Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute feiert Frau Abgeordnete Dr. Maxsein ihren 60. Geburtstag. Ich darf ihr die Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Ich begrüße den neu in den Bundestag eingetretenen Kollegen, Herrn Abgeordneten Exner, und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit mit uns.
Ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde .
Zuerst eine Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — des Abgeordneten Dr. Schäfer —:
Ist es richtig, daß das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung außer Mitgliedern der Bundesregierung auch Abgeordnete der Fraktion der CDU/CSU über Funk mit Nachrichten versorgt, wenn sie im Ausland weilen?
Herr Staatssekretär von Hase bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Unterrichtung der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland strahlt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung im Rahmen eines Informationsfunkdienstes auch einen Nachrichtenfunkdienst aus. Jedem Abgeordneten steht es frei, bei der Botschaft Einblick in diesen Dienst, der zur allgemeinen Weiterverbreitung nicht zugelassen ist, zu erhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Staatssekretär, geben Sie, wie Sie soeben gesagt haben, diese allgemeinen Nachrichtendienste nur an die Botschaften, oder geben Sie Kabinettsmitgliedern, wenn sie unterwegs sind, durch Funk unmittelbar die Nachrichten durch, die sie interessieren können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist die Regel, daß für Kabinettsmitglieder und andere wichtige Persönlichkeiten — z. B. auch den Präsidenten des Deutschen Bundestages —, wenn sie auf Reisen sind, der Basisdienst dieses Informationsdienstes auf Wunsch erweitert werden kann.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gehören zu diesen anderen wichtigen Persönlichkeiten, von denen Sie sprachen, auch einzelne Abgeordnete, und ist man danach verfahren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gehören dazu auch einzelne Abgeordnete. So wurden z. B. bei der Sitzung der Interparlamentarischen Union in Belgrad einzelne Abgeordnete unterrichtet. Es steht allen Abgeordneten — ohne jede Beschränkung auf irgendeine Fraktion — frei, um diesen Dienst zu bitten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Sind bisher auch Abgeordnete der Sozialdemokratischen Fraktion einbezogen gewesen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der Sitzung der Interparlamentarischen Union in Belgrad ja. Im übrigen ist es eine solche Routineangelegenheit, daß Abgeordnete, wenn sie im Ausland sind, bei den Botschaften um diese Unterrichtung bitten, daß über die Tatsache der Anforderung dieses Dienstes in Einzelfällen von den Missionen gar nicht an die Zentrale berichtet wird.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sehen Sie, das Programm der Deutschen Welle so zu gestalten, daß jedermann über die Deutsche Welle, deren Ausstrahlungskraft dann verstärkt werden müßte, „home news", wie es drüben beim BBC heißt, hören könnte?
7374 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist, wie Sie schon bemerkt haben, Herr Abgeordneter, in erster Linie ein technisches Problem. Wir sind sehr bemüht, die Sendeleistungen der Deutschen Welle so zu verstärken, daß sie überall und zu jeder Zeit empfangen werden kann. Leider unterliegt der Empfang dieser Welle auch atmosphärischen Einflüssen, die außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit der Bundesregierung stehen. Die Programmgestaltung der Deutschen Welle wird durch den Rundfunkrat überwacht, dem, wie Sie wissen, Mitglieder aller Parteien des Parlaments angehören. Wir sind ständig bemüht, dieses Programm auf einem einer guten Unterrichtung entsprechenden Stand zu halten.
Eine Zusatzfrage.
Ich darf, Herr Staatssekretär, noch einmal auf Ihre Antwort von vorhin zurückkommen und fragen — der Begriff „wichtige Persönlichkeit" ist für unsereinen so schwierig zu definieren —: Würde ein normaler Abgeordneter auch eine „wichtige Persönlichkeit" in diesem Sinne sein, und könnte er sich diese Nachrichten auch erbitten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gesagt, daß der Dienst speziell erweitert werden und bei wichtigen Persönlichkeiten um besondere Nachrichten, die für einen besonderen Zweck gebraucht werden, ergänzt werden kann. Das können wir aus naheliegenden Gründen nicht bei jedem einzelnen Abgeordneten machen.
Jedem Abgeordneten, Herr Abgeordneter, steht es aber frei, im Ausland in die Basisdienste Einblick zu nehmen. Das ist nicht beschränkt auf wichtige Persönlichkeiten. Ich glaube, man wird Verständnis dafür haben, daß wir nicht für alle Abgeordneten des Bundestages sozusagen von hier aus einen maßgeschneiderten Informationsdienst aussenden können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich erwarten, daß wir gelegentlich von Ihnen etwas präziser hören, wer zu den sogenannten wichtigen Persönlichkeiten gehört? Es wird ja der Ehrgeiz jedes Abgeordneten sein, dann in diesen engeren Bereich vorzustoßen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Terminologie ist nicht genau festgelegt, Herr Abgeordneter. Ich kann aber jetzt schon sagen, daß mit Sicherheit die Herren Präsidenten des Bundestages, Ausschußvorsitzende und Abgeordnete, die in einem besonderen Auftrag des Bundestages reisen, in diesen Kreis einbezogen werden können.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, und zwar zunächst zur Frage XI/1 — des Abgeordneten Schultz —:
Trifft die Pressemeldung zu, daß die Bildung von Korporationen für evangelische und katholische Bundeswehroffiziere in die Wege geleitet worden ist?
Herr Bundesminister von Hassel, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen XI/1, XI/2 und XI/3 zusammen beantworte, weil sie zusammengehören.
Dann rufe ich auch die Fragen XI/2 und XI/3 — des Abgeordneten Schultz — auf:
Haben - bei Bejahung der Frage XI/1 — diese Korporationen mit Unterstützungsmitteln aus dem Einzelplan 14 zu rechnen?
Wird etwas Ähnliches, wie in Frage XI/1 bezeichnet, für das Unteroffizierskorps der Bundeswehr und auch für die Mannschaftsdlenstgrade vorgesehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Fragen lautet wie folgt. Bereits seit dem Jahre 1936 besteht die evangelische „Christliche Offiziersvereinigung" und seit 1959 der katholische „Königsteiner Offizierskreis". Diese Gemeinschaften sind Vereinigungen christlicher Offiziere, die in Zusammenarbeit mit ihren Militärgeistlichen zu einer verantwortlichen Lebensführung sowie zur Selbstbesinnung auf Beruf und Auftrag des Offiziers aus der Sicht ihres Glaubens beitragen. Seitens der Unteroffiziere und der Mannschaften der Bundeswehr sind ähnliche Vereinigungen nicht gegründet worden.
In einer Weisung des Generalinspekteurs vom 27. Februar 1964 für die Zusammenarbeit der Kommandeure mit den Militärgeistlichen heißt es:
Die Militärgeistlichen sind auf die Mitarbeit der Soldaten angewiesen. Es haben sich Soldatengemeinschaften gebildet, die die Militärseelsorge aus christlicher Verantwortung für ihre Kameraden unterstützen. Dazu gehören die Christliche Offiziersvereinigung und der Königsteiner Offizierskreis.
Das Recht zur Bildung solcher Gemeinschaften wird durch Art. 9 des Grundgesetzes gewährleistet.
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnte Pressemeldung 'bezieht sich auf eine Initiative von im Raume München stationierten Offizieren im Rahmen dieser bestehenden Vereinigungen.
Unterstützungsmittel aus dem Einzelplan 14 des Bundesministeriums der Verteidigung sind von diesen Gemeinschaften nicht erbeten 'worden. Seit Bestehen der Bundeswehr sind solche Hilfen auch nicht geleistet worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7375
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Bundesminister, daß die evangelische Christliche Offiziersvereinigung seit dem Jahre 1936 besteht, oder haben Sie sich versprochen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, seit 1936.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich Ihre Antwort zu der Frage, die ich bezüglich der Unterstützung durch das Bundesministerium der Verteidigung gestellt habe, so verstehen, daß diesen Offiziersvereinigungen also keine Mittel aus Titeln des Bundesministeriums der Verteidigung gegeben werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl!
Sie haben insgesamt sechs Zusatzfragen.
Darf ich weiter fragen, Herr Minister, ob dann der Inhalt der Pressemeldung eigentlich unzutreffend gewesen ist? Denn dort wurden diese Offiziersvereinigungen mit der Einrichtung des KV bzw. CV verglichen, von denen manche ja wissen, daß sie sehr viel weitergehende Dinge tun, als nur ihre Mitglieder zur christlichen Lebensführung ranzuhalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich weiß nicht, wie ich diese dritte Zusatzfrage auslegen soll. Wenn sie etwa dahin geht, daß damit die Personalpolitik dieser Vereinigungen gemeint sein soll, dann glaube ich, daß eine solche Frage gegenstandslos ist.
Die vierte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz.
Bevor ich die vierte Zusatzfrage stelle, darf ich für diese Antwort danken, Herr Minister.
Darf ich noch fragen, ob ich Sie auch richtig verstanden habe — um das noch einmal zu präzisieren —, daß es sich bei diesen Offiziersvereinigungen im wesentlichen um die Zusammenarbeit mit der Militärseelsorge handelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe dargelegt, daß die Militärseelsorge auf die Zusammenarbeit mit den Soldaten angewiesen ist. Ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie werden mir zugeben, daß die Arbeit erleichtert werden kann, wenn sich betont christliche Soldaten mit der Militärseelsorge zusammen in solchen Vereinigungen um ihren Glauben in ihrem Dienst bemühen. Ich sehe darin
eigentlich nichts, was seitens des Verteidigungsministeriums beanstandet werden sollte.
Die fünfte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob Sie nicht befürchten, daß von einer solchen Arbeit unter Umständen auch desintegrierende Wirkungen innerhalb des Offizierskorps ausgehen können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin selber evangelischer Christ, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter. Die mir also nahestehende evangelische christliche Vereinigung besteht seit 1936 und hat auch nach dem Kriege ohne Unterbrechung ihre Arbeit fortgeführt. Ich sehe nicht den leisesten Ansatz dafür, daß etwa eine desintegrierende Wirkung von dieser Gemeinschaft ausgehen könnte.
Die katholische Gemeinschaft kann ich nicht beurteilen.
Eine Zusatzfrage, Herr Augeordneter Schäfer.
Herr Minister, hat diese Vereinigung, die 1936 gegründet wurde, kontinuierlich weiter bestanden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie hat auch nach dem Kriege weiter bestanden, ja. Dieser evangelischen Vereinigung, über die ich sprach, gehören nicht nur aktive Offiziere, sondern genauso Offiziere aus dem Ruhestand an.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kühn.
Herr Minister, ist es nicht so, daß gerade von dieser Offiziersvereinigung, die seit 1936 besteht, auch beispielsweise eine sehr verbindende Wirkung zu den Offizierskorps in Schweden und in den übrigen- nordischen Staaten ausgegangen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es handelt sich um eine Offiziersvereinigung, die sich im internationalen Rahmen mit gleichartigen Vereinigungen anderer Länder trifft. Im übrigen hat diese evangelische Offiziersvereinigung nicht nur evangelische Christen als Mitglieder, sondern auch einige katholische Christen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, waren diese Offiziere während der Zeit des „Dritten Reichs" „Deutsche Christen", oder standen sie der Bekennenden Kirche nahe?
7376 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Tatsache, daß sich evangelische Offiziere während des „Dritten Reichs" in einer solchen Versammlung zusammenfanden, dürfte dafür sprechen, daß es nicht „Deutsche Christen" waren, sondern Christen der Bekennenden Kirche.
Wir kommen zur Frage XI/4 — des Abgeordneten Schwabe —:
Wie viele Angehörige der Bundeswehr sind seit deren Bestehen freiwillig in den Tod gegangen?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf die vierte Frage, die von dem Thema der freiwillig in den Tod gegangenen Angehörigen der Bundeswehr handelt, ist folgendes zu antworten:
Von 1957 bis zum 31. Oktober 1964 haben insgesamt 360 Soldaten der Bundeswehr Selbsttötung begangen. Bei Berücksichtigung des Anwachsens der Personalstärke der Bundeswehr ist kein Ansteigen der Selbsttötungen in den einzelnen Jahren zu verzeichnen. Im Jahre 1957 waren 19 Selbsttötungen zu verzeichnen, 1958 31, 1959 25, 1960 48, 1961 45, 1962 55, 1963 69 und bis zum 31. Oktober dieses Jahres 68 Selbsttötungen.
Auf hunderttausend Soldaten bezogen, ist die Zahl 1957 20, sie fällt dann 1959 auf 12 ab und steigt danach langsam wieder auf 19 an. Sie fällt erneut ab auf 15 und beträgt im Jahre 1963 18 und 1964 bis zu dem Datum, das ich nannte, ebenfalls 18. Im Durchschnitt der Jahre bis einschließlich 1963 sind es auf hunderttausend Soldaten also 17 Tötungen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob in allen diesen Fällen durch Ihr Haus eine eingehende Untersuchung über die Gründe angestellt worden ist und zu welchen Ergebnissen Sie dabei gekommen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In allen Fällen findet eine eingehende Untersuchung statt. Daß naturgemäß nicht jeder Grund wirklich klar erkennbar ist, wird Ihnen, glaube ich, auch verständlich sein.
Bei einer Aufschlüsselung der Gesamtzahl von 360 Toten nach den wesentlichsten Bereichen ergibt sich, daß der bei weitem größte Teil, nämlich über 45 %, auf irgendeine Liebes-, Ehe- oder Familienkonfliktsituation zurückzuführen ist. Bei etwa 5 1/2 % liegen wirtschaftliche Schwierigkeiten, bei 21,44% Furcht vor Strafe, bei 2 1/2 % berufliche Schwierigkeiten und bei fast 7 % Alkoholmißbrauch vor. Bei 18,2 % sind es sonstige Motive.
Würden Sie es für möglich halten, daß bei den 18% der in der Öffentlichkeit genannte Grund des rüden Tons in der Bundeswehr
eine Rolle spielt? Haben Sie sich gerade mit dieser für jeden Abgeordneten, der sich für die Wehrpflicht ausgesprochen hat, gravierenden und belastenden Tatsache bereits hinreichend auseinandergesetzt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Uns liegt ein sehr eingehender Bericht über die Untersuchungen im Zusammenhang mit dem von Ihnen angeführten Fall vor. Er ist bei einer Marine-Ausbildungseinheit in Glückstadt passiert. Die eingehenden Ermittlungen hat die Bundeswehr vorgenommen. Außerdem ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.
Die Begründung „rüder Ton" trifft auch nicht annähernd zu. Wir haben nicht erkennen können, was vorliegt. Aber ganz eindeutig geht aus den Berichten hervor, daß rüder Ton in der Einheit nicht geherrscht hat oder der Anlaß dazu hätte sein können.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Killat.
Herr Minister, sind Sie in der Lage, entsprechende Angaben über die Zahl der Selbstmordfälle auf hunderttausend Zivilpersonen zu machen und diesen anderen Zahlen gegenüberzustellen, vielleicht sogar bei ähnlicher Altersstruktur?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es gibt eine Untersuchung über die Altersgruppe der 20- bis 25jährigen; das sind im wesentlichen die Altersgruppen, die auch in der Bundeswehr in Betracht kommen. Diese Untersuchung zeigt, daß in der Zivilbevölkerung für die Jahre 1959 bis 1961 auf hunderttausend Einwohner — die Zahlen, die ich vorhin nannte, bezogen sich auf hunderttausend Soldaten — pro Jahr durchschnittlich 22,6 Selbsttötungen kommen. Diese Zahl liegt höher als die vergleichbare Zahl auf hunderttausend Soldaten. In der zivilen Bevölkerung, Herr Abgeordneter, waren es 1962 sogar 24,9 auf hunderttausend Einwohner der Altersgruppe der 20-bis 25jährigen. Demgegenüber ereigneten sich in der Bundeswehr in der gleichen Altersgruppe, also in der Gruppe der 20- bis 25jährigen, im selben Zeitraum 14 Selbsttötungen.
Wir kommen zur Frage XI/5 — des Abgeordneten Kaffka —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in verschiedenen Standorten der Bundeswehr die Soldaten mit eigenen Mitteln Kasernenstuben tapezieren lassen müssen, um sie dadurch in einen menschenwürdigen Zustand zu versetzen?
Herr Minister, ich darf bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, aus der Fragestellung könnte geschlossen werden, daß die Soldaten die Kosten für die Renovierung ihrer Stube durch Handwerker selbst aufbringen müssen. Das trifft nicht zu. Der Wandanstrich der Kasernenstuben in stark belegten oder solchen Unterkünften, in denen die Belegung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7377
Bundesminister von Hassel
häufig wechselt, ist gelegentlich besserungsbedürftig. Die Fristen für die Erneuerung des Anstrichs, die in den Richtlinien des Bundesschatzministeriums für öffentliche Bauten festgesetzt worden sind, sind für den Betrieb in den Kasernen in der Regel allerdings zu lang. Deshalb machen die zuständigen Behörden laufend von den Ausnahmemöglichkeiten durch Verkürzung der Erneuerungsfristen Gebrauch. Der Zustand der Kasernenstuben und die notwendigen Reparaturen werden alljährlich im Herbst durch Begehungen gemeinsam mit der Truppe festgestellt und die nötigen Haushaltsmittel zu Beginn des Rechnungsjahres zugewiesen. Handwerker für diese Schönheitsreparaturen sind gerade heutzutage nicht immer nach Wunsch zu bekommen. Deshalb hat die Truppe die Möglichkeit erhalten, einfachere Arbeiten — und hierzu gehört u. a. auch der Innenanstrich der eigenen Unterkunft — selbst auszuführen und sich das Material dafür von den Standortverwaltungen geben zu lassen. Fälle, in denen die Standortverwaltungen die Bereitstellung von Materialien abgelehnt hätten, sind mir nicht bekannt.
Kasernenräume werden nur gestrichen und nicht tapeziert. Soweit Soldaten selbst und mit eigenen Mitteln die Kasernenstuben selbst tapeziert haben, ist dies gelegentlich und freiwillig, vielfach im Rahmen von Wettbewerben unter dem Motto: „Wer hat die schönste Stube?", geschehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kaffka!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Standortverwaltung Bergzabern von der zuständigen Wehrbereichsverwaltung 10 000 DM zugewiesen worden sind, nachdem ich diese Frage gestellt hatte, damit die Unterkunftsverhältnisse dort verbessert werden könnten durch Selbsthilfe der Soldaten, die mit diesen Mitteln Material kaufen sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben, glaube ich, 450 Kasernen, Herr Abgeordneter. Ich habe diese Frage als Zusatzfrage geahnt und darf dazu folgendes sagen:
Die Mackensen-Kaserne in Bergzabern wurde von den französischen Streitkräften im Jahre 1960 übernommen und mußte mit Einheiten der Bundeswehr belegt werden, ohne daß vorher Instandsetzungsarbeiten und notwendige Zubauten durchgeführt werden konnten. Seit dieser Zeit sind von der Finanzbauverwaltung eine Reihe von Vorentwürfen für die notwendigen Instandsetzungsarbeiten erstellt und zum Teil ausgeführt worden. Insgesamt sind rund 1 200 000 DM an Haushaltsmitteln für diese Arbeit zugewiesen worden. Ein weiterer Vorentwurf über 370 000 DM liegt zur Zeit zur Bewilligung der Haushaltsmittel bei dem Herrn Bundesminister der Finanzen. Eine zügige Durchführung dieser Arbeiten scheiterte an der bereits erfolgten Belegung der Kasernen durch die Truppe.
