeteilt, daß der Ausschuß zu den nachstehenden Vorlagen der EWG-Kommission Bedenken nicht erhoben habe, von einer Berichterstattung jedoch absehe, da die Verordnungen zwischenzeitlich im Rat beschlossen worden sind:
Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die bei der Berechnung der Abschöpfungsbeträge für Bruteier und lebendes Hausgeflügel mit einem Gewicht von höchstens 185 Gramm zugrunde zu legende Futtergetreidemenge . (Drucksache IV/2609)

Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für verschiedene Mischfutterarten (Drucksache IV/2673).
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats über die Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung für bestimmte Sorten Grob- und Feingrieß, von Mais, die in der Brauerei-Industrie Verwendung finden — Drucksache IV/2789 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 20. Januar 1965;
Verordnung des Rats über die Festsetzung der Futtergetreidemenge, die zur Erzeugung von einem Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel erforderlich ist, und zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnungen Nrn. 45, 46 und 116 — Drucksache IV/2786 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. Dezember 1964;
Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren, die vom 1. Januar bis zum 31. März getätigt werden (bereits verkündet)

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Der Präsident hat am 8. Dezember 1964 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die Einhundertundzweite Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Erhöhung von Zollkontingenten für das Kalenderjahr 1964) — Drucksache IV/2816 — an den Außenhandelsausschuß überwiesen.
Zu den in der Fragestunde der 143. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. November 1964 gestellten Fragen des Abgeordneten Seibert Nrn. XIII/3, XIII/4 und XIII/5 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 2. Dezember 1964 eingegangen. Sie lautet:

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415100100

Zu Frage XIII/3:
Die Bundesregierung verfolgt mit Sorge die auf Grund der fortschreitenden Technisierung zunehmenden Beeinträchtigungen der Bevölkerung durch Lärm. Sie hat deshalb den Maßnahmen zur Verminderung des Lärms besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Aus den Kurzreferaten der beteiligten Bundesressorts, aber auch der übrigen Vertreter des öffentlichen Lebens auf der Jahrestagung des Deutschen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung e. V. in Wiesbaden am- 12. und 13. November 1964 ging hervor, daß die Lärmbekämpfung seit langem als eine der vordringlichsten innenpolitischen Aufgaben erkannt worden ist und daß sie, wie die Vertreter der drei im Bundestag vertretenen Parteien betonten, nur im Zusammenwirken aller Beteiligten befriedigend gelöst werden kann.
Die Bundesregierung sieht es nicht nur als ihre Aufgabe an, den Lärm zu bekämpfen, soweit er nachweisbar Gesundheitsgefahren mit sich bringt. Ihr Ziel ist es vielmehr, die Lärmbekämp-
7418 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Vizepräsident Dr. Jaeger
fung auf die Erhaltung des menschlichen Wohlbefindens schlechthin auszurichten. Die Erfahrung zeigt, daß jede der typischen Lärmquellen (Verkehr und Gewerbebetriebe) ihre eigene technische, wirtschaftliche und rechtliche Problematik besitzt. Die Intensität der Lärmstörungen sowie die Möglichkeiten zur Verminderung des Lärms sind je nach der Art der Lärmquelle verschieden. Die Bundesregierung hält die Materie deshalb nicht für geeignet, sie in einem einheitlichen, alle Lärmquellen erfassenden Gesetz zu regeln, zumal die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiet begrenzt ist. Die Bundesregierung ist darum bemüht, die Lärmbekämpfung je nach den Besonderheiten der Lärmquellen im Rahmen des jeweiligen Sachgebietes voranzutreiben. Soweit hierzu rechtliche Regelungen erforderlich sind, darf insbesondere auf die folgenden bereits getroffenen oder in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen hingewiesen werden:
Straßenverkehr
Der Bundesminister für Verkehr bereitet eine Neufassung der Straßenverkehrsordnung vor. In dem Entwurf wird der Lärmschutz gegenüber der geltenden Fassung der Straßenverkehrsordnung verstärkt, so beispielsweise in §§ 4 und 12 des Entwurfs (Abgabe von Schallzeichen), § 14 des Entwurfs (Vermeidung des Lärms, der durch unsachgemäße Lagerung hervorgerufen wird), § 22 des Entwurfs (Verbot des unnützen Hin- und Herfahrens innerhalb geschlossener Ortschaften). Es wird geprüft, ob weitere Lärmschutzvorschriften auf diesem Gebiet erforderlich und praktisch durchsetzbar sind.
Flugverkehr
Zum Schutz der Bevölkerung vor Belästigungen durch Fluglärm sind in die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 19. Juni 1964 (BGBl I S. 370) besondere Lärmschutzvorschriften aufgenommen worden. Nach § 3 dieser Verordnung muß der Antrag auf Musterzulassung von Luftfahrtgerät den Nachweis enthalten, daß die technische Ausrüstung so gestaltet ist, daß das Betriebsgeräusch das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt. Prüfvorschriften, die diese Anforderung näher konkretisieren, sind in Vorbereitung. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 10 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung muß der Antrag auf Erteilung der Genehmigung eines Flughafens ein technisches Gutachten über das Lärmausmaß in der Umgebung des Flughafens und ein medizinisches Gutachten über die Auswirkungen des Lärms auf die Bevölkerung enthalten. Zur Klärung insbesondere der Frage, welche Lärmeinwirkungen in der Nähe von Flughäfen noch als zumutbar angesehen werden können, habe ich im vergangenen Jahr im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr ein Sachverständigengremium mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Das Gutachten, mit dessen Fertigstellung in Kürze zu rechnen ist, soll Erkenntnisse darüber vermitteln, welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung in der Umgebung von Flughäfen erforderlich sind.
Schiffsverkehr
In zunehmendem Maße wird auch über Lärmbelästigungen geklagt, die vom Schiffsverkehr ausgehen. Für den Bereich der Bundeswasserstraßen bestehen — abgesehen von einer Regelung für die Rheinschiffahrt — keine Lärmschutzvorschriften. Es ist auch zweifelhaft, ob für den Erlaß derartiger Vorschriften eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gegeben ist. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, daß in den z. Z. dem Bundestag zur Beratung vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt eine Ermächtigung zum Erlaß von Lärmschutzvorschriften aufgenommen wird.
Die zunehmende internationale Verflechtung auf dem Gebiet des Verkehrs zwingt die einzelnen Staaten in immer stärkerem Maße dazu, ihre nationalen Regelungen auf internationaler, insbesondere auf der europäischen Ebene aufeinander abzustimmen. Die Europäische Konferenz der Verkehrsminister hat deshalb auf ihrer Ministerratstagung am 29. und 30. Mai 1962 in Oslo beschlossen, das Problem der Lärmbekämpfung bei den Binnenverkehrsträgern in das Arbeitsprogramm der Konferenz aufzunehmen und dazu eine besondere Studiengruppe zur Bekämpfung des Lärms zu bilden. Die Bundesrepublik ist an diesen Verhandlungen durch den Herrn Bundesminister für Verkehr beteiligt. Sie ist ferner eingeschaltet in die Beratungen der Europäischen Wirtschaftskommission in Genf (ECE), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris (OECD) und des Europarats in Straßburg, die sich ebenfalls mit der Bekämpfung des Verkehrslärms befassen.
Gewerbebetriebe
Gewerbebetriebe, von denen besonders starke Lärmbelästigungen ausgehen, bedürfen nach §§ 16 ff der Gewerbeordnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung bereitet z. Z. den Entwurf einer Technischen Anleitung zur Lärmbekämpfung vor, der — in Form allgemeiner Verwaltungsvorschriften — Bestimmungen über Lärmbekämpfung enthält, die von den zuständigen Behörden bei der Prüfung von Genehmigungsanträgen und bei nachträglichen Anordnungen zu beachten sind.
Darüber hinaus intensiviert die Bundesregierung die Lärmbekämpfung durch Förderung der Forschung und durch allgemeine Förderungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang darf insbesondere auf die im Einkommensteueränderungsgesetz 1964 vorgesehene Ausweitung der Sonderabschreibung auf Investitionen für lärmdämpfende und lärmdämmende Anlagen und Einrichtungen hingewiesen werden.
Zu Frage XIII/4:
Mit den bei Kap. 15 02 Tit. 620 veranschlagten Haushaltsmitteln werden auch Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des Lärmschutzes gefördert. Nach der Zweckbestimmung dieser Haushaltsmittel können nur Forschungsvorhaben gefördert werden, die im Zusammenhang mit der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens stehen. Die Forschungsaufträge müssen genügend konkretisiert sein und sind Wissenschaftlern oder wissenschaftlidien Instituten unmittelbar zu erteilen. Eine Zuweisung von Haushaltsmitteln aus Kap. 15 02 Tit. 620 an den Deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung e. V. zur Erfüllung von Aufgaben nach § 2 seiner Satzung (Förderung der Forschung) ist deshalb nicht zulässig. Der Verein erhält jedoch zur Erfüllung seiner Aufgaben im Rechnungsjahr 1964 wie alljährlich einen Bundeszuschuß aus den bei Kap. 15 02 Tit. 668 bereitstehenden Haushaltsmitteln. Eine Erhöhung dieses Haushaltsansatzes war im Hinblick auf die Begrenzung der Haushaltsausgaben des Bundes für das Jahr 1965 nicht möglich.
Zu Frage XIII/5:
Die Bundesregierung hält es selbstverständlich für notwendig, daß die gesetzlichen Maßnahmen zur Lärmbekämpfung der Vorbereitung durch wissenschaftliche Untersuchungen bedürfen. Sie ist jedoch der Auffassung, daß es unzweckmäßig wäre, ein ständiges Sachverständigengremium zu bilden und diesem die Untersuchung von Lärmerscheinungen in allen Bereichen zu übertragen. Die Verschiedenartigkeit der technischen und wirtschaftlichen Probleme, die sich bei der Bekämpfung der vielfältigen Lärmursachen stellen, zwingt dazu, gezielte Sachverständigenaufträge zu vergeben. So habe ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr den Auftrag erteilt, das in der Antwort zu Frage 1 erwähnte Gutachten über die Messung und Bewertung von Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen zu erstatten. Ferner ist die Sachverständigenkommission, die im Auftrag des Bundesministers für Verkehr Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu erarbeiten hutte, von mir beauftragt worden zu prüfen, durch welche Maßnahmen die Bevölkerung vor nachteiligen Auswirkungen des Verkehrslärms geschützt werden kann.
Weitere Aufträge an Sachverständige auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung haben andere Ressorts, insbesondere die Bundesminister für Verkehr, für Arbeit und Sozialordnung sowie für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung erteilt. Auch der Herr Bundesminister der Verteidigung befaßt sich mit den schädlichen Auswirkungen des Fluglärms und beabsichtigt, die Auswertung seiner Beobachtungen und Erfahrungen wissenschaftlichen Instituten zu übertragen.
Bei der Lösung der mir übertragenen Aufgaben der Koordinierung der Lärmbekämpfungsmaßnahmen auf Bundesebene steht mir der Bundesgesundheitsrat als ständiges Fachgremiem zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zum ersten Punkt der Tagesordnung, zur
Fragestunde (Drucksachen IV/2817, IV/2810, IV/2815).
Ich rufe zuerst auf die Dringliche Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Beyer (Frankfurt) an den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache IV/2817 —:
Was beabsichtigt die Bundesregierung — vor allem im Hinblik auf die kommenden Feiertage — zu unternehmen, damit die infolge der Schweineschwemme ständig sinkenden Erzeugerpreise für Schweinefleisch auch tatsächlich den Endverbrauchern zugute kommen?
Frau Abgeordnete Beyer wird durch Herrn Abgeordneten Börner vertreten.
Bitte, Herr Bundesminister!

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0415100200
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Der Bundesdurchschnittspreis für Schlachtschweine der Klasse c je 50 kg Lebendgewicht bewegte sich von rund 123,5 DM in den Monaten September und Oktober 1964 auf 131,4 DM im Monat November 1964. Dieser Durchschnittspreis für den Monat November von ,131,4 DM liegt immer noch- deutlich unter dem zehnjährigen Durchschnittspreis, der für November 133,6 DM beträgt. Es ist deshalb nicht richtig, wenn in der Anfrage von „ständig sinkenden Erzeugerpreisen" gesprochen wird. Eine fallende Preistendenz bei Schweinefleisch war jedoch bis zum November nicht zu verkennen. So fielen zum Beispiel die Verbraucherpreise für Kotelett von 7,82 DM je kg im September auf 7;60 DM im Oktober und auf 7,45 DM im November. Der Vergleichspreis für den November 1963 lag bei 7,96 DM. In dieser
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7419
Bundesminister Schwarz
ersten Dezemberwoche sind die Schweinepreise wieder nach unten in Bewegung geraten, und zwar auf rund 132 DM je 50 kg Lebendgewicht. Mit einem weiteren Absinken ist zu rechnen, und zwar auch mit nachgebenden Kleinverkaufspreisen.
Das Überangebot an Schweinefleisch kann wirkungsvoll nur durch einen gesteigerten Verbrauch abgebaut werden, und der stärkste Anreiz für eine Verbrauchssteigerung liegt in den günstigen Verkaufspreisen für den Endverbraucher. Die Bundesregierung hat zwar keine rechtliche Möglichkeit, diese Preisgestaltung unmittelbar zu beeinflussen; sie hat aber seit dem Sommer 1964 die Offentlichkeit im Rahmen der Verbraucheraufklärung immer wieder darauf hingewiesen, daß während der Zeit des Überangebots an Schlachtschweinen das Schweinefleisch günstig verkauft werde. Diese Bemühungen waren auch nicht ohne Erfolg. Der sogenannte Schweineberg — es handelt sich um etwa 20 % mehr Schlachtschweine in der Zeit von Dezember 1964 bis Februar 1965 — ist dem Verbraucher weitgehend ein Begriff geworden und ließ ihn die Preisgestaltung besonders aufmerksam beobachten. Der Einzelhandel hat in den letzten Wochen begonnen, billige Angebote werbewirksam herauszustellen. Es konnte ferner festgestellt werden, daß auch der Handel seine Handelsspannen eingeengt hat. Die Hausfrau und die Verarbeitungsindustrie haben daraufhin mit einer gestiegenen Nachfrage reagiert, und zwar in solchem Ausmaß, daß im Monat November die Schweinepreise wieder anstiegen.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin die Offentlichkeit über die Preisentwicklung für Schweine und Schweinefleisch unterrichten und auf diese Weise auf eine angemessene Preisgestaltung hinwirken.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415100300
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0415100400
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Fleischer das Schlachtschwein um 18 °/o billiger einkaufen können, während nach den gleichen Angaben des Statistischen Bundesamtes die Verbraucherpreise für Kotelett z. B. nur um 2 % und für Schweinebauch nur um 5 % gesunken sind? Halten Sie das für einen angemessenen Rückgang, oder müßte hier nicht die Bundesregierung doch einen stärkeren Druck ausüben?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0415100500
Frau Kollegin, ich habe bereits ausgeführt, daß die Bundesregierung sich nicht in der Lage sieht, direkt einzuwirken. Wir haben in Besprechungen mit dem Fleischerhandwerk wie mit der Verarbeitungsindustrie die Möglichkeiten ausgeschöpft, um zu möglichst geringen Spannen zu kommen, und wir dürfen feststellen, daß man sich angesichts des kommenden Schweineberges seit Oktober wirklich bemüht, auf allen Seiten die Spannen einzuengen. Die von Ihnen genannten Zahlen sind zweifellos richtig. Sie betreffen einen Zeitraum, der vor diesen Anstrengungen liegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415100600
Keine Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415100700
Ich darf wohl die Fragen 1 und 2 zusammen beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415100800
Bitte sehr, Herr Bundesminister. Ich rufe die Fragen XII/1 und XII/2 — des Abgeordneten Dr. Wuermeling — auf:
Ist dem Herrn Bundeswohnungsbauminister aus der „Welt der Arbeit" vom 20. November 1964 bekannt, daß der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wehner den Unterschied zwischen dem Wollen der politischen Parteien jetzt dadurch deutlich machen will, daß die Opposition für die Wohnungsbaupolitik die Forderung aufstellt, Wohnungen müßten „schön", „gesund" und „erschwinglich" sein?
Seit wann und mit welchem Ergebnis werden die in Frage XII/1 genannten Forderungen durch die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung bereits praktiziert?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415100900
Mir ist das in der „Welt . der Arbeit" veröffentlichte Gespräch mit Herrn Abgeordneten Wehner bekannt.
Was zunächst die Forderung anbetrifft, die Wohnungen müßten erschwinglich sein, so darf ich darauf hinweisen, daß bereits im Ersten Wohnungsbaugesetz von 1950 und erneut im Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetz von 1956 für die Wohnungspolitik die Forderung aufgestellt worden ist, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues Wohnungen zu errichten, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind.
Durch Gewährung öffentlicher, praktisch zinsloser Darlehen, durch Gewährung von objektbezogenen Beihilfen zu den laufenden Lasten und dazu in den letzten Jahren durch Gewährung individueller Wohnbeihilfen ist der Bund in seiner Wohnungspolitik bemüht, die Mieten der Sozialwohnungen in tragbaren Grenzen zu halten. Allein an unmittelbaren öffentlichen Subventionen sind seit 1950 über 50 Milliarden DM in die Wohnungsbaufinanzierung geflossen.
Der Herr Abgeordnete Wehner fordert ferner, die Wohnungen sollten schön und gesund sein. Diese Forderung ist für die Wohnungspolitik der Bundesregierung eine Selbstverständlichkeit. Was auf diesem Gebiet in den letzten 15 Jahren erreicht worden ist, weiß jeder Staatsbürger, der die seit Gründung des Bundes errichteten 8,3 Millionen Wohnungen etwa mit den Wohnungen aus der Zeit um die Jahrhundertwende vergleicht.
Die Mindestausstattung der sozialen Neubauwohnungen ist im übrigen seit 1956 gesetzlich festgelegt. Seit Jahren wird auch im sozialen Wohnungsbau keine Wohnung mehr ohne moderne sanitäre Anlagen gebaut. Im laufenden Baujahr 1964 hat bereits jede zweite neu errichtete Sozialwohnung zentrale Beheizung. Das bedeutet, daß gegenwärtig Qualität und Ausstattung der öffentlich geförderten Sozial-
7420 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Bundesminister Lücke
wohnungen kaum mehr von der der steuerbegünstigten und frei finanzierten Wohnungen abweichen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415101000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0415101100
Herr Minister, sind Ihnen auch die positiven Feststellungen des Karlsruher SPD-Parteitages zu unserer Wohnungspolitik bekannt, die mir in einem gewissen Widerspruch zu den angeblich neuen Forderungen des Herrn Kollegen Wehner zu stehen scheinen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415101200
Ich freue mich, daß auch die sozialdemokratische Opposition diese Erfolge anerkennt. In der Entschließung zur Wohnungsbaupolitik der Arbeitsgemeinschaft „Wirtschafts- und Finanzpolitik" des SPD-Parteitages in Karlsruhe wird dies mit folgenden Worten festgestellt.

(Zurufe von der SPD: Das haben Sie gut auswendig gelernt! — Gut vorbereitet!)

— Meine Damen und Herren, seien Sie doch froh, daß ich Ihre Entschließung hier dem Deutschen Bundestag bekanntgebe. — Die SPD kommt also auf Ihrem Parteitag in der Frage der Wohnungsbaupolitik u. a. zu folgender Feststellung — ich zitiere—:
Die beachtliche Wohnungsbauleistung, welche die deutsche Gesamtwirtschaft seit Jahren hervorbringt, ist nicht einfach ein Nebenprodukt des marktwirtschaftlichen Prozesses gewesen. Sie mußte vielmehr durch gesetzgeberische und finanzielle Maßnahmen dem Gesamtsystem abgerungen werden. Aber zugleich wurde damit der Wohnungsbau eine der wesentlichsten Voraussetzungen für das Funktionieren unserer freiheitlichen Ordnung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415101300
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger-Heise.

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0415101400
Herr Minister, sind Sie mit uns der Meinung, daß die über eine Million abbruchreifen Wohnungen weder schön noch gesund sind und eigentlich schon seit langem durch schöne und gesunde Wohnungen hätten ersetzt werden sollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415101500
Seit Gründung der Bundesrepublik baut die Bundesregierung bis zur Grenze der Baukapazität. Sie wissen, daß uns auch in diesem Jahr Bauarbeiter fehlen. Sie wissen auch, daß wir seit Jahren dabei sind, die von Ihnen erwähnten Zukunftsaufgaben zu lösen, also die Elendsviertel und ungesunden Wohnviertel zu beseitigen und zu sanieren. Dazu bedarf es aber einer Baukapazität, die noch nicht in ausreichendem Umfange vorhanden ist. Deshalb auch das Raumordnungsgesetz und das Städtebauförderungsgesetz. Hier liegt die große Aufgabe der Zukunft.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415101600
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Berger-Heise.

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0415101700
Herr Minister, werden Sie das in der Regierungserklärung vom Oktober 1963 von Bundeskanzler Erhard angekündigte Städtebauförderungsgesetz — Sie sprachen ebenso von diesem Gesetz, als wäre es schon da —, das für die Ersetzung dieser nicht schönen und nicht gesunden Wohnungen nötig wäre, noch so rechtzeitig einbringen, daß es dieser Bundestag in Ruhe beraten und verabschieden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415101800
Ich habe die Einbringung des Gesetzes angekündigt und hoffe, daß das alsbald geschehen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415101900
Frau Abgeordnete Meermann zu einer Zusatzfrage!

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0415102000
Herr Minister, woher nehmen denn diejenigen Mieter Wohnungen zu erschwinglichen Preisen, die nicht unter die Einkommensbegrenzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes fallen, die andererseits aber auch nicht in der Lage sind, Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau von 4,50 DM bis 6 DM je Quadratmeter zu bezahlen, zumal da Ihr Wohnbeihilfengesetz sich als völlig unzureichend erwiesen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415102100
Das von mir vorgelegte Wohnbeihilfengesetz war ausreichend. Bei den Verhandlungen mußte es leider Federn lassen. Die Anträge, die die Fraktionen des Hohen Hauses vorgelegt haben, werden dazu beitragen, das Gesetz wirksamer und auch verfahrensmäßig einfacher zu gestalten. Miet- und Lastenbeihilfen werden bereits gezahlt. Ich hoffe, daß in den weißen Kreisen in allen Städten und Gemeinden, gleich welcher politischen Haltung, die bisherigen Regelungen etwas energischer und übersichtlicher durchgeführt werden. Vor allem soll die Bevölkerung mehr auf die Möglichkeiten hingewiesen werden, die bereits bestehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415102200
Eine zweite Zusatzfrage!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415102300
Herr Minister, haben Sie auch die Absicht, zu erschwinglicheren Mieten und tragbaren Lasten dadurch beizutragen, daß Sie noch in dieser Legislaturperiode eine Initiative zur Änderung der bestehenden Bodengesetzgebung ergreifen, damit Sie die Baulandpreise, wie Sie immer sagen, „in den Griff bekommen" und auf diese Weise die Mieten und Lasten ermäßigen können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415102400
Die Frage der Baulandbeschaffung ist eine Frage der Raumordnung und des Städtebaus. An dieser Gesetzgebung wird
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7421
Bundesminister Lücke
gearbeitet. Leider habe ich auch in der Entschließung auf dem SPD-Parteitag gangbare Wege vermißt. Mir ist ein neues Rezept zur stärkeren Bereitstellung von verbilligtem Bauland nicht an die Hand gegeben worden.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415102500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0415102600
Herr Minister, sind Sie in der Lage, bekanntzugeben, welche Höchst- bzw. Durchschnittsmieten im sozialen Wohnungsbau im Jahre 1964 und — wenn das nicht möglich ist— im Jahre 1963 erreicht wurden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415102700
Das ist in den Ländern so unterschiedlich, daß ich jetzt nur Einzelzahlen bekanntgeben könnte, und diese würden irreführend wirken. Aber ich kann diese Frage schriftlich beantworten.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0415102800
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Mieten im sozialen Wohnungsbau so gestaltet werden sollten, daß sie der Durchschnittsarbeitnehmer aus seinem Einkommen bezahlen kann, ohne Mietbeihilfen in Anspruch zu nehmen und ohne seine Frau zur Arbeit und die Kinder zum Spielen auf die Straße zu schicken?

(Unruhe in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415102900
Auf diese Frage verlangen Sie wohl keine Antwort.

(Zustimmung in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415103000
Herr Abgeordneter Strohmayr zu einer Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0415103100
Herr Minister, ist die Finanzierung des Städtebauförderungsgesetzes gesichert? Welchen Betrag haben Sie im Etatjahr 1965 dafür vorgesehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415103200
In Übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen wird in dem neuen Gesetz stehen, daß im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit der Bund die Finanzierung 'der Erneuerung unserer Städte fördern wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415103300
Noch eine Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0415103400
Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wie hoch ist der Betrag, der im Etatjahr 1965 dafür vorgesehen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415103500
Der Bundeshaushaltsplan liegt dem Hohen Hause vor, und Sie kennen ihn zu genau, als daß Sie nicht wüßten, daß dort keine Beträge vorgesehen sein können, weil das Gesetz noch nicht vorliegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415103600
Ich rufe auf die Frage XII/3 — des Abgeordneten Baier (Mosbach) —:
Ist der Bundesregierung das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1964 — 4 V 139/63 — bekannt, wonach die in vieler Hinsicht überalterten Kleinsiedlungsrichtlinien heute hinsichtlich ihres Wertes sowohl für den Siedler als auch für die Volkswirtschaft ausgesprochen fragwürdig sind und der damit verbundene Flächenverschleiß und die Förderung bewußt primitiv gehaltener Behausungen den heute für den sozialen Wohnungsbau anerkannten Grundsätzen widersprechen?
Ist er im Saal?

(Abg. Dr. Wuermeling: Wird übernommen!)

— Sie übernehmen die Frage. — Bitte, Herr Minister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415103700
Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1964 —4 V 139/63 — ist mir bekannt. Die in dem Urteil zitierten Bestimmungen für Kleinsiedlungen sind nach § 123 Abs. 5 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bereits am 1. Juli 1956 außer Kraft getreten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415103800
Keine Zusatzfrage. Wir kommen damit zur Frage XII/4 — des Herrn Abgeordneten Baier (Mosbach) —:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Form der in Frage XII/3 zitierten Urteilsbegründung zu erheblichen Bedenken Anlaß gibt und der gesellschaftspolitischen Zielsetzung der Bundesregierung in keiner Weise entspricht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415103900
Gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart ist Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt worden. Die Bundesregierung kann aus rechtsstaatlichen Gründen weder in ein schwebendes Verfahren eingreifen noch zu nicht rechtskräftigen Urteilen einzelner Gerichte kritisch Stellung nehmen. Ich bedaure, deshalb auf das Urteil nicht näher eingehen zu können.
Ganz allgemein kann ich nur folgendes feststellen: Die Richtlinien des Reichsarbeitsministers aus dem Jahre 1937 waren zweifellos überholt. Deshalb sind sie auch durch das Zweite Wohnungsbaugesetz aufgehoben worden.
Wenn auch der Charakter der Kleinsiedlung im Laufe der Jahrzehnte manchen Wandel erfahren hat, so ändert dies doch nichts daran, daß sich der Gesetzgeber auch im Zweiten Wohnungsbaugesetz ausdrücklich zur Kleinsiedlung und zur Notwendigkeit ihrer Förderung bekannt hat. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes haben die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen obersten Landesbehörden in ausreichendem Maße für den Bau von Kleinsiedlungen zu sorgen. Die Länder haben in ihren Wohnungsbauförderungsbestimmungen auch entsprechende Vorschriften erlassen.
7422 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Bundesminister Lücke
Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Kleinsiedlung vor allem auch für die kinderreiche Familie eine besonders geeignete Form des Eigentums an Haus und Boden. Im Rahmen des modernen Städtebaus und der Dorferneuerung hat die Gruppenkleinsiedlung bei der Auflockerung und der Begrünung unserer Dörfer und Städte besondere Aufgaben zu erfüllen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415104000

(Mosbach —: Wie hoch ist der Anteil der Kleinsiedlungen am Gesamtbauvolumen der Bundesrepublik in den Jahren 1960 bis 1964? Der Anteil der Wohnungen in Kleinsiedlerstellen an sämtlichen fertiggestellten Wohnungen in der Bundesrepublik betrug in den Jahren 1960 und 1961 je 1,9 %, in den Jahren 1962 und 1963 je 1,8 %. Das Bauergebnis 1964, gegliedert nach Gebäudearten, liegt zur Zeit noch nicht vor. Auf Grund der bisherigen Entwicklung kann erwartet werden, daß der Anteil der Kleinsiedlerstellen 1964 wiederum etwa 1,8 v. H. betragen wird. Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage I/1 — des Abgeordneten Strohmayr —: Ist der Bundesregierung bekannt, welche Beiträge bisher die einzelnen Mitgliedstaaten der EWG an den Investitionsund Agrarfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geleistet haben? Her Bundesminister, ich darf bitten. Ich beantworte die Frage des Herrn Kollegen Strohmayr wie folgt: Beiträge für den Europäischen Ausrichtungsund Garantiefonds für die Landwirtschaft — ich nehme an, daß Sie in Ihrer Frage diese Fonds meinen — werden erstmals im Haushaltsjahr 1965 geleistet werden. Nach dem Haushaltsentwurf der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verteilen sich die Beiträge wie folgt: Deutschland 117,7, Frankreich 108,4, Italien 115, Niederlande 35,6, Belgien/ Luxemburg 34,1, insgesamt also 410,8 Millionen DM, erstmals im Jahre 1965. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr. Herr Bundesminister, wie ist es, wenn die Einzahlungen sich praktisch ungefähr auf derselben Höhe bewegen, möglich, daß — wie aus der letzten Fragestunde ersichtlich gewesen ist — die Bundesrepublik Deutschland 15 Millionen DM aus diesem Ausgleichsfonds zurückerstattet erhalten hat, während man Frankreich mehr als 200 Millionen DM zurückerstattet hat? Das kann ich Ihnen erklären. Nach Art. 3 der Verordnung Nr. 25 — das ist die Finanzverordnung der EWG — erhalten während der 'Übergangszeit nur die Länder Zahlungen, deren Ausfuhrmengen die Einfuhrmengen in dem betreffenden Warenbereich übersteigen, d. h. also die Netto-Exporteure. Das ist bei Deutschland, von einer unbedeutenden Ausnahme abgesehen, nicht der Fall. Im Rahmen der Abteilung Garantie des Europäischen Ausrichtungsund Garantiefonds entfällt damit der weitaus größte Teil der Ausgaben auf Ausfuhrerstattungen, die nach den EWG-Marktordnungen gewährt werden können. Dadurch kommen die Mittel vor allem den Ländern zugute, die eine Überschußproduktion haben. Das ist vor allem bei Frankreich der Fall. Eine Zusatzfrage. Sie haben bereits erwähnt, Herr Minister, daß Frankreich den größten Teil erhält. Sind Sie nicht auch meiner Auffassung, daß Frankreich in der Hauptsache der Nutznießer dieser ganzen EWG-Bestimmungen ist? Wenn Sie von dem Gedanken eines Gemeinsamen Marktes ausgehen — wobei ich das Gewicht auf das Wort „gemeinsam" lege —, dann können Sie in der Übergangszeit, wenn eine Finanzverordnung die Regelung trifft, daß die Ausfuhrüberschußländer besondersberücksichtigt werden sollen, dies nicht als einen Fehler betrachten. Ich bin der Meinung, Herr Kollege Strohmayr, daß im Laufe der Verhandlungen, die jetzt wieder in Gang gekommen sind, nicht zuletzt diese Finanzverordnung, die sowieso im nächsten Sommer — im Sommer 1965 — überholt werden muß, sehr gründlich behandelt werden muß. Noch die -zweite Frage, oder betrachten Sie die Antwort damit als erledigt? Dem Sinne nach, wenn auch nicht zahlenmäßig, ist die Frage 2, Herr Kollege Strohmayr, durch die Antwort auf die Frage 1 schon erledigt. Aber um das, was durch Frage und Antwort deutlich geworden ist, auch noch zahlenmäßig zu belegen, kann ich folgendes sagen. Die Zahlen, die ich jetzt nenne, beziehen sich auf die Abteilung Garantie und nicht auf den Teil des Fonds, der die Ausrichtung betrifft. Von den 410,8 Millionen DM sind 308,1 Millionen DM im Haushaltsplan veranschlagt, und zwar entfallen auf Deutschland 15,8, Frankreich 263,3 — da kommt der Ausfuhrüberschuß zum Tragen —, Italien 2,5, Niederlande 24,2 und Belgien/Luxemburg 2,3. Eine Zusatzfrage. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7423 Herr Minister, glauben Sie, daß 'im Laufe der Zeit dieses krasse Mißverhältnis sich irgendwie entzerren wird, so daß sich bei der großen Differenz zwischen Beitragsleistung und dem, was die einzelnen Länder zurückbekommen, nach und nach ein Ausgleich anbahnen wird? Ich habe die Hoffnung, daß das geschieht. Dabei wird es wesentlich darauf ankommen, wie wir im zweiten Teil des Fonds, für den bisher noch keine Zahlen veranschlagt sind, abschneiden werden. Aber noch einmal sei betont: das Wichtigste scheint mir die sorgfältige Bearbeitung der Finanzverordnung Nr. 25 zu sein, die zum 30. Juni 1965 sowieso erfolgen muß. Ich rufe auf die Fragen I/3 und 1/4 — des Abgeordneten Sänger —: Kann vorausgesetzt werden, daß ein Angehöriger einer Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, der einen Diplomatenpatt hat, also die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, auch in dem Falle als in die Heimat zurückgekehrter Deutscher gilt, wenn ihm von dem Regime des Nationalsozialismus die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde und er ins Ausland gegangen war? Müssen in einem Falle wie dem in Frage I/3 bezeichneten nicht auch dann die Wiedergutmachungsgesetze und entsprechende Bestimmungen angewendet werden, wenn der Betreffende sich gegenwärtig tatsächlich, und zwar als Angehöriger der Botschaft, im Ausland befindet? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu der Frage des Herrn Abgeordneten Josten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung: Welche Pläne hat die Bundesregierung, um in der großen Garnisonstadt Koblenz ein Soldatenheim zu erstellen? Bitte, Herr Staatssekretär Gumbel. Das Bundesverteidigungsministerium bemüht sich schon seit Jahren, in Koblenz ein Soldatenheim einzurichten. Bereits in der Fragestunde am 22. Januar 1964 ist darauf hingewiesen worden, daß die Verhandlungen über die Anmietung oder den Ankauf verschiedener Objekte, die in Betracht zu kommen schienen, aus Gründen, die nicht bei der Bundeswehr liegen, zu keinem befriedigendem Abschluß gebracht werden konnten. Die Absicht, das von den französischen Streitkräften als Soldatenheim benutzte linksrheinisch gelegene Gebäude „Centre d'Acceuil" der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen, konnte nicht verwirklicht werden, weil die französischen Streitkräfte das Gebäude weiterhin als Betreuungsstelle benötigen. Inzwischen ist das zentral gelegene Görreshaus über die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung dem Bund zur Anmietung angeboten worden. Die Herrichtung des Gebäudes erfordert jedoch nach den Feststellungen der Landesbauverwaltung einen Betrag von insgesamt etwa 1 Million DM. In den Verhandlungen mit der Eigentümerin war es bisher nicht möglich, einen Modus für die Verrechnung der Investitionskosten mit der Miete zu finden. Der Verkauf der Liegenschaft an die Bundeswehr ist bisher abgelehnt worden. Die Verhandlungen sind insoweit jedoch noch nicht abgeschlossen. Das Projekt steht in der Dringlichkeitsstufe 1. Ich werde mich um einen schnellen Abschluß der Verhandlungen bemühen. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten. Herr Staatssekretär, darf ich also Ihrer Antwort entnehmen, daß von seiten des Ministeriums die Notwendigkeit für ein Soldatenheim in Koblenz seit Jahren anerkannt wird und Sie sich nun für eine baldige Lösung einsetzen werden? Das ist durchaus richtig. Wie ich schon sagte, steht das Projekt in der Dringlichkeitsstufe 1, wird also vom Bundesministerium der Verteidigung als vordringlich anerkannt. Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter. Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mich über das Ergebnis der von Ihnen erwähnten Verhandlungen zu unterrichten? Sehr gern, Herr Abgeordneter. Ich danke sehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen, zunächst zur Frage III/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer —: Wie stark ist, in Prozenten der Belastung an anderen Wochentagen ausgedrückt, die Belastung des Telefonnetzes an Samstagen zwischen 8 und 14 Uhr? Herr Bundesminister, ich darf bitten, Ich beantworte Ihre Frage mit Vorbehalt, Herr Kollege Mommer: mit 50 %, miteiner Einschränkung und einem gewissen Vorbehalt. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer. Herr Minister, sehen Sie danach eine Möglichkeit, auch die Gebühren für Ferngespräche am Samstagmorgen zu senken? Herr Kollege Mommer, Sie meinen in der Zeit von Samstag 8 Uhr bis Samstag 14 Uhr, also einen durchgehend begünstigten Tarif von Freitagabend 18 Uhr bis Montag früh 8 Uhr? 7424 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Bundesminister Stücklen Zu dieser Frage kann ich heute noch keine endgültige Aussage machen. Wir müssen einmal überprüfen, wieweit dadurch die Familiengespräche begünstigt werden, denn das ist der Sinn der Begunstigung. Weiter ist zu prüfen, ob nicht die neu auf uns zukommenden Aufgaben, z. B. die Datenübertragung, in dieser Zeit von Samstag 8 bis 14 Uhr ausgeführt werden müssen. Ich würde sagen, daß ich nach Beobachtung innerhalb eines Jahres eine Aussage machen kann, ob die Begünstigung ausgeweitet werden kann oder nicht. Wir kommen zur Frage III/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: Wird der Bundespostminister dafür Sorge tragen, daß die Notruf-Fernsprechnummern Herr Bundesminister, bitte! Die Deutsche Bundespost hat vor mehr als 10 Jahren die Fernsprechrufnummern .110 für die Notdienste der Polizei — Überfall und Verkehrsunfälle — und 112 für die Notdienste der Feuerwehr — Feuer, Rettungsdienst rind erste Hilfe — für alle Fernsprechortsnetze des Bundesgebietes verbindlich festgelegt. Wenn diese Anordnung nach so langer Zeit noch nicht lückenlos durchgeführt ist, so liegen dafür Gründe vor, die von der Deutischen Bundespost nicht allein zu vertreten sind. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert. Herr Minister, würden Sie uns einmal die Gründe darlegen, die die einheitliche Einführung Ihrer wohldurchdachten Maßnahme bisher verhindert haben? Gern. Die genannten Notrufnummern können in jedem Ortsnetz nur einmal vergeben werden. Umfaßt ein Ortsnetzbereich z. B. mehrere selbständige Gemeinden, so ist es Sache der Notdienstträger, der Deutschen Bundespost den Ort anzugeben, zu dem die Notrufanschlüsse geschaltet werden sollen. Soweit es sich bei den Feuerwehren um freiwillige Feuerwehren handelt, werden oftmals vorhandene private Anschlüsse für Notrufe mitbenutzt. Die betreffenden Anschlußinhaber sind aber in einem solchen Fall nicht damit einverstanden, daß ihre in der Regel in dem betreffenden Ort allgemein bekannte Rufnummer durch die Notrufnummer ersetzt wird. Ähnliche Verhältnisse sind auch bei der Polizei anzutreffen. Erschwerend wirkt sich in vielen Fällen die Tatsache aus, daß die Notrufanschlüsse nur für ankommende Rufe betrieben werden können und die Notdienstträger zum Teil die Kosten für einen weiteren nur einseitig benutzbaren Anschluß scheuen, Eine weitere Zusatzfrage. Herr Minister, wären Sie bereit, alle diese Fragen, die offenbar Kompetenzfragen sind und auch sonst sehr schwierig liegen, dadurch zu bereinigen, daß Sie die Einsetzung eines Koordinierungsausschusses vorschlagen, der zusammen mit den Ländern und allen Stellen, die damit befaßt sind, eine vernünftige Lösung durchsetzen würde, wie dies beispielsweise in anderen Ländern — ich denke insbesondere an England und Belgien — möglich gewesen ist? Selbstverständlich bin ich bereit, jede Maßnahme zu unterstützen, die zu einer Vereinheitlichung auf diesem Gebiet führt, Herr Kollege Müller-Emmert. Ich meine nur, daß die Federführung hierfür bei meinem Kollegen Innenminister Höcherl liegen müßte, der mit -den Innenministern diese Koordinierungsausschüsse beruft. Ich wirke dann gern dabei mit. Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann Herr Bundesminister, bis wann wird diese Regelung durchgeführt? Ich habe soeben mitgeteilt, daß für die Berufung eines solchen Koordinierungsausschusses nicht ich die Zuständigkeit habe, sondern mein Kollege, der Innenminister Höcherl. Er ist hier mit anwesend. Ich bin überzeugt, daß er sich genauso bemühen wird wie ich, in dieser Frage eine Vervollständigung zu erreichen. Bis wann könnte diese Möglichkeit realisiert sein? Vielleicht kann der Herr Bundesinnenminister diese Frage beantworten. Der Herr Bundesinnenminister wird in diesem Augenblick zum erstenmal mit dieser Frage konfrontiert. Ich glaube, ,es ist nicht üblich, daß der Innenminister eine Antwort auf eine Anfrage gibt, die ihm nicht unmittelbar zugeleitet worden ist. Ich bitte also, diese Frage in der nächsten Fragestunde zu stellen. Ich danke dem Herrn Bundesminister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Zunächst die Frage IV/1 — des Abgeordneten Flämig —: Trifft es zu, daß in der oberbayerischen Pechkohle radioaktive Stoffe und deren Zerfallsprodukte enthalten sind, die beim Verfeuern dieser Pechkohle in Großkraftwerken zu einer Radioaktivität der Abgase führen müssen? Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7425 Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich mit Ja. Bei diesen radioaktiven Stoffen handelt es .sich um Uran, Radium und dessen Zerfallsprodukte, die allerdings nur in sehr geringen Aktivitätskonzentrationen im Abgas auftreten können. Ich rufe sodann auf die Frage IV/2 — des Abgeordneten Flämig —: Wie groß ist der Gehalt der oberbayerischen Pechkohle an radioaktiven Stoffen und die eventuell daraus resultierende Radioaktivität der Abgase? Die Untersuchungen des Urangehalts der Pechkohle in den Gruben von Hausham und Peiting ergaben Werte von 12 bis 125 Gramm Uran pro Tonne Kohle. Diese Werte gelten jedoch nur für bestimmte Kohlenproben und können nicht auf die gesamte oberbayerische Pechkohle übertragen werden. Nimmt man einen Urangehalt von 10 Gramm pro Tonne Kohle an, so errechnet sich unter Berücksichtigung des bei Kohlekraftwerken üblichen Ascheauswurfs in den Abgasen eine Aktivitätskonzentration von etwa 2 X 10-12 Mikrokurie Uran pro Kubikzentimeter Abgas. Unter gewissen Annahmen errechnet sich für Radium ungefähr derselbe Wert. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig. Herr Minister, ist es zutreffend oder nicht, daß, wie sich ein Regierungsdirektor vom bayerischen Geologischen Landesamt kürzlich geäußert haben soll, in der oberbayerischen Pechkohle etwa in 5 % der Flözflächen zirka 400 bis 600 Gramm Uran je Tonne gemessen wurden? Und wenn der Urangehalt geringer ist, wie groß ist er dann? In einem mir vorliegenden geologischen Gutachten über die Uranvorkommen in der Bundesrepublik Deutschland sind solche hohen Werte für die oberbayerische Pechkohle nicht verzeichnet. Eine zweite Zusatzfrage. Ist es nach dem, was soeben ausgeführt wurde, unter Umständen möglich, daß ein konventionelles Kraftwerk ungehinderter als ein Kernkraftwerk radioaktive Abgase und radioaktive Asche ausscheiden kann? Sofern die Emission nur von radioaktiven Aerosolen und nicht auch die von radioaktiven Gasen betrachtet wird, besteht die Möglichkeit, daß ein Kohlekraftwerk radioaktive Stoffe mit einer Aktivitätskonzentration in der gleichen Größenordnung wie ein Kernkraftwerk abgibt. Hierbei müßte allerdings das Kohlekraftwerk dauernd Kohle mit einem Gehalt von durchschnittlich 10 Gramm Uran pro Tonne verfeuern, was jedoch im allgemeinen nicht der Fall ist. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Wir kommen zu .den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zuerst die Frage V/1 — des Herrn Abgeordneten Kaffka —: Entspricht es dem Sachverhalt, daß der Bundesaußenminister für den Roman Henry Millers „Wendekreis des Steinbocks" Reklame gemacht hat, wie es der Schriftsteller Kurt Ziesel auf einer Veranstaltung in Tuttlingen behauptet hat? Herr Staatssekretär Dr. Carstens, darf ich bitten. Herr Abgeordneter, die Antwort auf Ihre Frage lautet: nein. Ist Ihnen bekannt, ob der Bundesminister des Auswärtigen die Absicht trägt, strafrechtlich gegen derartige Anwürfe vorzugehen, die sein Ansehen in der Offentlichkeit in einer bedenklichen Weise gefährden? Ich würde sagen, Herr Abgeordneter, daß es Behauptungen gibt, die offensichtlich so abwegig sind, daß sie sich selber richten. Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kaffka. Herr Staatssekretär, halten Sie es für tragbar, daß ein hier das Gastrecht der Bundesrepublik genießender Ausländer führende Politiker in einer Weise angreift, die dem Ansehen der Bundesrepublik erheblich nachteilig ist? Herr. Abgeordneter, mir ist nicht bekannt, daß derjenige, der diese Behauptungen aufgestellt hat, ein Ausländer ist. Daher kann ich zu Ihrer Frage nicht Stellung nehmen. Ich rufe auf die Frage V/2 — des Abgeordneten Spies —: Wann ist damit zu rechnen, daß das griechische Parlament das am 27. September 1963 paraphierte Kriegsgräberabkommen ratifiziert? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Lahr vorn 7. Dezember 1964 lautet: Die Bundesregierung bemüht sich ständig darum, die griechische Seite zu einer baldigen Ratifizierung des deutsch-griechischen Gräberabkommens zu veranlassen. Nachdem der griechische Ministerpräsident am 4. November dem deutschen Botschafter in Athen erklärt hatte, daß das Abkommen in Kürze ratifiziert werde, hat das griechische Außenministerium ebenso wie der Präsident des griechischen Parlaments am 26. November erneut versprochen, für die möglichst baldige Ratifizierung Sorge zu tragen. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen fortsetzen. Wir kommen zu Frage V/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —: Wie ist der Stand der Abwicklung der Anträge auf Gewährung einer Entschädigung im „Brandaris"-Komplex durch die amerikanische Dienststelle US Army Claims Office Germany in Mannheim? Herr Staatssekretär, ich darf bitten. 7426 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Herr Abgeordneter, ich darf über den Stand der Abwicklung der Anträge auf Gewährung einer Entschädigung in dem sogenannten Brandaris-Komplex folgende Antwort geben. Es liegen in Mannheim insgesamt 1905 Anträge vor. Über 108 dieser Anträge ist bereits entschieden worden, und zwar wurden in 84 Fällen insgesamt etwa 218 000 DM an die Berechtigten ausgezahlt. Für die übrigen 24 Fälle liegen Zahlungsanordnungen vor, so daß in aller Kürze mit den Zahlungen zu rechnen ist. Für weitere 500 Anträge wurde die Erfüllung vorgeschlagen, so daß hier ebenfalls mit Zahlungsentscheidungen in nächster Zeit zu rechnen ist. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert. Herr Staatssekretär, haben sich die britische und die kanadische Regierung inzwischen bereit gefunden, ebenfalls eine Vereinbarung mit der deutschen Bundesregierung über die Fälle abzuschließen — es sind insgesamt rund 190 —, die britische und kanadische Staatsangehörige betreffen? Herr Abgeordneter, es tut mir leid; das weiß ich nicht. Darf ich Ihre Frage schriftlich beantworten? Jawohl, ich wäre Ihnen sehr verbunden, Herr Staatssekretär. Noch eine weitere Frage! Darf ich darauf hinweisen, daß in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage am 8. Juli 1964 die Zahl der Fälle mit 2529 angegeben wurde. Können Sie mir darüber Auskunft geben, wie sich die Differenz zwischen der Zahl von 2529 und der Zahl von 1905 Anträgen, die Sie heute nennen, erklärt? Das kann ich leider im Augenblick auch nicht, Herr Abgeordneter. Auch da darf ich vorschlagen, daß ich Ihnen eine schriftliche Antwort gebe. Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, ist in den laufenden Verhandlungen gewährleistet, daß die Geschädigten — nachdem sich die Fälle schon vor Jahren ereignet haben und hohe Zinsbelastungen aufgetreten sind — die zusätzliche Belastung mit abgegolten erhalten? Ich kann dazu nur ganz allgemein sagen, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung sehr bemüht ist, in diesen Fällen eine Regelung zu erzielen, die den Interessen der Betroffenen gerecht wird. Noch eine Zusatzfrage? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter! Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in den Fällen, wo eine Einigung auf der Grundlage des deutschen Rechts nicht möglich ist, eventuell weitergehende Forderungen, die nach amerikanischem Recht, dem ja diese Fälle unterliegen, nicht erfüllt werden können, einer Regulierung durch die Bundesregierung zuzuführen? Herr Abgeordneter, darauf kann ich nur sagen, daß die Bundesregierung diese Frage prüfen wird. Eine Antwort dazu kann ich ohne Fühlungnahme mit den anderen beteiligten Ressorts nicht geben. Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer. Welche Vorstellung hat man im Bereich des Auswärtigen Amts, das ja für diese Frage federführend ist, wieviel Zeit die Abwicklung dieser Fälle, die ja bereits mindestens vier bis fünf Jahre zurückliegen, wohl noch in Anspruch nehmen wird? Herr Abgeordneter, dazu kann ich nur sagen, daß nach Auffassung des Auswärtigen Amts das Tempo der Abwicklung in Zukunft beschleunigt werden wird. Nach den Zahlen, die ich vorhin genannt habe, ist immerhin über ein Viertel, fast ein Drittel der Fälle jetzt abgewickelt. Ich komme zu Frage V/4 — des Abgeordneten Börner —: Wird die Bundesregierung sich baldmöglichst um die Ratifizierung des deutsch-französischen Abkommens über die Wehrpflicht von Doppelstaatlern bemühen? Herr Staatssekretär, bitte. Herr Abgeordneter, ein bilaterales deutschfranzösisches Abkommen über die Wehrpflicht von Doppelstaatlern gibt es nicht. Das Ihnen vorschwebende Problem wird mit dem Inkrafttreten des am 6. Mai 1963 in Straßburg im Rahmen des Europarats zustande gekommenen, sowohl von Deutschland als .auch von Frankreich unterzeichneten Übereinkommens zur Verringerung der Mehrstaatlichkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatlern gelöst sein. Das Übereinkommen tritt gemäß Art. 10 Abs. 2 einen Monat nach Hinterlegung der zweiten Ratifikationsurkunde in Kraft. Es wird daher nach der Ratifikation durch Frankreich und Deutschland alsbald angewendet werden können. Die Bundesregierung ist bemüht, die Vorbereitungen für die Einbringung des Zustimmungsgesetzes so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7427 Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner. Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diesem Hohen Hause eine ähnliche Antwort schon vor fast einem Jahr gegeben wurde? Und welches Ressort der Bundesregierung hat es zu vertreten, daß diese Verzögerung eingetreten ist? Es handelt sich hier um eine Verzögerung, die in der Sache selbst begründet liegt, Herr Abgeordneter. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß auch das französische Zustimmungsgesetz erst vor kurzem eingebracht worden ist. Wir werden daher anstreben, mit der Ratifizierung des Abkommens ungefähr gleichzeitig mit der französischen Seite fertig zu werden. Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner. Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß vor kurzer Zeit eine ähnliche Regelung zwischen Belgien und Frankreich in Kraft getreten ist? Und würden Sie bitte durch die Initiative Ihres Hauses gegen die bisherige Verzögerung, für die nach meiner Auffassung das Bundesinnenministerium verantwortlich ist, so angehen, daß diese Frage hier bald geregelt werden kann. Die Bundesregierung wird insgesamt, Herr Abgeordneter, für eine beschleunigte Ratifizierung dieses Abkommens eintreten und darum bemüht sein. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. Herr Staatssekretär, ist im Rahmen dieses Abkommens auch eine Amnestie für bereits früher von französischen Gerichten verurteilte deutsche Staatsangehörige vorgesehen? Das weiß ich nicht, Herr Abgeordneter. Ich glaube es aber nicht; nach ,der ganzen Anlage des Abkommens ist das nicht anzunehmen. Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. Halten Sie es denn nicht für richtig, daß sich die Bundesregierung in der Richtung bemüht, mit dem Abschluß dieses Abkommens auch eine Regelung für die bereits von französischen Gerichten abgeurteilten Staatsangehörigen zu erreichen? Ich möchte darauf antworten, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung stets bemüht war und auch in Zukunft bemüht sein wird, diese Fälle, die ja zum Teil tragisch sind, in einer befriedigenden Weise zu lösen. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer. Herr Staatssekretär, wie ist die Rechtslage bei uns in der Bundesrepublik in bezug auf diese Doppelstaatler? Gibt es in der Bundesrepublik Fälle, in denen Wehrpflichtige, die auch französische Staatsangehörige sind, wegen der Nichtableistung des Wehrdienstes hier vor die Gerichte kamen? Mir ist kein derartiger Fall bekannt, Herr Abgeordneter. Keine Zusatzfragen mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zuerst rufe ich die Frage VI/1 — des Abgeordneten SchmittVockenhausen — auf: Welches Ergebnis haben die vom Bundesinnenminister in der Fragestunde am 26. Mai 1964 erwähnten Verhandlungen gebracht, bei der Neuregelung der Altersversorgung der Angestellten im öffentlichen Dienst die Versorgung derjenigen Angestellten besonders zu verbessern, die erst in einem vorgerückten Lebensalter in den öffentlichen Dienst getreten sind? Herr Bundesminister, bitte. Ergebnisse liegen noch nicht vor, weil die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Leider konnten die beabsichtigten abschließenden Verhandlungen im November und Dezember nicht durchgeführt werden, und zwar aus Gründen, die die Arbeitgeberseite nicht zu vertreten hat. Eine Zusatzfrage! Herr Minister, ich darf aber doch damit rechnen, daß die von mir in der Frage erwähnten Probleme der älteren Angestellten, die erst nach 1945 in verhältnismäßig vorgerücktem Lebensalter in den öffentlichen Dienst gekommen sind, besonders sorgfältig geprüft werden und daß Sie sich in der am 16. Mai 1964 zugesagten Richtung bei den Beratungen verwenden werden? Das wird der Fall sein. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück. 7428 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 Herr Bundesminister, darf ich Sie in diesem Zusammenhang bitten, vielleicht auch noch einmal die von Ihrem Fraktionsgeschäftsführer Wagner, Herrn Dr. Dichgans und mir vorgetragenen Anregungen zu überprüfen. Jawohl. Ich rufe die Frage VI/2 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen — auf : Wann ist mit einer Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes zu rechnen, und zwar auf Grund der Tatsache, daß nunmehr auch eine große Zahl verheirateter Wehrpflichtiger einberufen wird? Eine kleine Novelle zur Verbesserung des Unterhaltssicherungsgesetzes, und zwar für die in der Territorialverteidigung kurz Dienenden, befindet sich in der Beratung des Hauses. Eine größere Novelle kann diesem Bundestag nicht mehr rechtzeitig vorgelegt werden, soll aber so weit vorbereitet werden, daß sie den nächsten Bundestag sofort erreicht. Eine Zusatzfrage! Herr Minister, halten Sie es dann nicht für richtig, in jedem Fall eine Anhebung der Sätze vorzunehmen? Ich kann Ihnen nämlich aus der Praxis der Landratsämter eine Reihe von Fällen nennen, in denen verheiratete Wehrpflichtige in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, weil die Sätze schon acht Jahre gelten und nicht mehr den gestiegenen Lebenshaltungskosten entsprechen. Ich bin Ihrer Meinung. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bühler. Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß oft, wenn kurzfristige Einberufungen erfolgen, Härten dadurch entstehen, daß die Betreffenden. kurz vorher Ratenzahlungsverträge, Lebensversicherungen usw. abgeschlossen haben, so daß die Frist von 12 Monaten in diesem Falle eigentlich fallen müßte? Jawohl. Ist die Bundesregierung bereit, das bei dieser Novellierung zu beachten? Ich möchte das annehmen. Wir kommen zur Frage VI/3 — des Abgeordneten Strohmayr —: Ist die Bundesregierung bereit, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die es ermöglichen, im Interesse der Altenhilfe Es gibt bereits gesetzliche, und zwar gesundheitsrechtliche und gewerberechtliche Bestimmungen. Ob angesichts der Institution von privaten Altersheimen darüber hinaus noch besondere Bestimmungen angebracht sind, wird meines Erachtens von einem größeren Erfahrungszeitraum und einem größeren Erfahrungsmaterial abhängen. Herr Minister, soviel mir bekannt ist, haben Sie schon vor längerer Zeit der Stadt Hamburg, glaube ich, Zusagen gemacht, daß eine Überprüfung vorgenommen wird und das gesetzliche Bestimmungen hierfür geschaffen werden, damit auch privatrechtlich geführte Altersheime überprüft und in fürsorgerechtlicher Hinsicht überwacht werden können. Ich habe schon gesagt, daß es bereits gesundheitsrechtliche und gewerberechtliche Bestimmungen gibt, die ein gewisses Maß von Aufsicht möglich machen. Darüber hinaus bin ich aber der Meinung, daß der Fall Hamburg und andere Fälle zunächst einmal als Beobachtungsmaterial dienen sollten, um daraufhin eine abgewogene Gesetzgebung einzuleiten. Herr Bundesminister, Sie sind doch sicherlich mit mir der Auffassung, daß hier wirklich ernsthaft etwas getan werden müßte? Wir haben 'doch wohl eine bestimmte Verpflichtung, den alten Menschen in den gewerblich geführten Heimen eine Aufsicht angedeihen zu lassen? Es hat den Anschein, daß Ihre Meinung zutrifft. Herr Abgeordneter, Sie haben bereits zwei Zusatzfragen gestellt. Wir kommen zur Frage VI/4 — der Abgeordneten Frau Funcke Trifft es zu, daß Frauen, die einen Ruhestandsbeamten nach Vollendung seines 65. Lebensjahres geheiratet haben, beim Antrag auf einen Unterhaltsbeitrag nach dem Tod des Ehemannes Fragen wie etwa folgende beantworten müssen: „Aus welchem Grunde wurde die Ehe mit dem verstorbenen Ruhestandsbeamten geschlossen?" „Hätte der verstorbene Ruhestandsbeamte seinen Lebensabend nicht auch ohne Wiederverheiratung, vielleicht bei den Kindern oder in einem Altersheim verbringen können? Wenn ja, warum hat er es nicht getan?" Es gibt gesetzliche Bestimmungen, und zwar für den Bund in den §§ 123 Abs. 1 und 125 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes, nach denen für den Fall einer Verheiratung, die nach dem 65. Lebensjahr erfolgt, geprüft werden muß, ob dieser Verheiratung das Motiv der bloßen Versorgung zugrunde gelegen hat. Mir ist aber kein Fall aus dem Bundesbereich bekannt, in dem solche Fragen, wie sie von Ihnen zitiert werden, gestellt worden wären. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7429 Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke. Herr Bundesminister, ist Ihnen denn bekannt, in welcher Form nach den Motiven gefragt wird, die zu einer Eheschließung geführt haben? Ich darf wiederholen, daß mir aus dem Bundesbereich kein Fall bekannt ist, in dem in der von Ihnen zitierten Form gefragt worden wäre. Im übrigen bin ich der Meinung, daß eine Befragung der Witwe weder sinnvoll noch notwendig wäre. Eine zweite Zusatzfrage. Herr Bundesminister, sind Sie nicht der Auffassung, daß es bei der gestiegenen Lebenserwartung und bei der Rüstigkeit unserer Ruhestandsbeamten vertretbar und notwendig wäre, die Richtlinien zu § 125 des Bundesbeamtengesetzes dahin gehend zu ändern, daß etwa bei Wiederverheiratung eines Witwers bis zum 70. oder — sagen wir — 72. Lebensjahr und einem Altersunterschied von 15 oder allenfalls 20 Jahren eine Unterhaltsbeihilfe dem Grunde nach automatisch, d. h. ohne „Motivforschung" gegeben wird, wobei allenfalls gewisse Abstriche oder Anrechnungen bei besonders hohen Renten gemacht werden könnten? Frau Kollegin, ich wäre Ihrer Meinung, wenn Sie meiner Meinung wären, daß nämlich Spekulationen ausgeschlossen werden sollten. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner. Herr Minister, Sie haben also nicht die Absicht, vorzuschreiben, daß in solchen Fällen eine Art ehelicher Leistungsbefähigungsnachweis gefordert wird? Nein, ich habe nicht diese Absicht. Sie würden sich also in dieser Hinsicht auch nicht beeinflussen lassen? Nein. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn. Herr Minister, wenn nach Ihren eigenen Worten solche Fragen immer gleichmäßig eantwortet werden — wie auch gar nicht anders erwartet werden kann —: Was verspricht sich die Verwaltung eigentlich davon, daß solche Fragen gestellt werden? Ich habe ja der Frau Kollegin schon gesagt, mir ist nicht bekannt, daß Fragen in dieser Form gestellt worden sind. Eine zweite Frage, Herr Abgeordneter Jahn. Halten Sie es nicht für möglich, ja, eigentlich sogar für notwendig, daß auch die Verwaltung im Umgang mit Beamten oder Beamtenwitwen die Grundregeln des Taktes etwas stärker beachtet, als es hier offensichtlich geschieht? Mir ist kein Fall bekannt, in dem der Takt verletzt worden ist. Sollte der Takt aber verletzt worden sein, wäre ich der Meinung, daß es zwingend geboten wäre, das abzustellen. Eine Zusatzfrage! Herr Minister, halten Sie eine schärfere Nachprüfung der Zustände für möglich, und müßten nicht die Richtlinien dann entsprechend geändert werden? Ja. Ich komme zu den Fragen VI/5 und VI/6 — des Abgeordneten Bauer Ist die Bundesregierung bereit, kurzfristig eine statistische Erhebung mit dem Ziel der Feststellung zu veranlassen, wie viele anerkannte politisch, rassisch bzw. religiös Verfolgte a)

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Rede ID: ID0415115400
Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0415115500
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415115600

(Abg. Strohmayr meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415115700
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415115800
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415115900
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415116000
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415116100
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415116200
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415116300
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415116400
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415116500
Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0415116600

(Heiterkeit.)