Um die Unterkünfte vorab etwas freundlicher zu gestalten, haben Truppe und Handwerker der Standortverwaltung gemeinsam Anstricharbeiten
durchgeführt. Die Verwaltung hat dazu Materialien im Betrag von 12 000 DM beschafft. Neuerdings haben Soldaten ihre Unterkunftsräume teilweise auch aus eigenen Mitteln hergerichtet. Dies geschah freiwillig und nicht, um einem menschenunwürdigen Zustand abzuhelfen, sondern weil die Truppe durch einen Wettbewerb — „Wer hat die schönste Stube?" — dazu angeregt worden war. Dabei hat dann die Truppe Tapeten verwendet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kaffka.
Herr Minister, sind Sie der Ansicht, daß die teilweise schlechten Unterkunftsverhältnisse der Truppenteile mit eine Ursache sind für den hohen Fehlbestand an Unteroffizieren und Offizieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist sicher mit ein Grund, obwohl man nicht genau analysieren kann, ob in alten und nicht sonderlich wohnlichen Kasernen die Relation zwischen Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren ungünstiger ist als in modernen Kasernen. Aber da wir diese Schwierigkeit kennen, haben wir die Mittel für die Instandsetzungsarbeiten der Art, wie ich sie Ihnen schilderte, ganz wesentlich erhöht, nämlich von 55 Millionen DM im Jahre 1963 auf 109 Millionen DM im kommenden Jahr. Sie ersehen daraus, daß wir dieser „wohnlichen Seite" für Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere unsere besondere Aufmerksamkeit widmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Minister, ergibt sich nicht aus Ihrer vorbereiteten Antwort zur ersten Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kaffka, daß Sie aus der Fragestellung schon sehr wohl erkennen mußten, daß es sich um eine bestimmte Kaserne handelt? Sonst hätten Sie ja sich nach Ihren Worten für 450 Kasernen vorbereiten müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, da nicht jeder Abgeordnete, der eine Frage stellt, auch gleich die Zusatzfrage schriftlich formuliert, muß jeder Minister darüber nachdenken: Was könnte der Abgeordnete mit seiner Frage gemeint haben?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sanger.
Herr Minister, ich habe eine Frage, auf die Sie sicherlich nicht vorbereitet sind: Ist Ihnen bekannt, daß z. B. auch in der Kaserne Wentorf im Schleswig-Holsteinischen zweckmäßigerweise mehr als bisher getan werden müßte, um die Räume wohnlich zu machen? Dort nämlich waren private und zum Teil auch öffentliche Aufwendun-
7378 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Sänger
gen notwendig, um wenigstens die mit Namen von ostdeutschen Städten versehenen Stuben einigermaßen mit den Emblemen dieser Städte, mit Bildern und ähnlichem ausstatten zu können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde die Gelegenheit wahrnehmen, mir heute nachmittag um 17 Uhr die soeben von Ihnen als so schrecklich geschilderte Kaserne Wentorf anzusehen.
Aber, Herr Abgeordneter, darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen: Wentorf — zwei große Kasernen — beherbergte bis vor wenigen Jahren im Schnitt 8000 bis 10 000 Flüchtlinge, die dort im Durchgangslager aufzunehmen waren, bevor sie umgesiedelt wurden. Daß die Renovierung einer solchen Kaserne außerordentliche Schwierigkeiten macht, dürfte Ihnen bekannt sein. Ich glaube, daß gerade in Wentorf infolge der besonders schwierigen Anfangsverhältnisse, die dort herrschten, besonders viel geschehen ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie bitte verstehen, daß ich nicht die Absicht hatte, von einer „schrecklichen" Kaserne zu sprechen, wohl aber durch meine Frage empfehlen wollte, Städte, Verschönerungsvereine oder ähnliche Einrichtungen „anzuregen", eine Hilfe für die Soldaten zu geben, die gerade in einer solchen Kaserne — es handelt sich um ein Ausbildungsregiment — nur kurze Zeit wohnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn ich heute den Bürgermeister von Wentorf sehe, werde ich diese Frage mit ihm besprechen.
Aber auch glaube, Herr Abgeordneter, wenn Sie andere Kasernen besuchen, werden Sie feststellen, mit welchem Interesse die Soldaten sich um die wohnliche Ausstattung Ihrer Unterkünfte über das hinaus, was der Staat zur Verfügung stellen kann, sehr ernsthaft bemühen. Wir sollten bei dieser Gelegenheit allen Soldaten ruhig einmal diese Anerkennung bezeigen.
Eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Besold, Strauß, Wagner, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes ,
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Gscheidle, Cramer, Seibert und Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes ,
d) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Gebührenerhöhung bei der Deutschen Bundespost (Drucksachen IV/2492, IV/2731).
Meine Damen und Herren, wir kommen zuerst zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Börner!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Sommer hat die Bundesregierung die Parlamentsferien ausgenutzt, um sozusagen hinter dem Rücken des Bundestags die Telefongebühren drastisch zu erhöhen. Diese Maßnahme hat in der deutschen Öffentlichkeit zu einer großen Empörung geführt, und am 29. Juli hat sich das Hohe Haus mit dieser Frage in einer von der Opposition erzwungenen Sondersitzung beschäftigt. Meine Freunde von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion haben damals mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Telefongebühren kein richtiger Weg sei, um die wirklichen Probleme der Bundespost zu lösen, sondern daß eine durchgreifende Änderung der Kapitalstruktur der Bundespost am Anfang der Postsanierung stehen müsse.
Dieses Argument wurde nicht nur von uns, sondern in der öffentlichen Debatte und darüber hinaus praktisch von allen Fachleuten vorgebracht, die sich mit der Situation der Post beschäftigt hatten. Aber, wie Sie wissen, ist der Rat von Fachleuten bei dieser Regierung nicht besonders gefragt;
denn jahrelang sind die Warnungen und die Vorschläge des an sich sachverständigen Gremiums, nämlich des Postverwaltungsrats, von dieser Regierung vom Tisch gefegt worden, weil sie nicht in die politische Konzeption hineinpaßten.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7385
Börner
Wieder und wieder sind auch Vorschläge der zuständigen Fachminister im Kabinett übergangen worden. Wenn man heute einmal die bestimmten Äußerungen der Herren Schuberth, Lemmer und anderer liest, wird einem klar, daß schon in früheren Jahren immer wieder auf das hingewiesen wurde, was sich nun praktisch seit dem Sommer dieses Jahres mit aller Deutlichkeit der deutschen Öffentlichkeit darstellt, nämlich daß es durch die Untätigkeit dieser Bundesregierung nicht nur eine schleichende Pleite bei der Bundesbahn, sondern auch eine schleichende Pleite bei der Deutschen Bundespost gibt. Selbst wohlmeinende Kritiker der Bundesregierung in den großen Zeitungen konnten in den vergangenen Monaten der Regierung Erhard nicht bestätigen, daß sie an den Problemen der Post mit Umsicht und Zielstrebigkeit gearbeitet habe.
Es ist ja auch gar nicht verwunderlich, daß es zu einer solchen Meinungsbildung kam; denn eine Regierung, die 153 Tage braucht, um eine vom Bundestag gewünschte Sachverständigenkommission zu konstituieren, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre Geschäfte nachlässig und untüchtig zu führen.
— Meine Damen und Herren, ich kann mir vorstellen, daß Sie sich darüber ärgern. Ich kann Ihnen verraten: das ist auch beabsichtigt.
Die Politik dieser Regierung in Fragen der Bundespost und auch in anderen Fragen ist eine Politik des schlechten Gewissens.
Sie und ihre Vorgängerin hat, obwohl die Schwierigkeiten bekannt waren, jahrelang geschwiegen und die Probleme vor sich hergeschoben. Oder wollen Sie das bestreiten, was in der Öffentlichkeit in den letzten Monaten an Argumenten hierzu vorgebracht worden ist?
Als sich die Dinge im Sommer dieses Jahres nicht mehr verheimlichen ließen, wollte man den relativ bequemen Weg einer saftigen Gebührenerhöhung im Windschatten der Parlamentsferien gehen. Nun, das ist nicht gelungen. Die Öffentlichkeit hat protestiert, und die Opposition hat die Bundesregierung gezwungen, hier Stellung zu nehmen. Rückblickend auf diese Debatte kann ich sagen: Niemand wird behaupten, daß ein Sondervermögen wie die Post mit einem so hohen Dienstleistungsfaktor bei steigenden Preisen in anderen Wirtschaftszweigen gegen Gebührenerhöhungen schlechthin gefeit sei. Das wissen auch wir. Aber die entscheidende Frage ist die, ob man erst die Gebühren erhöhen und dann Sachverständige hören und Grundsatzreformen durchführen oder ob man den umgekehrten Weg gehen sollte.
Kern der Argumentation der Bundesregierung war doch für eine schnelle Erhöhung der Gebühren, daß der Bundeshaushalt das zu erwartende Defizit nicht auffangen könne, und der Herr Bundeskanzler hat dazu am 29. Juli mit der ihm eigenen Dramatik von dieser Stelle aus erklärt — Herr Präsident,
wenn Sie gestatten, darf ich das zitieren —:
Meine Damen und Herren, Defizit ist Defizit, und wenn Sie von der Möglichkeit der Vermeidung von Gebührenerhöhungen sprechen, dann Ist das — was soll ich sagen? — eigentlich Augenwischerei. Sie können Defizite vor sich herschieben; Sie können alle Finanzkunststücke hier anwenden, aber Sie bringen das Defizit nicht weg. Und welche Möglichkeiten gibt es außer der Gebührenerhöhung, die ja auch vom Postverwaltungrat beschlossen worden ist? Dann gibt es entweder die Möglichkeit, den Haushalt für das Jahr 1965 noch einmal, um den Defizitbetrag, aufzustocken. Das wären also für das Jahr 1965 rund 800 Millionen DM. Das ist eine bare Unmöglichkeit...
So der Herr Bundeskanzler vor dem Deutschen Bundestag am 29. Juli dieses Jahres.
Sie alle wissen, wenige Wochen nach diesem donnernden Nein war es derselbe Bundeskanzler, der praktisch über Nacht doch weitergehende Möglichkeiten sah, aus Haushaltsmitteln den Ausgleich zu suchen, und wie schon so oft — ich erinnere nur an die Kriegsopferdebatte im vergangenen Jahr — das tat, was er vorher für unmöglich erklärt hatte.
— Sie können das ja nachher noch richtigstellen. Ich kann mich nur daran erinnern, daß das ein Zitat des Herrn Bundeskanzlers ist.
Auf den Finanzminister werden wir noch zu sprechen kommen.
Vorerst aber noch eine kurze Bemerkung zu diesem Verfahren. Niemand, ich glaube, auch niemand von der Koalition wird behaupten, daß dieses Verfahren des Herrn Bundeskanzlers Erhard seinem Ansehen besonders genützt hätte. Ich darf daran erinnern, daß kein anderer als Ihr verehrter Parteivorsitzender, der Herr Altbundeskanzler Dr. Adenauer, in einer großen Tageszeitung erklärt hat:
Ich wollte gerade sagen: Denken Sie mal an das Hin und Her! Das deutsche Volk verlangt auch in der Telefongebührenfrage eine klare Politik und eine klare Führung.
Das war einer der wenigen Tage, wo ich mit dem Altbundeskanzler politisch völlig übereingestimmt habe.
Aber uns interessiert nicht nur die Rolle des Herrn Bundeskanzlers in diesem Streit und seine Unterlassungen, sondern wir wollen auch wissen, wie es eigentlich kam, daß der Herr Bundesfinanzminister, der uns heute morgen ebenfalls die Ehre seiner Anwesenheit gibt, Ende Juli und Ende Oktober so grundverschiedene Steuerprognosen stellen konnte.
7386 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Börner
Auch hier gibt es eine Parallele zur Kriegsopferdebatte im Dezember des vergangenen Jahres. Wir fragen deshalb: Taugen eigentlich die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers Dr. Dahlgrün, mit denen hier gearbeitet wird, etwas, oder wieviele Unbekannte sind noch in der Rechnung, und müssen wir uns in absehbarer Zeit aus irgendwelchen Überlegungen im Schoße der Bundesregierung wieder auf neue Überraschungen in der Frage der Steuerschätzungen gefaßt machen? Bestimmte Pressemeldungen des heutigen Tages geben solchen Gerüchten Nahrung. Wir wären dankbar, wenn hier im Rahmen dieser Debatte eine klare Auskunft gegeben werden könnte.
Diese Frage ist um so berechtigter, als auch in der ganzen Breite der Bundesregierung dazu und zu anderen Problemen, zum Beispiel ides zu erwartenden Einnahmeausfalls der Bundespost, in den letzten Wochen die verschiedensten Begründungen gegeben worden sind. Die sozialdemokratische Fraktion ist der Meinung, daß die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat zu erfahren, wer recht behalten hat, ob die Bundesregierung ihre in die Gebührenerhöhung gesetzten Erwartungen erfüllt sieht oder ob der Herr Staatssekretär von Hase mit seiner Maßhalteparole recht behalten hat.
Diese Frage, von der ich vorher sprach, ist um so berechtigter, als auch der Herr Bundeskanzler Ende Oktober in einem Interview mit der Illustrierten „Quick", die sonst von der Regierung nicht als für Interviews besonders richtig befunden wird, erklärt hat, daß ein weiteres Defizit der Post, das aus dem
Haushalt abgedeckt werden müßte, dazu führen müßte — nach diesem Interview —, daß wichtige, ja, Herr Professor Erhard hat gesagt: wichtigste Gemeinschaftsaufgaben zugunsten der Abdeckung dieses Defizits zurückgestellt werden müßten.
Wir wollen wissen: Ist das auch heute noch die Meinung der Bundesregierung, 'und welches sind die wichtigsten Gemeinschaftsaufgaben, die hier von einer solchen Finanzmanipulation betroffen werden? Wie sieht die Bundesregierung diese Rangfolge?
Ich glaube, das deutsche Volk darf erwarten, daß sich die Bundesregierung in diesen Fragen nicht hinter nebulösen Interview-Formulierungen versteckt, sondern daß sie vor diesem Hause ganz klar darlegt, wie sie die langfristige Entwicklung der Deutschen Bundespost sieht und was sie dafür zu tun bereit ist. Sachverständigen-Gutachten sind wichtig und nützlich, aber sie entbinden die Regierung nicht von der Pflicht, in eigener Verantwortung nach Lösungen zu suchen.
Die SPD-Fraktion hat am 12. August die heute behandelte Große Anfrageeingebracht, worin die Bundesregierung gefragt wind, ob sie bereit sei, die Gebührenerhöhungen so lange wieder auszusetzen, bis die Vorschläge der Sachverständigenkommission vorliegen, weil nur so eine sinnvolle Neuordnung der Postfinanzen einschließlich des Gebührensektors vorgenommen werden kann.
Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, diesen Weg zu gehen, obwohl sie noch heute der
Öffentlichkeit eine Erklärung darüber schuldig ist, warum ausgerechnet die Gebühren eines Dienstzweiges erhöht wurden, der schon vor der Erhöhung hohe Überschüsse erwirtschaftet hat. Ich darf daran erinnern, daß die sogenannte Kostenüberdeckung im Bereich der Fernmeldeeinnahmen 480 Millionen DM innerhalb der Einnahmen der Bundespost betragen hat.
Durch den Beschluß des Postverwaltungsrats in der vorvergangenen Woche und mit dem Inkrafttreten der durch den Verwaltungsrat beschlossenen Senkung der Telefongebühren am 1. Dezember ist unsere Große Anfrage teilweise von der Entwicklung überholt. Insofern ist also auch der Text, der Ihnen heute morgen vorliegt, im Grunde durch die Entwicklung überholt. Aber ich muß Ihnen sagen: die politische Frage, die hierin steckt, ist noch lange nicht überholt.
Wir freuen uns über diesen Beschluß. Es geht uns hier nicht um Prestige, sondern um den Erfolg in der Sache, nämlich um mehr Kostengerechtigkeit für den Benutzer der Einrichtungen der Deutschen Bundespost.
- Darüber muß man natürlich sprechen.
Sie sehen ja auch, daß die Opposition am heutigen Morgen nicht nur eine Große Anfrage vorlegt, worin die Bundesregierung etwas gefragt wird, sondern daß wir auch einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, den mein Freund Gscheidle nachher noch im einzelnen begründen wird. Ich hoffe, daß die Debatte über diesen Gesetzentwurf hier einen breiten Raum einnimmt, damit wir in der Sache weiterkommen.
Aber lassen wir noch einmal die Entwicklung der letzten drei Monate an uns vorüberziehen! Die sozialdemokratische Fraktion hat dazu folgendes festzustellen:
Die Entwicklung seit dem 29. Juli hat uns recht gegeben.
Unserem Kampf in diesem Hause ist es zu verdanken, daß die Gebühren gesenkt wurden. Ohne unseren Kampf wäre es in der Gebührenfrage nicht zu der Kapitulation des Herrn Bundeskanzlers auf Raten gekommen.
Am 29. Juli gab es gewisse Gruppen und Abgeordnete des Hohen Hauses, die mit uns in der Rhetorik einig waren. Mittlerweile hat sie der Mut verlassen; sie haben, wie man im Umgangsdeutsch heute sagt, kalte Füße bekommen. Wir haben von der FDP-Fraktion in dieser Frage eigentlich auch nichts anderes erwartet.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7387
Börner
Die Sozialdemokraten haben bis zum heutigen Tage als einzige Fraktion einen Initiativantrag zur Lösung der wirklichen Probleme der Post eingebracht.
— Ich bitte, genau zuzuhören: Die .sozialdemokratische Fraktion hat bis heute als einzige Fraktion einen Initiativantrag zur Lösung der Probleme eingebracht.
Andere Kollegen haben das auch getan. Aber deren Überzeugungskraft in der eigenen Familie hat nicht ausgereicht, auch die Unterschrift der CDU unter diesen Antrag zu bringen.
— Meine Damen und Herren, wenn Sie mehr wissen oder mehr wollen, als in dem Antrag Besold steht, dann können Sie das ja hier vorschlagen. Wir stellen jedenfalls fest: Wie schon immer hat das Durcheinander in der Koalition nur dazu geführt, daß Gruppen Lösungen vorschlagen, aber daß die ganze Koalition sich in der Sache bis heute nicht einigen konnte.
— Ich weiß ja, daß Sie das ärgert, was wir hier vorzubringen haben, Herr Müller-Hermann.
Aber ich muß sagen, mich freut es eigentlich, daß sich auch in Ihrem Kreis, vielleicht nicht bei Ihnen, aber bei einigen Kollegen, die Auffassung durchgesetzt hat, daß die Stellungnahme der Bundesregierung vom Sommer dieses Jahres in der entscheidenden Sitzung vom 29. Juli unhaltbar geworden ist. Kein anderer .als der Herr Bundeskanzler hat ja den Pfiff zum Rückzug gegeben, indem er seinen Freunden von sich aus, ohne mit ihnen vorher Rücksprache genommen zu haben,
diesen Antrag, die Gebühr nun wieder von 20 auf 18 Pfennige zu senken, empfohlen hat.
Wir sprachen hier von konstruktiven Lösungen, die in unserem Vorschlag enthalten sind. Wir würden uns freuen, wenn Sie den in unserem Gesetzentwurf vorgelegten Vorschlägen heute Ihre Zustimmung gaben; denn nur durch eine schnelle, zügige Beratung dieser Frage kann der Bundespost schnell geholfen werden, und darauf kommt es an.