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415116700
Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0415116800
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415116900

(Erneute Heiterkeit.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415117000
Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0415117100
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415117200
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415117300
Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0415117400
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415117500
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415117600
Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0415117700
Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415117800
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415117900
b) im Beamtenverhältnis stehen?
Ist die Bundesregierung bereit, feststellen zu lassen, wie viele Kriegsversehrte sowie Spätheimkehrer über die 3 Gruppen der Sozialversicherung und wie viele jeweils über eine beamtenrechtliche Regelung ihre Altersversorgung erwarten können?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415118000
Ich darf Ihnen sagen, daß ich die Fragen mit Nein beantworten muß, weil es keine gesetzliche Grundlage gibt, die Voraussetzung für eine Statistik wäre.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415118100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer.

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0415118200
Wäre es nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich — da sich die Behörden ja gegenseitig Amtshilfe leisten müssen —, eine Statistik für die eventuelle Auswertung auf sozialem Gebiet an der Hand zu haben, wenn etwa im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes entsprechende Fragen auftauchten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415118300
Ich könnte ein solches Vorhaben nicht befürworten. Der Aufwand an Zeit und Geld für die Befragung wäre zu
7430 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Bundesminister Höcherl
groß und stünde in keinem Verhältnis zu dem Ergebnis, da die Fragen sich zum großen Teil der Möglichkeit einer klaren statistischen Erfassung entziehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415118400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer.

Hannsheinz Bauer (SPD):
Rede ID: ID0415118500
Herr Minister, würde Ihre Meinung auch nicht dadurch beeinflußt werden, daß letzthin durch eine internationale Ärzte-Kommission festgestellt worden ist, daß eine große Zahl von Kriegsversehrten und Spätheimkehrern einen außergewöhnlichen Gesundheitsverschleiß, vorzeitiges Altern und vorzeitigen Tod zu erleiden hatte, was eigentlich auch bei der Bundesregierung zwingend zu gewissen Schlußfolgerungen auf sozialem Gebiet führen müßte?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415118600
Ich bin der Meinung, daß es Möglichkeiten gibt, jedem individuellem Fall gerecht zu werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415118700
Keine Zusatzfrage. — Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz und rufe auf die Frage VII/1 — des Abgeordneten Iven (Düren):
Warum haben sich bei Ausführung des deutsch-niederländischen Grenzvertrages hinsichtlich der Frage, ob im SelfkantGebiet deutsches oder niederländisches Erbrecht anzuwenden ist, Schwierigkeiten ergeben mit der Folge, daß sich die Ausstellung von Erbscheinen und Wiederanlegung von Grundbüchern verzögert und sich diesbezügliche Beschwerden aus der Bevölkerung häufen?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415118800
Herr Kollege, die Frage, die Sie hier anschneiden, berührt einen rechtlich etwas komplizierten Tatbestand. Es würde den Rahmen der Fragestunde sprengen, ihn hier ganz darzulegen. Ich beschränke mich deshalb auf eine kurze Darstellung, bin aber gern bereit, Ihnen schriftlich oder mündlich noch ausführlicher Auskunft zu geben.
Im Selikant-Gebiet, das von 1949 bis 1963 unter niederländischer Verwaltung stand, ist niederländisches Recht eingeführt worden. Von deutscher Seite ist demgegenüber immer der Standpunkt vertreten worden, daß das deutsche Recht weitergilt, nur praktisch nicht angewendet werden kann. Bei den Ausgleichsverhandlungen haben dann die Niederlande Wert darauf gelegt, daß eine Bestimmung in den Vertrag eingefügt wurde — es ist dann der Art. 22 geworden —, die lautet:
Der Übergang vom niederländischen Recht zum deutschen Recht hat grundsätzlich keinen Einfluß auf die vor Inkrafttreten dieses Vertrags erworbenen bürgerlichen Rechte.
Auf Grund dieses Tatbestands haben bis jetzt die zwei für das Gebiet zuständigen Amtsgerichte in je einem Fall Erbscheine nach niederländischem Recht erteilt. Diese Beschlüsse sind mit der Beschwerde angefochten worden. Es haben sich also die Landgerichte Aachen bzw. Kleve damit zu befassen. Auf Grund der hier eingelegten Beschwerden haben die
Amtsgerichte in der Folgezeit davon abgesehen, weiter entsprechende Beschlüsse zu erlassen, weil sie damit rechnen müssen, daß diese Beschlüsse ebenfalls angefochten werden und dann womöglich rückgängig gemacht werden müssen, und weil sich dadurch erhebliche Komplikationen vor allem im Grundbuch ergeben. So ist es leider nicht zu vermeiden, daß sich in vielen solchen Fällen eine Verzögerung ergibt, bis eine Entscheidung des Beschwerdegerichts vorliegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415118900
Wir kommen dann zur Frage VII/2 — des Abgeordneten Stingl —:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Durchsuchungen des Echo-Verlages in Berlin, der Wohn- und Geschäftsräume des Herausgebers des 7-Uhr-Blattes und von weiteren drei Stellen durch den Einsatz von 49 Beamten der Berliner Polizei im Hinblick auf Pressefreiheit und Zeugnisverweigerungsrecht der Presse?
Herr Bundesminister, bitte.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415119000
Die Bundesregierung sieht davon ab, die von Ihnen erwähnten Vorgänge in Berlin zu beurteilen. Soweit es sich bei diesem Durchsuchungsbeschluß um eine Tätigkeit des Gerichts handelt, ist die Bundesregierung zu einer Beurteilung schon deshalb nicht in der Lage, weil dieser Beschluß angefochten ist, also erst noch das übergeordnete Gericht darüber zu befinden hat. Soweit es sich um Tätigkeit der Staatsanwaltschaft handelt, ist dafür parlamentarisch verantwortlich der Senator für Justiz in Berlin, und im Abgeordnetenhaus von Berlin hat auch am 19. Oktober bereits eine Beratung hierüber stattgefunden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415119100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stingl.

Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0415119200
Herr Bundesminister, treffen Pressemeldungen zu, wonach der Richter, der den Durchsuchungsbefehl ausgestellt hat, noch nicht fest angestellt ist, und würden Sie die Folgerung dieser Pressemeldung teilen, daß daher die Gefahr besteht, daß er in einer gewissen Zwangslage war?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415119300
Mir sind diese Pressemeldungen nicht bekannt. Ich habe auch keine Veranlassung, ihnen im einzelnen nachzugehen, da das, wie gesagt, in den Bereich des Senators für Justiz in Berlin fällt.

Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0415119400
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, ob bei den Durchsuchungen auch Tätlichkeiten der Polizisten vorgekommen sind? — Bei den Durchsuchungen soll es zu Schlägereien zwischen Polizisten und Journalisten gekommen sein. Trifft das zu?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415119500
Dieses Gerücht ist mir bekannt. Ich weiß auch, daß im Abgeordnetenhaus von Berlin darüber gesprochen worden ist, und soweit ich mich entsinne, hat Senator Kirsch darauf gesagt, daß dieser Behauptung nachgegangen werde.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7431

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415119600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0415119700
Herr Bundesminister, ist Ihnen aus der Vergangenheit ein Fall gleicher oder ähnlicher Art bekannt, in dem auch etwa 49 Polizeibeamteeingesetzt worden sind, und wie erklären Sie sich dieses große Aufgebot?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415119800
Mir sind aus der Vergangenheit verschiedene Fälle von Durchsuchungen bekannt, bei denen mehr oder weniger Polizeibeamte eingesetzt worden wind.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich bin jedenfalls in diesem Falle nicht +in der Lage, zu der Größe des Polizeiaufgebots Stellung zu nehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415119900
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0415120000
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß die beschlagnahmten Dokumente in der Zwischenzeit zurückgegeben worden sind?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415120100
Wenn sie zurückgegeben worden sind, so betrachte ich das als sehr begrüßenswert.

(Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD.)


Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0415120200
Herr Bundesminister, ich frage Sie, ob Ihnen bekannt ist, daß diese Dokumente zurückgegeben worden sind, oder nicht.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415120300
Wie sollte mir das bekannt sein?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415120400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0415120500
Herr Minister, glauben Sie, daß die seinerzeitige „Spiegel"-Aktion ein Vorbild für das Berliner Vorgehen war?

(Heiterkeit.)


Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415120600
Ich glaube, daß Justizbehörden nicht nach bestimmten Vorbildern arbeiten, sondern daß sie jeden Fall so entscheiden, wie es der Fallerfordert.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415120700
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 38 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksachen IV/2774, zu IV/2774).
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich nehme an, daß in beiden Fällen dm Sinne des Ausschusses entschieden wird. — Widerspruch 'erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Umstellungsergänzungsgesetzes (Drucksache IV/2808).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — mitberatend — zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
4. a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Überwindung des Bildungsnotstandes (Drucksache IV/2611);
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Errichtung eines Bildungsrates (Drucksache IV/2601);
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik (8. Ausschuß) über die Anträge der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen, der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Aufgaben der Bildungsplanung (Drucksachen IV/2773, IV/1829, Umdrucke 396, 399, 402, 403).
Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Begründung der Großen Anfrage der SPD durch den Abgeordneten Erler. Ich erteile ihm das Wort.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0415120800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu den einzelnen Fragen, die in der Drucksache 2611 aufgeführt sind, komme, möchte ich zum Thema Bildungsnotstand einige Vorbemerkungen machen.
Der Bildungsnotstand ist eine bedauerliche Tatsache und nicht etwa eine Übertreibung. Man muß vor jeder Bagatellisierung warnen. Wer der Meinung ist, daß auf diesem Gebiete in Wahrheit alles zum besten bestellt sei, der tut dem Bildungswesen in der Bundesrepublik 'Deutschland einen schlechten Dienst.

(Zustimmung bei der SPD.)

Vom Stand unseres Bildungswesens hängt die Stellung unseres Volkes heute und morgen und übermorgen im Wettbewerb mit anderen Völkern ab, und zwar nicht nur im Wettbewerb auf den Weltmärkten mit den anderen großen Industrienationen, sondern auch im Wettbewerb zwischen einer freiheitlichen Ordnung und einer totalitären Ordnung.

(Beifall bei der SPD.)

7432 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Erler
Wir wissen selbstverständlich, 'daß es dabei nicht nur auf die Menge der zu bildenden jungen Menschen ankommt, sondern auch auf den Bildungsinhalt. Wir haben an Quantität und Qualität gleichermaßen zu denken. Aber wir müssen dabei beachten, daß es angesichts des heutigen Notstandes nicht nur um die Qualität einiger, sondern auch um die Ausbildung möglichst vieler Menschen für unser Volk und für ihre spätere Leistung geht.
Dazu ist der Ausbau unseres Erziehungswesens von der Grundlage her, von der Volksschule her, bis hinauf zur Hochschule und zur Forschung erforderlich. Wir brauchen ein breites Fundament, auf dem sich dann alle Einrichtungen der weiterführenden Bildung und Ausbildung aufbauen können.
Das ist u. a. zusätzlich durch den Siegeszug der Automation notwendig geworden. Sie verändert das Berufsbild der Menschen erheblich. In 20 Jahren werden nur sehr wenige Menschen in ihrem Beruf das gleiche Berufsbild, die gleichen Anforderungen wie heute vorfinden. Das bedeutet, daß wir nicht nur für bestimmte berufliche Qualitäten ausbilden oder gar „abrichten" dürfen, sondern daß wir den jungen Menschen ein breites Fundament an wirklicher Bildung mit auf den Weg geben müssen, weil nur von dieser Bildung her die notwendige spezielle Ausbildung in variabler Form jeweils aufgestockt werden kann. Daher ist die Bildung schlechthin und nicht nur die fachliche Ausbildung das entscheidende Fundament, um das es bei diesen Debatten geht.
Wir brauchen nur in die Vereinigten Staaten zu blicken, um zu sehen, wie eng die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Stellung, sozialen Problemen und dem Stande des Bildungswesens sind. Nicht umsonst wird in den Vereinigten Staaten von Amerika das Schicksal der Arbeitslosigkeit vornehmlich von der farbigen Bevölkerung getragen, im wesentlichen deshalb, weil es für die farbige Bevölkerung einen jahrzehntelang noch nicht aufgeholten Rückstand an Erziehungsmöglichkeiten gegeben hat und weitgehend noch heute gibt. Qualifiziert gebildete und darüber hinaus fachlich ausgebildete Menschen erleiden auch drüben, in jener großen Industrienation, selten oder nur kurz das Schicksal der Arbeitslosigkeit, das im wesentlichen das Schicksal derer ist, die nur eine bestimmte Handfertigkeit erlernt haben, die im Zuge der Automation eines Tages nicht mehr gefordert wird.
Damit bin ich bei der ersten Frage unserer Großen Anfrage. Wir fragen die Bundesregierung, ob sie bereit ist, bei der Erarbeitung eines nationalen Bilnungsplanes mitzuwirken. Der ist notwendig, weil wir große Anstrengungen machen müssen, um unser ganzes Bildungswesen auf den Stand der Notwendigkeiten im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu bringen.
Wenn wir nicht bald in allen deutschen Bundesländern das neunte Schuljahr allgemein haben und auch die Vorbereitungen treffen für das zehnte Schuljahr, also zur Vermittlung von Bildungsgütern an eine wesentlich größere Zahl von Menschen als heute, dann werden wir in 20 Jahren — ich nenne dieselbe Zahlengrenze noch einmal — nicht Gastarbeiter in Deutschland haben, die uns bei der Erarbeitung unseres Sozialproduktes und damit unseres Wohlstandes behilflich sind, sondern dann werden die Deutschen die ungebildeten Hilfsarbeiter Europas sein.

(Zurufe von der Mitte.)

— Jawohl, so ist es. Sie schütteln mit dem Kopf. Sie sind sich offenkundig der Bedeutung dieses Problems für die Zukunft unseres Volkes noch nicht bewußt.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte:)

— Das läßt sich nicht durch Kopfschütteln aus der Welt schaffen.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU.)

Unser einziger Reichtum in diesem Lande sind unsere Köpfe und unsere Hände. Wenn Sie nicht dafür sorgen, daß diese Köpfe und Hände ausreichend gebildet und ausgebildet werden, dann fallen wir gegenüber anderen Völkern zurück.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn es heute schon so ist, daß in einem Teil der Länder der Bundesrepublik Deutschland der relative Schulbesuch der 15- bis 19jährigen hinter dem Italiens zurückbleibt, dann sollte das für Sie ein Alarmsignal sein, meine Damen und Herren.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Um vielleicht denen, die bei dieser Bemerkung fahrlässigerweise mit dem Kopf geschüttelt haben, ein paar Zahlen in Erinnerung zu rufen: Der relative Schulbesuch der 15- bis 19jährigen betrug in den Vereinigten Staaten von Amerika 66,2 %. Allerdings ist das nicht ganz vergleichbar, weil es dort nicht das System der deutschen Berufslehre gibt, sondern ein erheblicher Teil der Berufsausbildung in den Schulen stattfindet.

(Abg. Dr. Martin: Und das Abitur einen ganz anderen Charakter hat!)

— Das hat gar nichts mit dem Abitur zu tun. Ich spreche von den 15- bis 19jährigen schlechthin in den verschiedensten Zweigen, ob sie das Abitur erreichen oder nicht. — In Schweden waren es 32,3 %, in Frankreich 30,8 %; der Bundesdurchschnitt beträgt 17,6 %.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir können aber auch von dem Niveau sprechen, das unserem Abitur vergleichbar ist. Dieses Niveau erreichen in der Bundesrepublik Deutschland 7,1 %, in Schweden 13,7 %, in Frankreich 16,8 %.
Noch eine andere Zahl, die zeigt, wie hoch ein Volk den Bildungsaufwand einschätzt: Vom Sozialprodukt werden für Bildungsaufgaben in den Vereinigten Staaten von Amerika 6,2 %, in der Sowjetunion 7 % und in der Bundesrepublik Deutschland 3,8 % verwendet.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese Zahlen zeigen schon rein quantitativ, wieviel aufzuholen ist. Daß es dabei natürlich auch um die Qualität geht, das sei hier gar nicht verschwie-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 '7433
Erler
gen. Aber die steht eben auch im Zusammenhang mit dem, was man insgesamt für diese große nationale Aufgabe zu opfern bereit ist.
Wir müssen unsere Bildungsreserven — daß es welche gibt, darauf komme ich noch zu sprechen — besser ausschöpfen und gleichzeitig dem einzelnen das für ihn nach seiner Begabung, seiner Neigung, seinem Leistungswillen Richtige mit auf den Weg geben. Es geht also um die Vielfältigkeit der Chancen. Es geht darum, daß wir unser Bildungssystem nicht mehr wie bisher in zu frühem Alter so abschotten, daß es keine Übergänge mehr gibt. Wir müssen für ein höheres Maß an Durchlässigkeit sorgen, damit Begabungen, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt in einer bestimmten Richtung herausstellen, dann auch noch diesen ihnen gemäßen Weg einschlagen können.
Das alles sind Dinge, die in der letzten Zeit hier und auch auf der Kultusministerkonferenz sorgsam besprochen worden sind. Auch in denjenigen Bundesländern, die sich bisher sehr zurückhaltend gezeigt haben, sind nun endlich Anfänge gemacht worden.
Es geht also um Angebote nach Begabung, Leistung und Neigung, um den Aufstieg in die führenden Positionen von Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Es müssen Bildungseinrichtungen durchlaufen werden, um dorthin zu gelangen, und dieses Durchlaufen der Bildungseinrichtungen darf sich nur nach der Begabung und dem Leistungswillen des jungen Menschen selbst richten, nach keinem anderen Maßstab, auch nicht nach den sozialen Verhältnissen oder den Beziehungen des Elternhauses.

(Beifall bei der SPD.)

Nur so wird unsere Gesellschaft in vollem Umfang eine demokratische und gleichzeitig eine bewegliche, dynamische Gesellschaft, in der alte Vorrechte dahinschmelzen. Das Bildungswesen ist ein wesentliches Mittel, um diesen erstrebten Zustand unserer Gesellschaft im Sinne unseres Grundgesetzes herbeizuführen.
Die Bildung von heute entscheidet weitgehend — bei weitem nicht allein — über Einkommen von morgen, aber vor allem über die Zusammensetzung der sozialen Führungsschicht von übermorgen. Unser Volk braucht die in ihm vorhandenen Begabungen am richtigen Platz. Das ist für den einzelnen und seine Lebenserfüllung wichtig. Das ist aber auch wichtig für das ganze Volk, damit es den Wettbewerb mit anderen erfolgreich bestehen kann.
Dabei wollen wir natürlich nicht vergessen — ich deutete das vorhin schon an —, daß es sehr auf den Inhalt dessen ankommt, was mit Bildung und Ausbildung — die ja nicht identisch sind — vermittelt wird. Es kann dabei nicht nur um die rein fachliche Ausrichtung gehen. Es geht um umfassende Bildung und damit nicht nur um die Aufnahme des geistigen Erbeis unseres Volkes und unserer Zivilisation durch unsere heranwachsenden Bürger, sondern auch um die Erziehung zu den Grundwerten und ethischen Prinzipien, auf denen unser freiheitliches demokratisches Staatswesen beruht.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist mehr als Auswendiglernen von Texten, das ist mehr als Buchstabenwissen. Der miine „Fachidiot", der in seinem Beruf hervorragend spezialisiert war, der aber nicht über eine breitere Bildung und auch nicht über dieses Stück politischer Bildung im Sinne der Erziehung zum politischen Engagement hin verfügte, war und ist in allen Staaten der Welt ein willkommener Rohstoff für jede Form von Gewaltherrschaft.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Die demokratische Gesellschaft braucht den gebildeten und seiner Verantwortung bewußten Mitbürger. Deshalb ist die politische Bildung immer auch ein wesentlicher Teil der Erziehung: Erziehung zum Engagement, Erziehung zum Einstehen für die Werte der freiheitlichen Ordnung. Das kann nicht gelehrt, das muß zu einem großen Teil vorgelebt werden.
Damit geben wir ohne weiteres zu, daß dies nicht allein das Werk der Schule sein kann. Die Schule kann nur einen Teil dieser Aufgabe leisten; einsetzen muß das im Elternhaus, und im übrigen muß hierzu die gesamte Gesellschaft beitragen: die Umgebung, in der der junge Mensch heranwächst und in der der Staatsbürger späterhin wirkt, ob das nun das Bethiebs- oder Vereinsleben oder die Gewerkschaft oder die Partei ist, überall ist noch dieses Stück staatspolitischer Bildung und Erziehung zu leisten. Sie hört in Wahrheit nie auf. Die Staatsführung muß in diesem Prozeß zur Verantwortung hin mißt gutem Beispiel vorangehen.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei der zweiten Frage:
Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung 'das zwischen den elf Bundesländern vorhandene starke Bildungsgefälle überwunden werden?
Schauen wir uns zunächst das Vorhandensein dieses Gefälles an! Ich erwähnte vorhin den relativen Schulbesuch der 15- bis 19jährigen und rufe in Erinnerung: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17,6 %. Aber in Hamburg sind es 31,1 %, in Berlin 27,4 %, in Flächenländern wie Hessen und Niedersachsen 19,7 % und 18,5%.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Schleswig-Holstein!)

— Später komme ich noch auf Schleswig-Holstein zurück: ,als Sonderfall aus Ihren Reihen sehr weit oben, jawohl! — Aber unter dem Bundesdurchschnitt und sogar noch nach Italien liegen Nordrhein-Westfalen mit 14,8 %, Bayern mit 14,1 %, Rheinland-Pfalz mit 13,6 % und das Saarland mit 11,8 %.
1963 besuchten in Bayern nur 28,6 % der Volksschüler voll ausgebaute, also mindestens achtklassige Schulsysteme, in Rheinland-Pfalz 29,2 %, in Schleswig-Holstein — jawohl, Herr Kollege Stoltenberg — und Hessen 60 %.
Ich spreche hier zunächst nur von ,dem Bildungsgefälle zwischen den deutschen Ländern. Daß es dabei auch den einen oder anderen politischen Zusam-
7434 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Erler
menhang gibt, brauchen wir ja nicht zu verschweigen. Darauf komme ich nachher zurück.

(Beifall bei 'der .SPD.)

Von 100 13jährigen besuchten 1963 Mittelschulen in Berlin 22,7, in Schleswig-Holstein 18,7, in Hessen 15,8. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 11,1. Weit darunter liegen Baden-Württemberg mit 6,3 und Rheinland-Pfalz mit 4,2.
Die Klassenfrequenzen an Gymnasien schwanken zwischen 23,9 je Klasse in Berlin und 31,2 'in Rheinland-Pfalz.
Die Ausgaben je Volksschüler betrugen 1962 in Hamburg 1331 DM, in Bayern 859 DM, in 'Rheinland-Pfalz 848 DM, im Saarland 773 DM.
Schließlich noch der Fremdsprachenunterricht an Volksschulen, weil er heute auch ein Mittel ist, für viele Berufe besser tauglich zusein und auch am geistigen Austausch mit unseren Nachbarvölkern teilnehmen zu können, z. B. auch in den deutschfranzösischen Begegnungen: in Westberlin fast 100 % — .an Volksschulen! —, in Schleswig-Holstein 46,9 % — für ein Flächenland eine erstaunliche Leistung! —, in Hamburg 37,6 %, in Hessen 28,1 %, im Saarland 15,3 %, aber imindustriereichen Nordrhein-Westfalen nur 3,4 % und in Rheinland-Pfalz nur 1,7 %.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das als Beispiel für das vorhandene Bildungsgefälle.
Wenden wir uns nun dem Problem des Lehrermangels zu. 1970 werden wir 2,3 Millionen Schüler mehr haben. Gleichzeitig werden 44 % des heutigen Lehrerstandes aus dem Schuldienst ausgeschieden sein. Rund 300 000 neue Lehrer werden gebraucht. Weder die Ausbildungsmöglichkeiten noch die Bereitschaft, den Lehrerberuf zu ergreifen, sind in ausreichendem Maße vorhanden. Außerdem stoßen wir beim Lehrermangel auf dasselbe Problem, das uns bei den verschiedensten anderen Berufen bis hin auch zum Offiziersnachwuchs immer wieder beschäftigt, nämlich auf den Mangel an Abiturienten. In unserem Lande werden einfach nicht genug Menschen bis zu dieser Bildungsschwelle hin erzogen.
Die Länder mit dem größten Lehrermangel und ohne 9. Schuljahr haben gleichzeitig auch die schlechteste Nachwuchslage. Wir sehen das an einem Vergleich der Zahl der Studierenden im Verhältnis nu der der aktiven Lehrer: in Hamburg 74,19 %, in Berlin 54,16 %, in Bayern 19,64 %, in Rheinland-Pfalz 19,17 %. Das macht klar, daß unser Schulwesen überall des Ausbaues bedarf, vor allem das ländliche Schulwesen, wo noch die größten Begabungsreserven unerschlossen sind, daß aber — das war aus den Zahlen doch wohl deutlich zu erkennen — offensichtlich in einigen Ländern der Rückstand besonders groß ist und daß es deswegen eines erheblichen politischen Impulses bedarf, um zunächst auch diese Nachzügler unter den deutschen Ländern zum Anschluß mindestens an das allgemeine deutsche und hoffentlich Später alle zusammen an das allgemeine heutige europäische Niveau zu bewegen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich erinnere daran, wie hart in den meisten Landtagen der Kampf um die Schulgeldfreiheit, Land für Land, ausgefochten werden mußte, unmittelbar nach 1945. Das macht offenkundig, daß sich in diesen Zahlen eben doch auch etwas von der politischen Geschichte der einzelnen deutschen Länder widerspiegelt.

(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!)

Ich erinnere an die dogmatische Front, die sich in vielen Ländern gegen die Mittelpunktschule gebildet hatte und die sich erst heute allmählich aufzulockern beginnt, nachdem sich in Bayern erfreulicherweise Kardinal Döpfner für die Mittelpunktschule ausgesprochen hat. Daraus wird klar, daß wir beim Ausbau des Schulwesens zum Teil auf erheblichen politischen Widerstand gestoßen sind, der sehr erkennbar mit den Mehrheitsverhältnissen in den einzelnen deutschen Landtagen zusammenhing.
Das gleiche gilt für Art und Ausbau der Lehrerbildung. Das Dunkel der „Pädagogischen Provinz", das in den einzelnen Provinzen unseres Heimatlandes sehr verschieden ist, hat also auch Zusammenhänge mit den Mehrheitsverhältnissen, — mit der einen großen Ausnahme: das ist Schleswig-Holstein.

(Zurufe der Abg. Dr. Stoltenberg: Wo Sie am längsten nicht regiert haben! Das deutsche Land, in dem wir am längsten regieren!)

— In Schleswig-Holstein sind die Weichen nach 1945 richtig gestellt worden. Erfreulicherweise hat ein Mann wie Edo Osterloh, dem wir alle zu großem Dank verpflichtet sind, hier sein Möglichstes getan, um das auszubauen.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415120900
Um einer solchen Legendenbildung vorzubeugen, Herr Kollege Erler: Ist Ihnen nicht bekannt, daß die Sozialdemokratie 1950 auf Grund ihrer Schulpolitik, der Tendenz zur Einheitsschule hin abgelöst wurde und daß die Weichen nach 1950 anders gestellt wurden?

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0415121000
Es ging um den Ausbau und nicht lediglich um das Prinzip der Einheitsschule. Hier ging es um die Zahl und Qualität der Schulen. Und Sie wissen ganz genau, daß vieles von dem, was Sie erfreulicherweise in Schleswig-Holstein mitgemacht haben, von Ihren Parteifreunden in anderen deutschen Bundesländern geradezu als sozialdemokratisches Experiment verurteilt worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Bund, Länder und Gemeinden sind verantwortlich für einen nationalen Bildungsplan, der nur in Zusammenarbeit aller drei Faktoren entstehen kann. Sonst erreichen wir nicht den Anschluß an die europäische Schulentwicklung, die nach einer Aufzeichnung der Kultusministerkonferenz durch folgende Tendenzen gekennzeichnet ist, erstens: Anhebung des gesamten Ausbildungsniveaus der Jugendlichen durch vermehrte und verbesserte Schulbildung aller Art, zweitens: Erhöhung der Zahl der zu gehobenen Abschlüssen verschiedenster Art geführten Jugend-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7435
Erler
lichen, drittens: Ausbildung jedes einzelnen bis zum höchsten Maß seiner Leistungsfähigkeit, viertens: Angebot von Ausbildungsmöglichkeiten, die stärker auf die Befähigung des einzelnen eingestellt sind, also Maßnahmen, um die Schüler in die ihnen gemäßen Bildungsgänge zu bringen, z. B. eine Beobachtungsstufe, fünftens: Verstärkung der Durchlässigkeit unter allen bestehenden Schulen, z. B. horizontal, nicht vertikal gegliederte Schulorganisation, sechstens: Errichtung neuer, weiterführender Formen.
Dies also ist der europäische Leistungsstand, den es anzustreben gilt. Die Überwindung des Bildungsgefälles erfordert Förderung der Bildungsforschung und vor allem eine baldige Entscheidung über die Sofortmaßnahmen, mit denen man sich nicht mehr allzu lange aufzuhalten braucht. Viele Dinge brauchen nicht länger zu warten. Das Sofortprogramm der Kultusministerkonferenz sollte man nicht nur begrüßen, sondern durchführen. Das ist ein Appell an alle, nicht nur in diesem Hause, auch an die Landesregierungen, auch an alle Finanzminister, auch an alle Landtagsfraktionen. Wir müssen in dieser Frage zusammenstehen.
Dazu bedarf es eines politischen Impulses. Wenn eine solche allgemeine Debatte im Bundestag über eine Gemeinschaftsaufgabe, die nicht nur Sache des Bundes, sondern die auch vorrangig Sache der Länder ist, geführt wird, dann muß sie den Sinn haben, zu einem politischen Impuls zu werden, der überall in unserem Land aufgenommen wird.

(Beifall bei der SPD. — Ein Abgeordneter der CDU/CSU meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415121100
Meine Damen und Herren, es ist eine grundsätzliche Frage. Der Herr Abgeordnete Dr. Stoltenberg hat sich eben selbst das Wort zu einer Zwischenfrage erteilt. An sich sagt Ziffer 9 der Anlage 2 zur Geschäftsordnung über die „Handhabung der Zwischenfragen in den Plenarsitzungen", daß die Stellung einer Frage erst gestattet ist, nachdem der Präsident die Aussprache eröffnet hat. Bei der Begründung eines Antrages oder einer Anfrage oder bei einer Antwort der Regierung sind Zwischenfragen nach meiner Auffassung nach der Geschäftsordnung nicht möglich.

(Zuruf von der SPD: Aber er möchte doch so gern!)


Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0415121200
Wir haben nachher noch eine Aussprache, und dann können Sie ja die Fragen beliebig anbringen.
Damit bin ich beim dritten Punkt unserer Großen Anfrage:
Welche Aufwendungen des Bundes für den Ausbau der bestehenden und der neuen Universitäten, für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und für die Ausbildungs- und Studentenförderung werden in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich erforderlich sein?
Wir brauchen Ausbildungsförderung und den Ausbau der Hochschulen mit Hilfe des Bundes, weil das über die Möglichkeiten der Länder hinausgeht. Dazu ist eine Bildungsplanung in Koordinierung von Bundesregierung und Kultusministerkonferenz erforderlich. Als Grundlage kann man für den Bund den Wissenschaftsbericht der Bundesregierung und die Arbeiten der Kultusministerkonferenz heranziehen. Hier geht es vor allem um die Bedarfsfeststellung bis 1970. Bis dahin sollte man sich als Ziel stecken, jährlich rund 5,5 % des Bruttosozialprodukts für den Bildungsaufwand zu 'verwenden. Das ist nach den Zahlen, die ich Ihnen gegeben habe, kein utopisches Unterfangen. Aber ohne dieses materielle Fundament wird alles, was wir sonst hier reden, bloße Sprüchemacherei sein. All die Einrichtungen, um deren Schaffung es hier geht — hier handelt es sich doch um Schulen, Lehrer und. Gebäude, um materielle Investitionen und um Freistellung von Menschen 'für diesen Beruf —, kosten Geld. Wenn wir nicht bereit sind, das aus unserem Sozialprodukt für diesen Zweck abzuzweigen, dann ist alles, was wir heute 'hier reden, in den Sand geschrieben. Das muß man sich also vornehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

So ist es wohl richtig zu verstehen, wenn wir sagen, daß der Bildungs- und Wissenschaftsbereich eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ist. So hat es ja wohl auch der Herr Bundeskanzler verstanden, als er meinte, die Lösung dieser Aufgaben habe den gleichen Rang wie die Lösung der sozialen Frage im 19. Jahrhundert. Nur möchte ich dann wirklich auch bitten, daß wir heute bei allen etwas mehr Verständnis für die Lösung dieser Frage finden, als es bei vielen Regierenden im 19. Jahrhundert für die Lösung der sozialen Frage vorhanden war.

(Beifall bei der SPD.)

Alles, was wir in diesem Bereich tun, wirkt langfristig und gestaltet unsere und unserer Kinder Zukunft mit.

(Abg. Dr. Martin: Genau das!)

Damit bin ich bei der vierten Frage:
Welche Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Wissenschafts- und Bildungspolitik strebt die Bundesregierung an?
Hier steht im Vordergrund des Interesses der Bildungsrat. Er muß die Forschung anregen und nutzen und hat alleinverantwortlich seinen sorgsam erarbeiteten Rat zu geben. So wirkt er mit an der Bildungsplanung, für deren exekutive Seite man die Abteilungen des Wissenschaftsministeriums und die Kultusministerkonferenz braucht, damit eine Planung auch durchgeführt werden kann. Sonst ist sie sinnlos. Auf diesem Gebiet ist die engste Koordinierung zwischen Bund und Ländern nötig.
Daher möchte ich mir hier einen zusätzlichen Vorschlag erlauben. Ich glaube, wir brauchen einen ständigen Ausschuß zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet, damit die Forschungsergebnisse und
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Erler
die Kenntnisse des Bildungsrates in die Planung der für Entscheidungen zuständigen Exekutive hineingegeben werden können. Dieses Bindeglied fehlt noch in der jetzigen Struktur des Bildungsrates. Ich glaube, Sie stimmen mir da zu, Herr Kollege Martin. Außerdem wäre zu erwägen, ob Bund und Länder nicht jährlich gemeinsam über den Stand von Wissenschaft und Bildung berichten sollten, damit die Parlamente eine einwandfreie Grundlage für eine Aussprache haben und damit, wie es in einer Demokratie sein sollte, auch die Öffentlichkeit durch rege Anteilnahme und Diskussion auf einer guten fachlichen Grundlage ihre demokratische Kontrollfunktion ausüben kann.
Damit bin ich bei der Frage 5:
Wie sollen im Rahmen der Bundesregierung die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die Ausbildungsförderung und die Bildungsplanung koordiniert werden?
Wir haben es im Rahmen der Bundesregierung mit einer sehr schädlichen Zersplitterung der Zuständigkeiten zu tun. Die Wissenschaftsförderung liegt beim Ministerium für wissenschaftliche Forschung. Aber das Ressort „Forschung" ist in beinahe allen Bundesministerien vertreten ohne exakte Koordinierung bestimmter Fachforschungen. Die Ausbildungsförderung findet sich zerstreut beim Schatzministerium, beim Familienministerium und beim Innenministerium. Die Bedarfsplanung wird zur Zeit, etwas rudimentär zwar, aber immerhin beim Innenministerium wahrgenommen.
Notwendig ist ein einheitliches Ministerium, in dem wissenschaftliche Forschung, Ausbildungsförderung und Bedarfsplanung, also die wesentlichen kulturpolitischen Zuständigkeiten des Bundes, unter einem Minister zusammengefaßt sind.

(Beifall bei der SPD.)

Dabei brauchen wir eine sehr enge Abstimmung mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Mein Hinweis auf die Automation vorhin hat doch gezeigt, daß die technische und wirtschaftliche Entwicklung bestimmte Berufsbilder verändert, während umgekehrt der Stand des Erziehungswesens seinerseits die Produktivität unseres Volkes und die von ihm zu erbringenden Leistungen beeinflußt. Hier gibt es also einen sehr engen Zusammenhang zwischen der Kultur- und Wissenschaftspolitik auf der einen und der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf der anderen Seite.
Diese Koordinierungsaufgabe ist Sache des Regierungschefs, der die Richtlinien der Politik bestimmt. Das kann man nicht in mehr oder minder fachlich bestimmte Ressorts ablenken. Der Regierungschef darf dieser Verantwortung nicht ausweichen, weil es sich hier um eine Führungsaufgabe erster Ordnung handelt.

(Beifall bei der SPD.)

Bisher umgeht der Kanzler leider sachliche, organisatorische und personelle Entscheidungen in der
Regierungspolitik. Auf diesem Gebiet ist es wie auf
den anderen auch: Führen kann sich nicht auf die Verkündung unpräziser Grundsätze beschränken.

(Beifall bei der SPD.) Damit bin ich bei unserer Frage 6:

Wie will die Bundesregierung eine wissenschaftliche Beratung in der Bildungsplanung gewährleisten?
Eine solche wissenschaftliche Beratung erfordert, daß endlich der Bildungsrat zusammengesetzt wird. Dort müssen die internationalen Ergebnisse und Erfahrungen in der Bildungsplanung ausgewertet werden. Dabei gilt es, der Forschung, und zwar entsprechend der Problemstellung des Bildungsnotstands, präzise Fragen zu stellen, weil nur dann von der Forschung verwertbare Ergebnisse zu erwarten sind.
Damit wende ich mich der Frage 7 zu. Sie lautet:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorzulegen?
Bei der wissenschaftlichen Forschung bleibt der Bund seit Jahren in der Bewilligung der Mittel erheblich hinter den Anforderungen des Wissenschaftsrates zurück. Nötig ist vor allem die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung neuer Hochschulen. Dabei müssen aber die Mittel, wenn sie bereitgestellt werden, zusätzlich zu den Ländermitteln und nicht etwa an Steile der Ländermittel bereitgestellt werden; sonst übernimmt der Bund lediglich einen Teil der finanziellen Last von den Ländern, ohne daß in der Sache etwas mehr für diesen Zweck geleistet wird.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Aber die Länder haben ein anderes Abkommen geschlossen — einschließlich Ihres Musterlandes Hessen!)

Das muß gesichert werden. Was ich hier sage, geht alle Länder an, alle miteinander, ohne daß wir dabei auf die parteipolitische Farbe zu achten haben. Ich wende mich in dieser Frage an alle Länder. Ich habe vorhin ja auch eines Ihrer Länder lobend erwähnt. Warum nicht? So bin ich ja gar nicht.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Das war gar nicht zu umgehen!)

Meine Damen und Herren, Auflagen des Bundes bei einer Bereitstellung solcher Mittel dürfen und können nicht weiter gehen, als sie etwa gehen würden, wenn die Länder derartige Mittel bereitstellten; denn das wäre unnötigerweise eine wichtige Einschränkung der Freiheit auf jenem Gebiet, auf dem es ohne ein gewisses Maß an wichtigen Freiheiten im Bereiche unserer Forschung keine wirklich ertragreiche und unseren Vorstellungen entsprechende Forschung geben kann.
Ein Schwerpunktprogramm für die Förderung wissenschaftlicher Forschung muß sich konzentrieren auf die Gemeinschaftsaufgaben Bildung, Gesundheit, Verkehr, Raumordnung, Städteplanung und ähnliches, damit gerade auf diesen Gebieten noch viel an Rückstand aufgeholt werden kann gegenüber den Erfahrungen anderer Länder. Und die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern wäre durch ein
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Forschungsgesetz zu umreißen. Außerdem ist ein Gesetz über die Ausbildungsförderung nötig.
Damit wende ich mich der Frage 8 zu:
Gedenkt die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Ausbildungsförderung vorzulegen?
In den Bereichen der qualifizierten Ausbildung ist heute schon zu erkennen, welche Lücken in den kommenden Jahrzehnten entstehen, wenn nicht bewußt in eine bestimmte Richtung der Ausbildung hin angeregt wird. Heute haben wir es mit einem Wirrwarr der Maßnahmen zu tun. Es wird nicht zu einem Ziel hin gefördert, sondern von einem Empfangsgrund her. Das ist unübersichtlich für die Empfänger und unzureichend in der Quantität. Das reicht auch nicht aus, um die Begabungsreserven dort zu wecken, wo sie vorhanden sind, und sich ihrer Art entsprechend entfalten zu lassen. Dafür genügen auch nicht sehr pauschale Globalzuwendungen, wie sie vielleicht vor Wahlen erwogen werden, meine Damen und Herren.
Die Begabungsreserven sind vorhanden in der Arbeiterschaft auf dem Lande und bei den Mädchen. Es ist interessant, daß gerade jetzt eine Untersuchung publiziert wurde, die das bayerische Kultusministerium herausgegeben hat. Nach dieser Untersuchung könnte in Bayern z. B. vom Stande der Begabung her die Zahl der Abiturienten um 35% gesteigert werden. Es handelt sich um eine amtliche Erhebung an sämtlichen 7018 Volksschulen Bayerns, also nicht nur um leine Repräsentativbefragung. Sie hat ergeben, daß von 100 Volksschülern 26 zum Besuch einer höheren Schule geeignet sind, aber nur 19 diesen Weg einschlagen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und warum? Sie haben aber auch ihre Gründe!)

— Ich komme darauf. Die anderen sieben sind als
Begabtenreserve für die höhere Schule anzusehen.
Nun zunächst: wie sieht es in anderen Ländern aus? In den Vereinigten Staaten von Amerika sind 60% der Bevölkerung Arbeiter und 30 % aller Studierenden Arbeiterkinder. Wir haben also ein Verhältnis von 1 : 2, in Großbritannien und Schweden von 1 : 3, in Frankreich von 1 : 5 und in der Bundesrepublik von 1 : 10. Die Ideologen behaupten nun, mehr ließe sich gar nicht herausholen; es gebe keine nennenswerten Begabungsreserven; jede Öffnung müsse zu einem weiteren Niveauverlust führen. Die bayerischen Zahlen beweisen das Gegenteil, und die Behauptung der Ideologen wäre auch ein böses Zeugnis für das Volk, das. sich gern das Volk der Dichter und Denker nennt.

(Beifall bei der SPD.)

Der Robbins-Report in Großbritannien sagt voraus, daß die ständige Zunahme »der Jugendlichen, welche »die Hochschulreife erwerben, dort in den nächsten zwanzig Jahren nicht auf natürliche Begabungsgrenzen stoßen wird; auch ohne die Niveausenkung »ist viel weckbare Begabung vorhanden.
Eine Untersuchung in Schweden hat z. B. ergeben, daß etwa . 28 % der Jugendlichen fähig wären, die
Hochschulreife zu erwerben. Das »deckt sich beinahe auf »die Stelle genau mit den bayerischen Ergebnissen. Der natürliche Begabungsanteil ist in den Bevölkerungen also annähernd gleich groß.
Kommen wir nun zu den Ursachen! Warum konnte die Begabungsreserve bisher nichtausgeschöpft werden? Zu »einem Teil hat es materielle Ursachen, aber nur zu einem Teil. Hier handelt »es sich erstens um das Problem des Berufs- und des Bildungsniveaus 'der Eltern, zweitens um das Einkommen der Eltern, drittens um die Entfernung zwischen »Gymnasium und Wohnort und viertens — es ist ein Gemisch aus all »diesen Gründen — um eine Reihe psychologischer Hemmnisse auch bei den Eltern selbst, »die es »abzubauen und zu überwinden gilt.
Die Ausbildungsförderung kann nur ,die materiellen Hindernisse mindern oder weitgehend beseitigen.
Die Förderung des ländlichen Schulwesens und der Ausbau »der »höheren Schule können den örtlichen Abstand zwischen Wohnort und höhere Schule verringern und damit dazu beitragen, daß ein größerer Anteil ausgeschöpft wird.
Es bleiben noch eine Reihe »von Hindernissen im elterlichen Heim. Zum Teil liegen sie in der Erziehung, die die Elternselber in ihrer Jugend genossen haben. Daher sollten wir uns in allen Ländern »damit beschäftigen, ob z. B. Schulkindergarten und Grundschule schon wegen der möglichen Sprachhindernisse für den Anschluß an eine weiterführende Schule entsprechend gestaltet werden müssen. Wir müssen auch sehen, daß für diejenigen, die es zum Ausgleich eventueller Nachteile des »elterlichen Heims wollen, Tagesschulen nicht aus dogmatischen Gründen verurteilt werden dürfen. Sie können ein pädagogisches Mittel zur Weckung von Begabungsreserven sein.

(Beifall bei »der SPD.)

Nur soll man sie niemandem aufzwingen, sondern als zusätzliche Möglichkeit anbieten.
Außerdem gilt »es, bei unseren Eltern für längere und bessere Bildung zu werben. Wir, die öffentliche Hand, können uns darum bemühen, mehr Angebote zu schaffen; aber »es ist Sache der Eltern, diese Angebote zu nutzen. Es 'ist eine Aufgabe für alle, auch für »die Parteien, auch für die Gewerkschaften, für alle, die »mit »den Eltern ein vernünftiges Gespräch zu führen imstande sind. So muß es »möglich sein, bei den Eltern Verständnis dafür zu wecken, daß die Ausnutzung »der heute »schon »gebotenen und morgen in vermehrtem Maße angebotenen Bildungschancen für ihre Kinder »sowohl den Kindern als auch unserem Volke und seiner Zukunft dient. Das ist, glaube ich, »eine wesentliche gemeinsame Aufgabe.
Damit bin ich bei einigen Schlußbemerkungen. Die Bildungspolitik ist lebenswichtiger Bestandteil der modernen Industriegesellschaft und »der freiheitlichen Demokratie. Unser Föderalismus muß als Strukturprinzip der Zusammenarbeit begriffen werden, auch auf diesem Gebiet, nicht als Prinzip der Konkurrenz oder des Gegeneinanders. Politische Impulse brauchen wir en jeder Stelle, wenn wir unsere Gemeinschaftsaufgaben lösen wollen. Des-
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Erler
halb sind die politischen Parteien, die von der Gemeinde über die Länder bis zum Bund hinauf wirken, Integrationsfaktoren, die an allen Stellen gleichzeitig Impulse geben können. Sie sind nicht durch die Zuständigkeitsgrenzen der Gesetzgebung, wie sie ,das Grundgesetz zieht, behindert. Sie können auf alien Seiten der Zuständigkeitsgrenzen wirken und sollten daher überall die gleichen Zielvorstellungen verfolgen.
So schließe ich mit einem Satz aus einer nicht gehaltenen Rede eines anderen, dessen wir gerade kürzlich überall in unserem Vaterland gedacht haben. Am Abend des 22. November 1963 wollte Präsident Kennedy in Dallas in Texas sagen:
Führung und Bildung sind untrennbar miteinander verbunden. Die Förderung der Bildung hängt bezüglich der finanziellen und politischen Unterstützung von der Führung ab, die die Gemeinschaft erhält, und die Früchte der Bildung ihrerseits wiederum sind Wesensvoraussetzung für die Hoffnungen der Führung auf die Fortdauer des Fortschritts und der Prosperität.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415121300
Die Große Anfrage der Fraktion der SPD ist nun begründet.
Bevor der Herr Bundesminister des Innern darauf antwortet, soll nach den Übereinkünften des Altestenrates der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betreffend Errichtung eines Bildungsrates begründet werden.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0415121400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag der CDU/ CSU und der FDP zur Errichtung eines Bildungsrates zu begründen, ferner den Antrag, die Bundesregierung möge ein Verwaltungsabkommen über die Finanzierung neuer Universitäten schließen. Nach dem, was Herr Kollege Erler hier ausgeführt hat, ist es selbstverständlich, daß meine Begründung in ständigem Bezug auf das, was hier gesagt worden ist, erfolgt; denn es ist ja der Sinn einer parlamentarischen Aussprache, daß man miteinander und nicht aneinander vorbeiredet.
Ich muß allerdings eine Vorbemerkung machen. Es ist unsere Aufgabe hier in diesem Hause zu überlegen, was wir, der Deutsche Bundestag, zusammen mit der Bundesregierung tun können; es hat wenig Sinn, sich darüber zu unterhalten, was nur die Landtage tun können. Wir sind daran interessiert, die Kulturpolitik durch die heutige Debatte einen Schritt vorwärtszubringen und uns nicht nur über Dinge zu unterhalten, über die wir uns eigentlich längst klar sind.
Wir wissen selbstverständlich, daß es einen Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gibt; wir wissen, daß wir uns in einer Leistungsgesellschaft befinden und daß für jeden einzelnen alles daran hängt, welche Ausbildung er bekommt, weil dadurch sein Ort in der Gesellschaft bestimmt wird. Alles das ist geläufig, alles das ist klar, alles das muß nicht noch einmal gesagt werden.
Der Antrag, die Bundesregierung möge ein Verwaltungsabkommen über die Errichtung eines Bildungsrates schließen, steht selbstverständlich im Zusammenhang mit einer geschlossenen kulturpolitischen Aktion, wie sie die CDU/CSU in diesem Jahr vorgenommen hat.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Zu spät!)