Natürlich geht es bei einer so komplizierten Frage nicht nur um die Initiativen aus diesem Hause. Aus der Verantwortung der Bundesregierung ergibt sich hier ganz klar die Pflicht, konstruktiv mitzuarbeiten und vor allen Dingen die vom Hohen Hause im
April eingesetzte Sachverständigenkommission zu unterstützen. Zu diesem Komplex halben wir für heute morgen drei bzw. vier Fragen, um deren Beantwortung wir dringend bitten. Wir wollen wissen, Herr Bundespostminister:
1. Entsprechen die Gerüchte den Tatsachen, daß ein Ergebnis der Sachverständigenkommission erst im Herbst 1965 vorliegen kann?
2. Wenn ja, welche Gründe gibt es für eine solche Entwicklung?
3. Hat die Bundesregierung alles getan, um der Kommission ein schnelles Arbeiten zu ermöglichen, oder welche Vorschläge hätte sie zur Verbesserung dieses Arbeitsergebnisses hier vorzubringen?
4. Wie soll der Zeitverlust, der durch die späte Berufung der Kommision entstanden ist, im Interesse einer baldigen Sanierung der Bundespost wieder aufgeholt werden?
Die Beantwortung dieser Fragen erscheint um so dringlicher, als der Herr Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundespost in seiner Pressekonferenz vom 24. November ausdrücklich die beunruhigende Formulierung von einer „Übergangslösung in der Gebührenfrage" gebraucht hat und die Öffentlichkeit mit Recht fragt: Wie lange soll die jetzt bestehende Übergangslösung bestehenbleiben? Die Öffentlichkeit, meinen wir, hat ein Recht darauf, nicht erst nach der Bundestagswahl zu erfahren, wie die Tarifgestaltung der Deutschen Bundespost auf lange Sicht aussehen muß.
Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit nicht bemüht — wir halten das für einen großen Mangel —, mit dem gesetzlich für die Belange der Bundespost zuständigen Gremium, nämlich dem Postverwaltungsrat, so eng zusammenzuarbeiten, wie es die Sache erfordert. Ich sehe in der Tatsache, daß der Herr Vorsitzende des Verwaltungsrats in neuerer Zeit getrennte Pressekonferenzen durchführt, ein beunruhigendes Zeichen für das Auseinanderklaffen dieser beiden Gremien.
Ich meine, daß auch intern, im Kabinett, innerhalb der Bundesregierung die Behandlung dieser Frage in den letzten Monaten kein Musterbeispiel für eine geradlinige, vernünftige und der Kompetenzabgrenzung entsprechende Behandlung ' so wichtiger Fragen gewesen ist.
— Ja, das macht mir Sorge, Herr Kollege! Und wissen Sie auch, warum? Weil es ja nicht Ihre Post ist oder unsere Post, parteipolitisch gesehen, sondern unser aller Volksvermögen, mit dem diese Schlampereien passiert sind. Das wollen wir einmal festhalten.
— Das jahrelange Vorsichherschieben von Problemen, die man aus der Verantwortung für einen so
7388 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Börner
wichtigen Zweig unserer Volkswirtschaft schon vor Jahren hätte in Angriff nehmen müssen!
— Sagen Sie mal, wer regiert eigentlich hier seit langen Jahren? Sie oder wir?
— Herr Kollege, Sie können sich ja zu Ihren Ideen hier heute morgen noch ausführlich äußern.
Ich kann bisher nur feststellen: Lösungen für die Post: CDU — Fehlanzeige. Das ist die Lage; das wollen wir doch nicht wegdiskutieren.
Der Postverwaltungsrat hat nicht nur oft in den letzten Monaten diese schlechte Zusammenarbeit mit der Bundesregierung beklagen müssen; auch die Behandlung des zuständigen Ministers durch seine Kabinettskollegen und insbesondere durch den Chef der Regierung erscheint mir nicht gerade als ein Musterbeispiel für Zusammenarbeit. Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, zu werten, ob Herr Bundesminister Stücklen immer fair behandelt worden ist. Aber eines möchte ich Ihnen zum Abschluß sagen: Wenn Sie, Herr Minister, wieder einmal durch einen nächtlichen Anruf erfahren, daß Ihr Chef beschlossen hat, die Gebühren zu ändern — das persönlich Mitgefühl der Opposition ist Ihnen heute schon sicher.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Minister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Begründung des Kollegen Börner eingehe, möchte ich im Namen der Bundesregierung die Große Anfrage der SPD wie folgt beantworten.
Trotz größter Anstrengungen auf organisatorischem Gebiet und dem Einsatz von Technik zur Rationalisierung haben sich in den letzten Jahren infolge der laufend steigenden Personal- und Sachkosten Verluste bei der Deutschen Bundespost nicht vermeiden lassen.
1963 ist ein Defizit von 250,8 Millionen DM entstanden. Ohne Gebührenerhöhung wäre 1964 mit einem Defizit von 385,7 Millionen DM und 1965 mit einem Defizit von 876 Millionen DM zu rechnen gewesen.
Zu den Ursachen der Verlustentwicklung hat die Bundesregierung in der Sondersitzung des Deutschen Bundestages vom 29. Juli 1964 ausführlich Stellung
genommen. Das Postverwaltungsgesetz verpflichtet den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen durch den § 15, die zur Erfüllung der Aufgaben und Verpflichtungen der Post notwendigen Ausgaben aus eigenen Einnahmen zu bestreiten. Zuschüsse aus der Bundeskasse werden nicht geleistet. Eine finanzielle Entlastung des Posthaushaltes ist ohne Änderung des Postverwaltungsgesetzes nur durch das jährliche Haushaltsgesetz des Bundes möglich. Der Bundesminister der Finanzen hat, um eine finanzielle Entlastung der Post herbeizuführen, in § 19 des Haushaltsgesetzes 1965 die Ablieferung der Post an den Bund — § 21 des Postverwaltungsgesetzes — auf 520 Millionen DM limitiert. Weiter hat der Bundesminister der Finanzen zugesagt, für 1965 und 1966 den Kapital- und Zinsendienst von je 300 Millionen DM Anleihen auf den Bundeshaushalt zu übernehmen.
Diese Entlastung reicht aber zum Ausgleich des Posthaushalts bei weitem nicht aus. Eine weitergehende Finanzhilfe, wie sie unter Ziffer 4 der Beantwortung der Kleinen Anfrage der SPD — Drucksache IV/2537 — näher dargelegt worden ist, war dem Herrn Bundesfinanzminister im Zeitpunkt der Gebührenerhöhung angesichts der Haushaltslage des Bundes nicht möglich. Bei dieser Sachlage war die einzige und unausweichliche Möglichkeit, den Ausgleich des Haushalts ,der Bundespost herbeizuführen, ab 1. August 1964 eine entsprechende Gebührenerhöhung vorzunehmen.
Die Bundesregierung hat ihre Auffassung, daß zum Ausgleich der Haushaltsrechnung eine Gebührenerhöhung notwendig war, nicht geändert; sie hat sich zu einer Übergangslösung bis zur Vorlage und Auswertung des Kommissionsberichtes in ,der Form bereit erklärt, der Deutschen Bundespost eine weitere finanzielle Entlastung in Höhe von 255 Millionen DM zu gewähren. Die Einnahmeentwicklung hat es ermöglicht, bei Aufrechterhaltung eines Plafonds von 63,9 Milliarden DM eine solche Entlastung zu empfehlen. Der Bundesfinanzminister wird dem Bundestag bzw. dem Haushaltsausschuß vorschlagen, den Ansatz des § 19 des Haushaltsgesetzes 1965 von 520 Millionen DM auf 265 Millionen DM festzusetzen. Für 1964 sieht die Nachtragshaushalt bereits eine Verminderung der Abführung der Bundespost an den Bund um 20 Millionen DM auf rund 500 Millionen DM vor.
Da die zuerwartenden Einnahmeausfälle aus der Gebührensenkung vom Bundeshaushalt übernommen werden, habe ich, dem Postverwaltungsrat eine entsprechende Gebührenvorlage zugeleitet, der dieser mit Beschluß vom 24. November 1964 zugestimmt hat, so daß die Gebührensenkung ab 1. Dezember 1964 in Kraft getreten ist. Die von der Bundesregierung für die Bundespost berufene Sachverständigenkommision wird, wie ihr Vorsitzender vor dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen erklärt hat, ihr Gutachten nicht vor Mai, Juni 1965 vorlegen können. Aus finanziellen Gründen ist es jedoch nicht möglich, die Gebührenerhöhung vom 1. August 1964 insgesamt bis zu diesem Zeitpunkt auszusetzen. Dadurch würde nämlich dem Haushalt der Deutschen Bundespost ein nicht zu deckendes Defi-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7389
Bundesminister Stücklen
zit entstehen, und die eingeleitete Stabilisierung der Finanzlage der Deutschen Bundespost würde empfindlich gestört werden. Im übrigen ist es jetzt Aufgabe der Kommission, sich über die Möglichkeiten einer dauerhaften Sanierung der Postfinanzen gutachtlich zu äußern. — Soweit die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD.
Nun gestatten Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich auf die Begründung, die aus den Zeilen der Großen Anfrage der SPD nicht zu ersehen war, noch näher eingehe. Dazu darf ich die Statistik zur Hand nehmen, weil der Herr Kollege Börner wie sein Kollege Cramer wiederholt hier die Behauptung aufgestellt hat, daß die gebührenpolitische Maßnahme vom 1. August zu einem Fiasko bei der Deutschen Bundespost geführt habe.
— Sie werden meine Antwort hören; diese Antwort werde ich mit dem Vorbehalt geben, daß durch die Störung des Ablesungsrhythmus keine exakten Vergleichszahlen vorhanden sind.
— Nein.
— Herr Kollege Cramer, ich habe mir so viel Mühe gegeben, im Deutschen Bundestag und im Verwaltungsrat in allen Einzelheiten dazulegen, daß es einfach nicht möglich ist, exakte Vergleichszahlen zu bringen! Vergleichszahlen sind vorhanden — ich werde sie Ihnen bekanntgeben —, aber der Rhythmus der Ablesung im vorigen Jahr und im heurigen Jahr war nicht derselbe. Ich nehme daher die ausgestellten Rechnungen, die ja ein besseres Bild geben als die bereits eingegangenen Gelder, und ich darf folgende Gegenüberstellung vortragen:
Juli 1963 285 Millionen DM, Juli 1964 314 Millionen DM: ein Plus von 29 Millionen DM; August 1963 289 Millionen DM, August 1964 307 Millionen DM: ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 18 Millionen DM; September 1963 280 Millionen DM, September 1964 362 Millionen DM: ein Plus von 82 Millionen DM; Oktober 1963 290 Millionen DM, Oktober 1964 369 Millionen DM: ein Plus von 79 Millionen DM.
Aus den mir vorliegenden Zahlen kann nun mit bestem Willen nicht abgelesen werden, daß :die Einnahmen auf dem Fernmeldesektor der Deutschen Bundespost auf Grund der gebührenpolitischen Maßnahmen geringer seien als im vergangenen Jahr ohne diese gebührenpolitischen Maßnahmen. — Soweit die Statistik.
Nun, Herr Kollege Börner, haben Sie wiederum die Behauptung aufgestellt, ,daß die Bundesregierung die Erhöhung hinter dem Rücken des Parlaments zu einer Zeit vorgenommen habe, als das Parlament bereits in Ferien war. Auf Grund des Postverwaltungsgesetzes, das von diesem Hause beschlossen worden ist, ist die Zuständigkeit für die Gebührenmaßnahmen nicht dem Parlament übertragen, sondern vom Parlament an den Verwaltungsrat delegiert. Der Verwaltungsrat hat eine ganz genau festgesetzte Frist, innerhalb der er entscheiden muß,
nämlich drei Monate nach Einbringung der Vorlage. Ich habe die Vorlage am 4. Mai im Verwaltungsrat eingebracht, und der Verwaltungsrat hat am 9. Juli bereits entschieden. Wenn der Verwaltungsrat vor dem 1. Juli entschieden hätte, wäre das Parlament noch beisammen gewesen. Aber im Gesetz wird davon ausgegangen, daß sich der Verwaltungsrat drei Monate Zeit nehmen kann und diese Zeit zur Beratung auch braucht. Aus diesem Grund ist eben die Verabschiedung der Gebührenerhöhung im Verwaltungsrat nicht mehr zu einer Zeit erfolgt, in der das Parlament noch beisammen war. Daraus einen Vorwurf an die Regierung zu machen, das Parlament hintergangen zu haben, ist nicht in Ordnung, Herr Kollege Cramer.
— Herr Kollege Börner, im mußte doch auch erst die genaue Ubersicht haben, bevor ich eine Gebührenvorlage machte — das braucht alles seine Zeit —, und es hat doch auch vorher ausreichender Beratungen innerhalb der Bundesregierung bedurft, um zu diesem Vorschlag zu kommen. Ich bitte also, diesen Vorwurf nicht zu machen; denn er ist völlig unzutreffend.
Nun tragen Sie in Ihrer Kritik vor, daß die Bundesregierung, von Schuberth bis Stücklen, gegenüber der Deutschen Bundespost ihre Pflicht nicht erfüllt habe. Sie sagen, die Bundesregierung habe hier ein schlechtes Gewissen; sie müsse ein schlechtes Gewissen haben, weil sie eben die Deutsche Bundespost nicht mit genügend Eigenkapital ausgestattet habe. Auf diese Frage komme ich im Rahmen der Einbringung der Gesetzesnovelle usw. noch zu sprechen. Herr Kollege Börner, Ihre Partei ist seit 15 Jahren in diesem Hause in der Opposition. Was ist die Aufgabe und die Funktion einer Opposition? Die Regierung zu überwachen, die Regierung zu kontrollieren, Initiativen an die Regierung heranzubringen. Es steht Ihnen nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags uneingeschränkt zu, diese Initiativen in diesem Hause vorzutragen.
Einen Moment bitte! Wir sind bei der Beantwortung einer Großen Anfrage. Solange können keine Zwischenfragen gestellt werden.
Wenn Sie, meine Herren, von einem schlechten Gewissen der Regierung oder der Regierungsmehrheit in diesem Hause sprechen, dann müssen Sie auch an Ihre eigene Brust klopfen. Denn auch Sie haben die Aufgaben und die Verantwortung gegenüber der Post nicht ausreichend erkannt.
7390 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Bundesminister Stücklen
— Ich habe ganz genau zugehört. Ihre Fraktion hatte die Möglichkeit, eine Initiative, wie sie heute erfolgt ist, vor zwei oder fünf oder mehr Jahren zu ergreifen. Ihre Fraktion hatte jederzeit die Möglichkeit, im Rahmen der Haushaltsberatungen zu § 19 — in der Frage der Ablieferung der Deutschen Bundespost an den Bund — einen Änderungsantrag einzubringen.
In den zehn oder elf Jahren, seit das Postverwaltungsgesetz in Kraft ist, hat es keine einzige gesetzliche oder eine antragsmäßige Initiative der Opposition gegeben. Wenn Sie also behaupten, daß das Gewissen der Regierung und der Regierungsmehrheit schlecht oder belastet sein müsse, dann müssen Sie sich sagen lassen, daß Sie es versäumt haben, die Funktion einer Opposition auszuüben.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe, damit der Herr Minister die Antwort, die gewünscht wird, geben kann.
Ja, man kann es sich von der Opposition aus leicht machen und die Verantwortung allein der Regierung oder der Regierungsmehrheit zuschieben!
— Herr Kollege, mit so billigen Zwischenrufen können Sie eine solche Frage auch nicht lösen.
Nun darf ich auf die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsrat und Regierung eingehen. Eine ganze Reihe von Mitgliedern des Hauses auf der Seite der Regierungskoalition und der Opposition sind seit Jahren Mitglieder des Verwaltungsrats. Ich glaube nicht, daß hier mit gutem Gewissen davon gesprochen werden könnte, die Zusammenarbeit sei nicht harmonisch und erfolge nicht im Sinne einer Förderung der Postinteressen. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Wenn der Bundespostminister von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch macht, dann hat das mit der Zusammenarbeit nichts zu tun. Ob die gesetzlichen Bestimmungen — .auf die kommen wir noch zu sprechen — für die Zusammenarbeit zwischen Postverwaltungsrat und Regierung ausreichend sind, das muß ernsthaft überlegt werden.
Nun darf ich noch die vier Fragen beantworten, die Sie, Herr Kollege Börner, gestellt haben.
Zunächst fragen Sie: Wann kommt der Bericht der Kommission? Die Kommission arbeitet völlig selbständig und unabhängig. Der Vorsitzende der Kommission hat vor einigen Wochen vor dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen des Bundestages erklärt, daß er nicht glaube, vor Mai/Juni des kommenden Jahres — 1965 — diesen Bericht vorlegen zu können.
Sie fragen weiter: Warum kann diese Kommission den Bericht nicht früher vorlegen?
— Das war erst die vierte Frage!
Die zweite Frage lautete: Warum kann diese Kommission den Bericht nicht früher vorlegen? — Ich bin überrascht, daß Sie diese Frage stellen. Sie wissen, wie groß das Unternehmen Deutsche Bundespost ist. Wenn man einen „aussagefähigen" Bericht über das Unternehmen Deutsche Bundespost — mit seinen komplizierten Dienstzweigen, mit der Verflechtung der Dienstzweige ineinander und mit den weitverzweigten Organisationsstufen, mit seinen 27 000 großen, kleinen und kleinsten Ämtern — vorlegen will, so braucht es dazu auch mehr Zeit als für eine überschlägliche Betrachtung dieser Materie. Das ist die Beantwortung der Frage 2.
Zu Punkt 3: Hat die Deutsche Bundespost, hat der Minister alles getan, um dieser Kommission die Arbeit zu erleichtern und zu fördern? Ich darf Ihnen sagen, daß wir nicht nur einen unserer besten Beamten in die Geschäftsführung dieser Kommission abgestellt haben, sondern daß dieser Kommission mit Vordringlichkeit jede Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist, die sie von uns verlangt hat. Wenn Sie den Vorsitzenden oder einzelne Mitglieder der Kommission fragten, würden Sie das in vollem Umfange bestätigt bekommen. Von unserer Seite aus ist alles Erdenkliche und Mögliche getan worden, um die Arbeit der Kommission zu fördern.
Frage 4 lautet: Warum ist die Kommission so spät berufen worden?
Es ist nicht so leicht — wie ich schon in meiner Rede vom 29. Juli ausgeführt habe —, aussagefähige Persönlichkeiten zu finden. Die stehen doch nicht arbeitslos irgendwo an der Ecke, sondern sind Professoren, Rektoren an Hochschulen und aktive Wirtschaftsführer, die jetzt intensiv an einem Gutachten im Rahmen der Kommissionsarbeit für die Post mitarbeiten sollen. Gerade Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, müßten es wissen und sich als gebranntes Kind etwas davor scheuen, etwa Namen von Leuten bekanntzugeben, von denen Sie hinterher eine Absage erhalten. Ich glaube, diese Erfahrung haben Sie auf dem Parteitag der SPD mit Ihren Professoren gesammelt.
Die Große Anfrage ist beantwortet; das Haus hat die Antwort entgegengenommen.
Wir kommen nun zu dem Gesetzentwurf unter Buchstabe b) des Punktes 25 der Tagesordnung. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Besold zur Begründung das Wort.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7391
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Auftrag meiner politischen Freunde den Initiativantrag zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes begründen. Herrn Börner möchte ich sagen, daß dieser Initiativantrag bereits beschlossen und von der gesamten Fraktion zur Einbringung gebilligt war, als Sie von der SPD Ihren Initiativantrag noch berieten und an ihm herumbastelten.
Ich möchte Ihnen nur sagen, daß unter diesen Antrag noch mehr Unterschriften — auch von der CDU/ CSU — gekommen wären,
wenn ich nicht aus Gründen, die meine Abwesenheit von Bonn forderten, den Antrag seinerzeit schon hätte einreichen müssen.