Wir haben damit begonnen, in der Regierungserklärung den Rang der Kulturpolitik klarzustellen. Wir haben damit begonnen, zu sagen, daß Kulturpolitik gleichrangig ist mit Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Verteidigungspolitik. Wir haben in dieser Legislaturperiode die Ausgaben für die Wissenschaft verdoppelt. Wir haben die Titel für die Wissenschaft aus den Bestimmungen des § 8 des Haushaltsgesetzes herausgenommen und die Beschränkungen fallengelassen. Wir haben im Gegensatz zu anderen Titeln Vermehrungen um mehr als 15 % vorgenommen. Schließlich hat der Herr Bundeskanzler in Hamburg gesagt, daß das alles nur ein Anfang sei angesichts der Aufgaben, die uns bevorstünden, und daß wir in der nächsten Legislaturperiode wiederum mit einer Verdoppelung der Ausgaben würden rechnen müssen.
Meine Damen und Herren, man wird sich bei allem Zweckpessimismus, der politisch ausgemünzt werden soll, einmal klarmachen müssen, daß der Wiederaufbau des deutschen Bildungswesens feste Formen angenommen hat; das kann keiner bezweifeln. Es ist zuwenig bekannt, daß von den Investitionen der Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik 13 % allein für Bildung und Wissenschaft getätigt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist zuwenig bekannt, daß die Investitionen für das Bildungswesen von 1957 bis 1963 um 170 O/o gestiegen sind, während die Investitionen für die anderen Bereiche nur verdoppelt worden sind. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß es nur Negatives zu berichten gäbe, und der Versuch, diese Dinge gar noch parteipolitisch umzusetzen, wird fehlschlagen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben in Deutschland einen zügigen Wiederaufbau gehabt. Damit wird nicht gesagt, daß alles geschehen sei; es wird damit nicht gesagt, daß wir ideale Verhältnisse hätten. Aber das wird ausgesagt: daß es genauso wie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auch in der Kulturpolitik in Bund und Ländern eine Anstrengung gegeben hat, die sich sehen lassen kann.
Wir sind aber der Meinung, daß die Phase des Wiederaufbaus zu Ende geht und daß wir uns auf dem Gebiet der Kulturpolitik jetzt in der Situation befinden, daß wir darüber nachdenken müssen, wie unser Bildungswesen, wie unsere Wissenschaft aussehen müssen, wenn sie die Anforderungen, oder — heute sagt man wahrscheinlich lieber % die Herausforderung der Jahre 1970 und 1980 bestehen wollen. Mit anderen Worten: die Überlegungen, die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7439
Dr. Martin
wir heute anstellen, müssen an der Zukunft orientiert sein, weil die Phase des Wiederaufbaus zu Ende geht und eine neue Phase beginnt.
Auf dieser Erwägung beruht unser Antrag auf Errichtung eines Bildungsrates. Wenn man verantwortlich für die nächsten zehn und zwanzig Jahre denken will, ist Bildungsplanung unvermeidlich. Sie ist deshalb unvermeidlich, weil es eine ständige Wechselwirkung zwischen allen Bereichen der Politik gibt. Wer heute kulturpolitische Entscheidungen treffen will, muß sich ein Bild davon machen, wie die demographischen Verhältnisse des Jahres 1980 aussehen, welche vermuteten wirtschaftlichen Entwicklungen es geben wird welche sozialen Verhältnisse wir haben werden, wie die Bildungswilligkeit sein wird, wie die Stellung der Bundesrepublik im internationalen Geflecht der Kräfte und Mächte sein wird. Wer darüber nicht Bescheid weiß, kann nicht verantwortlich kulturpolitisch handeln. Denn — um es einmal ganz einfach zu sagen — der Junge, der in diesem Jahr eingeschult wird, wird nach zehn oder fünfzehn Jahren Ausbildung in der Welt von 1975/ 1980 leben und dann eine völlig veränderte soziale, politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Welt vor sich haben, die er auf Grund der Ausbildung von heute wird bestehen müssen. Deshalb ist die Errichtung eines Bildungsrates ein dringendes Gebot dieser Stunde.
Was soll ein Bildungsrat tun? Er soll aus der Fülle der Meinungen, Statistiken, Zahlen, Empfehlungen die Alternativen entwickeln, die es uns, den Politikern, erlauben, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Er muß das Bildungswesen durchsichtig machen. Er soll — sehr wichtig — eine Sachautorität entwickeln, die per se koordinierend auf die Maßnahmen von Bund und Ländern wirkt und damit ein Auseinderleben der Kulturpolitik in Deutschland verhindert.
In diesem Sinne hat die CDU im vergangenen Sommer einen Vorschlag gemacht, der folgende Elemente enthält — sie müssen noch einmal herausgestellt werden —:
Erstens. Es ist unmöglich, Wissenschaft und Bildung zu trennen. Beide sind eng miteinander verzahnt. Beide sind voneinander abhängig. Beide müssen zusammen gesehen werden.
Zweitens. In der Kulturpolitik kommt man nach aller Erfahrung nur dann zu realisierbaren Vorschlägen, wenn in dem Bildungsrat nicht nur der Sachverstand der Pädagogen und Professoren, sondern zugleich auch der politische Bereich vertreten ist. Vorschläge des Bildungsrates müssen den Stempel des Sachverstandes und der Realisierbarkeit tragen, wenn sie nicht in die Irre führen sollen.
Schließlich braucht der Bildungsrat eine ausreichende Vertretung durch den Bund. Denn wie liegen die Verhältnisse? Wir können Bildung nur planen im Blick auf Wirtschaft, Soziales und Außenpolitik. Das sind die Gebiete, auf denen die Erfahrungen nur dem Bund zur Verfügung stehen. Deshalb ist es im Interesse der Länder, ausreichend den Bund vertreten sein zu lassen, um hier zu wirklichen Resultaten zu kommen.
Das führt dazu, vorzuschlagen, dem Wissenschaftsrat eine Bildungskommission anzugliedern, so daß wir eine Wissenschaftskommission, eine Verwaltungskommission und eine Bildungskommission hätten. In dieser Konstruktion wären alle diese Elemente auf das glücklichste vereint.
Meine Damen und Herren, es war interessant, daß sich die SPD in den Verhandlungen des vergangenen Sommers der Idee eines Bildungsrates geradezu widersetzt hat. Das ist auch heute hier noch mit der Forderung nach einem Sofortprogramm angeklungen. Die Senatoren Evers und Drexelius haben in Trier offenen Widerstand geleistet und gesagt: Ein Bildungsrat ist nicht aktuell, wir brauchen ihn im Augenblick nicht; was man wissen muß, ist längst bekannt, es kommt darauf an, ein Sofortprogramm durchzuführen, während uns hier im Bundestag unser Kollege Lohmar ständig das Gegenteil gesagt hat.
Es ist notwendig, hier einmal auf die Zwiespältigkeit des Verhaltens der SPD hinzuweisen, die wir ja nicht nur in diesem Punkte erleben. Hier werden wir nach dem Nationalen Bildungsplan und nach dem Bildungsrat gefragt, —

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

— Bitte sehr!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0415121500
Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Dr. Schmid! Die Aussprache ist noch nicht eröffnet; Sie können also noch keine Zwischenfrage stellen.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0415121600
Herr Professor, ich freue mich darauf, später noch mit Ihnen diskutieren zu können. Schade, daß es mir jetzt entgeht.
Dieselbe Zwiespältigkeit haben wir auch in der Frage der Ausbildungsförderung. Das ist heute wieder angeklungen. Die SPD hat hier einmal auf Grund von Regierungsunterlagen ein Ausbildungsförderungsgesetz vorgelegt. Dann haben die Länder Bremen und Hessen uns wissen lassen, daß sie, wenn wir ein solches Gesetz machten, Klage erheben würden.
Und so geht das weiter. Dieselbe Zwiespältigkeit haben wir beim Forschungsgesetz. Herr Lohmar fordert hier seit langem ein Forschungsgesetz. Er weiß aber genau, daß etwa sein Kollege Schütte in Wiesbaden ein Forschungsgesetz für einen baren Unsinn hält und sich öffentlich Ihnen gegenüber und mir gegenüber dagegen ausgesprochen hat.
Meine Damen und Herren, diese Zwiespältigkeit muß einmal beseitigt werden; die SPD muß klipp und klar sagen, was sie wirklich will.
Ein Bildungsrat hat natürlich auch die Aufgabe — und das haben wir ja heute deutlich gemerkt —, einmal Klarheit in die Zahlen zu bringen. Was Herr Erler heute hier vorgeführt hat, war doch ein Sache, die ich ihm an sich nicht zugetraut hätte. Ein so dilettantischer Umgang mit statistischem Material, wie er heute hier gezeigt wurde, ist immerhin selten. Es ist schon ein starkes Stück, meine Damen und Herren, einen Stadtstaat wie Hamburg oder
7440 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Martin
Bremen mit Flächenstaaten zu vergleichen. Wenn man so Bildungsstatistik betreiben will, dann müssen Sie natürlich auch einmal das Bildungsgefälle zwischen der Stadt Frankfurt und dem Kreis Hofgeismar vorführen

(Beifall bei der CDU/CSU)

und müssen hier einmal zeigen, was Herr Zinn und Herr Schütte getan haben, um das Bildungsgefälle von Frankfurt nach Nordhessen zu beseitigen. Denn eben von dieser Qualität war das Argument, das wir hier vorgeführt bekamen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, daß Hamburg, Bremen und Berlin an der Spitze der Bildungseinrichtungen liegen, hat historische, soziologische Gründe. Dort haben wir die Dichte der Finanzen, dort haben wir die Dichte des kulturellen Klimas, dort haben wir den Anreiz von Handel und Gewerbe usw. Der Vorsprung Hamburgs bestand schon zu Zeiten Wilhelms II.; und mir ist nicht bekannt, daß die SPD damals an der Kulturpolitik in Hamburg wesentlich mitgearbeitet hätte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. Abg. Neumann [Allenbach] : Und ist in den letzten Jahren viel geringer geworden!)

Meine Damen und Herren, wenn man diesen statistischen Irrtum ausräumt und sich nun einmal die Flächenstaaten vornimmt, sieht man, daß dann in der Statistik die Länder Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg an der Spitze marschieren und Hessen meistens etwa an fünfter Stelle rangiert. Wenn Sie das interessiert, dann lesen Sie die Arbeit von Frau Hamm-Brücher, wo Sie ständig sehen können, daß alles ganz anders ist, als es uns heute vorgeführt wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie ist es denn? Es ist so: Wir haben in den deutschen Ländern eine Gemengelage der Leistung. Das Land Baden-Württemberg steht weit an der Spitze in der Vorhaltung von Studienplätzen, im Ausbau der Universitäten. Dasselbe gilt praeter propter für Bayern. Das Land Schleswig-Holstein steht an der Spitze hinsichtlich der weiterführenden Schulen. Ähnliches können Sie durch die Bank sehen.
Mit anderen Worten, der Versuch, der heute hier gemacht worden ist, zu sagen: „Da, wo wir regiert haben, ist alles in bester Butter", scheitert an den nackten Zahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Stoltenberg: „Und wo wir nicht regieren, ist das Gute auch von uns erfunden", das kommt hinzu!)

Meine Damen und Herren, es ist unerlaubt, soziologische Tatbestände, wirtschaftliche Voraussetzungen, Fragen der Struktur auf die Fahne der Partei zu heften. Das macht für den Kenner einen miserablen Eindruck und wird vom Volke., glaube ich, auf die Dauer auch nicht abgenommen werden.
Nachdem das ausgeräumt ist und wir die Hoffnung etabliert haben, daß der Bildungsrat später solche, die Lust darauf haben, daran hindern wird, mit Zahlenspielen politische Gewinne einzuheimsen, kann ich jetzt in der Betrachtung und in der Begründung fortfahren.
Ich bin dankbar dafür, daß Herr Kollege Erler hier das Beispiel Bayern angeführt hat. Meine Damen und Herren, was der Minister Huber da vorgelegt hat, ist ja ein Beispiel dafür, wie man es wirklich machen muß, wenn man aus dem pauschalen statistischen Gerede herauswill. Die bayerische Regierung hat zum erstenmal gezeigt, welches Ausmaß die Bildungsreserve hat. Die Diskussion über Bildungsgefälle, Herr Professor Schmid, hat ja zum Hintergrund die Frage: Wo gibt es Bildungsreserven? Auf diese Frage hat Huber die Antwort gegeben. Er hat jeden einzelnen Fall individuell untersucht und sieht: bei den höheren Schulen 9'V°, bei den Mittelschulen 7 % an Bildungsreserve. Er zeigt auch die Gründe und Ursachen auf: wirtschaftliche Gründe auf der einen und Fragen der Entfernung auf der anderen Seite, aber auch — das muß hervorgehoben werden — Fragen der inneren Einstellung zur Bildung. Das Interessanteste an dieser Statistik ist, daß 81 % der Eltern sagen: „Ich schicke mein Kind nicht auf eine höhere Schule, weil es das für den Beruf, den es sich gewählt hat, nicht braucht."
Nun, was muß hier geschehen? — Erstens: eine gezielte Ausbildungsförderung in allen deutschen Ländern, zweitens: Verdichtung der Schulen auf dem Lande, drittens: Wir müssen — das ist das Entscheidende — die deutsche Bevölkerung dazu bringen, bildungspolitisch umzudenken. In den 81 % steckt ja etwas ganz anderes. Es steckt darin eine tiefsitzende Sperre bei unseren Menschen in Deutschland gegenüber der Bildung, eine Sperre, die wahrscheinlich auch ideologischen Charakter hat.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Woher kommt sie?)

— Sie kommt nach meiner Einsicht aus dem 19. Jahrhundert, Herr Professor Schmid. Sie kommt aus der fatalen Gleichsetzung von Besitz und Bildung und aus der Tatsache, daß Bildung einmal eine Klassenkampfsache gewesen ist, die sie nicht mehr sein darf.
Meine Damen und Herren, worauf streben wir in der CDU hin? Wir wollen insgesamt den Übergang von der Wirtschaftsgesellschaft zur Bildungsgesellschaft in unserem Lande vollziehen, weil davon der Bestand der Demokratie und der Wohlstand im Lande abhängen. Wenn wir das erreichen wollen, brauchen wir ein Umdenken in unserem Lande in dem Sinne, daß Bildung nicht ein Privileg, sondern ein Grundrecht ist, das sich zwar verschieden realisiert, aber auf jeden Fall ermöglicht werden muß.
Ich fasse zusammen: Wir plädieren dafür, daß der Bildungsrat umgehend geschaffen wird. Wir setzen uns dafür ein, daß eine enge Verzahnung von Wissenschaft und 'Bildung stattfindet. Wir plädieren dafür, daß neben dem Sachverstand der Experten die hohe Bürokratie beteiligt wird. Wir wollen eine angemessene Beteiligung des Bundes am Bildungsrat in 'Deutschland.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7441
Dr. Martin
Wer die Bildungsdiskussion in unserem Land beobachtet und wer heute hier aufmerksam zugehört hat, ist manchmal erstaunt über die nüchterne Sprache, die sich die Bildungspolitiker heute zu eigen gemacht haben. Wir sprechen von Lehrerzahlen, von Abiturientenzahlen, gar von der Produktion von Abiturienten; hier an diesem Pult hat einmal einer von „input" und „output", von Effizienz und Leistung für die Wirtschaft usw. gesprochen. Das ist der Ausdruck dafür, daß Bildungspolitik gesellschaftliche Aspekte hat. Aber man darf nicht vergessen, daß das alles im Grunde genommen nur das Instrumentarium der Kulturpolitik ist.
In der Kulturpolitik geht es um mehr. Das alles wird ja gemacht — wenn Sie so wollen — um des menschlichen Bestandes willen. Das wird gemacht, um für den Menschen einen Freiheitsraum zu erhalten, in dem er sich selbst verwirklichen kann. Das, was wir wollen, ist, die Menschen für 1980 zu rüsten, damit sie in dieser Zeit, in einer völlig verwandelten Welt sich selbst verstehen, zu sich selbst ein Verhältnis haben, zur Umwelt ein Verhältnis haben und zu Gott ein Verhältnis haben; denn in diesem Dreieck ereignet sich das, was wir Bildung oder was wir Kultur nennen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(V o r sitz : Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Meine Damen und Herren, ich glaube gezeigt zu haben, daß wir in der CDU willens und entschlossen sind, in der Bildungspolitik genauso zielbewußt und wirksam zu handeln, wie wir das in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik und in der Außenpolitik getan haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wir sind erst dann zufrieden, wenn wir den Übergang von der Wirtschaftsgesellschaft zur Bildungsgesellschaft durch unsere Maßnahmen effektiv vollzogen haben werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Hic Rhodus, hic salta!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415121700
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort zu nehmen wünscht? — Er verzichtet auf einen mündlichen Bericht; es liegt ein Schriftlicher Bericht vor.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415121800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich da if die Große Anfrage der Opposition und die Anträge der Koalitionsparteien gemeinsam behandeln und zunächst einige Vorbemerkungen vortragen.
Am 4. März dieses Jahres hat in diesem Hause eine große Kulturdebatte zu dem Thema Wissenschaftsförderung stattgefunden. Damals hat der Kollege Lenz bereits die Prinzipien dargelegt, die die Bundesregierung in allen Fragen der Kulturpolitik eiten; diese Prinzipien kamen auch bei der Begründung der Großen Anfrage und des Antrages zum Ausdruck. Ich brauche sie deshalb nicht zu wiederholen. Diese Prinzipien sind nach wie vor die Basis für die kulturpolitische Arbeit und die kulturpolitischen Initiativen der Bundesregierung.
Das Thema, das heute gestellt ist, greift weiter aus. Der Begriff Bildungsnotstand ist zum Schlagwort geworden. Dabei läuft man Gefahr, Urteile vorwegzunehmen, bevor ihre Grundlagen genau geprüft sind. Ich möchte deshalb den Begriff Bildungsnotstand in dieser allgemeinen Form nicht unbesehen übernehmen; ich halte ihn tatsächlich für eine Übertreibung, und zwar für eine nicht ungefährliche Übertreibung.
Es gibt in unserem gemeinsamen Erleben eine geschichtliche Phase, in der mit Recht von einem nationalen Bildungsnotstand die Rede sein konnte. Das war im Jahre 1945, als unsere Bildungsgüter durch den Nationalsozialismus in ihrer Substanz entwertet, die meisten Schulgebäude durch den Krieg zerstört, und der Lehrerstand dezimiert war. Kaum ein anderes Land in Europa war in seinem Bildungswesen derart getroffen wie das unsere.

(Sehr wahr! in der Mitte.)

Was hier an Wiederaufbauarbeit von Ländern und Gemeinden, von privaten Schulträgern und der Wirtschaft, der Gesellschaft insgesamt materiell wie ideell geleistet worden ist, verdient höchste Anerkennung, und die sollte hier auch einmal ausgesprochen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich will nur eine einzige Zahl nennen, und zwar aus dem Bereich des Landes, in dem wir uns befinden. Allein in Nordrhein-Westfalen ist in den letzten 15 Jahren fast in jeder 7. Woche — statistisch Bemittelt — ein neues Gymnasium entstanden.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Diese Leistung ist nicht so selbstverständlich, wie manche moderne Kassandra vermutet und es wahrhaben möchte.
Nun eine andere Seite des Schlagwortes Bildungsnotstand. Liegt darin nicht ein unerhörter Vorwurf gegen die Lehrkräfte, die sich in allen Bereichen, von der Volksschule bis zur Universität und den Hochschulen, um unsere Jugend bemüht haben?

(Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Ist nicht in dieser Zeit unter den ungünstigsten Voraussetzungen und allerschwierigsten Verhältnissen an Improvisation und an Bildungsleistung so Einmaliges dargeboten worden, wie es kaum — unter so erschwerten Umständen — in unserer Geschichte zu finden ist? Auch dafür sollten wir einmal von diesem Platz aus den Lehrern aller Grade die verdiente Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es gibt aber einen Bereich, in dem sehr wohl von einem Bildungsnotstand gesprochen werden kann. Sie haben ihn mit Recht bezeichnet, Herr Kollege Erler. Es handelt sich um die Phase der zweiten industriellen Revolution, die sich mit atemberauben-
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Bundesminister Höcherl
der Schnelligkeit in allen Lebensbereichen vollzieht. Sie ist geprägt von einer Bevölkerungsexplosion, die sich auf dem ganzen Erdball darbietet, von technischem Fortschritt, von fortgesetzt zunehmender Arbeitsteilung, von Automation und Verkürzung der Arbeitszeit, von Verlängerung der mittleren Lebenserwartung, von der Überwindung der Entfernungen in zwei oder drei Dimensionen und von einer völligen sozialen Umschichtung. Hier werden tatsächlich Bildungsaufgaben gestellt, die alle Begriffe und Maßstäbe, wie wir sie kennen, sprengen. Es gibt keinen einzigen Industriestaat, es gibt keinen Staat mit einer ähnlichen Struktur wie die Bundesrepublik, der in der Lage wäre, mit der unglaublichen Beschleunigung in allen Lebensbereichen bildungsmäßig Schritt zu halten. Wir werden uns immer in einer gewissen Phasenverschiebung befinden, in einem gewissen zeitlichen Abstand, der nur annäherungsweise überwunden werden kann. Von einem Bildungsnotstand in dieser aufgeklärten, geläuterten Form zu sprechen, halte ich für berechtigt.
Es gibt auch noch einen anderen Bildungsnotstand im internationalen Bereich: in dem großen Gefälle zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern. Auch dort gibt es Erscheinungen, die die Vergangenheit nicht gekannt hat und die, in ihrer Problematik kaum erkannt, viel weniger noch zu praktischen Umsetzungsergebnissen hätten führen können.
Wir müssen uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst einmal mit den Grundlagen dieser Entwicklung befassen. Die Wissenschaft muß in der Grundlagenforschung die Kausalitäten und die Finalitäten offen- und klarlegen. Wir haben dann die Ergebnisse konkret zu verwerten und in praktische Arbeit, und zwar in einem langwierigen, umständlichen Prozeß, umzusetzen, bei dem uns finanziell und personell Grenzen gesetzt sind wie bei allen Bemühungen, die wir unternehmen.
Auch diese Epoche, die andauern wird, wird unter Schmerzen geboren. Die Anpassung unseres Bildungswesens an diese neuen Aufgaben stellt uns Probleme, die die ganzen geschichtlichen Erfahrungen sprengen.
Es geht auch nicht an, meine Damen und Herren, einfach nur auf den Staat zu zeigen. Der Staat ist nicht alleine der Faktor, der im Erziehungs- und Bildungsbereich die Verantwortung trägt. Es ist die Gesellschaft insgesamt, die Wirtschaft und alle anderen Bereiche. So ist vor allem das Elternhaus der erste Faktor, der von der Natur her und von der Schöpfung her berufen ist, Bildungsaufgaben ernstester Art wahrzunehmen. Erinnern wir uns daran, daß nach gültiger und gesicherter pädagogischer Erkenntnis die entscheidenden Impulse und die entscheidenden charakterlichen Beeinflussungen in einem sehr jungen Lebensalter bereits abschließend gelegt und gesetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

An den Beispielen, die ich angeführt habe, sehen Sie das internationale Ausmaß dieses Problems. Kein einziger Industriestaat — auch nicht die viel vermögenderen — ist mit dieser Aufgabe fertig geworden. Es gab kein Land, in dem die Startvoraussetzungen so schwer zu erfüllen und die Startbedingungen so schwierig gewesen wären, wie das in unserem geteilten Lande der Fall war, das eine Bevölkerungsbewegung von 12 bis 13 Millionen Menschen zu bewältigen hatte.
Auch im Ausland sind Planziffern noch keine Realitäten, und Finanzprobleme und Personalprobleme werden mit Plänen nicht gelöst, sondern allenfalls in eine Ordnung gebracht. Selbst der in Amerika so bekannte und auch in unserem räumlichen Bereich nicht unbekannte Bildungsexperte Professor Conant hat kürzlich in einem Artikel der „New York Times" zum Ausdruck gebracht, daß eine überregionale Erziehungsplanung in Amerika nötig sei, um dem „Chaos" zu begegnen. So hat er die Situation gekennzeichnet.
Nun verkenne ich keineswegs die besondere Funktion, die auch vielleicht eine gewisse zugespitzte Formulierung und Begriffsfindung wie Bildungsnotstand haben kann und auch gehabt hat. Ich möchte auch denen den Dank nicht versagen, die in der letzten Zeit als unbequeme Mahner aufgetreten sind und dadurch einen heilsamen Schock und eine produktive Unruhe ausgelöst haben. Es ist ihr Verdienst, daß Entscheidungen in der Bildungspolitik, die ihrem Wesen nach sich erst langfristig entwickeln, schon heute politisch aktualisiert sind. Die Bildungspolitik hat einen neuen und angemessenen Stellenwert in dem Bewußtsein der Offentlichkeit erhalten, die nun auch zu den Opfern aufgerufen wird, die notwendig sind, um diese Pläne Wirklichkeit werden zu lassen. Sie wird von nun an, daran habe ich keinen Zweifel, immer wieder zu den großen nationalen Gesprächsthemen gehören.
Damit glaube ich umrissen zu haben, was die Bundesregierung unter Bildungsnotstand versteht, nämlich mehr als nur einen akuten pathologischen Zustand in diesem Lebensbereich von begrenzter Dauer. Für mich ist dieser Begriff der Ausdruck der bleibenden Notwendigkeit, Möglichkeiten zu schaffen, mit deren Hilfe wir den sich steigernden Herausforderungen einer rapid sich wandelnden Umwelt auch mit bildungspolitischen Mitteln begegnen. Bildungsplanung als .dynamisches und nicht als statisches Prinzip, 'Bildungsplanung als Aufgabe von Dauer, diese Erkenntnis sollte das Ergebnis unserer Debatte sein. Auch wenn Gesagtes wiederholt wird, hat das seinen Nutzen und seinen guten Zweck. Wir müssen selber immer wieder Kraft fassen in vertiefter Erkenntnis und in Wiederholung von Zusammenhängen, deren Schwierigkeiten noch kaum bis zum Ende ausgedeutet sind.
Nach dieser Vorbemerkung darf ich mich nun den einzelnen Fragen zuwenden. Ich bleibe bei der Reihenfolge, in der die Fragen ausgedruckt sind, obwohl ich aus logischen Gründen und Gründen der Konsequenz sehr gern eine andere Reihenfolge gesehen hätte.
In der Frage Nummer 1 fragt die Opposition, ob die Bundesregierung bereit sei, bei der Erarbeitung
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eines nationalen Bildungsplanes mitzuwirken. Ich darf darauf folgendes erwidern:
Die Bundesregierung ist nicht nur bereit mitzuwirken, sondern sie ist in dieser Frage der Initiator der Bestrebungen. Ich möchte hinsichtlich der. Bildungsplanung nicht mißverstanden werden. Darum einige Bemerkungen zu dem Begriff Planung insgesamt. Es gibt Menschen, die schon bei dem Begriff Man eine innerliche Sättigung erfahren und glauben, finanzielle und personelle Probleme werden allein schon durch Begriffe gelöst. Planung, Koordinierung, und wie all diese Methoden heißen, sind nichts anderes als gewisse Ordnungsinstrumente mit beschränkten Funktionen. Ich möchte aber nicht den Begriff Planung abwerten. Im Gegenteil. Ich bin der Auffassung, daß im privaten und im öffentlichen Bereich fortgesetzt eine Planung stattfindet. Man muß sich aber bewußt sein, daß die Planung kein statisches Element ist, sondern daß sie nur berechtigt sein kann, wenn sie einer laufenden Anpassung unterworfen wird, wenn sie sich vor allem in dem Rahmen, den sie setzt, sich bewußt bleibt, daß sie — jetzt im kulturpolitischen Bereich — die Freiheit der Länder, der Gruppen und auch die Freiheit des einzelnen nicht beeinträchtigen darf. Nur bei Vorausschau — das ist ja Planung in ihrem Wesen — auf die vorhersehbaren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen kann das Spektrum der Bildungsmöglichkeiten und Bildungsangebote in der erforderlichen Breite zur Verfügung gestellt werden.
Aber die Vorausschau ist ihrer Natur nach und der Begrenzung der menschlichen Erkenntnis entsprechend eine sehr schwierige und eine sehr dubiose Sache. Wer nicht den Mut aufbringt, Fehler zuzugeben, wer nicht den Mut aufbringt, fortgesetzt Anpassungen zu vollziehen, der wird niemals Planungen im guten und im berechtigten Sinne machen können.
Vom ersten Tage meiner Amtsübernahme an habe ich das Gespräch mit den Kultusministern der Länder über eine gemeinsame Bildungsplanung gesucht. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, die sehr verdienstvolle und fruchtbare Arbeit des 'Deutschen Ausschusses für Bildungsfragen, der nur aus Fachleuten zusammengesetzt ist, nach dem Muster des Wissenschaftsrates zu ergänzen und den Verwaltungsmann und den Fachmann an einen Tisch zu 'bringen, um Praxis und Theorie aufeinander abzustimmen und so schnell wie möglich zu praktischen Ergebnissen zu kommen.
Ich darf dabei erneut auf die Regierungserklärung vom Oktober 1963 verweisen. Der Bundeskanzler hat damals die Bedeutung, die die Bundesregierung den Aufgaben der Bildung beimißt, herausgestellt und diese gültig definiert. Er hat dabei einen Appell an die Länder gerichtet, bei diesen weittragenden und schwerwiegenden Fragen mit dem Bund zum Wohle des Ganzen zusammenzuwirken. Dieser Appell wurde dann in der Kulturdebatte dieses Jahres wiederholt. Die erste Resonanz gab es bei der Erklärung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz auf der 100. Plenarsitzung dieser Konferenz in Berlin.
An der Planungsverantwortung den Bund maßgeblich zu beteiligen, ist nämlich nicht nur eine Forderung der Zweckmäßigkeit, sondern auch ein Gebot unserer bundesstaatlichen Ordnung. Dafür gibt es ganz entscheidende Gründe. Zum Teil wurden sie schon angeführt. Einige darf ich ergänzend nennen.
Eine Planung der Bildungsförderung kann sinnvoll nur gestaltet werden, wenn sie nicht mit der Konzeption unserer Sozial- und Wirtschaftspolitik in Widerspruch gerät und wenn sie die internationalen Zusammenhänge berücksichtigt. Ich denke dabei keineswegs allein und ausschließlich an die Fördederung der beruflichen Fortbildung. Ist z. B. eine Planung des allgemeinen Bildungswesens vorstellbar, die nicht auch die völlige Strukturänderung der Landwirtschaft — um ein sehr aktuelles Beispiel zu nennen — einbezieht, die Landwirtschaft, die in einer einzigen Generation eine Rationalisierung und revolutionäre Umstellung unvorstellbaren Ausmaßes vollziehen mußte? Daß auch andere Wirtschaftskreise heute vor Problemen stehen, die mit den Bildungsmitteln der Vergangenheit, auch denen der Gegenwart, nicht mehr gelöst werden können, ist eine tägliche Erfahrung für jedermann.
In all diesen Bereichen aber hat der Bund entscheidende Impulse zu geben, hat er entscheidende Zuständigkeiten, und die Bundesregierung hat die Weichen der politischen Entwicklung zu stellen. Die sozialen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen des Bundes müssen deswegen ein elementarer Bestandteil bei Aufstellung einer umfassenden Bildungsplanung sein.
Die Beteiligung des Bundes ist aber nicht nur aus diesen Gründen erforderlich, sondern auch deswegen, weil eine durchgreifende Verwirklichung der bildungspolitischen Aufgaben unserer hektischen Gegenwart ohne überregionale Planung und Koordinierung, ja ohne einen gewissen institutionellen Rahmen, der diese Planung konkretisiert, nicht möglich wäre. Die aus der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes und aus der ihm obliegenden internationalen und übernationalen Zusammenarbeit gewonnenen Einsichten lassen sich auch nicht durch die Addition von Erfahrungen der elf Länder ersetzen.
Ich glaube deshalb, daß nur in einer vernünftigen Partnerschaft zwischen Bund und Ländern eine gesamtstaatliche Verbindung der Kräfte von Bund und Ländern, eine vernünftige und moderne Bildungsplanung möglich ist. Der Bund muß im übrigen vor allem das Interesse an einer gewissen Gleichmäßigkeit des Angebots an Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik zur Geltung bringen können. Nicht die Vereinheitlichung um jeden Preis und als Selbstzweck ist dabei das Ziel, wohl aber die Schaffung gleicher Bildungschancen in allen Teilen unseres Staates und auch für die Schüler. Hier berühre ich ein sehr empfindliches Gebiet, das uns große Sorgen bis in die Gegenwart bereitet. Mit der Einführung eines einheitlichen Schulanfangs wird ja ein wesentlicher Teil bereinigt werden, nämlich Sorgen darüber, daß ein Schulwechsel die Schüler in arge Bedrängnis bringt.
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Andererseits wäre der Bund natürlich nicht imstande, eine sinnvolle Planung ohne die Länder zu beginnen. Die Länder sind nun einmal die Träger des Schulwesens und der meisten sonstigen Bildungseinrichtungen und damit auch ganz zwangsläufig im Besitz der für jede Planung unentbehrlichen praktischen Erfahrungen, ohne die jeder Plan in ein unverbindliches, theoretisches Gedankenspiel absinken müßte.
Die Erarbeitung eines nationalen Bildungsplanes setzt also nach der Meinung , der Bundesregierung eine Kooperation zwischen Bund und Ländern voraus. Instrument dieser Zusammenarbeit soll der Bildungsrat sein, auf den ich bei der Beantwortung dei Frage 4 noch einmal zurückkommen werde.
In der Frage 2 will die SPD wissen, wie nach den Vorstellungen der Bundesregierung das starke Bildungsgefälle zwischen den elf Ländern der Bundesrepublik überwunden werden kann.
Ich möchte mir die Vorwürfe gegen die Länder, die in einer solchen Fragestellung liegen, nicht zu eigen machen. Es ist durch die unterschiedliche Struktur der Länder und auch historisch begründet, daß sich das Bildungswesen nicht einheitlich entwickelt hat und sich auch in der Zukunft nicht einheitlich entwickeln kann. Ob man aber wirklich und mit Recht von einem „starken Bildungsgefälle" innerhalb der Bundesrepublik — mit diesem inneren Vorwurf, der in dieser Fragestellung liegt — sprechen kann, das können meines Erachtens erst ganz gründliche und nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ausgewertete Erfahrungen ergeben, die auszuwerten der Bildungsart vielleicht veranlassen kann.

(Zurufe von der CDU/CSU: Die auch heute schon, und inzwischen ganz anders, vorliegen! Die Zahlen, mit denen operiert wird, sind Jahre alt!)

— Ja, das ist in überzeugenden Beispielen bereits durch die Ausführungen des Kollegen Martin dargelegt worden.
Jedenfalls ist es falsch, etwa die Stadtstaaten mit den Flächenstaaten zu vergleichen, wie das so häufig geschieht. Die Bildungssituation in einer Großstadt ist unvergleichlich anders als in dünn besiedelten und verkehrsungünstigen ländlichen Gebieten. Ein Vergleich von Hamburg und Bremen etwa mit München und Köln würde zu ganz anderen Ergebnissen führen als der Vergleich der beiden Hansestädte mit Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ich bin überhaupt der Meinung, daß die Unterschiede innerhalb der einzelnen Länder stärker sind als zwischen den Ländern selbst. Gerade dieser Umstand zeigt wieder, wie eng auch die ganze Bildungspolitik und die ganze Bildungssituation mit der Wirtschafts- und Sozialstruktur verbunden sind.
Solche Bildungsunterschiede gibt es im übrigen auch in zentralistisch regierten Ländern, wie uns ein Blick zu unserem Nachbarn Frankreich zeigt. Dort ist man ebenfalls verzweifelt bemüht, dieser Entwicklungen und dieser Probleme Herr zu werden.
Nun wissen Sie, daß das Bildungswesen primär Sache der Länder ist. Ich glaube, daß bei der ganzen
Fragestellung der Gesichtspunkt der verfassungsmäßigen Zuständigkeit zu kurz gekommen ist. Es wird immer wieder in der breiten Offentlichkeit der Eindruck erweckt, daß es Sache des Bundes sei und daß er hier Entscheidendes allein vermöchte. Diesem Eindruck muß widersprochen werden. Die Dinge liegen im verfassungsmäßigen Bereich auf einer sehr mageren Basis. Diese Probleme sind nur durch Kooperation lösbar. Ich werde noch wiederholt Gelegenheit haben, dem Hohen Hause fruchtbare Beispiele von Kooperation auch gerade aus der jüngsten Entwicklung vorzulegen.
Das wesentliche Interesse der Bundesregierung besteht daran, daß in der Bundesrepublik ein möglichst gleichmäßiges, aber reich gegliedertes Bildungsangebot zustande kommt. Das scheint mir überhaupt das entscheidende Problem zu sein. Die Bildungsstatistik ist, wie Sie wissen, erst ein sehr junges Kind unserer Statistik, und wir werden mit Ihrer Hilfe alles unternehmen, auch die personellen Voraussetzungen im Statistischen Bundesamt zu verbessern, um zu besseren und weiterreichenden Zahlen zu kommen. Bei aller vorsichtigen Auswertung der bisherigen statistischen Ergebnisse ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß wohl in allen Ländern ohne Unterschied, bei dem einen im Grundschulbereich, bei dem anderen im Bereich der höheren Schule, ein Nachholbedarf besteht und, wie ich glaube, in aller Zukunft bestehen wird. Dabei ist erkennbar, daß die Höhe des Bildungsstandes in den einzelnen Ländern keineswegs allein von deren Finanzkraft abhängt. Es sind also Schwerpunkte entstanden. Da ist nach Ursachen und Wurzeln zu suchen, sie müssen erst bloßgelegt werden, damit auch der zukünftigen Bildungspolitik verifizierte und kausal erforschte Richtungsangaben und „guidelines" gegeben werden können.
Das muß im übrigen auch keineswegs immer in dem Maße bedauert und .als Fehler angesprochen werden, wie das so gelegentlich zu lesen ist. Ich bin sogar der Meinung, daß jetzt auf Grund der Vielzahl der Modelle, ,die sich historisch entwickelt haben, und auf Grund der in den einzelnen Ländern gewonnenen Erfahrungen diejenigen Lösungen mit praktischen Ergebnissen schon herausgesucht werden können, die sich für die jeweiligen Lebensbereiche als vorbildlich anbieten. Ich sehe ,es als eine der vornehmsten Aufgaben des kommenden Bildungsrates an, an Hand der bisher gemachten erfolgreichen Versuche, auch an Hand der mißlungenen Experimente, allmählich und behutsameine alle Sparten umgreifende Konzeption zu entwickeln, nicht eine Konzeption, die zementiert wird, sondern eine Konzeption, die einen Anfang ermöglicht. Diese Konzeption wird in dem Maße Allgemeinverbindlichkeit erhalten und allgemeine Anerkennung finden, wie sie sich durch Qualität der Vorschläge und durch eine realistische Einschätzung der Verwirklichungsmöglichkeiten auszeichnet. Ich glaube, es wäre auch ein großer Erfolg für den Röderalismus und eine Selbstbestätigung dieser Staatsstruktur, wenn auf diese Weise gerade in diesem Bereich gezeigt werden könnte, wie sich aus der Vielfalt, aus der Mannigfaltigkeit und der Reichhaltigkeit durch das Mittel ,der Kooperation eine allgemein gültige
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Regelung finden läßt, die sich !an guten, erprobten und bewährten Vorbildern orientiert.
Ich 'darf in diesem Zusammenhang auf die Sofortprogramme zweier Länder verweisen, über die bereits gesprochen worden ist. Man sieht angesichts der geradezu geometrischen Zunahme der Länderausgaben für Kulturleistungen in den letzten Jahren, wie ernst dort das Thema 'aufgenommen worden ist und wie sehr es zum Gegenstand eines sich über alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen hinziehenden gemeinsamen Interesses geworden ist.
Auf dem Gebiete der Wissenschaftsförderung hat der Wissenschaftsrat eine vorbildliche Bewährungsprobe abgelegt. Die vom Bund seit 1956 gegebenen Zuschüsse zum Ausbau der Hochschulen haben ebenfalls dazu beigetragen, daß das Hochschulwesen in den finanzschwächeren Ländern nicht Not zu leiden braucht. Hier wird der Bund im Sinne seiner gesamtstaatlichen Ausgleichsfunktion weiter wirken müssen. Der sehr große, fortgesetzt im Steigen begriffene Finanzbedarf für Forschung und Hochschulen würde sonst eine Konzentration in wenigen finanzstarken Ländern zur Folge haben, also vielleicht ein neues Gefälle von finanzstarken zu finanzschwachen Ländern einleiten. Das muß unter allen Umständen verhindert werden.
Mit der Frage 3 verlangen die Fragesteller Aufschluß darüber, welche Aufwendungen des Bundes für den Ausbau der bestehenden und der neuen Universitäten und Hochschulen, für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und für die Ausbildungs- und Studentenförderung in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich erforderlich sein werden.
Ich darf darauf zunächst einmal in einem Satze antworten: Die Höhe der Gesamtaufwendungen hängt von politischen Entscheidungen ab; sie sind noch nicht gefallen und fallen zu einem sehr großen Teile in diesem Hause. Soweit heute schon eine Übersicht möglich ist, kann es sich nur um Annäherungswerte handeln.
Die Bundesregierung arbeitet zur Zeit unter der Federführung des verehrten Kollegen Lenz einen „Bericht über Stand und Zusammenhang aller Maßnahmen des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung" aus. Dieser Bericht wird auch eine Vorausschau auf den Bedarf an Bundesmitteln bis zum Jahre 1968 geben, eine Vorausschau, die nur durch geschätzte Fortschreibung des gegenwärtigen Bedarfs möglich ist. Der Bericht wird zur Zeit mit den beteiligten Stellen, vor allem mit den Ländern und den großen wissenschaftlichen Organisationen, abgestimmt, insbesondere mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der das erste Wort in allen diesen Fragen gebührt.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich nicht im Vorgriff Zahlen nenne; sie müssen erst noch verifiziert und abgestimmt werden, damit Sie die Information bekommen, auf die Sie Anspruch haben.
Die Aufwendungen für Ausbildungsförderung sind sehr schwer abzuschätzen, da es neben der allgemeinen Ausbildungsförderung die kriegsbedingte sogenannte Kategorienförderung gibt, die ihrer Natur nach laufender Änderung unterliegt.
Natürlich hängt die Höhe der künftig benötigten Mittel auch vom Inhalt des Gesetzes über Ausbildungsbeihilfen ab, auf das ich noch im einzelnen zu sprechen kommen werde. Im Rechnungsjahr 1963 wurden für Ausbildungsbeihilfen vom Bund rund 300 Millionen DM aufgewendet, eine Position, die in ihrem Gewicht und in ihrer Bedeutung nicht die öffentliche Anerkennung gefunden hat, die sie eigentlich verdient.
Die Maßnahmen der Bundesregierung für die berufliche Fortbildung habe ich hierbei noch nicht berücksichtigt. Ich möchte aber betonen, daß die Bundesregierung diesen Fortbildungsmaßnahmen seit Jahren ihr besonderes Interesse schenkt und bereits seit 1962 hierfür Mittel in Höhe von 55 Millionen DM aufgewandt hat. Diese Maßnahmen werden fortgeführt. Ich erinnere dabei an den Entwurf eines Leistungsförderungsgesetzes, der dem Hohen Hause zur Beratung vorliegt. Hervorheben möchte ich schließlich, daß auch aus dem Berufsleben ausgeschiedenen Frauen durch Fortbildungsmaßnahmen die Rückkehr in ihren Beruf verstärkt ermöglicht werden soll.
Genaue Anhaltspunkte gibt es dagegen für die Entwicklung der Studentenförderung. Hier kann man zunächst davon ausgehen, daß das Verwaltungsabkommen vom 4. Juni 1964 in den nächsten Jahren Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bleiben wird. Die Anhebung der Bemessungsgrundlage im Honnefer Modell im Jahre 1964 hat bereits dazu geführt, daß die Zahl der geförderten Studenten von 33 000 im Wintersemester 1963/64 um rund 8000 auf 41 000 im Sommersemester 1964 angestiegen ist. Im Regierungsentwurf des Haushaltsplans 1965 sind 50 Millionen DM als Anteil des Bundes vorgesehen.
Um die Werkarbeit zu beseitigen und damit die Studienzeit zu verkürzen, ist an Bund und Länder der Wunsch herangetragen worden, den Förderungsmeßbetrag auf 320 DM anzuheben. Die Verhandlungen darüber sind noch im Gange. Das Bundesministerium des Innern hat sich für eine Anhebung ausgesprochen. Wird dieser Meßbetrag angehoben, so werden die Aufwendungen aus dem Bundeshaushalt 1965 für das Honnefer Modell künftig ungefähr 80 Millionen DM betragen müssen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415121900
Einen Augenblick, Herr Bundesminister.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich hier für einen Augenblick unterbreche, um in diesem Hause den Präsidenten der Republik Korea mit seiner Begleitung — Parlamentarier und der Außenminister von Korea — willkommen zu heißen, die diesem Hause die Ehre 'ihres Besuchs erweisen.

(Beifall.)

Herr Präsident, Sie sind in diesem Hause aus mindestens zwei Gründen herzlich willkommen. Lassen Sie mich hier statt vieler Worte etwas über eine Begegnung sagen, die mir selber vor einigen Monaten in den schönen Diamantbergen an der Ostküste Ihres Landes zuteil geworden ist. Als wir dort an einem Sonntagmorgen zu einem Tempel hinauf-
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
stiegen, an dem einige Steinmetzen und Maurer arbeiteten, kamen wir ins Gespräch. Sie fragten uns, woher wir kämen, aus welchem Teile Deutschlands. Als wir sagten: „Von diesseits des Eisernen Vorhangs, von Westdeutschland", da sprangen sie auf und sagten: „Dann gehören wir ja zusammen!" In dieser Äußerung der schlichten Söhne Ihres Landes steckt, glaube ich, das, was uns in der Tat besonders verbindet: die Gleichheit des Schicksals, des schweren Schicksals zweier geteilter Völker u n d die Gleichheit eines freien Entschlusses, der, soweit Korea frei ist, Sie in die Gemeinschaft der freien Welt gestellt hat, ebenso wie die Deutschen, soweit sie frei entscheiden können, in die Gemeinschaft der freien Welt getreten sind.
In dieser Gemeinsamkeit heißen wir Sie hier herzlich willkommen.
Es ist der Wunsch dieses Hauses, Herr Präsident, daß Sie bei Ihren Bemühungen auf dem schweren Wege zur Vereinigung Ihres Volkes in der Gemeinschaft der freien Welt Glück und Erfolg haben, und daß Sie dabei Ihrem Volke, Ihrem ganzen Volk einen Platz an der Sonne der Freiheit und des Wohlstandes erringen mögen. Gott lasse es Ihnen gelingen!

(Beifall.)

Herr Bundesminister, bitte fahren Sie . fort.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415122000
Ich darf mich nun der Frage 4 zuwenden, in der gefragt wird, welche Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Wissenschafts- und Bildungspolitik die Bundesregierung anstrebt. Die Bundesregierung hat bereits seit Jahren in folgerichtiger Praxis zu erkennen gegeben, welche Politik sie in der Zusammenarbeit mit den Ländern im kulturellen Bereich verfolgt. Sie hat konsequent den Abschluß von Verwaltungsabkommen zur Ausfüllung des verfassungsrechtlich gesetzten, nicht sehr weiten Rahmens angestrebt.
Auf dem Gebiet der Wissenschaftsförderung ist das bereits in einem bemerkenswerten Umfang gelungen. Sie kennen das Verwaltungsabkommen über die Errichtung des Wissenschaftsrates, das im Jahre 1957 zwischen Bund und Ländern abgeschlossen wurde. I-m Juni dieses Jahres trat das seinerzeit noch von mir paraphierte Verwaltungsabkommen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in Kraft, mit dem die Finanzierung des Ausbaus der Hochschulen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und des Honnefer Modells sichergestellt und geregelt wurde. Außerdem ist auf Grund dieses Abkommens eine Ständige Kommission „zur gegenseitigen Unterrichtung und zur gegenseitigen Abstimmung" der finanziellen Förderung von Wissenschaft und Forschung zwischen Bund und Ländern eingesetzt worden. Diese Ständige Kommission ist ein Kontaktgremium auf hoher politischer Ebene, dessen Bedeutung schon dadurch gekennzeichnet wird, daß ihr auch der Herr Bundeskanzler angehören wird.
Die gleiche Zusammenarbeit wird vom Bund auch bei der Finanzierung neuer wissenschaftlicher Hochschulen angestrebt. Das im Juni dieses Jahres zunächst unter den Ländern allein abgeschlossene Abkommen sieht vor, daß der Bund dieser Vereinbarung beitreten und sich an der Finanzierung beteiligen kann. Die Bundesregierung hat wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, den Ländern bei der Finanzierung neuer Hochschulen Hilfe zu leisten. Sie hält an dieser Bereitschaft fest und hat zur Bekräftigung einen entsprechenden Leertitel in den Haushalt 1965 eingesetzt. Ob, wann und in welcher Höhe dieser Titel mit Mitteln ausgefüllt und konkretisiert werden kann, wird einerseits von den Verhandlungen abhängen, die die Bundesregierung mit den Ländern über die Modalitäten und die Einzelheiten ihrer Hilfe führen will, andererseits aber auch davon, welche Mittel Sie der Bundesregierung für diesen Zweck zur Verfügung stellen.
Eine ähnliche Zusammenarbeit wie in der Wissenschaftspolitik strebt die Bundesregierung auch für den Bereich des gesamten Bildungswesens an. Eine brauchbare Lösung wäre nach ihren Vorstellungen ein Bildungsrat, wie er hier von allen Seiten des Hauses gefordert wird, der nach der Vorstellung der Bundesregierung und nach dem Vorbild des Wissenschaftsrates eine umfassende Konzeption für das gesamte deutsche Bildungswesens in Form von Empfehlungen zu erarbeiten und vorzulegen hätte, bei der all die Gesichtspunkte zu berücksichtigen wären, die hier vorgetragen worden sind und die in der öffentlichen Diskussion zum Vorschein kommen. Die Gliederung in eine Verwaltungs- und eine Bildungskommission, die etwa der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats entsprechen würde, böte nach unserer Meinung die Gewähr dafür, daß Theorie und Praxis in. gleicher Weise zu ihrem Recht kämen.

(Zuruf von der Mitte: Sehr gut!)

Aus diesen Erwägungen hat die Bundesregierung die Erklärungen der Kultusminister zur Zusammenarbeit mit dem Bunde auf der 100. und 102. Kultusministerkonferenz freudig begrüßt. Nach der Meinung der Bundesregierung hat sich in diesen Erklärungen die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Selbstkoordinierung der Länder, die berühmte dritte Ebene, allenfalls zwar ausreichen kann, um möglichst einheitliche Regelungen zu erreichen, daß sie aber nicht ausreicht, wenn die Planung der wechselseitigen Abhängigkeit von Bildungs-, Sozial-, Wirtschafts-, Außen- und Entwicklungspolitik gerecht werden soll.
Die Bundesregierung wird die bevorstehenden Verhandlungen über die Errichtung des Bildungsrats zügig führen. Ich 'habe bereits früher einmal gesagt, daß es dem Bund nicht so sehr auf die Zahl der Sitze und der Stimmen in den beiden Kommissionen ankommt. Selbstverständlich muß er aber im Bildungsrat angemessen vertreten sein, um seinen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Außerdem scheint es geboten, die Koordinierung der Arbeit des Wissenschaftsrates und des Bildungsrates — beides Institutionen mit innerer Verwandtschaft — zu sichern; denn beider Aufgaben berühren sich natürlich in vielen Punkten, z. B. bei den wichtigen Themen der Lehrerbildung und Beseitigung des Lehrermangels.
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Bundesminister Höcherl
Das berücksichtigt zu haben war der Vorzug des Planes, den der baden-württembergische Kultusminister Professor Hahn vorgelegt hat. Aber es sind auch andere Lösungen denkbar, wenn sie nur zur Zusammenarbeit beider Gremien führen.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Herren Ministerpräsidenten der Länder eine vierköpfige Verhandlungskommission eingesetzt haben. Auch das Bundeskabinett hat schon Anfang November eine entsprechende Kommission unter der Federführung des Innenministeriums benannt. Der Herr Bundeskanzler hat am 3. Dezember zur Beschleunigung dieser Verhandlungen eine Besprechung mit den Herren Ministerpräsidenten geführt, und ich habe die Hoffnung, daß noch in diesem Monat — nämlich nach der bisherigen Terminplanung am 17. Dezember — die ersten Verhandlungen beginnen können. Ich könnte mir vorstellen, daß wir diese Verhandlungen in kurzer Zeit abschließen können, so daß der Bildungsrat schon Anfang des nächsten Jahres mit seiner Arbeit beginnen könnte.
Ich darf bei dieser Gelegenheit noch einige zusätzliche Bemerkungen zum Inhalt der Bildungsplanung machen.
Mit Recht hat die Frage nach der künftigen Zahl der Abiturienten immer im Mittelpunkt der Diskussion gestanden. Wir sollten in dieser Zahl aber nicht das Maß aller Dinge sehen. Das klassische deutsche Abitur ist eine sehr qualifizierte Prüfung, mit der wegen ihrer Eigenart auch ausländische Schulabschlüsse schwer vergleichbar sind. Sie wissen, daß man jetzt in einigen Bundesländern bereits neue Überlegungen über einen differenzierteren Abschluß unserer Gymnasien anstrebt, differenziert nach zwei Richtungen: im Hinblick auf die unterschiedliche Begabung der Schüler wie auch auf die unterschiedlichen Ansprüche der Berufe. Diese Überlegungen scheinen mir bereits ein Hinweis dafür zu sein, daß es nicht allein darauf ankommt, möglichst viele begabte Schüler zur vollen Hochschulreife im überkommenen, traditionellen Sinne zu führen. Wir müssen vielmehr neue Wege suchen, um den unterschiedlichen Begabungen eine adäquate Bildung zu sichern. Sie muß am Berufsziel orientiert sein, ohne gleichzeitig zu einer zu engen Spezialisierung zu führen.
Zu einer umfassenden Bildungsreform gehört nach Meinung der Bundesregierung deshalb auch eine mutige Überprüfung der Anforderungen, die an die Ausbildung im Hinblick auf die künftige Tätigkeit zu stellen sind. Selbst auf die Gefahr hin, bei dieser oder jener Berufsgruppe Anstoß zu erregen, halte ich es fürerforderlich, das Berechtigungswesen zu überprüfen oder dem Berechtigungsunwesen, wenn Sie so wollen, entschieden entgegenzutreten.

(Beifall bei 'der CDU/CSU.)

Ich wäre glücklich, wenn wir all diese Fragen losgelöst von Nimbus- und Prestigekomplexenerörtern könnten.

(Abg. Dr. Lohmar: Sehr gut!)