Aber ich möchte vortragen, warum wir jetzt einen Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes einreichen. Wir meinen nämlich, daß gerade jetzt aus der Initiative des Parlaments ein entscheidender Schritt vorwärts getan werden muß.
Wer nämlich ehrlich und unvoreingenommen die Meinungsäußerungen und Debatten in den letzten Wochen und Monaten und eben noch die Rede des Herrn Börner über die Deutsche Bundespost gehört hat, muß eingestehen, daß es gefährlich ist, ein I Sondervermögen des Bundes von dem Ausmaß der Deutschen Bundespost, das nach wirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen zu führen ist, der politischen und der parteipolitischen Zerreißmühle im Blick auf 1965 auszusetzen, meine Damen und Herren!
Wenn man den Wust an Presseauswertungen übersieht, muß man darüber erschrecken, welches Bild von der Bundespost in der Öffentlichkeit entstanden ist. Es muß aber dankbar vermerkt und auch der Öffentlichkeit gesagt werden, daß der Vorsitzende der Sachverständigenkommision bei der Anhörung vor dem Verkehrsausschuß schon nach den bisherigen Überprüfungen sagen konnte, die betriebswirtschaftlichen Einrichtungen und Übersichten der Deutschen Bundespost können sich mit denen modernster Wirtschaftsbetriebe messen.
Das muß man einmal feststellen, damit die falsche Meinung, die im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl in all den parteipolitischen Debatten vertreten wird, ins rechte Licht gerückt wird.
Es gibt einen zweiten Grund, warum wir einen Initiativantrag stellen. Einige grundlegende und klare Erkenntnisse haben sich schon jetzt, vor der Sachverständigenäußerung, herausgestellt. Alle bisherigen Entscheidungen sind nur kurzfristige Übergangslösungen. Davon war der Beschluß des Postverwaltungsrates, bei den Telefongebühren die Grundgebühr zu erhöhen, die Gebühr für die Gesprächseinheit von 16 auf 18 Pf zu erhöhen und die Briefgebühr zu erhöhen, eine Maximallösung. Die von der Bundesregierung angeregte Erhöhung der Telefongebühren und ihre Korrektur entsprechend dem ursprünglichen Vorschlag des Postverwaltungsrats — aber ohne die Erhöhung der Briefgebühr — ist nach meiner Ansicht eine kleine Lösung. Aber, Herr Kollege Börner, wenn Sie sich gar so sehr aufgeregt und die Haltung des Herrn Bundeskanzlers in bezug auf die Gebührenermäßigung gerügt haben, so muß ich doch fragen, ob die SPD hier nicht mit zwei Zungen spricht.
Der Herr Erler hat das letztemal gesagt, alle Lebenserfahrung spreche dagegen, daß eine einmal erhöhte Gebühr wieder heruntergesetzt werde und das Protokoll vermerkt an dieser Stelle: „Sehr richtig! bei der SPD." — Jetzt ist sie heruntergesetzt, und jetzt kritisieren Sie den Herrn Bundeskanzler!
So kann man nicht argumentieren.
Herr Abgeordneter Dr. Besold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Börner?
Bitte.
Herr Kollege Dr. Besold, ist Ihnen entgangen, daß ich die Senkung nicht kritisiert, sondern begrüßt und nur kritisiert habe, daß der Herr Bundeskanzler innerhalb von 8 Wochen bei seiner Meinung in der Frage der Vertretbarkeit einer solchen Senkung eine 180 %ige Schwenkung vollzogen hat?
Es handelt sich wohl nicht um Prozente, sondern um Grade.
Na eben, na eben! Das paßt ganz genau darauf. Nach dem, was Herr Erler gesagt hat, müßten Sie heute geradezu ein Loblied auf den Herrn Bundeskanzler singen.
Eine weitere Übergangslösung steckt in dem Vorschlag der SPD auf Aussetzung jeder Gebührenerhöhung bis zur Äußerung der Sachverständigenkommission. Sie glauben doch selber nicht, daß das eine irgendwie real fundierte Lösung wäre. Sie kennen doch den ganzen Apparat der Deutschen Bundespost mit ihren 440 000 Angestellten und Arbeitern. Was würden die sagen, wenn das gemacht werden würde, wenn damit der Haushalt und alles weitere, insbesondere die Fürsorge für diese Leute, in der Luft hinge?
Zu unserem Initiativantrag hat uns ferner die Erkenntnis veranlaßt, daß Gebührenerhöhungen allein, so wie die Dinge zur Zeit liegen, einfach keine Lö-
7392 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Dr. Besold
sung auf lange Sicht sind. Das ist im übrigen auch die Ansicht des Deutschen Bundestages. In diesem Zusammenhang darf ich auf die Entschließung des Deutschen Bundestages auf Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Überprüfung der Deutschen Bundespost — Drucksachen IV/1700 Anlage, IV/2062 — verweisen. Dort wird ausdrücklich festgestellt, daß „eine Erhöhung der Gebühren auf die Dauer nicht ausreiche, die hierfür erforderlichen Finanzmittel sicherzustellen". Es sind also zusätzlich ernste Schritte zu einer angemessenen Ausbalancierung von Eigen- und Fremdkapital der Deutschen Bundespost unerläßlich. Dazu müssen weitere Maßnahmen der Rationalisierung und auch der Automation ergriffen werden.
Diese Feststellungen und Erkenntnisse sind in diesem Hohen Hause, aber auch schon vorher im Postverwaltungsrat maßgebend gewesen. Nicht eine Maßnahme allein, sondern alle Maßnahmen zusammen, unterstützt durch ausreichende wirkungsvolle Entscheidungen, bringen uns einer Lösung des Postproblems näher.
Die bisherigen Vorschläge des Herrn Bundesfinanzministers können nicht als ausreichende Maßnahmen angesehen werden, wenngleich — das möchte ich in aller Objektivität sagen — dieser Schritt bei der damaligen finanzpolitischen Lage anerkannt werden muß. Sie wissen, daß der Bundesfinanzminister den Vorschlag gemacht hat, bei 500 oder 520 Millionen die Ablieferung einfrieren zu lassen. Dann wurde für 1965 und 1966 eine Kapitalaufstockung mittels Anleihen zugesagt. Aber wir wissen alle, daß das nur eine vorübergehende und keine substantielle Unterstützung der Bundespost ist, daß das Bundesfinanzministerium mit dem Ziel einer Entlastung der Deutschen Bundespost ab 1966 die Behandlung der Ausgleichsforderungen der Deutschen Bundespost überprüfen wird und daß beabsichtigt ist, im Bundeshaushalt einen Leertitel für eine weitere Erhöhung des Eigenkapitals auszubringen, die aus Privatisierungserlösen gespeist werden soll. Aber auch diese Lösungen fassen das Problem nicht vom Grund her an.
Aber, meine Damen und Herren, dem Schritt nach vorn durch diese Initiative, von dem ich gesprochen habe, steht — das müssen wir erkennen — einfach das Postverwaltungsgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung entgegen. Dieses Postverwaltungsgesetz stammt vom 24. Juli 1953, aus einer Zeit — daran können wir uns erinnern —, wo das Ringen um das Gelingen des Wiederaufbaus, ob nach planwirtschaftlichen Gesichtspunkten, wie es die SPD wollte, oder in der freien Marktwirtschaft, noch voll im Gang war. Man muß sich vorstellen, in welcher Atmosphäre das Gesetz entstanden ist. Damals haben noch die maßgebenden Vertreter der SPD mit allem Ernst die Meinung vertreten, daß die freie Marktwirtschaft zurück zur Brotkarte führen würde. Es war eine Zeit, wo Bund und Länder kaum finanzielle Mittel zur Verfügung hatten, wo das Steueraufkommen gering war und wo die volle Souveränität noch nicht zurückgegeben war, wo das Ausmaß und die Schnelligkeit des wirtschaftlichen Fortschritts noch nicht einmal geahnt werden konnten, wo die Grundlagen und Voraussetzungen für
eine Gesetzesgestaltung, die auch in die jetzige Zeit
hineinpaßt, einfach nicht erkannt werden konnten.
Dabei muß man sich klarwerden über den Aufgabenbereich und den gesetzlichen Auftrag der Bundespost und des Bundespostministers sowie des Verwaltungsrats. Sie wissen selber, dieser Aufgabenbereich, der in § 2 des Postverwaltungsgesetzes niedergelegt ist, ist von einem sehr bedeutenden Umfang. Hier heißt es:
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ist dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik verwaltet wird.
Was auf diesem Gebiet seit 1953 an revolutionären Umwälzungen und Vorwärtsbewegungen geschehen ist, das wissen wir. Aber damit ist auch das Maß der Arbeit und der Verantwortung der Deutschen Bundespost gewachsen. Es steht weiter in § 2:
Die Anlagen der Deutschen Bundespost sind in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen.
Ich glaube, das hat die Deutsche Bundespost auch getan.
Das hat sie auch getan trotz dieses Postverwaltungsgesetzes; das ist nämlich das Verwunderliche dabei.
Aber jetzt, meine Damen und Herren, müssen Sie auch betrachten, in welcher Zwangsjacke und mit welchem geringen Bewegungsraum es der Deutschen Bundespost gelungen ist, diese Aufgaben bis heute zu erfüllen.
Ich möchte, weil es sich hier um einen Gesetzentwurf zur Änderung des bisherigen Postverwaltungsgesetzes handelt, folgendes sagen: Nach § 15 Abs. 1 des Postverwaltungsgesetzes hat die Deutsche Bundespost ihren Haushalt so aufzustellen und zu führen, daß sie die zur Erfüllung. ihrer Aufgaben und Verpflichtungen notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten kann; Zuschüsse — so heißt es — aus der Bundeskasse an die Post werden nicht geleistet. — Meine Damen und Herren, wenn Sie auf den gesamten Wiederaufbau zurückblicken, werden Sie doch zugeben, daß Wirtschaftsunternehmen von dem Ausmaß der Deutschen Bundespost diese Aufgabe des Wiederaufbaus ohne Zuführung von Kapital normalerweise nicht haben leisten können. In ihrer Haushaltsführung ist daher die Post auf der Einnahmenseite im wesentlichen allein auf die Gebühreneinnahmen angewiesen, deren Höhe durch die jeweils geltende Gebührenordnung und durch die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen bedingt ist.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7393
Dr. Besold
Es ist auch nicht so — das wissen die Herren vom Postverwaltungsrat ganz genau —, daß die Bundespost eine Monopolstellung hat und tun und lassen kann, was sie will. Das sehen wir bei den Erhöhungen der Paketgebühren. Auf den Umfang der Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen hat die Post nur einen sehr begrenzten Einfluß.
Auf der Ausgabenseite ist die Post insofern nicht frei, als sie sich der fortschreitenden Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage anpassen muß. Und was da geschehen ist, das wissen Sie. Dies gilt in erster Linie für die Gestaltung der Löhne und Gehälter, die nahezu 60 % der gesamten Aufwendungen — in den lohnintensiven Zweigen des Postdienstes sogar rund 75% — ausmachen. Bei den anderen Kostenarten wie z. B. Betriebsführung und Unterhaltung der Anlagen liegen die Verhältnisse ähnlich.
Ein besonderer Kostenfaktor — und darum geht es ja auch hauptsächlich — ist die gemäß § 21 Abs. 3 des Postverwaltungsgesetzes vorgeschriebene Ablieferung an den Bund in Höhe von 6 2/3 % der Bruttoeinnahmen der Post, die ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Post abzuführen sind. Das Postverwaltungsgesetz geht in seiner Grundkonzeption davon aus, daß stets ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden muß. Dieser Ausgleich ist aber im Augenblick — auf Grund der zwangsläufigen Aufwendungen auf der Ausgabenseite — im wesentlichen nur auf der Einnahmenseite der Post, und zwar durch Änderung der Gebührenordnung möglich. Man muß einmal ganz klar sehen, daß der Bundespost nur diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Der Herr Bundespostminister hat heute den Versuch unternommen, diesen Vorwurf zu entkräften. Er hat eine besondere Konstruktion gewählt, indem er gesagt hat: „Die Opposition auch nicht!" ; offenbar in der Annnahme, daß es in einer Demokratie möglich sein könnte, daß ein Postminister, der die Unterstützung seiner Parteifreunde in der Sache nicht hat, dann mit der Opposition sein Amt führen könne.
— Ach, der Herr Bundespostminister wird sich zur Wehr setzen, wenn er der Meinung ist, das sei eine Verfälschung.
Das Thema Bundespost hat meines Erachtens vier Schwerpunkte:
Erstens: die wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsätze für die Leitung der Deutschen Bundespost;
zweitens: die Aufgabenstellung für die Deutsche Bundespost und die dafür zweckmäßige Organisation;
drittens: die Wirtschaftlichkeit in der Aufgabenerfüllung;
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7397
Gscheidle
viertens: die Grundsätze für die Gebührenpolitik.
- Herr Kollege, ich danke Ihnen für den Zwischenruf. Denn ich darf hier eine Legende zerstören. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, einmal die Unterlagen der Deutschen Bundespost der letzten Jahre einzusehen. Ich darf Ihnen vorab für die Erkenntnisse, die Sie dann gewinnen, sagen: Relativ ist der Anteil der Personalkosten rückläufig gegenüber allen übrigen Kasten der Bundespost. Das kann nicht anders sein; das wird auch niemand, der die Dinge kennt, bestreiten können. Denn sonst könnte niemand öffentlich erklären — was den Tatsachen entspricht —, daß Rationalisierungserfolge vorliegen.
Erst wer sich über seinen grundsätzlichen Standpunkt in diesen Fragen Klarheit verschafft hat, kann folgerichtige Entscheidungen treffen. Daran hat es bislang bei der Bundesregierung gemangelt. Innerhalb des Bundeskabinetts waren die Vorstellungen des Finanz-, Wirtschafts- und Postministers in den kritischen Situationen jeweils unterschiedlich Es war keine Grundkonzeption der Bundesregierung erkennbar. Nach Auffassung des Finanzministeriums hätte sich die Deutsche Bundespost jeweils mit Gebührenerhöhungen helfen müssen. Gegen diese Vorschläge wandte sich das Wirtschaftsministerium ständig im Hinblick auf das Preisgefüge. Der für die Richtlinien der Politik zuständige Kanzler ging jeweils den Weg des geringsten Widerstandes. So kam es, daß die Verantwortlichen darangingen, gegen eine alte Volksweisheit der Kuh das Futter vorzuenthalten, obwohl sie nach wie vor Milch von ihr erwarteten. Man kann auch in diesem Falle nur eines: entweder Milch trinken oder Rindfleisch essen. Der Substanzverzehr des Bundesvermögens Deutsche Bundespost durch seine Verwendung ,als Deckungsmittel im Bundeshaushalt zeigt, wie fahrlässig der Eigner, nämlich die Bundesregierung, dieses Sondervermögen verwaltet hat.
Die Deutsche Bundespost mußte den Wiederaufbau nach 1945 aus den Preisen finanzieren, da es damals zunächst noch keinen Kapitalmarkt gab. Das war nur möglich, weil Löhne und Gehälter niedrig gehalten wurden. In dier zweiten Phase gestatteten die Rationalisierungserfolge, insbesondere im Fernmeldewesen, und eine geringfügige Gebührenerhöhung mit einer falschen Grundkonzeption weiterzuwursteln. Die stark anwachsenden Kosten nach der Korea-Krise und die unverständliche Verkehrspolitik der Bundesregierung auch gegenüber der Bundespost nach dem Motto: gewinnbringende Dienste privatisieren und defizitäre verstaatlichen, haben in einzelnen Dienstzweigen die Ursachen für das heute noch bestehende Defizit geschaffen.
— Wollen Sie damit sagen, daß es eine Devise der Sozialdemokraten sei, gewinnbringende Teil von öffentlichen Unternehmungen zu privatisieren und defizitäre zu verstaatlichen?
— Genau umgekehrt, Herr Kollege.
— Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auf die jährlich erscheinenden Jahrbücher des Post- und Fernmeldewesens hinweisen, wo die verantwortlichen Männer der Deutschen Bundespost unablässig diese Dinge dargelegt und auf eine Änderung gedrängt haben; sehr lesenswert, Herr Kollege! Wenn Sie sie sich beschaffen wollen, dann darf ich Ihnen einen Hinweis geben: es sind die Jahrbücher 1955, 1956, 1957, 1959 und 1960.
Doch alles vergeblich: Solange die Melkkuh Bundespost noch etwas hergab, dachte der Finanzminister und mit 'ihm die Bundesregierung nicht daran, ihr Futter in Form von Kapitalzuführung oder Abnahme systemwidriger Belastungen zu geben. Die Bundespost kam ins Gerede und hat inzwischen die Publicity eines Filmstars erreicht, über den jede Skandalgeschichte unbesehen weiterverbreitet wird. Fordert jemand die Verstärkung des Eigenkapitals aus Reprivatisierungserlösen des Bundes, wird eine daraus entstandene Falschmeldung — „Die Post soll privatisiert werden" — ohne Hemmung weiterverbreitet und geglaubt, denn langsam erscheint bei der Bundespost nichts unmöglich. Mit der unbegründeten Fernsprechgebührenerhöhung begann jenes Trauerspiel, das mein Freund Börner heute schon dargestellt hat. Nachdem die Bundesregierung in die Notlage kam, ein Jahr vor der Bundestagswahl
— wenn nicht Dienstleistungen eingestellt werden sollten — entweder massiv die Gebühren zu erhöhen oder, entgegen dem Postverwaltungsgesetz, Zuschüsse zu leisten, entschloß sie sich zu zaghaften Ansätzen einer Sanierung.
Die sozialdemokratische Bundestragsfraktion
zählt die Deutsche Bundespost neben den Einrichtungen für Bildung und Ausbildung, Verkehr, Gesundheitsdienst und Hygiene usw. zu den Gemeinschaftseinrichtungen. Die Deutsche Bundespost ist nach ihrer Meinung wichtiger Teilbereich der Infrastruktur. Neben ihrer öffentlichen Funktion in diesem Bereich zeigt sie als Unterscheidungsmerkmal in der Wirtschaft das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Abgabepflicht, die der Gesetzgeber im Jahre 1953 im § 21 festgelegt hat, entstand aus der Vorstellung, daß die Post ein gewinnbringendes Unternehmen sei, und andererseits aus der Fehleinschätzung der Ertragsfähigkeit der Bundespost in der Zukunft.
Bei der Beurteilung der Frage, welcher obere Grenzwert der Ertragsstärke der Deutschen Bundespost erreicht werden soll, gehen wir davon aus, daß bei der Deckung der Ausgaben durch die Einnahmen das investierte Kapital ohne Verlust verzinst und getilgt werden muß. Es ist strittig — auch die Son-
7398 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Gscheidle
dersitzung des Deutschen Bundestags und die letzte Haushaltsdebatte haben hier keine Klärung gebracht —, ob die Abführungen an den Bund nun als Monopolabgabe oder als Entgelt für nicht geleistete Steuern begründet sind. Im Hinblick auf unsere grundsätzliche Auffassung über die Aufgabe der Deutschen Bundespost als Teil der Infrastruktur sind sie systemwidrig, da sie nur über die als sinnvoll anzusehende obere Ertragsgrenze hinaus durch zusätzliche Überschüsse erwirtschaftet werden könnten. Selbst wenn man dieser Abgabe nicht den Charakter einer Ertragsteuer, sondern den einer Kostensteuer beilegen wollte, ist sie nicht gerechtfertigt, da die ihr zugrunde liegenden Produktionsleistungen nicht vorhanden sind.