In diesem Zusammenhang muß auch die ständige Studienzeitverlängerung gesehen werden. Es ist bezeichnend, daß man heute Ischon von einer Verweildauer eines Studenten auf der Universität spricht. Ich unterstütze mit Nachdruck 'die Bemühungen unseres Kollegen Dichgans. Seine Auffassung, daß der junge Akademiker früher als bisher berufsreif und wirtschaftlich selbständig isein muß, hat breite Zustimmung gefunden, und die Bundesregierung wird alle Bemühungen in dieser Richtung unterstützen.
Ich warne sehr davor, die Bildungsreform zu sehr als ein quantitatives Problem zu sehen, obwohl auch die quantitative Betrachtungsweise — Herr Kollege Erler, das gebe ich Ihnen gern zu — ihre gute Berechtigung hat. Die Bildungsreform ist aber mindestens in dem gleichen Maße ein Problem der Qualität unseres gesamten Unterrichtssystems. Die Planung bliebe Stückwerk, würde sie nicht auch bestimmt von dem Bemühen um moderne Methoden, die den Bildungserfolg auf allen unseren Schulen erhöhen. Die Einführung einer Fremdsprache auf der Volksschule z. B. würde unsdiesem Ziel näherbringen und auch dem Integrationsprozeß im EWG-und im internationalen Bereich einen großen Impuls verleihen. Gewiß ist die Durchlässigkeit unseres Schulsystems ein wichtiges Ziel, damit die Begabungen auch in späterer zeitlicher Phase eine angemessene Förderung finden können. Aber genauso wichtig ist es, unser Augenmerk auf die Volksschule und auf den Teil der Jugend zu lenken, der in der Volksschule verbleibt und trotzdem in einer gewandelten und sich ständig verwandelnden Welt mit ihren erhöhten Anforderungen bestehen muß.
Schon ist gefragt worden, ob die überkommene Form des bisherigen Klassenunterrichts nicht überprüft werden und einem anderen System weichen muß. Wir alle wissen aus den neuesten Forschungen, wie sehr sich die Entwicklung des körperlichen und des geistigen Bereichs verschoben hat. Es ist eine große Frage, ob die bisherigen psychologischen Gesetzlichkeiten für die gegenseitige Abhängigkeit des Somatischen und des Geistigen in der überlieferten Form noch gültig sind und ob wir nicht neue Gesetze formulieren und anwenden müssen. Es ist nicht damit getan, den obligatorischen Unterricht um ein oder zwei Jahre zu verlängern, von der ökonomischen Seite ganz abgesehen, wenn nicht die Bemühungen um eine optimale Ausfüllung dieser Schulzeit damit Hand in Hand gehen. Hier kann nur eine Gleichzeitigkeit eine Ausdehnung der Schulzeit rechtfertigen.
Sie werden Verständnis haben, meine Damen und Herren, wenn ich als der innerhalb der Bundesregierung für den Sport zuständige Minister auch der Sporterziehung einen wichtigen Platz in der Bildungsplanung zuweise. Die Sporterziehung ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich in unserer neuen, modernen Welt plötzlich ganz neue Bildungsaspekte eröffnen. Was sich früher an körperlicher Bewegung im Tagesablauf gleichsam von selbst ergab und vollzog, muß jetzt wegen der geänderten Lebensgewohnheiten dem Menschen zusätzlich angeboten werden. Auch hier werden im Einvernehmen mit den Ländern und den Spitzengremien des Sports neue Wege beschritten werden müssen, für die die ersten Gespräche bereits begonnen haben.
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Bundesminister Höcherl
Ich würde meiner Aufgabe nicht gerecht werden, wenn ich nicht an dieser Stelle den Mitgliedern des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen den Dank der Bundesregierung für seine langjährige Arbeit ausspräche. Auch er war bereits ein Organ, das im Auftrage von Bund u n d Ländern für eine Verbesserung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens wirkte. Er war ein Planungsorgan ersten Ranges. Seine Empfehlungen und Gutachten haben die Diskussion um die Bildungsfragen befruchtet und unerhörtes neues Gedankengut beigetragen. Es heißt seine Verdienste nicht schmälern, wenn an seiner Stelle jetzt ein Bildungsrat errichtet werden soll, an dessen Empfehlungen die Exekutive beteiligt ist. Die guten Erfahrungen mit dem Wissenschaftsrat sprechen für eine solche Lösung. Aber die Gutachten des Deutschen Ausschusses sowie die Vorschläge vieler anderer Gremien sind dankenswerte Vorarbeiten, auf denen der Bildungsrat aufbauen kann und, wie ich hoffe, sehr bald zu praktischen Vorschlägen wird kommen können.
Damit komme ich zur Beantwortung der Frage 5:
Wie sollen im Rahmen der Bundesregierung die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, die Ausbildungsförderung und die Bildungsplanung koordiniert werden?
Ich darf an die wenigen Bemerkungen erinnern, die ich zu dem Begriff Planung, zu dem Begriff Koordinierung und zu den beschränkten Funktionen eines solchen Instruments gemacht habe. Ich darf dazu feststellen, daß eine Koordinierung der Bundesressorts nicht erst erfolgen soll, sondern daß sie längst praktiziert wird. Wegen der zunehmenden Bedeutung, die kulturpolitische Fragen für den Bundesbereich gewonnen haben und noch weiter gewinnen werden, sind jetzt weitere organisatorische Maßnahmen vorgesehen, über die ich Sie kurz informieren darf.
Schon in der März-Debatte ist in diesem Hohen Hause dargelegt worden, in welch engem Zusammenhang wissenschaftliche Forschung, Bildungsplanung und Ausbildungsförderung stehen und wie Entscheidungen in einem Bereich sich in dem anderen auswirken. Andererseits sind diese drei Aufgabengebiete aber so sehr in verschiedene Bereiche eingeordnet, daß begriffliche Trennung geboten erscheint, aus der sich dann auch bestimmte organisatorische Folgerungen ergeben.
Nehmen Sie als Beispiel das Verhältnis der Bildungsfragen zu denen der wissenschaftlichen Forschung. Sicherlich ist die Intaktheit unserer Bildungseinrichtungen wichtigste Voraussetzung für Leistungen in der Forschung. Aber es wäre falsch, die Bildungspolitik lediglich im Hinblick auf Forschungsförderung zu betreiben. Unser Bildungssystem muß alle Stufen und alle Bereiche der gesellschaftlichen Existenz im Auge haben und ihnen gerecht werden.
Wichtig war deshalb zunächst einmal, innerhalb der Bundesregierung so zu koordinieren, daß eine einheitliche Willensbildung auf jedem der drei genannten Gebiete möglich war. In dieser Richtung ist nun in der Tat einiges geschehen.
Es besteht zur Koordinierung der Wissenschaftspolitik der Bundesregierung bereits seit Jahren ein Interministerieller Ausschuß, seit 1963 unter der Federführung des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ihm gehören alle Ministerien an, die neben dem Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung aus ihrem Aufgabenbereich heraus mit Forschungsfragen beschäftigt sind.
Auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung besteht auch schon seit Jahren ein Arbeitskreis der für diese Materie zuständigen Bundesressorts, nämlich der Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Familie und Jugend und des Innern. In diesem Arbeitskreis wurde der Entwurf eines Ausbildungsbeihilfegesetzes erarbeitet, für den jetzt das Bundesministerium für Familie und Jugend federführend ist.
Neu gegründet wird für die Zusammenarbeit mit dem Bildungsrat ein Interministerieller Ausschuß für Bildungsplanung. Ihm werden alle Ministerien angehören, die an Bildungsfragen aus ihren Sachaufgaben heraus interessiert sind. Seine Aufgabe wird es sein, die Erfahrungen und die Anregungen aller beteiligten Ressorts für die Mitarbeit der Bundesregierung im Bildungsrat fruchtbar zu machen. Die organisatorischen und personellen Voraussetzungen für diese neue Aufgabe werden im Bundesministerium des Innern geschaffen werden; dafür erbitte ich jetzt schon Ihre Unterstützung.
Zur Abstimmung der Grundsatzfragen zwischen den Bereichen der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Bildungsplanung und der Ausbildungsförderung erwägt die Bundesregierung die Einsetzung eines Kabinettausschusses, der meines Erachtens unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers selbst stehen müßte.
Abschließend kann ich ganz allgemein zu diesem Thema der Koordinierung sagen, daß sich nach meinen Beobachtungen die Institution des Interministeriellen Ausschusses gut bewährt hat. Sie gewährleistet Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sowie einen regen Erfahrungsaustausch der Ministerien untereinander; sie verhütet unnütze Doppelarbeit und ermöglicht eine einheitliche Konzeption der Bundesregierung in den politisch wichtigen Fragen.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Es ist interessant, daß in einem Lande wie Berlin die Kulturdezernate geteilt und nicht in einer Hand zusammengefaßt sind: das Wissenschaftsdezernat auf der einen und das Schuldezernat auf der anderen Seite. Das spricht keineswegs für die Vereinigung und Zusammenfassung in einer Hand im Bereich des Bundes.
In der Frage 6 fragt die Opposition, wie die Bundesregierung eine wissenschaftliche Beratung in der Bildungsplanung gewährleisten will. Dazu darf ich folgendes antworten. Die Bundesregierung hat seit ihrem Bestehen den Rat der Wissenschaft gesucht. Sie arbeitet auf allen Bereichen der Verwal-
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Bundesminister Höcherl
tung eng mit Wissenschaftlern der einzelnen Fachgebiete — auch mit ausländischen Gelehrten —zusamlmen, und sie wird das auch in der Bildungsplanung tun. Sie wird aber die Wissenschaftler und Professoren vorher um ihre Zustimmung fragen.
Die Bildungskommission des Bildungsrates soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung Pädagogen und Wissenschaftler aus den verschiedenen Bereichen dies weiten Bildungswesens umfassen. Für Einzelfragen werden ähnlich wie beim Wissenschaftsrat Unterkommission gebildet werden, die sich in ihrer Arbeit auf Sachverständige werden stützen können.
Darüber hinaus ist zu hoffen, daß auch das Berliner Institut für Bildungsforschung bei der MaxPlanck-Gesellschaft und das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt die Arbeiten des Bildungsrates mit ihren Untersuchungsergebnissen fördern. Vorsorglich hat das Bundesministeriums des Innern seinerzeit gegen mancherlei Widerstände mit dahin gewirkt, daß das Berliner Institut für Bildungsforschung bei der MaxPlanck-Gesellschaft errichtet werden konnte.
Es ist hierzu noch allgemein zu bemerken, daß sich erfreulicherweise zunehmend Wissenschaftler den Bildungsfragen und den pädagogischen Problemen zugewandt haben. Ich habe deshalb nicht die Sorge, daß es uns bei der Planung der tätigen Mitthilfe qualifizierter und ausgewiesener Gelehrter ermangeln wird. Vor einem aber möchte ich gerade im Interesse der Wissenschaft warnen. Es darf niemals und zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, als ob der Politiker auch nur einen heil seiner Verantwortung dem Wissenschaftler aufbürden könnte. In unserer wissenschaftsgläubigen Zeit unterliegen wir leicht der Versuchung, dem Gelehrten mehr abzuverlangen, als billigerweise von ihm erwartet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Forschungsinstitute ermitteln entsprechend ihrer grundsätzlichen -Aufgabe langfristig differenzierte Unterlagen, die den politischen Instanzen ein besseres Erkennen der Probleme ermöglichen. Die politische Entscheidung kann und soll durch sein Votum vorbereitet und fundiert, niemals aber ersetzt werden.
Mit der Frage 7 wünscht die SPD zu wissen, wann die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorzulegen gedenkt. Der Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs steht aus den Gründen noch nicht fest, die ich im folgenden darlegen werde. Der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Förderung der Forschung eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern ist. Die Bundesregierung strebt an, die Modalitäten dieser gemeinsamen Aufgabe durch Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zu regeln, wie ich das bereits bei Beantwortung der Frage 4 ausgeführt habe.
Das Grundgesetz eröffnet zwar dem Bund in Art. 74 Nr. 13 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 die Competenz, die Förderung der wissenschaftlichen
Forschung zu regeln. Die Bundesregierung hat den Erlaß eines solchen Gesetzes auch bereits erwogen; aus früheren Debatten ist es Ihnen bekannt, daß der Entwurf seinerzeit noch in meinem Hause erarbeitet wurde. Solange aber die Bundesregierung die begründete Aussicht hat, die Aufgabenbereiche von Bund und Ländern in der Forschungsförderung mittels eines oder mehrerer Verwaltungsabkommen näher abzugrenzen, möchte sie diesen Weg einem Gesetz vorziehen. Verwaltungsabkommen setzen Einverständnis zwischen Bund und Ländern über die zu treffende Regelung voraus, und das scheint gerade in der Forschungsförderung dringendes Gebot. Auch ist die Regelung durch Verwaltungsabkommen flexibler als die durch Gesetz.
Im übrigen unternimmt zur Zeit die von Bund und Ländern eingesetzte „Sachkommission für die Finanzreform" den Versuch, im Rahmen von Überlegungen zur Reform der Finanzverfassung Vorschläge auszuarbeiten für eine Abgrenzung der Aufgaben, die von Bund und Ländern jeweils allein oder von beiden gemeinsam zu erfüllen sind. Es ist ratsam, dieses Gutachten abzuwarten und ihm nicht durch ein Forschungsförderungsgesetz vorzugreifen.
Schließlich will die SPD in der Frage 8 wissen, wann die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Ausbildungsförderung vorzulegen gedenkt. Die Bundesregierung sieht in der Förderung der Ausbildung einen der wichtigsten und elementaren Bestandteile eines nationalen Bildungsprogramms. Sie wird auch nicht zögern, zu gegebener Zeit die geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen in die Wege zu leiten. Die Bundesregierung hat es daher sehr begrüßt, daß durch die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP am 21. Oktober 1964 der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes vorgelegt wurde. Dieser Gesetzgebungsschritt wäre auch eine sinnvolle Fortführung des bisher erreichten Familienlastenausgleichs für das spezielle Gebiet der Ausbildungshilfen.
Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß daneben die vom Deutschen Bundestag gewünschte Vereinheitlichung des bestehenden Ausbildungsbeihilfenrechts ihre große Bedeutung behält. Dies gilt für all die Personenkreise, für die eine Beihilfe von monatlich 40 DM nicht genügt, um den finanziellen Bedarf einer wünschenswerten Ausbildung ihrer Kinder zu decken.
Es ist diesem Hohen Hause durch die Bundesregierung mehrfach erklärt worden, daß sie den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen innerhalb der zuständigen Bundesressorts erarbeitet hat. Es ist bekannt, daß gegen diesen Entwurf von einigen Ländern, insbesondere von dem Lande Hessen, verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden sind.
Trotz Kenntnis dieser verfassungsrechtlichen Lage hat die SPD-Fraktion ihren eigenen Initiativgesetzentwurf über Ausbildungsförderung eingebracht. Der Entwurf baut offensichtlich auf den Vorarbeiten der Bundesregierung auf. Er enthält allerdings einige Erweiterungen, die vor allem die bildungspolitische Seite der Ausbildungsförderung noch be-
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Bundesminister Höcherl
tonen und damit die verfassungsrechtliche Problematik noch verschärfen. Wiederum waren sofort verschiedene Länder, unter ihnen mit besonders ausführlicher Begründung das Land Hessen, auf dem Plan und erhoben auch gegen diesen Entwurf verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb prüft zur Zeit der Rechtsausschuß des Bundestages — und das ist der ordnungsgemäße Weg —, ob und inwieweit eine Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Ausbildungsförderung besteht. Vom Ausgang dieser Prüfung wie der Klärung aller verfassungsrechtlichen Fragen, die mit der Ausbildungsförderung zusammenhängen, wird die Bundesregierung ihre weiteren Maßnahmen abhängig machen.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen hinzufügen. Wir müssen uns bewußt sein, daß eine angemessene finanzielle Ausbildungsförderung allein noch keinen Fortschritt garantiert. Die Mehrzahl der Kinder — das ist erfreulicherweise hier auch vorgetragen worden —, die trotz ihrer unbestreitbaren Eignung nicht die weiterführenden Schulen besuchen, wird offenbar nicht behindert durch zu lange Schulwege oder wirtschaftliches Unvermögen des Elternhauses. Das Haupthindernis ist nach den bisherigen Erkenntnissen vielmehr — wie es auch die Untersuchung des bayerischen Kultusministeriums über Begabungsreserven bestätigt — die Einstellung zahlreicher Familien, die einer qualifizierten Schulbildung entgegensteht.
Besonders in der Arbeiterschaft gibt es immer noch die Scheu vor der weiterführenden Schule. Nehmen Sie als Beispiel den Vergleich der Abiturientenzahlen von zwei etwa gleich großen Städten, von Münster und Solingen. In Münster kommen auf 1000 Jugendliche 83 Abiturienten, und in Solingen sind es nur 27. Es ist ganz unwahrscheinlich, daß sich diese Differenz allein mit der wirtschaftlichen Lage des Elternhauses erklären läßt. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Jeder von uns kennt die Bedeutung, die eine wirksame Werbung heute auf allen Lebensgebieten hat. Ich bin der Auffasung, daß hier der geometrische Ort wäre, wo eine intensive, konzentrierte Werbung erfolgen sollte. Die Lehrerschaft, die Gewerkschaften, die Frauenverbände und alle Parteien sollten ihre Kräfte in einer gemeinsamen Aktion zusammenfassen und dahin wirken, daß alle begabten Kinder den Übergang zu einem höheren Bildungsweg finden. Ich glaube, daß durch Aufklärung einiges zu erreichen und zu verbessern wäre. Es ist bedauerlich, daß in diesem Zusammenhang immer wieder klassenkämpferische Parolen über Arbeiterschaft und Bildungswesen usw. laut werden. Sie sind der modernen Zeit fremd und haben nur demagogischen Charakter.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe versucht, die Große Anfrage in ihren einzelnen Teilen und der mir vorgegebenen Reihenfolge, die zwangsweise Wiederholungen mit sich brachte, so vollständig wie möglich zu beantworten.. Ich habe dabei Gelegenheit gehabt, Ihnen über die Fortschritte zu berichten, die seit der letzten Debatte in diesem Hohen Hause erzielt worden sind, vor allem durch die Kooperation von Bund und Ländern im kulturpolitischen Bereich.
Noch ein Wort zur politischen Bildung, die Herr Kollege Erler angesprochen hat und die einen ganz besonderen Platz verdient, weil es eine gelebte Demokratie ohne angemessene Bildungsmöglichkeiten, ohne ein angemessenes Bildungsangebot und ohne einen entsprechenden Gebrauch überhaupt nicht geben kann. Wir erleben im internationalen Bereich die heftige Spannung, die darauf beruht, daß auf der einen Seite die Bildungsmöglichkeiten fehlen und auf der anderen Seite die demokratischen Staatsformen gewollt werden. Beides kann nur zusammen existieren. Darum ist die politische Bildung auch immer ein besonderes Anliegen dieses Hohen Hauses gewesen. Der Bund hat dafür genauso wie die Länder besondere Einrichtungen geschaffen, die von allen Parteien gemeinsam zu tragen sind. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn diese Debatte auch dazu führte, die Mittel für die zentrale politische Bildung zu verstärken.
Noch ein Wort zum Schluß. Wir werden diese schwierige Aufgabe immer nur schrittweise und annäherungsweise erfüllen können. Wir werden ihr nicht gerecht, wenn wir uns nicht einen Grundsatz zu eigen machen, der unserer modernen Entwicklung und unserem wissenschaftlichen Zeitalter angemessen ist. Dieser Grundsatz muß sein, daß wir uns als Vollstrecker der Erkenntnisse der Wissenschaft und der Erfahrung im politischen Bereich fühlen und die Kräfte zusammenfassen, daß wir die Aufgabe aus dem Streit der Parteien herausnehmen und sie zu einer großen, vielleicht zu der größten nationalen Angelegenheit machen, die wir zu bewältigen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415122100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0415122200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wir haben in der Bewertung der Bildungsfragen die höchste Rangliste erreicht, und wir sind stolz darauf. Aber manchmal bin ich etwas mißtrauisch, ob hier der Schein mit dem Gehalt übereinstimmt." — Das ist nicht von uns Freien Demokraten, sondern von Waldemar von Knoeringen auf dem SPD-Parteitag in Karlsruhe gesagt worden.

(Hört! Hört in der Mitte.)

Ich finde, das ist ein sehr passendes Motto für manches von dem, was hier heute morgen vom Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion vorgetragen worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Sorge des Herrn von Knoeringen war übrigens durchaus nicht etwa mit Blick auf die Regierungskoalition in Bonn ausgesprochen worden, sondern galt, wenn das Protokoll richtig gelesen worden ist, vor allem dem unkoordinierten Nebeneinander in den Beratungen des Sozialdemokratischen Parteitags vom Vorrang der Bildungspolitik, vom Vorrang der Sozialpolitik, vom Vorrang der Finanzfragen und allem anderen mehr.

(Abg. Dr. Martin: Absurdes Theater!)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7451
Moersch
Ich glaube, meine Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie haben allen Grund, diese Mahnung Ihres Parteifreunds von Knoeringen ganz ernst zu nehmen; denn wir haben im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage zwei oder drei große Überraschungen von Ihrer Seite erleben dürfen. Am gleichen Tage, an dem Sie im Bundestag diese Große Anfrage einbrachten, die im wesentlichen — ich sage: im wesentlichen! — Fragestellungen enthält, die man nur begrüßen und unterstreichen kann, an diesem gleichen Tag, am 14. Oktober, hat in der Kultusministerkonferenz der Länder der Schulsenator von Berlin ziemlich viel Wasser in den Wein gegossen. Ich meine den Plan, einen Bildungsrat zu schaffen, der auch funktionstüchtig sein sollte und an dem Bund und Länder gemeinsam mitwirken sollten. Es war ausgerechnet ein sozialdemokratischer Politiker, der gewissermaßen den, Kommentar zu einer Nichtkoordinierung innerhalb der Sozialdemokratischen Partei geliefert hat. Das ist deshalb so erstaunlich, weil Sie ja mit Recht stolz darauf sein dürfen, eine relativ zentral geleitete Partei zu haben.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Noch eine neue Aufgabe für Herrn Wehner! — Weitere Zurufe.)

— Herr Dr. Kübler, Sie bezweifeln das offensichtlich. Es ist doch eine Tatsache, daß das, was Sie hier gefragt haben, und das, was Herr Evers in der Kultusministerkonferenz aus dem sogenannten Hahnschen Vorschlag gemacht hat, jedenfalls keinen gemeinsamen Tenor gibt. Es ist nicht ganz zu Unrecht gesagt worden, daß Herr Evers den Hahn ziemlich gerupft habe. Das kann man wohl nur unterstreichen, wenn man die Dinge genau geprüft hat.

(Zuruf von der SPD: Herr Hahn hat zu spät gekräht!)

— Herr Hahn hatte gar keine Möglichkeit zu krähen, sondern wir mußten zuerst die Koalitionsvereinbarung in Stuttgart abschließen. Herr Hahn hat dann, wie gesagt, sehr sachkundig und, ich muß auch sagen, mit einigem Geschick alles das vorgetragen, was in die Koalitionsvereinbarung von unserem Freund Professor Erbe hineingeschrieben worden war.
Wir sind Herrn Professor Hahn dafür sehr dankbar; denn wir waren bisher der Meinung — und da haben wir uns offensichtlich etwas getäuscht —, daß die große Schwierigkeit bei einer Koordinierung und bei einer Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf diesem Gebiet bei den Parteien der CDU/ CSU liege. Deshalb war es meiner Ansicht nach von der Sache her sogar geboten und — ich glaube, in Übereinstimmung mit den Freunden hier im Bundestag — auch richtig, daß nicht einer Ihrer Freunde zur SPD oder einer unserer Freunde die Sache vorgetragen hat, sondern ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion dieses Hauses, das inzwischen Kultusminister geworden war.
Die großen Erwartungen, die wir an diesen, ich muß sagen: auch taktisch recht geschickt angelegten Zug geknüpft hatten, sind zunächst einmal von Ihrer Seite — wofür Sie vielleicht im einzelnen nicht verantwortlich sind, doch immerhin von Ihrer Seite — verwässert worden.
Es ist gar keine Frage, daß die Bereitschaft der Bundesregierung zu dieser Zusammenarbeit immer bestanden hat. Die Frage aber ist nach wie vor, welche Bereitschaft die Länder eigentlich haben, zu einem bundesfreundlichen Verhalten in diesem Punkt zu kommen. Denn Sie werden nicht bestreiten können, daß vieles von dem, was hier und nachher in der Kultusministerkonferenz vorgeschlagen worden ist und was vor allem bei den Abkommen der Länder unter sich über die Finanzierung der neuen Universitäten gesagt worden ist, das Gegenteil von bundesfreundlichem Verhalten darstellt. In Wahrheit handelt es sich um nichts anderes als um den erneuten Versuch, eine Art staatenbündlerisches System bei uns einzuführen, daß auch als dritte Ebene bezeichnet worden ist, und den Bund im wesentlichen lediglich in die Rolle eines unehelichen Vaters zu drängen, der nach unserem Recht bekanntlich die Pflicht hat, zu bezahlen, aber im übrigen mit seinem Kind als nicht verwandt gilt. Das ist doch der Sinn dieses Vorschlags, den Sie machen und der von den Ländern mitgemacht worden ist: den Bund einzuladen, sich zwar an der Finanzierung zu beteiligen, ihm aber im übrigen kein Mitspracherecht zu geben. Ich halte das im Grunde genommen für unsinnig, und ich hätte eigentlich erwartet, daß gewisse Fragen, die Sie hier an die Bundesregierung gerichtet haben, auch Ihren eigenen Freunden in den Ländern gestellt würden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun ist der Fall insofern ziemlich klar geworden — wenn man die Karlsruher Protokolle genau liest, und es ist außerordentlich dankenswert, daß die Sozialdemokratische Partei das alles so schön druckt, damit man es auch nachprüfen kann —, als im Gegensatz zu der offiziellen Lesart die Kleingläubigen bei Ihnen doch noch eine ziemlich große Gruppe sind, die offensichtlich vermuten, es sei besser, man lasse gewisse Kompetenzen unter allen Umständen bei den Ländern und regele sie unterhalb und innerhalb der Länder, anstatt den Bund zu beteiligen, wo man nicht wissen könne, ob man wirklich beteiligt sei.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Der Bund übernimmt die Rolle des Prügelknaben!)

— Ja. Aber ich glaube, diese Sorgen sollten Sie (zur SPD) wirklich vor Ihren Freunden ausbreiten. Denn es besteht gar kein Anlaß, zu glauben, daß etwa keine Übereinstimmung hier im Bundestag und auch zwischen Bundestag und Bundesregierung über diese Frage möglich wäre, wenngleich es eine Menge Dinge gibt, die wir, wie gesagt, auch innerhalb des Systems in der Bundesregierung ein wenig bedauern müssen.
Ich will Ihnen zu dem, was wir ursprünglich vorhatten, doch noch einmal vortragen, wie der Vorschlag der Freien Demokraten lautet. Der Bundesvorstand der Freien Demokraten hatte am 17. September 1964 folgenden Vorschlag veröffentlicht:
Erstens. Eine Bildungskommission im Rahmen des Wissenschaftsrates muß unverzüglich gebildet wer-
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Moersch
den und ihre Arbeit aufnehmen. Zweitens. Es muß unverzüglich eine für alle Bundesländer gemeinsame Bildungsplanung eingeleitet werden. Für eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern sind eigene Planungsabteilungen in den Kultusministerien und eine Verstärkung des Planungsreferates bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister unerläßliche Voraussetzungen. Drittens. Die koordinierende Arbeit der Kultusministerkonferenz in enger Verbindung mit dem Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung ist zu intensivieren.
Ich glaube, das ist sehr präzise und klar, und ich hoffe, daß wir am Ende der Besprechungen, die die Ministerpräsidenten und die Kommissionen der Länder mit dem Bund zu führen haben, zu einem Vorschlag kommen, der unserem Vorschlag mindestens ähnlich ist.
Denn es ist doch ganz klar, daß die Bewährung des Wissenschaftsrates gerade darin lag, daß er die Exekutive mit hineinnahm. Das hat der Herr Bundesinnenminister hier auch schon dankenswerterweise ausgeführt. Es wäre wenig sinnvoll, eine Nebeninstanz zu gründen oder ein Auseinanderfallen in verschiedene Kommissionen zu haben, bei denen die Exekutive nur mittelbar beteiligt wäre. Dann hätten wir am Ende vielleicht dasselbe, was wir beim Deutschen Ausschuß hatten: hervorragende Gutachten, deren Schlußfolgerungen nicht in die Praxis umgesetzt werden. Wir glauben also, daß man durchaus auf diesem Wege weitergehen und den Bildungsrat zu einem Teil des Wissenschaftsrates machen sollte, jedenfalls zu einer ganz engen Verbindung zwischen beiden kommen muß.
Das Zweite! Von den Sprechern der Sozialdemokraten, besonders von Herrn Erler, ist mit Recht betont worden, daß die SPD den Bildungsfragen außerordentlich aufgeschlossen sei. Sie haben viele Gründe für das Bildungsgefälle angeführt. Ich bin der Meinung, ,daß ,es dieses Bildungsgefälle in der Tat gibt und daß wir sehr vieles tun müssen, urn ihm entgegenzuwirken. Aber ich verstehe offen gestanden bei Ihrer Argumentation nicht ganz, wie Sie gleichzeitig vor der Frage ausweichen können, wie man eigentlich zu besseren Schulen kommen soll, wenn ausgerechnet Sie von der Sozialdemokratischen Partei neuerdings das Prinzip der staatlichen Konfessionsschule mindestens tolerieren oder gar fördern, — je nachdem, wie es gerade opportun ist. Das paßt doch einfach nicht zusammen. Es wäre für ;die deutsche Öffentlichkeit ,sicher sehr nützlich gewesen und hätte Ihre 'Glaubhaftigkeit verstärkt, wenn Sie sich auch in Karlsruhe und hier dazu ganz klar geäußert hätten. Sie laufen sonst Gefahr, einer Entwicklung hinterherzurennen, von der Sie annehmen, Sie seien ihr voraus.
Hier ist von anderen Sprechern, ich glaube, auch von Herrn Dr. Martin, schon betont worden, daß sich inzwischen ein gewisser Wandel in den Gebieten vollzogen habe, in denen die Konfessionsischule zum Dogma erhoben worden war. Wir dürfen ,dem bayerischen Kultusminister Dr. Huber sehr dankbar dafür sein, daß nun in Bayern die Weichen mindestens in diesem Punkte einmal anders gestellt werden. Es wird dann nützlich sein, diese Dinge neu zu überprüfen.

(Zuruf von der SPD: Optimist!)

Es ist meiner Ansicht nach erstaunlich, daß Sie sich sozusagen als neue Pragmatiker ,auf diesem Gebiet ausgeben, zumal die Geschichte einige andere Anhaltspunkte gibt. Ich habe mich über ein Fernsehinterview sehr amüsiert, das Herr Professor Carlo Schmid, der leider jetzt nicht anwesend sein kann, kürzlich im Zweiten Deutschen Fernsehen gegeben hat, wo er mit großer Emphase erklärte, daß die Sozialdemokraten neuerdings eine pragmatische Politik gerade in den Kulturfragen anstrebten. Mir scheint, daß es sich hier nicht um den Begriff „neuerdings" handeln kann; in Wahrheit hat ja Herr Professor Carlo Schmid lediglich an eine Tradition angeknüpft, die erselber als Vorkämpfer der Pragmatik im Jahre 1947 — das hat nichts mit der „Gruppe 47" zu tun, sondern das war ganz unabhängig davon — begonnen hatte. In Tübingen haben wir nämlich zu unserem großen Entsetzen schon einmal ein Abschwenken der Sozialdemokraten von einem bildungsfreundlichen Verhalten in der damaligen Verfassunggebenden Landesversammlung erlebt. Damals hat Herr Professor Carlo Schmid als Vorsitzender der SPD und Staatspräsident das Zugeständnis der Konfessionsschule, d. h. des Elternrechts, in dieser Verfassung gemacht. Es ist etwas unrealistisch, heute das Bildungsgefälle innerhalb von Baden-Württemberg zu beklagen — es besteht tatsächlich — und darauf hinzuweisen, daß Südwürttemberg ein unterdurchschnittliches Bildungswesen habe, wenn das von den gleichen Leuten geschieht, die damals dafür verantwortlich waren, daß das Bildungswesen dort so konstruiert wurde.

(Zustimmung bei der FDP. — Zuruf des Abg. Dr. Frede.)

Das war damals, Herr Dr. Frede, und das ist leider bis zum heutigen Tage nicht überwunden. Ihre Sprecher beklagen diese Tatsache, offensichtlich ohne zu wissen, was eigentlich die Ursache war. Wir haben sie damals schon bekämpft.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

— Das können Sie dann ändern. — Ich finde, diese Art von Pragmatik nicht ganz fair in der öffentlichen Auseinandersetzung. Man redet ja mit zwei Zungen. Auf der einen Seite betont man seine Bildungsfreundlichkeit, und auf der anderen Seite entscheidet man sich nicht in einer Sache, die dieser Bildungsfreundlichkeit so offensichtlich entgegenwirkt.
Ich möchte hinzufügen, daß das Wort, daß innerhalb der Bundesrepublik ein Bildungsgefälle bestehe wie etwa zwischen Schweden und Ghana, übrigens von einem Professor geprägt wurde, den Sie fälschlicherweise für einen der Ihren reklamiert hatten, von Professor Dahrendorf in Tübingen. Es ist aber wenigstens sehr erfreulich, daß Sie diese richtige Feststellung aufgenommen haben.

(Abg. Dr. Stoltenberg: So bedeutend ist diese Feststellung auch nicht, Herr Moersch!)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7453
Moersch
— Herr Dr. Stoltenberg, ob die Feststellung bedeutend ist oder nicht, sie 'bringt jedenfalls in sehr sinnfälliger Weise zum Ausdruck, was innerhalb eines Landes möglich ist, in dessen Verfassung immerhin steht, daß Staatsbürger gleiche Bildungschancen haben müßten oder daß mindestens Chancengleichheit für alle Bürger bestehen müsse. Insofern haben wir die Pflicht, uns darüber zu unterhalten. Es kann jedenfalls nicht hingenommen werden, daß Eltern, die zufällig in einem solchen Gebiet wohnen, dazu verurteilt werden, das nun hinzunehmen.
Was im übrigen den Begriff des Elternrechts betrifft, den Sie von der SPD neuerdings doch ziemlich hochhalten, zumindest für den Bereich der staatlichen Schulen, so möchte ich Sie bitten, einmal zu prüfen, ob Sie dieses Elternrecht noch richtig verstehen können. Bei der Abstimmung vor 17, 18 Jahren ist ja von den Großeltern der heutigen Kinder abgestimmt worden. In Wahrheit haben wir also ein Großelternrecht. Wenn wir das Elternrecht richtig praktizieren, dann müssen Sie heute dafür sein, daß erneut abgestimmt wird. Ich bitte Sie sehr, Ihre Freunde (zur SPD) im Landtag einmal auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen. Dann können wir noch einmal darüber sprechen.

(Beifall bei der FDP.)

Nun noch einige Anmerkungen zu den Fragen im Bund selbst. Ich muß offen gestehen: nicht alles in der Antwort des Herrn Bundesinnenministers kann voll und ganz befriedigen. Es wird notwendig sein, noch eine genaue Lektüre dieser Erklärung vorzunehmen. Es scheint in der Beweisführung nicht alles schlagend gewesen zu sein, Herr Minister. Ich muß Ihnen offen gestehen: daß in Berlin das Schulwesen vom Wissenschaftswesen in der Senatsverwaltung getrennt ist, sollte nicht unbedingt ein glückliches Vorbild für Bundeskonstruktionen abgeben. Ich glaube nicht daß wir solche Vorbilder für uns reklamieren sollten. Jedenfalls sollten wir sie auch nicht als Ausrede für mangelnde Koordinierung im Bund benutzen. Ich bin der Meinung, daß wir dm Bund zu ganz klaren Zuständigkeiten kommen müssen. Wir können nicht auf der einen Seite den zu starken Föderalismus der Länder beklagen und uns auf der anderen Seite innerhalb der Zuständigkeiten in der Bundesregierung um einen Partikularismus bemühen oder diesen Partikularismus hingehen lassen, der auf einigen Gebieten tatsächlich besteht.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist doch kaum zu verstehen, daß etwa das Deutsche Archäologische Institut oder das Honnefer Modell beim Bundesinnenminister ressortieren, während die allgemeine Wissenschaftsförderung beim Ministerium für wissenschaftliche Forschung ressortiert. Das kann man sachlich einfach nicht begründen. Das muß man einmal in aller Offenheit sagen. Man sollte sich bemühen, das abzustellen. Ich halte das nicht für eine gewachsene Konstruktion, sondern für eine zufällig gewordene. Es wäre sicher nützlich, wenn man sich dazu entschließen könnte, die ganzen Fragen im Zusammenhang mit der Bildungsplanung und dem Bildungsrat beim Minister für wissenschaftliche Forschung zu belassen bzw. dorthin zu verlegen, damit die Dinge in einer Hand sind. Ich bin der Auffassung, daß den Vorsitz im Wissenschaftskabinett — das ist in dem Antrag schon zum Ausdruck gekommen — selbstverständlich der Minister für wissenschaftliche Fonschung haben muß.

(Abg. Dr. Martin: Sehr richtig!)

Das ist einfach sachlich geboten und kann anders kaum richtig vertreten werden.
Nun die letzte Sorge hier, die Sorge der Finanzierung, die uns alle sicherlich sehr bewegt. Herr Professor Raiser — auch ein Name, der Ihnen (zur SPD) sicher von Karlsruhe her noch vertraut ist — hat vor wenigen Tagen eine Erklärung abgegeben, die wir uns sehr zu Herzen nehmen sollten. Er hat nämlich der Sorge Ausdruck gegeben, daß in diesem Bundestag bei den relativ geringen Möglichkeiten, die man im Haushalt noch hat, eine falsche Rangfolge der Mittel geplant wird. Wenn wir uns hier einig sind, daß die Bildungspolitik wirklich an der ersten Stelle steht — und ich stimme insofern Herrn von Knoeringen völlig zu —, dann sollten wir auch alle zusammen, die wir hier sitzen, den Mut haben, das in den Fraktionen und auch gegenüber der Bundesregierung entsprechend zu vertreten. Ich fürchte, daß diejenigen, die heute nicht hier sind, ganz andere Ansichten darüber haben und daß das, was jetzt hier an die erste Stelle gerückt wird, alles das, was hier an Gehalt geboten worden ist, lediglich einen Schein darstellt, den man in wenigen Monaten vielleicht doch nicht wird einlösen können. Diese Sorge sollte uns alle zusammen bewegen. Wir sollten diese Dinge ernst nehmen und zusammenarbeiten, wie das auch schon vorgeschlagen worden ist. An uns Freien Demokraten soll es dabei jedenfalls nicht fehlen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415122300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415122400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die deutsche Offentlichkeit bestimmte Erwartungen an kulturpolitische Debatten dieses Hauses knüpft. Einmal wird sie wünschen, daß hier die Erörterung politischer und administrativer wie finanzieller Einzelfragen in einem Gesamtzusammenhang der Bildungsdiskussion und der Bildungsaufgaben unserer Zeit erfolgt. Andererseits kann sich aber das Parlament nicht auf die Theorie oder den geistigen oder politischen Gesamtentwurf beschränken. Was hier gesagt wird, muß im tatsächlichen politischen Verhalten aller Beteiligten auch bestehen können. Es muß auch vor dem Hintergrund unserer Verfassung Gewicht haben, der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, dem Verhalten der Parteien im Gesamtzusammenhang der Innenpolitik.
Ich glaube, daß wir in der qualifizierten Publizistik gegenüber früheren Jahren auch eine zunehmende Erkenntnis und ein Anvisieren dieser Tatbestände haben, weil wir alle im Grunde der Gemeinplätze etwas müde geworden sind. Ich darf in diesem Zusammenhang offen sagen, daß die Rede von Herrn
7454 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Stoltenberg
Erler, die doch als ein besonderer Auftakt, auch durch den Rang des Sprechers, gedacht war,. für uns enttäuschend war. Ich bin unwillkürlich etwas versucht gewesen, an das Urteil von Professor Walter Jens über die bildungspolitischen Leitsätze der SPD zu denken, das er bei ihrem Parteitag ausgesprochen hat: ein Meisterstück von Allgemeinheiten, die — so möchte ich hinzufügen — nicht einmal immer stimmten.
Ich darf mich nur auf das beziehen, was Herr Martin schon zu der parteipolitischen Ausdeutung der Länderstatistiken hier gesagt hat. Sie sind, glaube ich, bereits sehr überzeugend durch den Kollegen Martin korrigiert worden. Aber ich glaube, sie bedürfen auch der sachlichen Ergänzung. Man sollte sich jedenfalls der neuesten Zahlen bedienen

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

und die neuesten Entwicklungen berücksichtigen, wenn man diese Dinge anspricht. Wir haben nämlich in den letzten Jahren in den einzelnen Bundesländern einen Trend, der demjenigen ganz entgegengesetzt ist, der aus den Zahlen von Herrn Erler hervorging. Ich will, nachdem diese Dinge hier so einseitig dargestellt wurden, hier auch die notwendige Korrektur vornehmen.
Die Zahl der Schüler an weiterführenden Schulen hat sich im Bundesgebiet in den Jahren von 1959 bis 1962 um rund 7 % vergrößert. Wir haben in Baden-Württemberg eine Zunahme von 5,6 %, in Bayern eine Zunahme um 5,5 %, in Berlin eine Abnahme um 12,5 %, in Bremen eine Zunahme um 0,1%, in Hamburg eine Abnahme um 11 %, in Hessen eine Abnahme um 3,7 %, in Rheinland-Pfalz eine Zunahme um 17,6 %,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

im Saarland eine Zunahme um 14 %, in Nordrhein-Westfalen eine Zunahme um 5,7 % und in Schleswig-Holstein eine Abnahme um 3,8 %.
Was machen diese Zahlen deutlich? Sie zeigen, daß der Prozeß der gleichförmigeren Ausnutzung der Bildungsmöglichkeiten und des gezielten Ausbaus des weiterführenden Bildungswesens in jenen bisher zurückgebliebenen Gebieten in vollem Gange ist und zu ganz eindrucksvollen Ergebnissen geführt hat, gerade in jenen Ländern, die hier als zurückgeblieben charakterisiert worden sind.

(Abg. Holkenbrink: Da ist die Durchführung des Sofortprogramms bereits in vollem Gange!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415122500
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Sanger?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415122600
Gerne.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0415122700
Herr Dr. Stoltenberg, sind Sie in der Lage, das Verhältnis dieser Zahlen zur Gesamtschülerzahl mitzuteilen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415122800
Diese Frage ist sehr interessant, Herr Sanger. Ich bin allerdings im Augenblick nicht in der Lage, das anhand meiner
Unterlagen zu sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Gesamtschülerzahl um 5,6 % in diesen Jahren zugenommen hat.

(Zuruf von der SPD: Die Jahrgänge sind stärker geworden!)

Natürlich sind die Jahrgänge stärker geworden; aber das gilt doch für die anderen Länder genauso, Herr Kollege Sänger und Herr Kollege Frede. Ich habe diese Zahlen deshalb gebracht, weil die Darlegung an Hand älterer Zahlen, die Herr Kollege Erler hier vorgelesen hat, einen ganz falschen Eindruck vermittelt auf dem Hintergrund dieser Entwicklung in den vergangenen Jahren im Vergleich der einzelnen Bundesländer zueinander.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415122900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415123000
Gerne, Herr Präsident.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0415123100
Herr Dr. Stoltenberg, auch ich bin nicht in der Lage, Ihnen alle Zahlen zu nennen, wohl aber die für unser gemeinsames Land Schleswig-Holstein. Sie sagten: ein Rückgang von 3,8 %. Der Schülerrückgang ist aber bei weitem nicht so groß wie der Rückgang in den weiterführenden Schulen. Das trifft z. B. für Hamburg — dessen Zahl mir nicht gegenwärtig ist — in einem noch beträchtlicheren Maße zu.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415123200
Einen Augenblick, Herr Kollege! Das ist zwar keine Frage, aber ein nützlicher Diskussionsbeitrag.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415123300
Es ist ein nützlicher Diskussionsbeitrag, würde auch ich sagen. Ich glaube auch, Herr Sänger, daß man selbstverständlich dieses statistische Material weiter interpretieren müßte. Aber mir kam es doch auf einen Punkt hier an. Ich habe hier einen bestimmten Bezugspunkt in der meines Erachtens irreführenden Art, in der Herr Erler die Zahlen vorgelegt hat, angesprochen, und ich glaube, die von mir genannten Vergleichszahlen in der Entwicklung der letzten Jahre, die das Gegenteil beweisen, dürften zur Behandlung dieses Punktes in diesem Augenblick ausreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415123400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Holkenbrink?

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0415123500
Würde es als hilfreich angesehen, wenn mitgeteilt werden könnte, daß in diesem heute morgen von der SPD so verketzerten Land Rheinland-Pfalz die Gesamtzahl, nach der soeben gefragt wurde, nämlich die Gesamtzahl der Schüler, die jetzt inzwischen dort in weiterführende Schulen gehen, von 21 auf 25 % gestiegen ist?
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7455

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415123600
Ich glaube, das unterstreicht nur noch die Tatsache, von der ich gesprochen habe.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415123700
Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0415123800
Herr Stoltenberg, würden Sie bereit sein zuzustimmen, wenn ich sage, daß die von Ihnen dargelegten Zahlen bewiesen, daß auch in den Nachzüglerländern inzwischen erfreulicherweise einiges getan worden ist, daß aber noch sehr viel zu tun ist, um den Vorsprung der anderen aufzuholen?

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415123900
Ich glaube, Herr Erler, die von mir vorgelegten Vergleichszahlen beweisen, daß diese Entwicklung bereits in den 50er Jahren eingesetzt hat, und wir dürfen solche wesentlichen Entwicklungen nicht außer acht lassen, wenn wir über diese Fragen sachlich diskutieren wollen.

(Abg. Holkenbrink meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415124000
Herr Abgeordneter Holkenbrink, einen Augenblick! Mit mir können Sie es machen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415124100
Mit mir auch.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415124200
Wenn es der Redner zuläßt, soll es mir recht sein. Bitte sehr!

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0415124300
Dürfte es weiterhin für eine objektive Beurteilung als hilfreich angesehen werden, wenn eine Vergleichszahl zur Verfügung steht, die besagt, daß bei dem Bundesdurchschnitt von ungefähr 7,2 % im Lande Rheinland-Pfalz im Jahre 1963 7,3 %: der 19jährigen das Abitur gemacht haben, so daß also das, was dort aufgeholt werden müßte, in einem bereits in Durchführung begriffene Sofortprogramm in vollem Gange ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415124400
Ich darf das noch als eine Unterstreichung meiner Darlegung werten, daß seit Ende der 50er Jahre die wünschenswerte dynamische Entwicklung gerade in den Gebieten im Gange ist, die bisher, sicher aus sachlichen Gründen, hinter dem Bundesdurchschnitt zurückgeblieben sind. Aber, meine Damen und Herren, es ist vor allem eine Unterstreichung der Tatsache, die Herr Martin nachdrücklich dargestellt hat, daß man diese sehr schwerwiegenden und differenzierten Fragen nicht so leichthin für parteipolitische Aspekte auswerten sollte, wie das heute morgen geschehen ist. Wenn wir über diese Fragen überhaupt wirklich sachbezogen sprechen, mit dem Rang, der ihnen zukommt, dann sollten wir jede Schwarz-Weiß-Malerei vermeiden. Es ist nicht sinnvoll, daß die Regierungsfraktionen nur von den Leistungen sprechen und die Opposition nur von den vermeintlichen oder wirklichen Versäumnissen spricht. Daran haben unsere Debatten manchmal in der Vergangenheit gekrankt.
Es sind heute eindrucksvolle Leistungszahlen genannt worden, und wir alle wissen, was noch zu tun ist.
Schwieriger als dies ist oft die Verwirklichung des bereits Beschlossenen, die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel, die nach Ansicht vieler noch nicht zureichend sind. Wir haben die eigentümliche Tatsache, daß wir hier jedes Jahr über die Höhe der Mittel für Wissenschaft und Forschung sprechen und zum Ende des Jahres feststellen, daß bestimmte Beträge aus bestimmten Titeln, die angeblich unterdotiert waren, nicht einmal fristgerecht und voll verwendet worden sind. Wir werden das bedauerlicherweise auch bei dem Jahresabschluß 1965 feststellen.
Wir haben z. B. im vergangenen Jahr auf Grund einer Initiative der CDU/CSU und der FDP im Haushaltsausschuß des Bundestageseinen ersten Betrag zur Verfügung gestellt, und zwar, Herr Erler, für den Bundeszuschuß zum Ausbau der neuen Hochschulen. Wir haben es erlebt, daß die Bindungsermächtigung für diesen Betrag praktisch nicht zum Zuge kommt, weil die Ministerpräsidenten der Länder unter maßgeblicher Mitwirkung Ihrer Freunde erklärt haben, daß sie das als eine Länderaufgabe ansähen, an der der Bund nicht mitwirken sollte.
Nun werden wir, nachdem dieses Verwaltungsabkommen so abgeschlossen ist, einen zweiten Anlauf machen müssen. Die Bundesregierung hat den Ländern ihre Vorschläge gemacht und gesagt, unter welchen Voraussetzungen eine Bundeshilfe möglich ist. Wir überlegen uns, ob wir nicht bereits bei den Haushaltsberatungen 'dieses Jahres erneut mit einer Bindungsermächtigung die Möglichkeit geben sollten, jedenfalls die medizinischen Akademien, die in dem Verwaltungsabkommen ausgeschlossen sind, durch eine Bundeshilfe zu fördern. Man kann aber nicht von einer mangelnden Leistung der Bundesregierung oder des Bundestages sprechen, nachdem wir auf Grund der Initiative der Koalition im vergangenen Jahr Mittel bereitgestellt haben, die durch einen Beschluß der Länder dann nicht abgerufen worden sind. Hier muß sich Ihre Kritik in 'eine andere Richtung bewegen als an uns.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415124500
Herr Abgeordneter Dr. Lohmar möchte eine Zwischenfrage stellen. — Bitte!

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415124600
Herr Kollege Stoltenberg, sollten wir nicht davon ausgehen, daß der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung — übrigens in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Opposition — erklärt hat, der Bund werde Mittel für die neuen Universitäten nur unter der Voraussetzung zur Verfügung stellen, .daß sie zusätzlich zu den Ländermitteln verwendet würden? Diese Voraussetzung ist bisher nicht gegeben. Herr Erler hat heute morgen gesagt, wir sollten uns gemeinsam darum bemühen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0415124700
Sehr wahr, Herr Lohmar. Aber ich finde, daß Sie Ihre Kritik in der Offentlichkeit oft an 'die falsche Adresse richten. Der
7456 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Stoltenberg
Bundestag hat auf unsere Initiative — das ist heute morgen aus den Ausführungen von Herrn Erler nicht klargeworden — bereits Mittel bereitgestellt. Durch ein Länderabkommen, .das maßgeblich die Handschrift Ihres Parteifreundes Zinn — neben denen anderer Ministerpräsidenten — trägt, ist gerade eine Konstruktion gefunden worden, die es bisher unmöglich macht, daß die Bundesmittel zusätzlich gegeben werden. Ich glaube, dieser Sachverhalt gehört mit zu einer solchen kritischen Betrachtung und Darstellung, wie sie heute morgen gegeben worden Ist.
Über ,die Frage des Bildungsrats hat Herr Martin gesprochen. Ich brauche das nicht weiterzuführen. Aber ich muß noch einmal sehr nachdrücklich aufnehmen, was der Herr Bundesinnenminister zu einem anderen Punkt Ihrer Anfrage gesagt hat. Wir stehen hier bei dem Ausbildungshilfengesetz im Zusammenhang mit unserer Entscheidung, vom Gebiet der Familienpolitik her gesehen, in 'dem die Bundeszuständigkeit unstrittig Ist, vor dem gleichen Dilemma, wenn wir in unserem Gesetzentwurf eine gewisse Form der Ausbildungshilfe festlegen wollen.
In der Öffentlichkeit ist von Ihnen scharfe Kritik daran geübt worden; daß wir dieses Gesetz nicht voranbringen. Wir müssen das ganz nachdrücklich zurückweisen. Gerade von Ihren Länderministern, Ihren Landesregierungen — etwa vom hessischen Staatssekretär Dr. Müller in einer Sitzung des Bundestagsarusschusses für Familien- und Jugendfragen am 7. März 1963 — wird die Gesetzgebungszuständigkeit deis Bundes bezweifelt und eine Verfassungsgerichtsklage in Karlsruhe angedroht.

(Hört! Hört! von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben doch jene Klage unterstützt, die mit dem gleichen Argument der fehlenden Bundeszuständigkeit bezüglich bestimmter Paragraphen des Jugendhilfengesetzes in Karlsruhe eingebracht wurde. Sie können uns, wenn Sie sich nicht den Vorwurf mangelnder intellektueller Redlichkeit zuziehen wollen, nicht in der Offentlichkeit und in den Jugendverbänden wegen dieser Dinge angreifen, die Sie über den Bundesrat sabotieren.

(Bravo! und Zustimmung in der Mitte.)

Ich glaube, hier muß noch ein weiteres gesagt werden. Ich darf mich in diesem Punkte auf die von mir völlig geteilten Darlegungen von Herrn Moersch beziehen. Den Stand, den die kulturpolitische und die bildungspolitische Diskussion an Präzision und Sachkunde in Deutschland heute gegenüber früheren Jahren zweifellos gewonnen haben, kann man an den bildungspolitischen Forderungen jeder Partei nur noch auf dem Hintergrund ihres allgemeinen innen- und finanzpolitischen Verhaltens messen. In diesem Zusammenhang muß ich sagen, es klingt vieles von dem, was wir von Ihnen darüber heute gehört haben, etwas hohl, selbst wenn es gut formuliert ist. Wir haben nämlich in Karlsruhe von ganz anderen Prioritäten gehört. Wir haben gehört, daß wir auf dem Gebiet der individuellen Sozialleistungen versagten. Herr Schellenberg ist noch dabei, die Kosten seiner „allgemeinen Volksversicherung" zu berechnen. Wir wissen, daß das in die Milliarden gehen und die öffentlichen Haushalte belasten wird. Wir wissen, daß wir auf allen anderen Gebieten der individuellen Sozialleistungen von Ihnen neue Anträge bekommen werden. Herr Brandt hat — weil das besonders wirksam ist
— den Fragen des Herzinfarktes und der Krebserkrankung, die auch wir — genau wie Sie — ernst nehmen,

(Zuruf von der Mitte: Sehr ernste Aufgaben!)

— sehr ernst Aufgaben — die unbedingte Priorität zugemessen. Andere Herren aus Ihren Reihen sprechen davon, daß die Lösung der innnerstädtischen Verkehrsprobleme — ein Milliardenprogramm — das Wichtigste sei. Wir kennen die Probleme von Bahn und Post und Ihre Forderungen dazu. Aber auf diesem Hintergrund einer allgemeinen, fast unbegrenzten Ausweitung der Bundesaufgaben auf den verschiedensten Gebieten ist über Deklamationen hinaus ein fundierter Schwerpunkt „Kulturpolitik" nicht erkennbar.
Das ist, glaube ich, das Problem, wenn wir über diese Fragen diskutieren wollen. Ich könnte Ihnen hier die Liste Ihrer jetzt schon eingebrachten Anträge vorlesen. Ich will mir das ersparen; wir werden darauf sicher noch in anderem Zusammenhang kommen. Wir werden uns im nächsten Jahr über diese Kostenberechnungen sicher sehr gründlich zu unterhalten haben. Aber man kann nicht in der Weise, wie Sie es wollen, die Sozialleistungen individueller Art über den hohen Stand und die, wie ich glaube, realistischen Pläne der Bundesregierung hinaus um Milliarden steigern, gleichzeitig pauschal von den unbewältigten Gemeinschaftsaufgaben sprechen und schließlich noch die Senkung der unsozialen Verbrauchsteuern beantragen. Meine Damen und Herren, das ist ein Programm, das die deutsche Offentlichkeit und wir Ihnen nicht abnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Weil das so ist, plädieren wir dafür, daß wir uns um eine Innenpolitik aus einem Guß bemühen. Ich glaube, daß wir mit Klischees, auch mit dem Klischee von der Bildungskatastrophe und ähnlichen Vokabeln, nicht weiterkommen. Ich glaube, daß wir diese Fragen im Gesamtzusammenhang unserer Verfassungsordnung, unserer staatlichen Verantwortung zu sehen haben und daß wir uns mit intellektueller Redlichkeit und logischer Klarheit auf allen Seiten des Hauses auch auf Lösungen einigen können, die der Sache gerecht werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0415124800
Herr Abgeordneter Lohmar, wollen Sie jetzt noch das Wort nehmen?

(Abg. Dr. Lohmar: Vielen Dank!)

— Wie lange wollen Sie sprechen?

(Abg. Dr. Lohmar: Das ist nicht genau zu sagen; aber unter einer halben Stunde nicht!)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7457
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
— Dann werde ich jetzt die Sitzung unterbrechen. Wir werden um 15 Uhr wieder beginnen, dann aber zunächst den Tagesordnungspunkt 5 behandeln. Das beruht auf einer interfraktionellen Vereinbarung. Es handelt sich dabei um die Frage der Verfolgung von NS-Mordtaten. Dazu sollen kurze Erklärungen abgegeben werden. Anschließend kehren wir dann zum Tagesordnungspunkt 4 zurück. Als erster Redner hat dazu das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Lohmar; dann sprechen Frau Funcke und Frau Geisendörfer. Danach werden die Änderungsanträge bzw. zusätzlichen Anträge begründet und diskutiert.
Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.54 bis 15.02 Uhr.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415124900
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verfolgung von NS-Mordtaten (Drucksachen IV/2823).
Es sind zwei Redner gemeldet, der Herr Abgeordnete Dr. Weber und der Herr Bundesjustizminister. Herr Abg. Dr. Weber, Sie haben das Wort.

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0415125000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich die Ehre, zu dem Antrag der CDU/CSU und SPD betreffend Verfolgung von NS-Mordtaten, Drucksache IV/2823, folgende Erklärung abzugeben.
Die Frage, ob die Verfolgung der Mordtaten in der Nazizeit mit Ablauf der zwanzigjährigen Frist am 8. Mai 1965 verjähren soll, hat die deutsche und die internationale Öffentlichkeit in den letzten Wochen und Monaten stark beunruhigt. Sie hat eine lebhafte, zum Teil leidenschaftliche Diskussion über das Für und Wider entfacht, insbesondere nachdem die Bundesregierung bekanntgegeben hatte, keine Initiative in Richtung auf Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Verlängerung der Verjährungsfrist zu ergreifen. Die für diesen Beschluß angegebene Begründung, eine solche Verlängerung der Verjährungsfrist verstoße gegen das Grundgesetz und sei auch rechtsstaatlich 'bedenklich, ist in der Offentlichkeit sowohl mit Zustimmung, aber noch viel mehr mit Ablehnung und Kritik zur Kenntnis genommen worden.
In dieser Situation ist meine Fraktion, wohl in Übereinstimung mit diesem ganzen Hause, der Meinung, daß dieses Haus die Verpflichtung habe und auch der gegebene Ort sei, ein klärendes Wort zu sagen und zu bekunden, daß die Wahrung der Gerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit zu den Grundelementen und zu den Fundamenten unserer staatlichen Ordnung gehört.
Diesem Gebot ist aber auch in der vergangenen Zeit Genüge getan worden. Wenn teils besorgt, teils erregt und entsetzt gefragt wird, wie es denn möglich sei, daß diese Massenmorde jetzt, nahezu zwanzig Jahre nach Ende der Gewaltherrschaft, noch nicht aufgeklärt und abgeurteilt worden seien, so muß darauf geantwortet werden, daß die Justizbehörden auch in der Vergangenheit nicht versagt sondern alles in ihren Kräften Stehende getan haben, um die ihnen gestellte Aufgabe zu erledigen Wir sind der Meinung, daß allen daran beteiligten Richtern und Staatsanwälten öffentlich der Dank dafür ausgesprochen werden sollte — wie das auch in der Einleitung unseres Antrages geschieht —, daß sie sich dieser schwierigen und unerfreulichen Arbeit so nachdrücklich unterzogen haben.
Wer sich ein Bild darüber machen will, was auf diesem Gebiet schon getan worden ist, der sei auf die dankenswerte Veröffentlichung und Dokumentation des Bundesjustizministeriums „Die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seit 1945" hingewiesen. Da wird man dann nicht mehr sagten können, man habe diese Verbrechen nicht mit dem gebührenden Nachdruck verfolgt. Diese in der Vergangenheit geleistete Arbeit wird auch, wie ich schon gesagt habe, in der Einleitung des Antrages ausdrücklich anerkannt.
Niemand will, daß Mörder frei herumlaufen. Niemand will, daß die an den Massenmorden Beteiligten von diesem Staate noch Pensionen oder sonstige öffentliche Leistungen beanspruchen können.
Es muß gesagt werden, daß die Zentrale Stelle zur Aufklärung der NS-Verbrechen in Ludwigsburg umfassende Arbeit geleistet hat, so daß wir beinahe sicher sein können, daß kein größerer Mordkomplex bisher nicht erfaßt ist, und, was vor allen Dingen wichtig ist, daß in diesem Komplex bereits die Verjährung unterbrochen ist, so daß also, soweit die Unterbrechung erfolgt ist, diese Täter auch nach dem 8. Mai 1965, falls dann die Verjährung Platz greifen sollte, verfolgt werden können.
Die Beschaffung der Unterlagen war und ist infolge der politischen Verhältnisse in Europa sehr schwierig. Wir begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung sich mit dem Aufruf vom 20. November an die ganze Weltöffentlichkeit gewandt hat mit der Bitte, alles vorhandene Material über solche Mordtaten unverzüglich den deutschen Vertretungen und den deutschen Behörden zuzuleiten.
Wir schließen uns diesem Aufruf nachdrücklich an.
Wir stellen mit Befriedigung fest, daß am gleichen Tage, dem 20. November, die Justizminister der Länder bereits vorsorgende Maßnahmen im Sinne unseres heutigen Antrages getroffen haben, indem sie eine Verstärkung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg vorgenommen haben, so daß zu hoffen ist, daß etwa noch eingehendes Material alsbald gesichtet und dann für eine Unterbrechung der Verjährung gesorgt werden kann, so daß also diese Täter auch nach dem 8. Mai 1965 noch zur Verantwortung gezogen werden können.
Um aber sicherzustellen, daß auch in dieser Frage nichts unterlassen wird, ist die Bundesregierung gebeten, bis zum 1. März 1965 zu berichten, ob in allen in Betracht kommenden Mordfällen Ermittlun-
7458 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Weber (Koblenz)

gen eingeleitet sind und die Unterbrechung der Verjährung sichergestellt ist. Wenn diese Versicherung nicht abgegeben werden kann, werden wir uns zu diesem Zeitpunkt noch einmal ernstlich mit der Frage befassen müssen, ob nicht doch eine Verlängerung der Verjährungsfristen statthaben soll.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Dabei will ich nicht verschweigen, daß in den Reihen meiner eigenen Fraktion schon jetzt der Gedanke erwogen wird, einen entsprechenden Antrag einzubringen. Ich bin aber der Meinung, daß man den genannten Termin abwarten sollte. Es bleibt dann noch genug Zeit, um unser Ziel zu erreichen, daß für alle Greueltaten und Mordtaten dieser furchtbaren Zeit Gerechtigkeit geübt wird. Diesem Ziel soll unser Antrag dienen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415125100
Das Wort hat der Herr 'Bundesjustizminister.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0415125200
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag habe ich die Ehre, namèns der Bundesregierung folgende Erklärung abzugeben.
Die Staatsanwaltschaften und Gerichte der Bundesrepublik bemühen sich seit vielen Jahren, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verübten Untaten zu ahnden. Die seit 1958 bestehende Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg hat dabei wertvolle Hilfe geleistet. Über die Ergebnisse der Bemühungen der deutschen Justiz zur Sühne des begangenen Unrechts können Sie Näheres aus der Broschüre ersehen, die der Herr Kollege Weber soeben anerkennend erwähnt hat.
In dem Bestreben, die nationalsozialistischen Mordtaten restlos aufzuklären, hat die Bundesregierung am 20. November 1964 einen Aufruf an alle Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen im In- und Ausland erlassen, bisher noch nicht bekanntes Material der Zentralen Stelle in Ludwigsburg im Original, in Ablichtung oder auf 'Mikrofilm zur Verfügung zu stellen. Sämtliche diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland sind beauftragt, angebotenes Material entgegenzunehmen und weiterzuleiten.
Der Aufruf hat bereits eine große Menge von Zuschriften an die Zentrale Stelle in Ludwigsburg zur Folge gehabt. Ob das Material zur Einleitung neuer Verfahren geeignet ist, wird zur Zeit geprüft. Mit weiteren Mitteilungen, insbesondere aus den Ländern des Ostblocks, ist zu rechnen. Die Bundesregierung legt aber Wert auf die Feststellung, daß sie schon lange zuvor im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen darauf hingewirkt hat, daß alle Taten vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgeklärt und verfolgt werden und daß insbesondere in allen Fällen die Verjährung rechtzeitig unterbrochen wird. Die Bundesregierung begrüßt es, daß ihre Bemühungen und die Arbeit der Zentralen
Stelle in Ludwigsburg in dem eingebrachten Antrag anerkannt werden.
Zu den einzelnen Punkten des Antrags darf ich folgendes ausführen:
Zu Punkt 1! Die Justizminister und -senatoren der Länder haben mit mir am 20. November 1964 in Bonn eingehend die Frage erörtert, welche Komplexe nationalsozialistischer Straftaten noch der Aufklärung bedürfen und welches bisher noch nicht ausgewertete Material für eine weitere Sachaufklärung in Betracht kommt. Dabei bestand Einigkeit darüber, das gesamte vorhandene Dokumentationsmaterial und alle sonstigen Beweismittel über nationalsozialistische Verbrechen auch weiterhin systematisch auszuwerten, um die Verjährung bei allen Personen, gegen die ein Strafverfahren in Betracht kommt, rechtzeitig unterbrechen zu können.
Zu Punkt 2! Über die Auswertung der deutschen und ausländischen Archive hat Oberstaatsanwalt Schüle in der genannten Justizministerbesprechung folgendes berichtet. Das Bundesarchiv in Koblenz enthält im wesentlichen das Material, das von dem Leiter der Zentralen Stelle bereits 1960 in den USA ausgewertet wurde, ferner sogenannte Mischbestände — das sind Akten früherer Polizeieinheiten —, die ebenfalls durchgesehen sind, schließlich Akten von Behörden aus dem Geschäftsbereich des ehemaligen Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, die von der Zentralen Stelle und einzelnen Staatsanwaltschaften geprüft wurden. Einzelheiten hierzu habe ich bereits in meiner Antwort vom 4. Juni 1964 — Drucksache IV/2323 — auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion betreffend Verfolgung von Straftaten unter dem NS-Regime vom 28. April 1964 mitgeteilt.
Die Unterlagen des Nürnberger Staatsarchivs bestehen in dem hier interessierenden Teile vor allem aus den Protokollen der Nürnberger Prozesse. Die Dokumente sind ausgewertet. Sie sind außerdem vom Institut für Zeitgeschichte in München erfaßt.
Das Militärgeschichtliche Forschungsinstitut der Bundeswehr in Freiburg ist im Frühjahr 1964 von einer Auswertergruppe unter Leitung der Zentralen Stelle durchgearbeitet worden; das Material ist den Staatsanwaltschaften zugeleitet worden.
Umfang und Bedeutung des Materials in Ostberlin und dem Deutschen Zentralarchiv in Potsdam sind nicht bekannt. Nach einer Meldung der Nachrichten-Agentur upi vom 23. November 1964 soll der Präsident des Obersten Gerichts der sowjetischen Besatzungszone, Toeplitz, am gleichen Tage — also erst vor wenigen Tagen — erklärt haben, „in den Archiven der Sowjetzone lagerten noch riesige Mengen von Akten, in denen Zehn- oder gar Hunderttausende von Deutschen belastet würden". Wenn diese Meldung zutrifft, so würde sich die beschämende Feststellung ergeben, daß das Zonenregime zwar der Bundesrepublik stets den ungerechtfertigten Vorwurf macht, die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten werde nicht intensiv genug betrieben, selbst aber nahezu 20 Jahre lang die Auswertung der in seinem Besitz befindlichen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7459
Bundesminister Dr. Bucher
Akten versäumt oder aus politischen Gründen bewußt unterlassen hat.

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

Das amerikanische Document Center in Berlin steht mit Ludwigsburg in laufender Verbindung.
Das Centre de Documentation Juive Contemporaine in Paris besitzt Zeugenaussagen. Ein Staatsanwalt der Zentralen Stelle war einige Wochen dort. Sämtliche bei der Zentralen Stelle bekannten Personen sind bereits durch französische Militärgerichte abgeurteilt.
Die Wiener Library in London enthält keine Hinweise auf heute noch verfolgbare, bisher unbekannte Täter.
Die Archive in Norwegen stehen über den dortigen Generalstaatsanwalt zur Verfügung.
Mit der österreichischen Zentralstelle in Wien besteht eine enge Verbindung. Ludwigsburg wird laufend unterrichtet.
Mit Yad Washem steht Ludwigsburg in ständiger Verbindung. Zeugenvernehmungen werden von dem Landesstab der Israelpolizei unter Oberstleutnant Dr. Liff durchgeführt.
Nach einer schriftlichen Mitteilung der Zentralen Stelle sind auch im Kibbuz Lochamej Hagethaoth vorhandenen Urkunden durchgesehen worden. Es ergab sich aber, daß aus diesen Beständen für die Arbeit der Zentralen Stelle wahrscheinlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen werden können.
Aus Rußland hat Professor Alexejew im Frühjahr 1963 wichtiges Material überbracht. Auf Anforderung auf dem Rechtshilfewege wurde außerdem genau bezeichnetes Material zur Verfügung gestellt. Zum Auschwitzprozeß ist Professor Alexejew wieder erschienen und hat 24 Totenbücher vorgelegt, die für den Prozeß von Bedeutung waren.
Soeben erhalte ich noch folgende ergänzende Mitteilung vom Herrn Justizminsiter des Landes Baden-Württemberg, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen möchte:
Es haben zahlreiche Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshof und den allierten Militärgerichten stattgefunden, z. B. Wilhelmstraßen-Prozeß (Auswärtiges Amt), Juristenprozeß ... und der sich daran anschließende große Prozeß gegen Angehörige des Reichsjustizministeriums, ... gegen Angehörige des Rasse- und Siedlungshauptamtes ... sowie der Ärzteprozeß.
Beim Generalstaatsanwalt Frankfurt ist ein Verfahren gegen den früheren Gesandten und SA-Führer Beckerle anhängig, in dem die Abteilung Inland II des Auswärtigen Amtes erfaßt ist. Außerdem sind Verfahren gegen Legations-rat a. D. Wagner in Essen und gegen Legations-rat von Hahn in Frankfurt anhängig....
Gegen das Reichssicherheitshauptamt ermittelt der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht in Berlin. Außerdem sind oder waren mindestens weitere 9 Verfahren gegen Angehörige des
RSHA bei verschiedenen Staatsanwaltschaften anhängig.
In Verfahren gegen Heyde und zahlreiche andere wegen Beteiligung an der Euthanasie ist dieser ganze Komplex mit den Auswirkungen in den Verwaltungen und Obersten Reichsbehörden erfaßt.
Gegen Angehörige des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete waren oder sind Verfahren in Nürnberg, Fürth und Hannover anhängig. Gegen den Leiter der Parteikanzlei, Bormann, ermittelt der Generalstaatsanwalt in Frankfurt.
Die Ereignisse in der Kristallnacht sind, soweit es sich um Tötungsverbrechen handelt, ebenfalls in zahlreichen anhängigen oder abgeschlossenen Verfahren erfaßt.
Daraus ist zu ersehen, daß für Komplexe mit Tatort Inland keine wesentlichen neuen Ergebnisse mehr zu erwarten sind.
Die Justizminister und -senatoren der Länder haben sich in der bereits erwähnten Besprechung am 20. November 1964 bereit erklärt, die Zentrale Stelle in Ludwigsburg personell so zu verstärken, daß sie auch weiterhin etwaige bisher noch nicht hinreichend erforschte Komplexe aufklären kann, soweit nicht schon andere Behörden für die Verfolgung dieser Taten zuständig sind. Die Zentrale Stelle wird wie bisher ihre Dienste bei der Beschaffung von in- und ausländischem Dokumentenmaterial auch für Tatorte Inland zur Verfügung stellen.
Die Justizminister und -senatoren der Länder waren sich darüber einig, daß — vorbehaltlich der Zustimmung der Länderkabinette — unverzüglich eine umfassende Dokumentation sowohl über alle bisher aufgeklärten als auch über die noch der Aufklärung bedürftigen Komplexe zusammengestellt werden soll. Dabei soll auch das 'ausgewertete und das für die weitere Ermittlungstätigkeit noch in Betracht kommende Material angegeben werden. Fünf Landesjustizverwaltungen — und heute eine ,sechste — haben mir bereits mitgeteilt, daß ihre Kabinette mit der Durchführungdieser Arbeit einverstanden sind.
Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD und die Begründung des Antrags durch Herrn Kollegen Weber haben den Staatsanwälten und den Gerichten für die geleistete Arbeit ausdrücklich Anerkennung ausgesprochen und insbesondere die von der Zentralen Stelle vorgenommene Überprüfungsarbeit gewürdigt. Die Bundesregierungbegrüßt diese hier ausgesprochene Anerkennung. Sie begrüßt es insbesondere, daß sich die Erklärung dem Aufruf der Bundesregierung vom 20. November 1964 anschließt, und sie gibt der Überzeugung Ausdruck, daß es gelingen wird, alles erforderliche Material zur Aufklärung der Mordtaten so rechtzeitig den deutschen Behörden zur Verfügung zu stellen, daß es eines besonderen Gesetzes zur Verlängerung der Verjährungsfrist nicht bedarf.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

7460 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415125300
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0415125400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der .SPD habe ich 'die Ehre, folgende Erklärung abzugeben. Der bevorstehende Ablauf der Verjährungsfrist für Mordtaten unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat in der Öffentlichkeit des In- und Auslandes zu der berechtigten Frage geführt, ob alle diejenigen nach dem 8. Mai 1965 straffrei ausgehen sollen, denen es bisher gelungen ist, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Diese Frage fordert eine sorgfältige und verantwortungsbewußte Antwort.
Die Antwort kann nicht allein durch die Forderung auf Verlängerung der Verjährungsfristen gegeben werden. Es kommt entscheidend darauf an, daß alle möglichen und erforderlichen Schritte unternommen werden, die vollständige Verfolgung aller Mordtaten sicherzustellen. Diesem Ziel dient der gemeinsame Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, der auf einen Vorschlag der SPD-Fraktion zurückgeht.
Der Einwand, sein Inhalt setze die Justiz dem unbegründeten Verdacht aus, sie habe NS-Verbrechen bisher nicht systematisch, d. h. nachlässig, verfolgt, ist falsch. Über den Wortlaut des Antrags hinaus soll auch an dieser Stelle noch ,einmal ausdrücklich anerkannt werden, daß Staatsanwaltschaften und Gerichte bei der Verfolgung und Aufklärung von Mordtaten unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gute Arbeit geleistet haben. Den auf diesem schwierigen und besonders verantwortungsvollen Gebiet tätigen Staatsanwälten und Angehörigen der Kriminalpolizei, die oftmals unter außerordentlich schwierigen Bedingungen ihre Arbeit geleistet haben, gebührt unser aller Dank. Sie haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, daß das Ansehen unserer Rechtsstaatlichkeit im In- und Ausland durch die strafrechtliche Auseinandersetzung mit ,den ungeheuerlichen Verbrechen der jüngsten deutschen Vergangenheit gestärkt und wieder hergestellt werden konnte.
Wir wissen aber — nicht zuletzt durch das Ergebnis dieser Arbeit —, daß nicht nur der Umfang der Mordtaten noch größer war, als oft angenommen wurde, sondern auch der Kreis der Verantwortlichen bis tief in die Organisation des nationalsozialistischen Herrschaftsbereiches einschließlich der Staatsgewalt reichte. Erst nach und nach wurden die vielfältigen Verflechtungen und Verantwortlichkeiten deutlich und damit auch die Notwendigkeit sichtbar, noch stärker als bisher systematisch zu prüfen, wo und in welcher Weise und von welchen Verantwortlichen Mordtaten begangen worden sind. Es wäre unerträglich, wenn wichtige Bereiche der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht in die strafrechtlichen Ermittlungen einbezogen würden. Das muß nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen und trotz der Erklärungen des Herrn Bundesjustizministers leider festgestellt werden.
So sind weite Bereiche bisher noch nicht in Ermittlungen einbezogen, z. B. — und ich nenne nur wenige Beispiele stellvertretend für andere — die
Wirtschaftsgruppe D des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS, jener Abteilung der SS, die für die ganze Häftlingseuthanasie verantwortlich war, und das Reichskommissariat Ostland; es gibt noch keine systematische Überprüfung des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, obwohl dort in Einzelfällen bereits Ermittlungen stattgefunden haben. Es ist immerhin ein Anlaß, darüber nachzudenken, daß Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Reichssicherheitshauptamtes erst seit dem vergangenen Jahr eingeleitet sind.
Verantwortlich waren nicht nur diejenigen, die selbst gemordet haben. Zur Verantwortung gezogen werden müssen auch alle diejenigen, die an verantwortlicher Stelle die Entscheidungen getroffen haben, die den Mördern erst die Möglichkeit gaben, ihre millionenfachen Mordtaten zu begehen.
r Um sicherzugehen, daß keine Möglichkeit zur Aufklärung ungenutzt bleibt, muß deshalb jeder verantwortliche Bereich nationalsozialistischer Gewaltherrschaft eingehend geprüft werden. Dazu ist es aber erforderlich, daß alles vorhandene und erreichbare Akten- und Dokumentationsmaterial sorgfältig ausgewertet wird. So begrüßenswert der Aufruf der Bundesregierung an die Offentlichkeit ist, das vorhandene Aktenmaterial zur Verfügung zu stellen, — ein allgemeiner Aufruf dieser Art allein reicht nicht aus. Notwendig ist, daß die deutschen Strafverfolgungsbehörden sich selber darum bemühen, überall da, wo Unterlagen vorhanden sind, diese zu ihrer Arbeit heranzuziehen. Das heißt, zu den allgemeinen Aufrufen muß ernsthaftes und nachdrückliches Bemühen unserer Strafverfolgungsbehörden hinzutreten, damit sie in den Besitz der
erforderlichen Akten kommen.
Dazu gehört auch, daß nicht nur das in der Bundesrepublik und im westlichen Ausland vorhandene Material herangezogen wird, sondern auch im Wege der Rechtshilfe alle erforderlichen Schritte unternommen werden, um das in der sowjetisch 'besetzten Zone und das in den osteuropäischen Ländern noch lagernde Material auswerten zu können.
Wir begrüßen es, daß auf Grund unseres Antrages die Landesjustizverwaltungen bereits entsprechende Beschlüsse gefaßt und die bisher auf das Ausland beschränkte Zuständigkeit der Zentralstelle in Ludwigsburg nunmehr auch auf im Inland begangene Straftaten erstreckt haben. Wir begrüßen weiter den Beschluß der Landesjustizminister, die Zentralstelle in Ludwigsburg personell zu verstärken. Wir weisen aber darauf hin, daß die Zahl von fünf weiteren Staatsanwälten auf keinen Fall ausreichen kann, dem Umfang der gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
Wir erwarten deshalb, daß der Herr Bundesjustizminister den Auftrag, der ihm mit diesem Antrag erteilt wird, zum Anlaß nimmt, die eingeleiteten Verhandlungen mit den Ländern fortzuführen und auf eine ausreichende personelle Besetzung zu drängen. Dieser Weg, wie er in dem Antrag vorgezeichnet ist, erscheint vor allen Dingen deshalb notwendig, weil auf diese Weise der ernsthafte Versuch unternommen werden kann, rechtzeitig vor
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Jahn
Ablauf der Verjährungsfrist das Äußerste zu tun, um die Strafverfolgung in allen in Frage kommenden Fällen sicherzustellen. So können wir auch unbedingte Gewißheit haben, daß unabhängig von verfassungsrechtlichen Einwänden die Durchführung der notwendigen Verfahren gewährleistet wird.
Es muß unser aller Bemühen sein, ohne jede Verzögerung zu einem wirksamen Abschluß dieses Bereiches der Strafverfolgung zu kommen. Erst wenn über den Erfolg dieser nochmaligen Anstrengung abschließend berichtet wird — wie es der Antrag zum 1. März 1965 fordert —, werden wir eine ausreichende und sichere Grundlage für die Entscheidung darüber haben, in welcher Weise eine Änderung der Verjährungsfristen notwendig und möglich ist.
Niemand sollte es sich bei diesem Problem leichtmachen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn verfassungsrechtliche und rechtsstaatliche Bedenken gegen eine Änderung der Verjährungsfristen bestehen, so sind wir alle verpflichtet, solche Bedenken ernstzunehmen. Wir müssen sicher sein, daß die Lösungen, um die wir uns gemeinsam zu bemühen haben, mit den Grundsätzen unseres Rechtsstaates und dem Grundgesetz vereinbart werden können. Deshalb bitte ich Sie, dem gemeinsamen Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415125500
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0415125600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Namens der FDP-Fraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben.
Vor jeder Entscheidung, auch im politischen Bereiche, ist es gut, sich zunächst über den Tatbestand klar zu sein. Sowohl Herr Kollege Weber als auch der Herr Bundesjustizminister haben an sich hierzu alles Wesentliche gesagt. Ich möchte aber drei Punkte noch einmal hervorheben: a) in Ludwigsburg besteht eine Zentralstelle, die seit Jahren systematisch die Verbrechen der Nazizeit verfolgt, b) die Regierung hat am 20. November 1964 die Weltöffentlichkeit aufgefordert, alles Material vorzulegen, das zur Verfolgung von Naziverbrechen geeignet ist, c) die Bundesregierung hat beschlossen, keine Verlängerung der Verjährungsfristen für Naziverbrechen zu veranlassen, und zwar aus verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Gründen.
Die heutigen Erklärungen des Kollegen Dr. Weber, ganz besonders aber die eingehenden Darlegungen des Herrn Bundesjustizministers, haben ergeben, daß diesen Maßnahmen bereits jetzt ein großer Erfolg zu verdanken ist

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

und daß zu erwarten ist, daß alle wünschenswerten Aufklärungen im Rahmen des Möglichen
rechtzeitig erfolgen. Auch die Ausführungen des Herrn Kollegen Jahn vermögen meines Erachtens an diesen Feststellungen nichts zu ändern.
Wenn das aber der Fall ist, so ist alles Zusätzliche entweder überflüssig — das überflüssige zu beschließen wäre sinnlos —, oder aber — ich habe das aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Jahn mit herausgehört — man vertritt den Standpunkt, daß das, was bisher geschehen ist, nicht ausreichend sei. Diesem Standpunkt freilich können wir uns nicht anschließen. Wir sehen uns außerstande, auch in noch verdeckter Form zu erklären, daß in der Bundesrepublik bisher nicht genügend getan worden sei, um die Verbrechen der Nazizeit aufzuklären und zu verfolgen.
Noch weniger sind wir bereit, auch nur den Anschein zu erwecken, als ob der Aufruf der Bundesregierung nicht genügend klar, nicht genügend dringlich und nicht genügend ernsthaft und ohne die notwendige Autorität sei und daher weiterer Unterstützung bedürfe.

(Abg. Jahn: Wir müssen aber noch mehr tun!)

Bei dieser Einstellung ist es schwer verständlich, wie unsere Haltung, jedenfalls in den Überschriften gewisser Zeitungen, dahin kommentiert worden ist, daß wir gegen einen Antrag auf Verfolgung von NS-Verbrechen seien. Richtig ist dagegen auch in diesen Zeitungen hervorgehoben, daß das Schwergewicht des vorliegenden Antrages in Ziffer 4 liegt. Wir sehen uns außerstande, in der Frage, ob die Verjährungsfristen verlängert werden sollen oder nicht, eine zwielichtige Situation entstehen zu lassen.
Wir stehen hinter dem Beschluß der Bundesregierung, die Verjährungsfristen für Naziverbrechen nicht zu verlängern. Hierbei handelt es sich nicht um eine Opportunitätsentscheidung. Sie ist getroffen, weil unsere Verfassung diese Verlängerung nicht zuläßt. Wir wissen, daß diese Rechtsansicht nicht unbestritten ist. Aber selbst wenn die Gegenmeinung richtig wäre, würden wir uns aus rechts- und verfassungspolitischen Gründen einer rückwirkenden Änderung von Strafgesetzen zuungunsten des Täters verschließen.
Gerade die Zeit, die den Hintergrund für unsere heutige Diskussion abgibt, macht es uns unmöglich, von diesen klaren Rechtsgrundsätzen auch nur einen kleinen Schritt abzuweichen. Ich glaube, ich brauche vor diesem Hause nicht darzulegen, wohin damals die zunächst belanglos erscheinenden Maßnahmen geführt haben und wie der Staat — der geborene Hüter des Rechts — schließlich zum Förderer schlimmsten Unrechts wurde. Es ist daher für uns nicht diskutabel, daß im Frühjahr 1965 erneut über die Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist verhandelt werden soll. Unsere Stellungnahme zu dieser Frage ist ohne Wenn und Aber.
Aus allem ergibt sich, daß und warum wir dem Antrag auch in der jetzt vorliegenden Form nicht zustimmen können. Wir sind uns dabei darüber im klaren, daß es vielen, insbesondere den unmit-
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Busse
telbar Betroffenen, schwer verständlich sein wird, wenn möglicherweise schwerste Verbrechen nicht ihre weltliche Sühne finden. Das liegt zum Teil an der Unvollkommenheit unserer Einrichtungen überhaupt, und wir werden sie generell nicht ändern können.
Aber darüber hinaus sind die Anforderungen, die rechtsstaatliches Denken und Wollen an uns stellen, eben nicht leichter Natur. Nicht ohne Grund zitierte der erste Präsident des Bundesverfassungsgerichts in seiner Antrittsrede vor diesem Gericht die Konstitutionen von Melfi: „Es muß also der Cäsar sein der Justitia Vater und Sohn, Herr und Knecht," Herr und Knecht bei der Setzung des Rechtes insoweit, als er sich auch hier vom Streben nach Gerechtigkeit leiten lassen muß, Knecht des Gesetzes aber, weil er seinem von ihm selbst gegebenen Gesetz unterworfen ist. Diese rechtsstaatlichen Grundsätze stellen uns für die Zukunft gleichzeitig eine Aufgabe, die zu lösen des Schweißes der Edelsten Wert ist, nämlich alle Kräfte daran zu setzen, daß der Geist, der Recht zum Unrecht machte, nicht wieder aufkommen kann.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415125700
Das Wort hat der Abgeordnete Spies zur Abgabe einer Erklärung.

Josef Spies (CSU):
Rede ID: ID0415125800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich nicht in der Lage, dem Antrag Drucksache IV/2823 meine Zustimmung zu geben. Meine Erklärung begründe ich mit einem Satz. Wenn wir der Erklärung der Bundesregierung Glauben schenken — ich tue es —, ist dieser Antrag nicht mehr notwendig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415125900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache IV/2823 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Wir kehren zurück zu Punkt 4: Große Anfrage der Fraktion der SPD, Beratung des Antrags der Fraktion der FDP, Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses.
Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415126000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort, die der Herr Bundes- minister des Innern heute morgen namens der Bundesregierung auf die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion betreffend die Überwindung des Bildungsnotstands gegeben hat, war unpräzise und ausweichend. Sie bewegte sich, wenn ich so sagen darf, Herr Minister, etwas außerhalb der Realität. Es ist unklar geblieben, ob und wie sich die Bundesregierung an der Erarbeitung eines nationalen Bildungsplans beteiligen will. Es ist unklar geblieben, ob und in welcher Weise die Bundesregierung darauf drängen will, den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Aufgaben in der Bildung und Wissenschaft bis zum Jahre 1970 auf mindestens 5,5 v. H. des Sozialprodukts zu erhöhen. Es ist unklar geblieben, in welcher Weise und in welcher Höhe die Bundesregierung sich an der Finanzierung der neuen Universitäten beteiligen will.
Herr Kollege Martin, Sie haben in Ihrer Rede aus lauter kulturpolitischer Begeisterung sogar vergessen, den entsprechenden Teil Ihres eigenen Antrags zu begründen. Aber ich nehme an, Sie stehen nach wie vor zu der Ansicht, daß sich der Bund an der Finanzierung der neuen Universitäten beteiligen soll.

(Abg. Dr. Martin: Seit Jahren, Herr Lohmar!)

Die vierte Frage, auf die wir eine klare Antwort vermissen, betrifft den Bereich der Ausbildungsförderung. Hier hat sich der Minister auf die Darlegung bekannter verfassungsrechtlicher Bedenken zurückgezogen. Aber er hat nicht gesagt, in welcher Weise die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern für eine vielleicht gemeinsame Ausbildungsförderung Sorge zu tragen gedenkt.
Schließlich, Herr Minister, möchte ich ein Mißverständnis korrigieren, von dem ich hoffe, daß es nicht beabsichtigt gewesen ist. Sie und Herr Martin haben gemeint, Herr Erler habe heute morgen einen Vergleich zwischen den Stadtstaaten und den Flächenstaaten angestellt. Herr Erler hat in seiner Rede ausdrücklich die Leistungen der Flächenstaaten in der Bundesrepublik einander gegenübergestellt, hat darauf hingewiesen, daß diese Leistungen unterschiedlich sind, und gesagt, aus welchen Gründen das so ist.
Ich möchte Ihnen, Herr Bundesminister, bevor ich mich mit Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage im einzelnen kritisch auseinandersetze, für Ihre Bereitschaft danken, für die politische Bildung mehr zu tun als bisher. Sie werden bei der Ausführung dieser Absicht die volle Unterstützung meiner Fraktion haben.
Bisher beschäftigte man sich in der Debatte und zum Teil auch in der Erklärung der Bundesregierung, mit der Frage, aus welchen Gründen der Bildungsnotstand entstanden und wer Schuld daran sei, daß er entstanden ist. Das Vorhandensein eines Bildungsnotstandes in der Bundesrepublik mit dem Gefälle, das wir zwischen den einzelnen Bundesländern verzeichnen müssen, ist dabei nicht mehr in Frage gestellt worden. Aber ich meine, wir sollten allmählich davon abkommen, der Frage allzu große Aufmerksamkeit zu schenken, aus welchen Gründen wir in die schwierige Situation hineingekommen sind. Das bedeutet von uns aus eine freundliche Vorgabe, wie Sie wohl wissen. Ich meine trotzdem, daß es uns gemeinsam interessieren sollte, was wir denn nun praktisch tun können, um mit dem Bildungsnotstand in möglichst kurzer Zeit fertig zu werden.
Hier beginnt meine Kritik an dem, was der Bundesminister des Innern heute morgen namens der Bundesregierung erklärt hat. Es beginnt damit, daß
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Dr. Lohmar
der Bundeskanzler, der für die Richtlinien der Politik verantwortlich ist und die Bedeutung dieser Frage wiederholt unterstrichen hat, welche bei der Erklärung der Bundesregierung heute morgen da war noch heute nachmittag anwesend ist. Es ging weiter damit, daß wir auch nicht in Andeutungen etwas darüber erfahren haben, in welcher Weise die Bundesregierung in ihrem eigenen Rahmen eine klare Verantwortung für die Aufgaben in der Wissenschaftsförderung, in der Ausbildungsförderung und in der Bildungsplanung sichern will. Die Tatsache, daß heute morgen nicht der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung die Antwort der Bundesnegierung gab, sondern der Bundesminister des Innern, spricht doch Bände, zumal es sich dabei nicht um eine kollegiale Hilfsbereitschaft des einen gegenüber dem anderen gehandelt hat. Vielmehr trug die Erklärung, die wir gehört haben, deutlich die Handschrift des Bundesinnenministers und nicht die des Bundeswissenschaftsministers. Jeder, der die Diskussionen der letzten Monate kennt, kann das unschwer an einer Reihe von Passagen der Antwort der Bundesregierung erkennen.
Ich frage mich also, Herr Kollege Martin: Was ist eigentlich 'aus Ihrer Absicht geworden, den Bundeskanzler zu bitten, im Rahmen eines Wissenschaftskabinetts dem Bundesminister für wissenschaftliche Forschung eine koordinierende Verantwortung in der Bundesregierung zu geben? Sie wissen, wir haben auch das immer für nicht zureichend gehalten und gesagt: Das muß der Kanzler selber machen. Aber nicht einmal Ihr Minimalvorschlag ist bisher realisiert worden, wie man heute morgen an der Besetzung der Regierungsbank und der Rollenverteilung auf der Regierungsbank bemerken konnte, ebenso wie am Inhalt der Erklärung. — Bitte schön, Herr Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0415126100
Herr Lohmar, heute liegt doch dem Hause ein entsprechender Antrag vor. Der Bundestag muß erst beschließen, daß ein Wissenschaftskabinett gebildet wird, und erst dann kann man sehen, was daraus wird. Sie können mich jetzt doch nicht fragen, was der Bundestag nachher beschließen wird.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415126200
Das ist interessant, Herr Martin. Ich hatte gehofft, daß Sie nach der monatelangen Verzögerung der Fertigstellung des Berichts, über die wir hier nicht streiten wollen — wir kennen beide die Gründe —, doch wenigstens zu einer innerparteilichen Vorklärung in der größeren Regierungspartei gekommen wären, und zwar in der Richtung, daß heute in der Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung wenigstens der Status quo erhalten geblieben wäre und nicht eine RückverLagerung vom Wissenschaftsminister auf den Innenninister sichtbar werden würde.
Mich interessiert weiter, meine Damen und Herren: Wo bleibt eigentlich der Wissenschaftsbericht ler Bundesregierung? Ich habe mich gewundert, in einem Exklusivinterview für eine große deutsche Tageszeitung in der letzten Woche Auszüge aus diesem Wissenschaftsbericht zu lesen. Ich habe mir gedacht: Na ja, in der nächsten Woche wird bei der Beratung der Großen Anfrage der SPD der Wissenschaftsminister dann wohl auch dem Bundestag einen Einblick in diesen Wissenschaftsbericht geben. Nichts dergleichen geschah. Der Bundesminister des Innern erklärte statt dessen, man müsse diesen Bericht noch innerhalb der Regierung und mit den Ländern abstimmen.
Nun frage ich mich: Hat Herr Lenz den ihm verbliebenen Zugang zur öffentlichen Meinungsbildung in der Flucht in die schon bewährte Interview-Politik gesehen? Oder warum wird dem Bundestag der Inhalt eines Berichts vorenthalten, der in der vergangenen Woche im wesentlichen schon in der Presse zu lesen war? So wie das hier von der Bundesregierung gemacht worden ist, ist es keine angemessene Art, eine solche Debatte vorzubereiten.

(Beifall 'bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415126300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415126400
Aber ja.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415126500
Herr Kollege Dr. Lohmar, ist es in den sozialdemokratisch regierten Ländern nicht auch so, daß die Offentlichkeit und die Verbände die Vorlagen weit früher haben als die Abgeordneten?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415126600
Gnädige Frau, ich würde das — falls es irgendwo so sein sollte — genauso bedauern, wie ich diesen Tatbestand hier bedauere. Eine Sache wird nicht dadurch besser oder schlechter, daß sie im Bundestag oder in den Landtagen passiert.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0415126700
Herr Kollege Dr. Lohmar, können Sie mir erklären, ob etwa die sozialdemokratisch regierten Länder mit diesem Bericht bereits einverstanden sind?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415126800
Das weiß ich nicht. Ich habe darauf gewartet, heute von der Bundesregierung etwas dazu zu hören. Diese Antwort kann ja noch nachgeholt werden. Vielleicht besteht eine begründete Aussicht, sie zu bekommen. Sprechen sie doch einmal mit dem Minister, der aus Ihren Reihen kommt!

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0415126900
Herr Lohmar, sind Sie nicht das Opfer einer Erinnerungslücke geworden? Haben Sie nicht selber zugestimmt, daß der Bericht später diskutiert wird, weil er vorher unter den Ressorts abgestimmt werden muß?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415127000
Herr Kollege Martin, wir haben in den Beratungen des Kulturausschusses im Einvernehmen mit den Bundesministern für wissenschaftliche Forschung und des Innern vereinbart,
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Dr. Lohmar
daß dieser Bericht bis zum 1. Oktober dieses Jahres vorliegen sollte.

(Zuruf von der Mitte: Später!) Jetzt haben wir Mitte Dezember.

Aber das ist nicht so interessant.

(Zurufe von der Mitte: Doch!)

Interessant für mich ist, daß in den Zeitungen zu lesen steht, was dem Parlament heute vorenthalten wird. Begreifen Sie das doch, meine Damen und Herren. Es ist doch eine Frage der Selbstachtung auch für die Mehrheitsfraktion dieses Hauses, sich einen solchen Stil nicht gefallen zu lassen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415127100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415127200
Muß es sein? — Bitte sehr!

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0415127300
Herr Lohmar, darf ich Sie daran erinnern, daß auch Sie — wie die Ausschußprotokolle ganz eindeutig wiedergeben — gesagt haben, daß wegen der Schwierigkeit des Berichts der Termin 1. Oktober nicht eingehalten werden müsse? Ich habe das Protokoll bei mir und könnte das nachweisen.

(Abg. Erler: Aber dann darf der Bericht doch nicht in der Zeitung stehen!)


Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415127400
Herr Kollege Holkenbrink, Ihr Einwand wäre dann richtig, wenn der Bericht nicht fertig wäre. Ich entnehme aber dem Presseinterview des Bundeswissenschaftsministers, daß er fertig ist. Nur darum handelt es sich in diesem Zusammenhang.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es ist der Vorwurf erhoben worden, daß er nicht fertig sei!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Bildungsplanung machen. Herr Martin hat heute morgen rückblickend der Vermutung Ausdruck gegeben, die Sozialdemokratische Partei — von der Bundestagsfraktion hat er klugerweise nicht gesprochen — sei zu irgendwelchen Zeitpunkten gegen die Errichtung eines Bildungsrates gewesen. Dies ist ein Irrtum. Tatsache ist, daß sich unterschiedliche Auffassungen über die Gründung, über die Zusammensetzung und über die Aufgabenstellung eines Bildungsrates zwar nicht gegenübergestanden haben, aber doch in der Diskussion befunden haben. Ich empfinde es als einen Vorteil, Herr Martin, daß die Ministerpräsidenten der Bundesländer in Hamburg für die „Viererkommission", der die Herren Ministerpräsidenten Goppel und Nevermann und die Herren Kultusminister Schütte und Hahn angehörten, übereingekommen sind, von vorne an zu diskutieren und sich weder an das Konzept von Herrn Hahn noch an das Konzept in den bildungspolitischen Leitsätzen der Sozialdemokratischen Partei zu klammern, sondern zu versuchen, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.
Ich möchte Ihnen dazu — ohne diesen Beratungen vorzugreifen — etwas sagen. Meine Freunde in der Bundestagsfraktion und in den Ländern stimmen in zwei entscheidenden Fragen, die die Errichtung des Bildungsrats berühren, überein; erstens darin, daß der Bildungsrat gemeinsam von Bund und Ländern zu errichten ist, zweitens darin, daß in seiner Arbeit eine Verzahnung der Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits mit der Wissenschafts- und Bildungspolitik andererseits gesichert werden muß. Beide Strukturelemente sind wichtig für den Bildungsrat, wobei ich — wenn ich das nebenbei sagen darf — mit Ihnen, Herr Kollege Moersch, und überhaupt ungern darüber streite, wer etwa die geistige Urheberschaft an den Hahnschen Vorschlägen hat. Ob Herr Erbe ihm das souffliert hat oder ob Herr Hahn sich das selber ausgedacht hat, ist mir gleichgültig. Mich interessieren die sachlichen Qualitäten eines Vorschlages, und ich finde, wenn jemand bereit ist, von den Überlegungen eines anderen das eine oder andere aufzunehmen, so spricht das eher für ihn als gegen ihn.

(Abg. Dr. Martin: Richtig!)

Eines allerdings werden meine Freunde im Bund und in den Ländern nach wie vor nicht mitzumachen bereit sein, nämlich — wie es die Absicht eines Teils der CDU/CSU ist — durch die Diskussion über die Einrichtung eines Bildungsrats all den politischen Entscheidungen auszuweichen, die keiner weiteren Planung und Vorbereitung mehr bedürfen, sondern die getroffen werden können. Mit anderen Worten: wir sind nicht bereit, den Bildungsrat als ein Abstellgleis der Politik zu bewerten und zu betrachten, sondern wir halten ihn für eine Einrichtung, die der Politik durch Forschung, Beratung und, wie Sie„ Herr Martin, heute morgen richtig gesagt haben, durch die Entwicklung von alternativen Möglichkeiten Entscheidungsvoraussetzungen geben soll, aber nicht mehr.
Es gibt jedoch eine Reihe von Fragen, über die ein Bildungsrat nicht mehr beraten muß, sondern über die jetzt entschieden werden muß. Herr Erler hat heute morgen von den Schwerpunkten des Bildungsnotstands gesprochen. Sie fallen, was die Möglichkeit ihrer Lösung betrifft, im wesentlichen in die Zuständigkeit der Länder. Aber das bringt uns nicht an der anderen Tatsache vorbei, daß die Bundesregierung und auch der Bundestag für die Überwindung der schwierigen und wichtigen Probleme im Rahmen des Bildungsnotstands im Bundesstaat eine politische Mitverantwortung tragen.
Mich interessiert, von der Bundesregierung zu erfahren, was sie z. B. in Gesprächen mit den Ländern für die Überwindung des Lehrermangels vorzuschlagen gedenkt. Ist sie beispielsweise bereit, sich die Vorschläge mit zu eigen zu machen, die die Sozialdemokraten in ihrem bildungspolitischen Sofortprogramm entwickelt haben? Ähnliches gilt für die Frage: Wie kann die Zahl der Abiturienten gesteigert werden? Ich gehe einmal von dem optimistischen Modell des Wissenschaftsrates aus, das für 1980 320 000 deutsche Studenten — außer Lehrer-und Ingenieurstudenten — für wünschenswert hält. Diese Zahl würde bedeuten, meine Damen und Her-
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Dr. Lohmar
ren, daß bis dahin über die vier schon geplanten neuen Hochschulen hinaus noch sechs bis zehn weitere Universitäten und Hochschulen gegründet werden müßten. Wir meinen, man sollte daraus die Folgerung ziehen, im Wissenschaftsrat bis 1966 eine Entscheidung darüber herbeizuführen, in welchem Ausmaß erstens mit einer Steigerung der Abiturientenzahl in den nächsten 15 Jahren wirklich gerechnet werden kann und welche politischen, d. h. auch finanzpolitischen Entscheidungen im Hinblick auf die Gründung zusätzlicher neuer Universitäten zu treffen sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415127500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Martin?

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415127600
Bitte, Herr Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0415127700
Herr Kollege Lohmar, habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich Ihren Worten entnehme, daß Sie der Ansicht sind, die Bundesregierung müsse bei der Überwindung des Lehrermangels, der Erhöhung der Zahl der Abiturienten usw. mitwirken? ist das Ihre Meinung, ist das die Meinung der SPD? Diese wichtige Klarstellung muß hier, glaube ich, ,erfolgen.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415127800
Ich bin Ihnen für die Frage dankbar. Ich darf sie in meiner Antwort präzisieren. Die Möglichkeit einer langfristigen Überwindung des Lehrermangels, Herr Martin, hängt ab von der Möglichkeit, die Zahl der Abiturienten zu steigern.

(Abg. Dr. Martin: Sicher!)

Das .wiederum ist ,eine Frage, die mit dadurch entschieden wird, ob wir die Zahl der neuen Universitäten in dem erforderlichen Ausmaß erhöhen und den Ausbau der bestehenden Universitäten mit dem wünschenswerten und möglichen Tempo beschleunigen können. Und hier sind Bund und Länder im Wissenschaftsrat und in ihren finanzpolitischen Entscheidungen an diese gemeinsame Verantwortung gebunden. Die Verbindung zwischen diesen beiden Problemen ist offenkundig, und es gibt keinen Grund, darüber zu streiten.
Die Frage, was der Bund sofort tun kann, bezieht sich z. B. — ich will damit der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1965 nicht vorgreifen — auf die Höhe der Mittel, die wir für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen zur Verfügung stellen. Herr Professor Raiser, der Präsident des Wissenschaftsrates, hat vor einigen Tagen erklärt, ,er habe den Eindruck, daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung nicht in der Lage seien, sich ,einer Politik der Wahlgeschenke mit der wünschenswerten Intensität entgegenzustellen, und daß darunter die Finanzierung der wissenschaftlichen Hochschulen zwangsläufig leiden müsse. Ich möchte mitdieser Bemerkung Herrn Raiser nicht für die Sozialdemokratische Partei in Anspruch nehmen,

(Abg. Dr. Martin: Das ist Ihnen auch nicht gelungen!)

aber ich möchte Sie für seine Sache in Anspruch
nehmen. Es handelt sich darum: Wie kann man den
Anforderungen, die aus den Bundesländern für 1965 in einer Höhe von 575 Millionen DM für die bestehenden Hochschulen an den Bund gerichtet worden sind, einigermaßen entsprechen?
Wir haben heute morgen in der Rede des Herrn Kollegien Dr. Martin gehört, der Bundeskanzler habe in Hamburg seine Absicht bekräftigt, in der nächsten Legislaturperiode mehr für ,die Wissenschaft zu tun. Darin kommt ein kaum verständlicher Optimismus in der Einschätzung der Mehrheitsverhältnisse in der nächsten Legislaturperiode zum Ausdruck. Zum anderen, Herr Martin, hätte der Bundeskanzler ja Gelegenheit, jetzt etwas zu tun, indem er sich dafür einsetzt, — —

(Abg. Dr. Martin: Das tut ,er ja!)

— Was tut er denn? Im letzten Jahr stand die Wissenschaftsförderung im Bundeshaushalt in der Rangfolge der Steigerung an der zweiten Stelle.

(Abg. Dr. Martin: Herr Lohmar, das ist doch alles nicht wahr, was Sie da sagen!)

Wo steht sie in diesem Jahr? Sie ist 'auf die vierte Stelle abgefallen. Das ist die Praxis.

(Abg. Dr. Martin: Schauen Sie sich einmal Wiesbaden an!)

Lassen Sie mich zu den Bemerkungen von Herrn Stoltenberg noch einige Worte sagen. Herr Stoltenberg, Sie haben uns heute morgen gesagt, man könne nicht alles auf einmal haben, man könne nicht alle Gemeinschaftsaufgaben auf einmal lösen und dazu noch eine Reihe anderer Dinge tun. Ich könnte Ihnen jetzt mit der Gegenrechnung kommen, daß sich die Summe von Steuerausfällen, zusätzlichen Aufwendungen für die Landwirtschaft und beabsichtigten Mehraufwendungen der Koalition für 1965 auf den Betrag von rund 5,5 Milliarden DM belaufen würde. Ich halte es aber für sinnlos, gegenseitig solche Rechnungen aufzumachen. Aber ich bitte Sie um eins. Meine politischen Freunde — nicht nur in der Bundestagsfraktion, sondern auch in den Führungsgremien der Sozialdemokratischen Partei — haben in dem Sofortprogramm der SPD zur Überwindung des Bildungsnotstandes eindeutig und unmißverständlich erklärt, daß die Aufgaben in der Bildung und Wissenschaft im Rahmen der innenpolitischen Gemeinschaftsaufgaben den Vorrang vor anderen haben und haben müssen. Wir haben weiter gesagt, es handele sich darum, im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden — man kann ja diese drei Bereiche nicht getrennt voneinander sehen — eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben für diese Zwecke in der Höhe von mindestens 5,5 v. H. des Sozialprodukts bis 1970 zu erreichen.
Ich meine, man sollte sich nun darüber unterhalten, wie dieses politische Ziel erreicht werden kann. Das ist die eigentlich interessante finanzpolitische Frage im Zusammenhang mit der Überwindung des Bildungsnotstandes. Das ist um so leichter, je weitgehender und je präziser die politischen Parteien in der Bundesrepublik sich über das verständigen, was sie in der Bildungspolitik vorrangig für wichtig halten.

(Abg. Dr. Martin: In der Tat! Einverstanden!)

7466 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Lohmar
Dabei muß man von dem Tatbestand ausgehen, daß die Sozialdemokraten in ihren bildungspolitischen Leitsätzen und in ihrem Sofortprogramm klar gesagt haben, was sie bildungs- und wissenschaftspolitisch für grundsätzlich und kurzfristig wichtig und wesentlich halten.
Die CDU — so formulierte der Bundeskanzler auf Ihrer Kulturpolitischen Konferenz in Hamburg — braucht noch ein kulturpolitisches Programm. Der Unterschied zwischen den beiden großen Parteien besteht also darin, daß die eine verbindlich gesagt hat, was sie kulturpolitisch will, während die andere sich gerade erst daranmachen will, zu klären, wie ein kulturpolitisches Programm der CDU — ich will die CSU gar nicht hinzufügen — aussehen könnte.

(Abg. Dr. Martin: Billiger geht es nicht!)

Herr Martin, Sie haben heute morgen — ich habe gelächelt! — von einem geschlossenen Auftreten der CDU in Hamburg gesprochen. Wenn ich Ihnen jetzt einige Zitate aus der Rede von Herrn Minister Huber vorläse — ich will das nicht tun, ich bin taktvoll —, würden Sie diesen Zitaten sicher mit ähnlicher Verständnislosigkeit gegenüberstehen, wie es jeder aufmerksame Leser tun wird.

(Abg. Frau Geisendörfer: Zitieren Sie!)

— Sie wollen etwas hören, Frau Geisendörfer? Nun, was meinen Sie z. B. dazu, wenn Herr Minister Huber in Hamburg feststellte, die im 19. Jahrhunder entstandene Arbeitsteilung sei ein Ergebnis des Marxismus und des Kapitalismus gewesen?

(Abg. Dr. Martin: Arbeitsteilung?)

Oder wenn Herr Minister Huber sagt, es gehe um die Heimholung der Arbeitswelt. Meine Damen und Herren, dahinter steht ein mittelalterlich-ständisches Leitbild einer Gesellschaft. Solche Thesen passen in eine moderne Industriegesellschaft nicht hinein.
Und nun die Tatsachen! Herr Erler hat heute darauf hingewiesen, daß die politischen Parteien wesentliche Integrationsfaktoren im Rahmen eines Bundesstaates sein müssen, vor allen Dingen bei einer Aufgabe, die, wie die Bildungspolitik, im wesentlichen den Ländern zugewiesen ist, wegen ihrer Verzahnung mit anderen Bereichen der Politik aber eben nur in Zusammenarbeit von Bund und Ländern gelöst werden kann. Diese Einsicht hart z. B. Herrn Brandt dazu veranlaßt, den anderen Parteien vorzuschlagen, in einem offenen, sachlichen Gespräch verantwortlicher Vertreter der politischen Parteien den Vesuch zu machen, Grundlagen eines nationalen Bildungsplans zu erarbeiten. Leider ist das Echo bei den anderen Parteien bisher zwar prinzipiell positiv gewesen, aber doch sehr lässig in der Art und Weise, wie diese Anregung aufgegriffen worden ist. Wobei ich mich frage, meine Damen und Herren: wie anders wollen Sie denn in einem föderalistisch aufgebauten Staat wie der Bundesrepublik zu einem nationalen Bildungsplan kommen, wenn Sie sich nicht der Hilte der politischen Parteien bei dem Versuch bedienen, hier über die Landesgrenzen und die Zuständigkeitsgrenzen hinweg ein sachliches Konzept zu erarbeiten, das man gemeinsam durchführt? Ich sehe nicht, wie das anders als in dem Sinne der Anregung von Herrn Brandt möglich sein könnte.
Sie haben verschiedentlich gesagt, wir Sozialdemokraten sollten von dem Versuch ablassen, aus der Bildungspolitik ein Wahlkampfthema zu machen. Hinter diesem Wunsch steht eine merkwürdige Auffassung von Wahlkampf, muß ich Ihnen sagen. Ich denke, der Wahlkampf im nächsten Jahr soll ja wohl kein politisches Schaugeschäft werden, sondern er soll den Bürgern dieses Staates eine Entscheidung übler die wichtigsten politischen Fragen ermöglichen, um die es in den nächsten vier Jahren in der Bundesrepublik gehen wird. Eine dieser wichtigen politischen Fragen ist mit der Bildungspolitik bezeichnet, und wir Sozialdemokraten werden sie zu einem zentralen Thema dieses Wahlkampfes machen, weil wir meinen, daß im Wahlkampf über Politik entschieden werden soll und nicht über Propaganda.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415127900
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Mende.
Dr. Mende, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen der Bundesregierung die folgende Erklärung abgeben. Einige Formulierungen des verehrten Kollegen Lohmar könnten den Eindruck erwekken, daß die Nichtanwesenheit des Bundeskanzlers hier bei dieser Debatte über das Bildungswesen als Nichtachtung des Parlaments oder gar als Fehleinschätzung des Bildungswesens gedeutet werden könnte. Ich darf dieser Mißdeutung durch die Feststellung entgegentreten, daß der Bundeskanzler durch verschiedene Verpflichtungen aus Anlaß des Staatsbesuchs des Präsidenten der Republik Korea, der mit einer starken Delegation in Bonn weilt, abgehalten ist, hier im Parlament zu erscheinen. Das gleiche gilt für einige Kollegen des Bundeskabinetts, die diesem Staatsbesuch des Präsidenten der Republik Koera in Bonn den gleichen Vorrang vor anderen Verpflichtungen einräumen müssen, wie das morgen und übermorgen der Regierende Bürgermeister beim Besuch der gleichen Delegation in Berlin wird tun müssen.
Zum anderen hat das Kabinett heute von 10 bis 13 Uhr getagt. Ich habe vor einem halben Jahr schon bedauert, daß bisher keine Lösung gefunden wurde, nicht gleichzeitig Parlamentssitzungen und Kabinettssitzungen abzuhalten.
Schließlich, Herr Präsident, meine Damen und Herren, gebietet es die Objektivität, nach den Bemerkungen des verehrten Kollegen Lohmar, daß die Regierungsbank auch jetzt am Nachmittag nicht gut besetzt sei, festzustellen, daß immerhin die zuständigen Ressortminister vertreten sind. Was die Zahl der Kabinettsmitglieder betrifft, Herr Kollege Lohmar, so ist mindestens eine adäquate Besetzung der Regierungsbank im Verhältnis zu den drei Fraktionen dieses Hauses festzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Was soll das? Neuer Stil!)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7467

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415128000
Herr Minister Dr. Mende, es hat bisher nicht zu den Gebräuchen dieses Hauses gehört, daß die Regierungsbank Kritik am Parlament übte.

(Abg. Wehner: Ein neuer Stil!)

Ich hoffe, daß das Haus mit dieser meiner Erklärung übereinstimmt.

(Beifall bei der SPD.)

Das Wort hat Herr Minister Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415128100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Beantwortung der Großen Anfrage und die Stellungnahme zu den Anträgen der Koalitionsfraktionen heute morgen mit der Bitte geschlossen, doch dieses große nationale Thema aus dem Parteienstreit herauszunehmen und zu einem nationalen gemeinsamen Thema zu machen. Ich habe gedacht, dieser Appell würde verstanden werden.
Aber wenn ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Lohmar betrachte, so muß ich sagen, daß es ihm doch außerordentlich schwerfällt, diese gemeinsame Linie einzunehmen. Ich darf deshalb diesen Appell wiederholen.
Ich kann es nicht unterlassen, auf einige Bemerkungen zu erwidern. Herr Kollege Lohmar, Sie haben ja die Große Anfrage formuliert, Ihr Fraktionsvorsitzender hat sie gutwilligerweise unterschrieben. Ich muß sagen, daß es mir außerordentlich schwergefallen ist, die Reihenfolge einzuhalten, die Sie gewählt haben, und zwar deswegen, weil die Aufeinanderfolge der Fragen in den einzelnen Ziffern nicht der logischen Ordnung entsprochen hat. Dennoch habe ich mich an die von Ihnen gewählte Reihenfolge gehalten. Darauf ist es offenbar zurückzuführen, daß Ihnen einige Bemerkungen, Hinweise und Mitteilungen entgangen sind.
Ich darf bei Ihrer ersten kritischen Feststellung beginnen. Sie meinten, es sei unklar, inwieweit sich die Bundesregierung an dem Bildungsrat beteiligen wolle.

(Abg. Dr. Lohmar: Nein, an der nationalen Bildungsplanung!)

— Der nationale Bildungsplan soll ja vom Bildungsrat aufgestellt werden. Das ist das Instrument für die nationale Bildungsplanung. Das ist doch eine rein theoretische Frage. Es geht um die konkreten Dinge. Dazu habe ich an zwei Stellen, nämlich bei Punkt 1 und bei Punkt 4 erklärt, daß der Innenminister mit der Bundesregierung vom ersten Tage seiner Amtsübernahme an darauf gedrungen hat, daß der Deutsche Ausschuß für das Bildungswesen, der hervorragende Arbeit geleistet hat, aber nur mit Fachleuten besetzt ist, durch eine Verwaltungsbank nach dem Muster des Wissenschaftsrates ergänzt werden soll. Ich habe diese Erklärung, zusammen mit vielen anderen, wiederholt in der Offentlichkeit abgegeben.
Zu meiner Befriedigung konnte ich feststellen, daß dieser Ruf auf der 100. Sitzung der Kultusministerkonferenz aufgenommen wurde. Bei der 102. Sitzung haben die Kultusminister dann beschlossen, einen Bildungsrat zu gründen. Dieser Beschluß ist von den Ministerpräsidenten bestätigt worden. Der Bund ist dazu eingeladen. Ich muß also sagen, daß die Möglichkeit der Mitwirkung an einer nationalen Bildungsplanung auf diesem Wege realisiert wird. Dann habe ich erklärt, daß die Bundesregierung auf dem schnellsten Wege eine Kommission bestimmt hat und daß am 3. Dezember dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, die Ministerpräsidenten durch den Herrn Bundeskanzler informiert worden sind. Schon am 17. Dezember wird die erste Verhandlung der beiden Kommissionen stattfinden. Angesichts eines solchen Drängens und einer solchen Entwicklung kann man doch wohl nicht sagen, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien auch nur irgendwie in Verzug geraten wären. Vielmehr waren wir zusammen mit einigen Ländern gegen harte Widerstände auf der falschen Frontseite — wie so oft — längst voraus. Heute ist das Wirklichkeit. Wir wollen nicht in die Vergangenheit zurückblicken, sondern nach vorn. Aber wir glauben, daß es angesichts dieser Tatsachen und Entwicklung nicht notwendig ist, die rhetorische Frage zu stellen, ob die Bundesregierung bereit ist, an einer nationalen Bildungsplanung mitzuwirken.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415128200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415128300
Ja, bitte sehr.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415128400
Herr Bundesminister, darf ich zur Klärung eine Frage ,an Sie stellen: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Entwicklung eines nationalen Bildungsplanes Sache des Bildungsrates ist oder Aufgabe der Bundesregierung, die sie in Zusammenarbeit mit .den Ländern zu lösen hätte?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415128500
Die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Ländern muß sich in einem Instrument vollziehen, wenn tatsächlich etwas Konkretes ,daraus werden soll, und ich bin der Meinung, daß das klassische Instrument dafür der Bildungsrat ist, der nach unseren Vorstellungen mit dem Wissenschaftsrat institutionell verbunden wird, weil beidedann gleichzeitigeinmal zwei Themen verbinden können und an derselben Aufgabe arbeiten und zum anderen auch personell die Erfahrungen mit übernehmen könnten. Der Wissenschaftsrat mit seiner jahrelangen fruchtbaren Tätigkeit tut ja auch nichts anderes, als bauliche, organisatorische und planerische Arbeiten durchzuführen, nur in einem höheren, in einem speziellen Bereich.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415128600
Herr Minister, gestatten Sie eine zweite Frage?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415128700
Bitte sehr.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0415128800
Herr Minister, Sie sind in Ihrem Wortschwall schwer zu unterbrechen. Sie haben vorhin gesagt, — —
7468 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415128900
Ich halte diese Bemerkung nicht für ziemlich.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0415129000
Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, daß die Bildungspolitik aus idem „Parteienstreit" herausgehalten werden soll. Wer eigentlich sonst als die politischen Parteien soll über Bildungspolitik sprechen, wenn Sie doch wissen, daß Parlamente und Regierungen, die von den Parteien getragen werden, die bildungspolitischen Entscheidungen treffen müssen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415129100
Herr Kollege, es wird Ihnen schwerfallen — das zeigt schon die Einleitung Ihrer Frage —, zwischen Streit einerseits und Argumentation und geistigem Wettbewerb andererseits zu unterscheiden.

(Beifall in der Mitte.)

Wenn ich sage: dieses Thema soll als nationales gemeinsames Thema aus dem Partelenstreit herausgenommen werden, so meine sich nicht, daß kein geistiger Wettbewerb mit besseren Vorschlägen und Argumenten statthaben soll, sondern ich meine, daß eine gewisse Art von Behandlung des Themas unterbleiben soll. Nur idas war gemeint, und jedem Sachkundigen war das auch völlig klar.

(Erneuter Beifall in der Mitte.)