Damit steht auch die Auffassung des Bundesfinanzministers, die Lasten der Abführung mit Hilfe der Gebührenerhöhung auf den Postkunden abwälzen zu können, zur Aufgabenstellung der Post als einer Gemeinschaftseinrichtung im Widerspruch. Wenn der monetäre Überschuß über Abschreibungen und Zinsen hinausgehen sollte, so muß er unseres Erachtens zur Verbilligung der Gebühren dienen oder gegebenenfalls einem Rationalisierungsfonds zugeführt werden. Keinesfalls darf er als steuerähnliche Abgabe herausgezogen oder als thesaurierter Betrag in Eigenkapital umgewandelt werden.
Eine Analyse der Ertragskraft der Deutschen Bundespost ergibt, daß dieses Unternehmen in den letzten Jahren tatsächlich in der Lage gewesen ist, die hier skizzierte wünschenswerte Ertragsfähigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens zu erwirtschaften. Leider hat nun dieser Erfolg trotzdem zu einem Kapitalverzehr infolge der Abführung erwirtschafteter liquider Mittel an den Bund geführt.
Die Finanzstruktur der Deutschen Bundespost kann nicht unter erwerbswirtschaftlichen Rentabilitätsgesichtspunkten gesehen werden. Trotzdem müssen sich Investitionsvolumen und Finanzierungsvolumen jedoch im Gleichgewicht der Fristigkeiten von Ausgaben und Einnahmen halten. Der Teilbereich des Post- und Fernmeldewesens, der der Träger der wirtschaftlichen und finanziellen Risiken im Bereich der Deutschen Bundespost ist, würde demnach 95 v. H. langfristige Finanzierungsmittel benötigen; das bedeutet, daß rund 4 Milliarden DM an mittel- und kurzfristigen Schulden in langfristige Finanzierungsmittel umgewandelt werden müßten.
Obwohl es angesicht der finanzwirtschaftlichen Aufgabe eines Gemeinschaftsunternehmens zunächst unerheblich ist, in welchem Maße die Kapitalstruktur durch bundeseigene und bundesfremde Außenfinanzierungsmittel gebildet wird, legt die Tatsache des Zurückbleibens der langfristigen Finanzierungsmittel die Überlegung nahe, den bundeseigenen Außenfinanzierungsanteil in Gestalt des Eigenkapitals wesentlich aufzustocken. Dies könnte geschehen durch Einbringung von Reprivatisierungsgewinnen und Übernahme von langfristigen Außenfinanzierungsmitteln durch -den Bund, so daß der Bundespost die Zinslast verbleibt und der Tilgungsdienst vom Bund übernommen wird.
Für die Durchführung einer Umstrukturierung des Kapitals bedarf es eines Sanierungsplans, der mit der Investitionsplanung abgestimmt sein muß. Dabei ist im Hinblick auf technische Rationalisierungsmöglichkeiten und die Anforderungen der Wirtschaft davon auszugehen, daß der Kapitalkoeffizient weiter zunimmt. Dies stärkt den Gesichtspunkt, der Deutschen Bundespost gesetzlich einen konstanten Eigenkapitalanteil zu sichern, um den ansteigenden Zinslasten zu begegnen.
Dieser Grundsatzauffassung über Stellung und Bedeutung der Deutschen Bundespost widerspricht die jetzige Konstruktion des Postverwaltungsgesetzes. In Übereinstimmung mit allen sachverständigen Äußerungen der letzten zehn Jahre muß deshalb eine Änderung der Ablieferung an den Bund, die Wegnahme betriebsfremder Sonderlasten und die Aufstockung des Eigenkapitals gefordert werden. Dem trägt u. a. der von mir zu begründende Antrag — Drucksache IV/2782 — Rechnung. In eine ähnliche Richtung geht der von einer Gruppe von CSU-Abgeordneten vorgelegte Antrag.
Nach der Vorschau-Vermögensrechnung der Deutschen Bundespost wird der Investitionsbedarf für 1965 2,7 Milliarden DM betragen. Die Investitionsplanung der Deutschen Bundespost muß jedoch unseres Erachtens auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung abgestellt werden.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, daß in den USA bis zum Jahre 2000 der Übergang von der Selbstwähltechnik zur elektronischen Vermittlung beendet sein wird. Auch aus der Entwicklung und Einrichtung des Satelliten-Nachrichtensystems wird die Bundesrepublik Deutschland mit erheblichen Belastungen rechnen müssen. Dazu kommt der mit der Einführung des Farbfernsehens notwendig verbundene Aufbau. Die Fernsprechdichte in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit den unerledigten Anträgen auf Einrichtung eines Hauptanschlusses macht zusammen mit den vorgenannten Punkten deutlich, welche Anstrengungen seitens der Deutschen Bundespost erforderlich sind, um die mit der wirtschaftlichen Entwicklung einhergehenden zusätzlichen Ansprüche auf dem Fernmeldesektor befriedigen zu können.
Die derzeitige Beteiligung bei dieser Investitionsplangestaltung des Postverwaltungsrates nach dem Postverwaltungsgesetz erscheint uns unbefriedigend. Wir regen deshalb auch hier Ergänzungen an.
Die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost und die hierfür zweckmäßige Organisation wurde anläßlich der Sondersitzung und bei den Haushaltsberatungen von verschiedenen Sprechern gestreift. Im Hinblick auf die Arbeit der Sachverständigenkommission und die Tatsache, daß der Deutsche Bundestag ohne die notwendigen Unterlagen und Betriebsprüfungen überfordert ist, eine Meinungsbildung herbeizuführen, halte ich es für richtig, deren Ergebnisse in diesem Punkt abzuwarten und erst dann, wenn sich hieraus die Notwendigkeit zur Änderung oder Aufgabe bestehender Dienstzweige ergeben sollte, erneut hier darüber zu diskutieren. Das gleiche gilt auch für den Fragenkomplex Wirtschaftlichkeit in der Aufgabenerfüllung.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7399
Gscheidle
Obwohl bei der vorherigen Debatte über unsere Große Anfrage betreffend Wiederaussetzung der Gebührenerhöhungen bei der Deutschen Bundespost unsere grundsätzliche Auffassung zur Ausgabendeckung schon in etwa deutlich gemacht wurde, halte ich es für richtig, auch an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, daß unseres Erachtens die notwendigen Ausgaben unter Berücksichtigung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Investitionen, aber ohne über die Kapitalerhaltung hinausgehende Gewinnabsichten abzudecken sind. Die Gebühren müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den leistungsbedingten Kosten stehen. Verbundgebühren sind damit nur in einem sehr beschränkten Umfange zulässig. Keinesfalls erscheint es uns vertretbar, die Defizite eines Dienstzweiges bei der Deutschen Bundespost durch überhöhte Gebühren bei einem ohnedies gewinnbringenden Dienstzweig abzudecken.
Bei einer vernünftigen Betriebsführung hätte man nicht die Fernmeldegebühren erhöht, sondern alle Anstrengungen unternommen, das Investitionsprogramm weiter zu verstärken. Dabei hätte man davon ausgehen können, daß mit dem Bau neuer Anschlüsse bei gleichem Gebührenniveau sich die Überschüsse im Fernsprechwesen noch wesentlich steigern ließen.
Bei einer zusätzlichen Investition im Fernmeldewesen von 1 Milliarde DM in den nächsten Jahren könnten die Steigerungsraten für die Umsätze verdoppelt werden. Die hierbei anfallenden Überschüsse würden ausreichen, um eine Ausgabendeckung einschließlich des Kapitaldienstes durch die Einnahmen sicherzustellen. Die Bundesregierung ist diesen Weg nicht gegangen.
Die von ihr gegen jeden sachverständigen Rat vorgenommene Fernsprechgebührenerhöhung läßt den Schluß zu, daß sie sich auch über die Grundsätze einer Gebührenpolitik keine Gedanken gemacht hat.
— Aber, Herr Kollege, darf ich Ihnen in Ihrer Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats in Erinnerung rufen: die ganze Diskussion in diesem meines Erachtens sachverständigen Gremium zu der Frage der Limitierung einer eventuellen Gebührenerhöhung im Fernsprechwesen — —
— Da irren Sie sich gewaltig! Darf ich Ihnen noch einmal präzis die Haltung der Vertreter der SPD im Postverwaltungsrat darstellen. Die Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion im Verwaltungsrat waren gegen jede Gebührenerhöhung, solange im Haushalt der Deutschen Bundespost Teile enthalten sind, die dort systemwidrig aufgeführt sind und nach ihrer Art in den Bundeshaushalt gehören.
— Da kann ich nur sagen: leider.
— Ich danke Ihnen wirklich auch für diesen Zwischenruf. Wenn das keine richtige Haltung gewesen wäre, dann wäre zu beanstanden, daß der von Ihren Parteien gestellte Finanzminister dennoch erste Ansätze in dieser Richtung unternommen hat. Daß er nicht den großen Schritt getan hat, den wir für notwendig hielten, ist hier zu beklagen.
— Ja!
Seit zehn Jahren sind sich alle Fachleute darüber einig, daß die wirtschaftliche, besonders die finanzwirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Bundespost eine Änderung der wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsätze der Bundesregierung gegenüber der Bundespost notwendig macht. Es ist jedoch nichts geschehen. Der Bundesregierung fehlt es dabei nicht an sachverständigem Rat, sondern an dem Willen, auch ohne tagespolitisch bedingte Notwendigkeit zu handeln. Der Deutschen Bundespost fehlen auch für eine weitere technische Rationalisierung nicht die technischen Erkenntnisse und Erfolge, sondern die finanziellen Mittel, um diese Möglichkeiten zu nutzen.
Es wäre in erster Linie Sache der Regierungsparteien gewesen, daraus Folgerungen zu ziehen und ihren Postminister durch geeignete Gesetzesinitiativen zu unterstützen. Aus den in den letzten Jahren angekündigten Initiativen der CDU/CSU und der FDP kam inzwischen nur der Antrag auf Drucksache IV/2707 ans Licht, zu dem sich bislang — Herr Kollege Dr. Besold! — nur 39 Abgeordnete bekannt haben.
Die Regierungsparteien schwiegen. Offenbar ist ihnen das Pulver verregnet. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits mit der Drucksache IV/2420 am 25. Juni 1964, also vor den Parlamentsferien, einen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, im Sinne übereinstimmender Auffassungen einen Entwurf zur Novellierung des Postverwaltungsgesetzes vorzulegen. Auch heute noch sind wir der Auffassung, daß dieses Verfahren im wohlverstandenen Interesse aller gelegen hätte. Die Bundesregierung und die Sprecher der Regierungsparteien waren der Meinung, aus ihren eigenen Schwierigkeiten schließen zu können, daß die SPD-Bundestagsfraktion nicht in der Lage sei, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, mit dem eine gesunde Grundlage für die deutsche Bundespost geschaffen würde.
— Das wurde hier ausgeführt. Ich bitte, das in den Ausführungen des Herrn Bundespostministers nachzulesen.
Der Entwurf liegt Ihnen nunmehr mit der Drucksache IV/2782 vor. Ich darf — Ihr Einverständnis
7400 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Gscheidle
vorausgesetzt — die Begründung zu den einzelnen Punkten zu Protokoll geben und darauf verzichten, sie hier vorzutragen. Sie erscheint mir für die Beratung im Ausschuß zweckdienlich. Was aus dem Gesetzestext nicht erkennbar ist, kann dann der Begründung entnommen werden.
Wir wollen keinen Irrtum aufkommen lassen. Auch wenn unser Gesetzentwurf Gesetz wird, sind zukünftig bei unserer derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung Gebührenerhöhungen auf Dauer nicht ausgeschlossen.
Aber sie werden selbst dann, wenn sie notwendig sind, im Gegensatz — und das ist jetzt entscheidend — zu der von Bundesregierung zu vertretenden Fernsprechgebührenerhöhung auf Grund dieser gesetzlichen Konzeption und unserer Vorstellungen zur Gebührenpolitik den Charakter einer Gebühr unangetastet lassen und nicht zu einer zusätzlichen Steuer führen.
Zeitpunkt, Art und Umfang einer Gebührenerhöhung würden dann beweisbar und damit nachprüfbar sein und nicht den falschen Kunden bei der Bundespost treffen.
Ich darf Sie im Namen der SPD-Bundestagsfraktion um Überweisung unseres Antrages an die zuständigen Ausschüsse bitten und der Hoffnung Ausdruck geben, daß eine schnelle und sorgfältige Beratung im Interesse der Deutschen Bundespost, ihrer Kunden und der bei ihr Beschäftigten möglich sein wird.
Damit ist die Begründung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe erfolgt.
Zu Punkt 25 d — Antrag der Fraktion der FDP — liegt der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vor. Möchte ihn der Berichterstatter noch ergänzen?
— Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht; ich danke Ihnen!
Ich eröffne die Aussprache über die Punkte 25 a bis 25 d. Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn jemand über Dinge redet, von denen er nichts versteht, so tut er das auf eigene Rechnung und Gefahr. Das heißt: wenn er sich blamiert, hat er sich das selbst zuzuschreiben. Wenn jemand aber durch gewisse Umstände gezwungen wird, über Dinge zu reden, von denen er nichts versteht, sollte ihm unser Bedauern und unser Mitgefühl gehören. Ich beziehe das auf unseren sehr netten jungen Kollegen Börner, der heute morgen in der unglücklichen Lage gewesen ist, hier über Steuerschätzungen und den
Haushalt etwas zu sagen, und dokumentiert hat, daß er das nicht verstanden hat.
Ich kann Herrn Kollegen Börner nur raten, das Mitgefühl, das er dem Bundespostminister zugedacht hat, auf seinem eigenen Konto zu verwenden.
Ich will versuchen, die Situation darzustellen, wie sie seit Mai dieses Jahres bis in den Sommer hinein, bis zur Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 29. Juli, bis in die Ferien hinein und darüber hinaus bestanden hat.
Ich habe damals in der Sondersitzung des Bundestages zum Ausdruck gebracht, daß die Bundespost nach § 15 des Postverwaltungsgesetzes gezwungen ist, ein bei ihr entstandenes Defizit durch Einnahmen auszugleichen.
Zweitens habe ich gesagt, daß der Bundeshaushalt nach ausdrücklicher Vorschrift des Postverwaltungsgesetzes nicht in der Lage ist, auf die Dauer zu helfen. Auf die Dauer! Ich unterstelle einmal, dieses Hohe Haus hätte sich darauf geeinigt, die gesamte Postverwaltungsabgabe auf einen Schlag zu streichen. Herr Kollege Gscheidle, Sie wissen ganz genau — Sie haben es aber nicht gesagt —, daß damit der Bundespost in ihrer schwierigen Situation keineswegs auf die Dauer geholfen wäre. Es wäre nur ein Übergang gewesen. Jeder, der die Bilanzen der Post liest, wird erkennen, daß eine Streichung dieser Abgabe — ich komme darauf später noch zurück — nur eine Frist geschaffen hätte. In Kürze wäre die Bundespost ohne einschneidende Maßnahmen wieder im Defizit gewesen.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Aber selbstverständlich.
Bitte, Herr Abgeordneter Gscheidle.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die, Abgaben der Deutschen Bundespost in Höhe von 1,6 Milliarden auf Grund von Substanzverzehr geleistet wurden und daß, wenn die Bundespost diese Abgaben nicht zu leisten gehabt hätte, der Anteil ihres Eigenkapitals heute noch über 35 % liegen würde?
Herr Kollege Gscheidle, ich habe mir vorgenommen, gegen Schluß meiner Ausführungen etwas zu den Anträgen zu sagen, an der Monopolabgabe oder Postabgabe — wie Sie sie nennen, ist mir gleichgültig — zu manipulieren. Gestatten Sie mir deshalb, daß ich Ihre Frage dann im Zusammenhang beantworte.
Jedenfalls habe ich am 29. Juli darauf hingewiesen, daß andere Maßnahmen getroffen werden müßten, um die Lage der Bundespost in Ordnung zu 'bringen. Zur Erleichterung des Übergangs habe ich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7401
Bundesminister Dr. Dahlgrün
verschiedene in Vorbereitung befindliche Maßnahmen in Aussicht gestellt, die der Bundespost ermöglichen sollten, die Ergebnisse des Gutachtens der Sachverständigenkommission in Ruhe abzuwarten. Es scheint mir Überhaupt der wesentliche Kern der heutigen Debatte zu sein, daß wir uns darüber einig sind: diese Sachverständigenkommission muß zur Arbeit kommen. Sie wissen, daß ich zu Beginn den dringenden Appell an die Kommission gerichtet habe: Um Gottes willen, arbeitet schnell, kümmert euch um die Dinge, damit wir möglichst bald das Gutachten haben und dann auf Grund des Gutachtens die Entscheidung treffen können, mwie man die Post nachhaltig sanieren kann!
Von allen Sprechern, die hier zur Begründung gesprochen haben, ist bereits erwähnt worden, welche Maßnahmen der Bundesminister der Finanzen bzw. die Bundesregierung getroffen oder vorgeschlagen hat; ein Teil der Maßnahmen ist noch gar nicht gesetzlich effektuiert worden, sondern muß erst im Nachtragshaushalt 1964 und im Haushaltsgesetz 1965 beschlossen werden. Weitere Hilfen aus dem Bundeshaushalt erschienen damals, d. h. im späten Frühjahr, im Sommer und bis Ende Juli, Ibis zum 29. Juli, der Sondersitzung des Bundestages, nicht möglich.
Die Bundesregierung hat in der Antwort auf die Große Anfrage über die seinerzeit in Aussicht gestellten Maßnahmen hinaus einen teilweisen Verzicht auf die Ablieferung der Bundespost an den Bund für 1964 und 1965 empfohlen. Und hier liegt die Erklärung: Die Einnahmenentwicklung hat sich besser und günstiger gestaltet, als das im Juli, als das im September angenommen werden konnte. Sie haben schon in der nächsten Woche — ich habe das zu meiner großen, ich muß sagen, freudigen Überraschung gesehen — den Nachtragshaushalt 1964 in zweiter und dritter Lesung auf der Tagesordnung, obwohl er erst am Mittwoch vom Hohen Hause an den Haushaltsausschuß überwiesen worden ist. Da wird Gelegenheit sein, über diese Dinge etwas zu sagen. Lassen Sie mich aber vorweg heute schon gegen einen gewissen Vorwurf, der von verschiedenen Seiten gegen mich, gegen das Finanzministerium erhoben wurde, — „Warum habt ihr das nicht damals schon gemacht?" — sagen, daß noch Ende August über 700 Millionen DM Steuereinnahmen gefehlt haben. Erst der Steuertermin vom 10. September 1964 hat einen Umschlag in eine günstigere Richtung gebracht. Auch heute noch, wenn ich die Oktoberzahlen nehme, sind wir nicht über den Berg hinweg; aber nach der ganzen Berechnung haben wir im Nachtragshaushalt 1964 500 Millionen DM Steuereinnahmen veranschlagen können. Das war, wie gesagt, im Herbst, meine Damen und Herren, und der Haushaltsausschuß und der Finanzausschuß ides Bundesrats und das Plenum des Bundesrats haben diese Schätzungen und diese Linie, die der Nachtragshaushalt 1964 zeichnet, offenbar anerkannt, der Bundesrat im ersten Durchgang sogar ausgesprochen anerkannt, und daran, daß der Haushaltsausschuß schon in der nächsten Woche in der Lage ist, den Nachtragshaushalt 1964 hier in zweiter und dritter Lesung zu beraten, können Sie erkennen, daß das einwandfreie Zahlen waren.