Ich darf zum zweiten Punkt übergehen. Herr Kollege Lohmar, Sie sagten, ich hätte keine Erklärung abgegeben zu der Forderung, 5,5 % des Sozialprodukts für diese Aufgabeneinzusetzen. Es ist richtig, daß ich dazu keine Erklärung abgegeben habe. Ich könnte auch gar keine Erklärung dazu abgeben, weil eine .solche Forderung, so ideal sie sein mag, nach diem Budgetrecht gar nicht ohne weiteres zu erfüllen wäre. Die verschiedenen Haushalte, die auf den drei Ebenen zur Kasse gerufen werden —auch die Kommunen, insbesondere die Länder und der Bund sind daran beteiligt —, die Wirtschaft, die Steuerersparungen und all diese Dinge müssen insgesamt betrachtet werden, wenn man auf 5,5 % kommen will. Das kann nicht einfach im Handumdrehen auf den Tisch gelegt werden. Da handelt es sich um Fragen sehr diffiziler Art, und da muß vor allem vermieden werden, daß Anträge gestellt werden, die in die Milliarden gehen und alles konsumieren, Anträge, die dem Bund die Möglichkeit nehmen, seinen Beitrag zu erbringen.
Was die neuen Universitäten betrifft, darf ich auf folgendes hinweisen. Die erste nach der Wahl von 1961 gebildete Bundesregierung und die darauf folgende zweite wie auch die Bundesregierung Erhard haben in allen durchlaufenden Erklärungen und in allen Regierungserklärungen zum Ausdruck gebracht, daß sie bereit und willens sind, ohne daß zunächst Berechtigungen gegenüberstehen würden, an der Finanzierung von neugebauten Universitäten mitzuwirken. Es wurden auch Summen genannt. In der Zwischenzeit ist das auch Ihnen bekannte Abkommen zwischen den Ministerpräsidenten geschlossen worden. Es sieht eine Beteiligung des Bundes vor. Wir haben sofort und immer wieder erklärt, daß wir uns beteiligen wollen. Wir haben einen
Leertitel eingesetzt, der nur ausgefüllt werden kann, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Jetzt darf ich Sie auf die Bedingungen hinweisen, die die Bundesregierung für unerläßlich ansieht, um einer solchen Vereinbarung beizutreten. Die erste Bedingung ist die Einschaltung des Wissenschaftsrates. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt kein Gremium, das in der Frage des Neubaus und der Neuorganisation der Universitäten usw. erfolgreicher gearbeitet hätte, und auf die Erfahrung kann man nicht verzichten. Es ist nicht sichtbar, daß der Wissenschaftsrat bei der bisherigen Vereinbarung so mit einbezogen ist, daß er eine entsprechende Stimme mit Gewicht hat.
Zweitens hat die Bundesregierung zur Bedingung gestellt, daß die Bundesmittel zusätzlich gelten. Das war eine der Bedingungen, damit die Masse sich auffüllt und die Universitäten schneller und rascher gebaut werden können. Dabei darf nicht übersehen werden, daß mit Ausnahme von Bremen alle neugebauten oder neuzubauenden Universitäten, die schon einer Verwirklichung zustreben, in CDU-regierten Ländern gebaut werden. Das ist eine einfache und schlichte Tatsache.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Daß der Bund, wenn er schon erhebliche Beiträge leisten soll und bereit ist, sie zu leisten, auch ein gewisses Mitspracherecht in bescheidenen Grenzen haben soll, entspricht Ihrer Meinung und auch unserer Meinung.
Die vierte Bedingung war, daß die Medizinischen Akademien ebenfalls einbezogen werden sollen.
Wenn Sie angesichts einer solchen Situation, angesichts eines solchen Angebots und einer solchen Verhandlungsbasis sagen, wir hätten nicht alles aufgeboten, um in einer Selbstbescheidung, in einer aktiven Beteiligungsbereitschaft all das zu verwirklichen, was hier verlangt werden kann, dann bewegen Sie sich etwas außerhalb der Wahrheit.

(Heiterkeit.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415129200
Eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415129300
Ja.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415129400
Herr Minister, darf ich davon ausgehen, daß wir beide es für unerheblich halten für den Charakter einer Universität, wie die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse in einem Land sind, in dem eine Universität gebaut wird?
Zweitens, wie hoch ist die Summe, die Sie von seiten des Bundes in Gesprächen mit den Ländern zur Diskussion stellen wollen als eine zusätzliche Hilfe des Bundes für den Ausbau der neuen Universitäten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415129500
Zu der ersten Frage darf ich Ihnen sagen: Ich wäre sehr dankbar, wenn wir endlich so weit kämen. Sie könnten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7469
Bundesminister Höcherl
auch die Standorte der Universitäten aus dem parteipolitischen Streit herauszunehmen.
Von der Summe war noch nicht die Rede. Aber dieser Punkt wird mit Ihrer Zustimmung entschieden; Sie müssen das ja nach dem Budgetrecht entscheiden. Der Betrag wird so groß sein, wie es überhaupt nur möglich ist.

(Abg. Dr. Lohmar: Also doch unklar!)

— Ich weiß ja nicht, was Sie bestimmen werden. Ich habe es leider nicht in der Hand.

(Abg. Dr. Lohmar: Was schlägt denn die Regierung vor? Darum geht es doch!)

— Wir sind doch noch gar nicht so weit.

(Aha-Rufe bei der SPD.)

— Lassen Sie doch erst das Ei legen und dann das andere.

(Heiterkeit.)

Was ,die Ausbildungsförderung angeht, Herr Kollege Lohmar, so habe ich des langen und breiten ausgeführt, daß Sie Ihren Antrag zum großen Teil von uns abgeschrieben haben. Aber dagegen ist nichts einzuwenden, weil wir keine Autorenrechte beanpsruchen. Sie haben diesen Antrag erweitert und dadurch rechtliche Schwierigkeiten geschaffen, die erst vom Rechtsausschuß des Bundestages, einem absolut kompetenten Gremium, entschieden werden. Wenn entschieden ist, daß wir eine solche Kompetenz haben, werden wir die ersten sein, die den längst fertigen Entwurf auf den Tisch des Hauses legen. Aber wir müssen in einem guten Einvernehmen mit den Ländern leben. Wir tun das bewußt und aus innerer Überzeugung. Wir wollen niemanden verletzen. Aber einfach zu sagen: Wo bleibt Ihr Entwurf?, wenn der eigene Entwurf rechtlich anfechtbar ist, einen solchen Ruf nach einem zweiten Entwurf halte ich wirklich für fragwürdig.
Ich will also nicht in den Flächen- und den Stadtstaatenvergleich eintreten. Ich habe dazu vieles gesagt; noch mehr hat Herr Martin ausführen können. Das war für mich außerordentlich interessant. Aber die Zahlen haben es an sich: wenn man sie parteipolitisch auswerten will, muß man es sich gefallen lassen, daß sie parteipolitisch gegen einen schlagen.
Die Koordinierungsfrage! Daß Sie an Plänen, Planen und Koordinieren eine angeborene, erworbene, traditionelle und historische Freude haben, ist bekannt.

(Heiterkeit.)

Sie überschätzen auch diese Instrumente. Aber ich wende mich gar nicht dagegen, weil sie tatsächlich weder aus dem privaten noch aus dem öffentlichen Leben weggedacht werden können. Aber sie werden nützlich nur angewandt, wenn man sich der beschränkten Funktion bewußt 'bleibt.
Ich würde Sie gern einmal etwas zur Koordinierung fragen, und das ist keine parteipolitische Streitfrage. Ich halte es für richtig, daß in Berlin die Kulturaufgaben zu einem Teil dem Schulsenator und zum anderen Teil dem Wissenschaftssenator zugeteilt sind. Das aber ist doch ein Zeichen dafür, daß
Sie eine gewisse Notwendigkeit dafür gesehen haben, eine Notwendigkeit, die es in einem viel größeren Bereich vielleicht auch geben kann.
Ich darf noch etwas sagen, Herr Kollege Lohmar. Sie wissen ganz genau, wie peinlich, wie eifersüchtig und wie gewissenhaft die Länder darauf sehen, daß wir im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Kompetenzen bleiben. Glauben Sie tatsächlich, daß wir die Arbeit mit den Ländern erleichtern würden, wenn wir alle Kompetenzen, die sich nun aus vielen Gründen in den einzelnen Häusern befinden, zu einem ganz großen und breiten Zentralministerium zusammenfaßten? Ich glaube nicht, daß das zweckmäßig wäre; ich glaube, das würde uns die Arbeit erschweren. Das war nicht zuletzt der Grund, hier etwas zu tun — Herr Kollege Lenz, der mit großem Erfolg ein sehr 'breites Ressort verwaltet, wird sich nicht beschweren können und hat sich auch nicht beschwert —, damit in der Zusammenarbeit der Ressorts weitestgehendes Entgegenkommen stattfindet. Aber die andere Sorge, Herr Kollege Lohmar, sollten Sie mit uns haben; wenn ich daran denke, wie peinlich gerade Hessen darauf sieht, daß wir uns immer streng im Rahmen der Verfassung bewegen!

(Lachen bei der SPD.)

Der Bericht, den der Herr Kollege Lenz vorlegt, sollte nach Ihrer Behauptung schon längst veröffentlicht sein und käme zu spät zu der vollen Erkenntnis. Nun, Neugierde ist eine gesunde Eigenschaft und war immer der Antrieb im menschlichen Leben und der Antrieb für den Fortschritt. Aber Sie können — nachdem Sie mit Recht eine sehr abgewogene und sehr ausgeglichene, bis zum letzten verifizierte Information haben wollen und darauf Anspruch haben — nicht übersehen: die Sicherheit einer im letzten ausgewogenen Information wäre mir lieber, als einen Vorabdruck zu haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415129600
Eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415129700
Jawohl.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415129800
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß eine der angesehensten Tageszeitungen in der Bundesrepublik genauso an einer ausgefeilten und gediegenen Stellungnahme interessiert ist wie der Bundestag?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0415129900
Ja, ich bin natürlich der Meinung. Aber Sie sollen das Beste haben, Herr Lohmar, und das dauert eben seine gewisse Zeit.
Nun zum Lehrermangel! Das ist eine Frage, die vor allem die Länder interessiert, von der großen Planung her natürlich auch uns, eine Frage, die wir im Bildungsrat lösen wollen. Hier sind Vorschläge von Ihnen gemacht worden. Ich wüßte nicht, warum wir Ihre Vorschläge verwerfen sollten. Alles Gedankengut! Aber daß wir das zur alleinigen Basis machen, so weit kann der Kult für den Karlsruher Parteitag beim besten Willen von der Koalition
7470 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Bundesminister Höcherl
nicht getragen sein. Das werden Sie verstehen. Ein gewisses Maßhalten scheint mir da durchaus am Platze zu sein.

(Heiterkeit.)

Zu den Zitaten, die Sie von dem Kollegen Huber gebracht haben, wird sich Frau Kollegin Geisendörfer noch intensiv äußern.
Nun darf ich zum Schluß kommen. Ich darf mit einem einzigen Satz schließen: Sie werden diese Bundesregierung und diese Koalition in allen kulturpolitischen Fragen, vor allem in allen Bildungsfragen immer an der Spitze sehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Hört! Hört! — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415130000
Wünscht noch ein Mitglied der Bundesregierung das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Frau Abgeordnete Funcke, Sie haben das Wort.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415130100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Antwort der Bundesregierung, die heute morgen gegeben worden ist, war unbefriedigrad.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie mußte es sein, weil die Fragen der SPD und vor allen Dingen die sehr weitgreifenden Ausführungen des Herrn Kollegen Erler heute morgen in der Offentlichkeit den Eindruck erweckten, daß die Bundesregierung auf all diese Fragen Antwort geben könne. Da dies aber verfassungsrechtlich und nach ,der verfassungspolitischen Wirklichkeit nicht möglich Ist, mußte der unbefriedigende Eindruck bleiben. Sie, meine Herren von der SPD, wissen sehr genau, daß die Bundesregierung hinsichtlich der Lehrerbildung, der Abiturientenzahlen und einer Fülle von Fragen weder faktisch etwas tun kann noch sich ernstlich damit befassen darf, ohne gleich Protest aus den Ländern hervorzurufen.
Als ich vor vierzehn Jahren meine parlamentarische Tätigkeit auf dem Gebiete der Kulturpolitik begann, konnten wir noch munter miteinander, mit der SPD, für stärkere Kompetenzen der Bundesregierung und des Bundesparlaments in kulturpolitischen Fragen streiten oder vielmehr gemeinsam dafür eintreten. Aber je mehr die Zeit fortgeschritten ist, um so mehr versteht sich die SPD als hartnäckiger Sachwalter Ider kulturpolitischen Landeskompetenzen und wacht eifersüchtig — mehr noch als manche Kollegen von der CDU —

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

darüber, daß hier um Gotteswillen nichts passiert.

(Beifall bei der FDP. — Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Wie liegen denn die Dinge? Wenn sich der Bund wirklich z. B. 'anschickte, der neu zu gründenden Universität Bremen — hier handelt es sich sogar um Wissenschaft —einen laufenden Zuschuß zu den Kosten zuzusagen, würde Bayern wegen Verletzung des Verfassungsrechts klagen. Das hat es angekündigt. Ich wiederhole: Bayern! Ich bin überzeugt, daß die Kultusminister der sozialdemokratisch regierten Länder dazu noch Beifall klatschen. Das ist die verfassungsrechtliche Wirklichkeit, in der wir leben. Sie ist besonders wieder deutlich geworden bei .den Bemühungen um den Bildungsrat, wo die mühsamen Ansätze zu einer Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern von Vertretern der SPD zerstört wurden. Wir verstehen es daher nicht ganz, daß sich in Kenntnis dieser Situation ausgerechnet die SPD mit großem Aplomb zum Verfechter für kulturelle Bundeskompetenzen in Bildungsfragen macht. Das scheint uns irgendwie ungereimt. Darum mußte von dieser Seite naturgemäß die Antwort der Regierung für die Offentlichkeit unbefriedigend sein, die sich wirklich etwas versprochen hatte. Die Offentlichkeit draußen — und das sind nicht zuletzt die Eltern — versteht es einfach nicht, daß der Bund abstinent sein muß, weil die Länder es so wollen. Die Antwort konnte daher auf manche Fragen nicht gegeben werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausgezeichnet!)

Aber meine Damen und Herren — dies jetzt nach der anderen Seite —, wir hätten uns seitens der FDP einen etwas größeren Nachdruck bei der Beantwortung der Fragengewünscht, nachdem doch sehr deutlich vom Herrn Bundeskanzler in den verschiedenen Veröffentlichungen und auch von anderer Seite der Regierung auf die zentrale Bedeutung 'der Bildung hingewiesen worden ist. Was uns heute vorgetragen worden .ist, kann nicht befriedigen. Hier war doch zuwenig zu hören von progressiven Möglichkeiten, die trotz allem noch ,an möglicher Kompetenzausnutzung seitens des Bundes gegeben wären.

(Abg. Dr. Huys: Konkret!)

— Ich komme noch darauf zurück.
Es wird darüber gestritten, ob das Wort „Bildungsnotstand" richtig ist. Ich habe Verständnis dafür, daß ausgerechnet der Herr Innenminister bei dem Wort Notstand aus anderen Gründen ein bißchen vorsichtig ist. Aber daß wir eine Notlage auf dem Gebiete der Bildung haben, kann — das geht nicht an die Adresse der Bundesregierung, sondern das geht generell insbesondere auch an die Adresse mancher Kultusminister — nicht einfach wegdiskutiert und wegbagatellisiert werden. Es ist richtig, die sichtbare Not bestand 1945, als in unserem Volke so viele Schulen zertrümmert an der Erde lagen. Herr Bundesinnenminister, sicherlich, im Zuge des Wiederaufbaus ist viel geschehen. Man sieht die Not jetzt nicht mehr so, obwohl wir immer noch eine Reihe von Klassen, mindestens in Nordrhein-Westfalen und vielleicht auch anderswo haben, in denen die Kinder zwanzig Jahre nach der Zerstörung noch nachmittags im Schichtwechsel Unterricht haben müssen. Es gibt noch Schulen, in denen die Kinder klassenweise jede Stunde ihre Klasse wechseln und manche Stunde nach Hause geschickt werden müssen, weil einfach kein Platz für sie da ist.
Zweifellos ist diese Raumnot geringer geworden. Aber der innere Notstand oder die innnere Notlage
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7471
Frau Funcke (Hagen)

der Schule ist heute größer als 1945. Denn das wichtigste an einer Schule sind nicht die Räume und die Einrichtungen, sondern ist der Lehrer. 1945 hatten wir noch einen starken Bestand an Lehrern aus denjenigen Jahrgängen, die in den zwanziger Jahren nicht zuletzt auf Grund der Beckerschen Reform der Lehrerbildung in Preußen und auch anderswo in großen Scharen zur Lehrerausbildung gekommen waren. Jene starken Jahrgänge kommen von jetzt an zur Pensionierung. Ihnen folgen Jahrgänge, die durch zwei Kriege stark dezimiert sind. Wir sind also personalmäßig in einer verzweifelteren Lage als 1945, und vom Menschen in der Schule und von seinen persönlichen Fähigkeiten hängt doch alles entscheidend ab.
Wenn wir gleichzeitig wissen, daß diese Notlage noch schlimmer wird, wenn heute zwar schließlich noch jedes Kind eingeschult ist, egal wie, aber wir nicht wissen können, ob das in fünf Jahren noch der Fall sein wird, dann ist es füglich und recht, auf das deutlichste auf eine Notlage hinzuweisen und sie nicht einfach abzutun mit dem Hinweis, sie sei nicht vorhanden. Wenn man die Regierungsantwort genau liest, dann klingt das so wie nach dem Motto: Es ist zwar kein Notstand da, aber wir wollen uns bemühen, ihn zu beseitigen. Und ähnlich klang es auch an anderer Stelle: Es ist zwar kein Bildungsgefälle da, aber wir werden uns bemühen, es zu. beseitigen.
Sicher ist es nicht richtig, einen Stadtstaat wie Hamburg mit einem Flächenstaat zu vergleichen. Da sind andere Verhältnisse. Aber wenn man z. B. aus der sehr eingehenden Analyse, die die FDP-Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher kürzlich vorgelegt hat — —

(Abg. Frau Geisendörfer: Die Edding vorgelegt hat!)

— Edding?

(Abg. Frau Geisendörfer: Ja, das hat Hildegard Hamm-Brücher verwandt und abgeschrieben!)

— Sie hat nicht abgeschrieben, sie hat sehr mühsam — —

(Abg. Frau Geisendörfer: Das ist nicht abwertend gesagt!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415130200
Frau Abgeordnete Geisendörfer, Sie haben nachher das Wort. Sie dürfen nachher polemisieren.

(Abg. Frau Geisendörfer: Das war ein Zwischenruf!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415130300
Frau Kollegin, es kommt, wenn es auch selten ist, vor, daß zwei Leute aus den gleichen Zahlen die gleichen Schlüsse ziehen. Das ist nicht sicher, aber es kann sein. Aber Sie können nicht die Tatsache leugnen, daß sich Frau Dr. Hamm-Brücher große Mühe gegeben hat, die sowieso unzureichenden Statistiken zusammenzustellen. Das ist nun wirklich kein Plagiat, das da vorgelegen hat.

(Abg. Frau Geisendörfer: Das habe ich nicht behauptet!)

Es kann nur sein, daß Herr Edding die gleichen Zahlen verwendet hat und ebenfalls entsprechende Schlüsse gezogen hat.
Nun, meine Herren und Damen, wenn in Rheinland-Pfalz über ein Viertel aller Kinder in Zwergschulen von ein oder zwei Klassen gehen und in Baden-Württemberg nur ein Achtel, wenn in Schleswig-Holstein, das immerhin ein agrarisches Flächenland ist, 60 % aller Kinder voll ausgebaute Schulen besuchen, während in Nordrhein-Westfalen trotz seiner vielen Großstädte noch nicht einmal 40 % der Kinder voll ausgebaute Volksschulen besuchen, wenn der Anteil der Abiturienten in Hessen 9,7 % und gleich daneben im Nachbarland Rheinland-Pfalz nur 5,4 % beträgt oder wenn der weibliche Anteil an den Abiturienten in Berlin über 42 % beträgt und in Bayern nur 30 %, dann sind das keine Fragen der Flächenstruktur, und dann sind das nicht die Folgen von irgendeinem gottgewollten Schicksal, sondern dann sind das Folgen von menschlichen Entscheidungen und von menschlichem Versagen, die wir ernst prüfen sollten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415130400
Eine Zwischenfrage!

Heinrich Holkenbrink (CDU):
Rede ID: ID0415130500
Frau Kollegin, halten Sie es für möglich, nachdem hier heute morgen die Vergleichszahlen nach dem neuesten Stand vom April dieses Jahres gebracht worden sind, daß die Zahlen, auf die Sie sich beziehen, nun doch weiter zurückliegen? Wenn dort ein Zusammenhang mit den Eddingschen Zahlen existiert, ist das sowieso der Fall. Könnte man hier in dieser Debatte nicht doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß beispielsweise der Anteil der 19jährigen, die in RheinlandPfalz 1963 die Reifeprüfung abgelegt haben, 7,3 % beträgt und der Bundesdurchschnitt 7,2 %? Es ist zwar üblich, dieses Gefälle unter den Ländern so darzustellen, wie Sie es getan haben, aber es entspricht keineswegs mehr den Tatsachen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415130600
Herr Kollege, zunächst einmal stimmt das, was Sie sagen, deshalb nicht, weil nur 30 % der Abiturienten ihr Abitur mit 19 Jahren machen; die meisten Abiturienten sind 20 und 21 Jahre alt. Aber das ändert natürlich nichts an dem Sinn Ihrer Frage. Sie wollten sagen, daß die Abiturientenzahlen in Rheinland-Pfalz erfreulicherweise gestiegen sind.
Die Zahlen, die ich gebracht habe

(Abg. Holkenbrink: Bundesdurchschnitt!)

und die Frau Dr. Hamm-Brücher gebracht hat, stammen aus dem Jahre 1962. Es ist erfreulich, wenn ein Zugang erfolgt ist. Aber, meine Herren und Damen, bei den großen Differenzen, die ich hier aufgezeigt habe, glaube ich, daß wir jetzt nicht mit Akribie feststellen können, wie sich die Zahlen hinter dem Komma inzwischen möglicherweise verändert haben. Hier geht es doch um die Grundtendenz

(Abg. Holkenbrink: Genau darum!)

7472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Frau Funcke
und nicht darum, ob sich das in dem einen oder anderen Land um 1/2 % verbessert hat.
Vor allen Dingen das, Herr Kollege, was Herr Stoltenberg heute morgen gesagt hat, hat mich doch lebhaft an mein Kolleg über Statistik bei meinem Studium erinnert, wo der Professor immer wieder gesagt hat, man könne mit der Statistik alles beweisen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Eben, eben!)

wenn man Prozentsätze 'bringe und die Bezugsbasis entsprechend geschickt wähle. Das ist dann so, wie wenn Sie mit einer entsprechenden Vorsatzlinse kleine Dinge ganz groß fotografieren. Das gilt besonders, wenn Sie mit prozentualer Erhöhung kommen, wie es Herr Kollege Stoltenberg heute morgen gemacht hat. Wenn Sie von 1 auf 2 kommen, liegt eine hundertprozentige Erhöhung vor; wenn Sie von 15 auf 20 kommen, dann haben Sie bloß eine Erhöhung von 331/3%, in Wirklichkeit ist die Erhöhung im zweiten Fall aber um sehr viel wirksamer.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415130700
Meine Damen und Herren, wollen wir nicht aufhören, Hexeneinmaleins zu zelebrieren?

(Abg. Dr. Mommer: Wir haben auch noch andere Tagesordnungspunkte! — Abg. Holkenbrink: Ich nehme an, daß diese Frage an alle gerichtet war.)

— An alle!

(Abg. Holkenbrink: Dann bin ich einverstanden damit, aber dann können wir künftig nicht mehr sagen, ob es sich um 0,1 oder 1;2 % gehandelt hat.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415130800
Es kommt auf die Bezugsbasis an. Mir geht es darum, daß wir hier nicht wegdiskutieren, was vorhanden ist, nämlich daß es in Deutschland unterschiedliche Bildungschancen und unterschiedliche Bildungsmöglichkeiten gibt und daß es uns hier, die wir für das ganze Bundesgebiet zuständig sind, wesentlich darauf ankommen muß, allen Kindern gleichgültig, wo sie geboren sind, die gleichen Möglichkeiten zu schaffen Darum geht es, und ich halte einfach nichts davon, die tatsächlichen Unterschiede hier wegdiskutieren oder wegbagatellisieren zu wollen.
Aber jetzt zu den konkreteren Fragen. Was kann geschehen? Herr Kollege Dr. Lohmar, ich habe mich heute morgen und soeben bei Ihnen bemüht, sehr sorgfältig zuzuhören, aber mir ist bis jetzt noch nicht klargeworden, was die SPD eigentlich will. Sie wollen also auf jeden Fall den Bildungsrat beim Wissenschaftsrat nicht, obwohl es doch zweifelsohne die beste Möglichkeit wäre, alle drei Faktoren, die wir brauchen und für die Sie sich ja einsetzen, nämlich den Bund, die Länder und die Wissenschaft, d. h. die Sachverständigen, gemeinsam an einen Tisch und zu gemeinsamer Verantwortung zu bringen und außerdem das zu tun, was wir für sehr wichtig halten, nämlich Bildung und Wissenschaft zu verknüpfen. Eine idealere Form gibt es nicht.
Wenn Herr Moersch heute morgen darauf hinwies, daß der Plan von uns kommt, dann nicht, damit Herr Professor Erbe GEMA-Gebühren von Herrn Hahn fordern kann. Er hatte das nur noch einmal unterstrichen, weil wir an dieser Stelle einfach deutlich machen wollten, wie die Auffassung der FDP in diesem Punkte ist. Wir sehen hier wirklich eine ideale Lösung.
Sie haben gesagt, Sie wollten das im Grunde ja auch, Sie seien nur deswegen dagegen, weil Sie auch noch über ein Sofortprogramm reden wollten. Deswegen sei die Sache nicht vorangekommen, obwohl Sie auch Bund und Länder an einen Tisch haben wollten. Meine Herren und Damen von der SPD: Wenn Sie doch der Meinung sind, daß die Sache in Ihren Ländern so viel besser ist als anderswo, dann brauchen Sie doch nicht mehr so sehr an dem Sofortprogramm interessiert zu sein. Ihnen müßte es vielmehr darum gehen, eine weitläufige Planung, und zwar nicht nur der quantitativen, sondern auch der qualitativen Ausrichtung des Schullebens und Schulwesens, zu bekommen und sich dafür besonders einzusetzen, anstatt sich zentral über die Frage wie etwa „Mikätzchen oder nicht" und ähnliches zu unterhalten; das scheint uns nicht das Wichtigste zu sein.
Wir wünschen uns also diesen Bildungsrat. Wenn Sie mit uns der Meinung sind, daß es hier um Bund und Länder geht, dann wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie von seiten der SPD Herrn Nevermann und Herrn Schütte sehr eindringlich auf diese Ihre Wünsche hinwiesen. Denn was bisher bei den Kultusministern herausgekommen ist — ich sage jetzt: Kultusminister; Gott sei Dank waren die Ministerpräsidenten klüger —, ist doch praktisch, daß der Bund gelegentlich an den Katzentisch des Bildungsrats gebeten wird, wenn Zuständigkeiten des Bundes zufällig mit auf der Tagesordnung stehen. Denn das ist doch kurz gefaßt, das, was die Kultusminister vorschlagen. Bitte, nehmen Sie es uns nicht übel; dies scheint uns einfach nicht akzeptabel und vernünftig zu sein.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0415130900
Frau Kollegin Funcke, darf ich Ihnen die Lektüre unseres Antrags, den wir dem Plenum des Bundestages zum Schluß dieser Debatte vorlegen wollen, gerade in dieser Hinsicht empfehlen? Ich füge hinzu, daß die Bemerkungen, die Sie darin finden, mit den politisch verantwortlichen sozialdemokratischen Länderministern abgestimmt sind. Sie dürfen also davon ausgehen, daß das nicht nur die Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, sondern die Meinung der SPD in Bund und Ländern ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0415131000
Es würde uns freuen.
Meine Herren und Damen, nur aber wieder einmal nach der anderen Richtung! Wir glauben, daß der Bund in einem Gespräch, das er mit den Ländern führen sollte, seine Kompetenzen gegenüber einer allzu großen Eigenständigkeit und Selbständigkeit der Länder betonen sollte, Er sollte dann allerdings
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7473
Frau Funcke
auch seinerseits mit einer klaren, eindeutigen Repräsentanz und Instanz auftreten.
Die Bildung hat auch nach den Worten der Regierung einen sehr bedeutsamen Platz in den politischen Überlegungen. Diese Tatsache läßt es uns sehr fragwürdig erscheinen, ob es richtig ist, daß innerhalb des Kabinetts die Fragen der Bildung und Wissenschaft über 7 bis 8 Ressorts verteilt sind, damit keiner zuviel und keiner zuwenig hat. Das scheint uns keine hinreichende Lösung des Problems zu sein. Allein die Ausbildungsförderung ist auf drei verschiedene Ressorts verteilt, von der Forschung gar nicht zu sprechen.
Wenn ich auch, Herr Bundesinnenminister, gern glaube, daß alle Bemühungen um Koordinierung sich durchaus positiv anlassen, so ist uns das doch kein Trost. Man kann nämlich vor lauter Organisieren und Koordinieren die echte Aufgabe, um die es in der Tat geht, versäumen. Es geht uns nicht um die Frage, wie man die Verschiedenartigkeiten irgendwo wieder zusammenfaßt und koordiniert, sondern um die bestmögliche Lösung der Aufgabe.
Wir haben auch sehr große Bedenken dagegen, daß nun die Koordinierung der Wissenschaftsaufgaben innerhalb des Kabinetts beim Bundesminister für wissenschaftliche Forschung liegt und nun alles, was mit der Bildungsplanung und dem Bildungsrat zu tun hat, vom Bundesinnenministerium koordiniert werden soll. Denn damit wird gerade jene gefährliche These von der Trennung von Wissenschaft und Bildung unterstrichen, die die Position des Bundes gegenüber den Ländern so erschwert. Wir von der FDP möchten nicht, daß Bildung und Wissenschaft getrennt betrachtet werden.

(Abg. Dr. Lohmar: Was sagt denn Minister Lenz dazu?)

— Wir wollen ihm ja gerade helfen. Wir sind der Auffassung, daß Wissenschaft und Bildung zusammengehören.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Deswegen richten wir an den Herrn Bundeskanzler die Bitte — denn wir können ja hier im Hause nicht von uns aus Zuständigkeiten im Kabinett regeln; das ist seine Aufgabe —, nicht die Zeichen der Zeit zu versäumen und nicht zu übersehen, sondern klar zu erkennen, daß Bildung und Wissenschaft zusammengehören, daß sie nicht getrennt werden können und daß wir uns selbst den schlechtesten Dienst erweisen, wenn wir dies auch noch nach außen hin dokumentieren, wo wir uns doch auf der anderen Seite gerade um Mitsprache, Mitorganisation und Mitplanung im Bereich der Bildung bemühen und dort echte Kompetenzen haben möchten.
Weil die Zeit drängt, möchte ich hier nicht auf die Frage der neuen Hochschulen eingehen. Der Herr Bundesinnenminister hat meines Erachtens zutreffend gesagt, daß die Bedingungen, die die Bundesregierung an den Beitritt zu dem Länderabkommen stellt, unabdingbar sind, und wir unterstützen ihn da in vollem Maße. Es geht nicht an, daß jetzt plötzlich auf einer dritten Ebene, nämlich dieser SuperLänderebene, vollendete Tatsachen geschaffen werden und der Bund nur nachträglich eingeladen wird, als Zahlender gegebenenfalls noch beizutreten. Über die verfassungsrechtlichen Bedenken will ich hier überhaupt nicht sprechen. Aber wenn der Bund an den Verpflichtungen teilhaben soll, muß er auch an den Möglichkeiten der Mitsprache teilhaben und dann muß er auch die Möglichkeit haben, das Instrument, das er auf wissenschaftlichem Gebiet für wichtig hält, nämlich den Wissenschaftsrat, entscheidend mit einzusetzen und seinen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Er muß sich auch nicht nur an den fünf Universitäts-Gründungen beteiligen, sondern er muß den ganzen Bereich der notwendigen wissenschaftlichen Neugründungen und Forschungsvorhaben einschließlich der neuen Kliniken im Auge behalten und sich nicht auf bestimmte LänderObjekte konzentrieren. Dies scheint uns allerdings unabdingbar, und wir möchten hoffen und wünschen, daß alle daran interessierten Kräfte in unserem Volk und alle Parteien, die ja auch in den Ländern vertreten sind, sich dafür einsetzen, daß ein brauchbares und angemessenes Mittel der Kooperation gefunden wird.
Bei der Debatte heute morgen, und zwar nach der Einführung, die Herr Kollege Erler gegeben hat, war ich der Meinung, daß die Bildungspolitik nach Auffassung der SPD die zentrale Aufgabe der SPD-Fraktion in diesem Hause wäre. Es kamen daraufhin einige meiner Kollegen zu mir und sagten: Das paßt doch schlecht zu den vielen Anträgen und Debatten der SPD in diesem Haus, in denen -ganz andere Schwerpunkte immer wieder in den Vordergrund gerückt werden und in denen auf die notwendige Bereitstellung von Mitteln für die Bildung nicht genügend Rücksicht genommen wird.

(Abg. Dr. Martin: Sehr richtig!)

Ich habe nun mit Interesse gehört, daß Herr Dr. Lohmar beim Abschluß seiner Rede gesagt hat: Wir werden die Bildungsfragen zum Schwerpunkt unserer Politik im Bund machen. Wir hören das „werden" sehr gern; denn jetzt haben wir die Hoffnung, daß in Zukunft die Koordinierung Ihrer eigenen Anträge und Wünsche in Richtung auf diesen Schwerpunkt gehen wird. Sie werden uns dabei bestimmt an Ihrer Seite haben.
Meine Herren und Damen, wir wollen abschließend keine pathetischen Äußerungen in bezug auf diese Fragen tun. Ich glaube aber, wir sollten uns doch klarmachen, um was es hier geht und worüber wir heute sprechen. Es geht letzten Endes um das Kind, das heute geboren wird und das noch im Jahre 2020 und 2030 die dann gegebenen Probleme geistiger und materieller Art, technischer und soziologischer Art verantwortlich bewältigen muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415131100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geisendörfer.

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0415131200
Herr Präsident! meine Herren und Damen! Als letzter Redner einer solchen Debatte wie der heutigen steht man vor einer Versuchung und einer schweren Entscheidung
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Frau Geisendörfer
darüber, ob man noch einmal zu allen Punkten, über die heute gesprochen worden ist, eine eigene Stellung beziehen und seine eigenen Gedanken dazu äußern soll.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0415131300
Frau Abgeordnete, Sie werden nicht die letzte Rednerin sein; ich habe noch zwei Redner auf meiner Liste.

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0415131400
Herr Präsident, soviel ich weiß, werden die nächsten Redner nur noch ihre Anträge begründen. — Ich will also auch nicht der Versuchung erliegen, auf alle diese Dinge einzugehen, zu denen von unserer Seite, von der CSU noch besondere Anmerkungen zu machen sind. Ich möchte nur einige wenige Dinge herausstellen.
Zunächst einmal möchte ich im Zusammenhang mit dem Zwischenruf, den ich vorhin während der Ausführungen der Frau Kollegin Funcke gemacht habe, eines richtigstellen. Frau Hamm-Brücher hat in ihrem Beitrag in der Zeitschrift „Liberal" ausdrücklich gesagt: „nach den Berechnungen des Deutschen Instituts für internationale Pädagogik", und danach hat sie die Zahlen zitiert. Es ist also kein Plagiat, sondern sie selber hat angegeben, woher sie die Zahlen bezogen hat.
Sodann habe ich heute den Eindruck gehabt, daß hier große Zahlenspiele vorgeführt und daran immer wieder Schlußfolgerungen geknüpft worden sind, die nicht ganz hieb- und stichfest sind. Wir sollten diese Zahlen einmal etwas entmythologisieren und nicht ständig — wie der Herr Präsident gesagt hat — mit dem Hexeneinmaleins operieren.
Weiter: Heute ist nicht nur einmal, sondern mehrere Male Bayern auf die Anklagebank gesetzt worden, vor allem auch schon ganz zu Anfang von Herrn Erler. Am bayerischen Beispiel sind immer wieder verschiedene „Notstände" aufgezeigt worden. Darum erlauben Sie mir, daß ich gerade an Hand des Beispiels dieses Bundeslandes einige Grundsätze darstelle und falsche Behauptungen richtigstelle. Ich möchte an wenigen Beispielen zeigen, wie der notwendige Aufbau von unten nach oben erfolgen kann. Nach dem Grundgesetz kommt ja den Ländern auf dem Bildungssektor bezüglich einer ganzen Reihe von Maßnahmen die größere Zuständigkeit und damit die größere Verantwortung und die größere Aktivität zu. Ich habe das Gefühl gehabt, daß in der heutigen Diskussion die Zuständigkeiten manchmal in sehr großzügiger Weise vermischt worden sind. Es ist hier von der Volksschule, dann von der Mittelschule, von der höheren Schule, den Universitäten usw. gesprochen worden, und auch dadurch ist in der Offentlichkeit ein falsches Bild entstanden über das, was w i r hier tun können.
Gerade darum begrüßen wir so sehr den Bildungsrat — das hat auch Bundesminister Höcherl gesagt —, in ihm ist in einem freiwilligen Einvernehmen zwischen Bund und Ländern eine Einrichtung geschaffen worden, in deren Rahmen all die Fragen, die wir heute besprochen haben und die uns allen gemeinsam am Herzen liegen, geklärt werden können, ohne daß wir dabei immer in verfassungsrechtliche Konflikte kommen und uns, wie es bisher sehr oft der Fall gewesen ist, in langatmigen Debatten darüber ergehen, ob wir etwas tun dürfen oder nicht. Hier in diesem Bildungsrat können Bund und Länder ungehindert zusammenarbeiten.
Weiter möchte ich einem Mißverständnis entgegentreten, das aus dem Verlauf dieser Debatte erwachsen könnte. Es könnte die Meinung aufkommen, daß die Zahl der in weiterführende Schulen Übertretenden oder die Zahl der Abiturienten bezeichnend für die geistige Potenz eines Volkes sei. Diesem Mißverständnis muß man nachdrücklich entgegentreten, zumal da, wenn diese Meinung sich durchsetzt, eine große Gruppe von Schülern, die nicht in weiterführende Schulen gehen, sich irgendwie diskriminiert fühlen muß. Ich glaube, es geht zunächst um die große Frage, ob sich der Mensch in seiner personalen Würde und Freiheit behaupten kann oder ob wir in die Gefahr geraten, daß unsere Schüler verplant werden wie etwa im Osten, wo der Strom der Schüler nach den jeweiligen Anforderungen von Wirtschaft, Technik, Industrie, Wissenschaft usw. in ein bestimmtes Bett der Ausbildung geleitet wird. Dieser Versuchung müssen wir widerstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte mit allem Nachdruck feststellen, daß die Schule kein sozialpolitischer Direktionsmechanismus ist. Wir sind vielmehr der Meinung, daß das Ziel jeder Bildungspolitik sein müßte, daß jedem Menschen in den Bildungseinrichtungen der Gesellschaft die beste Entfaltung seiner Begabung auf alle nur denkbare Weise ermöglicht wird, und daß dadurch erst der Gesellschaft die Kräfte zur Erfüllung ihrer Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben zugeführt werden können, auf diese freiwillige Weise und nicht auf dirigistische oder auch nur auf versteckt dirigistische Weise.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Welche Wege sind nun einzuschlagen, um diese Vorstellungen zu verwirklichen? Dazu ist heute morgen auch schon alles mögliche gesagt und sind viele Vorschläge gemacht worden. Ich möchte nun gerade an dem Modell eines Bundeslandes nicht nur schöne Pläne, sondern bereits in die Tat umgesetzte Überlegungen aufzeigen.
Die öffentliche Diskussion geht davon aus, und ebenso sind viele Diskussionsredner heute davon ausgegangen, daß es unter den Schülern der Volksschule Begabungen in Hülle und Fülle gebe und daß diese bei entsprechendem Angebot an Bildungseinrichtungen und sonstigen Hilfen bereit seien, sie zu benutzen, daß wir also die Zahl der Abiturienten nach Wunsch vermehren könnten. Herr Lohmar hat davon gesprochen, daß wir beispielsweise durch den Ausbau der Universitäten einen Anreiz geben könnten, daß sich mehr Abiturienten entschließen, die Laufbahn eines Lehrers einzuschlagen. Das ist sicher ein Weg. Es gibt aber noch andere Wege, und diese sollten wir nicht übersehen. Es sind sehr viel einfachere und schlichtere, aber, wie ich glaube, sogar wirkungsvollere Wege.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7475
Frau Geisendörfer
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat, um einmal aus dieser Primitivität der Zahlenfiktionen herauszukommen, die auch heute eine gewisse makabre Rolle gespielt haben, dieser Zahlenfiktionen, die sehr oft auf Grund von Repräsentativumfragen, Schätzungen und dergleichen gezimmert werden, bei allen Schülern aller bayerischen Volks-, Mittel- und höheren Schulen Erhebungen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Erhebungen ist ja heute schon mehrere Male angeführt worden; ich möchte es nicht wiederholen, um Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen. Aber eins hier ganz deutlich zu machen, scheint mir wichtig zu sein: Wie geschehen diese Erhebungen? Seit 1961 muß bei jedem Schüler Jahr für Jahr die Eignung für eine weiterführende Bildung geprüft, festgestellt und im Schülerbogen vermerkt werden. Das ist etwas ganz anderes als eine sonstige statistische Erhebung. Hier wird nämlich jeder einzelne Schüler in seiner persönlichen Eigenart erfaßt und nicht nur irgendwie als Zahl festgehalten. Das hängt mit dem zusammen, was ich eingangs gesagt habe: den Menschen sehen und ihn als Menschen werten, nicht nur als Zahl.
Heute früh schon war von der sogenannten Begabtenreserve die Rede. Was läßt sich unternehmen, um diese Reserve zu aktivieren? Um das zu tun, müssen wir, glaube ich, Herr Kollege Lohmar, die Gründe etwas genauer analysieren, aus denen die heute morgen auch schon angegebene Zahl von Schülern aus den Grundschulen nicht in eine höhere Schule übertritt.
Sehr viele Eltern sind der Meinung, der Übergang sollte erst später erfolgen. Zweitens: der Übertritt in eine andere weiterführende Schule, der in den Statistiken nicht erfaßt ist, ist vorgesehen. Dann kommen zwei Gründe, die für uns interessant sind: Die nächste Schule ist zu weit entfernt, und die Ausbildung kann finanziell nicht getragen werden. Und dann der sehr große Prozentsatz, den Herr Kollege Erler heute früh schon genannt hat, wo die Eltern der Meinung sind, daß für den späteren Beruf eine solche weiterführende Schule nicht in Frage komme. Woher stammen diese Feststellungen?
In Bayern waren die Lehrer verpflichtet, bei dem Nichtübertritt mit den Erziehungsberechtigten zu reden und die Gründe, die angegeben wurden, in detaillierter Zusammenfassung über Landkreis und Regierungsbezirk an das Ministerium weiterzugeben. Auf Grund dieser sehr detaillierten Untersuchung sind nun Möglichkeiten geschaffen worden, den Schwierigkeiten abzuhelfen.
Als erstes geschieht eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Elternhaus, und damit Aufklärung und Ermutigung auf verschiedene Weise. Ich möchte ganz deutlich machen, daß hier in einem Land schon etwas getan wird. Herr Erler hat heute morgen gesagt, wir sollten uns damit beschäftigen, wie hier etwas geschehen kann. Wir hab en uns damit beschäftigt, und es i s t etwas geschehen.

(Beifall bei der CSU.)

Diese Aufklärung — ich möchte jetzt nicht ins einzelne gehen — geschieht durch eine Werbeschrift
für die Eltern, in der in übersichtlicher Weise alle schulischen Möglichkeiten dargelegt werden.
Aber etwas Wichtiges und Neues in Bayern, das wohl einmalig ist, möchte ich noch anführen. In jedem Regierungsbezirk wird ein hauptamtlicher Schulberater bestellt, der mit Eltern und Erziehern zusammenarbeitet. Er untersteht einem neu eingerichteten Referat für Bildungsplanung und Statistik im Ministerium, und dieses Referat hinwiederum soll mit der neu vorgesehenen Bildungskommission im Bildungsrat zusammenarbeiten.
Daß dann eine große Zahl von weiterführenden Schulen errichtet werden soll und schon errichtet worden ist — ein Plan, der sogar von Herrn Picht als „großzügig" bezeichnet worden ist —, möchte ich nur am Rande erwähnen.
Weil wir gerade von Schulen reden, möchte ich doch eine Bemerkung von Herrn Kollegen Erler richtigstellen. Er hat argumentiert, daß Herr Kardinal Döpfner für „Mittelpunktschulen" eingetreten sei. Ich glaube, wenn man argumentiert, muß man genau argumentieren und genau zitieren. Es ist zu unterscheiden zwischen Mittelpunktschulen und Verbandsschulen. Herr Kardinal Döpfner ist keineswegs für die Mittelpunktschulen eingetreten. Es ist jetzt hier nicht der Platz, den Unterschied darzulegen; ich möchte nur festhalten, daß hier falsch und etwas obenhin und leichtfertig argumentiert worden ist.
Dann ist die Rede davon gewesen, daß sehr viele Schulen noch nicht ausgebaut sind. Dazu möchte ich eine Überlegung zitieren, die im Bayerischen Landtag angestellt worden ist. Da hat der Minister die Frage gestellt, ob die neunklassige ausgebaute Volksschule die alleinseligmachende Form ist. Er meint — die Auffassung hat einiges für sich —, daß die Zukunft nicht ihr, sondern der nach Altersgruppen gestalteten Schulgliederung mit einer Differenzierung nach Leistungsgruppen gehören könnte, weil diese dem unregelmäßigen geistigen Wachstum des Kindes besser angepaßt werden können. Ich möchte feststellen, das ist eine moderne Idee und Überlegung und nicht etwa die hinterwäldlerische Schlafmützigkeit, die uns, wenn auch nicht expressis verbis, aber doch in der Argumentation angelastet worden ist.
Des weiteren war die Rede vom horizontalen und vertikalen Schulaufbau. Wir sind der Meinung, daß weder das eine noch das andere allein für sich richtig ist. Unser Ziel ist die Erhaltung des vertikalen Aufbaues bei gleichzeitiger und vielfacher horizontaler Verzahnung aller weiterführenden Schulen. Also nicht horizontal oder vertikal, sondern horizontal und vertikal ist unser Ziel.
Ein weiteres Problem ist die sogenannte Begabtenförderung oder die Möglichkeit, den Eltern die Entscheidung für die finanzielle Durchführung eines Studiums abzunehmen. Es ist im Bayerischen Landtag der Entwurf eines Begabtenförderungsgesetzes eingebracht worden. Hier soll mit einer Ausbildungshilfe in Form einer rechtsverbindlichen Zusicherung geholfen werden, und zwar für die Zeit des Besuchs der höheren Schule und dann wiederum
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Frau Geisendörfer
der Universität. Das ist eine sinnvoll aufeinander abgestimmte Reihe von verschiedenen Maßnahmen. Ich glaube, gerade mit dieser Rechtsverpflichtung wird den Eltern die Unsicherheit genommen bezüglich des Risikos, das sie eingehen, wenn sie ihre Kinder auf eine höhere Schule schicken. Ich möchte jetzt nicht in das von mir vorhin gerügte Zahlenspiel verfallen; aber man schätzt, daß sich auf diese Weise eine Steigerung der Zahl der Abiturienten um mindestens 50 % erreichen läßt.
Dann möchte ich noch auf einen sehr vielversprechenden Ansatz hinweisen, der auch bei uns in Bayern in der Hochschulpolitik gemacht worden ist. Auch hier sind wir mit der Entwicklung neuer Zielvorstellungen vorangegangen. An der Technischen Hochschule in München ist das erste Department-System für Physik verwirklicht worden, ein Modell, das uns allen sehr am Herzen liegt. Es handelt sich um das Institut, an dem Herr Professor Maier-Leibnitz und der Nobelpreisträger Mößbauer wirken. Ich möchte dieses System nicht hier ausführlich schildern, sondern nur darauf hinweisen.
In meinen Ausführungen wollte ich nur einzelne Beispiele für eine vorwärtsgerichtete Bildungspolitik geben, damit in diesem Saale nicht immer nur negative Kritik geübt wird, sondern damit auch einmal positive Beispiele und Ansätze, wo sie vorhanden sind, aufgezeigt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Vorhin ist von einem meiner Kollegen versprochen worden, daß ich das Zitat richtigstelle, das Herr Lohmar aus der Hamburger Rede von Minister Huber hier gebracht hat. Ich möchte darauf — schon aus Zeitgründen — nicht im einzelnen eingehen. Vielleicht darf ich Sie aber bitten, das Zitat im Zusammenhang zu lesen.

(Abg. Dr. Lohmar: Dann wird es noch schlimmer, gnädige Frau!)

— Nein, es wird dann nicht schlimmer. Herr Huber sprach von der Entwicklung und davon, daß Marxismus und Kapitalismus im 19. Jahrhundert es verschuldet hätten, daß „die Arbeitswelt aus den Bereichen des Menschlichen entlassen wurde". In diesem Zusammenhang ist dann von der Rückführung gesprochen worden.

(Abg. Spies: Herr Lohmar meint, im Zusammenhang würde es für die SPD schlimmer!)

— Das kann sein; diese Gefahr könnte bestehen. Das könnte mich allerdings verleiten, wirklich den ganzen Zusammenhang vorzulesen. Ich werde dieser Verlockung aber widerstehen.
Ich könnte weiterhin noch auf eine ganze Reihe anderer Äußerungen eingehen. Bei Herrn Lohmar habe ich folgendes vermißt: er hat sehr viel über den Bildungsrat gesprochen, aber sehr wenig darüber ausgesagt, wie dieser eigentlich aussehen soll. Er hat auch nicht gesagt, wie sich seine Vorstellungen von dem Konzept unterscheiden, das wir vorlegen.
Zum Schluß möchte sich die Hoffnungaussprechen, an dem bayerischen Beispiel nachgewiesen zu haben, daß dort eine Reihe von positiven Ansätzen zur Lösung der Fragen vorhanden sind, die uns am Herzen liegen. Ich hoffe, daß damit eindeutig die Äußerungen .des Geschichtsschreibers Aventinus aus dem Jahre 1521 widerlegtsind, ,die Herr Professor Högner bei der Verleihung des bayerischen Verdienstordens vergangene Woche im Bayerischen Landtag zitiert hat: „Das bayerische Volk verlegt sich mehr auf den Ackerbau, trinkt viel, zeugt viele Kinder, ist unfreundlich und eigensinnig." Ich glaube, die angeführten Beispiele haben gezeigt, daß das bayerische Volk auch noch andere Eigenschaften hat. Aber das nur am Rande.

(Abg. Dr. Martin: Der Orden wird ja auch an Ausländer verliehen!)

— Ja, wir haben sogar einen „Ausländer" hier unter uns, der ihn bekommen hat.
Zusammenfassend möchte ich sagen: es war gut, daß diese Debatte heute geführt wurde. Sie hat uns Gelegenheit zur Besinnung auf unsere Bildungspolitik gegeben. Eines hat sie uns sicher nicht gegeben, was die Opposition uns geben wollte, nämlich das schlechte Gewissen, weil nichts getan worden sei. Dieses schlechte Gewissen haben wir auf keinen Fall. Ich bin der Meinung, wir sollten uns in Zukunft nicht mit gegenseitigen Vorwürfen aufhalten. Nüchterne Arbeit tut not. Es wäre richtig, jetzt eine Weile weniger über sicher vorhandene „Notstände" zu reden und damit hausieren zu gehen. Vielmehr sollten jetzt alle Kräfte ,gemeinsam zum Aufbau eingesetzt werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415131500
Das Wort hat der Abgeordnete Dichgans zur Begründung des Antrags Umdruck 516 *).

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0415131600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entschließungsentwurf spricht sich für eine Abkürzung der Dauer der akademischen Ausbildung aus. Das verdient volle Zustimmung. Man muß aber die Frage stellen: Ist die Formulierung konkret genug? Ich glaube nicht. Ich möchte Ihnen vielmehr im Namen einer Gruppe meiner politischen Freunde vorschlagen, die Entschließung konkreter zu formulieren und die Altersgrenze von 26 Jahren zu nennen. Der Änderungsantrag liegt Ihnen mit Umdruck 516 vor.
Viele unserer jungen Akademiker werden heute 31 Jahre alt, bevor sie zum erstenmal zu einem angemessenen Einkommen gelangen. Nehmen wir als Beispiel den Studienassessor: Abitur mit 20 Jahren, eineinhalb Jahre Wehrdienst, 14,6 Semester Studium, also 7,3 Jahre, 3 Monate Wartezeit bis zur Einberufung in den Referendardienst und 2 Referendarjahre. Die Addition ergibt, daß der junge Mann am Tage seines Assessorexamens 31 Jahre alt ist. Die Juristen, die Chemiker, die Bergleute und viele andere Akademiker leiden unter der gleichen Überdehnung.
*) Siehe Anlage 2
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7477
Dr. Dichgans
Diese Überdehnung hat verhängnisvolle Konsequenzen. Sie erzeugt zunächst einen massiven Abschreckungseffekt. Eine Laufbahn, die erst mit 31 Jahren zu einem angemessenen Einkommen führt, kann für selbständige und aktive junge Leute nicht attraktiv sein. Sie führt ferner zu einer falschen Auswahl. Je länger die Ausbildung dauert, desto mehr wird der Beruf mit Leuten angereichert, deren hervorragende Eigenschaft die Geduld und das Sicherheitsbedürfnis sind. Sie führt zu einer Schädigung der Persönlichkeit. Wer bis in das 4. Jahrzehnt seines Lebens im Zustand schülerhafter Abhängigkeit gehalten wird, wird oft im Sinne einer lebenslänglichen Schülermentalität geprägt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Unsere deutschen Universitäten erziehen ihre Studenten systematisch zu der Anschauung, daß der Zeitaufwand überhaupt keine Rolle spielt. Schon die Frage des angehenden Studenten, wie lange das Studium voraussichtlich dauern wird, wird meist sehr unfreundlich aufgenommen. Für die wissenschaftliche Arbeit der Prüfung zum höheren Lehramt, für die die Prüfungsordnungen drei bis vier Monate vorsehen, werden Aufgaben gestellt, die sich nur in ein bis zwei Jahren bewältigen lassen, und dem Studenten wird gesagt, die Zeitvorschrift der Prüfungsordnung sei bedeutungslos.
Dieses rücksichtslose Umgehen mit Lebenszeit ist sehr schlimm, nicht nur für die menschliche Entwicklung, sondern auch für den Beruf. Im Beruf müssen nämlich alle Aufgaben in bestimmten Zeiten bewältigt werden, und das sollte auch schon der Student lernen.
Die Überdehnung führt ferner zu der oft beklagten Überfüllung der Universitäten. Ein Chemiker, der heute doppelt solange studiert wie sein Vater vor 35 Jahren, nimmt damit doppelt soviel Hochschularbeitsplatz in Anspruch. Zur Zeit reichen unsere Universitätsneubauten nicht einmal dazu aus, auch nur die Folgen der ständigen Ausbildungsverlängerung auszugleichen. Ein einziger neuer Studienplatz in einer neuen Universität kostet etwa 180 000 DM.
Weiter: die Überdehnung der Ausbildung schädigt die Wissenschaft, weil die wissenschaftliche schöpferische Produktivität erfahrungsgemäß erst dann beginnt, wenn der Druck des Examens, die Unsicherheit der beruflichen Zukunft von dem Studenten genommen sind.
Wenn man gegen die Überdehnung der Ausbildung spricht, stößt man neuerdings auf den Einwand: politische Aktionen seien nicht mehr erforderlich; inzwischen bekennten sich alle Leute zur !Notwendigkeit der Studienverkürzung, und man solle die Entwicklung ruhig weitergehen lassen. Wir gehen aber gar nicht auf eine Studienverkürzung zu. Ganz im Gegenteil, die Studien werden noch immer weiter verlängert, und das Neue besteht lediglich darin, daß die Studienverlängerung jetzt mit einem unverbindlichen Gerede über Studienkürzung gefällig drapiert wird. Das erleben wir aus nächster Nähe. Es wird uns vorgeschlagen, zu beschließen, daß für die Tierärzte das Studium von 9 auf 10 Semester verlängert wird. Für die Mediziner liegt ein Referentenentwurf vor, der die Studienzeit von elf auf zwölf Semester bringen soll. Für die Apotheker sieht ein Referentenentwurf eine Verlängerung von sechs auf sieben Semester vor. Die juristischen Fakultäten sind dabei, ihre Studienpläne von sieben auf acht Semester umzustellen, und sie sind sehr ungehalten darüber, daß es Bösewichte gibt, die sie darin stören wollen. Wir befinden uns also auf dem Wege zu einer erneuten allgemeinen Studienzeitverlängerung, zu einer neuen Runde durch alle Fakultäten hindurch.
Diese Bewegungsrichtung müssen wir umkehren. Ein unspezifiziertes Bekenntnis zur Studienzeitverkürzung reicht, wie die geschilderten Erfahrungen zeigen, dazu nicht aus. Wir müssen uns stärker engagieren. Wir müssen eine Altersgrenze nennen, und in diesem Sinne schlagen wir Ihnen die Ergänzung des Entschließungsentwurfs vor.
Die Ausschüsse dieses Hohen Hauses haben sich mit der Frage eingehend beschäftigt. Sie hatten Bedenken dagegen, eine Zahl zu nennen, und zwar aus zwei Gründen. Sie hatten einmal Zweifel daran, ob es in der Kompetenz des Bundes läge, so weit in die Einzelheiten zu gehen, und sie hatten ferner Zweifel, ob eine solche Zahl bei der großen Unterschiedlichkeit der Ausbildung für die verschiedenen Berufe realistisch und praktikabel wäre.
Zu diesen Einwendungen, zunächst zur Zuständigkeit! Kulturpolitische Fortschritte dürfen nur von einer engen freundschaftlichen Zusammenarbeit der Länder untereinander und des Bundes mit den Ländern erwartet werden. Wir dürfen keine Vorschriften erlassen, aber wir dürfen Wünsche und Anregungen äußern. Als vorsichtiger Mensch habe ich wegen der Zuständigkeitsbedenken beim Vorsitzer der Konferenz der Kultusminister schriftlich angefragt, und er hat mir schriftlich bestätigt, daß keine Bedenken dagegen bestehen, daß der Bundestag hier konkrete Wünsche äußert.
Nun zur zweiten Frage: Ist es möglich, den jungen Akademikern bis zum 26. Geburtstag den Stoff vollständig zu vermitteln? Diese Frage ist falsch gestellt. Sie unterstellt nämlich, daß die Universität überhaupt in der Lage sei, eine solche vollständige Ausbildung zu geben. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Nehmen Sie an, Sie müßten wegen einer schweren Operation ins Krankenhaus gehen und würden dort von einem jungen Arzt begrüßt, der Ihnen sagt, er habe gestern sein Examen mit Auszeichnung bestanden und er freue sich darauf, als erste berufliche Handlung Ihnen nun die Niere herauszuoperieren. Ich glaube nicht, daß eine solche Mitteilung erfreuen würde. Einen Beruf kann man überhaupt nur dadurch lernen, daß man ihn unter Anleitung selbst ausübt. Niemand kann durch bloßes Anhören von Vorlesungen ein guter Arzt oder ein guter Chemiker werden. Dazu kommt etwas anderes. Wir verlangen von einem guten Arzt, einem guten Chemiker, daß er die heute verfügbaren Kenntnisse beherrscht. Daß er vor 30 Jahren am Tage des Schlußexamens die Kenntnisse gehabt hat, reicht nicht aus.
7478 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Dichgans
Die Universität kann also überhaupt nicht zur dauernden vollen Berufsreife führen. Sie soll auch nicht Spezialisten für bestimmte Arbeitsplätze ausbilden, sondern Akademiker, Persönlichkeiten mit Führungsqualitäten, von denen erwartet werden darf, daß sie in ihrem ganzen späteren Leben die jeweiligen Ansprüche, die der einzelne Arbeitsplatz ,an sie stellt, erfüllen. Nicht auf den Stoff kommt es bei der Ausbildung an, sondern auf die Fähigkeit, sich in die verschiedenen Bedürfnisse einzuarbeiten. Die Hochschule soll nur eine akademische Grundausbildung anstreben. Das Argument, die Notwendigkeit der Stoffvermittlung erzwinge. die überlange Ausbildung, ist schlicht falsch. Die Frage lautet: Wo soll der Einschnitt zwischen der Universitätsausbildung und der Berufsausbildung sein? Diese Frage muß nach der menschlichen Zumutbarkeit entschieden werden.
Wenn wir als Kompromiß die Zeitgrenze von 26 Jahren nennen, so geschieht das aus zwei Gründen. Ich habe bisher niemanden gefunden, der ernsthaft die These verteidigt hätte, man dürfe einem 27jährigen, einem 29jährigen oder gar einem 31jährigen den Status des Studenten oder des Referendars zumuten. Die Grenze von 26 Jahren gestattet es außerdem, praktikable Ausbildungspläne aufzustellen. Darauf komme ich noch zurück.
Was muß nun geschehen, und wer soll was tun? Im Bereich 'der Schule besteht die Aufgabe darin, die Abiturienten zu verjüngen. Die 20- und 21 jährigen, also junge Leute, die nach unseren Gesetzen wahlberechtigt, ja, ehemündig sind und die heute in fast allen Oberprimen sitzen, gehören 'einfach nicht mehr auf die Schulbank. Wir dürfen jungen Leuten dieses Alters nicht mehr zumuten, daß sie sich noch einer Erziehung in den Formen der Schulzucht unterwerfen sollen.
Dazu sollte folgendes erwogen werden. In Deutschland beginnt die Schulpflicht verhältnismäßig spät. Unsere Nachbarländer verfahren anders. Dazu einige Zahlen: In Frankreich besuchen 91 % der Fünfjährigen eine Schule. In Belgien nehmen nicht weniger als 92 % der Drei- bis Sechsjährigen am renseignement préscolaire, also 'an der Vorschulausbildung, teil. In England habe ich eine Statistik nur für die Vierjährigen. Immerhin gehen dort bereits 27 % der Vierjährigen zur Schule. In allen diesen Fällen handelt es sich um Schulen, nicht um Kindergärten. Vielleicht könnten auch wir die Ausbildung der Fünfjährigen in einer dieser Altersstufe .angemessenen Form organisieren, um die reguläre Schule vorzubereiten und dadurch den Weg zu einem früheren Endtermin der Schule zu 'bahnen.
Was die Länge der Schulzeit betrifft, liegen wir mit 13 Schuljahren bis zum Abitur bekanntlich an der Spitze der Welt. Alle übrigen Länder, von Osterreich und Island abgesehen, kommen mit höchstens 12 Jahren aus.
Auch in Deutschland konnte man bis 1950 allgemein nach 12 Jahren das Abitur machen. Eine Ausnahme machten lediglich die Abiturientenjahrgänge von 1932 'bis 1937. Nur diese hatten 13 Jahre allgemein hinter sich. Es liegt also nahe, auch in Deutschland zu den 12 Jahren zurückzukehren.
Für den Bereich der Hochschulen möchte ich folgende Anregungen geben. Die Universitäten sollten den Ausbildungs- und Prüfungsstoff so gestalten, daß die Mindeststudiendauer wieder die Normalstudiendauer wird, wie das in unserer Jugend in allen Fächern selbstverständlich war und wie es auch heute noch z. B. in der Medizin und in der katholischen Theologie selbstverständlich ist. Ferner rege ich eine Neugestaltung des naturwissenschaftlichen Studiums an. In diesen Fächern sollte man das Doktorexamen nicht auf das Diplomexamen aufstocken, sondern wahlweise neben das Diplomexamen stellen. Wer sich für das schwierigere Doktorexamen entscheidet, sollte von der Pflicht entbunden werden, vorher ein Diplomexamen abzulegen. Dann müßte das Doktorexamen etwa im 13. Semester erreichbar sein.
Endlich rege ich eine pflegliche Behandlung der Studienanfänger an. Intelligenz und guter Wille sind kostbar. Wenn bestimmte Fächer im ersten Studienjahr bis zu 50 % der Studienanfänger verlieren, so sollte das Anlaß zu Überlegungen sein, wie die Ausfallquote vermindert werden kann. Wenn das alles geschieht, läßt sich die Altersgrenze von 26 Jahren ohne Schwierigkeit in allen Sparten einhalten.
Wer muß nun die notwendigen Maßnahmen durchführen? Im Schulbereich liegen die Dinge klar. Zuständigkeit und Verantwortung liegen ausschließlich bei der Konferenz der Kultusminister. Im Hochschulbereich sollten es in erster Linie die Hochschulen selbst sein, die die Reform durchführen. Das wäre für die Hochschulen der beste Weg, sich von der Kritik zu befreien, gegen die sie so empfindlich sind. Wir wollen hoffen, daß sich die Hochschulen selbst reformieren, daß sie nicht, wie es bisher üblich war, einfach die Wünsche der Spezialisten addieren, sondern mit einer Betrachtung des Ganzen beginnen und die verfügbare Gesamtzeit durch die Einzelaufgaben dividieren. Wir wünschen ihnen in unserem und in ihrem Interesse, daß sie damit Erfolg haben.
Aber wir können nicht einfach warten, sondern müssen vorsorglich und subsidiär auch für den Fall planen, daß die Hochschulen trotz besten Willens nicht die Kraft zur Selbstreform haben. Eine solche vorsorgliche Planung scheint mir aus folgenden Gründen notwendig.
Die Organisation unserer Hochschulen als Gelehrtenrepublik entwickelt im Hinblick auf überschaubare kleinere Universitäten stabile Verhältnisse. Sie hat den Nachteil, daß es nirgendwo Entscheidungsbefugnisse gibt. Weder der Rektor noch die Dekane haben Aufsichtsrecht über die Professoren. Die Fakultäten haben keine Entscheidungsbefugnisse. Rektoren und Dekane wechseln alljährlich. Deshalb sollte der Staat vorsorglich Reservestellungen für eine Hochschulreform aufbauen. Wir brauchen Hochschulgesetze, die den Hochschulen garantieren, was der Hochschule ist: die Freiheit des Sachinhaltes der Lehre und Forschung, die Freiheit,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7479
Dr. Dichgans
die eigenen Organe zu wählen und sich selbst zu verwalten; aber die dem Staat geben, was des Staates ist: eine gute Ausbildung unserer jungen Intelligenz zu sichern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Unterrichts und der Prüfungen sicherzustellen.
Damit bin ich am Ende. Wir kommen in der Kulturpolitik nicht weiter, solange wir uns darauf beschränken, kunstvolle Variationen über das Thema „Es ist schwierig" zu komponieren. Neue Institutionen zur Behandlung kulturpolitischer Probleme, neue Ausbildungsvarianten sind gewiß nützlich. Das berührt aber erst das Vorfeld der Bildungsreform, nicht deren Kern. Die Kernaufgabe liegt darin, die Bildung unserer jugendlichen Mitbürger ganz allgemein der Qualität nach zu verbessern. Dazu müssen wir die Schule und Hochschule auf diejenigen Lebensabschnitte beschränken, denen solche Schulformen angemessen sind, und dann die individuelle, nicht mehr von Schulformen eingeschnürte Weiterentwicklung freigeben.
In diesem Sinne schlagen wir Ihnen vor, sich konkret für eine Leitvorstellung auszusprechen: Beginn der bezahlten Berufstätigkeit spätestens mit 26 Jahren. Ich appelliere hier an Ihr menschliches Gefühl, aber ,auch an Ihren kulturpolitischen Mut. Stoßen Sie aus dem Raum der abstrakten Bekenntnisse in den Bereich der konkreten Verbesserungen vor! In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415131700
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der SPD auf Umdruck 527 *) hat Herr Professor Dr. Bechert.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0415131800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion legt auf Umdruck 527 einen Antrag vor, der bewirken soll, daß nach vielen Reden nun auch wirklich etwas geschieht, um dem Bildungsnotstand in der Bundesrepublik abzuhelfen. Es wird von niemandem in diesem Hohen Hause 'bestritten, daß das Bildungswesen in der Bundesrepublik an vielen Mängeln leidet und keineswegs den Anforderungen der heutigen Zeit oder gar des kommenden Jahrzehnts voll entspricht. Auch auf vielen Gebieten der Wissenschaft sind wir nicht mehr oder noch nicht wieder mit anderen hochzivilisierten Ländern konkurrenzfähig, wie Professor Heß, der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und Professor Butenandt vor kurzem wieder deutlich gemacht haben.
Wir halten einen langfristigen Bildungsplan für die Bundesrepublik für notwendig. Dazu gehört eine Vorausschätzung des Bedarfs auf dem Gebiet des Bildungswesens, wobei der Zusammenhang von Bildungs- und Wissenschaftspolitik und Wirtschafts-und Sozialpolitik beachtet werden muß. Dazu gehört also auch, daß man sich Rechenschaft gibt über den voraussichtlichen Nachwuchsbedarf in der Wirtschaft. Es ist schon oft gesagt worden und allgemein anerkannt, daß die Wissenschaft und die Entwicklung von 'heute die Wirtschaft und die Technik von
*) Siehe Anlage 3 morgen bestimmen. Der Lebensstandard der nachfolgenden Generation hängt von dem ab, was wir heute auf diesem Gebiet tun oder versäumen. Für jeden jungen Menschen gilt, daß seine spätere soziale Stellung davon abhängt, was ihm an Bildungschancen gegeben und von ihm genützt worden ist.
Daß ein Bildungsgefälle zwischen den Bundesländern besteht, ist ein bedauerlicher Zustand, der schnellstens geändert werden muß; natürlich in der Weise, daß bei den Nachzüglern die Bildungsverhältnisse besser werden und daß bei allen das Niveau steigt.
Herr Dr. Martin hat es für richtig gehalten, in diesem Zusammenhang das Beispiel des Kreises Hofgeismar zu nennen.

(Abg. Dr. 'Martin: Nein!)

Das Beispiel ist nicht sehr geeignet, Herr Dr. Martin. Denn dort sitzt ein Landrat, der der FDP angehört, und dieser Landrat hat bisher alle Bemühungen der hessischen Landesregierung zur Verbesserung des Schulwesens in diesem Kreis behindert und weitgehend verhindert.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Martin: Wer ist das denn? — Abg. Moersch: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

— Herr Dr. Steinbrenner.

(Abg. Dr. Martin: Da muß die Reichsexekutive einschreiten!)

Der Landkreis gehört zu meinem Wahlkreis. Ich kenne die Verhältnisse genau, Herr Kollege Moersch.

(Abg. Dr. Martin: Da müssen Sie etwas tun, Herr Bechert!)

Der Bundeskanzler und Politiker aller Parteien haben betont, daß Bildungs- und Wissenschaftspolitik vorrangig behandelt werden müssen. Wir Sozialdemokraten halten diese Forderung für dringlich. Es würde sich mit dem Bekenntnis, das hier von allen Parteien abgelegt worden ist, schlecht vertragen, wenn jetzt bei der notwendig werdenden Änderung des Haushaltsentwurfs die Anforderungen der Bildungs- und Wissenschafspolitik gegenüber Wahlgeschenken zurücktreten müßten.
Der Wissenschaftsrat, der nicht verdächtigt werden kann, Parteipolitik betreiben zu wollen, hat vor wenigen Tagen die Befürchtung geäußert, die ich soeben wiederholt habe. Wir meinen, die Ausgaben für Bildungs- und Wissenschaftspolitik sollten bis 1970 auf mindestens 51/2 % des Bruttosozialprodukts steigen. Diese Forderung hat das Mißfallen oder Mißbehagen des Herrn Bundesinnenministers hervorgerufen. Ich darf darauf hinweisen, daß der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung vor wenigen Tagen die Forderung erhoben hat, die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung sollten bis 1970 auf das Doppelte gesteigert werden. Wir halten diese Forderung durchaus für richtig. Aber ich möchte fragen, ob sie zu dem paßt, was der Herr Bundesinnenminister gegen solche Forderungen geäußert hat.
7480 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Dr. Bechert
Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses haben gefordert, einen Bildungsrat einzurichten. Wir sagen: Der Bildungsrat soll so zusammengesetzt sein, daß er erfahrene Sachverständige aus den Bereichen der Wissenschaft, der Erziehung und des Bildungswesens, der Wirtschaft und der Politik umfaßt. Als Aufgabe des Bildungsrates sehen wir an, daß er die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens beobachtet, besonders aber die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Bereichs. der Bildungsrat soll die Ergebnisse dieser Forschung auf dem Gebiete des Erziehungs- und Bildungswesens in Form von Gutachten den Parlamenten und den Regierungen des Bundes und der Länder zur Verfügung stellen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Ländern die Planung für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu erarbeiten und dabei stets auf den Zusammenhang und die Wechselwirkung zwischen Bildungs- und Wissenschaftspolitik einerseits und der Wirtschafts- und Sozialpolitik andererseits zu achten. Da die Lage ungünstig ist und baldige Besserung verlangt, halten wir einen jährlichen Bericht über den Stand von Wissenschaft und Bildung in der Bundesrepublik für notwendig, einen Bericht, den die Bundesregierung gemeinsam mit den Regierungen der Bundesländer zusammenstellen sollte.
Von allen Fraktionen ist begrüßt worden, daß ein Ministerium für wissenschaftliche Forschung geschaffen wurde. Wir halten es für sinnvoll, Aufgaben, die der Bund auf den Gebieten der Wissenschafts- und Forschungsförderung, der Ausbildungsförderung und der Bedarfsplanung hat, dem Ministerium für wissenschaftliche Forschung zu übertragen. Natürlich muß das Ministerium dafür personell und sachlich entsprechend ausgestattet werden.
Im Haushaltsentwurf 1965 stehen 300 Millionen DM sowie 50 Millionen DM Bindungsermächtigungen für den Ausbau bestehender Hochschulen. Das ist viel weniger, nämlich um 124 Millionen DM weniger, als der Wissenschaftsrat für nötig gehalten hat.
Herr Dr. Martin hat gesagt, die Regierungskoalition und die Regierung hätten die Aufwendungen für Wissenschaft und Forschung von den Kürzungen ausgenommen. Das ist in dieser Form nicht richtig. Denn die Aufwendungen für den Ausbau bestehender Hochschulen unterliegen trotz der Bemühungen des Wissenschaftsministeriums der 5 %igen Sperre aller Ausgaben. Das bedeutet, es stehen für den Ausbau bestehender Hochschulen nicht 300 Millionen DM zur Verfügung, sondern nur 285 Millionen DM.
Im ganzen stehen also sogar 139 Millionen DM weniger zur Verfügung, als der Wissenschaftsrat — nach Kürzungen, denen er schweren Herzens zugestimmt hat — für unbedingt nötig hält. Daß man sich zu dieser Frage so zuversichtlich und zufrieden äußert, wie das der Sprecher der CDU getan hat, ist von der Sache her nicht gerechtfertigt.
Der Bund sollte seine finanziellen Anstrengungen auf dem Gebiete deis Ausbaus bestehender Hochschulen vergrößern. Er sollte sich ferner mit erheblichen Mitteln am Bau neuer Hochschulen beteiligen. Damit die' Verhandlungen über die Gründung neuer Hochschulen schneller abgewickelt werden, sollte die Bundesregierung darauf drängen, daß spätestens 1966 feststeht, welche neuen Hochschulen gegründet werden sollen. Die Bundesregierung sollte bei dieser Beratung mit den Länderregierungen auch den Wissenschaftsrat hören.
Ein Gesetz zur Förderung wissenschaftlicher Forschung halten wir für dringlich. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Wissenschaftsförderung braucht nach unserer Meinung eine bundesgesetzliche Grundlage.
Daß die Ausbildungsförderung im ganzen Bundesgebiet einheitlich erfolgen muß, wird wohl niemand bestreiten. Wir wollen entsprechend unseren Grundsätzen, daß jedem Bürger der Bundesrepublik die gleichen Möglichkeiten geboten werden, daß jeder d i e Ausbildung wählen kann, die seinen Neigungen, Fähigkeiten und Leistungen entspricht. Es ist hohe Zeit, zu handeln; darüber sind wohl alle einig.
Wir bitten das Hohe Haus, den Antrag auf Umdruck 527 an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik — federführend — und an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Diese Teilung der Beratungstätigkeit war auch schon bei der Beratung der Vorlagen vorgenommen worden, die dieser Debatte zugrunde liegen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415131900
Meine Damen und Herren, ich darf kurz die Verhandlungen unterbrechen, um Ihnen unser Arbeitsprogramm für die Folge bekanntzugeben. Heute soll die Tagesordnung mit Ausnahme der nachfolgend bezeichneten Punkte abgewickelt werden: morgen um 14 Uhr Fragestunde, um 15 Uhr Nachtragshaushalt 1964 und, wenn die Zeit reicht, agrarpolitische Debatte; Freitag um 9 Uhr Fragestunde, um 10 Uhr Wahl des Wehrbeauftragten und anschließend wehrpolitische Debatte. Die für heute vorgesehene Geschäftsordnungsdebatte entfällt damit.
Wir fahren in der Behandlung des Tagesordnungspunktes 4 fort. Das Wort hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0415132000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie zum Schluß dieser Debatte auch mich noch einige Worte sagen.
Wenn ich auf den kulturpolitischen Sommer dieses Jahres zurückblicke, so spüre ich doch einen gewissen gedämpften Optimismus. In diesem Sommer sind einige Dinge geschehen, die vor einigen Jahren noch nicht ohne weiteres vorauszusehen waren. Ich nennen von diesen Fakten das Zustandekommen des Bund-Länder-Abkommens vom 4. Juni. Es ist im Ministerium des Innern ausgearbeitet worden und hat lange Jahre geschmort. Es ist nicht Schuld des Bundes oder der Bundesregierung gewesen, daß dieses Abkommen so spät verabschiedet wurde. Im-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7481
Bundesminister Lenz
merhin können wir es als einen Pluspunkt in diesem Sommer rechnen.
Zweitens möchte ich die Diskussion über den Bildungsrat nennen, die heute sehr umfangreich und auch erfreulich war. Ich bin davon überzeugt, daß wir auch hier in relativ kurzer Zeit zu einem Verwaltungsabkommen mit den Ländern gelangen werden, durch das dieser Bildungsrat errichtet wird. Ich habe aus der heutigen Debatte wertvolle Anregungen bekommen und erfahren, wie sich das Hohe Haus die Beteiligung des Bundes ungefähr vorstellt.
Ich möchte weiter berichten, daß wir in Verhandlungen über ein Verwaltungsabkommen über den Bau neuer Hochschulen stehen. Im ersten Abkomme handelt es sich um den Ausbau bestehender Hochschulen. Aber nun geht es um den Bau neuer Hochschulen. Der Bund, der schon sehr oft erklärt hat, daß er sich an dem Bau neuer Hochschulen finanziell beteiligen will, möchte dies in diesem Abkommen regeln.
Viertens darf ich erwähnen, daß wir demnächst ein Gutachten des Wissenschaftsrats über die hochschulfreien wissenschaftlichen Institute zu erwarten haben. Wir haben eines über die Universitäten, eines über die Bibliotheken und werden jetzt ein drittes über Institute bekommen, die außerhalb der Universität Forschung betreiben.
Als letztes möchte ich den Parlamentsbericht nennen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, versichert zu sein, daß es mir außerordentlich leid tut, wenn ich beim Präsidenten des Hohen Hauses immer wieder um Verlängerung bitten mußte. Es war bare Not. Es handelt sich um ein kleines, tapferes Referat, das diesen Bericht in Tag-und-Nacht-Arbeit erstellt hat und ihn unter Berücksichtigung einer Fülle neuer Gesichtspunkte erstellen mußte. Es war nicht nur eine Koordinationsarbeit, und zwar eine Koordinationsarbeit mit den Ländern und unter den Bundesressorts, die ja beinahe alle Forschungstitel haben und Forschung betreiben; sondern wir mußten dabei auch eine ganz neue Erhebungsmethode, neue Berichtsformen entwickeln, mußten uns vielleicht ganz neue Formen eines solchen Berichtes einfallen lassen.
Der Stand ist nun so, Herr Kollege Lohmar: Der Bericht ist so gut wie fertig. Er geht am nächsten Mittwoch ins Kabinett. Am 16. Dezember wird das Kabinett diesen Bericht entgegennehmen. Dann kommen technische Dinge, wie Druck und dergleichen. Sie werden den Bericht aber, wenn er fertig ist, unverzüglich in Händen haben. Es geht jetzt nicht mehr um inhaltliche, materielle Dinge, sondern nur noch um die technische Herstellung.
Ich glaube sagen zu dürfen, daß 'angesichts der verschiedenen Punkte, die ich aufgezählt habe — es könnten noch einige dazu genannt werden —, die Bildungspolitik, die Wissenschaftspolitik in diesem Jahr in Gang gekommen ,sind.

(Abg. Dr. Martin: Sehr gut!)

Ich meine, daß man heute auch in .den großen Tageszeitungen mehr und mehr feststellt, daß wissenschaftliche Nachrichten neben ganz normalen Nachrichten und normalen Berichten stehen. Das öffentliche Interesse für die Wissenschaft ist zweifellos gewachsen. Wir können die Öffentlichkeit viel mehr mit solchen Nachrichten „füttern", 'als dies noch vor ein paar Jahren möglich gewesen wäre. Es wird auch nicht immer nur vom Geld gesprochen, sondern die Sache selbst wird beurteilt, von der Sache selbst ist die Rede und gewiß auch von dem ständigen Wunsch — den ich selbstverständlich verstehe und auch bejahe — nach einer besseren Koordinierung.
Wichtig scheint mir aber zu sein, daß das BundLänder-Verhältnis bessergeworden ist, wobei wir einmal dahingestellt sein lassen wollen, wem das Verdienst dafür gebührt. Es ist vor allem aus dem Schlagschatten der Kämpfe — wenn Sie so wollen: der Unterredungen — der Finanzminister herausgekommen; das Klima in diesem Verhältnis ist besser geworden. Der Bundeskanzler und mehrere Minister haben sich die größte Mühe gegeben, diesen neuralgischen Punkt +in unserem öffentlichen Leben zu bessern. Ich finde, daß die Bildung einer Ständigen Kommission zwischen diesen beiden Gebietskörperschaften zweifellos diesen Weg fortsetzt. Man wird weiter ,daran arbeiten, Mißverständnisse und dergleichen auszuräumen. Ich sehe den Dingen eigentlich verhältnismäßig optimistisch entgegen.
Die Befürchtung, daß die Bildung dieses neuen Ministeriums vielleicht den Zorn der Kultusminister heraufbeschwören würde, war eigentlich — das kann ich heute wohl sagen — unbegründet. Wir unterhalten gute, um nicht zu sagen, sehr gute Beziehungen zu allen Kultusministern in unseren Ländern.
Meine Damen und Herren, ich behaupte, daß die Bildungs- und Wissenschaftspolitik dabei ist, sich einen Platz in der vorderen Reihe der Prioritäten unter den Staatsaufgaben zu erobern. Herr Kollege Lohmar, ,es ist müßig, darüber zu streiten. Sie haben recht; wir standen im letzten Haushalt mit 15,4 % an zweiter Stelle. Jetzt sind wir auf die vierte Stelle mit 15,5 % heruntergerutscht. Wir wollen uns nicht darüber streiten, was das Bessere ist. Ich glaube, die Feststellung ist richtig, ,daß Bildung, Wissenschaft und Forschung in den Staatsausgaben heute unter den Prioritäten rangieren.

(Zurufe von der Mitte: Sehr gut!)

Die Bemerkung meines verehrten Kollegen Höcherl, daß es sich hier um eine nationale Aufgabe handle, möchte ich nachdrücklich unterstreichen. Sie wird vielleicht als etwas weniger emotional angesehen, wenn wir sagen, daß es eine gemeinsame Aufgabe ist, eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Gemeinden und der Öffentlichkeit überhaupt. Ich glaube, wir können hier der Entwicklung — 'ich habe das schon das letztemal gesagt — mit Ruhe entgegensehen, weil ich den Eindruck habe, daß alle diese Körperschaften, alle diese Institutionen, ja vielleicht sogar unser ganzes Volk sich im Laufe der letzten Jahre bewußt geworden sind, daß es sich bei den Bildungsfragen, bei den Fragen von Wissen schaft und Forschung um entscheidende Zukunftsfragen unseres Volkes handelt. Wir würden sicher
7482 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Bundesminister Lenz
unsere Pflicht verfehlen, wenn wir nicht alles dafür täten, diese Aufgabe zu fördern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415132100
Wir sind am Schluß der Aussprache.
Zu Punkt 4 a) liegt der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 527 vor. Er soll an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik — federführend —und an den Ausschuß für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft — mitberatend — überwiesen werden. — Dagegen bestehen keine Bedenken; es ist so beschlossen.
Für den unter Punkt 4 b aufgeführten Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der FDP betreffend Errichtung eines Bildungsrates ist die Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß vorgesehen. — Ich darf feststellen, daß diese Überweisung beschlossen ist.
Zu Punkt 4 c liegen der Schriftliche Bericht und der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2773 vor. Zunächst haben wir hier aber über den Änderungsantrag der Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt (Gellersen), Logemann und Genossen auf Umdruck 5151 abzustimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Ferner liegt hierzu vor der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen auf Um- druck 516. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Auch dieser Antrag ist angenommen.
Nachdem diese Änderungen beschlossen worden sind, kann ich wohl die Annahme des Antrags des Ausschusses einschließlich dieser Änderungen feststellen.

(Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Abstimmen!)

— Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses mit den soeben durch die Annahme der Anträge auf Umdruck 515 und 516 beschlossenen Änderungen zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen auf der linken Seite des Hauses angenommen.
Da die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung erst am Freitag aufgerufen werden sollen, rufe ich Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen IV/1965, IV/834, IV/846, IV/2176, zu IV/2176).

(Erste Beratung 117., 69. Sitzung, zweite Beratung 132. Sitzung)

Interfraktionell ist vorgesehen, daß dieser Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß verwiesen werden soll. Der Ältestenrat hat sich dieser Anregung ange-
* Siehe Anlage 4 schlossen. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes (Drucksache IV/1346); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) (Drucksache IV/2696).

(Erste Beratung 84. Sitzung)

Es liegt vor der Schriftliche Bericht des Ausschusses für- Arbeit, erstattet durch den Abgeordneten Müller (Berlin). Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird Ergänzung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ausführungen in der zweiten Beratung? — Ebenfalls nicht.
Dann rufe ich auf Art. 1. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Schmidt (Kempten) und Genossen auf Umdruck 530 (neu) *) vor. Zur Begründung dieses Antrags hat das Wort Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0415132200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zunächst bitten, den Umdruck 530 (neu) zur Hand zu nehmen, weil hier eine kleine Änderung hinzuzufügen ist, die noch im Druck ist. In Ziffer 1 des Antrags auf Umdruck 530 (neu) heißt es: „Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Ausbildung von Jugendlichen in Lehrwerkstätten, im Werkstattunterricht sowie im Rahmen der 'überbetrieblichen Fachausbildung." Der Zusatz „sowie im Rahmen der überbetrieblichen Fachausbildung" wird gestrichen, und das Komma hinter dem Wort „Lehrwerkstätten" wird durch das Wort „und" ersetzt. Der Umdruck wird sofort neu vorgelegt werden. Ich bitte das zu entschuldigen.
Außerdem darf ich mitteilen, daß unter dem neuen Umdruck die Unterschriften weiterer Kollegen, auch aus anderen Fraktionen dieses Hauses, erscheinen werden.
Die Antragsteller sahen sich veranlaßt, diesen Antrag vorzulegen, weil sie der Meinung sind, daß die Entscheidung des Arbeitsausschusses nicht dem entspricht, was wir uns unter dem Jugendarbeitsschutzgesetz vorstellen. Das Gesetz soll den jungen Menschen in seiner Ausbildung vor physischer Überbeanspruchung, vor physischer Überbelastung schützen. Es soll aber wohl kaum den jungen Menschen in seinen Ausbildungsmöglichkeiten einengen. Nach dem vorliegenden Beschluß des Arbeitsausschusses wäre die Folge der jetzigen Vorlage, daß junge Menschen an Samstagen nicht mehr in einer vorbildlich ausgestatteten Lehrwerkstätte oder im eigenen Betrieb durch die Lehrmeister weiter ausgebildet werden könnten. Das würde dazu führen, daß die Ausbildungszeit in den Lehrjahren um etwa 10 % verkürzt werden müßte. Welche Folgen sich daraus in der Zukunft für eine Verlängerung der Lehrzeit ergeben könnten, darf ich hier nur andeuten.
*) Siehe Anlage 5
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7483
Schmidt (Kempten)

Wir sind der Meinung, daß überall dort, wo sich Lehrmeister und Ausbilder um der Ausbildung der jungen Menschen willen die Zeit nehmen und wo die Möglichkeiten für diese Ausbildung gegeben sind, den jungen Menschen diese Möglichkeit auch eröffnet werden muß. Hier darf der Gesetzgeber nicht einschränken, und wir dürfen nicht — und ich möchte Sie alle im Sinne unseres Antrages auffordern, das nicht zu tun — verkürzen, was jungen Menschen in ihrer Ausbildung zusteht.
Dem, was heute in diesem Hause über unsere kultur- und bildungspolitische Situation gesagt worden ist, würde eine Kürzung der Ausbildungsmöglichkeiten in jeder Beziehung widersprechen. Auch würde der Beschluß des Arbeitsausschusses dem Wunsche des Hauses widersprechen, in einem Leistungsförderungsgesetz die fachlichen Möglichkeiten der Ausbildung zu erweitern und die fachliche Ausbildung, insbesondere im Handwerk, zu verstärken und zu verbessern.
Aus diesen Gründen haben sich die Antragsteller entschlossen, diesen Antrag auf Umdruck 530 vorzulegen. Ich bitte Sie im Namen der Antragsteller um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415132300
Weitere Wortmeldungen? — Bitte, Herr Kollege Scheppmann!

Heinrich Scheppmann (CDU):
Rede ID: ID0415132400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß offen gestehen, ich bin einigermaßen erstaunt darüber, daß solch ein Antrag hier eingebracht worden ist. Wir haben im Ausschuß für Arbeit den Sachverhalt eingehend dargelegt, und ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn wir die Rechtseinheitlichkeit nicht verletzen wollen, diesen Antrag ablehnen müssen.
Ich darf darauf hinweisen, daß nach dem Erlaß des Jugendarbeitsschutzgesetzes im Jahre 1960 zunächst so verfahren worden ist, bis dann das Bundesarbeitsgericht in einer Urteilsbegründung darauf einging und ausdrücklich sagte, der § 10 Abs. 4 sei nicht klar genug formuliert und daher sei die Einheitlichkeit des Rechts nicht gegeben. Daraufhin ist dann ein Antrag der SPD-Fraktion eingebracht worden, und ich habe bei der Debatte vor etwa einem Jahr von dieser Stelle aus gesagt, man solle ein neues Streitverfahren einleiten, um den Großen Senat zu einer Entscheidung über die Frage des § 10 Abs. 4 zu bewegen.
Inzwischen hat aber das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls dazu Stellung genommen und hat in einem Streitverfahren erklärt, daß die Fassung von 1960 verfassungswidrig sei. Daraufhin hat der Ausschuß für Arbeit das Notwendige eingeleitet und hat die in Frage kommenden Juristen mit dazu herangezogen. Es sollte eine genaue Formulierung erarbeitet werden, damit in dieser Frage nicht wiederum die obersten Bundesgerichte abweichende iMeinungen zum Ausdruck bringen können.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß das Hohe Haus im Jahre 1960 im Jugendarbeitsschutzgesetz eine ganze Reihe von Ausnahmen beschlossen hat, die auch heute noch bestehen:
Erstens: Ausnahmevorschriften für die Landwirtschaft — § 9 in Verbindung mit den §§ 29 bis 31 —;
zweitens: Ausnahmevorschriften für Jugendliche in Familienhaushalten — §§ 23 bis 28 —, wo wir die 48stündige wöchentliche Arbeitszeit zugelassen haben;
drittens: Ausnahmevorschriften für die Beschäftigung Jugendlicher in der Binnenschiffahrt — § 35 —;
viertens : Ausnahmevorschriften für die Beschäftigung Jugendlicher im Friseurhandwerk, denen wir gestattet haben, an den Samstagen bis 18 Uhr zu arbeiten.
Fünftens muß ich noch erwähnen die Verordnung über die Beschäftigung von Personen unter 21 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es handelt sich hier um ein Schutzgesetz, und ich glaube, man kann nicht am laufenden Band immer wieder Ausnahmen zustimmen und neue Anträge einbringen. In diesem Falle sollen die Lehrwerkstätten das Recht erhalten, auch an den Samstagen Jugendliche zu beschäftigen. Ich bin der Auffassung, daß das nicht notwendig ist. Diese Lehrwerkstätten haben durchaus die Möglichkeit, ihre Jugendlichen in der Arbeitszeit auszubilden, die für Jugendliche von 16 bis 18 Jahren festgelegt wird, also 44 Stunden.
Ich bin also der Meinung, daß dieser Antrag höchst überflüssig ist, und bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses, ihn abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415132500
Das Wort hat der Abgeordnete Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0415132600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal kann ich mir einige Ausführungen ersparen und mich ganz dem anschließen, was der Herr Kollege Scheppmann hier soeben ausgeführt hat.
Die sozialdemokratische Fraktion ist der Meinung, daß es sich hier um die Gestaltung des Jugendarbeitsschutzes handelt. Fragen der Ausbildung sollten nicht im Rahmen eines Jugendarbeitsschutzgesetzes behandelt werden, sondern ihren Platz im Rahmen eines Berufsausbildungsgesetzes haben.
Wenn der Herr Kollege Schmidt hier erklärt hat, es gehe darum, die Ausbildungsmöglichkeiten der jungen Menschen nicht einzuengen, so meine ich, daß der Gesetzentwurf nicht vorgelegt worden ist, um etwas einzuengen, sondern um das, was wir seit 1960, seit Verabschiedung des Jugendarbeitsschutzgesetzes hatten, wiederherzustellen. Bestimmungen, die bis zum Jahre 1962 unumstriten waren und erst am 8. Juli 1964 durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geändert worden sind — entgegen der Meinung dieses Hohen Hauses — sollen wieder klar und unmißverständlich gefaßt werden; der alte Status soll wieder herbeigeführt werden.
7484 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Ravens
Es geht also nicht um eine Einengung, sondern um die Wiederherstellung dessen, was das Hohe Haus mit seinem Beschluß am 19. Mai 1960 wollte.
Wir halten es auch nicht für richtig, daß man versucht, ein Sonderrecht zu schaffen für Jugendliche, die in Lehrwerkstätten beschäftigt sind. Wir wissen, daß gerade im Rahmen der gut ausgestatteten Lehrwerkstätten eine hervorragende Berufsausbildung geleistet wird, und darauf sollte man in diesem Falle Rücksicht nehmen.
Hinzu kommt, daß auch die Ausbilder in den Lehrwerkstätten Arbeitnehmer sind. Da bestehen Tarifverträge, in denen auch über ihre Arbeitszeit einiges gesagt wird. Wir würden also, wenn wir dem Änderungsantrag folgten, in den Lehrwerkstätten .immer wieder mit den Tarifverträgen der Ausbilder kollidieren, die dann — bei einer 42stündigen Arbeitszeit — am Sonnabend eventuell nur noch zwei Stunden nachholen könnten, während in der übrigen Zeit also Lehrlinge in der Lehrwerkstatt beschäftigt würden, ohne daß Ausbilder da sind.
Aus all diesen Gründen bitten wir, diesen Änderungsantrag iabzulehnen. Wir sind der Meinung, das Hohe Haus sollte zu .seiner Forderung von 1960 stehen. Es 'sollte den alten Status durch Ablehnung des Änderungsantrags der FDP wiederherstellen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415132700
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0415132800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Meinung meines Vorredners, daß das Hohe Haus unbedingt zu seinen Beschlüssen von 1960 stehen sollte. Dieses Hohe Haus sollte Probleme, die auftauchen, überlegen und darüber nach sachlichen Gesichtspunkten und nicht nach Präjudizien entscheiden.
Wir haben uns lange Stunden, weit länger, als der Ältestenrat es vorgesehen hatte, über Bildungsnotstand und über Ausbildungsnotstand unterhalten. Hier sind wir drauf und dran, eine Bestimmung zu beschließen, die es unmöglich macht, Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren am Samstag Werkstattunterricht zu gewähren. Wegen der für die erwachsenen Arbeitnehmer geltenden Fünf-TageWoche können sie am Samstag in einem solchen Betrieb nicht beschäftigt werden. Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz dürfen die Jugendlichen höchstens 44 Stunden tätig sein. Sie sind aber nur an fünf Tagen jeweils acht Stunden, insgesamt also 40 Stunden, tätig, wenn im Betrieb die 5-Tage-Woche eingeführt ist.
Wir dürfen die Sache aber nicht nur unter Jugendarbeitsschutzgesichtspunkten sehen, sondern müssen sie auch unter bildungspolitischen Gesichtspunkten betrachten. Wenn wir Lehrlingen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren verbieten, am Samstag am Werkstattunterricht teilzunehmen, 'so müßten wir, sofern dafür die Bundesgesetzgebung zuständig wäre, für 16- bis 18jährige Gymnasiasten ungefähr
Ahnliches beschließen, also das Verbot des Schreibens von Hausaufsätzen und anderes.

(Zurufe von der Mitte.)

— Was hier eingewendet wird Herr Kollege Scheppmann, ist karikaturenhaft zugespitzt. Aber Sie können mir nicht bestreiten, daß an diesem Gedankengang ietwas Wahres ist.
Sie könnten der FDP Vorhaltungen machen, wenn wir die Bahn dafür freimachen wollten, daß in einem Betrieb, wo für die Erwachsenen die FünfTage-Woche von montags bis freitags besteht, die Möglichkeitgegeben sein soll, daß die 16- bis 18 jährigen Lehrlinge am Samstag in der Produktion dieses Betriebes tätig sein können. Das ist iaber gar nicht der Fall. Wir haben uns mit der Ausnahme auf Lehrwerkstätten und auf Werkstattunterricht beschränkt.
Nun hören Sie bitte einmal, was der Rechtsausschuß dem Arbeitsausschuß mitgeteilt hat. Er schreibt u. a., bei Annahme des Gesetzentwurfs seien Betriebsinhaber nicht 'mehr berechtigt, an für erwachsene Arbeitnehmer arbeitsfreien Tagen ihren Lehrlingen Werkstattunterricht zu erteilen und ihnen zum Ausgleich hierfür an anderen Arbeitstagen Freizeit zu gewähren. Das sei unbefriedigend. Diese Gesichtspunkte, die im Rechtsausschuß vorgebracht worden sind, hat der mitberatende Rechtsausschuß dem federführenden Arbeitsausschuß vorgetragen.
Ich glaube, manche Fachleute auf diesem Gebiet haben viel zu sehr nur die Betriebe im Auge, die tausend und mehr Arbeitnehmer haben. Wir haben aber schließlich auch Lehrwerkstätten, auch Betriebe, wo Werkstattunterricht möglich wäre, wo aber von Montag bis Freitag derjenige, der den Werkstattunterricht gibt, nicht die Zeit dazu hat; am Samstag nimmt er sich aber die Zeit, und dafür bezieht er mit Recht Überstundenentgelt. Unterschätzen wir bitte nicht den pädagogischen Idealismus unserer Vorarbeiter, Werkmeister und anderer Ausbilder in Lehrwerkstätten. Der ist nämlich größer, als der Kollege Ravens vorhin bei seinen Einwänden angenommen hat.
Ich bitte, sich das Problem genau vor Augen zu halten. Tun Sie das, so werden Sie sicher geneigt sein, dem Antrag der FDP Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415132900
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Remscheid).

Adolf Müller (CDU):
Rede ID: ID0415133000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls gegen den Antrag der FDP aussprechen.
Herr Kollege Dürr hat dabei die jetzige Fassung des Jugendarbeitsschutzgesetzes genannt, daß die an den einzelnen Wochentagen übliche Arbeitszeit nicht überschritten werden darf. In der neuen Fassung heißt es aber, daß die Arbeitszeit des Jugend-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7485
Müller (Remscheid)

lichen wöchentlich die übliche Arbeitszeit der erwachsenen Arbeitnehmer des Betriebes oder der Betriebsabteilung, in der der Jugendliche beschäftigt ist, nicht überschreiten darf.
In den Beratungen des Ausschusses für Arbeit ging es uns darum, die Rechtsklarheit dort wiederherzustellen, wo der Wille des Bundesgesetzgebers durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfälscht worden ist. Der Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat erklärt, daß die Fassung des § 10 zu Unklarheiten führe, daß aber Unklarheiten des Gesetzes nach der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts nicht der betrieblichen Gestaltung überlassen bleiben dürften, sondern daß der Gesetzgeber hier sehr klar zu sprechen habe.
Nun zur Frage der Lehrwerkstätten! Wenn man überall eine solche Berufsausbildung wie in den Lehrwerkstätten betriebe, wären wir in der gesamten Berufsausbildung etwas weiter. Gerade die Lehrmeister und die Vorarbeiter in den Lehrwerkstätten leisten eine ausgezeichnete Arbeit.
Freiwillige Kurse, die die Betriebe für ihre Lehrlinge einrichten, werden von dem Gesetz überhaupt nicht berührt. Das gilt auch für überbetriebliche Lehrgänge, die beispielsweise in gewissen Handwerksbereichen durchgeführt werden. Solche Lehrgänge sind nach dem neuen Gesetz durchaus möglich.
Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415133100
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Schmidt (Kempten) und Genossen Umdruck 530 (neu). Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann auf: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmt, erhebe sich bitte. — Gegenprobe! — Bei 3 Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Luda, Katzer, Winkelheide, Wullenhaupt und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (Drucksache IV/2049) ;
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuß) (Drucksachen IV/2716, zu IV/2716).

(Erste Beratung 125. Sitzung)

Dazu liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Seume vor, dem ich dafür danke.
Wird eine Ergänzung des Berichts gewünscht? —Das ist nicht der Fall.
Herr Dr. Luda wollte einige redaktionelle Änderungen anregen. Er ist zur Zeit nicht im Saal. Vielleicht kann er gerufen werden. Ich bitte um Ihr Einverständnis, daß die Beratung des Punktes 10 so lange ausgesetzt wird.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes (Drucksache IV/2331) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) (Drucksache IV/2724).

(Erste Beratung 131. Sitzung)

Es liegt der Schriftliche Bericht des Abgeordneten Varelmann vor. — Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. — Das Wort wird nicht begehrt.
Wir können dann abstimmen, und zwar nach der Fassung des Ausschußbeschlusses Drucksache IV/2724. Ich rufe auf: Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die _
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entwurf ist einstimmig angenommen.
Herr Dr. Luda ist eingetroffen. Wir kehren zurück zum Tagseordnungspunkt 10. Herr Dr. Luda, Sie wollten eine redaktionelle Änderung anregen?

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0415133200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Gesetzentwurf in einem Punkte zu ändern. Es muß in Abs. 4 Zeile 5 statt „Anteilscheinen" heißen: „Anteilen". Das ergibt sich daraus, daß Anteilscheine auch über mehr als einen Anteil ausgestellt werden können.
Im übrigen nehme ich Bezug auf meine schriftliche Erklärung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415133300
Herr Abgeordneter Dr. Seume, sind Sie mit dieser Änderung einverstanden?

(Abg. Dr. Seume: Einverstanden!)

— Dann können wir abstimmen. Ich rufe auf Art. 1 mit der Änderung, die Herr Kollege Dr. Luda beantragt hat, Art. 2, — 3,— Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegen' probe! — Enthaltungen? — Ich kann einstimmige Annahme des Entwurfs feststellen.
7486 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 12:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (Drucksache IV/2351) ;

(12. Ausschuß)


(Erste Beratung 132. Sitzung)

b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 30. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (Drucksache IV/2352);
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksachen IV/2750, zu IV/ 2750).

(Erste Beratung 132. Sitzung).

Zu beiden Punkten liegen Schriftliche Berichte des Rechtsausschusses, erstattet durch den Abgeordneten Dr. Wahl, vor. — Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zunächst den Entwurf Drucksache IV/2351 auf: Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Entwurf zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Ebenfalls einstimmige Annahme des Entwurfs.
Ich rufe jetzt dien Gesetzentwurf Drucksache IV/2352 auf. — Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Ich rufe auf die §§ 1 bis 24, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die.
dritte Beratung.
Wer dem Entwurf zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Ich stelle die einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs fest.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 14. September 1961 über die Anerkennung der
Vaterschaft und vom 12. September 1962 über
die Feststellung der mütterlichen Abstammung
nichtehelicher Kinder (Drucksache IV/1933),
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses

(12. Ausschuß) (Drucksache IV/2760).


(Erste Beratung 116. Sitzung).

Es liegt der Bericht des Rechtsausschusses vor, erstattet durch den Abgeordneten Dr. Wahl, dem ich für seinen Bericht danke. Eine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht, auch keine Aussprache.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Ich rufe nach Drucksache IV/1933 in Verbindung mit Drucksache IV/2760 auf: Artikel 1 bis 4, — Einleitung und Überschrift. — Dabei ist berücksichtigt, daß nach dem Antrag des Ausschusses eine Streichung vorgenommen ist; das ist selbstverständlich. — Wer 'zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. März 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile über den Luftverkehr (Drucksache IV/2641);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/2766).

(Erste Beratung 142. Sitzung)

Es liegt vor der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, erstattet durch den Abgeordneten Iven, dem ich dafür danke.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1, 2, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle die einstimmige Annahme fest.
Tagesordnungspunkt 15:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Juni 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über den planmäßigen gewerblichen Luftverkehr (Drucksache IV/2651) ;
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7487
Vizepräsident Dr. Dehler
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/2767).

(Erste Beratung 142. Sitzung)

Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen liegt Ihnen vor, erstattet durch den Abgeordneten Dr. Sinn, dem ich dafür danke. — Keine Ergänzung des Berichts. — Eine Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab nach der Drucksache IV/2651. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen (Drucksache IV/2643) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksache IV/2788).

(Erste Beratung 142. Sitzung)

Es liegt der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses vor, erstattet durch Herrn Kollegen Dr. Reischl, dem ich dafür danke.
Keine Aussprache! Wir stimmen nach Drucksache IV/2643 ab. Ich rufe auf Art. 1 bis 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annnahme!
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer zustimmt, erhebe sich! — Gegenprobe! — Einstimmige Annnahme!
Punkt 17 der Tagesordnung wird morgen aufgerufen, eventuell auch Punkt 18.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1962 zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates über die Ausgabe eines internationalen Gutscheinheftes für die Instandsetzung von Prothesen und orthopädischen Hilfsmitteln an militärische und zivile Kriegsbeschädigte (Drucksache IV/2778).
Es wird vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zu überweisen. Ich stelle Ihre Zustimmung fest.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (Drucksache IV/2787).
Vorgesehen ist die Überweisung an den Rechtsausschuß. — Das Haus stimmt zu; es ist so beschlossen.
Punkt 21 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Drucksache IV/2813).
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vorgesehen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (Drucksache IV/ 2784) .
Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung. — Einverständnis des Hauses; es ist so beschlossen.
Punkt 23 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren bei Änderungen des Gebietsbestandes der Länder nach Artikel 29 Abs. 7 des Grundgesetzes (Drucksache IV/2746).
Die Vorlage soll an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.
Dann Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD und den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU hierzu
betr. Enquete über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft (Drucksachen IV/2771, IV/837, Umdruck 247).
Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Schroeder. Wünschen Sie das Wort, Frau Abgeordnete?

(Abg. Rasner: Zu einer Erklärung, Herr Präsident, nicht als Berichterstatterin!)