Und nun, Herr Kollege Börner: wie kommen diese einwandfreien Zahlen zustande? 500 Millionen DM Steuermehreinnahmen im Jahre 1964! Vor dieser Riesenzahl erschrickt man: eine halbe Milliarde! Wenn Sie ,das aber auf ein Haushaltsvolumen von 60,3 Milliarden beziehen, das wir durch den Nachtragshaushalt 1964 in vollem Umfang ordnungsgemäß aufrechterhalten haben, werden Sie sehen, daß das Mehreinnahmen von weniger als 1 % sind. 500 Millionen DM sind eine gewaltige Summe, das ist richtig. Wenn Sie sie aber auf das Gesamte beziehen, ist es ein Verschätzen der Steuerexperten in einer Größenordnung von unter 1 %. Meiner Überzeugung nach eine hervorragende Leistung! Wie kommt die zustande, Herr Kollege Börner? Nicht der Bund allein stellt die Schätzung an, sondern seit anderthalb Jahren nehmen auf meine Veranlassung auch die deutschen Länder an der Steuerschätzung im Zusammenwirken mit den Instituten teil. Die Schätzung ist keine diktatorische Festlegung des Bundesministers der Finanzen, sondern hochspezialisierte Fachleute schätzen. Es sieht nicht nur der Bund mit zwei Augen in die Dinge hinein, sondern 11 Länder mit 22 Augen. Und die Länder sind schon sehr sorgfältig. Die Größenordnung kann am Ende von niemandem beanstandet werden.
Ohne hellseherische Qualitäten — und ich sage Ihnen offen, daß ich an solche Qualitäten in dieser Welt nicht glaube — konnte das Ergebnis im Mai, Juni oder Juli und auch noch im August niemand voraussehen. Wir haben noch im August 1964 im Finanzministerium die Köpfe zusammengesteckt und waren außerordentlich besorgt, wie dieses Jahr 1964 wohl laufen würde. Wie gesagt, ist es schließlich am 15. oder 19. September möglich geworden, die Schätzung zu verbessern. Wir haben das im Nachtragshaushalt sofort der Öffentlichkeit vorgelegt, und ich nehme an, daß da nichts beanstandet wird. Der ganze Verlauf des Haushalts 1964 war also im Herbst, im September/Oktober, besser zu übersehen, und daraus hat der „Arbeitskreis Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung" — so heißt er — am 15. September seine Schlüsse gezogen.
Im übrigen sind — auch das gehört zur Abwehr des Vorwurfes, der uns völlig ungerechtfertigt gemacht wird — nach der Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes die damit verbundenen Ausfälle erkennbarer geworden; auch die Lage am Kapitalmarkt war dann so weit geklärt, daß, von heute aus gesehen, auch im nächsten Rechnungsjahr mit einer Deckung des außerordentlichen Haushalts in der vorgesehenen Höhe gerechnet werden kann. Deshalb konnten wir den Entscheidungen für die Post zustimmen, die hier als verspätet beanstandet worden sind.
Herr Kollege Börner hat gesagt: Das bedeutet eine Kapitulation des Bundeskanzlers. Ich finde: Das ist keine Kapitulation; davon kann gar keine Rede sein. Sie haben es so dargestellt, als ob die Opposition die Bundesregierung gezwungen hätte. Meine Damen und Herren, wenn diese Entwicklung da ist, wenn diese Schätzungen auf dem Tisch liegen und wenn dann eine Bundesregierung sagt: Ich bin in der Lage, etwas zu tun!, dann kapituliert sie nicht,
7402 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Bundesminister Dr. Dahlgrün
sondern handelt wirtschaftlich vernünftig, wie es sich gehört und wie es ihre Pflicht ist.
Selbstverständlich werden sich die Steuermehreinnahmen des Jahres 1964, die im Nachtragshaushalt 1964 finanzpolitisch einwandfrei — ich möchte bald sagen: klassisch einwandfrei — zur Minderung des außerordentlichen Haushalts verwendet worden sind — ich bin darüber sehr glücklich —, in das Jahr 1965 hinein fortsetzen. Es wäre vom Finanzminister aus unklug, zu sagen: Das weiß ich noch nicht. Selbstverständlich weiß ich das, das ist gar nicht zu bestreiten. Darüber sollten wir uns aber doch schließlich alle auch freuen.
Der Haushaltsausschuß wird, wie das üblich ist, im Januar 1965 kurz vor Beendigung seiner Beratungen zum Haushalt 1965 die Steuerschätzungskommission — Bund, Länder, Institute — wieder zusammenholen und den Betrag feststellen, der nach dem Stand von Mitte Januar 1965 für das Jahr 1965 zur Verfügung steht. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, daß das Finanzministerium mit praeter propter 700 Millionen DM Mehreinnahmen im Jahre 1965 rechnet.
Aber, meine Damen und Herren, seien Sie ja vorsichtig! Glauben Sie nicht, daß diese Mehreinnahmen noch vorhanden sind! Die sind nämlich inzwischen durch Beschlüsse, die Sie gefaßt haben, längst verzehrt, auch durch die 255 Millionen DM Postabgabe, die ich zu senken vorschlage.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, meine Damen und Herren, will ich abschließend zu diesem Punkt noch leinmal betonen, daß es die unveränderte Auffassung der Bundesregierung ist: Die Ausgaben hat die Deutsche Bundespost einschließlich der Finanzierung ihrer Investitionen grundsätzlich aus ihren Einnahmen zu bestreiten. Es kann einfach nicht verantwortet werden, den Steuerzahler mit einem Teil der Kosten zu belasten.
Die Herren Kollegen Börner, Gscheidle und Besold haben von einem kaufmännischen Unternehmen gesprochen. Das ist richtig; es handelt sich tatsächlich um ein Leistungsunternehmen. Wir wissen alle, daß die Kosten, insbesondere Löhne und Gehälter, gestiegen sind. Bei einem Leistungsunternehmen ist es dann unvermeidlich, auch das Entgelt für die zu erbringenden Leistungen zu erhöhen. Daran geht gar kein Weg vorbei. Ich bin Herrn Kollegen Gscheidle dankbar dafür, daß er das so klar gesagt hat.
Die Bundesregierung erwartet von der Sachverständigenkommission Vorschläge, wie das bei der Bundespost verlorengegangene Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben auf die Dauer wiederhergestellt werden kann. Von dem gesunden wirtschaftlichen Grundsatz, daß der Empfänger einer Leistung die echten Kasten zu tragen hat, sollte — wie überall in der Wirtschaft — auch bei der Deutschen Bundespost nicht abgewichen werden.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister? — Bitte, Herr Abgeordneter Gscheidle.
Herr Minister, würden Sie mir bei Ihrem Vergleich mit einem kaufmännisch geführten Betrieb zugeben, daß ein solcher Betrieb weder betriebsfremde Lasten noch systemwidrige, dem Haushalt zugehörige Belastungen für ein Gemeinschaftsunternehmen —nämlich die 6 2/3 %, die nicht am Gewinn, sondern am Umsatz orientiert sind — zu tragen hat?
Herr Kollege Gscheidle, ich will Ihre Frage jetzt im Zusammenhang mit der ersten von Ihnen gestellten Frage, nämlich der Frage nach der Struktur, der Qualität dieser Ablieferung der Bundespost an den Bundeshaushalt, beantworten. Ich bin der Meinung, daß eine solche Ablieferung aus den verschiedensten Gründen bisher gerechtfertigt war und möglicherweise auch für die Zukunft durch die Sachverständigenkommission gerechtfertigt wird.
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmidt ?
Herr Minister, ist diese von dem Kollegen bezeichnete systemwidrige Leistung nicht in erster Linie auch der Ersatz für die Befreiung der Post von der Umsatzsteuer, — wenn wir schon von einem kaufmännischen Unternehmen reden?
Herr Kollege Dr. Schmidt, darauf komme ich ja gerade. Auch wenn ich die Postabgabe als Gegenleistung an den Staat für gewisse Monopolbereiche der Post auffasse — Monopolbereiche, auf denen niemand anders etwas zu suchen hat, wenn er nicht ins Gefängnis wandern will —, so zahlt die Post dafür meiner Ansicht nach durchaus systemgerecht eine Abgabe an den Staat, der ihr diesen Schutz zur Verfügung stellt.
Was die betriebsfremden Lasten betrifft, so ist die Postkommission selbstverständlich darauf aufmerksam gemacht worden, daß sie sich auch mit diesem Problem zu beschäftigen hat. Ich verkenne keineswegs, Herr Kollege Gscheidle — so genau kenne ich die Materie auch —, daß die Post ebenso wie die Bahn eine ganze Menge betriebsfremder Lasten trägt. Ich darf Ihnen aber auch einmal folgendes sagen: Wenn ein kleiner Unternehmer, z. B. ein Handwerksmeister, einen Mann, den er früher beschäftigt hat, ohne rechtliche Verpflichtung im Alter weiter unterhält, so ist das auch eine betriebsfremde Last.
Solche Fälle — das liegt auf der Hand — sind bekannt.
Es wurde von einer „Poststeuer" gesprochen. Ich darf hierbei an die völlige Befreiung der Post — Herr Dr. Schmidt, nun komme ich darauf — von der Umsatzsteuer erinnern. Während die Bahn fast in gleicher Höhe der Postabgabe Beförderungsteuer zahlt, zahlt die Post überhaupt keine Steuern. Darüber sollte sich die Postkommission äußern, und
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7403
Bundesminister Dr. Dahlgrün
man sollte das sorgfältig prüfen. Da es ohne Änderung des Postverwaltungsgesetzes nicht geht, werden wir alle hier in diesem Saale Gelegenheit haben, uns mit den Problemen sehr eingehend und sorgfältig zu beschäftigen.
Nun zu Ihrer weiteren Frage, Herr Kollege Gscheidle. Es wird immer wieder — von der Post, vom Postverwaltungsrat, von Ihnen — gesagt, diese Abgabe werde unabhängig vom Ertrag gezahlt; sie sei unabhängig davon zu zahlen, ob die Post ein Defizit habe oder nicht. Wenn es eine Umsatzsteuer ist, Herr Kollege Gscheidle: Glauben Sie, das Finanzamt fragt den kleinen Mann, der Umsatzsteuer zu zahlen hat, ob er in dem betreffenden Jahr einen Gewinn erwirtschaftet oder nicht? Umsatzsteuer ist eine Steuer, die auch ohne Gewinn gezahlt werden muß.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Bitte schön.
Bitte, Herr Gscheidle.
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß nach Ihrer Meinung ein Gemeinschaftsunternehmen steuerlich genauso zu behandeln ist wie ein privater Betrieb?
Soweit es im Wettbewerb steht; und das tut die Post in erheblichem Umfang auch.
Noch eine Frage.
Halten Sie das eigentlich für richtig? Wo soll denn der Grund liegen für die Betätigung des Staates auf Gebieten, wo er in Konkurrenz steht?
Herr Kollege Gscheidle, ich sage Ihnen dazu nur eines. Wir haben eine Postkommission eingesetzt, die uns wirklich handfestes Material liefern soll. Solange wir dieses Material nicht haben, stochern wir mit der Stange im Nebel herum und wissen alle nicht, wo wir hinlaufen.
Ich bin deshalb durchaus damit einverstanden, daß die Anträge der Opposition und der Antrag der Gruppe aus der CSU in die Ausschüsse verwiesen werden. Sie werden ein gutes Material bilden, wenn wir uns auf Grund des Gutachtens mit der Sache befassen. Der Bundestag wird das noch sehr eingehend prüfen müssen. Ich habe, wie gesagt, deshalb gar nichts dagegen, daß die Anträge an die Ausschüsse überwiesen werden, wobei ich der Meinung bin, daß der Haushaltsausschuß bei diesen für den Bundeshaushalt entscheidenden Fragen an erster Stelle stehen sollte.
Einer der wesentlichsten Gründe für die Berufung der Sachverständigenkommission — ich möchte noch einmal auf Ihre erste Frage kommen — war gerade die Meinungsverschiedenheit über die Zweckmäßigkeit und die Berechtigung der Postablieferung. Das Problem der Postablieferung — das werden Sie mir nicht bestreiten, das haben auch Herr Kollege Börner, Sie selber und Herr Besold nicht getan — ist für die Bundespost für 1965 von geringerer Bedeutung, weil der Bundesminister der Finanzen die Ablieferung für dieses Jahr auf weniger als die Hälfte zu beschränken vorschlägt. Ich kann das gar nicht anordnen, meine Damen und Herren. Der Haushaltsausschuß und nachher das Plenum werden beim Beschluß über das Haushaltsgesetz darüber zu befinden haben, was die Bundespost im Jahre 1965 zu zahlen hat. Wenn nichts geschehen wäre, hätte sie, wie gesagt, das Doppelte von dem zu zahlen, was sie nach unseren Vorschlägen im Jahre 1965 noch zahlen soll.
Das Wort hat der Abgeornete Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre geneigt, dem Kollegen Gscheidle dafür zu danken, daß er sich bemüht hat, die Diskussion nach den einführenden Worten seines Kollegen Börner wieder auf eine sachliche Basis zu stellen. Herr Kollege Gscheidle, man kann zu Ihren Ausführungen verschiedener Meinung sein. Ich danke gerade dem Herrn Bundesfinanzminister, daß er zu einigem, was Sie vorgetragen haben, sehr klar seine Meinung gesagt hat. Was ich aber nicht ganz verstehe, ist, daß Sie hier Ihre Weisheiten vortragen, aber als langjähriges Mitglied des Rastverwaltungsrats,
soviel mir bekannt ist, zu allen Wirtschaftsplänen der Bundespost in den vergangenen Jahren Ihre Zustimmung gegeben haben.
Ich betone aber das Bemühen um Sachlichkeit von Ihrer Seite, meine Damen und Herren, weil ich doch nicht daran vorbeikomme, die Art und Form mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen, deren sich Herr Kollege Börner befleißigt hat. Meines Erachtens ist es kein sachlicher Beitrag zu dem doch sehr ernsten Problem, dem wir uns gegenübergestellt sehen, wenn man seine Ausführungen vor diesem Hause auch noch ausdrücklich und betont darauf abstellt, andere Leute zu ärgern oder zu reizen.
— Nein, durchaus nicht. Von der Form können wir uns nicht beeindrucken lassen, meine Damen und Herren.
Wir haben überhaupt das ungute Gefühl, daß Sie, meine Damen und Herren von .der Opposition, dieses Thema Bundespost und Telefongebühren in erster Linie dazu benutzt haben, eine, ich muß schon
7404 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Dr. Müller-Hermann
beinahe sagen, primitive Popularitätshascherei zu betreiben.
Das war ja seinerzeit auch .das Motiv dafür, daß Sie, obwohl Sie bei sehr viel ernsteren staatspolitischen Anlässen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, im Juli dieses Jahres eine Sandersitzung des Bundestages beantragt haben,
offensichtlich unter dem Eindruck oder, man muß beinahe sagen, dem „telefonischen" Eindruck, der Ihnen von der Bild-Zeitung eingeredet worden ist.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Kollege Müller-Hermann?
Gern.
Herr Kollege Müller-Hermann, wenn Sie uns schon Zensuren erteilen, erlaube ich mir die Frage, wie Sie die Ausführungen ,des Vorsitzenden der CSU in der Frage der Telefongebühren benoten.
Die haben sich durchaus auf einem sehr sachlichen Boden bewegt. Darüber, daß man über das Problem an sich und seine Lösungen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, verschiedene Auffassungen haben kann und sie diskutieren muß, gibt es in diesem Hohen Hause doch keine Meinungsverschiedenheiten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem, was der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundespostminister vorgetragen haben, kann ich mich ganz kurz fassen. Wir haben ja selbst die Anregung zur Einsetzung einer SachverständigenKomission gegeben und mit unserem Antrag Einzelheiten darüber vorgetragen, was wir geklärt wissen wollen. Uns geht es entschieden darum, eine langfristige Gesundung der Bundespost zu erreichen, ebenso wie wir uns darum bemühen müssen, eine langfristige Gesundung der Bundesbahn zu erreichen.
Die im Bundesbesitz befindlichen großen Dienstleistungsunternehmen Bundesbahn und Bundespost werden uns in diesem Hohen Hause in der nächsten Zeit noch wiederholt beschäftigen. Bei den Problemen, denen diese beiden Dienstleistungsunternehmen ausgesetzt sind, gibt es viele Parallelen. Aber die Probleme liegen nicht völlig gleich. Das möchte ich auch zu dem sagen, was Herr Kollege Gscheidle ausgeführt hat.
Bei der Bundespost handelt es sich — zumindest in den meisten Bereichen — um ein Dienstleistungsunternehmen mit einer Monopolstellung auf dem Markt, während sich die Bundesbahn in fast allen Bereichen einem außerordentlich starken Wettbewerb ausgesetzt sieht. Das ist auch ein Gesichtspunkt, den man bei der Abnahme der sogenannten betriebsfremden oder politischen Lasten berücksichtigen muß. Aber wir müssen von der Siebenerkommission konkrete Vorstellungen darüber erwarten, wie optimal die Kapitalstruktur der Bundespost beschaffen sein müßte. Wir müssen natürlich auch Klarheit darüber haben — das ist das Kardinalproblem, meine Damen und Herren —, ob ein Dienstleistungsunternehmen, auch wenn es im Besitz des Bundes ist, nicht in seiner Ertragsrechnung und seiner Preisbestimmung davon ausgehen muß, daß die Dienstleistungen ihre Kosten über den Preis decken.
Die Frage, die in diesem Zusammenhang von der Siebenerkommission ganz besonders geprüft werden muß, ist: Muß dieser Ausgleich global erreicht werden, oder ist es zweckmäßig und notwendig, die einzelnen Dienstleistungsbereiche nach Möglichkeit so zu gestalten, daß sie ihre Kosten über den Preis decken, und nur da, wo das aus volkswirtschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, eben einen Ausgleich anderer Art vorzunehmen.
Aber wenn wir davon ausgehen — und da bin ich sogar dem Kollegen Gscheidle dankbar, daß er zugestimmt hat —, daß bei Dienstleistungen die Kosten über den Preis gedeckt werden müssen, kommen wir auch nicht an der Tatsache vorbei, daß angesichts des fast automatischen Anstiegs der Kosten durch wachsende Lohn- und Gehaltsaufwendungen auch Preiserhöhungen notwendig werden, wenn es nicht gelingt, durch Investitionen für Rationalisierung und Automatisierung die wachsenden Kosten einzusparen.
Vor diesem Problem steht die Bundesbahn, vor diesem Problem steht die Bundespost, vor diesem Problem, meine Damen und Herren, stehen nicht nur wir in der Bundesrepublik, vor ihm stehen alle Staaten, auch die mit sozialistischen Regierungen. Ich denke dabei an Schweden und auch an die Labour-Regierung, die als eine ihrer ersten Maßnahmen durch ihren Postminister Wedgewood-Benn die Erhöhung der Postgebühren für das Jahr 1965 ankündigen mußte.
Die tun das doch nicht etwa — das müssen doch auch Sie von der Opposition einsehen —, um sich bei der Bevölkerung unpopulär oder unbeliebt zu machen, sondern weil sie durch den Zwang der Tatsachen vor diese harte Notwendigkeit gestellt werden.
Wir sollten also hier nicht so tun, als ob es auf den Mangel an gutem Willen auf seiten der Bundesregierung und auf seiten der Koalitionsparteien zurückzuführen ist, wenn die Post sich vor die Notwendigkeit gestellt sieht, in bestimmten Bereichen ebenfalls zu Gebührenerhöhungen überzugehen.
Ich würde nur meinen, meine Damen und Herren, man sollte nicht allzu große Hoffnungen ausschließlich auf die Telefongebühren richten, darauf, daß man mit Überschüssen auf die Dauer defizitäre Bereiche subventionieren könne. Man sollte
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7405
Dr. Müller-Hermann
vielmehr darangehen, die einzelnen Dienstleistungsbereiche der Post, -die defizitär sind, sehr genau zu überprüfen, und überlegen, ob nicht durch eine verstärkte Rationalisierung speziell in den Bereichen, die besonders lohnintensiv sind, entweder Kostensenkungen erreicht oder die Preise variiert werden können.
Aber es hat keinen Zweck, darüber zum jetzigen Zeitpunkt zu diskutieren, sondern dafür sollten wir die Ergebnisse der Untersuchungskommission abwarten. Ich hoffe, daß die Bundesregierung alles tun wird, um die Arbeiten dieser Siebenerkommission mit Material zu unterstützen, damit wir möglichst bald klare Unterlagen für unsere Entscheidungen zur Verfügung haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP habe ich folgendes zu erklären. Wir glauben nicht, daß eine ausführliche Fortsetzung dieser Debatte zu einer besonders fruchtbaren letzten Klarheit führt, zumal wir eigentlich seit 10 Uhr wissen, daß das Ergebnis der Beratung über die beiden Gesetzesvorlagen sachlich nur das sein kann, daß sie in die Ausschüsse überwiesen werden. Damit erklären wir uns einverstanden.
— Ich komme darauf und auch auf Ihre Ausführungen, wenn Sie es wünschen, ausführlicher zurück.
Es liegt zunächst der Antrag eines Ausschusses vor, wonach ein Antrag meiner Fraktion, den wir in der spektakulären Feriensitzung hier gestellt hatten, als erledigt erklärt werden soll. Wir sind damit einverstanden. Wir glauben nachträglich festzustellen zu sollen, daß man klug beraten gewesen wäre, wenn man unseren damaligen Antrag, die Gebührenerhöhung auszusetzen, als Empfehlung an die Bundesregierung weitergegeben hätte. Ohne daß auch wir den Versuch mitmachen wollen, uns Federn an den Hut zu stecken, stellen wir fest, daß in einem Teilbereich die Erhöhung immerhin rückgängig gemacht worden ist.
Wir meinen aber — um auf die Große Anfrage der Opposition einzugehen — nun umgekehrt, daß wir rein sachlich überlegen sollten, ob im Augenblick überhaupt die Möglichkeit besteht, nun, während die Untersuchung der Kommission läuft, noch einmal die Situation zu verändern. Das würde im Gegensatz zu dem von uns allen gewünschten Ziel nur neue Unsicherheitsfaktoren für Bevölkerung und Wirtschaft bringen.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zu den beiden Gesetzesvorlagen.
Wir beabsichtigen nicht, uns über die einzelnen Vorschläge hier in dieser Debatte nochmals mit Ihnen auseinanderzusetzen.
Herr Kollege Besold, Sie haben mich völlig mißverstanden. Ich gehöre — wenn Sie mich näher kennten, würden Sie das wissen — zu denen, die das Vorrecht des Parlaments auf das allerschärfste verteidigen und der Auffassung sind, daß dieses Parlament ernstlich Überlegungen anstellen sollte mit dem Ziel, sein Ansehen — dessen Schwinden in der Presse und überhaupt der Öffentlichkeit seit Jahr und Tag erörtert wird — durch geeignete Maßnahmen zu heben.
Daran liegt es nicht. Ich bin nur der Meinung, daß wir mit einem Problem nicht zu Ende kommen, das man wie folgt umschreiben kann. Wir alle in diesem Hause sind uns darüber einig, daß es sich bei der Bundespost darum handelt, die Frage zu beantworten: „Wie kommt Butter bei die Fische." Herr Gscheidle, Herr Besold, wir alle sind einer Meinung: daß in einem solchen Betriebe der Versuch gemacht werden muß, kostendeckend zu arbeiten.
Es hat auch keinen Zweck, eine historische Untersuchung über Unterlassungen oder über Vorschläge zu machen. Ich gehöre zu denen, die der Meinung sind,. daß es gilt voranzuschreiten. Es ist ja doch nur eine Unterhaltung in einem Ausschuß möglich, um die sehr differenzierten Probleme der Betriebswirtschaft, der Kapitalausstattung zu erörtern. Es geht nicht nur um betriebswirtschaftliche Methoden, sondern um ganz andere Fragen. Es geht letzten Endes auch um die große steuerpolitische Auseinandersetzung, inwieweit ein derartiger Betrieb unter Umständen aus politischen Gründen gezwungen werden muß, bei gewissen Sparten zu verzichten, und wieweit dann Relationen zwischen dem Haushalt und diesem Unternehmen hergestellt werden müssen. Das alles wird sehr sachlich zu untersuchen sein. Das kann man sehr eindeutig darstellen. Im übrigen sind in dieser Debatte so wenig konkrete Lösungsvorschläge gemacht worden, daß man nicht sagen könnte, wir sind bereits über den Berg.
Über Sachverständige ist hier gesprochen worden. Die einen beschweren sich, daß zu wenige, die anderen, daß zuviele Sachverständige gehört würden. Sie haben sich beschwert, daß es so lange gedauert hat. Jetzt sagen Sie, die Regierung hätte auch ohne Sachverständige handeln können. Meine Herren, wie wollen wir denn nun verhandeln? Augenblicklich haben wir die Kommission. Das, was meine Parteifreunde dabei interessiert, ist, daß die Kommissionsarbeit nicht zu einer Verschleppung der Lösung des Problems führt.
— Ja, das kommt; es kommt eine positive Frage an den Herrn Postminister.
Ich bin sehr glücklich, daß wir durch diese beiden Vorlagen die Möglichkeit haben, durch Ausschußberatungen, ich möchte einmal sagen, das Tempo dieser Kommission vielleicht etwas zu beschleunigen.
7406 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Dr. Aschoff
Meine Fraktion hat den dringenden Wunsch, daß zwei Fragen beantwortet werden.
Die eine Frage ist, wie sich die Erhöhung der Telefongebühren wirtschaftlich ausgewirkt hat. Darüber müßten, ganz unabhängig von der Arbeit der Kommission, zum Ende des Jahres authentische Zahlen für den zurückliegenden Zeitraum gegeben werden können. Nur danach kann man die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahme zunächst einmal beurteilen.
Das zweite ist die Bitte, Vorsorge zu treffen — ich weiß, daß es schwierig sein wird, aber bei gutem Willen ist es möglich —, daß uns bis Mitte Februar eine gewisse Vorschau — wenn Sie das Wort „Teilbericht" ablehnen — über das gegeben wird, was in den grundsätzlichen Fragen an Erkenntnis gewonnen ist. Das wird sich zum mindesten auf die Kapitalausstattung und auf gewisse steuerliche Belastungen oder Entlastungen von fremden Aufgaben beziehen können, auch ohne daß man bereits in die Einzelheiten des Auseinandersetzens zwischen den verschiedenen Sparten eingedrungen ist.
Wir bitten sehr, uns die Möglichkeit zu geben, das alles wenigstens im Grundsatz vorab zu klären. Wenn wir diese Möglichkeit nicht bekommen, wird zwangsläufig auch die Beratung in den Ausschüssen über die Gesetzesvorlagen verzögert werden.
Das war unsererseits zu der Sache zu sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß wir Ihre Geduld sehr in Anspruch nehmen. Deswegen haben wir uns geeinigt, daß meine Ausführungen gleichzeitig das Schlußwort für heute sein sollen, es sei denn, daß nach mir noch mehr Redner kommen.
— Sie werden gleich hören, was ich zu sagen habe.
Zunächst möchte ich 'bedauern, daß diese Sitzung heute nicht in Anwesenheit des Bundeskanzlers stattfindet. Der Bundeskanzler 'hat nämlich bei der letzten Debatte gesagt: Ich werde mich der Öffentlichkeit stellen.
— Das tut er nicht. Wenn er es getan hätte, hätte er
heute hier sein müssen und nicht nur die Herren
Postminister und Finanzminister vorschicken dürfen.
Er hätte den letzten Entschluß, den er gefaßt hat, und den vorhergehenden noch einmal zu vertreten gehabt.
Es ist hier bedauernd gesagt worden — auch von Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann —, daß unsachlich gesprochen worden sei. Sie haben gesagt, daß der Kollege Börner unsachlich gesprochen habe. Vielleicht sagen Sie auch von mir, ich spreche unsachlich,
weil ich sagte, daß ich den Bundeskanzler vermisse. Was der Kollege Börner gesagt hat, war durchaus sachlich. Wenn er Sie dadurch geärgert hat, dann kann er dafür nichts. In dieser Sache liegen wir so verschieden, daß es gar nicht ausbleiben kann, daß die Meinungen aufeinanderplatzen.
— Das wäre schön, Herr Kollege Schulhoff.
Herr Bundesminister Dahlgrün ist auch nicht sachlich 'geblieben. Er hat seine Bemerkungen damit eröffnet, 'daß er dem Kollegen Börner seine Jugend vorgehalten und ihm den Sachverstand abgesprochen hat. Wir haben im Laufe dieser Zeit — Herr Kollege Börner ist auch Mitglied des Verwaltungsrates der Bundespost — soviel über diese Dinge gesprochen, daß diejenigen, die sich heute zu Wort gemeldet haben, durchaus das Recht haben, mitzureden, weil sie von der Sache etwas verstehen.
Es war aber schon in den vergangenen Jahren so, daß, wenn der Postetat zur Debatte stand, alle unsere Einwendungen nicht ernst genommen wurden. Wie oft haben wir hier drüben ein Lächeln gesehen oder die Bemerkung gehört, das sei alles nicht so wichtig. Wir haben von diesem Platze aus rechtzeitig gewarnt und entsprechende Maßnahmen verlangt; Sie haben sie aber nicht durchgeführt.
Herr Kollege Müller-Hermann, Sie sprachen von der Monopolstellung. Diese Monopolstellung besteht nur für den Brief- und Zeitungsddenst und für das Fernsprechwesen. Auf allen anderen Gebieten hat die Post keine Monopolstellung, sondern ist sie Wettbewerber; da muß sie ihre Tarife an 'den Tarifen der Wettbewerber ausrichten.
Nun zu dem, was Herr Minister Dahlgrün gesagt hat! Mir ist soeben zugeflüstert worden: 20 Minuten gesprochen und nichts gesagt! Zum Schluß brachte er die Feststellung: Wir stochern alle im Nebel herum. Es ist bedauerlich, daß der Finanzminister in diesem Augenblick noch nicht genau weiß, wie man der Bundespost helfen muß. Auch er wartet auf das Sachverständigengutachten, das wahrscheinlich auch nichts anderes bringt als das, was die Oppositionsvertreter seit Jahr und Tag gesagt haben und was heute allgemeine Auffassung im Postverwaltungsrat ist: Man muß der Bundespost helfen, man muß ihre Finanzstruktur ändern. Man muß diese nicht mehr gerechtfertigte Ablieferung nach dem Umsatz von ihr wegnehmen; man kann ihr etwas anderes auferlegen. Aber das, was jetzt ist, ist sinnwidrig.
Wir haben uns damals, als im Ausschuß und hier im Bundestag der Beschluß gefaßt wurde, an dieser Sachverständigenkommission nicht so interessiert gezeigt, weil wir der Meinung waren, es sei genug Sachverstand vorhanden. Da sitzt ein Minister, da sitzen Staatssekretäre, da sitzen hohe Beamte, die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7407
Cramer
sich ihr Leben lang mit diesem Problem beschäftigt haben. Da ist ein Verwaltungsrat, bestehend aus Sachverständigen. Die alle zusammen sollen nicht wissen, wo der Bundespost der Schuh drückt? So etwas gibt es nicht.
Meine Damen und Herren, überlegen Sie einmal, wann das Gutachten herauskommen soll. Man hat uns gesagt: Vor Mai, Juni nicht. Das heißt: bevor dieser Bundestag auseinandergeht, bekommen wir das Gutachten nicht mehr zu sehen.
— Nein, Herr Schulhoff. Wir kriegen es nicht, ich nicht, Sie nicht und wir alle nicht. Vielleicht bekommt es der Minister noch rechtzeitig. Aber wir haben keine Zeit mehr, nach den Sommerferien dazu Stellung zu nehmen. Und das bedeutet doch, daß die Bundespost noch ein ganzes Jahr, sagen wir es einmal ganz deutlich, so hinwursteln muß. Ich bin überzeugt, die Bundespost wird liquid bleiben, und was hier geunkt wird, nämlich die Post könnte eines Tages die Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen, stimmt nicht. Was eintreten kann, meine Damen und Herren, und was sehr bedauerlich wäre, ist, daß die Post ihre Investitionen nicht in dem Umfang Weiterbetreiben kann, wie es notwendig ist.
360 000 Personen stehen auf der Warteliste derjenigen, die einen Hauptanschluß haben wollen. Sie können ihn nicht bekommen, weil einmal die Mittel fehlen und weil auf der anderen Seite die Industrie gar nicht so schnell nachkommen kann.
— Lachen Sie nicht zu früh! — Ich habe den Minister einmal gefragt, ob er sich nicht erinnert, daß wir schon Zeiten gehabt haben, wo die Industrie in der Lage gewesen wäre, zu liefern, aber der Bund das Geld nicht zur Verfügung gestellt hat. Das haben wir versäumt; es wäre sonst niemals zu einer so langen Liste von Wartenden gekommen, wie wir sie heute haben. Diese Liste wird in acht, neun oder zehn Jahren auch noch vorhanden sein, hoffentlich aber nicht mehr ganz so lang.
In einer Sache stehen wir an der Spitze, bei den Gebühren. Ich habe hier eine Aufstellung; ich weiß nicht, ob sie schon einmal verlesen worden ist: Ein Telefongespräch von drei Minuten über 100 km kostet in der Schweiz 55 Pfennig, in Holland 66 Pfennig, in Frankreich 81 Pfennig, in Belgien 84 Pfennig, in Österreich 1,30 DM, in England 1,68 DM, in Italien 2,09 DM. In der Bundesrepublik hat das gleiche Telefongespräch bis zum 1. Juli 1964 1,92 DM gekostet und seit der Gebührenerhöhung kostet es 2,40 DM. Hier marschieren wir an der Spitze!
— Aber leider nur mit den Preisen, Herr Schulhoff.
Herr Minister Stücklen, wir sind sehr enttäuscht von Ihrer Regierungserklärung. Was haben Sie uns gesagt? Sie haben uns gar nichts gesagt. Sie haben lediglich auf die Tatsache hingewiesen,
daß die Bundesregierung ja gewisse Konsequenzen gezogen habe. Und jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Was ist der Grund dafür gewesen, die Gebührenerhöhung wieder rückgängig zu machen? Sosehr wir uns. darüber freuen, möchten wir doch den Grund mal wissen. Wir haben gefragt, was der Grund gewesen ist, die Gebührenerhöhung rückgängig zu machen. Sie haben uns hier nachzuweisen versucht, daß gegenüber 1963 Mehreinnahmen zu verzeichnen sind. Frage: Was haben Sie erwartet? Sind es die Mehreinnahmen, haben Sie entsprechende Mehreinnahmen erwartet, oder war es etwas anderes, war es der Druck der Öffentlichkeit, der Presse und auch der Opposition, der sie veranlaßt hat, hier einen Rückzieher zu machen, oder war es — was viel wahrscheinlicher ist, weil es zeitlich damit zusammenfiel — der Ausgang der Kommunalwahlen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen?
Das war nach meiner Auffassung der Grund, weil die Entscheidung des Bundeskanzlers so schnell im Anschluß an diese Kommunalwahlen fiel.
Bevor die nächsten Kommunalwahlen in Hessen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz stattfinden konnten, mußte die Gebührenstaffel wieder gesenkt werden.
— Es hat nichts genützt; es wird auch nichts mehr nützen. Es wird auch bis zur Bundestagswahl nichts mehr nützen. Dieses Hick-Hack der Bundesregierung
— das hat ein Kollege von Ihnen, Herr Schulhoff, im Verwaltungsrat gesagt —, dieses Hick-Hack der Bundesregierung und des Bundeskanzlers wird die Bevölkerung nicht vergessen.
Herr Minister Stücklen, Sie tun uns manchmal wirklich leid — ich muß das ganz offen sagen —, wie Sie zum Befehlsempfang hinbestellt werden, Sie und der Bundesfinanzminister, und Ihnen nichts anderes übrigbleibt, als auf den Befehl hin die Gebühren zu senken und zu sagen: Jawohl, Herr Bundeskanzler,
um hinterher die Begründung zu finden, daß die Gebühren deshalb gesenkt werden konnten, weil der Weihnachtsmann vor der Tür steht und uns der Weihnachtsmann mehr Steuern bringt.
Herr Bundesfinanzminister, dieses Weihnachtsmärchen ist zu schön, um wahr zu sein. Wir glauben nicht daran, daß es nur die gefüllte Kasse gewesen ist, die Sie ausnutzen konnten, sondern wir glauben,
7408 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Cramer
daß es politische Entscheidungen sind, politische Entscheidungen, die der Bundeskanzler von sich aus gefaßt hat, fassen mußte, weil sonst noch mehr Unheil im Volke angerichtet worden wäre. Vielleicht hat dazu auch die Äußerung des Herrn Zoglmann beigetragen, der bei der Besprechung im Kanzleramt gesagt hat, die FDP wolle den Fehlschlag der Gebührenerhöhung nicht mehr decken und notfalls in der Telefonfrage mit der SPD stimmen. So wird berichtet, und ich habe keinen Anlaß, daran zu zweifeln.
Die Finanzmisere der Deutschen Bundespost ist nicht über Nacht entstanden, das ist heute schon mehrmals zum Ausdruck gebracht worden. Die Finanzmisere war seit Jahren ersichtlich. Sie mußte kommen, und .die verantwortlichen Leute haben das auch erkannt. Nur hat niemand darauf reagiert. Hier ist auch gesagt worden, daß wir vier Minister verbraucht haben und daß alle vier Minister ihrem Kanzler idas vorgetragen, aber niemals Gehör gefunden haben.
— Herr Kollege Müller-Hermann, das lassen Sie unsere Sorge sein. Ich glaube, daß wir schneller handeln werden als Sie.
Sie bringen mich aber auf einen Gedanken, den hätte ich sonst vergessen. Sie haben noch keinen Entwurf fertiggebracht, Herr Müller-Hermann, Sie nicht. Eine Gruppe von der CSU — ich weiß nicht, ob überhaupt CDU-Leute dabei waren — hat einen Entwurf eingebracht. Er hat nicht die Zustimmung Ihrer Fraktion gefunden, Herr Dr. Besold. Ich habe es bisher noch in keiner Zeitung gelesen. Soviel ich weiß, stehen nur Sie und eine Anzahl Ihrer Kollegen hinter dem Entwurf. Bei uns steht die Fraktion dahinter. Herr Müller-Hermann, Sie können das glauben, Sie können es ruhig hinnehmen: wir würden schnell handeln, wir hätten schnell gehandelt. Wir wären in die Misere, in der wir heute sind, nicht hineingekommen.
— Das ist sehr nett, das ist sehr schön.