— Bitte, Frau Schroeder!
7488 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964

Christa Schroeder (CDU):
Rede ID: ID0415133400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich die Ehre, folgende Erklärung zu dem Antrag des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen abzugeben.
Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt den Auftrag an die Bundesregierung, eine umfassende Enquete über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft durchzuführen. Sie hat deshalb im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen die Formulierung dieses Auftrages miterarbeitet und stimmt ihm in der vorliegenden Fassung zu.
Wir sehen die Notwendigkeit für eine solche Enquete durch die strukturelle Entwicklung unserer modernen Gesellschaft gegeben, eine Entwicklung, die im vollen Gange ist und gerade die Frau vor neue Situationen, Aufgaben und Probleme stellt. Deswegen muß nach unserer Auffassung der allgemeine gesellschaftspolitische Gesichtspunkt bei allen Untersuchungen und in der Berichterstattung im Vordergrund stehen. Damit dürfte der Schwerpunkt der Enquete im Arbeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung liegen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat von vornherein großen Wert darauf gelegt, daß zunächst das vorhandene Material über diese Probleme sinnvoll zusammengestellt und ausgewertet wird und die Bundesregierung so bald wie möglich einen ersten Bericht vorlegt. Wir wissen — und haben dies auch von allen Sachverständigen im Ausschuß bestätigt erhalten —, daß eine Fülle guten Materials sowohl der Statistik als auch der empirischen Sozialforschung existiert. Wir sind der Auffassung, daß die zuständigen und verantwortlichen Stellen auch bisher nicht an den Problemen vorbeigegangen sind. Als Beispiel verweisen wir auf die Forschung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge über die „Lage der Mütter in Westdeutschland", angeregt und finanziell ermöglicht von dem Bundesministerium des Inneren bereits im Jahre 1961, sowie auf die im Auftrage des Bundesministeriums für Familie und Jugend durchgeführte Erhebung über die Betreuung von Kindern erwerbstätiger Mütter.
Trotz dieser wertvollen Arbeit auf Teilgebieten wird ein umfassender Überblick über den Problemkreis der Frauen, den wir nach dem jetzt vorliegenden Auftrag erwarten, für die politische Arbeit außerordentlich begrüßenswert und wertvoll sein.
Die CDU/CSU-Fraktion hat beantragt, daß in diesem ersten Bericht auch aufgezeigt wird, was schon bisher für die Frau in Familie und Arbeitswelt geschehen ist. Wir müssen wissen, wie sich das bisher Geschehene bewährt hat, um die Weichen für Weiteres und Zukünftiges richtig stellen zu können.
Schwerpunkte der Enquete sehen wir in der Behandlung folgender Fragenkomplexe. Erstens: Wie steht :es mit der im Grundgesetz garantierten Gleichberechtigung der Frau in .der Praxis? Wir wünschen in diesem Zusammenhang vor allem die Beantwortung der Fragen nach den Aufstiegschancen der Frau, nach ihrer Beteiligung ,an der beruflichen Förderung und den Förderungsmaßnahmen für die Ausbildung, nach ihrer Rolle im öffentlichen Leben, der Mitverantwortung, die sie trägt, und der Möglichkeit, solche Mitverantwortung zu übernehmen.
Zudiesem Fragenkomplex gehört auch die Untersuchung der Situation der 'alleinstehenden Frau und ihrer Stellung in der Gesellschaft. Dies scheint uns besonders wichtig in der Kenntnis, daß auf diesem Gebiet noch wenig Material vorliegt. Wir wünschen zu wissen: Kommt sie zu ihrem Recht im Beruf, in der Wohnungsfrage, in den Fragen ihrer sozialen Sicherung? Das gilt auch für die Frau in der vaterlosen Familie.
Den zweiten großen Fragenkomplex sehen wir in der zunehmenden Doppelfunktion der Frau in Familie u n d Beruf. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß von den rund 10 Millionen berufstätiger Frauen mehr als ein Drittel verheiratet sind. Etwa 22 % sind Mütter; fast 2 Millionen sind Mütter von Kindern unter 14 Jahren.
Wir wollen wissen: Wie werden die Frauen mit dieser Situation — Familie und Beruf — fertig? Wie steht es um ihre Beanspruchung oder Überbeanspruchung, wie vor allem um ihre Gesundheit? Wie sind die Auswirkungen auf die Familie, auf die Betreuung der Kinder? Aus welchen Gründen nehmen Frauen, nehmen Mütter außerhäusliche Arbeit auf? Wie wird die Frau heute vorbereitet auf die Doppelrolle in Familie und Beruf? Hier sehen wir das Kernstück dieser Enquete, weil sich hier die dynamischste Entwicklung vollzieht. Wir müssen klare Unterlagen haben, um Wege suchen zu können und Lösungen zu finden, die die Frauen zu ihrem Recht kommen lassen und sie davor schützen, sich zu zerreiben. Wie diese Lösungen auch immer aussehen mögen — Teilzeitarbeit, Erleichterungen im Haushalt oder zeitweiliges Ausscheiden aus der Arbeit —, sie müssen dazu beitragen, die Familie und das Familienleben zu schützen. Sie müssen 'der Mutter helfen, Mitte und zentrale Kraft der Familie bleiben zu können.
Wir sehen als eines der aktuellsten Probleme die Wiedereingliederung der älteren Frauen, deren Kinder nicht mehr betreut werden müssen, in den Beruf an. Wir meinen, daß man allen Maßnahmen, die der älteren Frau die Wiederaufnahme des Berufs erleichtern, wie Vertiefung und Erweiterung ihrer Ausbildung, eventuell eine Umschulung, größte Beachtung schenken sollte. Wir sind der Auffassung, daß es richtiger ist, alles daranzusetzen, diese Reserven zu mobilisieren, als daß Mütter von Kleinkindern arbeiten.
Ebenso liegt uns an der besonderen Untersuchung der Lage der Landfrau. Sie finden in dem Antrag des Ausschusses, daß bei der Berichterstattung auf die Gruppe der in der Landwirtschaft tätigen Frauen bei allen Fragen besonders einzugehen ist.
Wir begrüßen die gefundene Lösung, daß jeweils nach Untersuchung einzelner Fragenkomplexe sofort Berichte vorgelegt werden sollen. Wir sehen das Wesentliche dieser Enquete darin, daß man zu wirklichen Maßnahmen kommt, die geeignet sind, die Entwicklung so zu beeinflussen, daß sie sich richtig
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7489
Frau Schroeder (Detmold)

vollzieht: zum Wohle der Frau, zum Wohle der
Familie, zur richtigen Entfaltung der Kräfte der Frau.
Wir danken allen Frauenverbänden, die sich seit langem mit den Problemen, die in dieser Enquete angesprochen sind, befassen, die wertvolle Vorarbeit geleistet haben und die Arbeit des Ausschusses mit regem Interesse und aktiver Mitarbeit begleitet haben. Wir möchten ihren Rat und ihre Erfahrung auch bei der weiteren Durchführung der Enquete eingeschaltet wissen.
Wir bitten das Hohe Haus, dem Antrag des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen auf Drucksache IV/2771 zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415133500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0415133600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht Drucksache IV/2771 betreffend die Enquete über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft ist im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen einstimmig angenommen worden. Der Ausschuß war der Auffassung, daß ein umfassender Bericht erstellt werden sollte. Sachverständige vertraten die Auffassung, daß eine umfassende Arbeit frühestens erst in fünf Jahren vorgelegt werden kann. Wir wollen unter allen Umständen den umfassenden Bericht; aber die Zeit darf bis dahin nicht ungenutzt verstreichen. Zu einigen Fragen können in verhältnismäßig kurzer Zeit Teilberichte geliefert werden. Sie können schon manche Situation klären helfen, so daß bereits in absehbarer Zeit Maßnahmen eingeleitet werden können, die dazu beitragen, daß die Frau in ihrem Lebens- und Arbeitsbereich den an sie gestellten Anforderungen, die heute leider allzuoft ihre Leistungskraft übersteigen, besser gerecht werden kann.
In der Bundesrepublik Deutschland besteht die Gleichberechtigung im Recht für Männer und Frauen. Aber in der Gesellschaft und im Beruf ist die Gleichberechtigung bei weitem noch keine Wirklichkeit. Die moderne Industriegesellschaft verlangt andere Arbeits- und Lebensformen als die Zeit zuvor. Um diese neuen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens geht ein großes Bemühen, und zwar nicht nur bei uns. In allen Industrienationen zeigen sich dieselben Probleme. So hat Präsident Kennedy den Auftrag zu einer Untersuchung über die Situation der Frau in Amerika erteilt. Dieser Bericht liegt bereits vor. In Schweden ist ein Königliche Kommission gebildet worden, die für ihr Land dieselben Probleme untersucht. Das Internationale Arbeitsamt beschäftigte sich im Sommer dieses Jahres mit dem Thema „Die Frau in einer sich wandelnden Welt".
Wir sind dankbar, daß heute im Bundestag über den Ausschußbericht betreffend die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft entschieden wird, so daß die Regierung mit der geforderten Untersuchung zu dem umfassenden Bericht beginnen kann.
Es mag sein, daß der eine oder andere in diesem Hause diesen gesellschaftlichen Problemen mit wenig Sympathie gegenübersteht. Über ihn wird die Zeit hinweggehen wie über jenen preußischen Kultusminister, der sich noch in einer Rede im Jahre 1898 dagegen wandte, daß Frauen zum Hochschulstudium zugelassen werden. Aber auch heute noch sind Frauen vielfach in der Ausbildung, im Beruf und in der Gesellschaft benachteiligt. Benachteiligt in vielfältiger Form sind insbesondere die alleinstehenden Frauen, und überfordert sind erwerbstätige Mütter mit Kindern.
Über einige der im Antrag des Ausschusses aufgeführten Fragen gibt es bereits Material, das zusammengetragen, gesichtet und in absehbarer Zeit verwendet werden kann. Dazu werden zusätzliche Untersuchungen unbedingt erforderlich sein zu den Problemen der alleinstehenden Frau, der vaterlosen Familie, der Aufstiegschancen der Frau im Beruf, der Wiedereingliederung der älteren Frauen, wenn deren Kinder erwachsen sind, in den Beruf und der gesundheitlichen Situation der Frau, weil zu diesen Fragenkomplexen so gut wie kein Material vorliegt.
Meine Damen und Herren, wie notwendig diese Sonderuntersuchungen sind, um festzustellen, wie es in unserer Gesellschaft wirklich aussieht, beweisen eine kürzlich erschienen Arbeit des Präsidenten des Statistischen Bundesamt und eine neue Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zum Thema der Erwerbstätigkeit von Müttern. Dr. Schubnell hat folgendes festgestellt.
Von den 2 Millionen Kindern von 0 bis 14 Jahren, deren Mütter den ganzen Tag erwerbstätig sind, sind 1,8 Millionen oder 91 % den ganzen Tag über betreut, 170 000 nur den halben Tag über, und 8 000 sind tagsüber völlig unbetreut. Von den 784 000 Kindern unter 6 Jahren, deren Mütter ganztägig arbeiten, waren 778 000 oder 99 % den ganzen Tag betreut, etwa 800 den halben Tag und über 5600 den ganzen Tag unbetreut. Bei den Schulpflichtigen ist der Anteil der nachmittags nicht betreuten Kindern wesentlich höher. Bei den 6- bis 10jährigen sind 7 %, bei den 10- bis 14jährigen 20 % außerhalb der Schule nicht betreut. Die Behauptung, es gebe 3 Millionen Schlüsselkinder, findet in der vorliegenden Untersuchung keine Grundlage. Aber immerhin gibt es auch noch nach dieser Untersuchung 50 000 Kinder von ganz- oder halbtägig erwerbstätigen Müttern, die völlig unzureichend betreut sind.
Meine Damen und Herren, ich greife diese Teilfrage der Enquete heute auf, weil zur Zeit durch eine bestimmte Presse fast täglich über Kindesmißhandlungen berichtet wird. Dadurch entsteht der Eindruck, daß Kindesmißhandlungen in unserer Zeit zugenommen haben. Ob das so ist, kann niemand verbindlich sagen, weil die Dunkelziffer der Kindesmißhandlungen zu keiner Zeit bekannt war. Daß aber Kindesmißhandlungen vorkommen, sollte die Öffentlichkeit alarmieren und Anlaß zu Überlegungen geben, wie dieses Übel abgeschafft werden kann.
Mit dem Appell des Bundesministers für Familie und Jugend, den er am 5. Dezember in der Bild-Zeitung herausgab, ist nicht viel getan. Der Mini-
7490 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Frau Schanzenbach
ster meint, es handle sich um eine Frage der Gesinnung der Eltern, und hier müßten Verwandtschaft, Nachbarschaft und Gesellschaft eingreifen. Dieser Appell ist sicher gut gemeint. Er kann sich aber auch sehr gefährlich auswirken. Es ist zweifelhaft, ob er eine pädagogische Wirkung haben wird; denn die Ursachen einer Kindesmißhandlung lassen sich durch einen Appell nicht beheben.
Wie sind die Eltern auf ihre Erziehungsaufgabe in der Familie überhaupt vorbereitet? Schon die erwähnte Untersuchung des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge macht eine Aussage über die Schul- und Berufsausbildung von Müttern und über die Vorbereitung auf Haushalt und Familie. Demzufolge erhielten nur 21 % der Mädchen bis zu 24 Jahren eine Schulausbildung über das 14. Lebensjahr hinaus. 52 % aller Mütter bis zu 65 Jahren besuchten die Volksschule und haben keine abgeschlossene Lehre, 31 % hatten eine abgeschlossene Lehre, 14 % eine mehrjährige Fachschulausbildung, und 1 % hatte das Abitur. Interessant ist bei dieser Untersuchung die Feststellung, daß die Mütter unter 30 Jahren eine schlechtere Ausbildung haben als die älteren.
Wie ist nun die besondere Vorbereitung auf Haushalt und Familie? Nur 25 % aller befragten Mütter haben — wieder nach der erwähnten Untersuchung — irgendwelche Schulen oder Kurse besucht, die sie auf Haushalt und Familie vorbereiten. Nur 15 % nehmen an Kinder- und Säuglingspflegekursen teil, nur 1 % an Kursen über Gesundheitspflege und 30% an Kochkursen. Der Ausbildung und Vorbereitung auf Haushalt und Familie ist deshalb besondere Bedeutung beizumessen, weil 85 % aller Mütter mit ihrem Mann und ihren Kindern allein im Haushalt leben. Die Frage, ob die Mütter durch Volkshochschulkurse oder Fernkurse ihre Kenntnisse erweitern, ist von 95 % mit Nein beantwortet worden.
Wenn diese für die Aufgaben in der Familie so wenig vorbereiteten Mütter und Väter in der Erziehung ihrer Kinder Fehler machen, ja da und dort sogar versagen, wie das z. B. bei den Kindesmißhandlungen der Fall ist, so ist das nicht nur ihre eigene Schuld. Hier haben die verantwortlichen Stellen in Gesellschaft und Staat eine wesentliche Aufgabe unterlassen. Die Familie kann von sich aus heute nicht mehr in dem Maße wie früher die jungen Menschen auf die Familienaufgaben vorbereiten. Deshalb müssen den Eltern in wirtschaftlicher, pädagogischer und familienergänzender Hinsicht Hilfen gegeben werden.
Die Frage des Familienlastenausgleichs wird von entscheidender Bedeutung sein; denn keine Mutter, die kleine Kinder hat, sollte aus wirtschaftlicher Not gezwungen sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie muß die Möglichkeit haben, ihren Kindern eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der das Kind gesund an Leib und Seele heranwachsen kann.
Aber auch das Fehlen von Einrichtungen, die die Familien beraten und ergänzen, wird immer deut- licher sichtbar. Kindertagesstätten, Ehe- und Erziehungsberatungsstellen, Mütterschulen müssen heute teilweise Aufgaben übernehmen, die in früheren
Jahrzehnten von der Großfamilie allein bewältigt
worden sind. Leider wird das in weiten Kreisen der
Bundesrepublik noch nicht deutlich genug erkannt.
Meine Damen und Herren, schon allein die vorliegenden Untersuchungen zum Thema Erwerbstätigkeit von Müttern haben neue Erkenntnisse gebracht und Notwendigkeiten aufgezeigt. Viele Probleme — das zeigt die Enquete auf — sind noch völlig offen. Wir sind davon überzeugt, daß die Enquete eine große gesellschaftspolitische Bedeutung haben wird. Wir hoffen, daß wir — wenn die Ergebnisse der im Ausschußbericht zur Untersuchung angeforderten Teilfragen vorliegen — bessere Einsichten haben werden, die uns helfen, die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft der neuen Zeit anzugleichen. Im Ausschuß wurde gefordert, daß ausreichende Mittel zur Durchführung der Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Wir möchten dies hiermit eindringlich unterstützen.
Die sozialdemokratische Fraktion wird dem Ausschußbericht zustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0415133700
Das Wort hat der Abgeordnete Kubitza.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0415133800
Herr Präsident! Ich möchte heute mit besonderem Nachdruck sagen: Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Damen des Hauses werden verzeihen, wenn von seiten der FDP-Fraktion ein Mann zu dem Bericht über die Frauen-Enquete Stellung nimmt. Sie mögen daraus entnehmen, welcher Wertschätzung sich die Frauen bei uns erfreuen.

(Heiterkeit.)

Die FDP-Fraktion begrüßt die Aufgabenstellung des vorliegenden Berichts und wird ihm zustimmen. Die Strukturänderung unserer Gesellschaft und besonders die geänderten Formen der Arbeit in einer arbeitsteiligen Gesellschaft haben das Leben der Frauen wesentlich verändert. Die Trennung von Berufstätigkeit und Haus sowie die Reduzierung der Familiengemeinschaft auf weithin nur zwei Generationen lassen Probleme entstehen, die es in früheren Zeiten nicht oder kaum gegeben hat. Andererseits ist es verständlich, wenn eine verheiratete Frau nicht ganz oder endgültig aus einem erlernten und ausgeübten Beruf und damit auch aus der anregenden beruflichen Gemeinschaft ausscheiden möchte. Mit Verhaltensmustern früherer Zeiten kann man diesen gewandelten Verhältnissen nicht mehr gerecht werden. Es müssen daher neue Erkenntnisse über die Wirklichkeit des heutigen Verhaltens der Frauen in Beruf, Familie und öffentlichem Leben gewonnen werden, um daraus z. B. Erkenntnisse für die Regelung im Bereich des Arbeits-, Sozial- und Beamtenrechts — und ich denke beim letzteren an die Frage der Halbtagsbeamtin, die formalen Hindernisse, die der Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen, usw. — zu erhalten. Dazu soll die Enquete helfen.
Zweifellos verdienen nicht alle Aufgabenstellungen den gleichen Rang und die gleiche Wertigkeit. Auch wird die exakte Untersuchung aller genannten
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7491
Kubitza
Bereiche keinen vollständigen Überblick über die Situation bringen, schon deshalb nicht, weil alle Untersuchungen in einer sich ständig wandelnden Welt erfolgen. Es sind Fragen gestellt, besonders quantitativer Art, auf die wir verhältnismäßig schnell recht zuverlässige Antworten, und zwar über die Statistik, erhalten können. Dieses Material sollte uns bald zugänglich gemacht werden, damit sofort für die Gesetzgebung brauchbare Unterlagen gewonnen werden. Dort, wo wissenschaftliche Forschungen und soziologische Befragungen angestellt werden müssen, wünschen wir die Einschaltung unabhängiger Wissenschaftler und Institute sowie der Sachverständigen der Arbeitnehmerorganisationen. In diesem Bereich der qualitativen Untersuchungen, wo nach den Motiven des Handelns gefragt wird, wird man sehr sorgfältig verfahren müssen, um nicht dem Irrtum kurzschlüssiger Folgerungen zu verfallen und um auch nicht allzu global die Vielfalt und Vielschichtigkeit des Lebens in Durchschnitte und Tabellen zusammenzuziehen.
Wir wollen es daher durchaus ertragen, daß der Bericht in Folgen erstattet wird, und lieber auf einen Sammelband verzichten, bis er sich einmal als Folge langjähriger Untersuchungen aus der Fülle des Einzelmaterials ergibt.
Es ist der Wunsch der FDP, daß die Teilberichte und die spätere Gesamtübersicht mit dazu beitragen, daß die Frau und ihre Stellung in Familie, Beruf und Gesellschaft in der heutigen Zeit ein größeres Verständnis und Selbstverständnis gewinnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415133900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, Drucksache IV/2771. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 25 des Tagesordnung:

(10. Ausschuß über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend europäisches Jugendwerk in Verbindung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Hierzu liegt vor der Schriftliche Bericht der Frau Abgeordneten Klee. Wünscht die Frau Berichterstatterin ihren Bericht zu ergänzen? — Ich bitte sie, das Wort zu nehmen. Herr . Präsident! Meine Damen und Herren! Zu meinem Schriftlichen Bericht möchte ich ergänzend mitteilen, daß sich der Haushaltsausschuß nunmehr zum zweitenmal mit dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend europäisches Jugendwerk 'beschäftigt und dazu die Stellungnahme abgegeben hat, die Ihnen auf Drucksache IV/2798 vorliegt. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? Das Wort hat Frau Abgeordnete Klee. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Einigung ist das Ziel aller CDU/CSU-Politik von Anfang an. Wir danken der deutschen Jugend dafür, daß sie sich mit solcher Begeisterung und solchem Schwung für dieses große Ziel eingesetzt hat. Wir wollen mit unserem Änderungsantrag Umdruck 5281, den wir gemeinsam mit der FDP eingebracht haben, gerade dafür sorgen, daß der Austausch und die Zusammenarbeit der jungen Generation in Europa in einer Weise gefördert wird, die im Interesse des europäischen Zusammenschlusses liegt. Die Freundschaft der jungen Generation untereinander soll das Fundament eines für immer geeinten Europas werden. Das ist der Sinn der Eingangsworte des Beschlusses des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, die seinerzeit von den Mitgliedern aller Parteien einstimmig angenommen wurden. Wir ersuchen nun das Hohe Haus, diese Formulierung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten dem Antrag des Ausschusses für Jugendund Familienfragen voranzustellen. Wir glauben nicht, daß der europäischen Einigung, durch die multilaterale Institution eines europäischen Jugendwerkes gedient wird. Eine solche Einrichtung setzt nämlich den gleichen Willen aller Partner voraus. Wir wissen aber auf Grund eingehender Untersuchungen, daß dieser gemeinsame Wille in mehreren Ländern nicht vorhanden ist. Es ist also Europa in keiner Weise gedient, wenn ein europäisches Jugendwerk nur als Torso und eben nicht aus gemeinsamer, von allen getragener europäischer Initiative entsteht. Wir wissen, daß diese Länder nicht nur eine multilaterale, sondern vor allem die Institution einer autonomen Behörde ablehnen. Man gibt den Austausch der Jugend ungern aus der Hand, um ihn einer mehr oder minder anonymen Behörde anzuvertrauen. Dagegen besteht in den verschiedensten Ländern die Bereitschaft, mit uns direkt zu einem intensiven Jugendaustausch zu kommen. Es besteht augenblicklich die Möglichkeit, sofort über direkte Verhandlungen mit den anderen europäischen Staaten den Austausch und die Zusammenarbeit der jungen Generation außerordentlich zu intensivieren. Dreizehn Kulturabkommen, die in den letzten Jahren abgeschlossen wurden, bieten dafür beste Voraussetzungen; denn in ihnen wird jedesmal der Austausch der jungen Generation — der Schüler, Studenten und Berufstätigen — besonders hervorgehoben. Es wäre in diesem Falle möglich, sofort zu handeln, so daß keine Zeit versäumt wird. Das ist wohl in unser aller Sinne, zumal die europäische Einigung im Moment sowieso schon durch einige Probleme be*)

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0415134000
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415134100
Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0415134200

(Lachen bei der SPD.)

7492 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Frau Klee
lastet ist. Dieser Austausch wäre meist ohne weitere Absprachen und Zusatzabkommen möglich, außerdem ohne teuren Apparat und ohne Organisation. Das gegenseitige Interesse dürfte auch am ehesten eine gute Programmgestaltung erhoffen lassen. Außerdem würde sich dieser Jugendaustausch automatisch aus einem zweiseitigen zu einem multilateralen ausweiten; denn es wäre zu erwarten, daß die Programme auch für Teilnehmer aus Drittländern geöffnet würden.
Damit aber auch auf dem multilateralen Weg nichts versäumt wird, wird die Bundesregierung sowohl im Antrag des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten wie in dem des Ausschusses für Jugend- und Familienfragen sowieso gebeten, über den Ministerrat des Europarats die Schaffung eines alle oder einen Teil der Mitglieder umfassenden europäischen Jugendwerks anzuregen. Es dürfte wesentlich günstiger sein, wenn die Anregung zur Schaffung eines europäischen Jugendwerks an eine bereits bestehende multilaterale Institution herangetragen wird, die ganz andere Möglichkeiten zur Verwirklichung hat, als wenn die Anregung nur von uns aus vorangetrieben würde.
Außerdem sollten unter allen Umständen sämtliche Programme des europäischen Jugendaustauschs so stark wie nur möglich gefördert werden. Ich denke dabei z. B. an Veranstaltungen wie die europäischen Jugendlager, Europa Cantat, den Jugendkongreß Ruhr und welche Veranstaltungen es auch immer gegeben hat. Jede Anregung auf diesem Gebiet sollte auf fruchtbaren Boden fallen!
Eine Institutionalisierung des europäischen Jugendaustauschs in diesem Moment würde nur Zeitverlust bedeuten. Es gäbe eine Fülle von Überlegungen, z. B.: Wer nimmt teil? Wo soll der Sitz des Jugendwerks sein? Welche Nation stellt den Generalsekretär?

(Abg. Dr. Mommer: Diese Sorgen möchten wir haben, Frau Kollegin!)

Welche organisatorische Form soll es haben? Damit anzufangen würde bedeuten, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.
Es heißt zuerst einmal durch eine Vielzahl von Maßnahmen die Voraussetzungen dafür zu schaffen. So müssen z. B. die verschiedenen Systeme der Jugendarbeit harmonisiert werden. Nur in Deutschland gibt es — das sei hier einmal ganz nüchtern festgestellt — eine derart großzügige Förderung der Jugend wie durch den Bundesjugendplan. Wenn im letzten Jahr für den internationalen Austausch weniger Mittel gegeben wurden als für das deutschfranzösische Jugendwerk, so waren es doch wesentlich mehr als die Mittel, die andere Länder für den gleichen Zweck geben. Es ist inzwischen von unserer Seite aus beantragt worden, die Mittel für den internationalen Austausch im nächsten Jahr ganz erheblich zu erhöhen, damit sowohl die Tagessätze wie die Fahrkostenvergütung denen des deutsch-französischen Jugendwerks entsprechen.
Bine Behörde darf außerdem niemals zu Beginn, sondern immer nur als selbstverständliche Folge einer Entwicklung errichtet werden. Sonst ist sie nur äußerst .kostspielig, bürokratisch und erstickt
Privatinitiative und erstickt außerdem die Phantasie.

(Abg. Dr. Wuermeling: Und wird größer nach dem Parkinsonschen Gesetz!)

Meiner Meinung nach kommt sehr viel mehr dabei heraus, wenn nicht nur ein Generalsekretär mit seiner Behörde, sondern wenn die verschiedensten Jugendgruppen und -verbände, Freundschaftskreise und Vereine, Städtepartnerschaften und Studenten ihre Erfahrungen und Anregungen, die sie überall sammeln konnten, einbringen. Aber nicht nur das, sondern auch ihre Begeisterung und Phantasie!

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

Das Wort „europäisches Jugendwerk" hat gezündet und ist zum Begriff geworden. Das ist sehr verständlich, denn Worte wie CENYC, CCC und WAY wecken keine Vorstellungen und Hoffnungen, obwohl sie für bedeutende Institutionen mit unbestreitbar großen Verdiensten stehen.
Ich finde aber, daß unsere Aufgabe als Abgeordnete ist, die Wünsche, die an uns herangetragen werden, mit allem Ernst und aller Gründlichkeit zu überprüfen und dann, so weit wie nur irgend möglich in die Tat umzusetzen. Gerade .die Jugend wird von uns verlangen, daß wir realistisch handeln, und vor allem, daß wir vermeiden, was Hindernis und Erschwerung für den europäischen Jugendaustausch sein könnte. Das nämlich würde nach unserer Meinung ein Ersuchen an die Bundesregierung sein, im derzeitigen Moment die Gründung eines europäischen Jugendwerks anzustreben. Wir wollen auch der Bundesregierung keine unerfüllbare Aufgabe zumuten. So etwas würde unbedingt zu Rückschlägen führen. Eine frontale Anfrage nach einer multilateralen Institution führt bei verschiedenen Ländern, wie wir mit Sicherheit wissen, zu einem frontalen Nein, oder höchstens bei einigen, sehr wenigen zu einem äußerst eingeschränkten Ja. Eine solche Situation heraufzubeschwören, hieße, unsselbst Fußangeln legen, und das in einer Stunde, die eine wahre Sternstunde für den Jugendaustausch in Europa ist. Durch die Gründung und den Erfolg des deutsch-französischen Jugendwerkes ,ist eine echte Bereitschaft zum Jugendaustausch so stark wie noch nie in den verschiedenen Ländern entstanden. Wir können 'sofort zu Abmachungen mit Großbritannien, Belgien, Holland und Italien kommen. Diese Sternstunde wollen wir wirklich nicht versäumen. Europa ist unser Ziel. Wir fühlen uns dem Vermächtnis des großen Europäers der ersten Stunde Heinrich von Brentano zutiefst verpflichtet.
Deshalb möchte ich Sie bitten, den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415134300
Das Wort hat der Abgeordnete Liehr.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0415134400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es verdient zunächst festgehalten zu werden, daß der Antrag der sozialde-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7493
Liehr
mokratischen Fraktion am 20. Februar dieses Jahres die prinzipielle Zustimmung des ganzen Hauses erhalten hat. Nach diesem Antrag ist die Errichtung eines europäischen Jugendwerkes anzustreben. Das Echo, das dieser Antrag, aber auch die übereinstimmende Haltung des ganzen Hauses in der Öffentlichkeit hinterlassen hat, war außerordentlich groß. Nicht nur innerhalb der Bundesrepublik, und hier wieder speziell unter der Jugend und der Studentenschaft, sondern auch im befreundeten Europa. Es schien so, als wäre in der Jugendpolitik endlich einmal ein „großer Wurf" gelungen, zumal wir der Entwicklung nicht hinterherhinken, sondern den Vorzug haben, mit der jungen Generation gemeinsam Schrittmacher zu sein.
Dann begannen die Beratungen im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen. Wir Sozialdemokraten haben sowohl im Jugendausschuß wie auch im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ein Höchstmaß an Bereitschaft gezeigt, durch Umformulierungen die Sache so praktikabel wie möglich zu gestalten. Wir haben wiederholt dafür plädiert, in der Aussage beweglich zu bleiben, um die Zielsetzung, nämlich ein europäisches Jugendwerk, nicht zu erschweren, sondern zu erleichtern.
Ich darf hinzufügen, daß die Empfehlung, die der Auswärtige Ausschuß in der Sache gab, für uns in den Beratungen des Jugendausschusses eine sehr große Hilfe gewesen ist. Diese Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses liegt, von zwei Erweiterungen abgesehen, dem jetzigen Ausschußantrag völlig zugrunde.
Wir haben uns überzeugen lassen, daß es am zweckmäßigsten sein dürfte, bilaterale Verhandlungen zu führen, denen eine Modellkonzeption zugrunde liegt. Bestehende Kulturabkommen mit Dänemark, Belgien, Italien und Holland sowie die große Bereitschaft anderer europäischer Staaten zur Mitarbeit und zur Zusammenarbeit bieten wertvolle Ansatzpunkte für eine wesentliche Verstärkung der internationalen Jugendbegegnung. Doch so sehr es richtig ist, daß nationale Förderungssysteme die Voraussetzung für bilaterale Vereinbarungen zur Ausdehnung der Jugendbegegnungen sind, so bedarf es doch der Feststellung, daß dies eben nur ein Teil dessen ist, was mit einem europäischen Jugendwerk verwirklicht werden soll.
Deshalb bedürfen wir sehr wohl eines zweigleisigen Vorgehens. Wir sollten einmal alles tun, um auf Grund zweiseitiger Vereinbarungen den Austausch der jungen Generation in Europa überhaupt zu fördern und zum anderen multilaterale, europäische Veranstaltungen und Einrichtungen der Jugendarbeit unter dem Dach eines europäischen Jugendwerkes in geordnete Bahnen zu lenken.
Es ist sehr bemerkenswert, daß in den Beratungen des Jugendausschusses ausgerechnet die Vertreter des Ministeriums für Familie und Jugend bemüht waren, von der Zielsetzung des Antrags, ein europäisches Jugendwerk anzustreben, wegzukommen. Es war geradezu peinlich, wie man auf uns einredete, im ersten Satz des jetzigen Ausschußantrags davon Abstand zu nehmen, die Bundesregierung zu ersuchen — wie es hieß —, „die Gründung eines europäischen Jugendwerkes anzustreben". Man wollte sich statt dessen auf die die Bundesregierung weniger verpflichtende Aussage zurückziehen, im Ministerrat des Europarates lediglich die Schaffung eines europäischen Jugendwerkes anzuregen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dabei hat der Europarat von sich aus bereits beschlossen, eine Empfehlung an den Ministerrat zu richten, nach der ein europäisches Jugendwerk anzustreben ist — wohlgemerkt: in Übereinstimmung beschlossen, den Ministerrat dazu aufzufordern, also mit den Stimmen aller Fraktionen, die dort vertreten waren, d. h. auch mit den Stimmen der CDU, der CSU und der FDP.
Es spricht sehr für die Glaubwürdigkeit des Sprechers der CDU/CSU-Fraktion dieses Hauses, der sich bei seiner Stellungnahme im Plenum am 20. Februar 1964 ausdrücklich für beide Fraktionen zum europäischen Jugendwerk bekannte, wenn er und einer seiner Kollegen bei der diesbezüglichen Abstimmung im Jugendausschuß mit der sozialdemokratischen Ausschußbesetzung für die Beibehaltung der ursprünglichen Zielsetzung stimmten. Mit 8 : 5 Stimmen wurde am 11. Juni 1964 die jetzige Ausschußvorlage beschlossen.

(Abg. Memmel: 7 : 5!)

— Ich bitte um Verzeihung, Herr Vorsitzender; im Protokoll steht „8 : 5".
Das ist ein Vorgang, der im Schriftlichen Bericht der Frau Klee, der im übrigen zu unserem Bedauern nicht sehr systematisch und übersichtlich gegliedert ist, keinerlei Erwähnung findet.
Am 5. November wurde dann die Sachdebatte im Jugendausschuß erneut erzwungen. Frau Kollegin Klee, die den Antrag dazu stellte, sagte wörtlich: „wegen inzwischen eingetretener politischer Veränderungen" . Man ist uns bis heute die Antwort darauf schuldig geblieben, worin denn eigentlich diese politischen Veränderungen bestehen.
Schließlich hat der Jugendausschuß am 12. November 1964 mit 9 : 8 Stimmen die schon am 11. Juni beschlossene Fassung noch einmal bekräftigt, d. h. den jetzigen Ausschußantrag zum zweitenmal beschlossen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415134500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0415134600
Bitte sehr.

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0415134700
Herr Liehr, haben Sie an der Sitzung vom 5. November teilgenommen? Denn da habe ich eigentlich sehr genau über die Gründe berichtet.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0415134800
Frau Kollegin Klee, ich habe mich immer bemüht, an den Ausschußsitzungen teilzunehmen, und ich bin in allen Besprechungen dabei gewesen, wenn es um diese Frage ging. Aber vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich nicht auf Ihren Vortrag im Ausschuß, sondern
'7494 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Liehr
auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht Bezug genommen habe.
Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, daß wir am 12. November 1964 zum zweitenmal die jetzige Ausschußvorlage beschlossen haben. Damit hätte an sich das „Hick-Hack" der Koalitionsparteien, das es im Jugendausschuß gab, ein Ende haben können, wenn nun nicht heute zum drittenmal der Versuch unternommen worden wäre, zweimalige Mehrheitsentscheidungen im Ausschuß erneut zu korrigieren.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich muß hier dffen gestehen: das ist alles andere als ein beispielhafter Vorgang, gerade in den Augen einer sehr kritisch eingestellten Jugend, das ist wenig geeignet, die Jugend zu überzeugen. Der Mangel an sachlichen Argumenten kann schließlich auch nicht mit Anträgen, die Abstimmung ständig zu wiederholen, wettgemacht werden.
Aber es ergibt sich noch ein anderer Aspekt. Die Frage muß erlaubt sein: Wie sehr müssen sich eigentlich die Initiatoren des Änderungsantrages erschreckt fühlen von dem Gedanken der europäischen Integration, daß sie heute zum drittenmal den Versuch unternehmen, von dem Auftrag an die Bundesregierung, ein europäisches Jugendwerk anzustreben, wegzukommen? Ist es wirklich so schrecklich, wenn man in der Zielsetzung etwas anstrebt, was dem Zueinanderwollen der Jugend Europas den Weg ebnet und ordnet? Bundestag und Bundesregierung müssen endlich bekennen, was sie wollen. Wenn man Frau Kollegin Klee bei der Begründung des Antrags gehört hat, mußte man den Eindruck gewinnen: rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! All das, was der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion bei der Einbringung unseres Antrags für Sie, meine Damen und Herren, mit erklären durfte, soll nun nicht mehr wahr gewesen sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415134900
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0415135000
Haben Sie damals hier im Plenum nicht die Rede meiner Kollegin Frau Haas gehört?

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0415135100
Ja. Ich habe aber auch zur Kenntnis nehmen dürfen wie sicherlich auch Sie, Frau Kollegin Klee, daß als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion der Herr Kollege Rollmann hier die Rede hielt.
Meine Damen und Herren, es kommt also darauf an — um das noch einmal zu sagen —, daß wir, der Bundestag und die Bundesregierung, endlich bekennen, was wir wollen. Der Herr Bundeskanzler Erhard hat am 5. Dezember 1964 — vor wenigen Tagen —aus Anlaß des Kongresses der jungen europäischen Föderalisten in einem Telegramm u. a. feststellt — ich zitiere —:
Die europäische Einigung wird nur durch tätige Mitarbeit der Jugend aller Länder gelingen.
Das findet gewiß unsere volle Zustimmung. Aber
man kann nicht nur unentwegt von der europäischen
Integration reden und dann, wenn es in Teilbereichen wie hier zum Schwur kommen soll, durch seine Haltung zum Ausdruck bringen: So ernst haben wir es nun auch wieder nicht gemeint.

(Beifall bei der SPD.)

So schafft man kein größeres Europa, so fördert man nicht das Vertrauen der Jugend zu den verkündeten Zielsetzungen deutscher Politik. Hier geht es nicht zuletzt auch um die Glaubwürdigkeit der gegenwärtigen Bundesregierung.
Wir haben hier wie selten zuvor die Chance, den erklärten Willen, das Bekenntnis der deutschen Jugend zu einem größeren Europa durch eine in die Zukunft weisende europäische Jugendpolitik zu manifestieren. Machen wir uns doch den Elan der jungen Generation zu eigen! Reden wir nicht nur davon, wie das noch unlängst beim Deutschen Rat der Europäischen Bewegung — in bester Absicht — geschah, wo sich auch namhafte Koalitionspolitiker in einer Entschließung für die Errichtung eines europäischen Jugendwerks ausgesprochen haben!
Es wäre überhaupt — um das am Rande zu sagen — sehr interessant, einmal die Äußerungen und Stellungnahmen führender Vertreter der Koalitionsparteien in Gremien außerhalb des Deutschen Bundestages mit ihrer Haltung hier im Deutschen Bundestag zu vergleichen, um zu sehen, wieweit sich hier eine Übereinstimmung feststellen läßt.

(Beifall bei der SPD.)

Bleiben wir der Jugend ein Vorbild in dem unermüdlichen Eifer, nationale Schranken zu überwinden und ein größeres Europa zu schaffen!
Ich möchte aber nicht schließen, ohne den Mitgliedern des Haushaltsausschusses recht herzlich zu danken für ihre Bereitschaft, durch eine wesentliche Verstärkung der Mittel für internationale Jugendbegegnungen für das Jahr 1965 den europäischen Jugendaustausch spürbar zu fördern.
So wird es auch insgesamt von uns abhängen, daß wir uns in angemessener Weise zum Fürsprecher der Völkerverständigung machen, zu deren Beständigkeit und Dauerhaftigkeit niemand besser als die junge Generation selbst beitragen kann. Dafür ein europäisches Jugendwerk anzustreben ist der allem anderen übergeordnete Sinn des Ausschußantrags.
Ich darf Sie sehr herzlich bitten, den jetzt gestellten Änderungsantrag abzulehnen und dem Antrag des Jugendausschusses Drucksache IV/2772, der im Prinzip übereinstimmt mit den Empfehlungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415135200
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0415135300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen und die Regierung suchen einen Weg zu begehen, der praktikabel ist, während der Weg, den Sie vor-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7495
Memmel
schlagen, Herr Kollege Liehr, ein Weg voller Illusionen ist.

(Abg. Liehr: Dann haben Sie nicht zugehört!)

— Sie sind mit dem austeilen von Zensuren recht freigiebig.

(Abg. Liehr: Sie haben vorab Zensuren erteilt!)

— Das habe ich gemerkt, als Sie die Berichterstatterin korrigieren wollten. Ich könnte auch sagen: Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort, das schwer sich handhabt wie des Schwertes Schneide.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU. — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Vorsitzender im Jugendausschuß!)

— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich kann nichts dafür, daß ich den Vorsitz dieses Ausschusses habe. Vielleicht wollen Sie meinen übernehmen?
Aber nun zur Sache! Zunächst darf ich sagen: der Bundestag hat sich in seiner Sitzung vom 20. Februar nicht etwa voll und ganz hinter das europäische Jugendwerk gestellt. Davon ist gar nicht die Rede. Der Bundestag hat in seinem Plenarbeschluß vom. 20. Februar den Ausschuß für Jugendfragen zur Federführung und den Ausschuß fürauswärtige Angelegenheiten als mitberatenden Ausschuß bestimmt. Dieser mitberatende Ausschuß hat dankenswerterweise ein Votum gegenüber dem Jugendausschuß abgegeben, das vernünftig ist und das einen praktikablen Weg aufzeigt. Von diesem Votum des Auswärtigen Ausschusses ist fast alles übernommen worden, mit Ausnahme der Präambel, die wir mit unserem Antrag jetzt wieder einführen wollen. Um diese Präambel geht es jetzt in diesem Moment. Gerade sie ist in mehreren Abstimmungen im Jugendausschuß gescheitert.
Am 11. Juni war eine Sitzung, in der nicht ich den Vonsitz hatte, in der mit acht gegen fünf — das muß ich berichtigen — der Antrag des Auswärtigen Ausschusses abgelehnt worden ist. Dann mußte diese Abstimmung wiederholt werden, weil der mit-beratende Haushaltsausschuß noch nicht gehört worden war. Bei der Wiederholung dieser Abstimmung hätte es sechs zu fünf für uns gelautet. Dann wurde die Einrede der Nichtbeschlußfähigkeit gebracht, und die Abstimung wurde noch einmal wiederholt; dann waren es neun gegen acht für die andere Seite. Nun, es ist das gute Recht, es ist das legitime Recht des Plenums, Ausschußbeschlüsse zu korrigieren, besonders wenn sie so zufällig zustande gekommen sind. Zu nichts anderem sind wir heute zusammengekommen.
Ich will es kurz machen, weil sich die Reihen so gelichtet haben. Ich bitte Sie, den Antrag der Koalitionsfraktionen anzunehmen, der auf Umdruck 528 steht; damit wäre nämlich das, was der Auswärtige Ausschuß will, erreicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415135400
Das Wort hat der Abgeordnete Kubitza.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0415135500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begreife nicht ganz, weshalb sich mein lieber Kollege Harry Liehr hier derart ereifert hat. Denn vordergründig ist es ein Streit um Formulierungen. Ich gestehe Ihnen zu, daß es hintergründig vermutlich Zweifel geben könnte, ob es den Koalitionsfraktionen mit der Schaffung .eines europäischen Jugendwerkes ernst ist.

(Zurufe von der SPD.)

Ich darf hier noch einmal für die Freien Demokraten erklären, daß wir die Absicht, ein europäisches Jugendwerk anzustreben, voll unterstützen. Es ist in Abs. 3 des Berichts, der hier vorliegt, genau formuliert.
Warum streiten wir uns darum, ob das nun auch in die Präambel eingefügt werden soll? Lieber Kollege Liehr, wir wissen doch, daß die Vorlage des Auswärtigen Ausschusses uns dazu bestimmt hat, aus der Präambel das Wort „Europäisches Jugendwerk" herauszulassen. Es war nicht das Bundesfamilienministerium, das da gesprochen hat, sondern uns sind die Gründe bekanntgegeben worden, die den Auswärtigen Ausschuß bestimmt haben, und zwar — ich glaube, daß ich das richtig gehört habe — mit Einschluß der SPD-Vertreter im Auswärtigen Ausschuß, so daß eben diese Formulierung zustande gekommen ist.
Ich habe mit meinen Ausführungen in der 116. Sitzung vom 20. Februar bereits mehrere Wege aufgezeigt. Es scheint mir ein Streit darum zu sein, welcher Weg nun der bessere ist. Ich frage mich: warum müssen wir eigentlich alles auf der staatlichen Ebene institutionalisieren?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Warum nutzen wir nicht die bereits bestehenden Zusammenschlüsse? Ich habe damals auf den Europäischen Rat nationaler Jugendkomitees, die Dachorganisation aller Jugendverbände in Europa, hingewiesen. Warum nutzen wir nicht diese Einrichtung, um schnellstens zu Ergebnissen zu kommen und den Austausch zu intensivieren? Wir wissen, daß dieser Europäische Rat nationaler Jugendkomitees etwa 40 Millionen DM benötigt, um das Programm, das er sich im Sinne des internationalen Jugendaustausches zum Ziele gesetzt hat, verwirklichen zu können. Ich bin überzeugt— das ist auch im Ausschuß gesagt worden —, wenn der Europäische Rat nationaler Jugendkomitees an die Bundesrepublik herantritt, werden wir uns auch entsprechendbeteiligen.
Bei den aufgezeigten Schwierigkeiten, die insbesondere der Auswärtige Ausschuß zum Ausdruck gebracht hat, wird der Abschluß eines Vertrages und damit die Verwirklichung eines solchen europäischen Jugendwerkes durch den langsamsten Dampfer bestimmt. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht warten, bis der letzte so weit ist. Ich nehme an, daß es auch Ihre Absicht ist, alle 17 im Europarat vereinten Staaten anzusprechen und zum Beitritt aufzufordern. Eben deshalb kommen wir viel besser voran,- wenn wir uns mehrere Wege offenhalten.
Ich möchte sagen, daß nicht die Organisationsform entscheidend ist, sondern die Intensität, mit der wir
7496 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Kubitza
den Austausch der europäischen Jugend auf den verschiedensten Ebenen vorantreiben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415135600
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0415135700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie kam es zu dem Antrag der SPD-Fraktion, der dieser Debatte zugrunde liegt? Es wurde ein Deutsch-Französisches Jugendwerk gegründet, und das wurde von allen sehr begrüßt.
Bei dieser Bemerkung übrigens etwas über die Rolle des Staates bei solchen Dingen! Wir wünschen, daß der Jugendaustausch soviel wie möglich ohne Staat vor sich geht. Aber gerade am Exempel des Deutsch-Französischen Jugendwerkes haben Sie doch nun sogar mit Statistik nachprüfen können, wie groß der Unterschied ist, je nachdem, ob der Staat sich dahinterklemmt oder die Jugendorganisation allein läßt. Wenn der Staat etwas tut, damit das alles funktioniert und die Organisationen ihre Initiative wirklich entfalten und finanzieren können, dann geht zehnmal so viel vor sich, wie wenn der Staat sagt: Das ist nicht unsere Angelegenheit, das soll die Jugend allein machen.

(Beifall 'bei der SPD.)

Das Deutsch-Französische Jugendwerk ist zusammen mit dem Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag zustande gekommen,

(Abg. Baier [Mosbach] : Eben!)

den auch wir begrüßt haben,

(Abg. Memmel: Mit ein paar Ausnahmen!)

aber an dem wir auch einiges auszusetzen hatten, so daß wir gemeinsam eine Präambel davorsetzen mußten. Wir meinen, so notwendig es ist, die deutsche und die französische Jugend zusammenzubringen, so notwendig ist es auch, die deutsche und die holländische und die dänische und die schwedische und die deutsche und die englische Jugend zusammenzubringen.

(Abg. Baier [Mosbach] : Dazu gehören immer zwei!)

— Natürlich gehören zwei dazu. Aber es ist uns erlaubt, anzustreben, daß wir mit den Genannten auch zu Verträgen kommen, wie wir sie mit Frankreich haben schaffen können.
Wir meinen, daß Europa nicht eine Addition von bilateralen Verhältnissen sein kann. So erfreulich es ist, daß zunächst bilaterale Verträge zustande kommen, so unbefriedigend wird das, je mehr bilaterale Verhältnisse verwirklicht werden können. Deswegen muß gerade im Interesse des europäischen Zusammenschlusses von vornherein gesehen werden, daß das Bilaterale in der Regel und zunächst einmal leichter ist und deshalb auch zuerst getan werden sollte. Man sollte aber anstreben, daß nach einer Reihe von bilateralen Realisationen die ganze Sache multilateral gestaltet wird.

(Beifall bei der SPD.)

Wir hatten den Eindruck und werden ihn auch heute nicht los, daß Ihnen das irgendwie nicht behagt und Sie nach allerlei Vorwänden suchen, um dann doch nicht von dem europäischen Jugendwerk zu reden, von dem auch wir sehr wohl wissen, daß es nicht morgen verwirklicht werden kann.
Es ist völlig unverständlich, warum Sie sich gegen diesen einleitenden Text im Antrag des Ausschusses wenden. Sie sagen: Wir haben den anderen Antrag, den aus dem Auswärtigen Ausschuß. Nun, im Auswärtigen Ausschuß kam dieser Text auf Grund des Vorschlags des Herrn Berichterstatters Vogt vor, der versuchte, den Antrag der SPD-Fraktion in einen sehr unverbindlichen Text umzuwandeln. Darin war der in Ihrem Änderungsantrag enthaltene Text Absatz 1; Absatz 2 war dann ein Auftrag an die Regierung, entsprechend zu verfahren. Wir empfanden das als eine völlige Verwässerung unseres Antrags und konkretisierten dann das, was Herr Vogt in diesem Text des Änderungsantrages hier niedergelegt hatte. Wir konkretisierten es in den Punkten, die sich unter 1 bis 4 in dem Antrag des Ausschusses wiederfinden. Darin war auch der Punkt 3 über eine Initiative im Europarat mitenthalten. Dadurch, daß also klargestellt war, daß es doch über bilaterale Verhältnisse auf das europäische Jugendwerks losgehen soll, störte uns dann dieser Text nicht mehr, und wir haben ihn angenommen. Das ist richtig.
Aber der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen hat den Text des Auswärtigen Ausschusses verbessert, und man sollte das Bessere annehmen. In dem Text, der jetzt in dem Antrag des Ausschusses steht, — „die Gründung eines europäischen Jugendwerks anzustreben" usw. — wird in der ersten Zeile das schließliche Ziel genannt. Wenn Sie für dieses schließliche Ziel sind, was haben Sie dann dagegen? Warum wollen Sie es wieder verwässern mit dem weniger präzisen Text, der aus dem Auswärtigen Auschuß gekommen ist?
Wie es laufen soll, steht dann unter 1 bis 4 in diesem Antrag ganz konkret, und ich hoffe, wir sind uns einig darin, daß das so laufen soll. Die Bemühungen um bilateralen Verträge über Jugendaustausch und andererseits der Versuch, im Europarat so weit wie möglich zu kommen, sollen gleichzeitig geschehen. Ich kenne den Europarat aus langjähriger Erfahrung. Man darf keine Wunder von ihm erwarten. Aber da ist nun mal eine Maschinerie, die dafür taugt, hier voranzukommen. Ich hätte gern heute schon gehört, daß die Bundesregierung gar nicht auf den Bundestag gewartet habe, um im Ministerrat etwas Ähnliches anzuregen.
Wir müssen unseren Kollegen, die in der Beratenden Versammlung des Europarats sind, dankbar sein, daß sie schon einen solchen Vorschlag, eine Empfehlung an den Ministerrat, eingebracht und durchgebracht haben,

(Beifall bei der SPD).

und Sie haben zugestimmt, daß da etwas geschehen sollte, und Sie haben die Bedenken zurückgestellt, daß wir vielleicht auf Empfindlichkeiten stoßen könnten, wenn die Deutschen da etwas anregen. Ich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7497
Dr. Mommer
kenne die Empfindlichkeiten. Aber wir sind voll berechtigte Mitglieder im Europarat und haben nunmehr, gedeckt von der ganzen Beratenden Versammlung, die Möglichkeit, im Ministerrat an das Projekt des europäischen Jugendwerks heranzugehen.
Ich bitte Sie also herzlich: Lassen Sie den nicht so präzisen Text aus dem Auswärtigen Ausschuß fallen, und halten wir uns an das, was der zuständige Ausschuß für Familien- und Jugendfragen hier vorgeschlagen hat!

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415135800
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen.

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0415135900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte den Eindruck haben, als ob hier nur um Worte gestritten werde. Aber es ist doch so, daß der Begriff „europäisches Jugendwerk" in der Diskussion im Anschluß an das Deutsch-Französische Jugendwerk in die Debatte gekommen ist. Mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk verbindet sich die organisatorische Vorstellung von einem ganz bestimmten Modell, einer ganz bestimmten Regelung, die schriftlich vorliegt. Deswegen besteht die Gefahr, daß bei der Verwendung des Begriffs „europäisches Jugendwerk" der Eindruck entsteht, man könne die Begegnung der europäischen Jugend multilateral in die gleiche Form gießen.
Dazu muß ich Ihnen leider sagen, daß alle Gespräche, die wir mit unseren europäischen Partnern bisher geführt haben, klar gezeigt haben, daß dafür keinerlei Neigung vorhanden ist. Ich muß auch sagen, daß das Zusammenbringen der europäischen Jugend auf diese Weise gar nicht möglich wäre. Wenn wir die Jugend Europas zusammenbringen wollen und wenn wir dieses Zusammenbringen nicht auf eine kleine Schar von Studenten und Schülern höherer Lehranstalten beschränken wollen, dann müssen wir im allgemeinen bilateral vorgehen und versuchen, auf dieser bilateralen Basis langsam eine multilaterale aufzubauen.
Soweit mein Haus in die Debatte eingegriffen hat, ist das nur geschehen, um eine Formulierung zu finden ,die möglichst wenig Mißtrauen rund um uns herum erregt und die für die Regierung eine möglichst praktikable Unterlage dafür bietet, den Auftrag des Bundestages auszuführen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415136000
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt.

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415136100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, Herr Kollege Mommer, daß ich noch einmal das Wort nehmen muß. Ich muß es deshalb, weil Sie etwas gesagt haben, was nicht ganz zutrifft.
Als Berichterstatter im Auswärtigen Ausschuß hatte ich weiß Gott nicht die Absicht, das Bestreben, zu einem europäischen Jugendwerk zu kommen, zu verwässern. Sie haben ja, Herr Kollege Mommer, nach meinem Vortrag als Berichterstatter im Auswärtigen Ausschuß den Formulierungen, die wir im Auswärtigen Ausschuß gemeinsam gefunden haben, zugestimmt. Es ist richtig, was vorhin gesagt worden ist: daß im Auswärtigen Ausschuß eine gemeinsame Beschlußfassung erfolgt ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415136200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mommer?

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415136300
Bitte!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0415136400
Ist es richtig, Herr Kollege Vogt, daß gerade durch meine Initiative die Konkretisierung in den Punkten 1 bis 4 Ihres Vorschlags zustande gekommen ist?

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415136500
Ja, das will ich Ihnen gerne konzedieren, Herr Kollege Mommer. Ich wollte nur feststellen, daß Sie bei dem Beschluß des Auswärtigen Ausschusses, über den wir jetzt zu beschließen haben, mitgewirkt haben und daß dieser Beschluß mit Ihrer Zustimmung und mit der Zustimmung Ihrer Freunde gefaßt worden ist. Ich bin deshalb etwas erstaunt, Herr Kollege Mommer, daß Sie sagen, der Beschluß des Jugendausschusses enthalte gegenüber dem Beschluß des Auswärtigen Ausschusses eine Verbesserung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415136600
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mommer?

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415136700
Bitte.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0415136800
Halten Sie es für möglich, Herr Kollege Vogt, daß ein Mitglied des Auswärtigen Ausschusses zu dem Schluß kommt, daß in dem anderen Ausschuß, der ebenfalls fachlich zuständig ist, bessere Formulierungen gefunden werden als im Auswärtigen Ausschuß?

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415136900
Das halte ich durchaus für möglich, Herr Kollege Mommer. Nur muß ich Ihnen sagen, daß Sie ja genauso gut wie ich wissen, warum wir im Auswärtigen Ausschuß zu jenen Formulierungen ,gekommen sind und daß wir sehr lange darüber gesprochen haben. Auch Sie haben sich dort dazu bekannt, daß es richtig wäre, nicht eine Formulierung zu wählen, wie sie jetzt beispielsweise in dem Antrag des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen enthalten ist.

(Abg. Dr. Mommer: Über diese Sache haben wir nicht gestritten!)

— Ich habe mich noch einmal vergewissert, Herr
Kollege Mommer, indem ich heute nachmittag das
7498 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Vogt
Protokoll der Sitzung ides Auswärtigen Ausschusses gelesen habe,

(Abg. Dr. Mommer: Das habe ich auch getan!) um Ihnen den Sachverhalt sagen zu können.

Es ist in der Tat kein Streit um Formulierungen. Es ist uns im Auswärtigen Ausschuß, wie mir Kollege Mommer bestätigen wird, darum gegangen, alle Fragen bis ins letzte zu durchleuchten und dann zu einer vernünftigen Formulierung zu kommen, die sich auch sehen ,lassen kann und die insbesondere
— das war der Sinn meiner Ausführungen als Berichterstatter im Auswärtigen Ausschuß — der Bun desregierung keine Fesseln anlegt, keine Auflagen macht, die sie ganz einfach nicht zu tragen vermag, deshalb doch eine Formulierung, die es ihr möglich macht, so zu verhandeln, wie es im Augenblick notwendig erscheint und auch möglich ist.
Zu den Ausführungen, .die Herr Kollege Liehr hier gemacht hat, möchte ich noch etwas sagen. Meine Damen und Herren, es hörte sich gerade so an, wie wenn die CDU/CSU so reaktionär wäre, die Zeichen der Zeit hinsichtlich einer Gemeinschaft der Jugend im europäischen Raum überhaupt nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen. Herr Kollege Liehr, Sie wissen sicherlich mindestens ebenso gut wie ich, daß es der Vorsitzende des Bundesjugendrings, Herr Binder, gewesen ist, der gerade auf dem Seminar des europäischen nationalen Jugendkomitees im November des Jahres 1963 Gelegenheit genommen hat, der Bundesregierung in ganz besonderer Weise dafür zu danken, daß sie sich dieser Jugendarbeit in so vorzüglichem und vorbildlichem Maß annimmt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das sollte hier ausgesprochen werden, damit es nach außen hin nicht so aussieht, nals wenn wir gar nichts täten. Ihre Ausführungen, Herr Kollege Liehr, 'scheinen hierauf abgezielt zu haben. Das ist in der Sache nicht richtig.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht gesagt worden!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415137000
Herr Liehr möchte eine Zwischenfrage stellen.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0415137100
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß derselbe Vorsitzende des Bundesjugendrings, den Sie zitiert haben, auch Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees der WAY und auch Vorsitzender der CENIC geworden ist und in dieser Eigenschaft die Forderung erhoben hat, ein europäisches Jugendwerk zu gründen?

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0415137200
Das ist mir nicht bekannt. Ich müßte es erst nachlesen. Auf diese Frage kann ich Ehnen keine präzise Auskunft geben. Aber ich weiß nicht, ob er den Antrag expressis verbis gestellt hat, daß eine solche Institutionalisierung erfolgt, wie Sie sie hier haben wollen.

(Zuruf von der SPD: Ist nachzulesen!)

— Das weiß ich nicht. Ich werde es tun.
Herr Kollege Mommer hat vorhin davon gesprochen, daß dieses Jugendwerk keine Addition bilateraler Abkommen sein soll. Nun, meine Damen und Herren, wir haben im Ausschuß intensiv und ausführlich gerade darüber gesprochen, daß es der Bundesregierung angelegen sein muß, zu versuchen, besonders in bilateralen Verhandlungen und Gesprächen zu einem späteren Zeitpunkt wahrscheinlich einmal zu einem multilateralen Abkommen zu gelangen. Aber das erste ist eben die bilaterale Verhandlung. Ich hatte wenigstens den Eindruck, Herr Kollege Mommer, daß Sie und Ihre politischen Freunde gegenüber diesen Vorstellungen, die wir dort im Ausschuß vorgetragen haben, aufgeschlossen gewesen sind und ihnen auch zugestimmt haben.

(Abg. Dr. Mommer: Es steht doch hier im Antrag des Ausschusses!)

Meine Damen und Herren, ich wollte mit meinen Ausführungen noch einmal versuchen, einige Dinge richtigzustellen oder sie in das rechte Licht zu rükken. Im übrigen bekenne auch ich mich zu dem Änderungsvorschlag und halte nach dem, was ich schon gesagt habe und was im Ausschuß besprochen worden ist, die Formulierung, die wir Ihnen auf Umdruck 528 zur Abstimmung vorgelegt haben, für besser. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0415137300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Zunächst aber müssen wir den Bericht des Haushaltsausschusses zur Kenntnis nehmen, der nach § 96 der Geschäftsordnung an der Beratung beteiligt war. Der Bericht des Haushaltsausschusses liegt vor. Herr Abgeordneter Baier ist Berichterstatter. Ich frage: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?

(Abg. Baier [Mosbach]: Danke!)

— Das ist nicht der Fall. Nimmt das Haus vom Bericht des Haushaltsausschusses, den Sie auf Drucksache IV/2798 finden, Kenntnis? — Das ist der Fall.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 528. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Danke! Die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nun über den so geänderten Antrag des Ausschusses ab. Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses in der geänderten Form zu? Ich bitte um ein Handzeichen. Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft (26. Ausschuß) über den Bericht
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964 7499
Vizepräsident Schoettle
der Bundesregierung über die EURATOM-Forschungsstätten (Drucksachen IV/1934, IV/ 2791).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Dr. Oberländer. Wünscht der Herr Abgeordnete seinen Bericht zu ergänzen? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2791 — letzte Seite --- zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe die Punkte 27 a), 27 b) und 27 c) der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Durchführung einer Erhebung über Struktur und Verteilung der Löhne im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe (Drucksachen IV/2674, IV/2800),
b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Einführung gemeinschaftlicher Analysemethoden für die amtliche Untersuchung von Futtermitteln (Drucksachen IV/2706, IV/2801),
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (20. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Ergänzung der Verordnungen Nr. 3 und 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Stellung der Hilfskräfte bei den Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen IV/2734, IV/2807).
Die Ausschüsse empfehlen in allen drei Fällen, von den Vorschlägen der Kommission Kenntnis zu nehmen. Der Ausschuß für Arbeit legt darüber hinaus unter Ziffer 2 seines Antrages eine Entschließung vor. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zu Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen IV/2801 und IV/2807. Wer diesen Anträgen der Ausschüsse zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —Danke! Die Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Die Anträge sind angenommen.
Ich rulfe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die
von der Bundesregierung beschlossene Siebenundneunzigste Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingente für Griechenland-Weine usw.) (Drucksachen IV/2675, IV/2805).
Es liegt ein Bericht des Abgeordneten van Delden vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 29 der Tagesordnung:
a) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Dreiundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Mineralölzölle) (Drucksachen IV/2700, IV/2802),

(b) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Vierundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Assoziierung zwischen der EWG und der Türkei) (Drucksachen IV/2763, IV/2803),

c) Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Sechsundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Rinder-Marktordnung) (Drucksachen IV/2683, IV/2804).
In allen Fällen hat das Haus nur von den Berichten des Außenhandelsausschusses Kenntnis zu nehmen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich empfehle dem Haus, von allen Berichten Kenntnis zu nehmen. — Ich stelle fest, daß das der Fall ist.
Ich rufe auf Punkt 30 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Fabrikgrundstücks in Mechernich (Eifel) an die Firma Alois Müller & Sohn Maschinenfabrik GmbH (Drucksache IV/2806).
Ich nehme an, daß dazu das Wort nicht gewünscht wird. Die Vorlage soll an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. — Es erfolgt kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 31 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Logemann, Dr. Siemer, Mauk, Ehnes, Reichmann und Genossen betr. bundeseinheitliche Tierseuchenbekänipfung (Drucksache IV/2799).
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Antrag soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. — Dieser Überweisung wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
7500 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Dezember 1964
Vizepräsident Schoettle
Meine Damen und Herren, ich habe noch folgendes bekanntzugeben. Der Abgeordnete Wehner bittet, bekanntzugeben, daß der Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen morgen, Donnerstag, den 10. Dezember, um 9 Uhr zu einer kurzen Sitzung zusammentritt.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Donnerstag, den 10. Dezember, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.