Wir alle wissen, daß die heutige Debatte nur den einen Zweck haben konnte, noch einmal auf den Ernst der Situation hinzuweisen. Wir sollten auch nicht warten, bis das Sachverständigengutachten vorliegt. Dann geht es uns wie bei der Bundesbahn mit dem Brand-Gutachten. Es hat Jahre gedauert, bis wir es bekommen haben, und — na schön, geben wir zu: einige Dinge sind vielleicht verwirklicht, aber das ganze Knzept der Brand-Kommission lagert und ruht noch irgendwo in den Schränken und wird nicht verwirklicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Verehrter Herr Kollege Cramer, können Sie mir verraten, welche einzige Schlußfolgerung etwa die SPD-Fraktion bisher aus dem Brand-Gutachten gezogen hat?
Sie wissen doch, Sie und ich und alle Kollegen, die hier sitzen: die meisten sind nicht nur 'für Postfragen zuständig, sondern auch für den Verkehr. Sie wissen, wie oft wir auf Hilfe für die Bundesbahn gedrängt haben. Aber die Bundesregierung verhält sich gegenüber der Bundesbahn anders als gegenüber der Bundespost. Vielleicht war es auch nicht so nötig. Aber der Zeitpunkt ist gekommen, wo die Bundesregierung sich Gedanken machen muß, wie sie dieses ihrer Kinder besser behandeln kann. Die Bundespost ist nicht schlecht. Sie wird nur schlecht behandelt, und zwar von ihren Eigentümern.
Was es hier zu verteidigen gibt, meine Damen und Herren, ist das Vertrauen, das die Bundespost heute noch besitzt. Viele Tausende und aber Tausende Menschen vertrauen ihr Kapital der Bundespost an. Sie sind bisher nicht getäuscht worden, und wir hoffen, daß dieser Tag auch nicht eintreten möge. Das Vertrauen zu verteidigen ist aber Aufgabe der Bundesregierung, und da die Bundesregierung diese Aufgabe nicht erfüllt hat, haben wir die Initiative ergriffen. Wir haben unser Verwaltungsgesetz eingebracht, und wir werden abwarten, wie Sie sich diesem Gesetz gegenüber verhalten werden.
Das Wort hat der Herr Bundespostminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte wegen der vorgeschrittenen Zeit die Tapferen, die hier noch ausgehalten haben, nicht über Gebühr beanspruchen.
Aber zu einigen Ausführungen möchte ich doch kurz etwas bemerken.
Herr Kollege Aschoff, die Ergebnisse auf dem Fernmeldesektor — die Einnahmeentwicklung — werden selbstverständlich, soweit sie vorliegen, immer dem Bundestag und auch der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Ich habe das heute getan, soweit ich dazu in der Lage war, und werde das auch in Zukunft so halten. Für einen Vorausbericht der Kommission, den Sie gewünscht haben, kann ich selbstverständlich keine bindende Zusage machen. Es wäre aber durchaus denkbar, daß die Kommission einen Vorausbericht über einige grundsätzliche Schwerpunktfragen, die zur Beratung anstehen, gibt.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7409
Bundesminister Stücklen
Herr Kollege Cramer, Sie haben moniert, daß der Herr Bundeskanzler nicht anwesend ist. Ich weiß, daß er heute an einer anderen Stelle dringend gebraucht wird. Er hat den Postminister und den Finanzminister hierhergeschickt, und ich glaube, wir sind Ihnen keine Antwort schuldig geblieben. Sollte noch eine Frage offengeblieben sein, bin ich jederzeit bereit, sie auch im Sinne des Bundeskanzlers zu beantworten.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat, daß er zur Zeit wie mit einer Stange im Nebel herumstochern müsse, so bezog sich das, Herr Kollege Cramer, auf die Arbeit der Kommission. Wir wissen nicht, zu welchem Endergebnis die Kommission kommen wird.
Nun darf ich noch eines sagen. Wir können die Kommission, nachdem sie nun einmal da ist und nach meinem Eindruck gewissenhaft, sehr gut und sehr schnell arbeitet, nicht ohne weiteres einfach außer acht lassen, denn dieser Bundestag hat mit Mehrheit diese Kommission gewünscht, die von der Bundesregierung berufen worden ist. Nach meiner Meinung müssen wir dieser Kommission auch das nötige Gewicht geben.
Nun haben Sie, Herr Kollege Cramer — Sie sind etwas sprunghaft —, unsere Fernmeldegebühren mit denen anderer Länder verglichen. Wie ja Vergleiche im allgemeinen überhaupt hinken, so tun sie das in ganz besonderem Maße auf dem Fernmeldesektor. In der Schweiz finden Sie 100 %ige Automatisierung vor. Aber es gibt in der Schweiz keine Zeiteinheitszählung, das heißt, Sie müssen heute noch ungefähr zu 90% in ,der Schweiz das Drei-Minuten-Mindest-Gespräch bezahlen. Das ist doch ein wesentlicher Unterschied. Das war nur ein einziges Beispiel; Sie könnten hundert andere finden, die ebenso hinken. Sie wissen aber, daß die Zeiteinheitszählung, die Impulszählung, das Modernste ist, was es überhaupt auf diesem Gebiet auf der Welt gibt. Wir können stolz darauf sein, daß wir bei uns in Deutschland über diese Zeiteinheitsimpulszählung verfügen.
Weiter fragen Sie, warum wir die Gebühren von 20 auf 18 Pf wieder gesenkt haben. Herr Kollege Cramer! Der Postminister hat den Antrag beim Verwaltungsrat gestellt, weil der Bundesfinanzminister in der Lage war, über das bereits im Frühjahr dieses Jahres — ungefähr im Mai des Jahres 1964 — Konkretisierte hinaus noch 255 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Sie können doch nicht vom Postminister erwarten, daß er, wenn der Finanzminister diese 255 Millionen DM aus Haushaltsmitteln zur Verfügung stellt, sagt: Nein, ich bleibe bei der bisherigen Gebührenerhöhung; wir werden die Senkung nicht durchführen.
Ich hätte gedacht, Sie würden das begrüßen. Man hat aber manchmal beinahe den Eindruck, als ob Sie sich darüber ärgerten, weil Sie vielleicht nicht mehr genügend polemische Argumente auf diesem Gebiet haben.
— Ich würde gern eine Frage gestatten Aber, Herr Cramer — —
— Der Bundesfinanzminister bietet von sich aus nie etwas an!
— Herr Kollege Cramer, sollten Sie selbst einmal in die Verlegenheit kommen, zur Regierungskoalition oder vielleicht zu einer Regierungspartei allein zu gehören, dann würden Sie merken, daß auch der Finanzminister, der von Ihnen gestellt würde, von sich aus nichts anbieten würde. Die Finanzminister werden, sobald sie den Eid vor dem Bundestag abgelegt haben, andere Menschen. Die Gutmütigsten werden zu den Hartnäckigsten, und von Freizügigkeit und Freigebigkeit kann nicht mehr die Rede sein. Wir haben unsere eigenen Beispiele mit unserem unvergeßlichen und hochverdienten Finanzminister Schäffer. Er hätte sich mir gegenüber in dieser Frage genauso verhalten wie der Finanzminister Dahlgrün.
Nun noch eine kleine Berichtigung. Herr Kollege Gscheidle, Sie wissen, daß ich darauf besonders bei Ihnen Wert lege. Sie haben erklärt, ich hätte gesagt, daß die SPD nicht in der Lage gewesen wäre, einen Gesetzentwurf einzureichen. Genau das Gegenteil habe ich gesagt. Ich habe gesagt: „Nun darf ich Ihnen ein Weiteres sagen. Sie haben in Ihrer Fraktion ganz hervorragende Juristen. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel. Diese Juristen waren nicht in der Lage, einen Initiativgesetzentwurf für eine Novelle zum Postverwaltungsgesetz vorzulegen, sondern sie haben die Bundesregierung aufgefordert."
— Herr Kollege Gscheidle, ich darf darauf hinweisen, daß die SPD nur deshalb keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat, weil sie nicht gleichzeitig die Deckungsvorlage machen wollte, und ich habe gerade in dem zitierten Satz ja gesagt, daß ich durchaus der .Überzeugung bin, daß Sie in der SPD hervorragende Juristen haben, die selbstverständlich einen solchen Gesetzentwurf auf die Beine stellen können. Das hat sich nun auch erwiesen; der Gesetzentwurf liegt ja vor.
— Ich habe nur moniert, und davon nehme ich gar nichts zurück. Die Funktion einer Opposition ist, die Regierung zu kontrollieren, und wenn Sie der Regierung den Vorwurf machen, sie habe versagt, sie habe keine Initiative zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes ergriffen, so stelle ich nach wie vor fest, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, nach der Geschäftsordnung jede Möglichkeit gehabt haben, wie jetzt im Jahre 1964 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes vorzulegen.
7410 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964
Bundesminister Stücklen
Herr Kollege Cramer, Sie haben meist bei den Haushaltsberatungen, wenn mein bescheidenes Gehalt behandelt worden ist, die Streichung beantragt. Stellen Sie sich einmal vor, was meine Frau und meine Kinder zu Hause gemacht hätten, wenn dieser Antrag durchgegangen wäre!
Herr Kollege Cramer, Sie haben hier immer dagegen polemisiert. Sie haben gesagt, es müsse etwas geschehen. Wenige Tage danach kam immer das Haushaltsgesetz zur Verabschiedung. Stellen Sie sich einmal vor, wie eindrucksvoll es gewesen wäre, wenn Sie bei der Abstimmung über das Haushaltsgesetz wenigstens in bezug auf § 19 des Postverwaltungsgesetzes den Versuch gemacht hätten, die Abgabe der Post an den Bund zu streichen. Sie haben das nicht getan. Ich weiß, daß die Haushaltsexperten in Ihrer Fraktion nicht die Schwächsten sind, und ich glaube, wenn der Herr Präsident, der hier oben sitzt, dort unten säße, würde er — —
Dann würde ich Ihnen noch etwas anderes sagen.
Ich glaube, Herr Präsident, Sie würden mir nicht widersprechen, wenn ich feststellte, daß bis zum heutigen Zeitpunkt vielleicht nicht die genügenden Erkenntnisse in der Breite des Parlaments
vorhanden waren, obwohl wir uns immer bemüht haben. Aber die Post ist kompliziert, sie ist umfangreich. Warum sollen Sie sich damit abgeben und initiativ werden? Es ist ein Verwaltungsrat da, der die Kompetenzen des Parlaments in gewissem Umfang übernommen hat.
Selbstverständlich.
Lassen Sie mich nun zu den Initiativanträgen ein paar kurze Bemerkungen machen. Ich freue mich, daß die Grundkonzeption des Postverwaltungsgesetzes in bezug auf den Postverwaltungsrat in allen Initiativgesetzentwürfen, die mir bekannt sind, erhalten geblieben ist. Ich halte das für richtig, nicht nur deshalb, weil ein so traditionsreiches Land wie Großbritannien, das Jahrhunderte hindurch den Posthaushalt im allgemeinen Budget hatte, ihn. seit 1961 herausgenommen und zu einem eigenen Sondervermögen gemacht hat, ähnlich der Konstruktion, wie wir sie in Deutschland haben, sondern auch deshalb, weil ich von meinen Kollegen in den übrigen europäischen und außereuropäischen Ländern weiß, daß sie alle die deutsche Konstruktion mit einem eigenen Postverwaltungsrat als eine glückliche Lösung ansehen.
Ich möchte ausdrücklich sagen, daß der Verwaltungsrat sich in der Vergangenheit immer seiner Verantwortung bewußt gewesen ist und daß in diesem Verwaltungsrat immer eine sachlich fundierte Arbeit geleistet worden ist, eine Arbeit, die, ich möchte beinahe sagen, uneingeschränkt frei war von
parteipolitischen Aspekten, die nur von der Zweckmäßigkeit, von der Notwendigkeit und von .der Verantwortung getragen war. Es ist auch gar kein Wunder, daß dieser Verwaltungsrat so gearbeitet hat. Ihm gehören doch ganz hervorragende Persönlichkeiten an. Sie selbst haben 5 Damen und Herren vom Bundestag entsandt. Ihm gehören 5 Minister bzw. Staatssekretäre und Senatoren, erfahrene Vertreter der Wirtschaft und sehr sachverständige Angehörige des Personals an. Ich bin also glücklich darüber, daß diese Grundlage erhalten bleibt.
Nun geht es um die Zuständigkeit des Verwaltungsrates, darum, die Zuständigkeit des Verwaltungsrates so zu erweitern, daß der Verwaltungsrat auch Initiative entfalten kann oder gar die Möglichkeit hat, in die Organisationsgewalt des Ministers oder der Bundesregierung einzugreifen. Das geht zu weit und ist meiner Meinung nach nicht möglich. Das ist die Verantwortung des Ministers, das ist die Verantwortung der Bundesregierung. Es geht um das Zusammenwirken zwischen Bundesregierung und Verwaltungsrat, damit, wenn der Bundespostminister mit einer Maßnahme nicht einverstanden ist und die Bundesregierung zur Entscheidung anruft, eine bessere Harmonie, ja eine bessere Respektierung des Beschlusses des Verwaltungsrates erreicht wird. Einverstanden, ganz besonders von mir aus einverstanden! Ich glaube, da werden Sie von seiten der Regierung keinerlei Widerstände haben.
Ein ganz wichtiger Komplex, meine Damen und Herren, ist natürlich die Haushaltsführung; dieser § 15, der der Post heute auferlegt, die Ausgaben aus den Einnahmen zu bestreiten. Dieses Prinzip wird auch in den vereinigten beiden Initiativgesetzentwürfen in vollem Umfang aufrechterhalten, allerdings mit gewissen Ergänzungen. Diese Ergänzungen sind auf einem Sektor unbestritten richtig: Es muß dann, wenn die Deutsche Bundespost oder der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost zur Deckung des Haushalts einen entsprechenden Vorschlag macht, und dieser Vorschlag — ganz gleich, aus welchen Gründen — auf Grund der im Gesetz vorgesehenen Zuständigkeit von der Bundesregierung abgelehnt wird, für die Bundespost eine Ersatzleistung eintreten; denn sonst ist sie nicht in der Lage, in eigener Verantwortung diese Aufgaben zu erfüllen.
Die Aufstockung des Eigenkapitals ist ja nicht so sehr eine Frage der Liquidität der Deutschen Bundespost, sondern ist vielmehr eine Frage der Kontinuität der Deutschen Bundespost, der Investitionen der Deutschen Bundespost, weil es einfach gänzlich unmöglich ist, daß ein Unternehmen wie die Post, das auf mindestens 18 Monate voraus disponieren muß, d. h. immer die Vorausermächtigung braucht, so unsicher in ein Haushaltsjahr hineingeht. Seitdem ich mit der Post zu tun habe, nicht nur als Minister, sondern schon als Mitglied des Verwaltungsrates, haben wir immer die Bange gehabt: Wird der Kapitalmarkt uns die Investitionen ermöglichen? Die Bestellungen für 1965 sind schon jetzt im laufenden Haushaltsjahr beinahe abgeschlossen, weil wir Durchlaufzeiten von 18 Monaten haben: Also die
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1964 7411
Bundesminister Stücklen
Eigenkapitalausstattung erfolgt nicht aus der Sorge um Liquidität, sondern wegen der Kontinuität.
Allerdings ist hier im SPD-Entwurf eine sehr beachtliche Auflage gemacht worden, daß auch das Eigenkapital marktgerecht verzinst werden muß. Marktgerecht würde heute heißen: 6 %. Das Fremdkapital muß sowieso mit 6 % verzinst werden. Und nun auch das gesamte Eigenkapital, das 45 bis 50 % des Gesamtkapitals ausmachen soll? Das würde bei einem Kapitalvermögen von 15 Milliarden der Deutschen Bundespost 900 Millionen DM Zinsen kosten.
— Herr Kollege Gscheidle, ich habe gesagt, das Gesamtkapital sind 15 Milliarden DM.
Das Fremdkapital muß sich sowieso verzinsen.
Jetzt kommt auch das Eigenkapital hinzu. Bei dem jetzigen Eigenkapital von 1,3 Milliarden DM spielt das keine Rolle. Wir müssen sehen, daß das ein Kostenfaktor ist, der durchaus betriebswirtschaftlich anerkannt werden muß. Wir dürfen uns nur nicht täuschen, wir dürfen nicht annehmen, daß, selbst wenn der § 21 ersatzlos gestrichen würde, damit die Situation der Deutschen Bundespost auf Jahre hinaus auf jeden Fall gesichert wäre.
Die politischen und die betriebsfremden Lasten brauche ich nicht weiter anzusprechen. Rücklagen, — das ist auch eine Sache, über die man diskutieren kann. Die Abgabe an den Bund. Ich wundere mich immer über die Freude an der akademischen Diskussion darüber, was diese Abgabe ist. Ist sie eine Monopolabgabe, ist sie ein Ersatz für Steuern, für welche Steuern und ohne Rücksicht? Das ist von mir aus gesehen nicht einmal das Entscheidende. Solange dieser Kostenfaktor einer Ablieferung an den Bund abgewälzt werden kann über die Tarife, konnten wir auch von der Deutschen Bundespost aus dem Finanzhaushalt diesen Betrag zuführen. Wenn sich aber die Tarifgestaltung so entwickelt, daß der Betrieb der Bundespost leidet oder der Kunde der Deutschen Bundespost ungerechtfertigt belastet wird, müssen eben diese Kostenfaktoren streng unter die Lupe genommen werden.
— Natürlich, Herr Kollege Gscheidle. Ich möchte nur sagen, daß man heute eben die Tarifgestaltung einer nationalen Post nicht mehr nur unter dem nationalen Gesichtspunkt betrachten darf, sondern gerade die
Tarife der Post Deutschlands als eines Mitglieds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auch im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sehen muß. Die Postminister der EWG-Länder haben sich bereits in der letzten Sitzung bemüht, einen Termin festzusetzen, zu dem eine Harmonisierung der Tarife im EWG-Raum erfolgen soll.
Eine Harmonisierung der Endpreise bedeutet aber auch eine Harmonisierung oder eine ungefähr gleiche Gestaltung der Kosten bei der Deutschen Bundespost. Und da fällt dieser § 21 eben völlig aus dem Rahmen, weil es keine Postverwaltung der Welt gibt, die eine solche Bestimmung hat, wie sie bisher nach dem Postverwaltungsgesetz praktiziert werden mußte.
Ich darf damit meine Bemerkungen abschließen und mich bedanken für die konstruktiven Beiträge, die heute geleistet worden sind. Ich bin der Meinung, daß die beiden Gesetzesinitiativen, die Novellen zu dem geltenden Postverwaltungsgesetz, eine wertvolle Grundlage sein können für die weitere Arbeit, die noch ergänzt werden wird durch den Bericht der Kommission.
Sie dürfen sicher sein, daß all unser Bestreben darauf gerichtet ist, daß Deutschland als ein hochentwickeltes Industrieland im Herzen Europas in der Lage ist, seine Aufgabe in bezug auf die Deutsche Bundespost im nationalen und internationalen Bereich zu erfüllen. Die Aufgabe besteht darin, die Gegenwart zu meistern und die Zukunft zu erkennen.
Damit ist die Aussprache geschlossen.
Die beiden Anträge, die hier zur Diskussion standen, nämlich der Antrag der Abgeordneten Dr. Besold, Strauß usw. und der Antrag der Fraktion der SPD, sollen an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen und an den Haushaltsausschuß — gemäß § 96 der Geschäftsordnung — überwiesen werden. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden. — Es ist so beschlossen.
Zu dem Antrag der Fraktion der FDP liegen der Schriftliche Bericht des Ausschusses und ein Antrag vor; sie finden ihn auf der Rückseite. Der Ausschuß beantragt, den Antrag der Fraktion der FDP und die zu dem Antrag eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. Es wird nicht widersprochen. — Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Mittwoch, den 9. Dezember, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.